Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8331
(A) )
(B) )
an dem erwähnten Untersuchungsausschuss beteiligt wa-Christian
termingerechte Zulassung von Arzneimitteln. Der Pa-
tientenschutz habe bei allen Entscheidungen absolute
Priorität.
An dieser Stelle möchte ich als einer der Politiker, die
Dr. Schavan, Annette CDU/CSU 01.03.2007
Schmidt (Fürth), CDU/CSU 01.03.2007
Anlage 1
Liste der entschuldigt
A
k
E
s
i
v
A
U
A
b
d
d
V
c
J
I
s
r
s
g
d
d
s
r
c
D
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Binding (Heidelberg),
Lothar
SPD 01.03.2007
von Bismarck, Carl
Eduard
CDU/CSU 01.03.2007
Frechen, Gabriele SPD 01.03.2007
Gloser, Günter SPD 01.03.2007
Götz, Peter CDU/CSU 01.03.2007
Groneberg, Gabriele SPD 01.03.2007
Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 01.03.2007
Heller, Uda Carmen
Freia
CDU/CSU 01.03.2007
Heynemann, Bernd CDU/CSU 01.03.2007
Hilsberg, Stephan SPD 01.03.2007
Irber, Brunhilde SPD 01.03.2007
Dr. Jung, Franz Josef CDU/CSU 01.03.2007
Kasparick, Ulrich SPD 01.03.2007
Kleiminger, Christian SPD 01.03.2007
Kolbow, Walter SPD 01.03.2007
Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 01.03.2007
Leibrecht, Harald FDP 01.03.2007
Lopez, Helga SPD 01.03.2007
Merten, Ulrike SPD 01.03.2007
Möller, Kornelia DIE LINKE 01.03.2007
Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.03.2007
Pronold, Florian SPD 01.03.2007
Raidel, Hans CDU/CSU 01.03.2007
D
D
T
W
A
(C
(D
Anlagen zum Stenografischen Bericht
en Abgeordneten
nlage 2
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Errichtung einer Deutschen Arzneimittel- und
Medizinproduktagentur (DAMA-Errichtungs-
gesetz)
Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Als Folge der Vor-
ommnisse um HIV-infizierte Blutprodukte und der
mpfehlungen des damaligen 3. Untersuchungsaus-
chusses des Deutschen Bundestages wurde das Bundes-
nstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM,
or zehn Jahren neu organisiert. Es ist eine der größten
rzneimittelzulassungsbehörden in der Europäischen
nion und hatte in den vergangenen Jahren die größte
nzahl von Zulassungs- und Nachzulassungsanträgen zu
earbeiten. Darüber hinaus wirkt es intensiv im Rahmen
er europäischen Zulassungsverfahren mit und leistet
amit einen wichtigen Beitrag zum gesundheitlichen
erbraucherschutz in Europa und Deutschland.
Nach Angaben des Instituts konnte die durchschnittli-
he Dauer für Arzneimittelzulassungen von über zwei
ahren auf mittlerweile unter 200 Tage verkürzt werden.
nzwischen werde Deutschland gleich oft bei europäi-
chen Zulassungsverfahren beteiligt wie die zuvor füh-
enden Länder Großbritannien und Niederlande. Somit
teht das Institut inzwischen als Referenzbehörde ebenso
ut da wie die Arzneimittelbehörden anderer Länder.
In einer Pressemitteilung vom Juli 2005 konstatiert
er kommissarische Chef des Instituts, Professor Kurth,
ass die Neuorganisation und Umstrukturierung abge-
chlossen sei und sich an internationalen Standards aus-
ichte. Das neue flexible Leitungsmanagement ermögli-
he nun schnelle und qualifizierte Entscheidungen.
iese Umstrukturierung gewährleiste die schnelle und
r. Schui, Herbert DIE LINKE 01.03.2007
r. Seifert, Ilja DIE LINKE 01.03.2007
hönnes, Franz SPD 01.03.2007
ellenreuther, Ingo CDU/CSU 01.03.2007
bgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
8332 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
(A) )
(B) )
ren, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundes-
instituts für Arzneimittel und Medizinprodukte für die
geleistete Arbeit danken.
Neben Qualität und Wirksamkeit ist die Unbedenk-
lichkeit ein endscheidendes Kriterium bei der Beurtei-
lung von Arzneimitteln. Bei der Neuorganisation des In-
stituts hat die Politik deshalb einen Schwerpunkt auf die
frühzeitige Erkennung von Arzneimittelrisiken gelegt.
Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei, das Vertrauen in
staatliche Maßnahmen zur Risikoabwehr durch ein
Höchstmaß an Transparenz zu untermauern.
Nehmen wir das Beispiel der Zulassung von Arznei-
mitteln. Es wird niemand ernsthaft behaupten wollen,
dass unser Gesundheitswesen auf die Verdienste der
Arzneimitteltherapie verzichten kann. Die Hoffnung vie-
ler Menschen, die an noch nicht heilbaren Krankheiten
leiden, ruht auf der pharmazeutischen Industrie. Selbst-
verständlich können Arzneimittel sehr häufig auch
Nebenwirkungen haben. Das lässt sich besonders bei
hochwirksamen Medikamenten nicht vermeiden. Aber
deshalb wird keiner auf die Idee kommen, diese Arznei-
mittel, die Krankheiten heilen und Leiden mindern können,
zu verbieten. Und die Patienten werden ganz sicher nicht
auf Hilfen verzichten wollen, zu denen es keine wirksamen
Alternativen gibt.
Natürlich muss in jedem einzelnen Fall – und zwar
nicht nur einmal, sondern ständig – geprüft und entschie-
den werden, ob der Nutzen des Mittels die Risiken über-
wiegt, sowohl bei der Zulassung von Medikamenten als
auch bei jeder Anwendung beim Patienten. Verbraucher-
und Patientenschutz müssen vor wirtschaftlichen Interes-
sen stehen und die Mitarbeiter der Zulassungs- und
Aufsichtsbehörden müssen bei diesem Kurs die volle
Unterstützung der Politik haben.
Die deutsche pharmazeutische Industrie hat eine
großartige Vergangenheit und insbesondere in der Mitte
des letzten Jahrhunderts Arzneimittel an führender Stelle
mit entwickelt, die Leben gerettet und Krankheiten ver-
hindert haben. Mit dieser innovativen Tätigkeit ist ein
großer wirtschaftlicher Erfolg verbunden gewesen; nicht
umsonst tragen deutsche Unternehmen erheblich zur posi-
tiven Exportbilanz der Bundesrepublik Deutschland bei.
Für die vergangenen 20 Jahre lässt sich aber konsta-
tieren, dass der innovatorische Erfolg der deutschen
pharmazeutischen Industrie im Vergleich zu den anderen
großen Ländern, insbesondere den Vereinigten Staaten
und Japan deutlich nachgelassen hat. Die forschende
Arzneimittelindustrie ist in erster Linie für ihre Wettbe-
werbsfähigkeit selbst verantwortlich. Kreativität und
Optimierung der Abläufe im Unternehmen sind wahr-
scheinlich die Schlüssel für den Erfolg in der Zukunft.
Natürlich müssen im Zusammenhang mit der Arznei-
mittelzulassung aber auch die Rahmenbedingungen für
den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland
berücksichtigt werden. Die wirtschaftlichen Rahmenbe-
dingungen für Innovationen im Arzneimittelbereich be-
finden sich weltweit im Wandel, die schon erheblichen
unternehmerischen Risiken im Innovationsprozess wer-
den immer größer. Dies hängt mit der langen Dauer
e
f
R
z
r
M
G
f
f
m
b
h
w
G
n
a
n
g
s
A
W
Z
Z
d
u
d
d
d
d
i
V
s
d
w
d
d
d
m
m
v
z
t
in
S
s
m
n
d
u
t
Z
F
(C
(D
ines Innovationsprozesses und mit den hohen Kosten
ür die Entwicklung eines Arzneimittels zusammen. Das
isiko wird verschärft durch den starken Wettbewerb
wischen den einzelnen Unternehmen in wichtigen the-
apeutischen Feldern. Zusätzlich verändern sich die
arktsituationen in allen Ländern dadurch, dass nationale
esundheitssysteme auf den Kostendruck reagieren.
Die Koalition hat mit der aktuellen Gesundheitsre-
orm einen Beitrag zu verbesserten Rahmenbedingungen
ür Arzneimittelhersteller geschaffen: Wir wollen durch
ehr Transparenz und internationale Standards die Wett-
ewerbschancen für die deutschen Arzneimittel-
ersteller verbessern. Die geplante Kosten-Nutzen-Be-
ertung wird auf einer wissenschaftlich fundierten
rundlage und unter Beteiligung der Hersteller erfolgen.
Auch die Umwandlung des Bundesinstituts für Arz-
eimittel und Medizinprodukte zu einer Arzneimittel-
gentur hat das Ziel, die Rahmenbedingungen für Arz-
eimittelhersteller zu verbessern. Ich unterstütze
rundsätzlich eine Neuorganisation, die unbürokrati-
chere Zulassungsverfahren, kürzere und transparentere
bstimmungsprozesse mit den Herstellern und bessere
ettbewerbschancen im internationalen Umfeld zum
iel hat. All dies wird die Attraktivität und Effizienz der
ulassungsbehörde steigern.
Ich weise allerdings ausdrücklich darauf hin, dass bei
ieser Neuorganisation die Arzneimittelüberwachung
nd -sicherheit nicht zu kurz kommen dürfen. Sowohl
er Contergan-Einstellungsbeschluss von 1971 als auch
er Untersuchungsausschuss zu HIV-infizierten Blutpro-
ukten von 1993 bis 1996 haben sehr deutlich gemacht,
ass der Schutz der Gesundheit des Patienten höherrangig
st als das Interesse des Herstellers an der ungehinderten
ermarktung seines Produkts.
Wir sollten daher die von Bundesärztekammer, Wis-
enschaftlern und Krankenkassen geäußerte Kritik an
em Gesetzentwurf sorgfältig prüfen. Das Thema ist es
ert, gründlich und ohne Zeitdruck angegangen zu wer-
en.
Peter Friedrich (SPD): Die Standortbedingungen
er pharmazeutischen Industrie werden maßgeblich
urch das regulatorische Umfeld ihres Arzneimittel-
arktes bestimmt. Die Industrie hat – zu Recht, wie ich
eine – in den vergangenen Jahren wiederholt darauf
erwiesen, dass die Zulassungsverfahren in Deutschland
u lange dauern. Gesetzliche Fristen wurden überschrit-
en, gelegentlich sogar ganz erheblich.
Bereits in den zurückliegenden Jahren hat das Bundes-
stitut für Arzneimittel und Medizinprodukte seine
trukturen deutlich verbessert und die Verfahrensdauer
tark verkürzt. Mit der Errichtung der Deutschen Arznei-
ittel- und Medizinprodukteagentur, DAMA, gehen wir
un jedoch einen Schritt weiter. Durch die Überführung
es bisher bestehenden Bundesinstituts für Arzneimittel
nd Medizinprodukte als Bundesbehörde in eine Agen-
ur schaffen wir eine moderne Einrichtung, die in ihren
ulassungs- und Bewertungsverfahren über eine größere
lexibilität verfügt und qualifizierte Entscheidungen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8333
(A) )
(B) )
schneller treffen kann, ohne jedoch Zugeständnisse bei
den Sicherheitsstandards zu machen. Dieser Punkt ist
mir besonders wichtig, weil beschleunigte Arzneimittel-
zulassungsverfahren mitunter mit sinkenden Sicherheits-
standards gleichgesetzt werden. Dies ist jedoch nicht der
Fall.
Die neu einzurichtende Agentur wird ihre Aufgaben
weiterhin unter den Vorgaben und der Aufsicht des Bun-
desgesundheitsminisieriums erfüllen. Sie wird sich dabei
allerdings weniger behördentypisch ausrichten, sondern
sich vermehrt am Markt orientieren und ökonomische
Grundsätze stärker als bislang berücksichtigen. Damit
setzen wir nicht nur das um, was in vielen unserer euro-
päischen Nachbarländer bereits realisiert ist, sondern
greifen zugleich die Empfehlungen auf, die eine hoch-
rangige Arbeitsgruppe aus Regierungs-, Industrie- und
Gewerkschaftsvertretern entwickelt hat. Neben ihrer
Aufgabe als nationale Zulassungsbehörde neuer Arznei-
mittel wird der DAMA auch die laufende Nutzen- und
Risikobewertung der Arzneimittel nach ihrer Marktein-
führung obliegen, was sich organisatorisch in einem
zweiköpfigen Vorstand niederschlagen wird.
Die durch die Errichtung der DAMA zu erwartenden
Effizienzsteigerungen werden der deutschen Zulas-
sungsstelle zu einer besseren Position im Netzwerk der
in der EU bestehenden nationalen Behörden verhelfen.
Dieses Netzwerk umfasst derzeit über 40 Institutionen,
die allesamt der Europäischen Arzneimittelagentur,
EMEA, zuarbeiten und an ihren Verfahren beteiligt sind.
Mittelfristig ist damit zu rechnen, dass die europäische
Zulassungsbehörde die Zahl derjenigen nationalen Ein-
richtungen, die ihr unmittelbar zuarbeiten, deutlich redu-
zieren wird. Mit der Errichtung der DAMA schaffen wir
die Grundlage dafür, dass unsere nationale Zulassungs-
stelle die besten Voraussetzungen für diesen Standort-
wettbewerb bekommt.
In europäischen wie nationalen Zulassungsverfahren
wirken nationale Organisationen gleichermaßen mit, was
eine effektive und auf hohem wissenschaftlichem Ni-
veau arbeitende Behörde erfordert. Mit der DAMA
schaffen wir eine Einrichtung, die im Konzert der Mit-
gliedstaaten eine angemessene Rolle spielen kann. Wir
freuen uns alle darüber, dass die pharmazeutische Indus-
trie den Schritt hin zur DAMA heute begrüßt. Aber ich
sage auch: Begrüßen allein reicht uns nicht.
Wenn wir von der Politik aus die Forschungs- und Zu-
lassungsbedingungen so deutlich verbessern, erwarten
wir von denen, die das immer gefordert haben, dann
auch Taten. Und da ist es natürlich eine Hiobsbotschaft,
wenn wir heute in der Zeitung lesen, dass in Berlin bei
Schering 950 Arbeitsplatze wegrationalisiert werden,
oder wenn in meiner Heimatstadt Konstanz, wo das for-
schende Unternehmen Altana von dem nichtforschenden
Unternehmen Nycomed übernommen wurde, die Arbeit-
nehmer aus der Zeitung vom neuen Chef erfahren, dass
man zwar forschend bleiben will, aber just in der For-
schung die meisten Stellen abbauen wird. Innovation im
Pharmabereich braucht Kontinuität in der Forschungsan-
strengung. Denn die eigentliche Wertschöpfung der Arz-
neimittelindustrie liegt nicht in der Produktion, sondern
i
p
F
d
Z
h
S
b
l
l
d
w
f
g
w
h
n
d
t
d
(
s
z
c
A
z
d
g
t
v
Ü
w
D
l
a
w
F
b
e
e
s
d
V
h
S
A
t
b
d
(C
(D
n der Forschung und in neuen Wirkstoffen und Thera-
ien. Und deswegen ist es ein falsches Signal, wenn die
usionitis unter den Pharmaunternehmen dazu führt,
ass aus kurzfristigen Kapitalinteressen die eigentliche
ukunft der Unternehmen eingespart wird, indem man
ochqualifizierte Forscher an einem hochmodernen
tandort auf die Straße setzt.
Forschung funktioniert nicht auf Knopfdruck; das ha-
en wir gerade bei dem Beispiel Altana oder Pfizer er-
ebt. Mit der neuen DAMA bieten wir Planbarkeit, Ver-
ässlichkeit und Geschwindigkeit in der Zulassung, ohne
ie Sicherheit zu vernachlässigen. Und das Gleiche er-
arten wir auch von der Industrie.
Ich appelliere daher an die Industrie: Wir tun viel da-
ür – auch mit diesem Gesetz –, die Standortbedingun-
en permanent zu verbessern, und wir sind inzwischen
ieder richtig gut. Nutzen Sie diese Möglichkeiten und
andeln Sie als wirkliche Unternehmer und leben Sie
icht von der Forschungssubstanz der letzten Jahre, son-
ern schaffen Sie neue.
Daniel Bahr (Münster) (FDP): Die FDP-Bundes-
agsfraktion begrüßt grundsätzlich eine Reform des Bun-
esinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte
BfArM). Im Jahr 2001 hat eine Studie der Boston Con-
ulting Group ein vernichtendes Urteil über die Effi-
ienz, Transparenz und Reputation des BfArM gespro-
hen. Mittlerweile ist einiges geschehen, um die
rbeitsweise des BfArM zu verbessern. So sind Pro-
esse rationalisiert, eine parallele Bearbeitung und inter-
isziplinäre Teams eingeführt und die Organisation ins-
esamt gestrafft worden.
Allerdings ist die Bearbeitungszeit für Zulassungsan-
räge unverändert lang und mit zurzeit etwa 17 Monaten
om Ziel sieben Monate weit entfernt.
Außerdem ist ein Bearbeitungsstau zu verzeichnen.
ber 10 000 Anträge sind noch anhängig. Im Jahr 2005
urden eben nur 6 500 Anträge beschieden.
Im Wettbewerb der Zahlungsverfahren in Europa ist
eutschland nur auf Platz fünf. Hersteller wählen leider
ieber Großbritannien oder die Niederlande. Es ist unser
ller Ziel, den Standort Deutschland bei der Zulassung
ettbewerbsfähig zu machen. Deshalb unterstützt die
DP-Bundestagsfraktion die Ziele dieses Gesetzes: Ab-
au von Bürokratie, schnellere Zulassung, eine moderne,
ffiziente und autonome Dienstleistungsagentur sollen
rreicht werden.
Werden sie auch erreicht? Wie ist es mit der ange-
trebten Unabhängigkeit? Weiterhin bestimmt das Bun-
esgesundheitsministerium den Vorstand und beruft den
erwaltungsrat. Es vereinbart mit dem Vorstand Ziele,
at Aufsichts- und Weisungsbefugnis und genehmigt
atzung und Haushaltsplan.
Allein der Name macht noch keine moderne Agentur.
uch die Bundesanstalt für Arbeit wurde nicht effizien-
er durch die Umbenennung. Und die Möglichkeit der
esseren, das heißt höheren Bezahlung der Vorstände be-
eutet noch keine moderne und effiziente Entschei-
8334 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
(A) )
(B) )
dungsstruktur. Wichtig ist uns der Einklang der Interes-
sen von Patienten und Arzneimittelherstellern. Alle
Vereinfachungen und Beschleunigungen im Zulassungs-
verfahren müssen dahin gehend überprüft werden, ob
größtmögliche Sicherheit für Patienten gewährleistet
wird.
Das mittelfristige Ziel, dass sich die DAMA vollstän-
dig aus den bei der Arzneimittelzulassung erhobenen
Gebühren finanziert, könnte zu Verwerfungen und Fehl-
anreizen führen. In den weiteren Beratungen wollen wir
darüber gemeinsam sprechen. Wie beispielsweise die
Pharmakovigilanz am besten zu finanzieren ist, wird zu
diskutieren sein.
Den kommenden Beratungen im Ausschuss stehen
wir konstruktiv gegenüber.
Frank Spieth (DIE LINKE): Seit 1994 regelt eine
Bundesbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM), die Zulassung von Arznei-
mitteln. Diese ist auch für die Medikamentensicherheit
zuständig. Warum will die Bundesregierung jetzt dieses
bestehende, funktionierende und bewährte Bundesinstitut
auflösen und an dessen Stelle eine Deutsche Arzneimittel-
und Medizinprodukteagentur (DAMA) setzen? Ist dieser
Schritt nötig und zielführend? Was kann eine Agentur
besser machen als dieses Institut? Nach Ansicht der
Pharmaindustrie ist das jetzt zuständige BfArM zu langsam
und ineffektiv. Die Bundesregierung folgt mit dem
Gesetzentwurf offenkundig dieser Kritik und will das
Zulassungsverfahren im Interesse der Industrie gestalten.
Wir Linken fragen: Ist dies im Interesse der Bevölke-
rung, der Patientinnen und Patienten?
Der Großteil der Neuzulassungen besteht aus Nach-
ahmerpräparaten und Variationen schon existierender
Medikamente. Welcher gesundheitliche Schaden entsteht
für Patientinnen und Patienten, wenn diese erst ein paar
Monate später auf den Markt kommen? Bei den wirklich
innovativen Arzneimitteln für neuartige Therapien wird
die neue Agentur zukünftig nicht mehr zum Zuge kommen,
da die entscheidenden Zulassungen in einem zentralen
Verfahren auf europäischer Ebene geregelt werden sollen.
Was für die Patientinnen und Patienten allerdings
wichtig ist: Leidet die Arzneimittelsicherheit durch die
beabsichtigte Umstrukturierung? Namhafte Gesundheits-
experten schlagen Alarm, weil sie befürchten, dass die
Verkürzung der Zulassungsprüfung das Sicherheitsniveau
absinken lässt.
Dazu nur ein kurzer Blick über die Landesgrenzen:
Die einst so strenge und vorbildliche US-Behörde FDA
wurde industriefreundlich umstrukturiert, und seitdem
häufen sich Arzneimittelskandale in USA. Auch in
Großbritannien mussten wiederholt Medikamente vom
Markt genommen werden, nachdem sie von der an
Schnelligkeit kaum zu überbietenden britischen Behörde
MCA zugelassen worden waren. Die Arzneimittelsicher-
heit sinkt zwangsläufig, wenn die DAMA und die anderen
nationalen Zulassungsbehörden im europäischen Raum
miteinander konkurrieren und sich gegenseitig in der
Bearbeitungszeit unterbieten.
d
s
d
d
ü
M
Z
l
s
z
a
d
ü
m
T
w
S
V
v
r
K
d
v
u
a
a
v
S
s
n
lu
B
D
I
a
e
e
v
v
n
R
t
D
r
U
B
P
c
h
v
d
(C
(D
Wird die DAMA von der Bundesregierung nicht gera-
ezu in eine industriefreundliche Haltung gedrängt, da
ie finanziell zukünftig aufwachsend fast vollständig von
er Pharmaindustrie abhängig sein wird? Ab 2012 muss
ie DAMA sämtliche Kosten der Arzneimittelzulassung
ber Gebühren und Entgelte der Industrie erwirtschaften.
uss daher nicht befürchtet werden, dass diese neue
ulassungsbehörde möglichst viele Arzneimittel in mög-
ichst kurzer Zeit genehmigt, da sie sonst betriebswirt-
chaftlich nicht überlebensfähig ist? Und wird nicht der
weiköpfige Vorstand sogar ein ganz persönliches Interesse
n einem solchen industriefreundlichen Verfahren haben,
a dessen Vergütung auch erfolgsorientiert sein soll?
Die Mitglieder des Verwaltungsrats, dem Kontrollorgan
ber Vorstandsentscheidungen, sollen von den Bundes-
inisterien für Gesundheit, Finanzen, Wirtschaft und
echnologie sowie Bildung und Forschung berufen
erden. Ich frage für die Linksfraktion: Ist in dieser
truktur die Beteiligung von Patientenvertretern und
erbraucherschutz gewährleistet? Besteht bei der jetzt
orgesehenen Struktur nicht eher die Gefahr, dass vor-
angig ökonomische Interessen wahrgenommen werden?
ann dies die Struktur für eine Aufsichtsbehörde sein,
ie Patientinnen und Patienten und ihre Krankenkassen
or teuren und unnötigen Scheininnovationen schützt
nd risikoreiche unsichere Arzneimittel von vorneherein
usschließt?
Der Gesetzentwurf muss genau entlang dieser Fragen
uf seine Akzeptanz hin überprüft werden. Die Interessen
on Patientinnen und Patienten dürfen nicht auf der
trecke bleiben. Es ist zu erwarten, dass die Sachver-
tändigen sich ähnlich kritisch äußern werden. Ich hoffe
ur, dass wir hier eine ideologiefreie sachorientierte Rege-
ng gemeinsam zustande bekommen, im Interesse aller
eteiligten.
