Protokoll:
16114

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 114

  • date_rangeDatum: 19. September 2007

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:16 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/114 BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Blumentritt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee, Bundesminister BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee, Bundesminister BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee, Bundesminister BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Mücke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee, Bundesminister BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 16/6367, 16/6380) . . . . . . . . . . Dringliche Frage 1 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beteiligung bzw. Information der Bundes- regierung im Zusammenhang mit der Be- rufung des bayrischen Ministerpräsiden- ten, Dr. Edmund Stoiber, nach dem Ende seiner Amtszeit zum künftigen Leiter einer Expertengruppe der Europäischen Union zum Bürokratieabbau 11753 B 11754 A 11754 A 11754 C 11754 D 11755 B 11755 B 11755 D 11756 A 11759 C Deutscher B Stenografisc 114. Si Berlin, Mittwoch, den I n h a Zur Geschäftsordnung Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Uwe Küster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Jahresbe- richt der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2007 Wolfgang Tiefensee, Bundesminister 11747 B 11748 C 11750 A 11751 A 11751 C Andrea Wicklein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee, Bundesminister BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11756 D 11757 A undestag her Bericht tzung 19. September 2007 l t : Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee, Bundesminister BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee, Bundesminister BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee, Bundesminister BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaas Hübner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee, Bundesminister BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11757 C 11757 C 11758 A 11758 B 11758 C 11758 D 11759 A 11759 A Antwort Günter Gloser, Staatsminister für Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11759 C II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 114. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2007 Zusatzfragen Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dringliche Frage 2 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswahlkriterien für die Berufung von EU-Mitarbeiterinnen und EU-Mitarbei- tern sowie Erfüllung dieser Qualifikations- merkmale durch Dr. Edmund Stoiber Antwort Günter Gloser, Staatsminister für Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Zeil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dringliche Frage 3 Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Haltung der Bundesregierung zu der laut Presseberichten erhobenen Forderung des französischen Außenministers Bernard Kouchner nach Verhängung von Sanktio- nen der Europäischen Union gegen den Iran sowie nach Vorbereitung auf einen etwaigen Krieg gegen den Iran Antwort Günter Gloser, Staatsminister für Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dringliche Frage 4 Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bewertung der Äußerungen des französi- schen Außenministers Bernard Kouchner durch die Bundesregierung vor dem Hin- tergrund der Bemühungen um Klärung of- fener Fragen zum iranischen Atompro- gramm Antwort Günter Gloser, Staatsminister für Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11759 D 11760 B 11760 C 11760 C 11761 A 11761 B 11761 C 11762 A 11762 B 11762 C Zusatzfragen Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dringliche Frage 5 Cornelia Hirsch (DIE LINKE) Konsequenzen der Bundesregierung aus den am 18. September 2007 veröffentlich- ten Ergebnissen der OECD-Studie „Bil- dung auf einen Blick“ Antwort Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Cornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Mündliche Frage 2 Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konkrete Pläne zur Steuerbefreiung für die umweltfreundliche Energieversorgung von in Häfen liegenden Schiffen Antwort Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Fragen 3 und 4 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Initiativen und Zeitplan des Bundesver- kehrsministers zur Einführung der Fahr- radmitnahme im ICE-Fernverkehr der bundeseigenen DB AG nach dem Scheitern des vom Bundesverkehrsminister vorge- schlagenen Pilotversuchs zur Fahrrad- mitnahme im ICE seitens der DB AG; Argumentation der DB AG sowie Nach- vollziehbarkeit dieser Begründung durch das Bundesverkehrsministerium Antwort Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11762 D 11763 B 11763 C 11763 D 11764 D 11765 A 11765 C 11766 A 11766 B 11766 C 11766 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 114. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2007 III Mündliche Frage 5 Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) Vorlage einer Nachhaltigkeitszertifizierung für Import-Biokraftstoffe bei importiertem Soja- und Palmöl mit Blick auf die negati- ven sozialen und ökologischen Folgen auf- grund des industriellen Plantagenanbaus in den Erzeugerländern sowie Pläne der Bundesregierung zu Importbeschränkun- gen bzw. einem Förderausschluss bei der EEG-Verstromung solcher Produkte Antwort Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 8 Cornelia Hirsch (DIE LINKE) Vorliegendes Zahlenmaterial über die nach Maßgabe der personellen und sächlichen Ausstattung ausfinanzierten Studienplätze in Deutschland Antwort Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Cornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 14 Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE) Konsequenzen der Bundesregierung aus dem erneuten Gammelfleischskandal für die Lebensmittelsicherheit in der Bundes- republik, insbesondere hinsichtlich der strafrechtlichen Sanktionierung von Gam- melfleischproduktion und -lagerung Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 15 Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE) Aktivitäten der Bundesregierung zur Ver- meidung der Darstellung des Gammel- fleischskandals als spezifisches Problem der Dönerbranche Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11768 C 11769 A 11769 D 11770 A 11770 C 11771 C 11771 C Mündliche Frage 18 Ina Lenke (FDP) Bundesländer mit zugelassenen privatge- werblichen Anbietern als Träger von Kin- derbetreuungseinrichtungen und der da- mit verbundenen Berechtigung auf Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds sowie Zulassungsvoraussetzungen in den jeweili- gen Ländern Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 19 Ina Lenke (FDP) Unterstützung für private und privatge- werbliche Initiativen zur Kindertagesbe- treuung insbesondere bei den Beratungsan- geboten sowie geplante Verbesserung des Wettbewerbs bei der Kinderbetreuung durch die Bundesregierung Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 20 Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Termin und Höhe der angekündigten För- dermittel gegen den Rechtsextremismus für den Landkreis Torgau-Oschatz aus dem Programm „Jugend für Vielfalt, Tole- ranz und Demokratie“ Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 27 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Kenntnis und Bestätigung der laut Presse systematischen Folterungen und des Ein- satzes einer „Extreme Reaction Force“ im US-Gefangenenlager Guantánamo Antwort Günter Gloser, Staatsminister für Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11771 D 11772 B 11772 C 11772 D 11773 B 11773 C 11774 B IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 114. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2007 Zusatzfragen Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Mündliche Frage 28 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Bereitschaft der Bundesregierung, das US- Gefangenenlager Guantánamo auf die Tagesordnung der UNO-Menschenrechts- kommission zu setzen Antwort Günter Gloser, Staatsminister für Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP: Haltung der Bundesregierung zu den Äußerungen des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, in Ter- rorabsicht entführte Flugzeuge ohne ge- setzliche Grundlage abschießen zu lassen Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . . Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Siebert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Frank Hofmann (Volkach) (SPD) . . . . . . . . . . Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Jörn Thießen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11774 D 11775 B 11775 B 11776 A 11777 A 11778 A 11779 A 11780 B 11781 A 11782 C 11783 C 11784 B 11785 C 11786 C 11787 D 11788 D 11789 A 11791 A Anlage 2 Mündliche Frage 1 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bestätigung von installierten und bis min- destens 18. Oktober 1977 betriebenen Ab- höranlagen im Gefängnis von Stuttgart- Stammheim mit Kenntnis und Unterstüt- zung der Bundesbehörden laut Pressemel- dung sowie Bewertung möglicher Abhörer- gebnisse durch die Bundesregierung Antwort Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Mündliche Frage 6 Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Klärung der Federführung in der Proble- matik „Lärmbelästigung durch Speed- boote in der Lübecker Bucht“ zwischen dem Bundesumwelt- und Bundesverkehrs- ministerium Antwort Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Mündliche Frage 9 Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Jeweils entstandene Kosten durch die neue Büroeinrichtung für den Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregie- rung (BPA), Staatssekretär Ulrich Wilhelm, und für den stellvertretenden Chef des BPA, Michael Sternecker, sowie Gründe für den Ersatz der Büroeinrich- tung des ehemaligen Regierungssprechers Béla Anda Antwort Ulrich Wilhelm, Staatssekretär und Chef des Presse- und Informationsamtes . . . . . . . . Anlage 5 Mündliche Fragen 10 und 11 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einigung in der Postbranche mit Verdi auf einen Mindestlohn als ausreichende Vo- raussetzung für eine branchenweite Aus- dehnung des Mindestlohnes mithilfe des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes 11791 B 11791 C 11792 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 114. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2007 V Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Mündliche Fragen 12 und 13 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Beteiligung von Lobbyisten am Gesetzent- wurf zum Waffenänderungsgesetz 2007, insbesondere direkt im Bundesministerium des Innern, sowie in der Zeit von 2003 bis 2007 geflossene Sponsoringmittel an Bun- desbehörden von Lobbyisten im Zusam- menhang mit einer möglichen Entschär- fung des Waffenänderungsgesetzes Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Mündliche Fragen 16 und 17 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Existenz eines ordnungsgemäßen Monito- ringplans für MON 810 der Firma Monsanto gemäß der Anordnung des Bun- desamtes für Verbraucherschutz und Le- bensmittelsicherheit (BVL) vom 27. April 2007 sowie Haltung der Bundesregierung zur nachträglichen Anordnung von Moni- toringpflichten auch in den gentechnisch veränderten Maisfreisetzungsversuchen der Firma Pioneer aufgrund analoger Risiken Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Mündliche Frage 21 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Stellungsnahme der Bundesregierung zur Einberufung des Wehrpflichtigen L. zum Zivildienst durch das Bundesamt für Zivil- dienst (BAZ) am 6. September 2007 trotz vorheriger Verneinung bekannter Fälle von Zivildiensteinberufungen anerkannter Kriegsdienstverweigerer vor der Unan- fechtbarkeit ihrer Musterbescheide sowie Handlungsanweisungen der Bundesregie- rung an das BAZ zur Lösung im Fall des zweimal rechtswidrig behandelten Kriegs- dienstverweigerers L. Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11792 B 11792 C 11793 A 11793 B Anlage 9 Mündliche Frage 22 Frank Spieth (DIE LINKE) Jeweils unterschiedliche Anzahl der aner- kannten Fälle nach dem Anti-D-Hilfegesetz in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (Bundestagsdrucksache 16/4006) vom 8. Januar 2007 und im Schreiben an die Hepatitis-C-Betroffenenverbände vom 28. August 2007 Antwort Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Mündliche Fragen 23 und 24 Sibylle Laurischk (FDP) Anzahl der Eltern im Jahr 2006 mit Kran- kengeldbezug für die Freistellung bei Er- krankung ihres Kindes und der damit ver- bundenen Anzahl der Freistellungstage sowie daraus entstandene Kosten für die Krankenkasse; Kostenentwicklung im Ver- gleich zu den Jahren 2003 bis 2005 Antwort Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Mündliche Fragen 25 und 26 Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) Gründe für die weiterhin unterschiedli- chen Gebühren in den neuen und alten Bundesländern für den Berufsstand der Tierärzte nach Inkrafttreten des Vertrags- arztrechtsänderungsgesetzes (VÄndG) am 1. Januar 2007 sowie geplante Maßnahmen zur Beseitigung dieser Ungleichheit Antwort Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Mündliche Fragen 29 und 30 Monika Knoche (DIE LINKE) Bestätigung von Medienberichten zum öf- fentlichem Protest bei gleichzeitig privater Zustimmung der Bundesregierung im Falle einer Bombardierung Irans wegen seines 11794 A 11794 A 11794 C VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 114. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2007 Atomprogramms durch die USA; Bestäti- gung der Erwägung eines Militärschlags gegen den Iran durch die US-Regierung nach dem Rückzug Deutschlands zur Un- terstützung von härteren Sanktionen gegen Teheran zum Schutz der Stabilität der deutschen Handelsbeziehungen mit dem Iran Antwort Günter Gloser, Staatsminister für Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11795 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 114. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2007 11747 (A) (C) (B) (D) 114. Si Berlin, Mittwoch, den Beginn: 1
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    Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 114. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2007 11789 (A) (C) (B) (D) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Berichtigung 113. Sitzung, Seite 11737, (C) 1. Absatz, der vierte Satz ist wie folgt zu lesen: „Manche mögen vielleicht sa- gen, das sei nur Doppik oder Technik.“ Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 114. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2007 11791 (A) (C) (B) (D) len im Gefängnis in Stuttgart-Stammheim im 7. Stock Abhör- anlagen mit Kenntnis oder Unterstützung von Bundesbehör- den (Generalbundesanwalt, Bundeskriminalamt, Bundesamt vorschriften in den einschlägigen gesetzlichen Regelun- gen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Alfred Hartenbach auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/6367, Frage 1): Bestätigt die Bundesregierung, dass im Jahr 1977 in Zel- Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adam, Ulrich CDU/CSU 19.09.2007* Bodewig, Kurt SPD 19.09.2007** Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.09.2007 Dzembritzki, Detlef SPD 19.09.2007 Ernst, Klaus DIE LINKE 19.09.2007 Gröhe, Hermann CDU/CSU 19.09.2007 Kressl, Nicolette SPD 19.09.2007 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.09.2007 Lämmel, Andreas G. CDU/CSU 19.09.2007 Leibrecht, Harald FDP 19.09.2007 Nitzsche, Henry fraktionslos 19.09.2007 Pflug, Johannes SPD 19.09.2007* Rachel, Thomas CDU/CSU 19.09.2007 Raidel, Hans CDU/CSU 19.09.2007** Rawert, Mechthild SPD 19.09.2007 Scholz, Olaf SPD 19.09.2007 Strothmann, Lena CDU/CSU 19.09.2007 Wegner, Kai CSU/CDU 19.09.2007 Anlagen zum Stenografischen Bericht für Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst oder der Gruppe Fernmeldewesen; des Bundesgrenzschutzes) instal- liert und noch bis mindestens 18. Oktober 1977 in Betrieb wa- ren (vergleiche Der Spiegel vom 9. September 2007), und wie bewertet die Bundesregierung bejahendenfalls die Erkennt- nisse aus diesem Abhören? Die Bundesregierung hat derzeit keine Hinweise da- rauf, dass im Jahr 1977 in Zellen im 7. Stock der Justiz- vollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim vom Generalbun- desanwalt, dem Bundeskriminalamt oder der „Gruppe Fernmeldewesen“ des Bundesgrenzschutzes Abhörmaß- nahmen initiiert oder durchgeführt worden sind oder diese Stellen an entsprechenden Maßnahmen beteiligt waren. Auch bestehen keine Hinweise, dass diese Stellen Kenntnisse über Abhörmaßnahmen anderer Dienststel- len gehabt haben. Anlage 3 Antwort der Parl. Staatssekretärin Astrid Klug auf die Frage des Abgeordneten Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/6367, Frage 6): Wann entscheidet die Bundesregierung über die Federfüh- rung eines Bundesministeriums bei der Problematik „Lärmbe- lästigung durch Speedboote in der Lübecker Bucht“, um die Unklarheiten in der Kompetenzverteilung zwischen dem Bun- desministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit zu beenden und die Problematik inhaltlich in Ab- stimmung mit allen Beteiligten zu lösen? An die genannten Bundesministerien sind Beschwer- den von Bürgerinitiativen und von einzelnen Bürgerin- nen und Bürgern über Lärmbelastungen durch besonders stark motorisierte und schnelle Sportboote, sogenannte Speedboote, in der Lübecker Bucht herangetragen wor- den. Durch die Festlegung einer Höchstgeschwindigkeit von 15 Kilometer pro Stunde für ausgewiesene küsten- nahe Bereiche der Lübecker Bucht wurde seitens des Bundes eine Maßnahme zur Gewährleistung von Sicher- heit und Leichtigkeit des Verkehrs ergriffen, von der auch weiter zu verfolgende Beiträge zur Verringerung von Lärmbelastungen erwartet werden. Weitere Handlungsoptionen werden derzeit geprüft. In die Prüfungen sollen auch die Ergebnisse eines Ge- sprächs einfließen, das in Kürze auf Vorschlag des Bun- desumweltministeriums mit Abgeordneten aus der be- troffenen Region, dem Bundesverkehrsministerium und Vertretern einer örtlichen Bürgerinitiative geführt wird. Die federführende Zuständigkeit für Maßnahmen zur Verminderung oder Vermeidung spezifischer Lärmpro- bleme durch Sportboote bestimmt sich nach den rechtli- chen und fachlichen Zuständigkeiten für die jeweilige Maßnahme, insbesondere aufgrund der Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen und Verwaltungs- 11792 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 114. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2007 (A) (C) (B) (D) Anlage 4 Antwort des Staatssekretärs Ulrich Wilhelm auf die Frage des Abgeordneten Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/6367, Frage 9): Welche Kosten sind durch die neue Büroeinrichtung des Chefs des Presse- und Informationsamtes der Bundesregie- rung, Staatsekretär Ulrich Wilhelm, und des Stellvertretenden Chefs des Presse- und Informationsamtes der Bundesregie- rung, Michael Sternecker, jeweils entstanden, und warum wurde die vom ehemaligen Regierungssprecher Béla Anda in der letzten Legislaturperiode beschaffte hochwertige Einrich- tung ersetzt? Die Büroeinrichtung des Chefs und des Stellvertreten- den Chefs des Presse- und Informationsamtes der Bun- desregierung ist nicht neu, sondern wurde bereits 1999 anlässlich des Erstbezuges des Bürogebäudes beschafft. Danach wurde das Mobiliar weder bei dem Wechsel frü- herer Staatssekretäre noch nach der Amtsübernahme durch Staatssekretär Ulrich Wilhelm ersetzt. Das gleiche gilt für das Büro des Stellvertretenden Chefs. Staatsse- kretär Wilhelm hat die Einrichtung lediglich um ein drei- sitziges Sofa der schon vorhandenen Produktion sowie um zwei Schränke für Handakten ergänzt. Die Kosten für diese Beschaffungen betrugen insgesamt 8 477,77 Euro. Ministerialdirektor Sternecker hat die vorhandene Einrichtung um eine Sitzgarnitur mit Glastisch und einen orthopädischen Bürodrehstuhl erweitert. Die Beschaf- fungskosten dafür betrugen insgesamt 3 224,12 Euro. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Fragen der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/6367, Fragen 10 und 11): Sieht die Bundesregierung nach der Einigung in der Post- branche zwischen dem Arbeitgeberverband Postdienste e. V. (AGV) und der Gewerkschaft Verdi über einen Mindestlohn und deren Beschluss, die Allgemeinverbindlichkeit beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu beantragen, die von der Regierungskoalition ausgehandelten Voraussetzungen erfüllt, sodass wie beabsichtigt zum 1. Januar 2008 durch die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes eine bran- chenweite Geltung erreicht werden kann? Wenn nein, welche Voraussetzungen sieht die Bundes- regierung konkret nicht erfüllt, und wie beurteilt sie vor die- sem Hintergrund die Chancen, dass zeitgleich mit dem Fall des Briefmonopols ein Mindestlohn in der Postbranche einge- führt wird? Der Arbeitgeberverband Postdienste e. V. und Verdi haben mit Schreiben vom 11. September 2007 die Auf- nahme in den Geltungsbereich des Arbeitnehmer-Ent- sendegesetzes beantragt. Die Bundesregierung hat am 19. September 2007 einen Gesetzentwurf zur Einbezie- hung der Briefdienstleistungen in das Arbeitnehmer-Ent- sendegesetz beschlossen. Die Bundesregierung strebt ei- nen zügigen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens an. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Drucksache 16/6367, Fragen 12 und 13): Welche Lobbyisten bzw. Vertreter von Interessenvereini- gungen haben an der Entwicklung des Gesetzentwurfs zum Waffenrechtsänderungsgesetz 2007 mitgearbeitet, und waren Lobbyisten bzw. Vertreter von Interessenvereinigungen direkt im Bundesministerium des Innern mit der Gesetzesnovellie- rung befasst? Flossen in der Zeit von 2003 bis 2007 Sponsoringmittel an Bundesbehörden von Lobbyisten bzw. Vertretern von Interes- senvereinigungen, die von einer Entschärfung des geplanten Waffenrechtsänderungsgesetzes profitieren könnten? Zu Frage 12: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der aktuelle Ar- beitsentwurf des Waffenrechtsänderungsgesetzes noch keine Kabinettsreife erlangt hat; er befindet sich zurzeit in dem nach § 47 Abs. 1 der Gemeinsamen Geschäfts- ordnung der Bundesministerien vorgesehenen Stadium der Beteiligung von Ländern und Verbänden. Das Bundesministerium des Innern steht, so wie es auch in anderen Rechtsbereichen üblich ist, in Kontakt mit den Interessenvereinigungen, die von den Auswir- kungen gesetzlicher Änderungen im Waffenrecht betrof- fen sind. Hauptansprechpartner ist dabei das Forum Waffenrecht e. V., ein Zusammenschluss der Sportschüt- zenverbände, Waffenhersteller, Waffenhändler, Waffen- sammler und Jäger. Nähere Informationen zu den im Forum Waffenrecht e. V. organisierten zahlreichen Ver- bänden und Mitgliedern sind auf der Internetseite www.fwr.de abrufbar. Darüber hinaus wurden beispiels- weise auch die Wassersportverbände (Bundesverband Wassersportwirtschaft e. V., Fachverband Seenotret- tungsmittel e. V., Deutscher Motoryachtverband e. V.) wegen der Regelung des Sachkundenachweises beim Umgang mit Signalpistolen beteiligt. Grundsätzlich gilt, dass Anliegen von Interessenvereinigungen im Bereich des Waffenrechts nur Berücksichtigung finden können, soweit Sicherheitsbelange dadurch nicht beeinträchtigt werden. Der Arbeitsentwurf eines Gesetzes zur Ände- rung des Waffenrechts und weiterer Vorschriften (Waf- fenrechtsänderungsgesetz) wurde im Bundesministerium des Innern von dem Fachreferat erarbeitet, das für das Waffenrecht zuständig ist. Lobbyisten bzw. Vertreter von Interessenvereinigungen waren mit der Erstellung des Gesetzentwurfs im Bundesministerium des Innern nicht befasst. Zu Frage 13: Der Bundesregierung liegen hierfür nach Prüfung der im Bereich des Bundesministeriums des Innern und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie er- fassten Sponsorleistungen keine Anhaltspunkte vor. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 114. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2007 11793 (A) (C) (B) (D) Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 16/6367, Fragen 16 und 17): Wurde gemäß der Anordnung des Bundesamtes für Ver- braucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vom 27. April 2007 ein Monitoringplan für MON 810 durch die Firma Monsanto eingereicht, und entspricht er den fachlichen Vorgaben des BVL? Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung zu der Frage, ob die Einschätzung der Risiken, die der Anordnung der Monitoringpflichten für Monsanto zugrunde liegen, auch in den gentechnisch veränderten Mais-Freisetzungsversuchen der Firma Pioneer (Az. 6786-01-0179, 0180, 0181) zur nach- träglichen Auflage der Beobachtung dieser nunmehr bekann- ten Risiken für Nichtzielorganismen und Bodenorganismen führen müssen? Zu Frage 16: Die Firma Monsanto hat einen Monitoringplan für MON 810 beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) eingereicht. Dieser Moni- toringplan wurde als Teil des Antrages auf Verlängerung der Genehmigung des Inverkehrbringens bei der EU ein- gereicht. Die von Monsanto eingereichten Unterlagen werden derzeit daraufhin untersucht, ob die Anforderun- gen des Bescheides des BVL erfüllt werden. Zu Frage 17: Die Frage zielt auf die Erforderlichkeit der Anord- nung von Monitoringpflichten bei experimentellen Frei- setzungsexperimenten und hier insbesondere der ange- sprochenen Freisetzungsexperimente der Firma Pioneer ab. Die Bundesregierung ist in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Richtlinie 2001/18/EG der Auffas- sung, dass zwischen den Überwachungsmaßnahmen bei zeitlich und räumlich begrenzten Freisetzungen von GVO und dem Monitoring von GVO, deren Inverkehr- bringen genehmigt werden soll, zu unterscheiden ist. Bei Freisetzungen werden Entscheidungen und Maßnahmen für den jeweiligen Einzelfall entschieden, der es erlaubt, Spezifikationen des Standortes zu berücksichtigen. Ge- nehmigungen zum Inverkehrbringen von GVO sind nicht in gleicher Weise zeitlich und räumlich begrenzt und sind daher durch entsprechendes, großräumiges Mo- nitoring zu begleiten. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/6367, Frage 21): Wie erklärt die Bundesregierung, dass entgegen ihrer Ant- wort vom 7. September 2007 auf die schriftliche Frage Ar- beitsnummer 8/184 auf Bundestagsdrucksache 16/6368 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, wonach ihr keine Zivildiensteinberufungen anerkannter Kriegsdienstverweige- rer vor Unanfechtbarkeit ihrer Musterungsbescheide bekannt seien, das Bundesamt für den Zivildienst (BAZ) tags zuvor am 6. September 2007 den Wehrpflichtigen G. L. zum Zivil- dienst einberief, obwohl das BAZ zuvor dessen Kriegsdienst- verweigerungsantrag vom 13. Juli 2007 entgegen § 2 Abs. 6 Satz 2 des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes vor Unanfecht- barkeit seines Musterungsbescheids befasst hatte und eine ge- gen diesen gerichtete Klage vom 24. November 2006 bis heute unbeschieden beim Verwaltungsgericht Schleswig unter dem Aktenzeichen 7 A 181/06 anhängig ist, und wie wird die Bundesregierung das Bundesamt für den Zivildienst nun kon- kret anweisen, dem öffentlich-rechtlichen Folgenbeseiti- gungsanspruch dieses zweimal rechtswidrig behandelten Kriegsdienstverweigerers praktisch zu entsprechen, etwa in- dem trotz § 35 des Wehrpflichtgesetzes, § 74 Abs. 2 des Zivil- dienstgesetzes die unrechtmäßig ergangene Einberufung wi- derrufen – statt nur ausgesetzt – wird und bis zur Unanfechtbarkeit des Musterungsbescheids bzw. bis Ende des Rechtswegs auch keine neue Einberufung ergeht? Für die Behandlung eines KDV-Antrages ist grund- sätzlich danach zu unterscheiden, ob ein Musterungs- bescheid oder ein Tauglichkeitsüberprüfungsbescheid zugrunde liegt. Liegt noch kein bestands- oder rechts- kräftiger Musterungsbescheid vor, dann soll der KDV- Antrag nicht an das Bundesamt für den Zivildienst wei- tergeleitet werden. Existiert hingegen – wie im vorlie- genden Fall – schon ein bestands- oder rechtskräftiger Musterungsbescheid sowie ein Tauglichkeitsüberprü- fungsbescheid, der sich noch im Streit befindet, dann hindert dies nicht die Weiterleitung des KDV-Antrages an das Bundesamt für den Zivildienst sowie die Ent- scheidung über den KDV-Antrag (Brecht, Kriegsdienst- verweigerung und Zivildienst, Kommentar, 5. Auflage C. H. Beck München 2004, § 3 Anm.13). Dies ist der Fall bei dem Zivildienstpflichtigen L. Er wurde mit Be- scheid vom 15. März 2004 tauglich gemustert. Auch der Tauglichkeitsüberprüfungsbescheid vom 12. Juli 2006 hat zu keinem anderen Ergebnis geführt. Insofern hat das Kreiswehrersatzamt den zweiten, am 13. Juli 2007 ge- stellten, KDV-Antrag zu Recht an das Bundesamt für den Zivildienst weitergeleitet. Seine Anerkennung als KDV erfolgte mit Bescheid vom 8. August 2007. Eine Einberufung des Herrn L. war auch unmittelbar durch das Bundesamt zu veranlassen. Der Zivildienst- pflichtige hat aufgrund einer durch das Kreiswehrersatz- amt gewährten Zurückstellung, des Tauglichkeitsüber- prüfungsverfahrens sowie von zwei durchgeführten KDV-Anerkennungsverfahren (sein erster Antrag vom 5. Dezember 2006 wurde wegen Nichtvorlage erforder- licher Unterlagen mit Datum von 20. April 2007 abge- lehnt) seine Einberufung so weit herausgezögert, dass er kurz vor Vollendung der Altersgrenze steht. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 Zivildienstgesetz ist bei einer erfolgten Zu- rückstellung eine Einberufung nur dann möglich, wenn das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet wurde. Herr L. wird im November 2007 25 Jahre alt und könnte danach aus rechtlichen Gründen nicht mehr zum Zivildienst ein- berufen werden, was einem Verzicht gleichkäme. Aus diesem Grund hat das Bundesamt die Einberufung des Herrn L. zum 16. Oktober 2007 veranlasst. Eine Anfech- tungsklage gegen einen Tauglichkeitsüberprüfungsbe- scheid hat im Übrigen gemäß § 74 Absatz 2 Zivildienst- gesetz keine aufschiebende Wirkung gegen den Einberufungsbescheid. Somit ist kein rechtswidriges Handeln des Bundesamtes für den Zivildienst zu erken- nen und es besteht auch kein Anlass, einen Folgenbesei- tigungsanspruch zu prüfen. 11794 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 114. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2007 (A) (C) (B) (D) Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rolf Schwanitz auf die Frage des Abgeordneten Frank Spieth (DIE LINKE) (Druck- sache 16/6367, Frage 22): Weshalb hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 8. Januar 2007 (Bundestagsdrucksache 16/4006) und in ihrem Schreiben an die Hepatitis-C-Betroffenenverbände vom 28. August 2007 über die Anzahl der anerkannten Fälle nach dem Anti-D-Hil- fegesetz (1 256 in der kleinen Anfrage zu 2 474 in dem oben genannten Schreiben) unterschiedlich hohe Zahlen genannt, die auch durch die Unvollständigkeit der Angaben nicht er- klärbar sind, und welche entsprechen nicht der Realität? Es wurden unterschiedlich hohe Zahlen genannt, weil die Antworten der Länder, denen die Kleine Anfrage am 21. Dezember 2006 übersandt wurde, unvollständig wa- ren. Darauf war in der Antwort auf die Kleine Anfrage auch ausdrücklich hingewiesen worden. Die mit Schrei- ben vom 28. August 2007 übermittelten Zahlen basieren auf vollständigen Meldungen aller Länder. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rolf Schwanitz auf die Fragen der Abgeordneten Sibylle Laurischk (FDP) (Drucksa- che 16/6367, Fragen 23 und 24): Wie viele Eltern, aufgeschlüsselt in Väter und Mütter, ha- ben an wie vielen Tagen im Jahr 2006 Krankengeld für die Freistellung bei Erkrankung ihres Kindes erhalten? Welche Kosten sind den Krankenkassen im Jahr 2006 durch die Inanspruchnahme der Freistellung von Beschäftig- ten für die Betreuung ihres kranken Kindes entstanden, und wie verhalten sich diese zu den Kosten der Jahre 2003 bis 2005 (vergleiche auch Artikel „Auszeit für die Pflege“ in der FAZ vom 31. August 2007)? Zu Frage 23: In der GKV-Statistik wird nicht die Zahl der Eltern, sondern die Zahl der Leistungsfälle und Leistungstage bei Erkrankung eines Kindes erfasst (Väter und Mütter können mehrfach im Jahr eine Freistellung bei Erkran- kung des Kindes erhalten). Diese fallen für das Jahr 2006 wie folgt aus: Leistungsfälle und Leistungszeiten (Tage) bei Erkrankung eines Kindes Zu Frage 24: Im Jahr 2006 wurden 96,5 Millionen Euro an Kran- kengeld für die Betreuung von kranken Kindern gezahlt. Die Ausgaben der Vorjahre fielen wie folgt aus: Leistungsfälle Leistungstage Männlich 152 236 399 686 Weiblich 804 896 2 065 322 Zusammen 957 132 2 465 008 2005 102,9 Millionen Euro 2004 92,9 Millionen Euro 2003 101,9 Millionen Euro Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rolf Schwanitz auf die Fragen der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) (Drucksache 16/6367, Fragen 25 und 26): Warum ist nach Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsände- rungsgesetzes (VÄndG) am 1. Januar 2007 der tierärztliche Berufsstand der einzige akademische Heilberuf, für den – ent- sprechend der Regelung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 der Bundes- Tierärzteordnung (BTÄO) – in den neuen und alten Bundes- ländern noch unterschiedliche Gebühren gelten? Welche Maßnahmen zur Beseitigung dieser Ungleichheit – die auf die Berücksichtigung des Verhältnisses der für das genannte Gebiet bestimmten Bezugsgröße der Sozialversiche- rung zu der Bezugsgröße für das Gebiet, in dem das Grund- gesetz schon vor dem Beitritt gegolten hat, zurückzuführen ist – sieht die Bundesregierung vor, und wenn nicht, warum nicht? Zu Frage 25: Sie sprechen einen Sachverhalt an, bei dem die Bun- desregierung bereits im Jahre 2005 im Interesse der Tier- ärztinnen und Tierärzte in den neuen Ländern tätig ge- worden ist. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass oder für Änderungen der Gebührenordnung für Tierärzte ist § 12 der Bundes-Tierärzteordnung. Mit dem Ersten Ge- setz zur Änderung der Bundes-Tierärzteordnung vom 15. April 2005 haben wir in § 12 der Bundes-Tierärzte- ordnung die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Höhe der Vergütung für tierärzliche Leistungen in regel- mäßigen Abständen an die wirtschaftliche Entwicklung anzupassen. Dieses Gesetz hat im Januar 2005 fraktions- übergreifend Zustimmung gefunden. Nach dem Gesetz ist das Verhältnis der für das Bei- trittsgebiet geltenden Bezugsgröße – in § 18 SGB IV – zu der für das Gebiet der „alten“ Bundesrepublik Deutschland geltenden Bezugsgröße zu berücksichtigen. Die aufgrund dieses Gesetzes erlassene Erste Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Tierärzte vom 27. April 2005 diente dazu, das Einkommen aus tierärzt- licher Tätigkeit im Beitrittsgebiet im Verhältnis zu ande- ren freien Berufen aufgrund der allgemeinen Entwick- lung in den neuen Ländern entsprechend anzupassen. In § 10 Abs. 1 der Gebührenordnung für Tierärzte ist demgemäß eine Anhebung der Gebühren für tierärztliche Leistungen im Beitrittsgebiet von 84 vom Hundert auf 90 vom Hundert des Westniveaus vorgenommen worden. Die Umsetzung und Auswirkungen der geänderten Rege- lungen in der Praxis, insbesondere auf die allgemeine Mehrbelastung der Nutztierhaltung, waren zunächst abzu- warten. Forderungen der Tierärzteschaft nach Überprüfung der geltenden Regelungen sind auch erstmalig Ende August 2007 an das Bundesministerium für Gesundheit herange- tragen worden. Es wird nun zu prüfen sein, ob weiterhin sachliche Gründe eine unterschiedliche Gebührenerhe- bung der Tierärzte in den neuen und alten Ländern recht- fertigen. Zu Frage 26: Die Ermächtigung in § 12 Abs. 2 der Bundes-Tierärz- teordnung zur Anpassung der Gebühren für tierärztliche Leistungen richtet sich an das Bundesministerium für Gesundheit. Hier lagen konkrete Anhaltspunkte für eine sachliche Ungleichbehandlung nach der erst 2005 er- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 114. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2007 11795 (A) (C) (B) (D) folgten Anpassung bislang nicht vor. Die Zuständigkeit für die Veterinärberufe wird demnächst auf das Bundes- ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz übergeben. Unter Berücksichtigung der ver- schiedenen Einflussgrößen, die für die wirtschaftliche Entwicklung im Beitrittsgebiet maßgeblich sind, wird nach nunmehr zweijähriger Erfahrung mit der geänder- ten Gebührenreglung mit allen Beteiligten überprüft, in- wieweit eine vollständige Angleichung der Gebühren für tierärztliche Leistung an das Westniveau sachlich ge- rechtfertigt und vertretbar ist. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage einer Entkoppelung von der Bezugs- größe zu prüfen sein. Anlage 12 Antwort des Staatsministers Günter Gloser auf die Fragen der Abgeordneten Monika Knoche (DIE LINKE) (Druck- sache 16/6367, Fragen 29 und 30): Trifft es zu, dass die Bundesregierung einer Bombardie- rung des iranischen Atomprogramms durch die USA „privat zustimmen aber öffentlich protestieren“ würde, wie der US- amerikanische Nachrichtensender FoxNews am 12. Septem- ber 2007 berichtete und die österreichische Tageszeitung Der Standard zitierte? Trifft es zu, dass die US-Regierung einen Militärschlag gegen den Iran erwägt, nachdem Deutschland seine Unterstüt- zung für härtere Sanktionen gegen Teheran zurückgezogen hat, um die deutschen Handelsbeziehungen mit dem Iran nicht zu gefährden? Zu Frage 29: Die der Frage zugrunde liegende Behauptung ist aus der Luft gegriffen und abwegig. Zu Frage 30: Der Bundesregierung sind Erwägungen, wie sie der Frage zugrunde liegen, nicht bekannt. 114. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 19. September 2007 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12
Gesamtes Protokol
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611400000

Ich eröffne die Sitzung, liebe Kolleginnen und Kolle-

gen, und begrüße Sie sehr herzlich zu unseren heutigen
Beratungen.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, müssen wir
einen Geschäftsordnungsantrag behandeln.

