Protokoll:
16082

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 82

  • date_rangeDatum: 1. März 2007

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:59 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/82 die Bundeskanzlerin zum Europäischen b) Antrag der Abgeordneten Jürgen Trittin, Rainder Steenblock, Hans-Josef Fell, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: EU- Frühjahrsgipfel nutzen – Klimawandel bremsen und Energiewende vorantrei- ben (Drucksache 16/4428) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für die Angelegenheiten der Europäi- schen Union Rat am 14./15. Dezember 2006 in Brüs- sel und zur bevorstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft – zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Forderungen an die deutsche EU-Rats- präsidentschaft – Ratspräsidentschaft für eine zukunftsfähige EU nutzen – zu der Unterrichtung durch die Bundesre- gierung: Präsidentschaftsprogramm 1. Ja- nuar bis 30. Juni 2007 – Europa gelingt gemeinsam (Drucksachen 16/3808, 16/3832, 16/3796, 16/3327, 16/3680, 16/4453) . . . . . . . . . . . . . . 8197 B 8197 C Deutscher B Stenografisch 82. Sitz Berlin, Donnerstag, d I n h a l Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Klaus Uwe Benneter, Otto Bernhardt, Franz Romer und Jerzy Montag . . . . . . . . . Begrüßung der neuen Abgeordneten Nicole Maisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 5, 15 und 27 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: a) Abgabe einer Erklärung durch die Bun- deskanzlerin: zum Europäischen Rat in Brüssel am 8./9. März 2007 . . . . . . . . . . – – 8195 A 8195 B 8195 B 8197 A 8197 A 8197 B – zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Stübgen, Gunther Krichbaum, Thomas Bareiß, weiterer Abgeordneter und der undestag er Bericht ung en 1. März 2007 t : Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Axel Schäfer (Bochum), Dr. Lale Akgün, Doris Barnett, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Die deut- sche Präsidentschaft der Europäischen Union zum Erfolg führen zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Löning, Christian Ahrendt, Michael Link (Heilbronn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Mehr Ehrgeiz für die deutsche Ratspräsidentschaft – eine EU der Erfolge für die Bürger zu dem Entschließungsantrag der Abge- ordneten Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Dr. Hakki Keskin, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der LINKEN: zu der Abgabe einer Erklärung durch in Verbindung mit II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 Zusatztagesordnungspunkt 3: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für die Angelegenheiten der Europäi- schen Union zu dem Antrag der Abgeordne- ten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Berliner Erklärung – Werte und Aufgaben der EU im 21. Jahrhundert (Drucksachen 16/4171, 16/4448) . . . . . . . . . . Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . Kurt Bodewig (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oskar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . Olaf Scholz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . Hartmut Koschyk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Reiche (Cottbus) (SPD) . . . . . . . . . . . Hans Peter Thul (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Volker Beck (Köln), Undine Kurth (Quedlin- burg), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Einführung einer Klimaschutzabgabe bei Flugreisen (Drucksache 16/4182) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Reinhard Loske, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Wirksame Kli- maschutzmaßnahmen im Straßenverkehr ergreifen (Drucksache 16/4429) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Z A B A T N ( i Z A L t B K C ( i Z A B A N n B ( i Z B a W H F N r ö ( i Z B s t t H d 8197 D 8198 A 8202 B 8203 D 8205 D 8208 B 8210 B 8212 A 8214 B 8215 B 8215 B 8215 C 8215 C 8217 D 8218 D 8220 A 8221 D 8221 D usatztagesordnungspunkt 6: ntrag der Abgeordneten Lutz Heilmann, Eva ulling-Schröter, Dorothée Menzner, weiterer bgeordneter und der Fraktion der LINKEN: rendwende beim Klimaschutz im Verkehr – achhaltige Mobilität für alle ermöglichen Drucksache 16/4416) . . . . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 7: ntrag der Abgeordneten Dr. Reinhard oske, Kerstin Andreae, Cornelia Behm, wei- erer Abgeordneter und der Fraktion des ÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Für mehr limaschutz im Verkehr – Kfz-Steuer auf O2-Ausstoß umstellen Drucksache 16/4431) . . . . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 8: ntrag der Abgeordneten Winfried Hermann, ärbel Höhn, Dr. Reinhard Loske, weiterer bgeordneter und der Fraktion des BÜND- ISSES 90/DIE GRÜNEN: CO2-Emissio- en der Dienstwagenflotte des Deutschen undestages nachhaltig senken Drucksache 16/4430) . . . . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 9: eschlussempfehlung und Bericht des Innen- usschusses zu dem Antrag der Abgeordneten infried Hermann, Peter Hettlich, Dr. Anton ofreiter, weiterer Abgeordneter und der raktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- EN: Treibhausgasemissionen bei Dienst- eisen ausgleichen – Vorbildfunktion der ffentlichen Hand erfüllen Drucksachen 16/1066, 16/3847) . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 10: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- orsicherheit zu dem Antrag der Abgeordne- en Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann, ans-Kurt Hill, weiterer Abgeordneter und er Fraktion der LINKEN: Umverteilung 8222 A 8222 A 8222 A 8222 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 III durch den Emissionshandel beenden – Vor- reiterrolle im Klimaschutz übernehmen (Drucksachen 16/1682, 16/3144) . . . . . . . . . . in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 9: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (Drucksachen 16/4010, 16/4449, 16/4450) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Winfried Hermann, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Fördergesetz für Diesel- rußpartikelfilter baldmöglichst vorle- gen (Drucksachen 16/946, 16/4449) . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit zu dem Antrag der Abgeordne- ten Michael Kauch, Gudrun Kopp, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Klimapolitischen Zertifi- katehandel in Deutschland nachhaltig und verantwortungsvoll gestalten – Nationalen Allokationsplan grundlegend überarbeiten (Drucksachen 16/3051, 16/4422) . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Michael Kauch, Jan Mücke, Angelika Brunkhorst, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Einbezie- hung des zivilen Luftverkehrs in den euro- päischen Emissionshandel (Drucksache 16/3049) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . Katherina Reiche (Potsdam) (CDU/CSU) . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E D W S D L L R P M I T a b c d 8222 B 8222 C 8222 D 8222 D 8223 A 8223 B 8224 C 8226 A 8227 D 8228 A 8228 D va Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . r. Andreas Scheuer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . infried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . igmar Gabriel, Bundesminister BMU . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . aurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU) . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . utz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . ita Schwarzelühr-Sutter (SPD) . . . . . . . . . . atricia Lips (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . artin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ngrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 30: ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Protokoll vom 4. Juli 2006 zur Verlängerung des Abkommens vom 9. April 1995 zwischen der Bundesrepu- blik Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Belebung der wirt- schaftlichen Beziehungen (Drucksache 16/4378) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über Einmalzahlungen für die Jahre 2005, 2006 und 2007 (Einmalzahlungs- gesetz 2005, 2006 und 2007 – EzG 2007) (Drucksache 16/4379) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Verbesserung der Beschäfti- gungschancen älterer Menschen (Drucksachen 16/4371, 16/4421) . . . . . . . ) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Regelal- tersgrenze an die demografische Ent- wicklung und zur Stärkung der Finan- zierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgren- zenanpassungsgesetz) (Drucksachen 16/4372, 16/4420) . . . . . . . 8229 C 8230 C 8231 D 8232 D 8233 D 8234 C 8236 A 8237 B 8238 B 8239 B 8240 A 8241 C 8242 C 8243 C 8244 D 8246 B 8246 B 8246 C 8246 C IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu den Protokollen vom 16. Mai 2006 über die Änderung des Abkom- mens vom 6. Juni 1955 über die Errich- tung eines Internationalen Ausschusses für den Internationalen Suchdienst und der Vereinbarung vom 6. Juni 1955 über die Beziehungen zwischen dem In- ternationalen Ausschuss für den Inter- nationalen Suchdienst und dem Inter- nationalen Komitee vom Roten Kreuz (Drucksache 16/4380) . . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Sevim Dağdelen, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der LINKEN: Bleiberecht als Menschenrecht (Drucksache 16/3912) . . . . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Krista Sager, Kai Gehring, Priska Hinz (Herborn), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Die Geistes- und Sozialwissenschaften in Forschung und Lehre fördern (Drucksache 16/4406) . . . . . . . . . . . . . . . . h) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- Uhl, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Kenn- zeichnung von Mobilfunkgeräten schnell und verbraucherfreundlich durchsetzen (Drucksache 16/4424) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 13: a) Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Jan Mücke, Patrick Döring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Verfassungskonformität der Bahnprivatisierung sicherstellen (Drucksache 16/4413) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Monika Lazar, Britta Haßelmann, Irmingard Schewe- Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Bundesmittel nicht verschwenden – Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextre- mismus nachhaltig fördern (Drucksache 16/4408) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 14: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- nen der CDU/CSU und der SPD: Den positi- ven Beitrag des Tourismus zum Wirt- schaftswachstum festigen Klaus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . A K E U E M G J R A T a b i Z A S A t d ( O S A V W V W A 8246 D 8246 D 8247 A 8247 A 8247 B 8247 B 8247 C 8248 C nnette Faße (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . atrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . rnst Hinsken, Beauftragter der Bundesregierung für Tourismus . . . . . . . . ndine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ngelbert Wistuba (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . arlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . abriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . ürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . enate Gradistanac (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . nita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . agesordnungspunkt 6: ) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD: Unterstützung für Opfer der SED-Diktatur – Eckpunkte für ein Drit- tes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz (Drucksache 16/4167) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Cornelia Behm, Katrin Göring- Eckardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Wirksame Unterstützung für die Verfolgten des DDR-Regimes (Drucksache 16/4404) . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 15: ntrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser- chnarrenberger, Jens Ackermann, Dr. Karl ddicks, weiterer Abgeordneter und der Frak- ion der FDP: Gerechtigkeit für die Opfer er SED-Diktatur Drucksache 16/4409) . . . . . . . . . . . . . . . . . . laf Scholz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . abine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . rnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . olker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . rnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 8249 D 8250 D 8251 D 8253 D 8254 D 8256 A 8257 C 8258 B 8259 B 8260 A 8261 B 8261 B 8261 C 8261 C 8263 A 8264 A 8266 B 8267 D 8268 C 8269 A 8269 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 V Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Meckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über den Stand des Ausbaus für ein bedarfsge- rechtes Angebot an Kindertagesbetreu- ung für Kinder unter drei Jahren 2006 (Drucksache 16/2250) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Diana Golze, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN- KEN: Kindertagesbetreuung für Kleinst- kinder sofort ausbauen und Qualität verbessern (Drucksache 16/4412) . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Frank Schäffler, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Bauabzugsteuer abschaffen (Drucksache 16/3055) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Simone Violka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . T Z d S d ( J G M U J T a b D R D D K T E e z c ( A D G 8269 C 8269 D 8271 A 8271 B 8271 B 8272 A 8272 C 8273 C 8274 B 8275 A 8276 C 8277 D 8279 A 8279 D 8280 B 8281 A 8282 C 8282 C 8283 C 8284 C 8285 C 8286 B 8287 B agesordnungspunkt 11: weite und dritte Beratung des von der Bun- esregierung eingebrachten Entwurfs eines iebten Gesetzes zur Änderung des Bun- esvertriebenengesetzes Drucksachen 16/4017, 16/4444) . . . . . . . . . . ochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) . . . . . . isela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aik Reichel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . osef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 10: ) Antrag der Abgeordneten Dr. Norman Paech, Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Eskalation im Atomkonflikt mit dem Iran verhindern (Drucksache 16/4202) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei, Jürgen Trittin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Keine militärische Eskalation gegen- über dem Iran – Konflikt um das Atom- programm durch Verhandlungen lösen (Drucksache 16/4407) . . . . . . . . . . . . . . . r. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Eckart von Klaeden (CDU/CSU) . . . . . . . uprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Norman Paech (DIE LINKE) . . . . . . . r. Werner Hoyer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . erstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . agesordnungspunkt 13: rste Beratung des von der Bundesregierung ingebrachten Entwurfs eines Dritten Geset- es zur Änderung des Künstlersozialversi- herungsgesetzes und anderer Gesetze Drucksachen 16/4373, 16/4419) . . . . . . . . . . ngelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . r. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . itta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 8289 A 8289 B 8290 D 8291 D 8293 B 8293 D 8295 A 8295 A 8295 B 8295 C 8296 D 8297 D 8299 C 8300 C 8301 D 8302 D 8303 D 8304 B 8304 C 8305 D 8306 D VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Jürgen Trittin, Dr. Reinhard Loske, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Deutsch-brasi- lianischen Atomvertrag durch Erneuer- bare-Energien-Vertrag ersetzen (Drucksache 16/4426) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Deutschen Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur (DAMA-Er- richtungsgesetz) (Drucksache 16/4374) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Burkhardt Müller-Sönksen, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: Den Europäischen Gerichtshof für Men- schenrechte vor dem Kollaps bewahren (Drucksache 16/4062) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Holger Haibach, Erika Steinbach, Eduard Lintner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Christoph Strässer, Doris Barnett, Kurt Bodewig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Den Erfolg des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte durch die konsequente Befolgung seiner Ur- teile sichern (Drucksache 16/4417) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Omid Nouripour, Rainder Steenblock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ B H C O T A D A B b w ( T a b J H H R U T A ( t O n ( T B s l 8308 C 8309 B 8310 B 8310 B 8311 B 8312 C 8313 C 8314 C 8315 B 8316 C 8316 CA 8316 D DIE GRÜNEN: Den Europäischen Ge- richtshof für Menschenrechte stärken (Drucksache 16/4405) . . . . . . . . . . . . . . . urkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . . olger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . hristoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . mid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 16: ntrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann, r. Barbara Höll, Werner Dreibus, weiterer bgeordneter und der Fraktion der LINKEN: ürokratieabbau in Europa – Kein Frei- rief zum Abbau von Arbeits- und Um- eltschutz Drucksache 16/4204) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 18: ) Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Undine Kurth (Quedlinburg), Monika Lazar und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Asylsuchende aus Sri Lanka besser schützen (Drucksache 16/4427) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Michael Leutert, Sevim Dağdelen, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Abschiebestopp für Flücht- linge aus Sri Lanka (Drucksache 16/4203) . . . . . . . . . . . . . . . osef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . . artfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . üdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 19: ntrag der Abgeordneten Horst Friedrich Bayreuth), Michael Kauch, Jan Mücke, wei- erer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: ldtimer von Feinstaub-Fahrverboten aus- ehmen Drucksache 16/4060) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 20: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- ung zu dem Antrag der Abgeordneten 8316 D 8317 A 8318 C 8320 B 8321 D 8322 D 8323 A 8323 A 8323 B 8324 B 8325 D 8326 C 8327 D 8328 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 VII Heidrun Bluhm, Katrin Kunert, Dorothée Menzner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Freistellung der Kommunen von der Mitfinanzierung bei Baumaßnahmen im Kreuzungsbereich von Eisenbahnen und Straßen (Drucksachen 16/1657, 16/3266) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Christine Scheel, Kerstin Andreae, Dr. Gerhard Schick, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Verlässli- che und aussagekräftige Datenbasis für die Ermittlung der Unternehmensteuern erfas- sen (Drucksache 16/4310) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Abgeordneten Patrick Döring, Hans-Michael Goldmann, Detlef Parr, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Sport- und Freizeitschifffahrt in Deutsch- land erleichtern (Drucksache 16/4061) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abge- ordneten Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der LINKEN: Ratifi- zierung des IAO-Übereinkommens über Heimarbeit (Drucksachen 16/2677, 16/4316) . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Deutschen Arzneimittel- und Medizin- produkteagentur (DAMA-Errichtungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 17) Wolfgang Zöller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Peter Friedrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . F B R A Z A – – – ( A A Z d K U K A C S K A Z d b D R H L W A Z d 8329 A 8329 B 8329 C 8329 C 8330 A 8331 A 8331 C 8332 D 8333 C rank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . irgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olf Schwanitz, Parl. Staatssekretär BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 3 u Protokoll gegebene Rede zur Beratung der nträge: Den Europäischen Gerichtshof für Men- schenrechte vor dem Kollaps bewahren Den Erfolg des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte durch die konse- quente Befolgung seiner Urteile sichern Den Europäischen Gerichtshof für Men- schenrechte stärken Tagesordnungspunkt 14 a–c) lfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 4 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Bürokratieabbau in Europa – ein Freibrief zum Abbau von Arbeits- und mweltschutz (Tagesordnungspunkt 16) ai Wegner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . xel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . hristian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . abine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . erstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 5 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Oldtimer von Feinstaub-Fahrver- oten ausnehmen (Tagesordnungspunkt 19) r. Andreas Scheuer (CDU/CSU). . . . . . . . . . ita Schwarzelühr-Sutter (SPD) . . . . . . . . . . orst Friedrich (Bayreuth) (FDP) . . . . . . . . utz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . infried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 6 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Freistellung der Kommunen von 8334 A 8334 D 8335 B 8336 A 8337 A 8338 A 8339 A 8339 C 8340 A 8340 D 8342 A 8343 B 8344 A 8344 D VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 der Mitfinanzierung bei Baumaßnahmen im Kreuzungsbereich von Eisenbahnen und Stra- ßen (Tagesordnungspunkt 20) Hubert Deittert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP) . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Verlässliche und aussagekräf- tige Datenbasis für die Ermittlung der Unter- nehmensteuern erfassen (Tagesordnungs- punkt 21) Peter Rzepka (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Jörg-Otto Spiller (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Sport- und Freizeitschifffahrt in Deutschland erleichtern (Tagesordnungs- punkt 22) Renate Blank (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Annette Faße (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Ratifizierung des IAO-Überein- kommens über Heimarbeit (Tagesordnungs- punkt 23) Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Walter Riester (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Addicks (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 8345 C 8346 C 8347 A 8347 D 8348 D 8349 A 8350 B 8351 A 8351 D 8353 A 8353 D 8355 D 8357 B 8358 C 8359 A 8359 D 8360 D 8361 B 8362 B 8363 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8195 (A) ) (B) ) 82. Sitz Berlin, Donnerstag, d Beginn: 9.0
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    Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8331 (A) ) (B) ) an dem erwähnten Untersuchungsausschuss beteiligt wa-Christian termingerechte Zulassung von Arzneimitteln. Der Pa- tientenschutz habe bei allen Entscheidungen absolute Priorität. An dieser Stelle möchte ich als einer der Politiker, die Dr. Schavan, Annette CDU/CSU 01.03.2007 Schmidt (Fürth), CDU/CSU 01.03.2007 Anlage 1 Liste der entschuldigt A k E s i v A U A b d d V c J I s r s g d d s r c D Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Binding (Heidelberg), Lothar SPD 01.03.2007 von Bismarck, Carl Eduard CDU/CSU 01.03.2007 Frechen, Gabriele SPD 01.03.2007 Gloser, Günter SPD 01.03.2007 Götz, Peter CDU/CSU 01.03.2007 Groneberg, Gabriele SPD 01.03.2007 Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 01.03.2007 Heller, Uda Carmen Freia CDU/CSU 01.03.2007 Heynemann, Bernd CDU/CSU 01.03.2007 Hilsberg, Stephan SPD 01.03.2007 Irber, Brunhilde SPD 01.03.2007 Dr. Jung, Franz Josef CDU/CSU 01.03.2007 Kasparick, Ulrich SPD 01.03.2007 Kleiminger, Christian SPD 01.03.2007 Kolbow, Walter SPD 01.03.2007 Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 01.03.2007 Leibrecht, Harald FDP 01.03.2007 Lopez, Helga SPD 01.03.2007 Merten, Ulrike SPD 01.03.2007 Möller, Kornelia DIE LINKE 01.03.2007 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.03.2007 Pronold, Florian SPD 01.03.2007 Raidel, Hans CDU/CSU 01.03.2007 D D T W A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht en Abgeordneten nlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Deutschen Arzneimittel- und Medizinproduktagentur (DAMA-Errichtungs- gesetz) Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Als Folge der Vor- ommnisse um HIV-infizierte Blutprodukte und der mpfehlungen des damaligen 3. Untersuchungsaus- chusses des Deutschen Bundestages wurde das Bundes- nstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM, or zehn Jahren neu organisiert. Es ist eine der größten rzneimittelzulassungsbehörden in der Europäischen nion und hatte in den vergangenen Jahren die größte nzahl von Zulassungs- und Nachzulassungsanträgen zu earbeiten. Darüber hinaus wirkt es intensiv im Rahmen er europäischen Zulassungsverfahren mit und leistet amit einen wichtigen Beitrag zum gesundheitlichen erbraucherschutz in Europa und Deutschland. Nach Angaben des Instituts konnte die durchschnittli- he Dauer für Arzneimittelzulassungen von über zwei ahren auf mittlerweile unter 200 Tage verkürzt werden. nzwischen werde Deutschland gleich oft bei europäi- chen Zulassungsverfahren beteiligt wie die zuvor füh- enden Länder Großbritannien und Niederlande. Somit teht das Institut inzwischen als Referenzbehörde ebenso ut da wie die Arzneimittelbehörden anderer Länder. In einer Pressemitteilung vom Juli 2005 konstatiert er kommissarische Chef des Instituts, Professor Kurth, ass die Neuorganisation und Umstrukturierung abge- chlossen sei und sich an internationalen Standards aus- ichte. Das neue flexible Leitungsmanagement ermögli- he nun schnelle und qualifizierte Entscheidungen. iese Umstrukturierung gewährleiste die schnelle und r. Schui, Herbert DIE LINKE 01.03.2007 r. Seifert, Ilja DIE LINKE 01.03.2007 hönnes, Franz SPD 01.03.2007 ellenreuther, Ingo CDU/CSU 01.03.2007 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 8332 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 (A) ) (B) ) ren, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundes- instituts für Arzneimittel und Medizinprodukte für die geleistete Arbeit danken. Neben Qualität und Wirksamkeit ist die Unbedenk- lichkeit ein endscheidendes Kriterium bei der Beurtei- lung von Arzneimitteln. Bei der Neuorganisation des In- stituts hat die Politik deshalb einen Schwerpunkt auf die frühzeitige Erkennung von Arzneimittelrisiken gelegt. Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei, das Vertrauen in staatliche Maßnahmen zur Risikoabwehr durch ein Höchstmaß an Transparenz zu untermauern. Nehmen wir das Beispiel der Zulassung von Arznei- mitteln. Es wird niemand ernsthaft behaupten wollen, dass unser Gesundheitswesen auf die Verdienste der Arzneimitteltherapie verzichten kann. Die Hoffnung vie- ler Menschen, die an noch nicht heilbaren Krankheiten leiden, ruht auf der pharmazeutischen Industrie. Selbst- verständlich können Arzneimittel sehr häufig auch Nebenwirkungen haben. Das lässt sich besonders bei hochwirksamen Medikamenten nicht vermeiden. Aber deshalb wird keiner auf die Idee kommen, diese Arznei- mittel, die Krankheiten heilen und Leiden mindern können, zu verbieten. Und die Patienten werden ganz sicher nicht auf Hilfen verzichten wollen, zu denen es keine wirksamen Alternativen gibt. Natürlich muss in jedem einzelnen Fall – und zwar nicht nur einmal, sondern ständig – geprüft und entschie- den werden, ob der Nutzen des Mittels die Risiken über- wiegt, sowohl bei der Zulassung von Medikamenten als auch bei jeder Anwendung beim Patienten. Verbraucher- und Patientenschutz müssen vor wirtschaftlichen Interes- sen stehen und die Mitarbeiter der Zulassungs- und Aufsichtsbehörden müssen bei diesem Kurs die volle Unterstützung der Politik haben. Die deutsche pharmazeutische Industrie hat eine großartige Vergangenheit und insbesondere in der Mitte des letzten Jahrhunderts Arzneimittel an führender Stelle mit entwickelt, die Leben gerettet und Krankheiten ver- hindert haben. Mit dieser innovativen Tätigkeit ist ein großer wirtschaftlicher Erfolg verbunden gewesen; nicht umsonst tragen deutsche Unternehmen erheblich zur posi- tiven Exportbilanz der Bundesrepublik Deutschland bei. Für die vergangenen 20 Jahre lässt sich aber konsta- tieren, dass der innovatorische Erfolg der deutschen pharmazeutischen Industrie im Vergleich zu den anderen großen Ländern, insbesondere den Vereinigten Staaten und Japan deutlich nachgelassen hat. Die forschende Arzneimittelindustrie ist in erster Linie für ihre Wettbe- werbsfähigkeit selbst verantwortlich. Kreativität und Optimierung der Abläufe im Unternehmen sind wahr- scheinlich die Schlüssel für den Erfolg in der Zukunft. Natürlich müssen im Zusammenhang mit der Arznei- mittelzulassung aber auch die Rahmenbedingungen für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland berücksichtigt werden. Die wirtschaftlichen Rahmenbe- dingungen für Innovationen im Arzneimittelbereich be- finden sich weltweit im Wandel, die schon erheblichen unternehmerischen Risiken im Innovationsprozess wer- den immer größer. Dies hängt mit der langen Dauer e f R z r M G f f m b h w G n a n g s A W Z Z d u d d d d i V s d w d d d m m v z t in S s m n d u t Z F (C (D ines Innovationsprozesses und mit den hohen Kosten ür die Entwicklung eines Arzneimittels zusammen. Das isiko wird verschärft durch den starken Wettbewerb wischen den einzelnen Unternehmen in wichtigen the- apeutischen Feldern. Zusätzlich verändern sich die arktsituationen in allen Ländern dadurch, dass nationale esundheitssysteme auf den Kostendruck reagieren. Die Koalition hat mit der aktuellen Gesundheitsre- orm einen Beitrag zu verbesserten Rahmenbedingungen ür Arzneimittelhersteller geschaffen: Wir wollen durch ehr Transparenz und internationale Standards die Wett- ewerbschancen für die deutschen Arzneimittel- ersteller verbessern. Die geplante Kosten-Nutzen-Be- ertung wird auf einer wissenschaftlich fundierten rundlage und unter Beteiligung der Hersteller erfolgen. Auch die Umwandlung des Bundesinstituts für Arz- eimittel und Medizinprodukte zu einer Arzneimittel- gentur hat das Ziel, die Rahmenbedingungen für Arz- eimittelhersteller zu verbessern. Ich unterstütze rundsätzlich eine Neuorganisation, die unbürokrati- chere Zulassungsverfahren, kürzere und transparentere bstimmungsprozesse mit den Herstellern und bessere ettbewerbschancen im internationalen Umfeld zum iel hat. All dies wird die Attraktivität und Effizienz der ulassungsbehörde steigern. Ich weise allerdings ausdrücklich darauf hin, dass bei ieser Neuorganisation die Arzneimittelüberwachung nd -sicherheit nicht zu kurz kommen dürfen. Sowohl er Contergan-Einstellungsbeschluss von 1971 als auch er Untersuchungsausschuss zu HIV-infizierten Blutpro- ukten von 1993 bis 1996 haben sehr deutlich gemacht, ass der Schutz der Gesundheit des Patienten höherrangig st als das Interesse des Herstellers an der ungehinderten ermarktung seines Produkts. Wir sollten daher die von Bundesärztekammer, Wis- enschaftlern und Krankenkassen geäußerte Kritik an em Gesetzentwurf sorgfältig prüfen. Das Thema ist es ert, gründlich und ohne Zeitdruck angegangen zu wer- en. Peter Friedrich (SPD): Die Standortbedingungen er pharmazeutischen Industrie werden maßgeblich urch das regulatorische Umfeld ihres Arzneimittel- arktes bestimmt. Die Industrie hat – zu Recht, wie ich eine – in den vergangenen Jahren wiederholt darauf erwiesen, dass die Zulassungsverfahren in Deutschland u lange dauern. Gesetzliche Fristen wurden überschrit- en, gelegentlich sogar ganz erheblich. Bereits in den zurückliegenden Jahren hat das Bundes- stitut für Arzneimittel und Medizinprodukte seine trukturen deutlich verbessert und die Verfahrensdauer tark verkürzt. Mit der Errichtung der Deutschen Arznei- ittel- und Medizinprodukteagentur, DAMA, gehen wir un jedoch einen Schritt weiter. Durch die Überführung es bisher bestehenden Bundesinstituts für Arzneimittel nd Medizinprodukte als Bundesbehörde in eine Agen- ur schaffen wir eine moderne Einrichtung, die in ihren ulassungs- und Bewertungsverfahren über eine größere lexibilität verfügt und qualifizierte Entscheidungen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8333 (A) ) (B) ) schneller treffen kann, ohne jedoch Zugeständnisse bei den Sicherheitsstandards zu machen. Dieser Punkt ist mir besonders wichtig, weil beschleunigte Arzneimittel- zulassungsverfahren mitunter mit sinkenden Sicherheits- standards gleichgesetzt werden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die neu einzurichtende Agentur wird ihre Aufgaben weiterhin unter den Vorgaben und der Aufsicht des Bun- desgesundheitsminisieriums erfüllen. Sie wird sich dabei allerdings weniger behördentypisch ausrichten, sondern sich vermehrt am Markt orientieren und ökonomische Grundsätze stärker als bislang berücksichtigen. Damit setzen wir nicht nur das um, was in vielen unserer euro- päischen Nachbarländer bereits realisiert ist, sondern greifen zugleich die Empfehlungen auf, die eine hoch- rangige Arbeitsgruppe aus Regierungs-, Industrie- und Gewerkschaftsvertretern entwickelt hat. Neben ihrer Aufgabe als nationale Zulassungsbehörde neuer Arznei- mittel wird der DAMA auch die laufende Nutzen- und Risikobewertung der Arzneimittel nach ihrer Marktein- führung obliegen, was sich organisatorisch in einem zweiköpfigen Vorstand niederschlagen wird. Die durch die Errichtung der DAMA zu erwartenden Effizienzsteigerungen werden der deutschen Zulas- sungsstelle zu einer besseren Position im Netzwerk der in der EU bestehenden nationalen Behörden verhelfen. Dieses Netzwerk umfasst derzeit über 40 Institutionen, die allesamt der Europäischen Arzneimittelagentur, EMEA, zuarbeiten und an ihren Verfahren beteiligt sind. Mittelfristig ist damit zu rechnen, dass die europäische Zulassungsbehörde die Zahl derjenigen nationalen Ein- richtungen, die ihr unmittelbar zuarbeiten, deutlich redu- zieren wird. Mit der Errichtung der DAMA schaffen wir die Grundlage dafür, dass unsere nationale Zulassungs- stelle die besten Voraussetzungen für diesen Standort- wettbewerb bekommt. In europäischen wie nationalen Zulassungsverfahren wirken nationale Organisationen gleichermaßen mit, was eine effektive und auf hohem wissenschaftlichem Ni- veau arbeitende Behörde erfordert. Mit der DAMA schaffen wir eine Einrichtung, die im Konzert der Mit- gliedstaaten eine angemessene Rolle spielen kann. Wir freuen uns alle darüber, dass die pharmazeutische Indus- trie den Schritt hin zur DAMA heute begrüßt. Aber ich sage auch: Begrüßen allein reicht uns nicht. Wenn wir von der Politik aus die Forschungs- und Zu- lassungsbedingungen so deutlich verbessern, erwarten wir von denen, die das immer gefordert haben, dann auch Taten. Und da ist es natürlich eine Hiobsbotschaft, wenn wir heute in der Zeitung lesen, dass in Berlin bei Schering 950 Arbeitsplatze wegrationalisiert werden, oder wenn in meiner Heimatstadt Konstanz, wo das for- schende Unternehmen Altana von dem nichtforschenden Unternehmen Nycomed übernommen wurde, die Arbeit- nehmer aus der Zeitung vom neuen Chef erfahren, dass man zwar forschend bleiben will, aber just in der For- schung die meisten Stellen abbauen wird. Innovation im Pharmabereich braucht Kontinuität in der Forschungsan- strengung. Denn die eigentliche Wertschöpfung der Arz- neimittelindustrie liegt nicht in der Produktion, sondern i p F d Z h S b l l d w f g w h n d t d ( s z c A z d g t v Ü w D l a w F b e e s d V h S A t b d (C (D n der Forschung und in neuen Wirkstoffen und Thera- ien. Und deswegen ist es ein falsches Signal, wenn die usionitis unter den Pharmaunternehmen dazu führt, ass aus kurzfristigen Kapitalinteressen die eigentliche ukunft der Unternehmen eingespart wird, indem man ochqualifizierte Forscher an einem hochmodernen tandort auf die Straße setzt. Forschung funktioniert nicht auf Knopfdruck; das ha- en wir gerade bei dem Beispiel Altana oder Pfizer er- ebt. Mit der neuen DAMA bieten wir Planbarkeit, Ver- ässlichkeit und Geschwindigkeit in der Zulassung, ohne ie Sicherheit zu vernachlässigen. Und das Gleiche er- arten wir auch von der Industrie. Ich appelliere daher an die Industrie: Wir tun viel da- ür – auch mit diesem Gesetz –, die Standortbedingun- en permanent zu verbessern, und wir sind inzwischen ieder richtig gut. Nutzen Sie diese Möglichkeiten und andeln Sie als wirkliche Unternehmer und leben Sie icht von der Forschungssubstanz der letzten Jahre, son- ern schaffen Sie neue. Daniel Bahr (Münster) (FDP): Die FDP-Bundes- agsfraktion begrüßt grundsätzlich eine Reform des Bun- esinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM). Im Jahr 2001 hat eine Studie der Boston Con- ulting Group ein vernichtendes Urteil über die Effi- ienz, Transparenz und Reputation des BfArM gespro- hen. Mittlerweile ist einiges geschehen, um die rbeitsweise des BfArM zu verbessern. So sind Pro- esse rationalisiert, eine parallele Bearbeitung und inter- isziplinäre Teams eingeführt und die Organisation ins- esamt gestrafft worden. Allerdings ist die Bearbeitungszeit für Zulassungsan- räge unverändert lang und mit zurzeit etwa 17 Monaten om Ziel sieben Monate weit entfernt. Außerdem ist ein Bearbeitungsstau zu verzeichnen. ber 10 000 Anträge sind noch anhängig. Im Jahr 2005 urden eben nur 6 500 Anträge beschieden. Im Wettbewerb der Zahlungsverfahren in Europa ist eutschland nur auf Platz fünf. Hersteller wählen leider ieber Großbritannien oder die Niederlande. Es ist unser ller Ziel, den Standort Deutschland bei der Zulassung ettbewerbsfähig zu machen. Deshalb unterstützt die DP-Bundestagsfraktion die Ziele dieses Gesetzes: Ab- au von Bürokratie, schnellere Zulassung, eine moderne, ffiziente und autonome Dienstleistungsagentur sollen rreicht werden. Werden sie auch erreicht? Wie ist es mit der ange- trebten Unabhängigkeit? Weiterhin bestimmt das Bun- esgesundheitsministerium den Vorstand und beruft den erwaltungsrat. Es vereinbart mit dem Vorstand Ziele, at Aufsichts- und Weisungsbefugnis und genehmigt atzung und Haushaltsplan. Allein der Name macht noch keine moderne Agentur. uch die Bundesanstalt für Arbeit wurde nicht effizien- er durch die Umbenennung. Und die Möglichkeit der esseren, das heißt höheren Bezahlung der Vorstände be- eutet noch keine moderne und effiziente Entschei- 8334 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 (A) ) (B) ) dungsstruktur. Wichtig ist uns der Einklang der Interes- sen von Patienten und Arzneimittelherstellern. Alle Vereinfachungen und Beschleunigungen im Zulassungs- verfahren müssen dahin gehend überprüft werden, ob größtmögliche Sicherheit für Patienten gewährleistet wird. Das mittelfristige Ziel, dass sich die DAMA vollstän- dig aus den bei der Arzneimittelzulassung erhobenen Gebühren finanziert, könnte zu Verwerfungen und Fehl- anreizen führen. In den weiteren Beratungen wollen wir darüber gemeinsam sprechen. Wie beispielsweise die Pharmakovigilanz am besten zu finanzieren ist, wird zu diskutieren sein. Den kommenden Beratungen im Ausschuss stehen wir konstruktiv gegenüber. Frank Spieth (DIE LINKE): Seit 1994 regelt eine Bundesbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), die Zulassung von Arznei- mitteln. Diese ist auch für die Medikamentensicherheit zuständig. Warum will die Bundesregierung jetzt dieses bestehende, funktionierende und bewährte Bundesinstitut auflösen und an dessen Stelle eine Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur (DAMA) setzen? Ist dieser Schritt nötig und zielführend? Was kann eine Agentur besser machen als dieses Institut? Nach Ansicht der Pharmaindustrie ist das jetzt zuständige BfArM zu langsam und ineffektiv. Die Bundesregierung folgt mit dem Gesetzentwurf offenkundig dieser Kritik und will das Zulassungsverfahren im Interesse der Industrie gestalten. Wir Linken fragen: Ist dies im Interesse der Bevölke- rung, der Patientinnen und Patienten? Der Großteil der Neuzulassungen besteht aus Nach- ahmerpräparaten und Variationen schon existierender Medikamente. Welcher gesundheitliche Schaden entsteht für Patientinnen und Patienten, wenn diese erst ein paar Monate später auf den Markt kommen? Bei den wirklich innovativen Arzneimitteln für neuartige Therapien wird die neue Agentur zukünftig nicht mehr zum Zuge kommen, da die entscheidenden Zulassungen in einem zentralen Verfahren auf europäischer Ebene geregelt werden sollen. Was für die Patientinnen und Patienten allerdings wichtig ist: Leidet die Arzneimittelsicherheit durch die beabsichtigte Umstrukturierung? Namhafte Gesundheits- experten schlagen Alarm, weil sie befürchten, dass die Verkürzung der Zulassungsprüfung das Sicherheitsniveau absinken lässt. Dazu nur ein kurzer Blick über die Landesgrenzen: Die einst so strenge und vorbildliche US-Behörde FDA wurde industriefreundlich umstrukturiert, und seitdem häufen sich Arzneimittelskandale in USA. Auch in Großbritannien mussten wiederholt Medikamente vom Markt genommen werden, nachdem sie von der an Schnelligkeit kaum zu überbietenden britischen Behörde MCA zugelassen worden waren. Die Arzneimittelsicher- heit sinkt zwangsläufig, wenn die DAMA und die anderen nationalen Zulassungsbehörden im europäischen Raum miteinander konkurrieren und sich gegenseitig in der Bearbeitungszeit unterbieten. d s d d ü M Z l s z a d ü m T w S V v r K d v u a a v S s n lu B D I a e e v v n R t D r U B P c h v d (C (D Wird die DAMA von der Bundesregierung nicht gera- ezu in eine industriefreundliche Haltung gedrängt, da ie finanziell zukünftig aufwachsend fast vollständig von er Pharmaindustrie abhängig sein wird? Ab 2012 muss ie DAMA sämtliche Kosten der Arzneimittelzulassung ber Gebühren und Entgelte der Industrie erwirtschaften. uss daher nicht befürchtet werden, dass diese neue ulassungsbehörde möglichst viele Arzneimittel in mög- ichst kurzer Zeit genehmigt, da sie sonst betriebswirt- chaftlich nicht überlebensfähig ist? Und wird nicht der weiköpfige Vorstand sogar ein ganz persönliches Interesse n einem solchen industriefreundlichen Verfahren haben, a dessen Vergütung auch erfolgsorientiert sein soll? Die Mitglieder des Verwaltungsrats, dem Kontrollorgan ber Vorstandsentscheidungen, sollen von den Bundes- inisterien für Gesundheit, Finanzen, Wirtschaft und echnologie sowie Bildung und Forschung berufen erden. Ich frage für die Linksfraktion: Ist in dieser truktur die Beteiligung von Patientenvertretern und erbraucherschutz gewährleistet? Besteht bei der jetzt orgesehenen Struktur nicht eher die Gefahr, dass vor- angig ökonomische Interessen wahrgenommen werden? ann dies die Struktur für eine Aufsichtsbehörde sein, ie Patientinnen und Patienten und ihre Krankenkassen or teuren und unnötigen Scheininnovationen schützt nd risikoreiche unsichere Arzneimittel von vorneherein usschließt? Der Gesetzentwurf muss genau entlang dieser Fragen uf seine Akzeptanz hin überprüft werden. Die Interessen on Patientinnen und Patienten dürfen nicht auf der trecke bleiben. Es ist zu erwarten, dass die Sachver- tändigen sich ähnlich kritisch äußern werden. Ich hoffe ur, dass wir hier eine ideologiefreie sachorientierte Rege- ng gemeinsam zustande bekommen, im Interesse aller eteiligten. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): eutschland als „Apotheke der Welt“ – das war einmal. nzwischen ist Deutschland als Pharmastandort hinter ndere Länder zurückgefallen. Das liegt auch daran, dass s hierzulande den Arzneimittelherstellern lange Zeit zu infach gemacht wurde, mit Scheininnovationen gut zu erdienen. Dementsprechend gering waren die Anreize, iel Geld in die Arzneimittelforschung zu investieren. Daran hat sich unter dem Druck der steigenden Arz- eimittelausgaben glücklicherweise etwas geändert, im ahmen der Gesundheitsreform 2004 wurde die Festbe- ragsregelung auch auf Scheininnovationen ausgeweitet. azu kommt mit der gerade beschlossenen Gesundheits- eform endlich – die bei der letzten Reform noch von der nion verhinderte – längst überfällige Kosten-Nutzen- ewertung von Arzneimitteln. Aber die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche harmabranche gehen über Anreize im Krankenversi- herungssystem hinaus. Dazu gehören auch leistungsfä- ige Strukturen der Zulassung und Qualitätssicherung on Arzneimitteln. Und hier gibt es in Deutschland urchaus noch einiges zu verbessern. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8335 (A) ) (B) ) Die Zulassung von Arzneimitteln dauert in Deutsch- land deutlich länger als in den meisten anderen Staaten. Das ist nicht nur ein zusätzliches Kostenrisiko für die Arzneimittelhersteller; das führt auch dazu, dass Arznei- mittelinnovationen erst mit Zeitverzögerung in die Ge- sundheitsversorgung kommen. Gleichzeitig ist die syste- matische Beobachtung, Sammlung und Auswertung von Risiken bereits zugelassener Arzneimittel immer noch unzureichend. Angesichts dieser Defizite halten wir Änderungen im Zulassungsprozess und den Ausbau der Pharmakovigi- lanz für erforderlich. Deshalb teilen wir die mit dem vor- liegenden Gesetzesentwurf verfolgten Ziele. Allerdings müssen wir uns über eines im Klaren sein: Wirtschafts- und gesundheitspolitische Ziele können sich überlappen. So liegt zum Beispiel eine schnellere Arzneimittelzulassung sowohl im Interesse der Pharma- industrie als auch in dem des schwer erkrankten Patien- ten, der auf ein neues Arzneimittel wartet. Aber sie sind längst nicht immer deckungsgleich. Die Gewinnerwar- tungen der Pharmaunternehmen und die Anforderungen an eine hohe Arzneimittelsicherheit können auch in den Gegensatz zueinander geraten. Kritikerinnen und Kritiker des Gesetzesvorhabens ha- ben deshalb in den vergangenen Jahren vielfach gewarnt, durch die vorgesehene Finanzierungsstruktur würde die neue Arzneimittelagentur in eine unheilvolle Abhängig- keit von der Pharmaindustrie geraten. Außerdem sei die Phamakovigilanz nicht hinreichend unabhängig ausge- staltet. Sie dürfe nicht in derselben Institution wie die Zulassung erfolgen. Auf diese und andere Kritik sollten wir in den anste- henden Gesetzesberatungen gründlich eingehen. Ich plä- diere dafür, den Gesetzesentwurf auf den Prüfstand zu heben. Die Arzneimittelsicherheit und die Wettbewerbs- bedingungen der Pharmabranche dürfen nicht gegenei- nander ausgespielt werden. Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ministerin für Gesundheit: Wir befassen uns heute mit dem Gesetz zur Errichtung der Deutschen Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur – kurz DAMA. Sie soll das bisherige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin- produkte (BfArM) ablösen. Mit dem Regierungsentwurf zur Errichtung der DAMA will die Bundesregierung die Sicherheit von Arzneimitteln und Medizinprodukten erhöhen und einen wichtigen Beitrag für den Pharmastandort Deutschland leisten. Für die Pharmaindustrie schaffen wir eine moderne Zulassungsstelle, die den Wirtschafts- und Wissenschafts- standort Deutschland im internationalen Wettbewerb nachhaltig stärken wird. Gerade im europäischen Kontext wird dies immer wichtiger, weil die Arzneimittelbehörden ihre Aufgaben mehr und mehr im europäischen Verbund wahrnehmen und dabei auf die Dauer nur besonders kompetente, leistungsfähige und flexible Agenturen konkurrenzfähig sind. Die stark mittelständisch geprägte deutsche Arzneimittelindustrie braucht einen starken P p m v L r d u s p S d l t d w A u v n g v f d P z b b r b s B k d N w w W w e f i 2 s P B G e g I D v s (C (D artner in Deutschland, um sich in Europa wirksam zu ositionieren. Und was ebenso wichtig ist: Von einer odernen und effizient arbeitenden Agentur profitieren or allem die Patientinnen und Patienten. Denn eine höhere eistungsfähigkeit stärkt auch die Arzneimittelsicherheit. Ich will kurz erläutern, was der Gesetzentwurf zur Er- ichtung der neuen DAMA vorsieht: In organisatorischer Hinsicht wird eine bisher präsi- ial geleitete Bundesbehörde in eine moderne Agentur mgewandelt. Wichtige Kennzeichen dieser Agentur ind ihre weitreichende Autonomie, ihre eigene Rechts- ersönlichkeit und ihr modernes, an internationalen tandards ausgerichtetes Leitungsmanagement. Durch iese Organisationsform erhält die DAMA die erforder- iche Flexibilität, um als ebenbürtiger Akteur im interna- ionalen und insbesondere im europäischen Wettbewerb er Zulassungsstellen bestehen zu können. Gleichzeitig und gleichgewichtig mit den Fortent- icklungen im Zulassungsbereich soll im Interesse der rzneimittelsicherheit und zum Schutz der Bürgerinnen nd Bürger in Deutschland die sogenannte Pharmako- igilanz – das ist die fortlaufende Überwachung der Arz- eimittel nach deren Markteinführung – entscheidend estärkt werden. Zu diesem Zweck wird die Pharmako- igilanz unter dem Dach der DAMA als Bundesstelle achliche Eigenständigkeit besitzen. Dies wird insbeson- ere durch die Trennung der Zuständigkeiten für die harmakovigilanz von der Arzneimittelzulassung im weiköpfigen Vorstand der DAMA sichergestellt. Modernes Leitungsmanagement durch einen Vorstand edeutet insbesondere: flexible Vertragsgestaltung für die eiden Mitglieder des Vorstandes (im Rahmen privat- echtlicher Zeitverträge), Möglichkeit eines leistungs- ezogenen Anteils der Vergütung aufgrund von abzu- chließenden Zielvereinbarungen, selbstverständlich in ezug auf alle Aufgabenstellungen der DAMA, Möglich- eit der Gewinnung von Spitzenkräften, ausgewiesen urch wissenschaftliche Leistungen auf internationalem iveau bzw. mit ausgewiesenem betriebs- und volks- irtschaftlichem Sachverstand. Hierdurch wird eine ichtige Voraussetzung für ein effektives und auf hohem issenstand stehendes Zulassungsmanagement geschaffen. Die angestrebte weitgehende Autonomie der DAMA ird auch bei der Finanzierung berücksichtigt. Deshalb rhält die DAMA nur noch während einer Übergangszeit ür alle Aufgabenbereiche einen Bundeszuschuss. Dieser st der Höhe nach begrenzt und beträgt zunächst knapp 0 Millionen Euro. Bis zum Jahr 2012 wird der Zuschuss tufenweise auf circa 10 Millionen Euro zurückgeführt. Diese Konzeption beruht im wesentlichen auf zwei unkten. Ab dem Jahr 2012 sollen die Ausgaben im ereich der Arzneimittelzulassung vollständig über ebühren gedeckt werden. Hingegen ist die Beibehaltung ines dauerhaften Bundeszuschusses für diejenigen Auf- abenbereiche der DAMA erforderlich, die im besonderen nteresse der allgemeinen Gesundheitsvorsorge liegen. iese Bereiche – dazu zählt insbesondere die Pharmako- igilanz, aber auch die Forschung oder die Bundesopium- telle – können und sollen vorwiegend aus öffentlichen 8336 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 (A) ) (B) ) Mitteln finanziert werden. Selbst wenn sich daraus höhere Gebühren ergeben, bedeutet dies im Ergebnis keine Mehr- kosten für die Arzneimittelhersteller. Im Gegenteil wird sich die Reduzierung der Zulassungszeiten – durch straffere Organisation bei voller Wahrung der erforderlichen Prüftiefe – in dem gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen – 210 Tage – zum finanziellen Vorteil für die Arzneimittel- hersteller auswirken. Ich bin überzeugt, dass mit der neuen DAMA eine inter- national und vor allem in Europa zukunftsfähige Arznei- mittelagentur geschaffen wird. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Anträge – Den Europäischen Gerichtshof für Men- schenrechte vor dem Kollaps bewahren – Den Erfolg des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrecht durch die konsequente Befolgung seiner Urteile sichern – Den Europäischen Gerichtshof für Men- schenrechte stärken (Tagesordnungspunkte 14 a bis c) Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Justiz: Dass wir heute diese De- batte über den Menschenrechtsschutz in Europa führen, ist gut und wichtig. Wir haben mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine äußerst wirksame Institution, die unsere Aufmerksamkeit und Unterstüt- zung verdient. Fünf Punkte möchte ich ansprechen. Erstens. Der Eu- ropäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine große Besonderheit, wenn wir ihn mit den meisten ande- ren internationalen Gerichten vergleichen: die Men- schenrechtsbeschwerde. Jeder Mensch, der in Europa lebt – und das sind circa 800 Millionen –, kann sein Menschenrechtsproblem nach Straßburg tragen. Die deutsche Richterin dort, Renate Jaeger, hat gesagt, es sei ein Wunder, dass es ein solches System gebe, bei dem auch Russland zu den Mitgliedern gehöre. Ich füge hinzu: Wunder oder nicht – es ist eine höchst sinnvolle und für die Menschen in Europa beruhigende Kontrolle aller Regierungen. Manchmal ist es eben erst der Blick von außen, der einen Fall in das rechte Licht rückt. Wir sollten auch daran denken, dass viele Beschwerdeführer in langen Auseinandersetzungen das Vertrauen in ihren Staat verloren haben. Für diese Menschen ist Straßburg häufig die letzte, manchmal auch die einzige Hoffnung. Zweitens. Wir haben – gemeinsam mit den anderen europäischen Staaten – schon etwas für den Europäi- schen Gerichtshof für Menschenrechte getan. Ich spre- che von der Ratifizierung des 14. Protokolls, das uns auch hier im Bundestag beschäftigt hat. Dieses Protokoll wird nach Schätzungen des Gerichtshofs eine Kapazi- tätssteigerung von circa 25 Prozent ermöglichen. Leider w l w d h t D m e w l P G b M R M B s s u M a n t m w N g d n m w s S l a s s d s r f B B s s F s s z h i z f (C (D ird sein Inkrafttreten durch Russland blockiert. Russ- and ist der einzige Staat, der noch nicht ratifiziert. Nur enn alle Europaratsmitglieder ratifiziert haben, kann as 14. Protokoll in Kraft treten und dem Gerichtshof elfen. Die Bundesregierung wird das Thema ,,14. Pro- okoll“ bei jeder Gelegenheit mit Russland ansprechen. ie Bundeskanzlerin hat das bereits bei ihrem Treffen it Präsident Putin in Sotschi getan. Drittens. Das 14. Protokoll wird nicht ausreichen; bei inem Bestand von circa 90 000 Beschwerden müssen ir weiter denken. Der Bericht der sogenannten Weisen iegt als Grundlage vor. Ich bin besonders froh, dass Frau rofessor Limbach als deutsche Teilnehmerin in diesem remium vertreten war. Wenn Sie sich den Weisenrats- ericht anschauen, wird klar: Vieles kann nur durch die itgliedstaaten selbst getan werden. Ausreichende echtsbehelfe, eine gut funktionierende Justiz – das sind ittel, mit denen man vielleicht nicht die Anzahl der eschwerden, aber doch die Anzahl der begründeten Be- chwerden senken kann. Damit sind wir an einem ent- cheidenden Punkt: Auch die vielen unbegründeten und nzulässigen Beschwerden müssen beschieden werden. an kann die Arbeit an diesen Fällen rationalisieren, ber man kann sie nicht abschaffen. Aus dieser Erkennt- is hat der Weisenrat ein sogenanntes Judicial Commit- ee vorgeschlagen, ein zusätzliches richterliches Gre- ium. Möglicherweise ist dies ein Ausweg. Damit bin ich bei meinem vierten Punkt. Umsonst ird die Reform des Gerichtshofs nicht zu haben sein. atürlich müssen wir so wirtschaftlich wie möglich vor- ehen. Natürlich müssen auch andere Tätigkeitsgebiete es Europarats auf den Prüfstand gestellt werden. Den- och muss man mit Zusatzkosten rechnen. Aber aus einer Sicht kann man das Geld kaum besser anlegen, enn man Rechtsstaat und Menschenrechte in Europa tützen will. Ein letzter Punkt: Dieses Menschenrechtssystem in traßburg, das wir nun alle so gelobt haben, kann natür- ich nur funktionieren, wenn die Urteile des Gerichtshofs uch befolgt werden. Manche Staaten vergessen, dass sie ich durch Art. 46 der Konvention verpflichtet haben, ämtliche Urteile des Gerichtshofs zu befolgen. Ich bin eshalb sehr froh, dass sich die Parlamentarische Ver- ammlung dieses Themas angenommen hat und nun de- en Mitglieder in ihren 46 Heimatstaaten Initiativen ent- alten, um die Umsetzung der Urteile zu verbessern. Das undesministerium der Justiz informiert den Deutschen undestag auch heute schon über die Urteile in deut- chen Fällen. Wir fertigen seit einigen Jahren eine Über- icht über alle Urteile und Entscheidungen in deutschen ällen an, die auch dem Bundestag überreicht wird. Wir ind natürlich gerne bereit, den Ausschüssen des Deut- chen Bundestages auch im Einzelfall Rede und Antwort u stehen. Es wird häufig gesagt, dass der Europäische Gerichts- of für Menschenrechte ein Opfer seines eigenen Erfolgs st. Das ist wohl wahr. Aber wir sollten alles daranset- en, ihn aus dieser Opferrolle zu befreien und ihn zu be- ähigen, frei und unabhängig, nur an Gesetz und Recht Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8337 (A) ) (B) ) gebunden, für die Menschenrechte in Europa zu arbei- ten. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Bürokratieabbau in Europa – Kein Freibrief zum Abbau von Arbeits- und Umweltschutz (Tagesordnungspunkt 16) Kai Wegner (CDU/CSU): Mit einem Maßnahmen- bündel zur besseren Rechtsetzung in der Europäischen Union hat die Kommission Anfang des Jahres 2005 ein Zeichen für weniger Bürokratie und eine effizientere Verwaltung gesetzt. Der Kommissionspräsident José Manuel Barroso be- zeichnete dieses längst überfällige Bekenntnis zum Bü- rokratieabbau als den besten Weg, um – ich zitiere – „die Verwirklichung unserer ehrgeizigen Ziele für Wirtschaft, Gesellschaft und Lebensqualität unserer Bürger voran- zutreiben“. Dieses Zitat belegt, dass der Antrag der Linksfrak- tion, den wir heute diskutieren, weniger mit der Wahr- heit, sondern viel mehr mit dem Schüren von Ängsten in der Bevölkerung zu tun hat. Niemand hat vor, unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus heimlich Arbeits- und Umweltschutzstandards zu streichen. Richtigerweise geht es um die Vereinfachung und Verbesserung der Ver- ständlichkeit von europäischem Recht, und zwar im Sinne aller Bürger der EU. Um dies zu gewährleisten, nimmt die Europäische Kommission bereits heute eine Folgenabschätzung ihrer Rechtsakte vor. Diese Abschätzung bezieht sowohl wirt- schaftliche als auch soziale und Umweltfolgen ein. Da- rüber hinaus wird dieses zugegebenermaßen noch junge Instrument ständig evaluiert und weiterentwickelt. Überregulierung wie bei der allseits bekannten „EU- Gurkenverordnung“ wird damit in Zukunft hoffentlich ausgeschlossen. In dieser Verordnung wird auch die Form einer Gurke gesetzlich festgeschrieben. Mit der bi- zarren Vorgabe, dass Gurken auf 10 Zentimeter Länge nur maximal 10 Millimeter Krümmung aufweisen dür- fen, haben wir es laut EU-Norm nur dann mit einer wohl geformten Gurke zu tun, wenn sie praktisch gerade ist. Zweifelsohne werden sich schlaue Menschen sehr lange über die Verordnung Gedanken gemacht haben. Aber diese Entscheidung sollte Brüssel dem mündigen Bürger wohl lieber selbst überlassen! Neben der Frage, inwieweit bestimmte Vorschriften wirklich notwendig sind, ist auch die Art und Weise, wie wir Bürokratie organisieren, zu hinterfragen. So kann die Ausnutzung bestehender technischer Möglichkeiten zu einer erheblichen Effizienzsteigerung der Verwaltung führen. Deutschland hat hier mit Projekten wie der elek- tronischen Lohnsteuererklärung Neuland betreten. Es gibt deshalb auch keinen Grund, Entbürokratisie- rung und Deregulierung zu verteufeln. Denn wo immer Freiheit durch unnötige bürokratische Regelungen ein- g E g g s d s 5 d w g k d T z r e v B v a M r w V e d c s t R z d z r d f v d E a s i s b s S B k (C (D eschränkt wird, erlahmen nicht nur unternehmerische igeninitiative und Innovationskraft, sondern Beschäfti- ungschancen gehen ebenfalls verloren. Dafür, Kolle- innen und Kollegen von der Linksfraktion, darf es elbstverständlich keinen Freibrief geben! Die Kommission setzte sich im Jahr 2005 das Ziel, in rei Jahren 222 Rechtsakte zu vereinfachen, neu zu chreiben oder – falls möglich – abzuschaffen. Die Zwischenbilanz fällt jedoch ernüchternd aus: Von 4 Rechtsakten, die im vergangenen Jahr überprüft wer- en sollten, konnten lediglich die Hälfte abgeschlossen erden. Die Umsetzung des Bürokratieabbaus in der EU eht sehr viel langsamer als geplant voran. Umso erfreulicher war die Ankündigung der Bundes- anzlerin, das Thema Bürokratieabbau mit Beginn der eutschen Ratspräsidentschaft wieder verstärkt auf die agesordnung der Europäischen Union zu bringen. Der deutschen Initiative kommt gerade deshalb eine entrale Bedeutung in der EU zu, weil sie nicht nur be- eits eingeleitete Maßnahmen ergänzt, sondern diese benfalls weiter vorantreiben und in ihrer Wirksamkeit erstärken wird. Obwohl es noch keine verlässliche Berechnung der ürokratiekosten in Europa gibt, gehen Schätzungen on einem Volumen von 324 bis 600 Milliarden Euro us. Die Europäische Kommission hat in ihrer aktuellen itteilung „Strategische Überlegungen zur Verbesse- ung der Rechtsetzung in der Europäischen Union“ den irtschaftlichen Nutzen eines Abbaus von unnötigen erwaltungslasten um 25 Prozent – im Übrigen ohne Be- inträchtigung von deren Zielsetzung – auf 150 Milliar- en Euro beziffert. Der erste Schritt, um dieses Potenzial nutzbar zu ma- hen, wurde indes unter der deutschen Ratspräsident- chaft schon getan. Denn Kommission und Mitgliedstaa- en haben sich jüngst darauf festgelegt, ein verbindliches eduktionsziel bei den Informationspflichten von 25 Pro- ent bis zum Jahr 2012 zu erreichen. Damit nicht genug. Die Bundesregierung unterstützt arüber hinaus die Herangehensweise der Kommission, unächst Regelungskomplexe, die aufgrund der Erfah- ungen in den Niederlanden und in Dänemark mit beson- ers hohen Bürokratiekosten verbunden sind, zu verein- achen. Die Maßnahme, die bereits zum Frühjahrsgipfel erabschiedet werden könnte, würde die Belastungen er Unternehmen mit einem Schlag um 1,3 Milliarden uro pro Jahr senken. Um bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau auch uf europäischer Ebene zu realisieren, bedarf es ent- chlossener Schritte. Die deutsche Ratspräsidentschaft st meiner Meinung nach gemeinsam mit der Kommis- ion auf dem besten Weg, nachhaltig Bürokratie abzu- auen und Europa einfacher und für den Bürger ver- tändlicher zu machen. Mit dem Normenkontrollrat und der Einführung des tandardkostenmodells haben Bundesregierung und undestag die Weichen für eine nachhaltige Bürokratie- ostenentlastung gestellt. Damit es aber insgesamt zu ei- 8338 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 (A) ) (B) ) ner wirksamen Entlastung von Unternehmen, Bürgern und Verwaltung kommt, darf gerade die europäische Ebene beim Abbau von unnötiger Bürokratie nicht feh- len. Gerne möchte ich meine Rede mit einem Zitat aus der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin und amtieren- den Ratspräsidentin beschließen: Lassen Sie uns die Wachstumsbremsen lösen! Lassen Sie uns selbst be- freien von Bürokratie und altbackenen Verordnungen! Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Erstens. Debatten über europäische Dimension von Politik führen wir nicht einfach entlang klassischer Grenzen von Regierungs- und Oppositionsparteien. Deshalb ist auch der vorlie- gende Antrag wichtig zu nehmen. Zugleich bringt es we- nig, wenn die Linksfraktion hier bereits in der Über- schrift mit polemischen Unterstellungen arbeitet. Das EU-Programm sagt ausdrücklich, dass die Verrin- gerung der Verwaltungslasten bei gleichzeitig weiterhin geltenden hohen Standards zu erreichen ist. Für die SPD-Fraktion jedenfalls kann ich versichern, dass wir auf die Einhaltung dieser Zusage große Aufmerksamkeit legen werden. Zweitens. Die Kommission verfolgt schon seit länge- rem das Ziel einer besseren Rechtsetzung. Ergänzt hat sie dies jüngst durch ein Aktionsprogramm zur Verringe- rung der Verwaltungslasten in der EU. Die Ziele der Kommission sind zu unterstützen, sowohl, was das gene- relle Thema besserer Rechtsetzung angeht, als auch, was das neue Programm zur Verringerung der Verwaltungs- lasten angeht. Neben den eigentlichen Regelungsinhalten sind ver- ständlichere, klarere und überschaubarere Rechtstexte ein wichtiges Ziel beim gesetzgeberischen Handeln. Das ist die Grundidee von besserer Rechtsetzung. Ebenso sinnvoll ist es, die möglichen Folgen von neuen Rechts- akten im Voraus zu beurteilen. Deshalb ist die von der Kommission durchgeführte umfassende Folgenabschät- zung ein gutes Instrument. Aber Politik ist keine Natur- wissenschaft. Sie sollte sich die Folgen ihres Handelns, soweit es eben möglich ist, vorab bewusst machen. Dies aber ersetzt nicht den Willen, die zunehmend komplexer werdende Welt zum Wohl der Menschen zu gestalten. Die Mitgliedstaaten haben den Ansatz der Folgenab- schätzung der Kommission zu Recht unterstützt. Dann müssen sie aber auch vor der eigenen Haustüre kehren: Auf europäischer Ebene bei der Folgenabschätzung, was die Änderungen durch den Ministerrat betrifft: Diese sind zum Teil sehr erheblich und können zu deut- lich anderen Ergebnissen führen. Es wäre nur konse- quent, wenn auch sie einer Folgenabschätzung unterzo- gen würden. Bisher stäubt sich der Ministerrat dagegen. Auf nationaler Ebene bei der Entlastung von Bürokra- tiekosten: Es macht Sinn, Unternehmen dadurch zu ent- lasten, dass beispielsweise Meldepflichten auf einfa- chere und schnellere Art erfüllt werden können. Ziel des Aktionsprogramms der Kommission ist es, die durch EU-Vorschriften verursachten Verwaltungskosten um 2 t d d r t f w d t z v r h s k d l b w D A r t s B k i g n e E E d k t n B t u t n z v b w K d g m g s V A t (C (D 5 Prozent zu reduzieren. Ein wichtiges Ziel, denn Un- ernehmen können sich auf ihre eigentliche Tätigkeit, as effiziente Produzieren und Wirtschaften zum Wohle es Unternehmens und seiner Arbeitnehmer, konzentrie- en. Dieses Ziel ist jede Anstrengung wert. Wenn damit atsächlich die enormen Entlastungs- und Wachstumsef- ekte ausgelöst werden können, wie manche erhoffen, äre das sehr begrüßenswert. Wenn dies aber ein so wichtiges Ziel ist, sollten auch ie Mitgliedstaaten sich um die Verringerung der Belas- ungen bemühen. Es gibt Widerstand gegen eine in Pro- ent bemessene verbindliche Vorgabe. Dies ist teilweise erständlich, etwa bei den neuen Mitgliedstaaten, die ih- en gesamten Rechtsbestand an EU-Vorgaben angepasst aben. Jetzt die Gesetzgebungs- und Verwaltungsma- chine erneut anzuwerfen und die Dinge umzukrempeln, ann auch schädlich sein. Aber zumindest sollte doch as prinzipielle Ziel der Entlastung auch auf der nationa- en Ebene unbestritten sein. Drittens. Die Diskussion über Bürokratieabbau und essere Gesetzgebung wird verstärkt unter dem Schlag- ort „Diskontinuität bei EU-Gesetzesvorhaben“ geführt. ie SPD lehnt diese Position als generellen politischen nsatz ab. Der Ansatz der Befürworter entspricht einer ein deutschen Sicht auf eine spezifisch europäische Si- uation. Während in Deutschland der Bundestag ent- cheidender Gesetzgeber ist und die Länder nur über den undesrat an gesamtstaatlichen Legislativakten mitwir- en, gibt es in der EU faktisch ein Zweikammersystem, n dem das Europäische Parlament und der Rat zumeist leichberechtigt sind. Allerdings sitzt der Rat immer och oft am längeren Hebel. Während es in Deutschland in festes Verfahren mit Zeitplänen gibt, ist dies in der U mitnichten der Fall. Würde man also in Europa am nde der Legislaturperiode alle Gesetzesverfahren in en Papierkorb werfen, würde nur der Rat gewinnen: Er ennt keine Legislaturperioden. Was genauso wichtig ist: Die Kommission ist als Hü- erin der Verträge und Motor der Gemeinschaft mit ei- em exklusiven Initiativrecht ausgestattet. Sie wurde zu eginn des Einigungsprozesses geschaffen, weil man al- en Formen der Regierungszusammenarbeit nicht mehr nd neuen Formen der Supranationalität einer Volksver- retung noch nicht vertraute. Diese Konstruktion sui ge- eris ist bekanntlich mit dem Nationalstaat nicht gleich- usetzen. Auch geht es an der Sache vorbei, dass ständig on bestimmten Konservativen und Liberalen gegen die ürokratische Bevormundung aus Europa gewettert ird, wo jeder wissen sollte, dass hinter den meisten ommissionsinitiativen entweder die Verpflichtungen er Verträge oder aber konkrete Wünsche aus den Mit- liedstaaten stehen. Wer mit einem Finger auf die Kom- ission zeigt, auf den weisen oft vier Finger zurück. Viertens. Die Linkspartei fordert mehr Bürgerbeteili- ung bei besserer europäischer Gesetzgebung. Recht hat ie. Unrecht hat sie aber, weil die PDS/WASG die EU- erfassung ablehnt. Denn im Vertragsentwurf Art. 47 bs. 4 steht ausdrücklich, dass im Rahmen der partizipa- orischen Demokratie auch Bürgerinitiativen – mit min- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8339 (A) ) (B) ) destens einer Million Unterschriften – als neue Beteili- gungsmöglichkeit vorgesehen sind. Christian Ahrendt (FDP): Wir brauchen in Europa nicht mehr Bürokratie, sondern deutlich weniger. Büro- kratieabbau ist auch kein Arbeitsplatzkiller. Die Formel lautet anders: Weniger Bürokratie heißt mehr Wirtschafts- wachstum und damit mehr Arbeitsplätze. Wir haben die Regierungserklärung der Bundeskanz- lerin heute Morgen gehört. Bis 2011 soll die Bürokratie in Europa um 25 Prozent abgebaut werden. Die europäische Kommission erwartet eine nachhal- tige Entlastung der Unternehmen und neue Wachstums- impulse. Wir brauchen also keine Anträge zur Rettung der Bürokratie, sondern Initiativen zu deren Abbau. Man muss sich einfach deutlich machen, welche kon- kreten Folgen die ausufernden Regeln für die Menschen mit sich bringen: Die höchste Erhebung in Mecklenburg- Vorpommern erreicht stolze 179 Meter über dem Mee- resspiegel. Dieser Berg verfehlt also nur knapp das Niveau der Zugspitze. Deswegen brauchte er ein Seilbahngesetz. Ohne dieses wichtige Gesetz wäre es uns in Mecklen- burg-Vorpommern nicht möglich, eine Kabinenbahn hi- nauf auf den mit 179 Metern höchsten Berg des Landes zu bauen und ihn für die Menschen zu erschließen. Tatsa- che ist natürlich, dass der Berggipfel gut zu Fuß erreich- bar ist und Seilbahngondeln hierfür nicht benötigt wer- den. Tatsache ist aber auch, dass wir trotzdem ein Seilbahngesetz in Mecklenburg-Vorpommern haben, das nach allen Regeln der parlamentarischen Demokratie das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen hat. Hätte der Landtag das Gesetz nicht verabschiedet, wären Strafgel- der in Höhe von rund 791 000 Euro nach Brüssel zu zah- len gewesen. Die Reihe von Beispielen unsinniger Vorschriften lässt sich fortsetzen – ich will in meinem Bundesland bleiben –: Sie wissen, Mecklenburg-Vorpommern ist in Deutschland Tourismusland Nummer eins. Gerade in diesem Wirtschaftszweig entstehen viele Arbeitsplätze. Dazu gehören zahlreiche Minijobs, was auf das Sai- songeschäft in dieser Branche zurückzuführen ist. Wichtigste Aufgabe eines Gastronomen ist die zu- frieden stellende Bewirtung seiner Gäste. Stattdessen plagen diese Unternehmer umfangreiche Meldepflich- ten. Bei jedem neuen Einsatz muss eine Aushilfe an- und wieder abgemeldet werden. Das ist nun nicht mit ei- nem Anruf getan. Das wäre auch zu einfach. Stattdessen müssen jedes Mal von neuem umfangreiche Fragebögen ausgefüllt werden, um der Meldepflicht ordnungsgemäß nachzukommen. Die meisten Betriebe bei uns im Land sind Klein- und Kleinstbetriebe. Die Zahl der Angestellten liegt in den meisten Unternehmen bei zehn bis 20 Angestellten. Die bürokratiebedingten Kosten liegen für einen Be- schäftigten der gerade genannten Betriebsgröße bei 2 782 Euro pro Mitarbeiter und Jahr. Das heißt, ein klei- n 2 B D d w F l A R d g D l a w r a d B A s v r n b n t K R g R n ü W t s D A R b S k s m p n u g w z (C (D es Unternehmen mit zehn Mitarbeitern wird im Jahr mit 2 820 Euro belastet. Solche Kosten sind nicht hinnehmbar. Die ausufernde ürokratie ist zu einem gefährlichen Jobkiller geworden. enn das Geld für Melde- und Statistikpflichten fehlt en Unternehmen für Investitionen. Und schon sind wir ieder bei der ganz einfachen eingangs schon erwähnten ormel: Geringere Bürokratiekosten schaffen wirtschaft- iches Wachstum, und wirtschaftliches Wachstum schafft rbeitsplätze. Der Antrag der PDS geht deswegen in die falsche ichtung. Eine Initiative für den Bürokratieabbau wäre ie bessere Alternative gewesen, zumal die Bundesre- ierung über Ankündigungen nicht hinausgekommen ist. enn entgegen den Bekundungen von Frau Bundeskanz- erin Merkel, auch in Deutschland 25 Prozent Bürokratie bzubauen, wird mit dem Normenkontrollrat und der vor enigen Wochen beschlossenen Gesundheitsreform Bü- okratie aufgebaut. An die Adresse der Regierung bleibt deswegen nur zu ppellieren: Nehmen Sie die Gesundheitsreform zurück, ann haben Sie schon einen guten Schritt in Richtung ürokratieabbau geleistet, auch wenn damit nur auf den ufbau einer neuen Bürokratie verzichtet würde. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Die Europäi- che Union hat sich in den letzten Jahren immer weit on den Menschen weg entwickelt. Warum? – Eine inte- essante Antwort gab Arbeitsminister Müntefering in ei- em Interview am letzten Wochenende: Die EU stehe ei vielen Menschen für Ökonomie und Wettbewerb, icht aber für sichere Arbeitsplätze und soziale Gerech- igkeit. Das ist eine Analyse, die die Linke teilt. Genau diesen urs verschärft jedoch die Bundesregierung in ihrer EU- atspräsidentschaft. Sie unterstützt ein Aktionspro- ramm der Europäischen Kommission für eine bessere echtsetzung, gern auch als Bürokratieabbau bezeich- et. In der Öffentlichkeit wird behauptet, hier werden berflüssige Vorschriften und Gesetze abgebaut, um die irtschaft von gesetzlichen Auflagen und Meldepflich- en zu befreien. Schon lange kritisieren jedoch Gewerk- chaften und Umweltverbände: Hier werden unter dem eckmantel des Bürokratieabbaus soziale Rechte von rbeitnehmern und Umweltschutz abgebaut. Ich erinnere nur an die sogenannte Sonnenschutz- ichtlinie. Ursprünglich sollte diese EU-Vorschrift Ar- eitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor übermäßiger onneneinstrahlung und damit möglichen Hautkrebser- rankungen schützen. Die Gewerkschaft der Bauarbeiter tellt völlig richtig fest: Bei der als bürokratisch diffa- ierten Richtlinie gehe es nicht um Regelungswut und raxisferne Gesetze, sondern um die Gesundheit und das ackte Leben von Menschen, die körperlich hart arbeiten nd dabei stunden- und tagelang der heißen Sonne aus- esetzt sind. In der dann „entbürokratisierten“ Richtlinie ar von übermäßiger UV-Strahlenbelastung nichts mehr u lesen. 8340 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 (A) ) (B) ) Die Maßnahmen der EU zum Bürokratieabbau sind grundsätzlich falsch aufgestellt: Sie messen die angeb- lich finanziellen Belastungen für Unternehmen, nicht aber den gesellschaftlichen Nutzen. Dieser „Bürokratieabbau“ hat nichts mit einer besse- ren Rechtssetzung zu tun, sondern ist ein sozialer Rück- schritt. Deshalb haben wir als Linke den vorliegenden Antrag eingebracht. Die Linke streitet dafür, den bisherigen Kurs des Bürokratieabbaus mit seiner einseitigen Aus- richtung auf die Interessen der Wirtschaft zu korrigieren. Die Linke will Gewerkschaften, Sozial- und Umwelt- verbände stärker in das Verfahren einer besseren Recht- setzung einbeziehen. Die Linke will Vorschriften und gesetzliche Regelungen zu allererst nach ihrem gesell- schaftliche Nutzen beurteilt wissen und nicht nur nach dem Aufwand und den Kosten, die möglicherweise für Unternehmen entstehen. „Gesetze fesseln die Kräfte des freien Marktes“, das war die Botschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Thema Bürokratieabbau und Freiheit auf dem Welt- wirtschaftsforum in Davos im letzten Jahr. Die Linke ist der Ansicht, solche Fesseln sind not- wendig. Sozial- und Umweltgesetze müssen verteidigt und ausgebaut werden. Alles andere wäre eine Rückkehr zum Kapitalismus des 19. Jahrhunderts. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die europäische Initiative „Better Regulation“ hat das Ziel, bestehende Bürokratiekosten auf der europäischen Ebene abzubauen. Dazu soll endlich ein einheitliches eu- ropäisches Verfahren zur Messung von Bürokratiekosten durchgesetzt werden. Bis 2012 sollen die Verwaltungs- kosten insgesamt um 25 Prozent gesenkt werden. Die Vorschläge der EU-Kommission gehen aus mei- ner Sicht in die richtige Richtung. Ich halte gar nichts davon, bei der Diskussion um Bürokratieabbau von ei- nem Extrem ins andere zu fallen. Die FDP tut regelmä- ßig so, als ob Regelungen und Bürokratie prinzipiell von Übel seien. Dies gilt insbesondere dann, wenn damit so- ziale und ökologische Standards gesetzt werden sollen. Die Linkspartei vermutet hinter jeder Diskussion über Bürokratieabbau nichts anderes als den Abbau von so- zialen und ökologischen Standards. Ich meine, wir sollten es uns mit solchen Stereotypen nicht zu leicht machen. Selbstverständlich brauchen wir eine effiziente und handlungsfähige Bürokratie, um ei- nen sozialen und ökologischen Ordnungsrahmen zu set- zen, in dem sich Markt und Wettbewerb frei entfalten können. Wettbewerb braucht Spielregeln und eine effi- ziente Verwaltung, die diese Spielregeln definiert und durchsetzt. Bürokratie ist daher kein Selbstzweck. Rich- tig ist aber auch, dass nur eine effiziente, schlanke und transparente Regulierung den Marktteilnehmern klare Vorgaben gibt und sie in die Lage versetzt, gute Ergeb- nisse zu produzieren. Das hat für uns nichts mit dem Ab- bau von sozialen und ökologischen Standards zu tun. Im Gegenteil. Für uns gilt: Schlanke und effiziente Verwal- t S u z w R d m s a d E g s d w t m e d n S d a a E a h r b d K p t K k d d w s a n w A B D i R (C (D ungen sind Voraussetzung, um soziale und ökologische tandards wirksam durchzusetzen. Mit der Schaffung des europäischen Binnenmarktes nd der Europäischen Union sind vielerlei Rechtset- ungskompetenzen auf die europäische Ebene verlagert orden. Dabei haben wir es häufig mit überkomplexen egulierungen zu tun oder mit Regelungen, die vollstän- ig überflüssig erscheinen. Besonders pikant erscheint ir dabei, dass dieser Unsinn häufig das Ergebnis politi- cher Tauschgeschäfte im europäischen Ministerrat ist, n der deutsche Regierungsvertreter, auch von der Lan- esebene, kräftig mitgewirkt haben. Ich begrüße es daher, wenn nun auf europäischer bene der Versuch unternommen wird, eine bessere Re- ulierung durchzusetzen und Verwaltung effizienter und chlagkräftiger zu organisieren. Darüber hinaus sollen ie Unternehmen von überflüssigen Kosten entlastet erden. Dies ist insbesondere für mittelständische Un- ernehmen von großer Bedeutung. In diesem Zusam- enhang möchte ich auch auf die Notwendigkeit einer inheitlichen europäischen Bemessungsgrundlage bei er Unternehmensteuerreform hinweisen. Damit kön- en Hürden abgebaut werden, die das unterschiedliche teuerrecht gerade für kleine und mittlere Unternehmen arstellt und sie von grenzüberschreitenden Aktivitäten bhält. Wir werden im Ausschuss noch Gelegenheit haben uf Einzelheiten des Antrages der Linksfraktion und der U-Initiative „Better Regulation“ einzugehen. Eines ber schon mal vorweg: Ein aussagekräftiges und ein- eitliches europäisches Verfahren zur Messung von Bü- okratiekosten ist Voraussetzung, um beim Bürokratieab- au voranzukommen. EU-Kommissar Verheugen setzt abei auf das Standardkostenmodell. Damit sollen die osten, die den Unternehmen durch Informationsver- flichtungen entstehen, berechnet werden. Mit der Kos- enberechnung durch das Standardkostenmodell wird die ommission etwas besser wissen, wodurch Bürokratie- osten tatsächlich entstehen. Aber genau wie die Bun- esregierung fasst sie den Auftrag, der mit dem Stan- ardkostenmodell erfüllt werden soll, zu eng: Erfasst erden nur die durch Informationsverpflichtungen ent- tehenden Bürokratiekosten. Besser wäre es dagegen, lle administrativen Kosten als Bürokratiekosten zu defi- ieren, die durch öffentliche Anforderungen ausgelöst erden. nlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Oldtimer von Fein- staub-Fahrverboten ausnehmen (Tagesordnungs- punkt 19) Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Im Deutschen undestag sind wir alle daran interessiert, dass es in eutschland keinen Fleckenteppich an Regelungen, egal n welchem Einzelbereich, gibt. Die Diskussion über das auchverbot zeigt doch, wie positiv Kompromisse zwi- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8341 (A) ) (B) ) schen Bund und Länder aufgenommen werden. So soll es auch bei der Feinstaubdebatte und den damit einher- gehenden Fahrverboten sein. Wir erleben eine große Verunsicherung auf diesem Gebiet und ungeklärte Zu- ständigkeitsdiskussionen. Wann tritt was wo in Kraft? Ausgelöst wurde diese grundsätzliche Fragestellung durch Regelungen der europäischen Ebene. Subsidiarität ist an sich sehr gut und das politische Ziel meiner Frak- tion, Entscheidungen und Zuständigkeiten möglichst vor Ort zu treffen, trägt zur Stärkung der Ebenen vor Ort bei; das heißt in diesem Fall bei den Kommunen. Bei der Fahrverbotsdiskussion kann es aber dazu führen, dass ein Durcheinander der Regelungen und Verbote zu Ver- unsicherungen beim Bürger führt. Deshalb finde ich es gut, dass, wie bei einer Podiumsdiskussion beim DEUVGT, dem Oldtimerdachverband, im Meilenwerk Berlin vor ein paar Monaten, alle daran teilnehmenden Fraktionen – CDU/CSU, SPD und FDP – sich des The- mas angenommen haben, die FDP eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestartet hat und auf dieser Basis den dieser Debatte zugrunde liegenden Antrag formu- liert hat. Es gibt 470 000 Oldtimer in Deutschland, davon sind fest angemeldet mit H-Kennzeichen, also dem speziellen Oldtimerkennzeichen, 153 000. Der Wirtschaftsbereich Oldtimer boomt. Wir freuen uns, dass es Meilenwerke oder Ofenwerke genauso wie andere Oldtimerzentren wie Gut Hitzeisberg am Chiemsee gibt, wo großartige Investitionen von Unternehmern getätigt wurden. Deutschland, das Tourismusland wird auch durch eine tolle Oldtimerszene aufgewertet. Viele Übernachtungen – in Europa 2,68 Millionen – werden von Oldtimer- fahrern gebucht. 16 Milliarden Euro werden nach einer Studie der FIVA, in der zehn EU-Länder untersucht wur- den, im Bereich der historischen Fahrzeuge umgesetzt. Das heißt für Deutschland alleine 4,8 Milliarden Euro mit etwa 55 000 Vollzeitbeschäftigten. In Deutschland gibt es 1,2 Millionen Oldtimerinteressierte, die auch auf- lagenstarke Fachzeitschriften konsumieren; eine Zahl von circa 900 000 kann man hier nennen. Das ist ein wirtschaftlich sehr interessanter Bereich. Dies alleine ist sicher keine Begründung für oder ge- gen Fahrverbote. Die emotionale Ebene ist aus meiner Sicht entscheidend. Wissen die Kommunalpolitiker, die auch die Oldtimer mit Fahrverbot belegen wollen, dass ihre Stadt dann von der Landkarte der Oldtimerfahrer, der Organisatoren von Oldtimerveranstaltungen gestrichen wird? Wie schön sind „Classic Days“ von Mercedes Benz am Salzburgring und in Salzburg, an der viele Tau- send Zuschauer teilnehmen. Welchen Marketingeffekt haben solche Veranstaltungen in den Regionen? Viele Autokonzerne nehmen den Oldtimer zur Imageverbesse- rung oder für Marketingzwecke sehr gerne, siehe aktu- elle Werbung von Volkswagen für den Golf. Wir alle stellen uns gerne auf ein Foto zur Eröffnung einer Oldtimerrallye, auch eine Kulturveranstaltung zur Pflege automobilen Kulturgutes. Vielleicht bin ich hier zu emotional, weil ich selbst dieses Hobby habe, alte Au- tos zu pflegen und – wenn es die Zeit erlaubt – auch – oh Wunder – zu fahren. Ich weiß, als überzeugter Verkehrs- p u d d B r e i z G w G f h F E n e v a e 9 b d F z e g s a o h E H t – d o d S m s A d v B s w z b e u r l w (C (D olitiker meiner Fraktion nerve ich oft meine Kolleginnen nd Kollegen mit meinem Enthusiasmus. Ich entschul- ige mich schon im Voraus für kommende Diskussionen afür. Die Oldtimer sind nicht eine Sache von wohlhabenden evölkerungsgruppen oder – wie sagt man – „den obe- en Zehntausend“. Nein, weiß Gott nicht. Nicht jeder hat inen 300 SL Flügeltürer oder einen Bugatti Monoposto n der Garage stehen. Viele junge Leute mit ihren Eltern usammen, schrauben in Hinterhofgaragen an einem olf I oder einem 02er BMW. Sie treffen sich – davon eiß ich selbst ein Lied zu singen – in Garagen mit leichgesinnten und sparen auf das nächste Ersatzteil ür eine Restauration, müssen da so manchen Kampf insichtlich der Freigabe der finanziellen Mittel in der amilie eingehen. Das ist die Realität der Alters- und inkommensverteilung von Oldtimerbesitzern. Nicht ur die in Hochglanzbroschüren abgebildeten Fahrzeug- xoten, sondern die Fahrzeuge aus dem Alltag längst ergangener Zeit machen den größten Teil des Fuhrparks us. Etwa 70 Prozent aller historischer Fahrzeuge haben ine Jahresfahrleistung von weniger als 1 500 Kilometer. 9 Prozent der Fahrzeuge werden nur zwischen Ostern is Ende Oktober eines Jahres bewegt. Verglichen mit er durchschnittlichen jährlichen Kilometerleistung aller ahrzeuge haben Oldtimer einen Anteil von 0,07 Pro- ent am gesamten Straßenverkehr. Bei der Restaurierung ines Oldtimers wird weitestgehend Altmaterial in Stand esetzt, das ist weit weniger energieintensiv und umwelt- chonender als bei der Produktion von Neuwagen. Vor llem ist hier wirklich handwerkliche Fähigkeit gefragt, hne dass Roboter zum Einsatz kommen. Mit diesem Plädoyer für den Wirtschaftbereich Oldtimer abe ich einmal grundsätzlich die interessanten, positiven ntwicklungen dargestellt, zugegeben etwas stark mit erzblut versehen. Gespannt bin ich, wenn eine Old- imerveranstaltung stattfindet, ob die Mandatsträger sich obwohl sie sich für Fahrverbote ausgesprochen haben – och aufs Foto stellen. Die „Retro Classic“ in Stuttgart der die „Techno Classica“ in Essen werden im Frühjahr ie ersten Prüfsteine sein. Zudem ein kleiner Exkurs: Was machen Sie mit den chaustellern und Zirkusfahrzeugen? Sie sind oft auch it sehr altem und historischen Wagenmaterial ausge- tattet. Die müssen sich erst vor einem Volksfest die usnahmegenehmigung vor Ort besorgen, dass sie auf en Festplatz kommen. Ich wünsche dabei jetzt schon iel Spaß! Gespannt bin ich, wie beispielsweise der Regierende ürgermeister Berlins, Herr Wowereit, sich bei Veran- taltungen im Meilenwerk in der Wiebestraße äußert, enn die Fahrzeuge aufgrund des Fahrverbots nur noch u Ausstellungsstücken degradiert sind. Ein Oldtimer- esitzer, der in den Plexiglasgaragen seinen Wagen hier ingestellt hat, braucht einen Trailer oder Hubschrauber, m den Wagen an die Stadtgrenze Berlins zu transportie- en, abzusetzen und dann nach dem Ortsschild Berlins osfahren zu können. Den Wahnsinn erkennt man dann, enn das Zugfahrzeug des Autoanhängers zum Beispiel 8342 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 (A) ) (B) ) ein Porsche Cayenne oder ein Q7 oder ein Toyota Land- cruiser ist, der einen heftigeren Ausstoß hat als der Old- timer selbst, der hinten drauf ist. Wir brauchen praktikable Lösungen. Deshalb bin ich dankbar für den Antrag der FDP-Fraktion. Lassen Sie uns gemeinsam diese offene Flanke beheben; denn die Bürger verstehen diesen Fleckenteppich doch nicht. Lassen Sie uns die Zuständigkeiten klären. Deshalb wird meine Fraktion vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages auch noch ein Gutachten einholen, wer was regeln kann und soll. Wir bitten die Bundesregierung, federführend das Verkehrsministerium und das Umweltministerium, mit den zuständigen Länderministerien und den kommu- nalen Spitzenverbänden hier eine Lösung zu erarbeiten. Wir haben steuerlich den Besitzern der roten 07er-Kenn- zeichen sicher schon einiges zugemutet. Lassen Sie uns überlegen, ob wir die H-Kennzeichen von der Fahrverbots- regelung ausnehmen und eine generelle Ausnahmeregelung mit der Schlüsselnummer 98 schaffen. Ich freue mich auf die Beratungen, um den Bereich Oldtimer im Lichte der Öffentlichkeit auch mal sehr positiv darzustellen und die Potenziale, die darin liegen. Ich appelliere an die Verbände, sich hierbei konstruktiv einzubringen. Meine Fraktion ist dazu bereit. Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): In dem Antrag der FDP-Fraktion, über den wir uns hier unterhalten wollen, fehlt mir der Hinweis darauf, wieso Städte und Kommunen Fahrverbote in Umweltzonen aussprechen. Es klingt in Ihrem Text so, als ob die Fahrverbote erteilt werden, um die Liebhaber historischer Fahrzeuge zu ärgern, den Wirtschaftsfaktor kaputtzumachen und die Oldtimer-Werkstätten in den Zentren der Städte in den Ruin zu treiben. Der eigentliche Hintergrund für die Fahrverbote ist die Erkenntnis, dass Schadstoffe in der Luft zu Atemwegserkrankungen führen und krebserregend sind. Hierzu einige Fakten: Nach Untersuchungen der Welt- gesundheitsbehörde wurde im Jahr 2000 durch Partikel die durchschnittliche Lebenszeit aller Europäer im Mittel um 8,6 Monate und in Deutschland sogar um 10,2 Monate verkürzt. Schon 1954/55 – also vor mehr als fünfzig Jah- ren – wurde die tumorbildende Wirkung von Dieselmotor- abgasen auf Mäusehaut beschrieben. Tests in den 70er- Jahren und 80er-Jahren bestätigten den Verdacht, dass Dieselmotorabgas bei Ratten Lungentumore erzeugt. In neueren Untersuchungen wurde ein eindeutiger Zu- sammenhang zwischen Partikelexposition und Gesamt- mortalität, Mortalität durch Herz-Kreislauf-Erkrankun- gen und bei Lungenkrebs festgestellt. Kinder und Menschen über 65 Jahren reagieren auch auf niedrige Konzentrationen. Im Zuge der Umsetzung der Aktions- und Luftrein- haltepläne sind ganzjährige Fahrverbote für Fahrzeuge mit veralteter Abgastechnik der Schadstoffgruppe 1 in Umweltzonen vorgesehen. Die FDP möchte für das Kultur- gut Oldtimer eine generelle Ausnahmeregelung. Sie be- klagt, dass die gesamte Wirtschaftsbranche Oldtimer und die spezialisierten Werkstätten vor dem Aus stehen. e A d la b d S s e 3 h e F u U D d d F i w K o s E s d s G o F z K d s S m i d 1 w u r D K f P v e A 0 (C (D Obwohl die Oldtimer am gesamten Pkw-Bestand nur inen Anteil von circa 0,44 Prozent haben, betragen ihre nteile nach Berechnungen des Umweltbundesamtes an en gesamten Otto-Pkw-Schadstoffemissionen in Deutsch- nd – trotz der geringeren Fahrleistung – circa 6 Prozent ei den Kohlenmonoxidemissionen circa 5 Prozent bei en Kohlenwasserstoffen und circa 3 Prozent bei den tickoxidemissionen. Dies liegt an den hohen spezifi- chen Emissionen der alten Fahrzeuge. Im Vergleich zu inem modernen Euro-4-Otto-Pkw emittieren Oldtimer 5-mal höhere CO-, 60-mal höhere VOC- und 45-mal hö- ere NOx-Emissionen. Der Anteil an den Feinstaub- missionen kann nicht quantifiziert werden. Auch wenn nicht der direkte Zusammenhang zum einstaubausstoß besteht, handelt es sich bei den Oldtimern m Dreckschleudern, die mit ihren Schadstoffen die mwelt und die Gesundheit der Bevölkerung belasten. ass allein in Deutschland pro Jahr 65 000 Menschen an en Folgen der Luftverschmutzung sterben und 30 Prozent er Kinder an Atemwegserkrankungen leiden, hat zu den ahrverboten für Fahrzeuge mit veralteter Abgastechnik n Umweltzonen geführt. Dies sollte nicht vergessen erden. Heute tritt die sogenannte Feinstaubverordnung in raft. Eigentlich handelt es sich dabei um die 35. Ver- rdnung zur Durchführung des Bundes-Immissions- chutzgesetzes. In Deutschland gilt seit Beginn des Jahres 2005 eine U-Richtlinie, die besagt, dass die Grenzwerte für Fein- taub „nur“ an 35 Tagen im Jahr überschritten werden ürfen. Allerdings wurden diese Grenzwerte für Fein- taub in den vergangenen Jahren in allen deutschen roßstädten um ein Vielfaches überschritten. Die Ver- rdnung soll die Kommunen nun in die Lage versetzen, ahrzeuge mit zu hohem Schadstoffausstoß aus Umwelt- onen in den Innenstädten zu verbannen. Wie groß eine Umweltzone wird, definiert die jeweilige ommune selber. In der Regel handelt es sich dabei um ie Bereiche einer Stadt, die besonders stark mit Fein- taub belastet sind. Die Umweltzonen werden durch childer gekennzeichnet sein. Auf diesen Schildern kann an ersehen, welche Plakettenfarbe zur Weiterfahrt nötig st. Stuttgart, München und Düsseldorf planen noch in iesem Jahr die Ausweisung einer Umweltzone. Ab . Januar 2008 will auch Berlin eine Umweltzone aus- eisen. Diese wird dann die größte in Deutschland sein nd 88 Quadratkilometer umfassen. Ob und, wenn ja, welche Plakette ein Fahrzeug erhält, ichtet sich nach der Schadstoffgruppe. Autos mit altem iesel-Motor – Euro 1 und schlechter – und Benziner ohne atalysator oder Kat-Fahrzeuge der ersten Generation allen in die Schadstoffgruppe 1 und bekommen keine lakette. Solche älteren Fahrzeuge wären also in Zukunft on Fahrverboten betroffen – es sei denn, sie werden mit inem Katalysator oder Rußfilter nachgerüstet. Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass viele alte utos bald sowieso verschrottet werden, und spricht von ,9 Millionen Diesel-Fahrzeugen und 2,3 Millionen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8343 (A) ) (B) ) Benzinern, die den Anforderungen nicht entsprechen werden. Bisher sind von Fahrverboten in den Umweltzonen ausgenommen nur Mofas, Motorräder, die wenigen Trikes und Quads, Arbeitsmaschinen, Krankenwagen, Polizei- und Militärfahrzeuge sowie Fahrzeuge von Schwer- behinderten. Eine Ausnahme für Oldtimer gibt es bisher nicht. Das Fahrverbot in der Umweltzone heißt im Übrigen nicht, dass Oldtimer gar nicht mehr fahren dürfen, sondern ledig- lich, dass diese in Zukunft auf die Sonntagsrunden um den Gendarmenmarkt verzichten oder diese einschrän- ken müssen. Die zuständigen Landesbehörden verfügen über Möglichkeiten, im eigenen Ermessen Ausnahmen vom Fahrverbot auszusprechen. Über mögliche Ausnahme- regelungen sollte vor Ort unter Berücksichtigung der vorhandenen Immissionsbelastungen entschieden werden, zumal die Belastungssituation nicht bundeseinheitlich ist. Das Land Berlin zum Beispiel überlegt, für Oldtimer ein Kilometerkontingent zu erteilen. Auch die Bundesregierung hält zum jetzigen Zeit- punkt eine bundesweite Ausnahmeregelung von der Kennzeichnungsverordnung für Oldtimer für nicht erfor- derlich. Für die Förderung des Brauchtums und des Kulturgutes sind meiner Meinung nach jedoch keine generellen Ausnahmegenehmigungen nötig, sondern es reichen Spezialgenehmigungen zu besonderen Ereignis- sen, zum Beispiel Sternfahrten, Oldtimer-Ralleys oder Jahres- und Gedenktage. Die vielen laut gewordenen Ansprüche auf Ausnahmen werden von den Ländern aufgegriffen und im Bundesrat neuerlich eingebracht. Eine einheitliche Anwendung der Ausnahmegenehmigungen durch die Bundesländer ist wünschenswert. Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Wir beraten heute in erster Lesung einen Antrag meiner Fraktion, mit dem wir den Bundesgesetzgeber auffordern, generelle bundesweite Ausnahmeregelungen für Oldtimer von feinstaubbedingten Fahrverboten zu ermöglichen. Hintergrund ist die vor einem Jahr beschlossene Kennzeichnungsverordnung, die heute in Kraft getreten ist. Sie sieht die bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen mit Schadstoffplaketten nach der Höhe ihrer jeweiligen Schadstoffemissionen vor. Mit dem ebenfalls neu eingeführten Verkehrszeichen „Umwelt- zone“ haben Städte und Kommunen die Möglichkeit, auf der Basis von Luftreinhalteplänen der Bundesländer Fahrverbote für Kraftfahrzeuge auszusprechen. Weithin ist eine große Verunsicherung bei den Men- schen darüber entstanden, welche Kommunen denn nun Umweltzonen einrichten werden und welche Fahrzeuge denn von Fahrverboten betroffen sein werden. Eine Fahrzeuggruppe, die beim Erlass von Fahrverboten ganz sicher betroffen sein wird sind historische Kraftfahr- zeuge, die sogenannten Oldtimer. o e F t t F z O 1 l d D d G k D i A 6 d m k F s v t n s d K t a s O m d s n u r n C z u w i d s M c r M d c u d G (C (D Oldtimer sind Fahrzeuge, deren Erstzulassung vor 30 der mehr Jahren erfolgte und die weitestgehend original rhalten sind. Mit dem guten Erhaltungszustand dieser ahrzeuge dienen Oldtimer der Pflege des kraftfahrzeug- echnischen Kulturgutes in Deutschland. Eine Nachrüs- ung von Oldtimern mit Schadstofffiltern ist in vielen ällen technisch nicht möglich und verbietet sich nicht uletzt aufgrund der wünschenswerten Erhaltung des riginalzustands dieser Fahrzeuge. Die Zahl dieser Fahrzeuge in Deutschland ist mit rund 50 000 als Oldtimer mit einem H-Kennzeichen zuge- assenen Fahrzeugen überschaubar. Schätzungen zufolge ürften insgesamt weniger als 300 000 Fahrzeuge in eutschland als Oldtimer gelten. Die überwiegende Zahl ieser Fahrzeuge ist mit Ottomotoren ausgerüstet, die im egensatz zu Dieselmotoren nur geringe oder überhaupt eine antriebsbedingten Feinstaubemissionen aufweisen. ie durchschnittliche Jahresfahrleistung von Oldtimern st zudem gering. Obwohl die Bundesregierung in ihrer ntwort auf eine Kleine Anfrage der FDP von etwa 600 Kilometern pro Jahr und Fahrzeug spricht, liegt ie tatsächliche Jahresfahrleistung von Oldtimern ver- utlich bei weniger als der Hälfte dieser Zahl. Deshalb ann davon ausgegangen werden, dass ihr Anteil an den einstaubbelastungen insgesamt verschwindend niedrig ein dürfte. Ein generelles Fahrverbot für Oldtimer, das ielleicht durch einen Flickenteppich von kommunal un- erschiedlichen Ausnahmen ausgehöhlt wird, ist unsin- ig und wird das Feinstaubproblem in unseren Innen- tädten sicher nicht lösen. Deshalb sollten Oldtimer urch eine entsprechende Ergänzung der Verordnung zur ennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Bei- rag zur Schadstoffbelastung generell von Fahrverboten usgenommen werden. Bevor man nun die Hände über dem Kopf zusammen- chlägt und sagt, bundesweite Ausnahmeregelungen für ldtimer kommen auf gar keinen Fall infrage, bedenke an Folgendes: Das Auto wurde in Deutschland erfun- en. Es ist Teil unserer Geschichte, Teil unseres histori- chen Kulturgutes, und bei allen Herausforderungen, de- en wir uns heute gegenüber sehen, ist es auch Teil nserer Zukunft; denn auf absehbare Zeit ist es aus unse- em Wirtschaftsleben nicht wegzudenken. Welches Sig- al senden wir in die Welt, wenn wir den historischen harme von Oldtimern, die die Aufmerksamkeit auf sich iehen, wenn sie durch die Stadt fahren, für immer aus nseren Innenstädten verbannen? Welches Signal senden ir, wenn wir diesen Teil unserer Geschichte für immer ns Museum verbannen? Oldtimer waren bisher in Deutschland ein wachsen- er und sind damit ein zunehmend wichtiger Wirt- chaftsfaktor. Allein in Deutschland lassen sich mehrere illiarden Euro Umsatz jährlich den Bereichen Versi- herungen, Fahrzeughandel, Reparatur und Restaurie- ung von Oldtimern zuordnen. Eine große Zahl von essen, Oldtimervorführungen und -fahrten finden je- es Jahr statt und ziehen damit Hunderttausende Besu- her an. Bereits die seit Monaten laufende Diskussion m Fahrverbote hat zu spürbaren Umsatzeinbußen in iesem Wirtschaftszweig geführt. In vielen deutschen roßstädten sind zahlreiche Handwerksbetriebe auf Old- 8344 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 (A) ) (B) ) timer spezialisiert. Etliche Oldtimergaragen im Ruhrge- biet sind von der Schließung bedroht, in München und Stuttgart – so war vor wenigen Tagen in einer großen Zeitung zu lesen – haben Besitzer von Oldtimern bereits begonnen, ihre Fahrzeuge zu verkaufen. Und all das ver- antworten Koalitionsfraktionen in der irrigen Annahme, sie würde das Feinstaubproblem lösen, wenn sie Oldti- mer aus unseren Innenstädten verbannen. Ich fordere, Fakten und Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen und nicht – wie schon viel zu oft geschehen – die Menschen zu gängeln und Wirtschaftszweige in der Annahme zu- grunde zu richten, irgendein Problem damit zu lösen. Lutz Heilmann (DIE LINKE): Heute ist die soge- nannte Plakettenverordnung in Kraft getreten – die Sie von der FDP mit ihrem Antrag ändern wollen. Sie kom- men mit Ihrem Antrag also reichlich spät, zumal diese Verordnung jahrelang zwischen Bund und Ländern diskutiert wurde. Dabei wurde eine Ausnahmegenehmi- gung für Oldtimer abgelehnt, weil diese auch im Ver- gleich zu den von Fahrverboten ausgenommen Motorrä- dern keine emissionsarmen Fahrzeuge sind. Feinstaub ist eine der größten Umweltbelastungen, die direkt die Gesundheit von uns allen gefährdet. Wenn man also über Ausnahmegenehmigungen spricht, muss man auch immer die Zahl derjenigen Menschen betrach- ten, deren Belastung durch Fahrverbote zurückgehen würde. Der Berliner Senat geht davon aus, dass durch eine wirksame Reduktion der Feinstaubbelastung die Gesundheit von etwa 10 000 Menschen verbessert wird. Wenn nun alle von Fahrverboten Betroffenen großzü- gige Ausnahmegenehmigungen erhalten, dann wird es zu dieser Entlastung der Menschen nicht kommen. Des- wegen muss man sorgfältig überlegen, wer von Fahrver- boten befreit wird – und wer nicht. Die Oldtimer stehen dabei für mich nicht an erster Stelle. Denn auch wenn es für die Besitzer von Old- timern schade wäre, wenn sie nicht mehr am Branden- burger Tor vorbeifahren dürften, ist es doch etwas ande- res, wenn Menschen nicht mehr zur Arbeit kommen oder wenn die Existenz von Kleinunternehmen bedroht ist, weil ihre Fahrzeuge nicht mehr in den Innenstädten fah- ren dürfen. Deswegen unterstützen wir die Bestrebungen aus den Ländern, die Plakettenverordnung dahin gehend nachzu- bessern, dass Benziner mit geregelten Katalysatoren, die noch vor Inkrafttreten der EURO-1-Norm zugelassen wurden, dieser gleichgestellt werden. Mit der jetzigen Einstufung älterer Benziner mit G-Kat in die Schadstoff- klasse 1 werden diejenigen bestraft, die einen Katalysator eingebaut haben, als der noch gar nicht vorgeschrieben war. Eine Ausnahme dieser Gruppe von Fahrzeugen würde auch die Debatten in den Kommunen entspannen, da es sich hierbei um etwa 4,5 Millionen potenziell betrof- fene Fahrzeuge handelt. Zum Vergleich: Die Zahl der potenziell von Fahrverbo- ten betroffenen Oldtimer mit einem H-Kennzeichen liegt deutschlandweit etwas über 150 000. Das zeigt wieder einmal, dass Sie von der FDP nur die Interessen Ihrer Kli- entel vertreten. Noch erstaunlicher aber finde ich, dass Sie d D h te w b Z d B N li d N m a z s A g 0 D E s I z e v w k z G O m f w l z t i i s O s D i K U d o D z m K e (C (D ie Bedenken der Wirtschaft nicht aufgegriffen haben. enn auch wenn Oldtimer Werkstätten zu Aufträgen ver- elfen, ist die Zahl der von Fahrverboten betroffenen Un- rnehmen deutlich größer. Gerade für Kleinunternehmer ie den Gemüsehändler an der Ecke kann es den Betrieb edrohen, wenn er sein Fahrzeug nicht mehr nutzen kann. uallererst gilt hier wie für alle alten Dieselfahrzeuge, ass die Besitzer dazu aufgerufen werden, die vorhin vom undestag beschlossene steuerliche Förderung für eine achrüstung in Anspruch zu nehmen. Da diese aber deut- ch zu niedrig ist, sollte betroffenen Kleinunternehmen, ie innerhalb der nächsten Monate nachweislich keine achrüstung finanzieren können, eine befristete Ausnah- egenehmigung erteilt werden. Noch besser wäre es llerdings, wenn es hier Förderprogramme oder Unterstüt- ungsfonds gäbe, um die Umrüstung oder die Neuan- chaffung emissionsarmer Fahrzeuge zu beschleunigen. Zurück zu den Oldtimern: Ich frage mich, ob Sie die ntwort der Bundesregierung auf Ihre eigene Anfrage elesen haben. Daraus ist doch zu entnehmen, dass die ,4 Prozent, die Oldtimer an der gesamten Pkw-Flotte, eutschlands ausmachen, für 3 Prozent der Stickoxid- missionen verantwortlich sind. Oldtimer, auch wenn es ich um Benziner handelt, sind also „Dreckschleudern“. hr Schadstoffausstoß liegt nicht nur um ein paar Pro- ent, sondern um einen Faktor zwischen 35 bis 60 über inem modernen EURO-4-Benziner. Außerdem haben Sie in Ihrem Antrag einen Aspekt ergessen – oder bewusst unterschlagen –: Ziel der Um- eltzonen ist nicht nur, die Feinstaubbelastung zu sen- en. Auch der Ausstoß der Stickstoffoxide muss redu- iert werden. Hier greift ab 2010 ein strenger EU- renzwert, der ebenfalls vielerorts überschritten wird. Deswegen habe ich meine Zweifel, ob man „die paar ldtimer“ wirklich gänzlich von Fahrverboten ausneh- en sollte. Ich halte es für sinnvoller, wenn die betrof- enen Kommunen selber darüber entscheiden, ob und elche Ausnahmegenehmigungen sie für Oldtimer zu- assen. Und ich bitte, hier nicht den Teufel an die Wand u malen. Wir reden ja nicht über ein deutschlandwei- es Fahrverbot für Oldtimer, sondern über Fahrverbote n den Innenstädten einiger Kommunen. Außerdem bin ch mir sicher, dass diese Kommunen Fahrten zu Werk- tätten oder der eigenen Wohnung, den Einsatz von ldtimern bei Hochzeiten oder historische Busfahrten chon aus eigenem Interesse zulassen werden. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): as Timing für die Debatte um das Feinstaubfahrverbot st gut gewählt, weil heute die Plakettenverordnung in raft tritt, die die Voraussetzung für die Einrichtung von mweltzonen ist. Es besteht dringender Handlungsbe- arf, weil Feinstaub nach Angaben der Weltgesundheits- rganisation für 65 000 vorzeitige Todesfälle in eutschland jährlich verantwortlich ist. Das sind rund wölf Mal so viele, wie durch Verkehrsunfälle umkom- en! Es gibt Proteste, dass Pkw mit Ottomotoren, die einen atalysator der ersten Generation haben, keine Plakette rhalten, die die Einfahrt in Umweltzonen erlaubt. Die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8345 (A) ) (B) ) Proteste sind berechtigt, denn diese Fahrzeuge stoßen nicht mehr Schadstoffe aus als sogenannte Euro-1-Ben- ziner, die eine grüne Plakette haben. Das sollte schnell korrigiert werden, damit keine Rechtsunsicherheit bei der Einrichtung von Umweltzonen besteht, von denen die ersten schon Mitte des Jahres eingerichtet werden sollen. Ärgerlich an der Plakettenverordnung ist, dass es keine eigene Plakette für Dieselfahrzeuge mit geschlos- senen Rußpartikelfiltersystemen gibt. Eine grüne Pla- kette hätte es eigentlich nur für solche Fahrzeuge geben dürfen, die heute schon die Euro-5-Norm erfüllen. Auf Lobbydruck der Automobilhersteller haben die Länder im Bundesrat die Verordnung verwässert. Dabei ist heute schon absehbar, dass in einigen Jahren nur noch Diesel mit Vollfilter in Umweltzonen einfahren dürfen Zum FDP-Antrag: Mit Ausnahmeregelungen von Verboten ist das immer so eine Sache, wie wir bei der Diskussion um den Nichtraucherschutz merken. Beim FDP-Antrag geht es aber nicht darum, dass „Oldtimer“ in Kneipen weiter rauchen dürfen, sondern um „rau- chende“ Autos auf der Straße, Oldtimer sind Fahrzeuge, die mindestens 30 Jahre alt sind und dementsprechend alte Motorentechnik haben. Ein alter Diesel-Oldtimer stößt im Vergleich zu einem modernen Diesel ein Vielfaches an Feinstaub aus – im Vergleich zu einem Fahrzeug mit Rußpartikelfilter sogar um den Faktor 100 und mehr! Das Hauptproblem einer Sonderregelung für Oldti- mer sehe ich darin, dass wesentlich jüngere Fahrzeuge, – also beim Benziner Fahrzeuge ohne geregelten Kat und beim Diesel Euro 1 und schlechter –, nicht in Um- weltzonen einfahren dürfen. Davon sind Dieselfahr- zeuge betroffen, die teilweise nicht älter als zwölf bis 15 Jahre sind. Wie will man den Besitzern dieser Fahr- zeuge erklären, dass wesentlich ältere Autos in Umwelt- zonen fahren dürfen, während sie nicht einfahren dürfen, obwohl sie emissionsseitig größtenteils deutlich besser sind als Oldtimer? Pragmatische Regelungen sollten für Oldtimerveran- staltungen in Städten gefunden werden. Und wer seinen Wohnsitz und seine Garage mit einem Oldtimer ausge- rechnet in einer Umweltzone hat, die ja zumeist nur In- nenstädte betrifft, kann auch eine Sondergenehmigung erhalten, um damit zu Oldtimerveranstaltungen zu fah- ren, die außerhalb liegen. Die Intention des FDP-Antrags, alle Oldtimer mit H-Kennzeichen – das sind 154 000 – und möglicher- weise auch denen mit dem „roten 07er-Kennzeichen“ – das sind weitere 130 000 Fahrzeuge – pauschal von der Verordnung auszunehmen, halte ich aber für zu weitge- hend. Es stellt sich dann die Frage, ob es nicht zu erfolg- reichen Klagen von Besitzern älterer Autos käme, die nicht den Status Oldtimer haben. Von daher werde ich meiner Fraktion die Enthaltung zum vorliegenden An- trag empfehlen. Die FDP hat sich an dieser Stelle sicher um ein ganz spezielles Klientel verdient gemacht. Das eigentliche Problem ist freilich, dass wir in allen Ballungsräumen eine gefährlich hohe Feinstaubbelastung haben, die d k A A K m f g m r ä B M v D r k f d § t e d L g n e (C (D urch Fahrverbote für rußende Fahrzeuge dringend be- ämpft werden muss. nlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Freistellung der Kommunen von der Mitfinanzierung bei Bau- maßnahmen im Kreuzungsbereich von Eisen- bahnen und Straßen (Tagesordnungspunkt 20) Hubert Deittert (CDU/CSU): Wir beraten heute einen ntrag der Fraktion Die Linke, der die Freistellung der ommunen von der Mitfinanzierung bei Baumaßnah- en im Kreuzungsbereich von Eisenbahnen und Straßen ordert. Zu diesem Zweck soll das Eisenbahnkreuzungs- esetz geändert werden. Diese Forderung ist alles andere als neu. In unregel- äßigen Abständen trägt die Linksfraktion diese Forde- ung vor. Der Antrag hat in den vergangenen Jahren in hnlicher Form bereits mehrere Male dem Deutschen undestag vorgelegen und ist aus guten Gründen jedes al abgelehnt worden. Unser föderaler Staatsaufbau sieht eine klare Zuweisung on Rechten und Pflichten an die einzelnen Ebenen vor. ie Verteilung der Einnahmen aus Steuern ist ebenso ge- egelt wie die Pflichten zum Unterhalt der Infrastruktur. Im konkreten Fall sieht das Eisenbahnkreuzungsgesetz lare Regeln vor, die sich bewährt haben. § 3 lautet wie olgt: Wenn und soweit es die Sicherheit oder die Ab- wicklung des Verkehrs unter Berücksichtigung der übersehbaren Verkehrsentwicklung erfordert, sind nach Maßgabe der Vereinbarung der Beteiligten (§ 5) oder der Anordnung im Kreuzungsrechtsver- fahren (§§ 6 und 7) Kreuzungen 1. zu beseitigen oder 2. durch Baumaßnahmen, die den Verkehr an der Kreuzung vermindern, zu entlasten oder 3. durch den Bau von Überführungen, durch die Einrichtung technischer Sicherungen, insbesondere von Schranken oder Lichtsignalen, durch die Her- stellung von Sichtflächen an Bahnübergängen, die nicht technisch gesichert sind, oder in sonstiger Weise zu ändern. Wird an einer Kreuzung eine solche Maßnahme urchgeführt, dann tragen die Beteiligten gemäß 13 EBKrG je ein Drittel der Kosten. Die Kommunen ragen deshalb, zum Beispiel wenn sie der Baulastträger iner überführenden Straße sind, ein Drittel der Kosten es Brückenbauwerkes. Nach jahrelangen intensiven Diskussionen auch mit den ändern wurde im Jahr 1998 das Eisenbahnkreuzungs- esetz nach einem Kompromiss im Vermittlungsausschuss ovelliert. Für die neuen Länder wurde damals übrigens ine besondere Regelung getroffen. Da auf dem Gebiet 8346 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 (A) ) (B) ) der ehemaligen DDR die Unterhaltung der kommunalen Straßenbrücken bereits 1953 von der Deutschen Reichs- bahn auf die kommunalen Straßenbaulastträger überging, brachte die Neuregelung keine finanzielle Entlastung für die Straßenbaulastträger in den neuen Bundesländern. Um für die aufgrund der unterschiedlichen Ausgangs- situation entstandenen finanziellen Probleme der Kommu- nen eine Lösung zu finden, wurde eine Arbeitsgruppe vom Vermittlungsausschuss eingesetzt. Im Ergebnis wurden in den Art. 2 und 3 des Gesetzes zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes Änderungen des Inves- titionsförderungsgesetzes Aufbau Ost – IFG – und des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes – GVFG – vor- gesehen. Diesen sinnvollen und mühsam errungenen Kompro- miss möchte die Linksfraktion nun kurzerhand aufkün- digen. Der vorliegende Antrag reiht sich ein in die bekannten populistischen Forderungen der Linksfrak- tion, wenn es um den Umgang mit öffentlichen Mitteln geht. Sie folgen alle dem gleichen Muster. Man beklagt tatsächliche oder vermeintliche Missstände, spielt sich als Anwalt ostdeutscher Interessen auf und formuliert politische Wunschzettel, ohne auch nur ein einziges Wort über die Kosten bzw. die damit verbundene Lasten- verschiebung zu verlieren. Der Antrag der Linksfraktion ignoriert, dass die Ver- antwortung für die Brückenbauwerke schon seit langem klar geregelt ist. Er läuft schlicht und einfach auf eine Verschiebung der finanziellen Verantwortung auf den Bund hinaus und ist deshalb aus gutem Grund in allen damit befassten Ausschüssen abgelehnt worden. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein Wort zur Verbesserung der finanziellen Lage unserer Kommunen sagen. Als ehemaliger Kommunalpolitiker und lang- jähriger Bürgermeister meiner Heimatstadt kenne ich die Haushalts- und Finanzprobleme der Kommunen sehr genau. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass aus alleini- ger Sicht der Kommunen eine elegantere Regelung im Bereich der Eisenbahnkreuzungen denkbar ist. Als Deut- scher Bundestag müssen wir aber das Ganze im Auge be- halten. Die Haushaltssituation des Bundes ist nun einmal, trotz der von uns erfolgreich eingeleiteten Konsolidierung, immer noch angespannt. Es wäre deshalb unsinnig, eine bewährte Regelung aufzugeben und die Kosten einfach zu verschieben. Dass die wichtige Aufgabe der Stärkung unserer Kommunen bei uns in den richtigen Händen ist, zeigt die positive Entwicklung der letzten Zeit. Trotz der unbe- streitbaren Schwierigkeiten vieler Städte, Gemeinden und Landkreise hat sich die finanzielle Situation der Kommunen insgesamt verbessert. Die unionsgeführte Koalition hat zudem mit der erfolg- reich beschlossenen Föderalismusreform dem Bundes- gesetzgeber die Möglichkeit genommen, den Kommunen kostenträchtige Aufgaben durch Bundesgesetz aufzubür- den. Endlich gilt der Grundsatz „Wer bestellt, bezahlt“. Eine verantwortungsvolle Politik, wie wir als Union sie verstehen, sorgt deshalb für eine solide finanzielle Basis der Kommunen und schafft so die Voraussetzungen f u l a w l r K f s 1 d r g o F – k w b j h f n ß g B b S i B S a n n d s f ß e B d e b h w w d d a n (C (D ür Erhalt und Investitionen. Es geht also, kurz gesagt, m seriöse, langfristig angelegte Politik, nicht um popu- istische Schnellschüsse. Aus diesem Grund lehnen wir ls CDU/CSU den vorliegenden Antrag ab. Uwe Beckmeyer (SPD): Der Antrag der Linken, den ir heute abschließend beraten, zielt auf eine Freistel- ung der Kommunen von finanziellen Lasten, die sie be- eits seit mehr als zehn Jahren bei Baumaßnahmen im reuzungsbereich von Straße und Schiene tragen. Diese inanzielle Verantwortung der Kommunen nach dem Ei- enbahnkreuzungsgesetz ist im Zuge der Bahnreform 994 entstanden. Sie ist damals von den Ländern und en kommunalen Spitzenverbänden – als Teil des Bahn- eformpakets – letztlich so akzeptiert worden. Worum geht es im Einzelnen? Es geht zum einen um die Beseitigung von Bahnüber- ängen, wenn dies aus Gründen der Verkehrssicherheit der der Verkehrsabwicklung notwendig ist. Für derartige älle sieht das Gesetz eine Drittelfinanzierung von Bund wenn das von der DB AG betriebene Schienennetz reuzt – dem Land und der örtlichen Kommune vor. Hier ird die Kommune also nur mit einem Drittel der Kosten elastet. Dies scheint mir nicht unangemessen, zumal ede Gemeinde einen nicht unerheblichen Vorteil davon at. Unangemessen wäre es, wenn der Bund die Kosten ür verkehrliche Vorteile, die überwiegend den Kommu- en zukommen, mehrheitlich übernehmen würde. Es geht zum anderen um die Erhaltungslast für Stra- enüberführungen. Diese Erhaltungslast lag in den so- enannten alten Ländern früher bei der Deutschen undesbahn. Seit der Bahnreform ist sie auf die Straßen- aulastträger übergegangen. Die Kommunen trifft die traßenbaulast nur bei kommunalen Straßen. Im Übrigen st das jeweilige Land – bei Landesstraßen – oder der und – bei den Bundesstraßen – verantwortlich. Für die traßenüberführungen gilt also nichts anderes als für alle nderen Straßen: Bei kommunalen Straßen würde auch iemand auf die Idee kommen, vom Bund die Über- ahme der Straßenbaulast zu verlangen. Auch insoweit ist Ihre Forderung nach Freistellung er Kommunen von der Erhaltungslast nicht angemes- en. Übrigens: In Ostdeutschland lag die Erhaltungslast ür Straßenüberführungen schon seit jeher bei den Stra- enbaulastträgern. Das heißt: In der früheren DDR galt xakt das, was Sie heute in Ihrem Antrag kritisieren. Der undesgesetzgeber hat also mit der Beseitigung der Son- erunterhaltungslast der Deutschen Bundesbahn ab 1994 ine Rechtsvereinheitlichung für das gesamte Bundesge- iet nach dem Vorbild der DDR hergestellt. Das will ich ier einmal deutlich sagen. Abschließend möchte ich noch diejenigen Fälle er- ähnen, in denen eine Baumaßnahme durchgeführt ird, die der Ertüchtigung der örtlichen Schienenstrecke ient. Derartige Maßnahmen werden regelmäßig von em jeweiligen Eisenbahninfrastrukturunternehmen ver- nlasst. Folgerichtig sind die Kosten einer solchen Maß- ahme auch ausschließlich vom Träger der Schienen- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8347 (A) ) (B) ) baulast zu finanzieren. In diesen Fällen werden die Kommunen in keiner Weise finanziell in Anspruch ge- nommen. Der einzige Nachteil, der den Kommunen in diesen Fällen entsteht, ist: Sie müssen die Baumaßnahme – ein- schließlich der damit verbundenen Verkehrsbeeinträchti- gungen – vor Ort dulden. Ein finanzieller Nachteil ent- steht ihnen nicht. Im Übrigen möchte ich Sie noch darauf aufmerksam machen, dass Ihre Forderung nach Freistellung der Kom- munen von den Erhaltungslasten für Straßenüberführun- gen und dem kommunalen Drittel bei der Beseitigung von Eisenbahnkreuzungen gegen die Grundsätze unserer Finanzverfassung verstößt. Nach Art. 104 a Abs. 1 des Grundgesetzes haben nämlich Bund, Länder und Kom- munen alle Ausgaben zu tragen, die sich aus der Wahr- nehmung ihrer Aufgaben ergeben. Die Straßenbaulast für die kommunalen Straßen ist nun einmal seit jeher Auf- gabe der Kommunen. Für die SPD-Fraktion kann ich daher nur feststellen: Eine Zustimmung zu Ihrem Antrag wäre ein Bruch der Finanzverfassung und würde die finanzielle Lastenver- teilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen zum Nachteil des Bundes unangemessen verändern. Wir wer- den den Antrag daher ablehnen. Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Um nicht den Eindruck zu erwecken, wir würden hier über graue Theo- rie – Was-wäre-wenn-Fragen“ – debattieren, veran- schauliche ich an einem Beispiel, was passieren kann, wenn Kommunen ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht mehr nachkommen können: Am 25, Oktober 2004 kollidierte im Markt Winterhau- sen, Freistaat Bayern, Regierungsbezirk Unterfranken, der Auflieger eines Kipplasters mit einer 115 Jahre alten Eisenbahnstahlbrücke der ICE-Trasse München–Würz- burg. Durch den Aufprall entstanden erhebliche Schäden an der Gleisanlage. Nur durch das rasche und geistesge- genwärtige Handeln eines zufällig vor Ort befindlichen Passanten konnte ein größeres Unglück verhindert und der heranrasende ICE gewarnt und gestoppt werden. Nun möge man einwenden, dies sei ein Einzelfall. Vielleicht. Laut Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage zur Sicherheit von Eisenbahnbrücken besteht je- doch keine Dokumentations- und Unterrichtungspflicht der Kommunen gegenüber dem Bund, sodass niemand sagen kann, wie oft es in Deutschland schon zu ähnlichen Vorfällen gekommen ist. Nach Angaben der Bundesregierung gibt es in Deutschland rund 28 400 Eisenbahnbrücken, von denen circa 13 200 Fernstraßen kreuzen. In welchem Zustand diese Brücken derzeit sind, ist völlig offen – die Bundes- regierung lässt das Parlament weiter auf den längst ange- forderten Netzzustandsbericht für die Schienenwege warten, und der neue Straßenbaubericht 2006 enthält keine Angaben zum Zustand der Brückenbauwerke mehr. Zwischenzeitlich sehen sich viele Kommunen vor die Frage gestellt, wie sie angesichts der angespannten Haushaltslage ihrer Verkehrssicherungspflicht nachkom- m P m s g l h d n F m s f a h g n d k h G M K n k l s i g g H s t d n w s G l z v a d l m B d l S s m d k i (C (D en sollen. Wenn wir Städte und Gemeinden mit dem roblem der Mitfinanzierung von Brückensanierungs- aßnahmen nun im Regen stehen lassen, werden wir un- erer Verantwortung an dieser Stelle nicht gerecht. Meine Fraktion hat mit dem Antrag „Sonderpro- ramm Kommunaler Brückenbau auflegen“ einen mög- ichen Lösungsweg aufgezeigt. Die Koalitionsfraktionen aben diesen Antrag abgelehnt und damit dokumentiert, ass sie den Städten und Gemeinden in Deutschland icht helfen wollen; sie lassen die Kommunen in dieser rage im Stich. Mit dem nun vorliegenden Antrag der Links-Fraktion acht man es sich aber ein wenig zu einfach. Die Ent- cheidung, die Baulastträgerschaft im Zuge der Bahnre- orm an die Kommunen zu übertragen, war 1994 und ist uch heute noch ordnungspolitisch richtig. Allerdings at sich inzwischen durch eine Reihe von Entscheidun- en der damaligen rot-grünen Bundesregierung die Fi- anzsituation der Kommunen so stark verschlechtert, ass viele Bürgermeister vor Ort nur noch eine Möglich- eit haben: die Sperrung maroder Brücken. In unserer eutigen Zeit kann das jedoch nicht die Antwort einer esellschaft sein, die für sich reklamiert, ihren Bürgern obilität zu ermöglichen. Den Bürgermeistern und ämmerern fehlt schlichtweg das Geld, Geld, welches icht bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden ann, um die Sicherheit von Brückenbauwerken wirk- ich gewährleisten zu können. Auch wenn die Gewerbesteuereinnahmen – und diese ind eine der Haupteinnahmequellen der Kommunen – nzwischen wieder anziehen, so ändert das nichts an der rundlegenden Problematik der stark konjunkturabhän- igen Einnahmen. Nach wie vor sind die kommunalen aushalte durch Hartz IV und andere Regelungen zu tark gebunden. Vor diesem Hintergrund hat meine Frak- ion bereits in der 15. Legislaturperiode die Abschaffung er Gewerbesteuer und die Einführung einer Kommu- alsteuer mit eigenem kommunalem Hebesatzrecht so- ie einen höheren kommunalen Anteil an der Umsatz- teuer vorgeschlagen. Hierdurch würden Städte und emeinden in die Lage versetzt, auf der Basis von ver- ässlichen, planbaren Einnahmen valide Haushalte auf- ustellen, um so auch ihrer Verantwortung zum Erhalt on Infrastruktur nachzukommen. Unsere liberalen Konzepte greifen also nahtlos inein- nder. Von dem Vorschlag der Links-Fraktion kann man as nicht behaupten, daher werden wir diesen Antrag ab- ehnen. Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Eine Hauptforderung einer Fraktion ist und bleibt, die Kommunen in der undesrepublik Deutschland rechtlich und finanziell in ie Lage zu versetzen, ihre Aufgaben in der kommuna- en Daseinsvorsorge im Rahmen der kommunalen elbstverwaltung wahrnehmen zu können. Stattdessen tellt sich aber die Finanzausstattung der Städte und Ge- einden immer schlechter dar. Es ist offensichtlich, dass ie angespannte finanzielle Lage der Kommunen längst ein regionales, sondern ein gesamtdeutsches Problem st. Doch was tut die Koalition? Statt konstruktiver Poli- 8348 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 (A) ) (B) ) tik unterteilt sie den Kommunen in der Debatte am 1. Juni vergangenen Jahres, Finanzmittel zur Sanierung der ihnen nach 1998 mit der Novellierung des Eisen- bahnkreuzungsgesetzes übertragenen Brücken zum Teil zweckentfremdet genutzt zu haben. Beweise bleibt sie schuldig. Aber selbst wenn Kommunen dies getan hät- ten, so doch nur, weil ihnen vom Bund die entscheidende Unterstützung zur Reform der Gemeindefinanzen bisher versagt geblieben ist und, wie in den Ausschussberatun- gen geschehen, mit Achselzucken auf die Haushaltslage verwiesen wird, obwohl es nach Meinung meiner Frak- tion auch dort genügend Spielraum für richtige Schwer- punktsetzungen gibt. Wir freuen uns deshalb schon auf ein Wiedersehen bei den nächsten Haushaltsberatungen. Bringen sie endlich ein kommunales Investitionspro- gramm auf den Weg, um den Kommunen im Rahmen ih- rer Selbstverwaltungskompetenz mehr finanziellen Spielraum für Schwerpunktsetzungen bei Investitionen zu geben und hören sie auf, ständig Missbrauchsdebatten anzuzetteln. Mehr als die Hälfte aller Landkreise in der Bundesre- publik hat mittlerweile unausgeglichene Haushalte. Als einziger Ausweg blieb vielen Städten und Gemeinden nur, ihre Investitionen drastisch zurückzuführen. Anga- ben der KfW besagen, dass 1999 durch die Kommunen Investitionen in Höhe von 19 Milliarden Euro, 2004 aber nur noch in Höhe von 15 Milliarden Euro ausgelöst wor- den sind. Das ist in fünf Jahren ein Fünftel weniger. Diese traurigen Zahlen zeigen: Eine verantwortungs- volle kommunale Selbstverwaltung ist zusehends nicht mehr möglich. Die Folgen für die Bürgerinnen und Bür- ger werden offensichtlich. Ein Beispiel: Die Gemeinde Dornburg im Landkreis Köthen in Sachsen-Anhalt hat 2004 auf Grundlage des Eisenbahnkreuzungsgesetzes für Maßnahmen der Instandsetzung und Modernisierung einer auf ihrem Territorium gelegenen Bahnanlage eine Rechnung von knapp 250 000 Euro erhalten. Der Inves- titionshaushalt jedoch umfasste nur ganze 80 000 Euro in diesem Jahr. Damit war die Gemeinde zahlungsunfä- hig. Ein weiteres Beispiel: die Landeshauptstadt Schwe- rin. Allein für eine Eisenbahnunterführung muss die Ge- meinde, entsprechend dem Drittel der Gesamtsumme, 1,2 Millionen Euro zahlen. Schwerin hat allerdings ins- gesamt sechs Bahnbaustellen mit finanzieller Beteili- gung zu bedienen und einen Investitionshaushalt von insgesamt nur 6 Millionen Euro, und das auch nur über Kreditgenehmigungen; denn schon lange zahlen die Kommunen nicht mehr aus Vermögen, sondern aus Dar- lehen. Warum machen wir es uns und unseren Kommunen so schwer? Es besteht Handlungsbedarf und die meisten Kommunen sind schon seit Jahren mit der Übernahme eines Drittels der Kosten, wie es das Eisenbahnkreu- zungsgesetz aktuell vorsieht, finanziell absolut überfor- dert. Es wäre unverantwortlich, dass nötige Sanierungen liegen bleiben, auf unbestimmte Zeiten vertagt werden, bis nichts mehr geht. Marode Brücken sind keine Lappa- lie. Gefahren müssen beseitigt werden. Darüber sollten wir uns alle einig sein. Stattdessen zahlen die Gemein- d B W n s g d z s d k t u s w B r A t s f M R t v d m n S D d J ü n s s m k k M r s n K g s 4 d k u s k r (C (D en für die notwenigen Streckenveränderungen bei der ahn kräftig mit, obwohl sie nicht die Verursacher sind. ir können die Verantwortung dafür nicht den Kommu- en zuschieben, vor allem, wenn sie nicht in der Lage ind, diese finanziell zu schultern. Verkehrspolitisch bedeuten marode Kreuzungsanla- en im Bahn-Straßennetz ohne Frage die Gefährdung es Ziels, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene u holen, da bei fehlender Instandhaltung und Moderni- ierung der Güterverkehr nicht optimal organisiert wer- en kann oder gar Streckenstilllegungen drohen. Das ann auch vor dem Hintergrund der momentan sehr in- ensiv geführten Klimaschutzdebatte und der Diskussion m die Reduzierung des CO2-Ausstoßes nicht unser An- pruch sein. Mit dem Antrag meiner Fraktion Die Linke wollen ir stattdessen die Kostenübernahme für kommunale rückenbauwerke, welche Bahnanlagen betreffen, neu egeln und dadurch die Gemeinden entlasten. Auch in nbetracht der Privatisierungsbestrebungen der Koali- ion ist das den Kommunen nicht weiter zuzumuten. Un- er Antrag zeigt daher die beste und auch zugleich ein- achste Lösung auf: Wir müssen die Gemeinden von der ischfinanzierung befreien. Dies heißt zum einen die ealität in den Gemeinden, die finanziell prekäre Situa- ion, anzuerkennen und zum anderen, verantwortungs- oll mit der Infrastruktur umzugehen, und zwar nach em Verursacherprinzip. Das Eisenbahnkreuzungsgesetz uss so geändert werden, dass Kommunen bei Baumaß- ahmen im Kreuzungsbereich von Eisenbahnen und traßen von der Mitfinanzierung freigestellt werden. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): er Antrag der Linken befasst sich mit einem Thema, as für Kommunen teilweise ein Problem darstellt. Vor ahren mussten die Kommunen Brücken von der Bahn bernehmen. Diese Brücken waren nicht immer auf dem euesten Stand instand gehalten. Die Kommunen müs- en seither für den Unterhalt teilweise maroder Brücken orgen. Bei Baumaßnahmen müssen sie sich außerdem it einem Drittel der Kosten finanziell beteiligen. Das ann Kommunen finanziell überfordern. Eine Lösungsmöglichkeit sieht die Fraktion der Lin- en darin, die Kommunen bei Baumaßnahmen von der itfinanzierung freizustellen. Zur Frage der Finanzie- ung macht der Antrag der Linken allerdings keine Aus- age. Da hätte man sicher etwas deutlicher werden kön- en. Es ist nicht erkennbar, ob das Kostendrittel der ommunen von der Bahn, dem Bund oder dem jeweili- en Bundesland zu übernehmen ist. Aus unserer Sicht hätte sich angeboten, aus den zu- ätzlichen Verkehrsinvestitionen bis 2009 in Höhe von ,3 Milliarden Euro neben Sanierungsprogrammen für ie Bundesverkehrswege auch ein Sonderprogramm für ommunale Brückenbauwerke aufzulegen. Damit würde nterstrichen, dass wir im Bereich der Verkehrsinfra- truktur vorrangig ein Substanzerhaltungsproblem und eine Neubauproblem haben. Der Finanzierungszeit- aum wäre außerdem überschaubar. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8349 (A) ) (B) ) Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Verlässliche und aussagekräftige Datenbasis für die Ermittlung der Unternehmensteuern erfassen (Tagesord- nungspunkt 21) Peter Rzepka (CDU/CSU): Der Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen ist gut gemeint, aber überflüssig. Zum einen ist er deshalb überflüssig, weil aussagekräftige Daten sowohl über die nominale als auch die effektive Steuerbelastung der Unternehmen be- reits in beachtlichem Umfang vorhanden sind. Die Daten belegen, dass insbesondere die Kapitalgesellschaften in Deutschland eine der höchsten nominalen und effektiven Steuerbelastungen zu tragen haben. Zum anderen geht der Antrag auch mit dem Teil ins Leere, der sich mit der Simulation von Auswirkungen konkreter Steuerrechts- änderungen auseinandersetzt; denn das Bundesministe- rium der Finanzen, BMF, ist gerade mit wissenschaftli- cher Unterstützung dabei, ein Mikrosimulationsmodell zur Unternehmensbesteuerung zu entwickeln. Allerdings stimme ich der Zielsetzung des Antrages insoweit zu, als wir als Gesetzgeber alle Anstrengungen unternehmen müssen, die Auswirkungen von Rechtsän- derungen zu quantifizieren. Dafür brauchen wir belast- bare Daten. Das Problem hierbei ist, dass es keine Messmethode für die Auswirkungen von Steuerrechtsänderungen auf Wirtschaftssubjekte und den Staatshaushalt gibt, die all- gemeine Gültigkeit beanspruchen könnte. Bei uns in Deutschland ist es die Aufgabe der amtlichen Steuersta- tistiker der Statistischen Ämter des Bundes und der Län- der, das Aufkommen und die Belastungswirkungen von Steuern zu dokumentieren. Die Mitarbeiter der statisti- schen Ämter des Bundes und der Länder arbeiten nicht mit „vagen Annahmen und Vermutungen“, sondern – mittelbar – mit den Erklärungen der Steuerpflichtigen. Das funktioniert wie folgt: In den Rechenzentren der Fi- nanzverwaltung fallen im Zusammenhang mit der IT- technischen Bearbeitung der Steuerveranlagungen die sta- tistisch relevanten Angaben der Steuerbürger an. Diese werden zu Datensätzen zusammengefasst, und zwar für jeden Steuerbürger jeweils ein Datensatz. Die Daten- sätze gehen über die statistischen Ämter der Länder an das Statistische Bundesamt in Wiesbaden, welches das amtliche Bundesergebnis zusammenstellt. Aus methodi- scher Sicht spricht für die Verwendung von Steuerstatis- tiken, dass sie die Steuern mit hohem Detaillierungsgrad erfassen und periodengerecht abgrenzen. Bereits im Jahr 1996 wurde das Steuerstatistikgesetz geändert, damit die Einzeldatensätze der verschiedenen Steuerstatistiken für Zusatzaufbereitungen zugänglich sind. Es wurde ein Datenpool geschaffen, der auch kurz- fristig aufkommenden Analysebedarf der Bundesregie- rung und der Wissenschaft abdecken kann. Insbesondere bei Gesetzesvorhaben ist es seitdem möglich, Ad-hoc- Sonderauswertungen im Zusammenhang mit geplanten Rechtsänderungen bereitzustellen. c f s j z c t s s w m s s U n U a g c t e n w f b m d e d d z Q d s a K n g c S Ü r w f P W t e D w t n (C (D Mit dem Steueränderungsgesetz 2007 ist die rechtli- he Grundlage dafür gelegt worden, dass die Statistiken ür die wichtigsten Steuerarten – darunter die Körper- chaft – und die Gewerbesteuer – ab dem Veranlagungs- ahr 2004 für jeden Jahrgang erhoben werden. Mit dem entral vorliegenden Einzeldatenmaterial und der jährli- hen Erhebungsweise lassen sich verbesserte Simula- ionsrechnungen durchführen. Darüber hinaus bemühen ich das BMF und das Statistische Bundesamt, die Aus- agekraft der amtlichen Steuerstatistiken durch die Er- eiterung des Datenkranzes weiter zu erhöhen. Zudem ist das BMF gerade dabei, sein Schätzinstru- entarium auszuweiten. Zurzeit entwickelt es gemein- am mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsfor- chung, DIW, ein Mikrosimulationsmodell für die nternehmensteuer. Damit können die bisher makroöko- omisch orientierten Bezifferungen auf dem Gebiet der nternehmensbesteuerung durch ein wissenschaftlich bgesichertes Mikromodell ergänzt werden. Schließlich ewinnt die auf Einzeldaten basierende wissenschaftli- he Analyse von Steuerrechtsänderungen – auch interna- ional gesehen – zunehmend an Bedeutung. Für die Einkommensteuer existiert bereits seit langem in solches Mikrosimulationsmodell, dessen Berech- ungsergebnisse allgemein anerkannt werden. Zurzeit ird es mit wissenschaftlicher Beteiligung des Fraunho- erinstituts für angewandte Informationstechnik überar- eitet und erweitert. Auch auf anderen Wegen ist das BMF – gemeinsam it den Bundesländern – bemüht, die Transparenz über ie Besteuerung deutscher Unternehmen zu erhöhen. So rreicht es durch die Beteiligung von Vertretern der Län- erfinanzministerien im „Arbeitskreis Quantifizierung“, ass die praktischen Erfahrungen des Verwaltungsvoll- uges in die Schätzungen einfließen. Problematisch bleibt jedenfalls – unabhängig von der ualität der Datenbasis –, die Verhaltensanpassungen er Steuersubjekte an Rechtsänderungen richtig einzu- chätzen. Dies lässt sich aus keiner amtlichen Statistik blesen. Überraschungen wie die Einbrüche bei den örperschaftsteuereinnahmen des Jahres 2001 beruhen icht auf einer ungenauen Datenbasis, sondern auf Pro- nosefehlern. Das Risiko für Fehlprognosen ist bei sol- hen Steuerrechtsänderungen besonders hoch, die in das ystem der Besteuerung eingreifen, so geschehen beim bergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfah- en. Daraus sollten wir für die Zukunft lernen. In diesem Zusammenhang möchte ich anregen, bei esentlichen Steuerrechtsänderungen die einmal getrof- enen Prognosen ex post zu überprüfen: Haben sich die rognosen erfüllt? Wo hat es Abweichungen gegeben? ie sind diese zu erklären? – Solche nachträglichen Un- ersuchungen finden leider nicht statt. Sie können aber in Beitrag zu einer zielgenauen Gesetzgebung sein. eshalb sollten wir dieses Thema im Finanzausschuss eiter verfolgen. Demgegenüber sind Erhebungen bei den Finanzäm- ern vor Ort über die tatsächliche Steuerlast der Unter- ehmen – wie die Grünen in ihrem Antrag fordern – mit 8350 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 (A) ) (B) ) erheblichen Problemen verbunden. Oft dauert es eine Reihe von Jahren, bis der endgültige Steuerbescheid – teilweise erst aufgrund einer Betriebsprüfung und/oder eines Gerichtsverfahrens – die tatsächliche Steuerbelas- tung ausweist. Zeitlich davor ergehen ein Vorauszah- lungsbescheid, ein erster Steuerbescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung und eventuelle Änderungsbescheide. Um den Stichproben für die Gesetzesfolgenabschät- zung, wie von den Grünen gewünscht, zu repräsentativer Aussagekraft zu verhelfen, müssen die Besteuerungsver- fahren aber abgeschlossen sein. Die Ergebnisse der Ver- anlagung der Steuerpflichtigen mit den höchsten Ein- kommen müssen sogar nahezu vollständig von der Stichprobe erfasst sein. So tragen beispielsweise die oberen 5 Prozent der Steuerpflichtigen mit den höchsten Einkommen zu rund 45 Prozent zum Aufkommen der Einkommensteuer bei. Im Bereich der Unternehmensbe- steuerung verhält es sich ähnlich. Gerade die Veranla- gungsergebnisse dieser Steuerpflichtigen liegen aber erst zu einem relativ späten Zeitpunkt vor. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich Folgendes: Die Grünen verkennen, dass Bund und Länder schon heute Gesetzesfolgenabschätzung auf zunehmend verlässlicher Datengrundlage betreiben und weiter daran arbeiten, die Auswirkungen von Steuerrechtsänderungen auf die Un- ternehmen und das Steueraufkommen insgesamt zu si- mulieren. Die Grünen rennen offene Türen ein; das BMF stellt sich der Herausforderung. Zu den geforderten repräsentativen Stichproben bei den Finanzämtern vor Ort habe ich im letzten Teil mei- ner Rede ausgeführt, dass dies auf erhebliche praktische Probleme stößt und nur begrenzt zielführend ist. Wir werden den Antrag deshalb ablehnen. Lassen Sie mich schließen mit der Aufforderung an uns alle, an der vor uns liegenden Reform der Unterneh- mensbesteuerung tatkräftig und konstruktiv mitzuarbei- ten, damit die Unternehmen in Deutschland – vor allem diejenigen, die im harten, internationalen Wettbewerb stehen – zukünftig so besteuert werden, dass sie im Wettbewerb nicht durch das deutsche Steuerrecht behin- dert werden. Mit der Reform wollen wir stattdessen den Standort Deutschland für Investitionen und die Schaf- fung von Arbeitsplätzen stärken. Jörg-Otto Spiller (SPD): Die deutsche Steuerstatis- tik ist in mancherlei Hinsicht unzulänglich. Gerade für die beiden wichtigsten direkten Steuern, die Einkom- men- und die Körperschaftsteuer, gilt dies im besonderen Maße. Wer mehr erfahren will als das rein kassenmäßige Steueraufkommen, stößt rasch auf Erkenntnisgrenzen. Oder schlimmer noch: Wer diese nicht durchgängig mar- kierten Grenzen bei der Interpretation der amtlichen Zah- len nicht bemerkt, läuft glatt in die Irre. Beispielsweise verleitet die gängige Untergliederung der Einkommensteuerstatistik in Lohnsteuer und veran- lagte Einkommensteuer immer wieder zu voreiligen Schlüssen über die soziale Verteilung der Steuerlast. Den Arbeitnehmern wird von ihrem Arbeitslohn an der Quelle Lohnsteuer abgezogen, während Unterneh- m E a n s d c n k R l E s n g m b d a r d z s l t E b t s e t P z g t s k l d s A F W S t g d e v e k S d v a (C (D er und andere Selbstständige Vorauszahlungen zur inkommensteuer leisten, die verwaltungsmäßig als ver- nlagte Einkommensteuer verbucht werden. Es liegt ahe, dass die statistische Aufteilung der Einkommen- teuer in Lohnsteueraufkommen und Aufkommen aus er veranlagten Einkommensteuer häufig als Kennzei- hen für die Verteilung der Steuerlast zwischen Arbeit- ehmern und Selbständigen gewertet wird. In Wirklich- eit besagen die Zahlen aus diesen beiden statistischen eihen über die gesellschaftliche Verteilung der Steuer- ast herzlich wenig. Denn zum einen kann die Zuordnung der veranlagten inkommensteuer zu den Selbstständigen und der Lohn- teuereinnahmen zu den Arbeitnehmern schon deshalb icht aufgehen, weil beide Gruppen von Steuerpflichti- en nicht eindeutig zu trennen sind. Ehegatten werden eist gemeinsam veranlagt und als ein Steuerpflichtiger ehandelt. Ist der eine Ehegatte Arbeitnehmer, der an- ere selbstständig, fallen Zahlungen in beiden Bereichen n. Zum anderen ist auch die Lohnsteuer nur eine Vo- auszahlung auf die Einkommensteuer, und häufig sind ie im Laufe des Jahres einbehaltenen Lohnsteuerabzüge u hoch, sodass Erstattungen anfallen. Die Einkommen- teuererstattungen aber werden statistisch bei der veran- agten Einkommensteuer verbucht, also von deren Brut- oaufkommen abgezogen. Genauso übrigens wie die igenheimzulage, egal ob sie an Selbständige oder Ar- eitnehmer gezahlt wird. Noch weniger erhellend ist die amtliche Steuerstatis- ik für den, der nach der effektiven Steuerbelastung deut- cher Unternehmen fragt. Ein Hauptgrund dafür ist benfalls die geringe Aussagekraft der statistischen Da- en zur veranlagten Einkommensteuer. Denn die von ersonenunternehmen oder Personengesellschaften ge- ahlte Einkommensteuer wird in dieser Statistik nicht esondert ausgewiesen. Ein Vorstoß der Koalitionsfrak- ionen, die notwendige gesetzliche Grundlage dafür zu chaffen, damit die von den Unternehmen gezahlte Ein- ommensteuer statistisch sauber erfasst werden kann, ist eider im vorigen Jahr an dem mir unverständlichen Wi- erstand des Bundesrates gescheitert. Auch die statistische Aufbereitung des Körperschaft- teueraufkommens lässt manche Wünsche offen. Vom nsatz her, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der raktion Bündnis 90/Die Grünen, kann und will ich Ihrer ehklage über den traurigen Zustand der deutschen teuerstatistik, insbesondere der Unternehmensteuersta- istik, nicht widersprechen. Ihre politischen Schlussfol- erungen aber teile ich ganz und gar nicht. Ja, die deutsche Steuerstatistik ist verbesserungsbe- ürftig. Doch auch die verfügbaren, zugegebenermaßen twas groben Daten zum Steueraufkommen und aus der olkswirtschaftlichen Gesamtrechnung führen zu einer indeutigen Erkenntnis: Vergleichsweise hohe Sätze sind eine Gewähr für munteres Sprudeln der Steuerquellen. Die sehr verdienstvolle Untersuchung zur effektiven teuerbelastung der Unternehmen in Deutschland, die as DIW Berlin in seinem Wochenbericht 5/2007 jüngst orgelegt hat, liefert hierzu nicht allein ein hohes Maß n Erkenntnisgewinn. Das DIW bescheinigt der Koali- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8351 (A) ) (B) ) tion auch, auf dem richtigen Weg zu sein. Die internatio- nal betrachtet vergleichsweise hohen Steuersätze, so das DIW, machen Deutschland anfällig gegenüber steuerop- timierenden Gestaltungsstrategien. Die von der großen Koalition geplante Unternehmensteuerreform sei darauf die richtige Antwort: Senkung der Steuersätze, Verbrei- terung der Bemessungsgrundlage. „Die Lücke zwischen den ökonomischen Gewinnen und den steuerlich er- fassten Gewinnen bietet Potenzial zur Ausweitung der Steuerbasis.“ Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Nach langer Dis- kussion hat die schwarz-rote Koalition nun endlich einen Referentenentwurf zur Reform der Unternehmensbe- steuerung vorgelegt. Wer sich eine spürbare Verbesserung der steuerlichen Standortbedingungen in Deutschland versprochen hat, wird enttäuscht: Steuersystematisch und steuerpolitisch ist der Entwurf ein Flop. Zu begrüßen ist die geplante Steuerentlastung. Deutschland ist ein Hochsteuerland, auch wenn die Grü- nen mit ihrem Antrag das Gegenteil suggerieren. Es gibt schließlich umfangreiche Untersuchungen wissenschaft- licher Forschungsinstitute wie dem ZEW oder auch die Ausführungen des Sachverständigenrates in jedem sei- ner Gutachten der letzten Jahre. Es ist schon erstaunlich, dass die Grünen sich nach dem Verlust jeglicher Regierungsverantwortung in Deutschland mit ihrem Antrag auf die Seite derer schla- gen, die sich gern und ausgiebig in einer unreflektierten Unternehmensschelte ergehen. Statt inhaltliche Vor- schläge zur Unternehmensteuerreform zu machen, be- zweifeln nun die Grünen tatsächlich, dass eine Senkung der Steuerbelastung für Unternehmen überhaupt notwen- dig sei. Dabei ist der jetzt in Deutschland bemerkbare Aufschwung doch auch das Ergebnis einer Politik, die die Grünen zumindest mitgetragen haben, auch wenn es ihnen offensichtlich nie ein Herzensanliegen war. Die Verbesserung der steuerlichen Standortbedingungen durch die Eichel’schen Steuerreformen, denen durch die FDP im Bundesrat zum Erfolg verholfen wurde, ist ein Grund für den Boom in Deutschland. Die immense He- belwirkung einer positiven Konjunktur ist jeden Monat bei den Arbeitsmarktdaten und den Steuereinnahmen zu beobachten. Wer hätte denn vor einem Jahr damit gerech- net, dass das Erreichen der Maastrichtkriterien möglich ist? Statt sich aber dieser volkswirtschaftlichen Gegeben- heiten bewusst zu werden, flüchten sich die Grünen mit ihrem Antrag in die Rolle buchhalterischer Bedenkenträ- ger ohne eigene Vorschläge. Das ist bedauerlich. Denn der jetzt von der Regierung präsentierte Ent- wurf ist nicht einmal ansatzweise eine Reform. Ich habe ja schon betont, dass die FDP die angekündigte Steuer- entlastung begrüßt. Es bleibt nur zu hoffen, dass diese auch tatsächlich eintritt. Wir befürchten allerdings, dass bei der breiten Masse der Unternehmen, insbesondere der mittelständischen, davon nichts ankommt. Es ist ein Armutszeugnis, dass weder Steuervereinfa- chung noch ein modernes Umwandlungsteuerrecht oder e s U Z i S z o k w s a l B m E D a j g r D l r g s b W e M f ß n d L s s s P r s t 5 d m 5 g z i s H S H d (C (D ine europagerechte Konzernbesteuerung auch nur ver- ucht werden. Ein klares, einfaches und verlässliches nternehmensteuerrecht lässt weiterhin auf sich warten. Zwar ist die Einführung einer Abgeltungsteuer auf insen und Dividenden zu begrüßen. Mit 28,5 Prozent nklusive Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ist der teuersatz im internationalen Wettbewerb aber deutlich u hoch. Fatal auf die Attraktivität des Investitionsstand- rtes Deutschland werden sich die Abschaffung der Spe- ulationsfrist und die Einbeziehung der Veräußerungsge- inne in die Abgeltungsteuer auswirken. Schon jetzt ind deutliche Kapitalabflüsse aus Deutschland zu beob- chten. Die private Altersvorsorge der Bürger wird deut- ich erschwert. Die systemwidrige Einbeziehung der Zinsen in die esteuerung ist gerade für mittelständische Unterneh- en eine existenzielle Bedrohung. Die durchschnittliche igenkapitalquote in Deutschland liegt bei 12 Prozent. as heißt, die Mehrzahl der Unternehmen ist existenziell uf Fremdfinanzierung angewiesen. Wenn diese aber etzt durch die Besteuerung der Zinsen erschwert wird, eraten diese Unternehmen in Existenznot. Es bleibt zu hoffen, dass die anstehenden parlamenta- ischen Beratungen hier noch Verbesserungen bringen. ie Beratungen zur Gesundheitsreform lassen mich al- erdings zweifeln, dass die Abgeordneten der Regie- ungsfraktionen den Willen und die Kraft dazu aufbrin- en. Nach dem hier vorliegenden Antrag der Grünen cheint bei der Opposition die FDP die einzig verblie- ene Fraktion mit ökonomischem Sachverstand zu sein. ir werden unsere Vorschläge jedenfalls konstruktiv inbringen. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Mit dem Monat ärz beginnt der meterologische Frühling, auf diesen olgt schnell der Sommer, so ist der Zeitdruck der Gro- en Koalition bei der Umsetzung ihrer Reformvorhaben achzuvollziehen. Die Reform der Unternehmensteuer, ie deutsche Unternehmen mit Steuergeschenken im and halten soll, gerät jedoch nicht nur unter Zeitdruck, ondern auch unter Rechtfertigungsdruck. Der Wider- tand innerhalb der SPD gegenüber den milliarden- chweren Entlastungen für Unternehmen wächst. Der arteirat der SPD verlangt Nachbesserungen, Korrektu- en und ein Nachverhandeln mit der Union. Hintergrund ind die verschwommenen Zahlen der wirklichen Entlas- ung für Unternehmen. Im Entwurf wurde zunächst von Milliarden Euro ausgegangen, nun hält der Sprecher es Bundesfinanzministers, Torsten Albig, es auch für öglich, dass die Summe über einen Mittelwert von Milliarden Euro gehen könnte. 6 Milliarden Euro oder ar 8 Milliarden Euro, wie es manche Experten prophe- eien? Peer Steinbrück hat an das Durchsetzen der Reform nzwischen sein politisches Schicksal geknüpft und ver- ichert, dass die Belastungen der ersten Jahre für den aushalt sich durch einen späteren wahren Segen an teuereinnahmen rechfertigen lasse. Aber weder die öhe der Belastungen für die Haushalte und besonders ie der Kommunen noch die effektive steuerliche Entlas- 8352 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 (A) ) (B) ) tung der Unternehmen lassen sich offensichtlich in Zah- len fassen. An manchen Stellen gleicht die Finanzpolitik der Regierung einem Russischen Roulette mit katastro- phalen Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte und die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Die Einkommensverluste durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer und das fortgesetzte Lohndumping für die Mehrheit der Menschen sind gigantisch. Sie bezah- len mit ihrem Geld die großzügigen Geschenke an die Unternehmer. In ihrem Antrag fordern die Bündnisgrünen die Bun- desregierung auf, eine aussagekräftige Datenbasis zur tatsächlichen Unternehmensteuerbelastung vorzulegen, um die Auswirkungen und die Sinnhaftigkeit der Reform abschätzen zu können. Was uns an dieser Stelle eint, ist das Prinzip Hoffnung, denn auch meine Fraktion bemüht sich seit dem vergangenen Sommer um verlässliche Daten zur tatsächlichen Belastung der Unternehmer, über die Höhe und Struktur der überperiodischen Ver- lustrechnung bei Unternehmen und auch über Einnah- menverluste durch Steuerumgehung und Hinterziehung deutscher Unternehmen. Die entsprechenden Antworten der Bundesregierung lassen diesbezügliche Erwartungen jedoch schwinden. Ein Beispiel: Auf Antrag der Fraktionen der Großen Koalition beschloss der Finanzausschuss am 28. Juni des vergangen Jahres eine Reihe von Änderungen seiner Be- schlussempfehlungen zum Steueränderungsgesetz 2007, darunter auch eine Änderung des Gesetzes über Steuer- statistiken. Am 29. Juni fand eine kurzfristig anberaumte weitere Sitzung des Finanzausschusses statt, wo der glei- che Änderungsantrag wieder zurückgenommen wurde. Begründet wurde dies mit den ausstehenden Gesetzes- vorhaben der Unternehmens und der Erbschaftsteuer- reform. Es sei so nicht möglich, die mit dem bestehen- den Gesetz der Statistik genaue Informationen zur geplanten Rechtsformneutralität zwischen Kapital- und Personengesellschaften liefern zu können. In einer Klei- nen Anfrage meiner Fraktion baten wir die Bundesregie- rung um Auskunft, wer denn mit welcher Begründung die avisierte Änderung des Gesetzes über Steuerstatistik verhindern wollte. Darüber gäbe es keine gesicherten Erkenntnisse. Auf die Frage, ob die Bundesregierung ihre Planungen zur Schaffung von Rechtsformneutralität zwischen Kapital- und Personengesellschaften auf wis- senschaftlich begründetes Datenmaterial stütze, erfolgte die Antwort, dass dazu ausschließlich die Statistiken des Statistischen Bundesamtes insbesondere zur Gewerbe-, Körperschaft- und Einkommensteuer zur Verfügung stünden. Die Antwort auf die Frage, ob die Bundesregierung eine Änderung des Steuerstatistikgesetzes angesichts des bevorstehenden Verfahrens zur Unternehmensteuerre- form beabsichtige, lautete: Ja, nach wie vor plane die Regierung eine Umsetzung der im Steueränderungsge- setz 2007 nicht aufgenommen Regelungen zur Einfüh- rung jährlicher Statistiken für die Erbschaft-, Schen- kung- und Umsatzsteuer. Von der Unternehmensteuer ist nicht die Rede. A b e g d E z g u m n m z t a f z n s s L d t w z s s z s b D d g s l l n I l V t S m e t m P e B i g b d z (C (D In einer weiteren Kleine Anfrage erhielten wir die ntwort der Bundesregierung, dass es auch kein belast- ares Zahlenmaterial über die jährlichen Steuerminder- innahmen durch die Steuerbefreiung für Veräußerungs- ewinne seit dem Jahre 2002 gäbe. Auch das Volumen er Steuerausfälle durch Gestaltungsmöglichkeiten im rtragsteuerbereich kann die Bundesregierung nicht be- iffern, nur dass die Ausfälle durch gesetzliche Regelun- en begrenzt seien. Das teilt sie auf Anfrage zu Steuer- mgehung und Hinterziehung deutscher Unternehmen einer Fraktion mit. Auf die Frage, wie denn die Maß- ahmen zur Einschränkung steuerlicher Gestaltungs- öglichkeiten und zur Beseitigung der Diskrepanz wischen erwirtschafteten und steuerlich erfassten Un- ernehmensgewinnen deutscher Kapitalgesellschaften ussähen, erfahren wir, dass das internationale Steuerge- älle Schuld sei daran, dass man die Unternehmen bevor- ugt behandele, um sie am Weggehen zu hindern. Die ominale Steuerbelastung von 39 Prozent für Kapitalge- ellschaften sei auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu enken, erfuhren wir als Antwort. Vielleicht auf das von ettland, möchte man da fragen. Mit den Steuerpräsenten für Unternehmen, wie sie in er Reform geplant sind, baut Deutschland seine Vorrei- errolle im internationalen Steuerdumpingwettbewerb eiter aus. Die Regierung windet sich in ihren Aussagen ur Steuerlast- oder besser Entlastung der Unternehmen; ie präsentiert der Öffentlichkeit unseriöse Zahlenspiele, ie unternimmt keine oder halbherzige Anstrengungen ur Schaffung einer belastbaren Datenbasis als Voraus- etzung einer realen wirklichkeitsnahen Unternehmens- esteuerung. In völligem Gegensatz dazu stehen die geforderten aten der Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2006 er Bürgerinnen und Bürger mit durchschnittlichen und eringen Einkommen. Diese Menschen haben keine Ge- taltungsspielräume und können Gewinne nicht ins Aus- and verlagern. Sie werden kontrolliert, steuerlich veran- agt und zur Kasse gebeten. Liegt da die Vermutung icht nahe, dass es seitens der Großen Koalition gar kein nteresse an verlässlichen Daten und Statistiken zur rea- en Steuerbelastung von Unternehmen und zu realen ermögenswerten gibt, weil sie die ungerechte Umver- eilung und die immer größere Ungleichheit stiftende teuerpolitik in diesem Land ganz besonders deutlich achen würden? Die Kluft zwischen Unternehmensgewinnen und ihrer ffektiven Steuerbelastung wächst. Die Steuergestal- ungsmodelle und Schlupflöcher für Unternehmen bieten it und ohne Reform genügend Spielraum, sich dem rinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu ntziehen. Wir unterstützen den Antrag der Fraktion des ündnisses 90/Die Grünen, weil belastbare Daten und hre Transparenz Voraussetzung für steuerliche Gesetz- ebungsverfahren sein sollten. Von einer nachvollzieh- aren Begründung für eine Sinnhaftigkeit dieser Reform er Unternehmensteuer ist jedoch ganz sicher nicht aus- ugehen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8353 (A) ) (B) ) Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Demnächst wird sich dieses Haus mit einer Gesetzesvor- lage zur Reform der Unternehmensteuern befassen. Fast 30 Milliarden Euro Steuerausfälle werden dort einkalku- liert. Insgesamt 25 Milliarden Euro sollen durch eine gigantische Umschichtung innerhalb der Bemessungs- grundlage bei den Unternehmensteuern wieder hereinge- holt werden. Mit der Unternehmensteuerreform geht nicht nur ein erhebliches Risiko für die öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen einher. Es kommt auch zu Belastungsverschiebungen zwischen Mittelstand und Großunternehmen. Solche weitreichenden Entscheidun- gen verlangen nach einem verlässlichen Wissen darüber, welche Unternehmensgruppe von welchen Maßnahmen profitiert und welche Unternehmensgruppe belastet wird. Es darf nämlich nicht passieren, dass am Ende die Bürgerinnen und Bürger und die mittelständischen Un- ternehmen die Entlastung der international aufgestellten Großkonzeme bezahlen. Fakt ist aber, dass es derzeit auf der Bundesebene kaum empirische amtliche Echtdaten zur Steuerbelas- tung der Unternehmen in Deutschland gibt. Entschei- dungen werden also auf der Grundlage vager Annahmen und Vermutungen gefällt, nicht auf der Basis konkreter Fakten. Ich war deshalb grundsätzlich erst einmal hoch- erfreut, dass die Parlamentarische Staatssekretärin, Frau Dr. Barbara Hendricks, sich zu meinen Forderungen nach einer verlässlichen Datenbasis für die Unterneh- mensbesteuerung ähnlich geäußert hat. Sie stellt zusam- menfassend fest, „dass nach derzeitiger Lage eine ge- naue Aufstellung der von deutschen Unternehmen in Deutschland gezahlten Steuern nicht möglich ist“. Also, die Regierung hat das Problem erkannt. Was mich an dem Schreiben der Staatssekretärin weniger gefreut hat: Die Bundesregierung plant trotz dieser Erkenntnis offen- bar nicht, die Datengrundlage zu verbessern. Wenn keine eindeutige Aussage möglich ist, wie viel Steuern die Unternehmen denn nun tatsächlich zahlen, dann stellt sich ernsthaft die Frage, wie das Bundesfi- nanzministerium Zahlentableaus vorlegen kann, die bis auf die Million genau ausrechnen, welche Steuerausfälle oder Steuermehreinnahmen durch bestimmte Elemente der Steuerreform entstehen werden und das dazu noch über die nächsten fünf Jahre. Hier wird den Abgeordne- ten eine Scheingenauigkeit vorgetäuscht, die gar nicht existiert. Tatsächlich stochert das Ministerium bei den Zahlen ebenfalls im Nebel. Ähnlich sieht das das Zentrum für europäische Wirt- schaftsforschung, ZEW, in Mannheim. Auch die Wissen- schaftler hier wissen nicht, wie viel Steuern deutsche Unternehmen wirklich zahlen. Ihre Steuerbelastungsbe- rechnungen sind wohl international anerkannt, aber sie spiegeln die Steuerbelastung auf einer Modellebene wi- der, und diese ist relativ weit weg von der Realität, wenn es um die tatsächlich gezahlten Steuern geht. Sämtliche Analysen zur Steuerbelastung von Unternehmen stützen sich auf Hilfszahlen und Berechnungsmodelle, die letzt- endlich angreifbar sind. n t w v s T l r K r S b f d s t s D t o z m n m g e r t l u f w w p A A v f 2 n d i a J g (C (D Es verwundert mich deshalb nicht, dass schon bei ei- er einfachen Bestandsaufnahme, wie viel Steuern Un- ernehmen tatsächlich zahlen, die Expertenmeinungen eit auseinandergehen Die Analyseergebnisse reichen on Aussagen, Deutschland sei mit einer Unternehmen- teuerbelastung von 10 Prozent eine Steueroase, bis zur hese, Deutschland sei mit einer Unternehmensteuerbe- astung von über 40 Prozent ein Hochsteuerland. Es ist ganz klar, dass es bei so hochkomplexen Steuer- echtsänderungen, wie zum Beispiel der von der Großen oalition geplanten Zinsschranke, noch deutlich schwie- iger sein wird, die tatsächlichen Wirkungen auf die teuereinnahmen abzuschätzen. Ich kann nur feststellen, dass ohne eine deutlich ver- esserte Datenbasis Steuerpolitik zur reinen Glaubens- rage wird. Im Sinne einer soliden Finanzpolitik ist es eshalb dringend notwendig, eine verlässliche und aus- agekräftige Datengrundlage für die Ermittlung der Un- ernehmensteuern auf der Basis von Echtzahlen zu erfas- en. Da die Finanzämter vor Ort bereits über dieses atenmaterial verfügen, wie hoch die Steuerlast der Un- ernehmen wirklich ist, kann eine repräsentative und an- nymisierte Stichprobe erhoben werden, ohne dass dies usätzlichen bürokratischen Aufwand für die Unterneh- en verursacht. Auf dieser Grundlage muss dann als ächster Schritt ein Simulationsansatz ermittelt werden, it dem Auswirkungen konkreter Steuerrechtsänderun- en sowohl auf die Unternehmen als auch auf das Steu- raufkommen berechenbar werden. Es ist deshalb dringend notwendig, dass die Bundes- egierung sich umgehend daranmacht, eine aussagekräf- ige Datenbasis zur tatsächlichen Unternehmensteuerbe- astung zu erstellen. Nur so können die Auswirkungen nd damit die Sinnhaftigkeit der Unternehmensteuer-Re- ormpläne der Bundesregierung verlässlich abgeschätzt erden. Es ist im Sinn aller Abgeordneten hier im Bundestag, enn die Grundlagen, auf denen wir entscheiden, trans- arenter werden. Wir fordern Sie deshalb auf, unseren ntrag zu unterstützen. nlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Sport- und Freizeit- schifffahrt in Deutschland erleichtern (Tages- ordnungspunkt 22) Renate Blank (CDU/CSU): Spätestens seit einer om geschätzten Kollegen Ernst Hinsken geleiteten öf- entlichen Anhörung im Ausschuss für Touristik im Juli 003 wissen wir, dass der Wassertourismus sich zu ei- em eigenständigen Angebotssegment entwickelt hat, as in vielen Fällen sogar ein bedeutender Standortfaktor st, von dem wichtige Impulse für neue Arbeitsplätze usgehen. So gesehen, kann ich den FDP-Kollegen vier ahre später zu ihrem teilweise in die richtige Richtung ehenden Antrag nur zurufen: Willkommen im Boot! 8354 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 (A) ) (B) ) Kein Zweifel: In den letzten Jahren und Jahrzehnten haben Freizeit und aktive Freizeitgestaltung als Aus- gleich zum Berufsleben oder an dessen Stelle zuneh- mend an Bedeutung gewonnen, die Sport- und Freizeit- schifffahrt hat sich von einer ehemals exklusiven Beschäftigung Begüterter zum Breitensport entwickelt. Aktivitäten auf dem Wasser begeistern mehr und mehr nicht nur Urlauber in fernen Regionen; auch in Deutsch- land erleben immer mehr deutsche und ausländische Touristen die Faszination der Nord- und Ostsee, der Bin- nenseen und der Flüsse. 1,85 Millionen Deutsche sind in Sportvereinen organisierte Wassersportler. 17,1 Millio- nen Deutsche surfen, tauchen, segeln, angeln, fahren Kanu, Motorboot oder Wasserski in ihrer Freizeit oder in ihrem Urlaub. Eine Befragung aus dem Jahr 2000 ermittelte 6,34 Millionen Deutsche, die „mehr oder weniger aktiv Wassersport betreiben“. Das entspricht einem beachtli- chen Anteil von 9,2 Prozent der erwachsenen Bevölke- rung – die Tendenz ist steigend. Das Angebot für Aktivi- täten rund ums Wasser ist hierzulande beachtlich: Angeln, Hausboot, Bootsverleih, Badeseen, Strandbä- der; Touren mit dem Kanu, dem Motor- oder Hausboot führen über stille Seen, ruhige Flüsse und historische Kanäle. Wer will, kann sich mit der Fahrgastschifffahrt auf Seen und Flüssen durch die Landschaft schippern lassen, bei einer Segeltour selbst das Steuer in die Hand nehmen oder beim Angeln einen ganz dicken Fisch aus dem Wasser holen. Und nicht zu vergessen: mit der „Boot“ in Düsseldorf beheimatet Deutschland die welt- größte Wassersportmesse. Rund 1 000 Kilometer lange Binnenwasserstraßen, zahlreiche reizvolle Seen sowie rund 23 000 Quadratki- lometer Seewasserstraßen an Nord- und Ostsee machen Deutschland zu einem interessanten Wassersport- und Urlaubsrevier in zentraler Lage Europas. Hinzu kommen noch viele Tausende Kilometer Fließgewässer, die nur für Kanus und Ruderboote befahrbar sind. Die Verbin- dungen auf dem Wasserweg mit den europäischen Nach- barn in Ost und West öffnen zusätzliche Märkte und schaffen hervorragende Ausgangsbedingungen. Aller- dings sind die vielfältigen Möglichkeiten zur touristi- schen Nutzung des Wassers hierzulande bei weitem noch nicht ausgeschöpft und der Öffentlichkeit zu wenig be- kannt – so das Ergebnis der Grundlagenuntersuchung „Wassertourismus in Deutschland“. Dennoch lag allein der Umsatz des Wassersportmark- tes Deutschland nach aktueller Schätzung des Bundes- verbandes der Wassersportwirtschaft bei rund 1,75 Mil- liarden Euro für den deutschen Markt. Insbesondere die Nachfrage nach Kreuzfahrten erfreut sich konstanter Zu- wächse: Im Jahr 2005 wurden auf Flusskreuzfahrten rund 326 000 deutsche Passagiere registriert. Sie gene- rierten einen Umsatz von 370 Millionen Euro. Dies ent- spricht einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 4,1 Prozent, gegenüber 1996 um fast 260 Prozent. Die Donau gehörte mit 125 000 Passagieren zu den belieb- testen Flussreisezielen der deutschsprachigen Touristen, gefolgt von weiteren deutschen Flüssen. s E a d W s s d m W u z g m W W G p K m s R M S c b m w f w B s m r n t V r c s b t S u M c s p r w f e d b (C (D Wird das wassertouristische Segment ausgebaut, so tärkt dies den gesamten Tourismus einzelner Regionen. ine gezielte Förderung des Wassertourismus nicht nur n der Nord- und Ostsee trägt maßgeblich zum Ausbau es Tourismus sowie zur Stärkung der touristischen ettbewerbsfähigkeit Deutschlands bei. Die ökonomi- chen Effekte des Wassertourismus sollten nicht unter- chätzt werden. Sie sind weiter ausbaufähig, insbeson- ere da Bootstouristen und Wassersportler längst nicht ehr die klassischen Selbstversorger sind. Zu den infrastrukturellen Basisangeboten auf und am asser gehören qualitativ gut ausgebaute Anlegestellen nd Wasserwanderrastplätze. Deutschlandweit kenn- eichnen zurzeit über 260 „Gelbe Wellen“ – überwie- end in Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpom- ern – Anlegemöglichkeiten und signalisieren dem assertouristen und Wassersportler ein „Herzliches illkommen“. Allein Schleswig-Holstein bietet seinen ästen rund 250 Sportboothäfen mit über 30 000 Liege- lätzen. Diese sollten sich nach den Kriterien der Sterne- lassifizierung von DTV und BWVS ausrichten und ehr Möglichkeiten zum Tanken sowie für Abfallent- orgung, Wasser und Stromversorgung etc. bereitstellen. und 30 Sportboothäfen und Marinas, hauptsächlich in ecklenburg-Vorpommern, sind bislang mit den „Blauen ternen“ ausgezeichnet worden. Sie sind Vorreiter, si- hern Qualitätsstandards, bauen ihre bestehenden Ange- ote aus und geben dem Verbraucher bessere Vergleichs- öglichkeiten zu Infrastruktur- und Serviceangebot. Erfreulich ist, dass die deutschen Bootswerften nach ie vor auf einer Welle des Erfolgs schwimmen. Die ührenden Hersteller haben ihre Marktposition in Europa eiter ausgebaut. 2006 hat die Nachfrage nach neuen ooten und Yachten deutlich zugenommen. Die europäi- che Bootswirtschaft berechnet einen Gesamtumsatz an aritimen Gütern und Dienstleistungen in Höhe von und 24,3 Milliarden Euro, der von rund 37 200 Unter- ehmen mit mehr als 272 000 Beschäftigten erwirtschaf- et wird. Davon entfallen rund 8 Milliarden Euro auf den erkauf neuer Boote und Yachten. Dies sind allgemeine Ausführungen zum Wassertou- ismus und zur wirtschaftlichen Bedeutung dieser Bran- he. Ich bin dem ADAC, dem Bundesverband Wasser- portwirtschaft und dem deutschen Boots- und Schiff- auer-Verband dankbar, dass sie sich mit einem Posi- ionspapier zum Thema „Deregulierung im Bereich der portschifffahrt und des Wassertourismus“ fachkundig nd ausführlich zu Wort gemeldet haben. Das kann dem einungsbildungsprozess nur gut tun. Die Forderung des Positionspapiers nach verlässli- hen Unfallstatistiken, der Entwicklung von Qualitäts- tandards für die Ausbildung der Weiterentwicklung raktischer Prüfungsteile, der Bindung der Mindestaus- üstung auch an das Fahrtgebiet, der Änderung der Trink- asserverordnung, gemeinsame Kampagnen zur Schaf- ung eines Sicherheitsbewusstseins im Sportbootbereich, iner Kennzeichnungspflicht auch im Seebereich sowie er Schaffung eines einheitlichen Sportschifffahrtsrechts efürworte ich im Grundsatz. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8355 (A) ) (B) ) Die These, dass die bisherige bundesweite Führer- scheinpflicht für Sportboote auf die Entwicklung des Wassertourismus entwicklungshemmend wirkt, kann man – allerdings mit einigen Abstrichen – durchaus dis- kutieren. Um sich künftig mit konkurrenzfähigen Ange- boten auf dem europäischen Markt behaupten zu kön- nen, empfiehlt es sich, die positiven Erfahrungen aus dem Pilotprojekt zur Einführung eines Charterscheins in den Ländern Brandenburg. Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland in einer bundesweiten Regelung zu berücksichtigen. Hier ist ein deutlicher Nachfrageanstieg bei wassertouristischen Angeboten spürbar. Beispiel Brandenburg: Laut Aussagen der Vercharterer ist der Anteil der führerscheinfreien Abfahrten seit Beginn der Regelung im Jahr 2000 kontinuierlich gestiegen. Der Anteil der führerscheinfreien Abfahrten liegt bei großen Vercharterern bei rund 30 Prozent der Abfahrten; das Gesamtgeschäft hat sich durch diesen Anteil auf einer guten Basis stabilisiert. Wie die Unternehmen der Wassersportwirtschaft be- grüße auch ich die Überführung in dauerhaftes Recht und die Erweiterung um neue Fahrtgebiete. Die Gleichstel- lung mit dem internationalen Wettbewerb, Frankreich. Niederlande etc., hat für die Betriebe in den Regionen, die von der Öffnung profitieren, zu kontinuierlichen Um- satzsteigerungen geführt. Erfreulich ist, dass jetzt auch mobilitätseingeschränkte Menschen ihren Traum vom Hausbootfahren verwirklichen können. Das erste roll- stuhlgerechte Hausboot „Tristan“ in Brandenburg wurde für den Deutschen Tourismuspreis 2006 nominiert. Allerdings halte ich – das sei auch zum Antrag der FDP angemerkt – die Bestrebungen zur Ausweitung des ungeregelten Bereichs auch wegen der Zunahme des Schiffsverkehrs für problematisch. Die Charterscheinre- gelung im Binnenbereich ist aus gutem Grund auf jene Gewässer beschränkt, deren Beschaffenheit und Ver- kehrsdichte sehr geringe Anforderungen an die Schiffs- führer stellen. Eine grundsätzliche Übertragbarkeit der durch diese Regelung gewonnenen Erfahrungen auf an- dere, stärker befahrene und mit Blick auf Wetter-, Gezei- ten- und Grundverhältnisse anspruchsvollere Gewässer ist wohl kaum möglich. Außerdem halte ich die Argumente der Verbände und des FDP-Antrags zur Zusammenlegung der amtlichen Bootsführerscheine Binnen und See zu einem allgemei- nen Bootsführerschein für nicht schlüssig. Für einen Be- werber, der ein Sportboot ausschließlich auf Binnenge- wässern betreiben möchte, ist nicht einzusehen, warum er die Regeln der Seeschifffahrt beherrschen muss. Im Interesse der Verbraucher wurde daher auf eine Zusam- menlegung der Führerscheine wohlweislich verzichtet. Entgegen dem im Positionspapier der Verbände und dem FDP-Antrag formulierten Interesse, die Hemmschwelle für den Einstieg in die Sportschifffahrt zu senken, würde eine Zusammenlegung der beiden Bereiche in der Praxis wohl eher sogar das Gegenteil bewirken. Ich möchte daran erinnern: Das Sicherheitsmanage- ment zum Beispiel auf deutschen Straßen beruht seit je- her auf dem Grundsatz, dass die Reglementierung der Verkehrsausübung umso geringer sein kann, je besser d T r d m b b w d B a f S s a f Z g v b n g p o U R t d t b t d p w O d v g f d z a T t a d b r d f p t D S (C (D ie Fahrzeugführer qualifiziert sind. Die Ausbildung zur eilnahme am Straßenverkehr beginnt Gott sei Dank be- eits mit der Verkehrserziehung im Kindergarten und in en Schulen und ist ein lebenslanger Lernprozess. Ich ahne in diesem Zusammenhang auf den Wassersport ezogen eine deutliche Verbesserung der Schwimmaus- ildung bereits in den Schulen an. Seit mehreren Jahren eisen die in der Wasserrettung tätigen Organisationen arauf hin, dass der Anteil von Nichtschwimmern an der evölkerung drastisch zunimmt. Hier ist noch einiges ufzuholen. Die Anzahl der absolvierten Führerscheinprüfungen ür die amtlichen Sportbootführerscheine Binnen und ee sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich ge- unken, dennoch scheint das Interesse am Wassersport llgemein ungebrochen: der Verband deutscher Windsur- ing- und Wassersportschulen berichtet 2006 von einem uwachs von 18 Prozent für die Bereiche Katamaranse- eln, Windsurfing und Kiteboarding. Auch ohne staatlich erordnete Führerscheinpflicht sind also die Einsteiger ereit, in Ausbildung zu investieren. Wie durchaus belebend einige Deregulierungsmaß- ahmen sein können, zeigt die Charterbescheinigungsre- elung auf vielen Wasserstraßen in Mecklenburg-Vor- ommern und Brandenburg, nach der Hausboote auch hne amtlichen Sportbootführerschein während eines rlaubs gefahren werden dürfen. Seit Einführung der egelung im Jahr 2000 haben sich die Umsätze der Un- ernehmen um 41 Prozent erhöht, ohne die Sicherheit auf em Wasser zu gefährden. Die Wassersportwirtschaft schaut also mit berechtig- em Optimismus in die Zukunft; denn der Wassersport esitzt im Vergleich zu fast allen anderen Freizeitaktivi- äten mit die größten Wachstumspotenziale. Davon muss ie maritime Wirtschaft künftig in noch stärkerem Maße rofitieren. Zur Sicherung einer dauerhaft positiven Ent- icklung wollen wir – wo notwendig und sinnvoll – zur ptimierung beitragen und sind bereit, die Vorschläge es FDP-Antrags zu prüfen. Annette Faße (SPD): Die FDP hat uns einen Antrag orgelegt, in dem sie auf die Schnelle die Zwischener- ebnisse eines laufenden Arbeitsprozesses zusammenge- asst hat. Nur ist es so, dass uns Zwischenergebnisse in er Sache nicht voranbringen. Deshalb werten wir zur- eit die Diskussion unserer gemeinsamen Arbeitsgruppe us, in der sich Vertreter aus den Bereichen Verkehr und ourismus sowie beteiligte Verbände zu einer konstruk- iven Sacharbeit zusammengefunden haben. In einem bgestimmten Antrag, den wir gerade erarbeiten, werden ie Koalitionsfraktionen aus ihrer Sicht den Handlungs- edarf zur Deregulierung und Förderung des Wassertou- ismus darlegen. Gleichzeitig leisten die Verbände jetzt ie Vorbereitungen zum Thema der Verbesserung der In- rastruktur. Die erarbeiteten Vorschläge werden wir se- arat behandeln. Ich möchte kurz in Erinnerung rufen, welche Bedeu- ung der Wassertourismus in Deutschland besitzt. In eutschland betreiben über 6 Millionen Wassersport: ie surfen, tauchen, segeln, angeln, fahren Kanu, Motor- 8356 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 (A) ) (B) ) boot oder Wasserski. Die Nachfrage nach Kreuzfahrten wächst. Die Donau gehört mit 67 000 Passagieren zu den beliebtesten Kreuzfahrtrouten, Tendenz steigend. Frei- zeitschifffahrt, Kanufahrten, Bootscharter und Tradi- tionsschifffahrt klettern ebenfalls in der Beliebtheits- skala. Mit anderen Worten: Es tummeln sich, zusätzlich zur Berufsschifffahrt, eine ganze Menge „Wasserbegeis- terte“ auf unseren Flüssen und Seen und auf Nord- und Ostsee. Wir besitzen in Deutschland ein rund 10 000 Kilome- ter langes zusammenhängendes Wasserwegenetz, viele schöne Seen sowie rund 23 000 Quadratkilometer See- wasserstraßen. Die Potenziale für den Tourismus sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft und zielgerichtete Marketingmaßnahmen, unter anderem in Zusammenar- beit mit der Deutschen Zentrale für Tourismus und dem Deutschen Tourismusverband, werden dafür sorgen, dass mehr und mehr Menschen in den nächsten Jahren auf diese Möglichkeiten aufmerksam und diese nutzen werden. Wir haben zur Förderung des Wassertourismus auf der Grundlage einer Studie in der letzten Legislatur- periode bereits einen ersten ausführlichen Antrag vorge- legt. Ich stelle diese Zahlen bewusst an den Anfang, weil ich klar machen möchte, dass bei so viel Trubel auf dem Wasser Regeln wichtig und sinnvoll sind und vorgebli- che Erleichterungen nicht unbedingt als solche wirksam werden, sondern – im Gegenteil – sehr schnell zu einem Risiko werden können. Gleichwohl prüfen wir im Rah- men unserer Arbeitsgruppe Möglichkeiten der Deregu- lierung. Wir müssen aber in diesem schwierigen Prozess der Sicherheit eine hohe Bedeutung einräumen. Jetzt möchte ich aber zunächst auf die Forderungen der Kolleginnen und Kollegen von der FDP eingehen. Sie machen in Ihrem Antrag sehr konkrete Vorschläge, wie aus Ihrer Sicht die Sport- und Freizeitschifffahrt de- reguliert werden soll. Ihre Grundaussage, die bestehen- den Regelungen seien verwirrend und überkomplex, kann ich zwar nachvollziehen, schließlich haben wir nicht umsonst in unserer Arbeitsgruppe Deregulierungs- vorschläge gesammelt und sehr ausführlich diskutiert. Nur ist die Situation nicht ganz so drastisch, wie Sie uns mit Ihrer sehr starken Formulierung glauben machen möchten. Schließlich boomt der Wassertourismus und weist bisher recht niedrige Unfallzahlen auf. Da schei- nen doch nicht alle Regeln an der Realität vorbeizuge- hen. Aber nun zu Ihren Vorschlägen, mit denen sie ent- sprechend ihrer Grundauffassung leider das Kind mit dem Bade ausschütten. Sie möchten den Bootsführer- schein Binnen und See zu einem Führerschein zusam- menzufassen. Dies hätte eine erhebliche Erweiterung des Prüfungsumfangs zur Folge, die den Bewerbern aus mei- ner Sicht einfach nicht zumutbar ist. Die Voraussetzungen für das Führen von Sportbooten auf See- bzw. auf Binnenwasserstraßen sind so unter- schiedlich, dass es fast gar nicht möglich ist, den ganzen notwendigen Prüfungsstoff in einem Durchlauf abzufra- gen. Und für Bewerber, die zum Beispiel ein Sportboot nur auf einem Binnengewässer führen möchten, ist es z S P m s a u p f r v E s f v w w l d d a A D 2 s s d B w B S w k R B l g e g m k v f t C i s h B e w D (C (D udem wenig einsehbar, dass sie dazu die Regeln der eeschifffahrtsstraßen beherrschen sollen. Ihre Vorschläge würden, da bin ich sicher, bei den rüfungskandidaten auf wenig Freude stoßen. Wir öchten, auch im Sinne der Förderung des Wasser- ports, die Hemmschwellen nicht durch gut gemeinte ber an der Praxis vorbeiformulierte Wünsche von Ihnen nnötig hochsetzen. Ich sehe auch durchaus Handlungsbedarf in der Über- rüfung des Anteils von Theorie und Praxis bei den Prü- ungen und damit auch in der Ausbildung, für die im Üb- igen die Länder zuständig sind. Ich kann mir auch orstellen, theoretische und praktische Fähigkeiten beim rwerb eines zweiten Scheines anzuerkennen. Grund- ätzlich aber müssen wir auch theoretisches Wissen ab- ragen, um sicherzustellen, dass ein breites Basiswissen orhanden ist. Es ist für die Bootsführer in der Praxis ichtig, zu wissen, wie ein Containerschiff dreht oder ie schnell bestimmte Schiffstypen sich bewegen. Ich asse auch gerne mit mir über eine stärkere Gewichtung er praktischen Kenntnisse und Ausbildungsinhalte re- en. Beispielsweise denke ich hier daran, Nachtfahrten ls Bestandteil für die Ausbildung aufzunehmen. Dabei muss gewährleistet sein, dass das Niveau der usbildung angemessen auf die Prüfung vorbereitet. as BMVBS ist ja auch schon aktiv geworden und hat 005 die praktischen Inhalte für den Sportbootführer- chein See weiterentwickelt. Dieses Basiswissen sollte ogar regelmäßig in Weiterbildungen aufgefrischt wer- en. Entsprechende Lehrgänge werden auf freiwilliger asis angeboten, und dies soll auch so bleiben. Das Ministerium und auch die Sportbootverbände eisen in Kampagnen, Veranstaltungen und in ihren roschüren immer wieder darauf hin. Der Bestand an portbooten nimmt in Deutschland konstant zu, die ge- erbliche Schifffahrt boomt, diesem wachsenden Ver- ehrsaufkommen müssen wir aus Sicherheitsgründen echnung tragen. Nicht nachvollziehen kann ich Ihre Aussage, dass der esitz eines Führerscheins nicht zu geringen Unfallzah- en führt. Ja, wofür brauchen wir dann überhaupt ir- endeinen Führerschein? Das können Sie doch nicht rnsthaft behaupten. Zunächst muss es doch wohl darum ehen, eine ordentliche Unfallstatistik aufzubauen, da- it die Ursachen von Unfällen besser analysiert werden önnen. Hierzu erarbeitet die Wasser- und Schifffahrts- erwaltung gemeinsam mit der Bundesstelle für Seeun- alluntersuchung ein Konzept für eine bundesweite Da- enbank. Diesen Weg begrüße ich. Dann fordern Sie in ihrem Antrag die Ausweitung der harterscheinregelung auf gleichwertige Gewässer. Dies st ja schon lange möglich. Nach dem erfolgreichen Ab- chluss der Pilotprojekte in der Müritz und im Saarland aben wir die Ausweitung schon längst umgesetzt. Das MVBS prüft regelmäßig entsprechende Anträge, die zu iner weiteren Freigabe von Binnengewässern gestellt erden. Hierzu gibt es einen festgelegten Kriterienkatalog. ann wird der Antrag von den Wasserschutzpolizeien, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8357 (A) ) (B) ) von den regionalen Wasser- und Schifffahrtsämtern und der jeweiligen Wasser- und Schifffahrtsdirektion bewer- tet. Bei einem positiven Votum erfolgt dann die Frei- gabe. Ich sehe aber durchaus auch noch Potenzial für die Freigabe weiterer Binnengewässer. In Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel kann man da sicher noch etwas machen. Wir warten auf die entspre- chenden Anträge. Ihre Forderung nach einer Ausweitung des ungeregel- ten Bereichs auf andere Gewässer muss ich ganz ent- schieden ablehnen. Ich habe eingangs die Situation unse- rer Wasserwege beschrieben: Der Schiffsverkehr nimmt stetig zu. Die Charterscheinregelung im Binnenbereich ist auf Gewässer beschränkt, deren Beschaffenheit und Verkehrsdichte nur sehr geringe Anforderungen an die Schiffsführer stellen. Eine Ausweitung der Regelung auf stärker befahrene und beispielsweise strömungsintensi- vere, wetteranfälligere oder ebbe- und flutbeeinflusste Gewässer ist nicht möglich, das würde der Schiffsführer ganz einfach nicht schaffen. Ihre Anregung dagegen, die Mindestausrüstung ver- stärkt an das Fahrgebiet zu koppeln, nehme ich gerne auf. Grundsätzlich können wir aber die Schiffsgröße nicht völlig außer Acht lassen. So würde ich beispiels- weise ungern ein zwölf Meter langes Boot auf ein oder zwei Befestigungsleinen reduzieren, auch wenn es sich in einem ruhigen Fahrgebiet befindet. Die Empfehlungen des Verkehrsgerichtstags in Gos- lar gilt es, in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Ziel muss es weiterhin bleiben, den Wassertourismus und den Wassersport unter Beachtung der Sicherheit at- traktiver zu machen, indem Regeln verändert oder ge- strichen werden. Ziel ist eine verantwortbare Deregulie- rung und nicht zusätzliche Regulierung. Alle Fragen der notwendigen Infrastruktur und des gemeinsamen Marke- tings von A- und B-Ländern dürfen nicht unbeantwortet bleiben. Hier ist die Politik gefordert. Sie sehen, es muss noch etwas Wasser den Rhein he- runterfließen, bevor dem Hohen Haus vernünftige Vor- schläge vorgelegt werden können. Ich empfehle deshalb, unseren Antrag abzuwarten, der ein abgestimmtes und durchdachtes Konzept zur Deregulierung und zur Förde- rung des Wassertourismus enthalten wird. Patrick Döring (FDP): Früher hieß es einmal, das Meer sei der letzte freie Ort auf der Welt – Ernest Hemingway. Auf deutschen Gewässern gilt das jedoch leider schon lange nicht mehr. Wer in unserem Land in seiner Freizeit mit einem Segel- oder Motorboot fahren möchte, sieht sich mit unglaublich verwirrenden, kom- plexen und unpraktischen Regelungen konfrontiert. Ohne Führerschein ist es in Deutschland zum Beispiel nahezu unmöglich, auch nur das kleinste Boot zu fahren: Ab 5 PS gilt die Führerscheinpflicht. Ebenso gut könnte man da im Straßenverkehr auch Führerscheine für Radfahrer verlangen. Ein Zeichen deutschen Regulierungsbedürfnisses ist auch das Führerscheinsystem selbst. Da gibt es den S s t k a d z B d k s g b t d n s r B Z 2 b g z S l i n L s I n s n R k v g z u C ß C v E l t m s s e e B F s p (C (D portbootführerschein Binnen und den Sportbootführer- chein See und außerdem noch amtliche, nicht verpflich- ende – aber rechtlich unter Umständen wichtige – Sport- üsten-, Sportsee- und Sporthochseeführerscheine. Vor llem die Trennung zwischen Binnen und See führt zu er abstrusen Situation, dass viele Bootsführer gleich wei Führerscheine machen müssen, um das gleiche oot zum Beispiel auf der Elbe und vor Sylt fahren zu ürfen. Nach dieser Logik müsste man im Straßenver- ehr wohl auch unterschiedliche Führerscheine für Land- traßen und Autobahnen verlangen. Der ganz überwie- ende Teil aller Bootsführer macht deshalb notgedrungen eide Führerscheine – mit doppelten Kosten und doppel- em Aufwand. Die Begründung für diese Regelungen ist einfach: ie Sicherheit aller Beteiligten. Die ausgesprochen iedrigen Unfall- und Todeszahlen in diesem Sport cheinen diesem Argument sogar auf den ersten Blick echt zu geben: Bei einem Bestand von knapp 450 000 ooten in Deutschland und einer weitaus größeren ahl von Seglern und Motorbootfahrer gab es im Jahr 005 nur 14 Tote und 240 Verunglückte. Das Risiko, eim Skifahren verletzt zu werden, ist etwa 20-mal rößer und die Gefahr, beim Motorradfahren zu Tode u kommen, 14-mal so hoch. Der Blick ins Ausland zeigt jedoch, dass dieses hohe icherheitsniveau nicht auf das dichte und strenge Rege- ungswerk in Deutschland zurückzuführen ist. Denn die m internationalen Vergleich niedrigste Unfallquote hat icht etwa Deutschland, sondern Großbritannien, ein and, das überhaupt keine verpflichtenden Bootsführer- cheine kennt. Auch die skandinavischen Länder und rland haben – ohne jede Führerscheinpflicht – kein nen- enswert größeres Risiko in der Sport- und Freizeit- chifffahrt. Diese Beobachtung wird auch durch eine euseeländische Studie untermauert: Im Vergleich der egelungen von 30 Ländern wurde festgestellt, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Sicherheitsni- eau und Führerscheinpflicht zu erkennen ist. Diese Beobachtungen werden auch durch Erfahrun- en aus unserem eigenen Land bestätigt: In einem – in- wischen verstetigten – Modellversuch in Brandenburg nd Mecklenburg-Vorpommern wurde eine sogenannte harterregelung geprüft. Auf bestimmten Wasserstra- en, ohne gewerbliche Nutzung, wurde das Fahren mit harterbooten auch ohne Führerschein erlaubt, wenn zu- or eine praktische Einführung absolviert wurde. Das nde der Geschichte: Die Unfallhäufigkeit der „ange- ernten“ Bootsführer war nicht höher als das der Kapi- äne mit Führerschein. Ich muss die Freude aller, die daraus jetzt folgern, an bräuchte dann bestimmt auch keinen Pkw-Führer- chein, leider dämpfen. Dass kein Zusammenhang zwi- chen Sicherheit und Führerscheinpflicht besteht, ist ine Besonderheit der Sport- und Freizeitschifffahrt, die inen einfachen Grund hat: Anders als das Auto wird das oot nur gelegentlich, in der Freizeit bewegt. Das in den ührerscheinprüfungen angelernte Wissen ist deshalb chnell vergessen. Wichtig ist dagegen die Kenntnis der raktischen Handgriffe – und da scheint es nur einen ge- 8358 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 (A) ) (B) ) ringfügigen Unterschied zu machen, ob man diese prak- tisch anlernt oder einmal vor langer Zeit geübt hat. Diese Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem In- und Ausland lassen mich daran zweifeln, dass das immense Regelungsdickicht für die Sport- und Freizeitschifffahrt in Deutschland tatsächlich seine Berechtigung hat. Denn natürlich verlangt das deutsche Verbotswesen seinen Preis: Die restriktiven Führerscheinregelungen sind ab- schreckend für Neueinsteiger und Gelegenheitsfahrer, von denen vielleicht viele sich dauerhaft für dieses Hobby begeistern könnten. Neben einer Einschränkung bürgerlicher Freiheiten bedeutet dies nicht zuletzt einen wirtschaftlichen Schaden – für die Bootsbauer und Ver- eine, vor allem aber für wassertouristisch interessante Regionen. In den Testgebieten Mecklenburg-Vorpom- merns und Brandenburgs sieht man, welch großes Poten- zial durch eine liberalere Führerscheinregelung gehoben werden kann: Über 40 Prozent aller Bootsvermietungen in diesen Revieren machen inzwischen die Inhaber eines Charterscheins aus, die also keinen regulären Führer- schein besitzen. Für die Region bedeutet das weit über 70 000 Übernachtungen. Angesichts dessen müssen wir uns fragen, ob durch das Regelungsdickicht nicht eine Schneise geschlagen werden muss. Die FDP hat dem Hohen Hause deshalb den vorliegenden Antrag unterbreitet. Wir hoffen, da- durch eine konstruktive Debatte anzustoßen. Unsere Vorschläge gehen vor allem in die Richtung, erstens die bisherigen Führerscheine Binnen und See zu- sammenzulegen und Lehrgang und Prüfungen prakti- scher auszugestalten, zweitens einen erweiterten Ein- stiegsbereich zu schaffen wie etwa in den Niederlanden, wo bis zu einer Geschwindigkeit von 20 Kilometer pro Stunde keine Führerscheinpflicht besteht, und drittens die Charterscheinregelung vorsichtig zu erweitern, um zusammenhängende und damit touristisch und wirt- schaftlich interessantere Reviere zu schaffen. Außerdem sollte natürlich davon abgesehen werden, durch weitere Vorschriften mit nur geringer Sicherheitswirkung den Gesetzes- und Verordnungsdschungel noch dichter zu gestalten. Im Detail besteht hier sicherlich noch Diskussionsbe- darf. Ich hoffe hier auf eine konstruktive Auseinander- setzung im Ausschuss, wie ich sie auch schon beim Thema Wassertaxen erleben durfte. Wie zum Beispiel die Zusammenlegung der Bootsführerscheine genau aus- gestaltet werden soll, dazu gibt es naturgemäß verschie- dene Auffassungen. Eine vorsichtige Ausdifferenzierung des Führerscheinsystems ist zum Beispiel auch weiterhin durchaus sinnvoll, damit Bootsführer, die nur ein be- stimmtes Revier befahren wollen, nicht gezwungen wer- den, für sie überflüssige Lehrgänge und Prüfungen zu absolvieren. Das wäre kontraproduktiv. Der jetzige Zustand indes, der so viele dazu zwingt, den immensen Zeit- und Kostenaufwand zur Erlangung zweier Führerscheine zu betreiben, ist in meinen Augen unhaltbar. Hier kann die Politik mit geringem Aufwand große Erleichterung schaffen, indem sie, für alle Leute, die dies wollen, aus zwei Prüfungen eine macht. z m F t l u r f v d m i s u w E S F k s d s H a s k F e d k e s d V g i d e d a a d U d b g P (C (D Bei diesem Unterfangen hoffe ich auf Ihre Unterstüt- ung. Dorothée Menzner (DIE LINKE): Es ist doch im- er wieder erquickend, mit welchen Einfallen uns die DP-Fraktion beglückt: Wassertaxis in Berlin, beleuch- ete Reklameflächen auf Dächern von Taxis usw. Das al- es wohl aus der Sorge, die Antragsflut könnte versiegen, nd, wie ich gestern im Ausschuss lernen durfte, um Bü- okratie abzubauen. An sich ja ein ehrenwertes Unter- angen, aber bitte doch nicht nach dem Motto: Quantität or Qualität. Diesen Eindruck könnte man hin und wie- er schon bekommen. So beschäftigen wir uns heute zu dieser späten Stunde it der Erleichterung der Sport- und Freizeitschifffahrt n Deutschland. Bei einem Punkt möchte ich Ihnen recht geben. Es pricht vieles dafür, das Führerscheinwesen in der Sport- nd Freizeitschifffahrt übersichtlicher, universaler und eniger bürokratisch zu gestalten. Aber der Idee, die ingangshürden zur Erlangung eines Motorboot- oder egelführerscheins herabzusetzen, damit Bootseigner ahrzeuge unter 5 PS motorseitig aufrüsten können, ann meine Fraktion nicht folgen. Jeder, der sich auf unseren dicht befahrenen Wasser- traßen bewegt, braucht dringend Grundkenntnisse über as Führen eines Bootes sowie die Gefahren der Wasser- chifffahrt. Woran Sie denken, ist das gemütliche Schippern mit ausbooten etwa in der französischen Camargue oder lten Kanälen in England. Sie führen in Ihrem Antrag ja elbst aus, dass die Unfallzahlen im Schiffscharterver- ehr in anderen Ländern niedrig seien. Das mag für die genannten Touristenwasserstraßen in rankreich oder England gelten. Aber ich kann mir aus igener Erfahrung nicht vorstellen, dass jeder Unbe- arfte vor meiner Haustür in Wolfsburg auf Mittelland- anal und Elbeseitenkanal nach eigenem Gutdünken mit inem Boot fahren kann, ohne Grundkenntnisse wasser- traßenrechtlicher Vorschriften zu haben, besonders ann, wenn dieser PS-starke Motorboote führen will. on speziellen Anforderungen, wie sie etwa Schleusun- en an Bootsführer stellen, ganz zu schweigen. Die Einschränkung der Führerscheingrenze auf 5 PS st daher sehr sinnvoll. Es kann nicht darum gehen, je- em Bürger das ungezügelte Rasen auf Wasserstraßen zu rmöglichen, womöglich als Äquivalent dafür, dass wir och in naher Zukunft dazu kommen werden, das Tempo uf Autobahnen endlich zu begrenzen. Das Rasen mit Booten auf den Gewässern sollte auch us ganz anderen Gründen unterbleiben. Wir stecken erzeit voll und zu Recht in der Klimaschutzdebatte. nd das Rasen mit PS-starken Gefährten auf Wasser ist em Klimaschutz alles andere als dienlich. In Berlin ha- en wir auch aus gutem Grunde Geschwindigkeitsbe- renzungen – auch zum Schutz der Uferbereiche. Eine S-Begrenzung, die wir im Führerscheinwesen auf Was- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8359 (A) ) (B) ) serstraßen haben, ist in dieser Beziehung auch eine gute Maßnahme. Wir schlagen vor, in wassersportrelevanten Gegenden das Schulangebot in diese Richtung zu erweitern, das Führerscheinwesen durch – wie von Ihnen vorgeschla- gen – Einführung eines Allgemeinen Amtlichen Boots- führerscheins übersichtlicher zu machen, aber die Unter- grenze für das Führen von Motorbooten nicht anzuheben. Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auf den ersten Blick macht der Antrag der FDP-Fraktion durchaus Sinn. Denn die Vielzahl – fünf an der Zahl – an verschiedenen Sportbootführerscheinen und offensichtli- che Überschneidungen in den Ausbildungsanforderun- gen für den Sportbootführerschein-Binnen – SBF-Bin- nen – und den Sportbootführerschein-See – SBF-See – sind auffallend. Eine Zusammenlegung der letzteren zu einem Allgemeinen Amtlichen Bootsführerschein – AAB – könnte daher zunächst als sinnvoll erscheinen. Wir stimmen unseren Kollegen von der FDP bei den Forderungen 1 und 3 zu, in denen es darum geht, die Sportbootführerscheinregelungen zu vereinfachen und zu lockern. Auch die Ausweitung des Charterscheins auf gefährdungsarme Strecken oder mäßig befahrene, kurze Wasserstraßen und die Beschränkung der Führerschein- pflicht auf Fahrzeuge bzw. Verkehrsflächen mit wesent- lichem Gefährdungspotenzial halten wir gerade auch im internationalen Vergleich für richtig und sinnvoll. Und wir sehen ebenfalls die Notwendigkeit einer stärker pra- xisbezogenen Ausbildung, die praktische Vorkenntnisse besser berücksichtigen sollte. Aber die nähere Behandlung mit dem Wortungetüm „Allgemeiner Amtlicher Bootsführerschein“ zeigt auch auf, daß wir einige Fragen in Ruhe klären sollten. Der Antrag erscheint uns – aus welchen Gründen auch im- mer – mit der heißen Nadel gestrickt worden zu sein. Unsere geschätzten Kollegen von der FDP wollen ver- mutlich damit belegen, dass nur sie sich wahrhaftig um die Belange der Sport- und Freizeitschiffer kümmern. Interessant ist übrigens in diesem Zusammenhang, daß gestern in „Welt kompakt“ berichtet wurde, dass in Niedersachsen die geplante völlige Freigabe von Was- sersport auf – bestimmten – Seen von der schwarz-gel- ben Regierung gerade ad acta gelegt werden musste. Vielleicht sollten sich unsere Kollegen doch noch einmal mit ihren Landespolitikern in Niedersachsen rückkop- peln. Bezüglich des Allgemeinen Amtlichen Bootsführer- scheins ist uns die vorliegende Datenbasis zu unsicher, zumal wir die Zahlen der FDP nicht nachvollziehen kön- nen. Wir haben uns die aktuellen Zahlen von 2006 über die Zugänge vom Deutschen Segler Verband – DSV – und vom Deutschen Motoryachtverband – DMYV – be- sorgt. Aus diesen können wir beispielsweise nicht erse- hen, daß 95 Prozent sowohl den SBF-Binnen als auch den SBF-See erwerben. Die überwiegende Zahl – näm- lich 52 Prozent – machen den SBF-Binnen und nur 39 Prozent den SBF-See. u z s d w t d S d r r F i o W e t n A e r F r b a u A a v A v B l m E b U t l M M k d b H (C (D See- und Binnengewässer sind aus unserer Sicht zu nterschiedliche Reviere, so dass bei der Ausbildung um jeweiligen Sportbootführerschein auch die unter- chiedlichen Verhältnisse, Anforderungen und Gefähr- ungen berücksichtigt werden sollten. Warum sollten ir den vielen Binnenschiffern die Erlernung der erwei- erten Regeln für den SBF-See auferlegen? Das würde och nur Sinn machen, wenn die Anforderungen an den BF-See auf ein entsprechendes Niveau gesenkt werden, avon raten wir jedoch dringend ab. Man sollte die De- egulierung nicht übertreiben. Was wir nicht nachvollziehen können, ist Ihre Forde- ung 2, die Mindestausrüstung für Sportboote künftig an ahrgebiete anstatt an die Schiffsgröße anzupassen. Das st nur eine andere Form von neuer Bürokratie, denn hne eine verstärkte Prüfungsmöglichkeit durch die asserpolizei und/oder eine Fahrtenbuchpflicht wäre ine derartige Regelung ein stumpfes Schwert. Wir hal- en diese Forderung daher für kontraproduktiv und leh- en sie daher auch ab. Wir schlagen vor, dass wir uns dieses Themas im usschuss auch weiterhin annehmen sollten und halten s in diesem Zusammenhang für geboten, die Bundes- egierung aufzufordern, einen Bericht zur Sport- und reizeitschifffahrt in Deutschland unter besonderer Be- ücksichtigung der aktuellen Situation bei den Sport- ootführerscheinen vorzulegen. Manche Ansätze des Antrags erscheinen uns sinnvoll, ndere gehen uns an bestimmten Stellen jedoch zu weit nd sind zu wenig durchdacht. Wir wollen aber keinen ktionismus. Und wir wollen keine „Leichtmatrosen“ uf unseren Gewässern, für die der Leitspruch gilt: „Na- igation ist, wenn man trotzdem ankommt.“ nlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Ratifizierung des IAO-Übereinkommens über Heimarbeit (Tages- ordnungspunkt 23) Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU): Heimarbeit ist in ielen Entwicklungsländern oft die gängigste Form von eschäftigung. Dies geschieht vielfach unter unmensch- ichen Bedingungen und bedeutet für viele Menschen angelhafte und/oder gar keine soziale Absicherung, ntrechtung und/oder schlichtweg miserabelste Arbeits- edingungen. Es gibt oftmals keinen Arbeitsplatzschutz, Mutterschutz, rlaubsanspruch oder einen rechtsgültigen Arbeitsver- rag – Dinge, die wir in Deutschland für selbstverständ- ich halten. Dabei ist das Tragische, dass viele dieser enschen in Entwicklungsländern kaum eine andere öglichkeit haben, für ihre Familien zu sorgen, da es aum Alternativen zur Heimarbeit gibt. Die Folgen für ie Entwicklung dieser Länder sind verheerend. Und ich in mir sicher, dass sich dieser Analyse jeder in diesem ause anschließt. 8360 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 (A) ) (B) ) Es stellt sich die Frage, was wir dagegen tun können. Der Antrag der Fraktion Die Linke fordert zum einen, das Übereinkommen 177 der IAO über Heimarbeit in Deutschland zu ratifizieren, und zum anderen, bei der internationalen Staatengemeinschaft dafür zu werben, dies ebenfalls zu tun. Nun ist dieses Übereinkommen aus dem Jahr 1996, und bislang haben es erst fünf von fast 180 Unterzeichnerstaaten ratifiziert. Dies ist nicht gerade eine überwältigende Anzahl und es stellt sich die Frage, warum dem so ist. In Deutschland hat dazu das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit im entsprechenden Ausschuss Stellung bezogen, welche Auswirkungen eine Ratifizierung des Übereinkommens über Heimarbeit für Deutschland hätte. Schließlich darf man nicht vergessen, dass die Ratifizierung von internationalen Abkommen auch Aus- wirkungen auf das deutsche Recht haben kann. Das Ministerium kommt bei der angesprochenen rechtlichen Bewertung zu der Auffassung, dass das Übereinkommen über Heimarbeit nicht mit den in Deutschland geltenden Gesetzen im Einklang steht, weil auch die Telearbeit unter den Heimarbeitsbegriff des Übereinkommens fällt und dies nicht mit den entspre- chenden Bestimmungen des SGB IV vereinbar ist. Außer- dem übernimmt das Übereinkommen das romanische System der Arbeitsinspektion, das sich auch auf die Regelungen von Entlohnung und Arbeitsbedingungen erstreckt. Doch genau dies ist in Deutschland Aufgabe der Tarifvertragsparteien oder Gremien nach dem soge- nannten Heimarbeitsgesetz. Würden wir das Überein- kommen also ratifizieren, würden wir damit tief in das System des Tarif- und Arbeitsrechts eingreifen und dies kann nun wirklich nicht gewollt sein. Ob das vom Antrag- steller bedacht wurde, vermag ich nicht zu beurteilen, aber allein deshalb kann die Fraktion der CDU/CSU die- sem Antrag nicht zustimmen. Ich glaube auch, dass unabhängig von dieser rechtlichen Bewertung – und diese können wir nicht einfach so abtun – nicht vorrangig Deutschland Adressat des Übereinkom- mens ist; denn unsere Standards bei der Heimarbeit sind nicht zu beanstanden. Ich glaube vielmehr, dass der Adressat des Übereinkommens Entwicklungsländer sind, in denen kein Mindestmaß an Schutz vor Ausbeutung bei der Heimarbeit existiert. Doch gerade diese Länder scheinen sich nicht in das enge Korsett des Übereinkom- mens einpassen zu wollen oder zu können. So wünschens- wert es wäre, dass weltweit Standards bei der Heimarbeit gelten, so wenig ist das Übereinkommen offensichtlich dafür geeignet, diese zu implementieren. Wir brauchen vielmehr flexiblere Instrumente, die den Regierungen mehr Raum lassen für länderspezifische Anpassungen und Ausgestaltungen, ohne dadurch die notwendigen Standards zu unterminieren. Damit wir uns richtig ver- stehen: Ich teile ausdrücklich die Auffassung, dass ein Mindestmaß an Schutz vor Ausbeutung bei der Heimarbeit weltweit gelten sollte. Allerdings ist das Übereinkommen über Heimarbeit nicht dazu in der Lage, dies zu ändern. Kurz gesagt: richtige Analyse – falsches Instrumentarium. Und solange wir dieses Instrumentarium – eine funktio- nierende internationale Vereinbarung – nicht haben, müs- s v te in w z v H u H u d w v v m i s d f Z W i i d f u w f g A d s r S d s s m z g l w H g R Ü l (C (D en wir im Rahmen der bilateralen oder der international ernetzten Entwicklungszusammenarbeit darauf hinarbei- n, dass ein Mindestmaß an Standards bei der Heimarbeit den Partnerländern eingehalten wird. Dabei unterstützen ir diese Länder, und ich glaube, zu diesem Weg gibt es urzeit keine Alternative. Denn eins dürfen wir nicht ergessen: Soziale und rechtliche Standards bei der eimarbeit sind im Interesse der betroffenen Menschen nd unabdingbar notwendig für die Entwicklung ihrer eimatländer. Aber nicht nur das; es wäre auch in unserem reigenen Interesse; denn von weltweit geltenden Stan- ards bei der Heimarbeit profitieren nicht zuletzt auch ir selbst. Ich möchte an dieser Stelle aus einer Rede on Bundespräsident Köhler an der Universität Tübingen on vor gut zwei Jahren zitieren, in der er diese Zusam- enhänge deutlich macht: Wir müssen endlich begreifen, dass wir in einer Welt leben! Nicht in einer ersten, zweiten oder dritten Welt. Das liegt auch in unserem eigenen Interesse: Denn wir in den sogenannten entwickelten Ländern werden weder unseren Wohlstand noch unsere Si- cherheit noch unseren Frieden erhalten, wenn wir uns nicht als Partner der Armen begreifen. Die Verbesserung der Bedingungen von Heimarbeit st dafür ein immens wichtiger Beitrag. Ich glaube, wir ind uns im Ziel, soziale und rechtliche Missstände bei er Heimarbeit in Entwicklungsländern zu bekämpfen, raktionsübergreifend einig, und ich hoffe, dass wir in ukunft – bei aller notwendigen Diskussion über den eg – auf dieses Ziel gemeinsam hinarbeiten, nicht nur m Interesse der Menschen in den Partnerländern, auch m Interesse Deutschlands. Wenn wir das begreifen und en Menschen deutlich machen, wird auch die Akzeptanz ür Entwicklungszusammenarbeit insgesamt zunehmen nd die Bereitschaft, dafür Opfer zu bringen, steigen. Walter Riester (SPD): Heimarbeit ist gerade in Ent- icklungs- und Schwellenländern häufig zwischen in- ormeller und formeller Arbeit angesiedelt und dadurch ekennzeichnet, dass in diesem Bereich .sehr schlechte rbeitsbedingungen vorherrschen und Familienmitglie- er und Kinder durch ihre Mitarbeit ebenfalls betroffen ind. Insofern ist es gerade hier wichtig, für die besonde- en Bedingungen der Heimarbeit auch entsprechende chutzrechte zu vereinbaren. In Deutschland haben wir ies schon im Jahre 1951 mit dem Heimarbeitsgesetz ge- etzlich geregelt. Die Initiative der ILO ist also vom Grundsatz her ab- olut notwendig, und in der Präambel des Übereinkom- ens 177 über Heimarbeit aus dem Jahre 1996 ist auch utreffend ausgeführt, dass die besonderen Bedingun- en, die die Heimarbeit kennzeichnen – ich zitiere wört- ich –, ,,es wünschenswert erscheinen lassen, die An- endung dieser Übereinkommen und Empfehlungen auf eimarbeiter zu verbessern und sie durch Normen zu er- änzen, die den besonderen Merkmalen der Heimarbeit echnung tragen“. Problematisch ist allerdings dann Art. 4 Abs. 2 des bereinkommens, in dem eine absolute Gleichbehand- ung insbesondere in Bezug auf acht Positionen gefor- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8361 (A) ) (B) ) dert wird, die teilweise eben nicht eine Gleichbehand- lung, sondern – aufgrund der Unterschiedlichkeit von Heimarbeit und formeller Arbeit – eine unterschiedliche Behandlung erforderlich machen. Dies beginnt bei- spielsweise schon beim Arbeitsschutz. In unserem Land gilt im formellen Bereich die Arbeitsstättenverordnung. Sie gilt natürlich nicht in den Haushallen, in denen Heimarbeit praktiziert wird. Auch der Schutz durch ge- setzliche Systeme der sozialen Sicherheit ist in diesen Ländern nicht ohne Weiteres auf die Heimarbeit zu über- tragen. Ähnlich verhält es sich mit der Entgeltregelung und dem Zugang zur Ausbildung. Kurzum: Die Besonderheiten der Arbeitsbedingungen der Heimarbeit bedürfen auch besonderer Regeln. Das Übereinkommen 177 ist jedoch nicht dazu geeignet, die in Heimarbeit Beschäftigten zu schützen, da es den be- sonderen Merkmalen der Heimarbeit nicht ausreichend Rechnung trägt. Es fordert die Gleichbehandlung mit formellen Arbeitsverhältnissen und würde somit Unglei- ches gleich behandeln. Insofern müsste meiner Meinung nach das ILO-Übereinkommen auch geändert werden. Es sollte die ILO auch zumindest nachdenklich stimmen, dass das Übereinkommenden bisher nur von fünf der 176 Mitgliedsländer ratifiziert worden ist. Aus diesen Gründen lehnen wir den Antrag der Frak- tion der Linken auf Ratifizierung des ILO-Übereinkom- mens über Heimarbeit ab. Da das generelle Anliegen, differenzierte Regeln für die Heimarbeit zu schaffen, je- doch von großer Bedeutung ist, wäre es durchaus wün- schenswert, wenn in dieser Sache ein Gespräch zwi- schen Parlamentariern des Deutschen Bundestages, deutschen Vertretern in der ILO und deutschen Gewerk- schaften geführt werden könnte. Dr. Karl Addicks (FDP): Beim Lesen des Antrags der Kollegen der Linken ist wieder ein Bild von der „bö- sen Globalisierung“ gezeichnet worden, die an allem Elend auf der Welt schuld ist – nach dem Motto: Große global agierende Unternehmen beuten Heimarbeiter oder andere kleinere Zulieferfirmen, vorrangig in Entwick- lungsländern, aus. Das trifft in einigen Fällen sicher zu. Aber das sind Ausnahmen. Ein immer nur negatives Bild von einer weltweiten Entwicklung zu zeichnen, das wi- derstrebt mir. Es gilt die Vorteile und Chancen der Glo- balisierung zu nutzen. Gerade für Entwicklungsländer und ihre Bevölkerung ergeben sich viele Entwick- lungschancen, Chancen zur weltweiten Durchsetzung von Freiheit, Menschenrechten und Marktwirtschaft. Globalisierung ist mehr als Handel. Sie deckt gute und schlechte Politik auf, führt zu Transparenz der politi- schen und gesellschaftlichen Systeme und damit zur Durchsetzung von Menschenrechten, zum Ausbau rechtsstaatlicher Strukturen und zum Wohlstand für alle. Die Ausbreitung von Freiheit, Menschenrechten, Demo- kratie und Marktwirtschaft ist daher die zentrale Auf- gabe der Entwicklungspolitik im Rahmen der Globali- sierung. Das sind meiner Meinung nach die Ansätze, die wir verfolgen sollten. a w n H e „ l l „ m h g d l s r u d g l h t S k g t W f s c d z d M e f v i v r Z d D t k r c z f n d b (C (D Die Ratifizierung eines Übereinkommens zur Heim- rbeit der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), ie es im Antrag der Linken gefordert wird, kann mei- er Meinung nach keine Verbesserung der Lage für die eimarbeiter in Entwicklungs- und Schwellenländern rwirken. Und auch das oft angebrachte Argument der Ausstrahlungskraft“ einer Ratifizierung durch Deutsch- and auf die betroffenen Länder, kann ich nicht gelten assen. Ein Land wie Botswana, wo 77 Prozent aller Betriebe“ in Haushalten sind, wird dieses Übereinkom- en nicht ratifizieren, nur weil Deutschland dies getan at. Wenn das so einfach wäre, dann wären wir in eini- en anderen Punkten schon viel weiter. Wir müssen in en betroffenen Ländern das Bewusstsein und die Mög- ichkeiten schaffen, dass die Menschen in der Lage sind, ich selbst zu helfen, und sich ihrer Rechte bewusst sind. Lassen Sie mich drei Stichworte nennen, die für Libe- ale Grundvoraussetzungen zur Beseitigung der Armuts- rsachen sind: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der iskriminierungsfreie Zugang zur Bildung. Eine funktionierende Demokratie ist der beste Schutz egen Ausbeutung und Zweckentfremdung von Hilfs- eistungen und eine wesentliche Voraussetzung für nach- altige Hilfe. Sie öffnet zudem traditionell benachteilig- en Gruppen die Möglichkeit politischer Partizipation. Darüber hinaus ist Rechtsstaatlichkeit das wichtigste chutzinstrument der Armen. Wo es an Rechtsstaatlich- eit fehlt, müssen sich die Armen in Abhängigkeiten be- eben, die ihre wirtschaftlichen und politischen Freihei- en beschränken oder ganz unmöglich machen. irtschaftliche Entwicklung braucht den Markt. Wo er ehlt, gibt es keinen wirtschaftlichen Erfolg. Erfolgreich ind nur jene Staaten, die ein hohes Maß an wirtschaftli- her Freiheit erlauben. Die Entwicklungspolitik muss aher den Aufbau funktionierender Marktwirtschaften um Ziel haben, wenn sie die Armut und ihre Ursachen auerhaft beseitigen will. Und nicht zu vergessen der Zugang zur Bildung. enschen, die lesen und schreiben können, sind viel her in der Lage, ihre Rechte zu kennen und auch einzu- ordern. Das muss unser Ziel sein. Ich kann mir nicht orstellen, dass ein Heimarbeiter in Indien oder wo auch mmer, wenn er nicht lesen und schreiben kann, jemals on den im Übereinkommen festgelegten Rechten erfah- en wird. Alles andere wäre illusorisch. Es gibt aber noch weitere Punkte, die uns von einer ustimmung zu ihrem Antrag abhalten. Es ist Tatsache, ass bei einer Ratifizierung des Übereinkommens durch eutschland erhebliche arbeitsrechtliche Probleme auf- reten. Ohne umfassende arbeitsrechtliche Änderungen ann Deutschland dieses Übereinkommen nicht ratifizie- en. Wir haben in Deutschland bereits ein völlig ausrei- hendes Heimarbeitsgesetz und zusätzlich noch weitere, um Teil überflüssige arbeitsrechtliche Vorschriften. Da rage ich mich doch, warum wir dieses Übereinkommen och ratifizieren sollen, gerade vor dem Hintergrund, ass es für die Heimarbeiter in Deutschland keine Ver- esserung der rechtlichen Situation ergeben würde? 8362 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 (A) ) (B) ) Ferner geht der Anwendungsbereich des Überein- kommens weit über den nationalen Begriff der Heimar- beit hinaus. Demnach würden auch Telearbeitsplätze un- ter den weiten Begriff Heimarbeit fallen. Darüber hinaus enthält das Übereinkommen Regelungen zur Entlohnung und Arbeitsbedingungen. Dies ist aber in Deutschland Aufgabe der Tarifparteien. Ich könnte Ihnen noch weitere Punkte nennen. Doch ich will es kurz machen: Die Ratifizierung des Überein- kommens würde einen tiefgreifenden, systemwidrigen Eingriff in unser arbeitsrechtliches System bedeuten. Das kann nicht in unserem Interesse sein. Ganz zu schweigen von dem bürokratischen Aufwand, den eine solche Ratifizierung nach sich zieht. Ein langes und auf- wendiges Berichtsystem ist nach einer Ratifikation die Folge. Dieser bürokratische Aufwand macht nur dann Sinn, wenn das Übereinkommen auch eine Verbesserung der Lage bringt. Bei diesem bezweifle ich das. Ich möchte nicht, dass Sie mich falsch verstehen. Es gibt Übereinkommen, die sind richtig und wichtig. Doch warum soll Deutschland ein Übereinkommen ratifizie- ren, wo doch viel bessere und weitergehende gesetzliche Regelungen vorhanden sind? Das ist meines Erachtens ein Bürokratismus, den wir uns sparen können, auch vor dem Hintergrund der Wirksamkeit des Übereinkom- mens. Wir Liberale sind uns einig, dass wir diesem Antrag nicht zustimmen können. Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE): Die Bundes- regierung hat sich den UN-Millenniumszielen verpflich- tet, die im Zeitraum zwischen 2000 und 2015 die Halbie- rung des Hungers und der extremen Armut auf der Welt vorsehen. Auch auf der kommenden Tagung der G 8 in Heiligendamm wird sich die deutsche Präsidentschaft dieses Ziel wieder werbewirksam auf die Fahnen schrei- ben. Nur: Was heißt das konkret? Extreme Armut entsteht dort, wo Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen sind oder in unsicheren Arbeitsverhältnissen beschäftigt wer- den. Diese sogenannte prekäre Beschäftigung ist welt- weit auf dem Vormarsch. Der Grund ist einfach: Die neoliberale Ideologie, der sich die G 8 und die Bundes- regierung verschrieben haben, sieht überall nur Deregu- lierung, Privatisierung und Liberalisierung der Wirt- schaft vor. Als Folge wächst weltweit der informelle Sektor. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorga- nisation IAO beträgt der Anteil der in der Schattenwirt- schaft Beschäftigten in vielen Ländern Asiens und Afri- kas zwischen 50 und 80 Prozent. Heimarbeit nimmt dabei eine bedeutsame Rolle ein. Ich konnte mir von den Auswirkungen informeller Arbeitsverhältnisse anlässlich des Weltsozialforums in Kenia ein Bild machen. Von den rund 10 Millionen Be- schäftigten befinden sich dort nur 1,8 Millionen in einer regulären, durch Arbeitsverträge abgesicherten Beschäf- tigung. Ich habe gesehen, wie unter ärmlichsten Bedin- gungen in Nairobi Zehntausende auf einem improvisier- t W l f u Z h t f t w s s m h a z s w j g H 1 e g D h s z s B n S D k t S l l b g s r S F F r I n a V D w (C (D en Markt für Alt-Textilien und andere Second-Hand- are unter freiem Himmel arbeiten und handeln. Heimarbeit ist eine besonders perfide Form informel- er Beschäftigung. Häufig handelt es sich um Arbeit, die rüher unter dem Dach großer Unternehmen stattfand nd durch Arbeitsverträge abgesichert war. Doch im uge der neoliberalen Umstrukturierungsmaßnahmen aben gerade die transnationalen Unternehmen systema- isch bestimmte Produktionsbereiche ausgelagert. So be- indet sich heute ein Drittel aller kenianischen „Be- riebe“ in Privathaushalten. Die sozialen Folgen der Heimarbeit in solchen Ent- icklungsländern sind häufig dramatisch. Aufgrund der chwachen Verhandlungsposition der in Heimarbeit Be- chäftigten sind die Entgelte niedrig. Die betroffenen Fa- ilien leben in permanenter Unsicherheit. Jede Krank- eit ist existenzbedrohend. Heimarbeit bedeutet, dass die bhängig Beschäftigten für die Produktionsvorausset- ungen selber zahlen müssen. Und: Die Mehrheit der in Heimarbeit Beschäftigten ind weiblich, in Industriestaaten ebenso wie in Ent- icklungsländern. Heimarbeit bedeutet die Aushebelung eglichen Mutterschutzes – sofern sie nicht von Schutz- esetzen begleitet wird. Genau solch eine Gesetzgebung zum Schutz der eimarbeiterinnen fordert das IAO-Übereinkommen 77. Es trat im April 2000 in Kraft, und dennoch haben s bis heute nur fünf Länder ratifiziert – Albanien, Ar- entinien, Finnland, Irland und die Niederlande. eutschland verweigert sich bislang. Kanzlerin Merkel at in der letzten Woche wohl Weltbank und Afrikani- che Union aufgefordert – ich zitiere – „ihr Bekenntnis ur Gleichstellung von Mann und Frau messbar umzu- etzen“. Gleichzeitig aber blockiert sie die IAO in ihren emühungen, konkrete Gesetze zum Schutz von Millio- en von Heimarbeiterinnen weltweit durchzusetzen. cheinheiliger geht es nicht. Nun fragt man sich, was die Regierungsfraktionen in eutschland gegen eine Ratifizierung des IAO-Überein- ommens über Heimarbeit einzuwenden haben. Abs- rakte Bekenntnisse zur IAO gibt es schließlich genug. o lesen wir in einer Broschüre unter dem Titel „Globa- isierung sozial gestalten“ des Ministeriums für Entwick- ung und Zusammenarbeit: „Die Bundesregierung legt esonderen Wert auf die Umsetzung international gülti- er Sozialstandards … Die Internationale Arbeitsorgani- ation verweist in diesem Zusammenhang zu Recht da- auf, dass Arbeitsstandards eine besondere Rolle beim treben nach einer größeren Balance zwischen sozialem ortschritt und wirtschaftlichem Wachstum zukommt.“ Doch solche Bekenntnisse haben in der Praxis keine olgen. Seit Beginn dieser Wahlperiode hat die Bundes- egierung dem Bundestag kein einziges Abkommen der AO zur Ratifizierung vorgelegt. Dabei handelt es sich icht um ein Versehen. Das Übereinkommen über Heim- rbeit stand bereits auf der Tagesordnung der rot-grünen orgängerregierung zum Ende der letzten Wahlperiode. och auf Anraten des federführenden Ministeriums urde seine Ratifizierung abgelehnt. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8363 (A) (C) (B) ) Die Bundesrepublik Deutschland ist Mitglied in der IAO. Wir müssen feststellen, dass sowohl die rot-grüne Regierung als auch die derzeit amtierende Große Koali- tion die Verpflichtungen Deutschlands gegenüber der IAO systematisch hintertreiben. Dabei geht es nicht immer direkt um die Gesetze hier- zulande. Deutschland hat seit 1964 ein Heimarbeitsgesetz, das sogar zum Teil noch über die von der IAO beschlosse- nen Standards hinausgeht. Aber die Ratifizierung hierzu- zwar jene, die weltweit mit am schlechtesten bezahlt wird. Um die schlimmsten Formen von Ausbeutung zu ver- hindern, braucht die Heimarbeit daher besonderen Schutz. Das hebt die ILO-Konvention 177 richtig her- vor, und damit stimmen wir ganz klar überein. Wir brauchen weltweit festgelegte Mindestarbeits- und Mindestschutznormen für Heimarbeiterinnen. Nur so lande würde natürlich sofort die Frage nach den Partner- ländern in der Entwicklungszusammenarbeit aufwerfen. Deutschland ist Exportweltmeister. Investitionen deut- scher Firmen auf globalem Maßstab begleiten diesen Ex- pansionsprozess. Sie haben kein Interesse, in Ländern wie Kenia oder Indien Gesetze vorzufinden, die das allge- meine Lohnniveau stabilisieren. Wenn es nach den Herren und Damen in den Chefetagen geht, dann liefern sich die verschiedenen Länder einen Wettlauf um die schlechtes- ten Arbeits- und Lebensbedingungen. Die Durchsetzung weltweiter Kernarbeitsnormen und anderer von der IAO vereinbarter sozialer Mindeststan- dards ist Voraussetzung, um dieser Abwärtsspirale Ein- halt zu gebieten. Doch daran haben die Hartz-IV-Par- teien offenbar kein Interesse. So wie sie in Deutschland nicht willens sind, durch die Einführung eines allgemei- nen Mindestlohnes die Lage der Niedrigverdiener zu verbessern, so wenig wollen sie andere Länder dazu er- mutigen, gesetzgeberische Maßnahmen zum Schutz der zahllosen informell Beschäftigten einzuführen. Das nenne ich Interessenpolitik für das große Kapital. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die De- batte über die Bedeutung der Heimarbeit ist sinnvoll. Sie muss weitergeführt und intensiviert werden. Der Rah- men, der durch den vorliegenden Antrag gewählt wird, kann jedoch nicht überzeugen. Auch wenn es auch in Deutschland gute Gründe ge- ben mag, die ILO-Konvention Nr. 177 zur Heimarbeit zu ratifizieren, muss erst einmal festgehalten werden, dass Heimarbeit – als Teil des informellen Sektors – in we- sentlichen Aspekten besonders Entwicklungsländer be- trifft. So ist in Lateinamerika und Nordafrika etwa die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung im informellen Sek- tor tätig. In einigen Ländern Asiens und in fast ganz Subsahara-Afrika sind es mehr als zwei Drittel der Be- völkerung. Gerade in Entwicklungsländern bewegt sich Heimar- beit fast immer in einer ungeregelten Grauzone der Öko- nomie. Daher ist sie besonders anfällig für Diskriminie- rung. Heimarbeit ist im wesentlichen Frauenarbeit, und k d h h D m d I b w S s s d n W g z r A z W d R v v v r e f z d s k s f Z i H (D ann verhindert werden, dass die Unternehmen verschie- ene Länder gegeneinander ausspielen. Unternehmen ge- en oftmals dorthin, wo die Standards gerade am tiefsten ängen. Damit wird einer weiteren Ausbeutung und einer ynamik nach unten – dem „race to the bottom“ – immer ehr Spielraum eröffnet. Auch um die bestehenden Stan- ards und Schutzbestimmungen für Heimarbeiterinnen in ndustrieländern beibehalten zu können, sind daher ver- indliche Sozialstandards nötig. In der Realität macht allerdings – bezogen auf Ent- icklungsländer – das Übereinkommen 177 den zweiten chritt vor dem ersten. Denn in Entwicklungsländern be- tehen vielfach lediglich rudimentäre soziale Sicherungs- ysteme, und auch im formellen Sektor ist die Einhaltung er Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorga- isation nicht immer selbstverständlich. So ist es kein under, dass es aus vielen Entwicklungsländern selbst eringe politische Bemühungen gibt, die Konvention 177 u befördern. Die Ratifizierung Deutschlands würde da- an wenig ändern. Wir halten es auch im Moment nicht für den richtigen nsatz, die Heimarbeit mit dem formellen Sektor gleich- ustellen, wie es die Konvention fordert. Hier besteht ein iderspruch zu der – bereits erwähnten – Anforderung erselben Konvention, wonach die Heimarbeit spezieller egeln und besonderen Schutzes bedarf. Um die Lage on Heimarbeiterinnen in Entwicklungsländern real zu erbessern, hatten wir derzeit andere Ansätze für Erfolg ersprechender als die Zeichnung der Konvention. So bietet die zweite Stufe der Reform des Vergabe- echts die ideale Gelegenheit für die Bundesregierung, in gesellschaftlich verantwortungsbewusstes Beschaf- ungswesen zu verankern. Unternehmen können dadurch u mehr Transparenz über ihre Zulieferketten und die ortige Einhaltung sozialer und ökologischer Mindest- tandards verpflichtet werden. Dies wäre eine Möglich- eit der Einflussnahme, die mit Sicherheit zu einer bes- eren Durchsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen im ormellen Sektor in Entwicklungsländern führen würde. udem hätte es auch bestimmt positive Effekte auf den nformellen Sektor und damit auf die Situation der eimarbeiterinnen. 82. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1608200000

Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kol-

legen! Ich begrüße Sie alle herzlich.

Heute feiert der Kollege Klaus Uwe Benneter seinen
60. Geburtstag. Dazu möchte ich im Namen des ganzen
Hauses herzlich gratulieren.


(Beifall – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Er ist nicht da! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er feiert noch!)


– Das sind Gelegenheiten im Leben, die sich nur schwer
wiederholen lassen. Der Beifall steht jedenfalls im Pro-
tokoll.

Es gab seit unserer letzten Sitzung noch weitere Jubi-
lare: Die Kollegen Otto Bernhardt und Franz Romer
feierten am 13. bzw. 26. Februar ihre 65. Geburtstage,
und der Kollege Jerzy Montag beging am 13. Februar
seinen Sechzigsten. Auch zu diesen runden Geburtsta-
gen gratuliere ich nachträglich herzlich und wünsche al-
les Gute.


(Beifall)


Nun kommen wir zum geschäftlichen Teil der Veran-
staltung: Der Kollege Matthias Berninger hat am
20. Februar auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bun-

Redet
destag verzichtet. Als Nachfolgerin begrüße ich herzlich
die Kollegin Nicole Maisch.


(Beifall)


Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene
Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufge-
führten Punkte zu erweitern:

ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP:

Energie- und umweltpolitische Konsequenzen der Bundesre-
gierung aufgrund des Klimaberichtes des Weltklimarates
IPCC (siehe 81. Sitzung)


ZP 2 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Aus-
schusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union

(21. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Mich
Gunther Krichbaum, Thomas Bareiß, weite
neter und der Fraktion der CDU/CSU sowie

(C (D ung en 1. März 2007 0 Uhr neten Axel Schäfer Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Die deutsche Präsidentschaft der Europäischen Union zum Erfolg führen – zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Löning, Christian Ahrendt, Michael Link Abgeordneter und der Fraktion der FDP Mehr Ehrgeiz für die deutsche Ratspräsidentschaft – eine EU der Erfolge für die Bürger – zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Dr. Hakki Keskin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN zu der Abgabe einer Erklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat am 14./15. Dezember 2006 in Brüssel und zur bevorstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft – zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft – Ratspräsidentschaft für eine zukunftsfähige EU nutzen – zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Präsidentschaftsprogramm 1. Januar bis 30. Juni 2007 – Europa gelingt gemeinsam – Drucksachen 16/3808, 16/3832, 16/3796, 16/3327, 16/3680, 16/4453 – Berichterstattung: ext Abgeordnete Gunther Krichbaum Axel Schäfer Markus Löning Dr. Diether Dehm Rainder Steenblock ZP 3 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Berliner Erklärung – Werte und Aufgaben der EU im 21. Jahrhundert – Drucksachen 16/4171, 16/4448 – Berichterstattung: te Michael Stübgen fer ning r Dehm eenblock ael Stübgen, rer Abgeord der Abgeord Abgeordne Axel Schä Markus Lö Dr. Diethe Rainder St Präsident Dr. Norbert Lammert ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, Volker Beck Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Einführung einer Klimaschutzabgabe bei Flugreisen – Drucksache 16/4182 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Reinhard Loske, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Wirksame Klimaschutzmaßnahmen im Straßenverkehr ergreifen – Drucksache 16/4429 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Lutz Heilmann, Eva Bulling-Schröter, Dorothée Menzner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN Trendwende beim Klimaschutz im Verkehr – Nachhaltige Mobilität für alle ermöglichen – Drucksache 16/4416 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Reinhard Loske, Kerstin Andreae, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Für mehr Klimaschutz im Verkehr – Kfz-Steuer auf CO2Ausstoß umstellen – Drucksache 16/4431 – ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, Bärbel Höhn, Dr. Reinhard Loske, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN CO2-Emissionen der Dienstwagenflotte des Deutschen Bundestages nachhaltig senken – Drucksache 16/4430 – ZP 9 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses neten Winfried Hermann, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Treibhausgasemissionen bei Dienstreisen ausgleichen – Vorbildfunktion der öffentlichen Hand erfüllen – Drucksachen 16/1066, 16/3847 – Berichterstattung: Abgeordnete Clemens Binninger Siegmund Ehrmann Dr. Max Stadler Jan Korte Silke Stokar von Neuforn ZP 10 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (C (D Bulling-Schröter, Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN Umverteilung durch den Emissionshandel beenden – Vorreiterrolle im Klimaschutz übernehmen – Drucksachen 16/1682, 16/3144 – Berichterstattung: Abgeordnete Andreas Jung Frank Schwabe Michael Kauch Eva Bulling-Schröter Dr. Reinhard Loske ZP 11 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Kauch, Gudrun Kopp, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Klimapolitischen Zertifikatehandel in Deutschland nachhaltig und verantwortungsvoll gestalten – Nationalen Allokationsplan grundlegend überarbeiten – Drucksachen 16/3051, 16/4422 – Berichterstattung: Abgeordnete Andreas Jung Frank Schwabe Michael Kauch Eva Bulling-Schröter Hans-Josef Fell ZP 12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Kauch, Jan Mücke, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Einbeziehung des zivilen Luftverkehrs in den europäischen Emissionshandel – Drucksache 16/3049 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ZP 13 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a)


(21. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder





(A) )


(B) )


(16. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Eva


(16. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Michael


(Ergänzung zu TOP 30)



(Bayreuth), Jan Mücke, Patrick Döring, weiterer Abge-

ordneter und der Fraktion der FDP
Verfassungskonformität der Bahnprivatisierung si-
cherstellen
– Drucksache 16/4413 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Monika Lazar,
Britta Haßelmann, Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN
Bundesmittel nicht verschwenden – Beratungsnetz-
werke gegen Rechtsextremismus nachhaltig fördern
– Drucksache 16/4408 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

ZP 14 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU
und der SPD:
Den positiven Beitrag des Tourismus zum Wirtschafts-
wachstum festigen






(A) )



(B) )


Präsident Dr. Norbert Lammert
ZP 15 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Gerechtigkeit für die Opfer der SED-Diktatur
– Drucksache 16/4409 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so-
weit erforderlich, abgewichen werden.

Die Tagesordnungspunkte 5, 15 und 27 werden abge-
setzt. Der Tagesordnungspunkt 9 soll vorgezogen und
zusammen mit den anstelle des Tagesordnungspunktes 5
vorgesehenen Zusatzpunkten 4 bis 10 beraten werden.
Außerdem ist beabsichtigt, die Tagesordnungspunkte 11
und 10 sowie 13 und 12 jeweils zu tauschen und danach
den Tagesordnungspunkt 17 aufzurufen. Das haben si-
cherlich alle sofort verstanden. Wenn nicht, stehen die
Geschäftsführer, die das ausgehandelt haben, für Erläu-
terungen zur Verfügung.

Schließlich mache ich auf eine nachträgliche Aus-
schussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste auf-
merksam:

Der in der 73. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich
dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend (13. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen wer-
den.

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und
der SPD zur Verbesserung der Beschäfti-
gungschancen älterer Menschen

– Drucksache 16/3793 –
überwiesen:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO

Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Wi-
derspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b so-
wie die Zusatzpunkte 2 und 3 auf:

4 a) Abgabe einer Erklärung durch die Bundeskanzle-
rin

zum Europäischen Rat in Brüssel am 8./9. März
2007

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen
Trittin, Rainder Steenblock, Hans-Josef Fell, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN

EU-Frühjahrsgipfel nutzen – Klimawandel
bremsen und Energiewende vorantreiben

– Drucksache 16/4428 –

Z

Z

(C (D Überweisungsvorschlag: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit P 2 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union – zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Stübgen, Gunther Krichbaum, Thomas Bareiß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Axel Schäfer Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Die deutsche Präsidentschaft der Europäischen Union zum Erfolg führen – zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Löning, Christian Ahrendt, Michael Link Fraktion der FDP Mehr Ehrgeiz für die deutsche Ratspräsidentschaft – eine EU der Erfolge für die Bürger – zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Dr. Hakki Keskin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN zu der Abgabe einer Erklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat am 14./15. Dezember 2006 in Brüssel und zur bevorstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft – zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft – Ratspräsidentschaft für eine zukunftsfähige EU nutzen – zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Präsidentschaftsprogramm 1. Januar bis 30. Juni 2007 – Europa gelingt gemeinsam – Drucksachen 16/3808, 16/3832, 16/3796, 16/3327, 16/3680, 16/4453 – Berichterstattung: Abgeordnete Gunther Krichbaum Axel Schäfer Markus Löning Dr. Diether Dehm Rainder Steenblock P 3 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abge Präsident Dr. Norbert Lammert ordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN Berliner Erklärung – Werte und Aufgaben der EU im 21. Jahrhundert – Drucksachen 16/4171, 16/4448 – Berichterstattung: Abgeordnete Michael Stübgen Axel Schäfer Markus Löning Dr. Diether Dehm Rainder Steenblock Zur Regierungserklärung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung eineinhalb Stunden vorgesehen. – Auch dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat die Bundeskanzlerin, Frau Dr. Merkel. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, heute als Vorsitzende des Europäischen Rates zu Ihnen sprechen zu können. Wir haben uns als Bundesregierung – der Ratssitzung in der nächsten Woche, über die wir heute sprechen, sind ja viele Einzelräte vorausgegangen – sehr gut auf diese Präsidentschaft vorbereitet. Sie wissen, dass in die deutsche Präsidentschaft der 50. Jahrestag der Römischen Verträge fällt. Ich glaube, wir können sagen: Wie 1957 steht die Europäische Union auch heute wieder an einer wichtigen Weggabelung, allerdings unter völlig veränderten Rahmenbedingungen. Damals, vor 50 Jahren, ging es um den Wiederaufbau Europas, um die Schaffung tragfähiger Grundlagen für einen beginnenden Wohlstand. Heute geht es darum, die bisher versäumten oder nur halb vollzogenen Anpassungen der Europäischen Union an ihre neue Größe auf der einen Seite und eine völlig veränderte Weltlage auf der anderen Seite vorzunehmen. Die Bundesregierung stellt sich mit der Aufgabe der Ratspräsidentschaft dieser Verantwortung. Wir wollen das europäische Projekt vorantreiben. Die Menschen – das ist unser Ziel – sollen die Europäische Union als hilfreich empfinden. Dafür ist notwendig, dass die Europäische Union und das, was in ihr geschieht, die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger finden. Dabei ist klar: Nur wenn Europa wirtschaftlich erfolgreich ist, wird es seine Werte und auch sein Lebensmodell behaupten können und weiter dafür werben können. Wir wissen, die Welt wartet nicht auf Europa. Andere Weltregionen – das ist das Zeichen der Globalisierung – entwickeln sich zum Teil in geradezu atemberaubendem Tempo. Viele Länder auf der Welt streben heute danach, a b W m e D E d r m e d F d u a G L r h g r h Z t W W d l m t l z a p i T d p h d u „ D t w z g g ü (C (D uch für ihre Menschen mehr Wohlstand und bessere Leensbedingungen zu erreichen. Wirtschaftlicher Erfolg – das wissen wir – ist kein ert an sich, sondern er soll den Menschen dienen, öglichst allen Menschen; er soll ihnen Lebenschancen röffnen. Das ist für uns das Credo, wie wir es in eutschland nennen, für die soziale Marktwirtschaft. uropa hat – ich glaube, daran gibt es keinen Zweifel – urch die Schaffung des Binnenmarktes bereits erfolgeiche Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Es gibt für ich auch keinen Zweifel daran, dass Deutschland als xportorientierte Volkswirtschaft ganz wesentlich von iesem Binnenmarkt profitiert. Wichtig ist, dass diese rüchte auch denen zugutekommen, die auf unsere Soliarität angewiesen sind. Das gilt für die Bürgerinnen nd Bürger in der Europäischen Union; das gilt aber uch für unsere Fähigkeit, außerhalb der europäischen renzen Hilfe und Unterstützung zu leisten. Europa steht für eine Verbindung von wirtschaftlicher eistungskraft und sozialem Ausgleich. Aber wir spü en, dass dieses Modell, das viele Jahrzehnte funktioniert at, durch die Globalisierung unter einen neuen Druck eraten ist. Wir müssen schauen, wie wir darauf reagieen. Wir müssen uns fragen: Wohlstand für alle – was eißt das, und was braucht es dazu im 21. Jahrhundert? Ich glaube, es ist klar, dass für die Erreichung dieser iele zunächst einmal Wachstum notwendig ist, Wachs um in einer ganz ausgeprägten Dimension: qualitatives achstum, aber an vielen Stellen auch quantitatives achstum. Ohne Wachstum wird es nicht möglich sein, en Wohlstand zu erhalten; es wird so auch nicht mögich sein, Solidarität zu üben. Damit Solidarität und Ge einsinn auch im 21. Jahrhundert für die Menschen weier spürbar sind, müssen wir alles daransetzen, eine eistungsfähige Gesellschaft in der Europäischen Union u bleiben. Sie wissen, dass der Frühjahrsrat, der nächste Woche m 8. und 9. März stattfindet, traditionell als Schwerunkt die Frage der wirtschaftlichen Dynamik und der nternationalen Wettbewerbsfähigkeit Europas auf der agesordnung hat. Dabei ist für uns klar: Die Stärkung er Wettbewerbsfähigkeit, die Schaffung neuer Arbeitslätze und die Verbesserung des sozialen Zusammenalts sind gleichrangige Ziele, die sich gegenseitig beingen. Das ist unser Verständnis von Reformpolitik, nd das ist auch unser Verständnis von dem, was wir europäisches Sozialmodell“ nennen. ieses Sozialmodell ist nicht überall auf der Welt akzepiert. Europa muss dafür kämpfen, dieses Modell als ettbewerbsfähiges, erfolgreiches Modell durchzuset en, und die dafür notwendigen Standards setzen. Nun wissen wir, dass für den Erfolg dieser Strategie anz wesentlich die Mitgliedstaaten Verantwortung traen. Genau deshalb diskutieren wir bei uns zu Hause ber umfangreiche Reformvorhaben. Natürlich müssen Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel durch die Rahmenbedingungen, die von der Europäischen Union, also von Brüssel, gesetzt werden, diese Anstrengungen unterstützt werden. Deshalb haben wir auch ganz bestimmte Schwerpunkte im Rahmen der Lissabonstrategie für den diesjährigen Frühjahrsrat vorgesehen. Dazu gehören die Fragen des sozialen Zusammenhalts; dazu gehören die Energiepolitik und der Klimaschutz; dazu gehören der Ausbau und die Vervollkommnung des Binnenmarkts sowie mehr Flexibilität durch Bürokratieabbau. Das sind die Schwerpunkte des diesjährigen Frühjahrsrats. Die Kommission kann darauf verweisen, dass sie die im Rahmen der Lissabonstrategie angesetzten Vorhaben bereits zu 75 Prozent umgesetzt hat. Die Ziele der Lissabonstrategie zu erreichen, beruht auf einer Mischung von nationalen und europäischen Anstrengungen. Aber wir wissen natürlich auch, dass wir von der Zielsetzung der Lissabonstrategie, nämlich der dynamischste, kreativste und wachstumsfreundlichste Kontinent der Welt zu werden, noch ein ganzes Stück entfernt sind. Das heißt, es bleibt noch einiges zu tun. (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das kann man so sagen!)