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
eutschland als „Apotheke der Welt“ – das war einmal.
nzwischen ist Deutschland als Pharmastandort hinter
ndere Länder zurückgefallen. Das liegt auch daran, dass
s hierzulande den Arzneimittelherstellern lange Zeit zu
infach gemacht wurde, mit Scheininnovationen gut zu
erdienen. Dementsprechend gering waren die Anreize,
iel Geld in die Arzneimittelforschung zu investieren.
Daran hat sich unter dem Druck der steigenden Arz-
eimittelausgaben glücklicherweise etwas geändert, im
ahmen der Gesundheitsreform 2004 wurde die Festbe-
ragsregelung auch auf Scheininnovationen ausgeweitet.
azu kommt mit der gerade beschlossenen Gesundheits-
eform endlich – die bei der letzten Reform noch von der
nion verhinderte – längst überfällige Kosten-Nutzen-
ewertung von Arzneimitteln.
Aber die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche
harmabranche gehen über Anreize im Krankenversi-
herungssystem hinaus. Dazu gehören auch leistungsfä-
ige Strukturen der Zulassung und Qualitätssicherung
on Arzneimitteln. Und hier gibt es in Deutschland
urchaus noch einiges zu verbessern.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8335
(A) )
(B) )
Die Zulassung von Arzneimitteln dauert in Deutsch-
land deutlich länger als in den meisten anderen Staaten.
Das ist nicht nur ein zusätzliches Kostenrisiko für die
Arzneimittelhersteller; das führt auch dazu, dass Arznei-
mittelinnovationen erst mit Zeitverzögerung in die Ge-
sundheitsversorgung kommen. Gleichzeitig ist die syste-
matische Beobachtung, Sammlung und Auswertung von
Risiken bereits zugelassener Arzneimittel immer noch
unzureichend.
Angesichts dieser Defizite halten wir Änderungen im
Zulassungsprozess und den Ausbau der Pharmakovigi-
lanz für erforderlich. Deshalb teilen wir die mit dem vor-
liegenden Gesetzesentwurf verfolgten Ziele.
Allerdings müssen wir uns über eines im Klaren sein:
Wirtschafts- und gesundheitspolitische Ziele können
sich überlappen. So liegt zum Beispiel eine schnellere
Arzneimittelzulassung sowohl im Interesse der Pharma-
industrie als auch in dem des schwer erkrankten Patien-
ten, der auf ein neues Arzneimittel wartet. Aber sie sind
längst nicht immer deckungsgleich. Die Gewinnerwar-
tungen der Pharmaunternehmen und die Anforderungen
an eine hohe Arzneimittelsicherheit können auch in den
Gegensatz zueinander geraten.
Kritikerinnen und Kritiker des Gesetzesvorhabens ha-
ben deshalb in den vergangenen Jahren vielfach gewarnt,
durch die vorgesehene Finanzierungsstruktur würde die
neue Arzneimittelagentur in eine unheilvolle Abhängig-
keit von der Pharmaindustrie geraten. Außerdem sei die
Phamakovigilanz nicht hinreichend unabhängig ausge-
staltet. Sie dürfe nicht in derselben Institution wie die
Zulassung erfolgen.
Auf diese und andere Kritik sollten wir in den anste-
henden Gesetzesberatungen gründlich eingehen. Ich plä-
diere dafür, den Gesetzesentwurf auf den Prüfstand zu
heben. Die Arzneimittelsicherheit und die Wettbewerbs-
bedingungen der Pharmabranche dürfen nicht gegenei-
nander ausgespielt werden.
Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Gesundheit: Wir befassen uns heute mit
dem Gesetz zur Errichtung der Deutschen Arzneimittel-
und Medizinprodukteagentur – kurz DAMA. Sie soll das
bisherige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-
produkte (BfArM) ablösen.
Mit dem Regierungsentwurf zur Errichtung der
DAMA will die Bundesregierung die Sicherheit von
Arzneimitteln und Medizinprodukten erhöhen und einen
wichtigen Beitrag für den Pharmastandort Deutschland
leisten.
Für die Pharmaindustrie schaffen wir eine moderne
Zulassungsstelle, die den Wirtschafts- und Wissenschafts-
standort Deutschland im internationalen Wettbewerb
nachhaltig stärken wird. Gerade im europäischen Kontext
wird dies immer wichtiger, weil die Arzneimittelbehörden
ihre Aufgaben mehr und mehr im europäischen Verbund
wahrnehmen und dabei auf die Dauer nur besonders
kompetente, leistungsfähige und flexible Agenturen
konkurrenzfähig sind. Die stark mittelständisch geprägte
deutsche Arzneimittelindustrie braucht einen starken
P
p
m
v
L
r
d
u
s
p
S
d
l
t
d
w
A
u
v
n
g
v
f
d
P
z
b
b
r
b
s
B
k
d
N
w
w
W
w
e
f
i
2
s
P
B
G
e
g
I
D
v
s
(C
(D
artner in Deutschland, um sich in Europa wirksam zu
ositionieren. Und was ebenso wichtig ist: Von einer
odernen und effizient arbeitenden Agentur profitieren
or allem die Patientinnen und Patienten. Denn eine höhere
eistungsfähigkeit stärkt auch die Arzneimittelsicherheit.
Ich will kurz erläutern, was der Gesetzentwurf zur Er-
ichtung der neuen DAMA vorsieht:
In organisatorischer Hinsicht wird eine bisher präsi-
ial geleitete Bundesbehörde in eine moderne Agentur
mgewandelt. Wichtige Kennzeichen dieser Agentur
ind ihre weitreichende Autonomie, ihre eigene Rechts-
ersönlichkeit und ihr modernes, an internationalen
tandards ausgerichtetes Leitungsmanagement. Durch
iese Organisationsform erhält die DAMA die erforder-
iche Flexibilität, um als ebenbürtiger Akteur im interna-
ionalen und insbesondere im europäischen Wettbewerb
er Zulassungsstellen bestehen zu können.
Gleichzeitig und gleichgewichtig mit den Fortent-
icklungen im Zulassungsbereich soll im Interesse der
rzneimittelsicherheit und zum Schutz der Bürgerinnen
nd Bürger in Deutschland die sogenannte Pharmako-
igilanz – das ist die fortlaufende Überwachung der Arz-
eimittel nach deren Markteinführung – entscheidend
estärkt werden. Zu diesem Zweck wird die Pharmako-
igilanz unter dem Dach der DAMA als Bundesstelle
achliche Eigenständigkeit besitzen. Dies wird insbeson-
ere durch die Trennung der Zuständigkeiten für die
harmakovigilanz von der Arzneimittelzulassung im
weiköpfigen Vorstand der DAMA sichergestellt.
Modernes Leitungsmanagement durch einen Vorstand
edeutet insbesondere: flexible Vertragsgestaltung für die
eiden Mitglieder des Vorstandes (im Rahmen privat-
echtlicher Zeitverträge), Möglichkeit eines leistungs-
ezogenen Anteils der Vergütung aufgrund von abzu-
chließenden Zielvereinbarungen, selbstverständlich in
ezug auf alle Aufgabenstellungen der DAMA, Möglich-
eit der Gewinnung von Spitzenkräften, ausgewiesen
urch wissenschaftliche Leistungen auf internationalem
iveau bzw. mit ausgewiesenem betriebs- und volks-
irtschaftlichem Sachverstand. Hierdurch wird eine
ichtige Voraussetzung für ein effektives und auf hohem
issenstand stehendes Zulassungsmanagement geschaffen.
Die angestrebte weitgehende Autonomie der DAMA
ird auch bei der Finanzierung berücksichtigt. Deshalb
rhält die DAMA nur noch während einer Übergangszeit
ür alle Aufgabenbereiche einen Bundeszuschuss. Dieser
st der Höhe nach begrenzt und beträgt zunächst knapp
0 Millionen Euro. Bis zum Jahr 2012 wird der Zuschuss
tufenweise auf circa 10 Millionen Euro zurückgeführt.
Diese Konzeption beruht im wesentlichen auf zwei
unkten. Ab dem Jahr 2012 sollen die Ausgaben im
ereich der Arzneimittelzulassung vollständig über
ebühren gedeckt werden. Hingegen ist die Beibehaltung
ines dauerhaften Bundeszuschusses für diejenigen Auf-
abenbereiche der DAMA erforderlich, die im besonderen
nteresse der allgemeinen Gesundheitsvorsorge liegen.
iese Bereiche – dazu zählt insbesondere die Pharmako-
igilanz, aber auch die Forschung oder die Bundesopium-
telle – können und sollen vorwiegend aus öffentlichen
8336 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
(A) )
(B) )
Mitteln finanziert werden. Selbst wenn sich daraus höhere
Gebühren ergeben, bedeutet dies im Ergebnis keine Mehr-
kosten für die Arzneimittelhersteller. Im Gegenteil wird
sich die Reduzierung der Zulassungszeiten – durch straffere
Organisation bei voller Wahrung der erforderlichen
Prüftiefe – in dem gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen
– 210 Tage – zum finanziellen Vorteil für die Arzneimittel-
hersteller auswirken.
Ich bin überzeugt, dass mit der neuen DAMA eine inter-
national und vor allem in Europa zukunftsfähige Arznei-
mittelagentur geschaffen wird.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung der Anträge
– Den Europäischen Gerichtshof für Men-
schenrechte vor dem Kollaps bewahren
– Den Erfolg des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrecht durch die konsequente
Befolgung seiner Urteile sichern
– Den Europäischen Gerichtshof für Men-
schenrechte stärken
(Tagesordnungspunkte 14 a bis c)
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Justiz: Dass wir heute diese De-
batte über den Menschenrechtsschutz in Europa führen,
ist gut und wichtig. Wir haben mit dem Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte eine äußerst wirksame
Institution, die unsere Aufmerksamkeit und Unterstüt-
zung verdient.
Fünf Punkte möchte ich ansprechen. Erstens. Der Eu-
ropäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine
große Besonderheit, wenn wir ihn mit den meisten ande-
ren internationalen Gerichten vergleichen: die Men-
schenrechtsbeschwerde. Jeder Mensch, der in Europa
lebt – und das sind circa 800 Millionen –, kann sein
Menschenrechtsproblem nach Straßburg tragen. Die
deutsche Richterin dort, Renate Jaeger, hat gesagt, es sei
ein Wunder, dass es ein solches System gebe, bei dem
auch Russland zu den Mitgliedern gehöre. Ich füge
hinzu: Wunder oder nicht – es ist eine höchst sinnvolle
und für die Menschen in Europa beruhigende Kontrolle
aller Regierungen. Manchmal ist es eben erst der Blick
von außen, der einen Fall in das rechte Licht rückt. Wir
sollten auch daran denken, dass viele Beschwerdeführer
in langen Auseinandersetzungen das Vertrauen in ihren
Staat verloren haben. Für diese Menschen ist Straßburg
häufig die letzte, manchmal auch die einzige Hoffnung.
Zweitens. Wir haben – gemeinsam mit den anderen
europäischen Staaten – schon etwas für den Europäi-
schen Gerichtshof für Menschenrechte getan. Ich spre-
che von der Ratifizierung des 14. Protokolls, das uns
auch hier im Bundestag beschäftigt hat. Dieses Protokoll
wird nach Schätzungen des Gerichtshofs eine Kapazi-
tätssteigerung von circa 25 Prozent ermöglichen. Leider
w
l
w
d
h
t
D
m
e
w
l
P
G
b
M
R
M
B
s
s
u
M
a
n
t
m
w
N
g
d
n
m
w
s
S
l
a
s
s
d
s
r
f
B
B
s
s
F
s
s
z
h
i
z
f
(C
(D
ird sein Inkrafttreten durch Russland blockiert. Russ-
and ist der einzige Staat, der noch nicht ratifiziert. Nur
enn alle Europaratsmitglieder ratifiziert haben, kann
as 14. Protokoll in Kraft treten und dem Gerichtshof
elfen. Die Bundesregierung wird das Thema ,,14. Pro-
okoll“ bei jeder Gelegenheit mit Russland ansprechen.
ie Bundeskanzlerin hat das bereits bei ihrem Treffen
it Präsident Putin in Sotschi getan.
Drittens. Das 14. Protokoll wird nicht ausreichen; bei
inem Bestand von circa 90 000 Beschwerden müssen
ir weiter denken. Der Bericht der sogenannten Weisen
iegt als Grundlage vor. Ich bin besonders froh, dass Frau
rofessor Limbach als deutsche Teilnehmerin in diesem
remium vertreten war. Wenn Sie sich den Weisenrats-
ericht anschauen, wird klar: Vieles kann nur durch die
itgliedstaaten selbst getan werden. Ausreichende
echtsbehelfe, eine gut funktionierende Justiz – das sind
ittel, mit denen man vielleicht nicht die Anzahl der
eschwerden, aber doch die Anzahl der begründeten Be-
chwerden senken kann. Damit sind wir an einem ent-
cheidenden Punkt: Auch die vielen unbegründeten und
nzulässigen Beschwerden müssen beschieden werden.
an kann die Arbeit an diesen Fällen rationalisieren,
ber man kann sie nicht abschaffen. Aus dieser Erkennt-
is hat der Weisenrat ein sogenanntes Judicial Commit-
ee vorgeschlagen, ein zusätzliches richterliches Gre-
ium. Möglicherweise ist dies ein Ausweg.
Damit bin ich bei meinem vierten Punkt. Umsonst
ird die Reform des Gerichtshofs nicht zu haben sein.
atürlich müssen wir so wirtschaftlich wie möglich vor-
ehen. Natürlich müssen auch andere Tätigkeitsgebiete
es Europarats auf den Prüfstand gestellt werden. Den-
och muss man mit Zusatzkosten rechnen. Aber aus
einer Sicht kann man das Geld kaum besser anlegen,
enn man Rechtsstaat und Menschenrechte in Europa
tützen will.
Ein letzter Punkt: Dieses Menschenrechtssystem in
traßburg, das wir nun alle so gelobt haben, kann natür-
ich nur funktionieren, wenn die Urteile des Gerichtshofs
uch befolgt werden. Manche Staaten vergessen, dass sie
ich durch Art. 46 der Konvention verpflichtet haben,
ämtliche Urteile des Gerichtshofs zu befolgen. Ich bin
eshalb sehr froh, dass sich die Parlamentarische Ver-
ammlung dieses Themas angenommen hat und nun de-
en Mitglieder in ihren 46 Heimatstaaten Initiativen ent-
alten, um die Umsetzung der Urteile zu verbessern. Das
undesministerium der Justiz informiert den Deutschen
undestag auch heute schon über die Urteile in deut-
chen Fällen. Wir fertigen seit einigen Jahren eine Über-
icht über alle Urteile und Entscheidungen in deutschen
ällen an, die auch dem Bundestag überreicht wird. Wir
ind natürlich gerne bereit, den Ausschüssen des Deut-
chen Bundestages auch im Einzelfall Rede und Antwort
u stehen.
Es wird häufig gesagt, dass der Europäische Gerichts-
of für Menschenrechte ein Opfer seines eigenen Erfolgs
st. Das ist wohl wahr. Aber wir sollten alles daranset-
en, ihn aus dieser Opferrolle zu befreien und ihn zu be-
ähigen, frei und unabhängig, nur an Gesetz und Recht
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8337
(A) )
(B) )
gebunden, für die Menschenrechte in Europa zu arbei-
ten.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Bürokratieabbau in
Europa – Kein Freibrief zum Abbau von Arbeits-
und Umweltschutz (Tagesordnungspunkt 16)
Kai Wegner (CDU/CSU): Mit einem Maßnahmen-
bündel zur besseren Rechtsetzung in der Europäischen
Union hat die Kommission Anfang des Jahres 2005 ein
Zeichen für weniger Bürokratie und eine effizientere
Verwaltung gesetzt.
Der Kommissionspräsident José Manuel Barroso be-
zeichnete dieses längst überfällige Bekenntnis zum Bü-
rokratieabbau als den besten Weg, um – ich zitiere – „die
Verwirklichung unserer ehrgeizigen Ziele für Wirtschaft,
Gesellschaft und Lebensqualität unserer Bürger voran-
zutreiben“.
Dieses Zitat belegt, dass der Antrag der Linksfrak-
tion, den wir heute diskutieren, weniger mit der Wahr-
heit, sondern viel mehr mit dem Schüren von Ängsten in
der Bevölkerung zu tun hat. Niemand hat vor, unter dem
Deckmantel des Bürokratieabbaus heimlich Arbeits- und
Umweltschutzstandards zu streichen. Richtigerweise
geht es um die Vereinfachung und Verbesserung der Ver-
ständlichkeit von europäischem Recht, und zwar im
Sinne aller Bürger der EU.
Um dies zu gewährleisten, nimmt die Europäische
Kommission bereits heute eine Folgenabschätzung ihrer
Rechtsakte vor. Diese Abschätzung bezieht sowohl wirt-
schaftliche als auch soziale und Umweltfolgen ein. Da-
rüber hinaus wird dieses zugegebenermaßen noch junge
Instrument ständig evaluiert und weiterentwickelt.
Überregulierung wie bei der allseits bekannten „EU-
Gurkenverordnung“ wird damit in Zukunft hoffentlich
ausgeschlossen. In dieser Verordnung wird auch die
Form einer Gurke gesetzlich festgeschrieben. Mit der bi-
zarren Vorgabe, dass Gurken auf 10 Zentimeter Länge
nur maximal 10 Millimeter Krümmung aufweisen dür-
fen, haben wir es laut EU-Norm nur dann mit einer wohl
geformten Gurke zu tun, wenn sie praktisch gerade ist.
Zweifelsohne werden sich schlaue Menschen sehr lange
über die Verordnung Gedanken gemacht haben. Aber
diese Entscheidung sollte Brüssel dem mündigen Bürger
wohl lieber selbst überlassen!
Neben der Frage, inwieweit bestimmte Vorschriften
wirklich notwendig sind, ist auch die Art und Weise, wie
wir Bürokratie organisieren, zu hinterfragen. So kann die
Ausnutzung bestehender technischer Möglichkeiten zu
einer erheblichen Effizienzsteigerung der Verwaltung
führen. Deutschland hat hier mit Projekten wie der elek-
tronischen Lohnsteuererklärung Neuland betreten.
Es gibt deshalb auch keinen Grund, Entbürokratisie-
rung und Deregulierung zu verteufeln. Denn wo immer
Freiheit durch unnötige bürokratische Regelungen ein-
g
E
g
g
s
d
s
5
d
w
g
k
d
T
z
r
e
v
B
v
a
M
r
w
V
e
d
c
s
t
R
z
d
z
r
d
f
v
d
E
a
s
i
s
b
s
S
B
k
(C
(D
eschränkt wird, erlahmen nicht nur unternehmerische
igeninitiative und Innovationskraft, sondern Beschäfti-
ungschancen gehen ebenfalls verloren. Dafür, Kolle-
innen und Kollegen von der Linksfraktion, darf es
elbstverständlich keinen Freibrief geben!
Die Kommission setzte sich im Jahr 2005 das Ziel, in
rei Jahren 222 Rechtsakte zu vereinfachen, neu zu
chreiben oder – falls möglich – abzuschaffen.
Die Zwischenbilanz fällt jedoch ernüchternd aus: Von
4 Rechtsakten, die im vergangenen Jahr überprüft wer-
en sollten, konnten lediglich die Hälfte abgeschlossen
erden. Die Umsetzung des Bürokratieabbaus in der EU
eht sehr viel langsamer als geplant voran.
Umso erfreulicher war die Ankündigung der Bundes-
anzlerin, das Thema Bürokratieabbau mit Beginn der
eutschen Ratspräsidentschaft wieder verstärkt auf die
agesordnung der Europäischen Union zu bringen.
Der deutschen Initiative kommt gerade deshalb eine
entrale Bedeutung in der EU zu, weil sie nicht nur be-
eits eingeleitete Maßnahmen ergänzt, sondern diese
benfalls weiter vorantreiben und in ihrer Wirksamkeit
erstärken wird.
Obwohl es noch keine verlässliche Berechnung der
ürokratiekosten in Europa gibt, gehen Schätzungen
on einem Volumen von 324 bis 600 Milliarden Euro
us. Die Europäische Kommission hat in ihrer aktuellen
itteilung „Strategische Überlegungen zur Verbesse-
ung der Rechtsetzung in der Europäischen Union“ den
irtschaftlichen Nutzen eines Abbaus von unnötigen
erwaltungslasten um 25 Prozent – im Übrigen ohne Be-
inträchtigung von deren Zielsetzung – auf 150 Milliar-
en Euro beziffert.
Der erste Schritt, um dieses Potenzial nutzbar zu ma-
hen, wurde indes unter der deutschen Ratspräsident-
chaft schon getan. Denn Kommission und Mitgliedstaa-
en haben sich jüngst darauf festgelegt, ein verbindliches
eduktionsziel bei den Informationspflichten von 25 Pro-
ent bis zum Jahr 2012 zu erreichen.
Damit nicht genug. Die Bundesregierung unterstützt
arüber hinaus die Herangehensweise der Kommission,
unächst Regelungskomplexe, die aufgrund der Erfah-
ungen in den Niederlanden und in Dänemark mit beson-
ers hohen Bürokratiekosten verbunden sind, zu verein-
achen. Die Maßnahme, die bereits zum Frühjahrsgipfel
erabschiedet werden könnte, würde die Belastungen
er Unternehmen mit einem Schlag um 1,3 Milliarden
uro pro Jahr senken.
Um bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau auch
uf europäischer Ebene zu realisieren, bedarf es ent-
chlossener Schritte. Die deutsche Ratspräsidentschaft
st meiner Meinung nach gemeinsam mit der Kommis-
ion auf dem besten Weg, nachhaltig Bürokratie abzu-
auen und Europa einfacher und für den Bürger ver-
tändlicher zu machen.
Mit dem Normenkontrollrat und der Einführung des
tandardkostenmodells haben Bundesregierung und
undestag die Weichen für eine nachhaltige Bürokratie-
ostenentlastung gestellt. Damit es aber insgesamt zu ei-
8338 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
(A) )
(B) )
ner wirksamen Entlastung von Unternehmen, Bürgern
und Verwaltung kommt, darf gerade die europäische
Ebene beim Abbau von unnötiger Bürokratie nicht feh-
len.
Gerne möchte ich meine Rede mit einem Zitat aus der
Regierungserklärung der Bundeskanzlerin und amtieren-
den Ratspräsidentin beschließen: Lassen Sie uns die
Wachstumsbremsen lösen! Lassen Sie uns selbst be-
freien von Bürokratie und altbackenen Verordnungen!
Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Erstens. Debatten
über europäische Dimension von Politik führen wir nicht
einfach entlang klassischer Grenzen von Regierungs-
und Oppositionsparteien. Deshalb ist auch der vorlie-
gende Antrag wichtig zu nehmen. Zugleich bringt es we-
nig, wenn die Linksfraktion hier bereits in der Über-
schrift mit polemischen Unterstellungen arbeitet.
Das EU-Programm sagt ausdrücklich, dass die Verrin-
gerung der Verwaltungslasten bei gleichzeitig weiterhin
geltenden hohen Standards zu erreichen ist. Für die
SPD-Fraktion jedenfalls kann ich versichern, dass wir
auf die Einhaltung dieser Zusage große Aufmerksamkeit
legen werden.
Zweitens. Die Kommission verfolgt schon seit länge-
rem das Ziel einer besseren Rechtsetzung. Ergänzt hat
sie dies jüngst durch ein Aktionsprogramm zur Verringe-
rung der Verwaltungslasten in der EU. Die Ziele der
Kommission sind zu unterstützen, sowohl, was das gene-
relle Thema besserer Rechtsetzung angeht, als auch, was
das neue Programm zur Verringerung der Verwaltungs-
lasten angeht.