Die Fraktion der FDP hat einen Antrag auf Erweite-
rung der heutigen Tagesordnung um den Punkt „Auffor-
derung an die Bundesregierung, eine Regierungserklä-
rung zur Lage der inneren Sicherheit in der
Bundesrepublik Deutschland zu beschließen“ gestellt.
Die Fraktion der CDU/CSU hat die Nichteinhaltung der
18-Uhr-Frist für Anträge zur Änderung der Tagesord-
nung gerügt. Mir ist mitgeteilt worden, dass die Fraktion
der FDP nunmehr beabsichtigt, den Antrag auf Erweite-
rung der Tagesordnung unter Abweichung von der Ge-
schäftsordnung gemäß § 126 zu stellen.

Das Wort zur Geschäftsordnung hat nun der Kollege
Koppelin für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1611400100


Rede
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Bundesinnenminister warnt vor Terroristen mit
Atomwaffen. Ist diese Gefährdung konkret, oder gibt es
sie gar nicht?

Der Bundesverteidigungsminister will Flugzeuge in
bestimmten Situationen entgegen der eindeutigen Ver-
fassungslage abschießen lassen. Durch eine Klage, von
Liberalen initiiert, hat das Bundesverfassungsgericht in
einer Entscheidung klar festgestellt, dass das Leben Un-
schuldiger niemals geopfert werden darf.


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Fraktion teilt diese Auffassung, wa
Abstimmungen hier im Parlament immer d
hat.
tzung

19. September 2007

3.00 Uhr

Muss man den Bundesverteidigungsminister eigent-
lich daran erinnern, dass er hier im Parlament geschwo-
ren hat, die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland zu
wahren und zu verteidigen?


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Seine Aussagen stehen in keiner Weise mit seinem
Amtseid in Übereinstimmung. Seine Aussagen sind au-
ßerdem eine Zumutung für die Piloten der Bundeswehr.


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vizekanzler Müntefering hat die Aussage des Bun-
desverteidigungsministers zu Recht zurückgewiesen. Zu
den Äußerungen des Bundesinnenministers erklärt Vize-
kanzler Müntefering:

Ich bin nicht glücklich über diese Art und Weise
des Umgangs mit einer solch ernsthaften Thematik.
Das kann man nicht auf sich beruhen lassen. Da-
rüber muss gesprochen werden.


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


text
Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, darüber muss ge-
sprochen werden. Die Aktuellen Stunden, die in dieser
Woche von den Freien Demokraten und vom Bünd-
nis 90/Die Grünen eingereicht worden sind, reichen da-
für nicht aus.

Die Minister Schäuble und Jung äußern sich so, der
Vizekanzler und die Justizministerin äußern sich im ge-
nau entgegengesetzten Sinn. Für uns und die Menschen
in diesem Land ist es aber wichtig, dass unsere Bundes-
regierung eine einheitliche Meinung und eine einheitli-
che Auffassung zur Lage der inneren Sicherheit hat.

l bei der FDP, der LINKEN und dem
ÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

tragt die Fraktion der Freien Demokraten

s sie in den
okumentiert


(Beifal B Deshalb bean unter Abweichung von der Geschäftsordnung gemäß Jürgen Koppelin § 126 – an die Union gerichtet sage ich: Es ist einfach lächerlich, sich auf acht Minuten zu berufen, um die Debatte zu verhindern –, (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) (C)


(B) (D)


dass der Deutsche Bundestag heute die Bundesregierung
auffordert, eine Regierungserklärung zur Lage der inne-
ren Sicherheit abzugeben. Sollte die Union weiterhin
darauf bestehen, dass der Antrag acht Minuten zu spät
eingereicht wurde, können wir ihn heute noch einmal
stellen, dann findet die Abstimmung morgen statt.


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Bundestagsfraktion der Freien Demokraten hat
das Bundeskanzleramt schriftlich gebeten, eine solche
Regierungserklärung abzugeben, und zwar in dieser Wo-
che hier im Parlament. Die Bundesregierung hat das ab-
gelehnt. Sie nutzen doch sonst jede Gelegenheit zu einer
Regierungserklärung. Warum kneifen Sie hier?


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


So bleibt uns nur, heute diesen Antrag zu stellen. Wir
müssen diesen Antrag stellen, weil Sie sich weigern.

Hier im Deutschen Bundestag und nicht in den Me-
dien haben sich die Bundesminister zu erklären.


(Zuruf von der LINKEN: So ist es!)


Auch die Bundeskanzlerin muss sich erklären. Denn
schließlich haben wir eine Bundesregierung und nicht
zwei Bundesregierungen in einer.


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zu den Aussagen des Bundesverteidigungsministers
wollen wir auch die Meinung der Bundesjustizministerin
hören. Die Medienkampagne der Minister Schäuble und
Jung muss gestoppt werden. Das kann hier durch eine
Regierungserklärung der Bundesregierung geschehen.


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Bundesinnenminister ist ja gleichzeitig auch Ver-
fassungsminister. Wir wünschen uns einen Bundesinnen-
minister, der Aussagen wie die des Verteidigungsminis-
ters eindeutig zurückweist.


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten,
Peter Struck, hat zu Beginn dieser Legislatur erklärt,
dass die SPD-Fraktion auch in der Großen Koalition
selbstbewusst alles prüfen will, was von der Regierung
kommt. Wörtlich sagte Peter Struck: „Dafür ist das Par-
lament da.“ Heute haben die Sozialdemokraten Gelegen-
heit, das, was Peter Struck gesagt hat, unter Beweis zu
stellen.


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Deutsche Bundestag sollte die Bundesregierung
daher heute auffordern, eine Regierungserklärung zur
Lage unserer inneren Sicherheit abzugeben. Wenn wir
dann in dieser Debatte zu dem Ergebnis kommen, dass
wir nicht ständig neue Gesetze zur Bekämpfung des Ter-
rors brauchen, sondern vielmehr gut ausgebildete und
gut ausgerüstete Sicherheitsorgane, deren Personalstand
nicht immer weiter reduziert werden darf, dann wäre
eine solche Debatte ein Gewinn für unser Land.

Ich bitte, unserem Antrag zuzustimmen.


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611400200

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Norbert Röttgen für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Dirk Niebel [FDP]: Der erklärt jetzt die Sprachlosigkeit der Regierung!)



Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1611400300

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Da wir, auch wenn es eine Geschäftsordnungsde-
batte ist, jetzt über die Bedrohung unserer Mitbürger und
auch unseres freiheitlichen Verfassungsstaates durch
Terrorismus sprechen, möchte ich vorschlagen, dass wir
zum Ausgangspunkt dieser Debatte die folgende Frage
wählen: Was erwarten eigentlich die Menschen von der
Politik in der Sache und im Umgang mit dieser Gefähr-
dungs- und Bedrohungslage? Fangen wir doch bei dieser
Frage an.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Walter Kolbow [SPD])


Ich glaube nicht, dass die Bürger erwarten, dass wir,
obwohl es sich um eine existenzielle Bedrohung handelt,
in einem pluralistischen, demokratischen Land alle einig
sind. Aber ich glaube, die Bürger erwarten und können
erwarten,


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Eine Regierungserklärung!)


dass wir uns, weil es um die existenzielle Bedrohung
von Menschen geht, weil es um einen Angriff auf unsere
freiheitliche Verfassungsstaatlichkeit geht, mit diesen
Fragen mit der angemessenen Ernsthaftigkeit und – das
betone ich – mit dem Willen zu demokratischer Gemein-
samkeit beschäftigen. Das können die Bürger erwarten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Weil sie dies von uns erwarten können, habe ich für den
Firlefanz einer Geschäftsordnungsdebatte kein Verständ-
nis.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie beantragen eine Aktuelle Stunde und kritisieren,
dass sie durchgeführt wird.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das ist vorparlamentarisch!)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. Norbert Röttgen
Die Koalition bietet eine parlamentarische Debatte zu
diesem Thema an, möchte eine Sachdebatte vereinbaren,
aber die Opposition möchte sie nicht haben. Sie wollen
Firlefanz statt Sachdebatte. Das ist unverantwortlich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der FDP und der LINKEN)


Ich kann das nicht verstehen: Grüne und FDP verwei-
gern explizit eine Debatte in der Sache. Sie haben es ge-
tan. Befragen Sie einmal Ihre Fraktionsführung dazu.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das Parlament als Firlefanz!)


Ich bin auch deshalb über dieses parlamentarische
Verhalten enttäuscht – die Verweigerung einer Sachde-
batte durch die Opposition –, da nach unserer Auffas-
sung ein 5-Minuten-Stakkato in den Aktuellen Stunden
diesem Thema nicht gerecht wird, auch wenn die Bun-
desminister reden werden. Darum hätten wir gern im Zu-
sammenhang debattiert. Aber das ist Ihre Entscheidung.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie doch eine Regierungserklärung! Dann können Sie das doch!)


Wir werden diese Debatte dann eben so führen.

Ich bin darüber auch deshalb enttäuscht, weil nach
meinem Selbstverständnis als Parlamentarier wir in die-
ser Frage eine originäre Entscheidungsverantwortung
haben, die wir und nicht die Regierung, die darüber ent-
scheidet, ob sie Regierungserklärungen abgibt oder
nicht, auch ausüben müssen, denn wir als Parlament sind
Gesetzgeber. Daher ist die Frage an uns adressiert, wie
wir zum Beispiel mit dem Problem umgehen, das der
Bundesverteidigungsminister aufgeworfen hat.


(Zurufe von der FDP – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Verteidigungsminister hat gesagt, er schert sich nicht ums Gesetz!)


– Vielleicht darf ich diese Frage einmal ausführen. Wir
alle täten gut daran, die Debatte nicht in einem Ton der
Aufregung zu führen, sondern sachangemessen und
nüchtern darüber zu reden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Dann reden Sie nicht von Firlefanz!)


Die Frage, die der Bundesverteidigungsminister auf-
geworfen hat, ist doch folgende: Nach Auskunft, Rege-
lung und Klärung einer Situation durch den Staat, die in
einem rechtlichen und in einem moralischen Dilemma
besteht – –


(Dirk Niebel [FDP]: Die Frage hat das Bundesverfassungsgericht ganz klar beantwortet!)


– Ja, genau. Das Verfassungsgericht hat die Frage beant-
wortet, indem die gesetzliche Lösungsgrundlage zum
Umgang mit dem rechtlichen und mit dem moralischen
Dilemma für verfassungswidrig erklärt wurde.
Das Dilemma besteht darin, dass Terroristen Flugpas-
sagiere als Geiseln nehmen können, um damit andere
Menschen zu töten. Das ist eine Dilemmasituation. Die
Frage, die an den Staat, an den Gesetzgeber gestellt
wird, lautet: Wie gehen wir mit dieser Situation um? Es
wurde versucht, mit dem Luftsicherheitsgesetz eine Ant-
wort zu geben. Das Bundesverfassungsgericht hat sie
kassiert.


(Frank Spieth [DIE LINKE]: Wollen Sie noch einen zweiten Versuch machen?)


Jetzt ist die Rechtslage die, dass der Staat dazu keine ge-
setzliche Auskunft geben kann. Der Verteidigungsminis-
ter hat darauf hingewiesen, dass aufgrund der Rechtslage
in diesem Fall die individuelle strafrechtliche Verantwor-
tung bei den in dieser Situation aktiv Handelnden liegt.
Das sind insbesondere die Soldaten, die dann handeln.
Wenn sie handeln, dann ist gemäß unserer Rechtsordnung
dazu zu sagen: Ihr habt rechtswidrig ein Tötungsdelikt
vorgenommen; ihr könnt euch aber in einem strafrechtli-
chen Verfahren auf einen Entschuldigungstatbestand,
nämlich den des übergesetzlichen Notstandes, berufen.
Da ihr als Soldaten eure Pflicht ausgeübt habt, wird man
dann sehen, ob ihr dafür verurteilt werdet oder nicht.

Der Bundesverteidigungsminister hat gesagt: In die-
ser Rechtslage, die nun einmal da ist, stelle ich klar, dass
die Verantwortung bei mir liegt. Ich verstecke mich nicht
hinter den Soldaten, sondern ich trage die politische Ver-
antwortung für ein solches Verhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Und dann tritt er danach zurück!)


Ich selbst möchte dazu sagen: So zutreffend wie nach
meiner Beurteilung das Amtspflichtverständnis des Bun-
desverteidigungsministers ist, so unerträglich ist die Si-
tuation, dass der Staat als Ganzes kneift und sich hinter
dem Rücken der Soldaten, die handeln müssen, ver-
steckt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das ist eine staatliche Form von Feigheit, die wir nicht
akzeptieren können.

Der Bundesinnenminister hat seine Pflicht getan, in-
dem er nüchtern auf die Gefährdungslage dieses Landes
hingewiesen hat. Das muss er tun, und zwar nicht aufre-
gend und nicht hysterisierend. Er hat in der Zeit, in der
noch Vorbeugung möglich ist, auf die Gefährdungslage
hingewiesen. Er hat nicht nur auf die Gefahr hingewie-
sen, sondern er hat auch an uns appelliert und Vor-
schläge dahin gehend gemacht, dass der Staat alles
rechtsstaatlich Nötige und rechtsstaatlich Mögliche tun
muss, um Terrorismus in diesem Land abzuwehren.

Unsere Auffassung als CDU/CSU-Fraktion ist: Der
Rechtsstaat hat im Wissen darum, dass es absolute Si-
cherheit nicht gibt, das ihm rechtsstaatlich Nötige und
Mögliche noch nicht getan. Wir als Gesetzgeber sind auf-
gerufen, aus der Verantwortung den Bürgern gegenüber,
in diesem Land Sicherheit in Freiheit zu ermöglichen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Darüber muss eine Debatte geführt werden.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Norbert Röttgen

(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Der Deutsche Bundestag muss in diesen Fragen die
Entscheidung treffen. Wir sind dazu bereit, diese Verant-
wortung wahrzunehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611400400

Nächster Redner ist der Kollege Volker Schneider für

die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Volker Schneider (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611400500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zunächst eine Vorbemerkung zur Rede des Kollegen
Röttgen, die ich für notwendig halte: Ich finde es er-
staunlich, hier auf der einen Seite eine Sachdebatte ein-
zufordern und auf der anderen Seite von Firlefanz zu re-
den.


(Beifall bei der LINKEN und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist ziemlich unerträglich, wenn das eine Fraktion tut,
die hier eine Klauberei um acht Minuten betreibt. Das ist
nämlich wahrhaftig Firlefanz.

Die FDP beantragt, die heutige Tagesordnung um den
Punkt „Aufforderung an die Bundesregierung, eine Re-
gierungserklärung zur Lage der inneren Sicherheit in der
Bundesrepublik Deutschland zu beschließen“ zu erwei-
tern. Wir, die Fraktion Die Linke, werden uns diesem
Antrag anschließen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, so etwas! Oh! Super! – Weiter Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja kaum zu glauben!)


Es ist merkwürdig und im Hinblick auf die politische
Kultur in unserem Land enttäuschend, dass die FDP-
Fraktion diesen Weg gehen muss, um etwas zu erzwin-
gen, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein
sollte.


(Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Minister Schäuble und Jung entwerfen bezüglich
der inneren Sicherheit Horrorszenarien, die hochgradig
geeignet sind, in der Bevölkerung Unruhe und Unsicher-
heit zu schüren. Wann, wenn nicht jetzt, haben die Men-
schen in diesem Lande und die von ihnen gewählten
Volksvertreter einen Anspruch darauf, von der Bundes-
regierung zu erfahren, ob es sich hierbei um Einzel-
meinungen der Minister oder um die Meinung der Bun-
desregierung handelt


(Beifall bei der LINKEN)

und, falls es sich um Einzelmeinungen handelt, wie die
Bundesregierung zu diesem Sachverhalt steht?


(Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frank Spieth [DIE LINKE]: Sie müssten auch hier sein!)


Die Bundesregierung hätte von sich aus anbieten müs-
sen, hierzu eine Regierungserklärung abzugeben. Es ist
ein Scherz – zudem ein schlechter –, dass die FDP etwas
erzwingen muss, was selbstverständlich sein sollte.

Es geht nicht nur um die Grusel- und Horrorszena-
rien, die diese Minister verbreiten. Es geht vor allem um
das, was sie meinen, daraus ableiten zu müssen. Meine
Fraktion interessiert längst nicht mehr, was die Minister
Schäuble und Jung wollen. Wir wollen wissen, ob sich
die Bundesregierung an einer Aushöhlung der Verfas-
sung bis hin zum offenen Verfassungsbruch beteiligen
will oder nicht. Ich danke dem Kollegen Peter Struck,
dass auch er das Wort „Verfassungsbruch“ verwendet
hat.


(Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Mensch, Peter! So etwas!)


Uns interessiert überhaupt nicht mehr, ob Minister
Jung Soldaten mindestens zum Totschlag, wenn nicht
zum Mord, möglicherweise zum Mord mit gemeinge-
fährlichen Mitteln und letztlich sogar zum Verfassungs-
bruch auffordert. An diesem Minister interessiert uns al-
lenfalls noch, wann er die Konsequenzen aus seinen
ungeheuerlichen Forderungen zieht und zurücktreten
will – und das, Kollege Röttgen, bitte nicht erst, nach-
dem er den Befehl gegeben hat!


(Zuruf von der LINKEN: Vorher!)


Ich will Ihnen sagen: Das ist eine merkwürdige Art und
Weise, sich hinter die Soldaten zu stellen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auf diese Aufforderung zum Rechtsbruch haben
Herrn Jung der Bundeswehr-Verband, der Verband der
Jetpiloten und andere eine klare Antwort gegeben. Aber
Sie haben sich schon die Piloten ausgesucht, die sich, als
habe es nie eine deutsche Geschichte gegeben, wie
Klaus-Peter Stieglitz, der Inspekteur der Luftwaffe, da-
rauf berufen, dass Offiziere ihre Befehle zu befolgen ha-
ben.

Die Menschen in diesem Lande und wir als die von
ihnen gewählten Volksvertreter haben einen Anspruch
darauf, jetzt zu erfahren, ob es sich um eine Einzel-
meinung des Ministers handelt oder ob diese Ungeheuer-
lichkeiten die Position der Bundesregierung sind.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(B) (D)


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611400600

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Uwe Küster für die

SPD-Fraktion.


Dr. Uwe Küster (SPD):
Rede ID: ID1611400700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die aktuellen Äußerungen der Minister Dr. Schäuble
und Dr. Jung, auf die die FDP Bezug nimmt, sind Äuße-
rungen dieser Minister, keine Äußerungen der Bundes-
regierung.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt denn die Bundesregierung? Das wollen wir ja gerade wissen! – Frank Spieth [DIE LINKE]: Würde das auch die Kanzlerin unterschreiben?)


Von Vizekanzler Franz Müntefering und von Justiz-
ministerin Brigitte Zypries ist dazu das Nötige gesagt
worden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das die Bundesregierung?)


Im Übrigen hat die FDP den Vorschlag, eine gemein-
same Debatte zu vereinbaren, in der sich die Fachpoliti-
ker mit diesem Thema hätten befassen können, abge-
lehnt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)


Sie wissen, bis kurz vor Beginn dieser Debatte haben wir
Verhandlungen und Gespräche darüber geführt. Wir ha-
ben der Opposition das Angebot gemacht, statt der bei-
den Aktuellen Stunden, von denen eine heute und eine
morgen stattfinden soll, eine vereinbarte Debatte über
genau dieses Thema zu führen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Genau so ist das!)


Sie von der FDP möchten dieses Thema aber weiter-
hin skandalisieren.


(Frank Spieth [DIE LINKE]: Mit gutem Recht!)


Sie wollen daraus parteipolitisch Honig saugen.


(Widerspruch bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage Ihnen im Namen meiner Fraktion: Dieser Ver-
such ist fragwürdig und deshalb abzulehnen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die immer neuen öffentlichen Äußerungen der Minis-
ter Schäuble und Jung tragen zur Verunsicherung und
nicht zur Stabilisierung der inneren Sicherheit bei.


(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Themen innere Sicherheit und Terrorismusbekämp-
fung eignen sich aber nicht für derartige parteipolitische
Instrumentalisierung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Peter Struck [SPD]: Richtig!)


Im Übrigen haben wir statt der von der Opposition
abgelehnten gemeinsamen Debatte heute und morgen
die beiden Aktuellen Stunden, die von der Opposition zu
den Themen Terrorismusbekämpfung und innere Sicher-
heit gefordert worden sind. Da werden wir ausführlich
darüber debattieren können. Es steht diese Woche also
genügend Zeit für die beiden von Ihnen geforderten The-
men zur Verfügung. Meine Fraktion sieht daher keine
Veranlassung, dem Geschäftsordnungsantrag gemäß
§ 126 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
zuzustimmen.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611400800

Nun hat das Wort der Kollege Volker Beck für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611400900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

fand, das war eine gute Rede, Uwe Küster: Das war eine
gute Begründung für den Antrag der FDP, hier eine Re-
gierungserklärung zu verlangen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)


Da erklärt der amtierende Parlamentarische Geschäfts-
führer der SPD, die Ministeräußerungen seien Indivi-
dualmeinungen,


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


das sei nicht die Politik der Bundesregierung, da gebe es
auch andere Individualmeinungen, nämlich die von
Müntefering und Zypries, die ihm näher seien. Ja, gibt es
auch eine Meinung der Bundesregierung zur Innenpoli-
tik?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)


Ich habe vorhin unter Berücksichtigung des Grund-
prinzips, das hinter einer Regierungserklärung steht, da-
rüber nachgedacht, ob ich auf den Vorschlag der Union
eingehe, dies in einer vereinbarten Debatte zu behan-
deln. Eine vereinbarte Debatte bedeutet: Jeder sagt ein-
mal, was er so denkt – insofern haben wir eine ständige
vereinbarte Debatte in der Bundesregierung.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)


Da dürfen sich die Minister beteiligen – manche sind ja
auch Abgeordnete –, da dürfen sich die Abgeordneten
beteiligen, und dann haben wir alle einmal darüber gere-
det.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie haben ein schönes Parlamentsverständnis!)







(A) (C)



(B) (D)


Volker Beck (Köln)

Na ja, das machen wir doch dauernd: die Agenturen rauf
und runter, die Talkshows rauf und runter. Aber wir wis-
sen nicht, was die Regierung macht.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Eine Regierungserklärung folgt aber einem anderen
Prinzip: Wenn die Bundesregierung einen Bereich ihrer
Politik grundsätzlich vor dem Parlament darstellen will
– vorausgesetzt, sie hat eine solche Politik –, dann ge-
schieht das in der Regel in der Form einer Regierungser-
klärung. Die Erklärung selbst ist Gegenstand der Aus-
sprache. Das heißt, dann sagen wir nicht mehr, was uns
zum Thema gerade so einfällt,


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das tun Sie ja sowieso!)


sondern dann reden wir darüber, wie wir die Politik die-
ser Bundesregierung finden. Gegenwärtig können wir
aber nicht über eine Regierungserklärung reden, weil die
Regierung uns nichts zu erklären hat, weil sie nicht weiß,
wie ihre Innenpolitik aussehen soll.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)


Das finde ich angesichts der von ihr in dieser Debatte an-
geschlagenen Tonlage, die nach Götterdämmerung, nach
Armageddon, nach Weltuntergang klingt,


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Nehmen Sie sich nicht zu viel Bedeutung heraus!)


unerhört. Denn die Menschen draußen im Lande und die
Parlamentarier, aber auch die Regierungskollegen haben
das Recht, zu erfahren: Was wissen die beiden Minister
über die Bedrohungssituation, und was ist deren Antwort
darauf? Da kann nicht jeder einfach erzählen, was er
will. Das macht die Menschen verrückt, besorgt und – zu
Recht – ängstlich. Mit dem Entsetzen über Terrorismus
treibt man nämlich keine politischen Scherze.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das sieht der Vizekanzler übrigens genauso. Er hat heute
gegenüber AP erklärt:

Die Mitglieder der Regierung und der Fraktions-
spitzen müssen eine Information erhalten über das,
was da gewusst oder vermutet wird.

Das ist richtig. Doch er ist vorsichtshalber erst gar nicht
gekommen. Offensichtlich will er nicht in Versuchung
geraten, dem Antrag der Opposition auf eine Regie-
rungserklärung zustimmen zu müssen.

Ich bleibe dabei: Das, was Sie wissen, gehört auf den
Tisch des Hauses. Sie können nicht einfach solche Sätze
formulieren,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Immer ganz ruhig bleiben!)


wie Bundesinnenminister Schäuble es getan hat:

Die größte Sorge aller Sicherheitskräfte ist, dass in-
nerhalb des terroristischen Netzwerkes ein An-
schlag mit nuklearem Material vorbereitet werden
könnte.

Viele Fachleute sind inzwischen überzeugt, dass es
nur noch darum geht, wann solch ein Anschlag
kommt, nicht mehr, ob.

Dann erfahre ich jetzt von den Agenturen, er will das gar
nicht so gemeint haben; das sage man unter Fachleuten
schon seit 15 Jahren. Aber der Text im Interview geht ja
weiter, und damit macht er sich die Aussagen zu eigen:

Wir sind bedroht und bleiben bedroht. Aber ich rufe
dennoch zur Gelassenheit auf. Es hat keinen
Zweck, dass wir uns die verbleibende Zeit auch
noch verderben, weil wir uns vorher schon in eine
Weltuntergangsstimmung versetzen.


(Lachen bei der FDP)


Das ist Tanz auf dem Vulkan. Das ist wie in der Pestzeit
im Mittelalter, als man noch einmal feierte, bevor alle
verreckten.

Gibt es eine Grundlage für solche verheerenden und
panikmachenden Äußerungen, oder haben Sie das ein-
fach so dahingesagt, Herr Schäuble, um die SPD bei der
Onlinedurchsuchung unter Druck zu setzen oder hier
oder da über die BKA-Kompetenzen zu reden und sie
durch das dadurch geschaffene öffentliche Klima mürbe
zu machen? Wenn es nur dazu diente, halte ich das für
fahrlässig. Das ist kein verantwortungsvolles Verhalten
eines Innenpolitikers,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


der seriös jedes Bedrohungsszenario – auch ein hypothe-
tisches – analysieren muss und Vorgehensweisen vor-
schlagen muss, der aber nicht so bedeutungsvoll raunen
darf, als ob er wisse, dass morgen ein Bombenanschlag
bevorsteht.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Der Bundesverteidigungsminister beschreibt ein Di-
lemma. Norbert Röttgen, das ist ein Dilemma, mit dem
wir uns als Parlament schon länger beschäftigt haben
und zu dem das Bundesverfassungsgericht Gott sei Dank
klare Worte gesprochen hat.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Es ist keine Antwort darauf gefunden worden!)


– Da gibt es keine einfachen Antworten.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Welche rotgrüne Mehrheit hat das denn verabschiedet?)


Der Minister insinuiert – das ist das, was du willst –, es
gebe für diese Situation so etwas wie eine Gebrauchs-
anweisung. Diese solle der Gesetzgeber möglichst auch
noch in ein Gesetz gießen nach dem Motto: Wenn du
500 Menschenleben retten kannst und dafür 50 opfern
musst, dann darfst du es tun, dann bist du fein raus; dann
ist das Dilemma aufgehoben.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das hat keiner gesagt!)







(A) (C)



(B) (D)


Volker Beck (Köln)

Das – so hat das Bundesverfassungsgericht gesagt – gibt
es innerhalb unserer verfassungsrechtlichen Ordnung
nicht.

Ich sorge mich, wenn wir einen Verteidigungsminister
haben, der nicht die verfassungsrechtlichen Grundsätze,
unseren Rechtsstaat und unsere Freiheit verteidigt, son-
dern sich in Interviews damit brüstet, diese rote Linie
übertreten zu wollen und genau das Gegenteil dessen zu
tun. Wir würden hier im Parlament gerne einmal Aus-
kunft erhalten, ob diese Äußerung der Politik der Regie-
rung oder der Bundeskanzlerin entspricht. Es sollte
Schluss sein mit den Interviews und öffentlichen State-
ments. Finden Sie zu einer Politik der inneren Sicherheit,
die rechtsstaatlich ist!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611401000

Wir kommen nun zur Abstimmung über den FDP-An-

trag. Wer stimmt für den Antrag der FDP? – Wer ist da-
gegen? – Stimmenthaltungen?


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Heute Abend habt ihr Armschmerzen! Heute Abend tut euch der Ellbogen weh!)


Der Antrag hat nicht die erforderliche Mehrheit erhalten.
Er ist abgelehnt.

Wir kommen damit zur vorgesehenen Tagesordnung.


(Unruhe)


– Ich warte einige Sekunden, bis diejenigen, die der wei-
teren Beratung nicht folgen wollen oder können, den
Saal verlassen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun Tages-
ordnungspunkt 1 auf:

Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: Jahresbericht der Bundes-
regierung zum Stand der Deutschen Einheit 2007.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung, Wolfgang Tiefensee.

Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich habe heute dem Kabinett den Jahresbericht
2007 zum Stand der Deutschen Einheit vorgelegt und
fasse den Bericht folgendermaßen zusammen:

Wir haben den Wachstumskurs der neuen Bundeslän-
der im Verlauf des letzten Jahres stärken können. Es gibt
eine Reihe positiver Anzeichen für einen sich dauerhaft
haltenden Wirtschaftsaufschwung. Andererseits stehen
wir in den neuen Bundesländern nach wie vor vor enor-
men Herausforderungen. So gilt es, auf dem Erreichten,
für das die Menschen in den neuen Bundesländern, aber
auch die Solidarität der Menschen in den alten Bundes-
ländern verantwortlich zeichnen, aufzubauen und uns
den Herausforderungen zu stellen, die noch vor uns lie-
gen.

Das Wachstum in den neuen Bundesländern ist stabil,
und ihre Wirtschaftskraft nimmt zu. 3 Prozent Wirt-
schaftswachstum in Relation zu 2,7 Prozent in den alten
Bundesländern belegen, dass sich die Schere schließt.
Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist: Sie schließt
sich zu langsam. Die Industrie zieht mit einem Wachs-
tum von 11 Prozent stärker als in den alten Bundeslän-
dern an. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist:
Wir sind weit von einem sich selbst tragenden Auf-
schwung entfernt.

Es gibt immer noch zu wenige Industriearbeitsplätze,
immer noch zu wenige Forschungs- und Entwicklungs-
kapazitäten beim Mittelstand und mit 67,3 Prozent, ge-
messen an dem der alten Bundesländer, ein deutlich ge-
ringeres Bruttoinlandsprodukt. Die Arbeitslosigkeit geht
zurück. Dennoch bleibt das Problem der sich verfesti-
genden Langzeitarbeitslosigkeit, die in den alten Bun-
desländern um 20 Prozent, aber in den neuen Bundeslän-
dern lediglich um 8 Prozent abnimmt. Daneben schlagen
wir uns mit den Problemen der Demografie und der Ab-
wanderung aus den ländlichen Räumen mit all den sozia-
len und infrastrukturellen Folgen für das Leben in den
Regionen herum.