(Heilbronn), weiterer Abgeordneter und der





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(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. Angela Merkel (CDU):
Rede ID: ID1608200100

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben aber – auch das soll einmal erwähnt werden –
Fortschritte erzielt. Eine Studie aus jüngster Zeit von Al-
lianz und der Denkfabrik „Lisbon Council“ hat ergeben,
dass Schweden, Belgien, Deutschland und Großbritan-
nien in der Produktivität die USA eingeholt haben. Wir
wissen alle um die Relativität solcher Studien. Aber ich
glaube, dieses Ergebnis macht Mut gerade für weitere
Reformschritte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Die Zahlen belegen es: Die wirtschaftliche Dynamik
in Europa hat sich insgesamt verstärkt. Nach 1,7 Prozent
Wachstum im Jahre 2005 hatten wir im letzten Jahr
2,8 Prozent Wachstum. Die Arbeitslosenquote – für viele
Menschen ist die Schaffung von Arbeitsplätzen am
wichtigsten – wird von 8,8 Prozent im Jahre 2005 auf
voraussichtlich 7,3 Prozent im Jahre 2008 sinken.

Wir wissen, dass Deutschland in diesem europäischen
Konzert eine ganz wesentliche Rolle spielt. Die gestri-
gen Arbeitsmarktzahlen zeigen – ohne dass ich sie jetzt
überbewerten will –, dass wir auf einem richtigen Weg
sind. Wir können uns natürlich mit einer Arbeitslosen-
zahl über 4 Millionen nicht abfinden. Wir können aber
sagen, dass gegenüber dem Vorjahr sehr große Fort-
schritte erzielt worden sind. Darauf müssen wir auf-
bauen und da müssen wir weitermachen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir wissen, dass der Abbau überflüssiger Bürokratie
ganz wesentlichen Einfluss auf das Wirtschaftswachs-
tum haben kann. Die Europäische Kommission hat sich
vorgenommen, bis 2011 die Bürokratielasten für die Un-
ternehmen um 25 Prozent zu senken. Das bedeutet nach
Aussage der Europäischen Kommission eine Möglich-
keit für zusätzliches Wirtschaftswachstum in Höhe von
etwa 1,5 Prozent. Dieser Weg lohnt sich also. Ich be-

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(C (D rüße deshalb dieses Abbauziel. Ich hoffe, wir können as auf dem Rat nächste Woche vereinbaren. Wir haben estern im Kabinett beschlossen, dass die Bürokratie in eutschland um etwa 25 Prozent bei den Statistikund erichtspflichten abgebaut werden soll. Ich glaube, das st ein gutes, nationales, komplementäres Ziel, mit dem ir dann auch in Europa entsprechende Veränderungen infordern können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch lächerlich!)


Wir bekennen uns dazu, dass wir einen Ordnungsrah-
en für die wirtschaftliche Entwicklung brauchen, aber

inen Ordnungsrahmen, der freiheitliche Spielräume er-
ffnet und ermöglicht. Deshalb ist für uns auch ein
chwerpunkt innerhalb dieses Jahres ein erfolgreicher
bschluss der Doha-Runde, für den wir uns ganz massiv

insetzen werden. Denn wir wissen, dass von einer Libe-
alisierung des Welthandels sowohl die Europäische
nion als auch ganz besonders der Exportweltmeister
eutschland profitieren können. Wir wissen aber auch,
ass wir mit fairem Welthandel den Entwicklungslän-
ern in ganz besonderer Weise helfen. Es gibt also eine
roße Dringlichkeit, hier voranzukommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir wollen die Anstrengungen für einen freien Welt-
andel ergänzen – ich sage das ganz ausdrücklich, weil
s manchmal durcheinandergebracht wird – um eine en-
ere transatlantische Wirtschaftspartnerschaft. Hier
eht es nicht um Zölle und tarifliche Hindernisse, son-
ern darum, dass wir bei den Regelungsnormen zwi-
chen der Europäischen Union und den Vereinigten Staa-
en von Amerika mehr Harmonisierung beim Schutz des
eistigen Eigentums, bei Finanzmarktvorschriften und
ei Standards für Industrieprodukte erreichen. Wir glau-
en, dass wir auf diesem Weg erhebliche Spielräume
reisetzen können, die wir dann wieder für Innovation
nd Kreativität verwenden können. Wir wissen, ange-
ichts des Wettbewerbs mit China und Indien ist das
ringend erforderlich. Ich freue mich, dass es gute An-
eichen dafür gibt, dass wir genau dies auf dem nächsten
uropäischen Rat vereinbaren können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


ine solche transatlantische Wirtschaftspartnerschaft
ird auch Gegenstand des EU-Amerika-Gipfels Ende
pril sein, auf dem wir dieses Projekt vorantreiben wol-

en.

Meine Damen und Herren, wir wissen, zu einer siche-
en wirtschaftlichen Zukunft gehört ganz wesentlich eine
ichere Energieversorgung. Das heißt, wir brauchen
erlässliche, bezahlbare und nachhaltige Energie. Dazu
ehört natürlich in unmittelbarem Zusammenhang das
hema Klimaschutz. Beides sind ganz wesentliche
achstumsmotoren. Deshalb wird dies einer der

chwerpunkte auf dem nächsten Europäischen Rat sein.
ir werden, wenn die Beratungen erfolgreich sind, eine

trategische Grundlage für eine wettbewerbsfähige, kli-






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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
maverträgliche und sichere Energieversorgung schaffen,
die die Voraussetzung dafür ist, dass sich die Europäi-
sche Union auch weiter vernünftig entwickeln kann.

Wir sollten uns einmal vor Augen führen, vor welcher
Herausforderung wir beim Klimaschutz stehen, wenn
wir die internationalen und wissenschaftlichen Berichte,
die wir hören, wirklich ernst nehmen. Wenn wir weiter-
machen wie bisher, dann werden die Treibhausgasemis-
sionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 weltweit um
55 Prozent gestiegen sein. Wir können nicht die Augen
davor verschließen, dass das erhebliche Folgen hat. Ich
frage: Wollen wir die Augen davor verschließen, dass
wir in den letzten zwölf Jahren elf der wärmsten Jahre
seit der Wetteraufzeichnung hatten? Wollen wir einfach
hinnehmen, dass der Meeresspiegel steigen wird und
Städte wie Amsterdam, Venedig, Kairo und Bombay da-
mit in Gefahr geraten? Wollen wir hinnehmen, dass wir
völlig unbekannte Wetterphänomene haben, und zwar,
wie für Mitte dieses Jahrhunderts vorausgesagt wird,
Tropennächte in der Harzregion? – Ich glaube, wir kön-
nen dem nicht tatenlos zusehen, zumal wir aus dem
Stern-Report wissen, welche wirtschaftlichen Kosten
sich aus dem Nichthandeln ergeben. Deshalb ist es Zeit,
zu handeln, und deshalb muss gehandelt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben diese Diskussion im vorigen Jahr auf dem
Frühjahrsrat unter dem Thema Energie, aber auch unter
dem Thema Klimaschutz begonnen. Die Kommission
hat darauf mit ihren Vorschlägen zu einem integrierten
Konzept reagiert. Das ist ein qualitativer Schritt nach
vorne. Es ist jetzt Aufgabe des Rates, dieses integrierte
Konzept zu unterstützen.

Es gibt ambitionierte Klimaschutzziele. Ich bekenne
mich zu dem Vorschlag – ich freue mich, dass auch der
Umwelt- und der Energierat das gemacht haben –, die
Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union bis
zum Jahre 2020 um 20 Prozent zu senken. Wenn noch
andere internationale Player dabei sind, werden wir auch
eine 30-Prozent-Senkung ins Auge fassen.

Ich möchte hier aber nicht verschweigen, dass das ein
wirklich ehrgeiziges Ziel ist. Ich will Folgendes vor Au-
gen führen: Das Kiotoprotokoll verlangt von der Euro-
päischen Union, dass die CO2-Emissionen zwischen
1990 und 2012, also in 22 Jahren, um 8 Prozent gesenkt
werden. Das, wozu wir uns jetzt verpflichten, bedeutet,
dass wir zwischen 2012 und 2020, also in acht Jahren,
noch einmal um 12 Prozent senken. Wir haben heute, zu
Beginn des Jahres 2007, in der Europäischen Union von
der vereinbarten 8-Prozent-Senkung 1,2 Prozent er-
reicht.

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich im Rahmen
des Kiotoprotokolls verpflichtet – obwohl wir nur
20 Prozent der Einwohner und ein Viertel der Emissio-
nen in der Europäischen Union haben –, 75 Prozent der
Reduktionsverpflichtung zu übernehmen, weil wir natür-
lich durch die deutsche Einheit einen gewissen Startvor-
teil hatten. Das wird in der nächsten Periode so nicht

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(C (D ehr gehen. – Damit habe ich die Dimension dessen bechrieben, wozu sich die Europäische Union verpflichen möchte. Ich sage ganz klar: Wir werden in der Phase bis 2020 en Beweis erbringen müssen – wir wollen das auch –, ass Ökologie und Ökonomie miteinander versöhnt und trategien entwickelt werden können, die sowohl Wirtchaftswachstum und Arbeitsplätze als auch einen nachaltigen Umgang mit der Umwelt ermöglichen. Das ist ie große Aufgabe, vor der wir stehen. eshalb finde ich es richtig, dass die Kommission es icht bei der Definition des Ziels belassen hat, sondern ass sie auch ehrgeizige Ziele formuliert hat, die den eg beschreiben, wie man dort hinkommen kann. Ein Schlüssel ist die Energieeffizienz, das heißt die rage, wie wir das Gleiche mit weniger Energieverrauch erreichen können. Hier haben wir in der Bundesegierung, unterstützt vom Deutschen Bundestag, mit em CO2-Gebäudesanierungsprogramm neue Wege bechritten. Ich will aber darauf hinweisen, dass das, was ir in diesem Rahmen an Reduktion von CO2-Emissioen erreichen, um ein Vielfaches übertroffen werden uss, wenn wir die Gesamtziele erreichen wollen. Wir erden mit unserem CO2-Gebäudesanierungsprogramm ngefähr 1 Million Tonnen CO2-Emissionen einsparen. emessen an der notwendigen Gesamtmenge ist das war ein richtiger Schritt; das reicht aber bei Weitem icht aus. Es ist daher richtig und wichtig, dass wir ganz weentlich in Technologieforschung, in Energieeffizienzorschung investieren. Dem dient auf nationaler Ebene atürlich die Hightechstrategie und dem dient innerhalb er Europäischen Union das siebte Rahmenforschungsrogramm. Noch nie in der Geschichte der Europäischen nion hat es ein so umfangreiches Forschungsprogramm egeben. Dieses Forschungsprogramm muss sich natürich mit der gesamten Breite der Emissionen von Treibausgasen beschäftigen. Hierzu gehören neben den ereuerbaren Energien, die ein großer Schwerpunkt sind, uch emissionsarme Kohletechnologien mit Abscheiung und Speicherung von Kohlenstoff. Das ist ein ganz eues Feld. Die Europäische Union will bis 2015 zwölf emonstrationsanlagen errichten. Vattenfall hat hier in randenburg mit der Planung der ersten Anlage begonen. Man muss wissen: Durch eine CO2-Abscheidung rniedrigt sich der Wirkungsgrad der Kohlekraftwerke. enau an dem Punkt muss geforscht werden. Die Fragen er Speicherung – ich sage hinzu: später auch der Verendung des CO2 – sind völlig ungelöste technische robleme, aber auch sehr spannende Fragen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


ir wollen daran arbeiten – das ist ein unglaublich ehr-
eiziges Ziel –, dass solche Kohlenstoffabscheidungs-
echnologien in großem Maßstab bis 2020 auf dem

arkt sind.






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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Wir brauchen emissionsarme Fahrzeuge und soge-
nannte Plus-Energiehäuser, also Häuser, mit denen mehr
Energie erzeugt als verbraucht wird.

Ich will noch kurz etwas zu der Fahrzeugdiskussion
sagen, weil das Thema aus meiner Sicht in der Öffent-
lichkeit zum Teil verzerrt diskutiert wurde. Die Bundes-
regierung unterstützt das Ziel, bis 2012 die CO2-Emis-
sionen auf 120 Gramm pro Kilometer im Durchschnitt
der europäischen Autoflotte zu senken, auf 130 Gramm
durch Technologie und dann auf 120 Gramm durch die
Beimischung von 10 Prozent Biokraftstoffen. Darüber
herrscht auch Einverständnis. Wir legen aber Wert da-
rauf, dass diese Werte nicht pro Hersteller erreicht wer-
den müssen, sondern dass dies ein Flottenmittelver-
brauch ist. Es ist uns gelungen, dass die Kommission das
akzeptiert hat. Das heißt nicht, dass die technischen An-
strengungen für die großen Fahrzeuge nicht genauso
groß sein müssen wie für andere.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die müssen sich mehr anstrengen!)


Das heißt aber, dass auch diejenigen, die schon heute
weniger als 120 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen,
die Verpflichtung haben, technologische Verbesserungen
durchzusetzen, damit der Durchschnitt sinkt. Das gilt für
jeden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Europäische Union ist schon heute weltweit füh-
rend im Bereich der Technologie für erneuerbare Ener-
gien. Bei der Windenergie haben wir – darauf können
wir stolz sein – einen Weltmarktanteil von 60 Prozent.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir, ja?)


– Es macht richtig Eindruck in China und Indien, wenn
wir uns jetzt in diesem Hause darüber streiten, wer nun
„wir“ ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Freuen wir uns jetzt doch gemeinsam darüber, dass wir
bei der Windenergie einen Weltmarktanteil von 60 Pro-
zent haben. Ob das nun ein Gesetz war, das noch von
dem Kollegen Austermann, der heute in Schleswig-Hol-
stein Minister ist, gemacht wurde, oder ob es von den
Nachfolgern gemacht wurde: Tatsache ist, wir sind er-
folgreich. Darüber freuen wir uns jetzt einfach mal zehn
Sekunden lang, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dirk Niebel [FDP])


Um das alles durchsetzen zu können, müssen wir im
Übrigen den Wettbewerbsgedanken in Europa stärken,
das heißt den Binnenmarkt im Strom- und Gasbereich
durchsetzen. Wir erleben gerade in diesen Tagen wieder,
dass das gar nicht so einfach ist.

Wenn die Sitzung des Europäischen Rats in der
nächsten Woche erfolgreich ist, werden wir einen Ener-
gieaktionsplan verabschieden. Das wird die erste ge-
meinsame, über Jahre hinaus verpflichtende europäische

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(C (D ntwort auf die Herausforderungen der Energiepolitik ein. Ich finde, das ist ein wichtiger und guter Schritt. (Beifall der Abg. Dr. Angelica Schwall-Düren [SPD])


enn wir die Klimaschutzziele so vereinbaren, wie wir
s jetzt vorhaben, dann werden wir für unsere G-8-Präsi-
entschaft sowie die Gespräche auf dem EU-Amerika-
ipfel und auf dem EU-Russland-Gipfel die Vorausset-

ung dafür haben, dass Europa Vorreiter wird und damit
m Bereich Klimaschutz beispielgebend ist.

Ich will hinzufügen: Ich weiß, dass in der Europäi-
chen Union nur 15 Prozent der weltweiten CO2-Emis-
ionen ausgestoßen werden. Es ist klar, dass Europa es
icht allein schaffen wird – deshalb muss es gelingen,
ndere zu überzeugen –, das Klimaproblem zu lösen. Für
ich ist aber auch klar: Wenn wir in Europa zeigen kön-

en, dass Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit,
konomie und Ökologie, keine Gegensätze sind, dann
ird uns das die Technologieführerschaft, die Innova-

ionsführerschaft auf diesem Gebiet einbringen. Damit
eigen wir gleichzeitig, dass wir unserer Verantwortung
ür die Welt gerecht werden. Diese Chance sollte Europa
utzen. Damit können wir bei den anderen werben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir alle wissen: Europa reduziert sich nicht auf
ichtlinien, Beschlüsse über Milchkühe, Olivenhaine
nd Chemikalien. Die Fähigkeit der 27 Mitgliedstaaten,
ich in Einzelfragen immer wieder auf Kompromisse zu
inigen, beruht auf der Tatsache, dass uns ein gemeinsa-
es Verständnis, ein gemeinsames Wertefundament

int. Wir müssen dieses Europa aus der Perspektive der
ürgerinnen und Bürger, der Menschen, denken. Des-
alb wollen wir die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag
er Römischen Verträge am 24. und 25. März dazu nut-
en, dieses Wesensmerkmal Europas in der Berliner Er-
lärung deutlich zu machen, und zwar zum einen durch
ie Benennung dessen, was gelungen ist, zum anderen
ber auch durch die Benennung der Aufgaben für das
1. Jahrhundert.

Wir wissen – ich glaube, das ist richtig so –, dass die
rage, wie es nach dem Ende unserer Präsidentschaft mit
em Verfassungsvertrag weitergeht, für unsere Präsi-
entschaft, vor allen Dingen aber für die Zukunft der Eu-
opäischen Union wesentlich ist. Sie wird auch darüber
ntscheiden, wie wir in die Europawahlen 2009 gehen.
ir wissen, die gemeinsame Zukunft der Europäischen
nion lässt sich nicht mit dem Vertragswerk von Nizza
estalten. Wir brauchen einen Vertrag, der die regionale,
ie subsidiäre Verantwortung stärker benennt, der Eu-
opa institutionell handlungsfähig macht, der deutlich
acht, was die Europäische Union eint. Deshalb werden
ir bis zum Juni an dem Fahrplan, wie es mit dem Ver-

assungsvertrag weitergeht, zu arbeiten haben. Erste
onsultationen zeigen, dass es bei allen Schwierigkeiten

ine breite Zustimmung für die Auffassung gibt, dass
ir ein Zeichen setzen müssen, dass diese Europäische
nion handlungsfähig ist.

Die Bundesregierung wird alles daransetzen, das in
hrer Kraft Liegende dafür zu tun;






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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


denn wir wissen: Europa ist unsere Zukunft. Globaler
Handel, Umweltschutz, illegale Migration und interna-
tionale Sicherheitsfragen – all das können Nationalstaa-
ten heute nicht mehr alleine bewältigen. Kaum ein Poli-
tikbereich – das spüren wir auch im Bundestag – ist von
den internationalen Implikationen unberührt.

Weil das so ist, wünsche ich mir: Bleiben wir Euro-
päer uns trotz aller Probleme und Schwierigkeiten der
überaus großen Zukunftschancen, die diese Europäische
Union hat, bewusst! Seien wir uns bewusst, dass es an
uns liegt – so, wie es vor 50 Jahren den Gründungsvätern
der Europäischen Union gelungen ist –, dadurch, dass
wir über den Tellerrand hinausschauen und die wesentli-
chen Herausforderungen unseres Jahrhunderts sehen, die
europäische Erfolgsgeschichte der letzten 50 Jahre in
den nächsten 50 Jahren fortzuschreiben, um das zu
schaffen, was heute zum großen Teil bereits geschaffen
worden ist: einen Raum des Friedens, der Freiheit, der
Sicherheit und des Wohlstands. Dafür lohnt es sich zu
arbeiten.

Herzlichen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1608200200

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort erhält zunächst der Vorsitzende der FDP-
Fraktion, Dr. Guido Westerwelle.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1608200300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Ich möchte Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, zunächst
einmal viel Erfolg für die Bewältigung der herausragen-
den Aufgabe, die Sie vor sich haben, wünschen. Um es
gleich vorab zu sagen: Dass Ihre Präsidentschaft, dass
die Präsidentschaft Deutschlands in der Europäischen
Union Erfolg hat, liegt nicht nur im Interesse der Regie-
rungsfraktionen, sondern es ist ein nationales Interesse
und ein Interesse des ganzen Hohen Hauses.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Natürlich sind Regierungserklärungen der Regierungs-
chefin davon getragen, dass sie nicht in allem konkret
sein können. Das ist ganz selbstverständlich. Zu dem,
was Sie vorgetragen haben, wird es aller Voraussicht
nach eine ganz überragende Zustimmung über die Par-
teigrenzen hinweg in diesem Hohen Hause geben. Ihre
Ausführungen hatten einen solchen Konkretisierungs-
grad, dass das ganze Hohe Haus dem nur zustimmen
kann.

Aber das Entscheidende ist das, was nicht angespro-
chen worden ist. Darüber müssen wir reden. Sie haben
zu Beginn Ihrer Präsidentschaft, Anfang des Jahres, zu
Recht darauf hingewiesen, wie notwendig es ist, dass wir

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(C (D en Verfassungsprozess wieder in Gang setzen. Dabei nterstützen wir Sie. Sie haben hier davon gesprochen, ass ein Fahrplan notwendig ist, und Ihren Optimismus ezeigt, dass wir in der Lage sein werden, in Europa eien gemeinsamen Fahrplan zu finden. Dafür wünschen ir Ihnen viel Erfolg. Aber bevor man einen Fahrplan findet, muss man erst inmal entscheiden, welcher Zug nach diesem Fahrplan ahren soll. Das heißt, welchen Verfassungstext wollen ir eigentlich durchsetzen? Wie ist die deutsche Hal ung bei diesen Verhandlungen? Wollen wir den alten erfassungstext weiter forcieren? Setzen wir auf einen ürzeren Verfassungstext? Wollen wir uns darauf konretisieren, einige wesentliche Kernpunkte dieses Verassungstextes in Europa durchzusetzen? Von der Präidentschaft der Deutschen in Europa erwarten wir, amit der Verfassungsprozess Erfolg hat, dass die Reierung selber weiß, was am Schluss herauskommen oll. Ein Fahrplan ist zu wenig; Inhalt ist gefragt. Einen Bereich, den ich ansprechen möchte, haben Sie n Ihrer Regierungserklärung völlig ausgespart. Er macht einer Fraktion große Sorgen; ich bin ganz sicher, auch enjenigen aus anderen Fraktionen, die an der Sichereitskonferenz in München teilgenommen haben. Es eht um die Diskussion über die Gemeinsame Außennd Sicherheitspolitik Europas. Die Frage muss doch auten: Ist die Gefahr nicht erheblich und groß, dass die nkündigungen Tschechiens, Polens und der Vereinig en Staaten von Amerika, ein Raketenabwehrsystem in olen und Tschechien zu stationieren, zu einem neuen üstungswettlauf führen können? Das ist nicht die bila erale Angelegenheit von Tschechien und Polen einereits und den Vereinigten Staaten von Amerika anderereits. Das ist eine europäische Frage, eine Frage unseres ündnisses. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie uns erklä en, was Ihre Initiativen sein werden, damit hier keine pirale eines neuen Rüstungswettlaufs entstehen kann. as ist europäisches Interesse. Die Äußerungen des schechischen Außenministers, man sei ein souveräner taat und die Sowjetunion sei untergegangen, sind – mit erlaub – zu uneuropäisch und zu kurz gesprungen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


(Beifall bei der FDP)


Wir werden uns mit dieser Frage mehr als einmal aus-
inandersetzen müssen. Auch wenn das eine Angelegen-
eit ist, die vielleicht nur am Rande der Tagesordnung in
rüssel am 8. und 9. März zu beraten sein wird: Sie ist,
rau Bundeskanzlerin, von herausragender Bedeutung!
s reicht auch nicht aus, dass die Vereinigten Staaten
on Amerika durch ihre Außenministerin mitteilen, man
abe Russland schließlich darüber informiert. Das ist
icht das, was man braucht. Das Mindeste, was man er-
arten kann, ist eine Konsultation. Die Reaktionen auf
ie Rede, die Präsident Putin in Deutschland gehalten
at, verwundern mich durchaus – genauso wie der Grad
er Erregung. Ich stelle mir umgekehrt die Frage, wie
ohl die Reaktionen in den Vereinigten Staaten von
merika wären, wenn Russland planen würde, ein sol-






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Dr. Guido Westerwelle
ches Raketenabwehrsystem vor den Toren Washingtons,
zum Beispiel auf Kuba, zu stationieren.


(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Natürlich wäre auch das keine Angelegenheit, die nur
Kuba und die russische Führung betreffen würde, son-
dern das wäre eine globale Frage.

Frau Bundeskanzlerin, meines Erachtens muss sich
die deutsche EU-Ratspräsidentschaft mit diesem Thema
beschäftigen; der Bundesaußenminister hat dazu bereits
ein paar Bemerkungen gemacht. Ich frage Sie: Wie ist
die Haltung der Deutschen? Deutschland hat die EU-
Präsidentschaft übernommen. Das heißt, dass wir auch
in dieser Frage führen müssen. Wir Liberalen jedenfalls
wollen an dem Ziel einer Gemeinsamen Außen- und Si-
cherheitspolitik Europas festhalten und wehren uns da-
gegen, dass es zu einer Spaltung der Europäischen
Union bzw. des westlichen Bündnisses kommt, indem
Länder gegeneinander ausgespielt werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich will es mir ersparen, an dieser Stelle Ihre Ausfüh-
rungen zum Wirtschaftswachstum zu wiederholen. Nur
ein kurzer Hinweis: Alle Zahlen zum Wachstum in der
Europäischen Union, die Sie vorgetragen haben, belegen
eines: dass Deutschland immer noch hintansteht. Die
Daten zum durchschnittlichen Wirtschaftswachstum in
der Europäischen Union, die Sie selbst genannt haben,
sind – mit Verlaub – Anlass zur Sorge. In Wahrheit holen
wir nicht auf, sondern wir fallen etwas weniger schnell
zurück. Das ist die reale Lage. Die anderen Länder in
Europa wachsen viel schneller als Deutschland. Daher
kann man nicht sagen, dass Deutschland aufholt. Das
mag die Partystimmung der Regierung stören, aber es
gehört zu einer nüchternen Analyse dazu. Die Konjunk-
turkrise ist hoffentlich vorbei. Wenn wir aber meinen,
damit sei auch die Strukturkrise in Deutschland gelöst,
dann wird uns die nächste Konjunkturkrise doppelt hart
treffen.


(Beifall bei der FDP)


Schließlich möchte ich das, was Sie, Frau Bundes-
kanzlerin, zur Energiepolitik gesagt haben, aufgreifen.
Die ehrgeizigen Ziele, die Sie in diesem Bereich formu-
liert haben, werden meiner Einschätzung nach vom gan-
zen Hause mitgetragen. Das gilt ausdrücklich auch für
die Maßnahmen, die Sie im Hinblick auf die Steigerung
der Energieeffizienz vorgeschlagen haben. Wer wollte
hier ernsthaft widersprechen? Das sind für nachden-
kende Menschen eigentlich Selbstverständlichkeiten.


(Zurufe von der SPD: Das ist ja ganz neu! – Oh! Oh!)


– Ja, das sind eigentlich Selbstverständlichkeiten.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer „eigentlich“ sagt, hat schon verloren!)


– Herr Kollege Trittin, das, was Sie so alles sagen, ist si-
cherlich immer richtig – und überhaupt.

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(C (D Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe eine Lust, nur über Gemeinsamkeiten zu sprechen und afür meine Redezeit zu verbrauchen. Entscheidend ist ämlich ein anderer Punkt, den Sie allerdings nicht anesprochen haben – darauf möchte ich hinaus –: der Kliawandel. Die entscheidende Frage in der Energiepoli ik sparen Sie in Ihren Antworten aus, nämlich: Steigt eutschland entgegen dem, was in allen anderen Länern der Welt getan wird, wirklich aus der Kernenergie us oder nicht? (Ulrich Kelber [SPD]: Das soll die entscheidende Frage sein? Sie haben nichts dazugelernt!)


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


azu sagen wir: Wer den Klimawandel bekämpfen will
nd dann beschließt, dass Deutschland in einem nationa-
en Alleingang aus der Kerntechnologie, die hierzulande
ine Spitzentechnologie ist, aussteigt, der verschlechtert
ie Umweltlage, der vergrößert unsere Abhängigkeit von
usländischen Energielieferungen


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Leider wahr!)


nd der schadet den wirtschaftlichen Perspektiven
eutschlands.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Man muss erwarten können, dass Sie sich nicht um die
ntwort auf diese Frage herummogeln, sondern etwas
azu sagen. Sie müssen zumindest darlegen, wie Sie auf
uropäischer Ebene handeln werden. Wie werden Sie sich
uf dem G-8-Gipfel in Heiligendamm verhalten, wenn die
ertreter aller anderen Länder sagen, dass sie die Kern-
raft ausbauen? Derzeit sind weltweit 160 Kernkraftwerke
n Planung. In diesen Ländern weiß man, dass man ver-
ünftig handelt, wenn man eine Form der Energiegewin-
ung praktiziert, durch die der Klimawandel nicht beför-
ert wird.

Diese Fragen haben Sie heute ausgespart. Darauf hät-
en wir uns allerdings viel konkretere Antworten ge-
ünscht. In der Energiepolitik den Zeigefinger zu erhe-
en, in Wahrheit aber durch den Ausstieg aus der
erntechnologie, die in Deutschland eine Spitzentech-
ologie ist, den Klimawandel zu befördern, das ist ein
iderspruch in sich. In dieser Frage wird Ihnen die libe-

ale Opposition in diesem Hause widersprechen.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1608200400

Für die SPD-Fraktion erhält nun das Wort der Kollege

urt Bodewig.


Kurt Bodewig (SPD):
Rede ID: ID1608200500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

ede meines Vorredners begann so konstruktiv, da war
ch eigentlich schon zuversichtlich, dass wir Europa ge-

einsam gestalten. Dann kam aber leider wieder die üb-
iche Mäkelei der Liberalen.

Zum letzten Thema will ich sagen: Herr Westerwelle,
ch habe noch sehr genau in Erinnerung, wie das war, als
ie Diskussion über die erneuerbaren Energien begann:






(A) )



(B) )


Kurt Bodewig
Die waren für Sie anfangs noch keine Selbstverständ-
lichkeit. Vielleicht sollten wir uns häufiger an frühere
Debatten erinnern. Auf das Thema „erneuerbare Ener-
gien“ wird mein Kollege Ulrich Kelber nachher etwas
näher eingehen. Deswegen will ich meine Redezeit auf
andere Themen verwenden.

Ich möchte mich erst einmal bei der Bundeskanzlerin
dafür bedanken – sie hört jetzt nicht zu; aber der Dank
gilt trotzdem –, dass sie sich so darum bemüht, den sen-
siblen Verfassungsprozess wieder in Gang zu bringen,
und mein Dank schließt den Bundesaußenminister aus-
drücklich mit ein. Ich glaube, diese sensible Konsulta-
tion ist genau der richtige Weg. Denn wenn wir schon
heute Vorgaben beschreiben, welche Schritte zu gehen
sind, werden wir nicht zu einem Ergebnis kommen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich glaube, dass sich in diesen acht Wochen der deut-
schen Ratspräsidentschaft in der Verfassungsfrage mehr
bewegt haben wird als in der zweijährigen Reflexions-
phase.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Was hat sich denn bewegt? Es hat sich gar nichts bewegt!)


Dass Deutschland Motor für Bewegung in Europa ist
– und dabei sollte es bleiben –, ist übrigens ein Grund,
stolz zu sein. Das ist auch auf bestimmte andere Äuße-
rungen die richtige Antwort.

Damit komme ich zu einem zweiten Punkt meines
Vorredners. Er sollte zur Kenntnis nehmen, dass Studien
zufolge – wie der vom Research Center der Allianz –
Deutschland bei der Produktivität die USA eingeholt, in
bestimmten Bereichen sogar überholt hat. Wir haben die
Neigung, solche innovativen Leistungen eher zurückhal-
tend zu beurteilen. Das ist die deutsche Selbstbefindlich-
keit, eigene Erfolge nicht benennen zu wollen. Das führt
aber nicht weiter und stärkt uns nicht. Deshalb ist es nö-
tig, festzuhalten: Wir haben in Europa Maßstäbe gesetzt.

Das Topthema Energie auf dem Frühjahrsgipfel wird
zeigen: Deutschland ist bei den erneuerbaren Energien
mittlerweile Weltmarktführer. Es war also richtig, dass
wir mit ihrem Ausbau frühzeitig begonnen haben. Dabei
gehören die traditionellen Industrien, die traditionellen
Kraftwerke, aus meiner Sicht keineswegs zur Altindus-
trie, sondern sie sind ebenfalls Hightech. Wenn wir etwa
mit BoA den Wirkungsgrad um 50 Prozent erhöhen kön-
nen, dann sind wir auch da weltmarktfähig, und das wird
sich bis hin auf Märkte wie China und Indien auswirken.

Zur Lissabonstrategie. Es ist ganz wichtig, dass wir
unsere Linie – die Trias aus Nachhaltigkeit, Sozialver-
pflichtung und Wettbewerbsfähigkeit – beibehalten. Kei-
ner dieser drei Punkte kann für sich alleine stehen, nur in
dieser Kombination wird Europa sich entwickeln. Wir
haben in der EU seit Verabschiedung der Lissabonstrate-
gie – namentlich nach der Neufokussierung 2005 wurde
dies deutlich verstärkt – 8 Millionen neue Stellen. Wir
haben zwar immer noch 17 Millionen Arbeitslose in Eu-
ropa – immer noch zu viele Arbeitslose –; aber dass

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(C (D aßnahmen wie das Nationale Reformprogramm ihre irkung zeigen, ist erkennbar. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Da darf man gerne klatschen.

Ich sage als Sozialdemokrat natürlich auch: Die
genda 2010 – so schwierig sie war und so schmerzhaft

ie in Teilen war – zeigt jetzt Wirkung. Auch ihr verdan-
en wir die real 300 000 neuen Arbeitsplätze, die im ver-
angenen Jahr entstanden sind.


(Beifall bei der SPD – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: So viel Arme wie noch nie!)


Lassen Sie mich noch auf einen anderen Punkt einge-
en. Innovation in Deutschland heißt Hightech. Sie heißt
ber auch: eine breite Qualifikation. Um das duale Sys-
em, das wir in Deutschland haben, beneiden uns alle an-
eren Mitgliedstaaten der EU. Wir sollten es nicht aufge-
en. Es ist übrigens die Basis dafür, dass wir auch an
nderen Stellen weiterkommen, etwa bei der Exzellenz-
nitiative – einer großen Leistung –, beim Pakt für For-
chung und Innovation, bei der Hochtechnologiestrategie
nd natürlich beim 3-Prozent-Ziel, das wir gemeinsam
ereinbart haben und das wir erreichen werden.

An die FDP gerichtet, will ich sagen: Was uns in der
uropafrage unterscheidet, ist, dass wir die Menschen
itnehmen wollen. Die Bolkestein-Richtlinie hat sehr

eutlich gemacht, was Ihre Vorstellung von Freiheit in
uropa angerichtet hat. Die Referendumsergebnisse re-
ultieren zum Teil auch aus einem solchen Europaver-
tändnis. Wir wollen die Menschen mitnehmen, und wir
ollen ein soziales Europa.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich habe deshalb die Bitte an die Bundeskanzlerin, die
ernbotschaften des Ministerrats für den Bereich Arbeit
nd Soziales aufzugreifen. Gerade beim Frühjahresgip-
el geht es um das Thema „Flexicurity“, das heißt eine
rößere Flexibilität, die aber mit einer angemessenen
eteiligung und Arbeiternehmerrechten verbunden ist.

Flexibilität und Sicherheit beim Übergang zwischen
en verschiedenen Abschnitten der Arbeit halte ich für
en entscheidenden Punkt. Wir müssen im Beschäfti-
ungsbereich einen am Lebenszyklus orientierten An-
atz schaffen und den Fokus verstärkt auf die Menschen
ichten, die am Rande des Arbeitsmarktes stehen.

Nicht zuletzt steht die Europäische Union vor einer
ngeheuren Herausforderung durch die demografische
ntwicklung. Wir müssen die damit verbundenen Fragen

etzt beantworten. Dazu gehört auch die Anpassung der
entensysteme an die Notwendigkeiten, die wir zu voll-
iehen haben. Es geht aber auch um die Gesundheitsvor-
orge und Langzeitpflege in einer alternden Gesellschaft.
ies sind sehr wichtige Themen. Wir arbeiten permanent

n den Antworten und haben schon viele wichtige
chritte vollzogen.

Ich danke dem Vizekanzler für seine besondere Fo-
ussierung auf den Begriff „gute Arbeit“. Das ist nicht
ur dahergesagt. Es geht darum, dass ein normales






(A) )



(B) )


Kurt Bodewig
Arbeitsverhältnis den Menschen wieder die Sicherheit
bietet, ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, ihr
Leben zu gestalten und die Existenzfähigkeit ihrer Fami-
lien zu gewährleisten.


(Beifall bei der SPD)


Dazu gehört auch ein fairer Lohn.

Es geht auch darum, diese Formen eines sozialen Ver-
ständnisses in der EU weiterzuentwickeln. Es gibt nicht
das europäische Sozialmodell; vielmehr ist ein europäi-
sches Sozialmodell als gemeinsame Konstruktion im
Werden, in dem Versuch, uns in Europa auf bestimmte
Grundsätze – wie ausgeprägte Systeme der sozialen Si-
cherheit, eine funktionierende Sozialpartnerschaft, klare
Regeln des Arbeitsschutzes, gute Bildungssysteme, eine
Politik gegen soziale Ausgrenzung und klare Regelun-
gen für Gleichbehandlung – zu einigen. Wir sind hierbei
ein großes Stück weitergekommen und werden die Be-
mühungen weiter forcieren.

Bei dem Frühjahrsgipfel geht es um ein weiteres
Thema, nämlich die Wettbewerbsfähigkeit. Dazu gehö-
ren Innovationen, Technologieentwicklungen, aber auch
eine bessere Rechtsetzung. Auch das unterstützen wir.
Die Ziele sind zwar ambitioniert, aber erreichbar: Verein-
fachung bestehender Rechtsvorschriften, systematischer
Einsatz von Folgeabschätzung, Messen der bürokrati-
schen Belastungen und Reduktion der Verwaltungslast
um 25 Prozent bis 2012. Aber ich füge gleich hinzu: Dies
darf nicht als Hintertür zum Abbau von Standards die-
nen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Über die Standards muss in einer politischen Diskussion
beraten und entschieden werden. Insofern warne ich vor
einer Fehlentwicklung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das europäische Sozialmodell ist sicherlich für uns
alle wichtig, weil es sich positiv von anderen globalen
Zentren dieser Welt unterscheidet und weil wir damit die
Voraussetzungen und eine Basis dafür schaffen, Europa
auch aus der Sicht anderer Kontinente attraktiv zu ge-
stalten. Vor diesem Hintergrund ist die eben von mir be-
schriebene Trias zu sehen.

Wir sollten versuchen, diese starke gemeinsame Basis
in Europa in Sachen Forschung und Technologieent-
wicklung, Innovation und sozialen Zusammenhalt mit
einem Prozess zu verbinden, der Europa stärker zusam-
menführt. Damit komme ich zurück zur Verfassungsdis-
kussion.

Die Berliner Erklärung – sie wird einen Rückblick
bieten, aber vor allem in die Zukunft weisen – kann uns
erste Anhaltspunkte dafür geben, wie der Prozess wieder
in Gang gesetzt werden kann und wie sich die Zukunft
gestaltet. Unser aller Bemühen – das gilt für die Regie-
rung, die Mitglieder in den Räten, aber auch für die Par-
lamentarier – ist, dass dieser ins Stocken geratene Pro-
zess erneut in Bewegung gesetzt wird. Das heißt, wir
versuchen, in diesem Prozess gemeinsam dafür zu wer-
ben, dass ein Europa nach den Regeln von Nizza nicht

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(C (D xistenzfähig ist. Europa wird die globale Wettbewerbsituation mit den sich neu bildenden Zentren der Welt aber auch mit den alten – nicht gewinnen können. Aus iesem Grund liegt eine besonders große Verantwortung ei uns. Diese sollten wir alle wahrnehmen. Ich freue mich, dass die Bundesländer in einem geeinsamen Papier diese Weiterentwicklung ebenfalls okumentiert haben. Ich hätte mir zwar etwas mehr geünscht – wohl wissend, dass die süddeutschen Bundes änder etwas zurückhaltender waren –, aber ich glaube, ass dieses Papier der Bundesländer eine gute Basis ist. ir sollten weiter daran arbeiten. Im Zusammenhang mit dem europäischen Prozess allen mir einige Zeilen eines englischen Songs ein, der ine gewisse Leichtigkeit des Seins wiedergibt: „Yesteray is history, tomorrow is mystery“. Auf Deutsch: Gesern ist Geschichte, das Morgen ist ein Geheimnis, ein ätsel. – Wir können das konkret beantworten: Europa st heute. Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, und Ihnen, Herr undesaußenminister, wünsche ich eine glückliche and beim anstehenden Gipfel. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1608200600

Nächster Redner ist der Kollege Oskar Lafontaine für

ie Fraktion Die Linke.


Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608200700

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en! Ich möchte mich vier Punkten zuwenden, die in der
eutigen Debatte angesprochen wurden. Der erste Punkt
etrifft den europäischen Verfassungsentwurf. Ich finde,
ass der Vorsitzende der FDP-Fraktion recht hat, wenn
r sagt: Es genügt nicht, nur darüber zu reden, dass man
en Verfassungsprozess erneut beleben will oder den
erfassungsentwurf befördern will. Vielmehr müssen
ir uns über die Ziele verständigen. Es ist ebenfalls rich-

ig, wenn darauf hingewiesen wird, dass die Bundes-
anzlerin über die Ziele wenig gesagt hat. Dabei wären
reitere Ausführungen angesichts der Tatsache notwen-
ig gewesen, dass der Verfassungsentwurf, sofern er ei-
er Volksabstimmung wie in Frankreich und den Nieder-
anden unterworfen wurde, zurückgewiesen wurde. Wir
ürden uns als Parlament einen Gefallen erweisen,
enn wir sagten: Wenn wir eine Verfassung auf den Weg
ringen, dann wollen wir auch die Bevölkerung einbe-
iehen. Ein Europa über die Köpfe der Bevölkerung hin-
eg ist nicht das Europa, das die Linke will.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Deshalb bedauere ich es, dass einfach so getan wird,
ls läge es nur in der Kompetenz der Parlamente oder der
egierungen, einen Verfassungsentwurf zustande zu
ringen. Wer den wirklichen Sinn eines Verfassungsent-
urfs erfasst und weiß, wie Verfassungen konstituiert

ein müssen, wenn sie denn von der Gesellschaft akzep-
iert werden sollen, der weiß, dass wir nun zu dem Punkt






(A) )



(B) )


Oskar Lafontaine
gekommen sind, an dem man sagen muss: Ohne Volks-
abstimmung geht es nicht. Wer die Volksabstimmung
aussetzt oder erst gar nicht ins Auge fasst, wird in Eu-
ropa nicht vorankommen und wird die Völker Europas
immer wieder gegen sich haben.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Der zweite Punkt, den der Kollege Westerwelle ange-
sprochen hat – ich fand es wichtig, dass er das getan hat –,
war die europäische Außenpolitik. Natürlich stimme ich
ihm voll zu, wenn er darauf hinweist, dass die Raketen-
stationierung in Tschechien und Polen nicht allein eine
Angelegenheit dieser beiden Länder und Russlands ist.
Es ist richtig, dass wir darauf bestehen müssen, dass die
europäische Außenpolitik nur dann erfolgreich sein
kann, wenn sie koordiniert ist, wenn sie wirklich europä-
isch verfasst ist. Daher geht es nicht, dass einzelne Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union oder die Vereinig-
ten Staaten Alleingänge starten, in die die anderen gar
nicht einbezogen wurden. Wir lehnen eine solche Vorge-
hensweise ab.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Ich möchte dieser Betrachtung über die Raketensta-
tionierung noch etwas hinzufügen. Europa muss an einer
Stelle einen anderen Weg gehen als die Vereinigten Staa-
ten von Amerika. Diese Stelle ist klar zu markieren. Es
geht um die Beachtung des Völkerrechts. Den ständi-
gen Versuch der Vereinigten Staaten, das Völkerrecht je
nach Belieben zu ignorieren, darf Europa nicht unterstüt-
zen. Hier braucht Europa eine ganz andere Außenpolitik.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Der Bruch des Völkerrechts ist praktisch eine Konstante
der Außenpolitik der Vereinigten Staaten in den letzten
Jahren. Dabei geht es nicht nur um Verschleppung und
Folter, sondern schlicht und einfach um eine Art der
Kriegsführung – darüber wurde gestern schon debattiert –,
bei der die Genfer Konventionen nicht beachtet werden.
Es geht nicht nur darum, wie ein Redner der SPD gestern
gemeint hat, dass der UNO-Sicherheitsrat eine Ermäch-
tigung erteilt. Vielmehr sind die Genfer Konventionen
ein genauso wichtiger Bestandteil des Völkerrechtes. Es
ist nicht akzeptabel, dass Deutschland etwa durch die
Entsendung von Tornados bei einer Kriegsführungsstra-
tegie mitmacht, durch die viele unschuldige Zivilisten
ums Leben kommen. Das verstößt gegen die Genfer
Konventionen und ist schlicht und einfach völkerrechts-
widrig.


(Beifall bei der LINKEN)


Aus zeitlichen Gründen kann ich bei diesem Thema
nicht länger bleiben.

Ich komme nun zum Thema des europäischen
Sozialstaates. Das ist so wunderbar dahergesagt, aber,
Frau Bundeskanzlerin, Ihr Bekenntnis zum europäischen
Sozialstaat ist durch nichts, aber auch gar nichts gerecht-
fertigt, wenn ich die Praxis Ihrer Regierung sehe.

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(C (D (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


an kann allenfalls mildernd sagen, dass Sie vielleicht
ie Folgen dieser Praxis nicht hinreichend im Auge ha-
en. Deshalb will ich zwei Punkte herausgreifen, einmal
as permanente Lohndumping, das von Deutschland be-
rieben wird, und zum anderen das permanente Steu-
rdumping, in dem Deutschland führend ist.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


lle Worte über den europäischen Sozialstaat sind
chall und Rauch, wenn man Lohn- und Steuerdumping
etreibt, und nichts anderes macht die Bundesrepublik
eutschland.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


un will ich Ihnen die Zahlen nennen. Sie sind erschüt-
ernd. Das ist nicht zum Lächeln, Frau Bundeskanzlerin.
ielleicht hören Sie einmal eine Sekunde zu!


(Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin: Ich höre die ganze Zeit zu!)


s war zumindest in den Parlamenten, in denen ich die
hre hatte, Mitglied zu sein, üblich, dass man bei einer
ebatte, die man selber eröffnet hat, zuhört.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie Luftballon! – Ulrich Kelber [SPD]: Hauptsache, Sie treten nicht zurück! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)


Sie können ruhig lärmen, meine Damen und Herren.
enn Sie diese selbstverständlichen Regeln nicht mehr

kzeptieren wollen, dann tun Sie mir nur noch leid.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Ihr Lohndumping lässt sich markieren. Während in

eutschland die Reallöhne in den letzten zehn Jahren in
er Summe um 5,1 Prozent gesunken sind, haben sie
ich woanders kräftig nach oben bewegt: in der Schweiz
m 4,0 Prozent bewegt, in Frankreich um 10,2 Prozent,
n den Vereinigten Staaten um 22,7 Prozent, in England
m 23,4 Prozent und in Schweden um 28,5 Prozent.
ber zehn Jahre saldiert, haben sich die Löhne in diesen
ändern real um weit über 30 Prozent besser entwickelt
ls in Deutschland.


(Lachen bei der SPD)

Dass Sie von der SPD angesichts dieser Zahlen lachen,
eigt, wie verkommen Sie mittlerweile sind. Das muss
ch einmal deutlich sagen.


(Kurt Bodewig [SPD]: Werden Sie nicht unanständig!)


enn ein solches Lohndumping bei Ihnen nur noch zu
achen führt, dann sollten Sie überprüfen, ob Sie noch
en richtigen Parteinamen führen. Da wäre wirklich eine
eflexion angesagt.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Sie sind der Kasper!)







(A) )



(B) )


Oskar Lafontaine
Wenn man sich vor Augen hält, dass die Lohnent-
wicklung im Vergleich zu Schweden bei uns um über ein
Drittel zurückgeblieben ist, und wenn man sich vorstellt
– das sage ich angesichts der Situation in diesem Hause
an die Zuhörerinnen und Zuhörer gerichtet –, dass in
Deutschland die Löhne oder die Renten saldiert über die
letzten zehn Jahre derzeit um 33 Prozent real höher sein
könnten, dann kann man ermessen, in welchem Umfang
dieses Lohndumping hier in Deutschland und Europa
Schaden angerichtet hat.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Ich sage noch einmal: Dieses Lohndumping gefährdet
die Europäische Währungsunion. Sie werden das wahr-
scheinlich erst merken, wenn es so weit ist, aber dann ist
es zu spät; denn heute können die Staaten, die früher mit
Abwertung ihrer Währung auf das deutsche Lohndum-
ping reagieren konnten, nicht mehr reagieren. Eines Ta-
ges wird es dann so weit sein, dass die Europäische
Währungsunion – ich erinnere nur einmal an die Lohn-
stückkosten in Spanien, Italien oder Portugal – so ver-
zerrt ist, dass die Währungsstabilität nicht mehr gegeben
ist. Ich erwähne das immer wieder, damit es zumindest
im Protokoll zu finden ist.

Nun komme ich zum Steuerdumping. Auch hier sind
Sie leider führend. Die nominalen Sätze der Körper-
schaftsteuer in der EU der 15 wurden in den letzten zehn
Jahren um 10 Prozent gesenkt, in Deutschland um
18,5 Prozent. Wir sind also beim Steuerdumping Vorrei-
ter in der Europäischen Union. Auch wenn man die
Durchschnittssteuersätze nimmt, die ab und zu von Insti-
tuten ermittelt werden, dann ergibt sich für die EU
der 15 ein Minus von 11 Prozent in den letzten Jahren
und für Deutschland ein Minus von 16 Prozent. Wenn
man sich angesichts dieses Sachverhalts dann noch vor
Augen führt, dass Sie, meine Damen und Herren von der
Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, noch eine
weitere Unternehmensteuersenkung ins Auge fassen, um
das Steuerdumping noch weiter anzuheizen, dann ist das
Gerede vom europäischen Sozialstaatsmodell blanker
Zynismus.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Der Hintergrund ist der, dass der Faktor Arbeit nicht
beweglich ist und man daher über Lohndumping und
über die Steuer- und Abgabenlast die Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer immer weiter belasten kann, wäh-
rend die beweglichen Faktoren, insbesondere das Geld
und das Kapital, sich der Besteuerung entziehen können.
Das Ergebnis ist genau das, was ich Ihnen hier vorgetra-
gen habe. Deshalb möchte ich dringend dazu raten, die-
ses Lohndumping und dieses Steuerdumping aufzuge-
ben. Alle hehren Worte, die hier gefallen sind, haben
überhaupt keinen Bezug zur Realität, solange diese Ent-
wicklung mit diesen nüchternen und harten Zahlen, die
international abrufbar sind, anhält. Nichts davon hat
überhaupt eine Grundlage oder irgendeine Realität.

Nun komme ich zum letzten Thema, der Energiepoli-
tik. Es ist richtig, dass Anstrengungen unternommen

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(C (D orden sind. Deutschland hat – ich habe dies schon öfter ffentlich gesagt – in den letzten Jahren bei den erneueraren und regenerativen Energien eine positive Entwickung genommen. Diesen Weg sollten wir weitergehen. Nicht mit Ruhm bekleckert haben wir uns aber, was ie Vermeidung von CO2-Emmissionen angeht. Das gilt uch und gerade für Sie, Frau Bundeskanzlerin. Sie sind n dieser Stelle zu wenig ehrgeizig. Es ist nicht notwenig, vor der Automobilindustrie Kniefälle zu machen. ir können an ehrgeizigen Zielen bei der CO2-Reduk ion, die wir uns einmal gesteckt haben, durchaus festalten. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Wir sollten auch an dem Ziel festhalten – das sage ich
ür meine Fraktion –, die CO2-Reduktion bis zum
ahr 2020 um 40 Prozent zu senken. Wir in Deutschland
aben die Technologie und die finanzielle Kraft, eine
olche Umweltpolitik zu machen. Wenn wir bei diesen
echniken nicht ganz vorne sind, dann können wir von
nderen Staaten nicht erwarten, dass sie mitziehen. Des-
alb halten wir an diesem Ziel fest.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


In einem Punkt möchte ich einen Dissens zu dem Bei-
rag des Kollegen Westerwelle deutlich machen. Er hat
u Recht darauf hingewiesen, dass die CO2-Reduktion
in vorrangiges Ziel ist; gleichzeitig hat er auf die Nut-
ung und den Ausbau der Kernenergie hingewiesen. Ich
alte dies für verfehlt. Für mich gilt nämlich nach wie
or: CO2 ist zwar eine große Belastung; aber Alpha-,
amma- und Betastrahlen sind nicht irgendwelche
armlosen Stoffe, auch wenn sie derzeit kein Problem
ind und man sie nicht fühlen, schmecken oder riechen
ann – von dem Zusammenhang der sogenannten zivilen
tomaren Wirtschaft mit der militärischen atomaren
ufrüstung einmal ganz abgesehen. Wenn man den CO2-
usstoß dadurch bekämpfen will, dass man die Atomin-
ustrie ausbaut, dann ist das, als würde man versuchen,
en Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Das sollten
ir nicht.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen an dem Ausbau der erneuerbaren Ener-
ien festhalten. Ich habe darauf verwiesen – das ist ein
lus der rot-grünen Regierung; das möchte ich hier ein-
al ansprechen –, dass an dieser Stelle in den letzten

ahren einiges geleistet worden ist. Wir müssen nach wie
or im Auge haben, über Preise beispielsweise den Ener-
ieverbrauch zu steuern. Dieser Satz stellt sich ganz an-
ers dar, wenn man sich bewusst macht, dass die Real-
öhne in Schweden um fast 30 Prozent gestiegen sind,
ährend sie hier um 5 Prozent gesunken sind. Daher ist
ei uns Preissteuerung praktisch nicht mehr möglich;
chließlich kann man Rentner und Arbeitnehmer mit
iedrigem Einkommen auf diese Weise zu umweltge-
echtem Verhalten gar nicht anhalten.






(A) )



(B) )


Oskar Lafontaine
Wir werden an unserem Ansatz festhalten. Wir wer-
den ihn aber stets mit einem sozialpolitischen Ansatz
verbinden. Eine Preissteuerung auf der Energieseite setzt
beispielsweise voraus, dass eine gesunde Lohn- und
Rentenentwicklung, vergleichbar mit der in anderen
Staaten, stattfindet. Wenn man die eine oder andere Ent-
scheidung trifft – ich denke an die Pendlerpauschale –,
sollte man stets die Arbeitnehmerinnen und die Arbeit-
nehmer im Auge haben, die aufgrund ihrer niedrigen
Löhne nicht ausweichen können. Umweltschutz ist drin-
gend erforderlich; aber der Umweltschutz muss mit dem
Sozialen verbunden werden. Wir wollen daher ein euro-
päisches Sozialmodell, das sich dem Umweltschutz stär-
ker zuwendet.


(Ulrich Kelber [SPD]: Das ist Wischiwaschi!)


Wir wollen nicht, Herr Kollege aus der ersten Reihe,
dass hier hehre Worte gefunden werden; vielmehr muss
Deutschland endlich die verfehlte Politik des Lohndum-
pings, des Steuerdumpings und temporär auch des Um-
weltdumpings aufgeben.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Ulrich Kelber [SPD]: Alle paar Jahre wird die Argumentation angepasst!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1608200800

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Michael

Meister für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Michael Meister (CDU):
Rede ID: ID1608200900

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Heute in einer Woche wird zum ersten Mal ein
Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungs-
chefs von unserer Bundeskanzlerin geleitet. Ich wünsche
Ihnen, Frau Dr. Merkel, für diese Aufgabe im Namen
meiner Fraktion ein glückliches Händchen, ein offenes
Ohr und viele gute Ideen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich glaube, die Vorarbeiten für diesen Gipfel sind sei-
tens der Bundesregierung – das kam in der Regierungs-
erklärung zum Ausdruck – sehr professionell geleistet
worden. Deshalb können wir diesem Gipfel mit einiger
Zuversicht entgegensehen.

Gestatten Sie mir zwei Bemerkungen zu meinem un-
mittelbaren Vorredner.

Zum Ersten. Ich freue mich als Mitglied der Unions-
fraktion, dass eine Bundesregierung, die von mir
mitgetragen wird, sich weltweit glaubwürdig für Men-
schenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltfreiheit und De-
mokratie einsetzt. Darauf bin ich stolz. Ich würde mich
freuen, wenn alle Mitglieder dieses Hauses diese Ein-
schätzung teilen würden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zum Zweiten will ich darauf hinweisen, dass mein
Vorredner als ehemaliger Bundesminister der Finanzen

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(C (D ersönlich einen wesentlichen Anteil daran hat, dass wir n dieser Koalition heute mit einem riesigen strukturellen efizit kämpfen. Ich würde mich freuen, wenn er nicht elehrend auftreten, sondern wenn er sich gelegentlich u seiner Verantwortung an dieser Stelle bekennen ürde. (Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Da muss man zuhören, Herr Lafontaine! – Weitere Zurufe von der CDU/ CSU: Zuhören!)


Beim Frühjahrsgipfel der Europäischen Union steht
raditionell das Thema Wachstum und Beschäftigung,
ie Lissabonstrategie, im Mittelpunkt. Das ist in diesem
ahr mit der Frage kombiniert, wie wir beim Klima-
chutz weiterkommen. Ich glaube, dass wir sowohl in
er Europäischen Union als auch in Deutschland, wie
as eben schon anklang, Ökonomie und Ökologie mit-
inander verbinden können, indem wir im Bereich der
echnologieführerschaft beides zusammenführen und
amit dafür sorgen, dass das Lissabonziel einerseits so-
ie die Klima- und Umweltziele andererseits gemein-

am erreicht werden können.

Meine Damen und Herren, was wir entsprechend dem
oalitionsvertrag mit unserer Hightechstrategie national

ufgelegt haben, ist ein Edelstein dieser Regierungspoli-
ik. Wir geben trotz angespannter Haushaltslage eine
nmenge an Geld mehr für Bildung, Forschung und
echnologie aus. Wir haben das auch mit einer sinnvol-

en Strategie qualitativ unterlegt. Das ist ein Edelstein,
er viel zu wenig wahrgenommen wird und noch zu we-
ig leuchtet. Wir sollten ihn polieren und weiter daran
rbeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Um Anreize zu schaffen, Hebel zu haben, Messlatten
u setzen, ist es ein vernünftiger Weg, dass wir quantita-
ive Ziele zur Reduktion von Treibhausgasemissionen
orgeben. Bis 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen ge-
enüber 1990 um 20 Prozent zu reduzieren, ist ein sehr
hrgeiziges und ambitioniertes Ziel. Wir alle stehen jetzt
emeinsam in der Verantwortung, dies mit glaubwürdi-
en Strategien zu unterlegen. Wenn man dann mit Dritt-
taaten übereinkommt, dies noch auf 30 Prozent zu stei-
ern, nimmt man sich an dieser Stelle noch mehr vor.

Ich will an die Adresse vom Kollegen Westerwelle
usdrücklich sagen: Wir haben im Koalitionsvertrag zu
inem wesentlichen Thema Ehrlichkeit bewiesen. Wir
aben gesagt, dass es zur Frage der zukünftigen Nutzung
er Kernenergie zwischen den Koalitionspartnern Dis-
ens gibt. Das ist eine ehrlichere Position, als wenn man
ersucht, sich mit Formelkompromissen über diese
rage hinwegzulavieren. Wir haben gesagt: An dieser
telle können wir in den Positionen nicht zusammenfin-
en. Wir haben aber nicht erklärt, dass wir dann vier
ahre nichts tun, sondern wir haben uns zum Ersten com-
ittet, zu sagen: Wir tun etwas in der Frage der Endlage-

ung. Dort stehen wir in der Verantwortung für künftige
enerationen. Wir haben uns zum Zweiten committet,

u sagen: Wir tun etwas im Bereich der Versorgungssi-
herheit. In den letzten Monaten ist uns sehr deutlich vor






(A) )



(B) )


Dr. Michael Meister
Augen geführt worden, dass dort Handlungsbedarf be-
steht. Wir haben zum Dritten deutlich gemacht, dass wir
im Bereich der Energieeffizienz Vorgaben machen wol-
len, die dafür sorgen, dass wir die Ressourcen, die wir
einsetzen, mit mehr Effizienz günstiger zum Wirken
bringen. Das heißt: Diese Koalition handelt und bringt
Deutschland und Europa voran.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nun gibt es einen Grundsatzstreit darüber, inwieweit
man dabei das Ordnungsrecht oder die Wettbewerbspoli-
tik bemüht. Trotz aller Kinderkrankheiten, die wir im
Zusammenhang mit dem Emissionshandelssystem gese-
hen haben, ist es ein marktwirtschaftlicher Anreiz, den
wir in den künftigen Stufen weiter verfeinern sollten.
Auch international sollten wir dafür werben, dass dies
nicht nur innerhalb der Europäischen Union, sondern
auch weltweit zum Einsatz kommt. Deshalb würde ich
mich freuen, wenn es in den Gesprächen zwischen der
Europäischen Union und den USA möglich wäre, zu er-
reichen, auch nordöstliche Bundesstaaten der USA in
dieses Handelssystem einzubeziehen und es so Stück
für Stück zu erweitern. Ich glaube, dass wir mit markt-
wirtschaftlichen Instrumenten dem Klimaschutz einen
wesentlich besseren Dienst leisten, als wenn wir welt-
weit mit ordnungspolitischen Vorgaben agieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich habe vorhin die guten Technologien, insbesondere
bezogen auf den Klima- und Umweltschutz, angespro-
chen. Es reicht natürlich nicht, nur Forschung und Tech-
nologieentwicklung zu betreiben, sondern wir müssen in
Deutschland dafür sorgen, dass es am Ende auch markt-
gängige Produkte gibt. An dieser Stelle besteht dringend
Handlungsbedarf.

Ich sehe die Unternehmensteuerreform positiv, aber
sie muss durch ein Unternehmensbeteiligungsgesetz
flankiert werden, das es ermöglicht, gerade kleinere Un-
ternehmen mit neuen Ideen, mit neuen Marktchancen
einfacher mit Risikokapital, Wagniskapital zu versorgen,
sodass der Transfer von der Idee zum marktgängigen
Produkt vorankommt. Ich glaube, an dieser Stelle liegen
mehr Chancen als Risiken für unsere Volkswirtschaft.
Deshalb sollten wir nicht Bedenken vor uns hertragen,
sondern schnell und in richtiger Weise ein Unterneh-
mensbeteiligungsgesetz ins Gesetzblatt bringen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir müssen hierbei in Europa ein Stück weit vorange-
hen.

Anscheinend hat nicht jedes Mitglied des Hohen Hau-
ses im Kopf, dass wir gegenwärtig eine vernünftige
wirtschaftliche Entwicklung haben. Deshalb will ich
noch einmal einige wenige Daten nennen: Wir hatten im
vergangenen Jahr, wenn man es kalenderbereinigt be-
trachtet, ein Wirtschaftswachstum von 2,9 Prozent, be-
zogen auf das Bruttoinlandsprodukt. Man erkennt, dass
das eine gewaltige Leistung ist, wenn man die Vorjahre
betrachtet, in denen wir sozusagen gar keinen Anlauf
hatten, sondern uns mit Stagnation und Nullwachstum
herumgeplagt haben. Wir haben im Hinblick auf die

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(C (D aastrichtdefizitquote eine Halbierung des Defizits ereicht. Auch das ist ein gewaltiger Schritt nach vorne; ir sollten aber nicht nachlassen, weiter an dieser Bau telle, am Abbau des strukturellen Defizits, zu arbeiten. Im Bereich der Umsetzung von Richtlinien des EUinnenmarkts waren wir zum ersten Mal nicht schlech er als der Durchschnitt; wir haben das Niveau erreicht, as die EU insgesamt bei der Umsetzung von Richtlinien innimmt. Ich möchte der Bundesregierung ausdrücklich nerkennung dafür aussprechen, dass sie die Zielmarke, ie Hürde jetzt höherlegt und sich – im Sinne eines eineitlichen EU-Binnenmarktes – bei der Umsetzung von innenmarktrichtlinien noch weiter nach vorne begeben öchte. Das ist ein starkes Bekenntnis der Bundesrepu lik Deutschland zum gemeinsamen Binnenmarkt und in richtiger Ansatz, um mehr Wohlstand, Wachstum nd Beschäftigung in Deutschland zu erreichen. Wir beschäftigen uns gegenwärtig in der Europäichen Union mit der Frage, wie insbesondere im Bereich er Energie der gemeinsame Binnenmarkt ausgestaltet erden soll. Es gibt Vorschläge aus der Kommission; ier stellt man sich die Frage, ob man bei Kartellverstöen im Bereich der Netze möglicherweise eine Enteigung der Betreiber dieser Netze in Betracht ziehen ollte. Ich glaube, es ist für die Debatte nicht schädlich, enn eine gewisse Drohkulisse aufgebaut wird. Ich enke aber auch, dass der vorgeschlagene Weg, den uner Bundesminister Glos als gegenwärtiger Vorsitzender es Ministerrats in die Debatte eingebracht hat, richtig st: Man sollte zunächst einmal stufenweise vorgehen nd überlegen, ob man bei der Missbrauchsaufsicht voübergehend verschärfte Regeln anwendet, ob man im ereich der Nutzung der Netze eine Anreizregulierung nd einen diskriminierungsfreien Zugang herbeiführen ann, ohne sofort mit der Ultima Ratio, mit einer Enteigung, zu drohen. Ich hoffe und wünsche, dass dieser Geanke auf fruchtbaren Boden fällt und eine Option dartellt, das Ziel zu erreichen, ohne dass man mit igentumsrechtlichen Eingriffen ein Stück weit Unsiherheit und fehlende Planungssicherheit herbeiführt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Frau Bundeskanzlerin, ich begrüße ausdrücklich den
abinettsbeschluss von gestern – Sie haben vorhin
arauf hingewiesen –: Auch die Bundesrepublik
eutschland bekennt sich jetzt beim Bürokratieabbau

um 25-Prozent-Ziel, bezogen auf die nationale Ebene.
amit geht sie, was das Volumen betrifft, im Gleich-

chritt mit Europa vor.


(Markus Löning [FDP]: Gleichstellung! Antidiskriminierungsgesetz!)


ch begrüße auch, dass Sie denselben Zeithorizont ge-
ählt haben. Als Mitglied des Deutschen Bundestages
ünsche ich mir allerdings, dass wir noch in dieser
ahlperiode einen Zwischenbericht bekommen, aus

em wir erfahren, wie weit wir zur Halbzeit bei der Er-
eichung dieses Zieles gelangt sind. Ich hoffe, dass wir
ls Parlament diesen Prozess vernünftig unterstützen,






(A) )



(B) )


Dr. Michael Meister
damit wir beim Bürokratieabbau in Deutschland voran-
kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte darauf hinweisen, dass es keine Selbstver-
ständlichkeit ist, dass das 25-Prozent-Ziel auf europäi-
scher Ebene vereinbart worden ist. Auch dies ist ein Er-
folg der deutschen Ratspräsidentschaft, den wir nicht zu
gering schätzen dürfen. Ich hoffe und wünsche, dass
auch unsere Kollegen im Europäischen Parlament in Zu-
kunft bei der Gesetzesberatung davon profitieren kön-
nen, was wir zum 1. Januar eingeführt haben: In jedem
Gesetzentwurf der Bundesregierung wird uns mitgeteilt,
wie viel Bürokratie durch ihn eingespart oder neu verur-
sacht wird, sodass wir in voller Kenntnis dieser Wirkun-
gen unsere Beratungen führen können. Das ist für mich
als Parlamentarier ein Gewinn.

Ich möchte eine letzte Bemerkung zum Thema Wett-
bewerbspolitik machen. Wir erleben in Europa einen
grundsätzlichen Philosophienstreit: Benötigen wir mehr
Wettbewerbspolitik oder mehr Industriepolitik? Für die
Bundesrepublik Deutschland als offene Volkswirtschaft
kann es an dieser Stelle keine Frage geben: Wir müssen
uns für mehr Wettbewerbspolitik entscheiden, damit wir
als Exportnation bei Dienstleistungen und Produkten da-
von profitieren.

Herr Minister Glos, deshalb wünsche ich Ihnen viel
Erfolg bei den Verhandlungen über das gemeinsame Öff-
nen der Post- und der Briefmärkte in Europa. Dies ist
eine wichtige Anstrengung dafür, dass sich die am Bin-
nenmarkt beteiligten Länder auf europäischer Ebene ins-
gesamt dazu verpflichten, gemeinsam die europäischen
Märkte frühzeitig und rechtzeitig zu öffnen und damit
auch die Exportchancen deutscher Unternehmen auf die-
sen Märkten zu stärken. Ich glaube, das ist die richtige
Strategie.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, wir haben die Übung, dass
wir vor dem Gipfel miteinander diskutieren. Ich hoffe,
dass all die guten Gedanken und Vorschläge, die heute
Morgen vorgetragen wurden, das Ergebnis des Gipfels
ein Stück weit befruchten werden, und wünsche allen
Beteiligten viel Erfolg.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1608201000

Nächste Rednerin ist die Kollegin Renate Künast für

die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Nichts ist unmöglich – Toyota!)



Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608201100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bun-

deskanzlerin, ich muss ehrlich sagen: Für mich war diese
Regierungserklärung hinsichtlich der Ziele, die Sie sich

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(C (D ür die nächste Woche gesetzt haben, ein Stück mit soziaer Kühle und, ehrlich gesagt, nicht mit hinreichend groem Ehrgeiz versehen, auch wenn Sie versucht haben, as Thema Klima auf Ihre Agenda zu schreiben. Ich will Ihnen auch sagen, warum sie für mich mit zu enig Ehrgeiz versehen war: Es geht nicht nur um den egierungsgipfel in der nächsten Woche, sondern in die em Monat, im März, feiern wir auch 50 Jahre Römische erträge. Ich hätte mir schon gewünscht, dass eine deutche Bundeskanzlerin hier sehr selbstbewusst zum Beipiel in Richtung der USA sagt: Wir akzeptieren nicht ie Raketenstationierung in Polen und Tschechien – und chon gar nicht mit der Begründung, dass mit diesen iraische Raketen abgewehrt werden sollen. Wir akzeptieen einen solchen Umgang mit uns nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich spreche von sozialer Kühle, weil mich der Satz,
er in Ihrem Redemanuskript so gar nicht stand, erschro-
ken hat, wonach das Wachstum sozusagen Vorausset-
ung sei, damit man mit den entsprechenden Früchten
olidarität mit anderen üben könne. Mich hat schon er-
chrocken, dass Sie behauptet haben, die Doharunde, die

elthandelsrunde, sei, wenn sie jetzt zum Erfolg wird,
twas Gutes für die Entwicklungsländer.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Man kann Geld nur ausgeben, wenn man es vorher erwirtschaftet hat!)


Wir wissen, dass diese Welthandelsrunde auf der Ba-
is der Kriterien von 2001 durch den Ablauf der Zeit
ängst überholt ist. Die Welthandelsrunde propagiert
och eine Art des freien Handels, durch den das Soziale
schon gar nicht das Thema Klima – nicht mit einge-
chlossen wird. Es gibt Länder – gerade die Entwick-
ungsländer –, die mittlerweile unter den Wetterextremen
n den Küstenregionen und auf Inseln leiden. Ich hätte
ir gewünscht, dass eine deutsche Bundeskanzlerin hier

agt: Bevor diese Welthandelsrunde zu Ende geht,
üsste man eigentlich noch einen Schub erreichen und

etonen, dass man nicht die Welthandelsrunde von 2001
ill, sondern dass man will, dass die Lösungen beim
hema Klima in den Welthandel einbezogen werden,
eil das ein aktuelles Problem ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ehrlich gesagt habe ich mich auch gewundert, dass
ie heute noch sagen, man müsse bis 2020 beweisen,
ass Ökologie und Ökonomie miteinander versöhnt
erden können. Ich dachte eigentlich, darüber sind wir

ängst hinaus. Bei der ökologischen Frage geht es nicht
ehr nur um die Ökologie, sondern sie ist die zentrale
berlebens- und ökonomische Frage, weil Sie sich ohne
eren Beantwortung alles andere sparen können. Des-
alb gibt es nichts zu versöhnen. Es gehört zwingend zu-
inander.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn ich jetzt über die Perspektive für 2020 nach-
enke – dieses Jahr haben wir alle ja als Zielstellung –,
ann muss ich Ihnen sagen: Wir haben nicht mehr viel






(A) )



(B) )


Renate Künast
Zeit. Es sind nur noch 13 Jahre, und wir müssen jetzt
massive Maßnahmen ergreifen. Frau Bundeskanzlerin,
ich muss Ihnen sagen: Bei der Klimaschutzfrage geht es
ja nicht nur um eine Option, uns hinsichtlich des Wachs-
tums weiterzuentwickeln, sondern es geht um eine zwin-
gende Notwendigkeit in einem engen Zeitfenster.

Ich finde, Sie haben sich an dieser Stelle in den letz-
ten Wochen nicht hervorgetan. Es war eher peinlich,
dass der Nationale Allokationsplan von Brüssel umge-
dreht werden musste. Ich weiß, dass Sie sich in Wahrheit
darüber ärgern, Frau Merkel. Es war peinlich, wie Sie
sich vor die kurzfristigen Interessen der Vorstände der
deutschen Automobilkonzerne gestellt haben,


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Toyota!)


statt sich lieber mit den Betriebsräten – zum Beispiel
von Opel – zu verbünden, die sagen, dass wir in
Deutschland endlich mehr als nur ein ökologisches Auto
herstellen müssen, weil daran unsere Mobilität und Ar-
beitsplätze in diesem Land hängen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dann aber muss man Mut zeigen und nicht vor den Lob-
byisten in vorauseilendem Gehorsam gleich in die Knie
gehen.

Wir wollen von Europa mehr als diese von Ihnen jetzt
endlich einmal auch persönlich genannte Reduzierung
um 20 Prozent. Wir wissen, wir brauchen eine Reduzie-
rung um 30 Prozent. Wir wollen, dass der durchschnittli-
che Maximalausstoß 120 Gramm CO2 pro Kilometer be-
trägt – ohne Trickserei mit Biokraftstoffen.

Wir wollen im Übrigen auch, dass die Europäische
Union dafür sorgt, dass bei Biokraftstoffen auch wirk-
lich Biokraftstoffe drin sind und nicht nur „Biokraft-
stoff“ draufsteht. Es braucht feste Regeln und Standards
für Biokraftstoffe, sonst steht zwar „Bio“ drauf, aber in
Wahrheit ist damit eine Abholzung der Regenwälder
verbunden. Auch das ist keine Klimaschutzpolitik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Man muss den Mut haben, Frau Merkel, die Politik so
zu strukturieren, dass am Ende nicht nur die großen Mi-
neralölkonzerne Geld durch die Veränderungen verdie-
nen. Wir sagen ganz ehrlich: Quer durch Europa im
ländlichen Raum sollen Arbeitsplätze für die Einheimi-
schen entstehen. Zukunftsfähige Energiepolitik muss
nämlich dezentral ausgerichtet sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe den Eindruck, Frau Merkel, Sie haben
sich zwei Berater geholt und gehen deshalb in zwei
unterschiedliche Richtungen. Für sonntags haben Sie
Herrn Schellnhuber als renommierten Klimaforscher,
für wochentags Lars Josefsson, den Chef der Kohle-
und Atomorganisation Vattenfall. Wir brauchen mehr
Schellnhuber und weniger Josefsson.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen von Ihnen mehr Führung, weniger Mode-
ration.

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(C (D (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wir brauchen weniger Künast!)


Wir brauchen das Tun des Nötigen und weniger Ein-
nicken vor kurzfristigen Lobbyinteressen. Ich kann es
uch in einem Satz sagen: In Ihrer Klima- und Europa-
olitik steckt für meine Begriffe immer noch zu viel
obbyismus und zu wenig Zukunft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Ihr seid die größten Lobbyisten! Toyota!)


Wir sollten uns nichts vormachen: Wenn wir von den
enschen verlangen, dass sie ihr persönliches Verhal-

en ändern, dann müssen auch wir uns eingestehen, Frau
erkel, dass es nicht um immer mehr Wachstum gehen

ann. Zwar muss jeder Einzelne für sich überlegen, wie
r mobil sein kann und was er isst. Zugleich müssen wir
ber auch dafür Sorge tragen, dass die Menschen anders
ohnen können, anders mobil sein können, anders essen
önnen und dass ganz anders als bisher produziert wird.
abei muss aber klar sein, dass die entsprechenden Pro-
ukte auf dem deutschen bzw. europäischen Markt her-
estellt worden sind. Diese Vorbildfunktion fehlt mir in
en von Ihnen auf europäischer Ebene angestoßenen
rogrammen. Es geht nämlich nicht nur darum, gut zu
ein und die entsprechenden Technologien dann eines
ages nach China zu exportieren. Sondern wir müssen
in Nachahmungsbedürfnis bzw. einen Nachahmungs-
ruck bei den Chinesen und Indern auslösen.

Ich will Ihnen anhand eines Beispiels aufzeigen, wie
as gehen könnte. Frau Merkel, wenn Sie darüber
eden – vielleicht diskutieren Sie jetzt schon die ganze
eit mit Ihrem Außenminister darüber –


(Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin: Genauso ist es!)


genauso ist es –, dass Sie das transatlantische Bündnis
eu begründen und ausbauen wollen, dann sollten Sie
abei auch dementsprechend handeln, statt immer nur
uf George Bush und das Weiße Haus zu schauen. Die-
er Mann ist sowieso ein Auslaufmodell. Dieser Mann
enkt bei Energiepolitik nur an den Zugang zu Energie-
essourcen. Um wirkliche Alternativen bemühen sich
agegen 400 Bürgermeister aus den Westküstenstaaten
owie die Nordoststaaten der USA. Wenn Tony Blair zu
rnold Schwarzenegger fährt, um mit ihm über gemein-

ame Aktivitäten zu sprechen, dann sollten auch
eutschland und die Europäische Union in der Lage

ein, zum Beispiel die Regional Greenhouse Gas Initia-
ive der Nordoststaaten der USA aufzugreifen. So wäre
s möglich, zehn Bundesstaaten im Nordosten der USA
it in unser Emissionshandelssystem einzubeziehen.
abei könnten wir sogar von denen noch lernen, Frau
erkel; denn diese Staaten werden ab 1. Januar 2009

00 Prozent der Emissionsrechte versteigern. So könnte
an ein internationales Handelssystem aufbauen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


o, Frau Merkel, hätte man auch ein wirkliches Kern-
tück für die weiteren Kiotoverhandlungen. Wir wissen
och: Wenn-dann-Erklärungen haben viele abgegeben;






(A) )



(B) )


Renate Künast
selbst die USA haben gesagt: Wenn die anderen, dann
auch wir. Das darf uns bei Kioto nicht noch einmal dro-
hen.

Wir brauchen vom europäischen Gipfel nächste Wo-
che ein ganz klares Zeichen, nämlich: Nach 50 Jahren
Römischen Verträgen begründet sich die Europäische
Union neu. 2020 soll man – das würde ich Ihnen und uns
wünschen – sagen können: Eine Kanzlerin hat dafür ge-
sorgt, dass die Europäische Union sich Anfang
März 2007 klar für ein Ende des fossilen Zeitalters aus-
spricht und wir mit anderen vorangehen und die alterna-
tiven Energien begründen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1608201200

Frau Kollegin!


Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608201300

Damit würden Sie allen Europäerinnen und Europä-

ern einen Gefallen tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1608201400

Ich erteile das Wort dem Kollegen Ulrich Kelber,

SPD-Fraktion.


Ulrich Kelber (SPD):
Rede ID: ID1608201500

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Wir haben es in der Regierungserklärung der Bun-
deskanzlerin gehört: Die Europäische Union wird in der
nächsten Woche ihre Ziele zum Klimaschutz festlegen.
Entscheidend wird sein, ob es verbindliche Ziele sind.
Alles darunter wäre angesichts des zu bewältigenden
Problems zu wenig. Es passt aber gut, dass diese Ziele
auf einem Gipfel festgelegt werden sollen, der sich mit
der Lissabonstrategie befasst, also der Frage, wie die Eu-
ropäische Union zum innovativsten und produktivsten
Wirtschaftsstandort der Welt werden soll. Denn Techno-
logien zur Sicherung des Klimaschutzes, für erneuerbare
Energien und zur Steigerung der Energieeffizienz sind
der entscheidende Beitrag zur Innovationsfähigkeit; sie
sind eine Leittechnologie der nächsten Jahrzehnte.

Wir wollen Vorreiter beim Klimaschutz sein, weil
es unsere Verantwortung gebietet und weil wir uns hand-
feste wirtschaftliche Vorteile davon versprechen.


(Beifall bei der SPD)


Klimaschutz ist eine immense technologische Heraus-
forderung, vielleicht die größte technologische Heraus-
forderung, vor der die Welt und unser Land bisher ge-
standen haben. Aber Klimaschutz ist keineswegs
mühselig, sondern eine einmalige Chance für neue Jobs,
bessere Lebensbedingungen, geringere Energierechnun-
gen, mehr weltweite Entwicklung und weniger Konflikte
um Ressourcen.

Wir wollen Vorreiter beim Klimaschutz sein – als Eu-
ropäische Union in der Welt und als Deutschland inner-
halb der Europäischen Union. Wer das ablehnt, spielt
nicht nur ein gefährliches Spiel in Bezug auf den Klima-

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(C (D chutz, sondern gefährdet auch Deutschlands wirtschaftiche Zukunft. enn die Entscheidung, Vorreiter sein zu wollen – daals gegen die Stimmen der andersgearteten Opposition m Deutschen Bundestag –, hat dazu geführt, dass wir alein im Bereich der erneuerbaren Energien 215 000 Areitsplätze in Deutschland geschaffen haben. In den ächsten Jahren können es 500 000 werden; denn auch ie Exportraten dieser Technologien steigen rasant. Weiere Arbeitsplätze werden im Bereich der Energieeffizinz und des Energiesparens dazukommen. Wenn die Politik das will, muss sie klare Vorgaben achen: für kurzfristige Änderungen, für mittelfristige mstellungen und für die langfristigen Rahmenbedinungen für Investitionen. Bundespräsident Horst Köhler at jetzt zu Recht den mangelnden Mut der Politik zu olchen Entscheidungen und den mangelnden Willen der ndustrie zu freiwilligem Handeln kritisiert. Zum Verältnis von Politik und Wirtschaft hat er dabei eine wichige Forderung aufgestellt – ich zitiere –: Der Staat darf sich nicht scheuen, vorausschauend Ziele zu setzen, und die Industrie muss darauf antworten. Der Markt allein wird es nicht richten. Deswegen kann ich es nicht mehr hören, wenn die irtschaftsminister der Europäischen Union in einer Art rbeitsteilung zwischen den zuständigen Ministern imer so tun, als seien Klimaschutz und Wirtschaftswachs um ein Gegensatz. Ich würde diesen Wirtschaftsminisern – dazu gehören übrigens auch die einiger undesländer – gerne die Studie des britischen Ökonoen Sir Nicholas Stern, der gezeigt hat, dass ein unge remster Klimawandel eine weltweite dramatische Reession auslösen würde, zur Pflichtlektüre machen. Ich hoffe, dass die Regierungschefs der Europäischen nion wesentlich weiter sind als ihre Wirtschaftsminis er und nächste Woche verbindliche Entscheidungen um Klimaschutz treffen. An erster Stelle steht eine verindliche Entscheidung zur Senkung der Treibhausasemissionen. Ich glaube, dass die Ankündigung, sich inseitig auf eine Senkung von mindestens 20 Prozent zu erpflichten, egal was die USA und Australien machen, in sehr gutes Signal ist, weil es jedem in Europa sagt: gal was bei den weltweiten Verhandlungen herausommt, ihr könnt euch darauf einstellen, dass es im Kliaschutz weitergeht und dass es beschleunigt weiter eht. – Es ist auch ein klares Signal an die ntwicklungsund Schwellenländer, dass zumindest Eu opa es mit dem Thema ernst meint und alle mit an Bord ehmen will. Ich sage dazu: Persönlich würde ich mir ünschen, dass wir einseitig eine Senkung um 0 Prozent verbindlich erklären; denn es war immer die inie der Europäischen Union, dafür zu sorgen, dass die rwärmung auf maximal 2 Grad beschränkt wird, um sie ontrollieren zu können. Dazu wäre eine Reduzierung m 30 Prozent notwendig. Ulrich Kelber Zweites verbindliches Ziel muss sein, dass die erneuerbaren Energien bis 2020 einen Anteil von mindestens 20 Prozent am Energiemix in der Europäischen Union haben, verbunden mit verbindlichen Sektorzielen für Strom, Wärme und Kraftstoffe. Drittes verbindliches Ziel muss eine Steigerung der Energieeffizienz bis 2020 um mindestens 20 Prozent über dem Trend sein. Wichtigstes Instrument zur Umsetzung muss das von Deutschland auf Initiative der SPD vorgeschlagene Top-Runner-Prinzip sein, also die Idee, dass die energieeffizientesten Elektrogeräte und andere Produkte den Standard setzen, den andere Hersteller innerhalb weniger Jahre erreichen müssen, um am Markt bleiben zu können. Dann würden übrigens Anachronismen wie Glühbirnen – das war eine interessante Diskussion – oder Stand-by-Schaltungen schnell vom Markt verschwinden, weil es einen Wettlauf der kreativen Köpfe um die Entwicklung der energieeffizientesten Geräte gibt. Herr Bundesminister Glos, ich bin zuversichtlich, dass Sie und Ihre Mitarbeiter sich ab jetzt energisch für diesen Top-Runner-Vorschlag in Brüssel einsetzen werden. Er steht ja immerhin auch im Koalitionsvertrag. (Beifall bei der SPD – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Des Menschen Glaube ist sein Himmelreich!)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)





(A) )


(B) )


Viertes verbindliches Ziel muss die schnelle Entwick-
lung der Technologie zur Abscheidung und Speiche-
rung von Kohlendioxid aus Kohle- und Gaskraftwerken
werden. Wir brauchen diese Kraftwerke als Übergangs-
technologie bis zum vollständigen solaren Zeitalter noch
etwa bis zur Mitte dieses Jahrhunderts. Damit aber die
Unternehmen, die bereit sind, eine neue, aber natürlich
auch kostenintensive Technologie zu entwickeln, klare
wirtschaftliche Rahmenbedingungen vorfinden, muss die
EU verbindlich festlegen, dass die Nutzung dieser neu
entwickelten Technologie vorgeschrieben wird, um zu
verhindern, dass das eine Unternehmen eine teure und
saubere Technologie anbietet, während das andere Unter-
nehmen mit einer billigen, aber dreckigen Technologie
am Markt bleiben kann. Eine verbindliche Vorgabe zur
Nutzung dieser Energie gehört also dazu.


(Beifall bei der SPD)


Wir haben gute Chancen, solche verbindlichen Ziele
zu erreichen, wenn wir es mit der eigenen Vorreiterrolle
beim Klimaschutz ernst meinen und den Klimaschutz
weiter stärken. Für diese Glaubwürdigkeit war das Pos-
senspiel rund um die Klimaschutzziele beim Auto nicht
zielführend. Die Automobilindustrie hat versagt und
das Instrument der Selbstverpflichtung restlos diskredi-
tiert.


(Beifall des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der vorhin erwähnten scharfen Kritik des Herrn Bundes-
präsidenten daran ist nichts hinzuzufügen. Man muss al-
lerdings erwähnen, dass er die beteiligten Politikerinnen
und Politiker in der gleichen Weise ermahnt hat.

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(C (D Entscheidend ist, ob der Deutsche Bundestag durchetzt, dass sein Beschluss von vor wenigen Wochen, ämlich den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu eduzieren – pro Kopf gesehen ist Deutschland der rößte CO2-Emittent in Europa –, mit effektiven Maßahmen unterlegt wird. Der Bericht der Enquete-Komission des Deutschen Bundestages ist eine gute Grund age dafür. In ihm wird dargestellt – Maßnahme für aßnahme –, wie man die CO2-Emissionen um 40 Pro ent reduzieren kann. Übrigens steht in diesem Bericht auch, wie man dies un kann und gleichzeitig den dringend notwendigen usstieg aus der Atomenergie betreiben kann. Es hat ja n den letzten Wochen Politikerinnen und Politiker gegeen, die darum gebeten haben, man möge ihnen das geau erklären. In dem Bericht des Deutschen Bundestages st dies schwarz auf weiß nachzulesen. Herr Kollege Westerwelle, man kann ja bei der Atomnergie geteilter Meinung sein, aber wer behauptet – Ihre ormulierung können wir im Protokoll nachlesen –, dies ei die wichtigste Frage in der Energiepolitik, der hat geährlich wenig verstanden. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich gebe Ihnen drei Zahlen mit auf den Weg. Der An-
eil der Atomenergie am gesamten deutschen Endener-
ieverbrauch liegt unter 6 Prozent, am gesamten Welt-
ndenergieverbrauch liegt er unter 4 Prozent. Um nur
0 Prozent der fossilen Energie durch Atomenergie welt-
eit zu ersetzen, müsste man zu den schon bestehenden
37 Atomkraftwerken 1 000 bis 2 000 neue bauen. Dann
agen Sie, dass Sie das wollen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wo!)


ann sagen Sie laut, wo die entsprechenden Standorte in
eutschland liegen sollen. Da bin ich gespannt; bei die-

er Debatte bin ich gern dabei.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die erneuerbaren Energien bieten uns eine völlig an-
ere Chance. Die neue Studie des Deutschen Zentrums
ür Luft- und Raumfahrt hat gezeigt, dass man mithilfe
on Energieeffizienz und Umstellung auf erneuerbare
nergien bis 2050 die Treibhausgasemissionen um
0 Prozent reduzieren kann. Das ist das Traumziel der
limaforscher. Wenn wir das dem Herrn Schellnhuber

rzählen, dann springt er vor Freude an die Decke.

Es ist also notwendig, die Erfolgsgeschichte des Aus-
aus der erneuerbaren Energien im Strombereich, näm-
ich die Schaffung von 215 000 neuen Arbeitsplätzen,
ndlich auf den Wärme- und Kraftstoffbereich in glei-
her Qualität zu übertragen. Dann schaffen wir es wie
ei den erneuerbaren Energien im Strombereich, wo be-
eits 2007 das 2010-Ziel erreicht worden ist, auch hier
ie Potenziale zu überschreiten.

Die Unterschätzung der Potenziale in diesem Bereich
at Konjunktur. Die Internationale Energieagentur hat






(A) )



(B) )


Ulrich Kelber
1998 für 2030 einen Anteil der erneuerbaren Energien an
der Energieversorgung vorausgesagt, den wir bereits
2006, also nach acht Jahren anstatt nach 32 Jahren, er-
reicht haben. Das ist die Realität.

In den letzten Tagen gab es einen schnellen Wettlauf
dahin gehend, wer die höchsten Ausbauziele vorschlägt;
jede Partei hatte sich daran beteiligt. Ich hoffe, dieser
Schwung hält auch noch in den Debatten über ein Erneu-
erbare-Energien-Wärmegesetz und über die Novelle
zum Erneuerbare-Energien-Gesetz an. Denn auf unseren
wirtschaftlichen Lorbeeren können wir uns nicht ausru-
hen. Die neue Mehrheit im US-Senat und im -Kongress
hat Steuererleichterungen in Höhe von 14 Milliarden
Euro für Ölfirmen gestrichen und diese Mittel vollstän-
dig auf die Förderung der erneuerbaren Energien über-
tragen. Die wollen uns in dem Wettbewerb um die Welt-
marktführerschaft Konkurrenz machen. Das heißt, wir
müssen nicht langsamer, sondern schneller in der Förde-
rung der erneuerbaren Energien werden.

Das gilt übrigens auch für die hocheffiziente Kraft-
Wärme-Koppelung. Wir sind das Warten leid; denn die
Technologie, die am besten Rohstoffe ausnutzt und da-
mit CO2-Emissionen spart, kommt nicht vorwärts. Wir
von der SPD werden im März einen eigenen Gesetzent-
wurf im Rahmen der Koalition einbringen. Wir erwarten
noch in diesem Halbjahr an dieser Stelle eine Beschluss-
fassung. Dies ist in der Koalition klar vereinbart, und
dies werden wir auch durchsetzen.


(Beifall bei der SPD)


Sie sehen an diesen Beispielen, dass man andere dann
überzeugend zum Handeln auffordern kann, wenn man
selbst handelt. Deswegen hoffe ich, dass von Deutsch-
lands Initiative auf dem EU-Gipfel einiges ausgeht, ins-
besondere der Mut zur Verabschiedung eigener Instru-
mente im Klimaschutz.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1608201600

Nächster Redner ist der Kollege Markus Löning für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1608201700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir haben von der Bun-
deskanzlerin eine Regierungserklärung gehört, die hin-
reichend wolkig, aber erschreckend unambitioniert war;
wenn ich das einmal so sagen darf. Sie hat einiges zum
Thema Lissabonprozess gesagt. Sie hat sehr deutlich
festgestellt: Wir teilen die Ziele der Lissabonstrategie,
nämlich dass Europa zum wettbewerbsfähigsten, wachs-
tumsstärksten und innovativsten Standort auf dieser Welt
werden soll. Sie hat aber auch gesagt: Wir sind noch weit
davon entfernt, diese Ziele auch nur im Ansatz zu errei-
chen.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D Dazu, wie hier über das Wachstum in Deutschland eredet wird, muss ich sagen: Das ist noch viel unambiionierter und erschreckender. Wir liegen nach wie vor nter dem Durchschnitt der Mitgliedstaaten der Europäichen Union, der EU 15. Wir fallen weiter zurück. Wir ind unter Rot-Grün im Hinblick auf das Bruttosozialrodukt pro Kopf auf den zehnten Platz zurückgefallen. ir sind dabei, weiter nach hinten zu rutschen; darüber önnen all die Steigerungszahlen in Deutschland nicht inwegtäuschen. Andere sind viel besser als wir. Ich ürde mir von dieser Bundesregierung wünschen, dass ie den Ehrgeiz hat, unser Land wieder an die Spitze in uropa zu führen, was das Wachstum und die Wirtchaftskraft angeht. Herr Bodewig, wie Sie sich hier äußern! Ich weiß icht, warum Sie all diese Bürokratien und Regulierunen, die Deutschland so wenig erfolgreich gemacht haen, jetzt auch noch auf Europa übertragen wollen. enn wir das versuchen, führt das in die Irre, Herr odewig. (Kurt Bodewig [SPD]: Hören Sie einfach zu! Dann wissen Sie, was richtig ist!)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)


Es gibt aus meiner Sicht einen ähnlichen Mangel an
hrgeiz, was das Thema der Verfassung angeht. Es

eicht eben nicht, zu sagen: Wir brauchen eine neue Ver-
assung, und irgendwie bekommen wir auch einen Zeit-
lan hin. Ich frage mich: Wie wollen wir das angesichts
er Debatten in Frankreich und in Holland, aber vor al-
em angesichts der Debatten unserer polnischen und
schechischen Freunde erreichen? Was sagen wir zu
em, was der polnische und der tschechische Präsident
ffentlich äußern, nämlich dass sie keinen Druck sehen,
uropa dadurch nach vorne zu bringen, dass wir wieder
ine Verfassung auf den Weg bringen? Hier liegt ein gro-
es Stück Arbeit vor uns. Da reicht es nicht, so zu tun,
ls wären sich schon alle Europäer einig und als würde
as demnächst umgesetzt. Ich würde mir hier deutlich
larere Vorgaben wünschen.

Eines sollten wir als Deutsche sagen: Wir brauchen
nstitutionelle Reformen. Wenn Europa handlungsfähig
leiben soll, brauchen wir auf jeden Fall institutionelle
eformen. Aber wir brauchen auch Fortschritte in den
ubstanzbereichen, das heißt eine engere Zusammenar-
eit im Bereich Inneres und Justiz. Die Bürger erwarten
on uns zu Recht, dass Europa in der polizeilichen Zu-
ammenarbeit Fortschritte macht und dass wir gemein-
am Verbrechen bekämpfen, wenn Verbrechen grenz-
berschreitend geschehen. Sie erwarten – das höre ich
uf jeder Veranstaltung, auf der ich mit Bürgern, mit
chülern diskutiere –, dass Deutschland zur Außenpoli-
ik mit den anderen Europäern in einer Sprache und mit
iner Stimme spricht. Ich wünsche mir, dass diese Sub-
tanzbereiche der europäischen Politik stärker in den
ordergrund gerückt werden. Ich wünsche mir, dass
iese auch als Ziele, die zu erreichen sind, vorangestellt
erden.


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Markus Löning
Ich wünsche mir von dieser Bundesregierung mehr
– auch öffentlich gezeigten – Ehrgeiz in der Frage der
Verfassung. Ich wünsche mir auch noch etwas mehr Ehr-
geiz von unserem eigenen Haus, von uns Abgeordneten.
Wir beklagen seit Jahren das Demokratiedefizit in der
Europäischen Union; ob zu Recht oder zu Unrecht, sei
dahingestellt. Aber eines ist klar: Die Beteiligung des
Deutschen Bundestages an Gesetzgebungsverfahren
auf europäischer Ebene lässt stark zu wünschen übrig.


(Beifall bei der FDP)


Das liegt nicht daran, dass die Regeln so sind, wie sie
sind. Es liegt schlichtweg daran, dass wir als Abgeord-
nete – hier schaue ich insbesondere die Kollegen von der
Großen Koalition an – scheinbar nicht genügend Selbst-
bewusstsein haben, uns die europäische Rechtsetzung
frühzeitig anzuschauen und uns in die Debatte einzuklin-
ken, indem wir die Debatte darüber hier im Deutschen
Bundestag führen. Das müssen wir ändern.


(Dr. Angelica Schwall-Düren [SPD]: Wir haben die Initiative ergriffen, die Kompetenz verbessert! – Kurt Bodewig [SPD]: Wer hat denn die Vereinbarung mit der Bundesregierung geschlossen?)


Das würde aus meiner Sicht auch dazu führen, dass die
Debatten über europapolitische Fragen in der deutschen
Öffentlichkeit früher stattfinden und damit für die Bür-
ger nachvollziehbarer und transparenter sind. Das würde
ich mir wünschen. Das würde auch die Akzeptanz der
EU in der Bevölkerung deutlich erhöhen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1608201800

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege

Westerwelle das Wort.


Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1608201900

Herr Präsident! Ich möchte im Rahmen dieser Kurz-

intervention mein Bedauern darüber zum Ausdruck brin-
gen, dass wir hier über eine Regierungserklärung der
Bundeskanzlerin sprechen und weder das Bundeskanz-
leramt noch das Auswärtige Amt auf der Regierungs-
bank vertreten sind. Das halte ich für eine Respektlosig-
keit gegenüber denjenigen, die in diesem Hause an
dieser Debatte teilnehmen. Dass die Kanzlerin selbst
nicht teilnehmen kann, ist selbstverständlich. Aber die
Regierungsbank sollte vertreten sein.


(Beifall bei der FDP – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Die Kanzlerin ist hier!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1608202000

Zu einer weiteren Kurzintervention erhält der Kollege

Scholz das Wort.


Olaf Scholz (SPD):
Rede ID: ID1608202100

Ich möchte den Kollegen Westerwelle nur bitten, sich

umzudrehen. Hinten in den Reihen der FDP-Fraktion
sitzt die Kanzlerin.

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(C (D (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1608202200

Zu einer Erwiderung auf den Hinweis des Kollegen

cholz erhält noch einmal der Kollege Westerwelle das
ort.


Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1608202300

Kollege Scholz, ich möchte Ihnen erwidern: Da ge-

ört sie nicht hin!


(Beifall bei der FDP – Heiterkeit bei der CDU/ CSU – Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Dann sind wir ja beruhigt!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1608202400

Nachdem nun die Ordnung der Verhältnisse zwischen

arlament und Regierung mindestens rhetorisch wieder-
ergestellt ist, setzen wir die Aussprache fort mit einem
eitrag des Kollegen Koschyk, der für die CDU/CSU-
raktion das Wort ergreifen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1608202500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

err Westerwelle, werte Kolleginnen und Kollegen von
er FDP, bringen Sie doch einmal etwas mehr Freude in
iese europapolitische Debatte


(Dirk Niebel [FDP]: Noch mehr Freude?)


nd begleiten Sie sie nicht so miesepetrig. Als die Kanz-
erin vorhin in ihrer Regierungserklärung davon gespro-
hen hat, dass wir in wenigen Tagen, am 25. März, hier
n Berlin das 50-jährige Bestehen der Europäischen
nion begehen werden, habe ich aus den Reihen der
DP gehört: Das hätte man auch in Rom machen kön-
en.


(Dirk Niebel [FDP]: Wir feiern den Fall der Mauer ja auch in Berlin!)


Ich finde es gut und richtig, dass wir „50 Jahre Euro-
äische Union“ in Berlin begehen. In keiner anderen
tadt Europas fügt sich wie in einem Brennglas zusam-
en, was die Vision bei der Gründung der Europäischen
nion gewesen ist, nämlich Teilung zu überwinden und
uropa zusammenzuführen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


ir werden „50 Jahre Europäische Union“ hier in Berlin
uch dankbar begehen können, weil sich die Vision der-
enigen, die dieses Europa vor 50 Jahren zu bauen be-
onnen haben, gerade in Berlin erfüllt.

Wenn wir uns die Geschichte der Europäischen Union
nsehen, stellen wir fest: Alle Fortschritte hin zu dem
eutigem Bestand in der Europäischen Union waren im-
er von Skepsis geprägt, von der Skepsis, ob es über-

aupt gelingt, zu einem gemeinsamen Binnenmarkt zu
ommen; von der Skepsis, ob es gelingt, zu einer Wirt-
chafts- und Währungsunion zu kommen; und von der






(A) )



(B) )


Hartmut Koschyk
Skepsis, ob es nach dem Fall von Mauer und Stachel-
draht gelingt, die Europäische Union nach Osten zu er-
weitern. Die Geschichte Europas hat alle Skeptiker wi-
derlegt. Wir müssen aber erkennen, dass wir uns heute in
einer Phase des europäischen Einigungsprozesses befin-
den, wo es darum geht, das Vertrauen der Bürger Euro-
pas in eine positive Fortentwicklung der Europäischen
Union ein Stück weit neu zu gewinnen, ein Stück weit
neu zu begründen.

Deshalb muss Europa erfolgreich sein. Europa muss
vor allem auf die Frage eine Antwort finden, die die Bür-
ger unmittelbar betrifft, nämlich, ob es gelingt, Europa
im Konzert des globalen Wettbewerbs so aufzustellen,
dass durch mehr Wachstum wieder mehr Beschäftigung
entsteht. Es ist sicher richtig, dass wir in diesem Zusam-
menhang die Voraussetzungen in den einzelnen Mit-
gliedstaaten berücksichtigen müssen. Ich glaube, nie-
mand kann übersehen, dass die Reformpolitik dieser
Bundesregierung Deutschland wieder nach vorne ge-
bracht hat, sodass wir heute, im Jahr 2007, wieder eine
gute Perspektive für mehr Wachstum und Beschäftigung
haben. Wir können selbstbewusst, aber nicht selbstzu-
frieden sagen: Deutschland schickt sich wieder an,
Wachstums- und Beschäftigungslokomotive in Europa
zu werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Selbstverständlich ist es wichtig, dass wir national un-
sere Hausaufgaben machen.


(Markus Löning [FDP]: Das haben die anderen gar nicht nötig! Die haben nämlich alle weniger Arbeitslosigkeit als wir!)


Als ein Ziel der deutschen Ratspräsidentschaft ist zu
Recht der Bürokratieabbau formuliert worden. Es ist
wichtig, dass wir in Deutschland zum 1. Januar den Nor-
menkontrollrat und damit ein Bürokratiemessverfahren
in Gang gesetzt haben, dass wir nach dem ersten Mittel-
standsentlastungsgesetz nunmehr ein zweites Mittel-
standsentlastungsgesetz auf den Weg gebracht haben.
Wir sollten den Druck, der jetzt von Europa kommt,
nämlich 25 Prozent der statistischen Nachweispflichten
auch national abzubauen, als heilsam empfinden. Wir
sollten aber auch stolz auf das sein, was diese Bundesre-
gierung im Bereich des Bürokratieabbaus auf den Weg
gebracht hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich will ein weiteres Thema nennen, das im Zuge der
europäischen Ratspräsidentschaft von ganz entscheiden-
der Bedeutung ist: Energiesicherheit in Europa. Ich bin
dem Bundeswirtschaftsminister sehr dankbar – das ist
nämlich wichtig –, dass er auch national eine Politik
fährt, die für mehr Wettbewerb sorgt, damit die Preise
sinken; denn das ist im Interesse der Verbraucher.

Herr Westerwelle, der Kollege Meister hat zu Recht
gesagt, dass es diesbezüglich einen Dissens in der Gro-
ßen Koalition gibt. Wir stehen nicht hintan, zu sagen,
dass wir der festen Überzeugung sind, dass Energie-

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(C (D icherheit in Europa und sichere Energieversorgung im usammenhang mit wirksamem Klimaschutz bedeuten, ass wir uns keinen Ausstieg aus der Kernenergie leisen können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


ch sage aber auch: Die Kernenergie ist allenfalls eine
wischen-, eine Übergangslösung. Es ist gut und richtig,
ass diese Bundesregierung die Energieforschung voran-
reibt;


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie einmal mit Herrn Pflüger!)


enn das Festhalten an der Kernenergie allein wird die
nergieversorgungsprobleme Europas von morgen nicht

ösen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörg van Essen [FDP]: Da sind wir nicht auseinander!)


Die Kanzlerin hat davon gesprochen, dass es wichtig
st, dass wir das Vertrauen der Menschen in Europa ein
tück weit neu begründen. In diesem Zusammenhang ist
s wichtig, dass wir den Vorschlag unterstützen, den die
anzlerin in diesem Zusammenhang eingebracht hat,
ämlich, dass der Regulierungswahn auf der europäi-
chen Ebene ein Stück weit dadurch sein Ende findet,
ass Vorschläge der Kommission für Richtlinienent-
ürfe mit dem Ende einer Legislaturperiode des Euro-
äischen Parlaments der Diskontinuität anheimfallen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


as stellen wir denn fest? Es werden irgendwelche
inge ersonnen und auf den Weg gebracht, und selbst
ach einer Neuwahl des Europäischen Parlaments, einer
eubildung der Europäischen Kommission wird so ge-

an, als habe sich nichts verändert, nach dem Motto: Die
arlamente und die Kommissionen gehen, die Ideen der
ürokraten bleiben bestehen. Deshalb hat der Vorschlag,
ass auch auf europäischer Ebene das Prinzip der Dis-
ontinuität Geltung findet, unsere volle Unterstützung,
rau Bundeskanzlerin. Es ist wichtig, dass es gelingt, die
ommission, den Rat, vor allem aber auch das Parla-
ent dafür zu gewinnen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Das ist besser als Kernkraft!)


Es ist in dieser Debatte mehrfach davon die Rede ge-
esen, dass es darum geht, die ehrgeizigen klimapoliti-

chen Ziele mit der Notwendigkeit von Wachstum in Eu-
opa zu versöhnen und dass wir Ökologie und Ökonomie
n einem Gleichklang betreiben. Hier hat die Kanzlerin
u Recht davon gesprochen, dass wir uns anstrengen
üssen, um national und auch europäisch diese Ziele zu

rfüllen. Unser Landesgruppenvorsitzender, Peter
amsauer, hat mir gerade noch einmal gesagt, wie wich-

ig es in diesem Zusammenhang ist, den Ausbau erneu-
rbarer Energien voranzutreiben.






(A) )



(B) )


Hartmut Koschyk

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Jörg Tauss [SPD] – Dirk Niebel [FDP]: Hätten Sie das ohne Ramsauer nicht gewusst? – Jörg Tauss [SPD]: Hallo! Koschyk lernt!)


– Lieber Herr Niebel, ich freue mich immer, wenn es
Führungspolitiker bei uns gibt, die unser Bewusstseins-
spektrum ein Stück erweitern.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])


Niemand kann so klug sein wie ein FDP-Generalsekre-
tär. Das ist klar.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass wir
nicht nur beim Europa-Amerika-Gipfel mit den Verei-
nigten Staaten, nicht nur beim G-8-Gipfel in Heiligen-
damm mit den Chinesen über den Klimaschutz sprechen,
sondern dass wir gerade auch im Hinblick auf unsere
entwicklungspolitische Zusammenarbeit darauf setzen,
dass wir in engem Kontakt mit den Entwicklungslän-
dern und den Schwellenländern den Klimaschutz maß-
geblich vorantreiben. Denn jeder Euro, den wir in die-
sem Zusammenhang in die Zusammenarbeit mit
Entwicklungsländern und Schwellenländern investie-
ren, hat einen viel stärkeren Effekt als alle Anstrengun-
gen, die wir national und auf europäischer Ebene dafür
aufwenden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Frau Bundeskanzlerin, Sie haben immer wieder da-
von gesprochen, dass es neben allen Zielen im Hinblick
auf Klimaschutz, Wachstum und Beschäftigung darauf
ankommt, die Grundlagen für das europäische Eini-
gungswerk wieder zu beschreiben und sich auf sie zu be-
sinnen. Wir sind Ihnen als CDU/CSU-Fraktion sehr
dankbar, dass Sie nicht müde werden – gerade auch ges-
tern bei der großartigen Veranstaltung der Konrad-
Adenauer-Stiftung mit dem Präsidenten der Europäi-
schen Kommission –, einen Gottesbezug anzumahnen,
wenn es darum geht, jetzt einen Anlauf für einen neuen
europäischen Verfassungsvertrag zu nehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir alle wissen, woran dies im ersten Anlauf geschei-
tert ist. Ich nehme es mir als frei gewählter Abgeordneter
heraus, an unsere französischen Freunde zu appellieren,


(Dr. Angelica Schwall-Düren [SPD]: Da können Sie lange appellieren!)


ihren Widerstand gegen die Aufnahme eines Gottesbe-
zugs in einem europäischen Verfassungsvertrag ein
Stück aufzugeben. Denn es tut der Selbstvergewisserung
Europas gut.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass die Franzosen der Verfassung zustimmen, wenn der Gottesbegriff drinsteht!)


– Lieber Herr Kollege Beck, dann sollte man ein Stück
dafür werben und es nicht so oberflächlich betreiben,
wie es der frühere Bundesaußenminister, der Ihrer Partei
angehört, getan hat.

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(C (D ier lohnt sich ein Ringen mit allen, die einer Aufnahme es Gottesbezugs in einen europäischen Verfassungsverrag skeptisch gegenüberstehen. (Ulrich Kelber [SPD]: Am besten lassen wir es daran scheitern! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir lassen es einfach daran scheitern! Das ist doch ein Vorschlag!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich darf mit einem Zitat der Bundeskanzlerin beim
uropaempfang der CDU/CSU-Fraktion von dieser Wo-
he schließen. Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben gesagt:
ie größte Gefahr für die Demokratie ist die organisierte
erantwortungslosigkeit. – Was heißt das? Wir brauchen
ieder klare Kompetenzzumessung, klare Kompetenz-
bgrenzung und ein klares Bekennen zu Verantwort-
ichkeiten auf der europäischen Ebene. Ich bin sicher,
ass die deutsche Ratspräsidentschaft unter der deut-
chen Ratspräsidentin, Bundeskanzlerin Angela Merkel,
inen wichtigen Beitrag dazu leisten wird, dass durch
ehr Transparenz und stärkere Kompetenzabgrenzung

ei den Bürgerinnen und Bürgern wieder mehr Vertrauen
n das europäische Einigungswerk wachsen wird.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1608202600

Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Trittin, Bünd-

is 90/Die Grünen.


Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608202700

Lieber Herr Koschyk, in Europa haben viele Religio-

en ihr Zuhause. Das sollte auch bei der CSU einmal an-
ommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin!
an sollte die Überschriften, die man über Regierungs-

rklärungen setzt, immer auch auf die Wirklichkeit im
igenen Lande wirken lassen. Ich will jetzt nicht über
en Bürokratieabbau beim Nichtraucherschutz in der
undesrepublik Deutschland sprechen. Aber wenn Sie
u Recht sagen, dass es beim europäischen Modell auch
m soziale Gerechtigkeit geht, dann müssen Sie sich die
rage gefallen lassen: Wie kommt es eigentlich, dass
enschen, die Vollzeit arbeiten, in fast allen Ländern

uropas, die übrigens höhere Lohnsteigerungen und ge-
egentlich auch bessere ökonomische Zahlen als
eutschland verzeichnen können, dagegen abgesichert

ind, dass ihr Lohn nicht unter ein bestimmtes Niveau
inkt?


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Wer ernsthaft der Meinung ist, dass Europa auch ein
ozialmodell ist, der darf, wenn es im eigenen Land da-
um geht, beispielsweise für Friseurinnen oder für Men-
chen, die im Wachdienst arbeiten, einen Mindestlohn
estzusetzen, nicht auf der Bremse stehen und blockie-






(A) )



(B) )


Jürgen Trittin
ren. Das macht all das Gerede von einem sozialeren Eu-
ropa unglaubwürdig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das gilt auch und gerade mit Blick auf den Klima-
wandel. Wir alle sind uns einig: Die globale Erwär-
mung darf nicht um mehr als 2 Grad steigen. Ich zitiere:

Daher streben wir an, dass sich die EU auf ein am-
bitioniertes Minderungsziel für Treibhausgase von
30 % bis 2020 … verpflichtet und für die anstehen-
den Klimaverhandlungen Vorschläge erarbeitet, wie
weitere große Volkswirtschaften … eingebunden
werden können. Dies

– gemeint ist das Minderungsziel von 30 Prozent –

ist die Voraussetzung dafür, dass die EU glaubwür-
dig ihre Führungsrolle in der internationalen Klima-
politik fortführt.

Meine Damen und Herren, das ist nicht das Programm
der Grünen. Das ist das Präsidentschaftsprogramm der
Bundesregierung, vorgelegt auf dem Umweltrat, darge-
stellt von Sigmar Gabriel. Er hat recht. Ich verteidige ihn
für diese Sätze.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP], zu Bundesminister Sigmar Gabriel gewandt: Jetzt kommen Sie langsam in Schwierigkeiten!)


Es handelt sich um eine ganz einfache Feststellung:
Mit einer Minderung der Treibhausgase um 20 Pro-
zent werden wir das Klimaschutzziel der Verhinderung
einer Erwärmung um mehr als 2 Grad nicht erreichen.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie sind nicht mehr in der Regierung! Die Große Koalition braucht die Grünen nicht!)


Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Deswegen
hätte ich von Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, erwartet,
dass Sie das, was Ihr Umweltminister zu Recht gesagt
hat, in Ihrer Regierungserklärung gegen den nicht hinrei-
chenden Vorschlag der Kommission verteidigen und dar-
legen, wie Sie das Ziel einer Minderung um 30 Prozent
erreichen wollen, statt lediglich zu erläutern, warum eine
Minderung um 20 Prozent auch schon ganz schön ambi-
tioniert ist. Hätten Sie das getan, wäre das aktive Klima-
schutzpolitik gewesen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine zweite Bemerkung. Da ich mich in diesem Ge-
schäft ein bisschen auskenne, sage ich Ihnen: Sie haben
gegenwärtig nicht einmal die Senkung um 20 Prozent in
der Tasche. Denn es gibt im Hinblick auf die 20 Prozent
bisher keine Einigung der einzelnen Mitgliedstaaten. Ich
prophezeie Ihnen: Um diese 20 Prozent werden Sie auf
dem nächsten europäischen Gipfel noch kämpfen müs-
sen. Wir hätten von Ihnen erwartet, dass Sie eine Strategie
haben, die deutlich macht, welchen Beitrag die einzelnen
Mitgliedstaaten zur Erreichung dieses unzureichenden
Ziels leisten können.

Meine dritte Bemerkung betrifft die erneuerbaren
Energien. Ich höre mit großer Freude, dass Sie sagen:
Wir sind stolz darauf, dass wir an der weltweiten Wind-

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(C (D tromerzeugung einen Anteil von 60 Prozent haben. Ja, as freut uns alle. Aber ich frage Sie: Wie wäre Deutschands Anteil, wenn nicht Herr Stoiber, wenn nicht Herr ettinger und wenn nicht seit Neuestem auch Herr üttgers in den großen Flächenländern jeden Versuch ines vernünftigen, naturgerechten Ausbaus der Windnergie massiv blockieren würden? (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)


nser Anteil würde nicht 60 Prozent, sondern vielleicht
ogar 70 Prozent betragen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr von Beust hat heute gesagt, bis zum Jahre 2020
önnten in Deutschland 35 Prozent des Stroms durch er-
euerbare Energien erzeugt werden. Dazu sage ich: Ja,
as geht. Aber das setzt voraus, dass Sie endlich mit Ih-
er ideologisch bornierten Blockade aufhören.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


ie müssen, was den Klimaschutz und die erneuerbaren
nergien betrifft, endlich handeln und aufhören, nur
berschriften zu zitieren. Das ist das Problem.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1608202800

Steffen Reiche für die SPD-Fraktion ist der nächste

edner.


Steffen Reiche (SPD):
Rede ID: ID1608202900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

aben zu viele Probleme, als dass wir uns weniger Eu-
opa leisten könnten. Das ambitionierte Programm der
eutschen Ratspräsidentschaft ist für uns Anspruch und
ine Quelle von Zukunft für Europa. Europa gelingt ge-
einsam.

Man hört zwar immer wieder: Diese Ratspräsident-
chaft wird teuer. Aber das ist das große Geheimnis Eu-
opas: dass durch Teilen alle reicher werden. Es ist wahr:
eutschland gibt am meisten, und das wird auch so blei-
en; denn wir haben auch die meisten und die größten
orteile von dieser Europäischen Union. Wir sind Ex-
ortweltmeister nur durch die Europäische Union. Dem
rfolg verdanken wir, dass wir unsere Ziele wieder errei-
hen können.

Das wichtigste, das Lissabonziel, werden wir viel-
eicht 2009 erreichen. Eine Studie belegt, dass wir 2010,
ach unseren Anstrengungen, wieder dynamischste und
ettbewerbsfähigste Region der Welt werden können.
llerdings werden wir es auch deswegen, weil sich die

nderen nicht so dynamisch entwickelt haben, wie das
rsprünglich geplant war, bzw. weil sie schwächer ge-
orden sind. Reformen sind also auch in Zukunft not-
endig. Deshalb muss Deutschland gerade während der
eutschen Ratspräsidentschaft Wachstums- und Reform-
otor bleiben.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse)







(A) )



(B) )


Steffen Reiche (Cottbus)

Viel Symbolik ist mit unserer Ratspräsidentschaft
verbunden. Deshalb sind die Erwartungen an uns ent-
sprechend hoch. Es versteht sich von selbst, dass wir ei-
nen Beitrag leisten werden, um Europa nach vorn zu
bringen. Dabei kommt es zunehmend auch darauf an,
den Menschen draußen deutlich zu machen, dass Europa
in einer globalisierten Weltwirtschaft eigene Wertvor-
stellungen hat und die Globalisierung auch gestaltet. Wir
müssen beweisen, dass ein wettbewerbsfähiges Europa
auch ein soziales Europa ist,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


das den Menschen zu Bildung, Arbeit und Wohlstand
verhilft.

In den letzten Jahren haben wir in Deutschland auf-
grund der vereinbarten Lissabonstrategie viele Anstren-
gungen unternommen, um unsere Unternehmen, unsere
Sozialsysteme, die öffentlichen Haushalte so aufzustel-
len, dass es zu einem Aufschwung kommen konnte. Ich
gebe zu, dass viele der Vorgaben aus Brüssel nicht nur
schwer verdaulich, sondern den Menschen draußen auch
schwer vermittelbar waren. Aber wir haben die Wende
geschafft. Ob uns das auch ohne Europa in der Weise ge-
lungen wäre, darf wohl bezweifelt werden. Denn wenn
wir uns einmal ansehen, wohin die meisten unserer Ex-
porte gehen, sehen wir, welche wirtschaftliche Dynamik
hinter dieser Gemeinschaft steckt.

Das erlebt jetzt zum Beispiel auch Bulgarien.
60 Prozent seiner Exporte und mehr als 50 Prozent sei-
ner Importe wickelt es mit der EU ab. Massive Investi-
tionen in Produktion und Anlagen haben zu einer hohen
Wettbewerbsfähigkeit geführt, die die Arbeitslosenquote
von 19,7 Prozent im Jahr 2001 auf ungefähr 8 Prozent in
diesem Jahr fallen ließ. Selbst der Staatshaushalt ist aus-
geglichen. Das bedeutet nicht, dass Bulgarien alle Krite-
rien schon voll erfüllt hätte. Es zeigt aber deutlich, wel-
che Chancen in diesem Europa stecken. Es ist doch
allemal besser, die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, als
auf billige Arbeitskräfte aus wirtschaftlich schwachen
Ländern zu setzen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir werden gemeinsam reicher, indem wir diesen
Rechts- und Wirtschaftsraum miteinander teilen.