Neben den eigentlichen Regelungsinhalten sind ver-
ständlichere, klarere und überschaubarere Rechtstexte
ein wichtiges Ziel beim gesetzgeberischen Handeln. Das
ist die Grundidee von besserer Rechtsetzung. Ebenso
sinnvoll ist es, die möglichen Folgen von neuen Rechts-
akten im Voraus zu beurteilen. Deshalb ist die von der
Kommission durchgeführte umfassende Folgenabschät-
zung ein gutes Instrument. Aber Politik ist keine Natur-
wissenschaft. Sie sollte sich die Folgen ihres Handelns,
soweit es eben möglich ist, vorab bewusst machen. Dies
aber ersetzt nicht den Willen, die zunehmend komplexer
werdende Welt zum Wohl der Menschen zu gestalten.
Die Mitgliedstaaten haben den Ansatz der Folgenab-
schätzung der Kommission zu Recht unterstützt. Dann
müssen sie aber auch vor der eigenen Haustüre kehren:
Auf europäischer Ebene bei der Folgenabschätzung,
was die Änderungen durch den Ministerrat betrifft:
Diese sind zum Teil sehr erheblich und können zu deut-
lich anderen Ergebnissen führen. Es wäre nur konse-
quent, wenn auch sie einer Folgenabschätzung unterzo-
gen würden. Bisher stäubt sich der Ministerrat dagegen.
Auf nationaler Ebene bei der Entlastung von Bürokra-
tiekosten: Es macht Sinn, Unternehmen dadurch zu ent-
lasten, dass beispielsweise Meldepflichten auf einfa-
chere und schnellere Art erfüllt werden können. Ziel des
Aktionsprogramms der Kommission ist es, die durch
EU-Vorschriften verursachten Verwaltungskosten um
2
t
d
d
r
t
f
w
d
t
z
v
r
h
s
k
d
l
b
w
D
A
r
t
s
B
k
i
g
n
e
E
E
d
k
t
n
B
t
u
t
n
z
v
b
w
K
d
g
m
g
s
V
A
t
(C
(D
5 Prozent zu reduzieren. Ein wichtiges Ziel, denn Un-
ernehmen können sich auf ihre eigentliche Tätigkeit,
as effiziente Produzieren und Wirtschaften zum Wohle
es Unternehmens und seiner Arbeitnehmer, konzentrie-
en. Dieses Ziel ist jede Anstrengung wert. Wenn damit
atsächlich die enormen Entlastungs- und Wachstumsef-
ekte ausgelöst werden können, wie manche erhoffen,
äre das sehr begrüßenswert.
Wenn dies aber ein so wichtiges Ziel ist, sollten auch
ie Mitgliedstaaten sich um die Verringerung der Belas-
ungen bemühen. Es gibt Widerstand gegen eine in Pro-
ent bemessene verbindliche Vorgabe. Dies ist teilweise
erständlich, etwa bei den neuen Mitgliedstaaten, die ih-
en gesamten Rechtsbestand an EU-Vorgaben angepasst
aben. Jetzt die Gesetzgebungs- und Verwaltungsma-
chine erneut anzuwerfen und die Dinge umzukrempeln,
ann auch schädlich sein. Aber zumindest sollte doch
as prinzipielle Ziel der Entlastung auch auf der nationa-
en Ebene unbestritten sein.
Drittens. Die Diskussion über Bürokratieabbau und
essere Gesetzgebung wird verstärkt unter dem Schlag-
ort „Diskontinuität bei EU-Gesetzesvorhaben“ geführt.
ie SPD lehnt diese Position als generellen politischen
nsatz ab. Der Ansatz der Befürworter entspricht einer
ein deutschen Sicht auf eine spezifisch europäische Si-
uation. Während in Deutschland der Bundestag ent-
cheidender Gesetzgeber ist und die Länder nur über den
undesrat an gesamtstaatlichen Legislativakten mitwir-
en, gibt es in der EU faktisch ein Zweikammersystem,
n dem das Europäische Parlament und der Rat zumeist
leichberechtigt sind. Allerdings sitzt der Rat immer
och oft am längeren Hebel. Während es in Deutschland
in festes Verfahren mit Zeitplänen gibt, ist dies in der
U mitnichten der Fall. Würde man also in Europa am
nde der Legislaturperiode alle Gesetzesverfahren in
en Papierkorb werfen, würde nur der Rat gewinnen: Er
ennt keine Legislaturperioden.
Was genauso wichtig ist: Die Kommission ist als Hü-
erin der Verträge und Motor der Gemeinschaft mit ei-
em exklusiven Initiativrecht ausgestattet. Sie wurde zu
eginn des Einigungsprozesses geschaffen, weil man al-
en Formen der Regierungszusammenarbeit nicht mehr
nd neuen Formen der Supranationalität einer Volksver-
retung noch nicht vertraute. Diese Konstruktion sui ge-
eris ist bekanntlich mit dem Nationalstaat nicht gleich-
usetzen. Auch geht es an der Sache vorbei, dass ständig
on bestimmten Konservativen und Liberalen gegen die
ürokratische Bevormundung aus Europa gewettert
ird, wo jeder wissen sollte, dass hinter den meisten
ommissionsinitiativen entweder die Verpflichtungen
er Verträge oder aber konkrete Wünsche aus den Mit-
liedstaaten stehen. Wer mit einem Finger auf die Kom-
ission zeigt, auf den weisen oft vier Finger zurück.
Viertens. Die Linkspartei fordert mehr Bürgerbeteili-
ung bei besserer europäischer Gesetzgebung. Recht hat
ie. Unrecht hat sie aber, weil die PDS/WASG die EU-
erfassung ablehnt. Denn im Vertragsentwurf Art. 47
bs. 4 steht ausdrücklich, dass im Rahmen der partizipa-
orischen Demokratie auch Bürgerinitiativen – mit min-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8339
(A) )
(B) )
destens einer Million Unterschriften – als neue Beteili-
gungsmöglichkeit vorgesehen sind.
Christian Ahrendt (FDP): Wir brauchen in Europa
nicht mehr Bürokratie, sondern deutlich weniger. Büro-
kratieabbau ist auch kein Arbeitsplatzkiller. Die Formel
lautet anders: Weniger Bürokratie heißt mehr Wirtschafts-
wachstum und damit mehr Arbeitsplätze.
Wir haben die Regierungserklärung der Bundeskanz-
lerin heute Morgen gehört. Bis 2011 soll die Bürokratie
in Europa um 25 Prozent abgebaut werden.
Die europäische Kommission erwartet eine nachhal-
tige Entlastung der Unternehmen und neue Wachstums-
impulse. Wir brauchen also keine Anträge zur Rettung
der Bürokratie, sondern Initiativen zu deren Abbau.
Man muss sich einfach deutlich machen, welche kon-
kreten Folgen die ausufernden Regeln für die Menschen
mit sich bringen: Die höchste Erhebung in Mecklenburg-
Vorpommern erreicht stolze 179 Meter über dem Mee-
resspiegel.
Dieser Berg verfehlt also nur knapp das Niveau der
Zugspitze. Deswegen brauchte er ein Seilbahngesetz.
Ohne dieses wichtige Gesetz wäre es uns in Mecklen-
burg-Vorpommern nicht möglich, eine Kabinenbahn hi-
nauf auf den mit 179 Metern höchsten Berg des Landes zu
bauen und ihn für die Menschen zu erschließen. Tatsa-
che ist natürlich, dass der Berggipfel gut zu Fuß erreich-
bar ist und Seilbahngondeln hierfür nicht benötigt wer-
den. Tatsache ist aber auch, dass wir trotzdem ein
Seilbahngesetz in Mecklenburg-Vorpommern haben, das
nach allen Regeln der parlamentarischen Demokratie das
Gesetzgebungsverfahren durchlaufen hat. Hätte der
Landtag das Gesetz nicht verabschiedet, wären Strafgel-
der in Höhe von rund 791 000 Euro nach Brüssel zu zah-
len gewesen.
Die Reihe von Beispielen unsinniger Vorschriften
lässt sich fortsetzen – ich will in meinem Bundesland
bleiben –: Sie wissen, Mecklenburg-Vorpommern ist in
Deutschland Tourismusland Nummer eins. Gerade in
diesem Wirtschaftszweig entstehen viele Arbeitsplätze.
Dazu gehören zahlreiche Minijobs, was auf das Sai-
songeschäft in dieser Branche zurückzuführen ist.
Wichtigste Aufgabe eines Gastronomen ist die zu-
frieden stellende Bewirtung seiner Gäste. Stattdessen
plagen diese Unternehmer umfangreiche Meldepflich-
ten. Bei jedem neuen Einsatz muss eine Aushilfe an-
und wieder abgemeldet werden. Das ist nun nicht mit ei-
nem Anruf getan. Das wäre auch zu einfach. Stattdessen
müssen jedes Mal von neuem umfangreiche Fragebögen
ausgefüllt werden, um der Meldepflicht ordnungsgemäß
nachzukommen.
Die meisten Betriebe bei uns im Land sind Klein- und
Kleinstbetriebe. Die Zahl der Angestellten liegt in den
meisten Unternehmen bei zehn bis 20 Angestellten.
Die bürokratiebedingten Kosten liegen für einen Be-
schäftigten der gerade genannten Betriebsgröße bei
2 782 Euro pro Mitarbeiter und Jahr. Das heißt, ein klei-
n
2
B
D
d
w
F
l
A
R
d
g
D
l
a
w
r
a
d
B
A
s
v
r
n
b
n
t
K
R
g
R
n
ü
W
t
s
D
A
R
b
S
k
s
m
p
n
u
g
w
z
(C
(D
es Unternehmen mit zehn Mitarbeitern wird im Jahr mit
2 820 Euro belastet.
Solche Kosten sind nicht hinnehmbar. Die ausufernde
ürokratie ist zu einem gefährlichen Jobkiller geworden.
enn das Geld für Melde- und Statistikpflichten fehlt
en Unternehmen für Investitionen. Und schon sind wir
ieder bei der ganz einfachen eingangs schon erwähnten
ormel: Geringere Bürokratiekosten schaffen wirtschaft-
iches Wachstum, und wirtschaftliches Wachstum schafft
rbeitsplätze.
Der Antrag der PDS geht deswegen in die falsche
ichtung. Eine Initiative für den Bürokratieabbau wäre
ie bessere Alternative gewesen, zumal die Bundesre-
ierung über Ankündigungen nicht hinausgekommen ist.
enn entgegen den Bekundungen von Frau Bundeskanz-
erin Merkel, auch in Deutschland 25 Prozent Bürokratie
bzubauen, wird mit dem Normenkontrollrat und der vor
enigen Wochen beschlossenen Gesundheitsreform Bü-
okratie aufgebaut.
An die Adresse der Regierung bleibt deswegen nur zu
ppellieren: Nehmen Sie die Gesundheitsreform zurück,
ann haben Sie schon einen guten Schritt in Richtung
ürokratieabbau geleistet, auch wenn damit nur auf den
ufbau einer neuen Bürokratie verzichtet würde.
Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Die Europäi-
che Union hat sich in den letzten Jahren immer weit
on den Menschen weg entwickelt. Warum? – Eine inte-
essante Antwort gab Arbeitsminister Müntefering in ei-
em Interview am letzten Wochenende: Die EU stehe
ei vielen Menschen für Ökonomie und Wettbewerb,
icht aber für sichere Arbeitsplätze und soziale Gerech-
igkeit.
Das ist eine Analyse, die die Linke teilt. Genau diesen
urs verschärft jedoch die Bundesregierung in ihrer EU-
atspräsidentschaft. Sie unterstützt ein Aktionspro-
ramm der Europäischen Kommission für eine bessere
echtsetzung, gern auch als Bürokratieabbau bezeich-
et.
In der Öffentlichkeit wird behauptet, hier werden
berflüssige Vorschriften und Gesetze abgebaut, um die
irtschaft von gesetzlichen Auflagen und Meldepflich-
en zu befreien. Schon lange kritisieren jedoch Gewerk-
chaften und Umweltverbände: Hier werden unter dem
eckmantel des Bürokratieabbaus soziale Rechte von
rbeitnehmern und Umweltschutz abgebaut.
Ich erinnere nur an die sogenannte Sonnenschutz-
ichtlinie. Ursprünglich sollte diese EU-Vorschrift Ar-
eitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor übermäßiger
onneneinstrahlung und damit möglichen Hautkrebser-
rankungen schützen. Die Gewerkschaft der Bauarbeiter
tellt völlig richtig fest: Bei der als bürokratisch diffa-
ierten Richtlinie gehe es nicht um Regelungswut und
raxisferne Gesetze, sondern um die Gesundheit und das
ackte Leben von Menschen, die körperlich hart arbeiten
nd dabei stunden- und tagelang der heißen Sonne aus-
esetzt sind. In der dann „entbürokratisierten“ Richtlinie
ar von übermäßiger UV-Strahlenbelastung nichts mehr
u lesen.
8340 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
(A) )
(B) )
Die Maßnahmen der EU zum Bürokratieabbau sind
grundsätzlich falsch aufgestellt: Sie messen die angeb-
lich finanziellen Belastungen für Unternehmen, nicht
aber den gesellschaftlichen Nutzen.
Dieser „Bürokratieabbau“ hat nichts mit einer besse-
ren Rechtssetzung zu tun, sondern ist ein sozialer Rück-
schritt.
Deshalb haben wir als Linke den vorliegenden Antrag
eingebracht. Die Linke streitet dafür, den bisherigen
Kurs des Bürokratieabbaus mit seiner einseitigen Aus-
richtung auf die Interessen der Wirtschaft zu korrigieren.
Die Linke will Gewerkschaften, Sozial- und Umwelt-
verbände stärker in das Verfahren einer besseren Recht-
setzung einbeziehen. Die Linke will Vorschriften und
gesetzliche Regelungen zu allererst nach ihrem gesell-
schaftliche Nutzen beurteilt wissen und nicht nur nach
dem Aufwand und den Kosten, die möglicherweise für
Unternehmen entstehen.
„Gesetze fesseln die Kräfte des freien Marktes“, das
war die Botschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel
zum Thema Bürokratieabbau und Freiheit auf dem Welt-
wirtschaftsforum in Davos im letzten Jahr.
Die Linke ist der Ansicht, solche Fesseln sind not-
wendig. Sozial- und Umweltgesetze müssen verteidigt
und ausgebaut werden. Alles andere wäre eine Rückkehr
zum Kapitalismus des 19. Jahrhunderts.
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die europäische Initiative „Better Regulation“ hat das
Ziel, bestehende Bürokratiekosten auf der europäischen
Ebene abzubauen. Dazu soll endlich ein einheitliches eu-
ropäisches Verfahren zur Messung von Bürokratiekosten
durchgesetzt werden. Bis 2012 sollen die Verwaltungs-
kosten insgesamt um 25 Prozent gesenkt werden.
Die Vorschläge der EU-Kommission gehen aus mei-
ner Sicht in die richtige Richtung. Ich halte gar nichts
davon, bei der Diskussion um Bürokratieabbau von ei-
nem Extrem ins andere zu fallen. Die FDP tut regelmä-
ßig so, als ob Regelungen und Bürokratie prinzipiell von
Übel seien. Dies gilt insbesondere dann, wenn damit so-
ziale und ökologische Standards gesetzt werden sollen.
Die Linkspartei vermutet hinter jeder Diskussion über
Bürokratieabbau nichts anderes als den Abbau von so-
zialen und ökologischen Standards.
Ich meine, wir sollten es uns mit solchen Stereotypen
nicht zu leicht machen. Selbstverständlich brauchen wir
eine effiziente und handlungsfähige Bürokratie, um ei-
nen sozialen und ökologischen Ordnungsrahmen zu set-
zen, in dem sich Markt und Wettbewerb frei entfalten
können. Wettbewerb braucht Spielregeln und eine effi-
ziente Verwaltung, die diese Spielregeln definiert und
durchsetzt. Bürokratie ist daher kein Selbstzweck. Rich-
tig ist aber auch, dass nur eine effiziente, schlanke und
transparente Regulierung den Marktteilnehmern klare
Vorgaben gibt und sie in die Lage versetzt, gute Ergeb-
nisse zu produzieren. Das hat für uns nichts mit dem Ab-
bau von sozialen und ökologischen Standards zu tun. Im
Gegenteil. Für uns gilt: Schlanke und effiziente Verwal-
t
S
u
z
w
R
d
m
s
a
d
E
g
s
d
w
t
m
e
d
n
S
d
a
a
E
a
h
r
b
d
K
p
t
K
k
d
d
w
s
a
n
w
A
B
D
i
R
(C
(D
ungen sind Voraussetzung, um soziale und ökologische
tandards wirksam durchzusetzen.
Mit der Schaffung des europäischen Binnenmarktes
nd der Europäischen Union sind vielerlei Rechtset-
ungskompetenzen auf die europäische Ebene verlagert
orden. Dabei haben wir es häufig mit überkomplexen
egulierungen zu tun oder mit Regelungen, die vollstän-
ig überflüssig erscheinen. Besonders pikant erscheint
ir dabei, dass dieser Unsinn häufig das Ergebnis politi-
cher Tauschgeschäfte im europäischen Ministerrat ist,
n der deutsche Regierungsvertreter, auch von der Lan-
esebene, kräftig mitgewirkt haben.
Ich begrüße es daher, wenn nun auf europäischer
bene der Versuch unternommen wird, eine bessere Re-
ulierung durchzusetzen und Verwaltung effizienter und
chlagkräftiger zu organisieren. Darüber hinaus sollen
ie Unternehmen von überflüssigen Kosten entlastet
erden. Dies ist insbesondere für mittelständische Un-
ernehmen von großer Bedeutung. In diesem Zusam-
enhang möchte ich auch auf die Notwendigkeit einer
inheitlichen europäischen Bemessungsgrundlage bei
er Unternehmensteuerreform hinweisen. Damit kön-
en Hürden abgebaut werden, die das unterschiedliche
teuerrecht gerade für kleine und mittlere Unternehmen
arstellt und sie von grenzüberschreitenden Aktivitäten
bhält.
Wir werden im Ausschuss noch Gelegenheit haben
uf Einzelheiten des Antrages der Linksfraktion und der
U-Initiative „Better Regulation“ einzugehen. Eines
ber schon mal vorweg: Ein aussagekräftiges und ein-
eitliches europäisches Verfahren zur Messung von Bü-
okratiekosten ist Voraussetzung, um beim Bürokratieab-
au voranzukommen. EU-Kommissar Verheugen setzt
abei auf das Standardkostenmodell. Damit sollen die
osten, die den Unternehmen durch Informationsver-
flichtungen entstehen, berechnet werden. Mit der Kos-
enberechnung durch das Standardkostenmodell wird die
ommission etwas besser wissen, wodurch Bürokratie-
osten tatsächlich entstehen. Aber genau wie die Bun-
esregierung fasst sie den Auftrag, der mit dem Stan-
ardkostenmodell erfüllt werden soll, zu eng: Erfasst
erden nur die durch Informationsverpflichtungen ent-
tehenden Bürokratiekosten. Besser wäre es dagegen,
lle administrativen Kosten als Bürokratiekosten zu defi-
ieren, die durch öffentliche Anforderungen ausgelöst
erden.
nlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Oldtimer von Fein-
staub-Fahrverboten ausnehmen (Tagesordnungs-
punkt 19)
Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Im Deutschen
undestag sind wir alle daran interessiert, dass es in
eutschland keinen Fleckenteppich an Regelungen, egal
n welchem Einzelbereich, gibt. Die Diskussion über das
auchverbot zeigt doch, wie positiv Kompromisse zwi-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8341
(A) )
(B) )
schen Bund und Länder aufgenommen werden. So soll
es auch bei der Feinstaubdebatte und den damit einher-
gehenden Fahrverboten sein. Wir erleben eine große
Verunsicherung auf diesem Gebiet und ungeklärte Zu-
ständigkeitsdiskussionen. Wann tritt was wo in Kraft?
Ausgelöst wurde diese grundsätzliche Fragestellung
durch Regelungen der europäischen Ebene. Subsidiarität
ist an sich sehr gut und das politische Ziel meiner Frak-
tion, Entscheidungen und Zuständigkeiten möglichst vor
Ort zu treffen, trägt zur Stärkung der Ebenen vor Ort bei;
das heißt in diesem Fall bei den Kommunen. Bei der
Fahrverbotsdiskussion kann es aber dazu führen, dass
ein Durcheinander der Regelungen und Verbote zu Ver-
unsicherungen beim Bürger führt. Deshalb finde ich es
gut, dass, wie bei einer Podiumsdiskussion beim
DEUVGT, dem Oldtimerdachverband, im Meilenwerk
Berlin vor ein paar Monaten, alle daran teilnehmenden
Fraktionen – CDU/CSU, SPD und FDP – sich des The-
mas angenommen haben, die FDP eine Kleine Anfrage an
die Bundesregierung gestartet hat und auf dieser Basis
den dieser Debatte zugrunde liegenden Antrag formu-
liert hat.
Es gibt 470 000 Oldtimer in Deutschland, davon sind
fest angemeldet mit H-Kennzeichen, also dem speziellen
Oldtimerkennzeichen, 153 000. Der Wirtschaftsbereich
Oldtimer boomt. Wir freuen uns, dass es Meilenwerke
oder Ofenwerke genauso wie andere Oldtimerzentren
wie Gut Hitzeisberg am Chiemsee gibt, wo großartige
Investitionen von Unternehmern getätigt wurden.
Deutschland, das Tourismusland wird auch durch eine
tolle Oldtimerszene aufgewertet. Viele Übernachtungen
– in Europa 2,68 Millionen – werden von Oldtimer-
fahrern gebucht. 16 Milliarden Euro werden nach einer
Studie der FIVA, in der zehn EU-Länder untersucht wur-
den, im Bereich der historischen Fahrzeuge umgesetzt.
Das heißt für Deutschland alleine 4,8 Milliarden Euro
mit etwa 55 000 Vollzeitbeschäftigten. In Deutschland
gibt es 1,2 Millionen Oldtimerinteressierte, die auch auf-
lagenstarke Fachzeitschriften konsumieren; eine Zahl
von circa 900 000 kann man hier nennen. Das ist ein
wirtschaftlich sehr interessanter Bereich.
Dies alleine ist sicher keine Begründung für oder ge-
gen Fahrverbote. Die emotionale Ebene ist aus meiner
Sicht entscheidend. Wissen die Kommunalpolitiker, die
auch die Oldtimer mit Fahrverbot belegen wollen, dass
ihre Stadt dann von der Landkarte der Oldtimerfahrer,
der Organisatoren von Oldtimerveranstaltungen gestrichen
wird? Wie schön sind „Classic Days“ von Mercedes
Benz am Salzburgring und in Salzburg, an der viele Tau-
send Zuschauer teilnehmen. Welchen Marketingeffekt
haben solche Veranstaltungen in den Regionen? Viele
Autokonzerne nehmen den Oldtimer zur Imageverbesse-
rung oder für Marketingzwecke sehr gerne, siehe aktu-
elle Werbung von Volkswagen für den Golf.
Wir alle stellen uns gerne auf ein Foto zur Eröffnung
einer Oldtimerrallye, auch eine Kulturveranstaltung zur
Pflege automobilen Kulturgutes. Vielleicht bin ich hier
zu emotional, weil ich selbst dieses Hobby habe, alte Au-
tos zu pflegen und – wenn es die Zeit erlaubt – auch – oh
Wunder – zu fahren. Ich weiß, als überzeugter Verkehrs-
p
u
d
d
B
r
e
i
z
G
w
G
f
h
F
E
n
e
v
a
e
9
b
d
F
z
e
g
s
a
o
h
E
H
t
–
d
o
d
S
m
s
A
d
v
B
s
w
z
b
e
u
r
l
w
(C
(D
olitiker meiner Fraktion nerve ich oft meine Kolleginnen
nd Kollegen mit meinem Enthusiasmus. Ich entschul-
ige mich schon im Voraus für kommende Diskussionen
afür.