Die Bundesregierung zeigt Wege auf, wie wir den
Aufschwung beschleunigen können; denn wir müssen
ihn beschleunigen, wenn wir den Abstand zwischen den
unterschiedlichen Regionen in den Ländern unseres
Staates verringern wollen.

Wir setzen auf den Solidarpakt II. Die Mittel werden
eingesetzt, um die Infrastruktur zu vollenden und in Ver-
bindung mit der Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung
der regionalen Wirtschaftsstruktur und der Investitions-
zulage Firmen anzulocken und zur Erweiterung zu be-
wegen. Wir setzen darauf, den Transmissionsriemen
zwischen der Wissenschaft und der Wirtschaft zu ver-
stärken, indem wir insbesondere beim Mittelstand For-
schungs- und Investitionskapazitäten aufbauen. Wir set-
zen darauf, auch in den ländlichen Räumen die
Lebensqualität zu erhalten und sie mit der Lokomotiv-
funktion der kleinen und großen Wachstumszentren zu
verbinden. Wir setzen darauf, die Langzeitarbeitslosig-
keit im engen Schulterschluss mit den Ländern und Städ-
ten durch Programme wie dem Kommunal-Kombi zu
beseitigen.

Eine enorme Aufgabe steht vor uns. Durch den Be-
richt soll ein realistisches Bild gezeichnet werden. Viel
wurde erreicht, und es ist noch viel zu tun. Daneben sol-
len Wege aufgezeigt werden, wie wir im Laufe der
nächsten Jahre weitere Schritte beim Aufbau Ost gehen
können, die uns zum Erfolg führen.

Vielen Dank.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611401100

Vielen Dank, Herr Bundesminister.






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Ich bitte nun, zunächst Fragen zu dem Themenbereich
zu stellen, über den gerade berichtet wurde.

Als erstem Fragesteller erteile ich dem Kollegen
Volker Blumentritt für die SPD-Fraktion das Wort.


Volker Blumentritt (SPD):
Rede ID: ID1611401200

Sehr geehrter Herr Minister, mit welchen konkreten

Maßnahmen will die Bundesregierung die, wie ich
denke, dynamische Entwicklung in Ostdeutschland be-
schleunigen?

Ist für Sie dabei insbesondere das Programm „Soziale
Stadt“ wichtig – ich spreche da aus eigener Erfahrung –,
das 1999 durch die Bundesregierung initiiert wurde und
wodurch vielfältigste Möglichkeiten eröffnet wurden?
Wie kann man das potenzieren? Was kann man daraus
noch machen? Wofür werden die Mittel, die Sie für die
nächsten Jahre aufgestockt haben, in erster Linie einge-
setzt? Das Programm „Soziale Stadt“ – ich sehe das ge-
nauso wie Sie – ist insbesondere im Hinblick auf die Sta-
bilisierung des Standortes Ostdeutschland und ein Stück
weit auch im Hinblick auf die Etablierung großer Unter-
nehmen in Ostdeutschland ein wesentlicher Faktor.

Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Vielen Dank. – Wir müssen auf verschiedenen
Feldern agieren. Ein Feld ist die Stärkung der Wirt-
schaftskraft. Dadurch werden Arbeitsplätze entstehen; es
werden weniger Sozialtransfers nötig sein, und die Men-
schen können aus eigener Kraft agieren.

Wir wollen die Wirtschaftskraft stärken, indem wir
mit der Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der regio-
nalen Wirtschaftsstruktur fortfahren. Dafür wollen wir
auch die Investitionszulage über das Jahr 2009 hinaus
verlängern, wie es in der Koalitionsvereinbarung vorge-
sehen wurde. Damit gewährleisten wir, dass Investoren
auch auf dem sogenannten flachen Land Investitionen
tätigen und ihre Unternehmen erweitern bzw. neue grün-
den können.

Wir wollen darüber hinaus ein zweites Themenfeld
angehen: die Verbindung zwischen Wirtschaft und Wis-
senschaft. Wir haben einen Wettbewerb initiiert, der mit
23 Millionen Euro ausgestattet ist. Die ersten elf Pro-
jekte konnten identifiziert und mit finanziellen Mitteln
ausgestattet werden. Denn wir wissen, dass der Osten
nicht länger die verlängerte Werkbank des Westens sein
darf; wir müssen vielmehr den Aufbau eigener For-
schungs- und Entwicklungskapazitäten ermöglichen.

Das dritte Feld ist die Infrastruktur. Seit der friedli-
chen Revolution sind in Deutschland ungefähr
170 Milliarden Euro in den Ausbau von Infrastruktur ge-
flossen, davon allein 67 Milliarden Euro in die neuen
Bundesländer. Der Anteil ist deshalb überproportional
hoch, weil wir wissen, dass die Wirtschaft der Infra-
struktur folgt. Wir intensivieren unsere Bestrebungen,
ausländische Unternehmen in den Osten zu holen. Das
alles soll die Wirtschaft stärken.

Ein weiteres Themenfeld ist die Stadt. Hier haben wir
es mit besonderen Herausforderungen zu tun. Ich nenne
in diesem Zusammenhang als Stichwort das Programm
„Soziale Stadt“. Um Disparitäten zwischen Stadtteilen
auszugleichen, haben wir das Programm nicht nur von
70 Millionen Euro auf 110 Millionen Euro pro Jahr auf-
gestockt, sondern wollen auch mit 20 Millionen Euro ei-
nen nicht unbeträchtlichen Anteil dieser Mittel über die
Investitionstätigkeit hinaus zur Finanzierung von Pilot-
projekten einsetzen, die zur Verbesserung der Situation
benachteiligter Stadtteile beitragen.

Darüber hinaus kümmern wir uns um den Städtebau.
Die Programme „Stadtumbau Ost“ und „Städtebaulicher
Denkmalschutz“, die sich mit der Stadtentwicklung im
weitesten Sinne beschäftigen, sind nicht nur verstetigt,
sondern auch aufgestockt worden. Denn die demografi-
sche Entwicklung bedingt den teilweisen Rückbau von
Infrastruktur unter und über der Erde, um die Steuergel-
der der Bevölkerung adäquat einsetzen zu können. Das
sind einige Beispiele.

Ein anderes Themenfeld hatte ich bereits kurz ange-
sprochen: die Langzeitarbeitslosigkeit. Dazu verweise
ich exemplarisch auf das Programm „Kommunal-
Kombi“; darüber hinaus ließen sich weitere Programme
anführen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611401300

Nächster Fragesteller ist der Kollege Peter Hettlich.


Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611401400

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben

eben in der Antwort auf die Frage des Kollegen
Blumentritt auf die Investitionszulage und die Gemein-
schaftsaufgabe Ost hingewiesen. Sie haben immer wie-
der festgestellt, dass die Förderung gezielter erfolgen
muss. Wir haben aber schon in der letzten Debatte über
die Investitionszulage im vergangenen Jahr immer wie-
der gefragt, wie Sie sich das vorstellen. Da ein Rechtsan-
spruch auf die Investitionszulage besteht, ist damit keine
gezielte Förderung möglich. Die Gemeinschaftsaufgabe
Ost wird – übrigens auch von den Wirtschaftsinstituten –
immer wieder als probates Mittel empfohlen. Können
Sie mir erklären, warum Sie die Mittel für die Gemein-
schaftsaufgabe für dieses Jahr kürzen? Diese Frage inte-
ressiert viele Menschen.

Können Sie mir des Weiteren erläutern, wie Sie bei
einem um 0,3 Prozentpunkte geringeren BIP-Wachstum
im Osten gegenüber dem Westen auf 20 Jahre bis zur
Angleichung zwischen West und Ost kommen? Das ist
für mich arithmetisch nicht nachvollziehbar.

Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Zunächst zu den beiden Programmen: Wir wollen
eine Balance zwischen einer gezielten Förderung über
die Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der regionalen
Wirtschaftsstruktur einerseits und dem Rechtsanspruch
von Unternehmen andererseits, die neue Investitionen
oder Ersatzinvestitionen tätigen, schaffen. Dabei geht es
um die sogenannte Investitionszulage, die sich auf drei
Bereiche und auf alle Regionen der neuen Bundesländer
bezieht. Die drei Bereiche sind bekannt. Dabei handelt






(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Wolfgang Tiefensee
es sich um die Industrie im klassischen Sinne, die indus-
trienahen Dienstleistungen und ab dem Jahr 2006 das
Beherbergungsgewerbe.

Wir setzen auf diese Dualität, weil wir glauben, dass
die Politik die starken Regionen, ob klein oder groß, ge-
zielt fördern sollte – das geschieht bereits, und zwar mit
Strategie und Planung –; andererseits wollen wir aber
der Unternehmerschaft nicht den Weg verbauen, ihrer-
seits in dieser oder jener Region, die noch nicht als Ziel-
gebiet in dieser Weise identifiziert ist und diese Stärken
noch nicht aufweist, entsprechende Förderung anzubie-
ten.

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. In der letzten
Woche haben wir in Arnstadt ein Werk zur Überholung
von Rolls-Royce-Flugzeugturbinen übergeben. Von der
Grundsteinlegung bis zur Eröffnung sind nur zwölf Mo-
nate vergangen. Dort ist es gelungen, ein Unternehmen
in einer Region anzusiedeln, die vorher nicht als indus-
trielles Zentrum Thüringens galt. Das war durch gezielte
Förderung möglich. Die Konkurrenz zu einem tschechi-
schen Mitbewerber konnte gewonnen werden, weil die
Förderung an diesem Ort sowohl in strategischer Hin-
sicht als auch vom Unternehmer selbst gelenkt werden
konnte.

Die GA stellt eine gute Basis für eine finanzielle Ba-
lance dar. Die Investitionszulage und die GA sind in
etwa gleich ausgestattet. Ich denke, dass durchaus immer
Möglichkeiten zur Aufstockung der GA-Mittel bestehen.
Ich setze darauf, dass der Solidarpakt sowohl 2007 als
auch 2008 in vollem Umfang zum Tragen kommt und
dass diese beiden Instrumente dafür sorgen, dass mehr
Arbeitsplätze geschaffen werden.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611401500

Nächster Fragesteller ist der Kollege Roland Claus.


Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611401600

Herr Bundesminister, das Nürnberger Institut für

Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat herausgefun-
den, dass in einem Drittel der ostdeutschen Betriebe die
1-Euro-Jobber die Mehrheit stellen. Ich hielt das für un-
glaublich, aber es ist wahr. Bewerten Sie diesen Fakt als
Beleg für den in Ihrem Bericht konstatierten Auf-
schwung auf dem Arbeitsmarkt, oder bewerten Sie die-
sen Fakt genauso wie ich als einen Skandal?


(Beifall bei der LINKEN)


Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Ich möchte die Zahlen nicht bestätigen, weil sie mir
nicht vorliegen. Aber sie beschreiben den Trend, dass
wir zwar den Arbeitsmarkt beleben und die Anzahl der
Arbeitslosen senken, aber nicht in gleichem Umfang
sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze im Osten
Deutschlands schaffen können. Das heißt, wir haben
nach wie vor eine Diskrepanz zwischen den Arbeitsplät-
zen, die nachgefragt werden, und denen, die tatsächlich
angeboten werden.
Wie behelfen wir uns in einer Situation, in der die
industrielle Produktion anspringt und in den neuen Bran-
chen – regenerative Energien, Chipherstellung, Kunst-
stoffindustrie, elektrotechnische Industrie und chemi-
sche Industrie – zwar zahlreiche Arbeitsplätze entstehen,
aber nicht in ausreichendem Umfang? Wie behelfen wir
uns angesichts des Gaps zwischen Angebot und Nach-
frage? Wir bieten auf dem ersten Arbeitsmarkt geför-
derte Arbeitsplätze für diejenigen an, die Arbeit nachfra-
gen, aber nicht in der Lage sind, auf dem regulären
Arbeitsmarkt Arbeit zu finden.

Wir, die Bundesregierung, arbeiten daran, dass diese
Zeitspanne möglichst kurz ist und dass möglichst viele
sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstehen.
Aber ich hielte es für skandalös, wenn wir einerseits Ar-
beitsplätze, die nicht sozialversicherungspflichtig sind
und die nicht auf dem regulären ersten Arbeitsmarkt zu
finden sind, nicht anbieten würden und es andererseits
zuließen, dass Menschen mit ihrer Hände Arbeit nicht
ein Einkommen erwirtschaften können, das ausreicht,
um den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu
bestreiten. Herr Kollege Claus, der Skandal wäre, solche
Menschen weiter zu Hause sitzen zu lassen, zu alimen-
tieren und ihnen nicht die Möglichkeit zu geben, zu ar-
beiten. Wir arbeiten daran, dass möglichst schnell mehr
sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstehen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611401700

Das Wort hat nun der Kollege Jan Mücke.


Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1611401800

Herr Minister, Sie haben vorhin über die Bedeutung

von Forschung und Entwicklung in den neuen Bundes-
ländern sowie der Hochschulen und über die daraus fol-
genden Möglichkeiten gesprochen, dass junge Leute, die
innovative Ideen haben und ein Produkt entwickeln wol-
len, sich, von den Universitäten kommend, selbstständig
machen, sodass Arbeitsplatzeffekte in den neuen Bun-
desländern erzielt werden. Diese Strategie halten wir, die
FDP-Bundestagsfraktion, für richtig.

Für uns stellt sich nur die Frage, wie diese Förderung
der ostdeutschen Wissenschaftslandschaft tatsächlich
aussieht. Es ist doch ein Fakt, dass beispielsweise bei der
Exzellenzinitiative der Bundesregierung in der ersten
Stufe nicht eine einzige ostdeutsche Universität in den
Genuss einer zusätzlichen Förderung gekommen ist,
weil offensichtlich die Voraussetzungen dafür sehr viel
schlechter gewesen sind, als das in den alten Bundeslän-
dern der Fall war.

Erstens. Wie verträgt sich das miteinander, und wie
konkret sieht die Forschungsförderung für die neuen
Länder aus, damit wir die Effekte, die Sie beschrieben
haben, erzielen können? Zweitens. Wie verträgt sich Ihre
Aussage mit der Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion „Umset-
zung der Koalitionsvereinbarung – Ansiedlung einer
Großforschungseinrichtung in den neuen Bundeslän-
dern“? Es gab diverse Ideen zu diesem Thema. Die Bun-
desregierung hat uns geantwortet, dass sie nicht beab-






(A) (C)



(B) (D)


Jan Mücke
sichtigt, eine solche Großforschungseinrichtung in den
neuen Ländern in der nächsten Zeit anzusiedeln.

Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten, stelle ich noch
eine dritte Frage. Sie haben in Meseberg eine Offensive
Ost angekündigt. Könnten Sie erläutern, was Sie konkret
darunter verstehen und was die neuen Bundesländer da-
von erwarten können?

Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Kollege Mücke, Sie nennen zu Recht Forschung und
Entwicklung, Hochschulen und Universitäten als
Schlüsselthemen für den Aufbau Ost. Wenn es uns ge-
lingt, in der Zukunft diese Kapazitäten zu stärken, vor al-
len Dingen die Verbindung zur Wirtschaft zu verstärken,
dann sollte es gelingen, dass die neuen Bundesländer
schneller in diesem Angleichungsprozess vorwärtskom-
men.

Sie haben als Erstes die Exzellenzinitiative angespro-
chen. Diese ist so angelegt, dass in Deutschland nach
einheitlichen, objektiven Kriterien gesucht wird, welche
Hochschuleinrichtung in der Lage ist, exemplarisch für
Deutschland Forschungsleistungen, wissenschaftliche
Leistungen zu erbringen. Wir konstatieren, dass einige
der ostdeutschen Hochschulen knapp unter der Messlatte
geblieben sind und diese nicht übersprungen haben. Ich
bin mir mit meiner Kollegin Schavan einig, dass wir
jetzt in der zweiten Phase der Exzellenzinitiative, in der
es nicht nur um die Eliteuniversitäten, sondern auch um
die Cluster geht, die eine besondere Förderung bekom-
men sollen, besonders diejenigen Standorte in den Blick
nehmen müssen, die besonders dynamisch Entwick-
lungsfortschritte gemacht haben.

Ein weiterer Punkt. Die Strategie, die Hochschulen zu
stärken, gründet sich zum Beispiel auf den Hochschul-
pakt, den die Kollegin Schavan geschlossen hat. Ihnen
ist bekannt, dass wir nicht zuletzt im Rahmen der
Föderalismusreform I den Ländern die Kompetenzen für
die Hochschulentwicklung übertragen haben. Dennoch
interessiert sich der Bund stark dafür, wie wir es zum
Beispiel schaffen können, dass die Anzahl der Studenten
auch an den ostdeutschen Hochschulen und Universitä-
ten auf einem Niveau gehalten wird, dass der Lehrbe-
trieb effizient und gut ist. Es gibt eine Reihe von Maß-
nahmen, die dafür sorgen sollen. Der Hochschulpakt
bietet eine solide Grundlage dafür.

Darüber hinaus gibt es eine Fülle von Programmen,
die dazu dienen sollen, Drittmittel einzuwerben bzw.
– ich spreche es noch einmal an – die Verbindung zwi-
schen Wirtschaft und Wissenschaft herzustellen. Der In-
novationswettbewerb „Wirtschaft trifft Wissenschaft“,
den wir in Gang gesetzt haben, soll die Netzwerke, die
im Osten in noch viel zu ungenügender Zahl bestehen,
stärken und exemplarisch aufbauen. Ich gebe Ihnen ein
Beispiel: Wir werden über kurz oder lang in Frankfurt/
Oder die in der Welt führende Solarzellenfabrik haben.
Hier entsteht ein Nukleus aus einer wissenschaftlichen
Forschung heraus, weil die Verbindung zwischen Wis-
senschaft und Wirtschaft so eng ist. Das wollen wir stär-
ken und unterstützen. Wir denken, dass das der richtige
Weg ist.

Die Offensive, die wir für die neuen Bundesländer in
Gang setzen, bezieht sich auf die Felder, die ich bereits
vorhin in Zusammenhang mit der Frage des Kollegen
Blumentritt angesprochen habe. Das betrifft die Versteti-
gung der Förderung für die Wirtschaft: Wir investieren
in die Hochschulen; wir kümmern uns um die Infrastruk-
tur; wir wollen, was die Hochschulen anbetrifft, ein
neues Instrument beraten und werden es hoffentlich auf
den Weg bringen. Das sind die externen Forschungs-
GmbHs, die den Mittelstand in die Lage versetzen, au-
ßerhalb ihrer Unternehmen Forschungen ansiedeln zu
können. Wir kümmern uns – das hatte ich bereits ausge-
führt – mithilfe einer Reihe von Projekten um den Ar-
beitsmarkt. Das ist die Offensive, die wir brauchen, um
den Aufschwung zu beschleunigen.

Sie haben mit den Großforschungseinrichtungen noch
ein spezielles Thema angesprochen, auf das die Bundes-
regierung Bezug genommen hat. Ich denke an die Spal-
lationsquelle im Raum Halle/Leipzig, über die wir
immer wieder einmal diskutiert haben. Die Forschungs-
ministerin ist – auch im Hinblick auf den europäischen
Kontext – überzeugt davon, dass wir für eine solche Ein-
richtung auf absehbare Zeit keine Unterstützung erhalten
werden bzw. dass die Notwendigkeit zur Schaffung einer
solchen Einrichtung nicht in dem Maße besteht, dass die
Investitionen fließen können. Sollte im europäischen
oder im deutschen Kontext eine neue Einrichtung reali-
siert werden, werden wir selbstverständlich die neuen
Bundesländer wieder ins Gespräch bringen.

Es stellt sich zum Beispiel die Frage: Was ist über-
haupt eine Großforschungseinrichtung? Bedenken Sie
bitte, dass wir das Biomasseforschungszentrum in den
neuen Bundesländern angesiedelt haben. Wir haben zu
einem Zeitpunkt darüber diskutiert, als die Fragen des
Klimawandels noch gar nicht auf der Tagesordnung
standen. Jetzt stellen wir fest, dass sich unsere For-
schungseinrichtung im Zentrum einer ganz wichtigen
Branche befindet. Diese Einrichtung ist übrigens genau
in dem Raum angesiedelt, von dem Sie sprechen. Es gibt
aber momentan keine Chance, dass die Spallationsquelle
realisiert wird.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611401900

Nun kommen wir zu der Frage der Kollegin Andrea

Wicklein.


Andrea Wicklein (SPD):
Rede ID: ID1611402000

Herr Minister, Sie haben zu Recht die positive Ent-

wicklung auf dem Arbeitsmarkt angesprochen, die wir
jetzt glücklicherweise auch in Ostdeutschland vorfinden.
Dennoch haben wir nach wie vor das Problem der Ab-
wanderung von Fachkräften, die wir dringend brauchen,
und insbesondere die Abwanderung von jungen Frauen,
gerade aus den ländlichen Regionen. Welche Konzepte
hat die Bundesregierung, um dieser Abwanderung etwas
entgegenzusetzen? Welche Konzepte gibt es zur Ent-
wicklung der ländlichen Räume? Wo sehen Sie da Per-
spektiven?






(A) (C)



(B) (D)

Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Darauf gibt es drei Antworten: Arbeit, Arbeit, Arbeit.
Arbeitsplätze schaffen in den neuen Bundesländern, in
den kleinen und mittleren Städten, in den großen Bal-
lungszentren, aber auch im ländlichen Raum ist die ent-
scheidende Voraussetzung dafür. Diese Arbeitsplätze
entstehen nicht von selbst. Ihre Entstehung kann zwar
gefördert werden, Rahmenbedingungen kann man ver-
bessern, aber sie müssen aus der Wirtschaft selbst, aus
der Industrie, aus dem Dienstleistungsbereich entstehen.

Dass wir mit unserer Strategie der Förderung richtig-
liegen, das zeigt sich an den Zahlen, die wir heute vor-
weisen können: Ein Wirtschaftswachstum von 3 Prozent
in Relation zu einem Wirtschaftswachstum von 2,7 Pro-
zent in den alten Bundesländern zeigt, dass wir richtig
investiert haben, dass diese Lokomotiven jetzt in der
Lage sind, ein Wirtschaftswachstum zu generieren, das
sich auch am Arbeitsmarkt niederschlägt.

Übrigens ist interessant, dass die neuen Bundesländer
zunehmend ihre geografische Lage im Hinblick auf die
neuen EU-Mitgliedstaaten ausspielen. Das, was zunächst
Angst gemacht hat – dass mit der Erweiterung der Euro-
päischen Union die Anzahl der Arbeitsplätze zurückgeht –,
das erweist sich als nicht richtig. Wir profitieren von der
Erweiterung.

Die Abwanderung findet übrigens auch innerhalb der
neuen Bundesländer statt. Wir haben eine Vielzahl von
Regionen, die einen Bevölkerungsaufwuchs vorweisen.
Ich nenne exemplarisch Dresden, Jena, Potsdam, Leip-
zig und Magdeburg. In diesen Städten wird nicht nur das
negative Sterbesaldo kompensiert, sondern es gibt dort
auch einen Bevölkerungsaufwuchs. Menschen aus länd-
lichen Regionen der neuen Bundesländer ziehen in die
Ballungszentren der neuen Bundesländer.

Das alles ist für diejenigen, die in der Region keinen
Arbeitsplatz finden, allein noch keine gute Nachricht.
Wir haben ein Programm aufgelegt, durch das Regionen
im ländlichen Raum exemplarisch identifiziert und un-
terstützt werden sollen. Es soll eine Antwort auf fol-
gende Fragen gegeben werden: Wie kann man Lebens-
qualität im ländlichen Raum erhalten? Wie kann es eine
Verantwortungsgemeinschaft zwischen dem Oberzen-
trum und dem ländlichen Raum geben? Ausgewählt sind
beispielsweise die Region Stettiner Haff und die Region
Südharz/Kyffhäuser Kreis, um vorzuführen, wie man
das tun kann. Die ersten Ansätze sind vorhanden. Die
Projekte, von denen wir zunächst nur gelesen haben,
sind sehr erfolgversprechend. Das wollen wir unterstüt-
zen. Wir investieren eine Menge Geld in diese Projekte,
die wir später auf andere Regionen übertragen wollen.

Es bleibt dabei: Wir werden Unterschiede zwischen
Nord und Süd, Ost und West, aber auch zwischen dem
ländlichen Raum und den Wachstumszentren haben. Wir
konzentrieren uns darauf, die Stärken zu stärken. Wenn
es uns gelingt, bis zum Auslaufen des Solidarpakts II,
also bis 2019, zu erreichen, dass sich eine Vielzahl dieser
Wachstumskerne selbstständig gestaltet, aus einem sich
selbst tragenden Aufschwung heraus und mit einer Wirt-
schaftskraft, die sich aus sich selbst speist, dann sollte es
möglich sein, auch die ländlichen Regionen, die es deut-
lich schwerer haben als die Wachstumskerne, im Rah-
men des normalen Länderfinanzausgleichs mitzuziehen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611402100

Nun hat das Wort die Kollegin Gesine Lötzsch.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611402200

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, Sie

haben das Thema Forschung und Entwicklung mehrmals
zu Recht angesprochen. Ich glaube, man braucht nicht
darüber zu diskutieren, dass dies ein entscheidendes
Thema ist. Sie haben einige Leuchttürme benannt. Sie
haben aber wenig Problembewusstsein gezeigt.

Die Bundesregierung hat mir auf meine Fragen geant-
wortet, dass Ostdeutschland an gesamtdeutschen Förder-
programmen auffällig unterdurchschnittlich beteiligt ist.
Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel – das ist noch ein
relativ positives –: Es fließen nur 10 Prozent der gesamt-
deutschen Forschungsmittel für zukunftsorientierte
Energien in den Osten. Welche Anstrengungen, Herr Mi-
nister, unternehmen Sie, um Ihre Kabinettskollegen zu
überzeugen, an dieser Stelle eine ausgewogene Zuwei-
sung der Forschungsmittel zu erreichen? Welche Ideen
haben Sie entwickelt, um dem offensichtlichen Miss-
stand abzuhelfen, dass nur ein geringer Anteil der Mittel
für Forschungsförderprogramme in den Osten fließt?

Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Diese Gelder, Frau Abgeordnete, benötigen Adressa-
ten. Wir brauchen starke Hochschulen und starke For-
schungseinrichtungen, vor allen Dingen aber For-
schungs- und Entwicklungskapazitäten, die an den
Unternehmen angelagert sind.

Wir verfügen in den neuen Bundesländern über eine
hervorragende Struktur der öffentlich geförderten For-
schungseinrichtungen. Ich möchte in dem Zusammen-
hang ausdrücklich Dank sagen der Max-Planck-Gesell-
schaft, der Fraunhofer-Gesellschaft, den Einrichtungen
der Blauen Liste, der Helmholtz-Gemeinschaft usw., die
dafür gesorgt haben, dass diese Infrastruktur stabil be-
steht.

In diese Strukturen fließen die Gelder. Es ist dringend
nötig, dass wir zwischen Mittelstand und Hochschule
oder angelagert an den Mittelstand Forschungs- und Ent-
wicklungskapazitäten generieren, die dann Adressat die-
ser Fördergelder sein können. Es ist also nicht auf Good-
will zurückzuführen, wenn Geld fließt, bzw. auf
Zurückhaltung, wenn Geld nicht fließt; es bedarf kon-
kreter Projekte. Weil wir um diese Schwierigkeit wissen,
kümmern wir uns beispielsweise um die externen For-
schungs-GmbHs.

Ich will mit Zahlen noch einmal das unterstreichen,
was Sie gesagt haben. In Deutschland werden von den
Unternehmen rund 51 Milliarden Euro pro Jahr ausgege-
ben, um zu forschen und zu entwickeln: in den Zentren
der Automobilindustrie, der Elektrotechnik, wo auch im-
mer. In den Osten fließen gerade einmal 1,5 Milliarden






(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Wolfgang Tiefensee
Euro dieser 51 Milliarden Euro – eine große Disparität.
Diese bauen wir auch nicht dadurch ab, dass wir einen
Automobilhersteller auffordern, sein Kompetenzzen-
trum, sein Design- oder Forschungs- und Entwicklungs-
zentrum komplett in die neuen Bundesländer zu verle-
gen. So wird es nicht gehen. Es wird aber funktionieren,
wenn wir die Nuklei, die jetzt schon vorhanden sind,
verstärken, sie so unterstützen, dass sie sich entwickeln
können und größer werden. Das ist die Zielrichtung, die
wir verfolgen.

Adressat sind nicht nur die Bundesregierung und die
Landesregierungen; Adressat sind vor allen Dingen die
Unternehmen selbst, die mit eigenen Mitteln dafür sor-
gen müssen, dass Projekte generiert werden, die am
Ende gefördert werden können. Die Verantwortung liegt
also sowohl beim Bund – er hat Rahmenbedingungen zu
schaffen – als auch bei den Universitäten, Hochschulen
und Unternehmen selbst.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611402300

Das Wort hat nun der Kollege Volker Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611402400

Herr Minister, zu den Prozessen im Zusammenhang

mit der deutschen Einheit gehört auch die Fusion von
Reichsbahn und Bundesbahn zur Deutschen Bahn. Es
gab zu diesem Komplex von unserer Fraktion verschie-
dene Nachfragen, auch zu Unternehmen, die in den
neuen Ländern Besitztümer haben und Energie produ-
zieren, insbesondere zu der DB Energie GmbH. Sowohl
auf eine schriftliche Frage meines Kollegen Winfried
Hermann als auch auf eine Kleine Anfrage meiner Frak-
tion hat sich Ihr Ministerium der Antwort verweigert.

Ich möchte von Ihnen wissen, ob Ihnen bekannt ist,
dass eine Antwortverweigerung gegenüber dem Parla-
ment begründet werden muss und dass auch nicht alle
Fragen zu privatwirtschaftlichen Unternehmen abgewie-
sen werden können, insbesondere nicht zu Unternehmen,
deren hundertprozentiger Eigner der Bund ist. Das Parla-
ment wird, wenn der Gesetzentwurf nicht noch zurück-
gezogen wird, in dieser Woche die Debatte über die
Frage der Privatisierung der Deutschen Bahn und über
die Strategie, die verfolgt wird, beginnen. Um darüber
debattieren zu können, muss das Parlament die Fakten
erst einmal kennen; erst dann kann es entscheiden, was
es aus diesen Fakten macht.

Sind Sie bereit, dem Parlament die Fragen, die wir zur
DB Energie GmbH und zu anderen Punkten eingereicht
haben, noch zu beantworten? Wenn nicht: Woraus
schließen Sie, dass das Parlament bei diesen Fragen
dumm bleiben muss, obwohl es über diese Sachverhalte
entscheidet?

Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Ich gehe davon aus, dass wir am Freitag hier im Parla-
ment den Gesetzentwurf zur Neuorganisation der Eisen-
bahnen des Bundes beraten werden. Ich gehe also nicht
davon aus, dass er zurückgezogen wird, um diesem
Nebensatz gleich entgegenzutreten. Ich werde dem Vor-
gang nachgehen und Ihnen eine entsprechende Antwort
zukommen lassen.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611402500

Bis wann – die Antwort kann ja in die aktuellen Bera-

tungen mit einfließen – kann das Parlament mit einer Be-
antwortung unserer Fragen rechnen, nachdem Ihr Haus
zunächst die schriftliche Antwort in Drucksache 16/6222
verweigert hat?

Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Ich werde das in zwei Phasen tun. Zunächst einmal
werde ich prüfen, ob eine Antwort möglich ist, und wenn
sie möglich ist, werde ich sie dem Parlament in der ange-
messenen Zeit zukommen lassen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist bei der Bundesregierung angemessen?)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611402600

Herr Kollege Beck, die nächste Fragestellerin ist die

Kollegin Sabine Zimmermann.


Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611402700

Danke schön. – Herr Minister, Sie kommen ebenso

wie ich aus Sachsen. Ich möchte noch einmal an die
Frage des Kollegen Hettlich von den Grünen anschlie-
ßen und auf die Kürzung der GA-Mittel eingehen. Es
geht nicht nur um 50 Millionen Euro, sondern auch um
den Anteil der Länder. Insgesamt sind es dann
100 Millionen Euro, die dem Mittelstand verloren ge-
hen. Nach Sachsen geht jeder vierte Euro.

Ich frage Sie: Sind Sie mit mir der Auffassung, dass
gerade durch diese Einsparung von 100 Millionen Euro
im Mittelstandsbereich die Schaffung von Arbeitsplät-
zen verhindert wird, weil gerade der Mittelstand die
meisten Arbeitsplätze in Deutschland schafft?

Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Nein. Erstens bin ich nicht der Meinung, dass wir da-
mit die Schaffung von Arbeitsplätzen verhindern. Wir
haben in einigen Ländern Probleme mit dem Abfluss der
GA-Mittel; das wissen Sie. Dazu zählt nicht das Land,
aus dem offensichtlich wir beide kommen.

Zweitens ist im Rahmen der Haushaltsdebatte – unter
Federführung meines Kollegen Glos – über die Frage
diskutiert worden, inwieweit wir diesen Haushalt fort-
führen können. Wir haben den Posten der GA-Mittel
leicht senken müssen, um einen ausgeglichenen Haus-
halt zu erreichen, stützen uns aber in der Kopplung von
GA-Mitteln und Investitionszulage immerhin auf einen
Betrag, der per anno weit über 1 Milliarde Euro beträgt.

Wir werden die GA-Mittel und ihre Anwendung in
den einzelnen Bundesländern weiter verfolgen, und ich
gehe davon aus, dass wir, wenn es Spielräume gibt, auch
in dieser Position Flexibilität beweisen. Es soll nach






(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Wolfgang Tiefensee
Möglichkeit kein Investor abgewiesen und keine Investi-
tion verhindert werden.


(Sabine Zimmermann [DIE LINKE]: Das sind dann für Sachsen 12,5 Millionen! Danke!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611402800

Nächster Fragesteller ist der Kollege Klaas Hübner.