Herr Lafontaine hat vorhin eine Volksabstimmung
über die europäische Verfassung angemahnt. Da, wo er
selber die Möglichkeit hatte, das Volk abstimmen zu las-
sen, nämlich über die Einführung des Euros, hat er sie
– aus guten Gründen – nicht gemacht. Denn wir hätten
sonst heute nicht, was den Bürgern im EU-Raum dient
und Wachstum schafft. Manchmal hat man fast den Ein-
druck, dass auch die Umkehrung des deutschen Sprich-
wortes „Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den
Verstand“ gilt, also: Wem Gott ein Amt nimmt, dem
nimmt er auch, was er gegeben hat.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


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(C (D Die Bundesregierung macht gerade kein Steuerdumingprogramm. Viele Steuervorteile, die Oskar Lafontaine ern gestrichen hätte, sind ja nicht während seiner Amtseit gestrichen worden, sondern durch seine Nachfolger; as hat zu den großen Steuermehreinnahmen, die wir jetzt aben, beigetragen. Wir brauchen allerdings einen weiteen Schritt in Richtung der Harmonisierung der Steuern n Europa, also hin zu gemeinsamen Bemessungsgrundagen, vor allen Dingen für die Unternehmensteuern. Das st gewiss ein dickes Brett, aber die Ratspräsidentschaft uss auch an dieser Stelle bohren, selbst wenn der Erfolg rst später eintritt. Die SPD will die Bundesregierung auch bei der AFTA – das heißt der wirtschaftlichen Verflechtung it Nordamerika – ausdrücklich unterstützen. Mit dem rfolg von Doharunde und TAFTA wären wichtige und achhaltige Impulse für Wachstum, Entbürokratisierung nd Wohlstand verbunden. Das wäre ein Impuls für irtschaft und Wohlstand der 800 Millionen Verbrau her, die in diesem Wirtschaftsraum leben. Gemeinsam ind wir stärker. Denn keiner versteht, warum auf Dauer in Auto, ein Pharmaprodukt oder eine Maschine erst für en europäischen Raum und dann noch einmal für den merikanischen Raum getestet werden muss, bloß weil ich der Neigungswinkel für Crashtests bei Autos in den SA von dem in Europa unterscheidet. Aber im Wettbewerb um Wohlstand – Gabor teingart nennt es „Weltkrieg um Wohlstand“ – sind wir ür die Verflechtung mit Nordamerika besser aufgestellt. enn wir im TAFTA-Raum gemeinsame Standards seten, dann setzen wir uns auch im globalen Wettbewerb it anderen Staaten und Kontinenten – ob Indien, China, apan oder Lateinamerika – besser durch. Das wäre ein ewinn an Nachhaltigkeit, Umweltstandards und auch ozialen Standards. So schaffen wir es zum einen, den rieden zu erhalten, zum anderen aber auch, die Globaliierung zu gestalten. Das sind die beiden zentralen Aufaben der Europäischen Union. Ich möchte gegenüber der Bundesregierung eine Bitte ußern bzw. einen Vorschlag machen. 50 Jahre EU und 0 Jahre Frieden müssen gefeiert werden. Wir kennen as alle von Feiern zum 50. Geburtstag: Viele kommen erade zu diesem Geburtstag, weil ein Mensch mit 50 iel hinter sich, aber auch noch viel vor sich hat. (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Lasst uns über den 50. Geburtstag besser nicht reden!)


Laden Sie die Staatschefs nicht nur nach Berlin zum
eiern ein! Vielmehr sollte dieser Jahrestag überall in
uropa gefeiert werden. Denn wer Europa nicht feiert,
ann es auch nicht leben. Europa ist nichts Selbstver-
tändliches. Es ist nicht vom Himmel gefallen, sondern
in hart erkämpftes Wunder.

Wer am 25. März nicht feiert, kommt vielleicht lange
icht mehr zum Feiern, auch wegen der Verfassungs-
rise, in die wir vielleicht hineingeraten. Wer aber jetzt
uropa feiert, ist bereit, mehr für Europa zu tun, ja, für
uropa auch etwas zu riskieren. Wer Europa gestalten
ill, muss wacher sein und tiefer träumen als andere.






(A) )



(B) )


Steffen Reiche (Cottbus)

Es liegt ein ambitioniertes Programm vor, das wich-
tige Schritte auf einem langen und weiten Weg bedeutet.
Was Guy Verhofstadt in seinem „Manifest für ein neues
Europa“ festgestellt hat, muss, denke ich, auch Teil der
Agenda der Europäischen Union bleiben. Insofern wün-
schen wir der Bundesregierung sowohl für Brüssel als
auch für Berlin alles Gute und viel Fortune.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608203000

Das Wort hat nun Kollege Hans Peter Thul, CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Hans Peter Thul (CDU):
Rede ID: ID1608203100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Meine erste Rede vor diesem Hohen Haus habe
ich der Anonymität des Protokolls übergeben, und da es
aus biologischen Gründen keine zwei Jungfernreden ge-
ben kann, erwarte ich in den nächsten Minuten keine be-
sondere Schonung bei den möglicherweise unterschied-
lichen An- und Einsichten zu den Themen Klima und
Energie.

Eine bedarfsgerechte, verlässliche, Umwelt und Res-
sourcen schonende Energieversorgung ist eine der wich-
tigsten infrastrukturellen Voraussetzungen für die ge-
deihliche Entwicklung einer modernen Industrienation
wie unser Land. Deshalb verdient unsere Bundeskanzle-
rin – wo auch immer sie sich aufhalten wird – die volle
Unterstützung dieses Hauses in allen damit verbundenen
Fragen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Global und weltweit!)


– Ihre Ergänzung ist sehr richtig.

Die Regierung Merkel setzt mutige Zeichen. Viel-
leicht liegt das auch daran, dass wir zum ersten Mal eine
Bundeskanzlerin haben, die über einen hervorragenden
technisch-physikalischen Hintergrund verfügt. Das war
ja bekanntlich nicht immer so. Klimaschutznotwendig-
keiten machen natürlich nicht an Ländergrenzen halt. Sie
erfordern nicht nur einen europäischen, sondern mögli-
cherweise auch einen globalen Lösungsansatz.

Die deutschen Energieversorger nehmen zu Recht seit
Jahren eine internationale Spitzenstellung ein. Sie waren
somit eine Voraussetzung für die gute und beispielhafte
Entwicklung unseres Landes im letzten Jahrhundert. Po-
litik verlangt Taten. Frau Bundeskanzlerin, vielleicht
könnten wir unsere Botschaften weltweit mit additiven,
alternativen oder regenerativen Versorgungssystemen
ausstatten. Das wäre wieder einmal ein Punkt, an dem
wir die Vorreiterrolle Deutschlands am wirkungsvollsten
unterstreichen könnten.

Für mich steht zu Beginn jeder Energiedebatte zuerst
die Überlegung, wie wir den Energieeinsatz verringern
oder sogar vermeiden können. Ich bin mir sehr sicher,
dass wir in dem Bemühen, Wirkungsgrade zu steigern,
noch gewaltige Fortschritte generieren können. Immer

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(C (D ehr Anwendungen mit Energie, aber immer weniger nergie pro Anwendung, das müsste das Leitmotto in en nächsten Jahren sein. Nicht die reine Leistungsfäigkeit, sondern die Entkopplung des Bruttoinlandsprouktes von einer CO2-freien Energieversorgung müsste einer Ansicht nach Maßstab für die Volkswirtschaft ein; das wäre in Zukunft wichtig. Bevor wir allerdings alle Glühlampen in die Müllonne werfen, sollten wir sehr kritisch auf unsere Bauhysik schauen und sehr kritisch unsere Fensterverlasungen in Augenschein nehmen und darüber achdenken, ob wir noch auf die richtige Weise unsere äume beheizen und unser Warmwasser bereiten. Ich in zwar der Meinung, dass wir in Zukunft mehr in die raft-Wärme-Kopplung investieren müssen. Aber berall dort, wo Wärmeund Elektrizitätsbedarf zeitlich icht zusammenfallen, betreiben Sie Ihr schönes Kraftärme-Kopplungswerk im Schornsteinbetrieb ohne je en ökologischen und ökonomischen Vorteil. Vor dem Hintergrund der weltweit steigenden Enerienachfrage bin ich mir sehr sicher, dass die nachfolenden Generationen gar nicht mehr die Frage stellen üssen, auf welche Art der Energieversorgung sie zu ückgreifen. Sie werden all das nehmen, was noch verügbar ist. – Herr Kelber, wenn ich es richtig sehe, rängt es Sie zu einer Zwischenfrage. Ich rege an, die Clean-Coal-Technologie weiter zu rforschen; denn mit dieser Technologie wäre es mögich, die Braunkohlewerke in den neuen Bundesländern ukunftsfähig zu gestalten. Wir hätten dann neben der riedlichen Nutzung der Urantechnologie eine saubere echnologie für unsere Braunkohle. Wenn wir aber den Stellenwert und die Akzeptanz der dditiven und der regenerativen Energien weiter beförern wollen, müssen wir nach meiner Überzeugung ehr in unsere Verteilungsnetze und möglicherweise ehr in sogenannte Speichersysteme investieren; denn eit wir gelernt haben, dass wir vom Emsland aus den trom und das Licht bis nach Sizilien ausschalten könen, wissen wir, dass die Störungsquellen in aller Regel n den Netzen und weniger auf der Erzeugungsebene zu uchen sind. Bei der Speichertechnologie machen wir im runde genommen nichts anderes, als Wasser zu erwären. Da diese Technologie 2 000 Jahre alt ist, lohnt es ich, darüber nachzudenken, wie wir hier besser voranommen können. Die meisten der angesprochenen Themen sind – Sie aben es gemerkt – Aufgabenstellungen für Techniker nd Ingenieure und eben nicht für Ideologen geeignet. nsofern waren die Reden von Frau Künast und Herrn rittin in der Sache wenig hilfreich. Ich wäre froh, wenn ir uns darauf verständigen könnten, etwas mehr techni chen und physikalischen Sachverstand in die Debatte inzubringen. Dann kommen wir voran und dann wird Hans Peter Thul Deutschland in Zukunft wieder eine gute Energiepolitik machen. Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Ulrich Kelber [SPD]: Nein!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)





(A) )


(B) )



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608203200

Lieber Kollege Thul, dies war Ihre erste Rede im

Deutschen Bundestag. Herzliche Gratulation und alle
guten Wünsche für Ihre Arbeit im deutschen Parlament.


(Beifall)

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu einer Reihe von Abstimmungen. Zu-

nächst kommen wir zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Druck-
sache 16/4442 zu der Abgabe einer Erklärung durch die
Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat in Brüssel am
8./9. März 2007. Wer stimmt für diesen Entschließungs-
antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen der Frak-
tion Die Linke abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 4 b: Interfraktionell wird vorge-
schlagen, die Vorlage auf Drucksache 16/4428 zur feder-
führenden Beratung an den Ausschuss für die Angele-
genheiten der Europäischen Union und zur Mitberatung
an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie sowie
an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vor-
schläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überwei-
sung so beschlossen.

Wir kommen nun zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für die Angelegenheiten der Europäischen
Union auf Drucksache 16/4453. Der Ausschuss emp-
fiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung, in Kennt-
nis des EU-Präsidentschaftsprogramms der Bundesregie-
rung auf Drucksache 16/3680 den Antrag der Fraktionen
der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 16/3808 mit
dem Titel „Die deutsche Präsidentschaft der Europäi-
schen Union zum Erfolg führen“ anzunehmen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung
ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der SPD gegen
die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der
Fraktionen der FDP und des Bündnisses 90/Die Grünen
angenommen.

Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
der Ausschuss, in Kenntnis des EU-Präsidentschaftspro-
gramms den Antrag der Fraktion der FDP auf
Drucksache 16/3832 mit dem Titel „Mehr Ehrgeiz für
die deutsche Ratspräsidentschaft – eine EU der Erfolge
für die Bürger“ abzulehnen. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-
men der CDU/CSU, der SPD und der Fraktion Die Linke
gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der Grünen
angenommen.

Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 seiner
Beschlussempfehlung, in Kenntnis des EU-Präsident-
schaftsprogramms den Entschließungsantrag der Frak-
tion Die Linke auf Drucksache 16/3796 zu der Abgabe

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(C (D iner Erklärung durch die Bundeskanzlerin zum Euroäischen Rat am 14./15. Dezember 2006 in Brüssel und ur bevorstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft bzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Bechlussempfehlung ist mit den Stimmen des Hauses geen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 4 seier Beschlussempfehlung, in Kenntnis des EU-Präsientschaftsprogramms den Antrag der Fraktion des ündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/3327 mit em Titel „Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsientschaft – Ratspräsidentschaft für eine zukunftsfähige U nutzen“ abzulehnen. Wer stimmt für diese Bechlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimen des Hauses gegen die Stimmen der Fraktion des ündnisses 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen zum Zusatzpunkt 3: Beschlussempfehung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Euroäischen Union auf Drucksache 16/4448 zu dem Antrag er Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Tiel „Berliner Erklärung – Werte und Aufgaben der EU m 21. Jahrhundert“. Der Ausschuss empfiehlt, den Anrag auf Drucksache 16/4171 abzulehnen. Wer stimmt ür diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – er enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den timmen der CDU/CSU, der SPD und der Fraktion ie Linke gegen die Stimmen der Fraktion des ündnisses 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP anenommen. Ich rufe die Zusatzpunkte 4 bis 10, die Tagesordnungsunkte 9 a und 9 b sowie die weiteren Zusatzpunkte 11 nd 12 auf: P 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, Volker Beck Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Einführung einer Klimaschutzabgabe bei Flugreisen – Drucksache 16/4182 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss P 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Reinhard Loske, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Wirksame Klimaschutzmaßnahmen im Straßenverkehr ergreifen – Drucksache 16/4429 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Lutz Heilmann, Eva Bulling-Schröter, Dorothée Menzner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN Trendwende beim Klimaschutz im Verkehr – Nachhaltige Mobilität für alle ermöglichen – Drucksache 16/4416 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Reinhard Loske, Kerstin Andreae, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Für mehr Klimaschutz im Verkehr – KfzSteuer auf CO2-Ausstoß umstellen – Drucksache 16/4431 – ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, Bärbel Höhn, Dr. Reinhard Loske, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN CO2-Emissionen der Dienstwagenflotte des Deutschen Bundestages nachhaltig senken – Drucksache 16/4430 – ZP 9 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Treibhausgasemissionen bei Dienstreisen ausgleichen – Vorbildfunktion der öffentlichen Hand erfüllen – Drucksachen 16/1066, 16/3847 – Berichterstattung: Abgeordnete Clemens Binninger Siegmund Ehrmann Dr. Max Stadler Jan Korte Silke Stokar von Neuforn ZP 10 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN Umverteilung durch den Emissionshandel beenden – Vorreiterrolle im Klimaschutz übernehmen – Drucksachen 16/1682, 16/3144 – Z (C (D Berichterstattung: Abgeordnete Andreas Jung Frank Schwabe Michael Kauch Eva Bulling-Schröter Dr. Reinhard Loske 9 a)


(Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und der





(A) )


(B) )

gierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten
Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeug-
steuergesetzes

– Drucksache 16/4010 –

– Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz-
ausschusses (7. Ausschuss)


– Drucksache 16/4449 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Patricia Lips
Ingrid Arndt-Brauer
Dr. Volker Wissing


(8. Ausschuss)


– Drucksache 16/4450 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt)

Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Winfried
Hermann, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Fördergesetz für Dieselrußpartikelfilter bald-
möglichst vorlegen

– Drucksachen 16/946, 16/4449 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Patricia Lips
Ingrid Arndt-Brauer
Dr. Volker Wissing

P 11 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Michael Kauch,
Gudrun Kopp, Angelika Brunkhorst, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Klimapolitischen Zertifikatehandel in Deutsch-
land nachhaltig und verantwortungsvoll ge-
stalten – Nationalen Allokationsplan grundle-
gend überarbeiten

– Drucksachen 16/3051, 16/4422 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Jung (Konstanz)

Frank Schwabe






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Michael Kauch
Eva Bulling-Schröter
Hans-Josef Fell

ZP 12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael
Kauch, Jan Mücke, Angelika Brunkhorst, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Einbeziehung des zivilen Luftverkehrs in den
europäischen Emissionshandel

– Drucksache 16/3049 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ände-
rung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes – das ist der Ta-
gesordnungspunkt 9 a – liegt ein Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP vor.

Der Finanzausschuss hat in seine Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 16/4449 den Antrag der Fraktion
des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/946
mit dem Titel „Fördergesetz für Dieselrußpartikelfilter
baldmöglichst vorlegen“ einbezogen. Über diese Vorlage
soll jetzt ebenfalls abschließend beraten werden. – Ich
sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann ist das so be-
schlossen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist auch das so beschlos-
sen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Fritz Kuhn, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen, das
Wort.


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608203300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

ist völlig klar: Wenn wir den internationalen Klima-
schutzanforderungen gerecht werden wollen, dann müs-
sen wir die CO2-Emissionen in der Europäischen Union
um 30 Prozent senken. Daran führt kein Weg vorbei.

Herr Umweltminister, ich erlebe die Debatte, die in
Deutschland gegenwärtig stattfindet, in etwa so: Viele
Mitglieder der Regierung versteifen sich jetzt, da man
20 Maßnahmen durchführen könnte, in eine intensive
Diskussion nach dem Motto: Welche zwei Maßnahmen
wären uns denn die liebsten? Ich sage Ihnen: Nach der
Überzeugung meiner Fraktion ist dieses Vorgehen luxu-
riös und nicht adäquat. Wir müssen so vorgehen, dass
wir alles machen, was wirklich hilft, und zwar sowohl
im Bereich der Energieerzeugung, der Energieeffizienz
– Stichwort: erneuerbare Energien – als auch auf dem
Gebiet des Verkehrs.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die jetzt stattfindenden Diskussionen, die nur die
Kfz-Steuer zum Gegenstand haben, sind – so wichtig
solche Fragen sind – ungenügend. Ich will, dass die Bun-
desregierung ein geschlossenes Konzept vorlegt, aus

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(C (D em hervorgeht, was sie beim Flugverkehr, zur Verbeserung des Schienenverkehrs und zur Reduktion der missionen des Automobilverkehrs machen will. Dabei ollte es sich um ein Gesamtkonzept handeln. Es geht icht an, dass nach monatelangen Diskussionen immer ieder nur Einzelmaßnahmen beschlossen werden. Manche in Deutschland – auch aus dem Kreis der Auomobilbauer – sagen gerne: Der Straßenverkehr spielt ar keine so große Rolle; man kann seinen Einfluss eientlich vernachlässigen. Solche Aussagen halten wir ür gefährlich. In Zahlen: 20 Prozent der CO2-Emissioen in der EU gehen auf den Straßenverkehr zurück. Beonders wichtig ist: Zwischen 1990 und 2004 sind die missionen im Straßenverkehr um 26 Prozent gestiegen. as heißt, das Verkehrsproblem muss gelöst werden, enn wir in Deutschland effektiv Klimaschutz betreiben ollen. Der Bundespräsident hat eine gute und wichtige Ausage getroffen. In den Zeitungen von heute ist zu lesen, ie zum Beispiel die Automobilindustrie auf Köhlers ahnungen reagiert hat. Ich finde, darüber müssen wir chon eine klare und öffentliche Aussprache führen. Der eue Audi-Chef, Rupert Stadler, hat in Abarbeitung eier Forderung, die niemand gestellt hat – niemand hat esagt, der CO2-Ausstoß von 120 Gramm pro Kilometer üsse „automobilkonzernscharf“ erreicht werden; vielehr ist es ein Durchschnittswert, über den verhandelt erden muss –, abwehrend gesagt, Audi könne dies icht leisten. Ich zitiere: Wir sind keine Sozialhilfestation, sondern ein Wirtschaftsunternehmen. Ich kann nur sagen: Wer mit solchen Sprüchen, die ußerdem trivial sind, auf die Klimaanforderungen reaiert, um zu verhindern, dass auch die deutsche Automoilindustrie handeln muss – sie hat ein massives Prolem, weil sie viele Technologien zur CO2-Reduktion erschlafen hat –, der hat das ökonomische Gesetz der ukunft nicht verstanden. Das heißt, nur wer den Klimachutz beim Fahrzeugbau beachtet, nur wer den Klimachutz zum strategischen Element der Industriepolitik acht, hat in Zukunft auch ökonomisch eine Chance. Ich ann nur sagen: Da muss man noch einmal nacharbeiten. n diesem Fall gilt das für Herrn Stadler von Audi. Herr Gabriel, wir finden es schade, dass die Bundesegierung auf EU-Ebene – Stichwort: Ausdehnung auf 30 Gramm – eingeknickt ist. Die Botschaft, die Sie dait an die deutschen Fahrzeugbauer senden, heißt näm ich: Wenn die EU einen ökologisch vernünftigen Vorchlag macht, kann man sich jederzeit darauf verlassen, ass die deutsche Bundesregierung diesen Vorschlag ufweicht und wieder kaputtmacht. Deswegen hat Ihr andeln auf EU-Ebene im Hinblick auf den industriellen mbau unserer Fahrzeugindustrie ein falsches Signal egeben. An dieser Einsicht führt kein Weg vorbei. Fritz Kuhn Wir wollen doch eine vernünftige Debatte führen. Dann gilt der alte Satz: Man kann in der Fahrzeugindustrie mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben, aber nur dann, wenn man wirklich beachtet, wie die Ökologie und der Klimaschutz gehen. Herr Gabriel, da brauchen wir uns nicht zu streiten. Ich habe nach dem italienischen Wochenende gesagt: Lasst uns auch in Deutschland einmal fahrzeugfreie Sonntage veranstalten! Ich habe übrigens nicht von Verboten geredet, weil ich weiß, dass in Deutschland die Zahl der Veranstaltungen in der Richtung zunimmt. Es wird viel gemacht. Übrigens ist das Bundesland Rheinland-Pfalz da führend. Ich finde, dass wir in den Städten eine Manifestation für mehr Klimaschutz durchaus auch einmal in Deutschland machen könnten. Ihre Reaktion, Herr Gabriel, fand ich etwas überzogen und Ihrer gar nicht würdig; das zeigt vielleicht, wie sehr Sie doch noch emotional am Auto hängen. Wir könnten es doch auch einmal wie die Italiener – von Ihnen als „Millionen Kleinbürger“ beschimpft – machen und uns am Sonntag in der Stadt frei bewegen. Wir wissen, dass das nicht die große CO2-Einsparung bringt. Aber einmal darüber zu diskutieren, wie Mobilität in unserem Land eigentlich aussieht, halten wir für ziemlich wichtig. Wir wollen die Kfz-Steuer umbauen, dabei übrigens die anderen Schadstoffe nicht vergessen. Vor lauter Aufregung sollten wir jetzt nicht alles auf CO2 konzentrieren. Wir wollen in Deutschland auch ein Tempolimit einführen. Ich will noch einmal klar und deutlich sagen: Ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern bedeutet nach Zahlen des Umweltbundesamts 10 Prozent Reduktion allein beim CO2. (Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage Ihnen noch einmal: Wir können es uns nicht
leisten, solche Zahlen einfach zu ignorieren. Deshalb ha-
ben wir das vorgeschlagen.

Ebenso muss die steuerliche Abschreibung für Wa-
gen, die sehr viel emittieren, irgendwo gedeckelt sein. Es
kann ja nicht sein, dass die CO2-mäßig schlimmsten Au-
tos als Dienstwagen dann noch den größten Steuervorteil
erhalten. Das ist unmöglich. Das werden wir abschaffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Letzter Punkt. Der Deutsche Bundestag kann nicht
nur über Einsparungen reden; er muss auch selber han-
deln. Deswegen haben wir einen Antrag vorgelegt, nach
dem auch im Fahrdienst des Deutschen Bundestages
verschiedene Werte einzuhalten sind. Da können Hy-
bridfahrzeuge und andere Fahrzeuge zum Einsatz kom-
men. Die meisten Fahrten finden in der Stadt Berlin statt.
Ein Bundestag, der von den Menschen im Lande und
von den Fahrzeugherstellern verlangt, dass es mit den
CO2-Emissionen runtergeht, aber meint, sich selbst nicht
daran beteiligen zu müssen, ist schief gewickelt. Ich bitte
darum, dass man auch im Ältestenrat dieses Hauses da-

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(C (D über spricht und zu ökologischeren Lösungen bei der obilität des Bundestags gelangt. Vielen Dank. Ich erteile das Wort Kollegin Katherina Reiche, CDU/ SU-Fraktion. Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle en! In den vergangenen Wochen ist kaum ein Tag verangen, an dem nicht eine große Tageszeitung oder eine auptnachrichtensendung über das Thema Klimawandel, limaschutz berichtet hat. Auslöser waren sicherlich der m vergangenen Jahr veröffentlichte Stern-Report, aber uch der vor kurzem veröffentliche Weltklimareport. Beide Berichte kommen übereinstimmend zu vier ussagen: erstens dass der Klimawandel stattfindet und om Menschen beeinflusst ist; zweitens dass Zeit da ist, aßnahmen zu ergreifen, um die schlimmsten Auswir ungen zu verhindern; drittens dass ein frühzeitiges andeln beim Klimaschutz eine spätere Explosion der osten verhindern kann; viertens dass dann, wenn nicht ehandelt wird, weltweit nicht nur erhebliche Verändeungen in der Natur, sondern auch massive soziale und konomische Verwerfungen drohen. Deshalb ist klar, ass wir beim Klimaschutz besser heute als morgen haneln sollten. Es ist auch richtig, wenn jetzt über eine Vielzahl von orschlägen diskutiert wird, wie wir beim Klimaschutz orankommen können. Es reicht aber nicht, tagtäglich irendeinen Vorschlag auf den Markt zu werfen, der dann urze Zeit später wieder in der Schublade verschwindet nd doch nicht sehr viel mehr als Populismus ist. Klimaschutz und Energiesicherheit bewegen die Menchen. Im Ranking der politisch wichtigsten Themen raniert der Klimaschutz mittlerweile ganz oben. Die Bürger nteressieren sich. Sie informieren sich darüber, welchen eitrag sie ganz persönlich leisten können. Ich finde die ntwicklung sehr positiv. Aber diese Stimmung fördert es sicherlich nicht, enn dann in regelmäßigen Abständen über Verbote, ie etwa ein Fahrverbot, diskutiert wird, auch dann icht, wenn sie nur einmal im Jahr gelten sollen. Herr uhn, Sie haben gerade selbst gesagt, das werde wahr cheinlich keinen sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz eisten, aber sei trotzdem ganz gut. Solche Vorschläge, laube ich, fördern eher den Frust über überzogene Vorchläge, als dass sie tatsächlich einen positiven Beitrag eisten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608203400

(Beifall bei der CDU/CSU)

Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1608203500

Es ist Zeit, zu handeln. Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll
Herr Kuhn, da stimme ich Ihnen zu –, die verschiede-
en Vorschläge im Rahmen eines vernünftigen Gesamt-






(A) )



(B) )


Katherina Reiche (Potsdam)

konzeptes zusammenzufügen; denn wir können die ein-
zelnen Enden, die wir in den Händen haben, nicht
voneinander losgelöst betrachten.

Klimaschutz und Energiepolitik – das habe ich gesagt –
hängen eng zusammen. Wenn man bedenkt, welche Vor-
haben allein in diesem Jahr auf der Agenda stehen, dann
zeigt sich eben, wie sinnvoll es ist, sie untereinander ab-
zustimmen. Ein Beispiel: Wenn der Ausstieg aus der
Kernenergie bis zum Jahr 2012 so durchgeführt wird,
wie es vereinbart wurde, dann müssen 50 Millionen Ton-
nen CO2 zusätzlich bis zum Jahr 2012 kompensiert wer-
den. Wie aber diese Kompensation stattfinden soll, ist
bislang vollkommen offen. Auch darüber muss man re-
den.

Wichtig ist, dass in Deutschland und Europa deutlich
mehr in Forschung und Entwicklung investiert wird.
Im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms der EU
wird jährlich 1 Milliarde Euro mehr in die Energiefor-
schung investiert; das ist eine Steigerung um mehr als
50 Prozent.

Wir beraten heute auch über verschiedene Initiativen
zum Klimaschutz im Verkehrsbereich. Gemessen am
gesamten CO2-Ausstoß in Deutschland hat der Verkehr
einen Anteil von 20 Prozent. Selbstverständlich muss
der Verkehrsbereich wie jeder andere Sektor seinen Bei-
trag zum Klimaschutz leisten. Deswegen ist der Vor-
schlag der Europäischen Kommission vernünftig, den
CO2-Ausstoß von Neufahrzeugen bis zum Jahr 2012 ver-
bindlich auf einen Durchschnittswert von maximal
130 Gramm CO2 pro Kilometer zu begrenzen. Weitere
10 Gramm pro Kilometer müssen durch Verbesserungen
jenseits der Motortechnik und durch den Einsatz von
Biokraftstoffen eingespart werden, um auf einen Wert
von 120 Gramm pro Kilometer zu kommen. Derzeit liegt
der CO2-Ausstoß bei durchschnittlich 163 Gramm pro
Kilometer. Das zeigt, dass sich die Automobilindustrie
einer erheblichen technologischen Herausforderung stel-
len muss.

Weltweit genießen die deutschen Autobauer sicher-
lich nach wie vor einen hervorragenden Ruf, was Sicher-
heit und Technik betrifft. Ich finde, es liegt eine Chance
darin, auch im Bereich Klimaschutz zum Trendsetter zu
werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Allerdings fand ich die Hetzjagd der letzten Wochen auf
eine der wesentlichen Säulen unserer Volkswirtschaft
nicht besonders klug, weil häufig die Aufregung im De-
tail jeglicher Grundlage entbehrte. Ich wiederhole aber:
Die Automobilindustrie muss sich den Klimaschutzzie-
len stellen. Sie ist gefordert, klimafreundliche Technolo-
gien schnell auf den Markt zu bringen.

Zuletzt wurde die vollständige Umstellung der Kfz-
Steuer auf eine CO2- und Schadstoffsteuer diskutiert.
Zwar hat man vom Auslöser der Debatte seither nichts
mehr gehört – das soll manchmal vorkommen –; aber
CDU, CSU und SPD haben sich schon im Koalitionsver-
trag auf eine solche Umstellung geeinigt. Für eine solche
Umstellung sprechen die Steigerung der Transparenz
und des Anreizes, Autos mit moderner Technologie zu

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(C (D aufen. Eine neue Kfz-Steuer muss aber aufkommenseutral gestaltet werden. Wir bedürfen dabei eines ernünftigen Vertrauensschutzes. Außerdem muss die ichtige Lenkungswirkung entfaltet werden. Die Finanierungsfragen sind mit den Ländern zu klären. Ohne Zweifel spielt der Flugverkehr beim Thema limaschutz eine wichtige Rolle. Angesichts des enoren Wachstums in diesem Bereich darf der Flugverkehr icherlich nicht abseitsstehen. Es ist ein gutes Signal, ass sich die Branche intensiv mit dem Klimaschutz bechäftigt. Die angemessene Einbeziehung des Flugverehrs in einen Emissionshandel ist ein wichtiger Schritt. ie Europäische Kommission hat hierzu Vorschläge un erbreitet. Ich meine jedoch, dass es keine Insellösung eben darf. Wenn wir einen Emissionshandel beim Flugerkehr wollen, dann muss von vornherein eine globale ösung angestrebt werden, bei der auch Fluglinien auerhalb der Europäischen Union einbezogen werden. (Ulrich Kelber [SPD]: Das kriegen wir doch nicht hin! – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf dem Mars auch noch!)


onst besteht die Gefahr, dass die Flüge verlagert wer-
en und am Ende für den Klimaschutz nicht viel gewon-
en ist,


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Ausredenpolitik nutzt doch nichts!)


ir aber wichtige Luftdrehkreuze in Deutschland verlie-
en.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das Kabinett hat gestern einen Beschluss zu Dienst-
eisen der Bundesregierung gefasst. Ab dem Jahr 2007
ollen die CO2-Emissionen aller dienstlichen Reisen der
undesregierung ausgeglichen und damit klimaneutral
estaltet werden. Möglicherweise sind die Auswirkun-
en überschaubar; aber es ist mit Sicherheit richtig, Vor-
ild zu sein.

Wir brauchen in der Klimaschutzpolitik einen inte-
rierten Ansatz: Wir müssen international Impulse set-
en; national müssen wir unsere Verantwortung wahr-
ehmen und handeln. Deutschland und Europa stehen
eim Klimaschutz in einer besonderen Verantwortung;
enn nur wenn wir beim Klimaschutz handeln, werden
ndere Länder tatsächlich folgen. Deshalb darf man sich
icht auf die Position zurückziehen, erst dann Klima-
chutz zu betreiben, wenn auch Staaten wie China oder
ie USA bereit sind, konsequenter zu handeln; denn
ann würde es weltweit zu einem Stillstand kommen.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Argumentation gilt auch für den Luftverkehr!)


Es ist richtig, dass die Europäische Union Standards
etzt und dass sie sich auch einseitig verpflichten will,
en CO2-Ausstoß bis 2020 gegenüber 1990 um
0 Prozent und noch weiter um insgesamt 30 Prozent zu
enken, wenn sich andere Staaten verstärkt beteiligen.
ies ist sicherlich nicht nur ein wichtiges Signal an die
taatengemeinschaft, dass es uns mit dem Klimaschutz






(A) )



(B) )


Katherina Reiche (Potsdam)

ernst ist, das ist auch ein deutliches Zeichen an die Ener-
giewirtschaft und an die Industrie dafür, dass es in Eu-
ropa auch nach dem Auslaufen des Kiotoprotokolls im
Jahre 2012 mit dem Klimaschutz weitergeht.

Dass das wichtig ist, zeigt ein Blick in die USA; denn
dort drängen immer mehr Unternehmen die Regierung,
sich zunehmend mit dem Klimaschutz auseinanderzuset-
zen und das Ganze offensiver anzugehen, sich zum Bei-
spiel auch einem Emissionshandel nicht länger zu
verschließen. Das ist ein ganz deutliches Signal: Klima-
schutz ist ein positiver Wachstumsfaktor. Die führenden
Unternehmen der Welt haben dies erkannt.

Diesen Gedanken sollten wir sicherlich auch stärker
in den Mittelpunkt rücken, damit nicht die Bedenkenträ-
ger, sondern diejenigen, die sich dieser Herausforderung
offensiv stellen, die Märkte von morgen erobern.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608203600

Ich erteile das Wort Kollegen Michael Kauch, FDP-

Fraktion.


Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1608203700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Euro-

päische Union muss beim Klimaschutz mit gutem Bei-
spiel vorangehen. Die einseitige Verpflichtung der Euro-
päischen Union auf dem letzten EU-Umweltrat,
20 Prozent bis 2020 einzusparen, ist deshalb ein Anfang.
In der Aktuellen Stunde hat uns der Umweltminister
gestern erzählt, dies sei ein historischer Beschluss. Ich
erinnere daran, dass sich der Deutsche Bundestag frak-
tionsübergreifend immer für 30 Prozent – und zwar un-
konditioniert – ausgesprochen hat. Deshalb ist dieser Be-
schluss zwar gut, aber mit Sicherheit nicht historisch.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Bundesregierung betont gern die Vorreiterrolle
Deutschlands im Klimaschutz, doch die Auseinander-
setzungen der Bundesregierung mit der EU-Kommission
um den deutschen Allokationsplan und die Art und
Weise der Auseinandersetzung um die CO2-Obergrenzen
haben der deutschen Reputation geschadet. Anspruch
und Wirklichkeit sind hier auseinandergeklafft.

Die Kommission hat die Sonderregelungen beim na-
tionalen Allokationsplan, die die Bundesregierung vor-
gesehen hat, zu Recht angegriffen; denn diese Sonderre-
gelungen insbesondere für neue Kohlekraftwerke wären
ein falscher Investitionsanreiz gewesen. Deshalb freuen
wir uns, dass sich die Kommission gegen die Bundesre-
gierung durchgesetzt hat.

Das sollte aber auch Anlass für die Kolleginnen und
Kollegen der Koalition sein, noch einmal darüber nach-
zudenken, ob es nicht klug wäre, dennoch einen Teil der
Zertifikate zu versteigern. Das wäre ökologisch sinn-
voll. Die Zusatzgewinne der Versorger würden abge-
schafft, und in Verbindung mit der Senkung der Strom-
steuer aus diesem Aufkommen gäbe es eine

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(C (D mverteilung weg von den Energiekonzernen hin zu den erbrauchern. Das müsste eigentlich auch im Interesse er Sozialdemokratischen Partei sein. (Beifall bei der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Bei einer Versteigerung von 10 Prozent werden sie abgeschafft?)


Gesenkt.

Meine Damen und Herren, es liegt Ihnen ein Antrag
er FDP-Fraktion zur Einbeziehung des Luftverkehrs
n den Emissionshandel vor. Aus unserer Sicht ist es un-
mgänglich, dass auch der Luftverkehr seinen Beitrag
um Klimaschutz leistet. Wir halten den Emissionshan-
el auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen
ntwicklung der Luftverkehrswirtschaft für das Instru-
ent der Wahl. Das Ziel der Einsparung von so viel
reibhausgasen wie möglich zu so geringen Kosten wie
öglich kann nur mit dem Emissionshandel erreicht
erden. Voraussetzung ist aber, dass der Luftverkehr in
as bestehende Emissionshandelssystem integriert wird,
odass es auch eine Handelsmöglichkeit zwischen der
ndustrie und der Energiewirtschaft auf der einen und
er Luftverkehrswirtschaft auf der anderen Seite gibt.
eshalb ist es wichtig, ein separates Handelssystem,
elches das Europäische Parlament möchte, zu verhin-
ern. Das wäre in der Tat ein großes Hemmnis für die
ntwicklung der Luftverkehrswirtschaft.


(Beifall bei der FDP)


Aus ökologischer Sicht, wie ich betonen möchte, ist
s zudem auch notwendig – da sind, wie ich denke, im
at noch Diskussionen erforderlich –, dass man zwi-

chen der Treibhauswirkung der Emissionen, die am Bo-
en stattfinden, und denen, die in großer Höhe emittiert
erden, differenziert. Man wird sicherlich noch überle-
en müssen, wie man hier differenziert. Außerdem ist es
ichtig, den Luftverkehr auch auf globaler Ebene auf
limaschutzziele zu verpflichten. Es macht keinen Sinn,
as nur innerhalb der EU zu tun. Ein Flug von Dubai
ach Tokio belastet das Klima nämlich genauso wie ei-
er von Frankfurt nach New York. Hier ist Deutschland
efordert, nicht nur in der EU, sondern auch über die
-8-Präsidentschaft global Klimaschutzkonzepte voran-

ubringen.


(Beifall bei der FDP)


Meine Damen und Herren, im Rahmen der aktuellen
iskussion über den CO2-Ausstoß von Autos sollten wir
ielleicht einmal den Gedanken prüfen, ob wir nicht den
erkehrssektor insgesamt in den Emissionshandel ein-
eziehen können. Das würde analog zu dem, was ich
ben beim Luftverkehr dargestellt habe, noch mehr
öglichkeiten eröffnen, um die Ziele, die wir haben, so

ostengünstig wie möglich zu erreichen. Eine Debatte
m CO2-Obergrenzen ist deshalb nicht wirklich zielfüh-
end. Nicht der potenzielle CO2-Ausstoß eines Kraft-
ahrzeuges, sondern der tatsächliche Ausstoß von Treib-
ausgasen ist das, worum sich Politik kümmern sollte.
in wenig gefahrenes Oberklasseauto ist ökologisch
öglicherweise besser als ein Kleinwagen im Dauerein-

atz.


(Zurufe von der SPD: Ach nee!)







(A) )



(B) )


Michael Kauch
Deshalb sollten wir uns bei der Anwendung von politi-
schen Instrumenten daran orientieren, was emittiert
wird, und nicht daran, was potenziell emittiert wird.


(Beifall bei der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Zusätzlich zur Kfz-Steuer noch Mineralölsteuer und Emissionshandel? Typisch FDP! Nie konkretisieren! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie soll das funktionieren?)


– Herr Kelber, ich schätze Ihre Zwischenrufe. Der Kol-
lege Wissing wird gleich noch einiges zur Kfz-Steuer
insgesamt sagen. Ich möchte Ihnen schon so viel verra-
ten, dass wir die Kfz-Steuer abschaffen wollen – diese
Position der FDP kennen Sie ja – und sie auf die Mine-
ralölsteuer umlegen wollen. Wenn man dann den Emissi-
onshandel einführen würde, müsste man möglicherweise
flankierende Maßnahmen bei der Mineralölsteuer ergrei-
fen, damit die Kosten nicht einfach draufgesattelt wer-
den, sondern ökologisch für eine Begrenzung der Emis-
sionen gesorgt wird. Dafür ist die Wahl des richtigen
Cap beim Emissionshandel der beste Weg, Herr Kelber.


(Beifall bei der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Wie viel kostet das den Bundeshaushalt?)


Meine Damen und Herren, derzeit überschlagen sich
die politischen Forderungen zum Verkehrssektor. Uns
liegt ja auch ein Antrag zur Dienstwagenflotte des Bun-
destages vor. Es handelt sich um einen sehr populären,
möglicherweise sogar populistischen Vorschlag von
Bündnis 90/Die Grünen. Die EU will ja, wie Sie gerade
selbst gesagt haben, den Grenzwert von 120 Gramm,
dessen Einhaltung Sie hier für die Dienstwagenflotte be-
antragen, weder herstellerscharf noch nutzerscharf
durchsetzen. Dieser Antrag ist rein populistisch moti-
viert. Daran ändert auch die Begeisterung von Frau
Künast für Autos von Toyota überhaupt nichts. Wenn
wir einen Wagen mit der gleichen Ausstattung wie der-
zeit üblich von Toyota nehmen wollten, dann müssten
wir den neuen Hybrid-Lexus nehmen. Dieser emittiert
aber 186 Gramm CO2 pro Kilometer, die E-Klasse von
Mercedes, die wir momentan nutzen, aber nur
167 Gramm. Das wäre also kein Fortschritt, sondern ein
Rückschritt.


(Beifall bei der FDP)


Sie könnten jetzt entgegnen, dann steigen wir eben auf
die Golf-Klasse um und fahren alle Smart oder Prius. In
dem Zusammenhang möchte ich nur daran erinnern,
dass Herr Trittin in seiner Amtszeit in einem VW Phae-
ton durch die Gegend kutschiert wurde, der pro Kilome-
ter 230 Gramm CO2 emittiert. So weit klaffen Anspruch
und Wirklichkeit grüner Politik zwischen Oppositions-
und Regierungszeiten auseinander.


(Beifall bei der FDP)


Lassen Sie mich jetzt noch ein Wort zum Thema
Kompensation von Dienstreisen sagen: Ich begrüße es,
dass die Bundesregierung einen entsprechenden Be-
schluss gefasst hat. Ich halte es auch für erwägenswert,
einen ähnlichen Beschluss für den Deutschen Bundestag
zu fassen. Wir werden das in den Ausschüssen beraten.

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(C (D Zum Antrag der Grünen möchte ich nur eines sagen: arin legen Sie sich darauf fest, dass die Kompensa ionsleistungen über die Initiative „atmosfair“ abgewikelt werden sollen. Wir meinen, dass es noch mehr gute rojekte als die von „atmosfair“ unterstützten in der elt gibt. Deshalb sollten wir nicht Lobbyarbeit für eine rganisation machen. (Beifall bei der FDP – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


An die Bundesregierung gerichtet möchte ich sagen:
ine Kompensation für die Belastung durch Dienstreisen
orzusehen, ist schön. Aber wenn Sie für einen Flug
der für eine an sich begrüßenswerte Bahnfahrt, die öf-
entlichkeitswirksam unternommen wird, eine Kompen-
ation vorsehen, zugleich aber den Dienstwagen als
eerfahrt an den Zielort nachkommen lassen – und das

st gängige Praxis in der Bundesregierung –, dann ist
em Klimaschutz mit einer solchen Kompensationsleis-
ung nicht geholfen, es sei denn, auch für die Leerfahrt
es Dienstwagens würde eine Kompensationsleistung
orgesehen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608203800

Ich erteile das Wort der Parlamentarischen Staats-

ekretärin Barbara Hendricks.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1608203900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ies ist eine Klimaschutzdebatte; das ist keine Frage.
ber auch der weiteste Weg kann nur durch viele zielge-

ichtete Schritte in die richtige Richtung bewältigt wer-
en. Einen dieser Schritte gehen wir heute, indem wir
ie Kfz-Steuer ändern, um Autos zu fördern, die mit
ieselrußpartikelfiltern ausgestattet werden.


(Beifall bei der SPD)


Bis jetzt ist es in dieser Debatte leider noch nicht the-
atisiert worden; aber wir haben heute ein Gesetz dazu

n zweiter und dritter Lesung zu verabschieden. Das ist
ormale parlamentarische Arbeit, gut vorbereitet im Fi-
anzausschuss, und die Kolleginnen und Kollegen aus
en Bereichen Umwelt und Verkehr tragen mit ihrer
achkenntnis zur Debatte bei, was ich auch gut finde.

Der Gesetzentwurf – ich will es kurz darstellen – sieht
ine Förderung für diejenigen Menschen vor, die ihre
KWs mit Dieselrußpartikelfiltern nachrüsten lassen,
m der Feinstaubbelastung zu begegnen. Diese Förde-
ung ist auf einen Zeitraum von ungefähr vier Jahren an-
elegt. In gleicher Weise, nämlich in einer Größenord-
ung von 330 Euro pro Fahrzeug, werden auch die
enschen gefördert, die im Vertrauen auf unser ange-

ündigtes Handeln ihren PKW schon im vergangenen
ahr, also im Jahr 2006, haben nachrüsten lassen. Dies
ird mit der Kfz-Steuerschuld verrechnet. Für diejeni-
en, die ihre PKWs nicht nachrüsten lassen, gibt es eine






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
sogenannte Malusregelung, die auf vier Jahre begrenzt
ist, um die Besitzer von älteren PKWs nicht übermäßig
zu belasten. Bei einer durchschnittlichen Hubraumgröße
bedeutet dies eine zusätzliche Belastung von etwa
25 Euro pro Jahr, also eine überschaubare Belastung.
Mit Blick auf die Anreizwirkung unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten muss man aber eine Bonus- und eine
Malusregelung zusammen betrachten: Was sind die Fol-
gen für mich, wenn ich es nicht tue, und was, wenn ich
es tue? Dies zusammengerechnet ergibt die Anreizwir-
kung für unsere Bürgerinnen und Bürger.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608204000

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Bulling-Schröter von der Fraktion Die Linke?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1608204100


Ja, sofort. Ich führe eben den Gedanken zu Ende. –
Mit 330 Euro Förderung wird man etwa die Hälfte der
Kosten erstattet bekommen; man muss natürlich selber
auch etwas zahlen.

Bitte schön, Frau Kollegin Bulling-Schröter.


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608204200

Danke schön, Frau Staatssekretärin. – Ich möchte Sie

nur fragen: Was machen denn die Menschen, für deren
Autos es keinen Dieselrußpartikelfilter gibt? Es gibt Au-
tos in der Bundesrepublik, für die keine produziert wer-
den. Zum Teil sind diese Autos ganz neu; aber es gibt
keine Dieselrußpartikelfilter für sie am Markt.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1608204300


Frau Kollegin Bulling-Schröter, was das anbelangt,
vertraue ich auf das Funktionieren der Marktwirtschaft.
Es gibt ja einen vierjährigen Förderzeitraum, und es
ist natürlich möglich, Dieselrußpartikelfilter, die jetzt
noch nicht am Markt sind, verhältnismäßig rasch auf den
Markt zu bringen. Besonders einige mittelständisch ori-
entierte Unternehmen haben sich darauf spezialisiert,
solche Filter nicht nur zu produzieren, sondern auch
selbst zu entwerfen. Das ist eine Technik, die gerade im
deutschen Mittelstand vorangetrieben wird. Deswegen
vertraue ich darauf, dass Dieselrußpartikelfilter, die jetzt
noch nicht für bestimmte Fahrzeugtypen zur Verfügung
stehen, auf den Markt kommen werden.

Wir schreiben im Übrigen nicht die Einführung einer
bestimmten Technik vor, sondern es geht sozusagen um
das Ergebnis, das mit dieser Technik erreicht wird. Die
Parameter sind in der Straßenverkehrs-Zulassungs-
Ordnung festgelegt. Das muss nicht im Steuerrecht an-
gepasst werden; da wird insoweit auf die zuständige Re-
gelung in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ver-
wiesen.


(Beifall bei der SPD)


Ich glaube, dass wir hiermit ein gutes Angebot an die
Bürgerinnen und Bürger machen und dass wir damit
auch gegenüber denjenigen unsere Zusage eingehalten

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(C (D aben, die im Vertrauen auf unser Handeln ihr Kfz schon m Jahr 2006 haben nachrüsten lassen. Auch sie werden, ie ich schon sagte, nach Inkrafttreten des Gesetzes am . April einen entsprechenden Antrag bei der Finanzveraltung stellen können. Ich darf noch auf die aktuelle Debatte zur Kfz-Steuer nd zum CO2-Ausstoß, die wir jetzt führen, eingehen. anche haben schon gefragt: Wieso führt ihr eigentlich och die Regelung mit den Dieselrußpartikelfiltern ein? as ist doch alles nur Klein-Klein; in Wirklichkeit geht s doch um CO2. – Darum habe ich ganz am Anfang von en vielen zielführenden Schritten gesprochen. Man ann natürlich ein sehr großes Bild dessen malen, was an erreichen will und auch erreichen muss und was wir n Verantwortung für zukünftige Generationen in diesem ause sicherlich auch gemeinsam anstreben. Gleichohl ist parlamentarische Arbeit mühsam. Parlamentari che Arbeit ist gerade, was die Gesetzgebung bei der fz-Steuer angeht, nur in vielen kleinen Schritten zu eisten. Selbstverständlich bereiten wir Regelungen vor, ie den CO2-Ausstoß in der Kfz-Steuer berücksichtigen. ies ist auch Gegenstand unserer Koalitionsvereinba ung. Darauf wurde eben schon hingewiesen. Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Kuhn? D Bitte, Herr Kollege Kuhn. Frau Staatssekretärin, ich habe dazu eine Frage. Der mweltminister und der Verkehrsminister haben öffentich gesagt, man könne Regelungen zur CO2-Kompoente der Kfz-Steuer noch in diesem Jahr umsetzen. Wir lle wissen, dass dazu ein kompliziertes Einigungsverahren notwendig ist, weil es sich bei der Kfz-Steuer um ine Ländersteuer handelt. Ich möchte Sie fragen: Wie beurteilt die Bundesregieung den Vorschlag, den auch wir gemacht haben, im ahmen der Föderalismusreform-II-Kommission einen teuertausch durchzuführen? Das könnte zu einer Bechleunigung führen. Oder sind Sie der Meinung, dass ie Länder noch in diesem Jahr in der Lage sein werden, ich auf einen einheitlichen Vorschlag zu einigen, der ann auch mehrheitsfähig ist? D Herr Kollege Kuhn, ich bin dankbar für Ihre Frage um Steuertausch. Darüber muss in der Tat im Rahmen er Föderalismusreform-II-Kommission verhandelt weren. Die Länder haben zwar zum Teil geäußert, man önne dies vorab tun. Ich halte das aber nicht für zielfühend. Denn wir reden in der Föderalismusreform-IIommission gerade über die Finanzbeziehungen zwi chen Bund und Ländern. Ein Steuertausch würde natürich bedeuten, man müsste vorab die Verfassung für die Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks sen Punkt isoliert ändern. Ich glaube, wir können das nicht verantworten. Dieses Thema gehört vorurteilsfrei in die Debatte zur Föderalismusreform II. Ich sage bewusst: vorurteilsfrei. Die Bundesregierung hatte in der Föderalismusreform-I-Kommission diesen Steuertausch vorgeschlagen. Damals ist er von den Ländern nicht akzeptiert worden. Ich will noch etwas dazu sagen, warum die Länder jetzt einen Tausch so freundlich anbieten. Das ist zu erklären mit dem Föderalismus in seiner jetzigen Ausprägung. (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Genau so ist es!)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608204400
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1608204500
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608204600
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1608204700




(A) )


(B) )


Da die Länder erkannt haben, dass das dynamische Auf-
kommen der Kfz-Steuer durch Hinzunahme von weite-
ren Zielvorstellungen beschränkt wird, wollen sie diese
Steuer gerne loswerden und dafür eine sich dynamisch
entwickelnde Steuer bekommen.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist der Punkt!)


Als Bundestagsabgeordnete haben wir uns selbstver-
ständlich für den Klimaschutz einzusetzen. Aber wir ha-
ben auch die Interessen des Bundes zu wahren. Deswe-
gen werden wir diese Debatte zwar vorurteilsfrei führen,
aber ich kann keine Zusage geben. Das wird im Rahmen
der Föderalismusreform-II-Kommission vielleicht ein
Do-ut-des an anderer Stelle bedingen. Die Debatte ist
noch nicht zu Ende. Aber niemand kann von uns erwar-
ten, vorab und isoliert über diesen Punkt zu verhandeln.
Denn wir haben auch die Interessen des Bundes zu wah-
ren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Was die Umgestaltung der Steuer anbelangt, müssen
Sie wissen, dass wir den Schadstoffbezug in der Kfz-
Steuer trotz Hinzunahme des CO2-Bezuges nicht ab-
schaffen wollen. Bisher haben wir eine hubraum- und
schadstoffbezogene Kfz-Steuer. Diese wäre dann so
rasch wie möglich durch eine auf den CO2-Ausstoß und
auf die übrigen Schadstoffe bezogene Steuer zu ersetzen.
Dafür braucht man aber ganz gewiss Übergangsregelun-
gen. Wir befinden uns zurzeit auf der Ebene der zuständi-
gen Ministerien, des Finanzministeriums, des Verkehrs-
und Umweltministeriums, in den Abstimmungsgesprä-
chen.

Man muss wissen: Ohne Übergangsbestimmungen
wird es nicht gehen. Denn der Kfz-Bestand in der Bun-
desrepublik Deutschland hat etwa zur Hälfte überhaupt
keinen festgestellten Status in Bezug auf den CO2-Aus-
stoß. Man muss sich also einmal vergegenwärtigen, dass
es wohl kaum möglich sein wird, den CO2-Status von
rund 40 Millionen Pkws zu bestimmen und anschließend
mit dieser Information zu den Kfz-Meldeämtern der
Kreise und kreisfreien Städte zu gehen. Diesen Vor-
schlag würden die Länder, die die Verantwortung für
diese Verwaltungen haben, zu Recht ablehnen.

Wir brauchen also vernünftige Übergangsregelungen.
Selbstverständlich arbeiten wir mit Nachdruck daran.

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(C (D Herzlichen Dank. Ich erteile das Wort Kollegin Eva Bulling-Schröter, raktion Die Linke. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die ebatten um den Klimaschutz haben zurzeit Hochkonunktur. Es wird mehr in der Gesellschaft diskutiert; es ird um Lösungen gerungen. Das ist gut so. Dass der Flugverkehr zunehmend zu einem ernsten roblem für das Weltklima wird, wurde schon angesprohen. Ich möchte dazu eine Zahl nennen: Im letzten Jahr ab es nach dem Statistischen Bundesamt in diesem Beeich ein Plus von 6,5 Prozent. Wir haben noch nicht arüber gesprochen, dass es immer noch Pläne gibt, weiere Flughäfen zu bauen und bestehende auszubauen, um Beispiel in München eine dritte Startbahn, und so en Flugverkehr zu forcieren. Jetzt soll also der Flugverkehr in das europäische missionshandelssystem eingebracht werden. Dies soll ie Lösung bringen. Daran habe ich meine Zweifel. Die ommission schreibt, die Einbeziehung des Flugverehrs in den Emissionshandel würde sich auf die Tiketpreise in einem geringeren Maße auswirken als die esteuerung von Flugkraftstoff oder eine Emissionsababe – und dies bei angeblich gleichen Verbesserungen ür die Umwelt. Ich meine, das mit den Preisen stimmt icherlich, das mit dem zusätzlichen Umweltschutz aber icht. Ich frage Sie im Hinblick auf die Billigfliegerei: enn die Tickets nur um 1,80 bis 9 Euro teurer werden, er würde da vom Fliegen Abstand nehmen? Ich glaube, iemand. Auch wird sich angesichts dieser geringen zuätzlichen Kosten in die Tasche gelogen, wenn in diesem usammenhang von einem Lenkungseffekt für die Flugesellschaften, sich sparsamere Maschinen anzuschafen, gesprochen wird. Steigende Kerosinpreise treiben ier Erneuerungen viel schneller an als ein Emissionsandel light. Ich gehe natürlich davon aus, dass Landesegierungen in Zukunft den Verbrauch von Kerosin nicht ehr unterstützen werden. (Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Sie fliegen aber auch von München nach Berlin, oder?)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608204800

(Beifall bei der LINKEN)

Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608204900

Das Grundübel der Konstruktion der Kommission ist,
ass Kohlendioxid nur mit einem Faktor eins in die Be-
echnungen eingeht. Dabei ist die Wärmewirkung des
lugverkehrs je Tonne CO2 zwei- bis viermal so hoch
ie die des am Erdboden ausgestoßenen Kohlendioxids.
as heißt, wir bräuchten hier einen anderen Faktor.

Die Verzahnung mit dem EU-Emissionshandel führt
azu, dass der Flugverkehr weiter ungezügelt wachsen
ird. Das Problem hätte man umgehen können, wenn
er Emissionshandel im Flugbereich ein eigenes, abge-
chlossenes System wäre. Dann entstünde nämlich für






(A) )



(B) )


Eva Bulling-Schröter
dessen Emissionen ein echter Deckel, also eine Begren-
zung, die wir natürlich brauchen. Dieser Deckel wird
aber angehoben, wenn Emissionsrechte aus dem Ener-
gie- oder Industriesektor hinzugekauft werden können,


(Michael Kauch [FDP]: Aber da wird dann abgesenkt!)


und zwar vergleichsweise billig, da ja die Umweltwir-
kungen im Emissionsfaktor nur zu einem Viertel berück-
sichtigt werden.

Zu begrüßen ist am Richtlinienentwurf die angestrebte
Versteigerung der Zertifikate. Hier hat man offensicht-
lich aus dem Desaster im Handelssystem im Zusammen-
hang mit den Extraprofiten für die Energiewirtschaft und
die Industrie gelernt.

Weil wir gerade dabei sind: Nach dem Willen der EU-
Kommission musste Deutschland seinen Zuteilungsplan
für die nächste Handelsperiode in fast allen Punkten än-
dern, wie auch die Linke in ihrem Antrag vom Frühsom-
mer letzten Jahres bemängelt hat. Es gab eine viel zu
hohe Zertifikationszuteilung, unakzeptable Übertra-
gungs- und Neuanlagenregelungen und verdeckte Bei-
hilfen für die deutsche Industrie.

Leider konnte sich die Bundesregierung immer noch
nicht zu einer brennstoffunabhängigen Zuteilung der
Zertifikate durchringen. Das heißt, Kohle erhält mehr
Zuteilungen als Gas. Damit wird die Lenkungswirkung
des Emissionshandels hin zu emissionsärmeren Kraft-
werken deutlich beschnitten. Dass die Bundesregierung
weiterhin nicht von der Möglichkeit Gebrauch macht,
Zertifikate zu versteigern, ist ein Skandal.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir reden hier über Milliardenprofite; darauf haben wir
schon an vielen Stellen hingewiesen. Die Begründung,
dass dann die Preise noch mehr steigen würden, halte ich
für illusorisch; denn die Gelder werden schon jetzt ein-
gepreist.

Herr Gabriel hat gestern gesagt, wir wollten, dass die
Preise steigen. Vor allem für Geringverdiener sei das
aber ein Problem. Dazu kann ich nur sagen: Herr
Gabriel, wir haben den Antrag eingebracht, die im Zu-
sammenhang mit Windfall-Profits entstehenden Ge-
winne abzuschöpfen und sie in regenerative Energien zu
stecken, sie aber auch an Niedrigverdienerinnen und
Niedrigverdiener sowie Sozialhilfeempfängerinnen und
Sozialhilfeempfänger als Kompensation für die höheren
Preise weiterzugeben. Sie haben uns damals ausgelacht;
Sie haben das Problem nicht erkannt. Jetzt sprechen Sie
es selber an. Also: Tun Sie etwas!


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wollen auch den Haushalten, die wenig Geld haben,
die Möglichkeit geben, Energie zu sparen, etwa durch
neue Geräte.

Noch etwas zum Schluss: Es wurde die Firma Audi
angesprochen. Herr Stadler erpresst die Beschäftigten
hinsichtlich des Klimaschutzes. Ich kann dazu nur sa-
gen: Klimaschutz erreicht man nicht durch Angstmache.
Das sollte sich Herr Stadler merken. Er sollte sich infor-

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(C (D ieren und darüber Gedanken machen, wie man wirkich CO2 einsparen kann. Die Firma Audi hat im letzten ahr den Gewinn um 63 Prozent gesteigert. Das ist nicht enig. Dass die Firma nicht zu einer Sozialstation weren will, verstehe ich. Das war sie aber auch noch nie. ir fordern dazu auf, diese Erpressungen mit Blick auf ie Arbeitsplätze zu unterlassen. Nun hat Kollege Andreas Scheuer, CDU/CSU-Frak ion, das Wort. Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! rau Bulling-Schröter, weil Sie in Ihrer Rede so viel ber den Flugverkehr philosophiert haben: Beim nächsen Mal, wenn wir am Terminal 1 des Münchner Flughaens auf unser Flugzeug warten, unterhalten wir uns über en Emissionshandel. Vorneweg möchte ich klarstellen: Zu dieser Debatte iegt eine Vielzahl von Anträgen der Grünen vor. Man önnte daher auf die Idee kommen, dass es sich um eine ergangenheitsbewältigung und Reinwaschung der Grüen-Fraktion handelt, weil Sie in den sieben Jahren Ihrer egierungszeit scheinbar zu wenig erreicht haben. Anesichts Ihrer Kritik fragt man sich, wo Sie in den sieben ahren Ihrer Regierungszeit waren. Ihre Anträge enthalten einen bunten Strauß, ein Samelsurium von Forderungen. Mir scheint, Sie wollen ieder auf den Zug der aktuellen und sehr intensiven öf entlichen Diskussion aufspringen. Dieser scheint Ihnen llein durch die guten und weitreichenden Maßnahmen nd Zielvereinbarungen der Großen Koalition davongeahren zu sein. Es reicht einfach nicht, in dieser Debatte ur eine Wählerklientel-Seelenmassage zu machen. Das st durchschaubar. Die Große Koalition will Ihnen, meine Damen und erren von den Grünen, dieses antragstechnische Feienblatt nicht durchgehen lassen. Ziel aller politischen räfte hier im Deutschen Bundestag muss doch sein, ealitätsbezogene, sozial ausgewogene, bezahlbare und irtschaftlich vertretbare Klimaschutzmaßnahmen zu rreichen. Lassen Sie uns alle gemeinsam nicht mit Paik und Schnellschüssen Politik – gerade im Bereich des limaschutzes – machen, sondern im Interesse unserer ürgerinnen und Bürger gut umsetzbare Maßnahmen erreifen und die richtigen Weichen dafür stellen. Wir müssen die Klimaschutzpolitik in den Fokus ehmen. Dazu hilft, dass sich die deutsche Öffentlicheit, die Medien dieses Themas angenommen haben. amit ist auch eine Chance für die Politik verbunden, en Vorwurf zu entkräften, nur bis zum nächsten Wahl Dr. Andreas Scheuer termin zu schauen. Dem ist definitiv nicht so. Alle hier im Hohen Haus versuchen, weit darüber hinaus zu blicken, auch wenn alle Parteien in der Vergangenheit vielleicht einmal falsche Schwerpunktsetzungen vorgenommen haben. Es ist legitim, so etwas richtigzustellen. Deshalb: Nein, Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich werde Ihnen nicht vorhalten, dass der Fuhrpark der Bundesregierung mit grüner Beteiligung stärker, schneller und durstiger war als bei allen Regierungen zuvor. Ich halte Ihnen auch nicht vor, dass Sie die Chancen auf dem Gebiet der nachwachsenden Rohstoffe lange nicht erkannt haben. Ich habe eine Sammlung von Unterlagen zu Bioethanol und Biodiesel, woraus ich zitieren könnte, vor allem aus Plenarprotokollen und Anträgen der Grünen. Ich bin mir sicher, auch Sie lernen dazu. Ich nenne nur ein Zitat: Die GRÜNEN lehnen die Herstellung von Äthanol aus Biomasse ab, da sie einer Vernichtung von pflanzlicher Masse, also von Nahrungsmitteln, gleichkommt. Das ist aus dem Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer und der Fraktion der Grünen zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes. (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mitte der 80er-Jahre! – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608205000

(Beifall bei der CDU/CSU)

Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1608205100

(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: 2!)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


Es trifft mich persönlich, wenn die Frau Kollegin
Künast zum Kauf von japanischen Fahrzeugen aufruft.
Wie das der Arbeiter am Fließband von deutschen Auto-
konzernen wertet, können Sie sich selbst ausmalen. Na-
türlich muss die deutsche Autoindustrie schneller und
noch innovativer handeln, ein deutliches Signal setzen.
Wir müssen als Politiker auch eine deutsche Produktpa-
lette vertreten können, die ein Angebot an eine klimaver-
trägliche Mobilität darstellt. Deshalb der Appell an un-
sere Autobauer: Seien Sie rastlos in Bezug auf
alternative Antriebstechniken. Die Frau Bundeskanzle-
rin hat in ihrer Regierungserklärung im Rahmen der vo-
rangegangenen Debatte eine deutliche Ansage dazu ge-
macht: Mit Ökonomie und Ökologie im Einklang
Innovations- und Technologieführerschaft erreichen!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Große Koalition ist für Vorschläge in Bezug auf
eine stärkere CO2-abhängige Besteuerung von Fahrzeu-
gen offen. Die Frau Staatssekretärin hat dazu Stellung
bezogen. Wir werden uns im Rahmen der Föderalis-
musreform II auf konstruktive Gespräche mit den Län-
derministern einlassen. Zudem gibt es, beispielsweise
vom ADAC, sehr hilfreiche Anregungen, die wir ohne
Scheuklappen thematisieren müssen.

Wenn ich aber in dem Antrag der grünen Kollegen
lese, dass die Kfz-Steuer rein auf die Mineralölsteuer
umgelegt werden soll – auch Herr Kauch hat das im Na-
men der FDP gefordert –, dann sage ich: Das ist ein
Schlag ins Gesicht des ländlichen Raumes, der Grenzre-
gionen, der Pendler und der Berufstätigen, die auf das
Auto angewiesen sind, um zur Arbeitsstelle zu kommen,

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(C (D ie nicht einfach so auf die S-Bahn umsteigen können ie die Menschen in Ballungsräumen. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch nicht! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat das gesagt?)


as meinen Sie, was im Grenzraum los ist, wenn wir die
teuer auf Mineralölprodukte weiter anheben.

Sie argumentieren im gleichen Atemzug mit der Har-
onisierung der Mineralölsteuer auf europäischer
bene. Sie hatten in den sieben Jahren Ihrer Regierungs-
eit doch die Chance, diese Harmonisierung zu errei-
hen. Die Ökosteuer hat uns wettbewerbsunfähig ge-
acht. Was wir in den vergangenen Jahren an

limaschutzfreundlichen Maßnahmen mit den 4 bzw.
Milliarden Euro, die jährlich als verdeckte Subvention

n unsere europäischen Nachbarn abfließen, hätten
urchführen können, möchte ich mir gar nicht ausmalen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608205200

Herr Kollege Scheuer, gestatten Sie eine Zwischen-

rage der Kollegin Höhn?


Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1608205300

Gerne.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608205400

Bitte.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608205500

Herr Scheuer, Sie haben eben behauptet, dass Grüne

n letzter Zeit gefordert hätten, die Kfz-Steuer auf die
ineralölsteuer umzulegen. Ich würde gerne wissen,
er das war und wann das war. Bitte beantworten Sie
anach noch die Frage, wann Antje Vollmer den Antrag
u Bioethanol im Haushalt gestellt hat. Diese Fragen
ätten wir gerne von Ihnen beantwortet.


Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1608205600

Frau Kollegin, ich habe auf Ihre Zwischenfrage zum

itat gewartet.

Ich hatte den Gedanken verfolgt, dass alle Parteien in
er Vergangenheit auch einmal auf ein falsches Pferd ge-
etzt haben. Vergangenheit ist ja ein dehnbarer Begriff.
ch habe aus der Debatte über das Haushaltsgesetz 1984
itiert.


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


a ich schon auf Ihre Zwischenfrage gewartet habe,
önnte ich natürlich weitere Zitate aus den Jahren 1989,
990 und 1995 anführen. Ich habe eine ganze Sammlung
on Zitaten zu diesem Thema. Ich bin gerüstet. Ich habe
it einem Zitat von 1984 angefangen. Ich könnte das

ber beliebig weiterführen, auch mit Zitaten aus der jün-
eren Vergangenheit.

Zum zweiten Punkt. Herr Kollege Hermann, wir ha-
en im Verkehrsausschuss des Öfteren darüber disku-
iert. Ich möchte im Namen der CDU/CSU sagen, dass






(A) )



(B) )


Dr. Andreas Scheuer
der Aufschlag auf die Mineralölprodukte aus meiner
Sicht der falsche Weg ist. Wir führen hierüber eine of-
fene Diskussion. Das wollte ich zum Ausdruck bringen.
Ich habe auf die Kollegen von der FDP verwiesen, die
einen entsprechenden Parteitagsbeschluss gefasst ha-
ben. Auch bei Ihnen gibt es eine Diskussion über die
verschiedenen Modelle. Der Kollege Kuhn hat in der
vergangenen Woche zwar kein Fahrverbot am Wochen-
ende gefordert, aber zumindest – vielleicht ist er falsch
verstanden worden – einen Appell ausgesendet. Meiner
Meinung nach müssen wir die Scheuklappen ablegen.
Bezüglich der Steuer auf Mineralölprodukte sage ich an
die Adresse Ihrer Fraktion, dass das aus meiner Sicht der
falsche Weg ist, weil wir dann wettbewerbsunfähig wä-
ren.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608205700

Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Nachfrage der

Kollegin Höhn?


Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1608205800

Ja.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608205900

Bitte.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608206000

Meine Frage hätte ich doch gerne beantwortet. Ich

habe gefragt: Wann hat welcher Abgeordnete der Grü-
nen in der letzten Zeit die Abschaffung der Kfz-Steuer
und einen Aufschlag auf die Mineralölsteuer gefordert?
Wann war das, und wer war das? Ich hätte gerne ein ent-
sprechendes Zitat von Ihnen gehört.


Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1608206100

Der Kollege Hermann sitzt vor Ihnen. Wir haben ges-

tern in der Anhörung im Nachhaltigkeitsbeirat darüber
gesprochen, wie wir vorgehen müssen.


(Zuruf des Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Herr Kollege Hermann, ich lade Sie sehr herzlich dazu
ein, dass wir uns das Protokoll der Anhörung bei einer
Tasse Kaffee anschauen. Dann können wir noch einmal
darüber philosophieren.

Ich fahre mit dem Thema Tanktourismus fort. Sie
kümmern sich auch nicht darum, dass LKWs mit Zeit-
bomben am Fahrzeug, mit 1 000 Liter fassenden Zusatz-
tanks, mit schadstoffbelastetem Treibstoff, durch
Deutschland fahren. Auch das ist ein Resultat des Tank-
tourismus.

Wo wir schon beim Warenverkehr, bei den Gütern
sind: Ich verstehe nicht – das ist ein kleiner Appell an
unseren Koalitionspartner –, dass wir beim Donauaus-
bau, bei der Variante C 280, nicht auf einen leistungsfä-
higen Ausbau setzen. Ein einziger Lastkahn auf der Do-
nau könnte 140 LKWs laden.


(Ulrich Kelber [SPD]: Aus Hochwasser und Klimaveränderung nichts gelernt!)


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(C (D as ist bei Einhaltung des Sicherheitsabstandes auf der utobahn ein Konvoi von 5,3 Kilometern. Wir müssen ns schon entscheiden, welchen Verkehrsträger wir als en ökologischeren ansehen. In diesem Sinne müssen ir uns Gedanken machen. Zum abschließenden Thema: Tempolimit. Auf der eien Seite stellen die Grünen einen Antrag im Verkehrsusschuss mit dem Titel „Erhaltungsrückstand bei Bunesfernstraßen beenden“, in dem als Kritik an der undesregierung steht, dass Tempolimits eingeführt erden müssen, weil die Straßen so schlecht sind. Daurch entstehen vermehrt Staus. Auf der anderen Seite reten Sie hier für ein generelles Tempolimit ein. Meine orredner von der Koalition haben schon darauf hingeiesen, dass damit nur eine CO2-Reduktion um ,3 Prozent möglich wäre, weil 98 Prozent der Straßen n Deutschland ohnehin schon ein Tempolimit haben. ie Diskussion über diese CO2-Reduktion lenkt von den auptthemen ab. Wir haben Maßnahmen eingeleitet. Ich enne das KfW-CO2-Gebäudesanierungsprogramm geauso wie die jetzige Debatte über die Dieselrußpartikelilter. Im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwickung im Deutschen Bundestag haben wir fraktionsüberreifend eine gute Atmosphäre, leisten konstruktive Areit und leiten vielversprechende Aktivitäten ein. Ich öchte Sie daher abschließend aufrufen, dass wir in ei er ideologiefreien Zone wie der des Nachhaltigkeitsbeiates zu Vorschlägen, Stellungnahmen und Gutachten für ie Fachausschüsse kommen. Dazu lade ich Sie alle sehr erzlich ein. Herzlichen Dank. Ich erteile das Wort Kollegen Winfried Hermann, raktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Ich hätte gute Lust, Ihnen mit einer polemischen anonade zu antworten, Herr Scheuer. Aber ich glaube, as wäre dem Thema nicht angemessen. Man kann sich icht um die Lösung der grundsätzlichen Fragen des Kliaschutzes herummogeln, indem man andere be chimpft und selber nichts vorlegt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608206200
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608206300

Sie haben uns vorgeworfen, dass wir dies und jenes
icht in der Regierung durchgesetzt haben. Ja, als kleine
egierungspartei haben wir nicht alles durchgesetzt.


(Ulrich Kelber [SPD]: Das ist doch billig!)


ber Sie sind eine große Regierungspartei und haben
uch noch nicht alles durchgesetzt. Wo sind Ihre konkre-
en Vorstellungen zu Klimaschutz und Verkehr?


(Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Die Legislatur läuft aber!)







(A) )



(B) )


Winfried Hermann
Fehlanzeige. Die hätten Sie heute präsentieren können.
Das haben Sie nicht getan. Ich finde es unfair und
schräg, wenn Sie stattdessen anhand von Beispielen die
Grünen beschimpfen. So kommen wir nicht weiter.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben das Thema heute aufgesetzt, weil wir spü-
ren, dass es im Moment eine breite öffentliche Debatte
und ein großes Interesse daran gibt, dass im Verkehrs-
sektor etwas geschehen muss. Die Leute sehen ein, dass
der Verkehrssektor ein Wachstumssektor par excel-
lence ist: der Flugverkehr – Sie haben es gesagt –, aber
auch der Automobilverkehr. Dort gibt es weltweit ein
riesiges Wachstum und dadurch riesige Probleme mit
Treibhausgasen. Dafür müssen wir Lösungen finden.
Das wollen wir mit unserer heutigen Debatte anstoßen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es wurden von uns viele Vorschläge gemacht, zum
Beispiel zu „atmosfair“ und zur Kfz-Steuer, die noch vor
kurzem abgelehnt wurden. Jetzt macht der Verkehrsmi-
nister diese Vorschläge. Der Herr Umweltminister ist
jetzt auch für „atmosfair“. Ich will das gar nicht karikie-
ren. Mir ist es recht, wenn jeder etwas macht. Mir ist je-
der dieser Vorschläge recht, wenn man ihn umsetzt. Aber
es darf nicht dabei stehen bleiben. Wir brauchen aus der
Fülle der guten Vorschläge jetzt eine Gesamtstrategie für
den Verkehrsbereich, die Mobilität und Klimaschutz
gleichermaßen berücksichtigt.


(Zuruf von der FDP: Toyota!)


Was heißt das? Wir müssen uns klare Ziele setzen,
zum Beispiel bei der Reduktion von Treibhausgasen.
Mit dem Emissionshandel allein werden Sie nicht wei-
terkommen. Kollege Kauch, wer den Emissionshandel
für den gesamten Verkehrssektor, für alle Bereiche, ein-
führen will, der verschiebt die Emissionsreduktion im
Verkehrssektor auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Das
kann ich Ihnen ziemlich deutlich sagen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen ein breites Spektrum von Instrumenten
und Maßnahmen, um diese ambitionierten Ziele – minus
80 Prozent bis etwa zur Mitte des Jahrhunderts – umzu-
setzen, und zwar ökonomische wie fiskalische. Die Kfz-
Steuer ist ein fiskalisches Instrument. Die Ökosteuer
übrigens, Kollege Scheuer, ist auch eines. Sie hätten sie
abschaffen können, wenn Sie so darüber schimpfen.

Wir haben jetzt gesagt: Wir brauchen eine Vereinheit-
lichung, damit der Tanktourismus in Europa aufhört. Wir
benötigen eine Fülle von verschiedenen Instrumenten,
die aufeinander abgestimmt sein müssen und mit denen
folgende klare Ziele verfolgt werden müssen: weniger
Treibhausgase, effizientere Motoren und effizientere
Systeme. Es ist wichtig, dass immer das effizienteste
Transportmittel eingesetzt wird. Dort, wo die S-Bahn
bzw. die Schiene besser geeignet ist, muss die Schiene
gefördert werden, nicht das Auto. Wir brauchen endlich
Autos, die deutlich weniger Sprit verbrauchen und deut-
lich weniger Abgase ausstoßen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Der Kern der Debatte über Hybridfahrzeuge ist nicht ie Frage, ob wir einen Toyota fahren wollen oder nicht. hr Kern ist, dass die Automobilindustrie zu lange auf ur eine Motortechnik gesetzt hat und Brennstoffzellen, lektromotoren, andere Formen des Fortkommens und ndere Treibstoffe zu wenig gefördert hat. Darauf wollen ir hinweisen. Denn es ist höchste Zeit, dass in diesem ereich mehr geschieht und schneller gehandelt wird. Ich muss zum Schluss kommen. Über die verschiedeen Anträge, die heute vorliegen, wird in den Ausschüsen noch diskutiert werden. Über einen dieser Anträge oll allerdings heute abgestimmt werden. Dabei geht es m die Dienstwagen. Herr Kauch, Sie haben sich völlig nnötig lächerlich gemacht, indem Sie versucht haben, ndere lächerlich zu machen. (Michael Kauch [FDP]: Was? Ich habe mich lächerlich gemacht? Ich habe doch nur Zahlen genannt!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist doch offenkundig, dass sich alle Leute fragen:
arum verlangen die Politikerinnen und Politiker von

ns, dass wir Sprit sparen und kleine Autos kaufen,
enn sie selbst in fetten Kisten fahren? Jeder von uns
das bekenne ich offen – ist sündig. Jeder von uns

liegt. Als Bundestagsabgeordneter hat man, selbst wenn
an Ökologe ist, eine ganz miserable Ökobilanz; das hat
it diesem Beruf zu tun. Aber dann, wenn wir Politiker

n diesem Bereich etwas tun können, müssen wir uns
orbildlich verhalten.

Wenn es um unsere Dienstwagen geht, können wir
twas tun. Es ist nicht zwingend, dass wir mit den größ-
en und schwersten Autos fahren.


(Michael Kauch [FDP]: Das tun wir doch gar nicht!)


ie Autos, in denen wir fahren, könnten leichter sein, sie
önnten mit Erdgas oder Biogas betrieben werden, oder
ie könnten kleiner sein. Ich sage Ihnen klipp und klar:
m Sommer müssen ziemlich viele von uns ziemlich oft
it dem Rad fahren, um ihre Ökologiebilanz zu verbes-

ern. Auch das gehört dazu, wenn wir über den Vorbild-
harakter sprechen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608206400

Kollege Hermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage

zw. – da Ihre Redezeit beendet ist – eine Nachfrage des
ollegen Kauch?


Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608206500

Ja, ich freue mich; denn dadurch erhalte ich doch

och ein wenig Redezeit.


Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1608206600

Herr Kollege Hermann, Sie haben Erdgasfahrzeuge

nd alternative Antriebe angesprochen. In der Antwort
uf eine Kleine Anfrage des Kollegen Wissing aus dem
ahr 2005 antwortete die damalige Bundesregierung,






(A) )



(B) )


Michael Kauch
dass in der rot-grünen Regierungszeit alternative An-
triebe in der 25 000 Fahrzeuge umfassenden Flotte des
Bundes, also aller nachgeordneten Behörden – diese
könnten auch kleinere Fahrzeuge verwenden, ohne dass
ein Minister auf seinen Arbeitsplatz verzichten müsste;
hier hat Herr Gabriel aus meiner Sicht recht, wenn er
sagt, dass Dienstwagen kein Freizeitspaß, sondern ein
Arbeitsplatz sind –, einen Anteil von lediglich 0,18 Pro-
zent hatten. Alternative Antriebe waren zur damaligen
Zeit schon bekannt und auf dem Markt. Können Sie mir
erklären, wie Ihr Plädoyer in Ihrem heutigen Antrag mit
dieser Tatsache zu vereinbaren ist?


(Beifall bei der FDP)



Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608206700

Vielen Dank, Herr Kauch. – Damals habe ich mich

über diese Kleine Anfrage eines Mitglieds Ihrer Fraktion
sehr gefreut. Über die Antwort bzw. die Realität habe ich
mich hingegen sehr geärgert. Denn an diesem Beispiel
wurde sichtbar, dass sich auch am Flottenbestand der
Bundesregierung bzw. aller Bundesfahrzeuge genau das
widergespiegelt hat, was im Automobilbereich insge-
samt zu beobachten war:


(Ernst Burgbacher [FDP]: Ihr wart doch damals selbst an der Regierung! Aber ihr redet ja immer nur!)


eine Aufrüstung im Hinblick auf die PS-Zahlen und da-
durch eine Erhöhung des Verbrauchs, allerdings keine
alternativen Antriebe. Rot-Grün – die Genossen werden
sich noch daran erinnern – hat bereits sehr rasch nach
Übernahme der Regierung, im Jahre 1999, einen Antrag
gestellt, in dem es hieß: Wir müssen das Beschaffungs-
wesen der öffentlichen Hand auf dem Automobilsektor
auf klima- bzw. umweltfreundliche Technologien und
Produkte umstellen. – Das Ärgerliche war, dass die Re-
gierung das nicht getan hat, obwohl wir hier mehrfach
nachgehakt haben.


(Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Aber da hätten Sie sich als kleiner Koalitionspartner doch auch einmal durchsetzen können! – Ernst Burgbacher [FDP]: Eure Regierung war eine ganz schön müde Regierung!)


Jetzt haben Sie die Chance, überall dort, wo Sie an
der Regierung beteiligt sind, zu zeigen, wie das geht.
Wir können heute alle gemeinsam dem vorliegenden
Antrag zustimmen. Dort, wo wir die Chance haben, so-
fort etwas zu ändern, können wir das tun. Wenn Sie es in
der Sache wirklich ernst meinen und wenn es Ihnen nicht
nur darum geht, auf polemische Art und Weise einen Wi-
derspruch aufzudecken, dann müssten Sie unserem An-
trag zustimmen. Heute können Sie dafür sorgen, dass all
das nachgeholt werden kann, was wir versäumt haben.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608206800

Ich erteile dem Bundesminister Sigmar Gabriel das

Wort.

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(C (D Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Naturchutz und Reaktorsicherheit: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr ermann, ich glaube, worauf wir uns einigen können, st, dass wir alle eine Lernkurve hinter uns haben. Ich inde, es ist gut, dass das so passiert. Die Gewinner dieer Debatte – bei allem Streit, den wir im Detail haben – ind die Umweltund die Klimaschutzpolitik. Solche iskussionen – in dieser Qualität; dass wir uns gegensei ig darin zu übertreffen versuchen, wie ambitioniert unere Klimaschutzpolitik ist – hat es in den letzten Jahren icht gegeben. Umweltpolitik – das müssen die Volksarteien zugestehen – ist häufig ein Thema gewesen, mit em sich grüne Umweltpolitiker und Umweltpolitiker er beiden großen Volksparteien auseinandergesetzt haen, das aber die Ebene des Regierungschefs häufig icht erreicht hat. Das ist ein Riesenvorteil der öffentlihen Debatte, über den wir froh sein sollten. Ich habe auch gestern in der Debatte versucht, klarzuachen: Wir reden beim Klimawandel über eine Ge ährdung der Menschheit, die durchaus vergleichbar ist it der durch Atomwaffen während des Kalten Krieges. s ist angebracht, dass wir versuchen, uns über Strateien der Abwehr zu unterhalten, und in einen Wettbeerb um die besten Ideen eintreten. Ich finde es übrigens ngemessen, dass im Zusammenhang mit der Diskussion ber die europäische Verfassung angeregt wird, den eltklimaschutz in der Verfassung zu verankern. Wenn ie Menschen fragen: „Wozu ist die EU da?“, muss man hnen sagen: Sie ist unter anderem dazu da; es ist der ehrwert der Europäischen Union, Dinge aufzugreifen, ie die Nationalstaaten alleine nicht bewältigen können. Ich habe mir, auch gestern, die Mühe gemacht, inteniv zuzuhören. Ich kann daher sagen: Wir sind uns in ielen Themen einig; das Haus ist sich über die Pareigrenzen hinweg einig, dass wir das Ziel, den Ausstoß on Treibhausgasen bis 2020 um 30 Prozent zu reduzieen, erreichen wollen. Auch wenn das der von mir sehr eschätzte Kollege Trittin vorhin noch einmal behauptet at – es stimmt nicht, dass die Europäische Union bechlossen hat, den Ausstoß um 20 Prozent zu reduzieren. eshalb will ich klarstellen: Die Europäische Union hat nter deutscher Präsidentschaft beschlossen, den Austoß von Treibhausgasen bis 2020 um 30 Prozent zu reuzieren, und zwar als internationales Ziel – nur dann ann es erfolgreich sein. Wenn wir die Erwärmung auf 2 Grad begrenzen wolen, nützt es nichts, wenn allein Europa bzw. Deutschand den Ausstoß von Treibhausgasen um 30 oder 0 Prozent reduziert. Wir müssen in den internationalen erhandlungen diese 30 Prozent erreichen. Sie von der rünen-Fraktion können also behaupten, wir hätten das uf der europäischen Ebene nicht beschlossen, so oft Sie ollen – es bleibt falsch. Der Beschluss im Umweltrat er Europäischen Union lautet: 30 Prozent bis 2020, als nternationales Ziel. Darüber hinaus hat die Europäische nion, noch bevor die Verhandlungen überhaupt begonen hatten, erklärt: Wenn wir mit diesem Ziel in den inernationalen Verhandlungen scheitern, reduzieren wir elbst trotzdem um mindestens 20 Prozent. Bundesminister Sigmar Gabriel Dass die Europäische Union das durchgesetzt hat, Herr Kollege Kauch, bewundern Umweltpolitiker aus allen Teilen der Erde. Deshalb ist dieser Beschluss, der noch vor einem Jahr unmöglich gewesen wäre, historisch. Ich finde, wir sollten stolz darauf sein, dass die Europäische Union das geschafft hat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


Auch das Ziel, den CO2-Ausstoß pro Autokilometer
auf 120 Gramm zu senken, ist nicht neu – manchmal
staune ich ja, wie so getan werden kann, als sei das eine
ganz neue Debatte, Herr Kollege Kuhn –, sondern ist be-
reits Bestandteil des Koalitionsvertrages.


(Martin Burkert [SPD]: Sehr weitblickend!)


CDU/CSU und SPD haben das schon vor mehr als
15 Monaten miteinander ausgehandelt. Auch die Um-
stellung der Kfz-Steuer, die Sie angesprochen haben, ist
keine neue Erfindung vom Kollegen Tiefensee und von
mir, sondern Bestandteil des Koalitionsvertrages, den
wir abarbeiten. Wir sollten froh darüber sein, dass wir
mitten in der Debatte darüber sind. Dass wir den Flug-
verkehr in den europäischen Emissionshandel einbezie-
hen wollen, steht ebenfalls im Koalitionsvertrag. Ich
finde, Sie sollten zumindest akzeptieren, dass das Ziele
sind, die die Koalitionspartner miteinander vereinbart
haben.

Worüber wir uns häufig streiten, ist der Weg. Ich will
ein Beispiel herausgreifen, und Sie, Herr Kuhn, bitten,
an einer Stelle noch einmal darüber nachzudenken, ob
die grüne Position hilfreich ist – dabei will ich ausdrück-
lich darauf hinweisen, dass der Streit in der Sache not-
wendig ist –: Frau Kollegin Künast hat heute Morgen
hier im Haus gesagt: Man kann nicht einfach Biokraft-
stoffe fordern und dabei übersehen, welche dramati-
schen Probleme dadurch entstehen, dass die Pflanzen,
aus denen beispielsweise Palmöl gewonnen wird, in Re-
genwäldern oder auf Mooren in Malaysia angepflanzt
werden. Sie hat absolut recht. Deswegen steht im Be-
schluss des Energierates und des Umweltrates der Euro-
päischen Union hinsichtlich der Biokraftstoffe, dass ihr
Ausbau an Zertifizierungssyteme gebunden ist. Es gibt
aber einen starken Widerspruch. Wir wollen doch wohl
weltweit vom Öl wegkommen – das wollten, bislang je-
denfalls, auch die Grünen –, um die CO2-Emissionen zu
senken, aber auch, weil wir die Abhängigkeit vom Öl
und das damit verbundene wirtschaftliche Risiko redu-
zieren wollen. Die Ölpreise steigen, je stärker die Bevöl-
kerung weltweit auf das Öl zurückgreift.

Wenn das stimmt, dann besteht der einzige Weg, vom
Öl in Massenproduktion wegzukommen, darin, alterna-
tive Kraftstoffe bzw. Biokraftstoffe zu entwickeln, und
zwar nicht als Produktionsnische mit einem Anteil von
2 Prozent oder 3 Prozent, sondern mit einem Anteil von
10 Prozent bis 2020, wie wir das im Energierat beschlos-
sen haben. Das wäre ein enormer Gewinn sowohl hin-
sichtlich der Unabhängigkeit beim Energieimport als
auch hinsichtlich der CO2-Emissionen. Darin sind wir
einig.

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(C (D Das heißt aber auch, dass Sie, wenn Sie den von Ihen zu Recht beschriebenen Gefahren, auch der Gefahr er Nahrungsmittelkonkurrenz, ausweichen wollen, von er ersten Generation der Biokraftstoffe wegkommen üssen. Auch wenn wir sie noch eine Reihe von Jahren rauchen werden, müssen wir darüber hinaus verstärkt uf Biokraftstoffe der zweiten Generation setzen, die aus rganischem Material erzeugt werden: Aus Rostholz uss Diesel und aus Stroh Benzin entstehen. Wenn Sie as wollen, dann müssen Sie einen Weg finden, um die nvestitionen in die Bioraffinerien zu erhöhen. (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dazu gibt es doch keinen Dissens!)


Hören Sie erst einmal zu! Ich habe Ihnen auch zuge-
ört, Herr Hermann. Ich erläutere Ihnen jetzt die Unter-
chiede, was den 120-Gramm-CO2-Ausstoß pro Kilome-
er angeht. Das ist eine interessante Debatte. Sie meinen,
as 120-Gramm-Ziel müsse alleine durch Änderungen in
er Fahrzeugtechnik seitens der Automobilindustrie er-
eicht werden.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben das selber gesagt!)


Das stimmt nicht. Wir haben gesagt: Bei der Senkung
uf 120 Gramm muss eine Absenkung auf 140 oder
30 Gramm durch Fahrzeugtechnik und der Rest, der
ann noch bis 120 bleibt, durch den Einsatz von Bio-
raftstoffen erreicht werden, weil wir das Interesse der
ahrzeugindustrie wecken müssen, in die Biokraftstoffe
er zweiten Generation zu investieren. Der Staat wird
as nicht leisten können. BP und Shell halten in anderen
taaten der Welt Milliardeninvestitionen bereit. Die
merikaner laufen uns dabei gerade den Rang ab. Wir
üssen ein marktwirtschaftliches Interesse wecken, in

ie synthetischen Kraftstoffe zu investieren.

Wir müssen der Fahrzeugindustrie vermitteln, dass
as 120-Gramm-Ziel erreicht werden kann, wobei wir
inen bestimmten Anteil durch Fahrzeugtechnik errei-
hen wollen und oberhalb dieser Grenze der Fahrzeugin-
ustrie die Chance bieten, das Ziel durch Biokraftstoffe
er zweiten Generation umzusetzen, die auf einem Mas-
enmarkt vermarktet werden. Es geht nicht darum, mit
er Rapsmühle des Bauern den Kraftstoff für ein paar
ahrzeuge herzustellen, sondern eine Alternative zu
chaffen, die später auch in China, Indien, in den USA
zw. weltweit eingesetzt werden kann. Wir werden die
utomobilisierung Indiens nicht verhindern können,

ber wenn wir die Klimakatastrophe verhindern wollen,
ann sind auch dort andere Kraftstoffe notwendig. Dann
uss die Kraftfahrzeugindustrie dazu gebracht werden,

n diesen Bereich zu investieren. Das wird aber nicht ge-
chehen, wenn die Produktion von Biokraftstoffen als
reiwillige Leistung gilt.

Die Kombination aus Beimischungszwang und der
nrechenbarkeit eines kleinen Anteils auf das 120-
ramm-Ziel in der Europäischen Union ist eine indus-

riepolitische Strategie. Das verstehen wir unter ökologi-
cher Industriegesellschaft.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608206900

Herr Kollege Gabriel, gestatten Sie eine Zwischen-

frage der Kollegin Höhn?

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Selbstverständlich.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608207000

Herr Minister Gabriel, sehen Sie es nicht als einen

Widerspruch an, wenn Sie auf der einen Seite den Druck
auf die Kfz-Industrie vermindern – sie sollte ja nur ihre
eigene freiwillige Selbstverpflichtung erfüllen –, indem
Sie ihr sagen, dass sie das durch Biokraftstoffe kompen-
sieren könne, aber auf der anderen Seite durch die Be-
schlüsse der Bundesregierung die Besteuerung von Bio-
kraftstoffen sukzessive einführen? Damit gefährden Sie
– darüber ist ja in den letzten Tagen in den Medien be-
richtet worden; auch wir haben es vor einigen Monaten
angesprochen – 50 000 Arbeitsplätze im Bereich bioge-
ner Kraftstoffe in Deutschland, die unter anderem nach
Österreich verlagert werden sollen.

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Ich beantworte Ihre Frage gerne, auch wenn sie mit
dem, was ich zu den synthetischen Kraftstoffen und der
Industriestrategie gesagt habe, nichts zu tun hat.

Erstens. Wir werden dem Thema nachgehen.

Zweitens. Es gab eine Verpflichtung durch die Euro-
päische Union, eine sukzessive Besteuerung einzufüh-
ren, wegen einer seltsamen Ölpreisbindung bei Biokraft-
stoffen: Je höher der Ölpreis stieg, desto stärker stiegen
auch die Preise für Biokraftstoffe. Dafür gibt es keine
richtige Erklärung außer der, dass es Mitnahmeeffekte
gegeben hat. Deswegen hat die Europäische Kommis-
sion die Bundesregierung dazu verpflichtet, die Überför-
derung der Biokraftstoffe zurückzunehmen. In diesem
Punkt waren wir verpflichtet, die vollständige Steuerbe-
freiung ein Stück weit aufzugeben. Es gibt aber weiter-
hin eine Steuerprivilegierung.

Wir gehen das Thema an. Es hat allerdings wenig mit
dem zu tun, worüber ich gerade geredet habe. Hinter-
grund ist eine europäische Gesetzgebung im Wettbe-
werbsrecht, mit der dafür gesorgt werden sollte, dass wir
keine Überförderung betreiben, weil es die erwähnten
Mitnahmeeffekte gegeben hat. Das ist die Antwort auf
Ihre Frage, Frau Kollegin Höhn.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht ganz!)


Nun zurück zum Thema Industriestrategie: Wir müs-
sen dafür sorgen, dass es einen marktwirtschaftlichen
Anreiz gibt. Sonst werden wir keine massenhaft einsatz-
fähigen Biokraftstoffe entwickeln. Im Übrigen entsteht
dann auch die berühmte Nahrungsmittelkonkurrenz.

Ich bitte die Kritiker der Politik der Bundesregierung,
noch einmal darüber nachzudenken, ob es dem Klima
nicht egal ist, wie wir auf 120 Gramm kommen. Übri-

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(C (D ens glaube ich nicht, dass bei der Entwicklung 20 Gramm im Jahre 2012 das letzte Wort sein wird. Ich inde es gut, Herr Kuhn, dass Sie darauf hingewiesen haen, dass einige Vertreter der Automobilindustrie nicht air argumentieren, wenn sie so tun, als wollten wir das 20-Gramm-Ziel für jedes Fahrzeug festschreiben. Das nterscheidet Sie von der Position der Franzosen, die das ollen, weil sie versuchen, über den Klimaschutz eine ettbewerbspolitik gegen die deutsche Automobilindus rie zu betreiben. Das hat mit Klimaschutz wenig zu tun. Wir müssen den Weg der Biokraftstoffe der zweiten eneration in den nächsten zehn Jahren gehen. Dafür rauchen wir massive Investitionen. Diese können nicht om Staat, sondern müssen vom Privatsektor getätigt erden. Dafür brauchen wir einen entsprechenden An eiz. Ich glaube, dass das Ziel völlig unumstritten ist. Die undesregierung wird es intensiv verfolgen. Ich denke, ir werden große Fortschritte erzielen. Lassen Sie mich noch drei kurze Bemerkungen zum hema Klimaneutralität machen. Erstens. Herr Kauch, s bleibt dabei, dass wir, die Mitglieder der Bundesregieung, nicht nur Veranstaltungen auf dem Gelände eines lughafens oder in einem ICE-Bahnhof besuchen weren. Vielmehr werden wir weiterhin Menschen und Vernstaltungen in der Umgebung von Orten aufsuchen, die ir mit dem Zug oder mit dem Flugzeug erreichen könen. Denn die Bundesrepublik Deutschland hat Gott sei ank nicht nur Großstädte, und ich bin sozusagen ein leender Vertreter der Freunde der Provinz. Um diese Umebung zu erreichen, brauchen wir das Auto. Deswegen erden wir – genauso, wie Sie es gesagt haben – dafür orgen, dass die Dienstkraftfahrzeuge, die uns am Bahnof oder am Flughafen abholen, Gegenstand der Klimaeutralität sind; das geht gar nicht anders. Zweitens. Denjenigen, die das als Ablasshandel kritiieren, sage ich: Das ist ein Instrument des Kiotoprotoolls. Ich halte es für eine kluge Idee, das so zu machen, eil wir damit nicht sozusagen ein besseres Leben nach em Leben organisieren, sondern Investitionen in klimaeutrale Technologien in anderen Ländern befördern, die ich das nicht leisten können. Drittens. Ich glaube, dass es richtig ist, Druck auf die utoindustrie auszuüben, um eine Umstellung des ahrzeugparks von öffentlichen Ämtern zu ermöglihen. Auf dem Umweltministerium lastet hier ein besoners hoher Druck; das ist in Ordnung. Wir, das Umweltinisterium, werden in den kommenden Jahren unseren esamten Fahrzeugpark – beginnend mit den nächsten nstehenden Beschaffungen – umstellen, sodass wir öglichst früh vor 2012 das Durchschnittsziel von 20 Gramm erreichen werden. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


as gilt für alle Bereiche: für die Fahrzeuge der Minis-
er, der Staatssekretäre, der Abteilungsleiter, bis hin zu
en Fahrzeugen für den allgemeinen Dienstgebrauch.
ir werden also nicht nach dem Motto verfahren: Die
inister fahren weiterhin die bisherigen Fahrzeuge,
ährend für alle anderen Smarts angeschafft werden.






(A) )



(B) )


Bundesminister Sigmar Gabriel
Wir wollen diese Umstellung, wie gesagt, vor 2012
schaffen. Das ist nicht ganz einfach. Wir versuchen,
durch Druck auf die Autoindustrie diesen Weg zu gehen;
denn wir haben hier eine besonders große Verantwor-
tung.

Ich möchte noch einmal auf Folgendes hinweisen:
Das ist letztlich eine riesengroße Chance für zusätzliche
Beschäftigung in der Autoindustrie. Denn Länder wie
China oder Indien werden in den kommenden Jahren
ihre Umweltzerstörung nicht weiter so betreiben können,
wie das derzeit der Fall ist. Da der Anteil des Verkehrs-
sektors in den kommenden Jahren noch höher sein wird,
werden diese Länder drauf achten, dass bei ihnen die
Technologien eingesetzt werden, die ihnen helfen, ihre
Umweltprobleme zu beseitigen. Es ist gut, wenn die eu-
ropäische und insbesondere die deutsche Automo-
bilbranche mit ihrer Technologie diejenige ist, die dort
die Märkte erobert. Insofern ist es Unsinn, von einer Ge-
fährdung von Arbeitsplätzen zu reden. Vielmehr ist es
eine Chance für zusätzliche und vor allen Dingen für zu-
kunftssichere Arbeitsplätze. Daher herzlichen Dank für
die Debatte. Wir werden sie hoffentlich auf dem jetzigen
Niveau halten können.

Leider werden die Erscheinungsformen, die wir beim
Wetter und beim Klima erleben, uns zwingen, zu han-
deln. Es wäre schöner, wenn dem nicht so wäre. Aber ich
glaube, Europa und insbesondere Deutschland haben
eine Vorreiterrolle und werden sie behalten. Der Streit
um die Sache ist des Schweißes der Edlen wert.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608207100

Ich erteile das Wort Kollegen Dr. Volker Wissing,

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1608207200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Was Herr Minister Gabriel hier angekündigt hat, ist ein
ehrgeiziges Ziel. Dagegen kann niemand etwas haben.
Ihnen, Herr Hermann, muss ich allerdings sagen: Es ist
schon schwach, wenn Sie ausführen, Sie seien zu der
Zeit, als Sie Regierungsverantwortung hatten, dankbar
dafür gewesen, dass die FDP aufgeklärt hat, wie wenig
bei Ihnen zu Regierungszeiten Reden und Handeln in
Einklang zu bringen waren. Ich finde schon erstaunlich,
dass Sie sich so herausreden.


(Beifall bei der FDP)


Nun möchte ich etwas zu den Rußpartikelfiltern sa-
gen und vorweg gleich darauf hinweisen, dass wir uns
über die Zielsetzung gar nicht lange zu unterhalten brau-
chen. Da sind wir uns einig. Wir wollen Emissionen in
diesem Bereich reduzieren. Die Frage ist, welchen Weg
wir gehen. Da gibt es schon einige Widersprüche zwi-
schen dem, was die Bundesregierung zu ihren eigenen
Zielen erklärt, und dem, was sie uns mit dem Gesetz zur
Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vorlegt. Ich

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(C (D rinnere an das, was die Bundeskanzlerin heute Morgen esagt hat. Sie hat betont, wie wichtig der Bürokratieabau in Deutschland ist. Wenn es konkret wird, stellen wir est, dass er immer auf das nächste Mal verschoben wird. iesmal nicht, beim nächsten Mal nicht, vielleicht beim bernächsten Mal! Das, meine Damen und Herren von er Bundesregierung, ist mit dem, was die Kanzlerin agt, nicht in Einklang zu bringen. Sie hat nämlich heute orgen ganz klar wieder zum Ausdruck gebracht, dass s ein besonders wichtiges Ziel der Bundesregierung sei, ndlich gegenzusteuern und Bürokratie abzubauen. Wenn wir uns das Kraftfahrzeugsteuergesetz genau nschauen, dann stellen wir fest, dass es bereits heute it unzähligen Ausnahmetatbeständen und Fördertatbe tänden überfrachtet ist. Es ist ein bürokratisches Ungeüm, und Sie sind dabei, es Schritt für Schritt zu einem onster fortzuentwickeln. Sie brauchen alleine vier ahre, um mit den Ländern zu einem Ergebnis über die fz-Steuer zu kommen, das dann alles andere als zufrieenstellend ist. Es ist wirklich Murks, was am Ende daei herausgekommen ist. Das Ziel – Rußpartikelfilterförerung – mag man gut finden. Auch ich finde es gut. ber der Weg, den Sie gehen, ist Murks. Nehmen Sie as Beispiel der Behinderten, für die Sie überhaupt eine Förderung vorgesehen haben. Sollen denn Behinerte ihre Fahrzeuge in Deutschland nicht umrüsten? ind denn diese Emissionen unproblematisch? Dieselbe egierung, die meint, wir brauchten ein Antidiskriminie ungsgesetz, sagt, um die Behinderten solle sich die irtschaft kümmern. Es war geradezu grotesk, als die PD erklärt hat, sie sei froh, dass die Wirtschaft ein Alosen gebe und Rabattsysteme für Behinderte anbiete. ffenbar sind Sie nicht in der Lage, Gesetze so zu ge talten, dass die Förderung von Rußpartikelfiltern auch ür behinderte Menschen in Deutschland gilt. Das ist nicht in Ordnung, und das ist auch nicht sozial erecht. Das zeigt, dass Sie einfach nicht in der Lage ind, über das Steuerrecht zu steuern. Deswegen sollten ie andere Wege suchen. Dazu waren Sie nicht bereit. ch finde es schon bemerkenswert, dass uns in den Beraungen gesagt wurde, wir dürften an dem Gesetz nichts ehr ändern, weil die Länder nach vier Jahren Verhandungen betont hätten, sie stimmten nicht mehr zu, wenn och etwas geändert würde. Während wir dann beraten, agen die Länder, sie wollten eigentlich mit der Kfzteuer gar nichts mehr zu tun haben. Das ist alles andere ls eine sinnvolle Politik. Während wir dieses Kraftfahrzeugsteueränderungsgeetz beraten, hat sich die Bundesregierung schon darauf erständigt, das Kraftfahrzeugsteuergesetz wieder zu änern. Wohin soll das führen? Wir beraten eine Gesetzesnderung, und schon wieder kommt eine neue hinzu. as, was Sie, Herr Minister Gabriel, sich vorgenommen aben, ist doch wieder Murks, weil Sie die CO2-Daten lterer Fahrzeuge gar nicht haben. Deswegen können Sie ie als Bemessungsgrundlage für die Kfz-Steuer überaupt nicht heranziehen. Herr Steinbrück hat Ihnen zwichen den Zeilen schon angekündigt, dass daraus nichts ichtiges werden wird. Deswegen wäre es sinnvoll, Dr. Volker Wissing wenn wir aufhören würden, nur in Sonntagsreden von Bürokratieabbau und Steuervereinfachung zu sprechen, und wenn wir das, meine Damen und Herren von der Großen Koalition, nicht immer auf das nächste Mal verschieben würden, sondern uns dieses Mal schon damit beschäftigten. Da gibt es den klaren Vorschlag von der FDP, die Kfz-Steuer abzuschaffen und sie auf die Mineralölsteuer umzulegen. Frau Kollegin Höhn, die nicht mehr im Raum ist, hat die Frage gestellt, wer von den Grünen eine solche Forderung wo erhoben habe. Vielleicht kann ihr jemand ausrichten: Es war die Kollegin Scheel am Mittwoch im Finanzausschuss. Es wäre ein sinnvoller Weg, die Mineralölsteuer als Lenkungsinstrument einzusetzen; denn dann würden Sie, Herr Minister Gabriel, nicht die möglichen Emissionen, sondern die tatsächlichen besteuern, nicht den möglichen Kraftstoffverbrauch, sondern den tatsächlichen. Es macht doch keinen Sinn, etwa einen 7er-BMW, der in der Garage steht, höher zu besteuern als ein 3-LiterAuto, das auf der Autobahn fährt und damit Schadstoffe emittiert. Das geht so nicht. Es kommt auf die tatsächlichen Emissionen an, (Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Das können Sie doch nicht über die Mineralölsteuer lösen!)


(Beifall bei der FDP)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der FDP)


und die sind ein Resultat der gefahrenen Kilometer und
des Kraftstoffverbrauchs. Es wäre sinnvoll, wenn Sie das
zur Kenntnis nähmen. Sie hätten dann die Möglichkeit,
eine einfache Regelung zu schaffen, durch die die Ziele
„Bürokratieabbau“ und „Steuervereinfachung“ erreicht
werden. Ihre Bundeskanzlerin hat diese Ziele heute wie-
der besonders hervorgehoben. Sie sind aber offensicht-
lich nicht dazu in der Lage, uns Gesetze vorzulegen, die
diesen Zielen gerecht werden.

Ich will noch einmal betonen, dass ich die Benachtei-
ligung Behinderter durch dieses Gesetz wirklich außer-
ordentlich bedauere. Seitens der Regierungsfraktionen
gab es keine Bereitschaft, hier über einen besseren Weg
nachzudenken. Ich finde das äußerst schade.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608207300

Das Wort hat nun Kollege Laurenz Meyer, CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Laurenz Meyer (CDU):
Rede ID: ID1608207400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Die Bundeskanzlerin hat
heute Morgen auf zwei wichtige Zusammenhänge hinge-
wiesen – das begrüßen wir sehr –:

Erstens. Da Europa „nur“ 15 Prozent der CO2-Emis-
sionen verantwortet, ist das wichtigste, das zentrale au-
ßenpolitische Ziel, Länder wie die USA, Indien und
China dazu zu bewegen, mit ins Boot zu kommen. Ich
will das ergänzen: Wenn es nicht gelingt, eine weltweite

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(C (D ktivität zu entwickeln, dann wird angesichts der uns orliegenden Zahlen die Bereitschaft, hier wirklich mituwirken und Opfer zu bringen, in der Bevölkerung icht lange vorhalten. Der Einzelne wird sich dann nämich sagen: Es trägt ja doch nichts dazu bei, die Klimaatastrophe aufzuhalten. Deswegen müssen wir zuseen, dass das wichtigste außenpolitische Ziel, die großen änder USA, China, Indien in den Prozess einzubezieen, erreicht wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Durch ein gutes Vorbild!)


Zweitens. Die Bundeskanzlerin hat auch darauf hin-
ewiesen, dass wir hier nicht eindimensional denken
ürfen. Wir haben – ich will das ausdrücklich sagen –
in Geflecht von Zielsetzungen zu erreichen: das Um-
eltschutzziel, das Ziel einer sicheren Energieversor-
ung und das Ziel sozialverträglicher Verbraucherpreise.

Ich sage ganz deutlich – Herr Gabriel hat eben darauf
ingewiesen –: Natürlich ist damit die Chance verbun-
en, dass neue Arbeitsplätze entstehen. Aber, Herr
abriel, ich brauche es Ihnen eigentlich nicht zu sagen:
ir können jeden Euro nur einmal ausgeben. Wenn wir

n diesem Bereich zusätzlich 10 Milliarden Euro ausge-
en, dann müssen das letztlich die Verbraucher tragen.
ußerdem können diese 10 Milliarden Euro für anderes
ann nicht mehr ausgegeben werden, und dann werden
ie Arbeitsplätze, die von diesen 10 Milliarden Euro bis-
er finanziert wurden, wegfallen. Das ist nun einmal die
olkswirtschaftliche Konsequenz.

Im Übrigen ist natürlich auch der Beschluss der Bun-
esregierung begrüßenswert, einen Ausgleich für unter-
ommene Fahrten zu zahlen. Das hat in den Augen man-
her in der Bevölkerung den geringfügigen Nachteil,
ass beim Staat dafür der Steuerzahler aufkommen
uss; ansonsten werden diese Kosten direkt aus dem
eldbeutel der Betroffenen gedeckt. Das ist nun einmal

o. Das müssen wir sehen.

Wir dürfen die Bereitschaft der Bevölkerung nicht ge-
ing schätzen. Wir müssen die Bevölkerung in diesem
usammenhang mitnehmen. Deswegen plädiere ich sehr
afür, von dieser unkoordinierten Debatte wegzukom-
en. Der Vorschlag, Glühbirnen zu verbieten, war bis-

er der Höhepunkt der Debatte. Wir müssen die Ziele,
ie wir erreichen wollen, festlegen. Wenn das geschehen
st, müssen wir konsequent danach fragen, in welchem
ektor sich diese Ziele mit welchen Maßnahmen am
ostengünstigsten, am effizientesten erreichen lassen.
afür plädiere ich.

Wir haben nun wirklich viel getan. Heute Morgen hat
er Bereich Windenergie eine große Rolle gespielt.
iese Bundesregierung hat die Weichen gestellt – Herr
abriel, wir haben Gespräche darüber geführt –, dass
ffshore-Anlagen kostengünstiger errichtet werden kön-
en. Jetzt müssen wir erst einmal sehen, ob es überhaupt
rägt. Die bisherigen Erfahrungen – ich denke etwa an
ie Großbritanniens – sind nicht nur positiv. Da wird
och manches passieren müssen.

Es werden immer wieder Zahlen über die Erfüllung
on Zielen im Bereich erneuerbarer Energien vorge-






(A) )



(B) )


Laurenz Meyer (Hamm)

tragen. Knapp die Hälfte, über 40 Prozent, der erneuer-
baren Energien wird durch Müllverbrennung und Was-
serkraft erzeugt. Das lässt sich nicht steigern. Wir
müssen also schon schauen, in welchen Bereichen diese
Ziele erreicht werden können. Fotovoltaik? Das sehe ich
im Moment noch nicht. Und der Wind? Wenn die Off-
shoreanlagen bis 2020 wirklich einschlagen sollten,
dann haben wir da die Chance auf höhere Steigerungsra-
ten. Aber den Teil haben wir noch nicht sicher.

In einer solchen Diskussionslage nun alles kaputtzure-
den, was wir im Moment an Energieerzeugung haben,
halte ich für völlig unverantwortbar. Da will man bis
2020 aus der Kernenergie aussteigen. Herr Bütikofer
schlägt dann noch vor, die Kohlekraftwerke gleich mit
abzuschaffen und nicht zu erneuern. Herr Gabriel trägt
seinen Teil dazu bei, indem er in seinem Vorschlag zum
NAP bei den Braunkohlekraftwerken kein Benchmark
vorsieht. Wenn man bei der Braunkohle kein Benchmark
einführt, wäre die Folge doch, dass neue, effizientere,
umweltfreundliche Kraftwerke nicht gebaut werden und
die alten erhalten bleiben. Deshalb wird die CDU/CSU-
Fraktion diesen Weg, der vorgeschlagen worden ist, ganz
bestimmt nicht mitgehen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir müssen auch ganz einfache Dinge zusätzlich in
die Betrachtung einbeziehen, zum Beispiel dass die
Kernenergie eben nicht nur eine Art von Stromerzeu-
gung ist. 50 Prozent der Grundlast werden in diesem
Bereich zurzeit erzeugt; der Rest stammt aus Kohle,
Braunkohle und Steinkohle. Die deutsche Industrie mit
ihren Arbeitsplätzen wird sich auf Dauer nicht davon ab-
hängig machen können, dass in Deutschland Wind weht.
Deshalb müssen wir sehen, dass Sicherheit der Energie-
versorgung, Sicherheit der Stromversorgung, Sicherheit
auch in den übrigen Bereichen wichtige Ziele sind.

Das heißt: Effizienzsteigerung. Wir haben mit unse-
rem Wärmedämmungsprogramm einen Weg beschrit-
ten, der im Blick auf Arbeitsplätze in Deutschland, Ener-
gieeffizienz, verminderten CO2-Ausstoß aus meiner
Sicht wirklich der erfolgreichste war, den man überhaupt
gehen konnte. Wir haben im letzten Jahr gesehen, wie
diese Programme eingeschlagen sind.

Lassen Sie uns also Anreize für die Bevölkerung set-
zen, in diesem Prozess selbst mitzumachen! Das ist der
erfolgreichste Weg, den man wählen kann – viel erfolg-
reicher als der Weg bürokratischer Vorschriften zur
Durchsetzung von Zielen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608207500

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen

Kauch?


Laurenz Meyer (CDU):
Rede ID: ID1608207600

Ja, aber sicher.


Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1608207700

Herr Meyer, Sie haben uns gerade erklärt, was man

alles nicht tun sollte und wo die Probleme liegen. Ich
hätte jetzt gern einmal eine klare Aussage dazu, was

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(C (D enn die Haltung der CDU/CSU-Fraktion ist. Diese Antort wurde uns gestern in der Aktuellen Stunde verweiert. Sie haben gerade das Thema Wärme angesprochen. s gibt offensichtlich einen Auftrag der Fraktionsspitzen n die Fachpolitiker von CDU/CSU und SPD, Verhandungen über ein Regenerative-Wärme-Gesetz zu fühen. Man hört dazu sehr unterschiedliche Stimmen aus er Union. Die Kollegin Reiche hat sich innerhalb von wei Wochen sehr konträr geäußert. Wir wüssten gern ie offizielle Haltung der CDU/CSU-Fraktion zum Reenerative-Wärme-Gesetz. Wie gehen Sie in die Verandlungen hinein? Wenn Sie mich fragen, können Sie meine Haltung azu erfahren. Die will ich Ihnen gerne mitteilen. Ich habe gerade zum Programm Energieeffizienz und ärmeffizienz im Bereich Wärmedämmung vorgetra en. Das gilt hier genauso. Ich halte es für viel besser, nreizprogramme zu schaffen, damit im Bereich ärme in den Haushalten die Bürger selbst etwas tun, elbst aktiv werden, als zusätzliche Abgaben oder zuätzliche bürokratische Vorschriften einzuführen. Nach den Erfahrungen, die wir mit den letzten Prorammen zur Wärmeeffizienz in Gebäuden gemacht haen – das hat richtig eingeschlagen –, sollten wir daraus igentlich die Konsequenzen ziehen und darauf setzen, ass der mündige Verbraucher Anstöße in diesen Bereihen sehr zu würdigen weiß. – Damit kennen Sie meine osition dazu. Das Gleiche, was ich gerade für den Bereich der nergieerzeugung vorgetragen habe, gilt für den gesam en Verkehrssektor. Natürlich wäre eine Umlegung der fz-Steuer auf die Mineralölsteuer, also sozusagen auf en Verbrauch, von meinem Denkansatz her die günsigste Lösung. Aber wir müssen sehen, dass es hier Kolateralschäden gäbe. Die müssen wir gewichten. Wir aben doch schon heute das Phänomen des Tanktourisus mit all seinen Problemen. Das müssen wir schon in nsere Überlegungen einbeziehen; das muss in der weieren Diskussion gewichtet werden. Natürlich ist es ünstiger, den Verbrauch zu besteuern, als nur den Hubaum oder den theoretischen CO2-Ausstoß zu berückichtigen. Es wäre mir schon lieber, den praktischen O2-Ausstoß zu besteuern. Wir müssen gemeinsam die Weichen stellen. Die Grüen müssten in vorderster Front dabei sein – Herr Kuhn, ch freue mich geradezu darauf –, wenn es darum geht, taus in Deutschland zu bekämpfen. Wir müssen verehrt Verkehrsstaus auflösen, weil Staus eine der größ en Quellen des CO2-Ausstoßes im Verkehr sind – eine rößere Quelle als manch anderes, was wir hier heute orgen besprochen haben. Ich habe von Ihnen kein Wort azu gehört. Sie werden sicherlich noch darauf zurückommen. – Die kleine Polemik werden Sie mir sicherich verzeihen. Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. Ich möchte eine Abschlussbemerkung machen. Aus unserer Sicht geht es in diesem Zusammenhang um einen Optimierungsprozess unter Nebenbedingungen. Beim Ziel, Klimaschutz zu erreichen, sind die Nebenbedingungen von enormer Wichtigkeit: Arbeitsplätze in Deutschland erhalten und Sozialverträglichkeit garantieren. Es macht keinen Sinn, dass wir uns hier über Dinge unterhalten, die die kleinen Leute in unserem Land hinterher nicht mehr bezahlen können. Auch das muss man im Gedächtnis behalten. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Olaf Scholz [SPD])

Laurenz Meyer (CDU):
Rede ID: ID1608207800

(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608207900
Laurenz Meyer (CDU):
Rede ID: ID1608208000


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608208100

Das Wort hat nun Kollege Lutz Heilmann, Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Lutz Heilmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608208200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

Klimawandel ist in der Gesellschaft angekommen. Fast
täglich berichten „Bild“, ARD, RTL oder andere Medien
über den Klimawandel. Er steht jetzt auf den Titelseiten
und bekommt gute Sendezeiten ab. Wer früher gewarnt
hat und dafür belächelt oder beschimpft wurde, darf jetzt
sogar bei Christiansen & Co offen darüber debattieren,
und zwar zu Recht. Nach dem jüngsten UN-Klimabe-
richt geht es um die Frage: To be or not to be?

Erlauben Sie mir jetzt ein paar Gedanken zur Thema-
tik Straßenverkehr und Klimawandel. Es wurde schon
erwähnt: Der Anteil des Straßenverkehrs am Ausstoß
des Klimagases CO2 liegt bei 20 Prozent. Damit ist er
eine Hauptquelle des Klimawandels. Deswegen ist es
richtig, dass wir uns heute hier diesem Thema widmen.
Wir meinen, dass wir uns den Straßenverkehr zur Brust
nehmen müssen und nicht nur über ihn reden sollten.

In den letzten Jahren ist der Straßenverkehr leider
nicht klimafreundlicher geworden, weder unter der soge-
nannten Ökokoalition Rot-Grün noch unter Schwarz-
Rot. Der beste Klimaschutz ist immer noch die Vermei-
dung von Verkehr. Diesen Gesichtspunkt vermisse ich
heute in dieser Debatte. Die Voraussetzungen für einen
Neuanfang, für eine Umorientierung, werden nicht ge-
nannt. Die letzten Bundesregierungen haben sich da
nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Letztes Jahr wurden die Regionalisierungsmittel für
den Schienennahverkehr gekürzt. Rot-Grün hat die Ab-
setzbarkeit des Jobtickets abgeschafft. Bei der Entfer-
nungspauschale werden Nutzer des ÖPNV schlechterge-
stellt. Das alles sind Maßnahmen, die nicht für eine
Verlagerung des Straßenverkehrs auf andere Verkehrs-
träger sorgen; es sind Maßnahmen zur Förderung des
Straßenverkehrs.

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(C (D Wir diskutieren heute über Anträge zu Klimaschutz nd Straßenverkehr. Würde ihre Umsetzung einen Beirag zum Klimaschutz leisten? Nur bedingt, denke ich. ei den Grünen vermisse ich einfach, dass sie darüber achdenken, wie man den Verkehr tatsächlich von der traße verlagern kann. (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, Herr Kollege Heilmann, das ist doch ein Witz!)


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Hermann, Sie denken nur noch über grünere Au-
os nach. Das ist einfach so. Schauen Sie in Ihren Anträ-
en nach! Ich habe sie mir angeguckt: An nur zwei Stel-
en wird eine Verlagerung gerade noch erwähnt.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil wir schon tausend Anträge dazu gestellt haben!)


Dann hätten Sie die hier noch einmal einbringen kön-
en. Sie hatten, als Sie an der Regierung waren, sieben
ahre Zeit, da etwas zu tun.


(Beifall bei der LINKEN – Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir waren sieben Jahre allein an der Regierung! Ja, ja, das kennen wir!)


ie haben selbst erwähnt – andere Kollegen haben es
uch getan –, welches Ausmaß die Emissionen im Stra-
enverkehr haben.

Die FDP möchte die Abschaffung der Kfz-Steuer.
ir finden das nicht richtig. Wir meinen, dass die Kfz-

teuer bisher einen wichtigen Lenkungsbeitrag geleistet
at. Wer sich mit der Einführung der Katalysatorentech-
ik in den 80ern und 90ern des vergangenen Jahrhun-
erts beschäftigt, wird dies bestätigen.

Nun ein Wort zum Gesetzentwurf der Koalition zur
ieselrußfilterförderung: Wir werden diesem Gesetz-

ntwurf zustimmen, obwohl wir arge Bedenken haben.
ir sagen aber auch: Lieber den Spatz in der Hand als

ie Taube auf dem Dach.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dreckspatz in der Hand!)