Die Oldtimer sind nicht eine Sache von wohlhabenden
evölkerungsgruppen oder – wie sagt man – „den obe-
en Zehntausend“. Nein, weiß Gott nicht. Nicht jeder hat
inen 300 SL Flügeltürer oder einen Bugatti Monoposto
n der Garage stehen. Viele junge Leute mit ihren Eltern
usammen, schrauben in Hinterhofgaragen an einem
olf I oder einem 02er BMW. Sie treffen sich – davon
eiß ich selbst ein Lied zu singen – in Garagen mit
leichgesinnten und sparen auf das nächste Ersatzteil
ür eine Restauration, müssen da so manchen Kampf
insichtlich der Freigabe der finanziellen Mittel in der
amilie eingehen. Das ist die Realität der Alters- und
inkommensverteilung von Oldtimerbesitzern. Nicht
ur die in Hochglanzbroschüren abgebildeten Fahrzeug-
xoten, sondern die Fahrzeuge aus dem Alltag längst
ergangener Zeit machen den größten Teil des Fuhrparks
us.
Etwa 70 Prozent aller historischer Fahrzeuge haben
ine Jahresfahrleistung von weniger als 1 500 Kilometer.
9 Prozent der Fahrzeuge werden nur zwischen Ostern
is Ende Oktober eines Jahres bewegt. Verglichen mit
er durchschnittlichen jährlichen Kilometerleistung aller
ahrzeuge haben Oldtimer einen Anteil von 0,07 Pro-
ent am gesamten Straßenverkehr. Bei der Restaurierung
ines Oldtimers wird weitestgehend Altmaterial in Stand
esetzt, das ist weit weniger energieintensiv und umwelt-
chonender als bei der Produktion von Neuwagen. Vor
llem ist hier wirklich handwerkliche Fähigkeit gefragt,
hne dass Roboter zum Einsatz kommen.
Mit diesem Plädoyer für den Wirtschaftbereich Oldtimer
abe ich einmal grundsätzlich die interessanten, positiven
ntwicklungen dargestellt, zugegeben etwas stark mit
erzblut versehen. Gespannt bin ich, wenn eine Old-
imerveranstaltung stattfindet, ob die Mandatsträger sich
obwohl sie sich für Fahrverbote ausgesprochen haben –
och aufs Foto stellen. Die „Retro Classic“ in Stuttgart
der die „Techno Classica“ in Essen werden im Frühjahr
ie ersten Prüfsteine sein.
Zudem ein kleiner Exkurs: Was machen Sie mit den
chaustellern und Zirkusfahrzeugen? Sie sind oft auch
it sehr altem und historischen Wagenmaterial ausge-
tattet. Die müssen sich erst vor einem Volksfest die
usnahmegenehmigung vor Ort besorgen, dass sie auf
en Festplatz kommen. Ich wünsche dabei jetzt schon
iel Spaß!
Gespannt bin ich, wie beispielsweise der Regierende
ürgermeister Berlins, Herr Wowereit, sich bei Veran-
taltungen im Meilenwerk in der Wiebestraße äußert,
enn die Fahrzeuge aufgrund des Fahrverbots nur noch
u Ausstellungsstücken degradiert sind. Ein Oldtimer-
esitzer, der in den Plexiglasgaragen seinen Wagen hier
ingestellt hat, braucht einen Trailer oder Hubschrauber,
m den Wagen an die Stadtgrenze Berlins zu transportie-
en, abzusetzen und dann nach dem Ortsschild Berlins
osfahren zu können. Den Wahnsinn erkennt man dann,
enn das Zugfahrzeug des Autoanhängers zum Beispiel
8342 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
(A) )
(B) )
ein Porsche Cayenne oder ein Q7 oder ein Toyota Land-
cruiser ist, der einen heftigeren Ausstoß hat als der Old-
timer selbst, der hinten drauf ist.
Wir brauchen praktikable Lösungen. Deshalb bin ich
dankbar für den Antrag der FDP-Fraktion. Lassen Sie
uns gemeinsam diese offene Flanke beheben; denn die
Bürger verstehen diesen Fleckenteppich doch nicht. Lassen
Sie uns die Zuständigkeiten klären. Deshalb wird meine
Fraktion vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages
auch noch ein Gutachten einholen, wer was regeln kann
und soll. Wir bitten die Bundesregierung, federführend
das Verkehrsministerium und das Umweltministerium,
mit den zuständigen Länderministerien und den kommu-
nalen Spitzenverbänden hier eine Lösung zu erarbeiten.
Wir haben steuerlich den Besitzern der roten 07er-Kenn-
zeichen sicher schon einiges zugemutet. Lassen Sie uns
überlegen, ob wir die H-Kennzeichen von der Fahrverbots-
regelung ausnehmen und eine generelle Ausnahmeregelung
mit der Schlüsselnummer 98 schaffen. Ich freue mich
auf die Beratungen, um den Bereich Oldtimer im Lichte
der Öffentlichkeit auch mal sehr positiv darzustellen und
die Potenziale, die darin liegen. Ich appelliere an die
Verbände, sich hierbei konstruktiv einzubringen. Meine
Fraktion ist dazu bereit.
Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): In dem Antrag
der FDP-Fraktion, über den wir uns hier unterhalten
wollen, fehlt mir der Hinweis darauf, wieso Städte und
Kommunen Fahrverbote in Umweltzonen aussprechen.
Es klingt in Ihrem Text so, als ob die Fahrverbote erteilt
werden, um die Liebhaber historischer Fahrzeuge zu
ärgern, den Wirtschaftsfaktor kaputtzumachen und die
Oldtimer-Werkstätten in den Zentren der Städte in den
Ruin zu treiben. Der eigentliche Hintergrund für die
Fahrverbote ist die Erkenntnis, dass Schadstoffe in der
Luft zu Atemwegserkrankungen führen und krebserregend
sind.
Hierzu einige Fakten: Nach Untersuchungen der Welt-
gesundheitsbehörde wurde im Jahr 2000 durch Partikel
die durchschnittliche Lebenszeit aller Europäer im Mittel
um 8,6 Monate und in Deutschland sogar um 10,2 Monate
verkürzt. Schon 1954/55 – also vor mehr als fünfzig Jah-
ren – wurde die tumorbildende Wirkung von Dieselmotor-
abgasen auf Mäusehaut beschrieben. Tests in den 70er-
Jahren und 80er-Jahren bestätigten den Verdacht, dass
Dieselmotorabgas bei Ratten Lungentumore erzeugt.
In neueren Untersuchungen wurde ein eindeutiger Zu-
sammenhang zwischen Partikelexposition und Gesamt-
mortalität, Mortalität durch Herz-Kreislauf-Erkrankun-
gen und bei Lungenkrebs festgestellt. Kinder und
Menschen über 65 Jahren reagieren auch auf niedrige
Konzentrationen.
Im Zuge der Umsetzung der Aktions- und Luftrein-
haltepläne sind ganzjährige Fahrverbote für Fahrzeuge
mit veralteter Abgastechnik der Schadstoffgruppe 1 in
Umweltzonen vorgesehen. Die FDP möchte für das Kultur-
gut Oldtimer eine generelle Ausnahmeregelung. Sie be-
klagt, dass die gesamte Wirtschaftsbranche Oldtimer und
die spezialisierten Werkstätten vor dem Aus stehen.
e
A
d
la
b
d
S
s
e
3
h
e
F
u
U
D
d
d
F
i
w
K
o
s
E
s
d
s
G
o
F
z
K
d
s
S
m
i
d
1
w
u
r
D
K
f
P
v
e
A
0
(C
(D
Obwohl die Oldtimer am gesamten Pkw-Bestand nur
inen Anteil von circa 0,44 Prozent haben, betragen ihre
nteile nach Berechnungen des Umweltbundesamtes an
en gesamten Otto-Pkw-Schadstoffemissionen in Deutsch-
nd – trotz der geringeren Fahrleistung – circa 6 Prozent
ei den Kohlenmonoxidemissionen circa 5 Prozent bei
en Kohlenwasserstoffen und circa 3 Prozent bei den
tickoxidemissionen. Dies liegt an den hohen spezifi-
chen Emissionen der alten Fahrzeuge. Im Vergleich zu
inem modernen Euro-4-Otto-Pkw emittieren Oldtimer
5-mal höhere CO-, 60-mal höhere VOC- und 45-mal hö-
ere NOx-Emissionen. Der Anteil an den Feinstaub-
missionen kann nicht quantifiziert werden.
Auch wenn nicht der direkte Zusammenhang zum
einstaubausstoß besteht, handelt es sich bei den Oldtimern
m Dreckschleudern, die mit ihren Schadstoffen die
mwelt und die Gesundheit der Bevölkerung belasten.
ass allein in Deutschland pro Jahr 65 000 Menschen an
en Folgen der Luftverschmutzung sterben und 30 Prozent
er Kinder an Atemwegserkrankungen leiden, hat zu den
ahrverboten für Fahrzeuge mit veralteter Abgastechnik
n Umweltzonen geführt. Dies sollte nicht vergessen
erden.
Heute tritt die sogenannte Feinstaubverordnung in
raft. Eigentlich handelt es sich dabei um die 35. Ver-
rdnung zur Durchführung des Bundes-Immissions-
chutzgesetzes.
In Deutschland gilt seit Beginn des Jahres 2005 eine
U-Richtlinie, die besagt, dass die Grenzwerte für Fein-
taub „nur“ an 35 Tagen im Jahr überschritten werden
ürfen. Allerdings wurden diese Grenzwerte für Fein-
taub in den vergangenen Jahren in allen deutschen
roßstädten um ein Vielfaches überschritten. Die Ver-
rdnung soll die Kommunen nun in die Lage versetzen,
ahrzeuge mit zu hohem Schadstoffausstoß aus Umwelt-
onen in den Innenstädten zu verbannen.
Wie groß eine Umweltzone wird, definiert die jeweilige
ommune selber. In der Regel handelt es sich dabei um
ie Bereiche einer Stadt, die besonders stark mit Fein-
taub belastet sind. Die Umweltzonen werden durch
childer gekennzeichnet sein. Auf diesen Schildern kann
an ersehen, welche Plakettenfarbe zur Weiterfahrt nötig
st. Stuttgart, München und Düsseldorf planen noch in
iesem Jahr die Ausweisung einer Umweltzone. Ab
. Januar 2008 will auch Berlin eine Umweltzone aus-
eisen. Diese wird dann die größte in Deutschland sein
nd 88 Quadratkilometer umfassen.
Ob und, wenn ja, welche Plakette ein Fahrzeug erhält,
ichtet sich nach der Schadstoffgruppe. Autos mit altem
iesel-Motor – Euro 1 und schlechter – und Benziner ohne
atalysator oder Kat-Fahrzeuge der ersten Generation
allen in die Schadstoffgruppe 1 und bekommen keine
lakette. Solche älteren Fahrzeuge wären also in Zukunft
on Fahrverboten betroffen – es sei denn, sie werden mit
inem Katalysator oder Rußfilter nachgerüstet.
Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass viele alte
utos bald sowieso verschrottet werden, und spricht von
,9 Millionen Diesel-Fahrzeugen und 2,3 Millionen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8343
(A) )
(B) )
Benzinern, die den Anforderungen nicht entsprechen
werden.
Bisher sind von Fahrverboten in den Umweltzonen
ausgenommen nur Mofas, Motorräder, die wenigen Trikes
und Quads, Arbeitsmaschinen, Krankenwagen, Polizei-
und Militärfahrzeuge sowie Fahrzeuge von Schwer-
behinderten.
Eine Ausnahme für Oldtimer gibt es bisher nicht. Das
Fahrverbot in der Umweltzone heißt im Übrigen nicht,
dass Oldtimer gar nicht mehr fahren dürfen, sondern ledig-
lich, dass diese in Zukunft auf die Sonntagsrunden um
den Gendarmenmarkt verzichten oder diese einschrän-
ken müssen.
Die zuständigen Landesbehörden verfügen über
Möglichkeiten, im eigenen Ermessen Ausnahmen vom
Fahrverbot auszusprechen. Über mögliche Ausnahme-
regelungen sollte vor Ort unter Berücksichtigung der
vorhandenen Immissionsbelastungen entschieden werden,
zumal die Belastungssituation nicht bundeseinheitlich
ist. Das Land Berlin zum Beispiel überlegt, für Oldtimer
ein Kilometerkontingent zu erteilen.
Auch die Bundesregierung hält zum jetzigen Zeit-
punkt eine bundesweite Ausnahmeregelung von der
Kennzeichnungsverordnung für Oldtimer für nicht erfor-
derlich. Für die Förderung des Brauchtums und des
Kulturgutes sind meiner Meinung nach jedoch keine
generellen Ausnahmegenehmigungen nötig, sondern es
reichen Spezialgenehmigungen zu besonderen Ereignis-
sen, zum Beispiel Sternfahrten, Oldtimer-Ralleys oder
Jahres- und Gedenktage.
Die vielen laut gewordenen Ansprüche auf Ausnahmen
werden von den Ländern aufgegriffen und im Bundesrat
neuerlich eingebracht. Eine einheitliche Anwendung der
Ausnahmegenehmigungen durch die Bundesländer ist
wünschenswert.
Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Wir beraten
heute in erster Lesung einen Antrag meiner Fraktion, mit
dem wir den Bundesgesetzgeber auffordern, generelle
bundesweite Ausnahmeregelungen für Oldtimer von
feinstaubbedingten Fahrverboten zu ermöglichen.
Hintergrund ist die vor einem Jahr beschlossene
Kennzeichnungsverordnung, die heute in Kraft getreten
ist. Sie sieht die bundeseinheitliche Kennzeichnung von
Kraftfahrzeugen mit Schadstoffplaketten nach der Höhe
ihrer jeweiligen Schadstoffemissionen vor. Mit dem
ebenfalls neu eingeführten Verkehrszeichen „Umwelt-
zone“ haben Städte und Kommunen die Möglichkeit, auf
der Basis von Luftreinhalteplänen der Bundesländer
Fahrverbote für Kraftfahrzeuge auszusprechen.
Weithin ist eine große Verunsicherung bei den Men-
schen darüber entstanden, welche Kommunen denn nun
Umweltzonen einrichten werden und welche Fahrzeuge
denn von Fahrverboten betroffen sein werden. Eine
Fahrzeuggruppe, die beim Erlass von Fahrverboten ganz
sicher betroffen sein wird sind historische Kraftfahr-
zeuge, die sogenannten Oldtimer.
o
e
F
t
t
F
z
O
1
l
d
D
d
G
k
D
i
A
6
d
m
k
F
s
v
t
n
s
d
K
t
a
s
O
m
d
s
n
u
r
n
C
z
u
w
i
d
s
M
c
r
M
d
c
u
d
G
(C
(D
Oldtimer sind Fahrzeuge, deren Erstzulassung vor 30
der mehr Jahren erfolgte und die weitestgehend original
rhalten sind. Mit dem guten Erhaltungszustand dieser
ahrzeuge dienen Oldtimer der Pflege des kraftfahrzeug-
echnischen Kulturgutes in Deutschland. Eine Nachrüs-
ung von Oldtimern mit Schadstofffiltern ist in vielen
ällen technisch nicht möglich und verbietet sich nicht
uletzt aufgrund der wünschenswerten Erhaltung des
riginalzustands dieser Fahrzeuge.
Die Zahl dieser Fahrzeuge in Deutschland ist mit rund
50 000 als Oldtimer mit einem H-Kennzeichen zuge-
assenen Fahrzeugen überschaubar. Schätzungen zufolge
ürften insgesamt weniger als 300 000 Fahrzeuge in
eutschland als Oldtimer gelten. Die überwiegende Zahl
ieser Fahrzeuge ist mit Ottomotoren ausgerüstet, die im
egensatz zu Dieselmotoren nur geringe oder überhaupt
eine antriebsbedingten Feinstaubemissionen aufweisen.
ie durchschnittliche Jahresfahrleistung von Oldtimern
st zudem gering. Obwohl die Bundesregierung in ihrer
ntwort auf eine Kleine Anfrage der FDP von etwa
600 Kilometern pro Jahr und Fahrzeug spricht, liegt
ie tatsächliche Jahresfahrleistung von Oldtimern ver-
utlich bei weniger als der Hälfte dieser Zahl. Deshalb
ann davon ausgegangen werden, dass ihr Anteil an den
einstaubbelastungen insgesamt verschwindend niedrig
ein dürfte. Ein generelles Fahrverbot für Oldtimer, das
ielleicht durch einen Flickenteppich von kommunal un-
erschiedlichen Ausnahmen ausgehöhlt wird, ist unsin-
ig und wird das Feinstaubproblem in unseren Innen-
tädten sicher nicht lösen. Deshalb sollten Oldtimer
urch eine entsprechende Ergänzung der Verordnung zur
ennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Bei-
rag zur Schadstoffbelastung generell von Fahrverboten
usgenommen werden.
Bevor man nun die Hände über dem Kopf zusammen-
chlägt und sagt, bundesweite Ausnahmeregelungen für
ldtimer kommen auf gar keinen Fall infrage, bedenke
an Folgendes: Das Auto wurde in Deutschland erfun-
en. Es ist Teil unserer Geschichte, Teil unseres histori-
chen Kulturgutes, und bei allen Herausforderungen, de-
en wir uns heute gegenüber sehen, ist es auch Teil
nserer Zukunft; denn auf absehbare Zeit ist es aus unse-
em Wirtschaftsleben nicht wegzudenken. Welches Sig-
al senden wir in die Welt, wenn wir den historischen
harme von Oldtimern, die die Aufmerksamkeit auf sich
iehen, wenn sie durch die Stadt fahren, für immer aus
nseren Innenstädten verbannen? Welches Signal senden
ir, wenn wir diesen Teil unserer Geschichte für immer
ns Museum verbannen?
Oldtimer waren bisher in Deutschland ein wachsen-
er und sind damit ein zunehmend wichtiger Wirt-
chaftsfaktor. Allein in Deutschland lassen sich mehrere
illiarden Euro Umsatz jährlich den Bereichen Versi-
herungen, Fahrzeughandel, Reparatur und Restaurie-
ung von Oldtimern zuordnen. Eine große Zahl von
essen, Oldtimervorführungen und -fahrten finden je-
es Jahr statt und ziehen damit Hunderttausende Besu-
her an. Bereits die seit Monaten laufende Diskussion
m Fahrverbote hat zu spürbaren Umsatzeinbußen in
iesem Wirtschaftszweig geführt. In vielen deutschen
roßstädten sind zahlreiche Handwerksbetriebe auf Old-
8344 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
(A) )
(B) )
timer spezialisiert. Etliche Oldtimergaragen im Ruhrge-
biet sind von der Schließung bedroht, in München und
Stuttgart – so war vor wenigen Tagen in einer großen
Zeitung zu lesen – haben Besitzer von Oldtimern bereits
begonnen, ihre Fahrzeuge zu verkaufen. Und all das ver-
antworten Koalitionsfraktionen in der irrigen Annahme,
sie würde das Feinstaubproblem lösen, wenn sie Oldti-
mer aus unseren Innenstädten verbannen. Ich fordere,
Fakten und Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen und nicht
– wie schon viel zu oft geschehen – die Menschen zu
gängeln und Wirtschaftszweige in der Annahme zu-
grunde zu richten, irgendein Problem damit zu lösen.
Lutz Heilmann (DIE LINKE): Heute ist die soge-
nannte Plakettenverordnung in Kraft getreten – die Sie
von der FDP mit ihrem Antrag ändern wollen. Sie kom-
men mit Ihrem Antrag also reichlich spät, zumal diese
Verordnung jahrelang zwischen Bund und Ländern
diskutiert wurde. Dabei wurde eine Ausnahmegenehmi-
gung für Oldtimer abgelehnt, weil diese auch im Ver-
gleich zu den von Fahrverboten ausgenommen Motorrä-
dern keine emissionsarmen Fahrzeuge sind.
Feinstaub ist eine der größten Umweltbelastungen,
die direkt die Gesundheit von uns allen gefährdet. Wenn
man also über Ausnahmegenehmigungen spricht, muss
man auch immer die Zahl derjenigen Menschen betrach-
ten, deren Belastung durch Fahrverbote zurückgehen
würde. Der Berliner Senat geht davon aus, dass durch
eine wirksame Reduktion der Feinstaubbelastung die
Gesundheit von etwa 10 000 Menschen verbessert wird.
Wenn nun alle von Fahrverboten Betroffenen großzü-
gige Ausnahmegenehmigungen erhalten, dann wird es
zu dieser Entlastung der Menschen nicht kommen. Des-
wegen muss man sorgfältig überlegen, wer von Fahrver-
boten befreit wird – und wer nicht.
Die Oldtimer stehen dabei für mich nicht an erster
Stelle. Denn auch wenn es für die Besitzer von Old-
timern schade wäre, wenn sie nicht mehr am Branden-
burger Tor vorbeifahren dürften, ist es doch etwas ande-
res, wenn Menschen nicht mehr zur Arbeit kommen oder
wenn die Existenz von Kleinunternehmen bedroht ist,
weil ihre Fahrzeuge nicht mehr in den Innenstädten fah-
ren dürfen.
Deswegen unterstützen wir die Bestrebungen aus den
Ländern, die Plakettenverordnung dahin gehend nachzu-
bessern, dass Benziner mit geregelten Katalysatoren, die
noch vor Inkrafttreten der EURO-1-Norm zugelassen
wurden, dieser gleichgestellt werden. Mit der jetzigen
Einstufung älterer Benziner mit G-Kat in die Schadstoff-
klasse 1 werden diejenigen bestraft, die einen Katalysator
eingebaut haben, als der noch gar nicht vorgeschrieben
war. Eine Ausnahme dieser Gruppe von Fahrzeugen
würde auch die Debatten in den Kommunen entspannen,
da es sich hierbei um etwa 4,5 Millionen potenziell betrof-
fene Fahrzeuge handelt.
Zum Vergleich: Die Zahl der potenziell von Fahrverbo-
ten betroffenen Oldtimer mit einem H-Kennzeichen liegt
deutschlandweit etwas über 150 000. Das zeigt wieder
einmal, dass Sie von der FDP nur die Interessen Ihrer Kli-
entel vertreten. Noch erstaunlicher aber finde ich, dass Sie
d
D
h
te
w
b
Z
d
B
N
li
d
N
m
a
z
s
A
g
0
D
E
s
I
z
e
v
w
k
z
G
O
m
f
w
l
z
t
i
i
s
O
s
D
i
K
U
d
o
D
z
m
K
e
(C
(D
ie Bedenken der Wirtschaft nicht aufgegriffen haben.
enn auch wenn Oldtimer Werkstätten zu Aufträgen ver-
elfen, ist die Zahl der von Fahrverboten betroffenen Un-
rnehmen deutlich größer. Gerade für Kleinunternehmer
ie den Gemüsehändler an der Ecke kann es den Betrieb
edrohen, wenn er sein Fahrzeug nicht mehr nutzen kann.
uallererst gilt hier wie für alle alten Dieselfahrzeuge,
ass die Besitzer dazu aufgerufen werden, die vorhin vom
undestag beschlossene steuerliche Förderung für eine
achrüstung in Anspruch zu nehmen. Da diese aber deut-
ch zu niedrig ist, sollte betroffenen Kleinunternehmen,
ie innerhalb der nächsten Monate nachweislich keine
achrüstung finanzieren können, eine befristete Ausnah-
egenehmigung erteilt werden. Noch besser wäre es
llerdings, wenn es hier Förderprogramme oder Unterstüt-
ungsfonds gäbe, um die Umrüstung oder die Neuan-
chaffung emissionsarmer Fahrzeuge zu beschleunigen.
Zurück zu den Oldtimern: Ich frage mich, ob Sie die
ntwort der Bundesregierung auf Ihre eigene Anfrage
elesen haben. Daraus ist doch zu entnehmen, dass die
,4 Prozent, die Oldtimer an der gesamten Pkw-Flotte,
eutschlands ausmachen, für 3 Prozent der Stickoxid-
missionen verantwortlich sind. Oldtimer, auch wenn es
ich um Benziner handelt, sind also „Dreckschleudern“.
hr Schadstoffausstoß liegt nicht nur um ein paar Pro-
ent, sondern um einen Faktor zwischen 35 bis 60 über
inem modernen EURO-4-Benziner.
Außerdem haben Sie in Ihrem Antrag einen Aspekt
ergessen – oder bewusst unterschlagen –: Ziel der Um-
eltzonen ist nicht nur, die Feinstaubbelastung zu sen-
en. Auch der Ausstoß der Stickstoffoxide muss redu-
iert werden. Hier greift ab 2010 ein strenger EU-
renzwert, der ebenfalls vielerorts überschritten wird.