Klaas Hübner (SPD):
Rede ID: ID1611402900

Herr Minister, die ostdeutschen Länder werden in na-

her Zukunft ausgeglichene Haushalte vorlegen können,
was sehr zu begrüßen ist. Wie beurteilen Sie vor diesem
Hintergrund die zugesagten Leistungen aus dem
Solidarpakt II?

Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Es ist ein sehr erfreulicher Umstand, dass sowohl die
Länder als zunehmend auch die Kommunen ausgegli-
chene Haushalte vorlegen können. Wir dürfen nicht ver-
gessen: Ausgeglichener Haushalt heißt, dass genauso
viel ausgegeben wird, wie eingenommen wird. Dabei
darf aber ebenso nicht vergessen werden, dass sowohl
auf der Länder- als auch auf der Kommunalebene noch
ein extremer Schuldenberg abzutragen ist. Diese
Schwierigkeit besteht nach wie vor.

Wir wissen, dass insbesondere die Städte und Ge-
meinden in den neuen Bundesländern einen hohen
Schuldenberg aufgebaut haben, um den Aufbauprozess
zu beschleunigen. Die Früchte sehen wir jetzt. Dennoch
brauchen wir Kapazität, die Schulden abzubauen.

Ich denke, wir sind einer Meinung, dass der
Solidarpakt II in seinen zwei Teilen, Korb I und Korb II,
zielgerichtet eingesetzt werden muss. In Korb I geht es
darum, insbesondere Investitionen in die Infrastruktur zu
fördern. Ich bin froh, konstatieren zu können, dass die
Bundesländer, und zwar vom Norden bis zum Süden, zu-
nehmend der Verpflichtung nachkommen, die Gelder
zweckgemäß einzusetzen, und somit auf den Pfad der
Tugend zurückkehren. Ich weiß um die extremen Belas-
tungen, die beispielsweise durch die Zusatzrentensys-
teme und durch Altschulden auf den neuen Bundes-
ländern lasten. Dennoch darf das kein Grund sein, die
Korb-I-Mittel nicht zu einem großen Teil oder sogar zu
100 Prozent für Investitionen einzusetzen.

Das Gleiche gilt für den Korb II, mit dem
51 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Hier
haben wir, wie Sie sich erinnern werden, schwierige Ver-
handlungen mit den Bundesländern gehabt. Ich bin froh
und auch etwas stolz darauf, dass wir dieses schwierige
Kapitel geräuschlos haben abschließen können. Aber
auch hier gilt, dass wir das Geld nicht nach dem Gieß-
kannenprinzip, sondern zweckgemäß und zielgenau an
der richtigen Stelle einsetzen müssen. Dazu gehören
zum Beispiel die vom Kollegen Hettlich und vom Kolle-
gen Mücke angesprochenen Forschungsgelder, die dort
etatisiert sind und den größtmöglichen Nutzen entfalten
sollen.
Ich appelliere also auch von hier aus an die Finanzmi-
nister der neuen Bundesländer, die Gelder aus dem
Korb I des Solidarpaktes zweckgemäß und zielgenau
einzusetzen, damit wir, trotz schrittweiser Reduzierung
gerade dieser Gelder, den Aufschwung bis 2019 be-
schleunigen können.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611403000

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben die Zeit

für die Regierungsbefragung schon etwas überzogen.
Weitere Fragen kann ich deshalb nicht mehr zulassen.
Herr Bundesminister, ich danke Ihnen herzlich für die
Beantwortung der Fragen.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

– Drucksachen 16/6367, 16/6380 –

Zu Beginn der Fragestunde beschäftigen wir uns nach
Ziffer 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde zu-
nächst mit den dringlichen Fragen.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Am-
tes auf. Für die Beantwortung steht Herr Staatsminister
Günter Gloser zur Verfügung.

Wir kommen zunächst zur dringlichen Frage 1 des

Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611403100


In welcher Weise und mit welchen Argumenten war die
Bundesregierung an der Berufung des bayerischen Minister-
präsidenten Dr. Edmund Stoiber nach dem Ende seiner Amts-
zeit zum künftigen Leiter einer 15-köpfigen Expertengruppe
der Europäischen Union, EU, zum Bürokratieabbau beteiligt
bzw. informiert, die der Präsident der EU-Kommission am
Freitag, dem 14. September 2007, bekannt gegeben hat?


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611403200

Herr Kollege Beck, ich beantworte Ihre Frage wie

folgt: Die Bundesregierung begrüßt, dass EU-Kommis-
sionspräsident Barroso mit der Einsetzung eines unab-
hängigen Sachverständigenausschusses zur Unterstüt-
zung der Kommission und der Mitgliedstaaten bei der
Verringerung der Verwaltungslasten ein Ergebnis des
Europäischen Rates vom 8./9. März dieses Jahres um-
setzt. Die Berufung der Mitglieder, auch von Minister-
präsident Stoiber zum ehrenamtlichen Vorsitzenden die-
ses Ausschusses, ist eine Aufgabe der Europäischen
Kommission. Eine Befassung der Mitgliedstaaten ist
nicht vorgesehen. Ich füge hinzu: Die Bundesregierung
begrüßt ausdrücklich die Benennung von Herrn
Dr. Stoiber.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611403300

Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege?


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611403400

Ich bin erstaunt, dass Sie die Frage nicht beantwortet

haben. Wir haben nicht gefragt, ob die Bundesregierung
des Begrüßens mächtig ist, sondern in welcher Weise
und mit welchen Argumenten die Bundesregierung an
der Berufung beteiligt war. Hat die Bundeskanzlerin, wie
man in der Zeitung lesen kann, mit Herrn Barroso in
Bayreuth oder anderswo gesprochen, hat sie mit ihm






(A) (C)



(B) (D)


Volker Beck (Köln)

telefoniert, oder hat sie gesimst – das tut sie ja zuweilen
ganz gerne –, um Herrn Stoiber auf seinem Altenteil
noch ein bisschen Beschäftigung zu verschaffen?


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611403500

Ich wiederhole das, was ich in meiner Antwort gesagt

habe, nämlich dass es die Aufgabe des Kommissionsprä-
sidenten ist, diese Expertengruppe zu berufen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611403600

Herr Kollege, haben Sie eine weitere Zusatzfrage?


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611403700

Ja, Frau Präsidentin. – Das ist richtig. Aber wir haben

mittlerweile das Problem, dass die Bundesregierung
meint, sie sei frei, Fragen im Parlament einfach nicht zu
beantworten. Die Frage ist: War die Bundesregierung an
der Berufung beteiligt? Sie können ja sagen, sie war in
keiner Weise daran beteiligt, wenn es so war. Wenn es
anders war, sagen Sie uns das oder sagen Sie, dass Sie
das nachreichen. Aber Sie können hier nicht einfach die
Antwort auf eine Frage verweigern.


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611403800

Herr Kollege Beck, ich verweigere nicht die Antwort.

Ich habe nur gesagt, dass als Folge aus den Ergebnissen
des Frühjahrsrates die Aufgabe bestand, eine solche Ex-
pertengruppe zu berufen. Die Bundesregierung ist von
der Berufung für diese Kommission lediglich vorab un-
terrichtet worden.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611403900

Es gibt nun eine weitere Nachfrage von Herrn Kolle-

gen Trittin.


Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611404000

Frau Präsidentin! Herr Gloser, es besteht kein Zweifel

darüber, dass die Berufung Aufgabe der Kommission ist.
Das hat auch Kollege Beck nicht bestritten. Ist es zutref-
fend, dass die Kommission – so, wie Sie es suggerieren –
diese Entscheidung, ihre ureigene Aufgabe erfüllend, ge-
troffen hat, ohne sich vorher mit den Mitgliedstaaten zu
konsultieren und damit das Herkunftsland des künftigen
ehrenamtlichen Vorsitzenden der Kommission für Büro-
kratieabbau, Dr. Edmund Stoiber, einfach übergangen
hat?


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611404100

Herr Kollege Trittin, Sie wissen, dass es in der Ver-

gangenheit nicht nur zwischen der Bundesregierung und
der Europäischen Kommission einen intensiven Dialog
gegeben hat, sondern dass europäische Politik sehr stark
von den Ländern beeinflusst wird – gerade hier in
Deutschland – und es sehr viele Kontakte gegeben hat.
Insofern kommt die Frage nicht von ungefähr, ob es von
anderer Seite eine Information darüber hätte geben müs-
sen, ob Herr Stoiber nun der richtige Mann oder der
Richtige aus diesem Bundesland ist. Vielmehr war es
eine Entscheidung der Kommission.

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611404200

Ich rufe die dringliche Frage 2 des Kollegen Volker

Beck (Köln) auf:
Welche Rolle spielten dabei nach Kenntnis der Bundesre-

gierung die strengen Auswahlkriterien für die Berufung von
EU-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern, zum Beispiel Fremd-
sprachenkenntnisse und detaillierte Kenntnis des EU-Appara-
tes, bei dieser Personalentscheidung, und welche Qualifika-
tionsmerkmale erfüllt Dr. Edmund Stoiber nach Kenntnis der
Bundesregierung für diese Tätigkeit?


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611404300

Herr Kollege Beck, Sie wissen, dass es sich um ein

politisches Ehrenamt handelt. In Ihrer Frage werden eine
Reihe von Merkmalen und Qualifikationen aufgeführt,
die letztlich auch dem Personalstatut zugrunde liegen.
Aber eine ehrenamtliche Berufung setzt nicht voraus,
dass diese Regeln des Personalstatuts auf der europäi-
schen Ebene Berücksichtigung finden.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611404400

Herr Kollege Beck, Ihre Nachfrage.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611404500

Sie stimmen mir also darin zu, dass der Kollege

Stoiber zumindest keines der formalen Qualifikations-
kriterien erfüllt, die für eine andere Position bei der Eu-
ropäischen Union notwendig wären?


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611404600

Nein, das habe ich mit meiner Antwort nicht gesagt,

und es ist so auch nicht richtig. Vielmehr ist für diese
Aufgabe jemand gesucht worden, der Erfahrungen aus
der Praxis mitbringt. Ich denke, da dürfte es keinen Wi-
derspruch geben.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Praxis in der Bürokratie!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611404700

Ihre weitere Nachfrage, bitte.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611404800

Ich stimme Ihnen ausdrücklich darin zu, dass sich der

Kollege Stoiber um den Bürokratieaufwuchs große Ver-
dienste im Freistaat Bayern erworben hat. Das ist allge-
mein unbestritten.

Ich frage aber noch einmal zu dem Sachverhalt von
vorhin nach: Gab es vor der Entscheidung der Kommis-
sion eine positive oder negative Kontaktaufnahme von
Mitarbeitern oder Mitgliedern der Bundesregierung zu
Behörden in Brüssel, um diese auf diesen Personalvor-
schlag zu bringen, oder können Sie dieses ausschließen?


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611404900

Ich habe vorhin schon gesagt, wie der Ablauf gewe-

sen ist. Eine solche Kontaktaufnahme ist mir nicht be-
kannt.






(A) (C)



(B) (D)


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611405000

Eine weitere Nachfrage hat nun der Herr Kollege

Zeil.


Martin Zeil (FDP):
Rede ID: ID1611405100

Herr
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1611405200
Halten Sie bei Be-
rücksichtigung anderer möglicher Kandidaten und der
Zusammensetzung zum Beispiel des Normenkontroll-
rats, wie die Bundesregierung ihn implementiert hat, an-
gesichts der Defizite gerade beim Bürokratieabbau in
Bayern den in Aussicht genommenen Kandidaten für
qualifiziert?


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611405300

Herr Kollege Zeil, wir kommen ja beide aus demsel-

ben Bundesland und mögen jetzt über vieles spekulieren.
Ich kann nur sagen, dass Herr Dr. Stoiber über viele
Jahre – das wissen Sie genauso gut wie ich – in Bayern
Politik als Staatssekretär, als Innenminister und als Mi-
nisterpräsident betrieben hat. Es steht mir jetzt nicht zu,
einzelne Bereiche zu bewerten. Auf jeden Fall gab es in
dem Land – wie Sie wissen – Initiativen zum Bürokratie-
abbau und zur Einsetzung einer entsprechenden Kom-
mission, die er selbst gestartet hat. Ich glaube, dass er im
Rahmen seines politischen Managements – dabei geht es
auch um das Wissen über den Einfluss von Verbänden
auf die Gesetzgebung, was letztendlich manchmal auch
Bürokratie aufgebaut hat – verschiedene Facetten ken-
nengelernt hat.

Ich glaube, dass Herr Barroso diese Entscheidung
deshalb getroffen hat, weil Herr Stoiber diese Erfahrun-
gen mitbringt.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611405400

Wir kommen nun zur dringlichen Frage 3 des Kolle-

gen Jürgen Trittin:
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu der Auf-

forderung des französischen Außenministers Bernard Kouch-

(laut Süddeutsche Zeitung vom 18. September 2007, Seite 1)

Sanktionen durch die Vereinten Nationen, UN, auch Sanktio-
nen der Europäischen Union, EU – analog zu den einseitigen
der USA –, gegen den Iran zu verhängen, und die EU aufge-
fordert hat, sich auch auf einen Krieg gegen den Iran vorzube-
reiten, und will sie sich an einseitigen, von den UN gelösten
Sanktionen gegen den Iran beteiligen sowie sich auf einen
Krieg vorbereiten?


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611405500

Herr Kollege Trittin, die Bundesregierung hat wieder-

holt deutlich gemacht, dass sie alle Anstrengungen un-
ternimmt, um in der Auseinandersetzung um das irani-
sche Nuklearprogramm zu einer Verhandlungslösung zu
kommen. Die Bundesregierung lässt auch keinen Zwei-
fel daran, dass sie keine vernünftige Alternative zu einer
Verhandlungslösung erkennen kann.

Der französische Außenminister Bernard Kouchner
hat inzwischen deutlich gemacht, dass er mit seinen
jüngsten Äußerungen zur iranischen Nuklearproblematik
keineswegs so verstanden werden wolle, als ob Frank-
reich eine militärische Lösung befürworte, sondern dass
es ihm darum gegangen sei, auf die Gefahr einer militä-
rischen Eskalation des Konflikts um das iranische Nu-
klearprogramm warnend aufmerksam zu machen.

Die Bundesregierung ist weiterhin der Überzeugung,
dass die Wahrung der Geschlossenheit der drei Partner
aus Europa plus der drei anderen Partner, also der USA,
Russlands und Chinas, eine entscheidende Vorausset-
zung für einen Erfolg der Bemühungen um eine friedli-
che Lösung des Nuklearstreits mit Iran bleibt. Wenn
Sanktionen gegenüber Iran wirksam sein sollen, müssen
sie global gelten und daher im Sicherheitsrat der Verein-
ten Nationen beschlossen werden. Die Bundesregierung
beteiligt sich konstruktiv an Gesprächen über eine dritte
Sanktionsresolution. Sie tut dies in enger Abstimmung
mit den E-3-plus-3-Partnern. Die Frage eventueller EU-
Sanktionen müsste zunächst in den europäischen Gre-
mien intensiv konsultiert werden.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611405600

Herr Kollege, haben Sie eine Nachfrage? – Bitte sehr.


Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611405700

Herr Gloser, ich entnehme Ihrer Antwort, dass Sie

eventuelle Sanktionen nur im Zusammenhang mit den
Vereinten Nationen sehen, weil Sie die Geschlossenheit
der E 3 plus 3 wahren wollen. Das heißt, dass Sie einsei-
tige Sanktionen der EU ablehnen. In welcher Form hat
die Bundesregierung ihre Auffassung, die ja deutlich
von der des Herrn Kouchner abweicht, gegenüber der
französischen Regierung zum Ausdruck gebracht?


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611405800

Herr Kollege Trittin, ich darf darauf hinweisen, dass

es gerade Initiativen Deutschlands und Frankreichs in
früheren Jahren zu verdanken ist, dass wir das Format
gefunden haben, andere kritische Partner einzubeziehen.
Ich füge ferner hinzu, dass wir gerade während unserer
deutschen Präsidentschaft von der französischen Seite
Unterstützung für diese entsprechenden Initiativen be-
kommen haben. Es ist ein richtiger Ansatzpunkt der
französischen Seite, dass wir geschlossen vorgehen. Das
heißt, die E 3 plus 3 müssen zusammenbleiben; der an-
dere Aspekt spielt keine Rolle.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611405900

Herr Kollege Trittin.


Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611406000

Herr Staatsminister, wenn Sie zu Recht darauf ver-

weisen, dass es eine gute Tradition Europas gegeben hat,
wie man an diese Frage herangeht, und Sie jetzt mit ei-
nem durch den Präsidentenwechsel in Frankreich offen-
kundig veränderten Kurs Frankreichs konfrontiert sind,
dann ist doch die Frage berechtigt, welche Mittel Sie
einsetzen wollen, um zu europäischer Geschlossenheit
auf Basis der bisher bewährten Linie zurückzukehren.






(A) (C)



(B) (D)


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611406100

Herr Kollege Trittin, es gibt ja neue Äußerungen des

französischen Außenministers Bernard Kouchner. Er hat
entgegen den Meldungen, die einen Tag vorher veröf-
fentlicht worden sind, eindeutig gesagt, dass ihm eine
kriegerische Lösung oder andere Alternativen fernlägen.
Der erste Schritt müsse vielmehr sein, die Geschlossen-
heit, die effiziente Vorgehensweise, die bereits in den
letzten beiden Jahren praktiziert worden sei, weiterhin
zu verfolgen.

Der andere Aspekt ist – ich unterstreiche für die Bun-
desregierung, dass dies richtig ist –, dass wir im Rahmen
der Vereinten Nationen eine Basis finden. Eine weitere
Frage ist: Wenn es denn isolierte Maßnahmen geben
sollte, dann muss dies erst einmal im Kreis der Europäi-
schen Union erörtert werden.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611406200

Eine weitere Nachfrage hat nun die Kollegin Kerstin

Müller.

Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Herr Kollege Gloser, Ihr Kollege Erler hat gesagt:
„Wir sind bereit, mit unseren Partnern weitere Sanktio-
nen zu beraten und auch zu beschließen.“ Sind Sie der
Meinung, dass die Franzosen im Zusammenhang mit
Sanktionen eine neue Linie verfolgen, also bei einem
Scheitern der P 5 gegebenenfalls EU-Sanktionen ver-
hängen wollen, und ist Deutschland bereit, auf diesem
Weg mitzugehen? Oder setzen Sie nur, wie bisher, auf
die UN-Sanktionen? Das ist die Schlüsselfrage.


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611406300

Genau das ist der Punkt. Sie wissen genau, dass wir

uns in den nächsten Tagen am Rande der Versammlung
der Vereinten Nationen treffen werden. Die Politischen
Direktoren werden sich darüber abstimmen, und auch
die Außenminister werden sich treffen. Das ist ein ganz
deutliches Zeichen dafür, dass die Bundesregierung auf
dem eingeschlagenen Weg weitergehen will. Gegenüber
dem Iran kann der E-3-plus-3-Prozess nur dann Wirkung
entfalten, wenn er einen internationalen Rahmen hat.
Das heißt, wir verabschieden uns nicht von unserer bis-
herigen Position, und gegenwärtig gibt es keine Alterna-
tiven.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611406400

Zu einer weiteren Nachfrage erteile ich nun das Wort

dem Kollegen Wolfgang Gehrcke.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611406500

Herr Staatsminister, wie die Bundesregierung Herrn

Kouchner verstehen will, ist die eine Sache, wie er sich
verstanden wissen will, ist eine andere. Ich halte mich
lieber an ein Zitat. Herr Kouchner hat wörtlich gesagt:

Wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten.
Das ist der Krieg.

Das ist ein Zitat aus der FAZ.
Ist die Bundesregierung bereit, dem französischen
Außenminister zu sagen, dass ein derartiges öffentliches
Daherreden, das in der Politik Mode zu werden scheint,
unverantwortlich ist, wenn man einen gemeinsamen
Standpunkt vertreten will?


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611406600

Herr Kollege Gehrcke, ich habe vorhin schon einmal

gesagt, dass zwischen Frankreich und Deutschland dahin
gehend Einigkeit besteht, dass die E 3 plus 3 eine Lö-
sung im Rahmen der Vereinten Nationen finden müssen.
Wir haben die Äußerungen von Bernard Kouchner fol-
gendermaßen interpretiert und verstanden: Er hat ein-
dringlich deutlich gemacht, dass wir vom Iran erwarten,
dass er jetzt, nach verschiedenen Maßnahmen, die ge-
zeigt haben, dass wir doppelgleisig fahren – auf der ei-
nen Seite Sanktionen, auf der anderen Seite eine offene
Tür für Verhandlungen –, ein deutliches Zeichen setzt.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611406700

Nun kommen wir zur dringlichen Frage 4 des Kolle-

gen Jürgen Trittin:
Sieht die Bundesregierung diese Sanktions- und Kriegs-

drohungen Frankreichs gegen den Iran als hilfreich bei der
Umsetzung des zwischen der Internationalen Atomenergie-
Organisation und dem Iran vereinbarten Zeitplans zur Klä-
rung offener Fragen zum iranischen Atomprogramm an, oder
droht diese Rhetorik diesen Fortschritt bei der Kontrolle des
iranischen Nuklearprogramms nicht vielmehr zu gefährden?


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611406800

Herr Kollege Trittin, die Bundesregierung hat die

Vereinbarung eines Zeitplans zwischen Iran und der In-
ternationalen Atomenergieorganisation, IAEO, zur Klä-
rung der offenen Fragen über die Vergangenheit des ira-
nischen Nuklearprogramms begrüßt.

Der Generaldirektor dieser Behörde, Mohammed al-
Baradei, ist jedoch der Auffassung, dass dieser Schritt
nicht ausreichend ist, um das Vertrauen in den friedli-
chen Charakter des iranischen Nuklearprogramms her-
zustellen. Iran hat es in der Hand, durch Befolgung der
Forderungen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
– hier ist die Suspendierung der Urananreicherung zu
nennen – den Weg zur Lösung des Streits um sein Nu-
klearprogramm zu ebnen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611406900

Herr Kollege, eine Nachfrage, bitte.


Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611407000
Das, was

Iran bisher geliefert hat, ist nicht hinreichend. Wie beur-
teilt die Bundesregierung angesichts des Standes der Nu-
klearanreicherung im Iran die Gefahr, dass solche, wie
ich finde, fahrlässigen Äußerungen wie die von Herrn
Kouchner zum Vorwand genommen werden, um die Ko-
operation, auch wenn sie nicht hinreichend ist, abzubre-
chen, was dazu führen könnte, dass der Iran auf der Ba-
sis einer großen Anzahl von Zentrifugen tatsächlich
anreichern könnte und überhaupt keinerlei Kontrolle
durch die IAEO bestünde?






(A) (C)



(B) (D)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1611407100

Kollege Trittin, in meiner Antwort auf Ihre erste

dringliche Frage habe ich bereits gesagt, dass wir einen
internationalen Rahmen dafür finden werden. Es gibt
Resolutionen. Sowohl wir als auch die iranische Seite
haben bestimmte Leistungen zu erbringen. Ich glaube
nicht, dass es auf französischer Seite hiervon eine Ab-
weichung gibt. Es sei noch einmal deutlich gesagt, dass
dem französischen Partner klar ist, dass wir zusammen-
bleiben müssen und keine Extrawege eingeschlagen
können. Vielmehr müssen wir gegenüber dem Iran Ge-
schlossenheit zeigen, um durchsetzungsfähig sein zu
können.


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611407200

Eine zweite Nachfrage, bitte.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611407300

Herr Staatsminister, kann ich daraus schließen, dass

Sie die Auffassung von Herrn al-Baradei, dem Chef der
IAEO, teilen, dass ein solches Gerede über Sanktionen
und solche Drohungen – ich meine nicht die des UN-Si-
cherheitsrates – den konstruktiver werdenden Prozess
zwischen der IAEO und dem Iran gefährden?


Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611407400

Ich habe die Äußerungen von Herrn al-Baradei jetzt

nicht zu kommentieren. Ich kann nur noch einmal sagen,
dass es genau der Punkt ist. Wir haben im internationa-
len Rahmen eine Vereinbarung getroffen. In diesem
Rahmen ist sich weiter fortzubewegen. Ich glaube, es ist
wichtig, dass wir jetzt nicht mit unterschiedlichen Stim-
men in der E 3 plus 3 auftreten, sondern – sowohl in der
konkreten Handlung, als auch in unseren Äußerungen –
geschlossen. Ich glaube, das ist auch die Position Frank-
reichs.


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611407500

Eine weitere Nachfrage dazu hat nun die Kollegin

Kerstin Müller.

Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Herr Staatsminister Gloser, den Franzosen wird ja
aufgrund Kouchners Äußerungen der Vorwurf gemacht,
sie hätten sich jetzt auf die amerikanische Seite geschla-
gen. Sieht denn die Bundesregierung auf der US-ameri-
kanischen Seite die Bereitschaft zu einem umfassenden
politischen Kompromiss mit dem Iran zur Lösung des
Atomstreits oder sehen Sie eher, dass die Zeichen auf ein
längerfristig militärisch gestütztes regionales Contain-
ment stehen?


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611407600

Nein, Frau Kollegin Müller, ich sehe weiterhin, dass

das die richtige Initiative ist. Sie wissen ja noch aus Ihrer
eigenen Tätigkeit, wie schwierig es zu Beginn war, diese
vier – Deutschland, Großbritannien, Frankreich und die
Amerikaner – einzubinden, und dass die Amerikaner
weiterhin auf dieser Ebene gemeinsam mit uns diesen
Weg gehen.

Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611407700

Damit schließen wir im Bereich der dringlichen Fra-

gen diesen Geschäftsbereich ab. Herr Staatsminister,
herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri-
ums für Bildung und Forschung auf. Hier steht zur Be-
antwortung der dringlichen Frage der Parlamentarische
Staatssekretär Andreas Storm zur Verfügung.

Wir kommen zur dringlichen Frage 5 der Kollegin
Cornelia Hirsch:

Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den
am 18. September 2007 veröffentlichten Ergebnissen der
OECD-Studie Bildung auf einen Blick, wonach Deutschland
im weltweiten Vergleich von Rang 10 auf Rang 22 deutlich
nach unten abrutscht?

A
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611407800


Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Die OECD-Studie
bestätigt einerseits, dass Deutschland bei den Abschlüs-
sen der Sekundarstufe II zur Spitzengruppe der OECD-
Staaten gehört. Andererseits erfordert die internationale
Dynamik bei den Abschlüssen im Tertiärbereich zusätz-
liche Anstrengungen zur Erhöhung der Akademiker-
quote in Deutschland.

Die Bundesregierung hat zusammen mit den Ländern
bereits wichtige Weichen gestellt, um dieser Herausfor-
derung zu begegnen. So haben wir mit den Ländern den
Hochschulpakt 2020 vereinbart. Damit können die
Hochschulen bis 2010 über 90 000 zusätzliche Studien-
anfänger aufnehmen. Hierfür stellt der Bund allein bis
2010 rund 565 Millionen Euro zur Verfügung. Im Zuge
der parlamentarischen Beratungen über den Entwurf des
22. BAföG-Änderungsgesetzes beabsichtigt die Bundes-
regierung, die BAföG-Bedarfssätze und Freibeträge
deutlich anzuheben. Dies wird sowohl den Kreis der
BAföG-Berechtigten spürbar ausweiten als auch die För-
derbeträge für die BAföG-Geförderten steigen lassen,
sodass finanzielle Hürden bei der Studienentscheidung
weiter abgebaut werden.

Die Bundesregierung wird darüber hinaus im Herbst
eine nationale Qualifizierungsinitiative beschließen.
Diese wird das gesamte Spektrum unseres Bildungswe-
sens umfassen, angefangen bei der frühkindlichen Bil-
dung, über die Schule, die berufliche Bildung und das
Studium bis hin zur kontinuierlichen berufsbegleitenden
Weiterbildung. In diesem Rahmen wird der Bund ge-
meinsam mit den Ländern Strategien entwickeln, um das
deutsche Bildungssystem zukunftsfest zu machen.


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1611407900

Frau Kollegin, Ihre Nachfrage.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611408000

Besten Dank. – Vorab vielleicht kurz eine Anmer-

kung: Ich finde es erstaunlich, merkwürdig und viel-
leicht auch ein bisschen schade, dass auf Grundlage die-
ser Studie in der Öffentlichkeit einhellig eine ganz
massive Kritik am bundesdeutschen Bildungssystem ge-
übt wird und einzig das BMBF sagt: Im Prinzip ist doch






(A) (C)



(B) (D)


Cornelia Hirsch
alles nicht so schlimm, wir haben schon Anstrengungen
unternommen, die wir nun fortsetzen. Ich finde, das ist
schon ein bisschen – –


Cornelia Hirsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611408100

Frau Kollegin, darf ich Sie bitten, die Zeit für die Fra-

gen zu nutzen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611408200

Ich komme zu meiner Frage.

Ich möchte in meiner ersten Frage konkrete Punkte,
die Sie angesprochen haben, aufgreifen. Das ist zum ei-
nen die BAföG-Erhöhung. Dazu wurde im Rahmen der
Haushaltsdebatte geäußert, dass Sie für das nächste Jahr
eine Erhöhung um 4 bis 5 Prozent und dann in einem
zweiten Schritt eine Erhöhung in ungefähr dem gleichen
Rahmen planen. Ist Ihnen bewusst, dass unter anderem
das Deutsche Studentenwerk berechnet hat, dass, um zu
einer bedarfsdeckenden Studienfinanzierung zu kom-
men, die Bedarfssätze beim BAföG noch in diesem Jahr
um 19 Prozent steigen müssten? Sie orientieren sich da-
bei an dem Wert, der von den Familiengerichten festge-
legt wurde, um den Lebensunterhalt während des Studi-
ums zu finanzieren. Meine Frage lautet: Ist Ihnen das
bewusst, und wie gehen Sie damit um, inwieweit halten
Sie es trotzdem für gerechtfertigt, zu sagen, dass diese
BAföG-Erhöhung ein sinnvoller und richtiger Schritt ist
und keine Aushöhlung, die es aus unserer Sicht faktisch
darstellt?

A
Cornelia Hirsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611408300


Frau Abgeordnete Hirsch, wie Ihnen bekannt ist, sind
relevant für die Abschätzung des Erhöhungsbedarfs
beim BAföG die Einschätzungen, vor allem aber auch
die Berechnungen des Beirates, die dem BAföG-Bericht
beiliegen, dessen Vorlage im Februar erfolgt ist. Aus der
Abwägung dieser Sachverhalte geht hervor, dass bei den
Bedarfssätzen insgesamt ein Anpassungsbedarf von bis
zu 10 Prozent und bei den Freibeträgen von bis zu
8 Prozent zu sehen ist. Im Zuge der parlamentarischen
Beratungen, die mit Sicherheit in diesem Spätherbst ab-
geschlossen werden können, wird zu entscheiden sein, in
welchem Umfang und in welchem Zeitraum eine ent-
sprechende Erhöhung erfolgen kann.


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1611408400

Ihre zweite Nachfrage.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611408500

Ich möchte Ihren zweiten Vorschlag aufgreifen. Sie

sind auf den Hochschulpakt eingegangen und haben die-
sen als einen zweiten Schritt genannt, durch den man der
von der OECD genannten Misere etwas entgegensetzen
kann. Es gab auch am Hochschulpakt massive Kritik von
verschiedensten bildungspolitischen Organisationen. Die
Hochschulrektorenkonferenz hat unter anderem von ei-
nem Tropfen auf den heißen Stein gesprochen. Meine
Frage lautet daher – der erste Hochschulpakt ist mehr
oder weniger unter Dach und Fach –: Gibt es in der Bun-
desregierung Überlegungen dazu, oder könnten Sie sich
für einen Vorschlag erwärmen, der besagt: „Offensicht-
lich reicht all dies noch lange nicht aus, und wir unter-
nehmen auch eine Initiative zum zweiten Hochschul-
pakt“? Diesen könnte man gut mit Vorschlägen des
Deutschen Studentenwerks hinsichtlich eines Ausbaus
der sozialen Infrastruktur oder auch mit Vorschlägen von
der Bundesregierung mit dem Ziel einer familiengerech-
teren Hochschule unter dem Schlagwort „Kein Campus
ohne Kita“ koppeln. Schwerpunkt muss natürlich ein
Ausbau der Studienplatzkapazitäten sein, was im Rah-
men des ersten Hochschulpaktes noch vollkommen un-
zureichend geschieht, weil die Mittel bei Weitem nicht
ausreichen.

A
Cornelia Hirsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611408600


Frau Abgeordnete Hirsch, der Hochschulpakt hat ins-
gesamt eine zeitliche Reichweite bis zum Jahr 2020.
Das, was ich geschildert habe, sind die Maßnahmen zur
Schaffung von Kapazitäten in der Lehre, und zwar in ei-
ner ersten Stufe bis zum Jahr 2010. Selbstverständlich
werden für diesen Bereich auch für die Zeit nach dem
Jahr 2010 gemeinsame Maßnahmen von Bund und Län-
dern vorbereitet. Darüber hinaus geht es darum, die
Hochschulen auch im Bereich der Forschung zu stärken.
Ihnen ist bekannt, dass wir in zeitlichen Stufen eine so-
genannte Overhead-Pauschale einführen. Ferner gibt es
neben dem Hochschulpakt eine Reihe von weiteren
Maßnahmen, um die Attraktivität der Hochschulen in
Deutschland zu stärken. Ich nenne hier unter anderem
die gemeinsamen Beratungen von Bund und Ländern
mit den Hochschulen zur Fortsetzung des Bologna-Fol-
geprozesses mit der Umstellung der Studiengänge. Hier-
von sind auch wesentliche Beiträge zu erwarten, um ei-
nen Abbau der im OECD-Bericht festgestellten Defizite
– etwa die Reduzierung der Studienabbrecherquote – zu
erreichen. All dies erfolgt natürlich begleitend zum
Hochschulpakt und kann nicht Gegenstand des Hoch-
schulpaktes selber sein.