Wir haben heute auch einen eigenen Antrag mit For-
erungen eingebracht. Wie gesagt: Die erste Forderung,
ie wir als Linke hier im Deutschen Bundestag stellen,
autet, dass wir die Weichen dafür stellen müssen, den
traßenverkehr zu verlagern. Als Allererstes bedeutet
as für uns einen massiven Ausbau des öffentlichen
ersonennahverkehrs.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wissen natürlich und anerkennen auch, dass viele
enschen auf das Auto nicht werden verzichten können.

ch wohne selbst im ländlichen Bereich und bin momen-
an vollkommen vom ÖPNV abgehängt. Deshalb for-
ern auch wir klimafreundlichere und effizientere Au-
os. Das heißt, künftig muss der Werbeslogan gelten:
rei Liter Verbrauch statt drei Liter Hubraum. Wir blei-
en auch bei der Forderung, dass 120 Gramm CO2 pro






(A) )



(B) )


Lutz Heilmann
Kilometer wieder auf die Tagesordnung gehören. So,
wie die Frau Kanzlerin das kürzlich abgewiegelt hat,
kann es nicht gehen.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Ein weiterer wichtiger Punkt für uns ist, die Kenn-
zeichnung des CO2-Ausstoßes der Kfz zu verbessern,
um den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu ge-
ben, sich verantwortungsvoll entscheiden zu können. Ich
habe mir die Werbeprospekte der Autohersteller ange-
schaut: Die Angabe „180 Gramm“ oder „185 Gramm“
– was da alles so steht – hilft einem nicht wirklich wei-
ter. Hier sollte uns das Kühlschrankmodell Vorbild sein.
Dort ist es gut geregelt; die Einteilung geht von A bis F.
Anhand einer solchen Einteilung könnte man gut ein-
schätzen, was welches Auto ausstößt.

Für uns steht auch die Reform der Kfz-Steuer zur De-
batte. Die Besteuerung von Neufahrzeugen sollte am
CO2-Ausstoß ausgerichtet werden. Für Altfahrzeuge – das
ist für uns als Linke besonders wichtig, da es eine soziale
Komponente ist – müsste eine entsprechende Über-
gangsregelung mit einer angemessenen Frist eingeführt
werden.

Herr Kollege Scheuer – Sie unterhalten sich dort hin-
ten gerade –, wir bleiben bei unserer Forderung eines
Tempolimits von 130 km/h. Das bringt nicht nur eine er-
hebliche CO2-Einsparung, sondern auch eine Entlastung
für die Geldbeutel der Menschen. Unsere Autoindustrie
– ich weiß, dass der Sitz von BMW in der Nähe Ihres
Wahlkreises liegt – erhält dann auch den Anreiz, endlich
Autos mit kleineren Motoren zu bauen, um dem gerecht
zu werden.


(Michael Kauch [FDP]: Sie können doch von sich aus langsamer fahren!)


Wir selbst müssen auch Vorbild sein. Die öffentliche
Hand muss Vorreiter sein. Es darf keine Ausnahmege-
nehmigung geben, und der Fuhrpark muss auf die effi-
zientesten Fahrzeuge umgestellt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zu-
sammenfassen: Klimaschutz im Straßenverkehr erfor-
dert ein Maßnahmenbündel. Ich habe Ihnen hier einige
Maßnahmen vorgestellt, über die wir als Linke in der
Debatte reden wollen und die wir durchsetzen müssen.

Ein Gedanke noch: Bei all dem, was wir hier debattie-
ren – ob Für oder Wider –, müssen Sie aber immer be-
rücksichtigen, dass es ein „weiter so wie bisher“ nicht
geben kann. Wir brauchen eine Verkehrswende, insbe-
sondere weg vom motorisierten Individualverkehr und
hin zu klimafreundlicheren Autos. Wenn Sie es mit Ihren
Versprechungen vom Klimaschutz ernst meinen, dann
bleibt Ihnen gar nichts anderes übrig, als unserem An-
trag zuzustimmen. Ich wünsche noch eine angeregte De-
batte.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Als nächste Rednerin hat die Kollegin Rita chwarzelühr-Sutter von der SPD-Fraktion das Wort. Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ent egen dem Eindruck, der hier leicht entstehen kann, dass limaschutz erst seit einigen Wochen aktuell ist, sage ch: Herr Heilmann, wir reden nicht nur, wir handeln uch. ir nehmen den Klimaschutz ernst und ergreifen auch ie notwendigen und wirksamen Maßnahmen. Die Ampel in Sachen Klimaschutz steht bei uns schon ängst auf Grün, und wir befinden uns hier auch auf der berholspur. Das scheint nur einigen hier im Haus entangen zu sein. Unser Motto lautet: Handeln und die aßnahmen für den Klimaschutz beschleunigen. Ein eispiel wurde vorhin schon genannt, nämlich das CO2ebäudesanierungsprogramm. 25 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland erden für die Beheizung von Gebäuden und die Warmasserbereitung eingesetzt. Zum Energiesparen gibt es eshalb auch gar keine Alternative. Das aufgelegte CO2ebäudesanierungsprogramm gehört neben der Energie insparverordnung zu den zentralen Elementen der Kliaschutzpolitik der Bundesregierung. Nach Einschätzung des Bundesministeriums für Verehr, Bau und Stadtentwicklung stoßen die sanierten ohnungen künftig fast 1 Million Tonnen CO2 weniger us. Die Hälfte der Antragsteller, die an diesem Proramm teilnehmen, haben ihre Gebäude auf ein energetiches Neubauniveau gemäß der Energieeinsparverordung modernisiert. Der Bund geht hier mit gutem Beispiel oran und saniert die Bundesbauten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608208300
Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD):
Rede ID: ID1608208400

(Lutz Heilmann [DIE LINKE]: Ach?)


(Lutz Heilmann [DIE LINKE]: Aha!)


ine zusätzliche Dynamik bringt der von uns eingeführte
nergetische Gebäudepass. Das wird auch im Vermieter-
ereich die Umsetzung entsprechender Maßnahmen wei-
er voranbringen.

Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm ist eine Job-
aschine und ein Paradebeispiel dafür, dass Klima-

chutz und wirtschaftliches Handeln keine Gegensätze
ind. Aktiver Klimaschutz stärkt unser Wirtschafts-
achstum. Das ist Handeln auf der ökologischen Über-
olspur.

Im Verkehrsbereich lagen die CO2-Emissionen 2005
und 20 Millionen Tonnen niedriger als 1999. Es stimmt,
er Straßenverkehr ist hier der Hauptverursacher. Natür-
ich ist es ärgerlich, wenn die Automobilindustrie ihre
elbstverpflichtung nicht einhält. Es ist aber ein deutli-
her Rückgang erkennbar. In den letzten Wochen ist
uch der Automobilindustrie klar geworden, dass sie
etzt ihre Ökoinnovationen aus der Schublade holen

uss; denn die Mehrzahl der Menschen will umwelt-






(A) )



(B) )


Rita Schwarzelühr-Sutter
freundliche Autos. Nach der neuesten Emnid-Umfrage
wollen 72 Prozent der Bevölkerung auf kleinere, sparsa-
mere und effizientere Autos umsteigen. Da liegt auch die
Chance für die Automobilindustrie. Es ist ein Markt mit
immensem Wachstumspotenzial, das die deutschen Au-
tobauer nicht ungenutzt lassen dürfen.

Die Autoindustrie muss umweltfreundlichere Autos
anbieten und dafür auch mit entsprechendem Aufwand
werben. Von der deutschen Automobilindustrie verlan-
gen wir konkrete Konzepte für eine funktionierende
CO2-Minderungsstrategie. Das Image des deutschen Au-
tos ist auch entscheidend für den Export. Ich bin ge-
spannt auf die nächste IAA in Frankfurt am Main. Ich
bin mir sicher, dass die deutsche Automobilindustrie da
etwas aufbietet. Bezüglich des Genfer Automobilsalons
sprechen die Branchenkenner ja jetzt von einem Um-
weltsalon. Ich erwarte nun, dass im Zusammenhang mit
der kommenden IAA nicht nur von einem Umweltsalon,
sondern gar von einem Umweltpark gesprochen wird.

Im Gegensatz zu Frau Künast fordere ich nicht öffent-
lich dazu auf, japanische Autos zu kaufen. Ich möchte,
dass mehr umweltfreundliche deutsche Automobile ab-
gesetzt werden. Diese Forderung muss man im Zusam-
menhang mit den Arbeitsplätzen in Deutschland sehen.
Wir brauchen eine starke Automobilindustrie in
Deutschland und die davon abhängigen Arbeitsplätze.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir streben gesetzliche Regelungen an, die den CO2-
Ausstoß für Pkw bis 2012 auf 120 Gramm pro gefahre-
nen Kilometer, differenziert nach Fahrzeugklassen, be-
grenzen. Unterstützt wird die Reduzierung von CO2-
Emissionen im Straßenverkehr durch die Beimischung
von Biokraftstoffen.

Zurück zu unserem Motto: Wir bewegen uns auf der
ökologischen Überholspur! Der Finanzminister, der Ver-
kehrsminister und der Umweltminister haben sich darauf
geeinigt, die Kfz-Steuer umzustellen und den CO2-Aus-
stoß linear zu besteuern. Ich warne noch einmal davor,
die Mineralölsteuer ins Spiel zu bringen. Ich wohne in
einer Grenzregion und weiß, wie viele Steuereinnahmen
unserem Staat entgehen.


(Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: So ist es! Sehr richtig!)


Wer glaubt, dass Lkw-Fahrer nach einer weiteren Mine-
ralölsteuererhöhung zukünftig noch in Deutschland tan-
ken, wo sie jetzt schon kaum noch hier tanken, der blen-
det die Realität völlig aus.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wie rasant wir uns auf der ökologischen Überholspur
bewegen, hat unser Bundesverkehrsminister in den ver-
gangenen Tagen gezeigt. Er hat die Luftfahrtbranche
dazu gebracht, dem Emissionshandel beim Flugverkehr
zuzustimmen und nach einer Lösung, die keine Insellö-
sung darstellt, zu suchen. Vor allem vor dem Hinter-
grund der Zuwachsraten im Luftverkehr steckt dahinter
sehr viel Dynamik. Man bedenke nur, dass der CO2-Aus-
stoß durch die Einbeziehung des Luftverkehrs in den

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(C (D missionshandel bis 2020 halbiert werden könnte. Diese hance muss also ergriffen werden. Sie sehen also, wie wir uns um eine Beschleunigung on Maßnahmen bemühen, die realistisch und realisierar sind. Wir müssen diese auf europäischer Ebene koorinieren und steuern, um die Klimakatastrophe abzuenden. Unterstützen Sie unsere Strategie! Dann wird es ns auch gelingen, den Klimawandel zu stoppen. Danke. Das Wort hat jetzt die Kollegin Patricia Lips von der DU/CSU-Fraktion. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her en! Der Klimaschutz ist unumstritten ein Thema, das lle betrifft. Ich glaube, das haben auch nahezu alle Beiräge heute gezeigt. So verschieden die Bereiche sind, so ielschichtig sind auch die Maßnahmen, die zurzeit in ie Diskussion eingebracht werden. Einige von ihnen erden sicherlich im Gespräch bleiben, einige wieder erschwinden. Eine Maßnahme – damit komme ich wieder ein bisshen von der grundsätzlichen Diskussion zum Konkreen –, die in der Tat bereits heute zum Beschluss ansteht, etzt sich mit der Umrüstung von Dieselfahrzeugen it Partikelfiltern auseinander. Wo wir an anderer Stelle och diskutieren, sind wir hier schon einen Schritt weier. Wir gehen konkret in Richtung Umweltschutz; dies ollte für uns alle Ansporn auch für die künftigen Disussionen sein. (Beifall der Abg. Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU])


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608208500

(Beifall bei der CDU/CSU)

Patricia Lips (CDU):
Rede ID: ID1608208600

orum geht es? In Form einer Bonus-Malus-Regelung
ollen finanzielle Anreize gesetzt werden, damit betrof-
ene Halter zeitnah ihre Fahrzeuge umrüsten, sofern
iese nicht bereits mit einem Filter ausgestattet sind.

Lassen Sie mich nochmals die für uns wesentlichen
omponenten nennen: erstens das Erzielen einer Len-
ungswirkung im Sinne der Förderung des Umweltbe-
usstseins, zweitens eine Beschleunigung in der Ent-
icklung von Technik und Produktion und damit
atürlich auch eine Unterstützung des Mittelstandes so-
ie drittens die Einhaltung von haushaltsrelevanten Not-
endigkeiten; die Kfz-Steuer – wir wissen es – betrifft,

umindest aktuell, die Länderhaushalte.

Wir stellen fest, dass allein die Ankündigung des Ge-
etzes zu einer hohen Anzahl von Vorbestellungen ent-
prechender Filter geführt hat, was die gewünschte Len-
ungswirkung unterstreicht.

Noch einen Punkt möchte ich nennen: Das Europäi-
che Parlament hat im konkreten Fall bereits neue Ab-
asnormen auf den Weg gebracht. Wir diskutieren also
icht alleine. Es ist aber nun an uns, den betroffenen






(A) )



(B) )


Patricia Lips
Bürgerinnen und Bürgern nicht nur die zeitliche Chance
auf eine Umrüstung zu geben, sondern auch eine finan-
zielle Unterstützung anzubieten, um sie möglichst zeit-
nah darauf vorzubereiten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Kolleginnen und Kollegen, an welchem Punkt stehen
wir heute, nahezu – selten genug – einmütig? Die Bun-
desregierung, die Länder, die Sachverständigen, die in
einem hohen Maß auch die Fahrzeughalter vertreten,
und die mittelständische Wirtschaft, sie alle wollen das
Gesetz. Alle Fraktionen im Ausschuss, mit einer Aus-
nahme, haben dafür gestimmt. Das ist eigentlich eine
gute Entwicklung.

Aber – jetzt wende ich mich ausdrücklich an die FDP;
Herr Wissing kann die Debatte offensichtlich nicht wei-
ter verfolgen, um eine Reaktion auf seine Rede entge-
genzunehmen – wenn man im Laufe des Verfahrens den
Eindruck gewinnt, dass Sie dem Gesetz ganz offensicht-
lich um des Prinzips willen nicht zustimmen wollen,
dann wird dies Ihrer Fraktion, wie ich sie kennengelernt
habe, nicht gerecht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Lassen Sie mich einen Punkt ansprechen, der die Wi-
dersprüchlichkeit in Ihrem Verhalten gleich an zwei Stel-
len aufzeigt – Ihr Kollege hat das eigentlich selbst deut-
lich gemacht –: Die CDU/CSU-Fraktion, und zwar
zunächst sie allein, hat im Zuge der Beratungen darauf
hingewiesen, behinderte Menschen ausdrücklich nicht
zu vergessen. Auch sie sollen in unseren Augen an den
Vorteilen einer Umrüstung teilhaben können.


(Michael Kauch [FDP]: Wie denn?)


Wir haben uns darüber gefreut, dass seitens der Wirt-
schaft in der Anhörung hierbei die Gewährung von Ra-
batten in den Raum gestellt wurde.


(Michael Kauch [FDP]: In den Raum!)


Wir begrüßen diese zum Ausdruck gebrachte Bereit-
schaft und bitten die Bundesregierung, sich gegenüber
den Herstellern nachdrücklich dafür einzusetzen.

Aber nicht nur uns sollte dies freuen. Vor allem Ihre
Herzen – damit bin ich wieder bei Ihnen, Kolleginnen
und Kollegen von der FDP – hätten ob eines solchen un-
bürokratischen Vorgehens doch höher schlagen müssen.


(Michael Kauch [FDP]: Vage Versprechen!)


„Der Staat soll weniger regeln“, das sind Ihre geflügel-
ten Worte bei nahezu jedem Gesetz, so auch bei dieser
Vorlage. Deshalb ist es mir völlig unverständlich, dass
ausgerechnet die FDP, die immer und zu Recht den Bü-
rokratieabbau im Munde führt, nun zusätzlich wieder
den Gesetzgeber auffordert, tätig zu werden, obwohl ein
Angebot von anderen vorliegt.

Ebenso unverständlich ist es, dass Sie einen in Be-
zug auf die behinderten Menschen an sich guten Ge-
danken – das ist er ja offensichtlich auch für Sie – nun
mit derart scharfen Angriffen bis hin zu Diskriminie-

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(C (D ungsversuchen überziehen. Bitte prüfen Sie, ob Sie ich hier nicht etwas verrannt haben. Wir helfen Ihnen erne auf dem Weg zurück in unsere Gemeinschaft. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Kauch [FDP]: Hört! Hört!)


Vieles wurde und wird heute im Zusammenhang mit
erkehr und Umweltschutz gesagt. Vieles davon ist si-
herlich richtig. Viele weitere Diskussionen gerade um
as Thema einer Weiterentwicklung der Kfz-Steuer, wie
m Ende auch immer gestaltet, wurden angestoßen. Ich
in mir sicher, dass wir hier noch einige interessante De-
atten haben werden.

Heute liegt sehr konkret ein Gesetz zur Abstimmung
or, das als Signal und Aufbruch für die kommenden
iskussionen verstanden werden kann und soll.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608208700

Das Wort hat jetzt der Kollege Martin Burkert von der

PD-Fraktion.


Martin Burkert (SPD):
Rede ID: ID1608208800

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en! Der dritte Teil des Klimareports, dessen Inhalt jetzt
ekannt geworden ist, hat uns noch drastischer vor Au-
en geführt, was wir eigentlich schon wussten, einige
ber immer noch nicht wahrhaben wollten: Für das Erd-
lima steht die Uhr nicht mehr auf fünf vor zwölf. Nein,
ch sage hier deutlich: Es hat zwölf geschlagen. Um das
uder herumzureißen, bleiben uns erdgeschichtlich be-

rachtet allenfalls noch Bruchteile von Sekunden. In den
orten des Reports: Wir haben noch knapp 15 Jahre

eit, um den totalen Klimakollaps zu verhindern. Das
eißt, die globale Erwärmung muss unter allen Umstän-
en auf die zwei Grad Celsius begrenzt werden, die ge-
ade noch tolerabel sind, um die Katastrophe zu verhin-
ern.

Nicht nur unsere Lebensqualität, nein, vor allem die
ukunft unserer Kinder und Enkel steht auf dem Spiel.
ür diese Zukunft sind wir verantwortlich. Deshalb müs-
en wir alles daransetzen, dieses Spiel nicht zu verlieren.
ch bin fest davon überzeugt, dass wir alle gemeinsam es
chaffen können, wenn jeder seinen Teil dazu beiträgt,
nsbesondere diejenigen, die das bisher noch nicht mit
em Engagement getan haben, das erforderlich ist. So
at nicht nur Al Gore, dem ich an dieser Stelle herzlich
ur Verleihung des Oscars gratulieren möchte, in seinem
ilm gezeigt, dass der Verkehr der größte Verursacher
es Treibhauseffektes ist. Auch der Weltklimarat betont
ies in seinem Bericht ausdrücklich.

Deshalb werden wir zu gesetzlichen Regelungen grei-
en, wenn die europäische Automobilindustrie ihrer
elbstverpflichtung nicht nachkommt, den CO2-Aus-
toß ihrer Fahrzeuge bis 2012 auf die heute oftmals ge-
annte Grenze von 120 Gramm pro Kilometer zu sen-






(A) )



(B) )


Martin Burkert
ken. In diesem Ziel wissen wir uns einig mit dem EU-
Umweltkommissar und dem Umweltrat, der im Juni ei-
nen Vorschlag vorlegen wird. Dazu gehören zwei we-
sentliche Komponenten: Erstens. Technische Innovatio-
nen senken den Spritverbrauch und beschränken damit
den CO2-Ausstoß auf 130 Gramm pro Kilometer. Zwei-
tens. Die restlichen 10 Gramm werden durch den Einsatz
von Biokraftstoffen erbracht.

Unabdingbar ist für uns, dass alle europäischen Pro-
duzenten einen Beitrag leisten und nicht diejenigen aus-
genommen werden, deren Fahrzeuge einen Verbrauch
haben, der niedriger ist als der Durchschnittswert von
120 Gramm. Auch diese müssen etwas für das Klima
tun. Es geht nicht an, dass die deutschen Hersteller das
alleine schultern.

Allerdings ist es im ureigensten Interesse der deut-
schen Automobilindustrie, die Entwicklung klima-
freundlicher Technologien erstens nicht zu verschlafen
und zweitens nicht zu verschleppen. Die Nachfrage nach
hochwertigen deutschen Fahrzeugen wird weltweit stei-
gen. Dies ist eine Herausforderung, der sich gerade
Deutschland als Hochtechnologieland und Exportwelt-
meister gleichermaßen stellen muss.

Ich verweise auf das Beispiel des Boomlandes China
mit seinem Riesenbedarf an Kraftfahrzeugen. Man muss
sich vorstellen, dass es in Peking täglich 1 000 Neuzu-
lassungen gibt. Als ich den Umweltminister im letzten
Dezember nach Peking begleiten durfte, konnte ich sel-
ber feststellen, dass dort vor lauter Smog die Sonne nicht
mehr aufgeht. China wird deshalb den CO2-Ausstoß von
Autos per Gesetz begrenzen.

Wir werden selbstverständlich in Deutschland das
Unsere tun, um das Ziel von 120 Gramm zu erreichen.
Eine entsprechende Umgestaltung der Kfz-Steuer steht
an. Sie wird sich künftig nicht mehr nach dem Hubraum,
sondern nach dem Schadstoffausstoß bemessen. Das ha-
ben wir übrigens weitblickend, wie heute schon erwähnt,
im Koalitionsvertrag vereinbart. Geprüft werden sollte
in diesem Zusammenhang auch das Steuerprivileg für
schwere Dienstwagen, die, wie wir wissen, sehr viel
Sprit schlucken. Ich sage hier deutlich: Sollte die bessere
Einsicht wider Erwarten nicht fruchten, sollte auch ein
Tempolimit kein Tabu mehr sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gefordert ist aber nicht nur der Straßen-, sondern auch
der Luftverkehr. Flugzeuge sind nach Expertenmeinung
die Klimakiller Nummer eins. Auch die Bundeskanzlerin
hat schon 1995, als sie noch Umweltministerin war, in ei-
nem Zeitungsinterview erklärt – manchmal lohnt es sich,
die Archive zu bemühen –:

Wir machen das Auto zum Umwelt-Buhmann,
vergessen aber ganz die katastrophalen Auswirkun-
gen … durch zunehmenden Flugverkehr …

Gerade wir in diesem Hohen Hause, die wir oftmals aus
Zeitgründen Vielflieger sein müssen, sollten uns hier an
die eigene Brust schlagen. Deshalb möchte ich an Sie

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(C (D lle appellieren, zumindest einen kleinen Ausgleich für olche Klimasünden zu schaffen, wenn Sie es nicht chon längst getan haben. Ich rede davon, für jeden Flug in Zertifikat bei „atmosfair“ zu erwerben. Mit dem gependeten Geld unterstützen Sie Klimaschutzprojekte in chwellenländern, zum Beispiel in Indien. (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie dann unseren Antrag abgelehnt?)


Zum Schluss möchte ich auf den Al-Gore-Film „Eine
nbequeme Wahrheit“ zu sprechen kommen. Sein we-
entliches Verdienst ist, dass er bei uns und weltweit das
ewusstsein der Menschen aufgerüttelt hat, dabei aber
icht demoralisiert, sondern die gute Nachricht betont
at: Jeder Einzelne kann nach seinen Möglichkeiten
azu beitragen, die Klimakatastrophe abzuwenden. – Ich
in dem Vorsitzenden meiner Fraktion, Peter Struck,
ehr dankbar dafür, dass die SPD-Fraktion am nächsten
ienstag auf ihrer Sitzung ein Zeichen setzt, indem sie

ich den Film anschaut und darüber diskutiert.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Konsequenzen zieht!)


Die Erwartungshaltung gerade unserer Jugend an die
olitik ist groß. Ich glaube, wir sind uns alle in einem ei-
ig: Niemand will, dass die deutsche Nordseeküste in
ukunft bei Bremen verläuft.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608208900

Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt

at das Wort die Kollegin Ingrid Arndt-Brauer von der
PD-Fraktion.


Ingrid Arndt-Brauer (SPD):
Rede ID: ID1608209000

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

nd Herren! Viele Klimaschutzanregungen von heute
önnen wir aufnehmen und darüber weiter in den Aus-
chüssen diskutieren. Einige können wir gleich verges-
en; das ist klar. Ich denke aber, Polemik hat an dieser
telle wirklich keinen Platz. Damit sollten wir uns auch
icht länger aufhalten.

Wir haben heute die zweite und dritte Lesung zum
ußpartikelfiltergesetz. Wir sind wieder an dem Punkt,
u versuchen, über Steuern zu steuern. Ich möchte denje-
igen widersprechen, die fordern, einfach die Mineral-
lsteuer zu erhöhen. Damit ist keine Steuerung dahin
ehend möglich, was für eine Art Auto ich fahre. Dann
ahre ich vielleicht sehr selten, womit ich zwar wenig
prit verbrauche. Aber welche Schadstoffe aus dem
uspuff kommen, kann dann nicht mehr über Steuerer-

eichterungen gesteuert werden. Deswegen finde ich es
ut, dass wir die Kfz-Steuer in dieser Form noch haben.

Es war auch kein Steuervereinfachungsgesetz oder
in Beitrag zum Bürokratieabbau gedacht. Trotzdem ist
as vorliegende Gesetz ein relativ einfaches Gesetz. Es






(A) )



(B) )


Ingrid Arndt-Brauer
wird für diejenigen Leute, die in die Nachrüstung ihrer
Autos mit Rußpartikelfilter investieren, ein Aussetzen
der Steuer geben. Das ist für die Verwaltung relativ ein-
fach zu handhaben und für jeden Bürger leicht verständ-
lich.

Es geht also um Rußpartikel. Jeder weiß, was das ist.
Es ist, ungefähr in Erdhöhe ausgestoßen, ein relativ ge-
fährliches Zeug. Jeder, der schon einmal einen Sportwa-
gen gefahren hat – damit meine ich nicht die ohne Dach
und mit Sitzheizung, sondern einen Wagen mit vier Rä-
dern und darin ein Kind –, weiß, wer diese Rußpartikel
in Gänze abbekommt: Das sind unsere Kinder. Wir ha-
ben in den letzten Wochen viel über die Betreuung von
Kindern gesprochen. Ich denke, dazu gehört auch, dass
wir die Lebensumstände der Kinder vernünftig organi-
sieren. Dazu gehört es, dass man sich relativ gefahrlos
auch innerhalb einer Stadt mit Kindern bewegen kann.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich finde es deshalb wichtig, dass wir diesen Gesetz-
entwurf jetzt verabschieden. Wir müssen unseren Kin-
dern später einmal erklären, warum wir es nicht schon
ein paar Jahre vorher gemacht haben.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Aber wir wissen, es ist Abstimmungsbedarf vorhanden
gewesen, weil es eine Ländersteuer ist. Es ist klar: Wenn
wir es vorher auf der Bundesebene gelöst und die Dis-
kussion nachher geführt hätten, wäre es auch nicht
schneller gegangen. Trotzdem müssen wir uns das natür-
lich irgendwann fragen lassen. Ich hoffe, dass so etwas
in Zukunft schneller geht.

Wir sollten dies jetzt umsetzen, unabhängig davon,
welche Klimaschutzmaßnahmen später einmal getroffen
werden und was mit den CO2-Emissionen passiert; das
ist ein anderes Thema. Ich habe mich gefreut, dass im
Ausschuss große Einigkeit bestand. Bis auf die FDP, die
sich nur enthalten hat, waren wir einvernehmlich der
Meinung, dass man mehr tun kann. Vielleicht sollte man
auch mehr tun; aber das, was wir jetzt tun, ist notwendig.
Wir dürfen es nicht aufschieben.

Ich habe selten eine so nette Anhörung erlebt. Andere
Ausschüsse träumen von einer solch einvernehmlichen
Anhörung. Ich finde auch die Regelung, die die Industrie
für die Behinderten in Aussicht gestellt hat, sehr lo-
benswert. Alles in allem machen wir ein sehr gutes Ge-
setz, das man natürlich noch verbessern kann. Aber
wenn wir all unsere Probleme so schnell und unbürokra-
tisch lösen könnten, wären wir weiter, auch beim Klima-
schutz. Deswegen bitte ich um Ihre Zustimmung.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608209100

Ich schließe die Aussprache.

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(C (D Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf en Drucksachen 16/4182, 16/4429 und 16/4416 an die n der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgechlagen. – Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der all. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Es ist vereinbart, die Vorlage auf Drucksache 16/4431 ur federführenden Beratung an den Finanzausschuss nd zur Mitberatung an den Ausschuss für Wirtschaft nd Technologie, den Ausschuss für Verkehr, Bau und tadtentwicklung sowie an den Ausschuss für Umwelt, aturschutz und Reaktorsicherheit zu überweisen. Gibt s anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. ann ist die Überweisung so beschlossen. Abstimmung über den Antrag der Fraktion des ündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/4430 mit em Titel „CO2-Emissionen der Dienstwagenflotte des eutschen Bundestages nachhaltig senken“. Wer stimmt ür diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält ich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsraktionen und der FDP-Fraktion bei Zustimmung der raktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abge ehnt. Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf rucksache 16/3847 zu dem Antrag der Fraktion des ündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Treibhausgasmissionen bei Dienstreisen ausgleichen – Vorbildfunkion der öffentlichen Hand erfüllen“. Der Ausschuss mpfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/1066 abzulehen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Geenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei egenstimmen der Fraktionen Die Linke und ündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der FDP-Frak ion angenommen. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, aturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksa he 16/3144 zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit em Titel „Umverteilung durch den Emissionshandel eenden – Vorreiterrolle im Klimaschutz übernehmen“. er Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf rucksache 16/1682 abzulehnen. Wer stimmt für diese eschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltunen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen er Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Geenstimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/ ie Grünen angenommen. Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den von der undesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änerung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes auf Drucksache 6/4010. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchtabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4449, en Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die em Gesetzentwurf zustimmen wollen, um ihr Handzeihen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzntwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen er Koalitionsfraktionen, der Fraktionen Die Linke und ündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP-Frak ion angenommen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit gleichem Stimmverhältnis angenommen. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/4451. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen bei Zustimmung der FDP-Fraktion abgelehnt. Beschlussempfehlung des Finanzausschusses auf Drucksache 16/4449 zu dem Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Fördergesetz für Dieselrußpartikelfilter baldmöglichst vorlegen“. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung, den Antrag auf Drucksache 16/946 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der FDPFraktion angenommen. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 16/4422 zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Klimapolitischen Zertifikatehandel in Deutschland nachhaltig und verantwortungsvoll gestalten – Nationalen Allokationsplan grundlegend überarbeiten“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/3051 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion und Enthaltung der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen angenommen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/3049 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist offenkundig der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 a bis 30 h sowie Zusatzpunkt 13 a und 13 b auf: 30 a)





(A) )


(B) )

gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Pro-
tokoll vom 4. Juli 2006 zur Verlängerung des
Abkommens vom 9. April 1995 zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und den Verei-
nigten Arabischen Emiraten zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der
Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
und zur Belebung der wirtschaftlichen Bezie-
hungen

– Drucksache 16/4378 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Ein-
malzahlungen für die Jahre 2005, 2006 und

(C (D 2007 (Einmalzahlungsgesetz 2005, 2006 und 2007 – EzG 2007)


– Drucksache 16/4379 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Verteidigungsausschuss
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes-
serung der Beschäftigungschancen älterer
Menschen

– Drucksachen 16/4371, 16/4421 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO

d) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpas-
sung der Regelaltersgrenze an die demografi-
sche Entwicklung und zur Stärkung der
Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen

(RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz)


– Drucksachen 16/4372, 16/4420 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

e) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Pro-
tokollen vom 16. Mai 2006 über die Änderung
des Abkommens vom 6. Juni 1955 über die Er-
richtung eines Internationalen Ausschusses
für den Internationalen Suchdienst und der
Vereinbarung vom 6. Juni 1955 über die Bezie-
hungen zwischen dem Internationalen Aus-
schuss für den Internationalen Suchdienst und
dem Internationalen Komitee vom Roten
Kreuz

– Drucksache 16/4380 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla
Jelpke, Petra Pau, Sevim Dağdelen, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der LINKEN

Bleiberecht als Menschenrecht

– Drucksache 16/3912 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)







(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Krista
Sager, Kai Gehring, Priska Hinz (Herborn), wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN

Die Geistes- und Sozialwissenschaften in For-
schung und Lehre fördern

– Drucksache 16/4406 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN

Kennzeichnung von Mobilfunkgeräten schnell
und verbraucherfreundlich durchsetzen

– Drucksache 16/4424 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Gesundheit

ZP 13 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst
Friedrich (Bayreuth), Jan Mücke, Patrick
Döring, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP

Verfassungskonformität der Bahnprivatisie-
rung sicherstellen

– Drucksache 16/4413 –

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Monika Lazar, Britta Haßelmann, Irmingard
Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Bundesmittel nicht verschwenden – Bera-
tungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus
nachhaltig fördern

– Drucksache 16/4408 –

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

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(C (D Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachen Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an ie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu berweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der all. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe den Zusatzpunkt 14 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD Den positiven Beitrag des Tourismus zum Wirtschaftswachstum festigen Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Reder dem Kollegen Klaus Brähmig von der CDU/CSUraktion das Wort. Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! ächste Woche wird das größte Tourismuskaufhaus der elt in Berlin eröffnet. Die Internationale Tourismus örse lädt als größte Reisemesse der Welt fünf Tage lang it 11 000 Ausstellern aus über 180 Ländern zu einer eistungsschau der Branche ein. Leistung zeigt diese Branche wahrlich. Letztes Jahr ab es mehr als 350 Millionen gewerbliche Übernachungen in Deutschland – ein absoluter Rekord. Neben eiem deutlichen Plus an ausländischen Gästen, das icherlich auf die Fußballweltmeisterschaft zurückzuühren ist, haben wir auch einen Zuwachs an inländichen Gästen zu verzeichnen. Erstmals seit vier Jahren st somit auch im Gastgewerbe eine Umsatzsteigerung u verzeichnen. Das ist Anlass genug für eine Aktuelle Stunde des eutschen Bundestages. Wie können wir dafür Sorge ragen, dass die Tourismuswirtschaft auch in Zukunft eien großen und weiter steigenden Beitrag zum Wirtchaftswachstum und zur Bekämpfung der Arbeitslosigeit leistet? Die Tourismuswirtschaft ist nicht nur eltweit, sondern auch im Inland eine der wenigen lang ristig wachsenden Branchen. EU-weit sichert diese ranche derzeit 11,8 Prozent aller Arbeitsplätze. Bis um Jahr 2016 wird ein Anstieg auf 13 Prozent angeommen. Der Tourismus bietet also große Chancen zur Beämpfung der Arbeitslosigkeit. Während in vielen Wirtchaftsbranchen die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins usland diskutiert wird, kann dies für den Tourismus ektor ausgeschlossen werden. Diese Arbeitsplätze sind n den Standort Deutschland gebunden und können nicht xportiert werden. Wer Neuschwanstein oder das Brandenburger Tor, ielleicht auch den Pückler-Park in Bad Muskau besuhen möchte, findet das Original nun einmal nur hier bei ns in Deutschland. Dies gilt genauso für bayerische iergärten und kölsche Kneipen. Klaus Brähmig Als Tourismuspolitiker müssen wir dafür sorgen, dass dieses Wachstumspotenzial gezielt genutzt wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Klaus Brähmig (CDU):
Rede ID: ID1608209200




(A) )


(B) )


Deshalb haben wir in der Koalition bereits im letzten
Jahr eine Anhebung der Bundeszuwendungen an die
Deutsche Zentrale für Tourismus um 500 000 Euro auf
25 Millionen Euro durchgesetzt. Dies war ein erster
wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Allerdings
reicht dies nicht aus, um im immer schärfer werdenden
internationalen Wettbewerb langfristig bestehen zu kön-
nen. Vergleichbare Konkurrenzländer wie Frankreich,
Spanien und Großbritannien setzen die richtigen Priori-
täten und investieren deutlich mehr öffentliche Mittel in
die touristische Vermarktung als Deutschland.

Die CDU/CSU-Tourismuspolitiker engagieren sich
deshalb für eine weitere Erhöhung der Mittel für die
DZT. Dies sind hervorragend investierte Steuermittel,
die ein Vielfaches an Umsätzen in der Wirtschaft und
Einnahmen in den öffentlichen Kassen bewirken. Für ein
weiteres Wachstum der Tourismusbranche sind vor al-
lem Zuwächse bei der Zahl der internationalen Besucher
notwendig, deren Ausgaben deutlich höher liegen als bei
inländischen Gästen.

Politik und Tourismusbranche müssen sich aber auch
den gewaltigen Herausforderungen stellen. Dies gilt be-
sonders für den demografischen Wandel. Er wird für
Deutschland eine wahre Revolution im Tourismus und
die Reisen der Deutschen zur Folge haben, da die soge-
nannten Senioren als Zielgruppe immer bedeutender
werden. Trotz größerer Reiseerfahrung werden Inlands-
reisen für die Senioren zukünftig wahrscheinlich eine
überdurchschnittliche Bedeutung erlangen, sodass der
Tourismusstandort Deutschland von dieser Entwicklung
profitieren kann. Dazu müssen aber auch die Produktge-
staltung und Vermarktung sowie die Infrastruktur in den
Zielgebieten stärker auf die sehr unterschiedlichen Be-
dürfnisse und Wünsche älterer Menschen angepasst wer-
den.

Darin liegt eine zusätzliche Chance für die Reisebü-
ros, die als kompetente und fachkundige Berater auch in
der Zukunft ein wichtiger Partner für die Vermarktung
sein werden. Die Verschiebung der Altersstruktur wird
zu großen Veränderungen bei der Nutzung der Verkehrs-
mittel bei Urlaubsreisen führen. So gewinnt vor allem
die Busreise für Reisende ab einem Alter von 60 Jahren
an Bedeutung. Ab einem Alter von 69 Jahren reist sogar
fast ein Viertel aller Reisenden mit dem Bus – doppelt so
viel wie mit der Bahn.

Aus Sicht der Tourismuspolitik gibt es viele Gründe,
Busreiseveranstalter und den Reisebus als Verkehrsmit-
tel zu unterstützen. So ist der Bus gemessen an der Zahl
der beförderten Teilnehmer pro Kilometer das umwelt-
freundlichste Verkehrsmittel überhaupt. Er hat den ge-
ringsten Treibstoffverbrauch und den geringsten Schad-
stoffausstoß und liegt damit sogar noch vor der Bahn.
Busreisen als ein touristischer Beitrag zum – die vorhe-
rige Debatte hat es gezeigt – weltweiten Klimaschutz!

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(C (D Außerdem tragen Busse zur Entlastung der Hauptverehrsstraßen vom Individualverkehr bei, da ein Reisebus twa 30 PKW ersetzt. Aus diesem Grund appelliere ich n Politik, Kommunen und Ferienregionen, die Infratruktur an die Bedürfnisse der Busreiseveranstalter anupassen. Busse dürfen nicht aus den Städten ausgeperrt werden. Busreisen sind ein wichtiges Standbein ür den Tourismusstandort Deutschland. Ohne sie wären iele deutsche Ferienregionen nicht so gut erreichbar. ine Reise ohne Umsteigen können andere Verkehrsträer so nicht leisten. Daraus müssen Konsequenzen für ie Infrastrukturplanung und die Förderung des Reiseusses als strategischem Partner für den Deutschlandtouismus gezogen werden. Nutzen Sie die ITB als Gelegenheit, sich über die euen Trends zu informieren. Sie werden sehen: Urlaub st nicht nur Strand und Sonne, sondern zunehmend eine hance zur aktiven Freizeitgestaltung, Gesundheitsförerung und Bildung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608209300

Das Wort hat jetzt der Kollege Ernst Burgbacher von

er FDP-Fraktion.


Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1608209400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

ann ja fast alles unterschreiben, was Kollege Brähmig
erade gesagt hat. Nur, jetzt die Reden aus der Opposi-
ionszeit erneut vorzutragen, geht ein bisschen an der Sa-
he vorbei.

Es ist richtig, dass die Zahlen wirklich gut sind. Wir
lle sind froh, dass in unserem Land eine tolle Fußball-
eltmeisterschaft stattgefunden hat. Das Wetter hat mit-
espielt, und es ging ein sehr positives Bild von der Ser-
icebereitschaft der Menschen und von der Schönheit
nseres Landes um die ganze Welt. Von dieser WM wer-
en wir noch lange profitieren, und das ist gut so.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Jörg Tauss [SPD])


Wir haben hervorragende Anbieter im Tourismusge-
chäft: die Hoteliers, die Gastronomen, die Betreiber von
reizeitparks, Veranstalter und Naturverbände, die für
anderwegenetze sorgen – sie alle tragen dazu bei, dass
ir heute über Angebote verfügen, mit denen wir im in-

ernationalen Wettbewerb konkurrieren können. Es ist
war nichts so gut, dass es nicht noch besser gemacht
erden könnte. Tatsache ist aber, dass wir in den letzten

ahren enorm aufgeholt haben. Hier gilt es, all denen
ank zu sagen, die das bewerkstelligt haben.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)


Ich sage ausdrücklich: Ich habe Respekt vor der Leis-
ung der Deutschen Zentrale für Tourismus, die vom
und unterstützt wird und eine hervorragende Arbeit
acht. Sicherlich, Kollege Brähmig, könnte sie noch






(A) )



(B) )


Ernst Burgbacher
viel mehr Geld gebrauchen. Die Mittel wurden zwar er-
höht, aber von den 10 Millionen Euro allerdings, die die
Union immer gefordert hatte, ist nur ein kleiner Prozent-
satz realisiert worden. Auch was das betrifft, sind Sie
also in der Regierung angekommen.

Meine Damen und Herren, worum geht es wirklich?
Wir gehen davon aus, dass es in Deutschland in der Tou-
rismuswirtschaft knapp 3 Millionen Arbeitsplätze gibt.
Fachleute sprechen davon, dass noch ein Potenzial von
400 000 bis 500 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen besteht,
das dann gehoben werden könnte, wenn die richtigen
Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regie-
rungsfraktionen, Sie haben heute eine Aktuelle Stunde
mit dem Titel „Den positiven Beitrag des Tourismus
zum Wirtschaftswachstum festigen“ beantragt. Im Jah-
reswirtschaftsbericht 2007 der Bundesregierung wird
das Wort „Tourismus“ aber nicht ein einziges Mal er-
wähnt. Der sehr wichtige Wirtschaftsfaktor Tourismus
kommt darin überhaupt nicht vor. Das ist völlig unver-
ständlich.


(Beifall bei der FDP)


Wenn ich mir anschaue, was Sie in Ihrer Politik tat-
sächlich machen – als Regierung sind Sie ja nicht dafür
da, Ankündigungen zu machen, sondern sollen die
Dinge vorantreiben –, kann ich in aller Kürze feststellen:
Sie haben die Mehrwertsteuer und dadurch die Preise er-
höht. Der wunderschöne Werbeslogan einer Reederei
lautete in den 20er-Jahren: „Froh schlägt das Herz im
Reisekittel, vorausgesetzt, man hat die Mittel!“


(Heiterkeit)


Exakt darum geht es: Sie entziehen den Leuten immer
mehr Geld, treiben durch die Mehrwertsteuererhöhung
die Preise hoch, reden aber hier über den schönen Tou-
rismus. Das passt nicht zusammen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuer-
satzes auf gastgewerbliche Produkte und Dienstleistun-
gen angeht, gilt für die Regierung: keine Bewegung! Der
Tourismusbeauftragte spricht zwar immer davon, ge-
schehen ist bisher aber überhaupt nichts. Unsere Hotels
werden weiterhin von den Verwertungsgesellschaften
gebeutelt. Hoteliers müssen in Deutschland im Vergleich
zu allen anderen europäischen Ländern viel Geld zahlen.
Dabei geht es um die Umsetzung einer EU-Richtlinie.
Wann werden Sie Ihren Ankündigungen endlich einmal
Taten folgen lassen?

Vor wenigen Wochen haben wir eine Debatte über das
Jugendschutzgesetz geführt. Auch hier gilt: keine Bewe-
gung!


(Renate Gradistanac [SPD]: Gott sei Dank!)


Wir sehen heute, wohin Ihr Antidiskriminierungsge-
setz geführt hat: Menschen werden nicht mehr einge-
stellt, und Betriebe müssen für Einstellungsgespräche
Rechtsberater hinzuziehen. Sie erschweren die Situation,
anstatt sie zu erleichtern.

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(C (D (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nun noch ein Wort zum Klimawandel. Lieber Kol-
ege Brähmig, es ist völlig richtig: Der Bus ist das ökolo-
isch sinnvollste Verkehrsmittel. Rot-Grün hat den Bus
mmer benachteiligt. Für die Bahn gab es Ausnahmere-
elungen bei der Ökosteuer, für den Reisebus tat sich
ichts. Sie haben nichts, aber auch gar nichts getan, um
ie europäischen Bestimmungen zu ändern.

Die Feinstaub-Verordnung, die heute in Kraft getreten
st, wird dazu führen, dass Schausteller und Marktkauf-
eute nicht mehr in die Stadt fahren dürfen, sodass die

ochenmärkte nicht mehr beschickt werden. Hören Sie
unächst einmal auf, solchen Unsinn zu machen, bevor
ie hier große Reden halten.


(Beifall bei der FDP)


Abschließend sage ich: Der Tourismus ist ein ent-
cheidender Wirtschaftsfaktor. Bund und Länder können
hn durch die Finanzierung der DZT und durch die
chaffung der entsprechenden Infrastruktur unterstützen.

Ansonsten sollten wir etwas ganz anderes tun: Wir
ollten den Unternehmern endlich die Fesseln abneh-
en. Wir sollten den Unternehmern erlauben, das zu tun,
as sie am liebsten tun, nämlich etwas zu unternehmen,

nstatt sie mit immer höheren Steuern zu schröpfen und
it immer mehr Vorschriften zu belasten. Lasst sie Un-

ernehmer sein! Dann, da bin ich optimistisch, wird der
ourismus bei uns weiter blühen, werden zusätzliche Ar-
eitsplätze geschaffen werden. Die ITB wird eine wun-
erschöne Veranstaltung sein, das zu fördern.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608209500

Das Wort hat die Kollegin Annette Faße von der SPD-

raktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Annette Faße (SPD):
Rede ID: ID1608209600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Die Welt zu Gast in Deutschland, die Welt zu
ast in Berlin – auf der Internationalen Tourismus-Börse

n Berlin. Mein ganz besonderer Gruß gilt den Ausstelle-
innen und Ausstellern aus Deutschland, aber auch dem
usland. Herzlich willkommen bei uns in Berlin!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


anz besonders freue ich mich, dass diesmal Indien
ein Land im Aufbruch, ein Land zwischen Arm und
eich – unser Partnerland ist. Indien wird die Eröff-
ungsveranstaltung mit uns gemeinsam gestalten.

Die Deutschen sind nicht nur Exportweltmeister, die
eutschen sind auch Reiseweltmeister. In der Beliebt-
eitsskala der Reiseländer liegt Deutschland auf Platz
ünf; das zeigt auch das Steigen der Zahl der Übernach-






(A) )



(B) )


Annette Faße
tungen. Aber auch die Deutschen verbringen immer
mehr Urlaub im eigenen Lande. Obwohl sich die Zahl
der Urlaubstage verkürzt hat, stellen wir fest, dass unser
Land für unsere ausländischen Gäste und für uns Deut-
sche gut aufgestellt ist.

Es ist richtig: In der Tourismuswirtschaft finden viele
Menschen einen Arbeitsplatz. Auf der anderen Seite ha-
ben wir aber auch mit Problemen wie Schwarzarbeit zu
tun. In zwölf Tourismusberufen wird ausgebildet – ein
Dankeschön an alle, die ausbilden!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Der Wirtschaftsfaktor Tourismus wird in Deutschland
häufig nicht richtig eingeschätzt, manchmal auch mit ei-
nem Lächeln bedacht, da gehe es ja nur um Freizeit.
Aber in diesem Bereich machen viele Menschen einen
harten Job.


(Anita Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]: Richtig!)


In diesem Bereich haben wir viele engagierte Unterneh-
merinnen und Unternehmer, und wir haben in diesem
Bereich auch viele Verbände, die mit uns zusammenar-
beiten.

Wir könnten uns ein Stück zurücklehnen und sagen:
Alles toll, gute Zahlen, uns geht’s gut. – Aber Stillstand
ist Rückschritt. Unsere wichtigen Partner sind natürlich
die Verbände, ganz besonders die Deutsche Zentrale für
Tourismus, die von uns finanziell massiv unterstützt
wird – dass man sich auch hier noch mehr wünschen
kann, darüber sind wir uns einig –, der Deutsche Touris-
musverband, die UNWTO, das ist die Weltorganisation
für Tourismus, aber zunehmend auch die EU. Manches
können wir uns ausdenken; doch wir dürfen nicht ver-
gessen, dass wir vieles nur gemeinsam mit den Bundes-
ländern und den Kommunen durchsetzen können.

Den Tourismusbericht der Bundesregierung werden
wir im Herbst miteinander diskutieren. Daran sieht man
die Vielfalt der Themen, die Breite, man sieht, dass Tou-
rismus viele Fachbereiche übergreift. Wir möchten gerne
den Tourismusbericht den aktuellen Entwicklungen an-
passen und ihn in einigen Punkten ausweiten. Deswegen
haben wir als Koalition ganz konkrete Vorschläge erar-
beitet, wie dieser Bericht aktualisiert werden kann,
sollte, müsste.

Wir werden uns in dieser Legislaturperiode mit vielen
Themen zu befassen haben. Ich nenne einige Oberbe-
griffe, um die Vielfalt noch einmal deutlich zu machen:
Wir werden uns weiter massiv mit dem Thema Qualität
– Qualität des Angebots, Qualität der Serviceleistungen –
auseinandersetzen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Heute Morgen gab es eine Diskussion mit dem Deut-
schen Heilbäderverband über die Qualität des Angebots
in unseren Kurorten, im herkömmlichen Bereich, aber
auch in den Bereichen Wellness und Medical Wellness.

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(C (D Wir werden uns massiv mit den Themen Nachhaltigeit und Umwelt auseinandersetzen müssen. Die Klimarwärmung, von der wir alle ausgehen, hat schon heute olgen für den Tourismus in Deutschland, aber auch in nderen Ländern. Ich denke in diesem Zusammenhang n Hurrikans und Naturkatastrophen, die Auswirkungen uf die Sicherheit der Gäste in dem betroffenen Land haen. Auch zukünftig müssen wir beim Thema Umwelt lar und deutlich Stellung beziehen. Das Buchungsverhalten der Gäste hat sich verändert. as Reisebüro steht in Konkurrenz zu Internetanbietern. ir müssen darüber diskutieren, wie wir mit dieser Ver nderung umgehen. Auch in Sachen Mobilität müssen wir die Umwelt im lick haben. Eine Erreichbarkeit gerade kleinerer Orte n unserem Land mit der Bahn ist nicht immer gegeben. s ist also gar nicht so einfach, wie es vielleicht ercheint, allen Punkten gerecht zu werden. Das Thema Deregulierung wird uns wie auch das hema Arbeitsmarkt weiterhin massiv beschäftigen. arauf werden meine Kolleginnen Hiller-Ohm und radistanac noch näher eingehen. (Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut! – Gegenruf des Abg. Ernst Burgbacher [FDP]: Spricht Herr Tauss heute nicht? Wo bleibt er denn?)


Konkret haben wir einen Antrag zum Fahrradtouris-
us eingebracht. Andere Anträge, die zurzeit in Arbeit

ind, befassen sich mit Geschäftsreisen, Kreuzfahrten,
assertourismus, Sporttourismus und der Verantwor-

ung von Reisenden für Entwicklungsländer, das heißt
it den Chancen, die sich dort auftun, aber auch mit den
isiken, mit denen wir verantwortungsvoll umgehen
üssen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608209700

Kommen Sie bitte zum Schluss.


Annette Faße (SPD):
Rede ID: ID1608209800

Nicht alle Wünsche sind erfüllbar. Es bleibt weiter

iel zu tun – das ist völlig klar –, wir wollen Urlaub für
roß und Klein, für Jung und Alt, für Arm und Reich er-
öglichen. Urlaub in Deutschland ist in, aber Urlaub im
usland ist auch nicht verboten.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608209900

Das Wort hat die Kollegin Katrin Kunert von der

raktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Kunert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608210000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In

er Debatte zum Haushalt 2007 am 24. November letz-
en Jahres fragte mein Kollege Ilja Seifert den auch für
ourismus zuständigen Minister Michael Glos, ob er






(A) )



(B) )


Katrin Kunert
denn in seiner zwölfminütigen Rede auch zum Touris-
mus sprechen werde. Er antwortete – ich darf zitieren –:

Ich selbst würde mich gerne sehr viel stärker dem
Tourismus widmen, komme aber leider nicht dazu.

Bemerkenswert ist auch, dass Minister Glos seit sei-
nem Amtsantritt noch kein einziges Mal den Tourismus-
ausschuss des Deutschen Bundestags besucht hat. Wie
man sehen kann, hat er heute leider wieder keine Zeit,
sich hier diesem Thema zu widmen, obwohl er in der
nächsten Woche die ITB eröffnen möchte.

Die Koalition will den positiven Beitrag des Touris-
mus zum Wirtschaftswachstum festigen. Schließlich ist
der Tourismus eine Wachstumsbranche mit vielen Res-
sourcen. Das sehen wir genauso, und wir unterstützen
das.

Wirtschaftswachstum ist das eine. Wir brauchen aber
einen sozialen, ökologischen und barrierefreien Touris-
mus.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb sind wir für die Förderung von Qualitätstouris-
mus. Das bedeutet für uns mehr und bessere Ausbildung
sowie Mindestlohn statt Minijobs und prekäre Beschäfti-
gungsverhältnisse.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Mit Ihrer unsäglichen Rechnerei bei der Mehrwert-
steuer haben Sie genau das Gegenteil von dem beschlos-
sen, was den Tourismus fördert. Statt für Gaststätten und
Hotels die Mehrwertsteuer auf den ermäßigten Satz von
7 Prozent zu senken, haben Sie sie auf 19 Prozent ange-
hoben. Sie haben eindeutig die Chance verpasst, den
Tourismus zu stärken.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir sehen Tourismuspolitik als Querschnittsthema,
das sich wie ein roter Faden von der Bundesebene bis in
die Kommunen durch alle Ressorts ziehen muss. Die
Kommunen versuchen mit ihren immer weniger werden-
den Mitteln, die Infrastruktur barrierefrei auszubauen
und zu erhalten. Das Radwegenetz, der ÖPNV und kul-
turelle Einrichtungen sind als Standortfaktoren für den
Tourismusbereich unerlässlich. Die Unterhaltung einer
leistungsfähigen kommunalen Infrastruktur verlangt eine
solide und verlässliche Finanzausstattung der Kommu-
nen. – Es wäre nett, wenn Sie zuhören würden, Herr
Kollege Brähmig. – Aber wenn die Unternehmensteuer-
reform in der Fassung vom 5. Februar 2007 umgesetzt
würde, müssten die Kommunen in Zukunft erneut mit
erheblichen Steuerausfällen – zwischen 5 Milliarden und
10 Milliarden Euro – rechnen. Das ist nicht zu akzeptie-
ren.


(Beifall bei der LINKEN)


Lassen wir doch die Schulklassen im Land mindes-
tens einmal im Jahr auf Klassenfahrt gehen. Bei entspre-
chender Förderung des Kinder- und Jugendtourismus
könnte die Bildungsarbeit der Schulen gut unterstützt
und ein weiterer Zweig des Tourismus aufgebaut wer-

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(C (D en. Als sportpolitische Sprecherin meiner Fraktion sehe ch in der Entwicklung eines attraktiven Sporttourismus rheblichen Nachholbedarf. Wassersport, Radfahren, andern und Wellness sind Bereiche, die mit Blick auf rholung und Gesundheitsvorsorge zunehmend an Beeutung gewinnen werden. Wenn wir über den Tourismus der Zukunft reden, ann müssen wir auch entsprechende Entscheidungen reffen: Meine Fraktion will in Saßnitz auf Rügen ein ourismusparadies und keine Bergbaulandschaft. (Beifall bei der LINKEN – Jörg Tauss [SPD]: Schon wieder ein Paradies?)


ie Mondlandschaft in der Lausitz soll nicht erweitert,
ondern touristisch entwickelt werden. Wir finden, dass
ich die Ruppiner Heide in Brandenburg aus tourismus-
olitischer Sicht nur friedlich nutzen lässt, also: kein
ombodrom!


(Beifall bei der LINKEN)


Die Chancen des Tourismus im ländlichen Raum wer-
en derzeit unzureichend genutzt. Im Rahmen der För-
erung des ländlichen Raumes müssen landtouristische
ngebote noch besser entwickelt werden. Der Struktur-
andel in vielen ländlichen Gebieten hat zu Verlusten
on Arbeitsplätzen geführt. Gerade hier ist der Touris-
us in der Lage, das Wegbrechen von Arbeitsplätzen

ufzufangen. Wir sehen neben einem Mindestlohn in Ar-
eitgeberzusammenschlüssen die Möglichkeit, die vie-
en saisonalen Beschäftigungsverhältnisse in dauerhafte
rbeitsverhältnisse umzuwandeln.


(Beifall bei der LINKEN)


Tourismus bedeutet auch das Recht auf Reisen für
lle. Wir reden viel über Familienpolitik. Aber dabei
uss berücksichtigt werden, dass auch Familien mit ge-

ingem Einkommen und ALG-II-Bezieher Urlaub und
rholung benötigen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608210100

Jetzt spricht der Beauftragte der Bundesregierung für

ourismus, der Kollege Ernst Hinsken.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Herr Hinsken, heute lassen wir den Jugendarbeitsschutz beiseite!)


Ernst Hinsken, Beauftragter der Bundesregierung
ür Tourismus:

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
assen Sie mich zuerst unserem Kollegen Dr. Ilja Seifert
erzliche Genesungswünsche übermitteln, der heute
icht bei uns sein kann, weil er sich verletzt hat und sich
eider im Krankenhaus befindet.


(Beifall)







(A) )



(B) )


Beauftragter der Bundesregierung Ernst Hinsken
Die Vorredner haben mich herausgefordert. Kollege
Burgbacher, wenn Sie genau aufgepasst hätten, was Kol-
lege Brähmig in seiner richtungweisenden Rede zum
Ausdruck brachte, dann wüssten Sie, dass er sich nicht
verbogen und nichts Falsches gesagt hat, sondern dass er
darauf verwiesen hat, welches Potenzial der Tourismus
birgt und was zu tun ist, dass die Tourismuswirtschaft in
der Bundesrepublik Deutschland weiterhin funktioniert.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es stimmt zwar, dass im aktuellen Jahreswirtschafts-
bericht nur sehr wenig über die Tourismusbranche steht.
Aber das wird im nächsten Jahreswirtschaftsbericht
nicht mehr der Fall sein.


(Beifall des Abg. Klaus Brähmig [CDU/CSU])


Dass der Tourismus diesmal durch den Rost gefallen ist,
liegt aber auch daran, dass der Jahreswirtschaftsbericht
ohnehin nicht auf einzelne Branchen eingeht. Es kommt
aber nicht darauf an, was im Jahreswirtschaftsbericht
über den Tourismus steht, sondern darauf, dass etwas für
die Entwicklung der Tourismuswirtschaft in der Bundes-
republik Deutschland getan wird. Dafür bürgt insbeson-
dere Bundeswirtschaftsminister Glos, der so viel für den
Tourismus getan hat wie noch kein Wirtschaftsminister
vor ihm. Er hat viele Kontakte zu den Tourismuspoliti-
kern und hat darüber hinaus den Tourismusauschuss zu
einer mehrstündigen Zusammenkunft in sein Ministe-
rium eingeladen, um sich auszutauschen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das lässt sich sehen und hören. Das sage ich insbeson-
dere an Ihre Adresse, verehrte Frau Kunert, die Sie da-
mals nicht dabei sein konnten.

Alle frönen dem Tourismus. Aber den meisten ist
nicht bekannt und bewusst, was sich dahinter ökono-
misch verbirgt: Hier liegen die Arbeitsplätze der Zu-
kunft. Diese Aktuelle Stunde hat ihre Berechtigung,
nicht nur weil in der nächsten Woche die Internationale
Tourismus-Börse stattfindet, sondern auch weil sich so
viel Positives auf dem Gebiet des Tourismus in den letz-
ten zwölf, dreizehn Monaten getan hat, dass es sich alle-
mal lohnt, darüber zu reden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Der weltweite Tourismus boomt, und unser Land – da-
rüber sollten wir uns freuen – ist mit dabei. Es ist auch
deshalb mit dabei, weil die Wirtschaft wieder läuft. Nie
zuvor konnte Deutschland im Tourismussektor ein solches
erfolgreiches Jahr wie 2006 verzeichnen. Wir haben erst-
mals über 350 Millionen gewerbliche Gästeübernachtun-
gen. Das sind 7 Millionen mehr als im vergangenen Jahr.


(Jörg Tauss [SPD]: Die hat Glos persönlich angelockt!)


Aus dem Ausland waren circa 51 Millionen Übernach-
tungen zu verzeichnen, 10 Prozent mehr als im Vorjahr,
Herr Kollege Tauss.


(Jörg Tauss [SPD]: Ich bin beeindruckt!)



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(C (D Sie sind herzlich eingeladen, einmal bei mir Urlaub zu erbringen. Dann können wir unsere Diskussion vertieen. (Jörg Tauss [SPD]: Die Einladung nehme ich an!)


Die Einnahmen aus dem Reiseverkehr aus dem Aus-
and sind in Deutschland ebenfalls um 10 Prozent auf
age und schreibe 26 Milliarden Euro gestiegen. Der
ourismus in Deutschland ist und bleibt mit 2,8 Millio-
en Arbeitsplätzen im vor- und nachgelagerten Bereich
nd mehr als 110 000 Ausbildungsplätzen ein wichtiges
eld für Wachstum und Beschäftigung und einer der
rößten Wirtschaftsbereiche der Republik. Das Rückgrat
erade für den Tourismus in Deutschland bilden die über
50 000 Betriebe der Hotellerie und Gastronomie. Ich
eine deshalb sagen zu dürfen: Der Tourismus ist ein
ienstleistungsbereich mit Zukunftspotenzial, eine der
eitökonomien des 21. Jahrhunderts. Hier gibt es viele
rbeitsplätze, die wir dringend brauchen. Die Rahmen-
edingungen müssen aber stimmen, damit diese auch ge-
chaffen werden.

In der Welt wächst die Reise- und Tourismuswirt-
chaft trotz latenter Gefahrenzunahme durch Naturkata-
trophen, Krisenherde und Terrorismus. Laut Welttouris-
usorganisation – Frau Kollegin Faße hat bereits darauf

erwiesen – gab es im Jahr 2006 mehr als 843 Millionen
ästeankünfte weltweit. Das war ein Plus von
,6 Prozent. Es wird erwartet, dass bis zum Jahr 2020
iese Zahl auf 1,6 Milliarden bis 1,7 Milliarden an-
ächst. Das darf nicht an uns vorbeigehen.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Jawohl!)


afür müssen entsprechende Rahmenbedingungen ge-
chaffen werden, für die in erster Linie wir im Bundes-
ag verantwortlich zeichnen. Wenn Herr Kollege
anckert „Jawohl“ schreit, dann freut mich das ganz be-

onders. Schließlich ist er der Vorsitzende des Sportaus-
chusses des Deutschen Bundestages, und Sporttouris-
us ist in aller Munde. Er war vor allen Dingen im

ergangenen Jahr in aller Munde; ich komme noch da-
auf zu sprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Sowohl Incoming als auch Outgoing sind in. Beim
utgoing wird die Entwicklung vom Luftverkehr ange-

rieben, der weiter wachsen wird. 2 Milliarden Men-
chen fliegen jährlich durch die Welt. Im Jahr 2020 wer-
en es doppelt so viele, 4 Milliarden, sein. Die
illigflieger verzeichneten im ersten Halbjahr 2006 wie-
erum fast 31 Prozent mehr Passagiere. Auf sie entfallen
etzt mehr als ein Drittel aller Flugreisen von Europäern
ns Ausland. Davon profitieren vor allem die Städte.
em Städtetourismus ist mit 82 Milliarden Euro der
rößte Teil aller Umsätze im deutschen Tourismus zuzu-
echnen, wie eine Studie im Auftrag des BMWi ergeben
at. Rund ein Drittel aller Übernachtungsgäste und
napp ein Viertel aller Übernachtungen entfallen auf die
roßstädte. Fast 1,6 Millionen privat und geschäftlich
agesreisende kommen hinzu.






(A) )



(B) )


Beauftragter der Bundesregierung Ernst Hinsken
Mit ganz besonderem Stolz darf uns erfüllen:
Deutschland ist mit 160 internationalen Messen weltweit
Messestandort Nummer eins, und als Kongress- und Ta-
gungsplatz sind wir nach den USA auf Platz zwei. Die-
sen Stand müssen wir halten. Da muss etwas getan wer-
den.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Urlaubsreiseintensität liegt mit rund 75 Prozent
der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahre auf einem sehr
hohen Niveau. Sie hat aber leider eine leicht rückläufige
Tendenz. Man macht nicht mehr Urlaub an einem Stück,
sondern geht kürzer, dafür zwei- bis dreimal während
des Jahres in Urlaub.

Branchenexperten schätzen – auch das ist in diesem
Zusammenhang interessant –, dass die Deutschen ab
2007 für Auslandsreisen wieder tiefer in die Taschen
greifen werden: Deutsche werden im kommenden Jahr
voraussichtlich rund 62 Milliarden Euro für Auslands-
reisen ausgeben. Davon fließen nur 26 Milliarden Euro
zu uns zurück. Das ist eine unausgeglichene Handelsbi-
lanz. Es lohnt sich, daran zu arbeiten, dass diese Diffe-
renz kleiner wird.

Wir müssen uns deshalb verstärkt auf neue Gegeben-
heiten einstellen. Schon heute ist die Reiseintensität der
über 60-Jährigen größer als die der Bundesbürger insge-
samt. Die Mitbürger zwischen 50 und 75 Jahren buchen
bereits jetzt 48 Prozent aller Veranstaltungsreisen, ob-
wohl sie nur 29 Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Wir können nicht wegdiskutieren: Im Jahr 2050 gibt es
in unserer Republik mehr über 50-Jährige als unter
50-Jährige. Deshalb gilt es, hier zu sagen, dass die Nach-
frage nach Gesundheits- und Wellnesstourismus und
auch nach barrierefreien Reise- und Urlaubsangeboten
anhalten wird.

Ebenso verhält es sich mit dem Kinder- und Jugend-
tourismus. Dafür werden von Kindern und Jugendli-
chen in der Bundesrepublik Deutschland rund
12 Milliarden Euro ausgegeben. Die Kinder und Jugend-
lichen stellen ungefähr 20 Prozent aller Urlaubsreisen-
den. Es gilt, insbesondere naturnahe Urlaubsformen – sie
liegen im Trend – zu unterstützen. Um nur einige wenige
zu nennen: Wanderurlaub, Wassertourismus, Fahrradrei-
sen, Urlaub in Nationalparken und Naturparken, Urlaub
auf dem Lande.

Ich möchte noch darauf verweisen, dass in Deutsch-
land 1,6 Millionen Bauernhofurlaube zu verzeichnen
sind.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608210200

Herr Kollege Hinsken, kommen Sie bitte zum

Schluss.

Ernst Hinsken, Beauftragter der Bundesregierung
für Tourismus:

Jawohl, Herr Präsident, ich habe Verständnis, obwohl
ich natürlich noch vieles zu sagen hätte. Die Aufmerk-
samkeit ist so groß, dass ich mir gedacht habe, ich be-

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(C (D äme noch eine Minute zugestanden. Das ist aber nicht er Fall. Diese eine Minute habe ich Ihnen schon zugestanden. ie sind jetzt in der zweiten Minute. Ernst Hinsken, Beauftragter der Bundesregierung ür Tourismus: Ich komme zum Schluss. Ich pflichte Frau Kollegin Faße bei: Das größte touistische und sportpolitische Ereignis in diesem Jahrehnt war die Fußballweltmeisterschaft im letzten Jahr. ierdurch haben wir Deutschen in aller Welt gewonnen, nd zwar nicht nur durch die schönen Spiele und daurch, dass sich Deutschland großartig zeigen konnte, ondern vor allen Dingen, weil die weltweiten Übertraungen der Spiele und die Berichte über Deutschland geeigt haben, wie einladend es ist. iele haben das Ganze verfolgt. 30 Milliarden Menchen haben dies alles gesehen. Herr Präsident, es folgt mein letzter Satz. Herr Kollege Hinsken, es ist genug jetzt. Ernst Hinsken, Beauftragter der Bundesregierung ür Tourismus: Tourismus ist die beste Außenpolitik. Lassen Sie uns lle zusammen daran arbeiten, dass diese Form der Auenpolitik gestärkt wird. Jeder kann sich als Botschafter eines Landes verstehen, wenn er sich im Ausland aufält. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Das Wort hat die Kollegin Undine Kurth vom ündnis 90/Die Grünen. Undine Kurth IE GRÜNEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608210300

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608210400

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608210500
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen

nd Kollegen! Liebe Gäste auf den Rängen! Sehr geehr-
er Herr Hinsken! Die ITB beschert uns eine Debatte
ber den Tourismus. Wir freuen uns darüber, weil sicher-
ich wir alle der Meinung sind: Man kann gar nicht oft
enug darüber reden, dass die Tourismuswirtschaft ein
rnstzunehmender Wirtschaftszweig ist. Gelegentlich
cheint es ja wirklich so zu sein, dass man sowohl auf
ommunaler Ebene als auch auf Landesebene als auch
m Bund unterstreichen muss, dass man die Tourismus-
irtschaft wirklich ernst zu nehmen hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Undine Kurth (Quedlinburg)

Wir alle wissen: Es gibt drei Dinge, an denen die Ent-
wicklung der Tourismuswirtschaft hängt.

Erstens: an den Akteuren, den Anbietern selber, den
Hoteliers, den Restaurantbetrieben, an allen, die mit
Tourismus zu tun haben. Sie leisten unglaublich viel Gu-
tes. Übrigens haben sie nicht nur Fesseln; sonst wären
sie ja nicht so weit.


(Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Das ist richtig!)


Die Akteure sind also das eine.

Zweitens: an den regionalen Voraussetzungen. Dazu
zählen Naturausstattung, Kulturgut, die Gründe dafür,
dass Menschen überhaupt in eine Gegend fahren.

Drittens – das muss uns hier am meisten beschäftigen –:
an den politischen Rahmenbedingungen. Wir setzen sie,
damit die unter „Erstens“ Genannten richtig arbeiten
können und damit die unter „Zweitens“ aufgezählten Vo-
raussetzungen auch wirklich genutzt werden können.
Schließlich sind nicht immer Fußballweltmeisterschaf-
ten.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Handball!)


Ich frage mich, wie viele Jahre wir davon noch reden
werden.

Wir müssen uns auch um andere Dinge kümmern.
Das Thema dieser Aktuellen Stunde lautet „Den positi-
ven Beitrag des Tourismus zum Wirtschaftswachstum
festigen“.

Die Frage an uns ist also: Was müssen wir tun, damit
diese positive Entwicklung weitergeht? Hier sind wun-
derbare Zahlen genannt worden. Es sei noch einmal da-
ran erinnert: Es sind nicht exportierbare Arbeitsplätze,
die da entstehen.

Wenn wir die Tourismuswirtschaft in ihren Erfolgen
weiter festigen wollen, müssen wir uns nach den Ursa-
chen ihrer Erfolge fragen. Herr Präsident, Sie erlauben
mir, aus der „Mitteldeutschen Zeitung“ von gestern zu
zitieren. Da wird unter der Überschrift „Ostharztouris-
mus weiter im Aufwind“ Folgendes gesagt:

Während der weit gehend ausgebliebene Schnee die
Tourismusstatistik ehemals schneesicherer Orte
verdarb, verzeichneten Bäder, Museen und die In-
nenstädte von Orten mit kulturellem Angebot deut-
lich höhere Besucherzahlen. Vermehrt beeinflusse
dieser Mehrwert die Buchungsentscheidung der
Gäste.

Die Enquete-Kommission „Kultur“ hat vorgeschla-
gen, 2 Prozent aus dem Korb II des Solidarpakts doch
bitte schön für Kultur festzuschreiben. Von Herrn Mi-
nister Tiefensee haben wir aber die Antwort bekommen,
dass das Engagement des Bundes für Kultur in Ost-
deutschland nicht als spezifische Aufbau-Ost-Leistung
bewertet wird. Angesichts dessen wäre es vielleicht hilf-
reich, wenn wir alle zusammen versuchen würden, Herrn
Minister Tiefensee davon zu überzeugen, dass Kultur
durchaus Infrastruktur ist und dass es dem Tourismus
helfen würde, wenn man da etwas täte.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Annette Faße [SPD])


Es ist schon vom demografischen Wandel gesprochen
orden. Wir alle reden davon, dass wir erfreulicher-
eise älter werden, dass wir dann aber vielleicht nicht
ehr ganz so beweglich sind. Jeder Vierte ist heute älter

ls 60 Jahre. 2020 wird es jeder Dritte sein. Also ist Her-
tellen von Barrierefreiheit nicht nur eine gute Tat; Bar-
ierefreiheit ist Voraussetzung für die Wirtschaftsent-
icklung im Tourismus.

Es ist vielleicht wichtig, doch noch einige Zahlen zu
ennen. 10 Millionen Menschen in Deutschland müssen
it einer Behinderung leben. Nur 55 Prozent von ihnen

onnten im letzten Jahr einen Urlaub buchen, obwohl we-
entlich mehr das gern getan hätten. Allein diese
5 Prozent haben 5 Millionen Urlaubsreisen und
,7 Millionen Kurzurlaube gebucht. In Geld heißt das: Es
ind 1,6 Milliarden Euro im Übernachtungstourismus
nd 1,5 Milliarden Euro im Tagestourismus ausgegeben
orden. Umgerechnet in Vollzeitarbeitsplätze sind das
5 000. In diesem Bereich sollte also nicht gespart wer-
en. Tatsächlich ist das jetzt aber leider passiert; denn die
undesregierung hat bei den für den Bereich „Barriere-

reier Tourismus“ relevanten Haushaltstiteln drastisch
ekürzt bzw. die Ansätze auf null reduziert. Wer die na-
ionale Koordinierungsstelle für den barrierefreien Tou-
ismus nicht weiter fördert, tut nichts Kluges für den Tou-
ismus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ie Reihe der Beispiele aus vielen Bereichen könnten
ir fortsetzen.

Ich will versuchen, mich an meine Zeit zu halten –
eshalb ganz zum Schluss ein Appell für den Tourismus
n Brandenburg. Auch da könnte ein Bundesminister viel
un, nämlich der der Verteidigung. Es gibt einen Luft-
oden-Schießplatz, das sogenannte Bombodrom, in der
yritz-Ruppiner Heide. Wir alle wissen, dass eine ganze
egion, die dort auf Tourismus setzt, sich gegen diesen
bungsplatz ausspricht, weil die Entwicklung der Re-
ion abgebrochen würde. Daher der dringende Appell an
ns: Lassen Sie uns versuchen, Herrn Jung davon zu
berzeugen, dass dieser Schießplatz der Tourismusent-
icklung ganz und gar nicht förderlich wäre!

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608210600

Das Wort hat jetzt der Kollege Engelbert Wistuba von

er SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Engelbert Wistuba (SPD):
Rede ID: ID1608210700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

Prometheus hat das Feuer nicht vom Himmel geholt,
amit die Wurstbratereien ihre Geschäfte machen kön-
en.“ – Ein sehr treffendes Zitat von Heinrich Böll.






(A) )



(B) )


Engelbert Wistuba
Kulturelle Errungenschaften dienen nicht in erster Li-
nie einem kommerziellen Zweck. Die positive Entwick-
lung der Nachfrage bei Wurstbratereien und anderen Un-
ternehmen der Tourismuswirtschaft zu fördern, ist nicht
die eigentliche Aufgabe von Kunst und Kultur. Ich will
das zu Beginn einmal festhalten; denn der Begriff „Kul-
turtourismus“, über den ich hier sprechen will, legt das
Gegenteil nahe.

Kunst und Kultur erfüllen Grundbedürfnisse des indi-
viduellen und sozialen Lebens. Kunst und Kultur sind
vielleicht gerade deshalb ein Reisegrund. Kulturelle Er-
eignisse und Sehenswürdigkeiten lösen touristische Be-
sucherströme aus.

Um dies wirtschaftlich nutzen zu können, müssen
sich Kultureinrichtungen und Tourismus als Partner ver-
stehen. Die touristische Orientierung der Kulturanbieter
und die Sensibilität der Touristiker für Fragen von Kul-
tur und Denkmalschutz sind zwei Seiten einer Medaille.

Ein Blick auf die kulturtouristische Realität in unse-
rem Land zeigt, dass die Kooperation an vielen Stellen
bereits mit großem Erfolg praktiziert wird. Laut dem
„World Travel Monitor“ stieg die Zahl der Kulturreisen
der Europäer nach Deutschland seit dem Jahr 2000 um
20 Prozent. Deutschland liegt mit einem Anteil von
9 Prozent an allen europäischen Kultururlauben hinter
Frankreich und Italien an dritter Stelle. Das Sightseeing,
der Besuch von Museen und Ausstellungen, gehört zu
den wichtigsten Bestandteilen einer Rundreise durch
Deutschland. Das gilt für europäische Reisende, aber
auch für den wachsenden Markt der Reisen außereuropäi-
scher Touristen. Die zunehmende Internationalität der
Reisenden stellt die Anbieter allerdings auch vor He-
rausforderungen, beispielsweise, was die sprachliche
und interkulturelle Kompetenz der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter sowie die sprachliche Vielfalt der Informa-
tionsbroschüren und der Beschilderung angeht.

Beim Kulturtourismus scheint der Prophet im eigenen
Lande etwas zu gelten: 19 Prozent der Inlandsreisen
deutscher Touristen sind Kulturreisen, heißt es in einer
Pressemitteilung der Deutschen Zentrale für Tourismus.
Die DZT hat übrigens das Jahr 2007 zum Themenjahr
„Kunst- und Kulturland Deutschland“ ausgerufen, um
Deutschland weltweit noch stärker als Kulturdestination
zu positionieren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich begrüße ausdrücklich dieses Engagement.

Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Tech-
nologie mitfinanzierte Studie „Städte- und Kulturtouris-
mus in Deutschland“ ist zu überaus interessanten Ergeb-
nissen gekommen: Der Städtetourismus in Deutschland
führte im Jahr 2004 zu einem Bruttoumsatz – Herr
Hinsken sagte das schon – von über 82 Milliarden Euro.
Mit 2,2 Milliarden touristischen Aufenthaltstagen ist der
inländische Städtetourismus ein Megamarkt. Von diesem
Trend profitiert auch eine ganze Bandbreite von Wirt-
schaftzweigen: das Hotel- und Gaststättengewerbe, der
Einzelhandel, die Freizeit- und Unterhaltungsbranche,
aber auch andere Dienstleister wie das Transportge-
werbe.

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(C (D Die damit verbundenen Einkommensund Beschäftiungseffekte belegen eindrucksvoll die wirtschaftliche edeutung dieses Bereichs. Der Städtetourismus sichert ierzulande immerhin 1,6 Millionen Arbeitsplätze. Zwar st das kulturelle Interesse eine Hauptmotivation für eine tädtereise; aber nicht jede Städtereise ist eine Kultureise. Umgekehrt führt nicht jede Kulturreise zwingend n eine Stadt; denn der ländliche Raum hat kulturell einies zu bieten. So können auch strukturschwache Regioen mit kulturellen Ambitionen neue Einkommensquelen erschließen. Die weiteren Vorteile, die der Kulturtourismus für ine Destination bietet, liegen auf der Hand. Kultur hat as ganze Jahr Saison. Ein besonders großes Interesse ür dieses Reisesegment haben die sogenannten Best ger: Menschen, die das letzte Drittel ihres Lebens ak iv gestalten wollen und die über die dafür notwendigen inanziellen Mittel verfügen, anspruchsvolle Reisende, ie es für den Deutschlandtourismus zu gewinnen gilt. Für die ostdeutschen Bundesländer liegt im Kulturourismus eine große Chance. Auch hier gibt es bereits inernational bekannte Destinationen: Dresden, Weimar der Sanssouci. Darüber hinaus verfügen die ostdeutchen Länder über ein großes kulturtouristisches Wachsumspotenzial. Hier sind aber – wie überall – enorme Kosen mit der Instandsetzung und Pflege von Kulturgütern erbunden. An vielen Beispielen gerade aus den ostdeutchen Ländern lässt sich zeigen, dass sich diese Investiionen langfristig lohnen; Bund, Länder und Gemeinden ollten davor nicht zurückschrecken. Übrigens können die Kultur und damit der Kulturtouismus auf die Unterstützung von ganz anderer Seite auen: Gerade der kulturelle Bereich wird von vielen ausenden ehrenamtlich Engagierten gefördert und etragen: In Fördervereinen, Stiftungen, Verbänden, Geeinderäten und Kirchengemeinden oder als Spender etzen sie sich mit Gemeinsinn für den kulturellen eichtum unseres Landes ein. Die SPD-Fraktion unter tützt die Initiative von Finanzminister Peer Steinbrück, as Gemeinnützigkeitsund Spendenrecht großzügiger u regeln und zivilgesellschaftliches Engagement noch tärker zu fördern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


ir setzen damit fort, womit wir schon in der letzten Le-
islaturperiode begonnen haben: die Stärkung der soli-
arischen Bürgergesellschaft.

Abschließend darf ich als Sachsen-Anhalter schon
eute Ihren Blick auf das Jahr 2017 lenken. In 2017 jährt
ich die Reformation – festgemacht am Thesenanschlag
n der Schlosskirche zu Wittenberg – zum 500. Mal.
eil dieses Ereignis eine große Bedeutung für die deut-

che und europäische Kultur hat, birgt das Jubiläum
uch tourismuswirtschaftlich große Möglichkeiten. Die
tadt Wittenberg, die anderen Lutherstädte, das Bundes-

and Sachsen-Anhalt und die evangelische Kirche müs-
en hier auf die volle Unterstützung des Bundes bauen
ürfen. Ich hoffe sehr, dass wir in diesem Hause über die






(A) )



(B) )


Engelbert Wistuba
Reformationsjubiläen mindestens genauso häufig und
engagiert wie über die Fußballweltmeisterschaft disku-
tieren werden. Auch 2017 wird die Welt zu Gast bei
Freunden sein. Das Lutherjahr 2017 sollte ein Aushän-
geschild des Deutschlandtourismus und eine Werbung
für das Kulturland Deutschland sein.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608210800

Das Wort hat jetzt die Kollegin Marlene Mortler von

der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1608210900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte
ich unserem lieben Kollegen Dr. Seifert im Namen aller
Ausschussmitglieder gute Besserung wünschen. Wir
sind mit den Gedanken und mit den Herzen bei ihm.


(Beifall)


Frau Kunert, an Sie gerichtet – – Wo sind Sie denn? –
Sie ist leider nicht mehr da.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608211000

Sie hat sich entschuldigt; sie musste vorzeitig gehen.


Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1608211100

Das Recht auf Reisen für alle hat es in Deutschland

schon immer gegeben. Darum mein Appell an Frau
Kunert: Seien Sie froh, dass Sie jetzt dazugehören.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, meine Vorrednerinnen und
Vorredner haben in Zahlen und inhaltlich schon ein-
drucksvoll ausgedrückt, wer alles hinter der Tourismus-
wirtschaft steckt. Lassen Sie mich eine Branche heraus-
nehmen, die einer der größten Arbeitgeber ist, nämlich
das Hotel- und Gastgewerbe. 890 000 Beschäftigte gibt
es in diesem Bereich.

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch gleich mit der
Tür ins Haus fallen.


(Markus Meckel [SPD]: Immer herein!)


Wenn wir es mit unserem Ansatz „Wirtschaftswachstum
festigen und fairen Wettbewerb zulassen“ ernst meinen,
dann muss das Thema „Reduzierter Mehrwertsteuer-
satz“ wieder auf die Tagesordnung.


(Markus Löning [FDP]: Richtig!)


Kein Geringerer als EU-Kommissar Verheugen hat uns
im letzten Jahr als Gast in unserem Ausschuss Rücken-
deckung gegeben und genau vorgerechnet, dass dies auf
alle Fälle einen arbeitsplatzschaffenden Effekt hätte.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D n diesem Sinne ist das für mich eine aktive Standortpoitik. Leider wurde die Diskussion über das Gastgewerbe in en letzten Monaten hauptsächlich auf das Thema ichtraucherschutz reduziert. Die Verunsicherung in er Branche ist groß. Deshalb bedaure ich persönlich das cheitern der freiwilligen Selbstverpflichtung mit der undesregierung. Mit Blick nach vorne und vor allem it Blick auf unsere Bundesländer rate ich aber dringend egal ob es einheitliche Regelungen gibt oder nicht –: andeln Sie im Interesse der Branche und der Bürgerinen und Bürger jetzt, schnell und abschließend. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch die vierte Jahreszeit war für unsere Winter-
portgemeinden eine unendliche Geschichte. Der
chnee und die Touristen blieben aus. Selbst der letzte
keptiker muss erkennen, dass wir Antworten auf den
limawandel brauchen.


(Heidi Wright [SPD]: Die bayerische Antwort lautet: Schneekanonen!)


enn es allerdings immer weniger schneesichere Ge-
iete gibt


(Heidi Wright [SPD]: Keine Schneekanonen!)


passen Sie auf, Frau Wright –, dann können Schnee-
anonen nicht die alleinige Antwort sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Undine Kurth [Quedlinburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich habe eine eigene Position, liebe Frau Wright. – Wer
icht auf Alternativen und Innovationen, sondern nur auf
eschichte setzt, der muss aufpassen, dass er nicht bald

elbst Geschichte wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Welt war zu Gast bei Freunden, aber die Welt
chläft nicht, wenn es um Markt und Marktanteile geht.
eil die Reiselust ungebrochen ist und die Deutschen
eiseweltmeister sind, ist jeder in den Tourismus inves-

ierte Euro gut angelegt. Danke sage ich an dieser Stelle
uch noch einmal der DZT, der Deutschen Zentrale für
ourismus, unserem Tourismusbeauftragten und der an-
esenden Staatssekretärin.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, mein Tourismusverband
irbt im Moment mit einer Premiumbroschüre: „Fran-
en – Wein.Schöner.Land“. Ich möchte das gerne auf
eutschland übertragen: Deutschland – Vielfalt.Schö-
er.Land. – Von der Nordsee bis zu den Alpen – bei jeder
ielgruppe und bei jedem Alter, von der Stadt bis aufs
and –: Überall können wir punkten.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Marlene Mortler
An dieser Stelle danke ich einer Persönlichkeit, die fast
alle in unserem Land kennen: Franz Beckenbauer. Er hat
unser Land nämlich aus dem Flugzeug betrachtet und
wegen unserer gepflegten Landschaften ein Loblieb auf
unsere Bäuerinnen und Bauern gesungen. Herzlichen
Dank!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Gerade für die Landwirtschaft gilt: Urlaub auf dem
Bauernhof, Family-Farm, zertifizierte Gesundheitshöfe,
Seniorenhöfe, behindertengerechte Höfe – all das ist
wichtig und gut; aber ich appelliere an die Vertreter der
Branche: Setzen Sie auf nicht ausgeschöpfte Potenziale,
vermarkten und bewerben Sie Ihre besonderen regiona-
len Spezialitäten noch offensiver.

Meine Damen und Herren, nicht nur der Frankenwein
ist ein guter Wein. Alle unsere Weinregionen können
sich als Reiseziele sehen lassen.


(Beifall der Abg. Heidi Wright [SPD])


Deshalb appelliere ich noch einmal an die Deutsche Zen-
trale für Tourismus: Schnüren Sie ein internationales
Weinpaket. Das ist aus meiner Sicht überfällig.

Gut Essen und Trinken ist das eine; gut und sicher
Reisen ist das andere. Selbst ein Scheich hat kürzlich Ur-
laub auf einem Bauernhof in Ostbayern gemacht. Es
wird berichtet: Angetan hatten es ihm vor allem die Na-
tur und die Sicherheit. Hier können sich meine Kinder
unbeschwert bewegen, wird er zitiert.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608211200

Frau Kollegin Mortler, kommen Sie bitte zum

Schluss.


Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1608211300

Ich bin in der Zielkurve, Herr Präsident.

Im Zusammenhang mit Sicherheit geht es auch um
die Zielgruppe der älteren Generation. Hier spielt das
Thema Busreisen eine große Rolle. Ich danke dir, lieber
Kollege, dass du das schon angesprochen hast. Sicher
und gemeinsam statt einsam: Gemeinsam und gemütlich
kann man mit dem Bus als umweltfreundlichem, aber
auch sicherem Verkehrsmittel unterwegs sein. Ich danke
auch dem Busverband, dass er es geschafft hat, eine neue
sympathische Idee zu unterstützen: Es gibt die neue Rei-
sezeitung „Sehnsucht Deutschland“, die mit der Über-
schrift wirbt: Reiselust wecken im eigenen Land.

Herr Präsident, ich höre auf Sie. Ich hätte noch einen
schönen Schlusssatz. Aber auch der vorherige „Reiselust
auf das eigene Land“ dürfte ein schöner gewesen sein.

Ich danke Ihnen sehr herzlich für die Aufmerksam-
keit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608211400

Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin

Gabriele Hiller-Ohm von der SPD-Fraktion.

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(C (D Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tou ismusbranche in Deutschland boomt. Im Städtetourisus, aber auch in anderen Sparten erleben wir regel echte Wachstumsschübe. Das belebt unsere Wirtschaft, st gut für den Arbeitsmarkt und bringt die lahmende innenkonjunktur in Schwung. Warum entscheiden sich so erfreulich viele Touristinen und Touristen aus dem Inund Ausland für die Desination Deutschland? Ein ganz wichtiges Entscheiungskriterium ist die Qualität des Angebots. Neben der esonderen Attraktivität der Ferienziele in Deutschland nd einem ausgewogenen Preis-Leistungs-Verhältnis üssen Service und Freundlichkeit stimmen. Der Erfolg ines Produktes hängt also ganz entscheidend von den ähigkeiten und der Motivation der Beschäftigten ab. Wenn der Tourismus in Deutschland langfristig auf er Erfolgsspur bleiben will, brauchen wir die nötigen ahmenbedingungen; denn eines ist klar: Die Konkur enz im Ausland schläft nicht, und durch verbesserte und mmer billiger werdende Mobilität erweitern sich auch ie Reisemöglichkeiten der Menschen. Gut ausgebildete nd hochmotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ind unerlässlich, um die so wichtige Serviceleistung uch in Zukunft erfolgreich in Deutschland zu erbringen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1608211500

Genaue Zahlen kennen wir nicht, aber knapp
Millionen Menschen sind in der Tourismusbranche be-

chäftigt; ein großer Teil von ihnen sind Saisonarbeiter
nd Minijobber. Gute Arbeit muss gut entlohnt werden.
ur so lässt sich Abwanderung von Fachpersonal in an-
ere Berufe oder ins Ausland verhindern. Die Forderung
er Gewerkschaften nach gerechtem Anteil am wirt-
chaftlichen Wachstum für die Beschäftigten nach Jah-
en der Lohnzurückhaltung ist deshalb nur zu unterstüt-
en. Wenn wir uns die Einkommen im Bereich des
otel- und Gaststättengewerbes anschauen, wird deut-

ich, dass hier zum Teil die Sittlichkeitsgrenze nur knapp
eschrammt wird. So werden beispielsweise in der un-
ersten Tarifvergütung des Hotel- und Gaststättengewer-
es in Sachsen-Anhalt gerade einmal 4,61 Euro gezahlt,
on den tariflich nicht abgesicherten Beschäftigungsver-
ältnissen ganz zu schweigen.

Nichtsdestotrotz fordert der Präsident des Deutschen
ndustrie- und Handelskammertages, Braun, Lohnmäßi-
ung in Deutschland als Dauerzustand. Das ist seine
ntwort auf die Herausforderungen einer globalisierten
elt.


(Zuruf von der SPD: Unerhört!)


alsch, sage ich; denn die Zukunft der Tourismusbran-
he hängt ganz entscheidend am Fachpersonal, und das
ird sich bei Entspannung des Arbeitsmarktes nicht mit
ungerlöhnen abspeisen lassen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jürgen Klimke [CDU/CSU])


Vollkommen unverständlich wird die Forderung nach
ohnmäßigung, wenn der Industrie- und Handelskam-






(A) )



(B) )


Gabriele Hiller-Ohm
mertag im gleichen Atemzug schon heute einen massi-
ven Fachkräftemangel im Bereich der Köche und des
Servicepersonals beklagt.

Eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist klar: Men-
schen müssen von ihrer Arbeit leben können. Aber wie
sieht die Wirklichkeit aus? Leider müssen viele Beschäf-
tigte in der Tourismusbranche zusätzlich zu ihrem Lohn
Arbeitslosengeld II beziehen, um überhaupt über die
Runden zu kommen. In dieser Branche gibt es immer
weniger Tarifverträge und zum Teil sehr niedrige Tarif-
löhne.

Wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit durch gute Quali-
tät der Serviceleistung langfristig absichern wollen,
brauchen wir gerade in der Tourismusbranche dort, wo
die Tarifbindung nicht greift, einen gesetzlichen Min-
destlohn.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Klaus Brähmig [CDU/CSU])


Außerdem muss die Qualität der Arbeit weiter ver-
bessert werden. Das betrifft vor allem die Bereiche der
Aus- und Weiterbildung. Hier gibt es Bewegung. Der
noch von Rot-Grün beschlossene Ausbildungspakt zeigt
im Hotel- und Gaststättenbereich Wirkung: Von 2004
auf 2005 ist die Zahl der Ausbildungsplätze um
3,6 Prozent gestiegen.


(Markus Löning [FDP]: Zu wenig!)


Im Bereich der Weiterbildung will der Handelskammer-
tag vor allem für ältere Beschäftigte mehr tun. Das ist
ein richtiger Schritt und entspricht der Stoßrichtung der
Initiative „50 plus“ unseres Arbeitsministeriums.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin wirklich
froh, dass wir beim Nichtraucherschutz endlich voran-
gekommen sind. Zur Verbesserung der Arbeitsbedingun-
gen in der Tourismusbranche ist ein solcher Schutz uner-
lässlich. Der Beschluss des Bundeskabinetts muss jetzt
Signalwirkung entfalten. Die Länder sind in der Pflicht,
über eine Anpassung der Gaststättenverordnungen
Nichtraucherschutz für die Beschäftigten und natürlich
auch für die Gäste in der Gastronomie sicherzustellen.

Ich fasse zusammen: Wir Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten wollen, dass die Beschäftigten im
Tourismussektor vom Wirtschaftswachstum profitieren –
über gute Arbeit, gute Löhne und gute Aus- und Weiter-
bildungschancen. So stärken wir auch die Tourismus-
wirtschaft in Deutschland.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608211600

Das Wort hat jetzt der Kollege Jürgen Klimke von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Jürgen Klimke (CDU):
Rede ID: ID1608211700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Tourismus

und Wirtschaftswachstum – lassen Sie mich fünf Berei-
che dieses Duos bitte kurz beleuchten.

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(C (D Erster Bereich: Geschäftsreisen, Messen und Konressbesuche. Das ist ein ganz wichtiger Bereich. Im ahre 2006 lag der Umsatz dort bei 60 Milliarden Euro. 50 Millionen Geschäftsreisen fielen im letzten Jahr an. as bedeutete eine Ausgabe von 50 Milliarden Euro für ie Unternehmen. Sie sehen, wie viel Geld dahinterteckt und wie wichtig dieser Bereich für die Tourismusranche ist, vor allen Dingen für die Betriebe im Hotelnd Gaststättenbereich, die außerhalb der Saison von eschäftsreisenden aufgesucht werden. Deswegen ist es auch für uns Tourismuspolitiker eine esentliche Aufgabe, die führende Position des Ge chäftsreisestandorts Deutschland auszubauen und in iesem Zusammenhang für viele Betriebe Bürokratie abubauen. Wir wollen uns dieser Thematik in den nächsen Sitzungen annehmen. Zweiter Punkt: Kreuzfahrttourismus. Auch das ist ein oomender Bereich. Mit einem Umsatz von ,5 Milliarden Euro hat dieser Bereich im letzten Jahr eien Höchststand erreicht. Man muss einmal deutlich saen, dass es in den letzten neun Jahren eine Verdopplung es Umsatzes gab. Deutschland wird als Kreuzfahrttandort immer beliebter. Das gilt nicht nur für Skandiavier, die auf Fähren zu uns kommen, sondern auch für ndere internationale Reisende, die über deutsche Häfen inreisen. Wir müssen versuchen, den Standort noch atraktiver zu machen, zum Beispiel durch eine Harmoniierung der Verbrauchsteuern für Verkäufe an Bord. Als Norddeutscher sage ich natürlich gerne, dass der reuzfahrtbereich ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für nsere Werften ist, die bis 2010 ausgebucht sind und die ufgrund der Tatsache, dass so viele neue Schiffe gebaut erden, Hunderte von neuen Arbeitsplätzen schaffen önnen. Das ist sehr wichtig. Dritter Bereich. Wir haben uns in den letzten Monaen auch über den Fahrradtourismus unterhalten. Aber uch das muss man unter wirtschaftlichen Gesichtspunken sehen. Wenn wir den Ausbau des Bundesradroutenetzes voranbringen, wenn wir die Infrastruktur entlang er Radwege verbessern, wenn wir eine Koordinierungstelle der Länder und der Kommunen schaffen und die ahrradmitnahme bei der Deutschen Bahn verbessern, ann sorgen wir für attraktivere Rahmenbedingungen für ie Fahrradtouristen. Damit setzten wir auch einen Jobotor in Gang, zum Beispiel für die deutsche Fahrradin ustrie. Das sollten wir in diesem Zusammenhang nicht ergessen. Lassen Sie mich ein anderes Thema, nämlich das arketing, ansprechen. Dieses Thema müssen die Kol eginnen und Kollegen auf Länderebene und vielleicht er eine oder andere Kollege aufgrund seines Verantworungsbereiches anpacken. Wir haben 16 Bundesländer, 39 Landkreise, 190 Tourismusregionen mit über 4 000 ommunen. Alle betreiben ihr eigenes Marketing, teileise auch im Ausland. So gut das ist und so viel in die em Bereich investiert wird – 300 Millionen Euro –, tellt sich doch die Frage der Effektivität. Ich glaube, ier brauchen wir länderübergreifende Kooperationen Jürgen Klimke und schlagkräftigere Einheiten, damit das Geld besser genutzt werden kann. Ich habe festgestellt, dass bis zum letzten Jahr die sechs norddeutschen Häfen, die von den Kreuzfahrtschiffen angelaufen werden, auf der größten Messe, in Miami, mit eigenen Ständen vertreten waren. Was ist das für ein Unsinn, kann ich dazu nur sagen. In diesem Jahr treten sie das erste Mal gemeinsam auf. Weniger Geld und mehr Effektivität: Das ist das Ergebnis. Diesem Beispiel sollten weitere folgen. Lassen Sie mich einen letzten Bereich ansprechen: Reisen in Entwicklungsländer. Was hat das mit einem Jobmotor für Deutschland zu tun? Zunächst einmal muss man sagen, dass diese Reisen von Reiseveranstaltern in Deutschland angeboten werden. Es werden also Arbeitsplätze in unserem Land gesichert, wenn wir in den Entwicklungsländern den Tourismus ankurbeln. Wir wollen aber auch – das ist eine der Aufgaben, die wir anpacken werden; Kollegin Faße hat bereits darüber gesprochen – im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit versuchen, die Investitionen im Bereich des Tourismus in diesen Ländern anzukurbeln. Wir werden dies tun unter der Voraussetzung, dass deutsche Interessen gewahrt werden und dass deutsche Unternehmen entsprechende Aufträge erhalten. Das ist also auch eine Jobmaschine. Zusammenfassend kann ich sagen: Tourismus und Wirtschaftswachstum sind ein ganz starkes Doppel, das weiter zusammenarbeiten sollte. Danke. Das Wort hat jetzt die Kollegin Renate Gradistanac von der SPD-Fraktion. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anlässlich der heutigen Aktuellen Stunde möchte ich mich bei einigen Hauptakteuren im Tourismus bedanken: bei Frau Petra Hedorfer von der Deutschen Zentrale für Tourismus, bei Herrn Tilo Braune vom Deutschen Tourismusverband, bei Herrn Michael Rabe vom BTW, bei Herrn Johann Kreiter von der NatKo, der jetzt eine besondere Herausforderung zu leisten hat, und bei dem leidenschaftlichen Beauftragten der Bundesregierung für Tourismus, Herrn Ernst Hinsken. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU)





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(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608211800
Renate Gradistanac (SPD):
Rede ID: ID1608211900

Ich bedanke mich im Namen der SPD-Fraktion für das
vorbildliche und unglaubliche Engagement der Benann-
ten. Vielfältige Herausforderungen kommen auf uns alle
zu, um den positiven Beitrag des Tourismus zum Wirt-
schaftswachstum zu festigen.

Lassen Sie mich ein Segment näher beleuchten. Zu
den Zukunftstrends, die sich im Tourismus abzeichnen,
zählt der demografische Wandel. Angesichts der älter

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(C (D erdenden Gesellschaft wird barrierefreies Reisen in en Vordergrund rücken. Immer mehr Menschen mit Beinderungen wollen – das ist eigentlich selbstverständich – reisen. Barrierefreiheit – so die NatKo – ist für 0 Prozent der Bevölkerung zwingend notwendig, für 0 Prozent hilfreich und für 100 Prozent, also für uns lle, komfortabel. Die Barrierefreiheit muss zum Komfortmerkmal weren. s scheint mir daher angemessen, den Begriff „barrierereies Reisen“ durch den Begriff „Komfortreisen“ zu eretzen. Eine barrierefreie Umgebung kommt uns allen ugute: Reisenden mit Kinderwagen und Gepäck oder lteren Menschen wie mir, die nicht immer gut hören nd sehen können. Ein barrierefreier Zugang ermöglicht ie Teilnahme aller und ist – das ist mir ganz wichtig – eilhabe. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir Tourismuspolitikerinnen und Tourismuspolitiker
aben uns dieses Themas unter anderem anlässlich des
uropäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen

m Jahr 2003 angenommen. Die in Auftrag gegebene
tudie mit dem Titel „Ökonomische Impulse eines barri-
refreien Tourismus für alle“ lieferte erstmals – das ist
as Wichtige – verlässliche Daten. So konnte aufgezeigt
erden, dass hier erhebliche Potenziale für die Reisen-
en und auch für die Tourismuswirtschaft bestehen.
omfortreisen sind mit einem jährlichen Nettoumsatz in
öhe von circa 2,5 Milliarden Euro am Volkseinkom-
en beteiligt. Das entspricht mindestens 65 000 Voll-

eitarbeitsplätzen. Wenn es gelingt, mehr Akzeptanz und
essere Voraussetzungen für die Bedürfnisse der Men-
chen mit Mobilitätseinschränkungen zu schaffen, kön-
en sich weitere wirtschaftliche Impulse von bis zu
Milliarden Euro – das ist eine Riesensumme – bei

0 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen ergeben, so das Fazit
er Studie.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Investitionen in den barrierefreien Tourismus lohnen
ich. Das ist die Botschaft; das ist auch unsere Botschaft.
ie passt natürlich zu dem Thema der heutigen Aktuel-

en Stunde. Dies kann anlässlich des diesjährigen Euro-
äischen Jahres der Chancengleichheit für alle nicht ge-
ug betont werden.

Lassen Sie mich zum Abschluss auf mein zweites
ieblingsthema zu sprechen kommen, das mir am Her-
en liegt: den Jugendarbeitsschutz. Das Ausbildungs-
latzangebot im Hotel- und Gaststättengewerbe ist in
en letzten Jahren deutlich vergrößert worden. In den
etzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Ausbildungs-
lätze sogar verdoppelt – ein Dankeschön an die Bran-
he! –, und dies, obwohl die Beschäftigungszahlen deut-
ich zurückgegangen sind; auch das muss man sehen.

Weniger beeindruckend ist die Übernahme von Aus-
ubildenden. Diese Quote ist in keiner Branche geringer.






(A) )



(B) )


Renate Gradistanac
So, Herr Hinsken, warum soll der Jugendarbeitsschutz
ein Ausbildungsplatzhindernis sein? Über diese Frage
sollten wir noch einmal gründlich diskutieren. Wir von
der SPD-Fraktion stellen den Jugendarbeitsschutz nicht
infrage.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Klaus Brähmig [CDU/ CSU]: Dem kann ich nicht zustimmen, Frau Gradistanac!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608212000

Als letzte Rednerin zu dieser Aktuellen Stunde hat

das Wort die Kollegin Anita Schäfer.


Anita Schäfer (CDU):
Rede ID: ID1608212100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Den po-

sitiven Beitrag des Tourismus zum Wirtschaftswachstum
festigen“, dem Titel dieser Aktuellen Stunde entsprechen
insbesondere zwei Bereiche des Tourismus: der Natur-
parktourismus und der Wandertourismus. Beide sind für
die Entwicklung des Fremdenverkehrs und damit für die
wirtschaftliche Entwicklung der Regionen von wachsen-
der Bedeutung.

Heute haben wir in Deutschland 97 Naturparke, 14
Nationalparke und 14 Biosphärenreservate. In diese 125
Großschutzgebiete zieht es jährlich 20 Millionen Besu-
cher. 70 Prozent der Urlauber bevorzugen Reiseziele in
Natur- und Nationalparken. Natururlaub in Deutschland
hat damit alles, um ein Markenzeichen des Deutschland-
tourismus zu werden. Wichtig ist, dass wir diese Chance
nicht nur erkennen, sondern auch nutzen. Die Etablie-
rung der Dachmarke „Nationale Naturlandschaften“ ist
ein wichtiger Schritt, den ich sehr begrüße.

Die aktuelle Herausforderung für den Naturparktou-
rismus liegt darin, unterschiedliche Naturerlebnisse zu
schaffen. Touristische Attraktivität ist gerade für struk-
turschwache Regionen ein wichtiger ökonomischer Fak-
tor. Tourismus schafft und sichert Arbeitsplätze, insbe-
sondere in der Gastronomie und im Einzelhandel.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Allein im Bereich des Müritz-Nationalparks entsprechen
die Umsätze, die mit dem Naturtourismus erreicht wer-
den, 600 Arbeitsplätzen. Im Naturpark Altmühltal sind
es rund 500 Arbeitsplätze und im Naturpark Hoher Flä-
ming 200 Arbeitsplätze. Das sind Erfolge, die anspornen
und motivieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es sind aber vor allem Zahlen, die belegen, welche Be-
deutung unsere Großschutzgebiete sowohl als Wirt-
schafts- und Lebensraum als auch als Erholungsraum be-
sitzen.

Ein Schlüssel für die ökonomische Entwicklung liegt
in der Förderung regionaler Wertschöpfungsketten. Die
Vermarktung nicht gewerblicher Elemente wie der Natur

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(C (D nd des kulturellen Erbes lässt sich mit den regionaltypichen Produkten erfolgreich kombinieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ein anderer wichtiger Faktor ist die gezielte Förde-
ung dieser Regionen auf allen staatlichen Ebenen, zum
eispiel durch den Ausbau der Radwegenetze, durch
erbesserte Angebote des ÖPNV, durch die Nutzung des
uropäischen Nationalfonds zur Förderung der Natur-
andschaften oder auch durch die stärkere Einbindung
er nationalen Naturlandschaften in die Außendarstel-
ung unseres Landes.

Es gibt zahlreiche Maßnahmen, den Naturtourismus
n Deutschland zu stärken. Auch bietet sich eine gemein-
ame Vermarktung an, wo die Schutzgebiete nationale
renzen überschreiten. In meinem Wahlkreis sind dies

um Beispiel das Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nord-
ogesen mit dem Naturpark Nordvogesen auf französi-
cher Seite. Hier besteht schon seit 1985 eine Koopera-
ion, die sich zu beiderseitigem Nutzen entwickelt hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ob allein, zu zweit
der in der Familie: Gewandert wird in allen Altersklas-
en. Uns allen muss dabei eines bewusst sein: Das Na-
urerlebnis bedeutet heutzutage mehr als ein mit Butter-
roten und einer Flasche Wasser gepackter Rucksack.
er Gast von heute ist erlebnis- und serviceorientiert. Er

etzt auf Qualität und Geselligkeit. Die Masse der Wan-
ertouristen sucht dabei insbesondere auch das körperli-
he Wohlbefinden. Wandertourismus stellt somit eine
acette des Wachstumssektors Gesundheitstourismus
ar. Auch seitens der Bundesregierung wird der positive
esundheitliche Effekt unterstrichen. Das Gesundheits-
inisterium hat den Wandersport in die erfolgreiche
ampagne „Bewegung und Gesundheit“ integriert.

Art und Umfang des Wanderns orientieren sich an der
anz individuellen Kondition der Urlauber. Damit ver-
olgt der Wandertourist eine ganz persönliche Freizeitge-
taltung. Folge ist, dass weit mehr als 90 Prozent der
anderurlauber ganz individuell planen und nicht auf

auschalangebote zurückgreifen. Das beinhaltet für
anderregionen und Naturparks besondere Chancen.
erade in diesen Regionen kann der Wandertourismus

rfolgreich in eine Strategie der wirtschaftlichen Ent-
icklung eingebunden werden. Wichtig sind dabei das
rschließen der Region und das Herausstellen der Be-
onderheiten, sei es topografisch, historisch, kulturell
der auch kulinarisch. Für strukturschwache Regionen
ilt dies besonders.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus meiner Heimat, der
üdwestpfalz, nennen: Auf meine Initiative entstand der
elmut-Kohl-Wanderweg in Eppenbrunn, einem kleinen
rt nahe der französischen Grenze, der Frankreich und
eutschland, die Pfalz und Lothringen, verbindet. Sol-

he Initiativen fördern den Fremdenverkehr, gerade im
ereich der Dienstleistungen, zum Beispiel in den Berei-
hen Unterbringung, Verpflegung, Personenbeförde-
ung, Begleitung, Führung und Gepäckbeförderung.

Der Pfälzer Wald als größtes zusammenhängendes
aldgebiet Europas lässt sich auf unterschiedliche Art






(A) )



(B) )


Anita Schäfer (Saalstadt)

erfolgreich vermarkten. So gibt es bei uns seit einigen
Monaten den Felsenwanderweg in Rodalben, der auf der
Reisemesse CMT in Stuttgart offiziell als erster pfälzi-
scher „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“ zertifi-
ziert wurde.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das zeigt, wie wichtig die Durchsetzung von Quali-
tätsstandards, vor allem des Gütesiegels des Deutschen
Wanderverbandes „Qualitätsweg Wanderbares Deutsch-
land“, ist. Wir haben erkannt, dass Wanderwege mit
Auszeichnung bei den Gästen heute hoch im Kurs ste-
hen. Die Südwestpfalz stellt sich darauf ein. Geplant ist
beispielsweise, dass sich die Beherbergungsbetriebe in
der Region als „Qualitätsgastgeber Wanderbares
Deutschland“ auszeichnen lassen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608212200

Frau Kollegin Schäfer, bitte.


Anita Schäfer (CDU):
Rede ID: ID1608212300

Jetzt kommt der letzte Satz. – Danke.

In der nächsten Woche wird sich der erfolgreiche
Trend des deutschen Wandertourismus auf der ITB prä-
sentieren. Ich fordere Sie alle herzlich auf: Besuchen Sie
die ITB, führen Sie gute, interessante Gespräche, und
werden Sie vor allen Dingen Botschafter Ihrer Region,
wie es unser Tourismusbeauftragter gesagt hat; denn
Wandern ist eine Zukunftsbranche.

Danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608212400

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b sowie
Zusatzpunkt 15 auf:

6 a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD

Unterstützung für Opfer der SED-Diktatur –
Eckpunkte für ein Drittes SED-Unrechtsberei-
nigungsgesetz

– Drucksache 16/4167 –

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Wieland, Cornelia Behm, Katrin
Göring-Eckardt, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Wirksame Unterstützung für die Verfolgten
des DDR-Regimes

– Drucksache 16/4404 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

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(C (D P 15 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Gerechtigkeit für die Opfer der SED-Diktatur – Drucksache 16/4409 – Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss Innenausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich öre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Reder dem Kollegen Olaf Scholz von der SPD-Fraktion das ort. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir disku ieren jetzt über ein Drittes SED-Unrechtsbereinigungsesetz. Ich glaube, dass allein der Begriff deutlich acht, dass wir uns an etwas Unmöglichem versuchen. as Unrecht, das vielen Menschen widerfahren ist, die rfahrung, die sie in Gefängnissen machen mussten die Schwierigkeiten und die Betroffenheit bestehen oft in ganzes Leben lang –, lässt sich mit keiner finanzielen Regelung wiedergutmachen. Ich glaube, dass wir alle ier dieses Verständnis teilen sollten. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Olaf Scholz (SPD):
Rede ID: ID1608212500

Es hat eine ganze Reihe von Versuchen gegeben, die
ituation zu verbessern, auf die entstandenen Schwierig-
eiten einzugehen. Trotzdem wird jede Regelung mit
em Problem behaftet sein – selbst wenn die Regelung
och so günstig ausgestaltet wird –, dass sie nichts daran
ndert, dass das damit verbundene Lebensschicksal nicht
ückgängig gemacht werden kann.

Die besondere Situation muss man sehr ernsthaft an-
prechen. Die Gerechtigkeitsvorstellungen vieler Men-
chen werden dadurch berührt, dass diejenigen, die zu
en Mächtigen des SED-Regimes gehört haben, oft
icht so schlecht dastehen. Ganz ehrlich: Das Bundes-
erfassungsgericht hat es dem sehr wohl bemühten
eutschen Bundestag mit manchen Entscheidungen
icht leichter gemacht, zu vernünftigen und fairen Rege-
ungen zu kommen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ir können aber beides nicht aus der Welt schaffen. In
iesem Rahmen müssen wir uns bewegen, wenn wir
etzt nach einer Lösung suchen, die vielleicht weit in die
ukunft weist.

Unmittelbar nach 1990 gab es unter der Regierung
ohl erste Regelungen. Weil sie als nicht ausreichend






(A) )



(B) )


Olaf Scholz
kritisiert worden sind, hat die Regierung Schröder wei-
tere Regelungen auf den Weg gebracht, die die mate-
rielle Situation vieler Betroffener deutlich verbessert ha-
ben.

Natürlich sind dann wieder neue Forderungen und
Entdeckungen gemacht worden, was man tun könnte. In-
sofern glaube ich, ist die Große Koalition eine gute Ge-
legenheit, jetzt einen ganz deutlichen Schritt weiterzuge-
hen und das Gefühl zu erzeugen, dass dies eine gute
Regelung ist, wobei ich ganz klar sagen will – auch den
Betroffenen, die hier sind und uns zuhören –: Er bleibt
immer mit den Schwierigkeiten behaftet, die ich ein-
gangs geschildert habe.

Wir haben uns drei Komplexe herausgegriffen, bei
denen wir versuchen wollen, Fortschritte für die Men-
schen, um die es geht, zu erzielen. Das Erste und Wich-
tigste ist sicherlich die Einführung einer monatlichen
Opferpension für Menschen, die sechs Monate und
mehr in Haft saßen und wirtschaftlich bedürftig sind. Es
sollen 250 Euro pro Monat gezahlt werden. Das ist nicht
viel im Hinblick auf das Unrecht, das vielen geschehen
ist, die diese Leistung nun bekommen werden. Aber für
den deutschen Staat sind es insgesamt ungefähr
50 Millionen Euro. Wir schätzen, das 16 000 Menschen
von dieser Regelung profitieren werden. Das ist nicht
nichts.

Selbstverständlich kann man sich Gedanken darüber
machen, ob es notwendig ist, eine Bedürftigkeitsgrenze
einzuführen. Das haben wir getan. Wir haben uns sehr
ernsthaft damit auseinandergesetzt. Ich glaube, dass es
notwendig ist – ohne nun in jedes Detail zu gehen –, ehr-
lich zu sagen, was uns bewegt und motiviert hat. Wir
wollen im System der Opferentschädigung bleiben, das
die Bundesrepublik Deutschland auch an anderer Stelle
gefunden hat. Auch für andere Situationen, in denen
schlimmes Unrecht durch deutsche Regierungen gesche-
hen ist, haben wir solche Regelungen, die wirtschaftlich
in etwa dem entsprechen, was jetzt als Opferpension für
SED-Opfer vorgesehen ist. Sie entspricht etwa der Höhe
und ist an ähnliche Voraussetzungen geknüpft, insbeson-
dere wirtschaftlich genau an die Voraussetzungen, die
hier gemacht werden. Wenn man als Alleinstehender
mehr als 1 035 Euro oder als Ehepaar mehr als
1 380 Euro verdient, dann gibt es keine Leistung; diese
gibt es nur, wenn man darunter liegt.

Das ist der Grund. Ich glaube, das muss man offen an-
sprechen. Es ist ein vernünftiger Grund; ich rate allen,
hier ein bisschen mitzuhelfen. Denn natürlich ist die Dis-
kussion nie an dem einen Tag, durch ein Gesetz beendet;
es würden sich sofort viele andere melden, die fragen,
was wir an anderer Stelle machen wollen. Ich glaube,
wir müssen zu einem insgesamt gerechten und austarier-
ten System kommen. Das ist mit dieser Regelung der
Fall.

Ich wiederhole, was ich eingangs gesagt habe und
was mich bewegt, auch deshalb, weil ich mir angesehen
habe, wie die Haftbedingungen von Menschen waren,
die in SED-Gefängnissen saßen, und weil ich weiß, was
sie erlitten haben, weil ich mir Schicksale habe schildern

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(C (D assen. Da ist überhaupt nichts zu verniedlichen. Ich laube, dass das auch immer wieder ein Grund ist, sich larzuwerden, dass für DDR-Nostalgie und ähnliche inge in diesem Lande überhaupt kein Anlass besteht. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der CDU/ CSU: Warum klatscht Die Linke nicht!)


iesen Menschen ist durch eine Diktatur – sie hat vielen
enschen die Freiheit genommen und ganz viele Men-

chen noch weit darüber hinaus in Gefängnisse gesteckt –
chweres Unrecht geschehen.

Es gibt zwei weitere ergänzende Regelungen, die Er-
eichterung schaffen. Eine davon ist die Verlängerung
er Antragsfristen. Sie ist hilfreich, weil viele gesagt
aben: Trotz der langen Zeit, die seither vergangen ist,
ibt es immer noch Personen, die erst jetzt ihre Ansprü-
he geltend machen; sie sollen das auch noch können.
ir sind da einem Vorschlag der Bundesregierung ge-

olgt, den sie in Diskussionen mit dem Bundesrat entwi-
kelt hat, nämlich zu sagen: Wir haben gerade die Auf-
ewahrungsfristen für bestimmte Unterlagen verlängert.
olange man diese Unterlagen wiederfinden kann,
acht es Sinn, anzunehmen, dass jemand noch Anträge

tellt. Deshalb wollen wir die Antragsfristen entspre-
hend verlängern und damit eine Möglichkeit schaffen,
ass man bis zum Ablauf dieser Fristen seine Ansprüche
eltend machen kann.

Die dritte Regelung – die zweite in dieser Zählung –
st, dass wir die Mittel der Häftlingshilfestiftung aufsto-
ken wollen. Das ist ein ganz wichtiges Instrument, weil
ie nicht nur Gesetzesvollzug darstellt, sondern auch
pielräume beinhaltet, auf individuelle Schicksale, auf
ll das, was man in einer noch so komplizierten Kasuis-
ik eines Gesetzes nicht abspiegeln kann, einzugehen.
afür waren die 1,5 Millionen Euro, die wir bisher jähr-

ich zur Verfügung hatten, nicht genug. Deshalb sind
iese Mittel jetzt auf 3 Millionen Euro aufzustocken. Ich
laube, dass man damit mehr anfangen kann, als es bis-
er der Fall war. Wir können zum Beispiel das Schicksal
er zivildeportierten Frauen und anderer Menschen, die
hre Betroffenheit bei uns bekanntgemacht haben und
on denen wir wissen, besser berücksichtigen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, diese Diskus-
ion sollte mit großem Ernst geführt werden. Dieses
hema ist nicht geeignet, um beifallsorientierte Reden
u halten, sondern es muss mit dem nötigen Ernst an der
ache um die Aufarbeitung einer schlimmen Diktatur
ehen. Die Koalition hat mit ihrem Antrag eine vernünf-
ige Regelung vorgelegt, die den Menschen gerecht
ird.

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1608212600

Das Wort hat jetzt die Kollegin Sabine Leutheusser-

chnarrenberger von der FDP-Fraktion.






(A) )



(B) )


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Rede ID: ID1608212700

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Ja, Herr Scholz, diese Debatte ist wichtig. Sie ist
nicht die erste, die wir zu diesem Thema führen. Ich
kann mich noch gut an die Jahre 1992 und 1994 erin-
nern, als die ersten SED-Unrechtsbereinigungsgesetze
im Bundestag beraten und beschlossen wurden, aller-
dings mit einer anderen Mehrheit. Es waren Versuche
der verwaltungsrechtlichen und der strafrechtlichen Re-
habilitierung der Opfer des SED-Regimes.

Damals hätten wir uns nicht vorstellen können, dass
wir im Jahre 2007 sagen: Das Auslaufen der Antragsfrist
muss verhindert werden. Wir brauchen eine Verlänge-
rung, um die Anträge auf Rehabilitierung stellen zu kön-
nen. Daran zeigt sich, in welchem Umfang wir uns mit
diesem Thema befasst haben und welche Dimension es
erreicht hat. Das war in den Jahren 1990 und 1991 nicht
in allen Einzelheiten und nicht in dieser Form vorherseh-
bar.


(Beifall bei der FDP)


Ich möchte den früheren Bundespräsidenten
Johannes Rau zitieren, der anlässlich der
50. Wiederkehr des 17. Juni 1953, also im Jahre 2003,
an alle politischen Entscheidungsträger folgende Aus-
sage richtete:

Fünfzig Jahre danach müssen die Opfer Anerken-
nung erfahren – die des 17. Juni und alle anderen,
die in der DDR Unrecht erlitten haben. Manches
geschieht dafür, dennoch begegne ich immer wie-
der Opfern des DDR-Regimes, die nicht bekommen
haben, worauf sie auch nach meinem Eindruck bil-
ligerweise einen Anspruch haben sollten.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diesen Opfern begegnen wir noch heute. Einige von
ihnen stehen heute draußen vor der Tür, fühlen sich viel-
leicht missverstanden bzw. missachtet oder durch andere
Entscheidungen, die der Bundestag treffen musste, ein
Stück weit ungerecht behandelt. Von daher ist es ent-
scheidend, jetzt einen weiteren Schritt – hoffentlich den
letzten – zu gehen.

Ich glaube, dass der Antrag, den die Koalitionsfrak-
tionen vorgelegt haben, gründlichster Beratung bedarf.
Andersherum gesagt: Lieber Herr Scholz, es ist schon et-
was bemerkenswert, dass gerade die Koalitionsfraktio-
nen die Regierung auffordern, das zu tun, was in ihrem
Koalitionsvertrag steht: die Maßnahmen, die zur Verbes-
serung der materiellen Lebenssituation der SED-Opfer
notwendig sind, auf den Weg zu bringen.

Das geht nur in Form eines Gesetzes, nicht in Form
eines Antrags. Deshalb appelliere ich an die Regierung,
möglichst schnell einen Gesetzentwurf vorzulegen und
nicht nur den Ablauf von Fristen am Jahresende im Blick
zu haben. Machen Sie einen Vorschlag, damit die unter-
schiedlichen Ansätze, die es gibt, die sich aber nicht an
der Sache scheiden, zu einem guten Kompromiss geführt
werden können. Ich denke, bei diesem Thema sollten

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(C (D ir, wenn das möglich ist, über alle Fraktionsgrenzen inweg zu einer Einigung kommen. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


s darf nicht zu einem politischen Schlagabtausch auf
em Rücken der Opfer kommen.

Lassen Sie mich kurz einige Vorschläge ansprechen,
ie im Antrag der Koalitionsfraktionen enthalten sind.
m Mittelpunkt – das haben Sie, Herr Scholz, erläutert –
teht die Opferpension in Höhe von 250 Euro, die mit
iner Einkommensgrenze und einer Bedürftigkeitsprü-
ung versehen ist. Ich weiß, dass es nicht leicht ist, mit
olchen Vorschlägen am Finanzminister vorbeizukom-
en.