Deswegen habe ich meine Zweifel, ob man „die paar
ldtimer“ wirklich gänzlich von Fahrverboten ausneh-
en sollte. Ich halte es für sinnvoller, wenn die betrof-
enen Kommunen selber darüber entscheiden, ob und
elche Ausnahmegenehmigungen sie für Oldtimer zu-
assen. Und ich bitte, hier nicht den Teufel an die Wand
u malen. Wir reden ja nicht über ein deutschlandwei-
es Fahrverbot für Oldtimer, sondern über Fahrverbote
n den Innenstädten einiger Kommunen. Außerdem bin
ch mir sicher, dass diese Kommunen Fahrten zu Werk-
tätten oder der eigenen Wohnung, den Einsatz von
ldtimern bei Hochzeiten oder historische Busfahrten
chon aus eigenem Interesse zulassen werden.
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
as Timing für die Debatte um das Feinstaubfahrverbot
st gut gewählt, weil heute die Plakettenverordnung in
raft tritt, die die Voraussetzung für die Einrichtung von
mweltzonen ist. Es besteht dringender Handlungsbe-
arf, weil Feinstaub nach Angaben der Weltgesundheits-
rganisation für 65 000 vorzeitige Todesfälle in
eutschland jährlich verantwortlich ist. Das sind rund
wölf Mal so viele, wie durch Verkehrsunfälle umkom-
en!
Es gibt Proteste, dass Pkw mit Ottomotoren, die einen
atalysator der ersten Generation haben, keine Plakette
rhalten, die die Einfahrt in Umweltzonen erlaubt. Die
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8345
(A) )
(B) )
Proteste sind berechtigt, denn diese Fahrzeuge stoßen
nicht mehr Schadstoffe aus als sogenannte Euro-1-Ben-
ziner, die eine grüne Plakette haben. Das sollte schnell
korrigiert werden, damit keine Rechtsunsicherheit bei
der Einrichtung von Umweltzonen besteht, von denen
die ersten schon Mitte des Jahres eingerichtet werden
sollen. Ärgerlich an der Plakettenverordnung ist, dass es
keine eigene Plakette für Dieselfahrzeuge mit geschlos-
senen Rußpartikelfiltersystemen gibt. Eine grüne Pla-
kette hätte es eigentlich nur für solche Fahrzeuge geben
dürfen, die heute schon die Euro-5-Norm erfüllen. Auf
Lobbydruck der Automobilhersteller haben die Länder
im Bundesrat die Verordnung verwässert. Dabei ist heute
schon absehbar, dass in einigen Jahren nur noch Diesel
mit Vollfilter in Umweltzonen einfahren dürfen
Zum FDP-Antrag: Mit Ausnahmeregelungen von
Verboten ist das immer so eine Sache, wie wir bei der
Diskussion um den Nichtraucherschutz merken. Beim
FDP-Antrag geht es aber nicht darum, dass „Oldtimer“
in Kneipen weiter rauchen dürfen, sondern um „rau-
chende“ Autos auf der Straße,
Oldtimer sind Fahrzeuge, die mindestens 30 Jahre alt
sind und dementsprechend alte Motorentechnik haben.
Ein alter Diesel-Oldtimer stößt im Vergleich zu einem
modernen Diesel ein Vielfaches an Feinstaub aus – im
Vergleich zu einem Fahrzeug mit Rußpartikelfilter sogar
um den Faktor 100 und mehr!
Das Hauptproblem einer Sonderregelung für Oldti-
mer sehe ich darin, dass wesentlich jüngere Fahrzeuge,
– also beim Benziner Fahrzeuge ohne geregelten Kat
und beim Diesel Euro 1 und schlechter –, nicht in Um-
weltzonen einfahren dürfen. Davon sind Dieselfahr-
zeuge betroffen, die teilweise nicht älter als zwölf bis
15 Jahre sind. Wie will man den Besitzern dieser Fahr-
zeuge erklären, dass wesentlich ältere Autos in Umwelt-
zonen fahren dürfen, während sie nicht einfahren dürfen,
obwohl sie emissionsseitig größtenteils deutlich besser
sind als Oldtimer?
Pragmatische Regelungen sollten für Oldtimerveran-
staltungen in Städten gefunden werden. Und wer seinen
Wohnsitz und seine Garage mit einem Oldtimer ausge-
rechnet in einer Umweltzone hat, die ja zumeist nur In-
nenstädte betrifft, kann auch eine Sondergenehmigung
erhalten, um damit zu Oldtimerveranstaltungen zu fah-
ren, die außerhalb liegen.
Die Intention des FDP-Antrags, alle Oldtimer mit
H-Kennzeichen – das sind 154 000 – und möglicher-
weise auch denen mit dem „roten 07er-Kennzeichen“ –
das sind weitere 130 000 Fahrzeuge – pauschal von der
Verordnung auszunehmen, halte ich aber für zu weitge-
hend. Es stellt sich dann die Frage, ob es nicht zu erfolg-
reichen Klagen von Besitzern älterer Autos käme, die
nicht den Status Oldtimer haben. Von daher werde ich
meiner Fraktion die Enthaltung zum vorliegenden An-
trag empfehlen.
Die FDP hat sich an dieser Stelle sicher um ein ganz
spezielles Klientel verdient gemacht. Das eigentliche
Problem ist freilich, dass wir in allen Ballungsräumen
eine gefährlich hohe Feinstaubbelastung haben, die
d
k
A
A
K
m
f
g
m
r
ä
B
M
v
D
r
k
f
d
§
t
e
d
L
g
n
e
(C
(D
urch Fahrverbote für rußende Fahrzeuge dringend be-
ämpft werden muss.
nlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Freistellung der
Kommunen von der Mitfinanzierung bei Bau-
maßnahmen im Kreuzungsbereich von Eisen-
bahnen und Straßen (Tagesordnungspunkt 20)
Hubert Deittert (CDU/CSU): Wir beraten heute einen
ntrag der Fraktion Die Linke, der die Freistellung der
ommunen von der Mitfinanzierung bei Baumaßnah-
en im Kreuzungsbereich von Eisenbahnen und Straßen
ordert. Zu diesem Zweck soll das Eisenbahnkreuzungs-
esetz geändert werden.
Diese Forderung ist alles andere als neu. In unregel-
äßigen Abständen trägt die Linksfraktion diese Forde-
ung vor. Der Antrag hat in den vergangenen Jahren in
hnlicher Form bereits mehrere Male dem Deutschen
undestag vorgelegen und ist aus guten Gründen jedes
al abgelehnt worden.
Unser föderaler Staatsaufbau sieht eine klare Zuweisung
on Rechten und Pflichten an die einzelnen Ebenen vor.
ie Verteilung der Einnahmen aus Steuern ist ebenso ge-
egelt wie die Pflichten zum Unterhalt der Infrastruktur.
Im konkreten Fall sieht das Eisenbahnkreuzungsgesetz
lare Regeln vor, die sich bewährt haben. § 3 lautet wie
olgt:
Wenn und soweit es die Sicherheit oder die Ab-
wicklung des Verkehrs unter Berücksichtigung der
übersehbaren Verkehrsentwicklung erfordert, sind
nach Maßgabe der Vereinbarung der Beteiligten
(§ 5) oder der Anordnung im Kreuzungsrechtsver-
fahren (§§ 6 und 7) Kreuzungen
1. zu beseitigen oder
2. durch Baumaßnahmen, die den Verkehr an der
Kreuzung vermindern, zu entlasten oder
3. durch den Bau von Überführungen, durch die
Einrichtung technischer Sicherungen, insbesondere
von Schranken oder Lichtsignalen, durch die Her-
stellung von Sichtflächen an Bahnübergängen, die
nicht technisch gesichert sind, oder in sonstiger
Weise zu ändern.
Wird an einer Kreuzung eine solche Maßnahme
urchgeführt, dann tragen die Beteiligten gemäß
13 EBKrG je ein Drittel der Kosten. Die Kommunen
ragen deshalb, zum Beispiel wenn sie der Baulastträger
iner überführenden Straße sind, ein Drittel der Kosten
es Brückenbauwerkes.
Nach jahrelangen intensiven Diskussionen auch mit den
ändern wurde im Jahr 1998 das Eisenbahnkreuzungs-
esetz nach einem Kompromiss im Vermittlungsausschuss
ovelliert. Für die neuen Länder wurde damals übrigens
ine besondere Regelung getroffen. Da auf dem Gebiet
8346 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
(A) )
(B) )
der ehemaligen DDR die Unterhaltung der kommunalen
Straßenbrücken bereits 1953 von der Deutschen Reichs-
bahn auf die kommunalen Straßenbaulastträger überging,
brachte die Neuregelung keine finanzielle Entlastung für
die Straßenbaulastträger in den neuen Bundesländern.
Um für die aufgrund der unterschiedlichen Ausgangs-
situation entstandenen finanziellen Probleme der Kommu-
nen eine Lösung zu finden, wurde eine Arbeitsgruppe
vom Vermittlungsausschuss eingesetzt. Im Ergebnis
wurden in den Art. 2 und 3 des Gesetzes zur Änderung
des Eisenbahnkreuzungsgesetzes Änderungen des Inves-
titionsförderungsgesetzes Aufbau Ost – IFG – und des
Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes – GVFG – vor-
gesehen.
Diesen sinnvollen und mühsam errungenen Kompro-
miss möchte die Linksfraktion nun kurzerhand aufkün-
digen. Der vorliegende Antrag reiht sich ein in die
bekannten populistischen Forderungen der Linksfrak-
tion, wenn es um den Umgang mit öffentlichen Mitteln
geht. Sie folgen alle dem gleichen Muster. Man beklagt
tatsächliche oder vermeintliche Missstände, spielt sich
als Anwalt ostdeutscher Interessen auf und formuliert
politische Wunschzettel, ohne auch nur ein einziges
Wort über die Kosten bzw. die damit verbundene Lasten-
verschiebung zu verlieren.
Der Antrag der Linksfraktion ignoriert, dass die Ver-
antwortung für die Brückenbauwerke schon seit langem
klar geregelt ist. Er läuft schlicht und einfach auf eine
Verschiebung der finanziellen Verantwortung auf den
Bund hinaus und ist deshalb aus gutem Grund in allen
damit befassten Ausschüssen abgelehnt worden.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein Wort zur
Verbesserung der finanziellen Lage unserer Kommunen
sagen. Als ehemaliger Kommunalpolitiker und lang-
jähriger Bürgermeister meiner Heimatstadt kenne ich die
Haushalts- und Finanzprobleme der Kommunen sehr
genau. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass aus alleini-
ger Sicht der Kommunen eine elegantere Regelung im
Bereich der Eisenbahnkreuzungen denkbar ist. Als Deut-
scher Bundestag müssen wir aber das Ganze im Auge be-
halten. Die Haushaltssituation des Bundes ist nun einmal,
trotz der von uns erfolgreich eingeleiteten Konsolidierung,
immer noch angespannt. Es wäre deshalb unsinnig, eine
bewährte Regelung aufzugeben und die Kosten einfach
zu verschieben.
Dass die wichtige Aufgabe der Stärkung unserer
Kommunen bei uns in den richtigen Händen ist, zeigt die
positive Entwicklung der letzten Zeit. Trotz der unbe-
streitbaren Schwierigkeiten vieler Städte, Gemeinden
und Landkreise hat sich die finanzielle Situation der
Kommunen insgesamt verbessert.
Die unionsgeführte Koalition hat zudem mit der erfolg-
reich beschlossenen Föderalismusreform dem Bundes-
gesetzgeber die Möglichkeit genommen, den Kommunen
kostenträchtige Aufgaben durch Bundesgesetz aufzubür-
den. Endlich gilt der Grundsatz „Wer bestellt, bezahlt“.
Eine verantwortungsvolle Politik, wie wir als Union
sie verstehen, sorgt deshalb für eine solide finanzielle
Basis der Kommunen und schafft so die Voraussetzungen
f
u
l
a
w
l
r
K
f
s
1
d
r
g
o
F
–
k
w
b
j
h
f
n
ß
g
B
b
S
i
B
S
a
n
n
d
s
f
ß
e
B
d
e
b
h
w
w
d
d
a
n
(C
(D
ür Erhalt und Investitionen. Es geht also, kurz gesagt,
m seriöse, langfristig angelegte Politik, nicht um popu-
istische Schnellschüsse. Aus diesem Grund lehnen wir
ls CDU/CSU den vorliegenden Antrag ab.
Uwe Beckmeyer (SPD): Der Antrag der Linken, den
ir heute abschließend beraten, zielt auf eine Freistel-
ung der Kommunen von finanziellen Lasten, die sie be-
eits seit mehr als zehn Jahren bei Baumaßnahmen im
reuzungsbereich von Straße und Schiene tragen. Diese
inanzielle Verantwortung der Kommunen nach dem Ei-
enbahnkreuzungsgesetz ist im Zuge der Bahnreform
994 entstanden. Sie ist damals von den Ländern und
en kommunalen Spitzenverbänden – als Teil des Bahn-
eformpakets – letztlich so akzeptiert worden.
Worum geht es im Einzelnen?
Es geht zum einen um die Beseitigung von Bahnüber-
ängen, wenn dies aus Gründen der Verkehrssicherheit
der der Verkehrsabwicklung notwendig ist. Für derartige
älle sieht das Gesetz eine Drittelfinanzierung von Bund
wenn das von der DB AG betriebene Schienennetz
reuzt – dem Land und der örtlichen Kommune vor. Hier
ird die Kommune also nur mit einem Drittel der Kosten
elastet. Dies scheint mir nicht unangemessen, zumal
ede Gemeinde einen nicht unerheblichen Vorteil davon
at. Unangemessen wäre es, wenn der Bund die Kosten
ür verkehrliche Vorteile, die überwiegend den Kommu-
en zukommen, mehrheitlich übernehmen würde.
Es geht zum anderen um die Erhaltungslast für Stra-
enüberführungen. Diese Erhaltungslast lag in den so-
enannten alten Ländern früher bei der Deutschen
undesbahn. Seit der Bahnreform ist sie auf die Straßen-
aulastträger übergegangen. Die Kommunen trifft die
traßenbaulast nur bei kommunalen Straßen. Im Übrigen
st das jeweilige Land – bei Landesstraßen – oder der
und – bei den Bundesstraßen – verantwortlich. Für die
traßenüberführungen gilt also nichts anderes als für alle
nderen Straßen: Bei kommunalen Straßen würde auch
iemand auf die Idee kommen, vom Bund die Über-
ahme der Straßenbaulast zu verlangen.
Auch insoweit ist Ihre Forderung nach Freistellung
er Kommunen von der Erhaltungslast nicht angemes-
en.
Übrigens: In Ostdeutschland lag die Erhaltungslast
ür Straßenüberführungen schon seit jeher bei den Stra-
enbaulastträgern. Das heißt: In der früheren DDR galt
xakt das, was Sie heute in Ihrem Antrag kritisieren. Der
undesgesetzgeber hat also mit der Beseitigung der Son-
erunterhaltungslast der Deutschen Bundesbahn ab 1994
ine Rechtsvereinheitlichung für das gesamte Bundesge-
iet nach dem Vorbild der DDR hergestellt. Das will ich
ier einmal deutlich sagen.
Abschließend möchte ich noch diejenigen Fälle er-
ähnen, in denen eine Baumaßnahme durchgeführt
ird, die der Ertüchtigung der örtlichen Schienenstrecke
ient. Derartige Maßnahmen werden regelmäßig von
em jeweiligen Eisenbahninfrastrukturunternehmen ver-
nlasst. Folgerichtig sind die Kosten einer solchen Maß-
ahme auch ausschließlich vom Träger der Schienen-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8347
(A) )
(B) )
baulast zu finanzieren. In diesen Fällen werden die
Kommunen in keiner Weise finanziell in Anspruch ge-
nommen.
Der einzige Nachteil, der den Kommunen in diesen
Fällen entsteht, ist: Sie müssen die Baumaßnahme – ein-
schließlich der damit verbundenen Verkehrsbeeinträchti-
gungen – vor Ort dulden. Ein finanzieller Nachteil ent-
steht ihnen nicht.
Im Übrigen möchte ich Sie noch darauf aufmerksam
machen, dass Ihre Forderung nach Freistellung der Kom-
munen von den Erhaltungslasten für Straßenüberführun-
gen und dem kommunalen Drittel bei der Beseitigung
von Eisenbahnkreuzungen gegen die Grundsätze unserer
Finanzverfassung verstößt. Nach Art. 104 a Abs. 1 des
Grundgesetzes haben nämlich Bund, Länder und Kom-
munen alle Ausgaben zu tragen, die sich aus der Wahr-
nehmung ihrer Aufgaben ergeben. Die Straßenbaulast für
die kommunalen Straßen ist nun einmal seit jeher Auf-
gabe der Kommunen.
Für die SPD-Fraktion kann ich daher nur feststellen:
Eine Zustimmung zu Ihrem Antrag wäre ein Bruch der
Finanzverfassung und würde die finanzielle Lastenver-
teilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen zum
Nachteil des Bundes unangemessen verändern. Wir wer-
den den Antrag daher ablehnen.
Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Um nicht den
Eindruck zu erwecken, wir würden hier über graue Theo-
rie – Was-wäre-wenn-Fragen“ – debattieren, veran-
schauliche ich an einem Beispiel, was passieren kann,
wenn Kommunen ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht
mehr nachkommen können:
Am 25, Oktober 2004 kollidierte im Markt Winterhau-
sen, Freistaat Bayern, Regierungsbezirk Unterfranken,
der Auflieger eines Kipplasters mit einer 115 Jahre alten
Eisenbahnstahlbrücke der ICE-Trasse München–Würz-
burg. Durch den Aufprall entstanden erhebliche Schäden
an der Gleisanlage. Nur durch das rasche und geistesge-
genwärtige Handeln eines zufällig vor Ort befindlichen
Passanten konnte ein größeres Unglück verhindert und
der heranrasende ICE gewarnt und gestoppt werden. Nun
möge man einwenden, dies sei ein Einzelfall. Vielleicht.
Laut Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine
Anfrage zur Sicherheit von Eisenbahnbrücken besteht je-
doch keine Dokumentations- und Unterrichtungspflicht
der Kommunen gegenüber dem Bund, sodass niemand
sagen kann, wie oft es in Deutschland schon zu ähnlichen
Vorfällen gekommen ist.
Nach Angaben der Bundesregierung gibt es in
Deutschland rund 28 400 Eisenbahnbrücken, von denen
circa 13 200 Fernstraßen kreuzen. In welchem Zustand
diese Brücken derzeit sind, ist völlig offen – die Bundes-
regierung lässt das Parlament weiter auf den längst ange-
forderten Netzzustandsbericht für die Schienenwege
warten, und der neue Straßenbaubericht 2006 enthält
keine Angaben zum Zustand der Brückenbauwerke
mehr. Zwischenzeitlich sehen sich viele Kommunen vor
die Frage gestellt, wie sie angesichts der angespannten
Haushaltslage ihrer Verkehrssicherungspflicht nachkom-
m
P
m
s
g
l
h
d
n
F
m
s
f
a
h
g
n
d
k
h
G
M
K
n
k
l
s
i
g
g
H
s
t
d
n
w
s
G
l
z
v
a
d
l
m
B
d
l
S
s
m
d
k
i
(C
(D
en sollen. Wenn wir Städte und Gemeinden mit dem
roblem der Mitfinanzierung von Brückensanierungs-
aßnahmen nun im Regen stehen lassen, werden wir un-
erer Verantwortung an dieser Stelle nicht gerecht.
Meine Fraktion hat mit dem Antrag „Sonderpro-
ramm Kommunaler Brückenbau auflegen“ einen mög-
ichen Lösungsweg aufgezeigt. Die Koalitionsfraktionen
aben diesen Antrag abgelehnt und damit dokumentiert,
ass sie den Städten und Gemeinden in Deutschland
icht helfen wollen; sie lassen die Kommunen in dieser
rage im Stich.
Mit dem nun vorliegenden Antrag der Links-Fraktion
acht man es sich aber ein wenig zu einfach. Die Ent-
cheidung, die Baulastträgerschaft im Zuge der Bahnre-
orm an die Kommunen zu übertragen, war 1994 und ist
uch heute noch ordnungspolitisch richtig. Allerdings
at sich inzwischen durch eine Reihe von Entscheidun-
en der damaligen rot-grünen Bundesregierung die Fi-
anzsituation der Kommunen so stark verschlechtert,
ass viele Bürgermeister vor Ort nur noch eine Möglich-
eit haben: die Sperrung maroder Brücken. In unserer
eutigen Zeit kann das jedoch nicht die Antwort einer
esellschaft sein, die für sich reklamiert, ihren Bürgern
obilität zu ermöglichen. Den Bürgermeistern und
ämmerern fehlt schlichtweg das Geld, Geld, welches
icht bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden
ann, um die Sicherheit von Brückenbauwerken wirk-
ich gewährleisten zu können.
Auch wenn die Gewerbesteuereinnahmen – und diese
ind eine der Haupteinnahmequellen der Kommunen –
nzwischen wieder anziehen, so ändert das nichts an der
rundlegenden Problematik der stark konjunkturabhän-
igen Einnahmen. Nach wie vor sind die kommunalen
aushalte durch Hartz IV und andere Regelungen zu
tark gebunden. Vor diesem Hintergrund hat meine Frak-
ion bereits in der 15. Legislaturperiode die Abschaffung
er Gewerbesteuer und die Einführung einer Kommu-
alsteuer mit eigenem kommunalem Hebesatzrecht so-
ie einen höheren kommunalen Anteil an der Umsatz-
teuer vorgeschlagen. Hierdurch würden Städte und
emeinden in die Lage versetzt, auf der Basis von ver-
ässlichen, planbaren Einnahmen valide Haushalte auf-
ustellen, um so auch ihrer Verantwortung zum Erhalt
on Infrastruktur nachzukommen.
Unsere liberalen Konzepte greifen also nahtlos inein-
nder. Von dem Vorschlag der Links-Fraktion kann man
as nicht behaupten, daher werden wir diesen Antrag ab-
ehnen.
Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Eine Hauptforderung
einer Fraktion ist und bleibt, die Kommunen in der
undesrepublik Deutschland rechtlich und finanziell in
ie Lage zu versetzen, ihre Aufgaben in der kommuna-
en Daseinsvorsorge im Rahmen der kommunalen
elbstverwaltung wahrnehmen zu können. Stattdessen
tellt sich aber die Finanzausstattung der Städte und Ge-
einden immer schlechter dar. Es ist offensichtlich, dass
ie angespannte finanzielle Lage der Kommunen längst
ein regionales, sondern ein gesamtdeutsches Problem
st. Doch was tut die Koalition? Statt konstruktiver Poli-
8348 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
(A) )
(B) )
tik unterteilt sie den Kommunen in der Debatte am
1. Juni vergangenen Jahres, Finanzmittel zur Sanierung
der ihnen nach 1998 mit der Novellierung des Eisen-
bahnkreuzungsgesetzes übertragenen Brücken zum Teil
zweckentfremdet genutzt zu haben. Beweise bleibt sie
schuldig. Aber selbst wenn Kommunen dies getan hät-
ten, so doch nur, weil ihnen vom Bund die entscheidende
Unterstützung zur Reform der Gemeindefinanzen bisher
versagt geblieben ist und, wie in den Ausschussberatun-
gen geschehen, mit Achselzucken auf die Haushaltslage
verwiesen wird, obwohl es nach Meinung meiner Frak-
tion auch dort genügend Spielraum für richtige Schwer-
punktsetzungen gibt. Wir freuen uns deshalb schon auf
ein Wiedersehen bei den nächsten Haushaltsberatungen.
Bringen sie endlich ein kommunales Investitionspro-
gramm auf den Weg, um den Kommunen im Rahmen ih-
rer Selbstverwaltungskompetenz mehr finanziellen
Spielraum für Schwerpunktsetzungen bei Investitionen
zu geben und hören sie auf, ständig Missbrauchsdebatten
anzuzetteln.