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1611408700

Eine weitere Nachfrage hat nun die Kollegin Sevim

Dağdelen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611408800

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Herr Storm,

in dem OECD-Bericht wird noch einmal deutlich ge-
macht, dass Schule und Gesellschaft vor großen Heraus-
forderungen bezüglich der Integration von Migrantinnen
und Migranten stehen. In diesem Zusammenhang wird
in dem neuesten Bericht noch einmal deutlich, dass der
Leistungsabstand von Schülerinnen und Schülern mit
Migrationshintergrund im Ländervergleich sehr unter-
schiedlich ist. Deutschland weist – gemeinsam mit Bel-
gien – selbst für die zweite Generation einen Abstand
von 90 Punkten auf. Welche spezifischen Maßnahmen
planen Ihr Ministerium und die Bundesregierung insge-
samt, um diesen Leistungsabstand zu verringern und um
die Bildungserwartung zu erhöhen? Dabei geht es nicht
nur um eine Erhöhung der Bildungserwartung von Schü-






(A) (C)



(B) (D)


Sevim DaðdelenSevim Dağdelen
lerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, son-
dern auch um eine Erhöhung der Bildungserfolge.

A
Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611408900


Die Verbesserung der Bildungschancen für Migran-
tinnen und Migranten ist eine wesentliche Aufgabe der
Bildungspolitik. Bund und Länder haben hierzu im
Hochschulbereich, vor allen Dingen auch im Bereich der
frühen Bildung eine ganze Reihe von Maßnahmen er-
griffen. Diese setzen bei der frühkindlichen Bildung und
bei der Sprachförderung an. Es geht um eine gezielte
Förderung während der Schulzeit. Vom Bundesministe-
rium für Bildung und Forschung werden sehr viele Maß-
nahmen ergriffen, um jungen Menschen mit Migrations-
hintergrund einen Weg hin zu Ausbildungsplätzen zu
ermöglichen; hier sind wir gut vorangekommen. Die
Fülle dieser Maßnahmen ist in die Ergebnisse des von
der Bundeskanzlerin veranstalteten Nationalen Integra-
tionsgipfels eingeflossen.


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1611409000

Zu einer weiteren Nachfrage erteile ich nun das Wort

dem Kollegen Volker Schneider.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611409100

Herr Staatssekretär, ich finde es bemerkenswert, dass

Sie auf die Tatsache verweisen, dass wir, was die
Sekundarstufe II betrifft, in der Spitzengruppe sind. Am
Rande sei erwähnt: Insgesamt sind wir von Platz 10 auf
Platz 22 zurückgefallen.

Zu meiner Frage. Sie haben den Bologna-Prozess an-
gesprochen. Mittlerweile wurden erste Erfahrungen mit
den konkreten Auswirkungen dieses Prozesses gemacht.
Ich stelle in diesem Zusammenhang zunächst einmal
fest, dass die Einführung des Bachelor-Abschlusses ein
hohes Maß an Aussortierung zur Folge haben wird. Die
Einführung dieses Abschlusses bedeutet im Grunde ge-
nommen keine Qualitätsverbesserung, sondern nur eine
Verkürzung der Studiendauer. Glauben Sie – insbeson-
dere vor dem Hintergrund, dass in einigen Bereichen
fragwürdig ist, ob der Bachelor tatsächlich ein berufs-
qualifizierender Abschluss ist –, dass ein Konzept zur
reinen Verkürzung der Studiendauer geeignet ist, um den
Problemen im Bildungsbereich beizukommen?

A
Volker Schneider (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611409200


Herr Abgeordneter, die nach dem Bologna-Prozess
erforderliche Umstellung der Studiengänge auf Bache-
lor- und Master-Abschlüsse dient nicht in erster Linie
einer Verkürzung der Studiendauer, sondern der Interna-
tionalisierung. An diesem Prozess sind mittlerweile
46 Länder beteiligt. Ein wesentliches Ziel ist, dafür zu
sorgen, dass der Bachelor-Abschluss berufsqualifizie-
rend ist. Hierzu findet ein permanenter Dialog zwischen
Politik, Hochschulen und vor allen Dingen der Wirt-
schaft statt. Ich darf an Kampagnen der Wirtschaft wie
etwa „Bachelor welcome!“ erinnern, mit denen dafür ge-
worben wurde, insbesondere Hochschulabgängern mit
Bachelor-Abschluss einen Arbeitsplatz anzubieten.
Im Hinblick auf Ihre Vorbemerkung ist darauf hinzu-
weisen, dass es in Deutschland, anders als in vielen an-
deren Ländern, ein System der dualen beruflichen
Ausbildung gibt, das Bildungsabschlüsse mit hervorra-
genden Qualifikationen ermöglicht, die in anderen Län-
dern mit einem Fachhochschulniveau vergleichbar sind.

Die Bundesregierung bekennt sich ausdrücklich zu
dem Ziel, die Studienanfängerquote auf 40 Prozent zu
erhöhen. In internationalen Vergleichen ist dabei aller-
dings zu berücksichtigen, dass in unserem dualen Sys-
tem qualitativ hochwertige Bildungsabschlüsse zu errei-
chen sind, diese allerdings nicht in der Akademikerquote
enthalten sind.


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1611409300

Eine weitere Nachfrage hat nun der Kollege

Dr. Keskin.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611409400

Herr Staatssekretär, meine Kollegin Frau Dağdelen

hat Sie ganz konkret nach Maßnahmen gefragt, die ge-
eignet sind, die Defizite im Bildungsbereich insbeson-
dere mit Blick auf benachteiligte soziale Schichten und
Kinder zu beheben. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie
konkretisieren könnten, welche Maßnahmen die Bun-
desregierung ergreift, um die Situation in diesem Be-
reich zu verbessern.

A
Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611409500


Herr Abgeordneter Keskin, ich habe schon ausge-
führt, dass das nahezu alle Bildungsbereiche betrifft, in
denen besondere Maßnahmen zur Verbesserung der Bil-
dungschancen junger Migrantinnen und Migranten
durchgeführt werden. Was den Bund angeht, handelt es
sich vor allen Dingen um Maßnahmen zur Verbesserung
der Chancen im Rahmen der beruflichen Bildung. Es
gibt eine Reihe von Maßnahmen, durch die Defizite be-
seitigt – Stichwort: Ausbildungsreife junger Migrantin-
nen und Migranten – und die Chance auf einen Ausbil-
dungsplatz verbessert werden sollen. An dieser Stelle sei
das Förderprogramm „Jobstarter“ erwähnt, das bis zum
Jahr 2010 mit Mitteln in Höhe von insgesamt
125 Millionen Euro dotiert ist, von denen ein nicht unbe-
achtlicher Teil insbesondere zur Verbesserung der Chan-
cen junger Migrantinnen und Migranten verwendet wird.

Vergleichbare Maßnahmen werden zur Verbesserung
der Chancen der Migrantinnen und Migranten im Rah-
men der frühkindlichen Bildung durchgeführt – Stich-
wort: Sprachförderung –, um dazu beizutragen, dass ihr
Einstieg in eine erfolgreiche Schulkarriere gelingen
kann; dafür sind allerdings vor allem die Länder zustän-
dig. Vergleichbares gibt es natürlich auch im Hochschul-
bereich.


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1611409600

Damit sind die dringlichen Fragen beantwortet. Herr

Staatssekretär, ich danke Ihnen herzlich.

Wir kommen nun zu den Fragen auf Drucksache
16/6367. Wir gehen in der üblichen Reihenfolge vor.






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Die Frage 1 des Herrn Kollegen Hans-Christian
Ströbele aus dem Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums der Justiz wird schriftlich beantwortet.

Damit rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums der Finanzen auf. Für die Beantwortung steht
Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara
Hendricks zur Verfügung.

Wir kommen zur Frage 2 des Kollegen Rainder
Steenblock:

Wie sehen die Pläne der Bundesregierung bzw. des Bun-
desministeriums der Finanzen konkret aus, die umweltfreund-
liche Energieversorgung von in Häfen liegenden Schiffen von
der Steuer zu befreien und in diesem Zusammenhang bei der
Europäischen Union eine Ausnahme von der Energiebesteue-
rung zu beantragen und die „nationale Gesetzgebung anzupas-

(vergleiche Lübecker Nachrichten vom 29. August 2007)


D
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611409700


Frau Präsidentin! Lieber Kollege Steenblock, Sie fra-
gen danach, wie wir die landseitige Stromversorgung
von Schiffen steuerfrei zu stellen gedenken. Das Bun-
desministerium der Finanzen erarbeitet derzeit eine
möglichst praktikable Vorschrift zur Befreiung der land-
seitigen Stromversorgung von Schiffen von der Strom-
steuer. Die betroffenen Kreise werden noch zu beteiligen
sein. Parallel dazu bereitet die Bundesregierung den für
eine solche Steuerbefreiung nach Art. 19 der EU-Ener-
giesteuerrichtlinie erforderlichen Antrag bei der Kom-
mission der Europäischen Gemeinschaften vor.


Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1611409800

Herr Kollege, Ihre Nachfrage.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


F
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611409900
Wann rechnen Sie damit, dass ein Ge-
setzentwurf diesem Haus vorgelegt werden kann, und
wann wird diese Steuerbefreiung EU-weit realisiert wer-
den können?

D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1611410000


Wir hoffen, dass wir das etwa um die Jahreswende
erreichen können. Wir sind nicht ganz sicher, weil ein
solcher Antrag bei der Europäischen Kommission die
Zustimmung aller Mitgliedsländer bekommen muss. Das
heißt, das muss im Ecofin behandelt werden. Anderer-
seits ist nicht zu erkennen, warum es dort Widerstand
von anderen Ländern geben sollte. Die Stromsteuerbe-
freiung hat schließlich nichts mit Wettbewerbsverzer-
rung zu tun. Denn es ist ja so, dass auch die bisherige
Stromversorgung von Schiffen durch Dieselgeneratoren
steuerbefreit ist. Eine landseitige Stromversorgung hätte
demgegenüber einen erheblichen positiven Effekt auf
die Umwelt. Da dies für alle Hafenstandorte gleicherma-
ßen von Interesse wäre, können wir nicht sehen, warum
es Widerstand von anderen Mitgliedsländern geben
sollte. Im Gegenteil, wir sind hier möglicherweise Vor-
reiter, übrigens auch für die Installation der für die land-
seitige Erzeugung von Strom notwendigen Aggregate.


Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1611410100

Keine weitere Zusatzfrage.

Frau Staatssekretärin, herzlichen Dank.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.

Hier steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär
Ulrich Kasparick zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter
auf:

Welche Vorstöße unternimmt der Bundesminister für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung zur Ermöglichung der Fahr-
radmitnahme im ICE-Fernverkehr der bundeseigenen Deut-
schen Bahn AG, nachdem dem vom Bundesminister für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung vorgeschlagenen Pilotver-
such zur Fahrradmitnahme im ICE seitens der Deutschen
Bahn AG eine Absage erteilt wurde, und wann rechnet der
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit
einem Regelangebot zur Fahrradmitnahme im ICE?

U
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611410200


Herr Dr. Hofreiter, wir haben ja hier im Plenum über
das Thema, nach dem Sie erneut fragen, mehrfach ge-
sprochen.

Ich darf Ihnen berichten, dass wir mit dem Vorstand
der Deutschen Bahn über das Thema Radverkehr im gu-
ten und regelmäßigen Gespräch sind. Sie wissen, in
Deutschland wird mit dem Rad Jahr für Jahr ein Volu-
men von etwa 3 Milliarden Kilometern zurückgelegt.
Das Rad ist ein Verkehrsmittel, das keine Emissionen hat
und deswegen für die innerstädtische Verkehrsentwick-
lung von hoher Bedeutung ist. Der Bund gibt etwa
80 Millionen Euro pro Jahr aus, um das nationale Rad-
verkehrswegenetz auszubauen. Wir sind deshalb mit der
Bahn besonders dringend im Gespräch, die Angebote,
die die Bahn hat – bei den ICs, im Personennahverkehr,
insbesondere aber bei den schnellen Strecken, bei den
ICEs –, zu verbessern.

Mein Eindruck ist, dass die Bahn bei diesem Themen-
feld in Bewegung kommt. Wir haben vom Vorstandsvor-
sitzenden der Deutschen Bahn AG vor kurzem einen
Brief erhalten zu dem von uns vorgeschlagenen Pilotver-
such, auf ausgewählten Strecken eine Fahrradmitnahme
im ICE zu testen, um zu prüfen, ob die Argumente, die
von der Deutschen Bahn vorgetragen werden, stichhaltig
sind. Herr Dr. Mehdorn war diesem Vorschlag gegen-
über, etwas zurückhaltend. Wir haben diesen Brief als
Gesprächsangebot verstanden.


Ulrich Kasparick (SPD):
Rede ID: ID1611410300

Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege?


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wäre es möglich, dass der sehr geehrte Herr Staatsse-
kretär die nächste Frage gleich beantwortet und ich die






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Anton Hofreiter
Nachfragen dann im Paket stelle? Denn es handelt sich
um exakt das gleiche Themenfeld.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611410400

Herr Staatssekretär, sind Sie damit einverstanden?

U
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611410500


Ja, das können wir gerne machen.


Ulrich Kasparick (SPD):
Rede ID: ID1611410600

Dann können wir so verfahren.

Ich rufe damit die Frage 4 des Kollegen Dr. Anton
Hofreiter auf:

Mit welcher Argumentation hat die Deutsche Bahn AG ei-
nen Pilotversuch abgelehnt, und inwieweit konnte das Bun-
desministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung diese
Argumentation nachvollziehen?

U
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611410700


Ich habe das eben schon indirekt beantwortet: Wir ha-
ben der Bahn vorgeschlagen, einen Pilotversuch zu ma-
chen, um die Argumente der Bahn zu prüfen. Im We-
sentlichen wird argumentiert, der Aufenthalt der Züge in
den Bahnhöfen würde sich verlängern. Es wird argu-
mentiert, die Auslastung des Angebotes sei saisonbe-
dingt; das Angebot sei von daher betriebswirtschaftlich
nicht zu rechtfertigen. Schließlich wird argumentiert, es
komme zu einer Verdrängung von Sitzplätzen. Im Mo-
ment sind wir nicht in der Lage, zu beurteilen, ob die Ar-
gumente, die von der Bahn vorgetragen werden, stich-
haltig sind.

Wir haben vorgeschlagen, diesen Pilotversuch zu ma-
chen, um diese Argumente zu überprüfen. Wir halten an
diesem Vorschlag fest und sind bereit, dafür Mittel aus
dem Haushalt zur Verfügung zu stellen. Allerdings ist
mein Eindruck, dass wir, um das wirklich zu erreichen,
das weitere Gespräch brauchen.

Gefreut hat mich, dass die Deutsche Bahn sich im Be-
reich des IC-Verkehrs bewegt hat. Wir haben das Ange-
bot bekommen, beispielsweise die Buchungsmöglich-
keiten über das Internet zu verbessern. Wir haben das
Angebot bekommen, dass die DB alle Angebote, die sie
bereits formuliert hat, zusammenfasst, sodass es für den
Kunden überschaubarer wird. Wir haben ein Pilotprojekt
verabredet, im Rahmen dessen die Mietmöglichkeiten,
die man an Haltebahnhöfen des ICE hat, deutlich verbes-
sert werden sollen, und sind da im Gespräch mit privaten
Mietunternehmen. Es ist also schon der Eindruck vor-
handen, dass Bewegung im Gespräch ist. Allerdings bin
ich mit dem derzeitigen Ergebnis noch nicht zufrieden.


Ulrich Kasparick (SPD):
Rede ID: ID1611410800

Ihre Nachfragen, bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr
Staatssekretär, erst einmal eine Nachfrage zur Frage 3.
Da wird ganz konkret gefragt, in welchem Zeitrahmen
der Bundesminister damit rechnet, dass es ein Regelan-
gebot zur Fahrradmitnahme im ICE gibt. Dazu haben Sie
nichts ausgeführt.

U
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611410900


Ich habe Ihnen den derzeitigen Gesprächsstand be-
schrieben. Wir haben das Gespräch mit der Bahn zu die-
sem Thema aufgenommen. Es hat zwei Gespräche mit
dem Vorstand Personenverkehr der Deutschen Bahn ge-
geben. Es gibt jetzt einen Brief des Vorstandsvorsitzen-
den an Herrn Bundesminister Tiefensee. Mit diesem
Brief sind wir nicht zufrieden. Deshalb habe ich etwas
salomonisch formuliert: Wir verstehen diesen Brief als
ein Gesprächsangebot. – Angesichts dieses Verhand-
lungsstandes können wir im Moment über Fristen für ein
Regelangebot noch nichts sagen.


Ulrich Kasparick (SPD):
Rede ID: ID1611411000

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben davon gesprochen, dass Sie bereit wären,
Geld für diesen Pilotversuch in die Hand zu nehmen.

U
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611411100


Ja.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich erwarte jetzt von Ihnen nicht, dass Sie das auf die
Kommastelle genau sagen. Aber gibt es eine ungefähre
Vorstellung im Ministerium, welche Mittel Sie bereit
wären da einzusetzen?

U
Ulrich Kasparick (SPD):
Rede ID: ID1611411200


Das hängt wesentlich vom Design des Versuchs ab.
Wir haben ein paar Strecken vorgeschlagen und die
Bahn gebeten, ihrerseits Vorschläge dazu zu machen, auf
welchen Strecken man das untersuchen könnte. Es ist
kostenrelevant, welche Strecke verabredet wird. Die
Größenordnung wird nach meiner Einschätzung deutlich
unter 1 Million liegen.


Ulrich Kasparick (SPD):
Rede ID: ID1611411300

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ja. – Dem Staatssekretär müsste eigentlich bekannt
sein, dass die Bahn zu 100 Prozent der öffentlichen
Hand gehört. Deshalb ist es erstaunlich, dass ein Bun-
desminister öffentlich sagt, es wird einen Pilotversuch
geben, dann ein Angestellter eines Bundesunternehmens
bekannt gibt, dass es diesen Pilotversuch nicht geben
wird, und dass wir dann hören, dass man im Gespräch






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Anton Hofreiter
ist. Ist es normal, dass das Bundesministerium selbst sol-
che Kleinigkeiten gegenüber dem zu 100 Prozent der öf-
fentlichen Hand gehörenden Unternehmen nicht durch-
setzen kann?

U
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611411400


Sie verfolgen die Gesprächsprozesse zwischen
DB AG und Bundesverkehrsministerium auch in ande-
ren Themenfeldern sicher sehr aufmerksam. Sie können
an diesem Themenfeld sehr genau verfolgen, welche
Möglichkeiten der direkten Einflussnahme gegeben
sind. Wir brauchen das politische Gespräch miteinander.
Wir brauchen insbesondere auch ein hohes Maß an öf-
fentlicher Beteiligung an dem Gespräch. Mich freut sehr,
dass sich die Radfahrerverbände an diesem Gespräch be-
teiligen. Mein Eindruck ist, dass das im Vorstand der
Deutschen Bahn AG zunehmend wahrgenommen wird.


Ulrich Kasparick (SPD):
Rede ID: ID1611411500

Herr Kollege, eine Chance haben Sie noch.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Staatssekretär, wenn sich das Bundesverkehrs-
ministerium bereits bei der Fahrradmitnahme nicht
durchsetzen kann, die – wie Sie selbst genau wissen – im
Vergleich zu den Problemen, die Sie sonst mit der Bahn
haben, eine Kleinigkeit ist, stimmen Sie mir dann zu,
dass es die reinste Hybris ist, zu glauben, dass dieses
Bundesverkehrsministerium so etwas Komplexes wie
eine LuF, also eine Leistungs- und Finanzierungsverein-
barung, bei einer teilprivatisierten Bahn auch nur ansatz-
weise wird durchsetzen können, oder genügt es dem
Bundesverkehrsministerium, nette, freundliche, aber fol-
genlose Gespräche zu führen?

U
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611411600


Ich teile Ihre Einschätzung nicht, dass die Gespräche,
die wir mit der Bahn führen, folgenlos sind.

Durch die politischen Projekte, die Sie ansprechen
und die uns im Deutschen Bundestag ausführlich be-
schäftigen werden, wird deutlich, dass der Gesetzgeber,
das Parlament, uns beauftragt hat, einen Finanzierungs-
vorschlag zu machen, um zusätzliche Mittel für Infra-
strukturinvestitionen freizubekommen. Diesen Auftrag
werden wir jetzt abarbeiten.

Sie wissen auch, dass es dem Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung aufgrund der Struk-
turen, die wir gemeinsam mit der DB AG vereinbart
haben, nicht möglich ist, auf direkte Unternehmensent-
scheidungen Einfluss zu nehmen. Dafür sind die Gre-
mien des Unternehmens zuständig. Das muss man auch
beachten, wenn man ganz konkrete verkehrsplanerische
und verkehrspolitische Umsetzungen vom Unternehmen
erwartet.

Deswegen bleibt uns nur der Weg – den gehen wir
auch –, ein drängendes, konkretes und zielorientiertes
Gespräch miteinander zu führen.

Ulrich Kasparick (SPD):
Rede ID: ID1611411700

Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.

Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen herzlich.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri-
ums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf.
Für die Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamenta-
rische Staatssekretärin Astrid Klug zur Verfügung.

Wir kommen zur Frage 5 des Abgeordneten Hans-
Kurt Hill:

Wann wird die Bundesregierung bei importiertem Soja-
und Palmöl mit Blick auf die katastrophalen sozialen und öko-
logischen Folgen aufgrund des industriellen Plantagenanbaus
in den Erzeugerländern dem Deutschen Bundestag eine wirk-
same Nachhaltigkeitszertifizierung für Importbiokraftstoffe
vorlegen, und in welcher Weise wird die Bundesregierung Im-
portbeschränkungen bzw. einen Förderausschluss bei der
EEG-Verstromung solcher Produkte durchsetzen?

As
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611411800


Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr verehrter Herr
Kollege Hill, Ihre Frage beantworte ich Ihnen wie folgt:
Die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck an einer
Verordnung, mit der sichergestellt werden soll, dass Bio-
kraftstoffe nur dann auf die Erfüllung der Biokraftstoff-
quote gemäß § 37 a ff. Bundes-Immissionsschutzgesetz
angerechnet werden können bzw. dass für diese nur dann
eine Steuerentlastung gemäß § 50 Energiesteuergesetz in
Anspruch genommen werden kann, wenn bei der Erzeu-
gung der eingesetzten Biomasse nachweislich bestimmte
Anforderungen an eine nachhaltige Bewirtschaftung
landwirtschaftlicher Flächen oder bestimmte Anforde-
rungen zum Schutz natürlicher Lebensräume erfüllt wer-
den oder wenn Biokraftstoffe ein bestimmtes Treibhaus-
gasverminderungspotenzial aufweisen.

Die bisher geführten Gespräche zwischen den zustän-
digen Ressorts und ein Fachgespräch mit den zu beteili-
genden Verbänden und Organisationen haben gezeigt,
dass die weiteren notwendigen Abstimmungen und die
formale Anhörung nach dem Bundes-Immissionsschutz-
gesetz aufgrund der komplexen und schwierigen Materie
noch Zeit in Anspruch nehmen werden. Es wird aber an-
gestrebt, die nationale Abstimmung bis zum Dezem-
ber 2007 abzuschließen.

Nach der Abstimmung auf nationaler Ebene ist der
Verordnungsentwurf bei der EU-Kommission zu notifi-
zieren. Wegen der Binnenmarktrelevanz und der laufen-
den Arbeiten zu Nachhaltigkeitskriterien auf EU-Ebene
ist damit zu rechnen, dass die EU-Kommission eine Ge-
nehmigung nicht vor Abschluss der eigenen Arbeiten er-
teilen wird, um kein Präjudiz zu schaffen. Aufgrund der
bisherigen Erfahrung rechnen wir mit einer Dauer von
etwa 6 bis 18 Monaten.

Im Übrigen ist auch zum Aufbau der weltweit anzu-
wendenden Zertifizierungssysteme ein Vorlauf nötig, so-
dass unabhängig vom formellen Inkrafttreten der Ver-
ordnung eine Übergangsfrist bis zur vollen Wirksamkeit
der Anforderungen notwendig sein wird. Andernfalls
könnten mangels Zertifizierung überhaupt keine Bio-






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretärin Astrid Klug
kraftstoffe mehr zur Erfüllung der Biokraftstoffquote
verwendet werden.

Zum EEG. Es ist geplant, die Novellierung des Erneu-
erbare-Energien-Gesetzes gemäß den Beschlüssen von
Meseberg spätestens am 5. Dezember 2007 im Kabinett
zu beschließen. Im Rahmen der Novellierung des EEG
plant das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit, den Einsatz von nicht nachhaltig
erzeugtem Palm- und Sojaöl komplett zu unterbinden.
Dies soll erfolgen, indem der Anreiz zum Einsatz dieser
Öle, soweit sie nicht nachweislich nachhaltig erzeugt
wurden, so weit gesenkt wird, dass ein wirtschaftlicher
Einsatz nicht mehr möglich ist.


Astrid Klug (SPD):
Rede ID: ID1611411900

Herr Kollege, Ihre erste Zusatzfrage bitte.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611412000

Vielen Dank, Frau Kollegin Staatssekretärin. Sie ha-

ben mir eine wirklich ausreichende und erschöpfende
Antwort gegeben.

Sie sagen, dass Sie die Problematik insbesondere in
den Ländern, in denen im Plantagenanbau systematisch
nachwachsende Rohstoffe zulasten der Umwelt und der
Menschen angebaut werden, kennen. Mich interessiert
jetzt noch, welche Möglichkeiten Sie sehen, dies kurz-
fristig so zu unterbinden, dass diese Stoffe tatsächlich
nicht mehr in den entsprechenden Biomasseanlagen
bzw. Anlagen eingesetzt werden können.

A
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611412100


Das Hauptproblem hinsichtlich des Einsatzes von
Palmöl sind Anlagen zur Erzeugung von Strom, durch
die die Nachfrage nach Palmöl wächst. Dies wollen wir
in Zukunft unterbinden, vor allem dann, wenn Palmöl
aus Ländern importiert werden soll, in denen nachweis-
lich Regenwälder abgeholzt werden, um es zu erzeu-
gen – was für den Klimaschutz, den wir alle ja wollen,
kontraproduktiv ist. Der wichtigste Hebel, um dies in der
Zukunft auszuschließen, ist das EEG.

Wir sehen keinen Vertrauensschutz im Hinblick auf
Anlagen, die noch gebaut werden oder in der Vergangen-
heit gebaut wurden und heute schon Palmöl einsetzen,
das nicht nachhaltig angebaut wurde. Das kommunizie-
ren wir überall, wo wir die Möglichkeit dazu haben, und
werden es in der EEG-Novelle auch gesetzlich fixieren,
sodass wir es für die Zukunft ausschließen können. Das
gelingt uns, indem wir in Zukunft keinen Nawaro-Bonus
mehr für Anlagen zahlen, die nachweislich nicht nach-
haltig produziertes Palmöl einsetzen, und indem wir für
größere Anlagen, solche über 150 Kilowatt, keine För-
derung durch das EEG mehr zulassen.


Astrid Klug (SPD):
Rede ID: ID1611412200

Haben Sie eine weitere Nachfrage?

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611412300

Ich habe noch eine Frage. Wir haben auf der einen

Seite die nationale Verpflichtung, etwas dagegen zu tun;
auf der anderen Seite können wir auf der europäischen
Ebene Einfluss nehmen. Welche Möglichkeiten sehen
Sie, internationale Standards einzuführen?

A
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611412400


An genau diesem Punkt arbeiten wir. Wir wollen die
nationalen Standards, die wir entwickeln, auch zu euro-
päischen und internationalen Standards machen. Dazu
sind wir in intensivem Gespräch mit der Europäischen
Kommission. Das Thema wurde auch im Rahmen unse-
rer europäischen Präsidentschaft diskutiert. Alle Vorar-
beiten, die wir jetzt leisten, bringen wir in die europäi-
sche Debatte mit ein.


Astrid Klug (SPD):
Rede ID: ID1611412500

Danke schön.


Hans-Kurt Hill (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611412600

Die Frage 6 des Kollegen Rainder Steenblock wird

schriftlich beantwortet.

Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Ich danke auch Ihnen, sehr geehrte Frau Staatssekretärin.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwor-
tung der Fragen steht Herr Staatssekretär Andreas Storm
zur Verfügung.

Die Frage 7 der Kollegin Cornelia Hirsch wurde zu-
rückgezogen.

Gleiches gilt für die nächste Frage nicht. Das heißt,
wir kommen zur Frage 8 der Kollegin Cornelia Hirsch:

Liegen der Bundesregierung Zahlen über die nach Maß-
gabe der personellen und sächlichen Ausstattung ausfinan-
zierten Studienplätze in Deutschland vor und, wenn ja, wel-
che?

A
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611412700


Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Die Frage der Abge-
ordneten Hirsch nach vorliegenden Zahlenangaben zu
Studienplätzen beantworte ich wie folgt: Für die Bereit-
stellung von Studienplätzen sind die Länder zuständig.
Eine bundesweite Übersicht über Studienplatzzahlen be-
steht nicht. Auch bei den Verhandlungen zum Hoch-
schulpakt 2020 haben die Länder bestätigt, dass eine ein-
heitliche Feststellung von Studienplatzzahlen für alle
Länder und Fächer nicht möglich ist. Daher wurde beim
Hochschulpakt die Zahl der zusätzlichen Studienanfän-
ger als Maßstab genommen. Lediglich für die Fächer
Medizin, Pharmazie, Tiermedizin und Zahnmedizin so-
wie – das gilt allerdings nur für einige Hochschulen –
Biologie und Psychologie, in denen die Studienplätze
bundesweit über die Zentralstelle für die Vergabe von
Studienplätzen – ZVS – vergeben werden, liegen kon-
krete Zahlen zu den Studienplätzen an den einzelnen
Hochschulen vor, die auf der Homepage der ZVS veröf-
fentlicht sind.






(A) (C)



(B) (D)


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1611412800

Frau Kollegin, Ihre Nachfrage, bitte.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611412900

Besten Dank für die Antwort. – Meine erste Nach-

frage lautet: Halten Sie es für sinnvoll, dass die Bundes-
regierung keinerlei Auskunft über die Situation der Stu-
dienplätze insgesamt geben kann und trotzdem unter
anderem im Koalitionsvertrag die Vorgabe festgehalten
worden ist, die Studierendenquote auf 40 Prozent zu er-
höhen? Wie will man das leisten, wenn nicht einmal
Zahlenangaben darüber vorliegen, wie viele Studien-
plätze es zurzeit in diesem Land gibt?

A
Cornelia Hirsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611413000


Frau Abgeordnete Hirsch, es handelt sich hierbei um
ein statistisches Definitionsproblem. Wir haben Zahlen-
angaben zu den Studierenden und Studienanfängern. Der
Hochschulpakt basiert auf sehr konkreten Annahmen
über die Entwicklung der Zahl der Studienanfänger.

„Studienplatz“ ist ein kapazitätsrechtlicher Begriff,
der von Fach zu Fach variiert. Die Länder legen in den
Fächern, in denen keine bundeseinheitlichen Vergabe-
verfahren über die ZVS laufen, unterschiedliche kapazi-
tätsrechtliche Definitionen zugrunde. Insofern ist kein
Vergleich möglich. Es ergibt keinen Sinn, unterschied-
lich definierte Studienplätze zu addieren. Das würde be-
deuten, Äpfel und Birnen zusammenzuzählen.


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1611413100

Eine zweite Nachfrage, bitte.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1611413200

Stimmen Sie mir zu, dass eine Änderung der Rechts-

lage ohne Weiteres möglich wäre – da der Bund auch
nach der Föderalismusreform I die Kompetenz hat, über
Hochschulzulassungen zu entscheiden –, indem man ein
bundesweites Hochschulzulassungsgesetz oder Ähnli-
ches schafft, um in der Hochschulpolitik insgesamt zu
einer sinnvolleren Planung und Abstimmung zu kom-
men und die Praxis der unterschiedlichen kapazitäts-
rechtlichen Vorgaben in jedem einzelnen Bundesland zu
stoppen, wodurch auf Bundesebene, wo eine gesamt-
staatliche Verantwortung für den Hochschulbereich exis-
tieren muss, keine umfassenden Zahlenangaben möglich
sind?

A
Cornelia Hirsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611413300


Frau Abgeordnete Hirsch, ich stimme Ihnen deswe-
gen nicht zu, weil wir ansonsten ausreichende statisti-
sche Informationen insbesondere zur Entwicklung der
Studienanfängerzahlen haben. In wenigen Wochen wird
uns gemeldet werden, wie sich die Studienanfängerzah-
len in den einzelnen Bundesländern zum kommenden
Wintersemester entwickelt haben.


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1611413400

Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanz-
lerin und des Bundeskanzleramtes. Die Frage 9 des Ab-
geordneten Alexander Bonde wird schriftlich beantwor-
tet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Arbeit und Soziales. Die Fragen 10 und 11
der Kollegin Brigitte Pothmer werden schriftlich beant-
wortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums des Innern. Die Fragen 12 und 13 der Kolle-
gin Dr. Gesine Lötzsch werden schriftlich beantwortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz. Zur Beantwortung steht der Parlamentari-
sche Staatssekretär Dr. Gerd Müller zur Verfügung.