Ich ergänze: Es ist vielleicht auch nicht so leicht, an
em einen oder anderen Haushaltspolitiker vorbeizu-
ommen. Dennoch, wenn wir uns jetzt zum dritten Mal
amit befassen, dann muss das wirklich der letzte Schritt
ein, dann muss man die Dinge aufgreifen, die noch of-
en sind. Ich denke, dass 250 Euro der Situation nicht
erecht werden. Wir haben in unserem Antrag den Be-
rag von 500 Euro vorgesehen.

Zur Bedürftigkeitsprüfung. Sie haben darauf hinge-
iesen – das ist ein Argument, mit dem wir uns ausei-
andersetzen müssen –, dass sich die Bedürftigkeitsprü-
ung im System der Opferentschädigung bewegt. Lassen
ie mich darauf hinweisen, was es bedeutet, wenn Opfer,
ie sich jetzt in ihrem achten oder neunten Lebensjahr-
ehnt befinden, erst eine doch unangenehme und viel-
eicht auch peinliche Prüfung all ihrer persönlichen Le-
ensverhältnisse über sich ergehen lassen müssen. Nicht
o leicht sein würde auch der Umgang mit der dafür not-
endigen Bürokratie. Deshalb gehört dieser Punkt auf
en Prüfstand.

Der zweite Punkt, der mit Ihrem Vorschlag in meinen
ugen noch nicht befriedigend geregelt ist, ist die Frage
es Ausgleichs von Gesundheitsschäden. Die Opfer
aben da die Beweislast. Das führt häufig zu schwieri-
en Ergebnissen, teilweise auch zu unvertretbaren Er-
ebnissen, gerade bei ganz bestimmten Erkrankungen,
ie eindeutig auf eine einzige Ursache zurückzuführen
chwierig ist. Deswegen könnte man hier das Instrument
er gesetzlichen Vermutung als Ansatz wählen, um zu
ersuchen, zu mehr Gerechtigkeit zu kommen und unan-
enehme Einzelfallprüfungen zu vermeiden.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Katrin GöringEckardt)


Wenn die Beratungen in diese Richtung gehen – Sie
ennen unsere Vorschläge aus unserem Antrag –, dann
erden wir uns konstruktiv daran beteiligen. Die Bun-
esregierung sollte diesen hoffentlich sehr deutlichen
ppell aus dem Bundestag mitnehmen und jetzt mög-

ichst schnell einen Gesetzentwurf vorlegen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)







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Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
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Der Kollege Arnold Vaatz hat das Wort für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1608212900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Als Erstes ist mir bei der Vorbereitung auf
meine heutige Rede ein Zitat wieder eingefallen, das von
Bärbel Bohley stammt – Sie wissen bestimmt, wie es
lautet –:

Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den
Rechtsstaat.

Das ist vielleicht eher beiläufig gesagt worden. Aber
manchmal beschreiben solche kurzen Sätze treffend eine
Situation, und die Öffentlichkeit merkt: Hier ist ein
Stück Wahrheit. In diesem Fall ist es so: Es dürfte kaum
ein Gesetz gegeben haben, das die Gemüter nach der
Wiedervereinigung Deutschlands mehr erhitzt hat als
dieser schnell hingeworfene Satz. Er hat etwas Wahres.

Der Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland stand
vor der Aufgabe, das DDR-Erbe in die Systematik des
Grundgesetzes zu transformieren. Für diese Transforma-
tion gab es keine Vorlagen. Es gab keine Kriterien, zu
unterscheiden, welche der Regelungen, die unter der
Glocke der DDR-Diktatur entstanden sind, sachgemäß
und fortführenswert sind und welche aus politischen
Gründen diktiert worden und demzufolge überprüfungs-
bedürftig bzw. abzuschaffen sind. Das ist das große Pro-
blem. Die Mängel bei der Transformation haben schließ-
lich dazu geführt, dass es nach 1990 neben allem, was
wir an tollen Errungenschaften und an tollen Entwick-
lungen in Deutschland hatten, auch zu absurden Demüti-
gungen von Menschen und ihren Lebenswerken gekom-
men ist. Demütigungen, die noch heute in unserer
Gesellschaft wüten. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben
des Parlamentes, eine permanente Aufgabe, Gerechtig-
keit und Rechtsstaat immer wieder so weit wie möglich
in Einklang zu bringen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Das aus meiner Sicht wichtigste Beispiel für diesen
Missstand ist, dass viele Menschen, die gegen das Feh-
len von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten in
Ostdeutschland nach 1945 eingetreten sind und – wo im-
mer das geschah – dafür Verfolgung, Haft und Zerstö-
rung ihrer persönlichen und beruflichen Perspektiven in
Kauf nahmen, nach 1990 zur Kenntnis nehmen mussten,
dass sie in der Demokratie plötzlich wieder schlechtere
Karten hatten als jene, die dieses Fehlen von Freiheit,
Demokratie und Menschenrechten in Ostdeutschland
herbeigeführt, vertreten und verteidigt haben. Die frei
gewählte Volkskammer hat diesen Umstand sehr wohl
gesehen und aus diesem Grund eine Reihe von Renten-
ansprüchen dieser in der DDR privilegierten staatsna-
hen Personenkreise gekappt. Sie wurden nicht annulliert,
sondern gekappt.

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(C (D Dann mussten wir zur Kenntnis nehmen – Olaf cholz hat schon darauf hingewiesen –, dass das Bunesverfassungsgericht entschieden hat, die Frage, ob emand in seinem Arbeitsleben zum Wohl oder zum chaden seiner Mitmenschen beigetragen hat, sei in Beug auf die Bemessung seiner Altersbezüge nicht releant. (Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Das stimmt nicht ganz!)


Das ist meine freie Interpretation. Sie können das in
hrer Redezeit noch kommentieren.

Auch wenn uns klar sein muss, dass wir niemals voll-
tändig verhindern können, dass Ungerechtigkeiten, die
chon in der DDR angelegt waren, jetzt unter dem
chutz des Grundgesetzes fortleben – auch das hat der
ollege Scholz schon festgestellt –, glaube ich, dass wir
it dem vorliegenden Antrag zu Recht deutlich machen,

ass wir vor diesem Zustand nicht kapitulieren. Die Ent-
cheidung, eine Opferpension einzuführen, ist ein Ver-
uch, die historische Gerechtigkeit an dieser Stelle wie-
er vom Kopf auf die Füße zu stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


ir wenden uns dabei Tausenden von Menschen zu, die
nter dem Unrecht der sowjetischen Besatzungsmacht
der der SED-Herrschaft großes persönliches Leid erlit-
en haben und bis heute mit einem sehr geringen Ein-
ommen ihr Dasein fristen.

Im Koalitionsvertrag wurden für die Opfer der SED
rei Möglichkeiten vorgesehen, ihr Los zu verbessern.
iese Möglichkeiten waren damals noch mit einem

oder“ verknüpft. Die erste Möglichkeit war eine soge-
annte Opferpension, über die wir heute reden. Die
weite war die Aufstockung der Häftlingshilfestiftung,
on der schon die Rede war und die ich ausdrücklich be-
rüße. Die dritte war ein gemeinsames Verfahren für die
nerkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschä-
en. Dieses letzte Problem ist noch offen. Ich hoffe aber,
ass es uns sehr schnell – möglichst noch vor der Som-
erpause – gelingt, auch dieses Problem zu lösen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben mehr gemacht, als im Koalitionsvertrag
orgesehen war. Wir haben nämlich aus dem „oder“ zwi-
chen diesen drei Möglichkeiten ein „und“ gemacht. Ich
enke, wir können stolz darauf sein, dass uns das gelun-
en ist.

Wir haben ein Eckpunktepapier in Form eines Antra-
es vorgelegt und haben eine Zuwendung in Höhe von
50 Euro als regelmäßige monatliche Zahlung an die
erechtigten – das heißt für Personen, die ein halbes

ahr oder länger in der DDR eingesessen haben; übri-
ens sind auch ausdrücklich diejenigen einbezogen, die
wischen 1945 und 1949 eingesessen haben – vorgese-
en. Wir haben auch eine wichtige Forderung aufgenom-
en, die noch nicht erwähnt wurde: Diejenigen, deren
inkommen die Einkommensgrenze übersteigt, erhalten
ine Zuwendung, wenn die Einkommensgrenze um we-






(A) )



(B) )


Arnold Vaatz
niger als 250 Euro überschritten wird. In diesem Fall
wird ihnen der Differenzbetrag ausgezahlt.

Im Übrigen glaube ich, dass ein falscher Zungen-
schlag in die Debatte hereingekommen ist, Frau
Leutheusser-Schnarrenberger. Die Berechtigten müssen
nicht ihre gesamten Vermögensverhältnisse offenlegen,
wie Sie es darzustellen versucht haben. Nach meiner
Auffassung kommt es dabei auf die letzte Einkommen-
steuererklärung an. Das ist insofern ein völlig normaler,
technischer Vorgang, den man nicht zu hoch bewerten
sollte.

Es ist sicherlich kein Ruhmesblatt für das wiederver-
einigte Deutschland, dass uns das erst jetzt, 17 Jahre
nach der Wiedervereinigung, gelingt. Aber für Schuld-
zuweisungen zwischen den Parteien ist kein Platz. Vier
Fraktionen in diesem Hohen Hause hatten in ihrer Regie-
rungszeit die Möglichkeit, das voranzutreiben. Es ist
aber immer wieder an verschiedenen Dingen gescheitert.
Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, den Blick nach hin-
ten zu wenden. Die fünfte Fraktion sollte sich eher in lei-
sen Tönen üben; denn sie hat in erheblichem Maß die
Ursachen für die Diskussion, die wir heute führen, zu
verantworten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alle Ursachen!)


Ich will die Gelegenheit ergreifen, denjenigen, die
nun seit zehn Jahren insbesondere in den Koalitionsfrak-
tionen, aber auch in den Fraktionen von FDP und Grü-
nen für dieses Vorhaben eingetreten sind, herzlich zu
danken. Es war ein hartes und zähes Stück Arbeit. Aber
ich glaube, dass sich die Ausdauer gelohnt hat. Wir kön-
nen uns über den Erfolg freuen, auch wenn er nicht so
ausgefallen ist, wie es sich vielleicht der eine oder an-
dere gewünscht hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Damit bin ich beim nächsten Punkt. Als wir das Er-
gebnis unserer Einigung am 22. Januar dieses Jahres der
Öffentlichkeit vorgestellt haben, gab es nicht nur einhel-
lige Freude, sondern auch Enttäuschung, insbesondere
bei den Opferverbänden, deren Vertreter ich ganz herz-
lich begrüße. Ich kann diese Enttäuschung zum großen
Teil nachvollziehen, aber zum großen Teil nicht teilen.
Frau Leutheusser-Schnarrenberger, ich verstehe, dass
der Betrag von 250 Euro vielen als zu niedrig bemessen
gilt. Gemessen an dem erlittenen Unrecht ist gar kein
Betrag hoch genug; das ist ganz klar. Aber ich glaube,
dass insbesondere diejenigen, die mit einem geringen
Einkommen auskommen müssen, diesen Betrag im
Portemonnaie sehr wohl merken. Zudem sind das die
richtigen Proportionen. Zu diesem Schluss komme ich,
wenn ich es mit dem vergleiche, was wir für Opfer ande-
rer Diktaturen getan haben.

Ich verstehe, dass das Kriterium der Bedürftigkeit
auf Kritik stößt, weil es in den Augen vieler nicht sein
kann, dass die Anstrengungen eines Menschen, nach der
Verfolgungszeit wieder auf die Beine zu kommen und
den Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, bei der Ent-

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(C (D chädigung für die Verfolgung berücksichtigt werden; enn nichts anderes bedeutet diese Regelung. Aber auch n dieser Frage sind wir an unsere bisherige Systematik ebunden. Ich verstehe auch, dass die Unterscheidung zwischen erheirateten und nicht verheirateten Opfern als unsachemäß kritisiert wird. Aber auch an dieser Stelle waren ir an eine klare Vorgabe gebunden. Schließlich verstehe ich, dass die Opfer der zahlreihen anderen subtilen Maßnahmen – Zersetzungsmaßahmen usw. – oder die Opfer mit kürzeren Haftzeiten, ie nicht anspruchsberechtigt sind, nicht akzeptieren, ass sie außen vor bleiben. Aber bitte berücksichtigen ie, dass Haft zu DDR-Zeiten im Allgemeinen bedeu ete, dass die Zersetzung automatisch hinzukam. Man at nicht unbehelligt von der Staatsicherheit in Haft geessen. Vielmehr wurde man in aller Regel mehrmals orgeladen. Es wurden einem dann Dinge angedeutet, ie einen wochenlang in Angst und Schrecken versetzen, weil man sich nicht sicher war, wie es den Verwanden und Freunden zu Hause geht. Solche subtilen Methoen sind hinzugekommen. Aus diesem Grund ist die aft tatsächlich eine Maßnahme, die sich in ihrer chwere heute wahrscheinlich gar nicht mehr nachvolliehen lässt, weil wir unter Haft in einem Rechtsstaat etas ganz anderes verstehen. Ich erinnere daran, dass wir eine solche Opferpenion nicht im luftleeren Raum festsetzen können. Vielehr sind wir aufgefordert, geschichtliche Vergleichsaßstäbe zu akzeptieren. Ich bin mir hundertprozentig icher, dass niemand in diesem Haus ernsthaft fordern ird, dass die Bundesrepublik Deutschland KZ-Opfer chlechter behandeln soll als SED-Opfer. Darüber müsen wir uns einig sein. Für KZ-Opfer existiert schon eine eraume Weile eine solche Vereinbarung, nämlich die us dem Jahr 1992. Diese besagt, dass derjenige, der ein albes Jahr oder länger im KZ gewesen ist, Anspruch uf eine solche Opferpension hat. Damals betrug die öhe 500 DM; das sind heute 250 Euro. Erforderlich aren die Bedürftigkeitsnachweise. Wir werden, sobald der Gesetzentwurf vorliegt, dieen im Deutschen Bundestag beraten. Jetzt kommt ein ichtiger Punkt. Wir werden eine erste Lesung und eine weite Lesung haben. Dazwischen werden wir den Geetzentwurf in den Ausschüssen beraten. Da ist jeder ufgefordert, seine Meinung einzubringen. Ich fordere usdrücklich auch die Opferverbände auf, ihre Meinunen und ihre Vorstellungen zu äußern und ihre Konzepte uf den Tisch zu legen. Ich kann den Opferverbänden olgendes versprechen – ich bin sicher, dass meine Kol egen von der SPD-Fraktion das bestätigen können –: ollten wir – immer unter der Prämisse der Gleichbeandlung der Opfer von vor 1945 mit den Opfern von ach 1945 – Spielräume übersehen oder nicht genügend usgeschöpft haben, dann sind wir gesprächsbereit. Das eld war in dieser Frage eigentlich niemals ein Krite ium, an dem wir uns orientiert haben. Das muss ich eutlich sagen. Ich bin auch den Kollegen dankbar, die a mitgezogen haben, insbesondere den Haushältern. Arnold Vaatz Wenn wir eine Regelung gefunden haben, werden wir noch vor dem Sommer dieses Jahres ein solches Gesetz, um das wir viele Jahre gekämpft haben, in Kraft setzen können. Ich hoffe, dass uns dann noch eine weitere Sache gelingt. Ein Großteil der Unzufriedenheit liegt meines Erachtens nicht in den materiellen Dingen und darin, dass jemand den materiellen Anspruch nicht hat, sondern darin, dass er in der Regel sagt, dass das Nichtvorhandensein eines materiellen Entschädigungsanspruchs gleichbedeutend ist mit dem Nichtvorhandensein eines Anspruchs auf Anerkennung der Gesellschaft für das, was er getan hat. An dieser Stelle möchte ich sagen: Diese Identität ist falsch. Sie müssen zum Ende kommen. Der Bundestag ist gerne bereit – ich hoffe, ich spreche für alle Kollegen –, über diese eine Frage, nämlich wie wir die Anerkennung der Gesellschaft für die Opfer des SED-Staates erhöhen können, zu sprechen. Ganz herzlichen Dank, dass Sie, Frau Präsidentin, die Freundlichkeit hatten, mich eine Minute länger reden zu lassen. Das Wort hat der Kollege Volker Schneider für die Linke. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei aller gebotenen und bei aller eingeforderten Ernsthaftigkeit scheint mir die jetzige Diskussion sehr durch große Worte bei kleinen Taten gekennzeichnet zu sein. Die Regierungskoalition wird sich schon daran messen lassen müssen, was sie selbst in ihrem vorliegenden Antrag als ihre Zielsetzungen formuliert hat. Da ist nachzulesen, dass die Regierungskoalition mit dem Antrag den Einsatz für Demokratie und Freiheit würdigen, Unrecht, Verfolgung und Behördenwillkür aufarbeiten, den Opfern des SED-Regimes eine späte Genugtuung geben und sie für erlittenes Unrecht entschädigen will. Ich kann dazu bereits einleitend feststellen: Ihr Antrag wird weder zu einer ernsthaften Würdigung der Leistung der Opfer führen noch einen Beitrag zur Aufarbeitung leisten und schon gar nicht den Opfern eine späte Genugtuung geben. Im Gegenteil: Für die Betroffenen wird die bittere Erkenntnis zurückbleiben – Olaf Scholz hat das richtig angesprochen –, dass es sich in vielen Fällen mehr rentiert hat, den Mund zu halten oder mitgemacht zu haben oder selbst Täter gewesen zu sein, als das Wagnis eingegangen zu sein, deutlich Position bezogen zu haben. Das ist kein gutes Signal für unsere Demokratie. e f s e v H te H B s n e d l s h G M g g le h E g r O – d F P g l g p i u n n b k s A M – (C (D Kurt Tucholsky schrieb 1921 in der „Weltbühne“: Nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr Charakter, als sich im offenen Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein. Sich im offenen Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden, twa Meinungsfreiheit oder wirtschaftliche Reformen zu ordern, erforderte in der früheren DDR einen ganz beonderen Charakter. Systematisch wurden Neinsager mit iner Reihe von Schikanen und Repressalien überzogen, on denen die im Antrag der Regierungskoalition genannte aft oft nur der finale und sichtbarste Ausdruck eines Sysms der Einschüchterung und Unterdrückung war. War es etwa leichter, Nein zu sagen, wenn einem keine aft, sondern „nur“ Zwangsumsiedlung, systematische enachteiligung in der Schule oder die sogenannten Zer etzungsmaßnahmen drohten? Sicher nicht! Die Betroffeen wussten, dass sie ein hohes persönliches Risiko ingegangen sind. Wollen Sie mit Ihrem Antrag wirklich ie – wie es der Bundesrat formuliert hat – gesellschaftiche Bedeutung des mutigen Einsatzes für eine rechtstaatliche und freiheitliche Ordnung als beispielgebend erausstellen? Eine Beschränkung der Opferrente auf efangene, zudem nur auf solche, die mehr als sechs onate inhaftiert waren, wird diesem Anspruch nicht erecht. Ebenfalls voll an Ihren eigenen Ansprüchen vorbei eht die vorgesehene Abhängigkeit der Unterstützungsistung vom Einkommen. Ich frage Sie: Welchen Status at eine Anerkennung durchlittenen Unrechts, die vom inkommensniveau der Bezugsberechtigten abhängig emacht wird? Wollen Sie den Mut dieser Menschen ehen, oder wollen Sie diese einer bisweilen demütigenden ffenlegung ihrer Einkommensverhältnisse aussetzen? (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Wo sind denn Ihre Vorschläge und Alternativen? – Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist nicht auszuhalten! Wo ist vor allen Dingen Ihre Reue? – Zuruf von der Linken: Warten Sie einmal ab!)





(A) )


(B) )

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608213000
Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1608213100

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608213200

(Beifall bei der LINKEN)

Volker Schneider (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608213300

(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Sehr richtig!)


Herr Fromme, stellen Sie doch eine Zwischenfrage;
ann beantworte ich sie Ihnen. – Was ist das für eine
orm von Anerkennung – das ist ein ganz zentraler
unkt –, wenn von noch lebenden 70 000 Betroffenen
erade einmal 16 000 erwarten können, von Ihren Rege-
ungen zu profitieren?

Die hehren Worte Ihrer Ankündigungen in der Ver-
angenheit haben leider den Auffassungen Ihrer Finanz-
olitiker Platz gemacht. So wundert es auch nicht, dass
n Ihrem Antrag die dringend gebotene Beweislast-
mkehr bei verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden
icht vorgesehen ist. Aber ich habe dankbar zur Kennt-
is genommen, dass Herr Vaatz angedeutet hat, dass hier
is zum Sommer vielleicht noch etwas geschehen
önnte.

Wer angesichts derartiger Minimallösungen davon
pricht, der demokratische Staat würdige mit diesem
ntrag die Zivilcourage und aufrechte Haltung dieser
enschen, dem kann ich den Vorwurf nicht ersparen
die Kollegin Wicklein hat sich in einer Pressemitteilung






(A) )



(B) )


Volker Schneider (Saarbrücken)

entsprechend geäußert; sie ist leider nicht mehr da –, dass
so wenig Würdigung von den Betroffenen nur als Hohn
empfunden werden kann und empfunden wird.

Eine weitere Anmerkung scheint mir in dieser De-
batte dringend geboten zu sein. Fast 17 Jahre nachdem
die frei gewählte 10. Volkskammer der DDR einstim-
mig, also auch mit den Stimmen der früheren PDS,


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja rührend!)


ein Rehabilitierungsgesetz auf den Weg gebracht hat, das
bereits einen Anspruch auf soziale Ausgleichsleistungen
vorsah, die in gesonderten Rechtsvorschriften geregelt
werden sollten, legen Sie heute wieder keine rechtlichen
Regelungen vor, sondern nur Eckpunkte. Was einen derart
langen Bearbeitungszeitraum erforderlich macht, bleibt
schleierhaft. Aufwendige Vorarbeiten können es jeden-
falls nicht gewesen sein; denn Ihr Antrag ist in weiten
Passagen wortgleich aus der Bundesratsdrucksache 425/04
vom 25. Mai 2004 abgeschrieben. Die Bewertung dieses
Vorgangs möchte ich Armin Görtz von der „Leipziger
Volkszeitung“ überlassen. Er hat geschrieben:

Dieser Entschluss von Union und SPD hat 16 Jahre
länger gedauert, als nötig und angemessen gewesen
wäre.

Ich füge hinzu: Das Ergebnis ist mehr als traurig.

Ihrem Antrag wird meine Fraktion daher nicht zu-
stimmen können. Und ich kündige bereits heute an, dass
wir, statt weitere Eckpunkte zu formulieren – die Forde-
rungen von der FDP und die weiter gehenden Forderun-
gen der Grünen gehen diesbezüglich in die richtige
Richtung –, im Zuge der Beratungen einen eigenständi-
gen Gesetzentwurf vorlegen werden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN – Maria Michalk [CDU/CSU]: Dann legen Sie Ihren Vorschlag dazu vor! – Eberhard Gienger [CDU/CSU]: Wozu kann man sich nur hergeben?)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608213400

Wolfgang Wieland hat das Wort für Bündnis 90/Die

Grünen.


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608213500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erster

Satz in dieser Rede sollte eigentlich sein: In der Frage
der Opferpensionen hat keine Fraktion Veranlassung, mit
dem Finger auf andere zu zeigen. Schwarz-Gelb unter
Helmut Kohl hat es nicht hinreichend geschafft; Rot-
Grün unter Gerhard Schröder hat es nicht hinreichend
geschafft. Es ist tatsächlich, wie Arnold Vaatz formuliert
hat, nicht der Tag der Polemik, sondern der Tag eines
selbstkritischen Nachdenkens.

Nur eines muss ich zu Ihnen von der PDS sagen.


(Zuruf des Abg. Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE])



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(C (D Da hießen Sie noch SED – Partei des Demokratischen ozialismus. – In dieser Phase haben Sie ihr Parteiverögen systematisch beiseitegeschafft, ins Ausland trans eriert, schwarze Kanäle geleitet und waren nicht bereit, auch ur eine Mark für so etwas wie einen Täter-Opfer-Ausleich zur Verfügung zu stellen. Das hätten Sie tun sollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Abg. Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


a können Sie hier nicht von kleinen Taten reden und
ich zum Chefankläger machen. Nicht erheblich haben
ie das, worüber wir heute reden, verursacht;


(Jan Korte [DIE LINKE]: Zwischenfrage!)


ie haben es insgesamt verursacht.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Ausschließlich!)


arüber kann kein Namenswechsel hinwegtäuschen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608213600

Herr Kollege Wieland, möchten Sie eine Zwischen-

rage zulassen?


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608213700

Nein, keine Zwischenfrage von der Linkspartei, frü-

er PDS, davor SED.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das muss man doch auch einmal sagen dürfen. Es
eißt immer Rechtsnachfolger. Wenn ich meinen Namen
ndere, bin ich doch nicht mein eigener Rechtsnachfolger,
ondern habe nur einen neuen Namen.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Zweite Vorbemerkung, zum Kollegen Vaatz. Den Satz
on Bärbel Bohley höre ich nicht gern, muss ich Ihnen
agen,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


eil immer mitschwingt: Wir haben nur den Rechtsstaat
ekommen. Das Ringen um Gerechtigkeit müssen wir
ls Parlament leisten, müssen die Gerichte leisten; aber
er Rechtsstaat ist die Form, in der es ausgetragen wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


illionen Menschen wären froh, sie hätten diese Form.
uch in der DDR gab es nicht die Möglichkeit, auch nur






(A) )



(B) )


Wolfgang Wieland
einen Staatsakt vor Gericht anzugreifen. Es gab die Ver-
waltungsgerichtsbarkeit nicht.

Jetzt zum Thema. Nach wie vor geht der bittere Satz
um – ich zitiere –: „Die Täter erhalten eine Rente, und
die Opfer erhalten einen Gedenkstein.“ Nach wie vor er-
hält der am 17. Juni eingesperrte Bauarbeiter von der da-
maligen Stalinallee eine geringere Altersentschädigung
als die Häscher, die ihn seinerzeit eingesperrt haben. Das
muss aufhören.

Was heute von der Großen Koalition als Eckpunkte
vorgelegt worden ist, würdige ich durchaus. Das ist ein
erster Schritt. Aber wir sagen: Das greift zu kurz. Das
kann noch nicht alles gewesen sein. Hier muss in der Be-
ratung Weiteres kommen. Hier muss nachgebessert wer-
den.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Punkte wurden zum Teil schon genannt. Wer wie
die Union hier im Hause und in den Landtagen jahrelang
von 500 Euro spricht, hat Erwartungen geweckt, die jetzt
mit 250 Euro nicht erfüllt werden. Natürlich ist eine
Sechsmonatsfrist für die Haft zu hinterfragen. Jeder
weiß, dass auch eine kürzere Haft, insbesondere unter
Bedingungen wie denen im Stasiknast in Hohenschön-
hausen, Menschen zerstört hat. Auch Opfer von Zerset-
zungsmaßnahmen sind hier einzubeziehen. Sie sind bei
der Birthler-Behörde dokumentiert. Da kann man nicht
sagen, das ist zu unbestimmt. Auch hier ist noch eine
Lücke.

Die Bedürftigkeitsprüfung – das wurde hier schon
gesagt – ist die Regelung, die bei den Betroffenen das
größte Unbehagen, den größten Protest hervorgerufen
hat. Wir sagen: Auch das kann so nicht bleiben. Diese
Bedürftigkeitsprüfung muss raus bzw. sie darf erst gar
nicht in den Gesetzentwurf rein.

Bei den Fristen, die Sie verlängern wollen, ist zu fra-
gen: Kann man nicht zu einer Entfristung kommen, zu
einem Verzicht auf Fristen? Gerade dann, wenn man im-
mer gezwungen ist, noch einmal zu verlängern, noch
einmal zu verlängern, noch einmal zu verlängern, ist zu
fragen: Geht es denn nicht ohne?

Wir brauchen die Erleichterung der Darlegung von
Gesundheitsschäden, und wir brauchen die Öffnung des
Häftlingshilfegesetzes für die von der Roten Armee ver-
schleppten Zivilpersonen, insbesondere für die zur
Zwangsarbeit verschleppten Frauen.

Zum Schluss Folgendes: Am Montag – Sie wissen es –
erhielt der Film „Das Leben der Anderen“ in Hollywood
einen Oscar. Es wurde kritisiert, dass es in der Realität
auch nicht einen Stasioffizier gegeben hat – jedenfalls ist
keiner dokumentiert –, der so gehandelt hat wie die Person
im Film. Das will ich einmal dahingestellt sein lassen.
Wir alle hier werden für die Leistung der nunmehr sich
nähernden Opferpension keinen Oscar mehr erringen.
Aber es darf auch nicht so sein – es darf wirklich nicht
so sein –, dass die Betroffenen, die Opfer am Ende den
Eindruck haben, dass sie hier nur einen Trostpreis erhalten.
Darüber sollten wir nachdenken. Wir sollten zu besseren

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(C (D rgebnissen als denen kommen, die heute von Ihnen orgeschlagen worden sind. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608213800

Mir liegen jetzt zwei Anmeldungen zu Kurzinterven-

ionen vor: von Herrn Schneider, der sich auf Herrn
ieland beziehen möchte, und von Herrn Vaatz, der sich

uf Herrn Schneider beziehen möchte. Ich würde Sie
erne in dieser Reihenfolge sprechen lassen, zunächst
itte der Kollege Schneider.


Volker Schneider (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608213900

Danke sehr, Frau Präsidentin. – Herr Kollege
ieland, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass

hr Vorwurf eine ganze Reihe meiner hier anwesenden
raktionskolleginnen und -kollegen in keiner Weise

rifft.


(Lachen bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Wo sind die anderen?)


Es wäre nett, wenn Sie einfach einmal zuhörten.

Ich kann zum Beispiel für meine Person sagen: Ich
in Saarländer; ich komme aus Saarbrücken. Es wird Ih-
en schwerfallen, mir eine persönliche Verantwortung
uzuschieben. Dasselbe gilt für die, die aus dem Osten
ommen: Katja Kipping beispielsweise war 1989
1 Jahre alt. Ich glaube, auch bei ihr wird es Ihnen
chwerfallen, eine persönliche Schuld zu konstruieren.

Im Übrigen bin ich einigermaßen verwundert. Die
rühere PDS hat sich intensiv mit ihrer Vergangenheit
useinandergesetzt und eine ganze Reihe von Entschei-
ungen getroffen. Ich habe mich nun wahrhaftig bemüht,
ich jeglicher Polemik zu enthalten. Ich habe gesagt:
ir, der Bundestag insgesamt, müssen die Opfer und

hre Situation ernster nehmen. Das ist ein Hinweis da-
auf, wie wir uns mit diesen Dingen auseinandersetzen.

Ich verstehe auch einige Empörung in diesem Hause
icht, insbesondere aus einigen Ecken erscheint sie mir
ehr zweifelhaft. Zum Beispiel können die lieben Freun-
innen und Freunde von der CDU/CSU-Fraktion gerne
inmal einen Nachweis darüber führen, dass sie sich in
hnlicher Art und Weise mit ihrer Vergangenheit bzw.
it der Vergangenheit ihrer Blockflötenpartei auseinan-

ergesetzt haben.


(Beifall bei der LINKEN – Katja Kipping [DIE LINKE]: Wer zu DDR-Zeiten Karriere machen wollte, ist zur Block-CDU gegangen!)


ch würde mich mit solchen Äußerungen tunlichst zu-
ückhalten.

Besten Dank.






(A) )



(B) )


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608214000

Zur Antwort Herr Wieland, bitte.


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608214100

Herr Kollege, ich habe von Ihrer Partei gesprochen;

ich habe keine Namen genannt. Ich hätte es für wesent-
lich näherliegend gehalten, wenn zu dieser Frage Ihr
Parteivorsitzender Lothar Bisky oder Ihr Fraktionsvor-
sitzender Gregor Gysi Stellung genommen hätte, weil
sie aus eigenem Wissen und eigener Aktivität einen ganz
anderen Einblick in die Verhältnisse in der DDR als Sie
haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Was denn konkret?)


– Was denn konkret? Ich sprach vom Verbringen Ihres
Parteivermögens, dokumentiert in etlichen Strafprozes-
sen und in dem, was die Kommission uns vorgelegt hat,
während Sie im Innenausschuss – entschuldigen Sie,
Herr Kollege – nur blöde gegrinst haben, als vorgetragen
wurde, dass Millionenwerte nicht mehr aufgespürt wer-
den konnten. Mit diesen Mitteln hätte man eine Menge
für die Opfer tun können. Dem haben Sie sich entzogen,
und dem entziehen Sie sich bis zum heutigen Tage.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608214200

Jetzt hat der Kollege Vaatz das Wort zu einer Kurz-

intervention.


Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1608214300

Herr Kollege Schneider, mit den verfolgungsbeding-

ten Gesundheitsschäden meinen wir Gesundheitsschä-
den, die durch die Verfolgung durch die SED entstanden
sind, als deren Rechtsnachfolger Sie heute gesprochen
haben. Sie haben nicht für sich als Saarländer, der mit
der ganzen Geschichte nichts zu tun hat, gesprochen,
sondern für Ihre Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ihre Rede hat sich angehört – das ist die Realität –, als
beschwerte sich der Brandstifter bei der Feuerwehr, dass
sie beim Löschen über die Tulpenbeete gelaufen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich darf Ihnen sagen und möchte es einer Reihe von
Kollegen mit auf den Weg geben: Ich hätte mich sehr ge-
freut, wenn zum Beispiel die Grünen oder die PDS in
den letzten zehn Jahren versucht hätten, die Opferpen-
sion aufzustocken. Dazu ist es nicht gekommen.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nächtelang haben wir darüber geredet! Fragen Sie nach!)


Ganz im Gegenteil: Wir standen eine Zeit lang alleine
da.

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(C (D Ich wollte aber über diese Angelegenheit jetzt nicht treiten, sondern nur sagen, dass Sie keinen Grund haen, aufgrund der Tatsache, dass Sie jetzt in der Opposiion sitzen und nicht mehr regieren, einen Überbietungsettbewerb zu veranstalten. Das halte ich gemessen an em, was früher hier besprochen worden ist, nicht für leitim. Das muss man ganz deutlich sagen. Eine letzte Bemerkung zum Rechtsstaat. Ich habe das ort „nur“ nicht verwendet. Ich bin der Meinung, dass as Parlament ein Bestandteil des Rechtsstaates ist. enn die Gefahr besteht, dass die Gerechtigkeit und das, as der Rechtsstaat im Augenblick leistet, auseinanderriften, dann muss das Parlament aktiv werden, um diese eiden Dinge so weit wie möglich wieder in Einklang zu ringen. Das war der Sinn dieses Zitats. Herr Schneider, möchten Sie antworten? – Bitte chön. Es gehört dazu, dass man auf solche Einwürfe ant orten darf. Ich mache das aber ganz kurz. Ich mache mir überhaupt keine Illusion darüber, dass s völlig gleichgültig gewesen ist, in welcher Art und eise irgendein Redner oder eine Rednerin meiner raktion hier geredet hat: Die Reaktion wäre ausgefalen, wie sie ausgefallen ist. Ich wiederhole hier allerings: Wir haben uns in der Vergangenheit intensiv mit iesen Dingen auseinandergesetzt. Wenn Sie im Protooll nachlesen, dann werden Sie feststellen, dass wir uns uch sehr intensiv mit dem Leid, das den Opfern zugeügt wurde, auseinandergesetzt haben. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass Sie gerade wegen es Unrechts, das dort geschehen ist und das ich überaupt nicht weggeredet habe – das sollte Ihnen auch aufefallen sein –, an zwei Stellen vielleicht noch einmal orrekturen vornehmen sollten, nämlich dort, wo es um ie Einkommensanrechnung geht, und dort, wo nur die aft als Kriterium herangezogen wird. Ich denke, hie über sollten wir auch im Interesse der Opfer doch noch inmal nachdenken. Jetzt hat der Kollege Markus Meckel für die SPD raktion das Wort. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen nd Kollegen! Es ist gut, dass wir heute in dieser Entchlossenheit zusammengekommen sind, um deutlich zu achen, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten n möglichst großer Breite einen Gesetzentwurf einbrinen werden, um die Situation der Opfer des Kommunisus zu verbessern. Wir alle wissen, dass das dringend ötig ist. Opfer von Diktaturen haben es in Deutschland – nicht ur in Deutschland – auch nach der Zeit der Diktatur Markus Meckel schwer. Das gilt gerade im Vergleich mit den Tätern; denn Angehörige der Täterorganisationen – das sind in Diktaturen normalerweise ja staatliche Organisationen – haben wegen der Trennung von Sozialund Strafrecht das Recht, alle sozialen Rechte in einem Sozialstaat in Anspruch zu nehmen. Wir haben dies in der Weise erlebt, wie Herr Vaatz das eben dargestellt hat. Deshalb gibt es natürlich diese Schwierigkeit, da die Opfer aufgrund ihrer Biografie oft nicht die Chance hatten, eine entsprechende Würdigung zu erfahren. Es war oft ein sehr schwieriger Prozess – das gilt für beide Diktaturen –, den Opfern zu ihrem Recht zu verhelfen. Wir haben sehr darauf zu achten – das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit der Demokratie –, dass die Entschädigung nicht nach Kassenlage geschieht. Bei der Entschädigung für die Opfer des Nationalsozialismus war das ein jahrzehntelanger Weg. Wir erinnern uns, dass wir erst im Jahre 2000 die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ geschaffen haben. Das war 55 Jahre nach dem Krieg. Zum anderen – weniger bekannt – gab es im Oktober 1992 – das ist schon angesprochen worden – eine Sondervereinbarung des Bundesfinanzministers mit der Jewish Claims Conference, in der übrigens im Unterschied zu dem, was vorher üblich war und in anderen Bereichen üblich ist – es war also gewissermaßen ein Systembruch –, monatliche Beihilfen für bedürftige jüdische Opfer des Nationalsozialismus beschlossen wurden. Das war ein wesentlicher Schritt. Nichtjüdische Opfer blieben übrigens außen vor. Diese Regelung war nun das Muster für das, was wir heute hier gemeinsam beschließen, um die Situation der Opfer zu verbessern. Dass dringend etwas für die Opfer des Kommunismus getan werden muss, ist seit Jahren klar. Ich bin sehr dankbar, dass Frau Leutheusser-Schnarrenberger noch einmal auf die Rede von Bundespräsident Rau verwiesen hat, in der er dies auch entsprechend deutlich gesagt hat. Aber auch die Situation der Opfer des Kommunismus nach 1990 war von einer Schieflage gekennzeichnet. Erinnern wir uns an die Situation Anfang der 90er-Jahre zurück: Damals hat der Deutsche Bundestag mit den entsprechenden Mehrheiten Gesetze geschaffen, die dafür sorgten, dass gerade diejenigen, die an Eigentum und Vermögen Unrecht erlitten hatten, durchaus sehr gut dastanden. Wir haben hier Millionensummen an Entschädigung bezahlt. Mit Geldern für diejenigen, die an Leib und Leben litten, waren wir sehr viel knausriger. Erst Rot-Grün hat 1999 deutliche Verbesserungen beschlossen und die Höhe der Kapitalentschädigung angepasst. Heute gehen wir einen weiteren großen Schritt, indem wir der eben genannten Regelung folgen und monatliche Zahlungen für Opfer des Kommunismus vorsehen. Es schien in den letzten Jahren undenkbar zu sein, dass wir uns darauf einigen könnten. Ich bin sehr dankbar, dass das möglich geworden ist. Deshalb sollte man dies auch nicht kleinreden. Gewiss, manches ist im Gesetzgebungsverfahren noch zu ändern. Darüber ist hier gesprochen worden. Be s K t S f g ä b w s w d J m h v d n P m o w e n v a S d s d V f g e s n s d b R a u w u v g d F (C (D onders wichtig ist es – das haben wir ja auch in unsere oalitionsvereinbarung geschrieben –, dass wir Erleich erungen bei der Anerkennung von gesundheitlichen chäden vorsehen. Damit könnten wir miteinander daür sorgen, dass würdig mit den Betroffenen umgeganen wird. Die Art und Weise, wie auf den Versorgungsmtern manchmal mit den Opfern umgegangen wird, ringt diese – das muss man einfach so sagen – schlichteg in eine unwürdige Situation. Diesen Zustand müs en wir beenden. Ich denke auch an Schüler, die in der DDR verfolgt urden, ins Gefängnis kamen und dann freigekauft wuren. Wenn diese nun in der Bundesrepublik in den 80erahren studierten und BAföG in Anspruch nahmen – daals wurde BAföG nur als Kredit gewährt –, häuften sie ohe Schuldensummen auf, die sie zum Teil bis heute or sich her schieben. Es sind zwar wenige, aber auch as ist ein wichtiger Punkt. An dieser Stelle könnten wir ämlich alleine durch eine Stichtagsänderung etwas zum ositiven verändern. Ich glaube, das sollten wir tun. Auch ich verstehe manche Kritik, die geübt wird. Ich uss gestehen, auch ich selber hätte mir an der einen der anderen Stelle Änderungen oder etwas mehr geünscht. So stellt zum Beispiel die Tatsache, dass wir in halbes Jahr und zehn Jahre Haft quasi gleichsetzen, atürlich ein Problem dar, vor dem man nicht die Augen erschließen sollte. Ich hätte mir auch gewünscht, für lle Betroffenen ohne Prüfung der Bedürftigkeit einen ockelbetrag vorzusehen und diesen dann je nach Beürftigkeit aufzustocken. Auch das hätte mir, wie ich getehen muss, besser gefallen. Wir alle wissen aber, dass as nicht drin war, insbesondere deswegen nicht, um die erhältnismäßigkeit zu den Entschädigungsleistungen ür NS-Opfer zu wahren. Wenn es uns allerdings gelunen wäre, in diesem Zusammenhang zugleich auch noch twas für die NS-Opfer zu tun, wäre das auch nicht chlecht gewesen; denn zu gut geht es denen wahrhaftig icht. Nichtsdestotrotz stellt das Ergebnis, das wir gemeinam erzielt haben, einen wichtigen und großen Schritt ar. Deshalb sollten wir gemeinsam entschlossen die Areit an diesem Gesetzentwurf aufnehmen. In diesem ahmen sollte dann natürlich, wie schon angesprochen, uch eine Anhörung mit den gesellschaftlichen Gruppen nd Opferverbänden durchgeführt werden. Wenn irgendie möglich, sollten wir diesen großen Schritt, den wir ns vorgenommen haben, noch vor der Sommerpause, ielleicht sogar schon bis zum 17. Juni, in Gesetzesform ießen. Damit würde dann endlich eine Verbesserung er Situation der Opfer eintreten. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608214400
Volker Schneider (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608214500
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608214600
Markus Meckel (SPD):
Rede ID: ID1608214700




(A) )


(B) )


(Iris Gleicke [SPD]: So war das!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608214800

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
raktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
16/4167 mit dem Titel „Unterstützung für die Opfer
der SED-Diktatur – Eckpunkte für ein Drittes SED-
Unrechtsbereinigungsgesetz“. Wer stimmt für diesen
Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Koalition
gegen die Stimmen von FDP und Linksfraktion bei Ent-
haltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen an-
genommen.

Tagesordnungspunkt 6 b sowie Zusatzpunkt 15. Inter-
fraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den
Drucksachen 16/4404 und 16/4409 an die in der Tages-
ordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Da-
mit sind Sie offensichtlich einverstanden. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.

Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 7 a und 7 b
auf:

7 a)Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Bericht der Bundesregierung über den Stand
des Ausbaus für ein bedarfsgerechtes Angebot
an Kindertagesbetreuung für Kinder unter
drei Jahren 2006

– Drucksache 16/2250 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Diana
Golze, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Kindertagesbetreuung für Kleinstkinder so-
fort ausbauen und Qualität verbessern

– Drucksache 16/4412 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

Zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung liegt
ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor.

Zwischen den Fraktionen ist verabredet worden,
hierzu eine Dreiviertelstunde zu debattieren. – Dazu
höre ich keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als Erster
der Kollege Johannes Singhammer für die CDU/CSU-
Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1608214900

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Uns liegen die Kinder in Deutschland am Her-
zen. Wir stehen an der Seite der Mütter und Väter, die
Kinder erziehen. Mein Dank, mein Respekt und meine
Hochachtung gelten den 12,6 Millionen Eltern in

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(C (D eutschland, von denen viele ihre Kinder in der Frühe ecken, das Frühstück bereiten und liebevoll da sind, ann immer es nötig ist. Meine Sorge gilt einer Mindereit von Kindern, die weder ausreichendes Frühstück beommen noch genügend Liebe, weil die Eltern überforert und dazu nicht in der Lage sind. Wir wollen, dass die Eltern selbst entscheiden, wie ihr ind betreut wird, ob zu Hause, in der klassischen Einerdienerfamilie, ob durch Großeltern, wer das Glück at, ob durch selbstorganisierte Kinderbetreuung mit Taesmüttern oder eben in Kinderkrippen. Für uns steht die ahlfreiheit an erster Stelle. Wahlfreiheit bedeutet, auswählen zu können. Wenn ütter und Väter berufstätig sind und Kinder haben, ann fehlt vielfach die Wahlfreiheit; dann ist häufig die öglichkeit, Familie und Beruf zu verbinden, nicht ge eben. Wir wollen eine bessere Vereinbarkeit von Famiie und Beruf und haben deshalb das Elterngeld gestartet. s ist folgerichtig, dass mit dem Auslaufen des Bezugs es Elterngeldes Sicherheit hinsichtlich der Betreuung egeben wird. Deshalb sage ich ein ganz klares Ja zu ehr Betreuungsmöglichkeiten für unter Dreijährige. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Ina Lenke [FDP]: Das kommt aber sehr spät!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Allerdings darf es keine Einbahnstraße der Betreuung
eben. Wir setzen auf Vielfalt und auf individuelle Frei-
eit bei der Kinderbetreuung.


(Zuruf von der SPD: Wir auch!)


ahlfreiheit heißt deshalb auch, dass Mütter und Haus-
rauen, die für eine gewisse Zeit oder dauerhaft auf Be-
ufstätigkeit verzichten und sich um ihre Kinder küm-
ern


(Ina Lenke [FDP]: Väter auch!)


auch Väter, selbstverständlich –, die notwendige Aner-
ennung erfahren und nicht als die letzten Trottel abqua-
ifiziert werden.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso behaupten Sie so was? Das findet doch gar nicht statt!)


amilienarbeit, Tag und Nacht für Kinder da zu sein, ist
icht ewig währender Urlaub, sondern ein Hochleis-
ungsjob, der eigentlich eine eigene Förderung verdient
ätte.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


er auf Formularen in der Spalte „Beruf“ Hausfrau ein-
rägt,


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder Hausmann!)


oll nicht befürchten müssen, müde belächelt zu werden,
ondern zu Recht erwarten dürfen, dass ihm achtungs-
oll auf die Schulter geklopft wird.






(A) )



(B) )


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608215000

Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Miriam Gruß zulassen?


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1608215100

Aber sehr gerne.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608215200

Bitte schön.


Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1608215300

Lieber Herr Singhammer, es ist sehr schön, was Sie

uns da erzählen. Ich wollte nur nachfragen, ob Sie zu
dem, was Sie uns hier berichten, wirklich die Zustim-
mung Ihrer ganzen Fraktion finden, insbesondere Ihrer
bayerischen Kollegen.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Selbstverständlich! Alle!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1608215400

Frau Kollegin Gruß, herzlichen Dank für diese Nach-

frage hinsichtlich der Befindlichkeit der bayerischen
Kollegen. Ich kann Ihnen versichern, dass die Befind-
lichkeit gut ist, dass wir uns alle hinter dem Motto der
Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung versammeln kön-
nen, dass das für uns in der Tat die wichtigste Vorausset-
zung ist und dass wir daran exakt unsere weitere Politik
in Bezug auf die Kinderbetreuung ausrichten werden.


(Ina Lenke [FDP]: Wo bleibt der Beifall? – Beifall bei der CDU/CSU)


– Vielen Dank, Frau Kollegin Lenke. Aber es handelt
sich um eine Selbstverständlichkeit.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: So ist es!)


Insofern hat sich der Beifall nicht unbedingt aufge-
drängt.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fasching ist vorbei!)


Wir wollen nicht – um beim Stichwort Wahlfreiheit
zu bleiben –, dass Eltern in ein bestimmtes Betreuungs-
modell gedrängt werden. Der vorliegende Bericht zum
Stand des Ausbaus der Kindertagesstätten zeigt im Übri-
gen klar, dass es einen erheblichen Ausbau des Angebots
gegeben hat und dass das Ausbauziel für 2010 von rund
230 000 neuen Plätzen erreichbar ist.

Die Finanzierung ist der nächste Punkt. Lassen Sie
mich dazu einiges klarstellen. Die Finanzierung darf in
ihren Wirkungen nicht unterschiedlich sein für Familien
mit Kindern im Vorschulalter und für Familien, deren
Kinder zur Schule gehen. Deshalb halte ich wenig da-
von, dass es beim Kindergeld eine Durststrecke gibt.
Dann wäre einer der Effekte, dass die Eltern mit schul-
pflichtigen Kindern letztlich die Eltern mit Kindern bis
zu sechs Jahren über eine Art Umlage finanzieren wür-
den. Deshalb sollten wir auch bei der Frage vorsichtig
sein, ob eine Veränderung beim Ehegattensplitting für
eine Finanzierung geeignet ist.

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(C (D (Nicolette Kressl [SPD]: Das hat Ihre Ministerin so gesagt! – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Umfinanzierung innerhalb der Familien schlagen Sie vor!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608215500

Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Deligöz zulassen?


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1608215600

Aber gerne.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608215700

Herr Singhammer, habe ich Sie jetzt richtig verstan-

en, dass Sie der Meinung sind, dass die Finanzierung
er Eltern, deren Kinder in die Schule gehen, der Finan-
ierung der Eltern gleichgestellt sein muss, deren Kinder
n den Kindergarten gehen? Heißt das im Um-
ehrschluss, dass alle Kindergartenplätze, da der Besuch
er Schulen in Deutschland kostenlos ist, kostenfrei sein
üssen? Heißt das weiterhin, dass alle Kinder im Kin-

ergartenalter, da es ja eine Schulpflicht gibt, einen An-
pruch auf einen Kindergartenplatz haben und wir flä-
hendeckend Ganztagskindergartenplätze schaffen
üssen?


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1608215800

Liebe Frau Kollegin Deligöz, Ihre Prämisse war nicht

ichtig und deshalb stimmte auch der Umkehrschluss
icht.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie haben doch gesagt, sie sollen gleichgestellt werden!)


Ich habe gesagt: Wenn die durch eine Durststrecke
eim Kindergeld erzielte Einsparung ausschließlich für
ine verbesserte Infrastruktur bei der Betreuung von un-
er Sechsjährigen verwandt wird, dann haben natürlich
iejenigen Eltern, deren Kinder in die Schule gehen, we-
ig davon. Aber auch da wird die finanzielle Decke im-
er dünner. Manchmal kann schon ein Schulausflug zu

iner enormen finanziellen Belastung werden.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


as ist der Hintergrund meiner Überlegung. Deshalb
eine ich, dass eine Durststrecke oder eine längere Eis-

eit beim Kindergeld für eine Finanzierung nicht geeig-
et ist.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Kindergeld ist doch für alle gleich! Da spielt das Alter des Kindes keine Rolle!)


Frau Kollegin Deligöz, ich darf angesichts Ihrer Frage
och einen anderen Punkt ansprechen. Die Grünen ha-
en in ihrem Wahlprogramm für 2005 formuliert, dass
ahlfreiheit ein elitärer Begriff der Freiheit sei. Lassen

ie mich dazu sagen: Für uns ist Wahlfreiheit nicht eli-
är, sondern selbstverständlich. Unser Familienbild ist
eprägt von Zutrauen und nicht von Misstrauen gegen-






(A) )



(B) )


Johannes Singhammer
über den Eltern. Wir vertrauen den Eltern und glauben,
dass sie das Beste für ihre Kinder wollen. Das ist der Un-
terschied.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Lassen Sie mich zur Finanzierung noch eine Bemer-
kung machen. Das Ehegattensplitting, reduziert auf ein
Realsplitting, ist kein Dukatenesel. Im Gegenteil: Auch
hier würden die Familien wiederum einen großen Teil
der Erträge selbst finanzieren.


(Nicolette Kressl [SPD]: Es geht um die Höherverdienenden!)


Dies ist insbesondere für ältere Mütter ein Problem
– Frau Kollegin Kressl, auch Sie wissen das –, die auf-
grund ihrer Erwerbsbiografie nur wenig für ihr Alter
vorgesorgt haben, weil sie sich vollständig und dauerhaft
der Kindererziehung gewidmet haben.


(Nicolette Kressl [SPD]: Das ist nicht richtig!)


Wenn im Alter der Mann ein relativ hohes Einkom-
men hat, die Frau aber aufgrund ihrer Lebensbiografie
ein relativ geringes oder gar kein Einkommen hat und
der Splittingvorteil im Nachhinein noch entfiele, dann
wäre das kein Zugewinn an Gerechtigkeit und damit
kein Zugewinn für die Familien.

Der richtige Weg im Hinblick auf die Finanzierung ist
zunächst einmal – auch das darf ich sagen; in diesem
Punkt sind wir uns in der Koalition einig –,


(Ina Lenke [FDP]: Na, das ist doch schon etwas!)


die Finanzmittel, die durch geringere Kinderzahlen frei
werden, dafür einzusetzen. Ich denke, da gibt es – leider
und unfreiwillig – einen gewissen Spielraum.


(Ina Lenke [FDP]: Das lässt sich ja gar nicht verhindern!)


Dann können wir natürlich auch mit der Einsparung
von Bürokratiekosten einiges bewegen. Wir haben uns
in der Großen Koalition entschlossen, die bestehenden
145 Familienleistungen auf den Prüfstand zu stellen, zu
lichten und auf einige breite Straßen zu bündeln. Der ad-
ministrative Ertrag durch das Weniger an Bürokratie
wird neue Spielräume eröffnen. Diese können wir für die
Finanzierung einsetzen.

Wir haben das Elterngeld in dieser Großen Koalition
innerhalb weniger Monate auf den Weg gebracht.


(Ina Lenke [FDP]: Das war ja auch Murks!)


Wir werden auch eine gute Kinderbetreuung auf den
Weg bringen, und wir werden insbesondere dafür sor-
gen, dass die Wahlfreiheit, der Respekt und die Hoch-
achtung denjenigen Eltern gegenüber, die sich für eine
andere Weise, nämlich die traditionelle Weise, der Kin-
derbetreuung entschieden haben, zu jeder Zeit gewahrt
bleiben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D Für die FDP-Fraktion kommt jetzt die Kollegin Ina enke an die Reihe. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fa ilienpolitik der vorherigen SPD-Grünen-Regierung nd der Großen Koalition ist bis heute nicht dem gesellchaftlichen Wandel der Familie gerecht geworden. as zeigt der Bericht der Bundesregierung zum Ausbau er Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Hier fehlt s an marktwirtschaftlichen Konzepten und ganz besoners an der gemeinsamen Finanzierung durch Bund, änder und Gemeinden. Meine Damen und Herren von der Koalition und geade von der SPD, Sie können sich vielleicht noch an die uftbuchung von 1,5 Milliarden Euro erinnern, die den ommunen ab 2005 im Rahmen der Zusammenlegung er Arbeitslosenund Sozialhilfe zur Verfügung gestellt erden sollten. Die Kommunen hat dieses Geld nicht er eicht. Deshalb haben sich Frau Kressl und andere jetzt usammengesetzt, um neue Finanzierungstöpfe aufzuachen. Das ist ganz eindeutig so. Die Quittung haben Sie bekommen. Denn die Betreung der unter Dreijährigen hat nach der Verabschiedung es TAG, des Tagesbetreuungsausbaugesetzes, nur unesentlich zugenommen. In den westlichen Bundeslänern können derzeit nur acht von 100 Kindern in Betreungseinrichtungen aufgenommen werden. Wer kleine inder hat, weiß, dass der Tagesmütterund -vätermarkt otal leergefegt ist. Die Schwarzarbeit blüht. Qualifiierte Tagesmütter sind kaum zu akquirieren. Was haben Sie bei der Steuergesetzgebung gemacht? ie Kosten für Au-pair-Kräfte, die nachweislich einen eil ihrer Arbeitszeit mit der Kinderbetreuung ausfüllen, önnen immer noch nicht von berufstätigen Eltern als erbungskosten von der Steuer abgesetzt werden. Frau ressl, das wäre ein wirklich guter Merkpunkt für die roße Koalition. Auch Herr Singhammer hat das neue Elterngeld geobt. Herr Singhammer, gerade das Elterngeld hat die Siuation im Hinblick auf die Betreuung der unter Dreijähigen verschärft. Im Ansatz stimme ich Ihnen und der roßen Koalition zu – das macht die FDP –: Es ist wich ig und richtig gewesen, die Elternzeit finanziell abzufeern. Aber dies war kein großer Wurf; das haben wir in en letzten Monaten sehr deutlich gesehen. Denn nach er einjährigen Zahlung des Elterngeldes wird es zu eier Betreuungsfalle kommen. Dies wird ab dem . Januar 2008 so sein. Ich möchte gerne von Ihnen wisen, wie Sie so schnell eine staatliche Kinderbetreuung ufbauen werden. Daher sage ich: Beim Elterngeld hat as Gesamtkonzept gefehlt. Dazu gehörte auch die anchließende Betreuung. (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608215900

(Beifall bei der FDP)

Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1608216000

(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Ina Lenke
Am Montag hat nun der Koalitionspartner SPD einen
Finanzierungsvorschlag vorgelegt. Ich begrüße es außer-
ordentlich, dass Teile der Bundesregierung ein Konzept
zur Finanzierung, das diese vor der Wahl versprochen
hat – ich habe gehört, es hat ein halbes Jahr gedauert; Sie
haben sehr intensiv gearbeitet –, am Montag vorgelegt
haben.

Sieht man sich aber die Vorschläge genauer an – dafür
bin ich aus der Opposition da –, kommt zum Vorschein,
dass Familien Familien finanzieren sollen:

Erstens. Der Betreuungs- und Erziehungsfreibetrag
bei der Einkommensteuer soll gekappt werden.

Zweitens. Das Kindergeld soll nicht steigen, sondern
gedeckelt werden. Sie wissen doch und auch die Bevöl-
kerung muss wissen, dass es sich dabei um die Steuer-
freiheit für die Lebenshaltungskosten von Kindern han-
delt. Das Bundesverfassungsgericht achtet sehr darauf,
dass die Steuerfreiheit die – ja an das Kindergeld gekop-
pelt ist – für Familien in diesem Bereich gewährleistet
ist.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608216100

Frau Lenke, die Kollegin Kressl würde Ihnen gerne

eine Frage stellen. Lassen Sie diese zu?


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1608216200

Gerne.


Nicolette Kressl (SPD):
Rede ID: ID1608216300

Sehr geehrte Frau Lenke, ich habe immer gehofft, wir

würden uns einmal gegenseitig keine Zwischenfragen
stellen. Ich muss Sie jedoch bitten, zu sagen, ob Sie sich
das Konzept wirklich genau angesehen haben. Wenn Sie
es sich angesehen hätten, hätten Sie gemerkt, dass die
moderate Senkung beim Freibetrag, die wir vorschla-
gen, überhaupt nichts mit den Lebenshaltungskosten zu
tun hat. Es gibt zwei Freibeträge, einen, um das Exis-
tenzminimum zu sichern – den lassen wir unangetastet –,
und einen Pauschalbetrag, der nichts mit der Sicherung
des Existenzminimums und der Deckung der Lebenshal-
tungskosten zu tun hat. Deshalb möchte ich Sie fragen,
weshalb Sie das hier behaupten, obwohl es doch defini-
tiv anders ist.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1608216400

Ich weiß sehr wohl, dass verschiedene Abgeordnete

der SPD immer wieder fordern, das Kindergeld zu kür-
zen oder zumindest zu deckeln, also die nächste Erhö-
hung nicht stattfinden zu lassen.

Sie haben mich zu etwas anderem gefragt, was Sie
gerne kürzen wollen, und zwar den Betreuungs- und Er-
ziehungsfreibetrag. Auch dieser ist aufgrund der Vorga-
ben des Bundesverfassungsgerichts eingeführt worden.


(Nicolette Kressl [SPD]: Aber nicht die Höhe!)


– Aber nicht die Höhe. Ich glaube, dass auch die alte
Bundesregierung sehr genau darauf geachtet hat, dass
der Betrag nicht zu hoch ist. Ich schaue mir Ihr Konzept

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(C (D iesbezüglich gerne noch einmal genauer an und würde ann auch mit Ihnen darüber sprechen. Drittens. Das Ehegattensplitting. Schon jetzt erhalen Verheiratete, von denen einer zu Hause bleibt, vom taat eine jährliche Steuerersparnis in Höhe von circa 000 Euro. Das Gleiche gilt auch für Verheiratete ohne inder. Durch die neue Reichensteuer, die die SPD eineführt hat, steigt die Steuerersparnis für gut Verdieende und Millionäre durch das Ehegattensplitting auf is zu 15 414 Euro jährlich. Das verstehe ich nun überaupt nicht, Frau Kressl, weil die SPD seit Jahren in der ffentlichkeit gegen das ungerechtfertigte Ehegatten plitting wettert. Diesen Schuh müssen Sie sich anzieen. Wie zuvor der Kollege Singhammer bin auch ich der einung, dass Familien nicht Familien finanzieren dür en. Von der CDU/CSU habe ich jedoch noch keinen Fianzierungsvorschlag gehört. Vielleicht wird sich Staatsekretär Dr. Kues dazu äußern. Das würde mich und die esamte Opposition sehr interessieren. (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Ich habe zwei Vorschläge gemacht!)


(Nicolette Kressl [SPD]: Gut!)


in Konzept der CDU/CSU liegt bisher nicht vor, ob-
ohl Frau von der Leyen gerne kostenlose Kitas hätte.
ll diese Forderungen sind von der CDU/CSU nicht mit

inem Finanzierungsvorschlag unterfüttert worden. Da-
it lassen die CDU/CSU und auch die SPD die Bürger-
eister und Landräte im Regen stehen. Ich glaube, dass
ie noch lange kein gemeinsames Konzept haben wer-
en.

Trotzdem will ich hier als Oppositionspolitikerin sa-
en, dass es unsere gemeinsame Aufgabe ist, nach Lö-
ungen zu suchen. Junge Familien brauchen Unterstüt-
ung bei Erziehung, Bildung und Betreuung ihrer
inder. Wir haben einen Entschließungsantrag dazu ein-
ebracht. Einige Forderungen daraus würde ich jetzt
erne nennen.

Seit Langem fordern wir einen Kinderbetreuungsgip-
el, damit die Kommunen und Länder ins Boot geholt
erden. Das hat lange Zeit nicht geklappt, aber das ma-

hen Sie jetzt. Neben der Kinderbetreuung unter 3-Jähri-
er, Frau Kressl und meine Damen und Herren von SPD
nd CDU/CSU, ist die Ferienbetreuung von Grundschul-
indern ein Megaproblem. Vielleicht können Sie das ge-
enüber den Ländern argumentativ einsetzen.

Die Familien brauchen jetzt Unterstützung und nicht
rst dann, wenn sich die Große Koalition geeinigt hat. Es
ollen auch betriebliche und private Elterninitiativen un-
erstützt werden.


(Beifall bei der FDP)


s sollen privat-gewerbliche Einrichtungen unterstützt
erden. Der Grundsatz „privat vor Staat“ gilt auch bei
er Kinderbetreuung. Die Nachfrage nach qualifizierter
inderbetreuung ist enorm.


(Frank Schäffler [FDP]: Nicht bei der SPD!)







(A) )



(B) )


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608216500

Kommen Sie bitte zum Schluss.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1608216600

Ich muss meine Rede hier leider beenden. – Ich hätte

Ihnen gerne noch einige Beispiele aus Göttingen und
Frankfurt genannt.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608216700

Nächstes Mal.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1608216800

Ich höre jetzt auf, Frau Präsidentin.

Ich bitte darum, dass wir uns alle davor hüten, bei der
Familienpolitik aus dem Auge zu verlieren, dass wir die
Wahlfreiheit wollen. Die Entscheidung, welches Modell
für ein Leben mit Kindern das richtige ist, überlassen wir
Liberale den Eltern.


(Beifall bei der FDP – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Wir auch!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608216900

Jetzt hat das Wort die Kollegin Caren Marks für die

SPD-Fraktion.


Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1608217000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Lenke, Sie haben
recht, beim Betreuungsausbau ist in der Tat noch viel zu
tun.


(Beifall des Abg. Frank Schäffler [FDP])


Frau Lenke, im Gegensatz zu Ihnen und der FDP kriti-
sieren wir aber nicht nur Konzepte und Dinge, die voran-
gebracht wurden, sondern legen eigene Konzepte vor
und verwirklichen sie.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ina Lenke [FDP]: Haben wir auch!)


In der vergangenen Legislaturperiode haben wir Sozi-
aldemokratinnen und Sozialdemokraten mit unserer en-
gagierten und sehr erfolgreichen Familienministerin
Renate Schmidt in der Familienpolitik eine wirklich
neue Richtung eingeschlagen: weg von der konservati-
ven, allein auf Geldtransfer ausgerichteten Politik hin zu
einem Mix aus Infrastruktur, Zeit und Geld.

Mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz, kurz TAG ge-
nannt, und dem 4-Milliarden-Ganztagsschulprogramm
hat die SPD in Regierungsverantwortung sichtbar neue
Prioritäten gesetzt. Mit dem TAG hat die SPD die recht-
liche Grundlage für die notwendige Verbesserung der
Betreuungs- und Bildungssituation von Kindern unter
drei Jahren geschaffen. Die flexible Elternzeit, die Al-
lianz für die Familie sowie das neue Elterngeld sind wei-
tere wichtige familienpolitische Bausteine, die von der
SPD entwickelt und umgesetzt wurden.

Mit diesen Maßnahmen haben wir auf gesellschaftli-
che Veränderungen reagiert, auf Veränderungen, die die
Union in der Vergangenheit nicht erkennen wollte. In der

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(C (D nion war und ist zum Teil noch immer die Alleinverienerfamilie mit Trauschein als Leitbild weit verbreitet. err Singhammer, die Lebensentwürfe von jungen rauen und Männern und die Lebenswirklichkeit von amilien haben sich aber verändert. Darum brauchen wir ine echte Wahlfreiheit. Sie haben diese dementsprehend betont. Nur noch 5 Prozent der jungen Frauen ollen ausschließlich Mutter und Hausfrau sein. Erste Erfolge der nachhaltigen Familienpolitik zeichen sich bereits ab. Der eingeschlagene Weg wird in der roßen Koalition konsequent verfolgt. Die SPD setzt ich schon seit Jahren vehement für den Ausbau der ildungsund Betreuungsangebote für unsere Kleinen in. Das ist für uns die familienpolitische Aufgabe Numer eins. uch vor dem Hintergrund des neuen Elterngeldes muss er Ausbau der Kinderbetreuung beschleunigt werden. Der uns vorliegende Bericht, der das Jahr 2005, also as erste Jahr nach Inkrafttreten des TAG evaluiert, vereichnet sowohl im Bereich der Krippen als auch bei den agesmüttern und -vätern einen Ausbau des Betreuungsngebots. Innerhalb der ersten zehn Monate wurden beeits 21 500 neue Plätze geschaffen. Damit stand 2005 undesweit für jedes siebte Kind unter drei Jahren ein latz zur Verfügung. 2002 galt das nur für jedes zehnte ind. Das ist natürlich nach wie vor zu wenig. Nach wie or gibt es große Unterschiede zwischen den Bundeslänern und Kommunen. In den östlichen Bundesländern ist ie Versorgungsquote für unter Dreijährige mit knapp 0 Prozent viermal so hoch wie in den westlichen Bunesländern. Der Bericht belegt, wie wichtig die gesetzliche Regeung war. Es ist auf das TAG zurückzuführen, dass sich as Angebot für Kinder unter drei Jahren in Westeutschland gegenüber dem Stand von 2002 mehr als erdoppelt hat. Der Bund hat durch das TAG Impulse esetzt und Verantwortung übernommen. Er hat sich icht ausschließlich auf die Zuständigkeit der Länder nd Kommunen verlassen. Der Bericht macht deutlich: s geht voran, aber das Tempo ist zu gering. Bei einer etreuungsquote von lediglich 3 Prozent in Niedersach en ist wie in vielen anderen Bundesländern noch einiges u tun. Insbesondere für unsere Kleinsten müssen wir alle räfte bündeln und den Ausbau der Ganztagsbetreuungs ngebote mit einer weiteren Gesetzesinitiative beschleuigen. eshalb wollen wir, die SPD-Bundestagsfraktion, ab 010 den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für lle Kinder vom ersten Geburtstag bis zum Schuleintritt urchsetzen. Dabei muss klar sein: Es geht nicht nur um die Quanität, sondern immer auch um die Qualität der Betreuung. er Ausbau der Betreuungsangebote ist ein wirkungs Caren Marks voller Schlüssel zur Verbesserung der Bildungs-, Lebensund Zukunftschancen aller Kinder von Anfang an. Es ist der Schlüssel zur Chancengleichheit, zur besseren Integration von Kindern aus benachteiligten Familien sowie aus Familien mit Migrationshintergrund. Verlässliche und flexible Betreuungsangebote sind für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und für echte Wahlfreiheit zwischen Familienmodellen unerlässlich. Betreuungsangebote ermöglichen Berufstätigkeit und sind entscheidend für die Überwindung des Armutsrisikos von Familien und insbesondere Alleinerziehender. Dass unser Koalitionspartner langsam, aber sicher, besonders in der Person der Familienministerin, sein Familienbild überarbeitet hat und deutlich mehr Betreuungsangebote fordert, begrüßen wir ausdrücklich. Der Vorschlag der SPD zur Realisierung und Finanzierung des Betreuungsausbaus ist finanziell solide und sozial ausgewogen. Denn ohne Finanzierungsvorschläge sind alle Ankündigungen einer Ministerin nichts. Deutschland gibt nicht zu wenig Geld für Familien aus, sondern häufig an den falschen Stellen. Europäische Nachbarländer setzen ihre Mittel viel effizienter ein. Die Dänen geben gemessen am Bruttoinlandsprodukt dreimal so viel für familienbezogene Betreuungsinfrastruktur aus als wir. Das TAG und ein ausgeweiteter Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung vom ersten Geburtstag bis zum Schuleintritt werden den Ausbau vorantreiben. Politik muss auf gesellschaftlichen Wandel reagieren; denn Lebensmodelle und Wünsche haben sich verändert. Es geht uns nicht darum, ein bestimmtes Familienmodell vorzuschreiben. Es geht darum, den tatsächlichen Bedürfnissen von Eltern und Kindern gerecht zu werden. Ich begrüße ausdrücklich, dass wir in der Großen Koalition das gemeinsame Ziel des beschleunigten Betreuungsausbaus verfolgen und auch dass die Oppositionsparteien diese Notwendigkeit generell unterstützen. Richtungsstreitigkeiten über Familienbilder dürfen dies nicht behindern. Die SPD hat einen Weg zur Finanzierung aufgezeigt, der die Umsetzung eines beschleunigten Betreuungsausbaus ermöglicht. Wir wollen, dass alle Ebenen – das ist entscheidend –, Kommunen, Länder und Bund, die Kräfte bündeln und zusammenarbeiten: für unsere Kinder, für unsere Familien und nicht zuletzt für unsere gemeinsame Zukunft. Auch mit einer CDUMinisterin trägt moderne Familienpolitik die Handschrift der SPD. Ich bedanke mich ganz herzlich. n L s p g n s i l j I a a d m l w w K W s e A – I c h E A t d G i d s t s u M w (C (D Diana Golze spricht jetzt für Die Linke. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin en und Kollegen! Ich möchte Frau Ministerin von der eyen – sie kann anscheinend nicht persönlich anwesend ein – für die Debatte der vergangenen zwei Wochen ein aar Sätze der Bewunderung aussprechen. Ja, sie hat es eschafft, die Debatte über Kinderbetreuung auf ein eues Niveau zu heben, das einen Hauch von Selbstvertändlichkeit der öffentlich organisierten Tagesbetreuung n die Alltagsdebatten der Bundesrepublik bringt. Vieleicht hat sie damit auch den längst überfälligen Frühahrsputz in einer verstaubten Männerwelt angestiftet. ch möchte die Ministerin bitten, den Staubwedel nicht bzusetzen oder gar wegzupacken, sondern ihn endlich uch den Herren aus ihrer eigenen Partei in die Hand zu rücken. (Beifall bei der LINKEN – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie auch Ihrer Partei sagen!)


(Beifall bei der SPD)


(Frank Schäffler [FDP]: Nur zu!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





(A) )


(B) )


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)


(Ina Lenke [FDP]: Das wird auch Zeit!)


(Beifall bei der SPD)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608217100

(Beifall bei der LINKEN)

Diana Golze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608217200

Allen, die immer noch am traditionellen Bild von Fa-
ilie und Mutterschaft festhalten, sage ich ganz deut-

ich: Mütter, die nach der Geburt ihres Kindes schnell
ieder in den Beruf einsteigen wollen, tun nichts Ver-
erfliches, sondern wollen auch nur das Beste für ihr
ind.


(Beifall bei der LINKEN)


enn wir ihnen weiterhin die Rückkehr in den Beruf er-
chweren, werden sich noch mehr Frauen gegen Kinder
ntscheiden, und Familien mit Kindern wären dann ein
uslaufmodell.


(Zuruf der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Stellen Sie doch eine Zwischenfrage, dann schonen Sie
hre Stimme.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich zweifle nicht daran, dass Frau von der Leyen si-
herlich eine gesellschaftliche Mehrheit für dieses Vor-
aben hat. Gerade im Osten der Republik ist trotz aller
insparungen der letzten Jahre immer noch ein gutes
ngebot im Hinblick auf die Betreuung von Kindern un-

er drei Jahren vorhanden. Viele Familien in West-
eutschland wünschen sich solche Möglichkeiten. Die
esellschaft folgt also den Plänen der Ministerin. Aber

ch frage mich: auch die Mehrheit ihrer Partei?

Ich fühle mich außerdem bitter an die Debatte über
as Elterngeld erinnert. Auch damals begann alles mit
chönen Reden über Gleichstellung und eine größere Be-
eiligung der Väter. Herausgekommen ist ein Oberklas-
eförderprogramm, dessen Rechnung die Erwerbslosen
nd die Einkommensschwachen begleichen müssen. Um
issverständnissen vorzubeugen: Auch die Linke befür-
ortet ein Elterngeld, aber eines, das sozial gerecht ist






(A) )



(B) )


Diana Golze
und diesen Namen verdient, weil es für alle Eltern einen
Gewinn darstellt.


(Beifall bei der LINKEN – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Das tut es doch!)


Meine Damen und Herren, die Linke steht ohne Wenn
und Aber für einen konsequenten Ausbau des Angebots
an Kinderkrippen- und Kindergartenplätzen. Das
sind Orte, an denen soziale Ungleichheit abgebaut wer-
den kann. Die Kinder von Professorinnen bzw. Professo-
ren und Friseurinnen bzw. Friseuren sind auf ihrem spä-
teren Bildungsweg nie wieder so gleichberechtigt wie
bei ihrem gemeinsamen Aufenthalt in der Kindertages-
betreuung. Die Kinderbetreuung erhöht außerdem die
Erwerbsbeteiligungsquote junger Mütter und verhindert
damit Kinderarmut, wie eine Studie der Friedrich-Ebert-
Stiftung kürzlich zum Ausdruck gebracht hat. Für die
Finanzierung dieser Infrastruktur, deren Nutzung bei-
tragsfrei sein sollte, muss der Sozialstaat, müssen damit
wir alle auf solidarische Weise einstehen. Hier wird
schließlich in Zukunft investiert.


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten,
ich habe gerade vom Sozialstaat und von Solidarität ge-
sprochen – zwei Worte, die Ihnen eigentlich gut vertraut
sein sollten.


(Frank Schwabe [SPD]: Das sind sie auch!)


Dass dem so ist, daran zweifle ich allerdings nicht erst
seit diesem Montag, als Sie Ihr Konzept zur Finanzie-
rung der Kindertagesbetreuung vorgelegt haben.
Denn Sie wollen die Kindertagesbetreuung unter ande-
rem durch ein Aussetzen der nächsten Kindergelderhö-
hung finanzieren.


(Frank Schwabe [SPD]: Und wie wollen Sie das bezahlen?)


Ich nehme zunächst mit Interesse zur Kenntnis, dass
Sie die Notwendigkeit einer Erhöhung nun faktisch aner-
kennen. Aber ich übersetze Ihre Forderung einmal in
normales Deutsch: Das Kindergeld wurde zuletzt im
Jahr 2000 erhöht. Seitdem hat es aufgrund von Preisstei-
gerungen real 10 Prozent an Wert eingebüßt. Wenn Sie
mit der nächsten Erhöhung nun vielleicht bis zum
Jahr 2013 warten, dann fordern Sie in Wirklichkeit eine
Kürzung des Kindergeldes um 23 Prozent im Vergleich
zum Jahr 2000.


(Beifall bei der LINKEN)


Von 4 Euro nehmen Sie den Familien 1 Euro weg. Dazu
kann ich nur sagen: ein wahrhaft sozialdemokratisches
Vorhaben.


(Caren Marks [SPD]: Ich kann nur sagen: Sie haben nichts begriffen!)


Das ist eine fantasielose Umverteilungspolitik auf Kos-
ten der Familien, wie der Deutsche Paritätische Wohl-
fahrtsverband zu Recht festgestellt hat.

Umverteilung ist ebenfalls ein schönes Wort. Soweit
ich es überblicken kann, sind wir die einzige Fraktion im
Parlament, die eine wirkliche Umverteilung fordert,

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(C (D (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Oh ja! Das kann man wohl sagen! Alles zum Staat! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das trauen wir Ihnen auch allemal zu!)


ine Umverteilung, die Kindern, Jugendlichen und Fa-
ilien zugute kommt. Wir stehen zu der Aussage, dass

in angemessener Anteil der gesellschaftlichen Ressour-
en für Kinder und Jugendliche und ihre Familien zur
erfügung gestellt werden muss. Das darf aber nicht so
ussehen, dass die Schulkinder aufgrund einer Kinder-
eldkürzung die Krippenplätze für ihre Geschwister be-
ahlen. Die notwendigen finanziellen Mittel müssen
ielmehr durch eine konsequente Umverteilung von ho-
en Einkommen, Gewinnen und Vermögen aufgebracht
erden.


(Beifall bei der LINKEN)


Denkbar wären zum Beispiel – danach ist gefragt
orden – die Einführung einer Börsenumsatzsteuer,


(Ina Lenke [FDP]: Aber wir haben doch auch schon eine Reichensteuer, Frau Kollegin! – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Aha! Interessant!)


ie Kappung des Ehegattensplittings oder die stärkere
eteiligung der Arbeitgeber im Rahmen einer sozialver-

icherungsbasierten Finanzierung. So schwer ist es näm-
ich gar nicht, eine sozial gerechte Familienpolitik zu
achen.

Wer eine sozial gerechte Familienpolitik machen will,
er muss bei der Ausgestaltung und bei der Gegenfinan-
ierung von Leistungen für Kinder, Jugendliche und Fa-
ilien auch die Frage nach der Verteilung des gesell-

chaftlichen Reichtums stellen. Die Grenzen verlaufen
icht zwischen Eltern und Kinderlosen, auch nicht zwi-
chen Schulkindern und Vorschulkindern, sondern im-
er noch zwischen Arm und Reich, zwischen oben und

nten. Wer die Verteilungsfrage nicht stellen will, der
ollte von sozial gerechter Familienpolitik schweigen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608217300

Jetzt hat Ekin Deligöz das Wort für das Bündnis 90/

ie Grünen.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608217400

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

egen! Es gibt zwei Sichtweisen auf die heutige Debatte:

Die erste Sichtweise ist, dass die Debatte über das
AG überflüssig ist. Sie ist dann überflüssig, wenn man
en jüngsten Ankündigungen der Koalition bzw. von
egierungsmitgliedern glauben darf, die den Medien zu
ntnehmen sind. Sowohl die Union als auch die SPD ha-
en ihren festen Willen bekundet, das Betreuungsange-
ot für unter Dreijährige deutlich auszuweiten. Das
inge weit über die Ziele des TAG hinaus.

Wahrscheinlicher ist leider die zweite Sichtweise: Al-
es, was wir in den letzten Tagen und Wochen über den






(A) )



(B) )


Ekin Deligöz
Ausbau der Kinderbetreuung gehört haben, sind ledig-
lich Absichtserklärungen für die Zukunft. Das mag für
Sie für die Wahlkämpfe vor Ort wichtig sein; noch viel
wichtiger ist es wahrscheinlich für die gesellschaftliche
Selbstverortung der Union. Es ändert aber nichts an der
Lebenswirklichkeit der Kinder und der Eltern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie von der CDU/CSU führen an diesem Punkt eine ideo-
logische Auseinandersetzung auf dem Rücken der Fami-
lien. Sie führen die Koalition mit dieser Debatte fami-
lienpolitisch ins Chaos. Deshalb muss man Ihnen sagen:
Kommen Sie endlich in der Lebenswirklichkeit der Fa-
milien an!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Lebenswirklichkeit der Familien ist bunt und vielfäl-
tig, da gibt es Verheiratete und Nichtverheiratete – auch
wenn Ihnen das nicht passt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zurück zur ersten Sichtweise. Natürlich begrüßen wir
Grüne, dass Sie die Kinderbetreuung für unter Dreijäh-
rige ausbauen wollen. Das haben wir als Grüne hier im
Bundestag schon vor einem Jahr gefordert. Wir haben
ein Konzept dafür vorgelegt, das durchgerechnet und rea-
lisierbar ist. Unser Konzept war Ihnen kein Wort wert;
doch mit Ihrer Ablehnung waren Sie sehr schnell.

Man muss eines festhalten: Bei all den Debatten ha-
ben Sie einen riesigen Eiertanz aufgeführt. Sei es beim
Elterngeld, sei es beim Zwölften Kinder- und Jugendbe-
richt, sei es beim Siebten Familienbericht, überall haben
Sie sich um die Debatte über Kinderbetreuung herumge-
drückt. Das muss man hier festhalten, umso mehr, als Sie
plötzlich davon reden, dass man mehr Kinderbetreu-
ungsplätze schaffen muss. Plötzlich erklärt sogar Herr
Singhammer: Wer A sagt, muss auch B sagen – wer El-
terngeld einführt, muss auch Kinderbetreuungsplätze an-
bieten.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das war schon immer klar, Frau Deligöz!)


Natürlich kann man sagen: Besser spät als gar nicht. Gu-
ten Morgen, meine Damen und Herren von der CDU/
CSU – auch späte Erkenntnis ist eine Erkenntnis! Aber
wenn Sie so etwas erklären, sind Sie natürlich in der
Pflicht, Klarheit zu schaffen. Im Mittelpunkt dieser Klar-
heit steht die Finanzierung. Da wundert man sich schon,
was Sie tun: Sie lehnen alle vorhandenen Finanzie-
rungsvorschläge ab. Ihre eigenen Vorschläge sind nicht
neu, sie sind abenteuerlich und beruhen auf Milchmäd-
chenrechnungen, die Sie selber nicht nachvollziehen
können. Sie verweisen auf eine nicht abgeschlossene so-
genannte Überprüfung der Familienförderung, an deren
Ende – das sagt sogar die Kanzlerin Merkel – eine Um-
schichtung von Familienmitteln stehen soll. Allen ande-
ren, die eine Umschichtung vorschlagen, werfen Sie da-
gegen vor, eine Geister- und Gespensterdebatte zu
führen. Als Sahnehäubchen sagen Sie, dass Sie alles
wollen: Sie wollen den Ausbau der Betreuung, Sie wol-

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(C (D en Transfers, Sie wollen ein Familiensplitting. Sie sagen ber nicht, woher das Geld dafür kommen soll. Vor allem aber übersehen Sie sämtliche Ergebnisse er Familiendebatten der vergangenen Wochen. Insbeondere ein Blick in den Siebten Familienbericht würde ich für Sie lohnen. In ihm steht nämlich, dass unser amilienfördersystem bereits sehr transferlastig ist und inseitig darauf beruht, das Zuhausebleiben der Mütter u fördern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ina Lenke [FDP])


ieses Ergebnis können Sie nicht einfach wegreden, Sie
üssen sich damit auseinandersetzen. Wer echte Wahl-

reiheit will, der muss die entsprechende Infrastruktur
ereitstellen; dort haben wir die größten Defizite. Wer
ür echte Wahlfreiheit stehen will, der darf keine Ideolo-
iedebatten führen, sondern muss sich zu den Realitäten
ekennen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD])


Zu dem Kompetenzzentrum, über das Sie reden. Ich
laube, Sie nehmen das Kompetenzzentrum, das die
DU/CSU bzw. das Familienministerium eingerichtet
at, selber nicht ernst.


(Ina Lenke [FDP]: Ja!)


ürden Sie es nämlich selber ernst nehmen, dann wür-
en Sie die Ergebnisse der angesprochenen Überprüfung
bwarten. Doch was tun Sie? Sie kündigen jetzt ein Fa-
iliensplitting an. Was bringt ein Familiensplitting, das

ein auf dem Steuersystem beruht? Es führt nur dazu,
ass die Besserverdienenden bessergestellt werden.

Über die Themen, über die wir hier eigentlich reden
ollten, schweigen Sie sich aus: Kinderarmut ist für
iese Koalition kein Thema mehr, keiner von Ihnen redet
arüber, und Sie haben auch keine Konzepte dagegen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD])


as Gleiche ist bei der Chancengerechtigkeit festzustel-
en. Dabei wissen wir, dass Förderung so früh wie mög-
ich beginnen muss. Auch das ist kein Thema für Sie.
as Einzige, was Sie von der CDU/CSU und von der
oalition im Moment betreiben, ist ein Durcheinander
nd ein Gegeneinander, aber ganz sicher kein Kampf für
ie Rechte der Familien – von einem familienpolitischen
urchbruch kann erst recht keine Rede sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608217500

Für die Bundesregierung spricht jetzt der Parlamenta-

ische Staatssekretär Hermann Kues.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1608217600


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich finde es sehr wohltuend, dass wir heute Nachmittag
relativ entspannt und sachlich über Familienpolitik dis-
kutieren, weil ich der festen Überzeugung bin, dass wir
einen öffentlichen Konsens über längere Zeit benötigen,
was das Bedingungsgefüge angeht, unter dem man in ei-
ner modernen Wirtschafts- und Arbeitsgesellschaft mit
anderen Lebensgewohnheiten Familie mit Kindern leben
kann. Insofern hoffe ich sehr, dass uns die Opposition in
dem einen oder anderen Punkt zustimmt. Denn wir brau-
chen den öffentlichen Konsens über längere Zeit. Wenn
wir das hinbekommen, dann ist das ein Riesenerfolg der
Großen Koalition.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Kein politisches Feld ist so nachhaltig wie die
Familienpolitik. Familienpolitik muss auf Jahre oder
sogar Jahrzehnte angelegt sein. Das hat etwas mit der
Langzeitverantwortung und der Verantwortung der El-
tern und der Gesellschaft zu tun. Wir müssen uns darü-
ber verständigen, welche Bedeutung frühkindliche Bil-
dung haben soll. Deswegen ist es, glaube ich, eine sehr
positive Entwicklung, dass Bewegung in die Familien-
politik gekommen ist. Darüber lohnt sich auch der Streit.
Denn heute ist es keineswegs eine Selbstverständlich-
keit, zu heiraten und Kinder zu bekommen. Beides setzt
sehr bewusste Entscheidungen voraus.

Aufgabe des Staates bzw. der Politik ist es, unterstüt-
zende Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Fa-
milie in der modernen Welt lebbar wird. Wir müssen für
die nächste Generation potenzieller Väter und Mütter die
notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, damit sie
die Chance haben, ihre Vorstellungen von Familienle-
ben, Arbeit und der Art und Weise, in der sie die Kinder
aufziehen möchten, zu realisieren. Deshalb brauchen wir
entsprechende Wahlmöglichkeiten nicht in der Theorie,
sondern in der Realität.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Ina Lenke [FDP])


Wahlmöglichkeit heißt auch, dass wir jedem Lebens-
modell Respekt entgegenbringen. Deswegen sollten wir
aufhören, jungen Müttern, die zu Hause bleiben und ihre
Kinder zumindest zeitweise betreuen möchten, gegen
berufstätige Mütter auszuspielen. Es geht nicht um ein
Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. Wir
sollten uns über alle freuen, die sich heute entscheiden,
Kinder aufzuziehen, statt nur darüber zu reden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Ina Lenke [FDP])


Wenn nämlich Betreuungsmöglichkeiten fehlen, dann
führt das unvermeidlich in Richtung der meines Erach-
tens gefährlichen Alternative, entweder Mutter bzw. Va-
ter zu sein oder einem Beruf nachzugehen. Diese Alter-
native führt in die Sackgasse, in der wir uns seit einigen
Jahrzehnten befinden. Insofern steht und fällt mit einer
qualitativ und quantitativ guten Kindertagesbetreuung

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(C (D ie Glaubwürdigkeit unserer Politik für Kinder und Failien. Ich sage ausdrücklich, dass das Angebot sowohl uantitativ als auch qualitativ gut sein muss. Dabei ist ber nicht nur die Politik, sondern auch die Wirtschaft efordert. Notwendig ist mehr Rücksichtnahme auf die elange von Familien. Bei einigen Betrieben ist das chon Teil der Unternehmensstrategie. Wenn es aber in er Wirklichkeit der Arbeitswelt nach wie vor vorommt, dass junge Frauen oder Männer, die beim Vortellungsgespräch zu erkennen geben, dass sie heiraten nd womöglich auch Kinder haben möchten, keine hance bekommen, dann dürfen wir uns über bestimmte ntwicklungen in Deutschland nicht wundern. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Ina Lenke [FDP]: Aber dann ist doch die Politik schuld!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Daran ist nicht in erster Linie die Politik schuld, Frau
enke. Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen.
ir alle sind gefordert. Wir sind als Private gefordert,

ber die Wirtschaft ist ebenfalls gefordert. Es gibt Hand-
ungsbedarf. Die Politik muss ihre Aufgaben erfüllen
dazu habe ich einiges ausgeführt –; dazu gehört ein

uantitativ und qualitativ gutes Betreuungsangebot. Das
ilt in besonderem Maße für die Kinder, die auf Integra-
ion angewiesen sind und die gefördert werden sollen.
ch glaube, dass wir auf dem richtigen Wege sind, wenn
ir sagen: Der Staat – Bund, Länder und Kommunen –
at Verantwortung, aber auch die Wirtschaft und die Pri-
aten sind gefordert.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608217700

Herr Kues, möchten Sie eine Zwischenfrage der Kol-

egin Gruß zulassen?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1608217800


Gern.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608217900

Bitte schön, Frau Gruß.


Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1608218000

Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Aussage

es Parlamentarischen Geschäftsführers Röttgen, der
usbau der Kinderbetreuungsplätze sei Sache der Län-
er; schließlich finanzierten die Länder auch nicht den
erteidigungshaushalt mit?

Ich finde es zwar sehr schön, dass Sie die Qualität der
inderbetreuungsplätze verbessern wollen. Ich halte das

n der Tat für sehr wichtig. Ich denke, darüber herrscht
ier im Bundestag Einigkeit. Aber nennen Sie uns bitte
ie konkreten Zahlen, was den qualitativen Ausbau an-
elangt, und sagen Sie uns, wie Sie das finanzieren wol-
en.






(A) )



(B) )

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1608218100


Was die Aussage des Kollegen Röttgen angeht: Ich
teile ausdrücklich die Auffassung, dass es im Zuge der
Föderalismusreform Entscheidungen gegeben hat, nach
denen Zuständigkeiten an die Länder gegangen sind, und
zwar – darauf muss deutlich hingewiesen werden – mit
einem entsprechenden Anteil am Mehrwertsteuerauf-
kommen. Aber das ändert nichts daran, dass nach Art. 74
des Grundgesetzes der Bund für die Gesamtentwicklung
in unserem Land verantwortlich ist. Insofern muss die
Bundesfamilienministerin eine Antwort auf die Frage
nach der frühkindlichen Erziehung – von deren großer
Bedeutung ich überzeugt bin – auf Bundesebene finden.

Was war noch einmal der zweite Punkt?


Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1608218200

Der qualitative Ausbau bedarf ebenfalls eines gewis-

sen Budgets, und zwar eines höheren als bislang.

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1608218300


Das ist völlig richtig. Ich glaube, wir müssen viel stär-
ker sehen, dass wir zu einem altersgerechten Angebot
kommen. Der Kollege Laschet aus Nordrhein-Westfalen
hat vorgeschlagen, die Betreuungsschlüssel je nach Al-
tersgruppe und nach Zusammensetzung der Gruppe, die
betreut wird, zu ändern. Das geht in die richtige Rich-
tung. Wir müssen auch den vorschulischen Bereich nut-
zen, um zum Beispiel die Freude am Lernen bei Kindern
zu wecken; das ist ein wichtiger Punkt. Insofern ist der
vorschulische Bereich eine Brücke in den Grundschulbe-
reich; darauf kommt es an. Hier brauchen wir noch an-
dere Formen der Vernetzung. Insofern ist das vom An-
satz her völlig richtig.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608218400

Herr Kollege, auch Frau Haßelmann möchte Ihnen

gerne eine Frage stellen.

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1608218500


Gerne.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608218600

Bitte schön, Frau Haßelmann.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608218700

Herr Staatssekretär, Sie haben im Eingangsstatement

Ihrer Rede hervorgehoben, wie wichtig ein breiter ge-
sellschaftlicher Konsens in der Frage einer zukunftsfähi-
gen Familienpolitik und bei einem Bild vom Zusammen-
leben von Frauen und Männern ist. Mich interessiert,
wie Sie die unerträglichen Äußerungen des Bischofs
Mixa beurteilen,


(Unruhe bei der CDU/CSU)


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(C (D er Frauen sozusagen zu Gebärmaschinen degradiert. uch wenn es jetzt ein bisschen Unruhe innerhalb der DU/CSU gibt: Mir ist es wichtig, zu erfahren, wie Sie, er Sie die Bundesregierung vertreten und betont haben, elche wichtige Funktion die gesellschaftlichen Grupen – dazu gehören bislang auch die Kirchen – haben, as beurteilen. Dr Über die Äußerungen des Erzbischofs Mixa ist auseichend gesprochen worden. Die Bundeskanzlerin hat esagt, dass sie seine Auffassung nicht teilt. Ich teile sie benfalls nicht und habe das in einigen Interviews ergänend erläutert. Das möchte ich hier nicht wiederholen. ur so viel: Die Äußerungen des Erzbischofs sind eine öllige Fehleinschätzung. Es wurden Aussagen getrofen, die nicht passen und absolut unangemessen sind; as betone ich ausdrücklich. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1608218800

Ich sage Ihnen aber auch: Die Kirchen haben über
iele Jahrzehnte – das tun sie heute noch – Leistungen
m gesamten vorschulischen Bereich erbracht, und das
u einem Zeitpunkt, als sich viele noch gar nicht mit Fra-
en nach der frühkindlichen Bildung und der Erzie-
ungsverantwortung beschäftigt haben. Gerade die
hristlichen Kirchen in Deutschland haben in den ver-
angenen Jahrzehnten Hervorragendes geleistet. Dafür
in ich ausdrücklich dankbar.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Es wurde mehrfach nachgefragt, wie wir uns die wei-
ere Finanzierung vorstellen. Ich finde es gut, dass wir
eute schon über die Qualität gesprochen haben. Ich
age ausdrücklich: Die Qualität muss besser werden.
azu werden wir verschiedene Programme auf den Weg
ringen. Das haben wir schon getan, und das werden wir
eiterhin tun. Wir werden darüber reden müssen, wie
ir einen gemeinsamen Weg finden. Die Bundesfamili-

nministerin hat am Montag eine Sonderkonferenz der
ugend- und Familienminister angeregt. Es werden auch
espräche mit den kommunalen Spitzenverbänden ge-

ührt. Die werden bereits abgestimmt. Wir wollen einen
reiwilligen Pakt von Bund, Ländern und Kommunen,
er beschreibt, wie die ehrgeizigen Ausbauziele umge-
etzt werden sollen. Ich sage Ihnen ausdrücklich, weil
uch das angesprochen wurde: Das Kompetenzzentrum
ür familienorientierte Leistungen im Ministerium wird
o schnell, wie es eben geht, tragfähige und auch sozial
usgewogene Vorschläge entwerfen, auf welchem Weg
und, Länder und Kommunen den notwendigen Ausbau
nterstützen können. Wenn wir über Finanzierung reden
nd wenn wir vor allen Dingen wissen, dass die unter-
chiedlichen Ebenen einbezogen werden, dann helfen
chnellschüsse überhaupt nicht weiter. Man braucht
ielmehr eine gewisse Beharrlichkeit. Wir werden uns
insetzen und vernünftige Vorschläge unterbreiten.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues
Ich meine, dass die Reformfähigkeit unserer Gesell-
schaft letztlich davon abhängig ist, dass wir unser Bil-
dungs- und Erziehungssystem nachhaltig positiv fort-
entwickeln. In diesem Zusammenhang hat die
Kinderbetreuung quantitativ wie qualitativ für die Bun-
desregierung höchste Priorität. Wir bekennen uns zu ei-
ner aktiven Familienpolitik, und wir sagen Ja zu den
Kindern. Aber wir wollen das gemeinsam mit gesell-
schaftlichen Akteuren, mit Bund, Ländern und Gemein-
den, mit Eltern, mit der Wirtschaft und mit den Tarifver-
tragsparteien, machen, damit so eine neue Struktur für
die Finanzierung einer nachhaltigen Kinder- und Famili-
enpolitik entsteht. Ich sage tatsächlich: Kinderlärm ist
Zukunftsmusik. Diese Zukunftsmusik brauchen wir viel
stärker in unseren Städten und Gemeinden.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608218900

Zum Abschluss der Debatte erteile ich der Kollegin

Nicolette Kressl für die SPD-Fraktion das Wort.


Nicolette Kressl (SPD):
Rede ID: ID1608219000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Was mich wirklich freut, ist, dass über alle Fraktionen
hinweg heute eines zu merken war, nämlich dass es Ziele
gibt, die uns einen, zum Beispiel dass Kinder und Eltern
Sicherheit brauchen. Ganz besonders wichtig ist – das
darf im Rahmen dieser Debatte nicht vergessen werden –,
dass Kinder ein Umfeld haben, in dem sie sich gut ent-
wickeln können. Das kann beides sein, Familie und
Kindertagesbetreuung. Es gibt überhaupt keinen
Grund für ein Entweder-oder. Das ist völlig blödsinnig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich habe mir während der Debatte der letzten Tage, in
der entweder das eine oder das andere betont wurde und
in der es auch manche Unterstellungen gab, überlegt,
dass sich so manche reale Familie erstaunt die Augen ge-
rieben und gefragt haben mag: Über was diskutieren die
da eigentlich?


(Iris Gleicke [SPD]: Allerdings!)


Es ist nämlich manchmal der Eindruck entstanden, als
würden die, die sich für eine bessere Kinderbetreuung
aussprechen, damit meinen, dass dann die Familie nicht
mehr da ist. Aber das ist doch nicht die Realität. Die Re-
alität ist, dass Kinder in Familien aufwachsen, in denen
sie Verlässlichkeit, Geborgenheit und Anregung für ihre
Entwicklung finden, aber Teile des Tages in die Kinder-
tagesbetreuung gehen. Das ist die Realität, die die Men-
schen erleben, nämlich dass es nicht zwei Arten von Fa-
milien gibt, sondern dass so etwas bei einer Familie
zusammenkommt. Ich finde, darauf müssen wir in der
Debatte stärker hinweisen.


(Beifall bei der SPD)


Erstaunt über die Debatte in den letzten Wochen mö-
gen aber auch Familienväter und -mütter gewesen sein,
die bei der Suche nach einem guten Betreuungsplatz für

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(C (D hr Kind unter drei Jahren auf der Warteliste stehen. Ich laube, diese Menschen erleben sehr genau, dass es von ns einiges politisches Handeln verlangt, bis der Begriff ahlfreiheit tatsächlich Wirklichkeit wird. Wir sind erpflichtet, uns da ein Stück zu bewegen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb lohnt sich der Blick – das sollten wir in der
eutigen Debatte eigentlich machen – auf die momen-
ane Betreuungssituation. Die Betreuungssituation hat
ich nach dem Bericht, der heute vorliegt, bei den unter
reijährigen etwas gebessert. Das hat unter anderem da-
it zu tun, dass die letzte Bundesregierung das Tagesbe-

reuungsausbaugesetz auf den Weg gebracht hat.

Ich will auch in diesem Zusammenhang noch einmal
twas zur Frage der Gesetzgebungskompetenz sagen.
ieses Gesetz haben wir damals verabschiedet, weil wir
ie Kompetenz hatten, im Sozialgesetzbuch VIII – Kin-
er- und Jugendhilferecht – etwas zu verändern. In die-
er Debatte nervt mich wirklich, dass immer wieder be-
auptet wird, diese Kompetenz sei als ein Ergebnis der
öderalismusreform I bei uns weggefallen und jetzt aus-
chließlich bei den Ländern angesiedelt. Es ist nicht so!
as Kinder- und Jugendhilferecht gehört – Stichwort

Erforderlichkeitsklausel“ – zur Gesetzgebungskompe-
enz des Bundes.


(Beifall bei der SPD)


Wem können wir diese Aufgaben übertragen? Wir
önnen sie den Kommunen zwar nicht mehr direkt über-
ragen; aber der Bund kann seine Gesetzgebungskompe-
enz auf anderen Wegen weiterhin wahrnehmen. Es ist
ir wichtig, darauf hinzuweisen. Ich habe es nämlich

att, dass immer wieder versucht wird, die föderalen
benen gegeneinander auszuspielen. Bei uns gibt es im-
er noch die Möglichkeit, auf diesem Gebiet der Ge-

etzgebung zusammenzuarbeiten. Das sollten wir zur
enntnis nehmen und nutzen.


(Beifall bei der SPD)


Aus dem Bericht, über den wir heute debattieren,
ann man mehrere Konsequenzen ziehen:

Erstes Fazit. Wir kommen ein Stück voran, und das ist
uf das TAG zurückzuführen.

Zweites Fazit. Gerade nach der Einführung des El-
erngeldes steht fest: Wir brauchen einen schnellen Aus-
au. Leider sind wir von den Standards anderer europäi-
cher Länder immer noch sehr weit entfernt.

Drittes Fazit. Es gibt – das ist sehr deutlich zu merken –
ußerordentlich große Unterschiede zwischen den ver-
chiedenen Bundesländern. Auch das ist etwas, was ich
ür falsch halte. Ich will das mit einer Frage erläutern:
ibt es eine Rechtfertigung dafür, dass die Kinder in
eutschland unter so unterschiedlichen Bedingungen

ufwachsen? Ich finde, dass es dafür keine Rechtferti-
ung gibt.

Ich möchte deshalb noch ein paar Zahlen nennen. In
eutschland gibt es zur Betreuung von unter Dreijähri-
en im Durchschnitt 13,5 Plätze für 100 Kinder. Im Stu-






(A) )



(B) )


Nicolette Kressl
dium habe ich aber gelernt: Wenn die eine Hand im kal-
ten Wasser ist und die andere im heißen Wasser, dann
ergibt das noch keinen guten Durchschnitt. Wir müssen
sehen: In Sachsen-Anhalt gibt es ein solches Angebot für
über 50 Prozent der Kinder, in Berlin und Brandenburg
für etwa 40 Prozent. In Niedersachsen gibt es dieses An-
gebot hingegen nur für 5,1 Prozent der Kinder – das ist
bei weitem noch nicht ausreichend; Herr Kues, es tut mir
leid, das sagen zu müssen –; in Bayern sind es
6,9 Prozent und in Baden-Württemberg 8,8 Prozent. Das
sind für Kinder und Eltern in Deutschland keine gleichen
Lebensbedingungen. Darauf möchte ich ausdrücklich
noch einmal hinweisen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist richtig, über dieses Thema eine öffentliche De-
batte zu führen. Das ist im Sinne der Familien. Ich
glaube auch, dass es legitim ist, eine Zeit lang intern zu
debattieren, welche Wege der Finanzierung es gibt.

Herr Singhammer, beim Ehegattensplitting geht es
nicht um Modelle, die vorsehen, die Belastung von Ehe-
paaren davon abhängig zu machen, ob sie Kinder haben
oder nicht. Vielmehr können wir es sehr wohl so steuern,
dass die Zurückführung erst bei einem relativ hohen Ein-
kommen greift. Das halte ich in diesem Fall auch für
richtig.


(Beifall bei der SPD)


Ich habe gesagt: Es ist im Sinne der Familien, darüber
zu debattieren. Es wäre allerdings fatal, wenn diese De-
batte nicht dazu führte, dass wir zum Schluss tatsächlich
politisch handeln. Nur dann wird es im Sinne der Fami-
lien zu einer guten Lösung kommen. Wir Sozialdemo-
kraten haben einen Vorschlag vorgelegt, wie wir zu einer
Lösung kommen. Wir haben Instrumente aufgezeigt,
über die man diskutieren kann. Dafür sind wir offen. Nur
müssen wir das Ziel, eine gute, qualitativ hochwertige
Kinderbetreuung in ausreichendem Umfang, am Ende
dieser Legislaturperiode gemeinsam erreicht haben. Wir
sollten uns darin einig sein.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608219100

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/2250 und 16/4412 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf
Drucksache 16/4443 soll an dieselben Ausschüsse wie
die Vorlage auf Drucksache 16/2250 überwiesen wer-
den. – Damit sind Sie offensichtlich einverstanden. Dann
ist die Überweisung so beschlossen.

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(C (D Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 8 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frank Schäffler, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Bauabzugssteuer abschaffen – Drucksache 16/3055 – Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Hierzu haben die Fraktionen miteinander eine halbe tunde Aussprache verabredet. – Damit sind Sie einvertanden. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem ollegen Frank Schäffler für die FDP-Fraktion. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und erren! Der vorliegende Antrag gibt Ihnen von der nion und von der SPD Gelegenheit, Farbe zu bekennen. ie können zeigen, ob Sie es mit dem Bürokratieabbau irklich ernst meinen und endlich damit anfangen. Morgen früh debattieren wir hier über den Entwurf ines Zweiten Gesetzes zum Abbau bürokratischer emmnisse in der mittelständischen Wirtschaft. Von der bschaffung der Bauabzugsteuer ist darin leider keine ede. Meine Damen und Herren, Ihr Wappentier beim ürokratieabbau ist eine Schnecke. Zu den Fakten: Als die Bauabzugsteuer zum . Januar 2002 eingeführt wurde, war das Ziel die ekämpfung der Schwarzarbeit. er Gesetzentwurf hieß ja auch: Entwurf eines Gesetzes ur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe. un ist seit einiger Zeit klar, dass die Bauabzugsteuer ieses Ziel nicht erreicht hat, sondern dass der Wettewerb beschränkt wurde. Dies hat der Bundesrechungshof ebenso festgestellt wie die Prognos AG im uftrag des Bundesfinanzministeriums. Laut Bundesrechnungshof hat die Bauabzugsteuer die esteuerungssituation nicht verbessert: Das liege unter nderem daran, dass die Finanzämter in mehr als 5 Prozent aller Fälle eine Freistellungsbescheinigung rteilt haben. – Bei deutschen Unternehmen ist dies sogar n 99 Prozent der Fälle geschehen. – Die Finanzämter eien mit denselben Schwierigkeiten und Problemen bei der teuerlichen Erfassung konfrontiert wie vor Einführung der auabzugsteuer. Aber auch die Bundessteuerberaterkammer hat sich ur Bauabzugsteuer geäußert und festgestellt – Zitat –: s ist kein messbarer Gesamtnutzen erkennbar. Frank Schäffler Damit steht fest, dass Ihr Gesetz das Ziel verfehlt. Wenn ein Gesetz sein Ziel verfehlt, dann muss man es wieder aufheben. Aber es ist nicht so, dass Sie seitens der Koalitionsfraktionen dies nicht erkannt hätten. Wenn es um Bürokratieabbau geht, sind Sie, solange es abstrakt bleibt, sehr schnell. Im April letzten Jahres titelte die „FAZ“: Regierung entlastet Kleinbetriebe von Bürokratie Ich zitiere aus dem Artikel: Auch die von der Bauwirtschaft lange geforderte Abschaffung der Bauabzugssteuer soll ... geprüft werden. Das war also vor fast einem Jahr. Aber der Erkenntnisgewinn schreitet voran. Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der Union, der geschätzte Kollege Fuchs, sagte im Januar dieses Jahres, die Bauabzugsteuer sei ein großes bürokratisches Hemmnis; nur weil es einige schwarze Schafe gebe, dürfe man nicht die gesamte Bauwirtschaft mit 850 000 Freistellungsanträgen belasten. Recht hat er! (Beifall bei der FDP – Zuruf von der CDU/ CSU: Richtig!)


(Beifall bei der FDP)

Frank Schäffler (FDP):
Rede ID: ID1608219200

(Beifall bei der FDP)


(Zuruf von der SPD: Das ist es auch noch!)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der FDP)


Das Mittelstandsinstitut hat festgestellt, dass die Bau-
abzugsteuer 15,9 Millionen Euro Bürokratiekosten ver-
ursacht.

Doch was passiert? Sie legen einen Gesetzentwurf
zum Abbau bürokratischer Hemmnisse vor und sagen
zum Thema Bauabzugsteuer kein Wort. Dabei ist die
Bürokratie offensichtlich. Es gibt vier Formulare mit bis
zu 148 Hinweisfeldern, um ein Gesetz zu erfüllen, das
seinen Zweck nicht erfüllt. Sie sehen also, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen: Sie reden gern über Bürokratie-
abbau, aber Sie tun nicht genug.


(Beifall bei der FDP)


Es ist schon beeindruckend, dass die Bundeskanzlerin
vor einigen Wochen beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos
und im Europäischen Parlament, aber auch heute Morgen
vehement ein Abbauziel bei den Bürokratiekosten in
Europa gefordert hat, ihre eigene Bundesregierung jedoch
erst in dieser Woche ein eigenes Abbauziel festgelegt
hat. Das ist der Unterschied zwischen den Ankündigun-
gen und der Praxis ihrer Regierung. Aber auch Minister
Glos selbst – ich sehe, er ist bei dieser, wie ich finde,
wichtigen Debatte nicht anwesend – muss sich das vor-
halten lassen. Was nützt es, wenn er als Ankündigungs-
minister gegen die Bauabzugsteuer wettert, sich aber im
Kabinett nicht durchsetzt?

Liebe Kollegen von der Union, setzen Sie sich endlich
im Kampf gegen Bürokratie durch und schaffen Sie
diese unsinnige Bauabzugsteuer ab! Dann werden Sie
für den Mittelstand in Deutschland wieder glaubwürdig.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D Jetzt hat Olav Gutting für die CDU/CSU-Fraktion das ort. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! eine Herren! Wenn wir heute mit Firmeninhabern, Unrnehmerinnen und Unternehmern sprechen, bekommen ir zu hören, dass die Bürokratie für viele in der Tat die rößte Belastung ist. Nicht die zu hohen Steuersätze, icht die zu hohen Lohnnebenkosten, sondern die zu roße Bürokratie steht oft an erster Stelle der Störfaktoren nserer Wirtschaft. Das gilt gerade für den Mittelstand. Der Abbau bürokratischer Hemmnisse ist deswegen nbestritten eine zentrale Aufgabe in unserem Land. ch kann mich noch gut daran erinnern, dass auch ich 002 im Wahlkampf gegen die Bauabzugsteuer gewettert abe: Ich habe darüber geschimpft und sie als ein Büroratiemonster, als ein untaugliches Instrument bezeichnet. anchmal werden die Dinge aber nicht so heiß gegessen, ie sie zunächst gekocht wurden. (Frank Schäffler [FDP]: Wie bei der Mehrwertsteuer, was?)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608219300

(Beifall bei der CDU/CSU)

Olav Gutting (CDU):
Rede ID: ID1608219400

(Frank Schäffler [FDP]: Aber!)


Wenn man heute mit Vertretern der von dieser Steuer
etroffenen Branche, mit den Bauunternehmern, spricht,
rfährt man erstaunlicherweise, dass die Regelungen zur
auabzugsteuer überwiegend positiv bewertet werden.
or der Einführung des Steuerabzugs wurden deutsche
auunternehmen häufig im Rahmen von Betriebsprü-

ungen gezielt auf die Beschäftigung ausländischer
achunternehmer geprüft. Konnte der Nachweis der
xistenz des Nachunternehmers, des Subunternehmers,
egenüber der Steuerbehörde nicht eindeutig erbracht
erden, ging die Finanzverwaltung davon aus, dass es

ich um eine sogenannte Scheinfirma handelt. Dies hatte
ur Folge, dass den deutschen Hauptunternehmern sowohl
er Betriebsausgabenabzug als auch der Vorsteuerabzug
ersagt wurden; zu guter Letzt wurde auch noch die
ohnsteuer der Nachunternehmer vom Hauptunternehmer
ingefordert.

Um der Finanzverwaltung die Existenz eines beauftrag-
n Subunternehmers unzweifelhaft nachzuweisen,
urde den Bauunternehmen ein umfangreicher Katalog
on beizubringenden Nachweisen auferlegt. Im Regelfall
edeutete das für die Bauunternehmer, dass sie Folgen-
es beibringen mussten: den Handelsregisterauszug, die
intragung in der Handwerksrolle, die Unbedenklichkeits-
escheinigungen der Finanzverwaltung, der Krankenkasse
nd der Berufsgenossenschaft sowie häufig auch noch die
opie des Personalausweises des Geschäftsführers des
achunternehmens.


(Frank Schäffler [FDP]: Das müssen Sie in anderen Bereichen auch einführen, wenn das so gut ist!)







(A) )



(B) )


Olav Gutting
Es ist für die Betroffenen ein nicht unerheblicher Auf-
wand gewesen, diese Nachweise beizubringen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der FDP, die Union stellt sich der Forde-
rung nach Bürokratieabbau sicherlich nicht entgegen. In
diesem Fall stellt sich die Realität aber wie folgt dar: Vor
der Einführung der Bauabzugsteuer hatten viele Bauunter-
nehmen eine erhebliche Menge Papierkram zu erledigen,
um die geforderten Nachweise, die ich vorhin genannt
habe, gegenüber der Finanzverwaltung zu erbringen. Mit
der Einführung der Bauabzugssteuer hat sich – zumin-
dest nach Angaben der Vertreter der Bauindustrie und
des Baugewerbes – dieser enorme Verwaltungsaufwand
merklich reduziert.

Es mag sein, dass ein geringerer Verwaltungsauf-
wand vonseiten der Finanzverwaltung denkbar ist.
Wenn man sich aber noch einmal vor Augen führt, welche
Unterlagen vor Einführung der Bauabzugsteuer von den
Finanzbehörden zu prüfen waren, dann kann man,
glaube ich, nicht davon sprechen, dass es mit der derzei-
tigen Regelung zu einem Mehr an Bürokratie gekommen
ist. Das belegen auch die Aussagen von Vertretern der
Deutschen Steuer-Gewerkschaft, die sagen: Durch die
Bauabzugsteuer ist nicht wirklich eine spürbare Mehrbe-
lastung für die Finanzämter entstanden; bei der Prüfung
treten für die Finanzbeamten keine sonderlich schwierigen
Probleme auf.

Ähnliche Auskünfte habe zumindest ich aus dem
Kreis der Steuerberater erhalten. In der Regel sind es ja
die Steuerberater, die die Anträge auf Freistellungs-
bescheinigung für die Unternehmen, für ihre Mandanten,
stellen. Diese Freistellungsbescheinigung erhält man auf
einen formlosen Antrag hin, der ohne großen Aufwand
zu fertigen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zugegeben: Für die Bauherren ist ein Verwaltungs-
aufwand entstanden. Sie müssen sich die Freistellungs-
bescheinigungen vorlegen lassen und gegebenenfalls
auch die Echtheit dieser Zertifikate prüfen. Dieser Auf-
wand – mein Gott – hält sich aber sicherlich in zumutbaren
Grenzen; denn man muss ja bedenken, dass es bei der
Bauabzugsteuer gerade auch um die Eindämmung von
Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung geht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, nun
frage ich Sie, ob Sie es mit Ihrem Antrag wirklich billigend
in Kauf nehmen wollen, dass sich der Korridor für
Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung wieder weiter
öffnet. Ich bin davon überzeugt, dass das von Ihnen nicht
gewollt sein kann.


(Frank Schäffler [FDP]: Herr Glos ist das doch!)


Bezüglich der Wirksamkeit der Bauabzugsteuer kön-
nen Sie sicherlich verschiedene Argumente vorbringen.
Auch wir können das. Die Sache ist noch nicht zu Ende
evaluiert. Es liegt aber zumindest ein Gutachten der
Prognos AG vor, in dem der Steuerabzug für Bauleistun-
gen insgesamt positiv bewertet wird: Der Steuerabzug führt
dazu, dass illegale Unternehmen vom Markt verdrängt

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(C (D erden, es entsteht ein erheblicher Informationsgewinn ür die Finanzverwaltung, die Zahl der ausländischen nternehmer, die bei den Finanzämtern vorstellig werden, at sich beträchtlich erhöht, wodurch zusätzliche Steuern nd Sozialabgaben eingenommen werden, und bei den nländischen Unternehmen hat sich die Erfüllung der teuerlichen Pflichten verbessert. Möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen chäffler zulassen? (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Wenn es der Sache dient!)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608219500


Olav Gutting (CDU):
Rede ID: ID1608219600

Gerne.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608219700

Bitte schön, Herr Schäffler.


Frank Schäffler (FDP):
Rede ID: ID1608219800

Der Kollege Dautzenberg sagte: „Wenn es der Sache

ient!“ Ich versuche das.

Sie haben das Prognos-Gutachten zitiert. Deswegen
ill ich auch daraus zitieren und Sie fragen, ob Sie der
ussage zustimmen und ob Sie das Prognos-Gutachten

n der Stelle kennen. Auf Seite 86 steht unter dem Punkt
Veränderung der Höhe der Schwarzarbeit“:

Das Hauptergebnis dieser Befragung ist eindeutig:
76 % der befragten Unternehmen stellen fest, dass
das Gesetz zum Steuerabzug bei Bauleistungen kei-
nen Effekt auf die Schwarzarbeit hat.


Olav Gutting (CDU):
Rede ID: ID1608219900

Es ist richtig, dass wir diesen ganzen Prozess noch

icht vollständig evaluiert haben. Trotzdem gehen wir
avon aus – wenn dies im Moment vielleicht auch nicht
irekt messbar ist –, dass sich bei der Bekämpfung von
chwarzarbeit und illegaler Beschäftigung ein positiver
ffekt ergeben hat.

Ich sage gar nicht, dass das hier der Idealfall ist, aber
enn wir dieses Gesetz abschaffen, dann müssen wir

ine Alternative bieten. Die haben Sie bisher auch noch
icht vorgelegt. Lassen Sie uns deswegen die ganze Sache
n Ruhe evaluieren. Wir tun das. Ich komme nachher
och darauf zurück. Spätestens Ende 2007 werden die
rgebnisse vorliegen. Dann können wir uns gerne
usammensetzen und eine bessere Regelung für diesen
ereich finden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Übrigen: Die Feststellung des Bundesrechnungs-
ofes, die Sie in Ihrem Antrag als Argument heranziehen,
ass die Finanzämter diese Freistellungsbescheinigung
n mehr als 95 Prozent aller Fälle erteilen, kann ja nicht
irklich als Argument gegen die Wirksamkeit der gel-

enden Rechtslage herhalten; denn diejenigen Firmen,
ie wissen, dass sie aufgrund ihres Fehlverhaltens gar






(A) )



(B) )


Olav Gutting
keine Chance haben, eine Freistellungsbescheinigung zu
bekommen, stellen erst gar keinen Antrag.


(Frank Schäffler [FDP]: Ja!)


Diejenigen, die von vornherein wissen, dass sie diese
Bescheinigung nicht erhalten, gehen erst gar nicht dorthin.
Sie haben also keine Freistellungsbescheinigung. Daher
werden durch die Einführung des Steuerabzugs zahlreiche
unseriöse Firmen von der Teilnahme am Marktgeschehen
abgehalten.


(Frank Schäffler [FDP]: Das legt ja das Finanzamt fest!)


Das ist aus meiner Sicht ein begrüßenswerter Bereinigungs-
prozess. Dies wird übrigens auch im Prognos-Gutachten
festgestellt.

Dennoch will die Bundesregierung den Steuerabzug bei
Bauleistungen im Rahmen des Programms „Bürokratie-
abbau und bessere Rechtsetzung“ erneut evaluieren. Das
gestehe ich Ihnen gerne zu. Anschließend, nach dieser
Evaluierung, werden wir über den Fortbestand dieser
Bauabzugsteuer zu entscheiden haben. Entsprechende
Ergebnisse werden für das zweite Halbjahr 2007 erwartet.
Schon allein aufgrund dieses momentanen Sachstandes
ist der Antrag der FDP abzulehnen.

In jedem Fall ist es sinnvoll, zunächst die Ergebnisse
der aktuellen Evaluierung abzuwarten. Sodann wird sehr
genau zu prüfen sein, ob die Bauabzugsteuer, die seiner-
zeit ja auf Verlangen der Länder eingeführt wurde, tat-
sächlich abgeschafft werden soll.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: So ist das!)


Ende des Jahres werden wir alle diesbezüglich schlauer
sein.

Im Übrigen stehen wir als Koalitionsfraktionen bei
den Bemühungen um Entbürokratisierung auf Ihrer
Seite, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Das
will ich Ihnen noch einmal versichern. Darauf können
Sie sich verlassen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dank der Einrichtung des unabhängigen Normenkon-
trollrates zum Abbau der Bürokratie – Sie haben es vor-
hin angesprochen – wird es in Zukunft wirklich zu einer
nennenswerten Entlastung von bürokratischen Hemm-
nissen in Deutschland kommen.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse)


Wir bemühen uns ernsthaft um eine Verbesserung der
Standortqualitäten von Deutschland. Davon – auch das
haben Sie eben schon erwähnt – dürfen Sie sich gerne
morgen früh bei der Debatte über das Gesetz zum Abbau
bürokratischer Hemmnisse in der mittelständischen
Wirtschaft überzeugen. In diesem Rahmen werden wir
noch einmal klarmachen, wie wichtig uns Bürokratieab-
bau ist. Heute müssen wir Ihren Antrag leider ablehnen.