Mehr als die Hälfte aller Landkreise in der Bundesre-
publik hat mittlerweile unausgeglichene Haushalte. Als
einziger Ausweg blieb vielen Städten und Gemeinden
nur, ihre Investitionen drastisch zurückzuführen. Anga-
ben der KfW besagen, dass 1999 durch die Kommunen
Investitionen in Höhe von 19 Milliarden Euro, 2004 aber
nur noch in Höhe von 15 Milliarden Euro ausgelöst wor-
den sind. Das ist in fünf Jahren ein Fünftel weniger.
Diese traurigen Zahlen zeigen: Eine verantwortungs-
volle kommunale Selbstverwaltung ist zusehends nicht
mehr möglich. Die Folgen für die Bürgerinnen und Bür-
ger werden offensichtlich. Ein Beispiel: Die Gemeinde
Dornburg im Landkreis Köthen in Sachsen-Anhalt hat
2004 auf Grundlage des Eisenbahnkreuzungsgesetzes
für Maßnahmen der Instandsetzung und Modernisierung
einer auf ihrem Territorium gelegenen Bahnanlage eine
Rechnung von knapp 250 000 Euro erhalten. Der Inves-
titionshaushalt jedoch umfasste nur ganze 80 000 Euro
in diesem Jahr. Damit war die Gemeinde zahlungsunfä-
hig.
Ein weiteres Beispiel: die Landeshauptstadt Schwe-
rin. Allein für eine Eisenbahnunterführung muss die Ge-
meinde, entsprechend dem Drittel der Gesamtsumme,
1,2 Millionen Euro zahlen. Schwerin hat allerdings ins-
gesamt sechs Bahnbaustellen mit finanzieller Beteili-
gung zu bedienen und einen Investitionshaushalt von
insgesamt nur 6 Millionen Euro, und das auch nur über
Kreditgenehmigungen; denn schon lange zahlen die
Kommunen nicht mehr aus Vermögen, sondern aus Dar-
lehen.
Warum machen wir es uns und unseren Kommunen
so schwer? Es besteht Handlungsbedarf und die meisten
Kommunen sind schon seit Jahren mit der Übernahme
eines Drittels der Kosten, wie es das Eisenbahnkreu-
zungsgesetz aktuell vorsieht, finanziell absolut überfor-
dert. Es wäre unverantwortlich, dass nötige Sanierungen
liegen bleiben, auf unbestimmte Zeiten vertagt werden,
bis nichts mehr geht. Marode Brücken sind keine Lappa-
lie. Gefahren müssen beseitigt werden. Darüber sollten
wir uns alle einig sein. Stattdessen zahlen die Gemein-
d
B
W
n
s
g
d
z
s
d
k
t
u
s
w
B
r
A
t
s
f
M
R
t
v
d
m
n
S
D
d
J
ü
n
s
s
m
k
k
M
r
s
n
K
g
s
4
d
k
u
s
k
r
(C
(D
en für die notwenigen Streckenveränderungen bei der
ahn kräftig mit, obwohl sie nicht die Verursacher sind.
ir können die Verantwortung dafür nicht den Kommu-
en zuschieben, vor allem, wenn sie nicht in der Lage
ind, diese finanziell zu schultern.
Verkehrspolitisch bedeuten marode Kreuzungsanla-
en im Bahn-Straßennetz ohne Frage die Gefährdung
es Ziels, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene
u holen, da bei fehlender Instandhaltung und Moderni-
ierung der Güterverkehr nicht optimal organisiert wer-
en kann oder gar Streckenstilllegungen drohen. Das
ann auch vor dem Hintergrund der momentan sehr in-
ensiv geführten Klimaschutzdebatte und der Diskussion
m die Reduzierung des CO2-Ausstoßes nicht unser An-
pruch sein.
Mit dem Antrag meiner Fraktion Die Linke wollen
ir stattdessen die Kostenübernahme für kommunale
rückenbauwerke, welche Bahnanlagen betreffen, neu
egeln und dadurch die Gemeinden entlasten. Auch in
nbetracht der Privatisierungsbestrebungen der Koali-
ion ist das den Kommunen nicht weiter zuzumuten. Un-
er Antrag zeigt daher die beste und auch zugleich ein-
achste Lösung auf: Wir müssen die Gemeinden von der
ischfinanzierung befreien. Dies heißt zum einen die
ealität in den Gemeinden, die finanziell prekäre Situa-
ion, anzuerkennen und zum anderen, verantwortungs-
oll mit der Infrastruktur umzugehen, und zwar nach
em Verursacherprinzip. Das Eisenbahnkreuzungsgesetz
uss so geändert werden, dass Kommunen bei Baumaß-
ahmen im Kreuzungsbereich von Eisenbahnen und
traßen von der Mitfinanzierung freigestellt werden.
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
er Antrag der Linken befasst sich mit einem Thema,
as für Kommunen teilweise ein Problem darstellt. Vor
ahren mussten die Kommunen Brücken von der Bahn
bernehmen. Diese Brücken waren nicht immer auf dem
euesten Stand instand gehalten. Die Kommunen müs-
en seither für den Unterhalt teilweise maroder Brücken
orgen. Bei Baumaßnahmen müssen sie sich außerdem
it einem Drittel der Kosten finanziell beteiligen. Das
ann Kommunen finanziell überfordern.
Eine Lösungsmöglichkeit sieht die Fraktion der Lin-
en darin, die Kommunen bei Baumaßnahmen von der
itfinanzierung freizustellen. Zur Frage der Finanzie-
ung macht der Antrag der Linken allerdings keine Aus-
age. Da hätte man sicher etwas deutlicher werden kön-
en. Es ist nicht erkennbar, ob das Kostendrittel der
ommunen von der Bahn, dem Bund oder dem jeweili-
en Bundesland zu übernehmen ist.
Aus unserer Sicht hätte sich angeboten, aus den zu-
ätzlichen Verkehrsinvestitionen bis 2009 in Höhe von
,3 Milliarden Euro neben Sanierungsprogrammen für
ie Bundesverkehrswege auch ein Sonderprogramm für
ommunale Brückenbauwerke aufzulegen. Damit würde
nterstrichen, dass wir im Bereich der Verkehrsinfra-
truktur vorrangig ein Substanzerhaltungsproblem und
eine Neubauproblem haben. Der Finanzierungszeit-
aum wäre außerdem überschaubar.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8349
(A) )
(B) )
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Verlässliche und
aussagekräftige Datenbasis für die Ermittlung
der Unternehmensteuern erfassen (Tagesord-
nungspunkt 21)
Peter Rzepka (CDU/CSU): Der Antrag der Fraktion
des Bündnisses 90/Die Grünen ist gut gemeint, aber
überflüssig. Zum einen ist er deshalb überflüssig, weil
aussagekräftige Daten sowohl über die nominale als
auch die effektive Steuerbelastung der Unternehmen be-
reits in beachtlichem Umfang vorhanden sind. Die Daten
belegen, dass insbesondere die Kapitalgesellschaften in
Deutschland eine der höchsten nominalen und effektiven
Steuerbelastungen zu tragen haben. Zum anderen geht
der Antrag auch mit dem Teil ins Leere, der sich mit der
Simulation von Auswirkungen konkreter Steuerrechts-
änderungen auseinandersetzt; denn das Bundesministe-
rium der Finanzen, BMF, ist gerade mit wissenschaftli-
cher Unterstützung dabei, ein Mikrosimulationsmodell
zur Unternehmensbesteuerung zu entwickeln.
Allerdings stimme ich der Zielsetzung des Antrages
insoweit zu, als wir als Gesetzgeber alle Anstrengungen
unternehmen müssen, die Auswirkungen von Rechtsän-
derungen zu quantifizieren. Dafür brauchen wir belast-
bare Daten.
Das Problem hierbei ist, dass es keine Messmethode
für die Auswirkungen von Steuerrechtsänderungen auf
Wirtschaftssubjekte und den Staatshaushalt gibt, die all-
gemeine Gültigkeit beanspruchen könnte. Bei uns in
Deutschland ist es die Aufgabe der amtlichen Steuersta-
tistiker der Statistischen Ämter des Bundes und der Län-
der, das Aufkommen und die Belastungswirkungen von
Steuern zu dokumentieren. Die Mitarbeiter der statisti-
schen Ämter des Bundes und der Länder arbeiten nicht
mit „vagen Annahmen und Vermutungen“, sondern
– mittelbar – mit den Erklärungen der Steuerpflichtigen.
Das funktioniert wie folgt: In den Rechenzentren der Fi-
nanzverwaltung fallen im Zusammenhang mit der IT-
technischen Bearbeitung der Steuerveranlagungen die sta-
tistisch relevanten Angaben der Steuerbürger an. Diese
werden zu Datensätzen zusammengefasst, und zwar für
jeden Steuerbürger jeweils ein Datensatz. Die Daten-
sätze gehen über die statistischen Ämter der Länder an
das Statistische Bundesamt in Wiesbaden, welches das
amtliche Bundesergebnis zusammenstellt. Aus methodi-
scher Sicht spricht für die Verwendung von Steuerstatis-
tiken, dass sie die Steuern mit hohem Detaillierungsgrad
erfassen und periodengerecht abgrenzen.
Bereits im Jahr 1996 wurde das Steuerstatistikgesetz
geändert, damit die Einzeldatensätze der verschiedenen
Steuerstatistiken für Zusatzaufbereitungen zugänglich
sind. Es wurde ein Datenpool geschaffen, der auch kurz-
fristig aufkommenden Analysebedarf der Bundesregie-
rung und der Wissenschaft abdecken kann. Insbesondere
bei Gesetzesvorhaben ist es seitdem möglich, Ad-hoc-
Sonderauswertungen im Zusammenhang mit geplanten
Rechtsänderungen bereitzustellen.
c
f
s
j
z
c
t
s
s
w
m
s
s
U
n
U
a
g
c
t
e
n
w
f
b
m
d
e
d
d
z
Q
d
s
a
K
n
g
c
S
Ü
r
w
f
P
W
t
e
D
w
t
n
(C
(D
Mit dem Steueränderungsgesetz 2007 ist die rechtli-
he Grundlage dafür gelegt worden, dass die Statistiken
ür die wichtigsten Steuerarten – darunter die Körper-
chaft – und die Gewerbesteuer – ab dem Veranlagungs-
ahr 2004 für jeden Jahrgang erhoben werden. Mit dem
entral vorliegenden Einzeldatenmaterial und der jährli-
hen Erhebungsweise lassen sich verbesserte Simula-
ionsrechnungen durchführen. Darüber hinaus bemühen
ich das BMF und das Statistische Bundesamt, die Aus-
agekraft der amtlichen Steuerstatistiken durch die Er-
eiterung des Datenkranzes weiter zu erhöhen.
Zudem ist das BMF gerade dabei, sein Schätzinstru-
entarium auszuweiten. Zurzeit entwickelt es gemein-
am mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsfor-
chung, DIW, ein Mikrosimulationsmodell für die
nternehmensteuer. Damit können die bisher makroöko-
omisch orientierten Bezifferungen auf dem Gebiet der
nternehmensbesteuerung durch ein wissenschaftlich
bgesichertes Mikromodell ergänzt werden. Schließlich
ewinnt die auf Einzeldaten basierende wissenschaftli-
he Analyse von Steuerrechtsänderungen – auch interna-
ional gesehen – zunehmend an Bedeutung.
Für die Einkommensteuer existiert bereits seit langem
in solches Mikrosimulationsmodell, dessen Berech-
ungsergebnisse allgemein anerkannt werden. Zurzeit
ird es mit wissenschaftlicher Beteiligung des Fraunho-
erinstituts für angewandte Informationstechnik überar-
eitet und erweitert.
Auch auf anderen Wegen ist das BMF – gemeinsam
it den Bundesländern – bemüht, die Transparenz über
ie Besteuerung deutscher Unternehmen zu erhöhen. So
rreicht es durch die Beteiligung von Vertretern der Län-
erfinanzministerien im „Arbeitskreis Quantifizierung“,
ass die praktischen Erfahrungen des Verwaltungsvoll-
uges in die Schätzungen einfließen.
Problematisch bleibt jedenfalls – unabhängig von der
ualität der Datenbasis –, die Verhaltensanpassungen
er Steuersubjekte an Rechtsänderungen richtig einzu-
chätzen. Dies lässt sich aus keiner amtlichen Statistik
blesen. Überraschungen wie die Einbrüche bei den
örperschaftsteuereinnahmen des Jahres 2001 beruhen
icht auf einer ungenauen Datenbasis, sondern auf Pro-
nosefehlern. Das Risiko für Fehlprognosen ist bei sol-
hen Steuerrechtsänderungen besonders hoch, die in das
ystem der Besteuerung eingreifen, so geschehen beim
bergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfah-
en. Daraus sollten wir für die Zukunft lernen.
In diesem Zusammenhang möchte ich anregen, bei
esentlichen Steuerrechtsänderungen die einmal getrof-
enen Prognosen ex post zu überprüfen: Haben sich die
rognosen erfüllt? Wo hat es Abweichungen gegeben?
ie sind diese zu erklären? – Solche nachträglichen Un-
ersuchungen finden leider nicht statt. Sie können aber
in Beitrag zu einer zielgenauen Gesetzgebung sein.
eshalb sollten wir dieses Thema im Finanzausschuss
eiter verfolgen.
Demgegenüber sind Erhebungen bei den Finanzäm-
ern vor Ort über die tatsächliche Steuerlast der Unter-
ehmen – wie die Grünen in ihrem Antrag fordern – mit
8350 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
(A) )
(B) )
erheblichen Problemen verbunden. Oft dauert es eine
Reihe von Jahren, bis der endgültige Steuerbescheid
– teilweise erst aufgrund einer Betriebsprüfung und/oder
eines Gerichtsverfahrens – die tatsächliche Steuerbelas-
tung ausweist. Zeitlich davor ergehen ein Vorauszah-
lungsbescheid, ein erster Steuerbescheid unter Vorbehalt
der Nachprüfung und eventuelle Änderungsbescheide.
Um den Stichproben für die Gesetzesfolgenabschät-
zung, wie von den Grünen gewünscht, zu repräsentativer
Aussagekraft zu verhelfen, müssen die Besteuerungsver-
fahren aber abgeschlossen sein. Die Ergebnisse der Ver-
anlagung der Steuerpflichtigen mit den höchsten Ein-
kommen müssen sogar nahezu vollständig von der
Stichprobe erfasst sein. So tragen beispielsweise die
oberen 5 Prozent der Steuerpflichtigen mit den höchsten
Einkommen zu rund 45 Prozent zum Aufkommen der
Einkommensteuer bei. Im Bereich der Unternehmensbe-
steuerung verhält es sich ähnlich. Gerade die Veranla-
gungsergebnisse dieser Steuerpflichtigen liegen aber erst
zu einem relativ späten Zeitpunkt vor.
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich Folgendes: Die
Grünen verkennen, dass Bund und Länder schon heute
Gesetzesfolgenabschätzung auf zunehmend verlässlicher
Datengrundlage betreiben und weiter daran arbeiten, die
Auswirkungen von Steuerrechtsänderungen auf die Un-
ternehmen und das Steueraufkommen insgesamt zu si-
mulieren. Die Grünen rennen offene Türen ein; das BMF
stellt sich der Herausforderung.
Zu den geforderten repräsentativen Stichproben bei
den Finanzämtern vor Ort habe ich im letzten Teil mei-
ner Rede ausgeführt, dass dies auf erhebliche praktische
Probleme stößt und nur begrenzt zielführend ist. Wir
werden den Antrag deshalb ablehnen.
Lassen Sie mich schließen mit der Aufforderung an
uns alle, an der vor uns liegenden Reform der Unterneh-
mensbesteuerung tatkräftig und konstruktiv mitzuarbei-
ten, damit die Unternehmen in Deutschland – vor allem
diejenigen, die im harten, internationalen Wettbewerb
stehen – zukünftig so besteuert werden, dass sie im
Wettbewerb nicht durch das deutsche Steuerrecht behin-
dert werden. Mit der Reform wollen wir stattdessen den
Standort Deutschland für Investitionen und die Schaf-
fung von Arbeitsplätzen stärken.
Jörg-Otto Spiller (SPD): Die deutsche Steuerstatis-
tik ist in mancherlei Hinsicht unzulänglich. Gerade für
die beiden wichtigsten direkten Steuern, die Einkom-
men- und die Körperschaftsteuer, gilt dies im besonderen
Maße. Wer mehr erfahren will als das rein kassenmäßige
Steueraufkommen, stößt rasch auf Erkenntnisgrenzen.
Oder schlimmer noch: Wer diese nicht durchgängig mar-
kierten Grenzen bei der Interpretation der amtlichen Zah-
len nicht bemerkt, läuft glatt in die Irre.
Beispielsweise verleitet die gängige Untergliederung
der Einkommensteuerstatistik in Lohnsteuer und veran-
lagte Einkommensteuer immer wieder zu voreiligen
Schlüssen über die soziale Verteilung der Steuerlast.
Den Arbeitnehmern wird von ihrem Arbeitslohn an
der Quelle Lohnsteuer abgezogen, während Unterneh-
m
E
a
n
s
d
c
n
k
R
l
E
s
n
g
m
b
d
a
r
d
z
s
l
t
E
b
t
s
e
t
P
z
g
t
s
k
l
d
s
A
F
W
S
t
g
d
e
v
e
k
S
d
v
a
(C
(D
er und andere Selbstständige Vorauszahlungen zur
inkommensteuer leisten, die verwaltungsmäßig als ver-
nlagte Einkommensteuer verbucht werden. Es liegt
ahe, dass die statistische Aufteilung der Einkommen-
teuer in Lohnsteueraufkommen und Aufkommen aus
er veranlagten Einkommensteuer häufig als Kennzei-
hen für die Verteilung der Steuerlast zwischen Arbeit-
ehmern und Selbständigen gewertet wird. In Wirklich-
eit besagen die Zahlen aus diesen beiden statistischen
eihen über die gesellschaftliche Verteilung der Steuer-
ast herzlich wenig.
Denn zum einen kann die Zuordnung der veranlagten
inkommensteuer zu den Selbstständigen und der Lohn-
teuereinnahmen zu den Arbeitnehmern schon deshalb
icht aufgehen, weil beide Gruppen von Steuerpflichti-
en nicht eindeutig zu trennen sind. Ehegatten werden
eist gemeinsam veranlagt und als ein Steuerpflichtiger
ehandelt. Ist der eine Ehegatte Arbeitnehmer, der an-
ere selbstständig, fallen Zahlungen in beiden Bereichen
n. Zum anderen ist auch die Lohnsteuer nur eine Vo-
auszahlung auf die Einkommensteuer, und häufig sind
ie im Laufe des Jahres einbehaltenen Lohnsteuerabzüge
u hoch, sodass Erstattungen anfallen. Die Einkommen-
teuererstattungen aber werden statistisch bei der veran-
agten Einkommensteuer verbucht, also von deren Brut-
oaufkommen abgezogen. Genauso übrigens wie die
igenheimzulage, egal ob sie an Selbständige oder Ar-
eitnehmer gezahlt wird.
Noch weniger erhellend ist die amtliche Steuerstatis-
ik für den, der nach der effektiven Steuerbelastung deut-
cher Unternehmen fragt. Ein Hauptgrund dafür ist
benfalls die geringe Aussagekraft der statistischen Da-
en zur veranlagten Einkommensteuer. Denn die von
ersonenunternehmen oder Personengesellschaften ge-
ahlte Einkommensteuer wird in dieser Statistik nicht
esondert ausgewiesen. Ein Vorstoß der Koalitionsfrak-
ionen, die notwendige gesetzliche Grundlage dafür zu
chaffen, damit die von den Unternehmen gezahlte Ein-
ommensteuer statistisch sauber erfasst werden kann, ist
eider im vorigen Jahr an dem mir unverständlichen Wi-
erstand des Bundesrates gescheitert.
Auch die statistische Aufbereitung des Körperschaft-
teueraufkommens lässt manche Wünsche offen. Vom
nsatz her, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der
raktion Bündnis 90/Die Grünen, kann und will ich Ihrer
ehklage über den traurigen Zustand der deutschen
teuerstatistik, insbesondere der Unternehmensteuersta-
istik, nicht widersprechen. Ihre politischen Schlussfol-
erungen aber teile ich ganz und gar nicht.
Ja, die deutsche Steuerstatistik ist verbesserungsbe-
ürftig. Doch auch die verfügbaren, zugegebenermaßen
twas groben Daten zum Steueraufkommen und aus der
olkswirtschaftlichen Gesamtrechnung führen zu einer
indeutigen Erkenntnis: Vergleichsweise hohe Sätze sind
eine Gewähr für munteres Sprudeln der Steuerquellen.
Die sehr verdienstvolle Untersuchung zur effektiven
teuerbelastung der Unternehmen in Deutschland, die
as DIW Berlin in seinem Wochenbericht 5/2007 jüngst
orgelegt hat, liefert hierzu nicht allein ein hohes Maß
n Erkenntnisgewinn. Das DIW bescheinigt der Koali-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8351
(A) )
(B) )
tion auch, auf dem richtigen Weg zu sein. Die internatio-
nal betrachtet vergleichsweise hohen Steuersätze, so das
DIW, machen Deutschland anfällig gegenüber steuerop-
timierenden Gestaltungsstrategien. Die von der großen
Koalition geplante Unternehmensteuerreform sei darauf
die richtige Antwort: Senkung der Steuersätze, Verbrei-
terung der Bemessungsgrundlage. „Die Lücke zwischen
den ökonomischen Gewinnen und den steuerlich er-
fassten Gewinnen bietet Potenzial zur Ausweitung der
Steuerbasis.“
Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Nach langer Dis-
kussion hat die schwarz-rote Koalition nun endlich einen
Referentenentwurf zur Reform der Unternehmensbe-
steuerung vorgelegt. Wer sich eine spürbare Verbesserung
der steuerlichen Standortbedingungen in Deutschland
versprochen hat, wird enttäuscht: Steuersystematisch und
steuerpolitisch ist der Entwurf ein Flop.
Zu begrüßen ist die geplante Steuerentlastung.
Deutschland ist ein Hochsteuerland, auch wenn die Grü-
nen mit ihrem Antrag das Gegenteil suggerieren. Es gibt
schließlich umfangreiche Untersuchungen wissenschaft-
licher Forschungsinstitute wie dem ZEW oder auch die
Ausführungen des Sachverständigenrates in jedem sei-
ner Gutachten der letzten Jahre.
Es ist schon erstaunlich, dass die Grünen sich nach
dem Verlust jeglicher Regierungsverantwortung in
Deutschland mit ihrem Antrag auf die Seite derer schla-
gen, die sich gern und ausgiebig in einer unreflektierten
Unternehmensschelte ergehen. Statt inhaltliche Vor-
schläge zur Unternehmensteuerreform zu machen, be-
zweifeln nun die Grünen tatsächlich, dass eine Senkung
der Steuerbelastung für Unternehmen überhaupt notwen-
dig sei. Dabei ist der jetzt in Deutschland bemerkbare
Aufschwung doch auch das Ergebnis einer Politik, die
die Grünen zumindest mitgetragen haben, auch wenn es
ihnen offensichtlich nie ein Herzensanliegen war. Die
Verbesserung der steuerlichen Standortbedingungen
durch die Eichel’schen Steuerreformen, denen durch die
FDP im Bundesrat zum Erfolg verholfen wurde, ist ein
Grund für den Boom in Deutschland. Die immense He-
belwirkung einer positiven Konjunktur ist jeden Monat
bei den Arbeitsmarktdaten und den Steuereinnahmen zu
beobachten. Wer hätte denn vor einem Jahr damit gerech-
net, dass das Erreichen der Maastrichtkriterien möglich
ist?
Statt sich aber dieser volkswirtschaftlichen Gegeben-
heiten bewusst zu werden, flüchten sich die Grünen mit
ihrem Antrag in die Rolle buchhalterischer Bedenkenträ-
ger ohne eigene Vorschläge. Das ist bedauerlich.