Wir kommen zu Frage 14 des Kollegen Dr. Hakki
Keskin von der Linkspartei:

Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem
erneuten Gammelfleischskandal für die Lebensmittelsicher-
heit in der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere hin-
sichtlich der strafrechtlichen Sanktionierung von Gammel-
fleischproduktion und -lagerung?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611413500


Herr Keskin, wir haben darüber heute früh lange im
zuständigen Fachausschuss diskutiert. Seit 2006, seit wir
in der Regierung sind, haben wir seitens des Bundes eine
Reihe von Maßnahmen in Zusammenarbeit mit den Bun-
desländern umgesetzt. Ich nenne als herausragendes Bei-
spiel das VIG. So der Bundesrat am kommenden Freitag
zustimmt, wird es in Zukunft möglich sein, die Namen
der Betriebe zu nennen, die Gammelware in den Verkehr
bringen. Wir haben zudem das Thema Rückverfolgbar-
keit aufgegriffen. Wenn K-3-Material in den Geschäfts-
gang gebracht wird, ist eine Bestätigung, ein Rück-
schein, erforderlich. Ich nenne mit Blick auf die zweite
Frage von Herrn Keskin als Beispiel die Zuverlässig-
keitsprüfung für Lebensmittelunternehmen. Die Voraus-
setzungen dafür sind nun gegeben. Wir setzen darüber
hinaus im Oktober ein vom Kabinett beschlossenes Ge-
setzesvorhaben zur Meldepflicht um. In Zukunft sind
Lebensmittelunternehmer, die Gammelware abnehmen,
verpflichtet, dies zu melden; das ist strafsanktioniert.

Wie Sie sehen, sind wir auf allen Ebenen tätig. Die
Verbraucherschutzministerkonferenz in der vergange-
nen Woche hat sich dafür ausgesprochen, K-3-Material
einzufärben. Die EU-Kommission hat dazu erstmals grü-
nes Licht gegeben, leider nur national. Wir wünschen
uns eine europaweit einheitliche Regelung. Es wurde
noch eine Vielzahl weiterer Maßnahmen umgesetzt, aber
so viel erst einmal dazu. Ich warte auf Ihre Nachfragen.


Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1611413600

Bitte schön, Herr Keskin, Ihre erste Nachfrage.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611413700

Herr Staatssekretär, Gammelfleischskandale beunru-

higen, ja erschüttern seit Jahren das Land. Der Bundes-
tag hätte schon längst gesetzliche Maßnahmen gegen
diesen Missbrauch ergreifen müssen. Sind Sie eigentlich
mit den Maßnahmen zufrieden, die die Verbraucher-
schutzministerkonferenz 2006 und 2007 beschlossen hat
und die nun als erledigt betrachtet werden? Sie sagten, es
seien einige Initiativen in Angriff genommen worden,
und haben einiges konkret genannt. Sind hier wirklich
strafrechtliche Maßnahmen für Leute vorgesehen, die
immer wieder einen solchen Missbrauch begehen?

Dr
Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611413800


Selbstverständlich. Es liegen bereits erste Urteile mit
einem Strafmaß von über vier Jahren für zurückliegende
Fälle vor. Es wurde also auch vonseiten der Strafverfol-
gungsbehörden deutlich gemacht, dass es sich hier um
keine Bagatelldelikte handelt. Dennoch werden wir mit
dem neuen Lebensmittel- und Futtermittelgesetz im Ok-
tober das Strafmaß für das vorsätzliche Inverkehrbringen
von Gammelfleisch von 20 000 Euro auf 50 000 Euro
anheben. Es wird aber trotz aller gesetzlichen Maßnah-
men nicht zu verhindern sein, dass es auch in Zukunft
auf diesem Sektor das eine oder andere Problem gibt.

Wenn ich in die Kühlschränke der 50 jungen Leute
auf der Zuschauertribüne schauen würde, dann – diese
Prognose wage ich – würde ich feststellen, dass das
Haltbarkeitsdatum des einen oder anderen Joghurts ab-
gelaufen ist. Das gilt auch für das eine oder andere Stück
Wurst, das sich in Abgeordnetenkühlschränken befindet.
Wenn das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist, dann wird
es zu Gammelfleisch. Jeder Verbraucher und jede Ver-
braucherin ist aufgefordert, beim Einkaufen eine be-
wusste Entscheidung an der Theke zu treffen. Alle Be-
triebe sind aufgefordert, wachsam zu sein. Wir haben in
Deutschland eine hervorragende Versorgungs- und Si-
cherheitslage in diesem Sektor. Es gibt einzelne Vorfälle
wie im Wertinger Fall, in dem die Betroffenen hohe kri-
minelle Energie entwickelt haben. Wenn hohe kriminelle
Energie im Spiel ist, können alle möglichen Maßnahmen
nicht verhindern, dass wir solche Fälle auch in Zukunft
haben werden.


Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1611413900

Herr Staatssekretär Müller, es entsteht der Eindruck,

als ob von den Gammelfleischskandalen speziell die Dö-
nerbranche betroffen ist. Das führt dazu, dass manche
Leute meinen, es gebe eine gelenkte Politik gegen die
Inhaber von Dönerläden. Was, glauben Sie, könnte man
tun, um diesem Eindruck entgegenzutreten?

Dr
Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611414000


Herr Präsident, diese Frage ist Inhalt der schriftlich
formulierten Frage 15.

Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1611414100

Dann rufe ich die Frage 15 des Abg. Dr. Hakki

Keskin auf:
Unternimmt die Bundesregierung Aktivitäten, um den von

manchen Medien und einigen Politikern erweckten Eindruck,
es handle sich vorrangig um ein spezifisches Problem der Dö-
nerbranche, entgegenzutreten und, wenn ja, welche?

Dr
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611414200


Ich möchte zunächst einmal klarstellen: Der Bund
setzt die Rahmengesetzgebung. Für die Kontrollen sind
die Länder zuständig, in Berlin somit das Land Berlin.

Dönerbetriebe sind im aktuellen Fall Geschädigte. Ich
sage aber auch: Dönerbetriebe wie jeder Abnehmer von
Fleisch und Fleischwaren stehen in der Pflicht, sich und
den Kunden zu schützen. Das heißt, wenn Billigstfleisch
zu Billigstpreisen auf dem Markt angeboten wird, ist
Vorsicht angebracht. Jeder Dönerbetrieb muss, was die
Qualität seiner Ware betrifft, seinen Kunden Zuverläs-
sigkeit garantieren. Es wird in diesem Fall nicht nur ge-
gen das Wertinger Unternehmen ermittelt, sondern auch
gegen die abnehmenden Betriebe. Aber ein Generalver-
dacht ist nicht angebracht.


Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1611414300

Haben Sie weitere Nachfragen? – Das ist nicht der

Fall.

Die Fragen 16 und 17 der Kollegin Dr. Kirsten
Tackmann sollen schriftlich beantwortet werden.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Dr. Hermann Kues zur Verfügung.

Wir kommen zu Frage 18 der Kollegin Ina Lenke:
In welchen Bundesländern sind privatgewerbliche Anbie-

ter unter welchen Voraussetzungen als Träger von Kinderbe-
treuungseinrichtungen zugelassen und können damit an dem
ESF-Programm zur betrieblich unterstützten Kinderbetreuung
grundsätzlich partizipieren?

Dr
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611414400


Ich beantworte die Frage wie folgt: Das mit der EU-
Kommission abgestimmte ESF-Programm soll das En-
gagement gerade kleiner und mittlerer Unternehmen mit
bis zu 1 000 Beschäftigten bei der Schaffung neuer be-
triebsnaher Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jah-
ren auf unbürokratische Weise unterstützen.

Die Förderung ist als Anschubfinanzierung konzi-
piert, um die Startphase zu erleichtern. Dazu werden die
Betriebskosten neu zu schaffender Betreuungsplätze für
die Dauer von zwei Jahren durch eine Anteilsfinanzie-
rung in Höhe von 40 Prozent bis zu einem Höchstbetrag
von 5 000 Euro jährlich bezuschusst. Die Fördermittel
erhält der Träger einer Betreuungseinrichtung, der mit
einem Betrieb bzw. mehreren Betrieben zusammenarbei-






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues
tet. Die Betriebe entscheiden darüber, mit welchem Trä-
ger sie kooperieren wollen.

In allen Bundesländern brauchen die Träger einer
Kindertageseinrichtung, also auch privatgewerbliche
Anbieter, für den Betrieb der Einrichtung die Erlaubnis
durch das zuständige Landesjugendamt nach § 45 Abs. 1
Satz 1 SGB VIII. Die Erteilung einer Betriebserlaubnis
setzt voraus, dass in der Einrichtung die Betreuung der
Kinder durch geeignete Kräfte gesichert und das Kindes-
wohl gewährleistet ist. Die Länder sind gemäß § 49
SGB VIII befugt, die näheren Voraussetzungen zur Er-
teilung der Betriebserlaubnis, insbesondere die Stan-
dards für die Eignung der Einrichtung und für die Eig-
nung des Personals, selbst zu regeln. Dementsprechend
sind auch in den Kita-Gesetzen der Länder sowie in den
entsprechenden Erlassen und Verordnungen Anforderun-
gen festgelegt, etwa in Bezug auf die pädagogische Kon-
zeption der Einrichtung, die Ausbildung und die Anzahl
des Betreuungspersonals sowie den Bau und die Ausstat-
tung der Einrichtungen. Nach Kenntnis der Bundesregie-
rung enthalten die Regelungen der Länder insoweit
keine Sonderregelung für privatgewerblich betriebene
Betreuungseinrichtungen. Daneben müssen alle Betreu-
ungseinrichtungen allgemeingültige Vorgaben erfüllen,
etwa in Bezug auf bauliche Anforderungen, Brand-
schutz, hygienische Bedingungen usw. Privatgewerblich
betriebene Einrichtungen sind also grundsätzlich unter
den gleichen Voraussetzungen zuzulassen wie Einrich-
tungen öffentlicher oder privatgemeinnütziger Träger.

Zur Genehmigungspraxis der nach Landesrecht je-
weils zuständigen Behörden kann die Bundesregierung
keine Aussage treffen. Hierüber können nur die jeweili-
gen Länder Auskunft geben.


Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1611414500

Nachfrage, Frau Kollegin Lenke.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611414600

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung gewillt,

auf die Länder zuzugehen und den Bereich der privaten
Anbieter in die Überlegungen einzubeziehen? Schließ-
lich kommt ein Drittel des Geldes vom Bund.

D
Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1611414700


Sie sprechen jetzt das geplante Sondervermögen zur
Finanzierung von Betreuungsplätzen an. Im SGB VIII
wird geregelt werden, was danach im Einzelnen geför-
dert werden kann. Dabei wird es auch um die Rolle der
privaten Träger gehen. Wir gehen davon aus, dass sie im
Prinzip in die Jugendhilfeplanung der Länder einbezo-
gen werden.


Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1611414800

Bitte schön, zweite Nachfrage.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611414900

Was das ESF-Programm angeht, fordern Sie wahr-

scheinlich vertragliche Bindungen zwischen dem Be-
trieb und der Einrichtung für Kinder unter drei Jahren.
Muss dieser Vertrag vor der Bezuschussung geschlossen
sein, oder gibt es die Möglichkeit, diese vertraglichen
Dinge im Nachhinein, also nachdem ein Platz bereitge-
stellt worden ist, zu regeln?

Dr
Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1611415000


Wir werden abzuwarten haben, wie die Länder ihre
Betreuungsinfrastruktur im Einzelnen aufbauen, in wel-
chem Umfang sie auch auf privatgewerbliche Einrich-
tungen setzen. Aus Sicht der Bundesregierung ist das
prinzipiell möglich. Es hängt allerdings davon ab, ob die
Länder sie sehr bewusst einbeziehen. Wir gehen davon
aus, dass das der Fall ist. Schließlich wird man, wie wir
vermuten, bei der Erfüllung der gemeinsamen Vereinba-
rung, für 35 Prozent der unter Dreijährigen Angebote zu
schaffen, auch auf die gewerblichen Betreiber setzen.


Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1611415100

Nun kommen wir zur Frage 19 der Kollegin Lenke:

Welche Unterstützung erhalten private und privatgewerb-
liche Initiativen zur Kindertagesbetreuung – auch mit Blick
auf Beratungsangebote – durch die Bundesregierung, und in-
wieweit sind Verbesserungen mit Blick auf eine Trägervielfalt
und die Schaffung von mehr Wettbewerb bei der Kinderbe-
treuung durch die Bundesregierung geplant?

D
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611415200


Neben dem, was ich auf die Zusatzfragen schon ge-
antwortet habe, will ich ausdrücklich Folgendes sagen:
Die Bundesregierung setzt bei der Kinderbetreuung auf
Vielfalt. Wir gehen davon aus, dass Eltern zeitlich fle-
xible Angebote benötigen. Bei den künftigen Regelun-
gen wird die Bundesregierung darauf achten, dass – un-
ter der Voraussetzung der fachlichen Qualität – die
Vielfalt der Trägerlandschaft gefördert wird. Das wird
sich auch im SGB VIII – wir werden darüber im Kabi-
nett beschließen – niederschlagen.


Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1611415300

Nachfrage.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611415400

Heute Morgen ist im Familienausschuss zwischen Ta-

gesmüttern und privaten Einrichtungen hinsichtlich der
Selbstständigkeit ein Unterschied gemacht worden. Die
Tagesmütter sind selbstständig tätig; sie sind nirgendwo
angestellt. Meine Frage ist: Wo ist der rechtliche Unter-
schied zwischen selbstständigen Tagesmüttern und pri-
vaten Anbietern, zum Beispiel Erzieherinnen?

D
Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1611415500


Ich weiß nicht, worauf Sie jetzt im Einzelnen abhe-
ben. Vielleicht können Sie die Frage wiederholen.


Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1611415600

Die Bundesregierung will im Hinblick auf die

750 000 Plätze für Kinder unter drei Jahren ganz beson-






(A) (C)



(B) (D)


Ina Lenke
ders die Tagesmütter in die Betreuung einbeziehen. Sie
hat nur von den Tagesmüttern gesprochen. Tagesmütter
– darüber sind wir uns einig – sind selbstständig tätig;
man kann auch sagen: gewerblich-selbstständig. Diese
sind in die Förderung explizit einbezogen. Aber die pri-
vaten Anbieter sind nicht einbezogen.

Meine Frage ist jetzt, ob Sie da Unterschiede sehen.
Ansonsten müsste ein privater Anbieter von Betreuungs-
plätzen für Kinder unter drei Jahre die gleichen Subven-
tionstatbestände erfüllen wie eine selbstständige Tages-
mutter.

D
Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1611415700


Ich sehe es nicht so, dass die privaten Anbieter bei ei-
ner Förderung prinzipiell nicht einbezogen sind. Wenn
sie die Voraussetzungen erfüllen, werden sie in gleicher
Weise Förderung erhalten. Das muss das jeweilige Land
im Rahmen der Jugendhilfeplanung festlegen.


(Ina Lenke [FDP]: Danke!)



Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1611415800

Wir kommen zu Frage 20 der Kollegin Monika Lazar

von den Grünen:
Wann und in welcher Höhe wird die Bundesregierung Mü-

gelns Landkreis Torgau-Oschatz Fördermittel aus dem Pro-
gramm „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – gegen
Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitis-
mus“ zuweisen, wie es die Bundesministerin für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend, Dr. Ursula von der Leyen, in den

(vergleiche zum Beispiel Aktionsplan für Mügeln, vom 23. August 2007, www.faz.net)


D
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611415900


Ich antworte darauf wie folgt: In Sachsen wird neben
dem Programm „Vielfalt tut gut“ auch das im Juli gestar-
tete Programm „Förderung von Beratungsnetzwerken –
Mobile Intervention gegen Rechtsextremismus“ umge-
setzt. Dazu hat das Land ein landesweites Beratungs-
netzwerk eingerichtet, in das auch die Opferberatungs-
stellen in Sachsen und das mobile Beratungsteam des
Kulturbüros Sachsen e. V. aufgenommen wurden.

Die Opferberatungsstellen haben zu den beim Überfall
verletzten Indern Kontakt aufgenommen und beraten
diese. Das Mobile Beratungsteam hat auch Kontakt zum
Bürgermeister von Mügeln. Es hat eine erste Lageanalyse
erstellt und Hilfe angeboten.

Zusätzlich haben sich Bund und Land am
3. September dieses Jahres in Leipzig mit Vertretern des
Landkreises zu einem Gespräch getroffen. Im Ergebnis
wurde in dem Gespräch vereinbart, dass das Mobile Be-
ratungsteam gemeinsam mit dem Landkreis und der
Stadt eine Strategie entwickelt, die das Ziel hat, Ereig-
nisse wie in der Nacht vom 17. auf den 18. August 2007
nach Möglichkeit zukünftig auszuschließen. Teil der
Strategie soll neben der Entwicklung von Konzepten für
die Arbeit mit jungen Menschen vor allem das Aufzei-
gen von Ansprechmöglichkeiten für die lokalen deu-
tungsmächtigen Akteure sowie Unterstützungsangebote
für eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit sein. Dabei ist
auch der Landkreis intensiv gefordert, für die Stärkung
der Zivilgesellschaft vor Ort mehr zu tun als in der Ver-
gangenheit.

Der Bund unterstützt den Landkreis durch die Finan-
zierung der Arbeit des Mobilen Beratungsteams aus Mit-
teln des Programms „Beratungsnetzwerke“ und bietet
durch die Regiestelle des Programms „Vielfalt tut gut“
auf dem Gebiet der Medienberatung bzw. des Umgangs
mit der öffentlichen Darstellung Hilfe an. Sofern sich
aus der Beratungsarbeit der Bedarf für eine konkrete
projektbezogene Hilfe ergibt, werden sich – wie ich das
heute Morgen auch schon im Ausschuss erläutert habe –
Bund und Land über Fördermöglichkeiten verständigen.


Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1611416000

Nachfrage.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611416100

Ich habe über das Gespräch, das Anfang September in

Leipzig stattgefunden hat, sowohl mit einer Kollegin
vom Mobilen Beratungsteam als auch mit dem Dezer-
nenten von Torgau-Oschatz gesprochen. Beide haben
mir gegenüber erklärt, sie seien sehr enttäuscht, weil sie
doch andere Erwartungen hatten. Insbesondere in den
Tagen nach dem Mügelner Vorfall kam ja zum Aus-
druck, es gebe noch Möglichkeiten im Rahmen des Bun-
desprogramms „Vielfalt tut gut“. Finden Sie nicht auch,
dass man damit falsche Hoffnungen geweckt hat, wenn
jetzt stattdessen auf das ganz normale Programm der Be-
ratungsteams zurückgegriffen wird?

D
Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611416200


Ich kann nicht ganz ausschließen, dass durch die Dis-
kussion unmittelbar nach dem Vorfall auch falsche Er-
wartungen geweckt wurden. Ich sage aber ganz aus-
drücklich: Es kann nicht richtig sein, bei diesem
langfristig angelegten Programm anlassbezogen zu rea-
gieren. Man muss sicherlich – das habe ich Ihnen heute
Morgen im Ausschuss bereits gesagt – von Zeit zu Zeit
Bilanz ziehen, um festzustellen, was an dem Programm
richtig ist und was falsch. Wir haben bis jetzt jedenfalls
keinen Anlass, anzunehmen, diese langfristig angelegten
lokalen Aktionspläne seien falsch. Es war auch Ergebnis
der wissenschaftlichen Evaluation der ersten Pro-
gramme, die aufgelegt wurden, dass sie langfristig ange-
legt und lokal vernetzt sein müssen, damit sie eine dau-
erhafte Wirkung haben.

Dass beim dortigen Beratungsteam falsche Hoffnun-
gen geweckt wurden, kann ich mir nicht vorstellen, weil
sie von uns gefördert werden; sie haben auch jetzt eine
finanzielle Unterstützung bekommen. Sie sind voll inte-
griert und voll eingebunden. Mir scheint der richtige
Weg zu sein, mit dem Land und auch mit dem Landkreis
abzustimmen – der Sozialdezernent hat an dem Ge-
spräch teilgenommen –, was vor Ort sinnvoll und not-
wendig ist.


Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1611416300

Zweite Nachfrage.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611416400

Wir haben ja das zweite Bundesprogramm, um solche

kurzfristigen Krisen zu bewältigen. Das ist richtig, um
gerade den Regionen zu helfen, die keine lokalen Ak-
tionspläne haben. Wie sehen Sie aber die Chancen dafür,
auch Regionen, die keine Zusagen für lokale Aktions-
pläne haben, vor solch schlimmen Vorfällen zu bewah-
ren, egal in welchem Teil unseres Landes? Gibt es noch
eine Möglichkeit, sie im Rahmen des Programms „Viel-
falt tut gut“ zu fördern, oder ist das bis zum Ende der
Förderperiode ausgeschlossen?

D
Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1611416500


Ich habe gesagt, dass wir in dem ganz konkreten Fall
genau hinsehen werden. Wenn sich abzeichnet, dass dort
ein Projekt notwendig ist, werden wir mit dem Land da-
rüber reden, ob der Bund es finanziert. Dabei ist egal,
wie es im Einzelnen genannt wird. Ich glaube, es ist
nachvollziehbar, dass wir nicht an jedem Ort in der Bun-
desrepublik solche Aktionspläne umsetzen können. Zu-
nächst einmal setzen wir diese 90 Pläne Schritt für
Schritt um – die Kommunen und auch die Länder brau-
chen eine gewisse Zeit dafür –, und danach werten wir
sie aus.

Ich will noch einmal sagen: Das Programm, das wir
auflegen, ist präventiv angelegt und wird nie anlassbezo-
gen reagieren können. Dafür ist das Beratungsnetzwerk
gedacht. Im Übrigen will ich ausdrücklich sagen, dass
die konkrete Jugendarbeit vor Ort völlig unabhängig da-
von ist. Wir legen größten Wert darauf und tun alles da-
für, gerade auch in den neuen Ländern, dass dort, wo
eine Zivilgesellschaft oder Bürgerschaft vielleicht nicht
in der Form existiert, wie wir uns das wünschen, Jugend-
liche und auch Erwachsene einbezogen werden. Das ist
zwingend notwendig. Deshalb empfehle ich allen, in Ju-
gendarbeit zu investieren. Jugendliche, die begleitet wer-
den und irgendwo eingebunden sind, laufen nicht so
schnell Gefahr, sich auf solche Irrwege zu begeben.


Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1611416600

Die Frage 21 des Kollegen Kai Gehring soll schrift-

lich beantwortet werden. – Vielen Dank, Herr Staatsse-
kretär.

Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Gesundheit – die Frage 22 des Kolle-
gen Frank Spieth, die Fragen 23 und 24 der Kollegin
Sibylle Laurischk und die Fragen 25 und 26 der Kollegin
Eva Bulling-Schröter – sollen schriftlich beantwortet
werden.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amts. Zur Beantwortung der Fragen steht der Staatsmi-
nister Günter Gloser zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 27 des Kollegen Wolfgang Gehrcke
auf:

Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, die den Be-
richt des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, Nr. 33 vom
13. August 2007, über die Zustände im US-Gefangenenlager
Guantánamo, insbesondere über systematische Folterungen
wie zum Beispiel, dass Gefangene in Ketten gehalten werden:
– „… die Gelenke liegen in Handschellen. Eine Kette schnürt
sich um seinen Bauch und fixiert seine Hände vor seinem Na-
bel, in einer Haltung der Demut“, dass eine „Extreme Re-
action Force“ in Guantánamo tätig ist: „Sie tragen Schutzklei-
dung, der Erste hat einen Plastikschild, und da ist ein Sechster
mit einer Kamera, der alles filmt. Sie sprühen dir Pfefferspray
ins Gesicht, verdrehen deine Arme und Beine und legen dir
Hand- und Fußschellen an. Sie rasieren deine Haare ab, dei-
nen Bart, deine Augenbrauen. Sie springen auf deinen Rü-
cken. Sie nehmen deinen Kopf und schlagen ihn auf den Bo-
den. Sie drücken dir ihre Finger in die Augen“ – bestätigen?

Bitte schön, Herr Staatsminister.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611416700

Herr Gehrcke, Sie haben in Ihrer Frage Bezug genom-

men auf einen Bericht des Nachrichtenmagazins Der
Spiegel vom 13. August 2007 über Zustände im Gefan-
genenlager Guantánamo. Ich darf Ihre Frage wie folgt
beantworten:

Die Bundesregierung hat gegenüber den Vereinigten
Staaten ihre Auffassung bezüglich Guantánamo und die
Notwendigkeit einer menschenwürdigen Behandlung
von Gefangenen mehrmals deutlich gemacht. Sie hat
höchstrangig und öffentlich erklärt, dass eine Institution
wie Guantánamo auf Dauer so nicht existieren dürfe und
dass Mittel und Wege für einen anderen Umgang mit den
Gefangenen gefunden werden müssten. Die Gefangenen
von Guantánamo sind unabhängig von der Frage ihres
Status im Einzelfall nach den rechtlichen Standards des
humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte zu
behandeln. Die Bundesregierung hat keine eigenen Er-
kenntnisse über die Vorgänge, über die Der Spiegel in
seiner Ausgabe vom 13. August 2007 berichtete.

Der Bundesregierung ist hingegen der Bericht einer
Gruppe von Sonderberichterstattern der Vereinten Natio-
nen vom 15. Februar 2006 bekannt, der massive Kritik
an der Behandlung der Gefangenen in Guantánamo übt.
Ich weise aber darauf hin, dass die Sonderberichterstat-
ter selbst nicht in Guantánamo gewesen sind. Am
2. Januar 2007 hat im Übrigen das FBI umfangreiche
Dokumente betreffend Untersuchungen über Misshand-
lungen von Häftlingen in Guantánamo veröffentlicht.
Daraus geht hervor, dass auf der Grundlage der Befra-
gung von insgesamt 493 FBI-Beamten 26 Hinweise auf
aggressives Verhalten gegenüber Gefangenen bzw.
Misshandlungen von Gefangenen vorliegen. Auch die
OSZE hat im Juli 2007 einen Bericht unter anderem zu
den Haftbedingungen der Gefangenen in Guantánamo
vorgelegt.


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611416800

Nachfrage, Herr Kollege Gehrcke?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611416900

Herr Staatsminister, ich freue mich natürlich über die

kritische Position der Bundesregierung; ich kann ihr voll
zustimmen. Mir leuchtet allerdings nicht ein, warum die
Bundesregierung, was Guantánamo und andere Fälle an-
geht, weniger Erkenntnisse haben soll als das Nachrich-
tenmagazin Der Spiegel. Es muss doch möglich sein, zu
sagen, ob das, was im Spiegel steht, aus Sicht der Bun-
desregierung stimmt oder nicht.






(A) (C)



(B) (D)


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611417000

Herr Kollege Gehrcke, ich habe auf Ihre Frage geant-

wortet, die sich ausdrücklich auf die Darstellungen im
Nachrichtenmagazin Der Spiegel bezieht. Im Übrigen
weise ich darauf hin, dass natürlich Erkenntnisse vorlie-
gen, die, vor allem wenn es sich um Erkenntnisse des
Bundesnachrichtendienstes handelt, in den zuständigen
Gremien dargelegt werden können.


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611417100

Weitere Nachfrage?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611417200

Ja. – Ich fand diesen Hinweis sehr spannend. Kann

ich davon ausgehen, dass zu den zuständigen Gremien,
in denen die Bundesregierung bereit ist, weitergehende
Erkenntnisse, einschließlich der Erkenntnisse des Bun-
desnachrichtendienstes, offenzulegen, auch solche Aus-
schüsse wie der Auswärtige Ausschuss und der Men-
schenrechtsausschuss des Parlamentes gehören, und
wäre die Bundesregierung bereit, das Versprechen in
diesen Ausschüssen einzulösen?


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611417300

Ich habe gerade ausgeführt, dass wir diese Erkennt-

nisse in den zuständigen Gremien werden darlegen kön-
nen.


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611417400

Dann kommen wir zur Frage 28 des Kollegen

Gehrcke:
Ist die Bundesregierung bereit, die Einrichtung und die

Zustände im US-Gefangenenlager Guantánamo auf die Tages-
ordnung der UNO-Menschenrechtskommission in Genf zu
setzen?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611417500

Ich habe in meiner Antwort auf Ihre erste Frage, Herr

Kollege Gehrcke, ausdrücklich gesagt, welche Standards
unserer Auffassung nach in einem solchen Lager erfüllt
werden müssen. Wir – nicht nur die Bundesrepublik
Deutschland, sondern auch die Europäische Union – be-
finden uns in einem ständigen Dialog mit den Vereinig-
ten Staaten, um auf die Einhaltung der völkerrechtlichen
Standards zu pochen. Darüber hinaus behandeln wir im
Rahmen der bilateralen Beziehungen zwischen Deutsch-
land und den Vereinigten Staaten – Sie wissen, es gibt ei-
nen offenen und ehrlichen Dialog mit dem Außenminis-
terium der Vereinigten Staaten – gerade die Rolle des
Rechtsstaats bei der Bekämpfung des Terrorismus sehr
intensiv.


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611417600

Nachfrage, Herr Kollege Gehrcke?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611417700

Herr Staatsminister, ich freue mich immer, wenn ich

eine Frage beantwortet bekomme, die ich gar nicht ge-
stellt habe. Ich habe konkret nachgefragt, ob die Bundes-
regierung bereit ist, diese Zustände, die Sie selber noch
einmal beschrieben haben, auf die Tagesordnung der
UN-Menschenrechtskommission in Genf zu setzen;
denn da gehören sie hin.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611417800

Ich habe vorhin ausgeführt, dass es in der Tat vielfäl-

tige Informationen und Dialoge zwischen Deutschland
und den Vereinigten Staaten gibt, ebenso zwischen der
Europäischen Union und den Vereinigten Staaten, dass
wir aber Initiativen, die wir in bestimmten Kommissio-
nen oder im Rahmen der Vereinten Nationen planen, mit
unseren Partnern in der Europäischen Union abstimmen
wollen.


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611417900

Weitere Nachfrage?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611418000

Ich versuche es noch einmal, Herr Präsident; schönen

Dank. – Irgendwie verstehen wir uns nicht. Die Frage ist
doch relativ simpel. Ich habe gefragt, ob die Bundesre-
gierung bereit ist, die Zustände, die Sie aus meiner Sicht
richtig beschrieben haben, auf die Tagesordnung des
VN-Gremiums zu setzen, das dafür zuständig ist, näm-
lich die Menschenrechtskommission in Genf. Diese
Frage kann man doch mit Ja oder Nein beantworten.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611418100

Ich habe gesagt: Wenn das so ist, dann werden wir das

mit unseren Partnern abstimmen. Derzeit ist das nicht
beabsichtigt.


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1611418200

Vielen Dank, Herr Staatsminister.

Die Fragen 29 und 30 der Kollegin Monika Knoche
sollen schriftlich beantwortet werden.

Es liegen keine weiteren Fragen vor. Damit sind wir
am Ende dieser Fragestunde.

Zwischen den Geschäftsführern ist vereinbart, dass
die Aktuelle Stunde um 16 Uhr stattfindet. Deswegen
unterbreche ich die Sitzung und werde sie um 16 Uhr
wiedereröffnen.


(Unterbrechung von 15.31 bis 16.00 Uhr)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611418300

Die unterbrochene Sitzung ist wiedereröffnet.

Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der FDP

Haltung der Bundesregierung zu den Äuße-
rungen des Bundesministers der Verteidigung,
Dr. Franz Josef Jung, in Terrorabsicht ent-
führte Flugzeuge ohne gesetzliche Grundlage
abschießen zu lassen

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat
das Wort die Kollegin Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger von der FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611418400

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Die FDP-Bundestagsfraktion will eine rationale
Debatte zur inneren Sicherheit – frei von Hysterie, Über-
treibung und Angstmacherei – führen, wie dies auch
Herr Ministerpräsident Wulff heute angemahnt hat. Das
Parlament ist dafür genau der richtige Platz. Wir lassen
uns hier nicht zu einer Quasselbude degradieren, in der
Firlefanz geredet wird.


(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die FDP-Bundestagsfraktion nimmt die Herausforde-
rung des internationalen Terrorismus sehr ernst. Sie war
und ist bereit, auf dem Boden des Grundgesetzes kon-
struktiv über angemessene und sinnvolle Maßnahmen zu
beraten. Sie ist nicht bereit, Bundesverfassungsgerichts-
urteile zu missachten, das Abwägungsverbot in Bezug
auf Menschenleben außer Kraft zu setzen und einer
Amerikanisierung des deutschen Rechtes zum Beispiel
mit Einführung eines Quasiverteidigungsfalles bei terro-
ristischer Bedrohung Vorschub zu leisten.


(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Heute geht es um die von Ihnen, Herr Verteidigungs-
minister Jung, geäußerte Absicht, von einem angebli-
chen Recht auf übergesetzlichen Notstand Gebrauch zu
machen und den Befehl zum Abschuss eines von Terro-
risten entführten Flugzeuges, das mit Passagieren besetzt
ist, zu geben, also die Menschen in diesem Flugzeug tö-
ten zu lassen. Weiter behaupten Sie, ein Abschuss sei
nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
auch in Fällen gemeiner Gefahr oder der Gefährdung der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung möglich.