So viel von mir.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D Das Wort hat nun Kollegin Barbara Höll, Fraktion ie Linke. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit er Einführung der Bauabzugsteuer vor fünf Jahren war ie berechtigte Hoffnung auf eine massive Eindämmung llegaler Betätigung im Baugewerbe und damit auf eine erhinderung von illegaler Beschäftigung verbunden. ie Initiative der FDP, jetzt nachzufragen, wie denn nun ie Situation aussieht und ob das Gesetz wirksam war, st, wie ich finde, berechtigt. Man sollte eigentlich bei alen Gesetzen überprüfen, ob die Ziele, die wir als Geetzgeber angestrebt haben, erreicht wurden. Auf Ihre Kleine Anfrage bekamen Sie von der Bunesregierung die Auskunft – der Bundesrechnungshof at sich ja geäußert –, dass 99 Prozent der inländischen nd 95 Prozent der ausländischen Antragsteller Freistelungsbescheinigungen erteilt wurden. Die Bundesregieung stellt fest, dass durch diese Maßnahme 31 Millionen Euro an Steuern und Sozialabgaben einenommen wurden. Bezüglich positiver Beschäftigungsuoten und der Vermeidung von Schwarzarbeit lagen der undesregierung jedoch keine Erkenntnisse vor. Herr utting brachte eben dafür die Interpretation, dass diejeigen Unternehmen, die nicht ordentlich arbeiteten, erst ar keinen Antrag stellen würden. Das werden wir seen. Klar ist, dass diese Maßnahme nicht so gegriffen hat, ie es der Gesetzgeber wollte. Durch das Abzugsverfah en konnten weder Kettenbetrugsmodelle in größerem mfange aufgedeckt noch konnte die Besteuerung inlänischer und ausländischer Werkvertragsunternehmer sihergestellt werden. Das massenhafte Ausstellen steuericher Unbedenklichkeitsbescheinigungen kann darüber inaus von Unternehmen der Baubranche als eine Art reibrief dafür betrachtet werden, nun legitimiert so wei erzumachen wie bisher. An illegaler Beschäftigung geade ausländischer Beschäftigter verdienen Bauunterehmen Millionenbeträge. Verlierer sind die sozial und teuerrechtlich ungeschützt tätigen Arbeiter und die öfentliche Hand. Die mit der Bauabzugsteuer beabsichigte Verlagerung der Besteuerung auf den Leistungsmpfänger findet nicht statt. Die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes sprehen von notwendigen flächendeckenden Baustellenontrollen, um einen Gesetzesvollzug zu gewährleisten. ie Finanzämter sehen sich jedoch völlig zu Recht in ielerlei Hinsicht überfordert und teilweise am Rande iher Leidensund Leistungsfähigkeit. Daraus kann man un zwei Schlüsse ziehen: Man kann wie die FDP die bschaffung der Bauabzugsteuer fordern. Man kann ber auch anders herangehen und überhaupt erst einmal ragen, warum das Gesetz nicht gegriffen hat und ob berhaupt die Voraussetzungen und Bedingungen für en Gesetzesvollzug gegeben sind. Dr. Barbara Höll Letzteres ist meines Erachtens der Kern des Problems. Dies kann man nachvollziehen, wenn man, wie ich es im vergangenen Jahr in Leipzig gemacht habe, dem Finanzamt oder dem Landesrechnungshof einen Besuch abstattet. Auch Herr Ondracek, der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, der am Sonnabend hier in Berlin auf der steuerpolitischen Konferenz der Linken sprach, berichtete von der Überlastung des Personals der Finanzbehörden und von krankmachenden Arbeitsbedingungen. Er erwähnte auch unsere Rolle dabei, nämlich dass steuerliche Verfügungen und permanente Veränderungen trotz Weiterbildungsangeboten dazu führen, dass die Mitarbeiter in den Finanzbehörden trotz hoher Motivation nicht so arbeiten können, wie sie es gerne wollen. Damit sind wir wieder bei der Frage, ob tatsächlich die Bedingungen gegeben sind, um einen solchen Gesetzesvollzug zu gewährleisten, wie er notwendig ist. Wir sollten uns fragen – da schließe ich auch die FDP ein –, ob es denn richtig ist, erst Gesetze zur Erhebung von Steuern zu erlassen und sie dann abzuschaffen, weil sie nicht überprüft werden können. Das ist doch schizophren. Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, tätig zu werden und die Bedingungen eines ordnungsgemäßen Steuervollzuges zu verbessern. Die Finanzämter müssen umfassend in die Lage versetzt werden, vor Ort mehr Kontrollen durchzuführen. Wir gehören als Linke nicht zu denen, die populistisch Steuervereinfachungen fordern, weil das gar nicht immer so geht, wie Sie sich das vielleicht vorstellen. Denn das moderne Erwerbsund Geschäftsleben ist nun einmal kompliziert und braucht deshalb auch ein kompliziertes Regelungswerk. Aber wir brauchen Transparenz und die Verlässlichkeit steuerlicher Regelungen und Gesetze. Deshalb werden wir der Abschaffung der Bauabzugsteuer jetzt so nicht zustimmen. Wir sind für einen effektiven Gesetzesvollzug und schließen uns deshalb dem Gutachten des Bundesrechnungshofes an, in dem gefordert wird, dass Freistellungsaufträge vor Ort kontrolliert werden müssen. Ich danke Ihnen. Das Wort hat nun Kollegin Margareta Wolf, Bündnis 90/Die Grünen. Margareta Wolf GRÜNEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608220000

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608220100




(A) )


(B) )


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608220200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr ge-
ehrter Herr Schäffler, Sie haben darauf hingewiesen,
dass die Bauabzugsteuer im Jahr 2002 eingeführt wurde,
um den Umsatzsteuerbetrug im Baugewerbe besser be-
kämpfen zu können. Die eigentliche Herausforderung
– da kann ich Herrn Gutting nur zustimmen – wäre ge-
wesen, in Ihrem Antrag nicht einfach nur zu fordern, die

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(C (D auabzugsteuer abzuschaffen, sondern einen Instrumenenkatalog zu entwickeln, wie wir mit der Schwarzarbeit m Baugewerbe umgehen wollen. Diese große Herausorderung kennen wir seit Bestehen der Bundesrepublik eutschland. (Frank Schäffler [FDP]: Niedrigere Steuern, niedrigere Sozialabgaben!)


Das sagen Sie immer; aber das ist eine zu einfache
ntwort auf diese Frage.


(Frank Schäffler [FDP]: Die Wahrheit ist oft einfach!)


Ich möchte Sie auf zwei Punkte aufmerksam machen,
ie auch bei Ihnen schon angeklungen sind. Die Bauab-
ugsteuer hat ja auch etwas gebracht – das steht sowohl
n dem von Ihnen zurate gezogenen Gutachten des Bun-
esrechnungshofes als auch in dem Prognos-Gutachten –:
ie hat zu einem Erkenntnisgewinn bei den Finanzver-
altungen geführt. Ich bin durchaus der Meinung, man

oll das ordentlich evaluieren;


(Frank Schäffler [FDP]: Das stimmt!)


enn wenn das mittelfristig dazu führt, dass das Statis-
ikvolumen reduziert wird, dann ist das gut.

Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die Bau-
irtschaft nach anfänglichen Bedenken gegenüber die-

er Steuer heute in ihrer Mehrheit eher zu den Unterstüt-
ern gehört. Insofern würde ich sehr dafür plädieren,
ich das genau anzuschauen und das gründlich zu evalu-
eren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte entgegen dem, was Herr Gutting gesagt
at, Ihnen, Herr Schäffler, durchaus zustimmen, dass es
achgerade lächerlich ist, wenn der Legalisierungseffekt
ich auf 331 Millionen Euro beläuft. Das ist in der Tat
so antwortet ja auch die Bundesregierung auf Ihre An-

rage – ein lächerliches Volumen, das die Bauabzug-
teuer in ihrer ursprünglichen Funktion mitnichten recht-
ertigt.

Mich treibt um – ich finde, das muss uns alle in die-
em Hause umtreiben –, dass man nach der jüngsten
ehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent, gegen

ie wir beide bis zum letzten Moment gekämpft haben,
avon ausgeht, dass es bei der Schwarzarbeit einen
räftigen Schub nach oben von bis zu 5 Milliarden Euro
eben wird.


(Frank Schäffler [FDP]: Dann war meine Aussage ja richtig: niedrigere Steuern!)


rofessor Schneider von der Uni Linz geht davon aus,
ass das Volumen auf rund 350 Milliarden Euro per an-
um steigen wird.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen Wirtschafts-
olitiker, wenn wir nicht wollen, dass die Umsatzsteuer-
innahmen durch nichtlegitimes Handeln komplett weg-
rechen – und das Volumen, über das Herr Professor
chneider redet, ist erheblich –, dann müssen wir auch
ber andere Instrumente zur Bekämpfung der Schwarz-
rbeit in der Bauwirtschaft diskutieren.






(A) )



(B) )


Margareta Wolf (Frankfurt)


(Frank Schäffler [FDP]: Niedrigere Steuern, niedrigere Sozialabgaben!)


Herr Schneider geht davon aus, dass der Anteil der Bau-
wirtschaft an dem Volumen der Schwarzarbeit in Höhe
von 350 Milliarden Euro 38 Prozent beträgt. Das ist er-
heblich. Das heißt, das Instrument funktioniert nicht
wirklich.

Ich würde mir wünschen, dass wir uns gemeinsam
Gedanken machen, wie wir der Schwarzarbeit begegnen
können. Ich habe erhebliche Zweifel, dass die einge-
führte Steuerabzugsfähigkeit der Handwerksleistungen
tatsächlich so greift, dass das Volumen deutlich verrin-
gert werden kann. Da hätte ich mir ein bisschen Energie
seitens der FDP gewünscht. Es hat Tradition, immer nur
zu fordern „Hau weg den Scheiß!“, womit aber das Pro-
blem nicht gelöst wird. Wir als verantwortliche Wirt-
schaftspolitiker machen uns Gedanken und begleiten die
Koalition bei der Evaluierung und bei der weiteren De-
batte über effektive Instrumente gegen die Schwarzar-
beit.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608220300

Nun hat Kollegin Simone Violka, SPD-Fraktion, das

Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Simone Violka (SPD):
Rede ID: ID1608220400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Lieber Herr Schäffler, Sie haben Recht: Man
könnte die Bauabzugsteuer abschaffen.


(Frank Schäffler [FDP]: Schön! Das ist doch schon mal was!)


Aber dann dürfte es auf dieser Welt nur ehrliche, unei-
gennützige und hundertprozentig rechtschaffende Men-
schen geben. Dann wäre sie tatsächlich überflüssig.


(Frank Schäffler [FDP]: Dann können wir sie ja überall einführen!)


Dass dem nicht so ist, zeigt ein Blick auf die Aus-
maße, die die Schwarzarbeit inzwischen angenommen
hat. Das dürfte auch der FDP nicht entgangen sein.


(Frank Schäffler [FDP]: Die gibt es überall, übrigens auch im Friseurhandwerk!)


Sie, die Sie sich immer wieder einbilden, der alleinige
Gralshüter des Mittelstandes zu sein, ignorieren in dieser
Frage ausgerechnet die Forderung des Baugewerbes,
diesen Missstand auch gesetzlich einzudämmen. Dem ist
der Gesetzgeber mit Einführung dieses Gesetzes gefolgt.

Es ist leider so, dass es neben vielen rechtschaffenen
Unternehmerinnen und Unternehmern in diesem Land,
die Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen, auch wel-
che gibt, die durch ihre kriminellen Machenschaften
nicht nur die Gesellschaft betrügen und ihr Finanzmittel
im Solidarsystem durch Betrug vorenthalten, sondern
die damit auch ihre Mitbewerber schädigen, die sich red-

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(C (D ich verhalten. Diese illegale Betätigung der schwarzen chafe hat durch den Wegfall der EU-Binnengrenzen nd die größere Durchlässigkeit der EU-Außengrenzen och zugenommen. Aufgrund der komplexen Rechtsage gelang es immer wieder, neue Verschleierungsund interziehungsmodelle zu entwickeln. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen ihre kriinelle Energie, mit der sie sich an ihren Schreibtisch etzen und immer wieder versuchen, Wege zu finden, ie sie mit möglichst wenig Arbeit illegal an Geld komen können, einmal in positive Energie umwandeln. Ich laube, diese Menschen könnten unglaublich viel erreihen. Sie könnten legal Geld verdienen und dazu noch rbeitsplätze schaffen, was zudem bewirkt, dass ihre itbewerber nicht mehr geschädigt werden. Aber dem st leider nicht so. Diese hohen Schäden, die hier eintreen, darf die Gesellschaft nicht hinnehmen. Durch den bzug sollte deshalb der illegalen Betätigung im Baugeerbe entgegengewirkt und der Gesellschaft der Steuer nspruch gesichert werden. Es stimmt, dass der Bundesrechnungshof zu der Festtellung kam, der jetzige Gesetzeszustand reiche für eine assive Verbesserung der Situation nicht aus. Aber er at nicht, wie es die FDP in ihrem heutigen Antrag und n diversen Presseveröffentlichungen suggeriert, empohlen, dieses Gesetz deswegen abzuschaffen. Der Bunesrechnungshof kritisiert in Wahrheit die vielen Freitellungsbescheinigungen. Diese sind aus unserer Sicht ber erforderlich, um eben nicht in einem bürokratischen ust zu ersticken. So kann eine Freistellungsbescheini ung vom zuständigen Finanzamt erteilt werden, wenn er zu sichernde Steueranspruch nicht gefährdet ercheint. Glauben Sie mir, dass die Finanzbeamten vor rt durchaus einen Überblick haben, welche Firma chon viele Jahre am Markt ist, ihre Steuern bezahlt und uch den bisherigen Prüfungen standgehalten hat und elche nicht. Auch nicht jede Bauleistung macht diese Bauabzugteuer erforderlich. Zum Beispiel betrifft das Vermieter nd Unternehmer, die eine Bauleistung in geringem ert vergeben. Deshalb wurde eine Bagatellgrenze in öhe von 5 000 Euro angesetzt. Bei Wohnungsvermie ern erhöht sich diese Freigrenze auf 15 000 Euro pro ahr. Natürlich kann man die Wirksamkeit dieses Gesetzes nfrage stellen. Aber es hat sich als richtig erwiesen, dass ie Finanzämter jetzt frühzeitig Kenntnisse von den Akivitäten inund ausländischer Bauunternehmer erhalten nd nicht erst, wie früher, reagieren können, wenn unseiöse Unternehmen schon längst nicht mehr greifbar waen. (Frank Schäffler [FDP]: Das rechtfertigt aber nicht alles!)


Ich wiederhole: Der Bundesrechnungshof hat nicht
ie Abschaffung dieses Gesetzes gefordert. Wenn Sie
ich, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, in Ihrem
ntrag und auch in Ihrer Öffentlichkeitsarbeit immer
ieder auf den Bundesrechnungshof beziehen, dann

ollten Sie auch die tatsächlichen Forderungen nicht ver-






(A) )



(B) )


Simone Violka
schweigen. Da Sie das in Ihrer Rede vorhin wieder nicht
getan haben und es auch nicht in Ihren Presseveröffentli-
chungen vorkommt, will ich das an dieser Stelle gerne
nachholen. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten den
Bundesrechnungshof:

Der Bundesrechnungshof schlägt daher vor, dass
die Steuerverwaltung das Freistellungsverfahren
künftig restriktiver handhabt und gezielt Freistel-
lungsanträge kontrolliert, bei denen das Risiko ei-
nes Missbrauchs besteht. Außerdem empfiehlt der
Bundesrechnungshof einen Wechsel der Steuer-
schuldnerschaft im Baubereich.

Das Bundesministerium der Finanzen sollte u. a.
auch die Möglichkeit einer steuerlichen Generalun-
ternehmerhaftung prüfen.

Ich lese aus diesen Zeilen nicht, dass der Gesetzgeber
aufgefordert wird, dieses Gesetz abzuschaffen.


(Frank Schäffler [FDP]: Ich habe auch nicht behauptet, dass der Rechnungshof das fordert!)


– Doch. In Ihren Presseveröffentlichungen steht immer
wieder, dass wir uns ein Beispiel am Bundesrechnungs-
hof nehmen und deshalb tätig werden sollten.


(Frank Schäffler [FDP]: Ich habe gesagt: Das ist ineffizient!)


Da Sie die Abschaffung des Gesetzes fordern, suggerie-
ren Sie, dass das auch der Bundesrechnungshof möchte.

Wir müssen jetzt sehen, wie wir mit diesen Erkennt-
nissen umgehen und wie wir uns weiter verhalten. Aller-
dings birgt eine hohe Zahl von Freistellungen auch nicht
die Unwirksamkeit dieses Gesetzes in sich. Denn diese
Freistellungen werden ja nicht ohne Prüfung oder Kennt-
nis über die antragstellenden Unternehmen erteilt. Ich
glaube nicht, dass ein Finanzamt ohne Prüfung einfach
so eine Freistellungsbescheinigung erteilt. Die schauen
vielmehr genau hin.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass man davon ausgehen
kann, dass viele Unternehmen, die genau wissen, dass
sie dem nicht standhalten – das wurde vorhin schon ge-
sagt –, keinen Antrag stellen. Ich glaube auch, dass es
sich für Unternehmen, die sich genau ausrechnen, dass
sie diese Steuer in Höhe von 15 Prozent zahlen müssen,
nicht mehr lohnt, sich überhaupt an solchen Ausschrei-
bungen zu beteiligen, und dass sie dadurch gar nicht erst
in Erscheinung treten.


(Frank Schäffler [FDP]: Das ist ja eine sehr marktwirtschaftliche Variante!)


Das ist genauso, wie wenn Sie in einem Kaufhaus
eine Überwachungskamera anbringen. Wenn dadurch
die Diebe so abgeschreckt werden, dass sie gar nicht erst
aktiv werden, können Sie nicht sagen: Wir haben keine
Diebe gefasst; deshalb sind die Kameras unwirksam.
Denn es wurde dadurch ja Schaden abgewendet. Es ist
gerade in unserem Sinne, dass seriöse Unternehmen und
deren Arbeitnehmer nicht in unangemessener Weise be-
lastet werden. Das sind auch nicht die Zielgruppen unse-
res Gesetzes.

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(C (D Es ist auch nicht wahr, dass allein durch das Vorhanensein dieses Gesetzes praktisch jeder Unternehmer in en Verdacht gerät, kriminell zu arbeiten. Auch solche ußerungen kann man hören und lesen, wenn man sich it diesem Thema beschäftigt. Es kommt ja auch nieand auf die Idee, der Bahn zu unterstellen, dass alle ahnkunden Schwarzfahrer sind, weil man die Fahrkar en aller Kunden kontrolliert. Ich glaube, das ist absurd. ein Kaufhaus unterstellt jedem, der das Geschäft be ritt, ein Dieb zu sein, nur weil jeder die elektronische icherungsanlage passieren muss. Ich habe nicht das Geühl, dass das Kaufhaus mir deshalb unterstellt, ich önnte ein potenzieller Dieb sein. Im Gegenteil: Solche aßnahmen wie auch dieses Gesetz schützen die Ehrli hen vor künftigen höheren Kosten, weil die Anzahl deer, die sich durchmogeln und sich auf Kosten der Ehrlihen bereichern, eingedämmt wird. Unser Gesetz leistet einen Beitrag dazu, seriös und korrekt handelnde Baunternehmer vor unseriösen Wettbewerbern zu schützen, ie schädlich für die Preise sind und letztendlich im Reressfall die ganze Branche in Verruf bringen. Das Bundesfinanzministerium hat die Wirkung der auabzugsteuer bereits kurz nach der Einführung unter uchen lassen. Das Gutachten der damit beauftragten irma bescheinigt den Finanzämtern einen erheblichen nformationsgewinn. Ich glaube, das ist etwas, worauf an sich beziehen kann, wenn man die Entscheidung ällt: Brauchen wir dieses Gesetz oder nicht? Denn damit ird sichergestellt, dass sich Firmen, die früher längst erschwunden waren, ehe sie Steuern zahlen mussten, hrer Besteuerung jetzt nicht mehr entziehen können. as Gutachten geht deshalb von beachtlichen positiven ffekten bei hauptsächlich ausländischen Unternehmen us, von denen man vorher nicht gewusst hat, was das ür Unternehmen sind, weil sie vorher in der Region ventuell noch nie in Erscheinung getreten sind. Allerdings ist es momentan für eine abschließende eurteilung noch zu früh, da das vorliegende Gutachten ereits relativ kurz nach der Einführung des Gesetzes ertellt wurde. Deshalb wird die Bauabzugsteuer erneut egenstand einer Evaluierung im Rahmen des Proramms zum Bürokratieabbau sein. Dieser Abchlussbericht wird aber erst im zweiten Halbjahr dieses ahres vorliegen. Wir werden dieses Gutachten abwarten nd erst danach, falls erforderlich, gesetzgeberische aßnahmen einleiten. An dieser Stelle ist es wichtig, darauf hinzuweisen, ass jeder in dieser Gesellschaft darauf hinarbeiten kann, ass Schwarzarbeit und illegale Betätigungen eingeämmt werden. Man sollte sich einmal anschauen, wie ergaben erfolgen und mit welchen Unternehmen zuammengearbeitet wird. Auch Kommunen und Private üssen sehen: Gute Arbeit kostet gutes Geld. Man muss enau hinschauen, ob man vielleicht nicht dem Billigsen, sondern dem Wirtschaftlichsten den Auftrag gibt. azu muss ich ganz ehrlich sagen: Ich würde mir in die er Hinsicht wünschen, dass das eine oder andere undesland vielleicht einmal seine Vergabeordnung berprüft und die Entscheider vor Ort mehr Handlungspielraum erhalten. Aber das liegt nicht in unserem Eressen hier in Berlin. Simone Violka Wir müssen schauen, wie wir aufgrund der jetzigen Gesetzeslage in den Ländern dennoch dazu beitragen können, dass Missbrauch möglichst weit eingedämmt bzw. so unmöglich gemacht wird, wie wir das können. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/3055 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 11 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes – Drucksache 16/4017 – Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – Drucksache 16/4444 – Berichterstattung: Abgeordnete Reinhard Grindel Maik Reichel Dr. Max Stadler Ulla Jelpke Josef Philip Winkler Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Jochen-Konrad Fromme, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem siebten Änderungsgesetz zum Bundesvertriebenengesetz unterstreichen wir die Kontinuität der Verantwortung für die deutschen Minderheiten und Spätaussiedler und erfüllen zugleich sicherheitspolitische Anforderungen. Es ist richtig, dass auch im Vertriebenengesetz auf die international gestiegene Bedrohungslage reagiert wird und Ausschlusstatbestände formuliert werden, die es Personen mit terroristischem Hintergrund unmöglich machen, sozusagen über die Hintertür als Spätaussiedler nach Deutschland zu kommen. Deshalb ist es richtig, dass die Stellung des Spätaussiedlers nicht erwerben kann, wer einer terroristischen Vereinigung angehört, eine Organisation mit terroristischem Hintergrund unterstützt oder sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wendet. Das muss auch für diesen Bereich gelten. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie oft kam das denn schon vor?)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der SPD)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608220500

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1608220600

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(C (D ie Neuregelung bringt mehr Sicherheit und einen Zuewinn an Akzeptanz für die Spätaussiedler in diesem and, weil diese Kriterien auch für sie angewandt weren. Mit diesem Gesetz wird aber auch unsere dauerhafte istorische Verantwortung gegenüber Deutschstämmien unterstrichen und bestätigt. Dieses Gesetz bestätigt ie von uns seit Langem verfolgte Politik auch für eine ünftige Aufnahme deutscher Spätaussiedler: Einerseits st und bleibt das Tor für die deutschen Spätaussiedler ffen; andererseits gilt Art. 116 des Grundgesetzes ween des historischen Hintergrundes fort. – Dabei ist es ut und richtig, dass wir uns auch künftig zu einem allemeinen Kriegsfolgenschicksal für die Deutschen aus en ehemaligen GUS-Staaten bekennen. Diese Menchen haben lange unter ihrer deutschen Herkunft geliten. Mehr als 3,1 Millionen Spätaussiedler sind seit der ende zu uns nach Deutschland gekommen. Die allereisten von ihnen – das will ich noch einmal sagen – ind gut integriert und bedeuten eine Bereicherung für nsere Gesellschaft. Sie haben die Ärmel hochgekremelt, sich eingegliedert, uns geholfen und viel Gutes gean. Sie sind – das ist wichtig für die Zukunft – oft kinerreich. Sie haben durch ihre Eingliederung sehr viel ür unsere Sozialkassen getan. Dem steht allerdings entgegen, wie die Spätaussiedler ffentlich wahrgenommen werden. Dies gilt insbesonere, wenn Spätaussiedler an Straftaten beteiligt sind; uch sie sind Menschen, so etwas kommt also vor. Aber ann steht immer in der Zeitung: „Der Spätaussiedler X ...“. adurch ergibt sich ein völlig falsches Bild. Jüngst hat die Hamburger Polizeibehörde eine Unteruchung zur Kriminalitätsstatistik veröffentlich, die beegt hat, dass Spätaussiedler nicht anders sind als andere. ie sind nicht besser, aber auch nicht schlechter. Ich laube, wir müssen uns hier um Objektivität bemühen. hnliche Untersuchungen und Ergebnisse gibt es auch us anderen Ländern. Das belegt, dass dies ein repräsenatives Bild ist. Ich will überhaupt nicht verhehlen, dass wir mit eiem kleinen Teil dieser Gruppe erhebliche Probleme haen, insbesondere mit Jugendlichen bzw. jungen Erachsenen. Diese haben Probleme, insbesondere wenn ie erst in den letzten Jahren zu uns gekommen sind, sich n die Gesellschaft zu integrieren. Um diese müssen wir ns kümmern. Bei ihnen ist die Motivation, sich hier inzugliedern, zum Teil relativ gering. Das bedeutet, ass sie sich wenig um das Erlernen der Sprache bemüen. Ohne Sprachkenntnisse bekommen sie keinen Ausildungsplatz und damit auch keinen Arbeitsplatz. Daurch können sie sich ihren Lebensunterhalt nicht erdienen und haben Langeweile. So findet keine Interation statt. Um diese Menschen müssen wir uns stärker kümern. Auch der kürzlich vorgelegte Bericht zur Evaluie ung der Integrationskurse im Rahmen des Zuwandeungsgesetzes hat dies ergeben. Jochen-Konrad Fromme Ich glaube, wir müssen unser Augenmerk nicht so sehr darauf richten, ob diese Menschen an den Kursen teilnehmen. Wir müssen stärker erfolgsorientiert arbeiten. Wir müssen uns darum kümmern, dass die Zeit nicht nur abgesessen wird, sondern dass am Ende etwas herauskommt. Wir müssen die Kurse stärker diversifizieren, um auf die Belange dieser Menschen wirklich eingehen zu können. (Beifall bei der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt! Fällt euch aber spät ein!)





(A) )


(B) )


Wir müssen uns auch stärker um Anreizstrukturen be-
mühen. Als erfolgreich darf nicht gelten, wer teilgenom-
men hat. Vielmehr muss derjenige belohnt werden, der
am Ende nachweisen kann, dass der Kurs wirklich etwas
genutzt hat.

Das Zuwanderungsgesetz hat für die Aufnahme der
deutschen Spätaussiedler einen verlässlichen Rahmen
geschaffen, und zwar nicht zuletzt – das sage ich nicht
ohne Stolz –, weil sich die Union, obwohl sie damals in
der Opposition war, in vielen Punkten durchgesetzt hat
und klare Konturen entwickeln konnte. Wichtig ist die
Anerkennung des allgemeinen Kriegsfolgenschicksals,
ferner die Frage des Abstammungsnachweises; denn die
Bürokratie ist dort nicht so perfekt wie bei uns, wo man
alles in einem Register nachschauen kann.

Wichtig ist natürlich auch, dass wir uns bezüglich der
Grundkenntnisse der Sprache auf ein verträgliches Maß
haben einigen können. Sprache ist wichtig; sie ist ein
Schlüssel. Wir dürfen die deutschen Spätaussiedler aber
nicht schlechter behandeln als andere, die nach Deutsch-
land kommen wollen. Deswegen war das wichtig.

Ich betone immer wieder, gerade für die Jüngeren, die
mit der Geschichte nicht so vertraut sind: Diese Men-
schen haben über Jahrzehnte hinweg gelitten, weil sie
Deutsche waren. Deswegen haben wir eine besondere
Verantwortung für diese Menschen, und deswegen müs-
sen wir uns besonders gut um sie kümmern.

Einen guten Beitrag zu einer erfolgreichen Integration
hat auch § 94 Bundesvertriebenengesetz geleistet. Es ist
wichtig, das Kulturgut zu pflegen. Es ist wichtig, auch
diese Dinge ernst zu nehmen, damit sich die Menschen
in unserer Gesellschaft wiederfinden. Es ist auch gut,
dass durch die jetzt vorliegende Novelle das Namens-
recht – § 94 Bundesvertriebenengesetz – ein wenig er-
leichtert wird. Dadurch, dass der Name wieder einge-
deutscht werden kann, wird die Integration verbessert.

Erfreulich ist, dass wir uns 50 Jahre lang um das kul-
turelle Erbe gekümmert haben. § 96 des Bundesvertrie-
benengesetzes verpflichtet Bund und Länder, „das Kul-
turgut der Vertreibungsgebiete in dem Bewusstsein der
Vertriebenen und Flüchtlinge, des gesamten Volkes und
des Auslandes zu erhalten“, damit diese wichtigen kultu-
rellen Beiträge fortentwickelt werden können. Leider ist
dieser Paragraf nicht immer ausreichend ernst genom-
men worden. Wir haben in der Vergangenheit erhebliche
Mittelkürzungen hinnehmen müssen. Umso besser finde
ich es, dass es uns gelungen ist, im letzten Haushalt an

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(C (D ieser Stelle einen Schwerpunkt zu setzen und die Mittel ieder heraufzusetzen. So können wir kulturelle Brei enarbeit betreiben und diese Gruppen einbeziehen. Ich laube, wir müssen auf diesem Wege voranschreiten. Mit dem ostdeutschen Kulturraum sind große Namen erbunden. Wir haben zum Beispiel den Ostpreußen Imanuel Kant, E. T. A. Hoffmann, den Schlesier Joseph on Eichendorff, Gerhart Hauptmann und den Pommern lfred Döblin. Was wäre Deutschland ohne diese kultu ellen Beiträge? Deswegen müssen wir dieses kulturelle rbe pflegen und weiterentwickeln. Die Menschen haen mit der Vertreibung zwar ihre Heimat verloren, aber icht ihren geistigen Besitz. Da dieser Besitz zur Bereihung beigetragen hat, ist dies ein wichtiges Thema. Wir ändern mit diesem Gesetz – das ist ein wichtiger unkt – auch § 23 Aufenthaltsgesetz. Es geht hier um die ogenannten Kontingentflüchtlinge. Nach der historichen Katastrophe des Dritten Reichs und den beispielosen Verbrechen kommt darin der Wunsch zum usdruck, jüdischen Zuwanderungswilligen einen ver ässlichen Rahmen zu bieten, damit sie ihren dauerhaften ohnsitz hier nehmen. Ziel ist es, die jüdischen Geeinden zu stärken. Diese Neuregelung war notwendig, eil das sogenannte Kontingentflüchtlingsgesetz durch as Zuwanderungsgesetz weggefallen ist und wir desween einen neuen Rahmen finden mussten. Wir haben ach intensiven Verhandlungen mit dem Zentralrat der uden eine einvernehmliche Lösung gefunden. Ich laube, es ist wichtig und notwendig, dass wir auch dieen Punkt geklärt haben, damit wir in Zukunft in Ruhe rbeiten können. Die heute zu beschließenden gesetzlichen Grundlagen ilden im Hinblick auf den Zuzug eine verlässliche und ute Grundlage. Ich bitte um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608220700

Ich erteile das Wort Kollegin Gisela Piltz, FDP-Frak-

ion.


(Beifall bei der FDP)



Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1608220800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

iberalen erkennen an, dass sich die Rahmenbedingun-
en für die Zuwanderung von Spätaussiedlern verändert
aben und sich hieraus gesetzgeberischer Handlungsbe-
arf ergibt. Das gilt – das haben Sie, Herr Fromme,
chon ausgeführt – zunächst aufgrund der Osterweitung
er Europäischen Union. Zutreffend sieht der Gesetzent-
urf hierzu vor, dass Personen aus den baltischen Staa-

en, die als Spätaussiedler nach Deutschland kommen
ollen, zukünftig ein Kriegsfolgenschicksal nachwei-

en müssen. Die gesetzliche Vermutung, dass Menschen
ort weiterhin unter einem Kriegsfolgenschicksal leiden,
ntspricht nicht mehr der durch die Osterweiterung ge-
chaffenen Realität.






(A) )



(B) )


Gisela Piltz
Wir haben auch keine Probleme mit der Vereinfa-
chung des vertriebenenrechtlichen Aufnahmeverfah-
rens. Die Konzentration des Verfahrens beim Bundes-
verwaltungsamt liegt im Interesse aller Beteiligten. Das
schafft Rechtssicherheit, vermeidet Doppelprüfungen
und schafft Bürokratie ab. Das wollen wir schließlich
alle – jedenfalls theoretisch. Hier wird es praktisch um-
gesetzt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Grundsätzlich zu begrüßen sind auch die Regelungen
zur Verbesserung der Integration von Spätaussiedlern,
insbesondere der vorgesehene Fahrtkostenzuschuss,
wenn Integrationskurse nur weit entfernt vom Wohnort
angeboten werden. Diese Maßnahme haben wir seit lan-
gem gefordert. Sie stärkt vor allem die Integration im
ländlichen Raum. Das ist sicher sehr sinnvoll.

Das Verbot, Behinderte beim Sprachtest zu benachtei-
ligen, findet ebenfalls unsere Unterstützung. Auf diese
Weise muss kein Behinderter mehr befürchten, allein
aufgrund seiner Behinderung einen Ausschlusstatbe-
stand zu verwirklichen.

Geblieben aber sind unsere Bedenken da, wo die Bun-
desregierung meint, angeblich bestehende Lücken
schließen zu müssen, damit Extremisten und Terroristen
keine Aufnahme finden. Die Frage meines Kollegen
Max Stadler, ob sich das vertriebenenrechtliche Aufnah-
meverfahren in der Vergangenheit zu einem Einfallstor
für Terroristen und Extremisten entwickelt hat, blieb im
Gesetzgebungsverfahren leider unbeantwortet.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! Reine Spekulation ist das!)


Sie haben keine Zahlen, sondern nur Behauptungen vor-
getragen. Das reicht aus unserer Sicht für einen Gesetz-
entwurf nicht aus.


(Beifall des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Ich bedanke mich ausdrücklich für den Applaus der
Grünen.

Der pauschale Hinweis auf die aktuelle Bedrohungs-
lage reicht nicht aus. Deshalb lehnen wir es unverändert
ab, dem Bundesverwaltungsamt die Möglichkeit zu er-
öffnen, im Rahmen einer Regelanfrage die verschiede-
nen Sicherheitsbehörden zu beteiligen. Wir erleben das
immer wieder: Es gibt eine vermeintliche Gefahrenlage,
und dann wird gehandelt, ohne dass man weiß, ob es et-
was bringt oder nicht.

Wenn man das konsequent zu Ende denkt, bedeutet es
im Endeffekt – das war schon vorher so; es wird in Zu-
kunft weiterhin so sein –, dass Deutsche nicht nach
Deutschland dürfen. Das wundert uns sehr. Wir halten
dies nach wie vor für systemwidrig und für schwer zu
vereinbaren mit Art. 116 des Grundgesetzes. Ich glaube,
da fehlt uns, aber vor allen Dingen Ihnen der Mut, das
Ganze anders aufzurollen. Insbesondere wundert uns,
dass die Union das mitmacht.

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(C (D Sehr geehrter Herr Staatssekretär Dr. Bergner, Sie elbst haben in Ihrer Rede zur ersten Lesung darauf hinewiesen, dass das Bundesvertriebenengesetz es über ,4 Millionen Menschen ermöglicht hat, nach Deutschand zu kommen. Dass es hier Probleme gegeben hat, issen wir. Probleme mit Extremismus oder Terrorismus ind uns jedoch nicht bekannt. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Regierung auch nicht! Das ist überflüssig!)


arauf haben Sie hingewiesen. Auch Herr Fromme hat
chon darauf hingewiesen, dass die aktuellen Kriminali-
ätsstatistiken betreffend Spätaussiedler, anders als viel-
ach behauptet, keine signifikanten Unterschiede zur üb-
igen Bevölkerung aufweisen. Das muss man immer
iederholen, damit sich dieses Vorurteil nicht festsetzt.

ch glaube, dass die Große Koalition sich ein wenig von
hrem eigenen Vorurteil hat leiten lassen. Wir bedauern
as sehr.


(Beifall bei der FDP – Zuruf von der CDU/ CSU: Wir bekämpfen das!)


Die vorgesehene Beteiligung der Sicherheitsbehörden
rweist sich aus unserer Sicht als unverhältnismäßig und
irft leider einen Schatten auf den ansonsten durchaus
ernünftigen Gesetzentwurf. Deshalb wird die FDP-
raktion diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608220900

Nun hat Kollege Maik Reichel, SPD-Fraktion, das

ort.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Maik Reichel (SPD):
Rede ID: ID1608221000

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-

en und Kollegen! Wir beschäftigen uns heute in ab-
chließender Lesung mit dem Siebten Gesetz zur Ände-
ung des Bundesvertriebenengesetzes einschließlich
ines Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen. Da-
it passen wir das Bundesvertriebenengesetz an politi-

che Entwicklungen an, nämlich – wir haben das schon
ehört – an die Erweiterung der EU mit Blick auf die
altischen Staaten. Wir haben natürlich auch die Hand-
abbarkeit in der Verwaltungspraxis im Blick, was zu
anchen Änderungen geführt hat.

Als 1953 das erste Gesetz über die Angelegenheiten
er Vertriebenen und Flüchtlinge entstand, waren acht
ahre seit Ende eines der schrecklichsten Kriege vergan-
en. Das Gesetz hat es seit 1953 vielen Millionen Men-
chen – wie wir gehört haben, waren es über
,4 Millionen – ermöglicht, nach Deutschland einzurei-
en und hier zu leben. Noch heute stehen wir in der Ver-
ntwortung, wenn wir an die Spätaussiedler denken.

Im Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und SPD
n diesem Sinne verständigt. Ich will kurz daraus zitie-
en:






(A) )



(B) )


Maik Reichel
Wir bekennen uns auch weiterhin zu der Verantwor-
tung sowohl für diejenigen Menschen, die als Deut-
sche in Ost- und Südosteuropa sowie in der Sowjet-
union unter den Folgen des Zweiten Weltkrieges
gelitten haben und in ihrer jetzigen Heimat bleiben
wollen, als auch für jene, die nach Deutschland aus-
siedeln. Dies gilt insbesondere für die Deutschen in
den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, bei denen
das Kriegsfolgenschicksal am längsten nachwirkt.
Die Kultur der aus ihrer Heimat vertriebenen Deut-
schen ist ein Bestandteil des Erbes der ganzen deut-
schen Nation, das wir pflegen und erhalten wollen.

Dem trägt auch die Kulturförderung nach § 96 des
Bundesvertriebenengesetzes Rechnung, die seit 1953 be-
sonders den Aspekt der Integration von Millionen
Flüchtlingen und Vertriebenen in die Gesellschaft be-
tont. Nach den politischen Veränderungen nach 1989,
dem Ende des Kalten Krieges, hat sich auch die Kultur-
förderung neu orientiert. In sehr vielen Institutionen
wird damit hervorragende Arbeit geleistet.

Es gehört zu unserem Selbstverständnis als Kulturna-
tion, dass das kulturelle Erbe der ursprünglichen Sied-
lungsgebiete von Vertriebenen und Aussiedlern gewahrt
wird, aber ebenso – das ist sehr wichtig – die Erinnerung
an diese schreckliche Epoche der Flucht und Vertrei-
bung. Das Bundesvertriebenengesetz ist den veränderten
gesellschaftlichen Bedingungen im Laufe der Jahre an-
gepasst worden; diese siebte Änderung gehört dazu.

In diesem Gesetzentwurf finden sich mehr als ein
Dutzend Änderungen. Sie reichen von der Erweiterung
und Modifizierung der Ausschlussgründe über die Rege-
lung der Erstattung von Fahrtkosten zu Integrationskur-
sen bis hin zu Neuregelungen im Bereich der gesetzli-
chen Krankenversicherung. Weiterhin regeln wir die
Zuständigkeiten bei der Antragsbearbeitung und bei der
Gewährung der pauschalen Eingliederungshilfe sowie
die Möglichkeit, einen deutschen Familiennamen zu
führen, verbunden mit einer logischen Änderung des
Personenstandsrechtsreformgesetzes.

Betrachtet man die erweiterten Ausschlussgründe
– meine Vorredner sind schon darauf eingegangen –, so
kann man feststellen, dass mit dem Zusatz „Terroristen
bzw. deren Helfer“ sicherlich auf die aktuelle Bedro-
hungslage reagiert wird, ohne jemanden – das möchte
ich betonen – generell zu verdächtigen. Hier geht es also
nicht darum, irgendein Vorurteil hineinlesen zu wollen.

Weitere Ausschlussgründe sind: eine nationalsozialis-
tische Betätigung, ein Verstoß gegen Grundsätze der
Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit, Gewaltan-
wendung zur Durchsetzung politischer Ziele oder Be-
strebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grund-
ordnung. In diesem Zusammenhang sei auf die
Regelanfrage bei den Sicherheitsbehörden hingewiesen.
Dies gilt nicht nur für die Spätaussiedlerbewerber selbst,
sondern auch für deren Ehegatten und Abkömmlinge.

Um die Spätaussiedler wie auch andere besser in un-
ser Land integrieren zu können, ist die Teilnahme an ei-
nem Integrationskurs von besonderer Notwendigkeit.
Deshalb sollte die Erreichbarkeit eines Kurses sicherge-

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(C (D tellt werden. Das tun wir mit diesem Gesetz. Um unnöige Härten, vor allen Dingen finanzieller Art, zu vermeien, ist in den Gesetzentwurf die Regelung eines uschusses hineingenommen worden. Die Haushälter üssen natürlich keine hohen finanziellen Summen erarten. Es geht um 100 000 Euro, die im Haushaltsvoll ug bzw. in der weiteren Finanzplanung berücksichtigt ind. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Zahl der Spätussiedlerbewerber von etwa 35 000 im Jahre 2005 auf twa 7 700 im Jahr 2006 zurückgegangen ist. Dies zeigt ich natürlich auch in den entsprechenden Kursen der erschiedensten Bildungsträger. In meinem Heimatlandreis Weißenfels, im südlichen Sachsen-Anhalt, tritt seit eginn der 1990er-Jahre vor allen Dingen die Volksochschule erfolgreich als Träger auf. So sank auch dort ie Teilnehmerzahl von 2004 bis 2006 um etwa 0 Prozent. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das jetzt in eurem Sinne, oder nicht?)


Mit diesem Gesetz leisten wir ebenfalls einen guten
eitrag zum Bürokratieabbau. Momentan findet noch
ine doppelte inhaltliche Bearbeitung der Anträge statt,
ämlich durch den Bund und durch die jeweils aufneh-
enden Länder. Das betrifft den Antrag selbst wie auch

ie Gewährung der pauschalen Eingliederungshilfe. Zu-
ünftig werden die Länderbehörden entlastet, indem der
und – in diesem Fall das Bundesverwaltungsamt – die
earbeitung übernimmt. Nach der gegenwärtigen Rechts-
ge – um das einmal etwas genauer darzustellen – des
28 Bundesvertriebenengesetz darf ein vom Bundesver-
altungsamt zu erteilender Aufnahmebescheid erst nach
ustimmung des aufnehmenden Landes erteilt werden. Zu
iesem Zweck lässt sich das einzelne Bundesland die ent-
prechenden Vorgänge vom Bundesverwaltungsamt zu-
chicken, um im Rahmen einer Einzelfallprüfung über
ie Erteilung einer Zustimmung zu entscheiden. Das
and kann einer Entscheidung des Bundesverwaltungs-
mtes aber nur dann widersprechen, wenn die nach § 27
otwendigen Voraussetzungen für die Erteilung eines
ufnahmebescheides nicht vorliegen. Die hat das Bun-
esverwaltungsamt aber schon geprüft. Deshalb ist es
achvollziehbar, die unnötige Doppelprüfung durch
und und Land abzuschaffen.

Dies gilt auch für die Gewährung der pauschalen Ein-
liederungshilfe nach § 9 Abs. 3 des Bundesvertriebe-
engesetzes, die zukünftig ebenfalls bereits im Zuge der
ntscheidung des Bundesverwaltungsamtes über die Er-

eilung einer Spätaussiedlerbescheinigung erfolgen wird.
as ist nur konsequent. Wir verzichten damit komplett

uf den aufwendigen Aktenversand.

Mit den Änderungen beseitigen wir außerdem mögli-
he Benachteiligungen von Behinderten, da nun eine
lare Gesetzesgrundlage für Sprachtests in diesem Fall
orliegt. Manches andere Detail wurde neu geregelt, bis
in zur Umstellung auf den Euro und auf die neue
echtschreibung.

In Bezug auf die jüdischen Zuwanderer aus der ehe-
aligen Sowjetunion – mit Ausnahme der baltischen






(A) )



(B) )


Maik Reichel
Staaten – enthält der Änderungsantrag der Koalitions-
fraktionen im Kern verfahrensrechtliche und zuständig-
keitsbeschreibende Vorschriften. Momentan werden
jüdische Zuwanderer auf der Grundlage von Länderver-
ordnungen aufgenommen, was von der Innenminister-
konferenz nur als Interimslösung gedacht war, nun aber
schon seit über zwei Jahren so gehandhabt wird. Bund
und Länder haben sich eigentlich bereits vor Jahren da-
rauf verständigt, das notwendige Aufnahmeverfahren
durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
durchführen zu lassen. Dafür schaffen wir mit diesem
Änderungsantrag die gesetzliche Grundlage. Außerdem
erhalten jetzt auch Familienangehörige jüdischer Zu-
wanderer eine Aufenthaltsberechtigung sowie Anspruch
auf die Teilnahme an einem Integrationskurs.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema Vertrei-
bung ist unter vielen Gesichtspunkten bis heute aktuell.
Das Bundesvertriebenengesetz hat deshalb bis heute
nichts von seiner Bedeutung verloren. Es wird mit den
jetzt vorgenommenen Änderungen den veränderten Be-
dingungen gerecht. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608221100

Ich erteile das Wort Kollegin Ulla Jelpke, Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608221200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt

Gesetze, die sind so schlecht, dass man sie gar nicht
mehr verbessern kann.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Bundesvertriebenengesetz beruht auf der Annahme,
es gebe so etwas wie eine deutsche Blutsgemeinschaft.
Es ist damit Ausdruck einer ideologischen, völkisch den-
kenden Politik. Das kann man nicht verbessern, das kann
man nur abschaffen.

Man kann es schon aus rein pragmatischen Gründen
abschaffen: Im letzten Jahr kamen gerade noch
7 747 Spätaussiedler nach Deutschland, und es werden
immer weniger. Da wäre es logisch, zu sagen: Erledigt
mangels Masse.

Das heißt nicht, dass wir uns gegen Zuwanderung
wenden. Darin unterscheiden wir uns übrigens grund-
sätzlich von der Bundesregierung,


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Darauf legen wir Wert!)


deren Gesetzentwurf vorsieht, den Nachweis der
Deutschkenntnisse zu erschweren. Das kann dazu füh-
ren, dass die einen Familienmitglieder aufgenommen
werden, die anderen dagegen nicht. Das ist inhuman;
deshalb lehnen wir es ab.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Nicht inhuman, aber regelrecht grotesk ist ein anderes nsinnen der Regierung in diesem Gesetzentwurf: Spät ussiedler sollen zum Fall für die Geheimdienste werden. as Bundesverwaltungsamt soll in Zukunft alle Antrag teller durch den Verfassungsschutz, den Militärischen bschirmdienst, den Bundesnachrichtendienst und andere ehörden überprüfen lassen können. Als Grund dafür ringt die Regierung ihre Standardfloskel: Abwehr von errorverdächtigen und Extremisten. Da fragt man sich och: Welche schwerwiegenden Erkenntnisse hat die undesregierung, wenn sie wegen einer Handvoll Spätussiedler so ein Fass aufmacht? Haben wir Grund zur Annahme, das Aussiedlerverahren werde durch sogenannte Extremisten missraucht? Meine Kollegin Frau Piltz hat bereits darauf ingewiesen, dass in der Begründung des Gesetzenturfs mit keinem Wort darauf eingegangen wird. Auch onst hat die Bundesregierung bisher keinerlei Angaben azu machen können. Im Klartext heißt das: Es gibt kein eales Problem. Die Geheimdienste erhalten eine Bechäftigungstherapie, und dafür werden Russlanddeutche unter Generalverdacht gestellt. Das ist absurd. Es stellt sich noch eine weitere Frage: Wer ist mit em Begriff „Extremist“ gemeint? Das ist ein Gummiberiff, der Willkürentscheidungen von Behörden ermögicht. Für den Verfassungsschutz ist bekanntlich schon ie Linksfraktion extremistisch. pätaussiedler, die mit uns oder unseren Schwesterpareien sympathisieren, wären demzufolge auch sogeannte Extremisten und hätten nicht das Recht, Deutsche u werden, egal wie gut sie Deutsch sprechen. Das ist rektionäre Ideologie, die in der schlechtesten Tradition teht, die man sich denken kann. Das Ganze zeigt vor allem eines: Spätaussiedler sind eiterhin Spielball der Politik. Früher wurde sie als ronzeugen für den vermeintlich „Goldenen Westen“ issbraucht; heute werden sie als potenzielle Staats einde diffamiert und sollen draußen bleiben. Wir empfehlen: Schaffen Sie das Vertriebenengesetz b! Streichen Sie dieses völkisch begründete Gesetz! Reeln Sie die Einwanderung aus Osteuropa im Zuwandeungsgesetz! Da gehört es hin. Danke. Ich erteile das Wort Kollegen Josef Winkler, Bünd is 90/Die Grünen. Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608221300
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

u einer Äußerung von Frau Jelpke will ich meine per-
önliche Meinung sagen. Ich habe es immer abgelehnt,
ass die konservativen Parteien die Privilegien der Aus-






(A) )



(B) )


Josef Philip Winkler
länder gegen die der Spätaussiedler abwägen. Aber was
Sie gerade über die Aussiedler und das Vertriebenenge-
setz ausgeführt haben, kann ich nicht mittragen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Beifall bei der CDU/CSU)


Diese Gruppe mit ihrem Kriegsfolgenschicksal, das
durch den deutschen Faschismus hervorgerufen wurde,
wird dadurch entschädigt, dass sie nach Deutschland
kommen darf. Eigentlich müssten die Linken als Antifa-
schisten dafür sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich gehe nicht mehr auf das ein, was ich in der ersten
Beratung des Gesetzentwurfs zu Protokoll gegeben
habe, sondern nur auf die Änderungen, die die Koalition
in Absprache mit dem Zentralrat der Juden vorgenom-
men hat.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Reinhard Grindel hat sich sehr verdient gemacht!)


Es geht dabei – der Kollege Reichel hat es schon ange-
sprochen – um die Schaffung der Rechtsgrundlage für
den Bundesvollzug des Aufnahmeverfahrens für jüdi-
sche Zuwanderer. Daran ist erst einmal wenig auszuset-
zen, zumal dies in Absprache mit dem Zentralrat der Ju-
den erfolgt ist. Diese Regelung wird jetzt vorgezogen,
weil sich die Koalition über das Gesamtpaket zum Auf-
enthaltsgesetz und Ausländergesetz immer noch nicht ei-
nig geworden ist. Letzteres bemängeln wir zwar, aber
wir haben nichts dagegen, dass dieser Punkt jetzt vorge-
zogen wird, damit dieser Gruppe geholfen wird.

Im Jahr 2006 konnten nur noch rund 400 Personen
einreisen. Seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes
ist die jüdische Zuwanderung faktisch zum Erliegen ge-
kommen. Seit dem 1. Januar 2005 sind keine Anträge
mehr entschieden worden. Die Antragsteller warten
schon zwei Jahre. Insofern finde ich es richtig, dass jetzt
endlich gehandelt wird. Diesen Teil des Gesetzentwurfs
würden wir unterstützen; beim Gesamtpaket reicht es
dazu leider nicht aus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben eine Hürde vorgesehen, die Sie eben nicht
angesprochen haben, indem Sie auch bei jüdischen Zu-
wanderern vor der Einreise nach Deutschland Deutsch-
kenntnisse fordern. Das erscheint mir etwas abstrus,
weil die jüdischen Zuwanderer im Gegensatz zu den
Spätaussiedlern keine Verbindung nach Deutschland ha-
ben, sondern wegen ihrer Religionszugehörigkeit hier
aufgenommen werden. Insofern ist die Hürde sehr hoch.

Die Antwort der Bundesregierung, das sei nicht so
schlimm; sie dürften dann die Plätze nutzen, die von den
Spätaussiedlern nicht in Anspruch genommen werden,
bedeutet meiner Meinung nach keine Lösung. Denn wie
ein Blick auf die Landkarte zeigt, kommen die jüdischen
Zuwanderer aus sehr unterschiedlichen Siedlungsgebie-
ten, ja sogar aus unterschiedlichen Ländern, nämlich

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(C (D um einen aus Kasachstan und zum anderen aus der rusischen Ukraine. Insofern ist die Antwort der Bundesreierung nicht hilfreich. Da bekanntlich nicht weltweit und bis ins kleinste orf Deutschkurse in gleich hoher Qualität angeboten erden, ollten Sie diese inhumane Regelung überdenken. Ich will noch etwas zum Thema Aussiedler sagen. Im renzdurchgangslager Friedland sind – darauf wurde ereits hingewiesen – im letzten Jahr nur noch rund 000 Aussiedler aufgenommen worden. Der Leiter des agers sagt, das sei die niedrigste Zahl seit 1945. Das eißt, die Schlüsse, die Sie, Herr Fromme, aus dem Evauierungsbericht über die Sprachkurse, die in Deutschand stattfinden, ziehen, müssen erst recht für die prachkurse gelten, die in den Siedlungsgebieten angeoten werden. Die Menschen schrecken dort davor zuück; nur noch 25 Prozent der Antragsteller haben den est bestanden. Entweder sind alle fürchterlich blöd, der die Tests bzw. die dort angebotenen Kurse sind icht in Ordnung. Hier müsste dringend nachgebessert erden. Herr Reichel, Sie haben zwar die Zahl genannt, aber icht gesagt, ob Ihnen das passt und ob Sie es verändern ollen. Diese Antwort müssten Sie von der Koalition ns noch geben; denn wenn es Ihnen recht ist, dass es ur noch so wenige sind, dann können wir den Gesetzntwurf in der jetzigen Fassung verabschieden. Wenn Ihen das aber nicht recht ist, dann müssen wir etwas änern. Das ist der Hauptgrund, warum wir dem esetzentwurf nicht zustimmen, sondern uns – genauso ie die Kollegen von den Liberalen – enthalten. Herzlichen Dank. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bunesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung es Bundesvertriebenengesetzes, Drucksache 16/4017. Der nnenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehung auf Drucksache 16/4444, den Gesetzentwurf in der usschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die em Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen ollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – er enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zwei er Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD egen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Stimmnthaltung der FDP und der Bündnisgrünen angenomen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – er stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz ntwurf ist damit mit den gleichen Mehrheitsverhältnisen wie bei der zweiten Beratung angenommen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse Ich rufe die Tagesordnungspunkte 10 a und 10 b auf: a)


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Doch!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608221400




(A) )


(B) )

Dr. Norman Paech, Monika Knoche, Hüseyin-
Kenan Aydin, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der LINKEN

Eskalation im Atomkonflikt mit dem Iran ver-
hindern

– Drucksache 16/4202 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin
Müller (Köln), Winfried Nachtwei, Jürgen Trittin,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Keine militärische Eskalation gegenüber dem
Iran – Konflikt um das Atomprogramm durch
Verhandlungen lösen

– Drucksache 16/4407 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion Die Linke fünf Minuten erhalten soll. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Gregor Gysi, Fraktion Die Linke, das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608221500

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir führen heute keine Diskussion über den ira-
nischen Präsidenten und damit auch nicht über seine
zum Teil bösartigen antisemitischen Auffassungen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Zum Teil?)


Das alles ist für uns alle indiskutabel. Wir führen eine
andere Diskussion, nämlich über die Rolle Deutschlands
im Falle eines Krieges gegen den Iran. Ein solcher Krieg
wäre eine Katastrophe. Wir müssen uns hier darüber ver-
ständigen, wie wir uns dazu verhalten.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Seit langer Zeit geht es um Krieg und Frieden sowie
das Völkerrecht. Der Atomwaffensperrvertrag enthält
die beiden Regelungen, dass zum einen diejenigen, die
keine Atomwaffen haben, keine bekommen dürfen und
dass zum anderen die fünf Mächte, die damals als Ein-
zige Atomwaffen hatten, diese abbauen müssen. Die
USA und andere Länder haben aber den Atomwaffen-
sperrvertrag schwerwiegend verletzt, weil sie ihre Atom-
waffen nie abgerüstet haben.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


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(C (D er Iran hat – ob uns das passt oder nicht – den Atomaffensperrvertrag bislang nicht verletzt; denn er besitzt eine Atombombe. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist falsch!)


Ein weiterer Punkt ist, dass sich der Iran hinsichtlich
er Atomwaffen etwas umzingelt fühlt. Das liegt nicht
ur an den USA und Russland, sondern auch daran, dass
srael, Indien und Pakistan Atomwaffen haben. Bei Is-
ael haben die USA dafür gesorgt. Bei Indien und Pakis-
an haben sie nichts dagegen unternommen. Nun arbei-
en sie mit diesen Ländern diesbezüglich zusammen.
rklären Sie doch einmal jemandem im Iran, warum der

ran nicht darf, was Indien, Pakistan und Israel dürfen.
as macht die Sache doch nicht leichter, sondern kom-
lizierter. Wir in Deutschland haben zu diesen Fragen
berwiegend geschwiegen. Das ist das Problem.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608221600

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

ollegen von Klaeden?


Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608221700

Ja.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1608221800

Herr Kollege Gysi, ist Ihnen zum einen bekannt, dass

er NPT verlangt, dass auch zivile Nuklearprogramme
o transparent gestaltet werden, dass sie von der interna-
ionalen Gemeinschaft kontrolliert werden können, und
omit der Iran sehr wohl den NPT verletzt hat? Ist Ihnen
um anderen bekannt, dass der Iran von sich selber be-
auptet, gar kein militärisches Nuklearprogramm zu be-
reiben, dass Sie also jetzt gerade, indem Sie Gründe für
in militärisches iranisches Nuklearprogramm anführen,
ine Überverteidigung des Iran vornehmen, die vom Iran
igentlich gar nicht akzeptiert werden könnte?


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Iranischer als der Iran!)



Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608221900

Sie haben Recht mit der Aussage, dass es eine Kon-

rolle durch die Internationale Atomenergiebehörde ge-
en soll und es in diesem Zusammenhang Verletzungen
ab. Aber den Kern des Vertrages machen die Regelun-
en über den Nichtbesitz von Atomwaffen und den Ab-
au von Atomwaffen aus. Insofern geht die Gegenüber-
tellung zwischen den USA und dem Iran zum Nachteil
er USA aus.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Auch ich glaube, dass der Iran irgendwie an Atom-
affen heran will, und zwar genau aus den Gründen, die

ch geschildert habe, nämlich weil er meint, dadurch ge-
issermaßen eine andere Souveränität zu bekommen.






(A) )



(B) )


Dr. Gregor Gysi

(Zuruf von der SPD: Das macht die Sache nicht besser!)


Also muss man sich überlegen, was man dagegen tun
kann. Dagegen kann man einiges tun, nur eines nicht,
nämlich einen Krieg führen, was sich die USA überle-
gen. Bei jeder Macht, die ihnen aus irgendeinem Grund
nicht passt, denken sie, die Lösung bestehe im Krieg.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Das geht in Afghanistan schief, und das geht im Irak
schief.

Lassen Sie mich zu Afghanistan eines sagen. Da ist
Deutschland voll beteiligt. Was erleben wir denn jetzt?
Wir erleben, dass die Taliban immer mehr Unterstützung
bekommen. War das das Ziel? Man muss doch einmal
darüber nachdenken, was da eigentlich falsch läuft. Nie-
mand will die Taliban. Warum gelingt denen das? Weil
die Besetzung und der Krieg die falsche Antwort sind.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Im Irak gibt es inzwischen Hunderttausende Tote. Es
ist doch gar kein Ende abzusehen. Man sieht nicht ein-
mal in der Ferne eine Lösung. Das beweist doch erneut:
Der Krieg ist die falsche Antwort. Mit der Höchstform
des Terrorismus, mittels Krieg, können Sie Terrorismus
niemals wirksam bekämpfen. Dieser Nachweis ist inzwi-
schen erbracht.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Deshalb sage ich: Auch im Iran geht es letztlich stra-
tegisch um die Vorherrschaft über Öl- und Gasvor-
räte im Vorderen und Mittleren Orient. Das weiß auch
der Iran. Deshalb sucht er jetzt viel internationale Soli-
darität und versucht, sich gegen den Krieg zu schützen.
Was macht Europa, was macht Deutschland? Wir eiern
nur herum. Ich sage Ihnen, was dringend erforderlich ist:
Verhandlungen! Das ist übrigens noch ein Beispiel.
Wenn die USA verhandeln wollen – weil sie keinen
Krieg führen können oder ihn nicht führen wollen –,
dann stellen sie keine Vorbedingungen. So ist es bei
Nordkorea. Da setzen sie sich zusammen und verständi-
gen sich irgendwann. Mit dem Iran haben sie bis heute
nicht einmal geredet. Das kann nun keine Lösung der
Probleme sein.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das sind Vorbedingungen der internationalen Gemeinschaft, des Sicherheitsrats!)


Im Unterschied zu Ihnen traue ich Herrn Bush alles
zu. Er führt nicht nur den Afghanistankrieg und den
Irakkrieg. Er hat ein völkerrechtswidriges Foltergefäng-
nis auf Guantánamo, und er hat in Osteuropa geheime
CIA-Gefängnisse eröffnet. Was soll er denn noch ma-
chen, bis Sie glauben, dass er auch bereit ist, gegen den
Iran Krieg zu führen, wenn es ihm in den Kram passt?


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


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(C (D Ich möchte jetzt, dass wir klar Nein dazu sagen, nicht u 80 Prozent wie beim Irakkrieg. Das Bundesverwalungsgericht hat festgestellt, dass wir durch die Zurverügungstellung des Luftraums, von Flughäfen und von nderen Einrichtungen am völkerrechtswidrigen Krieg nd damit auch an Völkerrechtsverbrechen beteiligt ind. Ich finde, für die Zukunft müssten wir sagen: Das ird mit uns nicht mehr funktionieren. – Frankreich hat amals übrigens richtig Nein gesagt. Es geht. Sie müssen etzt ein klares Nein sagen: Es gibt nichts von Deutschand für den Fall eines Krieges gegen den Iran und am esten nichts von der Europäischen Union. – Darum üssen wir streiten. Nun bleibt die Frage, worum wir kämpfen müssen. ch kann Ihnen sagen: Wenn wir keine Atomwaffen im ran wollen – und die wollen wir wohl alle nicht –, dann ibt es drei Dinge, die wir erledigen müssen: Erstens. ir müssen dem Iran eine Sicherheitsgarantie geben, m das Argument zu entkräften, dass er ansonsten überallen wird. Zweitens. Wir brauchen eine Sicherheitsgaantie für Israel, und zwar gerade durch den Iran, damit ich der Nahostkonflikt in dieser Hinsicht nicht verchärft. Drittens. Wir müssen auch dem Iran, auch wenn s uns nicht passt – es tut mir leid –, die friedliche Nutung der Atomenergie erlauben, wie sie allen anderen taaten auch erlaubt ist. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das bestreitet doch niemand!)


ann können wir vielleicht zu einem Frieden kommen.

Mit Vorherrschaft und mit militärischem Druck kom-
en wir nicht zum Frieden; vielmehr spitzt sich die Lage

adurch weiter zu. Ein Krieg gegen den Iran wäre eine
enschheitskatastrophe. Ich bitte Sie, dazu ganz klar

nd ohne Herumeierei Nein zu sagen.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608222000

Ich erteile das Wort Kollegen Ruprecht Polenz, CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1608222100

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

en! Wir debattieren über zwei Anträge von Opposi-
ionsfraktionen, die unterschiedlicher kaum sein könn-
en. Wir haben gerade von Herrn Gysi gehört, dass die
raktion Die Linke – ihr Antrag ist genauso wie seine
ede – im Grunde antiamerikanische Reflexe abarbeitet.
s wird kein Wort zur Bedrohung durch den Iran verlo-

en.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ja, richtig!)


err Gysi, diese Bedrohung wird mit einer Handbewe-
ung abgetan. Ich kann mich noch an Ihre Milošević-
pologien erinnern.


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)







(A) )



(B) )


Ruprecht Polenz
Das war nicht viel anders als das, was Sie hier gerade ge-
liefert haben.

Ich möchte nur auf Folgendes hinweisen – vielleicht
liest nicht jeder Ihren Antrag –: Sie lehnen in diesem
Antrag sogar jegliche Sanktion gegen den Iran ab. Die
Linke lehnt also alle Möglichkeiten ab, etwas mit einem
gewissen Druck – auch gegen den Willen des Iran – zu
erreichen. Einen besseren Weg zum Misserfolg kann
man sich nicht vorstellen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Ganz anders ist der Antrag von Bündnis 90/Die Grü-
nen. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, beschreibt er
die Politik der Bundesregierungen: Unsere Iranpolitik
zeichnet sich durch Kontinuität aus. Das ist aus meiner
Sicht eine gute Grundlage für das Parlament, diese Iran-
politik auch in Zukunft mit breiter Übereinstimmung zu
begleiten.

Was ist die Rolle der Bundesregierungen? Ich wieder-
hole ausdrücklich: Diese Politik zeichnet sich durch
Kontinuität aus. Wir setzen auf eine diplomatische Lö-
sung. Frau Merkel, die Bundeskanzlerin, hat klar gesagt:
Ich schließe eine militärische Lösung aus; ich will eine
Verhandlungslösung, und zwar einfach deshalb, weil
eine militärische Lösung natürlich keine Lösung wäre.
Wir haben daran gearbeitet, internationale Geschlossen-
heit zu erreichen. Es ist eine UN-Sicherheitsratsresolu-
tion entstanden, der China, Russland, die USA und die
Europäer zugestimmt haben. Dazu ist es nicht von allein
gekommen.

Dazu geführt haben auch Anstrengungen der Bundes-
regierung. Ich möchte für die deutsche Politik ebenfalls
in Anspruch nehmen: Wir haben auch Veränderungen im
amerikanischen Politikansatz bewirkt. Die Amerikaner
waren am Anfang noch gar nicht bereit, auf das zweite
Gleis unserer Politik zu setzen, nämlich auf unsere Ver-
handlungs- und Kooperationsangebote. Die Amerika-
ner haben früher nur auf Druck gesetzt. Sie sind jetzt be-
reit, zu versuchen, den Iran auch mit Angeboten davon
zu überzeugen, von seinem Weg abzulassen.


(Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


Übrigens, Herr Gysi, die „Süddeutsche Zeitung“ zi-
tiert heute – vielleicht auch zu Ihrer Beruhigung und da-
mit Sie sich nicht länger gegen virtuelle Albträume ver-
teidigen – den obersten General der US-Streitkräfte,
Peter Pace: Er schließt einen Angriff auf den Iran kate-
gorisch aus. Erzeugen Sie hier also keine virtuellen Pa-
piertiger, nur um auf diese dann umso heftiger einprü-
geln zu können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die amerikanische Politik macht in diesen Tagen
– auch das möchte ich an dieser Stelle gerne sagen – ei-
nen weiteren bedeutenden Schritt in die Richtung, die
die Baker/Hamilton-Kommission empfohlen hat und die
auch wir, ausweislich unserer letzten Debatten, gerne ge-

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(C (D ehen hätten, vielleicht ein bisschen eher; jetzt kommt ie. Die Amerikaner werden an zwei Irakkonferenzen eilnehmen, an denen sämtliche Nachbarn des Irak teilehmen, also auch Syrien und der Iran. Ich kann nur hofen, dass in den Kaffeepausen auch noch über andere inge gesprochen wird als nur über die Fragen, die den rak unmittelbar betreffen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wie sieht unser Lösungsansatz aus? Wir wollen ein
weigleisiges Vorgehen. Wir wollen auf der einen Seite
atürlich allmählich Druck aufbauen. Dieser Druck soll
ber maßvoll, verhältnismäßig, genau gezielt und, was
ichtig ist, auch reversibel sein. Wir wollen auf der an-
eren Seite Iran mit einem Verhandlungs- und Koopera-
ionsangebot – es liegt weiterhin auf dem Tisch – einla-
en, seine Wirtschaft zu entwickeln, die Technologie
oranzubringen und eine Energiepartnerschaft mit Eu-
opa einzugehen. Auch auf dem Gebiet der Kernenergie
aben wir Kooperationen angeboten. Die Nutzung der
ernenergie ist aus iranischer Sicht natürlich eine wich-

ige Ressource, die die Iraner in der Zukunft nutzen wol-
en.

Aber der Iran muss wählen. Er muss wählen, ob er
as Kooperationsangebot annimmt oder ob er – das ist
m Moment leider noch der Fall – durch Ablehnung der
orderung, die die internationale Staatengemeinschaft an

hn gerichtet hat, den Weg in die Selbstisolierung fort-
etzt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Jetzt ein Wort zur Gefährlichkeit der Krise, Herr Gysi.
ie liegt in ganz anderen Punkten als denen, die Sie an-
esprochen haben. Weil es keine Klarheit über das irani-
che Nuklearprogramm gibt und weil wir beobachten
üssen, wie der Iran eine Raketenrüstung mit immer
eiter reichenden Raketen betreibt –


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608222200

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

ollegen Paech von der Fraktion Die Linke?


Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1608222300

Ja, gern.


Dr. Norman Paech (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608222400

Herr Kollege Polenz, es ist Ihre ständige Redensart,

ass man den Druck erhöhen muss, dass man Sanktionen
aßvoll, verhältnismäßig verhängt. Sie werden aus der
ergangenheit wissen, dass der Iran auf die Sanktionen,
ie jetzt zum zweiten Mal beraten werden, nicht reagie-
en wird, weil er keinen Anlass dazu sieht. Dann kom-
en die dritten und vierten Sanktionen. Wann sind Sie

ereit, auszusteigen, damit es nicht zu den letzten Sank-
ionen kommt, die dann zweifelsohne – das werden die
merikaner verlangen – militärisch sein müssen?


Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1608222500

Herr Paech, ich habe viel übrig für Schachspielen und

ür die Versuche, sozusagen zwei, drei oder fünf Züge






(A) )



(B) )


Ruprecht Polenz
vorauszudenken. Aber Sie haben übersehen, dass im Iran
bereits nach dem ersten Zug – vielleicht war es in der
Auseinandersetzung auch der fünfte oder sechste –, der
letzten Sicherheitsratsresolution, die ja einstimmig er-
gangen ist, sehr wohl Reaktionen zu beobachten sind,
die so nicht unbedingt zu erwarten waren und die Sie
ausweislich Ihrer Zwischenfrage schon gar nicht erwar-
tet hätten.

Es gibt jetzt eine offene Kritik aus den zugelassenen
iranischen Fraktionen und Parteien an der iranischen Nu-
klearpolitik. Die Frage, ob der Weg, den die iranische
Regierung hier eingeschlagen hat, weitergegangen wer-
den oder ob man ihn korrigieren soll, wird offen disku-
tiert. Natürlich merkt die Bevölkerung mittlerweile, dass
der iranische Präsident Ahmadinedschad diesen Konflikt
und seine Rhetorik in diesem Konflikt immer wieder
einsetzt, um sie zu vertrösten, wenn sie ihn nach der Er-
füllung seiner Wahlversprechen fragt, wenn sie ihn fragt,
warum die Tomatenpreise steigen, und wenn sie ihn
fragt, warum die Arbeitslosigkeit immer noch so hoch
ist. Das ist das Problem, vor dem die iranische Gesell-
schaft tatsächlich steht. Immer mehr Iraner erkennen,
dass die Politik ihrer Regierung zur Lösung der Fragen,
die ihnen auf den Nägeln brennen, nichts, aber auch gar
nichts leistet,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


dass aber ein Eingehen auf das westliche Kooperations-
angebot dazu sehr wohl geeignet wäre.

Ich bin ganz sicher: Wir müssen mit Geduld und Fes-
tigkeit die doppelte Strategie fortsetzen, auf der einen
Seite, wie ich schon gesagt habe, den Druck maßvoll er-
höhen – das muss jetzt sicherlich kommen, nachdem die
erste Resolution keine Beachtung gefunden hat –, wie-
derum geschlossen, wiederum mit Russland, wiederum
mit China – das war das, was die Iraner am meisten
überrascht hat –, und auf der anderen Seite gleichzeitig
deutlich machen: Das Kooperationsangebot liegt auf
dem Tisch. Vor dem Hintergrund der beiden Konferen-
zen im Irak ist auch klar, dass der Weg, wenn es Rich-
tung Kooperation geht, zu Sicherheitsvereinbarungen
führen kann. Dann sind wir in einer Bewegung – ähnlich
wie das bei den Nordkoreagesprächen der Fall war –, die
zu einer Lösung führen könnte, wie das auch in dem An-
trag vom Bündnis 90/Die Grünen, der sich von Ihrem,
Herr Paech, wirklich um Welten unterscheidet, aufge-
zeigt worden ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608222600

Der Kollege Paech will noch nachfragen, wenn Sie

erlauben.


Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1608222700

Das kann er tun. Dann kann ich länger reden.


(Heiterkeit)


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(C (D Herr Kollege Polenz, Sie haben mir zwar Ihren Opti ismus erklärt, was die Wirksamkeit Ihrer Sanktionsspiale angeht, aber Sie haben mir nicht die Frage beantortet: Wann werden Sie aussteigen, wenn diese Ihre offnungen nicht erfüllt werden? Dazu verweise ich auf ie vergangenen Erfahrungen. (Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Welche?)

Dr. Norman Paech (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608222800

azu wird es einmal kommen. Sind Sie bereit, dann aus-
usteigen? Wann wird das sein?


Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1608222900

Lieber Herr Paech, ich komme noch einmal auf das

ild vom Schachspiel zurück. Ich bin kein besonders gu-
er Schachspieler, aber ich würde wahrscheinlich jede
artie gewinnen, wenn mir mein Gegenüber seinen je-
eils nächsten Zug verraten würde.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt zur Gefährlichkeit der Krise. Iran betreibt ein
egemoniestreben in der Region. Nach dem Sturz
addam Husseins und dem Sturz der Taliban in Afgha-
istan versucht er, die schiitische Mehrheit im Irak und
ie Hisbollah im Libanon für dieses Bestreben zu nut-
en.

Herr Gysi, das, was Sie zu den Sicherheitsgarantien
ür Israel gesagt haben, wirkt schon ein bisschen hohl,
enn man bedenkt, dass der Iran ständig Öl in die
lamme des Nahostkonflikts gießt. Alle Welt sagt: Wenn
s eine Lösung geben wird, dann ist es eine Zweistaaten-
ösung. Es gibt eine Ausnahme: Iran sagt, es solle einen
taat geben, in dem alle entscheiden, die dort jetzt woh-
en. Das würde natürlich das Ende von Israel und das
nde eines jüdischen Staates bedeuten. Kein Wort von

hnen dazu!


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch des Abg. Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE])


Kein Wort von Ihnen dazu, dass der Iran die Hamas
nd den islamischen Dschihad unterstützt! Kein Wort
ur Holocaustkonferenz! Zur Rhetorik Ahmadinedschads
aben Sie mehr oder weniger gesagt, wir seien uns alle
inig, wie schlimm sie sei; man müsse das gar nicht nä-
er kritisieren.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Er hat gesagt: zum Teil bösartig!)


err Gysi, Sie hätten sogar Anlass gehabt, eine Bemer-
ung von ihm zu kommentieren, die er heute gemacht
at: Er hat die Zionisten als „eine Personifizierung des
atans“ bezeichnet. Er legt also ständig nach.

Das alles geschieht vor dem Hintergrund des Hege-
oniestrebens und der Rüstungsanstrengungen. In

er Region – in Jordanien, in Ägypten, in den Vereinig-
en Arabischen Emiraten und in Saudi-Arabien – gibt es
nzwischen, auch wegen der schiitischen Minderheiten






(A) )



(B) )


Ruprecht Polenz
in manchen arabischen Staaten, die Sorge vor einem
schiitischen Halbmond.

Jetzt kommt der entscheidende Punkt, der die Sache
so gefährlich macht: Wenn wir nicht wissen, was Iran im
Schilde führt, wissen es die Länder der Region auch
nicht. Sie stehen vor der Frage: Sollen wir so lange war-
ten, bis wir Gewissheit haben – wie Pakistan und Indien,
die sich damals sozusagen gegenseitig überrascht haben;
sie haben mit den ersten Nukleartests ungefähr gleichge-
zogen –, oder verlassen wir uns darauf, dass die Anstren-
gungen irgendwie doch noch dazu führen, dass das irani-
sche Atomprogramm friedlich bleibt? Das heißt, wir
sind schon jetzt in einer Situation, in der potenziell ein
atomares Wettrüsten in der Region einsetzen kann. Da
sagen Sie, dass Sie keine Sanktionen wollen, dass wir
warten sollten.


(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Ich habe gesagt: Kein Krieg!)


– Ja, ja. Herr Gysi, Sie haben auch gesagt: Keine Sank-
tionen!


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Lesen Sie Ihren Antrag!)


Es geht um eine diplomatische Lösung. Bei dieser
diplomatischen Lösung müssen natürlich die legitimen
Interessen des Iran in einer fairen Weise berücksichtigt
werden. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch auf
der Anerkennung internationalen Rechts bestehen, Herr
Gysi. Die Sicherheitsratsresolution 1737 ist internationa-
les Recht. Sie enthält ganz klare Forderungen der inter-
nationalen Staatengemeinschaft gegenüber dem Iran.
Natürlich geht es auch um Gesichtswahrung, für den
Iran, aber auch für die internationale Gemeinschaft, die
nicht so tun kann, als hätte sie diese Resolution nicht be-
schlossen.

Daher ist die Frage, wie es jetzt weitergeht. Ich denke,
in absehbarer Zeit wird es eine neue Resolution des Si-
cherheitsrats geben, die die Sanktionen an der einen oder
anderen Stelle maßvoll und ebenso zielgerichtet verstär-
ken wird. Es wird auch zu einer Bekräftigung des Ange-
bots auf Kooperation kommen. Das alles geschieht vor
dem Hintergrund der Irakkonferenz, die in Aussicht ist.
Dort werden die Vereinigten Staaten gemeinsam mit Te-
heran und Damaskus an einem Tisch sitzen. Die Konfe-
renz birgt wirklich die Chance, diese gefährliche Krise
Schritt für Schritt zu entschärfen, wenn sie nicht noch
– das muss man gerade im Hinblick auf Irakkonferenzen
im Hinterkopf haben – von Extremisten torpediert wird.
Man kann erst aufatmen, wenn die Konferenz im Gange
ist.

Wir reduzieren die Gefährlichkeit, wenn wir rheto-
risch abrüsten. Wir richten die Forderung nach rhetori-
scher Abrüstung an alle Seiten. Nach dem Beitrag von
Herrn Gysi muss ich hinzufügen: Dieser Appell richtet
sich auch an einige Kollegen hier im Hohen Haus.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D Ich erteile das Wort Kollegen Werner Hoyer, FDP raktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es rifft sich gut, dass wir diese Diskussion schon gestern m Auswärtigen Ausschuss geführt haben; wir werden ie – jetzt auf der Grundlage zweier Anträge – fortseten. Ich glaube, insbesondere der Antrag der Grünen ibt uns viel Stoff zum Nachdenken und Diskutieren. ir werden uns natürlich über manches in dem Antrag icht verständigen können. Wahrscheinlich werden wir ei der Grundfrage der zivilen Nutzung der Kernenergie einen Konsens erreichen. Der Antrag enthält aber Eleente, die es wert sind, gemeinsam konstruktiv disku iert zu werden. Es gibt wohl kaum jemanden in diesem Haus, der eine ilitärische Option nutzen will; die allermeisten wollen ie auch nicht herbeireden. Außerdem glaube ich, dass es rundsätzlich Einvernehmen darüber gibt, dass wir für ie iranischen Akteure Anreize schaffen müssen – so teht es in Ihrem Antrag –, auf einen Kompromiss einzuehen. Dabei müssen wir die legitimen Sicherheitsinteessen und auch die Energieinteressen des Iran berückichtigen. Ferner gefällt mir an dem Antrag, dass er auch den uerverweis zur Nichtverbreitungspolitik und zur brüstungspolitik im Allgemeinen enthält. Ich denke, ass dieser Zusammenhang hin und wieder etwas unterelichtet wird. Deswegen ist es bei allen Unterschieden, ie es noch geben mag, wichtig, dass wir darüber diskuieren. Meine Damen und Herren, wir haben Herrn aridschani in München erlebt. Ich fand sein Auftreten indrucksvoll, weil er dort eine große Übung in Public iplomacy abgeliefert hat. Man muss natürlich nicht mit hm übereinstimmen, aber man muss sagen, dass er das ehr gut gemacht hat. Er hat auch an einigen Stellen ichtige Punkte angesprochen. Ich finde, wenn man auf die ituation, die Kultur und die Geschichte des Iran eingehen ill – dieses Volkes, nicht der staatlichen Strukturen –, ann muss man ganz besonders darauf achten, dass man en notwendigen Respekt aufbringt und den Gesprächsartnern die Chance gibt, auf Augenhöhe zu kommuniieren. In vielerlei Hinsicht hat man ja den Eindruck, dass für ie iranischen Verhandlungspartner der Prozess das Ziel st. Das könnte Herr Schaefer vom Auswärtigen Amt ahrscheinlich noch sehr viel besser bestätigen. Man ill nun endlich auf Augenhöhe mit den Amerikanern in iesen direkten Verhandlungsprozess einsteigen. Das ist chon einmal das Ziel. Unser Ziel kann es nicht sein, ich in einen unendlichen Prozess hineinziehen zu lasen. Wir haben das Ziel vor Augen, die Iraner davon zu berzeugen, dass sie von der Option der nuklearen Wafen Abstand nehmen. Dr. Werner Hoyer (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608223000

(Beifall bei der FDP)

Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1608223100




(A) )


(B) )


Dieses Ziel darf man nicht aus den Augen verlieren,
obwohl ich noch einmal betonen möchte, dass man auch
bei diesem Partner die Themen Psychologie und
Gesichtswahrung nicht außer Acht lassen darf, wenn
man vorankommen will.

Ich bin der Auffassung, dass es ganz wichtig ist, dass
wir bei der EU-3 und im Weltsicherheitsrat der Vereinten
Nationen Einigkeit wahren. Sonst können wir keine
Wirkung erzielen. Übrigens: Wie stark die Wirkung der
Sanktionen der letzten Jahre gewesen ist, erkennt man
daran, dass einem die Gesprächspartner in der arabi-
schen Welt sagen: Die schärfste Waffe, die es gegen den
Iran gibt, ist der Ölpreis, weil die Produktionskosten dort
aufgrund der veralteten Strukturen der Ölindustrie mittler-
weile so hoch sind, dass durch ein weiteres Absinken des
Ölpreises echte Probleme generiert werden würden,
insbesondere – das muss man noch berücksichtigen – da
ein wesentlicher Teil der Benzinversorgung zu subven-
tionierten Preisen und enorm hohen Kosten importiert
werden muss. Das hält man auf Dauer nicht durch. Ich
glaube, auch insofern ist es wichtig, dass wir die Länder
der Region einbeziehen.

Ich glaube, es ist wichtig, rhetorisch abzurüsten; das ist
hier schon gesagt worden. Das gilt auch für viele Akteure
im Westen; denn es geht doch darum, die iranische
Bevölkerung nicht aus den Augen zu verlieren, sondern
sie zu gewinnen und nicht Ahmadinedschad mit seinen
fürchterlichen Sprüchen geradezu in die Arme zu treiben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben diesem iranischen Volk doch enorm viel
zu bieten. Es ist ein im Schnitt sehr junges Volk, das sehr
gut ausgebildet ist und sich Richtung Westen – übrigens
stärker nach Amerika als nach Europa – orientiert. Es
will abgeholt und nicht gerade dem Staatspräsidenten in
die Arme getrieben werden. Wir können ihm – einem stol-
zen, kulturell hochstehenden und mit großer Geschichte
ausgestatteten Volk – eine volle und gleichberechtigte
Teilhabe auf Augenhöhe mit den wirtschaftlich und
technologisch fortschrittlichsten Gesellschaften dieser
Welt anbieten. Das, was wir zu bieten haben, ist etwas,
und wir sollten dieses attraktive Angebot nicht kleiner
machen, als es ist.

In den letzten Tagen ist eine neue Bewegung in das
Ganze hineingekommen. Ich weiß nicht, ob bei der Linken
deswegen geradezu ein lähmendes Entsetzen herrscht.
Ich finde es ausgesprochen positiv und sehr gut, dass die
Amerikaner diesen Schritt gemacht haben, der ihnen
nicht leicht gefallen ist.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Man muss doch auch einmal die Befindlichkeit unserer
amerikanischen Freunde berücksichtigen. Unseren ameri-
kanischen Freunden steckt das Trauma der Botschafts-
besetzung von 1979 bis 1981 noch ganz tief in den

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(C (D nochen. Dass sie jetzt diesen Schritt getan haben, ist in großer Erfolg, an dem sicherlich auch die Europäer hren Anteil haben. Ich hoffe, dass auch die Iraner jetzt iese Chance nutzen. Durch die Einladung der Iraker an diejenigen, die jetzt n dieser ersten Verhandlungsrunde teilnehmen sollen, ird eine große Chance geboten. Ich glaube, wenn im pril eine Verhandlungsrunde auf Ministerebene statt indet, dann schlägt die Stunde der Wahrheit, ob wirklich er Wille da ist, auf einen Kompromiss einzusteigen, der ob sich der Verdacht derjenigen verfestigt, die den indruck haben, dass wir hier seit langer Zeit und für ine noch möglichst lange Zeit an der Nase herumgeführt erden. Das wäre fatal. Die Chance ist jetzt gegeben. ch hoffe, die Iraner werden sie nutzen. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608223200

Ich erteile das Wort Kollegen Rolf Mützenich, SPD-

raktion.


Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1608223300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

esteht kein Zweifel, die iranische Atomkrise befördert
pannungen in der Region und weltweit. Es gibt einige,
ie ein militärisches Vorgehen fordern; es gibt weitere,
ie in den Kategorien des Krieges denken – außerhalb,
ber auch innerhalb der Region. Wir sagen, beides ist
iskant. Europa führte einen Weltkrieg, an dessen Beginn
benfalls zunächst nur Säbelrasseln stand. Letztlich genügte
in Funke zum Flächenbrand. Deswegen lehnen wir
ozialdemokraten militärische Maßnahmen ab. Wir denken
ei unseren Überlegungen zur Lösung der iranischen
tomkrise nicht in militärischen Kategorien. Einen wei-

eren Krieg könnten diese Region und insbesondere die
achbarn des Iran nicht verkraften.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


eshalb warne ich davor, dass wir uns in eine Schein-
ebatte hineinbegeben. Wir sollten die Menschen nicht
erunsichern, schon gar nicht aus kleinlichen parteitak-
ischen Erwägungen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Herr Gysi, ich fand es bezeichnend, dass Sie den diskri-
inierenden Atomwaffensperrvertrag – dass er diskri-
inierend ist, wussten die Vertragsstaaten, die ihn

amals unterzeichneten – im Grunde genommen als Be-
ründung für den iranischen Weg in den letzten Monaten
eranzogen. Das war falsch. Diesen Vertrag kann man
icht als Messlatte verwenden. Fest steht vielmehr, die
raner haben den Atomwaffensperrvertrag seit 18 Jahren
erletzt. Sie haben ein geheimes Atomwaffenprogramm
etrieben, sie betreiben eine Aufrüstung im Bereich von
rägersystemen. Bis heute ist es der Internationalen
tomenergiebehörde nicht gelungen, dem Iran gemäß






(A) )



(B) )


Dr. Rolf Mützenich
dem Vertrag zu attestieren, dass er keine militärischen
Maßnahmen plant; vielmehr wird ihm unterstellt, er ver-
suche, sich militärische Optionen zu verschaffen. Das
hätten Sie in diesem Zusammenhang sagen sollen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zu Israel, Pakistan oder Indien beispielsweise gibt es
einen deutlichen Unterschied. Diese sind eben nicht
Unterzeichner des Vertrages. Daraus hätten Sie den
Schluss ziehen sollen, dass die Versuche des Außenmi-
nisters in den letzten Wochen und Monaten, wieder
Schwung in die Abrüstungsdebatte zu bringen, unterstüt-
zenswert sind. Nichts anderes hat er in dem Interview im
„Handelsblatt“ zur Diskussion über die Raketenabwehr
getan. Er hat darin seine Besorgnis über eine erneute
Aufrüstung auch in Europa zum Ausdruck gebracht.
Auch wenn es vom Thema nicht direkt hier hingehört,
hätte man, wie ich finde, auch loben können, dass sich
Deutschland der Initiative der 28 Staaten zur Ächtung
von Streumunition angeschlossen hat. Ein solcher Einsatz
gehört nämlich letztlich zu einer klugen Abrüstungspolitik
dazu.


(Beifall bei der SPD)


Deswegen bitte ich darum, keine Scheindebatte zu
führen. Da, wie ich glaube, diplomatische Schritte weiter-
hin möglich und notwendig sind, sollten wir nicht über
Krieg, sondern über Diplomatie reden.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Diplomatie hat an dieser Stelle eine Chance. Ich glaube
nämlich, dass es falsch ist, schon heute zu sagen, der euro-
päische Ansatz ist gescheitert. Im Gegenteil: Mit dem
europäischen Engagement konnte der Iran in den letzten
Jahren massiv unter Druck gesetzt werden. Hierdurch
wurde der Internationalen Atomenergiebehörde erst die
Möglichkeit eröffnet, Inspektionen im Iran durchzuführen.
Das war wichtig und ist Teil des europäischen Ansatzes
gewesen. Zugleich hat der europäische Ansatz dazu bei-
getragen, dass weitere Länder in dieser Frage an einem
Strang ziehen. Früher haben sich Russland und China
nicht an dieser Diskussion beteiligt. Sogar die USA
konnten vom europäischen Ansatz überzeugt werden.
All das hat Diplomatie geleistet. Darüber sollten wir hier
im Parlament diskutieren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Weiterhin glaube ich, dass die Bundesregierung richtig
gehandelt hat, und zwar nicht nur diese, sondern schon
die rot-grüne. Letztere hat ja ideenreich versucht, die
EU-3 mit dem Iran ins Gespräch zu bringen. Zugleich
wurde immer darauf geachtet, dass der Sicherheitsrat
nicht übergangen wird. Auch das war Bestandteil der
Diplomatie. Es war ja gerade das Manko beim Irakkrieg,
dass sich damals insbesondere die Ständigen Mitglieder
des Sicherheitsrats nicht immer auf eine gemeinsame
Resolution verständigen konnten, wie es derzeit der Fall
ist. All das hat doch Diplomatie geleistet. Die Internationale
Atomenergiebehörde ist dabei auf solche Einigkeit ange-
wiesen, weil sie keinen eigenen Sanktionsmechanismus
hat, um gegen Vertragsverletzungen vorzugehen. Darum

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(C (D st es so wichtig gewesen, dass der Sicherheitsrat sich amit befasst hat und am Montag zusammengekommen ist, err Paech. Darüber haben wir im Ausschuss diskutiert. Es st doch gut, wenn wir China und Russland mit im Boot aben. Darüber muss man sich doch nicht ärgern, sondern as ist Voraussetzung für eine zivile Bearbeitung dieses onfliktes. Wir unterstützen zum Beispiel auch das, was Herr l-Baradei auf internationalem Parkett im Namen der Inernationalen Atomenergiebehörde gegenüber dem Iran u thematisieren versucht. Ich glaube, es ist sehr gut, ozusagen, wie er es in die Debatte eingebracht hat, ein oppeltes Aussetzen anzubieten: Wenn Iran zu einer uspendierung der Urananreicherung bereit ist, sollen uch die Sanktionen der Vereinten Nationen ausgesetzt erden. Ich glaube, das ist genau der richtige Weg. Daran eigt sich, dass Diplomatie an dieser Stelle eine Chance hat. Gestatten Sie eine Zwischenfrage? Bitte schön. Bitte schön, Frau Knoche. Ich finde den Verlauf der Diskussion hier im Parlament ehr gut, weil dadurch deutlich wird, wie intensiv das emühen auch in der deutschen Politik ist, den Weg der iplomatie zu gehen. Hier sollte nicht das Missverständnis ufkommen, dass die Fraktion Die Linke diese Bemüungen nicht unterstützt. Ich möchte nur auf eine große Sorge hinweisen, die ir haben, und Sie fragen, wie Ihre Einschätzung dazu st. Wir alle haben auch parlamentarische Kontakte zu en USA, und wir wissen, wie wenig gewiss es ist, wie ich die Bush-Administration verhalten wird. Man geht avon aus, dass es durchaus möglich ist, dass Bush sich m Ende seiner Ära mit einem Big Bang verabschieden ird, (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Jetzt muss mal eine Frage kommen!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608223400
Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1608223500
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608223600
Monika Knoche (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608223700

ass er eine Militäreskalation gegen den Iran vorhat. Wie
ehen Sie die Rolle, die Deutschland einnehmen muss,
m solche grässlichen Optionen der US-amerikanischen
dministration zurückzudrängen und ihnen deutlich ent-
egenzutreten? Wenn hier eine klare Stimme in dem
inne erhoben würde, dass man dieser Art von US-
merikanischer Politik auf jeden Fall entschiedenen
iderstand entgegensetzt sowie der Entwicklung und

en Sicherheitsinteressen des Iran Rechnung trägt, dann
äre, glaube ich, auch für diese Debatte sehr viel ge-
onnen.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) )



(B) )


Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1608223800

Wenn Sie die Diplomatie, die ich gerade zu schildern

versucht habe, unterstützt hätten, hätten Sie einen ande-
ren Antrag geschrieben.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin ja froh, wenn Sie der Meinung sind, dass das,
was wir hier ausführen, letztlich im Sinne der Diplomatie
ist. Ich glaube, dass das richtig ist.

Sie sprachen von Kontakten zu den USA. Ich habe
mehr Kontakte ins iranische Parlament. Dort weiß man
natürlich, dass die US-amerikanische Außenpolitik in
den letzten Jahren – das haben auch wir gelernt – durchaus
andere Interessen hat. Manchmal erscheint die Debatte
im iranischen Parlament ganz anders, als Sie sie hier
wahrgenommen haben.

Sie müssen aber auch wahrnehmen, dass sich gerade die
US-amerikanische Politik gegenüber dem Iran verändert
hat. Seit Beginn der Verhandlungen 2003 haben die USA
dem Iran das Recht zur friedlichen Nutzung der Kern-
energie komplett abgesprochen. Das hat sich gewandelt.
Die USA haben – darauf ist hingewiesen worden – sehr
stark, wie ich glaube, aus den Erfahrungen mit Libyen
und Nordkorea gelernt, wie man Länder, die eine Kern-
waffenoption durchzusetzen versuchen, möglicherweise
wieder einfängt. Das hat man bei Libyen erfolgreich
geschafft, und ich hoffe, dass das auch bei Nordkorea
der Fall sein wird.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Ankündigung
vonseiten der USA, mit Iran und Syrien an einer Irak-
konferenz teilzunehmen, letztlich auch aufgrund dieses
Lernprozesses stattgefunden hat. Das spricht auch für
die Diplomatie, und das sollten Sie mit unterstützen.

Der andere Punkt, den man wahrnehmen muss – viel-
leicht haben Sie da noch viel bessere Informationen,
wenn Sie so oft mit Kolleginnen und Kollegen in den
USA sprechen –, ist, dass Außenministerin Rice in der
letzten Zeit eine Menge versucht hat, um das Ganze auf
diplomatischem Wege voranzubringen. Aber auch der neue
amerikanische Verteidigungsminister Gates war, damals
mit einem Papier des Council on Foreign Relations,
dafür, mit dem Iran in direkte Verhandlungen zu treten.
Auch das muss man wahrnehmen. Wenn Sie an dieser
Stelle für Diplomatie gewesen wären, hätten Sie das in
Ihren Antrag aufnehmen können.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Da Sie, wie Sie sagen, Ihre Kontakte in die USA pfle-
gen, möchte ich Sie gern bitten, den USA möglicher-
weise ein anderes Bild vom Iran zu vermitteln. Ich
glaube, das Bild, das Präsident Bush in den letzten Mo-
naten immer wieder vom Iran gezeichnet hat, ist falsch,
genauso falsch wie das, was er in seiner Rede an die Na-
tion zum Iran gesagt hat.

Er hat zwar einen Unterschied zwischen dem Volk
und dem Mullahregime skizziert. Das ist vollkommen
richtig. Ich glaube, dass viele Menschen im Iran mit die-
ser Gesellschaft unzufrieden sind. Aber sie wollen Res-

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(C (D ekt gegenüber ihrer Nation und gegenüber ihren Erfolen. Sie wollen auch deswegen mit Respekt behandelt erden, weil sie gegen den Willen eines großen Teils der eltgemeinschaft einen achtjährigen Krieg gegen den rak durchgestanden haben. Viele andere Punkte spielen n dieser Stelle eine Rolle. Ich glaube daher, dass die Analogie, die der amerikaische Präsident an dieser Stelle macht, falsch ist. Das olk ist nicht komplett gegen dieses Mullahregime. ber es will sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt. Es ill im Grunde genommen auch, dass die Frauen in die er Gesellschaft viel freier sind, auch wenn man vieleicht dem einen oder anderen Iraner begegnet, der das nders sieht. Aber insgesamt ist diese Gesellschaft so ortschrittlich, wie wir es uns im Westen bei der Auseiandersetzung mit Gesellschaften in dieser Region wünchen. Sie sollten den USA deutlich machen, dass wir es mit iner Gesellschaft zu tun haben, in der eben Diplomatie öglich ist, in der ein Parlament dem Präsidenten wider pricht und in der es iranische Studenten gibt, die gegen hn protestieren. Das eröffnet Möglichkeiten, um inneralb der USA für den Standpunkt zu werben, dass sich iplomatie an dieser Stelle lohnt. Ich glaube, wir tun gut daran, nicht in militärischen ategorien zu denken und zu reden, sondern die Facet en im Iran wahrzunehmen und danach zu handeln. Desalb unterstützen wir Sozialdemokraten die Bundesreierung bei ihren vielfältigen Bemühungen, die iranische tomkrise friedlich zu lösen. Ich glaube, wir tun eben alls gut daran, uns noch öfters im Ausschuss über diese öglichkeiten zu unterhalten. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608223900

Ich erteile das Wort Kollegin Kerstin Müller, Fraktion

ündnis 90/Die Grünen.

Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

ebatte hat gezeigt: Wir sind uns hier einig, dass wir al-
es daransetzen müssen, eine iranische Atombombe auf
en Verhandlungsweg zu verhindern.

Herr Kollege Gysi, wenn ich auf ein Argument von
hnen eingehen darf: Der Iran will nicht die Bombe aus
chutz vor einem drohenden Angriff der Amerikaner
das haben Sie insinuiert, weil es in Ihre Argumentation

asst –, sondern ich bin der festen Überzeugung, dass
er Iran aus hegemonialen Interessen in der Region die
ombe will. Deshalb ist es so, dass sich nicht nur die
nrainerländer – darüber wurde im Gouverneursrat dis-
utiert – aufgrund der Geschehnisse im Iran große Sor-
en machen. Ich habe den Eindruck, dass Sie vor der






(A) )



(B) )


Kerstin Müller (Köln)

Tatsache, dass sich die halbe Welt Sorgen macht und die
Verhandlungen der EU-3-plus-3 stützt, die Augen ver-
schließen, weil das nicht in Ihre innenpolitische Argu-
mentation passt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich weiß noch sehr genau – viele Kollegen haben es
angesprochen –, dass es der drohende Rüstungswettlauf
in der Region war, der Außenminister Fischer umgetrie-
ben hat. Deshalb haben wir 2003 die Initiative für einen
Verhandlungsprozess ergriffen. Es ist in der Tat ein gro-
ßer Erfolg – auch das müssen Sie von der PDS einmal
konstatieren –, dass die USA, Russland und China die-
sen Prozess inzwischen aktiv bis hin zu den – angeblich
nur symbolischen – Sanktionen mittragen.

Es war mühsam, die Geschlossenheit der internatio-
nalen Gemeinschaft aufgrund der vorhandenen Wider-
sprüche zu erreichen. Aber sie ist ein ganz entscheiden-
der Schlüssel, um überhaupt zu erreichen, dass der Iran
auf dem Verhandlungsweg von seinem Vorhaben ablässt,
eine Atombombe zu bauen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich will allerdings zu der Drohung mit einem Militär-
schlag oder entsprechenden Planungen – Teile der US-
Regierung schließen ja demonstrativ einen Militär-
schlag nicht aus – sagen: Die Signale der amerikani-
schen Partner sind zumindest widersprüchlich. In den
Verhandlungen und mit der UN-Resolution sagen sie
klar Nein zur militärischen Option. In der entsprechen-
den UN-Resolution ist der Automatismus eines Militär-
schlages ausgeschlossen, weil es keinen Verweis auf
Art. 42 der UN-Charta gibt. Aber die Signale, die man
natürlich ansonsten aus den USA bekommt, sind – das
sage ich für meine Fraktion – kontraproduktiv und unter-
graben im Grunde genommen die Glaubwürdigkeit des
gesamten Prozesses,


(Beifall der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE])


der ganz klar auf eine Verhandlungslösung setzt und da-
mit die militärische Option ausschließt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das heißt – das ist unsere Erwartung –, dass die
Europäer und die deutsche Bundesregierung das den
amerikanischen Partnern immer wieder deutlich machen
müssen. Wir brauchen eine Fortsetzung des Verhand-
lungsweges, am besten sogar – das haben Sie, Herr
Polenz, selber vorgeschlagen – direkte Verhandlungen
der USA mit dem Iran statt solcher gefährlicher Militär-
planungen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608224000

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Gysi?

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(C (D Kerstin Müller EN)

Gerne. Wie eben schon so schön gesagt wurde: Das

erlängert die Redezeit.


Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608224100

Frau Kollegin Müller, ich habe zwei ganz kurze Fra-

en hintereinander:

Erstens. Sie haben wahrscheinlich recht, dass es zum
eispiel dem Präsidenten im Iran um Vorherrschaftsfra-
en geht. Aber wenn wir die Sicherheit des Iran garan-
ierten, glauben Sie nicht, dass er dann gegenüber der

ehrheit seiner Bevölkerung diesbezüglich keine Chan-
en hätte, die er heute mit einer anderen Argumentation
utzt?

Zweitens. War es nicht so, dass der Sicherheitsrat
emeinsame Beschlüsse mit China und Russland gegen
en Irak fasste, dies den Krieg aber nicht verhindert hat?
a darf man doch bei Bush wohl misstrauisch sein.

Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Ich gebe eine Antwort darauf. Die Parallelität zum

rak halte ich für völlig falsch. Denn anders als bei der
amaligen Entwicklung im Hinblick auf den Irak
chließt die jetzige Resolution des Sicherheitsrates ge-
enüber dem Iran den Verweis auf Art. 42 der UNO-
harta ausdrücklich aus. Das heißt, der Automatismus
u einem Militärschlag ist hier gerade nicht gegeben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


arüber haben wir auch im Ausschuss ausdrücklich dis-
utiert.

Das ist der Unterschied zum Irak. Denn da ging es
icht darum, dass die Resolution nicht die Ermächti-
ungsgrundlage ist, sondern um Folgendes: Was macht
er Irak? Hat er Massenvernichtungswaffen, oder hat er
eine? Das war der Streitpunkt beim Irakkrieg. Ich finde,
ass Sie eine rein innenpolitische Diskussion führen. Sie
alen etwas an die Wand, was so von den internationa-

en Beschlüssen nicht gedeckt ist, liebe Kolleginnen und
ollegen von der PDS.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Dennoch gebe ich Ihnen darin recht, dass man den
merikanischen Partnern immer wieder ganz klar sagen
uss: Ein Militärschlag ist keine Option. Theoretische
pielereien darüber untergraben den Prozess eher und
ühren nicht dazu, dass er zum Erfolg wird.

Zu den Sanktionen. Sie sprechen sich in Ihrem An-
rag in der Tat gegen Sanktionen aus. Da muss ich aller-
ings fragen: Was passiert eigentlich? Wollen wir die-
em iranischen Katz-und-Maus-Spiel noch mehrere
ahre tatenlos zusehen? Ich glaube, das kann die interna-
ionale Gemeinschaft nicht machen. Wenn wir glaub-
ürdig sein wollen – wir verhandeln ja seit 2003 –, dann






(A) )



(B) )


Kerstin Müller (Köln)

ist es richtig, moderate Sanktionen – so hat es der Si-
cherheitsrat beschlossen – festzulegen.

Interessant ist ja, dass es darauf durchaus eine Reak-
tion gibt, wie man heute zum Beispiel dem Ticker ent-
nehmen kann: Der Iran debattiert über den richtigen
Weg. Der Iran zeigt sich jetzt wieder verhandlungsbereit.
Das heißt, wir müssen diesen Doppelansatz konsequent
verfolgen. Wir müssen einerseits Verhandlungen anbie-
ten, aber andererseits moderate Sanktionen umsetzen.
Wir müssen die Tür zu Verhandlungen immer offenhal-
ten. Das ist der richtige Weg.

Wichtig ist auch, dass man dem Iran im Hinblick auf
die Aussetzung der Anreicherung von Uran entspre-
chende Kompromissvorschläge macht. Das ist ja wohl
passiert. Das Ziel müssen direkte Verhandlungen sein;
das ist der Weg. Wenn der erfolgreich ist – das haben ei-
nige von Ihnen angesprochen –, dann wird das endlich
wieder einmal auch zu einer Stärkung des NVV-Vertra-
ges führen,


(Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


von dem man leider sagen muss – daran sind nicht nur
die Iraner schuld –, dass er durch vielerlei Entwicklun-
gen in der Welt – leider auch durch amerikanisches Ver-
halten und zu geringe Abrüstungsbemühungen – sehr ge-
schwächt ist. Ebenso müssen wir erreichen, dass diese
internationalen Verträge zur Abrüstung wieder gestärkt
werden, weil dies der einzige Weg ist, Konflikte auf
friedlichem Weg zu lösen.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608224200

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird

Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/4202 an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen; die Vorlage auf Drucksache 16/4407 soll an
dieselben Ausschüsse überwiesen werden. Sind Sie da-
mit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die
Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur
Änderung des Künstlersozialversicherungsge-
setzes und anderer Gesetze

– Drucksachen 16/4373, 16/4419 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Kultur und Medien

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch; dann ist es so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin
Angelika Krüger-Leißner, SPD-Fraktion, das Wort.

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(C (D Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Die Einsicht, die den Gesetzgeber Anfang der 0er-Jahre dazu bewogen hat, die Künstlersozialversiherung einzuführen, gilt im Grundsatz auch heute noch nverändert, denn geringes Einkommen und ein hohes erufsrisiko begründen ein erhöhtes Schutzbedürfnis der ulturschaffenden in sozialer Hinsicht. Inzwischen gibt es diesen Versicherungszweig ein ierteljahrhundert, und die Bilanz ist eindeutig positiv. ie Künstlersozialversicherung bietet selbstständigen ünstlern und Publizisten nicht nur Absicherung im Al er und im Krankheitsfall, nein, sie ist auch ein unverichtbares Instrument der Kulturförderung und zu eiem wichtigen Pfeiler in der Kulturwirtschaft insgesamt eworden. Deren Bedeutung nimmt gerade in jüngster eit enorm zu, und sie wird auch in Zukunft weiter zuehmen. Übrigens ist dies eine der Ursachen für die tark gestiegenen Versichertenzahlen. Wer mit europäischen Kollegen über unsere Künstlerozialversicherung spricht, erfährt, dass sie im europäichen Ausland als vorbildliche kulturund sozialpolitiche Errungenschaft geschätzt wird. iele Sozialpolitiker in Europa würden sehr gern solch in System selber einführen; sie beobachten übrigens ehr genau, wie sich die Künstlersozialversicherung bei ns weiterentwickelt und mit welchen Änderungen wir ie fortschreiben. Aber wir wissen nur zu gut, dass wir um des Erhaltes illen auch verändern und anpassen müssen, denn die ntwicklungen der letzten Jahre im Bereich der Wirtchaft, des Arbeitsmarktes und der Demografie haben einen Bogen um die Künstlersozialversicherung geacht. Wie die anderen gesetzlichen Versicherungen hat uch sie zunehmend mit einer Schieflage zwischen Einahmen und Ausgaben zu kämpfen. So ist die Künstlerozialversicherung von verschiedenen Seiten unter Kosendruck geraten. Zum einen hat sich die Zahl der Versicherten, also der eistungsempfänger, deutlich erhöht – derzeit sind es ber 150 000 Versicherte –, während die Beitragseinnahen eher stagnieren. Außerdem sind die Ausgaben für ie gesundheitliche Versorgung weiter gestiegen. Zum anderen erlaubt es der auch bei den Unternehen zunehmende Kostendruck nicht, dass die Künstler ozialabgabe beliebig in die Höhe getrieben wird, und chließlich – wir wissen das nur zu gut – machen die wänge in den öffentlichen Haushalten auch vor dem undeszuschuss für die Künstlersozialversicherung icht halt. Die benannten Probleme werden von interessierter eite gerne zum Anlass genommen, das ganze System in weifel zu ziehen, aber mit der vorliegenden Novelle rechen wir solchen Versuchen die Spitze. Angelika Krüger-Leißner Lassen Sie mich vor allen Dingen eines deutlich sagen: Erklärtes Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfes ist es, die Künstlersozialversicherung zu stabilisieren und zukunftsfest zu machen. Ich prophezeie: Mit den geplanten Maßnahmen wird dies auch gelingen, denn damit werden die Finanzierungsreserven im System selbst systematisch erschlossen. Die Ausgabenseite wird deutlich entlastet, indem nur die wirklich Berechtigten in den Genuss der Künstlersozialversicherung kommen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das steht so aber noch nicht im Gesetzentwurf drin!)

Angelika Krüger-Leißner (SPD):
Rede ID: ID1608224300

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


Das erreichen wir durch ein verbessertes Mitwirken der
Künstler und Publizisten und durch Kontrollen. Die Ein-
nahmeseite wird verbessert, ohne dass der Abgabensatz
steigen muss, im Gegenteil: Aufgrund der systemati-
schen Erfassung der abgabepflichtigen Unternehmen ist
zu erwarten, dass sich der Kreis der Zahler deutlich er-
höht. Die Deutsche Rentenversicherung Bund wird in
diesem Zusammenhang eine wichtige Aufgabe kurzfris-
tig übernehmen. Das eröffnet eine realistische Perspek-
tive für eine weitere Senkung der Künstlersozialabgabe,
was wiederum ganz entscheidend für ihre Akzeptanz
und die Stärkung des Systems ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Da bin ich fast geneigt, zu klatschen, Frau Krüger-Leißner!)


Ich freue mich, dass wir in der Koalition den Reform-
bedarf bei der Künstlersozialversicherung sehr schnell
und im guten Einvernehmen angegangen sind. Wir ha-
ben schließlich schon in der Koalitionsvereinbarung
festgeschrieben, was wir nun umsetzen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Seid ihr denn bereit, mit uns darüber zu reden? Oder verweigert ihr euch wieder?)


Ich freue mich aber auch über die Zustimmung der Län-
der.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])


– Ein Lob an die Länder, gut.

Die Stellungnahmen der Verbände mit Ausnahme
der BDA – man höre –, die die KSV komplett abschaf-
fen will,


(Jörg Tauss [SPD]: Pfui!)


haben keine Fundamentalkritik erkennen lassen. Es wer-
den Einzelfragen thematisiert, die in der weiteren Bera-
tung noch einmal auf ihre Berechtigung abzuklopfen
sind. Festzuhalten bleibt aber, dass wir mit der Novelle
auf dem besten Wege sind, das zu stabilisieren, was sich
bewährt hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU])


Ich möchte an dieser Stelle aber auch darauf hinwei-
sen, dass es mit der Sicherung der Finanzen der Künst-
lersozialversicherung allein nicht getan ist. Wir müssen
ganz genau darauf achten, dass das Gesetz seinen
Zweck, die soziale Absicherung bedürftiger selbstständi-
ger Künstler und Publizisten, auch tatsächlich erfüllt.

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(C (D (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Richtig!)


s mehren sich Hinweise auf Veränderungen auf dem
rbeitsmarkt der Kulturwirtschaft. Bei den Auftragge-
ern bzw. Verwertern gibt es unübersehbar die Tendenz,
ie Abgabenpflicht auf die Kulturschaffenden abzuwäl-
en. Das geschieht übrigens völlig rechtskonform auf
er Grundlage geltender Gesetze, allerdings unter fanta-
ievoller Gestaltung der Geschäfts- und Vertragsbezie-
ungen – um es einmal vorsichtig zu formulieren.


(Jörg Tauss [SPD]: Sehr vorsichtig!)


Ja.

Solche Phänomene markieren einen Wandel des Ar-
eitsmarktes und der Erwerbsbedingungen. Dieser Wan-
el droht die Schutz- und Förderintention des Gesetzge-
ers für die Kulturschaffenden auszuhebeln. Ich muss
eststellen: In einigen Bereichen halten Arbeits- und So-
ialrecht ganz offensichtlich nicht Schritt mit dem rasan-
en Wandel der Arbeitswirklichkeit von Kulturschaffen-
en. Wenn es Aufgabe des Staates ist, Kunst und Kultur
u fördern, dann muss er auch darauf achten, dass gel-
ende Gesetze der Lebens- und Arbeitswirklichkeit der
ulturschaffenden gerecht werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Vor diesem Hintergrund werden wir uns, so glaube
ch, das SGB III noch einmal genau anschauen müssen.
icht von ungefähr heißt es in der Koalitionsvereinba-

ung: „Bei Gesetzgebungsverfahren sind die besonderen
elange … der Künstler und Kulturschaffenden zu be-

ücksichtigen.“


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])


ch glaube, mit diesem Gesetzentwurf machen wir genau
as Richtige. Wir handeln nämlich in diesem Sinne.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Mit dem vorlie-
enden Gesetzentwurf stärken wir die bewährte Künst-
ersozialversicherung, indem wir die finanzielle Basis
er Künstlersozialversicherung sichern, indem wir für
ehr Beitrags- und Abgabengerechtigkeit für alle Seiten

orgen und indem wir sie zu einem integralen Bestand-
eil unseres sozialen Sicherungssystems festigen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608224400

Ich erteile das Wort Kollegen Heinrich Kolb, FDP-

raktion.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1608224500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

ünstlersozialversicherung ist die Grundlage der sozia-
en Sicherung von selbstständigen Künstlern und Künst-
erinnen. Die FDP hat dieses Instrument Anfang der
0er-Jahre mitbegründet und will es für die Zukunft er-
alten und fortentwickeln.


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Dr. Heinrich L. Kolb
Ich denke, trotz der Erfolge bei der Stabilisierung der
Finanzen der Künstlersozialversicherung in den vergan-
genen Jahren und den damit verbundenen Beitragssen-
kungen sollten und müssen weitere Anstrengungen un-
ternommen werden, um den Kostendruck auf Künstler
und Verwerter langfristig zu mindern.

In diesem Sinne begrüßt die FDP-Bundestagsfraktion
den vorgelegten Gesetzentwurf, der Ergebnisse eines seit
2004 bestehenden runden Tisches zur Stärkung der
Künstlersozialversicherung aufgreift. Der Gesetzentwurf
entspricht zugleich einigen Forderungen des Antrags der
FDP-Bundestagsfraktion mit dem Titel „Finanzierung
der Künstlersozialversicherung sichern“ aus dem Jahre
2005.

Ich möchte kurz auf die vorgeschlagenen Regelungen
eingehen und noch einen Vorschlag für einen weiteren
Reformschritt machen. Hinsichtlich der Überprüfung der
Abgabenpflicht der Verwerter zielt der Gesetzentwurf
darauf ab, die Finanzierungsgrundlage und die Beitrags-
gerechtigkeit dadurch zu stärken, dass die Verwerter
künstlerischer und publizistischer Leistungen stärker da-
raufhin kontrolliert werden, ob sie ihre Abgabenpflich-
ten tatsächlich erfüllen. Kollegin Krüger-Leißner hat es
schon gesagt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen – Ver-
stärkung der stichprobenartigen Kontrollen und Abglei-
chung der Daten mit der Rentenversicherung – sind aus
unserer Sicht zur Erreichung dieses Ziels geeignet.

Es macht auch Sinn, die Prüfdienste der Deutschen
Rentenversicherung dafür einzusetzen, die Abgabe-
pflichtigen in der Künstlersozialversicherung besser als
bisher zu erfassen. Ob auf diesem Weg, Frau Krüger-
Leißner, eine nahezu vollständige Erfassung der abgabe-
pflichtigen Arbeitgeber erreicht werden kann, bleibt ab-
zuwarten. Positiv ist auf jeden Fall, dass die Wahrneh-
mung der Prüfaufgaben durch die Rentenversicherung
ohne die Schaffung neuer Stellen erfolgen soll.

Hinsichtlich der Überprüfung der Abgabenpflicht der
Versicherten soll eine dauerhafte, jährliche Befragung
einer wechselnden Stichprobe erfolgen. Auch diese
Maßnahme ist sinnvoll. Sie kann die Einnahmen der
Künstlersozialversicherung erhöhen und helfen, das Ziel
der Beitragsgerechtigkeit herzustellen.

An der Stelle bleibt im Gesetzentwurf leider offen,
mit welchem Personalaufwand diese vorgesehenen
Aufgaben zu erfüllen sind. Es wäre aus unserer Sicht
wünschenswert, wenn ein eventuell bei der Künstlerso-
zialversicherung entstehender Personalbedarf aus Perso-
nalüberhang bei der Rentenversicherung gedeckt werden
könnte. Einen solchen Personalüberhang scheint es bei
der Rentenversicherung ja zu geben. Wir haben 2004 die
Organisationsreform beschlossen. Im Zuge der Umset-
zung der Maßnahmen müsste es im Jahr 2007 möglich
sein, die durch Effizienzgewinne in der Organisation ge-
wonnenen Stellen anderweitig einzusetzen. Wir haben
erst kürzlich zur Kenntnis genommen, dass für öffentli-
che Kurse über Altersvorsorge an den Volkshochschulen
ganz offensichtlich Freiräume bestanden. Vielleicht kann
man das auch für die Künstlersozialversicherung nutzen.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D Darüber hinaus darf neben der Stärkung der Einnaheseite nicht vergessen werden, die Ausgabenseite kla er zu fassen und womöglich zu begrenzen. Hintergrund ieser Forderung ist, dass die Zahl der Versicherten in er Künstlersozialversicherung aufgrund der Attraktiviät künstlerischer Berufe, aber auch aufgrund veränderer Formen der Beschäftigung und mehr Selbstständigeit im künstlerischen Bereich seit Jahren zunimmt. eswegen sollten die Versicherungsleistungen besser als isher auf den Personenkreis, der wirklich der solidarichen Sozialkasse bedarf und dem Fördergedanken der ünstlersozialkasse entspricht, beschränkt werden. Dabei sollte insbesondere unter Berücksichtigung der echtsprechung der letzten Jahre eine präzisere gesetzlihe Abgrenzung des Künstlerbegriffs gegenüber voriegend handwerklichen Tätigkeiten mit künstlerischem inschlag erfolgen. Richtig und wegweisend in diesem inne sind die Urteile des Bundessozialgerichtes, wie twa die, die Tätowierer oder auch Teezeremonienmeiser von der Künstlersozialversicherung ausschließen; zuetzt das Urteil von gestern. Darüber hinaus wäre es sinnvoll, durch gesetzliche eitlinien und Klarstellungen der Künstlereigenschaft echtssicherheit zu schaffen, wobei der Künstlerbegriff egenüber der Entstehung neuer künstlerisch geprägter erufsformen grundsätzlich offen gehandhabt werden uss. Ich vermisse bis heute im Gesetzentwurf eine onkretisierung. Im Begründungsteil, Frau Kollegin rüger-Leißner, heißt es, dass „eine sachgerechte Be chreibung des Kreises der Begünstigen vorzunehmen st …“. Im Gesetzestext ist eine solche Beschreibung isher nicht zu finden. Insgesamt enthält der vorgelegte Gesetzentwurf sinnolle Vorschläge, um die Künstlersozialversicherung zu ichern. Ich sehe gute Chancen, den guten Willen der oalition vorausgesetzt, dass dieser Gesetzentwurf auf er Basis einer breiten Mehrheit verabschiedet werden ann. Ich denke, die Politik sollte wie bisher weiterhin ng mit den Betroffenen und den Verbänden zusammenrbeiten, um die soziale Sicherung der Künstler und Pulizisten in Deutschland zu gewährleisten. Vielen Dank. Ich erteile das Wort Gitta Connemann, CDU/CSU raktion. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im ovember 2004 kursierte das Gerücht, dass die Künstersozialversicherung abgeschafft werden soll. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja! Rot-Grün war alles zuzutrauen!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1608224600

(Beifall bei der CDU/CSU)

Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1608224700

s mobilisierte damals viele Hundert Künstler und Jour-
alisten zu einer Mail- und Briefaktion; einige von uns
erden sich sicherlich noch daran erinnern.






(A) )



(B) )


Gitta Connemann
Hintergrund war eine Anhörung der Enquete-Kom-
mission „Kultur in Deutschland“. Diese war fälschli-
cherweise in den Verdacht geraten, die Errungenschaft
der Künstlersozialversicherung infrage stellen zu wol-
len. Tatsächlich verfolgte die Enquete-Kommission mit
ihrer Anhörung aber das Ziel, die Künstlersozialversi-
cherung zukunftsfest zu machen. Fraktionsübergreifend
gilt die Erkenntnis – das zeigte sich auch am Beitrag von
Herrn Dr. Kolb –: Die Künstlersozialversicherung und
die ausführende Künstlersozialkasse sind unverzichtbar.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Beifall bei der FDP)


Ich habe Ihnen den damaligen Aufruhr ins Gedächtnis
gerufen, weil er zweierlei zeigt: zum einen, dass wir es
mit einem Thema zu tun haben, das in der Öffentlichkeit
außerordentlich sensibel wahrgenommen wird, zum an-
deren und vor allem, dass wir heute über eine Einrich-
tung sprechen, die für viele Künstlerinnen und Künstler
in diesem Land von existenzieller Bedeutung ist.

Zwar fehlt es Deutschland, dem Land der Dichter und
Denker, dem Land der Komponisten und Künstler, nach
wie vor an einem grundgesetzlichen Bekenntnis zur Kul-
tur;


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Kollege Burgbacher arbeitet daran!)


das bedaure ich persönlich sehr. Aber die deutsche Poli-
tik hat im Vergleich zu anderen Staaten schon sehr früh-
zeitig das berechtigte Bedürfnis der Künstlerinnen und
Künstler erkannt, ein Stück sozial abgesichert zu wer-
den. Das damals verabschiedete Künstlersozialversiche-
rungsgesetz ist bis heute europaweit einmalig.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Ja! Es ist ein Meilenstein!)


Seitdem können sich selbstständige Künstler und Pu-
blizisten im Rahmen der gesetzlichen Sozialversiche-
rung kranken-, pflege- und rentenversichern. Vor der
Einführung des Gesetzes hatten sie keinerlei soziale Ab-
sicherung. Für sie wurde ein eigenes Versicherungssys-
tem geschaffen, und das aus gutem Grund, so das Bun-
desverfassungsgericht:

Die Künstler bringen höchstpersönliche Leistungen
… Daraus erwächst eine besondere Verantwortung
… für die soziale Sicherung selbständiger Künstler
und Publizisten, ähnlich der der Arbeitgeber für die
Arbeitnehmer.

CDU, CSU und SPD haben sich in ihrem Koalitions-
vertrag deshalb ausdrücklich zur Künstlersozialversiche-
rung als einem wichtigen Instrument der Kulturförde-
rung und der sozialen Sicherung der Künstlerinnen und
Künstler bekannt. Es wurde aber auch Handlungsbedarf
gesehen. Zum einen muss die Finanzierung auf ein sta-
bileres Fundament gestellt werden. Sie erfolgt zu
50 Prozent durch die Versicherten, zu 30 Prozent durch
die Verwerter und zu 20 Prozent durch einen Bundeszu-
schuss; damit nimmt der Bund seine kultur- und sozial-
politische Verantwortung für Künstler und Publizisten
wahr.

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(C (D (Beifall des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU] sowie des Abg. Jörg Tauss [SPD])


Der Finanzbedarf der Künstlersozialversicherung
at sich in den letzten Jahren massiv erhöht. Die Ursa-
hen sind vielfältig. Das Durchschnittseinkommen von
ünstlerinnen und Künstlern liegt bei nur 11 000 Euro –

ch betone: pro Jahr. Die Anzahl der Versicherten nimmt
eit Jahren zu. Der Anteil der selbstständigen versicher-
en Künstlerinnen und Künstler steigt, und zwar aus vie-
en Gründen; die Kollegin Krüger-Leißner hat einige
ufgeführt.