Denn der jetzt von der Regierung präsentierte Ent-
wurf ist nicht einmal ansatzweise eine Reform. Ich habe
ja schon betont, dass die FDP die angekündigte Steuer-
entlastung begrüßt. Es bleibt nur zu hoffen, dass diese
auch tatsächlich eintritt. Wir befürchten allerdings, dass
bei der breiten Masse der Unternehmen, insbesondere
der mittelständischen, davon nichts ankommt.
Es ist ein Armutszeugnis, dass weder Steuervereinfa-
chung noch ein modernes Umwandlungsteuerrecht oder
e
s
U
Z
i
S
z
o
k
w
s
a
l
B
m
E
D
a
j
g
r
D
l
r
g
s
b
W
e
M
f
ß
n
d
L
s
s
s
P
r
s
t
5
d
m
5
g
z
i
s
H
S
H
d
(C
(D
ine europagerechte Konzernbesteuerung auch nur ver-
ucht werden. Ein klares, einfaches und verlässliches
nternehmensteuerrecht lässt weiterhin auf sich warten.
Zwar ist die Einführung einer Abgeltungsteuer auf
insen und Dividenden zu begrüßen. Mit 28,5 Prozent
nklusive Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ist der
teuersatz im internationalen Wettbewerb aber deutlich
u hoch. Fatal auf die Attraktivität des Investitionsstand-
rtes Deutschland werden sich die Abschaffung der Spe-
ulationsfrist und die Einbeziehung der Veräußerungsge-
inne in die Abgeltungsteuer auswirken. Schon jetzt
ind deutliche Kapitalabflüsse aus Deutschland zu beob-
chten. Die private Altersvorsorge der Bürger wird deut-
ich erschwert.
Die systemwidrige Einbeziehung der Zinsen in die
esteuerung ist gerade für mittelständische Unterneh-
en eine existenzielle Bedrohung. Die durchschnittliche
igenkapitalquote in Deutschland liegt bei 12 Prozent.
as heißt, die Mehrzahl der Unternehmen ist existenziell
uf Fremdfinanzierung angewiesen. Wenn diese aber
etzt durch die Besteuerung der Zinsen erschwert wird,
eraten diese Unternehmen in Existenznot.
Es bleibt zu hoffen, dass die anstehenden parlamenta-
ischen Beratungen hier noch Verbesserungen bringen.
ie Beratungen zur Gesundheitsreform lassen mich al-
erdings zweifeln, dass die Abgeordneten der Regie-
ungsfraktionen den Willen und die Kraft dazu aufbrin-
en. Nach dem hier vorliegenden Antrag der Grünen
cheint bei der Opposition die FDP die einzig verblie-
ene Fraktion mit ökonomischem Sachverstand zu sein.
ir werden unsere Vorschläge jedenfalls konstruktiv
inbringen.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Mit dem Monat
ärz beginnt der meterologische Frühling, auf diesen
olgt schnell der Sommer, so ist der Zeitdruck der Gro-
en Koalition bei der Umsetzung ihrer Reformvorhaben
achzuvollziehen. Die Reform der Unternehmensteuer,
ie deutsche Unternehmen mit Steuergeschenken im
and halten soll, gerät jedoch nicht nur unter Zeitdruck,
ondern auch unter Rechtfertigungsdruck. Der Wider-
tand innerhalb der SPD gegenüber den milliarden-
chweren Entlastungen für Unternehmen wächst. Der
arteirat der SPD verlangt Nachbesserungen, Korrektu-
en und ein Nachverhandeln mit der Union. Hintergrund
ind die verschwommenen Zahlen der wirklichen Entlas-
ung für Unternehmen. Im Entwurf wurde zunächst von
Milliarden Euro ausgegangen, nun hält der Sprecher
es Bundesfinanzministers, Torsten Albig, es auch für
öglich, dass die Summe über einen Mittelwert von
Milliarden Euro gehen könnte. 6 Milliarden Euro oder
ar 8 Milliarden Euro, wie es manche Experten prophe-
eien?
Peer Steinbrück hat an das Durchsetzen der Reform
nzwischen sein politisches Schicksal geknüpft und ver-
ichert, dass die Belastungen der ersten Jahre für den
aushalt sich durch einen späteren wahren Segen an
teuereinnahmen rechfertigen lasse. Aber weder die
öhe der Belastungen für die Haushalte und besonders
ie der Kommunen noch die effektive steuerliche Entlas-
8352 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
(A) )
(B) )
tung der Unternehmen lassen sich offensichtlich in Zah-
len fassen. An manchen Stellen gleicht die Finanzpolitik
der Regierung einem Russischen Roulette mit katastro-
phalen Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte und
die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.
Die Einkommensverluste durch die Erhöhung der
Mehrwertsteuer und das fortgesetzte Lohndumping für
die Mehrheit der Menschen sind gigantisch. Sie bezah-
len mit ihrem Geld die großzügigen Geschenke an die
Unternehmer.
In ihrem Antrag fordern die Bündnisgrünen die Bun-
desregierung auf, eine aussagekräftige Datenbasis zur
tatsächlichen Unternehmensteuerbelastung vorzulegen,
um die Auswirkungen und die Sinnhaftigkeit der Reform
abschätzen zu können. Was uns an dieser Stelle eint, ist
das Prinzip Hoffnung, denn auch meine Fraktion bemüht
sich seit dem vergangenen Sommer um verlässliche
Daten zur tatsächlichen Belastung der Unternehmer,
über die Höhe und Struktur der überperiodischen Ver-
lustrechnung bei Unternehmen und auch über Einnah-
menverluste durch Steuerumgehung und Hinterziehung
deutscher Unternehmen. Die entsprechenden Antworten
der Bundesregierung lassen diesbezügliche Erwartungen
jedoch schwinden.
Ein Beispiel: Auf Antrag der Fraktionen der Großen
Koalition beschloss der Finanzausschuss am 28. Juni des
vergangen Jahres eine Reihe von Änderungen seiner Be-
schlussempfehlungen zum Steueränderungsgesetz 2007,
darunter auch eine Änderung des Gesetzes über Steuer-
statistiken. Am 29. Juni fand eine kurzfristig anberaumte
weitere Sitzung des Finanzausschusses statt, wo der glei-
che Änderungsantrag wieder zurückgenommen wurde.
Begründet wurde dies mit den ausstehenden Gesetzes-
vorhaben der Unternehmens und der Erbschaftsteuer-
reform. Es sei so nicht möglich, die mit dem bestehen-
den Gesetz der Statistik genaue Informationen zur
geplanten Rechtsformneutralität zwischen Kapital- und
Personengesellschaften liefern zu können. In einer Klei-
nen Anfrage meiner Fraktion baten wir die Bundesregie-
rung um Auskunft, wer denn mit welcher Begründung
die avisierte Änderung des Gesetzes über Steuerstatistik
verhindern wollte. Darüber gäbe es keine gesicherten
Erkenntnisse. Auf die Frage, ob die Bundesregierung
ihre Planungen zur Schaffung von Rechtsformneutralität
zwischen Kapital- und Personengesellschaften auf wis-
senschaftlich begründetes Datenmaterial stütze, erfolgte
die Antwort, dass dazu ausschließlich die Statistiken des
Statistischen Bundesamtes insbesondere zur Gewerbe-,
Körperschaft- und Einkommensteuer zur Verfügung
stünden.
Die Antwort auf die Frage, ob die Bundesregierung
eine Änderung des Steuerstatistikgesetzes angesichts des
bevorstehenden Verfahrens zur Unternehmensteuerre-
form beabsichtige, lautete: Ja, nach wie vor plane die
Regierung eine Umsetzung der im Steueränderungsge-
setz 2007 nicht aufgenommen Regelungen zur Einfüh-
rung jährlicher Statistiken für die Erbschaft-, Schen-
kung- und Umsatzsteuer. Von der Unternehmensteuer ist
nicht die Rede.
A
b
e
g
d
E
z
g
u
m
n
m
z
t
a
f
z
n
s
s
L
d
t
w
z
s
s
z
s
b
D
d
g
s
l
l
n
I
l
V
t
S
m
e
t
m
P
e
B
i
g
b
d
z
(C
(D
In einer weiteren Kleine Anfrage erhielten wir die
ntwort der Bundesregierung, dass es auch kein belast-
ares Zahlenmaterial über die jährlichen Steuerminder-
innahmen durch die Steuerbefreiung für Veräußerungs-
ewinne seit dem Jahre 2002 gäbe. Auch das Volumen
er Steuerausfälle durch Gestaltungsmöglichkeiten im
rtragsteuerbereich kann die Bundesregierung nicht be-
iffern, nur dass die Ausfälle durch gesetzliche Regelun-
en begrenzt seien. Das teilt sie auf Anfrage zu Steuer-
mgehung und Hinterziehung deutscher Unternehmen
einer Fraktion mit. Auf die Frage, wie denn die Maß-
ahmen zur Einschränkung steuerlicher Gestaltungs-
öglichkeiten und zur Beseitigung der Diskrepanz
wischen erwirtschafteten und steuerlich erfassten Un-
ernehmensgewinnen deutscher Kapitalgesellschaften
ussähen, erfahren wir, dass das internationale Steuerge-
älle Schuld sei daran, dass man die Unternehmen bevor-
ugt behandele, um sie am Weggehen zu hindern. Die
ominale Steuerbelastung von 39 Prozent für Kapitalge-
ellschaften sei auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu
enken, erfuhren wir als Antwort. Vielleicht auf das von
ettland, möchte man da fragen.
Mit den Steuerpräsenten für Unternehmen, wie sie in
er Reform geplant sind, baut Deutschland seine Vorrei-
errolle im internationalen Steuerdumpingwettbewerb
eiter aus. Die Regierung windet sich in ihren Aussagen
ur Steuerlast- oder besser Entlastung der Unternehmen;
ie präsentiert der Öffentlichkeit unseriöse Zahlenspiele,
ie unternimmt keine oder halbherzige Anstrengungen
ur Schaffung einer belastbaren Datenbasis als Voraus-
etzung einer realen wirklichkeitsnahen Unternehmens-
esteuerung.
In völligem Gegensatz dazu stehen die geforderten
aten der Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2006
er Bürgerinnen und Bürger mit durchschnittlichen und
eringen Einkommen. Diese Menschen haben keine Ge-
taltungsspielräume und können Gewinne nicht ins Aus-
and verlagern. Sie werden kontrolliert, steuerlich veran-
agt und zur Kasse gebeten. Liegt da die Vermutung
icht nahe, dass es seitens der Großen Koalition gar kein
nteresse an verlässlichen Daten und Statistiken zur rea-
en Steuerbelastung von Unternehmen und zu realen
ermögenswerten gibt, weil sie die ungerechte Umver-
eilung und die immer größere Ungleichheit stiftende
teuerpolitik in diesem Land ganz besonders deutlich
achen würden?
Die Kluft zwischen Unternehmensgewinnen und ihrer
ffektiven Steuerbelastung wächst. Die Steuergestal-
ungsmodelle und Schlupflöcher für Unternehmen bieten
it und ohne Reform genügend Spielraum, sich dem
rinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu
ntziehen. Wir unterstützen den Antrag der Fraktion des
ündnisses 90/Die Grünen, weil belastbare Daten und
hre Transparenz Voraussetzung für steuerliche Gesetz-
ebungsverfahren sein sollten. Von einer nachvollzieh-
aren Begründung für eine Sinnhaftigkeit dieser Reform
er Unternehmensteuer ist jedoch ganz sicher nicht aus-
ugehen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8353
(A) )
(B) )
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Demnächst wird sich dieses Haus mit einer Gesetzesvor-
lage zur Reform der Unternehmensteuern befassen. Fast
30 Milliarden Euro Steuerausfälle werden dort einkalku-
liert. Insgesamt 25 Milliarden Euro sollen durch eine
gigantische Umschichtung innerhalb der Bemessungs-
grundlage bei den Unternehmensteuern wieder hereinge-
holt werden.
Mit der Unternehmensteuerreform geht nicht nur ein
erhebliches Risiko für die öffentlichen Haushalte von
Bund, Ländern und Kommunen einher. Es kommt auch
zu Belastungsverschiebungen zwischen Mittelstand und
Großunternehmen. Solche weitreichenden Entscheidun-
gen verlangen nach einem verlässlichen Wissen darüber,
welche Unternehmensgruppe von welchen Maßnahmen
profitiert und welche Unternehmensgruppe belastet
wird. Es darf nämlich nicht passieren, dass am Ende die
Bürgerinnen und Bürger und die mittelständischen Un-
ternehmen die Entlastung der international aufgestellten
Großkonzeme bezahlen.
Fakt ist aber, dass es derzeit auf der Bundesebene
kaum empirische amtliche Echtdaten zur Steuerbelas-
tung der Unternehmen in Deutschland gibt. Entschei-
dungen werden also auf der Grundlage vager Annahmen
und Vermutungen gefällt, nicht auf der Basis konkreter
Fakten. Ich war deshalb grundsätzlich erst einmal hoch-
erfreut, dass die Parlamentarische Staatssekretärin, Frau
Dr. Barbara Hendricks, sich zu meinen Forderungen
nach einer verlässlichen Datenbasis für die Unterneh-
mensbesteuerung ähnlich geäußert hat. Sie stellt zusam-
menfassend fest, „dass nach derzeitiger Lage eine ge-
naue Aufstellung der von deutschen Unternehmen in
Deutschland gezahlten Steuern nicht möglich ist“. Also,
die Regierung hat das Problem erkannt. Was mich an
dem Schreiben der Staatssekretärin weniger gefreut hat:
Die Bundesregierung plant trotz dieser Erkenntnis offen-
bar nicht, die Datengrundlage zu verbessern.
Wenn keine eindeutige Aussage möglich ist, wie viel
Steuern die Unternehmen denn nun tatsächlich zahlen,
dann stellt sich ernsthaft die Frage, wie das Bundesfi-
nanzministerium Zahlentableaus vorlegen kann, die bis
auf die Million genau ausrechnen, welche Steuerausfälle
oder Steuermehreinnahmen durch bestimmte Elemente
der Steuerreform entstehen werden und das dazu noch
über die nächsten fünf Jahre. Hier wird den Abgeordne-
ten eine Scheingenauigkeit vorgetäuscht, die gar nicht
existiert. Tatsächlich stochert das Ministerium bei den
Zahlen ebenfalls im Nebel.
Ähnlich sieht das das Zentrum für europäische Wirt-
schaftsforschung, ZEW, in Mannheim. Auch die Wissen-
schaftler hier wissen nicht, wie viel Steuern deutsche
Unternehmen wirklich zahlen. Ihre Steuerbelastungsbe-
rechnungen sind wohl international anerkannt, aber sie
spiegeln die Steuerbelastung auf einer Modellebene wi-
der, und diese ist relativ weit weg von der Realität, wenn
es um die tatsächlich gezahlten Steuern geht. Sämtliche
Analysen zur Steuerbelastung von Unternehmen stützen
sich auf Hilfszahlen und Berechnungsmodelle, die letzt-
endlich angreifbar sind.
n
t
w
v
s
T
l
r
K
r
S
b
f
d
s
t
s
D
t
o
z
m
n
m
g
e
r
t
l
u
f
w
w
p
A
A
v
f
2
n
d
i
a
J
g
(C
(D
Es verwundert mich deshalb nicht, dass schon bei ei-
er einfachen Bestandsaufnahme, wie viel Steuern Un-
ernehmen tatsächlich zahlen, die Expertenmeinungen
eit auseinandergehen Die Analyseergebnisse reichen
on Aussagen, Deutschland sei mit einer Unternehmen-
teuerbelastung von 10 Prozent eine Steueroase, bis zur
hese, Deutschland sei mit einer Unternehmensteuerbe-
astung von über 40 Prozent ein Hochsteuerland.
Es ist ganz klar, dass es bei so hochkomplexen Steuer-
echtsänderungen, wie zum Beispiel der von der Großen
oalition geplanten Zinsschranke, noch deutlich schwie-
iger sein wird, die tatsächlichen Wirkungen auf die
teuereinnahmen abzuschätzen.
Ich kann nur feststellen, dass ohne eine deutlich ver-
esserte Datenbasis Steuerpolitik zur reinen Glaubens-
rage wird. Im Sinne einer soliden Finanzpolitik ist es
eshalb dringend notwendig, eine verlässliche und aus-
agekräftige Datengrundlage für die Ermittlung der Un-
ernehmensteuern auf der Basis von Echtzahlen zu erfas-
en. Da die Finanzämter vor Ort bereits über dieses
atenmaterial verfügen, wie hoch die Steuerlast der Un-
ernehmen wirklich ist, kann eine repräsentative und an-
nymisierte Stichprobe erhoben werden, ohne dass dies
usätzlichen bürokratischen Aufwand für die Unterneh-
en verursacht. Auf dieser Grundlage muss dann als
ächster Schritt ein Simulationsansatz ermittelt werden,
it dem Auswirkungen konkreter Steuerrechtsänderun-
en sowohl auf die Unternehmen als auch auf das Steu-
raufkommen berechenbar werden.
Es ist deshalb dringend notwendig, dass die Bundes-
egierung sich umgehend daranmacht, eine aussagekräf-
ige Datenbasis zur tatsächlichen Unternehmensteuerbe-
astung zu erstellen. Nur so können die Auswirkungen
nd damit die Sinnhaftigkeit der Unternehmensteuer-Re-
ormpläne der Bundesregierung verlässlich abgeschätzt
erden.
Es ist im Sinn aller Abgeordneten hier im Bundestag,
enn die Grundlagen, auf denen wir entscheiden, trans-
arenter werden. Wir fordern Sie deshalb auf, unseren
ntrag zu unterstützen.
nlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Sport- und Freizeit-
schifffahrt in Deutschland erleichtern (Tages-
ordnungspunkt 22)
Renate Blank (CDU/CSU): Spätestens seit einer
om geschätzten Kollegen Ernst Hinsken geleiteten öf-
entlichen Anhörung im Ausschuss für Touristik im Juli
003 wissen wir, dass der Wassertourismus sich zu ei-
em eigenständigen Angebotssegment entwickelt hat,
as in vielen Fällen sogar ein bedeutender Standortfaktor
st, von dem wichtige Impulse für neue Arbeitsplätze
usgehen. So gesehen, kann ich den FDP-Kollegen vier
ahre später zu ihrem teilweise in die richtige Richtung
ehenden Antrag nur zurufen: Willkommen im Boot!
8354 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
(A) )
(B) )
Kein Zweifel: In den letzten Jahren und Jahrzehnten
haben Freizeit und aktive Freizeitgestaltung als Aus-
gleich zum Berufsleben oder an dessen Stelle zuneh-
mend an Bedeutung gewonnen, die Sport- und Freizeit-
schifffahrt hat sich von einer ehemals exklusiven
Beschäftigung Begüterter zum Breitensport entwickelt.
Aktivitäten auf dem Wasser begeistern mehr und mehr
nicht nur Urlauber in fernen Regionen; auch in Deutsch-
land erleben immer mehr deutsche und ausländische
Touristen die Faszination der Nord- und Ostsee, der Bin-
nenseen und der Flüsse. 1,85 Millionen Deutsche sind in
Sportvereinen organisierte Wassersportler. 17,1 Millio-
nen Deutsche surfen, tauchen, segeln, angeln, fahren
Kanu, Motorboot oder Wasserski in ihrer Freizeit oder in
ihrem Urlaub.
Eine Befragung aus dem Jahr 2000 ermittelte
6,34 Millionen Deutsche, die „mehr oder weniger aktiv
Wassersport betreiben“. Das entspricht einem beachtli-
chen Anteil von 9,2 Prozent der erwachsenen Bevölke-
rung – die Tendenz ist steigend. Das Angebot für Aktivi-
täten rund ums Wasser ist hierzulande beachtlich:
Angeln, Hausboot, Bootsverleih, Badeseen, Strandbä-
der; Touren mit dem Kanu, dem Motor- oder Hausboot
führen über stille Seen, ruhige Flüsse und historische
Kanäle. Wer will, kann sich mit der Fahrgastschifffahrt
auf Seen und Flüssen durch die Landschaft schippern
lassen, bei einer Segeltour selbst das Steuer in die Hand
nehmen oder beim Angeln einen ganz dicken Fisch aus
dem Wasser holen. Und nicht zu vergessen: mit der
„Boot“ in Düsseldorf beheimatet Deutschland die welt-
größte Wassersportmesse.
Rund 1 000 Kilometer lange Binnenwasserstraßen,
zahlreiche reizvolle Seen sowie rund 23 000 Quadratki-
lometer Seewasserstraßen an Nord- und Ostsee machen
Deutschland zu einem interessanten Wassersport- und
Urlaubsrevier in zentraler Lage Europas. Hinzu kommen
noch viele Tausende Kilometer Fließgewässer, die nur
für Kanus und Ruderboote befahrbar sind. Die Verbin-
dungen auf dem Wasserweg mit den europäischen Nach-
barn in Ost und West öffnen zusätzliche Märkte und
schaffen hervorragende Ausgangsbedingungen. Aller-
dings sind die vielfältigen Möglichkeiten zur touristi-
schen Nutzung des Wassers hierzulande bei weitem noch
nicht ausgeschöpft und der Öffentlichkeit zu wenig be-
kannt – so das Ergebnis der Grundlagenuntersuchung
„Wassertourismus in Deutschland“.
Dennoch lag allein der Umsatz des Wassersportmark-
tes Deutschland nach aktueller Schätzung des Bundes-
verbandes der Wassersportwirtschaft bei rund 1,75 Mil-
liarden Euro für den deutschen Markt. Insbesondere die
Nachfrage nach Kreuzfahrten erfreut sich konstanter Zu-
wächse: Im Jahr 2005 wurden auf Flusskreuzfahrten
rund 326 000 deutsche Passagiere registriert. Sie gene-
rierten einen Umsatz von 370 Millionen Euro. Dies ent-
spricht einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr um
4,1 Prozent, gegenüber 1996 um fast 260 Prozent. Die
Donau gehörte mit 125 000 Passagieren zu den belieb-
testen Flussreisezielen der deutschsprachigen Touristen,
gefolgt von weiteren deutschen Flüssen.
s
E
a
d
W
s
s
d
m
W
u
z
g
m
W
W
G
p
K
m
s
R
M
S
c
b
m
w
f
w
B
s
m
r
n
t
V
r
c
s
b
t
S
u
M
c
s
p
r
w
f
e
d
b
(C
(D
Wird das wassertouristische Segment ausgebaut, so
tärkt dies den gesamten Tourismus einzelner Regionen.
ine gezielte Förderung des Wassertourismus nicht nur
n der Nord- und Ostsee trägt maßgeblich zum Ausbau
es Tourismus sowie zur Stärkung der touristischen
ettbewerbsfähigkeit Deutschlands bei. Die ökonomi-
chen Effekte des Wassertourismus sollten nicht unter-
chätzt werden. Sie sind weiter ausbaufähig, insbeson-
ere da Bootstouristen und Wassersportler längst nicht
ehr die klassischen Selbstversorger sind.
Zu den infrastrukturellen Basisangeboten auf und am
asser gehören qualitativ gut ausgebaute Anlegestellen
nd Wasserwanderrastplätze. Deutschlandweit kenn-
eichnen zurzeit über 260 „Gelbe Wellen“ – überwie-
end in Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpom-
ern – Anlegemöglichkeiten und signalisieren dem
assertouristen und Wassersportler ein „Herzliches
illkommen“. Allein Schleswig-Holstein bietet seinen
ästen rund 250 Sportboothäfen mit über 30 000 Liege-
lätzen. Diese sollten sich nach den Kriterien der Sterne-
lassifizierung von DTV und BWVS ausrichten und
ehr Möglichkeiten zum Tanken sowie für Abfallent-
orgung, Wasser und Stromversorgung etc. bereitstellen.
und 30 Sportboothäfen und Marinas, hauptsächlich in
ecklenburg-Vorpommern, sind bislang mit den „Blauen
ternen“ ausgezeichnet worden. Sie sind Vorreiter, si-
hern Qualitätsstandards, bauen ihre bestehenden Ange-
ote aus und geben dem Verbraucher bessere Vergleichs-
öglichkeiten zu Infrastruktur- und Serviceangebot.