Man hat fast den Eindruck, als hätte es das Gesetzge-
bungsverfahren von SPD und Bündnis 90/Die Grünen
im Hinblick auf die Regelung in § 14 Abs. 3 Luftsicher-
heitsgesetz, unter bestimmten Voraussetzungen den Ab-
schuss eines Flugzeuges zu ermöglichen, nicht gegeben.
Man hat den Eindruck, es hätte die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts nicht gegeben, das ausge-
führt und damit die Verfassungswidrigkeit dieser Be-
stimmung erklärt hat, dass es gegen Art. 1 und Art. 2 un-
seres Grundgesetzes verstößt, wenn ein von Terroristen
gekapertes Passagierflugzeug, in dem neben den Terro-
risten weitere Personen an Bord sind, abgeschossen wer-
den soll. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt,
dass es schlechterdings undenkbar ist, dies gesetzgebe-
risch in Form einer Bestimmung zu regeln und damit
eine gesetzliche Grundlage für einen Abschuss zu schaf-
fen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist nicht nachvollziehbar, dass behauptet wird, das
Bundesverfassungsgericht habe mit seinen in der Be-
gründung gemachten Ausführungen den Abschuss ge-
rade nicht verbieten wollen. Herr Minister Jung, es ist
nicht möglich, sich im Voraus auf das Recht des überge-
setzlichen Notstandes zu berufen und dies als Rechts-
grundlage, als Anspruchsgrundlage für einen Abschuss
zu nehmen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Im ersten Semester des Studiums der Rechtswissen-
schaften lernt man, dass das Institut des übergesetzlichen
Notstandes keine strafbare Handlung rechtfertigt, son-
dern eine solche Handlung in diesem Fall rechtswidrig
ist, dass es aber erst dann in Erwägung gezogen werden
kann, wenn es um die persönliche Verantwortung in ei-
ner ganz konkreten Situation geht, wenn es also bereits
zu einem solchen Konflikt gekommen ist. Sie können
das nicht antizipieren. In der gegenwärtigen Situation
liegt kein übergesetzlicher Notstand vor. Auch wenn Sie
schon jetzt alle Abwägungsprozesse vorwegnehmen, die
eigentlich erst dann ablaufen, wenn es um die persönli-
che Verantwortung geht, können Sie sich in einer solch
schwierigen Konfliktlage wahrscheinlich nicht darauf
berufen.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Herr Verteidigungsminister Jung, es ist wichtig, dass
in dieser Debatte klargemacht wird, dass Ihre Äußerun-
gen im Focus-Interview vom 17. September so nicht ste-
hen bleiben können. Sie müssen korrigiert werden. Es
muss klargemacht werden, dass das Grundgesetz und
das Urteil des Bundesverfassungsgerichts strikt einge-
halten werden. Dann können Sie gerne über einen mögli-
chen politischen Handlungsspielraum diskutieren. Für
das, was Sie gefordert haben, gibt es in der Form aber
keinen Handlungsspielraum.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir wollen eine Diskussion, die die Gefährdung der
inneren Sicherheit durch internationalen Terrorismus
und andere Formen der Bedrohung zum Gegenstand hat,
sich aber auch darauf beschränkt. Wir müssen auf dem
Boden des Grundgesetzes stehen, unsere Grundrechte
verteidigen und im rechtsstaatlichen Verfahren die richti-
gen Antworten geben. Wir wollen den Terroristen nicht
Vorschub leisten. Sie hätten es nämlich gern, dass wir
genau das nicht tun.

Recht herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Rede ID: ID1611418500

Das Wort hat jetzt der Bundesminister Dr. Franz Josef

Jung.






(A) (C)



(B) (D)

Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi-
gung:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich habe keinen Zweifel daran gelassen, dass ich
die Notwendigkeit einer politischen und verfassungs-
rechtlichen Diskussion darüber sehe, wie auf die geän-
derte Bedrohungslage unseres Landes zu reagieren ist.

Die rot-grüne Mehrheit hat damals die Auffassung
vertreten, dass man das Problem durch einfaches Gesetz
lösen kann, indem man das Luftsicherheitsgesetz ent-
sprechend formuliert. Die CDU/CSU-Fraktion war,
wenn ich richtig informiert bin, schon damals der Mei-
nung, dass dafür eine verfassungsrechtliche Klarstellung
erforderlich ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das Bundesverfassungsgericht hat genau diese ge-
setzliche Bestimmung für verfassungswidrig erklärt. Es
hat gesagt, dass ein Abschuss eines unbemannten Flug-
zeuges oder eines nur mit Terroristen besetzten Flugzeu-
ges aus seiner Sicht möglich ist, und zwar im Rahmen
der Regelung zum schweren Unglücksfall, Art. 35
Grundgesetz, dass dafür aber eine verfassungsrechtliche
Klarstellung erforderlich ist; denn in Art. 35 steht nur:
polizeiliche Mittel. Das Bundesverfassungsgericht hat
ferner gesagt, dass in diesem Fall eine Abwägung Leben
gegen Leben nicht stattfinden kann, weil der Grundsatz
des Art. 1 Grundgesetz – Menschenwürde – zu berück-
sichtigen ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich er-
klärt, dass es sich nicht zu der Frage äußert, wie sich die
Rechtslage bei der – ich zitiere – „Abwehr von Angrif-
fen, die auf die Beseitigung des Gemeinwesens und die
Vernichtung der staatlichen Rechts- und Freiheitsord-
nung gerichtet sind“, darstellt.

Heute müssen wir uns leider Terroranschläge vorstel-
len, die teilweise eine andere Art und Zielsetzung haben,
wie es beispielsweise mein Amtsvorgänger Georg Leber
erlebt hat. Er hat zur Schlussfeier der Olympischen
Spiele am 11. September 1972 die Information bekom-
men, dass ein Flugzeug mit einer Bombe auf das vollbe-
setzte Olympiastadion zufliegt. Er schildert in seinen
Memoiren diese geradezu dramatische Konfliktsituation,
als die Abfangjäger mit scharfen Waffen aufgestiegen
sind. Zum Glück hat sich diese Information nachher als
falsch herausgestellt. Er hat damals gesagt – er hat es in
seinen Memoiren noch einmal unterstrichen –, dass er es
für gut erachte, wenn der Vorfall einmal juristisch und
politisch aufgearbeitet würde. Er schreibt:

Niemand kann ausschließen, dass es sich in ähnli-
cher Form wieder einmal ereignet.

Ich denke, dass klar sein muss, dass sich unsere Sol-
datinnen und Soldaten, die in einer solch schwierigen Si-
tuation handeln sollen, darauf verlassen müssen, dass
nur Befehle erteilt werden, die unter Berücksichtigung
der tatsächlichen und der ethischen Gesichtspunkte so-
wie der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung – und
damit der rechtlichen Gesichtspunkte – erfolgen. Hier
muss klar sein – das möchte ich deutlich unterstreichen –,
dass die Soldaten in einer solch schwierigen Situation
nicht alleingelassen werden, sondern dass die politische
Verantwortung für eine solche Entscheidung bei demje-
nigen liegt, der diese Verantwortung zu tragen hat. Das
ist im Zweifel der Inhaber der Befehls- und Kommando-
gewalt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich finde allerdings auch, dass es der Schwierigkeit
der Situation nicht gerecht wird, wenn der Berichterstat-
ter des Bundesverfassungsgerichts in der FAZ vom
5. Januar 2007 wie folgt zitiert wird:

… er habe darauf gehofft, dass es im Letzten ein
verantwortlicher Amtsträger auf sich nehmen
würde, das Notwendige zu vollziehen und als Per-
son die Last eines Rechtsverstoßes auf sich zu la-
den.

Ich denke, dass unverkennbar ist, dass eine solche
Extremsituation eine enorme Gewissensbelastung für die
Verantwortlichen darstellt. In dieser Situation ist auf un-
sere Rechtsordnung Rücksicht zu nehmen, die die Men-
schenwürde umfasst; es ist aber auch zu berücksichtigen,
dass wir einen Eid geschworen haben, Schaden vom
deutschen Volke abzuwenden.

Das kann zu tragischen und schwierigsten Entschei-
dungen führen. Ich finde, dass eines klar sein muss:
Wehrhafte Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bedeuten
nach meinem Verständnis, dass auch verheerendste und
menschenverachtendste Angriffe auf unser Gemeinwe-
sen nicht außerhalb der Rechtsordnung, sondern gerade
mit den Mitteln der Rechtsordnung bekämpft werden
müssen. Deshalb wünsche ich mir hier eine verfassungs-
rechtliche Klarstellung durch das Parlament, das als Ver-
fassungsgeber diesbezüglich in Betracht kommt.

Nichts stellt unseren Rechtsstaat mehr infrage als die
Behauptung, auf seiner Grundlage sei man extremsten
Formen terroristischer Angriffe wehrlos ausgeliefert.
Dieser Staat ist nicht wehrlos. Ich wiederhole: Wir haben
die Verpflichtung, Schaden vom deutschen Volk abzu-
wenden. Ich denke, dass hier deutlich wird, welch tragi-
sche und schwierige Situation entstehen kann. Ich wün-
sche mir, dass ich persönlich nicht in eine Situation, in
der ich eine solche Entscheidung treffen muss, kommen
möge.

Wenn es aber eine solche Entscheidungssituation not-
wendig macht, dann muss man dafür unter Abwägung
aller Gesichtspunkte, die ich vorgetragen habe, die poli-
tische Verantwortung übernehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Leider sind aus meiner Sicht im Rahmen der Debatte
Thesen vorgetragen worden, die der Sache nicht gerecht
werden. Ich denke deshalb, dass wir gemeinsam gefor-
dert sind, auch und gerade unter Berücksichtigung der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das
hier die Notwendigkeit einer verfassungsrechtlichen
Klarstellung gesehen hat, diese Verantwortung wahrzu-
nehmen. Ich glaube, wir haben eine gemeinsame Verant-
wortung für die Freiheit, für das Recht, aber auch für die
Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger.






(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Dr. Franz Josef Jung
Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611418600

Das Wort hat jetzt der Kollege Paul Schäfer von der

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611418700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten in der alten Bun-
desrepublik einmal einen Innenminister, der gesagt hat:
Ich kann doch nicht immer mit dem Grundgesetz unter
dem Arm herumlaufen. Jetzt haben wir einen Minister,
der in voller Kenntnis des Grundgesetzes und der aktuel-
len Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im
Grunde genommen sagt: Ich halte mich nicht daran, ich
setze mich darüber hinweg.– Ich finde, das ist ein bei-
spielloser Vorgang.


(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)


In einem solchen Fall ist es besser, der Minister tritt
nicht erst nach einem Abschussbefehl zurück, sondern
vorher. Die Bundeskanzlerin müsste ihn eigentlich ent-
lassen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich finde, der Hinweis auf die verfassungsrechtliche
Klarstellung ist eine Nebelkerze. Das Verfassungsgericht
hat im Februar letzten Jahres klargestellt, der Abschuss
von Flugzeugen, in denen Unbeteiligte sitzen, sei mit
Art. 1 und Art. 2 des Grundgesetzes nicht in Einklang zu
bringen.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das finden wir nicht!)


Das ist eine eindeutige Aussage, an der Sie nicht vor-
beikommen. Sie gilt genauso wie das absolute Folterver-
bot. Ich finde, hier muss ganz klar sein: Wer das auf-
weicht, der macht sich nicht nur strafbar, sondern der
verschiebt rechtsstaatliche und moralische Maßstäbe.
Das können wir allesamt nicht wollen.


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier werden Szena-
rien heraufbeschworen. Sie reden einer vorbeugenden
Tötung von Passagieren einer gekaperten Maschine das
Wort. Damit beanspruchen Sie, genau zu wissen, wie das
Ganze ausgeht. Es heißt, die Menschen in der Maschine
würden ohnehin getötet. Wenn es nicht gelingt, die Ma-
schine abzuschießen, würden möglicherweise noch mehr
Menschen sterben. Woher wissen Sie, dass das so aus-
geht? Es könnte genauso gut sein, dass den Passagieren
die Entwaffnung der Terroristen gelingt. Sie aber wollen
im Vorfeld darüber entscheiden. Wenn wir sagen: „Der
Abschuss wird freigegeben“, dann frage ich: Wie wirkt
das auf die Passagiere in dieser Maschine? Haben Sie
sich das einmal überlegt? Ich glaube, es ist ganz klar: Sie
kommen an dem Leitsatz 3 des Bundesverfassungsge-
richts in Karlsruhe nicht vorbei. Diese Abwägung von
Leben gegen Leben darf es nicht geben.

Ich frage mich, was Sie in dieser Sache geritten hat,
wenn Sie Art. 35 des Grundgesetzes ändern bzw. erwei-
tern wollen. Man kann zwar sagen, die Bundeswehr
kann im Bereich der inneren Sicherheit neue Zuständig-
keiten für sich reklamieren, doch das löst das Problem
nicht. Deshalb denken Sie an die Erweiterung von
Art. 87 des Grundgesetzes. Auch hierdurch beseitigen
Sie das Verfassungsgerichtsurteil nicht; aber es ist ganz
klar, worauf dies hinausläuft. Sie sagen, das sei praktisch
ein Verteidigungsfall. Wir müssen also gegen eine solche
terroristische Attacke quasi mit dem Kriegsrecht antwor-
ten. Dazu sage ich: Terrorismus bleibt ein Fall von
Schwerstkriminalität und muss entsprechend bekämpft
werden. Das ist keine Aufgabe für eine Kriegsführung.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn wir es zulassen, dass hier eine Tür aufgemacht
wird, dann orientieren wir uns wirklich am War on
Terrorism. Ich habe ein wenig den Verdacht, dass es in
diese Richtung gehen soll. Wir haben in den USA aber
erlebt, wohin das führt, wenn man sagt: „Wir müssen in
einem gewissen Maß die innerstaatliche Mobilmachung
gegen den äußeren Feind betreiben“. Dabei bleiben oft
Grundrechte und Freiheiten auf der Strecke, oder sie
werden beschnitten. Genau diese Entwicklung wollen
wir in der Bundesrepublik Deutschland nicht.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Herr Minister, es ist richtig – Sie haben auf dieses Di-
lemma angespielt –, dass es Grenzsituationen sind, in de-
nen entschieden werden muss. Daher könnten Sie nach
Lage der Dinge mildernde Umstände für sich geltend
machen. Aber es muss klar sein, dass die Abwägung, die
Sie vornehmen, nicht rechtens ist. So zu handeln, das
wäre strafbar. Diesem Problem muss man sich stellen.
Man kann das nicht im Voraus regeln. Das ist der Punkt,
um den es hier geht.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Noch eine Bemerkung zum Schluss. Mindestens ge-
nauso schlimm wie ein vorsätzlicher Gesetzesbruch ist
es, andere mit hineinzuziehen. Wie wir hören, sollen so-
gar schon Piloten ausgesucht worden sein, die dazu be-
reit sind, alle Befehle zu 100 Prozent zu befolgen. Ich
finde, das ist ein starkes Stück. Sie sind als Minister
nicht aus dem Schneider, wenn Sie zurücktreten, nach-
dem Sie den Abschussbefehl gegeben haben. Denn dann
muss geprüft werden, ob dieser Befehl nicht eine Anstif-
tung zum Totschlag war. Diese Verantwortung müssen
Sie übernehmen. Sie können zurücktreten, die Piloten
können nicht einmal das.

Reden Sie den Piloten auch nicht ein, sie brauchten
aufgrund des übergesetzlichen Notstands keine Skrupel
zu haben. Zentral ist der Hinweis auf § 11 des Soldaten-
gesetzes, in dem es heißt, dass ein Befehl, durch den eine
Straftat begangen würde, nicht ausgeführt werden darf.
Es ist eine ganz entscheidende Errungenschaft, die auf






(A) (C)



(B) (D)


Paul Schäfer (Köln)

die Erfahrungen mit der Wehrmacht im Dritten Reich
zurückgeht, dass es unseren Soldatinnen und Soldaten
möglich sein muss, einen Befehl zu verweigern. Das ist
die Umsetzung des Konzepts des Staatsbürgers in Uni-
form. Diese wichtige Tradition und Errungenschaft der
Bundeswehr dürfen wir jetzt nicht aufgeben.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Paul Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1611418800

Das Wort hat jetzt der Kollege Rainer Arnold von der

SPD-Fraktion.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611418900

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Herr Minister, ich hätte mir gewünscht – ich sage das of-
fen –, dass der heutige Tag genutzt wird, um die Dinge
zurechtzurücken.


(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU] – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das wird er!)


Dieses Thema hilft unserer Koalition nicht, und es hilft
vor allen Dingen den Soldaten nicht, die Sie in diesem
Zusammenhang in eine sehr schwierige Situation brin-
gen. Außerdem ist dieses Thema nicht zielführend. Die
Menschen erwarten von uns, dass wir das regeln, was
geregelt werden kann, und dass wir nicht über Dinge
reden, die wohl nicht geregelt werden können.


(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich meine, es gibt eine Reihe von Argumenten, die
das belegen. Im Rahmen der Diskussion geht es zu-
nächst einmal um staatsrechtliche Fragen. Das Bundes-
verfassungsgericht hat Recht gesprochen. Wir, die wir
damals dafür gestimmt haben, lagen mit unserer Ein-
schätzung falsch.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)


Unsere Aufgabe ist, aus Fehlern zu lernen und sie nicht
sehenden Auges zu wiederholen. Klar ist: Der Wesens-
gehalt von Art. 1 unseres Grundgesetzes darf nicht über
andere Artikel ausgehebelt werden.


(Beifall bei der SPD, der FDP und der LINKEN sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Neben der staatsrechtlichen Frage stellt sich natürlich
auch die strafrechtliche Frage. Herr Minister, Ihren An-
satz, darüber zu philosophieren, ob es möglicherweise
ein höheres Gut der Verantwortung gibt, halte ich für
falsch. Wenn Sie eine Entscheidung getroffen haben,
dann können Sie, indem Sie sich auf einen übergesetzli-
chen Notstand berufen, im Nachhinein – ich sage das
sehr deutlich – um Entschuldigung bitten. Aber Sie wer-
den sich immer schuldig machen müssen, egal wie Sie
sich entscheiden.

(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: So ist das! Ja!)


Man sollte aber nicht von Vornherein über den überge-
setzlichen Notstand diskutieren und ihn definieren.


(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist eine sehr schwierige Debatte, die allerdings
nachgelagert zu führen ist. Es ist für einen Minister viel
schwieriger als für einen Piloten oder einen Polizisten,
zu sagen, was ein übergesetzlicher Notstand ist. Deshalb
hilft uns dieser Begriff in der konkreten Diskussion nicht
weiter.

Diese Debatte hat auch eine politische Dimension.
Wer glaubt, wir müssten den zweifellos vorhandenen
Sorgen bezüglich des Terrorismus begegnen, indem wir
Kriegsdefinitionen entwickeln, der führt uns wirklich in
die Irre.


(Beifall bei der SPD, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Das Land, das so vorgegangen ist, ist ein sehr abschre-
ckendes Beispiel, an dem man allerdings erkennen kann,
welche Fehler begangen werden können. Wir brauchen
in der Situation der terroristischen Bedrohung Beson-
nenheit statt Scheinlösungen.


(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Damit komme ich zum Praktischen. Wir sollten nicht
glauben, der 11. September wiederholt sich auf der Welt
eins zu eins; das wäre fantasielos. Ich weiß nicht, was
die Terroristen aushecken. Ich weiß aber, dass wir viel
getan haben, damit sich der 11. September 2001 nicht
eins zu eins wiederholen kann: dass Terroristen nicht
mehr ohne Weiteres ins Cockpit kommen; dass auf dem
Boden viel getan wird. Außerdem hätten wir in Deutsch-
land wahrscheinlich keine halbe oder dreiviertel Stunde
Zeit zum Reagieren. Die Terroristen werden nicht im
Kreis herumfliegen wie der psychopathische Sportpilot
in Frankfurt, sondern entschlossen ans Werk gehen. Da
helfen uns die ganzen abstrahierenden Debatten nicht
weiter.


(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb lassen Sie uns in der Koalition tun, was getan
werden muss, Herr Minister, und das Fenster schließen,
das uns das Bundesverfassungsgericht geöffnet hat,
nämlich zulassen, dass dort, wo die polizeilichen Mittel
in der Luft und auf See enden – nach der 12-Meilen-
Zone –, militärische Mittel eingesetzt werden können,


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Ja!)


im Rahmen der Amtshilfe nach Art. 35. Dieser Vor-
schlag der Sozialdemokratie liegt seit Monaten auf dem
Tisch. Es wundert mich sehr, dass dieses Thema immer






(A) (C)



(B) (D)


Rainer Arnold
wieder neu mit falschen Argumenten gepuscht wird, an-
statt dass wir uns einer realistischen Lösung zuwenden,
die übrigens auch den Piloten helfen würde.


(Beifall bei der SPD)


Lassen Sie uns dies in nächster Zeit bewerkstelligen!

Wir müssen uns eines klarmachen: Wir können nicht
so tun, als ob die einen die Gesellschaft schützen wollten
und die anderen, die darauf verweisen, dass sich
Art. 87 a dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu-
folge nicht dafür eignet, dies nicht tun wollten. Wir alle
wollen das Menschenmögliche tun, um unsere Gesell-
schaft vor Terrorismus zu schützen. Wir sollten aber
keine Scheinlösungen versprechen, und wir dürfen nicht
den Eindruck erwecken, als ob es absoluten Schutz gäbe;
den gibt es nicht. Das müssen die Menschen wissen. Wir
müssen aufpassen, dass Rechtsstaatlichkeit und Schutz
vor Terror am Ende nicht gegenläufige Ziele sind. Wer
uns vor Terror schützen will, muss erkennen: Rechts-
staatliches Handeln und das Bestmögliche gegen Terro-
risten zu tun, sind ein und dieselbe Sache. Darauf kommt
es am Ende an.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1611419000

Das Wort hat der Kollege Hans-Christian Ströbele für

Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Als der Kollege Arnold gerade zu reden anfing und eine
Frage an den Minister richtete, dachte ich: Ja, eine Frage
habe ich auch; die will ich auch stellen. – Dann habe ich
ihm mit wachsender Begeisterung zugehört, weil er ja
sehr viel Richtiges gesagt hat. Zuerst habe ich mir ge-
dacht: Na gut, ein einzelner Abgeordneter aus der SPD.
Doch dann habe ich festgestellt: Die SPD hat überwie-
gend geklatscht. – Da frage ich mich doch: Was ist ei-
gentlich die Auffassung der Bundesregierung – einer
Bundesregierung, die auch von der SPD-Fraktion getra-
gen wird – in dieser Frage, wenn der Minister das eine
sagt, die SPD-Fraktion aber fast geschlossen zu den Auf-
fassungen des Kollegen Arnold klatscht?


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Rainer Arnold [SPD]: Loben Sie mich nicht! Es schadet mir nur, wenn Sie mich loben!)


Auch ich stelle mir natürlich die Frage: Herr Minister
Jung, welcher Teufel reitet Sie eigentlich, dass Sie seit
letztem Wochenende Tag für Tag an keinem Mikrofon
vorbeigehen können, ohne zu sagen: Ich bin entschlos-
sen, den Befehl zu geben, Passagiermaschinen abzu-
schießen, und ich habe Vorsorge getroffen, dass das von
der Bundeswehr auch umgesetzt wird: Ich weiß jetzt,
welche Piloten bereit sind, auch rechtswidrige, verfas-
sungswidrige, illegale Befehle zu befolgen; die anderen
haben wir aussortiert. Wir werden nur diejenigen in den
Einsatz schicken, die vorher versprochen haben, meinen
illegalen Befehlen zu folgen.

Ich frage mich: Warum sagen Sie das in dieser Zeit je-
den Tag immer wieder? Gibt es dafür einen konkreten
Anlass, oder was ist der Hintergrund? Denn es kann
doch nicht sein, dass Sie die möglichen Selbstmordatten-
täter meinen. Die lassen sich von solchen Ankündigun-
gen sicherlich nicht beeinflussen. Richtet sich das an die
Passagiere? Wenn ich das jeden Tag höre – wir sind ja
alle Passagiere –, dann frage ich mich: Was sagt mir das?
Wie soll ich mich verhalten? Welche Vorsichtsmaßnah-
men könnte ich gegen einen solchen Befehl des Minis-
ters treffen? Mir fällt dazu nichts ein.


(Dirk Niebel [FDP]: Fahrrad fahren!)


Wenn sich das nicht an diese beiden Adressen richtet,
dann bleibt nur übrig, dass Sie sich an die Öffentlichkeit
richten, dass Sie versuchen, in der Öffentlichkeit einen
Gewohnheitseffekt zu erreichen, dass man sagt: Es ist ja
klar, wenn da ein Flugzeug gekapert worden ist und die
Selbstmordattentäter drohen, die Maschine abstürzen zu
lassen, dann wird dieser Befehl gegeben. Von all den
Abwägungsüberlegungen, die zum Beispiel angestellt
werden müssten, wenn ein übergesetzlicher Notstand an-
genommen werden sollte, sagen Sie nichts; vielmehr
sind Sie fest entschlossen, diesen Befehl zu geben.

Da kann ich Sie nur auf ein gestern Abend gesendetes
Interview mit dem ehemaligen Verfassungsrichter
Jentsch aufmerksam machen, der völlig zu Recht auf
Folgendes hingewiesen hat: Wenn Sie nach einem sol-
chen Befehl im Erklärungsnotstand gegenüber der Öf-
fentlichkeit und gegenüber Ihrem Richter sind und erklä-
ren, dass Sie in einem übergesetzlichen Notstand waren
und so gehandelt haben, weil Sie eine Abwägung vorge-
nommen haben, dann wird er Ihnen entgegenhalten, dass
Sie vorher Tag für Tag immer wieder betont haben, dass
Sie fest entschlossen sind, das zu tun. Wo ist da der Ab-
wägungsprozess, der notwendig gewesen wäre?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN – Dr. Jürgen Gehb [CDU/ CSU]: Das war bei § 14 Abs. 3 Luftsicherheitsgesetz genauso! Das wäre kontinuierlich die Grundlage gewesen!)


Weil Sie als Bundesminister nicht nur die Piloten in
solche einteilen, die verfassungswidrigen, rechtswidri-
gen, illegalen Befehlen gehorchen, und solche, die das
nicht tun – sie werden also ausgesondert, sie dürfen dort
keinen Dienst tun –, weil Sie selber sich dazu bereit er-
klärt und gesagt haben, Sie würden das tun, Sie würden
sich illegal, gesetzlos verhalten, würden solche Einsatz-
befehle geben,


(Dirk Niebel [FDP]: Untragbar!)


bei denen es um Leben und Tod von 10, 20, 50, 100 oder
vielleicht auch mehreren Hundert Passagieren geht, und
weil das zeigt, dass Sie da die notwendigen Skrupel
nicht haben, deshalb, Herr Minister, ist es nicht hin-






(A) (C)



(B) (D)


Hans-Christian Ströbele
nehmbar, dass Sie weiter im Amt sind, weiter dieser
Bundesregierung angehören; denn Sie sind in dieser
Weise nicht nur eine Gefahr für die Truppe, sondern
auch eine Gefahr für die Sicherheit in der Bundesrepu-
blik Deutschland und für die Passagiere, die sich in Zu-
kunft in Flugzeuge setzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb muss die Forderung lauten: Quittieren Sie Ihr
Amt, wie Sie das schon einmal im September 2000 mit
einem Ministeramt in Hessen getan haben!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611419100

Das Wort hat der Kollege Bernd Siebert von der

CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611419200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn ich mir die beiden letzten Reden in Erinnerung
rufe, dann habe ich den Eindruck, als würden wir diese
Diskussion heute das erste Mal führen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deswegen will ich Sie mit ein paar Zitaten vertraut
machen:

Die Abwehr terroristischer Angriffe im Land ist
Aufgabe der Polizei.

D’accord.

Nur dort, wo die Bundeswehr allein über die not-
wendigen Fähigkeiten verfügt, wird sie herangezo-
gen. Dazu haben wir ein Luftsicherheitsgesetz ver-
abschiedet, das dem Verteidigungsminister

– hören Sie gut zu –

erlaubt, den Befehl zu geben, terroristische An-
griffe aus der Luft zu bekämpfen.

An anderer Stelle wird gesagt: „notfalls auch den Ab-
schuss eines von Terroristen als Waffe benutzten Passa-
gierflugzeuges zu befehlen“.

Das ist ein Zitat aus der damaligen Zeit der rot-grünen
Regierung, vorgetragen von dem Verteidigungsminister
Peter Struck.


(Zurufe von der CDU/CSU: Aha! – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Vor Karlsruhe!)


Dies macht deutlich, dass Sie damals überzeugt waren,


(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Ströbele auch!)


dass wir diesen Bereich mit einem Gesetz rechtlich auf-
füllen müssen, nämlich mit dem damals von Ihnen be-
schlossenen Luftsicherheitsgesetz.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Ströbele hat zugestimmt!)

Wir haben damals gesagt: Bevor Sie das Gesetz ver-
abschieden, sollten Sie mit uns gemeinsam die Verfas-
sung ändern.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre nicht möglich gewesen!)


Dann hätte das Gesetz auch vor dem Verfassungsgericht
Bestand gehabt, lieber Herr Kollege.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Irrglaube!)


Durch das Zitat von damals wird deutlich, dass wir in
der damaligen Situation einen Regelungsbedarf hatten.
Durch die jetzigen Erklärungen von Franz Josef Jung
wird deutlich, dass wir auch heute einen Regelungsbe-
darf haben.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Eben!)


Die rot-grüne Regierung hat das Luftsicherheitsgesetz
verabschiedet, weil es damals genau diesen Regelungs-
bedarf gab. Die Aussagen in der gesamten Diskussion
waren übrigens ähnlich wie die heute.

Sie von der Fraktion der Grünen haben das Gesetz da-
mals gemeinsam mit der SPD auf den Weg gebracht. Sie
haben es verabschiedet. Vor dem Bundesverfassungsge-
richt haben Sie Schiffbruch erlitten.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber wir haben aus diesem Schiffbruch gelernt! Sie nicht!)


Wenn ich heute mit Ihrer Art der Diskussion die Vor-
gänge von damals beurteilen würde, dann müsste ich sa-
gen, dass Sie mit dem Gesetz, das Sie damals verab-
schiedet haben, bewusst in Kauf genommen haben – Sie
wurden vorher nämlich gewarnt –, die Verfassung zu
brechen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Völliger Unsinn!)


Deswegen muss ich an dieser Stelle feststellen: Sie
versuchen den Eindruck zu hinterlassen, als wären Sie
bei der Behandlung dieses Themas damals nicht in der
Regierung gewesen und als hätten Sie sich nicht mit den
gleichen Fragen beschäftigt, mit denen wir uns heute
auch beschäftigen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen wir selbst genau!)


Deshalb müssen wir schauen, welchen Spielraum uns
das Verfassungsgericht gegeben hat, hier eine Regelung
zu finden.


(Jörn Thießen [SPD]: Richtig!)


Das ist unsere Aufgabe heute.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Deswegen sage ich nach meinen Formulierungen von
eben an dieser Stelle: Es ist unsere Aufgabe, jetzt






(A) (C)



(B) (D)


Bernd Siebert
gemeinsam darüber nachzudenken, was wir zu formulie-
ren haben und was wir mehrheitlich hinbekommen, so-
dass wir das Risiko beseitigen können. Die Menschen
draußen erwarten von uns doch, dass wir uns nicht mo-
natelang über diese Frage hinwegstehlen, sondern dass
wir ihnen eine Lösung anbieten. Darum müssen wir
kämpfen, dafür müssen wir arbeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jörn Thießen [SPD])


Das, was Sie vorgelegt haben, ist noch keine Lösung,
sondern die Lösung muss umfangreicher sein und auch
Verfassungsänderungen beinhalten.


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Und das macht Ihr Minister momentan gerade?)


– Nein.

Ich will jetzt etwas zurückhaltender werden und noch
einmal darauf hinweisen:


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Greifen Sie einmal die SPD an!)


Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Men-
schen, die von uns erwarten, dass wir etwas regeln. Wir
haben diese Verantwortung gegenüber den Menschen,
die sich auf Großveranstaltungen befinden und mögli-
cherweise mit dem Risiko leben müssen, dass ein An-
schlag stattfindet. Wir haben aber auch die Pflicht, den
Menschen, die in den Flugzeugen sitzen, eine Antwort
darauf zu geben, wie wir das regeln, so wie Herr
Ströbele das eben durchaus auch angemahnt hat. Sie
müssen diese Mahnung aber auch an sich selbst richten,
lieber Herr Ströbele.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht abschießen!)


Wir haben auch die Verantwortung, eine Regelung zu
finden,


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das lässt sich nicht regeln!)


durch die den Soldaten im Falle eines Falles eine Ant-
wort gegeben wird. Schließlich haben wir auch eine Ver-
antwortung gegenüber dem Minister, dass wir etwas re-
geln.

Der Minister hat uns mit seinen Formulierungen deut-
lich gemacht – er hat den Finger in die Wunde gelegt –,
dass wir die Situation nicht so belassen können, wie sie
ist. Ich denke, damit hat er nicht verantwortungslos, son-
dern in höchstem Maße verantwortungsvoll gehandelt.
Er verdient unsere Belobigung.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es aber albern! – Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Er hat die Lösung gleich mitgebracht! Das ist unglaublich!)


Deshalb stehen wir als Christdemokraten und Christsozi-
ale hinter diesem Minister.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Bernd Siebert (CDU):
Rede ID: ID1611419300

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der FDP-Frak-

tion, Dr. Guido Westerwelle.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611419400

Herr Präsident! Herr Kollege Siebert, Sie haben zum

Schluss etwas aus Ihrer Sicht Notwendiges gesagt, näm-
lich dass Ihre Fraktion, die CDU/CSU-Fraktion, hinter
den Aussagen des Ministers steht. Das war notwendig zu
erwähnen. Die Mehrheit des Deutschen Bundestags steht
nicht hinter diesen Aussagen des Bundesverteidigungs-
ministers.


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das ist es, was zählt.

Nicht einmal die Mehrheit der Bundesregierung
selbst steht hinter diesem Verteidigungsminister. Für
wen hat der von mir persönlich sehr geschätzte Herr Ver-
teidigungsminister eigentlich hier gesprochen? Für die
Mehrheit des Deutschen Bundestages und die Bundesre-
gierung spricht er nicht. Für wen spricht er dann?

Es gibt noch einen entscheidenden Grund, warum Sie
bis jetzt eine Regierungserklärung verweigert haben: Sie
wissen, dass Sie in dieser Frage alleine sind. Sie sind in
der Minderheit. Sie können den Soldaten nicht solche
Befehle geben. In welche Situation bringen Sie die Sol-
datinnen und Soldaten, indem Sie vortäuschen, das sei
rechtmäßig? Es ist rechtswidrig, und ein Minister darf so
etwas auch den Soldaten nicht abverlangen.