Es fehlen Arbeitsplätze im Bereich der abhängigen
eschäftigung. Dennoch sind die Kultur- und Medienbe-

ufe außerordentlich attraktiv. Die Selbstständigkeit
irgt für Unternehmen und Tätige leider auch die Mög-
ichkeit, Beiträge an die Sozialversicherung zu sparen.
chließlich drängen auch Tätige in die Künstlersozial-
ersicherung, die die Voraussetzung dafür eigentlich
icht erfüllen – das ist bereits angesprochen worden –,
eien es Tätowierer oder andere Berufsgruppen wie
chlammcatcher.

Der dadurch erhöhte Finanzbedarf hat seinerseits Fol-
en: Der Bundeszuschuss musste erhöht werden und
uch die Künstlersozialabgabe. Dies wirkt sich auf die
ettbewerbsfähigkeit in der Kultur- und Medienwirt-

chaft aus. Dieser Wettbewerb wird dadurch verschärft,
ass eine Anzahl von eigentlich abgabepflichtigen Un-
ernehmen ihre Pflicht nicht erfüllen. Damit erhöht sich
ie Last für die anderen, gesetzestreuen Verwerter. Diese
ordern mit den anderen Mitgliedern des runden Tisches
Stärkung der Künstlersozialversicherung“ seit länge-
em mehr Beitragsgerechtigkeit im Versicherten- und
erwerterbereich.

Es wurden gemeinsam mit dem Bundesministerium
ür Arbeit und Soziales und dem BKM Strategien erar-
eitet, die uns jetzt als Gesetzentwurf vorliegen. So soll
ie Prüfung der Verwerter auf die Prüfdienste der Deut-
chen Rentenversicherung übertragen werden. Dort be-
teht ein Apparat, mit dem mittelfristig alle abgabe-
flichtigen Verwerter erreicht werden könnten. Das ist
ut so. Denn die Künstlersozialabgabe ist keine freiwil-
ige Leistung der Unternehmen, sondern gesetzlich vor-
eschrieben. Wer sich dieser Pflicht entzieht, handelt
esetzwidrig und verschafft sich damit einen rechtswid-
igen Vorteil. Dem wollen wir einen Riegel vorschieben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Durch die unterstützende Prüftätigkeit der Deutschen
entenversicherung wird die Künstlersozialkasse in
ilhelmshaven mehr Raum für ihre originären Aufga-

en erhalten; deshalb braucht sie keine Aufstockung,
err Dr. Kolb. Die Prüfbefugnisse werden zukünftig ge-

tärkt: So soll dauerhaft die jährliche Befragung einer
echselnden Stichprobe von mindestens 5 Prozent der
ersicherten durchgeführt werden, bei der die tatsächli-
hen Einkommen der letzten drei Jahre erhoben werden
ollen. Damit werden die Mitglieder der KSK übrigens






(A) )



(B) )


Gitta Connemann
nicht kriminalisiert, wie zurzeit auf mancher Internet-
seite zu lesen ist. Vielmehr wird auf diese Weise sicher-
gestellt, dass nur der Kreis der tatsächlich Berechtigten
Mitglied in der Künstlersozialkasse ist. Voraussetzung
für die Mitgliedschaft ist nun einmal die erwerbsmäßige
und dauerhafte Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit
als Künstler oder Publizist. Es gibt Begehrlichkeiten; das
Tätowiererurteil des BSG vom gestrigen Tage, aber auch
das Trauerrednerurteil zeigen das. Ob sich daraus weiter-
gehender Handlungsbedarf ergeben wird, wird auch Ge-
genstand des Abschlussberichts der Enquete-Kommis-
sion „Kultur in Deutschland“ sein.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


Vor einer Woche traf eine Delegation der Enquete-
Kommission in Leipzig den Maler Michael Triegel. Er
ist noch keine 40, trotzdem zählt er heute international
zu den bekanntesten deutschen Künstlern.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Ein exzellenter Mann!)


In seinem Atelier auf dem Gelände der Alten Baumwoll-
spinnerei, der Wiege der Neuen Leipziger Schule, er-
zählte er uns – Wolfgang Börnsen war dabei –, dass er
seit Mitte der 90er-Jahre in die KSK einzahlt – damals
als junger Absolvent der Hochschule für Grafik und
Buchkunst, heute als ein aufstrebender Star der interna-
tionalen Kunstszene –, und das, wie er betonte, aus
Überzeugung von der Notwendigkeit dieser Einrichtung.
Für mich zeigt gerade dieses Bekenntnis eines Künstlers,
der sich auch anderweitig versichern könnte, deutlich
den Wert der Einrichtung, die wir haben.

Wer Triegels Werke kennt, weiß, dass er mit der
christlichen Ikonografie spielt. Die Wahl seiner Motive
habe aber nichts mit Glauben zu tun, hat er uns in unse-
rem Gespräch gesagt, höchstens mit einer Sehnsucht da-
nach. Hier hat sich also der Künstler als zeitgenössischer
Romantiker gezeigt.

Meine Damen und Herren, angesichts der überaus
problematischen sozialen Lage vieler Künstlerinnen und
Künstler in Deutschland dürfen wir politisch Verant-
wortlichen uns nicht in das romantisch verklärte Bild
vom zwar armen, aber schönen Künstlerleben flüchten.
Arm ist nicht sexy! Verantwortungsvolle Politik heißt für
mich und die CDU/CSU-Fraktion, die Rahmenbedin-
gungen der sozialen Absicherung der Künstler zu stär-
ken und fortzuführen,


(Beifall bei der CDU/CSU)


damit sie nicht wie bei Caspar David Friedrich am Krei-
defelsen ins Leere blicken bzw. ins Leere fallen, wenn
sie das Rentenalter erreichen. Denn was wären Kunst
und Kultur in Deutschland ohne die Künstlerinnen und
Künstler in unserem Land?


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Wohl wahr!)


Die Künstlersozialversicherung verkörpert diese Aner-
kennung, dieses Bekenntnis. Stärken wir sie also ge-
meinsam!

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(C (D Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608224800

Das Wort hat die Kollegin Katja Kipping, Fraktion

ie Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608224900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die

ünstlersozialkasse leistet in der Tat eine gesellschaft-
ich sehr wichtige Aufgabe, indem über sie der soziale
chutz der selbstständigen Künstler und Publizisten or-
anisiert wird. Denn abgesehen von einigen Prominen-
en ist gerade die Kreativbranche von einer durchaus
rekären und unsicheren Auftragslage geprägt. Viele
elbstständige in diesem Bereich kommen nach eigener
inschätzung irgendwie über die Runden, solange sie
esund bleiben. Sie können es sich nicht leisten, krank
u werden und einen Auftrag zu verpassen.

Wir können also froh sein, dass sich die Künstler und
ublizisten nicht von der unsicheren Auftragslage ent-
utigen lassen; denn um wie viel ärmer wäre unsere Ge-

ellschaft ohne das Wirken der Kunst- und Kulturschaf-
enden. Künstler und Publizisten tragen damit auf ihre
rt und Weise zu dem gesellschaftlichen und kulturellen
eichtum unserer Gesellschaft bei. Umso mehr sind wir

n der Pflicht, dafür zu sorgen, dass sie auch renten- und
rankenversichert sind.


(Beifall bei der LINKEN)


Seit ihrer Gründung hat die Bedeutung der Künstler-
ozialkasse deutlich zugenommen; einige Zahlen wur-
en schon genannt. Waren anfangs noch rund
2 000 Personen versichert, so ist jetzt die Zahl auf über
50 000 angestiegen. Ihre Bedeutung wird weiter wach-
en und damit auch die Zahl der Versicherten.

Dafür gibt es gute Gründe. Die Arbeitswelt ist im
andel. Während im 21. Jahrhundert der Bedarf an Ar-

eitskräften in Landwirtschaft und Industrie abnimmt,
immt der Bedarf an kulturellen, kommunikativen und
ublizistischen Tätigkeiten zu. Schon aufgrund von
echnologischen Entwicklungen nimmt die Zahl der

edien und damit auch der Menschen zu, die in diesem
ereich tätig sein können.

Früher galt es als selbstverständlich, dass zum Bei-
piel Landschaftsmaler unter den Begriff Künstler fie-
en; man hat nicht daran gedacht, auch Layouter diesem
ereich zuzuordnen. Inzwischen wird auch diese Tätig-
eit über die KSK abgesichert.

Diese wachsende Bedeutung stellt Anforderungen an
ie Finanzierung der Künstlersozialkasse, denen wir
ns stellen müssen. Es darf aber auf keinen Fall passie-
en – leider ist der Gesetzentwurf ein kleines bisschen
on diesem Geist geprägt –, dass wir die Finanzpro-
leme der Künstlersozialkasse lösen, indem wir den
reis der Zugangsberechtigten eingrenzen und womög-

ich noch einen Teil der Versicherten herausdrängen.






(A) )



(B) )


Katja Kipping

(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Eben nicht!)


Wir werden die Details noch im Ausschuss behandeln.

Mit einem Punkt habe ich ein Problem: Wenn den
Versicherten ein zusätzlicher Prüfaufwand auferlegt
wird, ist das vor allem im Hinblick auf die Geschichte
problematisch. Ursprünglich wurden die Beiträge in
zwei Schritten festgelegt: zuerst vorläufig aufgrund von
Schätzungen; am Jahresende folgte dann die definitive
Festlegung nach dem tatsächlichen Einkommen.

Dieses Zweischrittverfahren wurde abgeschafft und
durch ein Schätzverfahren ersetzt, mit dem das gesamte
Prognoserisiko auf die Künstler und Publizisten abge-
wälzt wurde. Es wurde nicht etwa deshalb in die Wege
geleitet, weil die Künstler darum gebeten hätten; viel-
mehr erschien der Künstlersozialkasse der Aufwand für
ein Zweischrittverfahren zu groß.

Ich finde, wenn schon das Prognoserisiko auf die Ver-
sicherten abgewälzt wird, dann sollte man sie jetzt nicht
noch unter einen solchen Generalverdacht stellen.


(Beifall bei der LINKEN)


Gemeinsam mit Verdi befürchte ich, dass die verschärf-
ten Prüfungen für eine Art Bestandsreinigung miss-
braucht werden, die zulasten der Künstler und Publizis-
ten geht. Die Künstler, deren tatsächliche Einkommen
womöglich unter der Grenze von 3 900 Euro pro Jahr
liegen, werden in Zukunft wahrscheinlich erhebliche
Probleme bekommen.

Wir dürfen die finanziellen Probleme der Künstlerso-
zialkasse nicht dadurch lösen, dass wir Versicherte aus-
grenzen oder herausdrängen. Angesichts des Wandels
der Arbeitswelt steht es vielmehr auf der Tagesordnung,
sich mit der Frage zu befassen, inwieweit der Kreis der
Zugangsberechtigten ausgeweitet werden sollte. Ist es
wirklich richtig, dass im 21. Jahrhundert Berufe wie
Webarchitekt und Werbegestalter keinen Zugang zur
Künstlersozialkasse haben?

Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608225000

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608225100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen begrüßt im
Grundsatz die beabsichtigte Änderung des Künstlerso-
zialversicherungsgesetzes. Über die Notwendigkeit einer
besseren Erfassung der Abgabepflichtigen wird schon
seit Jahren diskutiert. Vielen Verwertern ist es unver-
ständlich, dass bisher noch kein System entwickelt
wurde, mit dem alle Abgabepflichtigen erfasst und kon-
trolliert werden. Das ist nicht nur schädlich für die
Künstlersozialkasse, sondern auch ungerecht denjeni-
gen gegenüber, die ehrlich zahlen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – G s l w B l r Z K w b k k v t s g m s d s f s w s e s m l s A d K l g z d c d t d s s w z A r d s g (C (D Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Der Ehrliche ist der Dumme!)


Richtig ist insbesondere, dass bei dem vorliegenden
esetzentwurf – Frau Kipping, das sollte man der Voll-

tändigkeit halber erwähnen – beide Parteien, die Künst-
erinnen und Künstler auf der einen Seite und die Ver-
erter auf der anderen Seite, gleichermaßen im
lickpunkt stehen.

Aus unserer Sicht verbleibt allerdings noch ein erheb-
icher Reformbedarf, um die Künstlersozialversiche-
ung an neuere Entwicklungen anzupassen und die
ahl der Gerichtsverfahren um die Zugehörigkeit zur
SK zu reduzieren. Das berühmte Tätowiererurteil
urde schon genannt. Aber denken wir auch an den frei-
eruflichen Historiker, der Ausstellungen für Museen
onzipiert. Wenn er mehr mit Texten arbeitet, dann ist er
reativ und darf die Mitgliedschaft in der Künstlersozial-
ersicherung beantragen. Wenn er eher gestalterisch tä-
ig ist, also zum Beispiel Tafeln aufstellt, dann handelt es
ich um eine technische Tätigkeit und er wird ausge-
renzt. Bei aller Unschärfe, die immer bleiben wird,
üssen wir versuchen, klarere Regelungen zu finden.

Teilweise untergräbt die Künstlersozialversicherung
elbst ihre eigenen legitimatorischen Grundlagen. Erst in
er vorletzten Woche bin ich auf ein Urteil des Bundes-
ozialgerichts in Kassel gestoßen. Dieses Gericht musste
eststellen, dass die Übersetzung von Gebrauchsanwei-
ungen keine kreative publizistische Tätigkeit ist. Es
urde tatsächlich versucht, einem nordrhein-westfäli-

chen Elektrounternehmen Gebühren abzunehmen, weil
s seine Gebrauchsanweisungen ins Englische hat über-
etzen lassen. Ich will zugestehen, dass man, wenn man
anche Gebrauchsanweisung von Geräten aus Fernost

iest, einen gewissen Interpretationsspielraum hat und
ich an eine kreative publizistische Arbeit erinnert fühlt.


(Heiterkeit im ganzen Hause)


ber das Beispiel zeigt, dass es hier noch Regelungsbe-
arf gibt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ernster zu nehmen ist das, was Sie ansprachen, Frau
rüger-Leißner, nämlich dass ganz wesentliche Grund-

agen durch veränderte Produktionsstrukturen ange-
riffen werden. Ich will nur das Beispiel nennen, dass
unehmend mehr Verlagsaufträge an Einzelselbststän-
ige vergeben werden, die ihrerseits wiederum Freelan-
er, Selbstständige beschäftigen. Hier sind Publizisten in
er Doppelrolle, Auftragnehmer und gleichzeitig Auf-
raggeber zu sein. Im Moment besteht die Schwierigkeit
arin, dass sie teilweise sowohl für die von ihnen Be-
chäftigten als auch für sich selbst Abgaben leisten müs-
en, sodass es zu Doppelzahlungen kommt. Teilweise
erden die beauftragenden Verlage, die das ausgliedern,

ur Entrichtung der Verwertungsabgabe herangezogen.
n dieser Stelle sehe ich einen weitergehenden Ände-

ungsbedarf, den dieser Gesetzentwurf leider nicht
eckt. Wir sollten das möglichst bald in einem umfas-
enderen Reformprozess angehen. Da alle Fraktionen
rundsätzlich die Notwendigkeit einer Künstlersozial-






(A) )



(B) )


Markus Kurth
versicherung betont haben, müsste uns das eigentlich
möglich sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn die Koalition mit uns redet, Herr Kurth!)


Lassen Sie mich abschließend noch etwas zu dem
vorliegenden Gesetzentwurf sagen. Es leuchtet uns nicht
ganz ein, dass bei der Kontrolle die Deutsche Rentenver-
sicherung und die Künstlersozialversicherung gleicher-
maßen beauftragt werden. Die Rentenversicherung soll
sich mit den Unternehmern befassen, während die
Künstlersozialkasse für diejenigen zuständig sein soll,
die als selbstständige Einzelunternehmer arbeiten. Häu-
fig gibt es aber einen Wechsel zwischen den verschiede-
nen Rollen. Es wäre daher sinnvoll, die Rentenversiche-
rung damit zu beauftragen und die Einziehung der
Beiträge aus Gründen der Verwaltungsklarheit weiterhin
bei der Künstlersozialkasse zu belassen. Ich glaube, wir
werden das in den anstehenden Beratungen noch ändern
können.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608225200

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf den Drucksachen 16/4373 und 16/4419 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das
ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlos-
sen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Thilo
Hoppe, Jürgen Trittin, Dr. Reinhard Loske, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN

Deutsch-brasilianischen Atomvertrag durch
Erneuerbare-Energien-Vertrag ersetzen

– Drucksache 16/4426 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen fünf Minuten
erhalten soll. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist
das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Thilo Hoppe, Bündnis 90/Die Grünen.


Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608225300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ein kurzer Blick zurück in das Jahr 1975: In Brasilien

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(C (D errscht eine Militärjunta, in Bonn die sozial-liberale oalition unter Helmut Schmidt. Der Nuklearenergie teht man noch sehr fortschrittsgläubig und unkritisch egenüber. Ein deutsch-brasilianisches Atomabkommen ird ausgehandelt und unterzeichnet, das die Lieferung on acht deutschen Atomkraftwerken nach Brasilien orsieht. Zeitsprung in das Jahr 2004: Die Grünen und mehrere bgeordnete der SPD, unter anderem Michael Müller, er Vorsitzende des Umweltausschusses, Ernst Ulrich on Weizsäcker und Hermann Scheer, machen mit einem ntragsentwurf Druck auf die Bundesregierung, die elegenheit zu nutzen, aus diesem anachronistischen ertrag auszusteigen; denn wer im eigenen Land den tomausstieg beschlossen hat, der macht sich unglaubürdig, wenn er weiterhin mit dem Verkauf von Atomraftwerken Geschäfte machen will. Auch auf brasilianischer Seite stellen nicht nur Aktivisn von Greenpeace und andere Umweltschützer diesen tomvertrag in Frage, sondern auch mehrere Mitglieder er Regierung Lula, unter anderem die Umweltministerin arina Silva, aber auch die Energieministerin Rousseff. In beiden Regierungen entwickelt sich ein kräftiges auziehen. Auf unserer Seite wäre das Wirtschaftsminisrium, damals geführt von Wolfgang Clement, am liebsten eim alten Atomvertrag geblieben. Auswärtiges Amt, mweltund Entwicklungsministerium plädieren für die blösung des alten Vertrages durch ein neues Energie bkommen, in dessen Mittelpunkt vor allen Dingen die örderung der erneuerbaren Energien und die Förderung er Energieeffizienz stehen sollen. Es ging lange hin und er und war ein bisschen wie in einem Krimi. Aber lötzlich wurde auf beiden Seiten zumindest ein Teilrfolg erzielt. Es gab einen diplomatischen Notenwechsel it dem Ergebnis, dass man auf beiden Seiten die Ab icht bekundet hat, den Atomvertrag durch einen neuen nergievertrag mit dem Schwerpunkt der Förderung der rneuerbaren Energien und der Energieeffizienz abzulösen. Ich selber habe damals alle beteiligten Ressorts zu einem achgespräch eingeladen, in dem der Frage nachgegangen orden ist, wie aus der Theorie Praxis werden kann und ie dieses neue Abkommen mit Leben erfüllt werden ann. Bei diesem Fachgespräch stand das Wirtschaftsmiisterium relativ isoliert da; denn es wollte als einziges essort gegen die anderen Ressorts zumindest eine klitzeleine nukleare Komponente in dieses neue Abkommen ineinretten. Der Streit zwischen den Ressorts konnte eider nicht mehr ausgefochten werden; denn dem Wirtchaftsministerium kam die vorgezogene Bundestagsahl zur Hilfe. So weit der Blick in die Vergangenheit 975 und 2004. Wo stehen wir jetzt? Nach wie vor ist der Notenwechsel on 2004 der Ausgangspunkt, also die Absicht, ein neues bkommen auszuhandeln. Doch die Verhandlungen erden verschleppt. Sie kommen nur sehr mühsam oran. Nach wie vor gibt es auf beiden Seiten, auf der rasilianischen und auf der deutschen, ein Tauziehen, inen Streit zwischen den Ressorts. Aber das deutsche Thilo Hoppe Wirtschaftsministerium hat Aufwind bekommen und vertritt jetzt stärker die Position, dass die nukleare Komponente auch in dem neuen Abkommen verankert und verewigt werden soll. Auch auf der brasilianischen Seite scheint sich die Atomlobby stärker durchzusetzen. Es wird ernsthaft über Pläne diskutiert, dem einzigen Atommeiler Angra II, der in deutsch-brasilianischer Kooperation gebaut wurde, jetzt Angra III folgen zu lassen. Das ist sehr bedauerlich, weil gerade Brasilien die Nuklearenergie für den Energiesektor überhaupt nicht nötig hat. Möglicherweise eine Neuauflage des alten Großmachtstrebens aus den 70erJahren? Ich hoffe nicht. Denn es gibt, wie gesagt, auch in der brasilianischen Regierung nach wie vor ein kräftiges Tauziehen. Wir haben deshalb den alten Antrag, der schon damals – zusammen mit vielen Kolleginnen und Kollegen der SPD – vorbereitet war, wieder hervorgeholt. Wir haben ihn aktualisiert und legen ihn heute vor. Wir möchten die Bundesregierung bitten, Farbe zu bekennen und jetzt endlich zu sagen, ob sie an dem Atomausstieg, der im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist, wirklich festhält und ob solche anachronistischen Verträge im Sinne der Kohärenz von neuen Energieabkommen ohne nukleare Komponente abgelöst werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )


Wir hoffen, dass die Bundesregierung unser Anliegen
teilt. Aber vielleicht ist das nur ein frommer Wunsch.
Ganz eindringlich möchte ich diejenigen Kolleginnen
und Kollegen, die damals Bündnispartner waren und mit
uns gemeinsam für diese Sache gefochten haben, jetzt
auffordern, Farbe zu bekennen und für dieses Erneuer-
bare-Energien-Abkommen zu streiten.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608225400

Das Wort hat der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer, CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1608225500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege
Hoppe, ich glaube, es gibt einige Dinge, bei denen wir
durchaus gleicher Ansicht sind; hoffentlich gilt das für
alle in diesem Hause. Wir brauchen in der Tat eine Weiter-
entwicklung des deutsch-brasilianischen Abkommens zur
friedlichen Nutzung der Kernenergie. Was wir brauchen,
ist eine Ausdehnung in andere Bereiche: Energieeffizienz,
erneuerbare Energien und anderes. Darin sind wir uns
vielleicht einig.

Sie haben gefordert, vom einen Extrem ins andere zu
fallen. Darin sind wir uns aber nicht einig. Bisher stand
allein das Thema Kernenergie im Fokus. Sie sagen, allein
das Thema erneuerbare Energien solle jetzt im Fokus

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(C (D tehen. Das ist nicht unsere Meinung. Auch in Ihrer ede haben Sie sowohl die Realitäten in Brasilien als uch die energiewirtschaftlichen Realitäten weltweit usgeblendet. Wie sieht es denn in Brasilien heute aus? Sie haben zu echt ausgeführt – auch wir begrüßen das –, dass Brasilien eine Stromproduktion bisher im Wesentlichen auf die asserkraft stützt. Der Stromverbrauch in Brasilien ist ber von 1990 um über 74 Prozent angestiegen, und war auf fast 400 Terawattstunden. Das sind ungefähr wei Drittel des deutschen Stromverbrauchs. Brasilien at bisher fast ausschließlich auf die Wasserkraft gesetzt. ie hatte mit 83 Prozent den größten Anteil an der Energieroduktion. Welche Gefahren eine so einseitige Ausrichtung mit ich bringt, hat das Land 2001 heftig zu spüren bekomen: Nach einer langen Trockenperiode musste die tromversorgung in weiten Teilen des Landes monate ang rationiert werden. Daraufhin hat auch in Brasilien in Umdenken stattgefunden. Brasilien setzt jetzt neben em Zubau der Wasserkraft – er ist nicht mehr in dem aße wie in den vergangenen Jahrzehnten möglich, da ie Potenziale ausgeschöpft sind – auf einen breiten, iversifizierten Energiemix, wie wir ihn in Deutschland ereits heute haben. Brasilien setzt auf andere erneuerbare nergien, zum Beispiel auf Biomasse und Windenergie. n diesen Bereichen sind unsere Unternehmen, unsere irtschaft, unsere Ingenieure und unsere Wissenschaft ehr gut aufgestellt. Wir können Know-how liefern. Wir ollen diesen Vertrag entsprechend ergänzen. Damit ind Chancen für die deutsche Wirtschaft verbunden. Neben diesem Ausbau setzt Brasilien auf die vermehrte utzung von Gasund Erdölvorräten. Es hat seit 2001 bis eute beispielsweise Gaskraftwerke mit Kapazitäten von ast 15 000 Megawatt zusätzlich gebaut, Tendenz steigend. rasilien verfügt heute über installierte Leistungen von ast 90 000 Megawatt; in 2004 waren es 87 000 Megaatt. All das geht in Richtung Nutzung fossiler Energie räger. So ist die Lage heute in Brasilien. Wie sieht es mit der Kernenergie aus? Brasilien und uch der wiedergewählte Präsident Lula haben sich jetzt indeutig positioniert: Sie wollen auf die Option Kernnergie nicht verzichten, sondern sie wollen sie im egenteil in ihren Stromerzeugungsmix wieder aktiv ufnehmen. Neben den beiden Anlagen Angra I und Angra II nicht nur Angra II, sondern beide sind mit deutschem now-how und deutscher Finanzierung entstanden; sie unktionieren bis heute gut und liefern kostengünstig auberen Grundlaststrom – soll Angra III entstehen. Es ird noch in diesem Jahr entschieden, ob Angra III geaut wird. Dort wird von den Brasilianern wiederum eutsche Technik, deutsches Know-how und deutsche nterstützung ins Auge gefasst. Grundlage dafür ist der genannte Vertrag aus dem Jahr 975, der alle Bereiche zum sicheren Betrieb umfasst: die rennelementeherstellung genauso wie die Herstellung erntechnischer Anlagen, den Informationsaustausch und ie sichere Abwicklung des Nuklearhandels. Brasilien Dr. Joachim Pfeiffer möchte also die Option der Kernenergie nicht ausschließen, sondern einen diversifizierten Energiemix haben. Davon könnten Sie, Herr Hoppe, und Ihre Fraktion noch etwas lernen. Was lernen wir daraus? Was ist die Schlussfolgerung von uns als Unionsfraktion zu diesem Thema? Brasilien will einen breiten Energiemix. Deutschland, mit seinem breiten Energiemix bisher gut aufgestellt, kann Brasilien dabei Hilfestellung leisten, nämlich das eine tun – die erneuerbaren Energien weiter fördern –, ohne das andere – die Kernkraft wie bisher unterstützen – zu lassen. Deshalb unterstützen wir nachdrücklich die Bemühungen des Bundeswirtschaftsministeriums in den Verhandlungen, die gerade im Gange sind. Da sollte es keine Denkverbote geben. Diesen Herausforderungen sollten wir uns stellen. Zum Abkommen ganz konkret. Wir plädieren dafür, dass das Abkommen von 1975 zu einer sich gegenseitig befruchtenden Energiepartnerschaft weiterentwickelt wird, die technologieoffen ist, ohne Denkverbote, basierend auf einem breiten Energiemix und auf Gegenseitigkeit, wie von Brasilien gewünscht. Es gibt auch Bereiche, in denen wir von Brasilien lernen können. Beispielsweise im Bereich der Biotreibstoffe kann Deutschland dort noch einiges über die Markteinführung und über die Technik lernen. Wir können unsere Märkte für brasilianisches Bioethanol – das bieten die mit Nachhaltigkeitszertifikaten an; das wäre also nicht ohne Berücksichtigung der Nachhaltigkeit – öffnen. Wir können die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit auf alle Bereiche der Energieforschung und -technik ausweiten. Für mich gehört die Kernenergie genauso dazu wie die Steigerung der Energieeffizienz bei konventionellen Kraftwerken, die erneuerbaren Energien in ihrer Gesamtheit sowie die Abscheidung, Sequestrierung, und Speicherung von CO2 oder auch – nicht zu vergessen – die Themen Energieeffizienz im Verkehr und Energieeffizienz im Gebäudeund Baubereich. Diese Weiterentwicklung des Abkommens wird zwischen den Regierungen gerade sehr konstruktiv verhandelt. Die brasilianische Regierung wird bis Mitte März, also in wenigen Wochen, einen Entwurf für ein neues Energieabkommen vorstellen. Brasilien geht offen, ohne Scheuklappen und ohne Denkverbote, an dieses Thema heran. Ich denke, das kann Brasilien auch von seinem Verhandlungspartner Deutschland erwarten. Mir ist es wichtig, hier abschließend nochmals klarzustellen: Die Brasilianer wollen weiterhin die Kernenergie nutzen und als Bestandteil ihres Energiemixes ausbauen. In diesem Bereich existiert bisher eine gut funktionierende Partnerschaft zwischen beiden Ländern, die insbesondere eine hohe Sicherheit der Anlagen garantiert. Daran haben auch wir ein Interesse. Warum sollen wir, wenn wir in Deutschland noch die sichersten Anlagen und die sicherste Technik haben, andere auf der Welt, wenn sie es denn wollen, daran nicht partizipieren lassen und letztlich auch für unsere Wirtschaft und unsere Technologie Vorteile daraus ziehen, sodass das auch unserem Land zugutekommt? u f e a u lo P g la D w d g g E B H E k u b s f s d e s M n i n s h w D a e S s 5 B l (C (D Wir unterstützen Brasilien daher bei diesem Bemühen nd die Bundesregierung bei ihren Verhandlungen. Wir ordern sie auf, die fruchtbare Partnerschaft, die bisher inseitig auf Kernenergie fokussiert war, jetzt auf die nderen genannten Bereiche zu erweitern und mit einer mfassenden Energiepartnerschaft – nicht mit einer ideogisch einseitig fokussierten Lösung – das weltweite roblem von Energie und Klima, auf das ich nicht eingeangen bin – darüber haben wir ja heute Morgen stundenng diskutiert –, gemeinsam in diesem Sinne lösen. abei soll und wird diese Weiterentwicklung einen ichtigen Baustein bilden. Da ist pragmatisches Haneln, technologieoffenes Handeln und nicht Ideologie efragt. Insofern bin ich guter Dinge, dass die von uns eführte Bundesregierung mit Brasilien zum richtigen rgebnis kommen wird. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608225600

Nächste Rednerin ist die Kollegin Angelika

runkhorst, FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Angelika Brunkhorst (FDP):
Rede ID: ID1608225700

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

erren! In Brasilien gibt es im Bereich der erneuerbaren
nergien wahrhaftig ein großes Potenzial. Deutschland
ann hier in Zukunft ohne Weiteres verstärkt Know-how
nd Anlagentechnik liefern. Wir meinen, dass die flexi-
len Mechanismen des Kiotoprotokolls in Brasilien ver-
tärkt Anwendung finden sollten. Wir glauben auch – da
olge ich meinem Kollegen Pfeiffer –, dass die wirt-
chaftlich-technische Zusammenarbeit mit Brasilien in
en Bereichen der erneuerbaren Energien, der Energie-
insparung und der Förderung der Energieeffizienz ver-
tärkt werden kann.


(Beifall bei der FDP)


Einen entsprechenden Antrag haben wir bereits im
ai 2006 vorgelegt. Deswegen aus dem deutsch-brasilia-

ischen Atomvertrag auszusteigen oder ihn auszuhebeln,
st falsch. Wir sind da völlig anderer Meinung. Wir mei-
en, dass man vielmehr die deutsch-brasilianische Zu-
ammenarbeit auf beiden Gebieten verstärken sollte.

Der Antrag der Grünen ignoriert wichtige Sachver-
alte und Entwicklungen der brasilianischen Energie-
irtschaft. Wie sieht der Energiemix in Brasilien aus?
rei Viertel der gesamten Elektrizität wird in Brasilien

us Wasserkraft gewonnen. Das Land verfügt über
norme Ressourcen an Erdöl und Erdgas sowie über ein
echstel der weltweiten Uranreserven. Der brasiliani-
che Energiebedarf wird bis zum Jahr 2015 um
0 Prozent ansteigen.

Infolgedessen gewinnt die Kernkraft zunehmend an
edeutung. Seit Bolivien seine Erdgasreserven verstaat-

icht hat und verknappt, sind die Brasilianer zunehmend






(A) )



(B) )


Angelika Brunkhorst
der Gefahr ausgesetzt, dass es zu neuen Energieengpäs-
sen kommt.

Der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamt-
energieangebot liegt in Brasilien im Moment bei
44 Prozent. Das ist ein gewaltiger Anteil, den kein ande-
res Land dieser Welt erreicht. Grund dafür ist natürlich
das hohe Ausmaß der Wasserkraft. Dennoch hat sich
auch Brasilien ein Ziel gesetzt: Es will bis 2015 den An-
teil des Stroms aus erneuerbaren Energien deutlich erhö-
hen.

Die brasilianische Regierung hat ein Programm zur
Förderung der erneuerbaren Energien aufgelegt: Pro-
infa. Bis Ende 2006 konnten 139 der 144 beantragten
Projekte auf den Weg gebracht werden. Staatliche Stel-
len geben Zahlen heraus, nach denen die Gesamtkapazi-
tät der erneuerbaren Energien bis Ende 2007 auf
3 300 Megawatt gesteigert wird.

Den Proinfa-Investoren, die in erster Linie gefördert
werden, wenn sie in Projekte der Windkraftanlagen, der
Biomasse und der kleinen Wasserkraftwerke investieren,
winken komfortable Konditionen. Elektrobras, der
größte Energieversorger in Brasilien, hat garantiert, dass
er den Stromerzeugern bis zu 12,6 Millionen Megawatt-
stunden abkaufen wird; damit werden den Investoren
1,8 Milliarden brasilianische Real garantiert.

Ich bin überzeugt, dass Brasilien sehr wohl in der
Lage ist, selbst zu entscheiden, wie es seinen Energiemix
gestaltet.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Brasilien hat ein Interesse am Ausbau sowohl der Kern-
energie als auch der erneuerbaren Energien. Brasilien
drängt deutlich auf die Erfüllung des deutsch-brasiliani-
schen kerntechnischen Vertrags. Zögen wir aus verein-
barten Projekten aus, ließen wir zu, dass andere Länder
uns mit ihrer Forschung, ihrer Industrie und ihrer Wirt-
schaft überholen. Ich denke, das kann nicht in unserem
Interesse sein.


(Beifall bei der FDP)


Zum Schluss möchte ich noch darauf zu sprechen
kommen, was bereits gelaufen ist. Für Angra III ist be-
reits ein umfangreiches Paket mit Anlagenteilen nach
Brasilien geliefert worden. Es wurde Mitte der 80er-
Jahre von deutschen Firmen geliefert. Der Wert dieser
Lieferungen beläuft sich auf 750 Millionen Euro. Es
kostet jedes Jahr sage und schreibe 20 Millionen Euro,
diese Anlagenteile sachgerecht zu lagern.

Beim Fortgang des Baus könnte ein fest kontraktier-
tes Auftragsvolumen von 500 Millionen Euro realisiert
werden. Das sind keine Peanuts. Der Serviceauftrag be-
läuft sich auf 30 Millionen Euro pro Jahr. Damit könnten
wir unsere Spitzentechnologie, unser Ingenieurswissen
und unsere Kompetenz in den Bereichen der kerntechni-
schen Forschung und der Sicherheitsforschung exportie-
ren. Weil immer von Arbeitsplätzen die Rede ist, sage
ich: Damit könnten wir insgesamt 5 000 Arbeitsplätze
sichern.

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(C (D Ich denke, die Belehrung der Grünen in Bezug auf die rasilianische Energiepolitik ist völlig überflüssig. Wir ennen diese Belehrung der Grünen hier in Deutschland; ir sind das gewohnt. Ich denke aber, Brasilien sollten ir davor bewahren. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608225800

Das Wort hat die Kollegin Dr. Bärbel Kofler, SPD-

raktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Bärbel Kofler (SPD):
Rede ID: ID1608225900

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Der Kollege Hoppe hat ganz richtig darauf hinge-
iesen, dass es um Verhandlungen über den deutsch-
rasilianischen Atomvertrag aus dem Jahre 1975 geht.
ieser Vertrag ist ein Anachronismus und politisch
berholt.


(Beifall des Abg. Thilo Hoppe [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


eshalb ist es gut, dass diese Verhandlungen stattfinden.
ir haben damals unter Rot-Grün gemeinsam darauf ge-

rängt. Ich darf bei der Gelegenheit vielleicht auch er-
ähnen, dass der erste Antrag zu diesem Thema 1994
on der SPD-Fraktion kam – damals noch in Bonn.


(Beifall bei der SPD)


Wir haben einen Koalitionsvertrag, in dem der Atom-
usstieg festgeschrieben ist und der Ausbau erneuerbarer
nergien national wie international vereinbart wurde.
ie SPD steht zu diesem Koalitionsvertrag.


(Beifall bei der SPD)


hre Aufforderung, dass wir Farbe bekennen sollen, ist
war nett, aber ich glaube, sie ist nicht nötig. Wir stehen
lar zu den Koalitionsaussagen. Als Entwicklungspoliti-
erin sage ich auch: Wir halten die Atomenergie nicht
ür eine Option in der Entwicklungspolitik.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Thilo Hoppe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Hüseyin-Kenan Aydin [DIE LINKE]: Ist das jetzt eine Zustimmung?)


Warten Sie es ab, Herr Kollege.

Ich möchte darstellen, was wir bereits tun und was
ir in unserer Entwicklungspolitik im Bereich der er-
euerbaren Energien als wesentliche Kernelemente an-
ehen.

Mit der Konferenz in Johannesburg im Jahre 2002
nd mit der Renewables-Konferenz in Bonn im Jahre
004 haben wir den richtigen Weg bereitet. Von 2003 bis
007 haben wir 1 Milliarde Euro für erneuerbare Ener-
ien und Energieeffizienz bereitgestellt. Seit 2005 setzen
ir den vorbereiteten Weg mit einer Sonderfazilität für






(A) )



(B) )


Dr. Bärbel Kofler
Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien in
Höhe von 500 Millionen Euro fort.

Das ist gut und ein wirtschaftliches Erfolgskonzept.
Von den 500 Millionen Euro, die im Jahre 2005 zur Ver-
fügung gestellt worden sind, wurden bereits im
Jahre 2005 170 Millionen Euro für Investitionen im Be-
reich des BMZ und der Privatwirtschaft umgesetzt. Ich
denke, aufgrund dieser wirtschaftlichen Zahlen werden
Arbeitsplätze bei uns gesichert und gleichzeitig entspre-
chende Effekte in den Schwellen- und Entwicklungslän-
dern gezeitigt. Das ist der richtige Weg, auf dem wir
weitergehen wollen.


(Beifall bei der SPD)


Ich denke auch, dass es aus entwicklungspolitischer
Sicht Sinn macht, diesen Weg zu gehen; denn eine
dezentrale Energieversorgung ist genau das Konzept,
das ländliche Räume und weit entfernte Regionen in gro-
ßen Ländern wie Brasilien brauchen. Die Energie eines
Atomkraftwerkes erreicht die Menschen im Norden Bra-
siliens, wo das BMZ zum Beispiel eine ganze Reihe der
gerade geschilderten Projekte durchführt, kaum, sodass
sie nicht mit der nötigen Energie versorgt werden. Wir
müssen dort auf dezentrale Konzepte setzen und somit
auch einen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten. Ich
denke, dass das Instrumentarium Erneuerbare Energien
und Energieeffizienz der richtige Weg sowohl zur Ar-
mutsbekämpfung als auch zum Klimaschutz ist.

Weil Brasilien in Ihrem Antrag natürlich an erster
Stelle steht und angesprochen wird, möchte ich einige
konkrete Beispiele nennen:

Wir haben zahlreiche Projekte und Programme im
Bereich des kommunalen Energie- und Umweltmanage-
ments aufgelegt, wir haben ein Programm zur Förderung
der ländlichen Elektrifizierung im Norden Brasiliens
aufgelegt, wir führen ein Projekt zur Finanzierung von
Kleinwasserkraftwerken durch, wir haben ein Programm
zur Steigerung der Energieeffizienz aufseiten der Strom-
erzeuger und der Verbraucher aufgelegt, und das Minis-
terium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung hat ein Programm für die umwelt- und
sozialverträgliche Produktion von Biokraftstoffen aufge-
legt. Ich erinnere an das Projekt des Anbaus von Rizinus
in kleinbäuerlichen Strukturen, das sowohl ökologisch
als auch unter sozialen Gesichtspunkten sinnvoll ist.

Brasilien ist hier auf einem Weg, mit dem es immer
mehr zeigt, welches Interesse es diesem Bereich gibt. Ich
denke, dass wir dieses Interesse Brasiliens auch bei den
Verhandlungen entsprechend nutzen sollten.

Sie sehen also, viele der Punkte, die im Antrag der
Fraktion der Grünen angesprochen wurden, Herr Hoppe,
haben bereits Eingang in die tägliche Arbeit der Regie-
rung gefunden und sind zu praktizierter Regierungspoli-
tik geworden.

Ich darf im Zusammenhang mit Angra III noch daran
erinnern, dass auch hierfür selbstverständlich die Her-
mesleitlinien aus dem Jahr 2001 gelten, in denen deut-
lich steht:

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(C (D Ausgeschlossen von der Exportförderung sind Nukleartechnologien zum Neubau bzw. zur Umrüstung von Atomanlagen. Nimmt man all dieses zusammen – das Regierungsandeln, die Inhalte des Koalitionsvertrages, die Leitliien für Hermesbürgschaften aus dem Jahre 2001, die roklamierte und praktizierte Arbeit des BMZ und des mweltministeriums –, dann wird uns eines deutlich: Ihr ntrag ist ein schöner Antrag, aber die in ihm enthalteen Forderungen haben sich durch praktisches Regieungshandeln bereits erledigt. Danke. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Thilo Hoppe [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Stimmt doch nicht!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608226000

Das Wort hat der Kollege Hüseyin Aydin, Fraktion

ie Linke.


(Beifall bei der LINKEN – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Was denn? Wofür sind Sie denn noch alles zuständig?)



Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608226100

Das wird Sie noch überraschen. – Frau Präsidentin!
eine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kol-

egen! Der Antrag, den die Grünen hier in den Bundes-
ag eingebracht haben, fordert nichts anderes als den
ofortigen Ausstieg aus der nuklearen Zusammenar-
eit mit Brasilien. Wir als Linke begrüßen dieses Anlie-
en und stimmen dem Antrag ohne Wenn und Aber zu.

Ich füge hinzu: Leider kommt er ein wenig spät. In
en sieben Jahren, da die Grünen den Minister stellten,
er Atomtransporte durch das Land prügeln ließ,


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


ar eine solche Vehemenz leider nicht zu verspüren.


(Beifall bei der LINKEN)


Die deutsch-brasilianische Atomzusammenarbeit
eicht bis in die 70er-Jahre zurück; mein Kollege Hoppe
on den Grünen wies bereits darauf hin. Unter Kanzler
chmidt wurde mit dem damals autoritären Regime in
rasilien die Lieferung eines kompletten nuklearen
reislaufs vereinbart,


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Sie kennen sich aus mit autoritären Regimen!)


er zur Herstellung einer Bombe notwendig ist. Doch
rasilien verfügte nicht über die notwendigen Kapazitä-

en. So reduzierte sich das Programm lange Zeit auf ei-
en einzigen Meiler. Die nukleare Zusammenarbeit aber
urde nie aufgegeben. In der Zeit, da Umwelt- und
tomminister Trittin für Deutschland die Absicht auf ei-
en weit in der Zukunft liegenden Atomausstieg verkün-
ete, waren deutsche Unternehmen in Brasilien sehr ak-
iv. Der mit deutscher Ingenieurskunst errichtete zweite

eiler ging nach 25 Jahren Entwicklungszeit als teuers-






(A) )



(B) )


Hüseyin-Kenan Aydin
tes Atomkraftwerk der Welt unrühmlich in die Ge-
schichte ein.

Wir von der Linken freuen uns, dass sich die Grünen
heute mit einem gelungenen Antrag aufseiten der ent-
schiedenen Atomgegner wiederfinden. Die Gründe, die
Reihen der Atomgegner zu schließen, sind in der Tat
dringend. Ab Juli 2007 soll in Brasilien der Bau des von
Siemens geplanten Atomkraftwerks Angra III begin-
nen. 2012 soll es in Betrieb gehen. Das staatliche brasi-
lianische Planungsunternehmen EPE hat die Errichtung
von vier weiteren Atommeilern vorgeschlagen. Niemand
weiß, ob sich in Zukunft nicht andere südamerikanische
Staaten auf einen ähnlich gefährlichen Weg einlassen.
Die gefährliche Nuklearspirale, die mithilfe deutscher
Unternehmen bereits den Nahen und Mittleren Osten de-
stabilisiert hat, könnte sich so auch in Südamerika zu
drehen beginnen. Historisch gesehen entstand ja die Nut-
zung der Atomenergie als Nebenprodukt bei der Herstel-
lung von Atombomben. An dieser engen Verbindung hat
sich bis heute nichts, aber auch gar nichts geändert.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb ist bei internationalen Energieverträgen eine
konsequente Ausrichtung auf Wind-, Wasser-, Solar- und
Bioenergie unverzichtbar. Das gilt aber auch für
Deutschland selbst. Formal hält die Große Koalition
noch an dem für die Zukunft angekündigten Atomaus-
stieg in Deutschland fest.


(Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Nicht formal!)


– Moment! – Wenn sie gleichzeitig die Entwicklung der
nuklearen Energie- und Bombenkreisläufe in den soge-
nannten Schwellenländern unterstützt, ist das nicht nur
unglaubwürdig. Schlimmer: Der Atomexport zum Nut-
zen der deutschen Konzerne wird auch diejenigen in der
Großen Koalition stärken, die sowieso nie etwas anderes
als den weiteren Ausbau des Nuklearstandortes Deutsch-
land wollten.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir von der Linken sagen: Stoppen Sie den nuklearen
Wahnsinn! Nicht nur in der Entwicklungszusammenar-
beit, auch zu Hause muss Deutschland auf erneuerbare
Energien setzen,


(Beifall bei der LINKEN)


und das nicht nur auf dem Papier und auch nicht erst in
25 Jahren, sondern hier und heute.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608226200

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Frank

Schwabe, SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Frank Schwabe (SPD):
Rede ID: ID1608226300

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Ver-

ehrte Kolleginnen und Kollegen! Zur Geschichte des
Vertrages haben wir gerade schon eine ganze Menge ge-
hört. Das Anliegen der Grünen ist klar: Es soll kein

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(C (D ngra III geben, zumindest nicht mit der Beteiligung eutscher Firmen. Was wir davon halten, dazu hat Frau ofler gerade deutlich Stellung genommen, auch dazu, ie die reale Situation in der Bundesregierung ist. Ich ill das aber fürs Protokoll noch einmal wiederholen. Es gibt die Leitlinien der Bundesregierung vom 6. April 2001 zu Hermesbürgschaften. Das ist Ihnen n der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion des ündnisses 90/Die Grünen am 10. Juli 2006 noch einmal estätigt worden. Es kann also keine Unterstützung urch Hermesbürgschaften für den Bau irgendeines tomkraftwerks irgendwo auf der Welt geben. Desween hätte es zumindest an dieser Stelle Ihres Antrages icht bedurft. Das war eigentlich vorher klar; aber wenn ir das hier noch einmal festhalten können, ist das auch icht falsch. Ein solcher Antrag gibt allerdings Gelegenheit, die rioritäten der internationalen Zusammenarbeit im Beeich der Energiepolitik noch einmal genauer zu beeuchten. Das kann man gar nicht oft genug tun, auch icht an einem Tag, an dem – Herr Dr. Pfeiffer hat es anesprochen – die Bundeskanzlerin und der Bundesumeltminister eine halbe Stunde – ich glaube, das ist his orisch – zum Thema Klimaschutz hier im Deutschen undestag gesprochen haben. Das Thema der Klimaund Energiepolitik ist und wird mer mehr ein Thema der Entwicklungszusammenar eit, ich denke, in zweierlei Hinsicht: Zum einen wird eutschland – das ist heute Morgen schon angeklungen – it einem Anteil von 3 bis 4 Prozent an den weltweiten reibhausgasemissionen das Problem nicht alleine lösen önnen; wir müssen die Entwicklungsländer und die chwellenländer dabei mitnehmen. Wir müssen allerdings eutlich machen, wie ein Pfad einer zukunftsfähigen, umeltgerechten, klimagerechten Entwicklung aussehen ann. Zum anderen wird es deshalb immer mehr ein hema der Entwicklungszusammenarbeit, weil es um ie zukünftige Energieversorgung von zusätzlich knapp Milliarden Menschen auf der Erde geht, die heute keien ausreichenden Zugang zu Energiequellen haben und iesen zukünftig erhalten wollen. Deswegen sind die Entwicklungszusammenarbeit und uch die Zusammenarbeit mit Brasilien so wichtig. Die ntwort auf die Energiefragen sind ganz sicher Formen rneuerbarer Energien in kleinen Einheiten. Sicherlich eine Lösung ist in der Tat die Atomenergie, (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Thilo Hoppe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


uch wenn zum Beispiel Herr Westerwelle sich heute
orgen zu der Aussage verstiegen hat, die entschei-

ende Frage der Energiepolitik sei die Kernenergie. Das
at er hier heute Morgen wirklich gesagt. Es mag ja
enschen geben, die die Atomenergie befürworten; die

ntscheidende Frage der Energiepolitik ist sie allerdings
icher nicht,


(Beifall bei der SPD)







(A) )



(B) )


Frank Schwabe
bei einem Anteil von ungefähr 12 Prozent an der Primär-
energie in Deutschland nicht und schon gar nicht bei ei-
nem Anteil von etwa 5,5 Prozent an der Primärenergie
weltweit. Würde man die Endenergie betrachten, wäre es
noch deutlich weniger.

Herr Westerwelle sprach außerdem von 160 neuen
Atomkraftwerken in Planung; Angra III hat er da wahr-
scheinlich auch mitgezählt. Die Zahl von 160 stimmt
nicht einmal. Da empfiehlt sich eine „Spiegel“-Lektüre.
Man muss den „Spiegel“ nicht immer lesen; diese Wo-
che ist er aber sehr gut. 435 Atomkraftwerke in
31 Ländern; einige davon, wie Forsmark, stehen gerade
still.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Biblis!)


Zu Silvester letzten Jahres gab es noch
442 Atomkraftwerke; das heißt, jetzt sind es sieben
Atomkraftwerke weniger und nicht mehr. Es gibt Zahlen
der World Nuclear Association, die wahrscheinlich stim-
men: 29 Atomkraftwerke im Bau, 64 in Planung. An die-
sen Zahlen wird ganz deutlich: Die Renaissance der
Atomenergie ist eine Mär und nichts anderes.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Auch da empfiehlt sich ein Blick in den „Spiegel“:
Um nur 10 Prozent der fossilen Energieträger zu erset-
zen, müssten weltweit etwa 1 000 Atomkraftwerke neu
gebaut werden – eine vollkommen abenteuerliche Vor-
stellung, gerade vor dem Hintergrund der Terrorgefahr,
der Gefahren durch die Proliferation, einer ungeklärten
Atommüllsituation und auch vor dem Hintergrund, dass
das Uran – auch wenn es in Brasilien 6 Prozent der
Uranvorräte gibt – schon für die heutigen Atomkraft-
werke nur wenige Jahrzehnte ausreicht.

Nein, die Zukunft auf nationaler Ebene und erst recht
in der Entwicklungszusammenarbeit liegt nicht in der
Atomenergie, sondern im Ausbau der erneuerbaren
Energien. Da unternimmt Deutschland – das ist gerade
deutlich geworden – eine ganze Menge. Das sollten wir
unterstützen und entsprechend weiterbetreiben. Zumin-
dest die Sozialdemokratie in der Regierung wird sich da-
für engagiert einsetzen.

Danke.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608226400

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf
Drucksache 16/4426 zu überweisen zur federführenden
Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Techno-
logie und zur Mitberatung an den Auswärtigen Aus-
schuss, den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit sowie an den Ausschuss für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Gibt es

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1)

(C (D azu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. ann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Deutschen Arzneimittelund Medizinprodukteagentur – Drucksache 16/4374 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Die Kollegen Wolfgang Zöller, Peter Friedrich, aniel Bahr, Frank Spieth sowie die Kollegin Birgitt ender und der Parlamentarische Staatssekretär Rolf chwanitz haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.1)


Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
urfs auf Drucksache 16/4374 an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
azu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
ann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 a bis 14 c auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Werner
Hoyer, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Burkhardt Müller-Sönksen, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der FDP

Den Europäischen Gerichtshof für Menschen-
rechte vor dem Kollaps bewahren

– Drucksache 16/4062 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Holger
Haibach, Erika Steinbach, Eduard Lintner, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Christoph Strässer,
Doris Barnett, Kurt Bodewig, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der SPD

Den Erfolg des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte durch die konsequente Befol-
gung seiner Urteile sichern

– Drucksache 16/4417 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker
Beck (Köln), Omid Nouripour, Rainder Steenblock,

Anlage 2






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN

Den Europäischen Gerichtshof für Menschen-
rechte stärken
– Drucksache 16/4405 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
FDP sechs Minuten erhalten soll. – Ich höre keinen Wi-
derspruch. Dann ist es so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Burkhardt Müller-Sönksen, FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Burkhardt Müller-Sönksen (FDP):
Rede ID: ID1608226500

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Der Europäische Gerichtshof für Menschen-
rechte in Straßburg ist, da sind wir uns alle in diesem
Hause einig, die bedeutendste Einrichtung des Men-
schenrechtsschutzes in Europa. In seiner Aufgabe und in
seinen Mechanismen ist der Gerichtshof weltweit einzig-
artig. In dem noch nicht ganz einen Jahrzehnt seines Be-
stehens ist der Gerichtshof zu einer wahren Erfolgsge-
schichte geworden. Er ist nicht nur ein Symbol, sondern
auch Maßstab und Garant für die Bewahrung des ho-
hen Menschenrechtsstandards in Europa.

Wie die Regierungskoalition in ihrem Antrag zu
Recht herausstellt, droht dem Gerichtshof jedoch sein ei-
gener Erfolg zum Verhängnis zu werden. Das liegt nicht
daran, dass der Gerichtshof schlechte Arbeit leisten
würde. Es liegt vielmehr daran, dass diesem Gerichtshof
eine ständig wachsende Aufgabe überantwortet wird. Je-
doch werden ihm nicht gleichzeitig die notwendigen
Mittel an die Hand gegeben, diese Aufgabe erfolgreich
zu bewältigen.

Wir alle kennen die erschreckende Zahl von Verfah-
ren, die jedes Jahr auf diesen Gerichtshof einprasseln.
Wir alle wissen, mit welchen Problemen der Gerichtshof
angesichts dieser wahren Klageflut zu kämpfen hat. Die
meisten dieser Probleme sind im Grunde genommen
schon seit der Einrichtung des Gerichtshofs 1998 be-
kannt und wurden seither von vielen Juristen und auch
von vielen Politikern immer wieder diskutiert.

Die Zeit für lange Diskussionen ist nun vorbei.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Wohl wahr!)


Der Kollaps des Europäischen Gerichtshofs für Men-
schenrechte steht unmittelbar bevor. Es geht jetzt nicht
mehr darum, wie etwa mit dem kürzlich ratifizierten
14. Zusatzprotokoll, einzelne Teile der Arbeit des Ge-
richtshofs zu verbessern. Es geht vielmehr darum, den
Gerichtshof vor einer vollständigen Paralysierung zu be-
wahren. Es geht jetzt darum, den Gerichtshof binnen
kürzester Zeit in die Lage zu versetzen, die schier un-
glaubliche Zahl von 90 000 anhängigen Verfahren auf-

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(C (D uarbeiten und sich gleichzeitig den bald 50 000 neu einehenden Beschwerden pro Jahr zu stellen. (Beifall bei der FDP – Dr. Werner Hoyer [FDP]: Eine unvorstellbare Zahl!)


Zur Lösung dieses Problems reicht jedoch kein Flick-
erk mehr. Es bedarf vielmehr einer gemeinsamen An-

trengung der Mitglieder des Europarates. Diese An-
trengungen dürfen aber nicht bei der dringend
otwendigen Reform des Gerichtshofs selbst stehen blei-
en.

Zur Rettung des Gerichtshofes bedarf es vielmehr ei-
es ambitionierten Konzepts, das auf verschiedenen
benen ansetzt. Einerseits muss der Gerichtshof in die
age versetzt werden, seine Aufgaben flexibler und ei-
enverantwortlicher wahrzunehmen. Hierzu gehört nicht
ur eine Anpassung der bestehenden Verfahren. Hierzu
ehört auch, dem Gerichtshof mehr Entscheidungsbe-
ugnisse über die Verwendung seiner zurzeit spärlichen
inanziellen und personellen Ressourcen zuzugeste-
en.


(Beifall bei der FDP)


Das allein kann diesen Gerichtshof jedoch nicht vor
em Kollaps bewahren, sondern ihn höchstens hinauszö-
ern. Der Gerichtshof muss sich vielmehr auf der ande-
en Seite wieder langfristig seiner eigentlichen Aufgabe
idmen und sich auf sie konzentrieren können. Diese
ufgabe war es, letzte Instanz für den Menschenrechts-

chutz in Europa zu sein. „Letzte Instanz“ bedeutet, dass
s überhaupt Vorinstanzen gibt. Es kann nicht sein, dass
er Gerichtshof für einige Mitgliedstaaten des Europa-
ates quasi einen Ersatz innerstaatlicher Rechtsschutz-
öglichkeiten darstellt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Hier muss die Bundesregierung mit aller Nachdrück-
ichkeit an diejenigen Mitgliedstaaten appellieren, die
ich den ihnen nach der Konvention zufallenden Aufga-
en entziehen. Dazu gehört es insbesondere, bereits auf
ationaler Ebene alles daranzusetzen, dass eine Be-
chwerde beim Gerichtshof gar nicht erst notwendig
ird – sei es durch die effektive Umsetzung der Konven-

ionsrechte, sei es durch die Einrichtung effektiver Kla-
emöglichkeiten im Inland und die strikte Befolgung
inmal gefällter Entscheidungen des Gerichtshofs.


(Beifall bei der FDP)


as betrifft ganz besonders solche Staaten wie etwa
ussland, die – so will es scheinen – ein zielgerichtetes

nteresse verfolgen, den Gerichtshof durch Überbean-
pruchung schlicht auszuschalten. Die Bundesregierung
uss solchen Versuchen entschieden entgegentreten.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Sehr richtig!)


Meine Damen und Herren von der Koalition, es ist
eshalb ein wenig enttäuschend, dass Ihr Antrag zum
uropäischen Gerichtshof für Menschenrechte nur einen
inzigen Aspekt aus der Reformdiskussion aufgreift. Die
ffektivere Durchsetzung der Urteile des Gerichtshofs ist
war zweifelsohne einer der wichtigsten Ansätze. Zur






(A) )



(B) )


Burkhardt Müller-Sönksen
Lösung der bestehenden Probleme kann er allein jedoch
nicht ausreichen.

Von einer Regierungskoalition wäre hier wahrlich
mehr zu erwarten gewesen – dies umso mehr, als die
Bundesregierung derzeit aufgrund ihrer EU-Ratspräsi-
dentschaft besondere Handlungsmöglichkeiten hat. Da-
mit trägt sie aber auch eine besondere Verantwortung.
Da hilft auch die salvatorische Klausel im Koalitionsan-
trag nicht weiter – ich zitiere Seite 2, Forderung eins –:

… alle

– ich betone: alle –

geeigneten und notwendigen Maßnahmen zu er-
greifen, um die erfolgreiche Arbeit des EGMR zu
unterstützen und seine Arbeitsfähigkeit zu verbes-
sern …

Auf diesem Stand waren wir schon, und zwar im Jahre
1998, also vor neun Jahren. Es wäre jetzt an der Zeit ge-
wesen, dass die Bundesregierung ihre durch die EU-
Ratspräsidentschaft herausgehobene Stellung nutzt. Im-
merhin sollte der Menschenrechtsschutz ja einer der
Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
sein.

Enttäuschend finde ich auch, dass eines der kurzfris-
tig wirkungsvollsten Mittel zur Stärkung des Gerichts-
hofs in Ihrem Antrag völlig außen vor bleibt: die
schnellstmögliche Abhilfe der enormen Unterfinanzie-
rung des Gerichtshofs. Das muss man sich vor Augen
führen: Der Gerichtshof verfügt derzeit über ein Budget
von knapp 190 Millionen Euro. Das ist der Gegenwert
eines circa 10 Kilometer langen Autobahnstücks. Der
Menschenrechtsschutz in Europa sollte uns wahrlich
mehr wert sein. Wenn man das einmal ausrechnet, dann
kommt man zu dem Ergebnis: Sie haben jedem Antrag-
steller auf einem 10 Kilometer langen Autobahnstück
gerade einmal 11 Zentimeter zugeteilt. Das ist eigentlich
ein Skandal.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist umso unverständlicher, dass der Europarat über
jede Summe von 100 000 Euro für den Gerichtshof mit
den Mitgliedstaaten feilschen muss. Gleichzeitig wird
aber von im Grunde denselben Staaten eine EU-Grund-
rechteagentur aus der Taufe gehoben, deren Aufgabe
noch immer nicht klar ist und die nach Meinung vieler
Experten bestenfalls überflüssig ist. Gleichwohl stattet
sie sich mit einem Budget von 15 Millionen Euro aus,
das kurzfristig auf 30 Millionen Euro wachsen soll.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608226600

Herr Kollege, es blinkt ein Licht vor Ihnen.


Burkhardt Müller-Sönksen (FDP):
Rede ID: ID1608226700

– Ich komme zum Ende.

Ich appelliere an Sie, dass wir im Ausschuss auf der
Grundlage des eingereichten FDP-Antrages im Sinne
des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte

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(C (D eiterarbeiten. Sie können dem FDP-Antrag gerne folen. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Holger Haibach, CDU/ SU-Fraktion. (Beifall des Abg. Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU])


(Beifall bei der FDP)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608226800


Holger Haibach (CDU):
Rede ID: ID1608226900

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

erren! Für den Kollegen Müller-Sönksen hat das Licht
eleuchtet; ich glaube, das war auch gut so;


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


enn das, was er gesagt hat, entspricht in vielen Teilen
urchaus dem, was viele von uns über die Arbeit des
enschenrechtsgerichtshofes denken. Aber ich bin mir

icht ganz so sicher, ob wir am Ende zur gleichen Be-
ertung kommen. Meines Erachtens muss man gerade
ei einem solchen Thema überlegen, inwieweit man Par-
eipolitik betreibt und in welchem Maße man an einer
emeinsamen Sache interessiert ist, die nun wirklich die
ertschätzung aller Gutwilligen hier im Hause verdient.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist selbstverständlich wahr: Dieser Gerichtshof ge-
ört zu den Beispielen von Erfolgsgeschichten, die am
igenen Erfolg zugrunde zu gehen drohen. Der Gerichts-
of ist unterfinanziert, bei ihm sind zu viele Fälle anhän-
ig, und er hat viele Probleme. Natürlich ist es Aufgabe
ines so bedeutenden Mitgliedstaates wie Deutschland,
ich dort entsprechend einzubringen; das ist überhaupt
icht zu bestreiten.

Nur eines bestreite ich ausdrücklich: dass Deutsch-
and sich an dieser Stelle nicht bereits ordentlich enga-
iert hat. Ich greife ein Beispiel heraus, weil Sie es ge-
ade genannt haben, die Finanzierung. Auch Sie sind in
er Parlamentarischen Versammlung des Europarates
nd wissen daher, dass über das reale Nullwachstum hi-
aus, das uns allen im Bereich des Europarates zugestan-
en worden ist, dafür gesorgt worden ist, dass in diesem
ahr ein Zuwachs des Budgets des Gerichtshofes von
,7 Prozent erreicht worden ist. Das ist nicht zuletzt auf
rängen der deutschen Bundesregierung geschehen. Da-

ür sollte man an dieser Stelle einmal deutlich Danke sa-
en.


(Beifall bei der SPD)


Reden wir noch einmal über das 14. Zusatzproto-
oll! Natürlich reden wir darüber seit 1998; wir haben es
or einiger Zeit im Deutschen Bundestag ratifiziert.
ber Sie wissen ganz genau, warum es keine Wirkung

ntfaltet hat. Dazu hätte ich gern auch von Ihnen ein paar
orte gehört.






(A) )



(B) )


Holger Haibach
Die russische Staatsduma ist das einzige Parlament
der Mitgliedstaaten der Parlamentarischen Versammlung
des Europarates, das bis jetzt nicht zugestimmt hat, son-
dern das im Gegenteil im letzten Dezember die Ratifizie-
rung abgelehnt hat. Jetzt können wir lange darüber dis-
kutieren, worin die Gründe dafür gelegen haben mögen;
dazu fielen mir viele Vermutungen ein. Aber weil wir
wissen, dass es nun einmal der Ratifizierung durch alle
Staaten bedarf, muss es doch unser Ziel sein, unsere Kol-
legen dort zu überzeugen, dass sie ratifizieren. Dann
kommen wir mit dem 14. Zusatzprotokoll weiter. Es
geht nicht um die Frage, was wir danach machen, son-
dern um die Frage, wie wir erst einmal zu diesem Punkt
gelangen; dann können wir uns darüber Gedanken ma-
chen, wie wir anschließend weiterkommen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Selbstverständlich gibt es auch Pläne für die Zeit da-
nach. Es gibt den Bericht des Rates der Weisen, der ganz
klar die Maßnahmen benennt, die wir verfolgen können,
verfolgen sollen und auch verfolgen müssen, wenn wir
die Arbeit des Gerichtshofes effektiver machen wollen.
Ich halte die vorgelegten Pläne für durchaus nachvoll-
ziehbar; sie müssen überprüft und anschließend
schnellstmöglich umgesetzt werden. Aber auch hierfür
– das wissen alle Beteiligten – brauchen wir zum
Schluss alle Mitgliedstaaten. Da nützt es nichts, Naming,
Shaming und Blaming zu machen, sondern es nützt nur
etwas, darauf hinzuwirken, dass wir am Ende des Tages
zu einer gütlichen Einigung kommen und den Gerichts-
hof als das erhalten, was er ist, nämlich das erfolg-
reichste Gremium für den Schutz der individuellen Men-
schenrechte in Europa.

Weil Sie, Herr Kollege Müller-Sönksen, auch dies ein
bisschen belächelt haben, äußere ich meine Überzeu-
gung, dass die Frage, wie in den Mitgliedstaaten mit den
Urteilen dieses Gerichtshofes umgegangen wird, wichtig
und entscheidend ist. Die Befolgung der Urteile ist ein
großes Problem. Das kann man auch daran erkennen,
dass es sehr viele im Ministerkomitee anhängige Verfah-
ren gibt, weil Staaten bis jetzt die Urteile des Gerichts-
hofes nicht befolgt haben und sie nicht umgesetzt haben.
Daraus ergibt sich doch auch eine Aufgabe für uns als
Parlament. Wer, wenn nicht wir, ist für die Aufrechter-
haltung demokratischer Institutionen zuständig? Das
mag vielleicht in Deutschland kein so großes Problem
sein. Aber Sie können sich eine Liste mit Ländern an-
schauen, die bis jetzt nicht bereit sind, die Urteile des
Gerichtshofes umzusetzen. Dabei könnten gerade Sie als
Parlamentarier, der Sie die liberale Fahne hochhalten,
einmal deutlich sagen: Jawohl, Parlamente spielen an
dieser Stelle eine Rolle und haben auch eine Verantwor-
tung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Unser Antrag zielt genau in diese Richtung. Der Prä-
sident der Parlamentarischen Versammlung des Europa-
rates, René van der Linden, hat nicht umsonst Ende letz-
ten Jahres alle Parlamente seiner Mitgliedstaaten
gebeten, sich dafür einzusetzen, dass in Anlehnung an
Beispiele aus Großbritannien Möglichkeiten gefunden

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(C (D erden, wie die Umsetzung und Befolgung der Urteile es Gerichtshofes in den Mitgliedstaaten beobachtet erden kann. Auch wenn ich sicher bin, dass das in eutschland kein so großes Problem ist wie anderswo, laube ich, dass wir gut daran tun, beispielgebend voranugehen und zu sagen: Jawohl, wir stellen uns dieser erantwortung. Wir lassen uns von der Bundesregierung n den entsprechenden Ausschüssen berichten. – Damit ürden wir ein Zeichen setzen und zeigen, dass wir die erantwortung, die wir für den Menschenrechtsgerichtsof, für dieses erfolgreiche Gremium, haben, ernst nehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich bin übrigens, wenn ich das am Rande einmal sa-
en darf, etwas überrascht darüber, dass die Fraktion Die
inke weder einen Redner benannt hat noch sich sonst

rgendwie an der Debatte beteiligt. Ich hoffe nicht, dass
as auf ein mangelndes Interesse am Menschenrechts-
chutz in Europa zurückzuführen ist.


(Ute Kumpf [SPD]: Die sind anscheinend sprachlos! – Christel Riemann-Hanewinckel [SPD]: Rudi Ratlos! – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das spiegelt aber die Ausschussarbeit wider!)


Noch einmal zurück zum Monitoring. Ich glaube,
ass das eine wichtige Angelegenheit ist, weil wir hier
ine Vorbildfunktion für andere Parlamente wahrnehmen
önnen und wahrnehmen sollten.

Wenn wir darüber reden, in welchem Maße die Frage,
ie die Urteile in den Mitgliedstaaten umgesetzt wer-
en, eine Rolle spielt, will ich darauf hinweisen, dass es
inem Antrag der Koalitionsfraktionen zu verdanken ist
wir haben uns dafür eingesetzt –, dass Geld zur Verfü-
ung gestellt wird, damit die Urteile des Gerichtshofs in
ie deutsche Sprache übersetzt und somit von deutschen
erichten besser befolgt werden können.


(Beifall der Abg. Veronika Bellmann [CDU/ CSU] sowie bei Abgeordneten der SPD)


as kann man jetzt zwar kleinreden, aber es ist ein wich-
iger Punkt. Unsere Verfassung steht an oberster Stelle,
nd die Urteile des Gerichtshofs bilden sozusagen
andlungsleitlinien und bieten Fallbeispiele, die in deut-

ches Recht umgesetzt werden sollten. Das ist ein wich-
iger Punkt, der an dieser Stelle benannt werden muss.

Abschließend will ich darauf hinweisen, dass der Ge-
ichtshof in den Staaten, wo rechtsstaatliche Strukturen
ufgrund fehlenden Willens oder aufgrund fehlender Ka-
azitäten nicht in dem Maße vorhanden sind, wie wir das
erne hätten, eine besondere Aufgabe hat. Effektiver
enschenrechtsschutz – ich glaube, auch darüber sind
ir uns in diesem Hause einig – kann nur dort entstehen
nd nur dort endgültig und tatsächlich erfolgreich sein,
o sich die staatlichen Strukturen den Menschenrechts-

chutz und die Rechtsstaatlichkeit zu ihren Grundprin-
ipien und ihre Wahrung zu ihrer wichtigsten Aufgabe
emacht haben. Ich glaube, dass Menschenrechtsschutz
nd Demokratie nur dort erfolgreich sein können, wo es






(A) )



(B) )


Holger Haibach
eine wache Zivilgesellschaft gibt, wo Menschen darauf
achten, dass der Staat seiner Aufgabe nachkommt. Das
kann der Gerichtshof zwar nicht ersetzen, er kann aber
dort, wo die Verhältnisse nicht entsprechend sind – das
ist eine seiner wichtigsten Aufgaben –, helfend eingrei-
fen. An diesen Stellen kann er versuchen, das zu erset-
zen, was die staatlichen Strukturen vielleicht nicht leis-
ten können.

Für mich steht fest, dass die Parlamente in diesem Zu-
sammenhang eine Aufgabe haben. Wir als Parlamenta-
rier müssen uns dieser Aufgabe stellen. Deswegen ist der
Antrag der Koalition darauf fokussiert. Wir hätten natür-
lich all das, was Sie zu Recht genannt haben, hinein-
schreiben können.


(Beifall des Abg. Burkhardt Müller-Sönksen [FDP])


Die Frage ist aber, was jetzt das Vordringliche und das
Wichtige ist. Mir geht es darum, dass wir als Parlamen-
tarier, ob wir nun in der Parlamentarischen Versamm-
lung oder hier sitzen, bei dieser Angelegenheit eine Auf-
gabe wahrzunehmen haben. Wir haben die Pflicht, dem
Gerichtshof zu helfen, und zwar nicht nur, weil das eine
Verbesserung unserer Situation bedeutet, sondern auch,
weil das für viele Menschen in den Mitgliedstaaten des
Europarates eine Verbesserung bedeutet. Ich glaube, das
ist unsere Aufgabe. Die sollten wir nicht mit Parteipoli-
tik vermischen, sondern gemeinschaftlich angehen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608227000

Nächster Redner ist der Kollege Christoph Strässer,

SPD-Fraktion.


Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1608227100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Wir besprechen heute eine
Erfolgsgeschichte, allerdings eine mit zunehmend fadem
Beigeschmack. Es ist die Erfolgsgeschichte einer Institu-
tion. Es ist nicht oft der Fall – ich glaube, das kann man
an dieser Stelle einmal sagen –, dass wir über Erfolge
von wichtigen, insbesondere europäischen Institutionen
reden.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
gibt jedem Bürger der 46 Mitgliedstaaten des Europara-
tes in Form der Individualbeschwerde ein Instrument
an die Hand, sich gegen Verletzungen seiner Menschen-
rechte durch seinen Heimatstaat zur Wehr zu setzen. Die
Entscheidungen sind für die am Verfahren beteiligten
Staaten verbindlich. Der betroffene Konventionsstaat ist
gemäß Art. 46 der Konvention verpflichtet, das Urteil zu
befolgen, die Rechtsverletzung zu beenden, Wiedergut-
machung zu leisten und gleichartige Verletzungen in der
Zukunft zu unterlassen. Aus diesen Gründen ist der Eu-
ropäische Gerichtshof für Menschenrechte die zentrale
Institution für die Menschenrechte im Bereich der
46 Mitgliedstaaten und strahlt durch seine Urteile weit
über Europa hinaus.

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(C (D Aber wie das manchmal so ist, Erfolg kann auch geährlich werden. Eine alte deutsche Redensart spricht daon, dass man am Erfolg auch ersticken kann. Die draatische Situation des Gerichtshofes ergibt sich zum inen aus der starken absichtlichen Verzögerung der Beolgung von Entscheidungen in einigen Ländern, teileise wird sie sogar gänzlich verhindert. Insbesondere andelt es sich hierbei um vier Staaten: Russland, kraine, Rumänien und die Türkei. Das ist – das dürfen ir, glaube ich, auch im deutschen Parlament sagen – für ns unter keinem Aspekt hinnehmbar. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Die zweite, vielleicht noch gravierendere Gefährdung
rgibt sich aus dem ständigen Anstieg des Eingangs von
ndividualbeschwerden. 1955 sind 138 Beschwerden re-
istriert worden, 1995 fast 3 500. Heute gehen beim Ge-
ichtshof pro Monat bis zu 4 000 Beschwerden ein, jeden

onat bleiben mindestens 1 000 bis 1 500 Fälle unbe-
andelt. Zurzeit sind beim Gerichtshof deshalb ständig
und 81 000 Fälle anhängig. Selbst wenn keine neuen
eschwerden eingehen würden, wäre der Gerichtshof
och mehrere Jahre mit der Erledigung der Altfälle be-
chäftigt. Dabei – auch dies gehört zur Wahrheit – wer-
en fast 90 Prozent der eingegangenen Beschwerden ab-
ewiesen, zum Teil, weil sie offensichtlich unzulässig
der unbegründet sind.

Die durch die Vielzahl der zu bearbeitenden Fälle wie
uch die nicht ausreichende personelle und materielle
usstattung bedingte, zum Teil überlange Verfahrens-
auer ist nach der eigenen Definition des Gerichtshofs

nakzeptabel, beruht doch gerade eine Vielzahl der Ver-
rteilungen von Vertragsstaaten darauf, dass in diesen
taaten überlange Verfahrensdauern als Verletzungen
er Europäischen Menschenrechtskonvention gerügt
erden. Es darf einem europäischen Gericht nicht pas-

ieren, dass es an genau denselben Sachverhalten schei-
ert, die es den nationalen Gerichten vorwirft. Deshalb
uss an dieser Stelle ganz massiv weitergearbeitet wer-

en.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Burkhardt MüllerSönksen [FDP])


Das in diesem Hause bereits einmütig begrüßte
4. Zusatzprotokoll – Kollege Haibach hat darauf hinge-
iesen – hat das Ziel, die Handlungsfähigkeit des Ge-

ichtshofs zu stärken und die Befolgung seiner Urteile in
en betroffenen Staaten besser zu gewährleisten. So wird
m Zusatzprotokoll das Ministerkomitee des Europarates
rmächtigt, vor der Großen Kammer des Gerichts ein
erfahren gegen Staaten anzustrengen, die ihrer Ver-
flichtung zur Befolgung der Urteile des Gerichtshofs
icht nachkommen. Ich weise noch einmal ausdrücklich
arauf hin, dass der Deutsche Bundestag gut beraten ist,
icht nur andere Länder zu belehren, sondern das auch
ür sich zu reklamieren. Ich begrüße ausdrücklich, dass
ir eine Berichtspflicht über die Umsetzung der Urteile
es Menschenrechtsgerichtshofes in den Ausschüssen






(A) )



(B) )


Christoph Strässer
des Deutschen Bundestages fordern und, wie ich hoffe,
beschließen werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das Zusatzprotokoll beinhaltet darüber hinaus wei-
tere Maßnahmen, die zumindest für eine Übergangszeit
geeignet sind, die Funktionsfähigkeit des Gerichtshofs
aufrechtzuerhalten. So soll zum Beispiel die Arbeit der
Kammern dadurch deutlich entlastet werden, dass ihnen
durch die Verstärkung einer „Filterfunktion“ ermöglicht
werden soll, sich auf die Fälle zu konzentrieren, die tat-
sächlich wichtige und grundsätzliche Probleme im Be-
reich des Menschenrechtsschutzes aufwerfen.

Die russische Staatsduma – das ist schon angespro-
chen worden – hat bislang als einziges nationales Parla-
ment das Zusatzprotokoll nicht ratifiziert und verhindert
damit, da Einstimmigkeit erforderlich ist, sein Inkrafttre-
ten. Es steht uns als Parlamentariern sicher nicht zu, Kri-
tik an Entscheidungen anderer Parlamente zu äußern,
weil auch wir es nicht gerne sehen würden, dass unsere
Arbeit von außen, von anderen Parlamenten, kritisiert
wird. Aber es bleibt die dringende Bitte und Aufforde-
rung an unsere Kolleginnen und Kollegen in Russland,
ihre ablehnende Haltung aufzugeben, die Entscheidung
über die Nichtratifizierung des Zusatzprotokolls zu revi-
dieren und damit einer Verbesserung der Arbeitsmög-
lichkeiten des Gerichtshofs eine Chance zu geben – auch
und gerade im Sinne der Bürgerinnen und Bürger Russ-
lands.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Unabhängig davon besteht weitgehender Konsens
darüber, dass selbst ein Inkrafttreten des 14. Zusatzpro-
tokolls nicht ausreichen wird, die Handlungsfähigkeit
des EGMR in Zukunft so zu stärken, dass er letztendlich
erfolgreich weiterarbeiten kann.

Der sogenannte Rat der Weisen hat den Auftrag, weitere
Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit des EGMR zu
machen, im Übrigen mit tatkräftiger Unterstützung der
früheren Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts,
Jutta Limbach. Er hat einen Zwischenbericht vorgelegt,
der weiterführende und meines Erachtens äußerst sinnvolle
und beachtenswerte Vorschläge enthält. Vor allem hervor-
zuheben ist nach meiner Auffassung die Forderung nach
einer Stärkung und Verbesserung nationaler Rechts-
schutzsysteme, die den Gang vor den EGMR in
bestimmten Ländern des Europarates gar nicht erst not-
wendig machen. Weiterhin wurde vorgeschlagen, eine
größere Budgetunabhängigkeit des Gerichtshofs herbei-
zuführen sowie – auch das finde ich sehr wichtig – eine
Reform des Systems zur Wahl der Richterinnen und
Richter des Gerichtshof durchzuführen.

Begrüßenswert ist auch die Forderung nach einem
Ausbau der Ausstattung und der Aufgaben des
Menschenrechtskommissars des Europarates. Ich habe
in einem persönlichen Gespräch mit Herrn Hammarberg
mit äußerster Verwunderung und Besorgnis zur Kenntnis
genommen, wie dieses Büro ausgestattet ist. Das sage

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(C (D ch an dieser Stelle insbesondere deshalb, weil heute die U-Grundrechteagentur in Wien mit ihrer Arbeit egonnen hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Thema spreche ch auch deshalb an, weil die im Deutschen Bundestag eäußerte Kritik an der Errichtung dieser zusätzlichen inrichtung bislang nicht überzeugend widerlegt worden t. Wir werden von hier aus strikt darauf zu achten haben, ass keine Konkurrenz zu den bestehenden Menschenechtsschutzsystemen entsteht. Der Menschenrechtschutz ist beim Europarat gut aufgehoben. Er ist dort in nstitutioneller, materieller und personeller Hinsicht zu tärken und auszubauen. Deshalb müssen wir meines rachtens weiter politisch darauf beharren, dass die EU ls Institution der Europäischen Menschenrechtskonvenion beitritt. In diesem Sinne hoffe ich auf konstruktive Beratungen n den Ausschüssen. Ich würde mir, auch um unseren ntscheidungen Nachdruck zu verleihen, wünschen, ass es letztendlich zu einer interfraktionellen Beschlussassung auf der Basis der vorliegenden Anträge kommt. ch freue mich auf die Diskussion. Sie alle sind herzlich ingeladen, einen Beitrag zu einem erfolgreichen Menchenrechtsschutz in Europa zu leisten. Danke schön. Der Parlamentarische Staatssekretär Alfred artenbach hat seine Rede zu Protokoll gegeben.1)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608227200


(Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU])


eswegen ist der nächste Redner Omid Nouripour,
ündnis 90/Die Grünen.


Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608227300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der

eutsche Bundestag macht mit dieser Debatte deutlich,
ie wichtig ihm der Schutz der Menschenrechte ist. Ich
laube, dass auch die vorliegenden Anträge dies klarma-
hen; das kann man nicht häufig genug wiederholen.
enn die Garantie der Menschenrechte ist das Fundament
er Freiheit unserer Gesellschaften und somit ein Wert
n sich. Dieser Wert ist sehr konkret; denn es geht um
chicksale von Menschen.

Ich habe im Hinblick auf die Debatte, die wir heute
ühren, einen Blick auf die Liste der aktuellen Urteile
es Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
eworfen. Da gibt es beispielsweise den Fall des russi-
chen Verlegers Krasulja, der sich wegen eines einzigen
ritischen Beitrags über den regionalen Gouverneur ei-
er Verurteilung durch ein Bezirksgericht gegenübersah.
er Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sah
arin eine Verletzung der Meinungsfreiheit und des

Anlage 3






(A) )



(B) )


Omid Nouripour
Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren. Das andere Urteil
gegen ihn wurde Gott sei Dank aufgehoben.

Aber auch in Deutschland muss der Gerichtshof leider
zuweilen tätig werden, so zum Beispiel im Fall der
Zwangsverabreichung von Brechmitteln an vermeintliche
Drogenkuriere. Der Europäische Gerichtshof für Men-
schenrechte sah in dieser Zwangsmaßnahme einen Verstoß
gegen das Verbot von Folter und menschenunwürdiger
Behandlung. Ich glaube, dass diese individuelle Perspektive
immens wichtig ist, um zu begreifen, wie wichtig die
Arbeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschen-
rechte ist.

Vor diesem Hintergrund und aufgrund des bereits
mehrfach genannten drohenden Kollapses des Gerichts-
hofs besteht dringender Handlungsbedarf; darin sind wir
uns alle einig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ein Ansatzpunkt dazu ist selbstverständlich die perso-
nelle und finanzielle Ausstattung des Gerichtshofs. Es
ist eine deutliche Aufstockung durch den Europarat er-
forderlich, aber auch die Schaffung größerer Unabhän-
gigkeit des Gerichtshofs bei der Verwaltung seines eige-
nen Budgets.

Eine zweite notwendige Maßnahme, die heute auch
schon erwähnt wurde, ist die Umsetzung des 14. Zusatz-
protokolls zur Europäischen Menschenrechtskonven-
tion. Durch die darin beschriebenen Vereinfachungen
und Änderungen von Verfahren würde die Arbeit des
Gerichtshofs deutlich erleichtert. Leider – das hat der
Kollege Haibach bereits gesagt – ist seine Umsetzung
bisher immer daran gescheitert, dass Russland dieses
Zusatzprotokoll als einziges Mitglied des Europarats
nicht ratifiziert hat.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum wohl?)


Die Frage ist selbstverständlich: Warum blockieren die
Russen? Die meisten Fälle, die meisten Klagen kommen
aus der Russischen Föderation. Ich glaube, dass diese
Kombination diesen Vorgang so ungeheuerlich macht
und dass es unsere Pflicht als Parlamentarier ist, diesem
Skandal entschieden entgegenzutreten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Die Bundesregierung muss daher bilateral und natürlich
auch im Rahmen des Europarates tätig werden und auf
die russische Regierung einwirken. Auch wir müssen
mit den Kollegen und Kolleginnen in der Duma darüber
ins Gespräch kommen, damit die Russen diese Konvention
und dieses Zusatzprotokoll endlich ratifizieren.

Der Präsident des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte, Jean-Paul Costa, stellte neulich in einem
Interview erfreulicherweise fest – ich zitiere –:

Glücklicherweise verzeichnen wir eine Abnahme
der Klagen, die schwere Menschenrechtsverletzun-

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(C (D gen betreffen wie zum Beispiel Verstöße gegen das Verbot von Folter. as ist gut. Unmittelbar darauf fügt er aber hinzu: Im selben Moment jedoch nehmen die Klagen für das Recht auf Meinungsfreiheit, für das Recht auf einen fairen Prozeß und für das Recht auf Eigentum beständig zu. as ist sehr schlecht. Ich glaube, diese Einschätzung acht klar, wie notwendig die Arbeit des Europäischen erichtshofs für Menschenrechte weiterhin ist, dass der chutz der Menschenrechte längst nicht gewährleistet st und dass wir dort weiterhin ansetzen müssen. Dabei uss ich den Kollegen von der FDP selbstverständlich echt geben: Ansetzen müssen wir bei den nationalen echtssystemen – was dort fehlt, kann der Europäische erichtshof für Menschenrechte nicht wieder wettmachen. ch glaube, dass es zentral ist, dass wir auch an einzelne änder herantreten und mit ihnen ins Gespräch kommen. Trotzdem glaube ich, dass die Übereinstimmung ier – auch in der Frage, welche Instrumente wir ergreifen üssen – sehr groß ist. Ich hoffe, dass diese große Einigkeit uch in den Ausschussberatungen zur Geltung kommt. ch glaube, das Thema Menschenrechte ist nicht geeignet ür parteipolitische Auseinandersetzungen. eshalb hoffe ich, dass wir zu einem gemeinsamen Antrag ommen, und ich hoffe auf gute Beratungen. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


(Christoph Strässer [SPD]: Sehr gut!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608227400

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/4062 an die in der Tagesordnung aufge-

ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vorlagen auf den
rucksachen 16/4417 und 16/4405 sollen an dieselben
usschüsse überwiesen werden. Sind Sie damit

inverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Über-
eisungen so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine
Zimmermann, Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN-
KEN

Bürokratieabbau in Europa – Kein Freibrief
zum Abbau von Arbeits- und Umweltschutz

– Drucksache 16/4204 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Die Redner Kai Wegner, Axel Schäfer (Bochum),
hristian Ahrendt sowie die Kolleginnen Sabine






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Zimmermann und Kerstin Andreae haben ihre Reden zu
Protokoll gegeben.1)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/4204 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit
einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Über-
weisungen so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 18 a und 18 b auf:

18 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Josef
Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Undine
Kurth (Quedlinburg), Monika Lazar und der
Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Asylsuchende aus Sri Lanka besser schützen

– Drucksache 16/4427 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla
Jelpke, Michael Leutert, Sevim Dağdelen, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Sri Lanka

– Drucksache 16/4203 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen fünf Minuten
erhalten soll. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist
das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Josef Winkler, Bündnis 90/Die Grünen.


Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1608227500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die Sicherheits- und Menschenrechtslage in
Sri Lanka – das ist der Inselstaat südlich von Indien –


(Heiterkeit des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


hat sich im zweiten Halbjahr 2006 und in diesem Jahr
nochmals dramatisch verschlechtert. In den deutschen
Medien konnten wir erst vorgestern lesen, dass der deut-
sche Botschafter in Colombo nur knapp einem Anschlag
entgangen ist. Anderen Menschen ist es nicht so gut
ergangen; es gab einige Verletzte. Die wenigen in Sri
Lanka noch tätigen Hilfsorganisationen sehen diesen
Anschlag als symptomatisch für die allgemeine Sicher-
heitslage an, auch für die Art und Weise, wie die Situation

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I1) Anlage 4

(C (D ort eskaliert. Hintergrund sind die Kämpfe zwischen er Regierung und den LTTE, den sogenannten Liberation igers of Tamil Eelam, den Rebellengruppen im Norden, ie von der EU als Terroristen eingestuft werden. Dadurch st im Prinzip keine geregelte humanitäre Arbeit mehr istbar. Insbesondere die Arbeit, die in den letzten Jahren ür die Binnenflüchtlinge in Sri Lanka geleistet wurde, ird immer mehr eingeschränkt. Allein im letzten Jahr ind wieder Zehntausende Menschen zu Flüchtlingen im igenen Land geworden. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten ationen – UNHCR – schätzt die Zahl der derzeit in Sri anka befindlichen Binnenvertriebenen auf 500 000. uf die deutsche Bevölkerungszahl hochgerechnet wären as 2 Millionen Flüchtlinge. Das verdeutlicht die Brisanz er Lage. Seit dem 11. Dezember letzten Jahres liegt ein aktueller agebericht des Auswärtigen Amtes zu Sri Lanka vor, in em sich meiner Meinung nach sehr klare und bemerkenserte Sätze zur aktuellen Situation finden. Man fragt ich allerdings, ob diese klaren Sätze auch im zuständigen undesamt und bei den Gerichten, die sich mit diesen ällen befassen, gelesen wurden. Ich zitiere aus dem ericht vom Dezember 2006. Darin steht, dass sich Sri anka seit Ende Juli 2006 „faktisch im Kriegszustand“ efindet. Ich zitiere wörtlich: Die Auseinandersetzungen … haben im zweiten Halbjahr 2006 zu einer neuen Welle der Gewalt, einer weitgehenden Verrohung der Sitten und zahlreichen Menschenrechtsverletzungen geführt, die die Regierung zunehmend in die internationale Kritik bringen. Trotz dieser angespannten Sicherheitslage werden in eutschland weiterhin Asylsuchende aus Sri Lanka wangsweise in ihr Herkunftsland zurückgeführt. Das inden wir unerträglich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


ie Entscheidungspraxis des bereits erwähnten Bundes-
mtes für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg ent-
pricht nicht den tatsächlichen Schutzbedürfnissen. Die
nträge von Asylsuchenden werden mit dem Argument

bgelehnt, es bestehe eine inländische Fluchtalternative.

Auch im Flughafenverfahren werden die Asylanträge
on Flüchtlingen aus Sri Lanka weiterhin vom Bundes-
mt für Migration und Flüchtlinge als offensichtlich un-
egründet abgelehnt. Ihnen wird die Einreise nach
eutschland verweigert, und sie werden auf direktem
eg nach Colombo zurückgeschickt.

Deshalb fordert meine Fraktion erstens einen sofortigen
bschiebestopp für Asylsuchende aus Sri Lanka. Das
undesinnenministerium muss hier schnell gegenüber
en Ländern aktiv werden und eine bundeseinheitliche
egelung finden. Im letzten Jahr wurden 94 Menschen
ach Sri Lanka abgeschoben. Diese nicht sehr große
ahl erklärt sich daraus, dass es sehr schwierig ist, den

nselstaat Sri Lanka zu verlassen. Eine solche Anzahl von






(A) )



(B) )


Josef Philip Winkler
Menschen müsste ein Land wie Deutschland im Übrigen
vertragen können.

Zweitens muss das Bundesamt in Asylverfahren von
Flüchtlingen die tatsächliche Schutzbedürftigkeit be-
rücksichtigen. Das heißt konkret, dass Tamilen aus dem
Norden und Osten des Landes sowie aus Colombo als
Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention
anerkannt werden müssen. In diesen Fällen besteht nun
wirklich keine inländische Fluchtalternative. Diese Mei-
nung vertritt übrigens auch der Hohe Flüchtlingskom-
missar der Vereinten Nationen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])


Die Flüchtlinge, die nicht individuell verfolgt werden,
sollten zumindest einen Abschiebungsschutz erhalten.

Drittens meine ich, dass insbesondere die Regelung
im Rahmen des Flughafenverfahrens nach § 18 a Asyl-
verfahrensgesetz genutzt werden sollte, um Flüchtlingen
die Einreise zu gestatten, statt diese Fälle als offensichtlich
unbegründet abzulehnen. Es ist offensichtlich unbegründet,
diese Menschen abzuschieben. Das ist die richtige
Schlussfolgerung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])


Zurzeit befinden sich noch drei Tamilen in der
gefängnisähnlichen Einrichtung in Frankfurt. Ich meine,
sie sollten nicht nach Colombo zurückgeschickt werden,
sondern nach Deutschland einreisen können.

Es gibt im Übrigen – ich komme zum Schluss, Frau
Präsidentin – ein weiteres Indiz dafür, dass meine
Darstellung nicht völlig an der Lage vorbeigeht. Das
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung vergibt keinerlei Gelder mehr, weil es
die Lage für Aufbauhelfer in Sri Lanka als viel zu ge-
fährlich ansieht. Gleichzeitig lassen aber andere Ressorts
der Bundesregierung zu, dass Flüchtlinge in genau diese
gefährliche Situation abgeschoben werden. Wir fordern
daher, dass das geändert wird. Ich bitte Sie dabei um Ihre
Unterstützung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Burkhardt Müller-Sönksen [FDP] und der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608227600

Das Wort hat der Kollege Hans-Werner Kammer,

CDU/CSU-Fraktion.


Hans-Werner Kammer (CDU):
Rede ID: ID1608227700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über

derartige Anträge, wie sie der Kollege Winkler eben für
Bündnis 90/Die Grünen begründet hat und wie sie insbe-
sondere von der Linkspartei vorgelegt werden, haben
wir in diesem Haus schon häufiger beraten. Es geht da-
bei wieder um die Frage: Genereller Entscheidungsstopp
bzw. Abschiebestopp oder Einzelfallprüfung? Diesmal
geht es um Flüchtlinge aus Sri Lanka. Ich finde es inte-
ressant, mit welcher Energie sich die Linksfraktion wie-
der einmal zum Wächter der Menschenrechte in aller

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(C (D elt aufschwingt, um unter diesem Vorwand die konseuente und nachhaltige Flüchtlingspolitik Deutschlands uszuhebeln, wie sie in diesem Hohen Haus betrieben ird. Ich sage ausdrücklich an die Adresse der Altvorde en der Linksfraktion: In Ihrem untergegangenen Staat ab es offiziell keine Flüchtlingsproblematik. Es wollte iemand kommen und sie wollten niemanden herauslasen. Insofern sind das hier immer wieder Lehrstunden ür Sie. (Beifall bei der CDU/CSU – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: „Chile“ sage ich nur!)


Hören Sie einfach zu!

Zur Lage vor Ort: Nach dem Ad-hoc-Lagebericht des
uswärtigen Amtes ist im Norden von Sri Lanka auf-
rund der mit massiver Waffengewalt ausgetragenen
onflikte von einer extremen Gefahrensituation auszu-
ehen. Wie angespannt die Situation im Norden ist, hat
ich am vergangenen Dienstag bei dem Anschlag der
rößten tamilischen Separatistenorganisation LTTE auf
ine Delegation von Regierungsvertretern und Diploma-
en gezeigt. Zum Glück ist unserem deutschen Botschaf-
er Jürgen Weerth nichts geschehen. Der italienische
otschafter jedoch musste sich einer Operation unterzie-
en. Von dieser Stelle aus wünschen wir ihm und allen
nderen Verletzten eine baldige Genesung.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In den östlichen Gebieten stellt sich die Lage diffe-
enzierter dar. Landesweit ist jedoch nicht von einer
xtremen Gefahrensituation auszugehen. Das einseitige
lädoyer im Antrag der Linkspartei zugunsten eines ge-
erellen Entscheidungsstopps betreffend Flüchtlinge
us Sri Lanka ist zu undifferenziert. Ein Entscheidungs-
topp kann im Hinblick auf die zweifellos schwierige
age in Sri Lanka nicht der richtige Weg sein. Mit Ihrem
ntrag springen Sie wieder einmal zu kurz. Entschei-
ungsstopps bekämpfen bestenfalls die Symptome des
roblems, nicht aber die Wurzeln.


(Beifall bei der CDU/CSU)


iese liegen bei den Konfliktparteien, der singhalesisch
eführten Regierung und der LTTE.

Dabei wendet sich der Terror der LTTE nicht nur
egen die Volksgruppe der Singhalesen und gegen die
on ihnen gestellte Regierung in Colombo, sondern auch
egen Tamilen, die nicht mit dieser Organisation sympa-
hisieren. Die Gewaltbereitschaft der LTTE hat sich nach
em Ausstieg aus dem Friedensprozess, der unter Feder-
ührung Norwegens mühsam in Gang gebracht wurde,
rastisch erhöht. Im vergangenen Jahr hat die EU des-
alb diese Organisation als terroristische Vereinigung
ingestuft. Auch die vom Verfassungsschutz nachgewie-
enen Aktivitäten der LTTE in Deutschland zeigen, dass
iese Gruppe wieder verstärkt auf Terror setzt. Nach wie
or werden auch in Deutschland von tamilischen Lands-
euten Spendengelder für angebliche Entwicklungshilfen
rpresst, um damit unter anderem Terroraktionen zu fi-
anzieren. Das sollten Sie bedenken.






(A) )



(B) )


Hans-Werner Kammer
Dies wird im Übrigen auch von führenden Menschen-
rechtsorganisationen ausdrücklich bestätigt. Danach
werden durch die LTTE in westeuropäischen Ländern in
großem Stil Gelder von Landsleuten zur Finanzierung
des Terrors in Sri Lanka erpresst. Wenn wir auf eine
Überprüfung im Sinne des § 60 Abs. 8 des Aufenthalts-
gesetzes verzichteten und nicht mehr erfassten, welche
Personen in Deutschland in Verbindung mit der LTTE
und deren Tarnorganisationen stehen, dann wäre das in
meinen Augen eine Bankrotterklärung gegenüber den
kriminellen Machenschaften ausländischer Terrorbanden
in unserem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war aber nicht aus unserem Antrag!)


Schon allein deshalb muss es bei der Einzelfallprü-
fung im Asylverfahren bleiben. Wir dürfen die terroristi-
schen Machenschaften der LTTE in Deutschland zudem
– das sage ich ausdrücklich – nicht noch durch Sozial-
leistungen aus dem Portemonnaie unserer Steuerzahler
mitfinanzieren. Dafür hat, so glaube ich, nur die Links-
fraktion in diesem Haus Verständnis. Für alle übrigen
Flüchtlinge aus Sri Lanka sei im Übrigen auch im Hin-
blick auf den Antrag der Grünen, Herr Winkler, ange-
merkt, dass aufgrund der aktuellen Lage seitens des
BAMF Schutz durchaus gewährt wird und vermehrt
positive Entscheidungen zu erwarten sind. Die LTTE
muss sich vom Terror abwenden. Dann kann sie auch
wieder als Verhandlungspartner für den Friedensprozess
gelten.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es nicht! Es geht hier um Flüchtlingsschutz!)


Ferner muss sie ihren Alleinvertretungsanspruch für die
tamilische Bevölkerung aufgeben. Aber auch die von
singhalesischen Hardlinern geführte Regierung fällt
durch verstärkte Gewaltanwendung auf. Insbesondere
die tamilischen Einwohner in der Hauptstadt Colombo
leiden unter Repressionen durch die staatlichen Sicher-
heitsorgane. Dazu gehören Mittel wie willkürliche Schi-
kanemaßnahmen und Deportationen. Die Allparteienal-
lianz der Singhalesen muss die Spirale der Gewalt
durchbrechen, indem sie auf staatliche Willkür verzich-
tet.

Wir hier können die Probleme in Sri Lanka nicht lö-
sen, indem wir unsere bewährte Asylpolitik über Bord
werfen; vielmehr muss es gelingen, den Friedenspro-
zess wieder in Gang zu bekommen. Dazu muss die inter-
nationale Gemeinschaft auf die Konfliktpartner Druck
ausüben, damit der Waffenstillstand von 2002 wieder
eingehalten wird und die Beteiligten wieder an den Ver-
handlungstisch zurückkehren. Dies gilt für die LTTE
ebenso wie für die singhalesische Regierung in
Colombo, welche den Tamilen ein Selbstbestimmungs-
recht abspricht. Die bewaffneten Auseinandersetzungen
zwischen der LTTE und der Regierung gefährden zudem
die humanitäre Hilfe im Norden und im Nordosten von
Sri Lanka. Mit ihren zum Teil mörderischen Übergriffen
auf die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen treffen die
Konfliktparteien jedoch nicht nur die Entwicklungshel-

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(C (D er, sondern auch die eigene Bevölkerung. Diese Erenntnis hat sich bei den Konfliktparteien offenbar noch icht durchgesetzt. Zudem hemmt der bewaffnete Konlikt die für das Land so wichtige touristische Entwickung. Eine einfache Änderung der Asylpolitik, wie vom ündnis 90/Die Grünen und der Linkspartei hier bean ragt, ist ein sehr stumpfes Schwert im Kampf gegen die umanitäre Katastrophe. Mit Ihren Anträgen springen ie schlichtweg zu kurz, liebe Kolleginnen und Kolleen. Ein Gesamtkonzept muss her. Ich bin deshalb dem orsitzenden der AG für wirtschaftliche Zusammenareit und Entwicklung, dem Kollegen Dr. Ruck, sehr ankbar, dass unter Federführung des Kollegen Klimke erzeit ein entsprechendes Positionspapier erarbeitet ird. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Zwischenzeit wird abgeschoben!)


ir brauchen, wie in diesem Papier zu Recht gefordert,
ine Sri-Lanka-Politik aus einem Guss.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin Vorsitzender der deutschsüdasiatischen Parlamentariergruppe!)


Nach der Tsunamikatastrophe hat allein die Bundesre-
ublik bisher fast 60 Millionen Euro in den Wiederauf-
au in Sri Lanka gesteckt. Es kann daher nicht sein, dass
ie Behörden den Hilfsorganisationen bürokratische
teine in den Weg legen und ihnen den Zugang zu den

amilischen Gebieten erschweren. Ich denke, es ist an
er Zeit, dass wir auf die singhalesische Regierung dies-
ezüglich mehr Druck ausüben. Wir müssen die Bewilli-
ung weiterer Gelder an Bedingungen für die Konflikt-
artner knüpfen. Es muss Deutschlands Bestreben sein,
uf einen Gewaltverzicht der Konfliktparteien hinzuwir-
en, damit für die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen
ieder ein sicheres Arbeiten möglich wird, damit eine
umanitäre Katastrophe abgewendet wird und damit die
eteiligten langfristig wieder an den Verhandlungstisch
urückkehren. Deshalb kann ich Sie nur auffordern: Un-
erstützen Sie unsere Sri-Lanka-Politik aus einem Guss.
tückwerk bringt uns nicht weiter.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608227800

Das Wort hat der Kollege Hartfrid Wolff, FDP-Frak-

ion.


(Beifall bei der FDP)


Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
enschenrechtslage in Sri Lanka hat sich wieder deut-

ich verschlechtert. Schon 1983 entbrannte ein Bürger-
rieg im Inselstaat. Die demokratisch gewählte Regie-
ung stand in einem bewaffneten Kampf gegen die
amilische Separatistenorganisation LTTE, die im Nor-






(A) )



(B) )


Hartfrid Wolff (Rems-Murr)

den und Osten des Landes einen unabhängigen Staat der
Tamilen anstrebte.

Im Februar 2002 wurde ein Waffenstillstandsab-
kommen zwischen Regierung und LTTE unterzeichnet.
Die Friedensverhandlungen, von Norwegen vermittelt,
sind allerdings seit 2003 – leider – wieder ausgesetzt.
Nach der Wahl von Präsident Rajapakse im
November 2005 kam es erstmals im Februar 2006 wie-
der zu direkten Gesprächen zwischen der Regierung und
der LTTE. Danach nahmen die Verletzungen des Waf-
fenstillstands mit wochenlangen Kämpfen an verschie-
denen Orten im Osten und Norden des Landes, die nach
Regierungsangaben mehr als 3 000 Tote gefordert ha-
ben, wieder deutlich zu. Es handelt sich um einen wahr-
lich leider schon sehr lange bestehenden Konflikt.

Die Regierung und die wichtigste Oppositionspartei,
UNP, haben im Oktober 2006 eine Zusammenarbeit ver-
einbart, vor allem auch, um eine Lösung des jahrzehnte-
langen ethnischen Konflikts zu erreichen. Da die LTTE
als terroristische Organisation auch außerhalb des Tami-
lengebietes gegen ihre Gegner vorgeht, ist die Men-
schenrechtslage in Sri Lanka insgesamt schwierig.

Auch seitens der Regierung von Sri Lanka ist ange-
sichts der Bürgerkriegssituation wohl nicht zu erwarten,
dass die Menschenrechtslage kurzfristig verbessert wer-
den kann, wenn kein Waffenstillstand erreicht wird.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Leider!)


Der UNHCR hat seine Stellungnahme überarbeitet
und ist nunmehr auf der Grundlage intensiver Recher-
chen, auch seriöser Recherchen, zu der Einschätzung ge-
langt, dass sich die Sicherheitslage in Sri Lanka deutlich
verschlechtert hat. Pro Asyl teilt diese Auffassung.

Ein genereller Abschiebestopp, wie ihn Grüne und
Linkspartei fordern, birgt allerdings auch einige Risiken.
Vor allem kann eine so totale Unterschutzstellung von
Personen aus Sri Lanka dazu führen, dass terroristische
Aktivitäten dann allerdings auch in Deutschland unter-
stützt werden. Insofern ist auch immer Vorsicht geboten
und dieser Aspekt nicht ganz zu vernachlässigen, lieber
Herr Kollege Winkler.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Gerade vor dem Hintergrund der Verantwortung für
andere Fälle muss die Notwendigkeit eines Abschie-
bestopps in jedem Einzelfall genau geprüft werden. Der
generelle Abschiebestopp ist ein politisches Instrument
im Falle einer akuten Entwicklung, die rasches Handeln
erfordert. Dieses Instrument darf nicht – das sagen alle
Organisationen – inflationär verwendet werden.

Der Bürgerkrieg in Sri Lanka ist unzweifelhaft eine
langfristige Entwicklung. Allerdings hat sich die Lage
dort zuletzt so akut verschärft, dass die zuständigen
deutschen Stellen ihren Umgang mit der Situation über-
denken müssen.


(Beifall des Abg. Christoph Strässer [SPD])


Es ist deshalb unterstützenswert, auf das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge dahin gehend einzuwirken,
dass es Widerrufe von Asyl- und Flüchtlingsanerken-

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(C (D ungen aussetzt, es sei denn, dass die Betreffenden von ier aus Unterstützungsmaßnahmen für terroristische iele organisieren. Es ist darüber hinaus notwendig, Flüchtlinge aus Sri anka nicht im Flughafenverfahren abzuweisen und hre Asylantragstellung nicht als „offensichtlich unberündet“ abzulehnen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sind der Auffassung, dass die Menschenrechts-
age in Sri Lanka weiterhin der kritischen Aufmerksam-
eit bedarf. Die Lageberichte des Auswärtigen Amtes
ind entscheidend und müssen auch klar sein. Daraus
üssen sich entsprechende Konsequenzen ergeben. Die
DP stellt sich deshalb trotz manch differenzierter Erwä-
ungen auf die Seite von Grünen und Linkspartei: Sie
ritt für eine humanitär orientierte Hilfe für die Bürger-
riegsflüchtlinge aus Sri Lanka ein.


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608227900

Nächster Redner ist der Kollege Rüdiger Veit, SPD-

raktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Rüdiger Veit (SPD):
Rede ID: ID1608228000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

enn ich auch die mir zur Verfügung stehende Redezeit
on neun Minuten nicht annähernd ausschöpfen werde,
o sollte dies nicht dem Eindruck Vorschub leisten, die-
es Thema interessiere uns nicht oder wir hätten hierzu
eine Position. Das Gegenteil ist richtig.

Von meinen Vorrednern ist zu Recht darauf hingewie-
en worden – insofern kann ich kürzen –, dass die aktu-
lle Sicherheits- und Menschenrechtslage in Sri Lanka
ich kontinuierlich verschlechtert hat, und zwar nicht nur
is zum Ende des Jahres 2006, sondern auch im Januar
nd, wie die letzten Presseberichte zeigen – das ist rich-
ig zitiert worden –, ebenfalls im Februar. Das haben da-
über hinaus der UNHCR in seiner Stellungnahme vom
anuar und das Auswärtige Amt in Berichten per
1. Dezember 2006 und in einem sogenannten Ad-hoc-
agebericht per 31. Januar 2007 festgestellt; ihre Schil-
erungen sind eindringlich und besorgniserregend.

Wir wissen aus den Berichten, dass bei in der Tat über
00 000 Flüchtlingen in Sri Lanka selbst nur noch unter
ehr engen Voraussetzungen nur noch für sehr wenige

enschen und auch regional nur sehr begrenzt über-
aupt noch inländische Fluchtalternativen existieren.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lange noch?)


as muss das Bundesinnenministerium – dem Verneh-
en nach geschieht das dankenswerterweise auch – im
ontakt mit dem Auswärtigen Amt noch weiter auslo-

en.






(A) )



(B) )


Rüdiger Veit
Wir wissen auch, dass von den über 30 000 Menschen
aus Sri Lanka, die sich im Bundesgebiet aufhalten, ins-
gesamt 2 271 ausreisepflichtig gewesen sind. Wir wissen
ferner, dass 113 Asylverfahren sowie 377 Verfahren auf
Widerruf der Asylanerkennung anhängig waren.

Nun ist bei dem, was wir hier stets und ständig tun,
die Zuständigkeitslage zu beachten. Es ist nun einmal in
erster Linie die Zuständigkeit der Länderinnenminister
und -senatoren gegeben, wenn es um generelle Abschie-
beverbote gemäß § 60 a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes
geht. Wenn diese Abschiebestopps länger als sechs Mo-
nate dauern sollen, bedürfen sie nach § 23 in Verbindung
mit der schon genannten Vorschrift der Zustimmung des
Bundesministeriums des Innern. Das Bundesministerium
des Innern – darauf will ich ausdrücklich hinweisen – hat
natürlich eine beratende, koordinierende und auch anre-
gende Funktion, auch und gerade im Blick auf even-
tuelle Beschlüsse der Innenministerkonferenz. Deswe-
gen werden wir im Innenausschuss eingehend beraten
müssen, finde ich, was tatsächlich jetzt in den Abschie-
bebehörden, also in den Länderministerien und den ih-
nen nachgeordneten Ausländerbehörden, geschieht.

Eine Idee, die mir dabei spontan kommt, ist, vielleicht
den Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, den baye-
rischen Innenminister Beckstein, vielleicht aber auch
den Sprecher der A-Länder-Innenminister, Herrn Sena-
tor Körting aus Berlin, oder den Sprecher der B-Seite,
Herrn Innenminister Bouffier aus Hessen, zu bitten, ein-
mal über die aktuelle Praxis zu berichten. Wenn sich
alle einig wären, könnte die Innenministerkonferenz so-
gar im Umlaufverfahren einen generellen Abschie-
bestopp beschließen.

Was nun die bundesunmittelbare Zuständigkeit an-
geht, ist die Lage wie folgt: Das Bundesamt für Migra-
tion und Flüchtlinge – ich habe mich heute dessen noch
einmal vergewissert – bearbeitet derzeit Verfahren auf
Widerruf der Asylanerkennung nicht. Es gibt dort prak-
tisch einen Bearbeitungs- und Entscheidungsstopp. Bei
der Stellung von Asylanträgen und ihre Bearbeitung
– auch bei solchen im Bereich des Flughafenverfahrens;
hier vorzugsweise beim Frankfurter Flughafen – wird
eine besonders sorgfältige und vorsichtige Einzelfallprü-
fung vorgenommen, um zu klären, ob die Voraussetzun-
gen für die Anerkennung als Flüchtling oder die Zuer-
kennung von Abschiebeschutz vorliegen. Dabei wird es
jetzt wohl vermehrt zu positiven Entscheidungen kom-
men. Ich begrüße das außerordentlich.


(Beifall bei der SPD)


In der Außenstelle des Bundesamts in Frankfurt, also
im sogenannten Flughafenverfahren, werden seit Be-
kanntwerden des Ad-hoc-Berichts des Auswärtigen
Amts vom 31. Januar keine Anträge mehr als „offen-
sichtlich unbegründet“ abgelehnt. Herr Kollege Winkler,
wenn sich noch drei Personen in der Frankfurter Unter-
kunft aufhalten, bin ich gern bereit, auch mit Ihnen ge-
meinsam zu klären, aus welchen Gründen das so ist und
ob das weiterhin so sein muss.

Ich will noch ein Wort der Beruhigung in Richtung
des Kollegen Kammer, aber ein bisschen auch in Rich-

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(C (D ung des Kollegen Wolff sagen. Es ist zu Recht gemahnt orden: Bei alledem müssen wir darauf achten, dass wir uch im Sinne der Anwendung des § 60 Abs. 8 des Aufnthaltsgesetzes – ich kann mir nicht vorstellen, dass iesbezüglich überhaupt ein Gegensatz hier im Hause esteht – nicht Leute zu uns lassen und als Flüchtlinge nerkennen, die entweder eine schwerwiegende Gefahr ür die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder er Allgemeinheit darstellen oder schwerer politischer der auch nichtpolitischer Verbrechen, beispielsweise in hrem Heimatland, oder auch des internationalen Terrors erdächtig sind. Die wollen wir hier nicht haben. Ich iederhole aber: Das dürfte allgemeine Meinung sein. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


elbst wenn wir zu einem generellen Abschiebestopp
ämen, schlösse das nicht aus, dass wir uns die beson-
ers anschauen.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Voraussetzung!)


Ich darf zusammenfassend feststellen: Für den Um-
ang mit Flüchtlingen muss das gelten, meine sehr ver-
hrten Damen und Herren, was wir alle in der Fahr-
chule schon einmal in ganz anderem Zusammenhang
elernt haben. Dort haben wir nämlich in Bezug auf das
berholen gelernt: Im Zweifel nie. – Deswegen muss

uch bei Flüchtlingen gelten: Im Zweifel dürfen sie nie
n eine Situation abgeschoben werden, wo Leib und Le-
en gefährdet sind. – Auch darüber sind wir uns hier,
laube ich, einig.


(Beifall des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Soweit die bundespolitische Verantwortung angespro-
hen ist, wird dem Anliegen der Antragsteller, glaube ich,
eitgehend Rechnung getragen, jedenfalls jetzt – ich be-

one noch einmal: jetzt –: Individuelle Entscheidungen
zw. Entscheidungsstopp und keine Ablehnung mehr als
offensichtlich unbegründet“. Soweit es um die Verant-
ortung der Bundesländer geht, empfehle ich – wie ge-

chehen – die differenzierte Behandlung im Innenaus-
chuss mit den zuständigen Landesinnenministern und
senatoren.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608228100

Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin

lla Jelpke, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1608228200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

öchte mich hier nicht zum Schattenboxen von Herrn
ammer auslassen. Ich würde ihm aber doch empfehlen,

ich zu diesem Thema sachlich kompetenter zu äußern.
ch finde, das Thema ist viel zu ernst, um die Redezeit
it Ausführungen darüber zu füllen, was die DDR mög-






(A) )



(B) )


Ulla Jelpke
licherweise für eine Flüchtlingspolitik betrieben hat. Ich
glaube, wenn wir diese Debatte hier führten, würden Sie,
gerade, was Chile angeht, nicht besonders gut dastehen.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Natio-
nen hat einen dringenden Appell an die Bundesrepublik
gerichtet, Flüchtlinge aus Sri Lanka aufzunehmen. Etwa
eine halbe Million Menschen sind dort innerhalb des ei-
genen Landes auf der Flucht. Die Zivilbevölkerung gerät
mehr und mehr zwischen die Fronten. In Colombo und
in den Vorstädten sind die Menschen von willkürlichen
Polizeimaßnahmen bedroht. Demonstrationen für Frie-
den und Aussöhnung werden von bewaffneten Banden
überfallen. Journalisten werden verschleppt und getötet.
Unliebsame Persönlichkeiten lässt die Regierung ver-
schwinden.

Dennoch hielten es Vertreter des Innenministeriums
in der Sitzung des Menschenrechtsausschusses am
17. Januar nicht für notwendig, Flüchtlinge aus Sri
Lanka aufzunehmen. Das bringt die deutsche Flücht-
lingspolitik auf den Punkt: Hier wird ganz offensichtlich
eine Abschottungspolitik praktiziert. Es kann nicht be-
stritten werden – das hat auch die Debatte gezeigt –, dass
Menschen in Sri Lanka Krieg und Verfolgung zu erlei-
den haben. Ihre Anerkennung als Flüchtlinge wird ihnen
dennoch verwehrt.

Das Bundesinnenministerium weist auf angeblich be-
stehende landesinterne Fluchtalternativen hin. Dage-
gen hat das Auswärtige Amt in der Sitzung des Men-
schenrechtsausschusses konstatiert, dass sich das Land
seit Juli 2006 im Kriegszustand befinde. Überall müssen
Tamilen und Muslime mit Übergriffen rechnen. Im ge-
nannten Appell des UN-Flüchtlingskommissars wird die
Lage in Sri Lanka ausführlich geschildert. Demnach ge-
hen von allen am Bürgerkrieg beteiligten Parteien mas-
sive Menschenrechtsverletzungen aus. Eine landesin-
terne Fluchtalternative gebe es also nicht, sagt auch der
Flüchtlingskommissar.

Es hat sich erst vorgestern wieder gezeigt, dass die
Zentralregierung die Situation nicht unter Kontrolle hat
und keine Sicherheit gewährleisten kann – Herr
Kammer hat es schon erwähnt –: Der deutsche Botschaf-
ter ist bei einer Reise durch Sri Lanka einem Angriff be-
waffneter Kräfte knapp entkommen; der italienische
Kollege wurde verletzt. Herr Kammer, gerade das sollte
für uns ein Grund sein, über Flüchtlingsschutz nachzu-
denken.

Flüchtlinge aus Sri Lanka, die am Flughafen in
Frankfurt ankommen, dürfen dennoch – Kollege
Winkler hat das schon deutlich gemacht – nicht in die
Bundesrepublik einreisen. Im Schnellverfahren wird be-
hauptet, dass gestellte Asylanträge „offensichtlich unbe-
gründet“ seien. Kollege Veit hat deutlich gemacht, dass
wir im Innenausschuss über diese Fragen diskutieren
werden. Selbst wenn sich die Praxis aktuell geändert hat,
steht fest, dass es seit August 2006 am Frankfurter Flug-
hafen Rückschiebungen gegeben hat.

Die Bundesrepublik verstößt mit diesen Rückweisun-
gen eindeutig gegen die Genfer Flüchtlingskonvention.

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(C (D as ist meiner Meinung nach nur die eine Seite des kandals; die andere Seite ist, dass es nach meinen Inormationen – Herr Veit, auch das gilt es zu überprüfen – erfahren auf Widerruf der Asylanerkennung gegen enschen aus Sri Lanka gibt. Ich nehme gerne zur enntnis, dass Sie behaupten, dies geschehe nun nicht ehr. Wenn das stimmt, ist das natürlich ein Fortschritt. (Rüdiger Veit [SPD]: Ich habe heute noch einmal nachgefragt!)


Auf jeden Fall halte ich es für wichtig, dass die zur-
eit hier geduldeten Menschen – ich weiß nicht, ob es im
oment 1 200 oder 2 000 sind, wie Herr Veit gesagt hat

einen Abschiebeschutz erhalten. Deswegen treten wir
it unserem Antrag – die Intention des Antrags der Grü-

en ist ja sehr ähnlich – für einen Abschiebestopp ein.
ch hoffe, wir werden eine erfolgreiche Beratung haben.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1608228300

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/4203 zu Tagesordnungspunkt 18 b an die

n der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
chlagen. Die Vorlage auf Drucksache 16/4427 zu
agesordnungspunkt 18 a soll an dieselben Ausschüsse
berwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? –
as ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so be-

chlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst
Friedrich (Bayreuth), Michael Kauch, Jan
Mücke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP

Oldtimer von Feinstaub-Fahrverboten aus-
nehmen

– Drucksache 16/4060 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus

Die Kollegen Dr. Andreas Scheuer, Horst Friedrich,
utz Heilmann und Winfried Hermann sowie die Kolle-
in Rita Schwarzelühr-Sutter haben ihre Reden zu Proto-
oll gegeben.1)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/4060 an die in der Tagesordnung aufge-

ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überwei-
ungen so beschlossen.

Anlage 5






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Katrin
Kunert, Dorothée Menzner, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der LINKEN

Freistellung der Kommunen von der Mitfinan-
zierung bei Baumaßnahmen im Kreuzungsbe-
reich von Eisenbahnen und Straßen

– Drucksachen 16/1657, 16/3266 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Uwe Beckmeyer

Die Kollegen Hubert Deittert, Uwe Beckmeyer, Horst
Friedrich und Dr. Anton Hofreiter sowie die Kollegin
Heidrun Bluhm haben ihre Reden zu Protokoll gege-
ben.1)

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf
Drucksache 16/3266 zu dem Antrag der Fraktion Die
Linke mit dem Titel „Freistellung der Kommunen von
der Mitfinanzierung bei Baumaßnahmen im Kreuzungs-
bereich von Eisenbahnen und Straßen“. Der Ausschuss
empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/1657 abzuleh-
nen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-
fehlung ist mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP bei Enthaltung der Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen und Gegenstimmen der Frak-
tion Die Linke angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Christine Scheel, Kerstin Andreae, Dr. Gerhard
Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Verlässliche und aussagekräftige Datenbasis
für die Ermittlung der Unternehmensteuern
erfassen

– Drucksache 16/4310 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

Die Kollegen Peter Rzepka, Jörg-Otto Spiller und
Dr. Hermann Otto Solms sowie die beiden Kolleginnen
Dr. Barbara Höll und Christine Scheel haben ihre Reden
zu Protokoll gegeben.2)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/4310 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überwei-
sungen so beschlossen.

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1) Anlage 6
2) Anlage 7

3)

4)

(C (D Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Patrick Döring, Hans-Michael Goldmann, Detlef Parr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Sportund Freizeitschifffahrt in Deutschland erleichtern – Drucksache 16/4061 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Tourismus Die Kolleginnen Renate Blank, Annette Faße und orothée Menzner sowie die Kollegen Patrick Döring nd Peter Hettlich haben ihre Reden zu Protokoll gegeen.3)


Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/4061 an die in der Tagesordnung aufge-

ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überwei-
ungen so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Hüseyin-Kenan
Aydin, Monika Knoche, Dr. Barbara Höll, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Ratifizierung des IAO-Übereinkommens über
Heimarbeit

– Drucksachen 16/2677, 16/4316 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Wolf Bauer
Walter Riester
Dr. Karl Addicks
Hüseyin-Kenan Aydin
Ute Koczy

Die Kollegen Dr. Wolf Bauer, Walter Riester, Dr. Karl
ddicks und Hüseyin-Kenan Aydin sowie die Kollegin
te Koczy haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.4)

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
chusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
icklung auf Drucksache 16/4316 zu dem Antrag der
raktion Die Linke mit dem Titel „Ratifizierung des
AO-Übereinkommens über Heimarbeit“. Der Aus-
chuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/2677
bzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
ung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Be-
chlussempfehlung ist mit den Stimmen der Fraktionen
er CDU/CSU, SPD und FDP bei Enthaltung der Frak-
ion des Bündnisses 90/Die Grünen und Gegenstimmen
er Fraktion Die Linke angenommen.

Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-
ung.

Anlage 8
Anlage 9






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Freitag, den 2. März 2007, 9 Uhr,
ein.

Die Sitzung ist geschlossen.