(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Wir könnten es uns als Freie Demokraten sehr leicht
machen. Sie haben sich mit dem Luftsicherheitsgesetz
von SPD und Grünen auseinandergesetzt. Wir sind, wie
Sie wissen, die einzige Fraktion gewesen, die damals
klar dagegengestimmt hat.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


Die Liberalen haben damals auch das Bundesverfas-
sungsgericht angerufen. Aber es gibt einen entscheiden-
den Unterschied, durch den sich eine neue Situation er-
gibt. Insofern ist es, meine ich, bei allem Respekt zu
honorieren, dass Kollege Arnold das klar gesagt hat. Es
gibt einen einfachen Rechtsgrundsatz zu der Frage, was
verfassungsgemäß und was verfassungswidrig ist: Roma
locuta, causa finita. Wenn das Verfassungsgericht ent-
schieden hat, dass etwas gegen die Verfassung verstößt,
dann gilt das für jeden hier, auch für den Verteidigungs-
minister. Es mag einen übergesetzlichen Notstand geben;
aber kein übergesetzlicher Notstand führt über die Ver-
fassung hinaus. Alle Staatsgewalt ist daran gebunden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. Guido Westerwelle
Dementsprechend ist es auch unzulässig, Herrn Kol-
legen Arnold, Herrn Kollegen Ströbele und anderen, die
heute ihre Meinung geäußert haben, entgegenzuhalten,
dass es sich lediglich um eine Frage der Gesetzestechnik
handele; man könne mit Änderungen der Art. 35 und
87 a des Grundgesetzes hinsichtlich der Zuständigkeiten
von Bund und Ländern etwas an der Sache ändern. Neh-
men Sie bitte zur Kenntnis, dass nach der Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2006, die
im Übrigen von uns Liberalen erwirkt worden ist, das
Abschießen von unschuldigen Menschen in Passagier-
maschinen nicht nur aus irgendwelchen formellen Grün-
den nicht zulässig ist; sondern die Verfassung verbietet
es auch materiell,


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Nein!)


weil es gegen die Menschenwürde und das Recht auf Le-
ben verstößt. Das sollten Sie wenigstens zur Kenntnis
nehmen.


(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist ein einmaliger Vorgang, dass die Justizministe-
rin der Bundesrepublik Deutschland ihrem Kabinettskol-
legen, dem Bundesverteidigungsminister, sagt, dass er
sich klar verfassungswidrig äußert, dieser aber trotzdem
weiterhin diese Meinung vertritt. Herr Kollege Jung, Sie
haben nicht mehr viel Zeit. Aber Sie sollten sie allmäh-
lich nutzen, um von einer absolut esoterischen Diskus-
sion mit dramatischen Konsequenzen – übrigens auch
für das Gerechtigkeitsgefühl in unserer Bevölkerung –
Abschied zu nehmen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie sind doch kein Philosoph, der irgendwelche Dis-
kussionen beginnen könnte. Von Ihnen erwartet man,
dass Sie sich an Recht und Gesetz halten, vor allen Din-
gen, dass Sie nicht nur auf dem Boden der Verfassung,
sondern im Zweifelsfall auch zu ihr stehen. Das ist der
feine Unterschied.

Man kann das Leben von Unschuldigen nicht gegen-
einander abwägen. Man kann auch nicht das Leben von
Unschuldigen gegeneinander aufrechnen. Wo hört man
auf, und wo fängt man an? Darf der Staat zehn umbrin-
gen, wenn möglicherweise 100 gerettet werden können?
Oder vielleicht zehn zu zwanzig, eins zu zwei oder eins
zu tausend?

Das ist eine Diskussion, die sich der Staatsgewalt ent-
ziehen muss. Der übergesetzliche Notstand, den Sie ins
Feld führen, führt Sie erstens über die Verfassung nicht
hinaus und hat zweitens den wesentlichen Charakterzug,
dass er im Vorhinein nicht normiert werden kann. Aber
genau das ist es, was Sie in Wahrheit wollen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe hierin eine sehr traurige und unglückliche
Entwicklung der Diskussion in diesem Jahr. Der Innen-
minister meldet sich – von der Unschuldsvermutung
über das Töten auf Verdacht bis zum Szenario eines ato-
maren Angriffs durch Terroristen – zu Wort. Der Vertei-
digungsminister sagt, er sei selbstverständlich bereit, Be-
fehle zum Abschuss Unschuldiger zu erteilen. Das alles
schafft ein Klima der Verunsicherung.

Deswegen sage ich Ihnen: Da die Mehrheit dieses
Hauses dieses Verhalten augenscheinlich missbilligt,
Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, werden
wir dem Deutschen Bundestag einen Missbilligungsan-
trag zu den infrage stehenden Äußerungen des Verteidi-
gungsministers zur Abstimmung vorlegen. Dann werden
wir sehen, ob Sie dazu stehen. Koalitionsräson ist das
eine. Das andere ist die Verfassung, die über der Koali-
tionsräson steht.


(Anhaltender Beifall bei der FDP – Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1611419500

Das Wort hat der Kollege Hermann Scheer von der

SPD-Fraktion.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611419600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den

Terrorismus ist signifikant: Er kommt in der Regel aus
dem Dickicht des Alltags. Die Aktionsform ist überra-
schend genauso wie der Aktionsort. Die größte anzuneh-
mende terroristische Gefahr, bei der, wenn überhaupt,
ein übergesetzlicher Notstand geltend gemacht werden
könnte, ist ohne Zweifel der Atomterrorismus. Davon
hat Minister Schäuble am Wochenende ausführlich ge-
sprochen. Es ist klar, dass eine solche Gefahr ernst zu
nehmen ist. Es ist klar, dass man gegen diese Gefahr
kaum adäquat gewappnet sein kann. Es ist klar, dass die
Gefahr des Atomterrorismus dazu führen kann – darauf
hat schon vor drei Jahrzehnten Robert Jungk in seinem
Buch Der Atomstaat hingewiesen –, dass Demokratie
und Rechtsstaat, wenn man nicht aufpasst, daran er-
sticken.

Nun befinden wir uns in einer Diskussion, die sich an-
hand der Äußerungen von Minister Jung auf die Frage
konzentriert, wie wir Quellen akuter Gefahren mögli-
cherweise in letzter Minute beseitigen können. Aber zur
Betrachtung einer solchen Gefahr gehört zumindest ge-
nauso, wenn nicht sogar an erster Stelle, die Berücksich-
tigung der Gefahrenstellen, wenn wir den Sicherheits-
auftrag ernst nehmen, und zwar mit den Mitteln, die uns
im gesetzlichen Normalfall zur Verfügung stehen, also
ohne den übergesetzlichen Notstand in Anspruch zu neh-
men. Hier haben wir ganz andere Möglichkeiten.

Wenn man diese Gefahr schon heraufbeschwört, muss
man diese Möglichkeiten tatsächlich ins Auge fassen.
Das möchte ich an einem Herrn Minister Jung sicherlich
mehr als fast allen anderen in diesem Hause bekannten
Standort deutlich machen, nämlich den Biblis-Reaktoren
in Hessen. Jeder weiß – das ist unbestritten –, dass






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Hermann Scheer
zumindest einer der beiden Reaktoren, nämlich Biblis A,
einen besonders eingeschränkten Schutz vor terroristi-
schen Angriffen oder einem „normalen“ Flugzeugab-
sturz bietet.

Wir reden aber im Zusammenhang mit Terrorismus
von gezielten Flugzeugabstürzen. Dass gezielte Flug-
zeugabstürze zum Spektrum terroristischer Aktionen ge-
hören, weiß man seit dem 11. September. Amerikanische
Sicherheitsbehörden haben bekanntgegeben, dass ur-
sprünglich geplant war, einen Atommeiler direkt anzu-
fliegen. Das ist Gott sei Dank unterlassen worden. Die
Katastrophe hätte ein gigantisches Ausmaß angenom-
men, weit über die Katastrophe hinaus, die tatsächlich
stattgefunden hat.

Unmittelbar danach sind in Deutschland Untersu-
chungen mit verschiedenen Szenarien durchgeführt wor-
den, die aus guten Gründen geheim gehalten werden, um
niemanden auf besondere Gefahrenstellen im Einzelnen
aufmerksam zu machen. Aber die Gefahr besteht, insbe-
sondere bei dem genannten Reaktor, der gerade einmal
40 Flugsekunden von der Hauptanfluglinie des Flugha-
fens Frankfurt entfernt ist. Die Untersuchungen haben
bisher ein einziges, hilfloses Ergebnis zu Tage gefördert,
nämlich dass man versuchen könnte, mit technischen
Maßnahmen eine Einnebelung solcher Reaktoren zu er-
reichen. Dieser Versuch der Einnebelung ist laut Piloten-
vereinigung Cockpit deswegen hilflos, weil jedes Flug-
zeug heute GPS-gesteuert ist, und wer ein Flugzeug
steuern kann, kann auch die GPS-Anlage bedienen und
Ziele durch Nebel hindurch anfliegen.

Wenn Sie, Herr Jung, und viele andere, die von der
Gefahr des Atomterrorismus sprechen, es ernst meinen,
dann ist es zwingend, in erster Linie auf die Gefahren-
stelle zu schauen; denn die haben wir in der Hand. Dann
ist es ein politischer Widerspruch allerersten Ranges, die
Gefahrenstelle einfach so zu belassen, gerade wenn sie
unbestritten gegeben ist, und stattdessen Aktionen dieser
Art starten zu wollen. Damit täuschen Sie eine Sicher-
heit vor, die die Bevölkerung gar nicht fühlt; solche Ak-
tionen erzeugen höchstens Angst.

Sie sprechen sogar von einem Recht auf übergesetzli-
chen Notstand. Ein solches Recht kann es nicht geben;
denn ein Recht auf übergesetzlichen Notstand heißt, sich
selbst ein Recht zu nehmen. Wenn das jemand tut, der ei-
nen Amtseid auf die Verfassung abgelegt hat, dann sind
die Grenzen der normalen parlamentarischen Demokra-
tie überschritten.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Scheer (SPD):
Rede ID: ID1611419700

Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl von der

CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611419800

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und

Kollegen! Der ungeschriebene Lebenssinn des Staates
ist, die allgemeine Sicherheit seiner Bürger aufrechtzu-
erhalten. Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion, die
wir führen, sehr einseitig.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Staatszielbeschreibung ist auch einseitig, mein lieber Herr Uhl! Die Freiheit seiner Bürger zu wahren, ist auch ein Staatsziel!)


Wir haben nur das Bild im Auge, dass ein mit Passa-
gieren besetztes Flugzeug auf staatlichen Befehl hin ab-
geschossen wird. Aber es gibt nicht nur dieses Bild des
Flugzeuges mit den Passagieren. Untrennbar mit dem In-
ferno des Terrors ist ein zweites Bild verbunden, das
Bild von den Opfern am Boden, über denen das Flug-
zeug zum Absturz gebracht werden soll, das Bild von ei-
nem vollbesetzten Fußballstadion mit Zigtausend Men-
schen oder vielleicht das Bild von vor zwei Jahren, als
der Papst auf dem Marienfeld in Köln vor 1 Million jun-
ger Menschen seine Messe zelebriert hat. Stellen Sie
sich bitte vor, es hätte Terroristen gegeben, die ein Flug-
zeug gekapert hätten, um dieses Flugzeug auf das Ma-
rienfeld in Köln zu steuern.


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Und eine Atombombe an Bord hat! Meine Güte! – Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sollen solche Bilder?)


Stellen Sie sich das bitte vor! Wie hätte Ihrer Meinung
nach der Staat in dieser Situation handeln sollen?


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meine Güte!)


Daran sehen Sie, dass der Staat in einem Dilemma
steckt.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, steckt er nicht!)


Er muss entscheiden, auf tragische Weise entscheiden.
Er kann sich nicht neutral verhalten, er muss handeln. Er
kann sich nicht zurücklehnen und die Dinge ihrem
Schicksal überlassen. Der Staat muss auch Zigtausende
unschuldiger Menschen vor Angriffen durch Terroristen
schützen. Welche Entscheidung er auch immer trifft: Es
werden Menschen sterben.

Das rot-grüne Gesetz, das vom Bundesverfassungs-
gericht aufgehoben wurde, ist bereits mehrfach ange-
sprochen worden. Es war der Versuch, einfachgesetzlich
etwas zu regeln, was scheitern musste. Wir müssen uns
die Verfassung genauer anschauen.

Hier wird der Eindruck erweckt – er sollte hier zu-
rechtgerückt werden –, das Bundesverfassungsgericht
habe festgestellt – ich nehme an, dass der Kollege Jürgen
Gehb darauf zu sprechen kommen wird –, es sei in je-
dem denkbaren Fall verboten, ein solches Flugzeug ab-
zuschießen. Das ist irrig. Alle, die sich näher damit be-
fassen wollen – ich hoffe, Sie werden das tun, Herr
Westerwelle; Sie haben dieses Urteil hochgehalten –,
verweise ich auf die Randnummern 134 f. des Urteils.
Das Bundesverfassungsgericht hat dort den Fall ange-
sprochen, dass ein terroristischer Angriff „auf die Besei-






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Hans-Peter Uhl
tigung des Gemeinwesens und die Vernichtung der staat-
lichen Rechts- und Freiheitsordnung gerichtet“ ist. In
diesem Fall müsse der Staat sich wehren können.

Die asymmetrische kriegsähnliche Bedrohung durch
Terroristen konnten die Väter des Grundgesetzes nicht
kennen. Sie kannten nur den klassischen Verteidigungs-
fall, den herkömmlichen Krieg. Die Staatengemeinschaft
hat diesem Krieg ganz neuer Art, dem Terrorismus, ih-
rerseits den Krieg erklärt – ich meine, zu Recht. In die-
sem Zustand befinden wir uns zurzeit. Das heißt, die Un-
terschiede zwischen innerer und äußerer Sicherheit
verwischen in diesem Zustand. Hier muss man neu nach-
denken. Hier muss man sich weniger entrüsten. Hier
muss man Wege finden. Ein Weg – wir meinen, der ver-
fassungsrechtlich einzig denkbare Weg – ist, die Streit-
kräfte in die Lage zu versetzen, nicht nur im Verteidi-
gungsfall, sondern auch in diesem Fall, dem der
asymmetrischen terroristischen Bedrohung, handeln zu
dürfen. Das geht nur über eine Fortschreibung des Ver-
fassungsrechts.

Geradezu unerträglich wäre es, wenn wir, das Parla-
ment, die Regierung, der Verteidigungsminister und die
anderen Minister, auch das höchste Gericht in solchen
Notlagen nicht den Mut zum Handeln aufbrächten. Wir
alle müssen den Mut zum Handeln aufbringen. Auf gar
keinen Fall darf am Schluss dem Letzten in der Befehls-
kette, dem Piloten, zugemutet werden, den Mut aufzu-
bringen, den wir nicht haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das wäre ein Zerrbild des Rechtsstaates.

Wer diese Bedrohung durch den Terrorismus, durch
die Feinde des Rechtsstaates nicht ernst nimmt, wer sagt,
wir müssen schicksalhaft hinnehmen, was sie tun, wer
sagt, nur die Menschen im Flugzeug haben Menschen-
würde, und die Zigtausende auf dem Marienfeld, im
Fußballstadion oder in den Stadtzentren haben eine zu
vernachlässigende Menschenwürde oder was auch im-
mer,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, die haben auch Menschenwürde! Alle sind gleich!)


wer ein solches Staatsverständnis hat, der hat ein sinn-
entleertes Staatsverständnis.

Ich komme zum Schluss. Ich hoffe, dass wir ange-
sichts der terroristischen Bedrohung den Ernst der Lage
erkennen. Ich hoffe, dass wir alle zusammen im Parla-
ment unsere Verantwortung spüren. Der Minister hat die
Verantwortung, unter der er steht, wahrgenommen und
sich zu ihr bekannt. Jetzt sind wir als Parlament, als Ver-
fassungsgeber an der Reihe, unsere Verantwortung ernst
zu nehmen und zu prüfen, was das Parlament tun kann,
um die terroristische Bedrohung zum Schutze unserer
Bürger wirksam in Schach zu halten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das Parlament muss die Verfassung achten!)


Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1611419900

Das Wort hat der Kollege Frank Hofmann von der

SPD-Fraktion.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611420000

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Siebert, ich
möchte Sie kurz ansprechen. Ich war ebenfalls Bericht-
erstatter bei den Beratungen über das Luftsicherheits-
gesetz. Mich hat das Urteil des Verfassungsgerichts sehr
getroffen, weil ich der Meinung war, wir hätten das
Richtige getan. Auch ich bin der Überzeugung, dass
Peter Struck, der zu dem Zeitpunkt Verteidigungsminis-
ter war, das Richtige tun wollte.

Ich meine aber, dass die Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts eine Zäsur bedeutet. An dieser Stelle
unterscheiden wir uns. Ich möchte Sie bitten, das Urteil
wirklich noch einmal nachzulesen. Jetzt kann nicht mehr
so getan werden, als ob der jetzige Verteidigungsminis-
ter nur das fortsetzen würde, was der vorherige begon-
nen hat. Durch die Zäsur der Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts ist das nicht mehr möglich.


(Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Den Minister Jung möchte ich bitten, an das Nahelie-
gende zu denken und nicht an das Spektakulärste, womit
man Schlagzeilen produziert. Ich sage deswegen auch
heute hier wieder: Flugzeugentführungen werden am
Boden verhindert oder ermöglicht. Wir müssen erst da-
ran denken und uns erst darum kümmern.

Wie ist die Lage? Nach der jetzt geplanten Reform
der Bundespolizei wird nach den Aussagen von Exper-
ten die Bundespolizei auf den Flughäfen um etwa
1 000 Stellen unterbesetzt sein.

Wie sind die Sicherheitskontrollen? Die Realtests ha-
ben gezeigt: Sie sind mehr als verbesserungsbedürftig.
In der Praxis gilt es also, an dieser Stelle anzusetzen und
nicht bei der Frage, ob Flugzeuge abgeschossen werden
sollen. Angesetzt werden muss nicht beim übergesetzli-
chen Notstand oder beim Verfassungsbruch, sondern bei
der guten Arbeit der Sicherheitskräfte; darum muss es
uns in erster Linie gehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich möchte mich nicht wiederholen, sondern nur noch
auf das Ergebnis zu sprechen kommen: Die Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicher-
heitsgesetz lässt aus meiner Sicht für den von Minister
Jung vorgeschlagenen Weg keinen Raum. Es gibt keinen
Raum für den propagierten übergesetzlichen Notstand.

Wenn ich mir anschaue, was die Minister Schäuble
und Jung in den letzten Tagen, Wochen und Monaten
vorgebracht haben, dann sage ich: Es gibt eine Summe
von einzelnen Vorschlägen, aber keine Strategie. Weder
der Innenminister noch der Verteidigungsminister ma-
chen verfassungsfeste Vorschläge. Die Stichworte dafür






(A) (C)



(B) (D)


Frank Hofmann (Volkach)

sind: gezielte Tötung von Terroristen, Aufhebung der
Unschuldsvermutung, Einsatz der Bundeswehr im Inne-
ren und atomare Anschläge. Ich sage dazu: Terrorismus-
bekämpfung ist Kriminalitätsbekämpfung und nicht
Krieg, ist Polizeiarbeit und nicht Kriegshandlung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich habe den Eindruck: Die beiden CDU-Minister
wollen den Rechtsstaat nicht weiterentwickeln; sie wol-
len ihn zerschießen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Na, na, na!)


Sie suchen den Konflikt mit der SPD. Sie sind sich des-
sen bewusst, dass sie mit ihrem Vorschlag dem Koali-
tionspartner SPD Schaden zufügen. Sie setzen darauf,
dass der Bevölkerung die Sicherheit wichtiger ist als die
Freiheit, wenn sie nur genügend Angst vor dem Terroris-
mus schüren.

Sie sind mit den Verfassungsgerichtsentscheidungen
der letzten Jahre, zum Beispiel mit denen zur Wohn-
raumüberwachung oder zum Luftsicherheitsgesetz, nicht
einverstanden und versuchen nun, das Bundesverfas-
sungsgericht zu provozieren. Das Motto der eifrigen
Unionisten lautet: Durch eine entsprechende Verfas-
sungsänderung möchten wir dem Bundesverfassungsge-
richt die Gelegenheit geben, seine Fehler der Vergangen-
heit zu korrigieren. – Anders formuliert: Sie möchten
das Bundesverfassungsgericht erziehen, bis es nach ih-
rem politischen Gusto funktioniert. Wenn jedoch eine
Erziehungsmaßnahme erforderlich ist, dann von Frau
Merkel für ihren respektlosen und wildgewordenen Mi-
nister.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE])


Gegenüber unseren Soldatinnen und Soldaten sind die
Forderungen von Herrn Jung verantwortungslos. Er ver-
langt ihnen gesetzwidriges Verhalten ab und setzt sie so-
mit unnötig unter Druck. Unsere Soldaten und Soldatin-
nen machen einen schwierigen und guten Job. Hierfür
haben sie jede Unterstützung verdient, nicht aber die Ge-
fahr einer strafrechtlichen Verfolgung.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Und überhaupt: Wie soll denn bitte eine Einsatzstrate-
gie funktionieren, bei der Soldaten ihren Befehl jederzeit
verweigern könnten, weil er rechtswidrig ist? Sollen un-
sere Planungen für den Notfall ernsthaft so aussehen?
Unsere Terrorismusbekämpfungsstrategie darf nicht von
Aktionismus und von Angst geprägt sein. Wie mein Vor-
redner Rainer Arnold gesagt hat: Besonnenheit ist besser
als jede Scheinlösung.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



Frank Hofmann (SPD):
Rede ID: ID1611420100

Das Wort hat der Kollege Dr. Jürgen Gehb von der

CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611420200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kol-

legin Leutheusser-Schnarrenberger, Sie haben Ihren Re-
debeitrag mit dem Wunsch begründet: ein bisschen we-
niger Hysterie, ein bisschen mehr Ratio – und das vor
dem Hintergrund, dass am Sonntagabend kein Geringe-
rer als Ihr Generalsekretär Niebel vor laufenden Kame-
ras gesagt hat, wenn ein solcher Befehl von Herrn Jung
käme, wäre das für ihn Mord.

Meine Damen und Herren,

Mörder ist,

– nach der Legaldefinition des § 211 Abs. 2 StGB –


(Dirk Niebel [FDP]: Ich bin halt zum Glück nicht Jurist!)


wer aus Mordlust, zur Befriedigung seines Ge-
schlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedri-
gen Beweggründen, heimtückisch


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder grausam!)


oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln
oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder
zu verdecken, einen Menschen tötet.

Glaubt irgendjemand in diesem Haus außer Herrn
Niebel und vielleicht noch Herrn Nešković,


(Zuruf von der LINKEN)


dass sich irgendein Verteidigungsminister von den von
mir genannten Mordmerkmalen zu einer Entscheidung
leiten lässt, die er in einem Dilemma, in einem Triage-
fall, in einer ausweglosen Situation treffen muss?


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist denn Totschlag besser, Herr Gehb? Ist Totschlag bei einem Verteidigungsminister besser?)


Meine Damen und Herren, die strafrechtliche Beurtei-
lung dieser Triagefälle ist seit der Entscheidung des
„Brett des Karneades“, zurückgehend auf ein philoso-
phisches Gedankengut, mehrmals über Cicero und Kant
bis in die Neuzeit entschieden und in allen juristischen
Prüfungsaufgaben rauf und runter durchdekliniert wor-
den. Alle kamen zu einem Ergebnis, ungeachtet der dog-
matischen Begründung. Heute hat man gehört: überge-
setzlicher Notstand, entschuldigender Notstand,
rechtfertigender Notstand. – Eines stand jedenfalls fest:
Im Ergebnis ist, vor diese Handlungsalternative gestellt,
jede Handlung, die hier zwischen Scylla und Charybdis
steht, jedenfalls nicht strafbar. Die alten Lateiner haben
schon gesagt: Das ist nicht inculpabile, aber impunibile,
zwar strafwürdig, aber nicht strafbar. Und weil dieser






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Jürgen Gehb
Weg rechtsdogmatisch so kompliziert ist, ist mit dem
Luftsicherheitsgesetz der Versuch unternommen worden
– es war ein Anliegen –, nicht den letzten armen Ent-
scheidungsträger


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das ist eine sehr mutige rechtliche Interpretation!)


– ähnlich wie im Falle des SEK-Polizisten beim finalen
Rettungsschuss, solange dieser nicht in den Länderpoli-
zeigesetzen geregelt war –


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Nothilfe ist etwas ganz anderes!)


diese Entscheidung treffen zu lassen. Damit wollte der
Gesetzgeber eine Regelung treffen.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da wurde der Täter erschossen, kein Unbeteiligter!)


Nun hat das Bundesverfassungsgericht in seiner heute
mehrmals angesprochenen Entscheidung in der Tat die-
ses Gesetz auch materiell für nichtig und mit der Verfas-
sung nicht vereinbar gehalten.


(Dirk Niebel [FDP]: Also doch!)


Aber jetzt, Herr Westerwelle, nicht nur mit dem Gesetz-
buch wedeln! Ich will Ihnen einmal fast auswendig sa-
gen, was die Richter aus Karlsruhe in der Randnummer
130 ausführen:

Dabei ist hier nicht zu entscheiden, wie ein gleich-
wohl erfolgter Abschuss und die darauf bezogene
Anordnung strafrechtlich zu würdigen wären.

Klammer auf: mehrere Literaturhinweise. Dieses Obiter
Dictum zeigt, –


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Strafrechtlich, Herr Kollege!)


wie weise die Bundesverfassungsrichter waren. Sie ha-
ben geradezu befürchtet, dass sich eine unsägliche Dis-
kussion anschließen wird, und mit der Aufhebung des
Luftsicherheitsgesetzes ist der Status quo ante wieder-
hergestellt. Im Grunde genommen ist die Exekutive wie-
der in die Grauzone des Strafrechts zurückgeworfen
worden, und die Verfassungswidrigkeit lautet nicht – Sie
finden dazu keinen einzigen Satz –, dass der Abschuss
von Flugzeugen verboten ist, sondern verfassungswidrig
ist die vom Gesetzgeber generell abstrakt getroffene Er-
mächtigungsgrundlage. Der Gesetzgeber soll keine
Carte blanche a priori geben können, indem man ir-
gendeinen Fall antizipiert und Maschinen zum Abschuss
freigibt. Das gilt übrigens auch bei den anonymen Vater-
schaftstests, wo das Bundesverfassungsgericht gesagt
hat, – –


(Lachen bei der LINKEN – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das überzeugt mich jetzt! – Zurufe von der FDP)


– Jawohl, nur damit Sie es verstehen. – Da hat das Bun-
desverfassungsgericht gesagt: Die gesetzliche Schaffung
einer solchen Grundlage ist verfassungswidrig. Etwas
ganz anderes ist, wie der Handelnde später rechtlich zu
beurteilen ist.


(Unruhe bei der LINKEN und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Ich sehe schon: Sie verstehen es nicht.


(Lachen bei der FDP – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen sich lächerlich!)


Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Grundlage
ist nicht gleichbedeutend mit der Rechtswidrigkeit einer
späteren Handlung durch die Exekutive.


(Zuruf des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich will einen letzten Satz sagen, weil ich merke, dass
meine juristische Lehrstunde bei Ihnen auf taube Ohren
stößt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es sind Worte gefallen wie Mörder, Verfassungsbruch,
Sicherheitsrisiko, Brunnenvergifter. Ich bin sicherlich
kein Kind von Traurigkeit, auch nicht in meiner sprach-
lichen Schärfe.


(Zuruf von der FDP: Das ist wahr!)


Aber die politischen Konkurrenten oder gar Gegner von
heute könnten die Partner von morgen sein.


(Zurufe von der SPD: Uh!)

Wenn wir der Bevölkerung den Eindruck vermitteln, wir
würden uns hier gegenseitig als Mörder oder als Brun-
nenvergifter bezeichnen,


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Das haben wir doch gar nicht!)


dann kann ich nur Ihren Appell, Frau Leutheusser-
Schnarrenberger, wiederholen, aber vor einem ganz an-
deren Hintergrund: dass wir verbal ein bisschen abrüsten
und es uns gegenseitig nicht vorwerfen, wenn wir in ei-
ner schwierigen Situation nach gemeinsamen demokrati-
schen Lösungenzu suchen.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die schärfste Rede kam doch von einem Partner von heute, von Herrn Hofmann!)


Darum bitte ich Sie alle, meine Damen und Herren in
diesem Hause.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1611420300

Als letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde hat der

Kollege Jörn Thießen von der SPD-Fraktion das Wort.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611420400

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Ich bin in meinem vorherigen Leben Pastor in
Hamburg-Barmbek gewesen. Mir sind manchmal Men-
schen begegnet, die ihre moralischen Probleme durch






(A) (C)



(B) (D)


Jörn Thießen
starke Sprüche überdecken wollten. In dieser Debatte
sind es gelegentlich, Kollege Gehb und Kollege Uhl,
auch halbstarke Sprüche gewesen, mit denen manche
moralischen Probleme überdeckt worden sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/ CSU: Ein schwacher Einstieg!)


Denn eines bleibt doch klar: Zu Recht sprechen wir in
dieser Debatte von Handlungsdruck und von Verantwor-
tung. Sie sprechen von einer Regelungslücke. Es ist eine
ernste Debatte, die wir hier führen. Aber wir sollten sie
nicht im Focus führen, sondern in den Gremien des
Deutschen Bundestages, denn dort gehört sie hin.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Manfred Grund [CDU/CSU]: Wo sind wir denn heute?)


Das Parlament ist der Ort, an dem wir uns mit diesem
Thema schon länger beschäftigen und auch weiterhin
sine ira et studio beschäftigen sollten.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Das habt ihr doch heute Morgen abgelehnt!)


Wir haben, Kollege Koppelin, bisher auch im Parlament
eine gute Debatte geführt, zu der Sie gelegentlich sogar
das eine oder andere Gute beigetragen haben.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Wollen Sie ihn fertigmachen?)


– Wir konkurrieren ja im gleichen Wahlkreis, Herr
Dr. Westerwelle.

Ich habe 1999 in Piacenza jungen Piloten ins Auge
geschaut, die auf dem Wege zu Flugangriffen im Kosovo
waren. Ich weiß, was das für eine riesige Verantwortung
bedeutet – für den Bundesminister der Verteidigung, für
die militärisch Verantwortlichen, für das Parlament.
Eines ist dabei uns allen klar: Diese Piloten sitzen am
Steuerknüppel; aber an den Hebeln der Politik und der
Entscheidung sitzen andere. Auf dem Rücken der Pilo-
ten – da sind wir uns doch einig, und da müssen wir eine
Lösung finden – dürfen die Probleme nicht ausgetragen
werden. Die Piloten müssen geschützt werden.


(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Stephan Eisel [CDU/CSU]: Aha!)


Das kann in der Tat ein Luftsicherheitsgesetz tun. Ich
habe dem damaligen – da war ich Beamter und habe
schweigen sollen, wollen, dürfen und müssen – kritisch
gegenübergestanden. Aber die SPD hat zur Änderung
des Art. 35 des Grundgesetzes Vorschläge gemacht, die
Bundeswehr und Polizei als Amtshilfe miteinander ver-
binden. Diese Vorschläge sollten wir miteinander beden-
ken. Sie liegen auf dem Tisch, und dazu ist die SPD be-
reit.


(Beifall bei der SPD)


Ein solches Luftsicherheitsgesetz kann helfen. Aber
wo hilft es nicht? Es löst kein einziges moralisches Di-
lemma, für wen auch immer. Die sogenannte ganz außer-
ordentliche Extremsituation ist eben ganz außerordent-
lich und kann niemals in einen ordentlichen Gesetzestext
gepresst werden. Nennen Sie mir bitte – diejenigen, die
es wollen – eine einzige Formulierung, über die wir dis-
kutieren können! Nennen Sie eine Formulierung, die es
uns ermöglicht, aus dem gewollten Dilemma, Leben
nicht gegen Leben setzen zu dürfen, herauszukommen!
Wir werden diese Formulierung miteinander nicht fin-
den.


(Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Diese möglichen Situationen müssen ausgehalten
werden. Sie müssen von Amtsträgern ausgehalten wer-
den, also auch vom Bundesminister der Verteidigung,
der sich im Zweifel schuldig macht, moralisch und juris-
tisch. Danach wird es ein Verfahren geben, und der
Amtsträger wird sich verantworten; das ist auch richtig
so.

Ich rate dazu, in dieser Debatte keine falschen Kon-
flikte zu fördern, auch dazu, die Soldatinnen und Solda-
ten zu entlasten, aber eines nicht vorzugeben: dass es uns
jemals gelingen könnte, das elementare Problem, dass
Leben nicht gegen Leben abgewogen werden darf, durch
eine Formel zu lösen. Herr Kollege Uhl, Sie sprechen
von einem Flugzeug oben und dem Papst auf dem
Marienfeld unten. Wer ist denn wertvoller im Angesicht
des Staates? – Das kann und darf ich nicht definieren!


(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Das ist doch gar nicht die Frage!)


Wer ist wertvoller, wenn ein Kindergarten, ein Jugendla-
ger oder das deutsche Parlament bedroht ist? Eines ist
doch klar: Wir wollen das nicht abwägen.

Der Bestand unserer demokratischen Grundordnung,
um den es im Art. 91 des Grundgesetzes geht, wird
durch eine solche furchtbare Katastrophe im Zweifel
nicht gefährdet werden – der Bestand unserer demokrati-
schen Grundordnung. Wir brauchen jetzt keine Eilkom-
petenz für irgendjemanden, sondern sollten die Kompe-
tenz dieses Hauses nutzen. Die SPD hat Vorschläge
gemacht, und dazu stehen wir.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)



Jörn Thießen (SPD):
Rede ID: ID1611420500

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 20. September
2007, 9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1611420600