Erfreulich ist, dass die deutschen Bootswerften nach
ie vor auf einer Welle des Erfolgs schwimmen. Die
ührenden Hersteller haben ihre Marktposition in Europa
eiter ausgebaut. 2006 hat die Nachfrage nach neuen
ooten und Yachten deutlich zugenommen. Die europäi-
che Bootswirtschaft berechnet einen Gesamtumsatz an
aritimen Gütern und Dienstleistungen in Höhe von
und 24,3 Milliarden Euro, der von rund 37 200 Unter-
ehmen mit mehr als 272 000 Beschäftigten erwirtschaf-
et wird. Davon entfallen rund 8 Milliarden Euro auf den
erkauf neuer Boote und Yachten.
Dies sind allgemeine Ausführungen zum Wassertou-
ismus und zur wirtschaftlichen Bedeutung dieser Bran-
he.
Ich bin dem ADAC, dem Bundesverband Wasser-
portwirtschaft und dem deutschen Boots- und Schiff-
auer-Verband dankbar, dass sie sich mit einem Posi-
ionspapier zum Thema „Deregulierung im Bereich der
portschifffahrt und des Wassertourismus“ fachkundig
nd ausführlich zu Wort gemeldet haben. Das kann dem
einungsbildungsprozess nur gut tun.
Die Forderung des Positionspapiers nach verlässli-
hen Unfallstatistiken, der Entwicklung von Qualitäts-
tandards für die Ausbildung der Weiterentwicklung
raktischer Prüfungsteile, der Bindung der Mindestaus-
üstung auch an das Fahrtgebiet, der Änderung der Trink-
asserverordnung, gemeinsame Kampagnen zur Schaf-
ung eines Sicherheitsbewusstseins im Sportbootbereich,
iner Kennzeichnungspflicht auch im Seebereich sowie
er Schaffung eines einheitlichen Sportschifffahrtsrechts
efürworte ich im Grundsatz.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8355
(A) )
(B) )
Die These, dass die bisherige bundesweite Führer-
scheinpflicht für Sportboote auf die Entwicklung des
Wassertourismus entwicklungshemmend wirkt, kann
man – allerdings mit einigen Abstrichen – durchaus dis-
kutieren. Um sich künftig mit konkurrenzfähigen Ange-
boten auf dem europäischen Markt behaupten zu kön-
nen, empfiehlt es sich, die positiven Erfahrungen aus
dem Pilotprojekt zur Einführung eines Charterscheins in
den Ländern Brandenburg. Mecklenburg-Vorpommern
und dem Saarland in einer bundesweiten Regelung zu
berücksichtigen. Hier ist ein deutlicher Nachfrageanstieg
bei wassertouristischen Angeboten spürbar. Beispiel
Brandenburg: Laut Aussagen der Vercharterer ist der
Anteil der führerscheinfreien Abfahrten seit Beginn der
Regelung im Jahr 2000 kontinuierlich gestiegen. Der
Anteil der führerscheinfreien Abfahrten liegt bei großen
Vercharterern bei rund 30 Prozent der Abfahrten; das
Gesamtgeschäft hat sich durch diesen Anteil auf einer
guten Basis stabilisiert.
Wie die Unternehmen der Wassersportwirtschaft be-
grüße auch ich die Überführung in dauerhaftes Recht und
die Erweiterung um neue Fahrtgebiete. Die Gleichstel-
lung mit dem internationalen Wettbewerb, Frankreich.
Niederlande etc., hat für die Betriebe in den Regionen,
die von der Öffnung profitieren, zu kontinuierlichen Um-
satzsteigerungen geführt. Erfreulich ist, dass jetzt auch
mobilitätseingeschränkte Menschen ihren Traum vom
Hausbootfahren verwirklichen können. Das erste roll-
stuhlgerechte Hausboot „Tristan“ in Brandenburg wurde
für den Deutschen Tourismuspreis 2006 nominiert.
Allerdings halte ich – das sei auch zum Antrag der
FDP angemerkt – die Bestrebungen zur Ausweitung des
ungeregelten Bereichs auch wegen der Zunahme des
Schiffsverkehrs für problematisch. Die Charterscheinre-
gelung im Binnenbereich ist aus gutem Grund auf jene
Gewässer beschränkt, deren Beschaffenheit und Ver-
kehrsdichte sehr geringe Anforderungen an die Schiffs-
führer stellen. Eine grundsätzliche Übertragbarkeit der
durch diese Regelung gewonnenen Erfahrungen auf an-
dere, stärker befahrene und mit Blick auf Wetter-, Gezei-
ten- und Grundverhältnisse anspruchsvollere Gewässer
ist wohl kaum möglich.
Außerdem halte ich die Argumente der Verbände und
des FDP-Antrags zur Zusammenlegung der amtlichen
Bootsführerscheine Binnen und See zu einem allgemei-
nen Bootsführerschein für nicht schlüssig. Für einen Be-
werber, der ein Sportboot ausschließlich auf Binnenge-
wässern betreiben möchte, ist nicht einzusehen, warum
er die Regeln der Seeschifffahrt beherrschen muss. Im
Interesse der Verbraucher wurde daher auf eine Zusam-
menlegung der Führerscheine wohlweislich verzichtet.
Entgegen dem im Positionspapier der Verbände und dem
FDP-Antrag formulierten Interesse, die Hemmschwelle
für den Einstieg in die Sportschifffahrt zu senken, würde
eine Zusammenlegung der beiden Bereiche in der Praxis
wohl eher sogar das Gegenteil bewirken.
Ich möchte daran erinnern: Das Sicherheitsmanage-
ment zum Beispiel auf deutschen Straßen beruht seit je-
her auf dem Grundsatz, dass die Reglementierung der
Verkehrsausübung umso geringer sein kann, je besser
d
T
r
d
m
b
b
w
d
B
a
f
S
s
a
f
Z
g
v
b
n
g
p
o
U
R
t
d
t
b
t
d
p
w
O
d
v
g
f
d
z
a
T
t
a
d
b
r
d
f
p
t
D
S
(C
(D
ie Fahrzeugführer qualifiziert sind. Die Ausbildung zur
eilnahme am Straßenverkehr beginnt Gott sei Dank be-
eits mit der Verkehrserziehung im Kindergarten und in
en Schulen und ist ein lebenslanger Lernprozess. Ich
ahne in diesem Zusammenhang auf den Wassersport
ezogen eine deutliche Verbesserung der Schwimmaus-
ildung bereits in den Schulen an. Seit mehreren Jahren
eisen die in der Wasserrettung tätigen Organisationen
arauf hin, dass der Anteil von Nichtschwimmern an der
evölkerung drastisch zunimmt. Hier ist noch einiges
ufzuholen.
Die Anzahl der absolvierten Führerscheinprüfungen
ür die amtlichen Sportbootführerscheine Binnen und
ee sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich ge-
unken, dennoch scheint das Interesse am Wassersport
llgemein ungebrochen: der Verband deutscher Windsur-
ing- und Wassersportschulen berichtet 2006 von einem
uwachs von 18 Prozent für die Bereiche Katamaranse-
eln, Windsurfing und Kiteboarding. Auch ohne staatlich
erordnete Führerscheinpflicht sind also die Einsteiger
ereit, in Ausbildung zu investieren.
Wie durchaus belebend einige Deregulierungsmaß-
ahmen sein können, zeigt die Charterbescheinigungsre-
elung auf vielen Wasserstraßen in Mecklenburg-Vor-
ommern und Brandenburg, nach der Hausboote auch
hne amtlichen Sportbootführerschein während eines
rlaubs gefahren werden dürfen. Seit Einführung der
egelung im Jahr 2000 haben sich die Umsätze der Un-
ernehmen um 41 Prozent erhöht, ohne die Sicherheit auf
em Wasser zu gefährden.
Die Wassersportwirtschaft schaut also mit berechtig-
em Optimismus in die Zukunft; denn der Wassersport
esitzt im Vergleich zu fast allen anderen Freizeitaktivi-
äten mit die größten Wachstumspotenziale. Davon muss
ie maritime Wirtschaft künftig in noch stärkerem Maße
rofitieren. Zur Sicherung einer dauerhaft positiven Ent-
icklung wollen wir – wo notwendig und sinnvoll – zur
ptimierung beitragen und sind bereit, die Vorschläge
es FDP-Antrags zu prüfen.
Annette Faße (SPD): Die FDP hat uns einen Antrag
orgelegt, in dem sie auf die Schnelle die Zwischener-
ebnisse eines laufenden Arbeitsprozesses zusammenge-
asst hat. Nur ist es so, dass uns Zwischenergebnisse in
er Sache nicht voranbringen. Deshalb werten wir zur-
eit die Diskussion unserer gemeinsamen Arbeitsgruppe
us, in der sich Vertreter aus den Bereichen Verkehr und
ourismus sowie beteiligte Verbände zu einer konstruk-
iven Sacharbeit zusammengefunden haben. In einem
bgestimmten Antrag, den wir gerade erarbeiten, werden
ie Koalitionsfraktionen aus ihrer Sicht den Handlungs-
edarf zur Deregulierung und Förderung des Wassertou-
ismus darlegen. Gleichzeitig leisten die Verbände jetzt
ie Vorbereitungen zum Thema der Verbesserung der In-
rastruktur. Die erarbeiteten Vorschläge werden wir se-
arat behandeln.
Ich möchte kurz in Erinnerung rufen, welche Bedeu-
ung der Wassertourismus in Deutschland besitzt. In
eutschland betreiben über 6 Millionen Wassersport:
ie surfen, tauchen, segeln, angeln, fahren Kanu, Motor-
8356 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
(A) )
(B) )
boot oder Wasserski. Die Nachfrage nach Kreuzfahrten
wächst. Die Donau gehört mit 67 000 Passagieren zu den
beliebtesten Kreuzfahrtrouten, Tendenz steigend. Frei-
zeitschifffahrt, Kanufahrten, Bootscharter und Tradi-
tionsschifffahrt klettern ebenfalls in der Beliebtheits-
skala. Mit anderen Worten: Es tummeln sich, zusätzlich
zur Berufsschifffahrt, eine ganze Menge „Wasserbegeis-
terte“ auf unseren Flüssen und Seen und auf Nord- und
Ostsee.
Wir besitzen in Deutschland ein rund 10 000 Kilome-
ter langes zusammenhängendes Wasserwegenetz, viele
schöne Seen sowie rund 23 000 Quadratkilometer See-
wasserstraßen. Die Potenziale für den Tourismus sind
bei weitem noch nicht ausgeschöpft und zielgerichtete
Marketingmaßnahmen, unter anderem in Zusammenar-
beit mit der Deutschen Zentrale für Tourismus und dem
Deutschen Tourismusverband, werden dafür sorgen,
dass mehr und mehr Menschen in den nächsten Jahren
auf diese Möglichkeiten aufmerksam und diese nutzen
werden. Wir haben zur Förderung des Wassertourismus
auf der Grundlage einer Studie in der letzten Legislatur-
periode bereits einen ersten ausführlichen Antrag vorge-
legt.
Ich stelle diese Zahlen bewusst an den Anfang, weil
ich klar machen möchte, dass bei so viel Trubel auf dem
Wasser Regeln wichtig und sinnvoll sind und vorgebli-
che Erleichterungen nicht unbedingt als solche wirksam
werden, sondern – im Gegenteil – sehr schnell zu einem
Risiko werden können. Gleichwohl prüfen wir im Rah-
men unserer Arbeitsgruppe Möglichkeiten der Deregu-
lierung. Wir müssen aber in diesem schwierigen Prozess
der Sicherheit eine hohe Bedeutung einräumen.
Jetzt möchte ich aber zunächst auf die Forderungen
der Kolleginnen und Kollegen von der FDP eingehen.
Sie machen in Ihrem Antrag sehr konkrete Vorschläge,
wie aus Ihrer Sicht die Sport- und Freizeitschifffahrt de-
reguliert werden soll. Ihre Grundaussage, die bestehen-
den Regelungen seien verwirrend und überkomplex,
kann ich zwar nachvollziehen, schließlich haben wir
nicht umsonst in unserer Arbeitsgruppe Deregulierungs-
vorschläge gesammelt und sehr ausführlich diskutiert.
Nur ist die Situation nicht ganz so drastisch, wie Sie uns
mit Ihrer sehr starken Formulierung glauben machen
möchten. Schließlich boomt der Wassertourismus und
weist bisher recht niedrige Unfallzahlen auf. Da schei-
nen doch nicht alle Regeln an der Realität vorbeizuge-
hen.
Aber nun zu Ihren Vorschlägen, mit denen sie ent-
sprechend ihrer Grundauffassung leider das Kind mit
dem Bade ausschütten. Sie möchten den Bootsführer-
schein Binnen und See zu einem Führerschein zusam-
menzufassen. Dies hätte eine erhebliche Erweiterung des
Prüfungsumfangs zur Folge, die den Bewerbern aus mei-
ner Sicht einfach nicht zumutbar ist.
Die Voraussetzungen für das Führen von Sportbooten
auf See- bzw. auf Binnenwasserstraßen sind so unter-
schiedlich, dass es fast gar nicht möglich ist, den ganzen
notwendigen Prüfungsstoff in einem Durchlauf abzufra-
gen. Und für Bewerber, die zum Beispiel ein Sportboot
nur auf einem Binnengewässer führen möchten, ist es
z
S
P
m
s
a
u
p
f
r
v
E
s
f
v
w
w
l
d
d
a
A
D
2
s
s
d
B
w
B
S
w
k
R
B
l
g
e
g
m
k
v
f
t
C
i
s
h
B
e
w
D
(C
(D
udem wenig einsehbar, dass sie dazu die Regeln der
eeschifffahrtsstraßen beherrschen sollen.
Ihre Vorschläge würden, da bin ich sicher, bei den
rüfungskandidaten auf wenig Freude stoßen. Wir
öchten, auch im Sinne der Förderung des Wasser-
ports, die Hemmschwellen nicht durch gut gemeinte
ber an der Praxis vorbeiformulierte Wünsche von Ihnen
nnötig hochsetzen.
Ich sehe auch durchaus Handlungsbedarf in der Über-
rüfung des Anteils von Theorie und Praxis bei den Prü-
ungen und damit auch in der Ausbildung, für die im Üb-
igen die Länder zuständig sind. Ich kann mir auch
orstellen, theoretische und praktische Fähigkeiten beim
rwerb eines zweiten Scheines anzuerkennen. Grund-
ätzlich aber müssen wir auch theoretisches Wissen ab-
ragen, um sicherzustellen, dass ein breites Basiswissen
orhanden ist. Es ist für die Bootsführer in der Praxis
ichtig, zu wissen, wie ein Containerschiff dreht oder
ie schnell bestimmte Schiffstypen sich bewegen. Ich
asse auch gerne mit mir über eine stärkere Gewichtung
er praktischen Kenntnisse und Ausbildungsinhalte re-
en. Beispielsweise denke ich hier daran, Nachtfahrten
ls Bestandteil für die Ausbildung aufzunehmen.
Dabei muss gewährleistet sein, dass das Niveau der
usbildung angemessen auf die Prüfung vorbereitet.
as BMVBS ist ja auch schon aktiv geworden und hat
005 die praktischen Inhalte für den Sportbootführer-
chein See weiterentwickelt. Dieses Basiswissen sollte
ogar regelmäßig in Weiterbildungen aufgefrischt wer-
en. Entsprechende Lehrgänge werden auf freiwilliger
asis angeboten, und dies soll auch so bleiben.
Das Ministerium und auch die Sportbootverbände
eisen in Kampagnen, Veranstaltungen und in ihren
roschüren immer wieder darauf hin. Der Bestand an
portbooten nimmt in Deutschland konstant zu, die ge-
erbliche Schifffahrt boomt, diesem wachsenden Ver-
ehrsaufkommen müssen wir aus Sicherheitsgründen
echnung tragen.
Nicht nachvollziehen kann ich Ihre Aussage, dass der
esitz eines Führerscheins nicht zu geringen Unfallzah-
en führt. Ja, wofür brauchen wir dann überhaupt ir-
endeinen Führerschein? Das können Sie doch nicht
rnsthaft behaupten. Zunächst muss es doch wohl darum
ehen, eine ordentliche Unfallstatistik aufzubauen, da-
it die Ursachen von Unfällen besser analysiert werden
önnen. Hierzu erarbeitet die Wasser- und Schifffahrts-
erwaltung gemeinsam mit der Bundesstelle für Seeun-
alluntersuchung ein Konzept für eine bundesweite Da-
enbank. Diesen Weg begrüße ich.
Dann fordern Sie in ihrem Antrag die Ausweitung der
harterscheinregelung auf gleichwertige Gewässer. Dies
st ja schon lange möglich. Nach dem erfolgreichen Ab-
chluss der Pilotprojekte in der Müritz und im Saarland
aben wir die Ausweitung schon längst umgesetzt. Das
MVBS prüft regelmäßig entsprechende Anträge, die zu
iner weiteren Freigabe von Binnengewässern gestellt
erden.
Hierzu gibt es einen festgelegten Kriterienkatalog.
ann wird der Antrag von den Wasserschutzpolizeien,
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8357
(A) )
(B) )
von den regionalen Wasser- und Schifffahrtsämtern und
der jeweiligen Wasser- und Schifffahrtsdirektion bewer-
tet. Bei einem positiven Votum erfolgt dann die Frei-
gabe. Ich sehe aber durchaus auch noch Potenzial für die
Freigabe weiterer Binnengewässer. In Brandenburg oder
Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel kann man da
sicher noch etwas machen. Wir warten auf die entspre-
chenden Anträge.
Ihre Forderung nach einer Ausweitung des ungeregel-
ten Bereichs auf andere Gewässer muss ich ganz ent-
schieden ablehnen. Ich habe eingangs die Situation unse-
rer Wasserwege beschrieben: Der Schiffsverkehr nimmt
stetig zu. Die Charterscheinregelung im Binnenbereich
ist auf Gewässer beschränkt, deren Beschaffenheit und
Verkehrsdichte nur sehr geringe Anforderungen an die
Schiffsführer stellen. Eine Ausweitung der Regelung auf
stärker befahrene und beispielsweise strömungsintensi-
vere, wetteranfälligere oder ebbe- und flutbeeinflusste
Gewässer ist nicht möglich, das würde der Schiffsführer
ganz einfach nicht schaffen.
Ihre Anregung dagegen, die Mindestausrüstung ver-
stärkt an das Fahrgebiet zu koppeln, nehme ich gerne
auf. Grundsätzlich können wir aber die Schiffsgröße
nicht völlig außer Acht lassen. So würde ich beispiels-
weise ungern ein zwölf Meter langes Boot auf ein oder
zwei Befestigungsleinen reduzieren, auch wenn es sich
in einem ruhigen Fahrgebiet befindet.
Die Empfehlungen des Verkehrsgerichtstags in Gos-
lar gilt es, in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.
Ziel muss es weiterhin bleiben, den Wassertourismus
und den Wassersport unter Beachtung der Sicherheit at-
traktiver zu machen, indem Regeln verändert oder ge-
strichen werden. Ziel ist eine verantwortbare Deregulie-
rung und nicht zusätzliche Regulierung. Alle Fragen der
notwendigen Infrastruktur und des gemeinsamen Marke-
tings von A- und B-Ländern dürfen nicht unbeantwortet
bleiben. Hier ist die Politik gefordert.
Sie sehen, es muss noch etwas Wasser den Rhein he-
runterfließen, bevor dem Hohen Haus vernünftige Vor-
schläge vorgelegt werden können. Ich empfehle deshalb,
unseren Antrag abzuwarten, der ein abgestimmtes und
durchdachtes Konzept zur Deregulierung und zur Förde-
rung des Wassertourismus enthalten wird.
Patrick Döring (FDP): Früher hieß es einmal, das
Meer sei der letzte freie Ort auf der Welt – Ernest
Hemingway. Auf deutschen Gewässern gilt das jedoch
leider schon lange nicht mehr. Wer in unserem Land in
seiner Freizeit mit einem Segel- oder Motorboot fahren
möchte, sieht sich mit unglaublich verwirrenden, kom-
plexen und unpraktischen Regelungen konfrontiert.
Ohne Führerschein ist es in Deutschland zum Beispiel
nahezu unmöglich, auch nur das kleinste Boot zu fahren:
Ab 5 PS gilt die Führerscheinpflicht. Ebenso gut
könnte man da im Straßenverkehr auch Führerscheine
für Radfahrer verlangen.
Ein Zeichen deutschen Regulierungsbedürfnisses ist
auch das Führerscheinsystem selbst. Da gibt es den
S
s
t
k
a
d
z
B
d
k
s
g
b
t
d
n
s
r
B
Z
2
b
g
z
S
l
i
n
L
s
I
n
s
n
R
k
v
g
z
u
C
ß
C
v
E
l
t
m
s
s
e
e
B
F
s
p
(C
(D
portbootführerschein Binnen und den Sportbootführer-
chein See und außerdem noch amtliche, nicht verpflich-
ende – aber rechtlich unter Umständen wichtige – Sport-
üsten-, Sportsee- und Sporthochseeführerscheine. Vor
llem die Trennung zwischen Binnen und See führt zu
er abstrusen Situation, dass viele Bootsführer gleich
wei Führerscheine machen müssen, um das gleiche
oot zum Beispiel auf der Elbe und vor Sylt fahren zu
ürfen. Nach dieser Logik müsste man im Straßenver-
ehr wohl auch unterschiedliche Führerscheine für Land-
traßen und Autobahnen verlangen. Der ganz überwie-
ende Teil aller Bootsführer macht deshalb notgedrungen
eide Führerscheine – mit doppelten Kosten und doppel-
em Aufwand.
Die Begründung für diese Regelungen ist einfach:
ie Sicherheit aller Beteiligten. Die ausgesprochen
iedrigen Unfall- und Todeszahlen in diesem Sport
cheinen diesem Argument sogar auf den ersten Blick
echt zu geben: Bei einem Bestand von knapp 450 000
ooten in Deutschland und einer weitaus größeren
ahl von Seglern und Motorbootfahrer gab es im Jahr
005 nur 14 Tote und 240 Verunglückte. Das Risiko,
eim Skifahren verletzt zu werden, ist etwa 20-mal
rößer und die Gefahr, beim Motorradfahren zu Tode
u kommen, 14-mal so hoch.
Der Blick ins Ausland zeigt jedoch, dass dieses hohe
icherheitsniveau nicht auf das dichte und strenge Rege-
ungswerk in Deutschland zurückzuführen ist. Denn die
m internationalen Vergleich niedrigste Unfallquote hat
icht etwa Deutschland, sondern Großbritannien, ein
and, das überhaupt keine verpflichtenden Bootsführer-
cheine kennt. Auch die skandinavischen Länder und
rland haben – ohne jede Führerscheinpflicht – kein nen-
enswert größeres Risiko in der Sport- und Freizeit-
chifffahrt. Diese Beobachtung wird auch durch eine
euseeländische Studie untermauert: Im Vergleich der
egelungen von 30 Ländern wurde festgestellt, dass
ein direkter Zusammenhang zwischen Sicherheitsni-
eau und Führerscheinpflicht zu erkennen ist.
Diese Beobachtungen werden auch durch Erfahrun-
en aus unserem eigenen Land bestätigt: In einem – in-
wischen verstetigten – Modellversuch in Brandenburg
nd Mecklenburg-Vorpommern wurde eine sogenannte
harterregelung geprüft. Auf bestimmten Wasserstra-
en, ohne gewerbliche Nutzung, wurde das Fahren mit
harterbooten auch ohne Führerschein erlaubt, wenn zu-
or eine praktische Einführung absolviert wurde. Das
nde der Geschichte: Die Unfallhäufigkeit der „ange-
ernten“ Bootsführer war nicht höher als das der Kapi-
äne mit Führerschein.
Ich muss die Freude aller, die daraus jetzt folgern,
an bräuchte dann bestimmt auch keinen Pkw-Führer-
chein, leider dämpfen. Dass kein Zusammenhang zwi-
chen Sicherheit und Führerscheinpflicht besteht, ist
ine Besonderheit der Sport- und Freizeitschifffahrt, die
inen einfachen Grund hat: Anders als das Auto wird das
oot nur gelegentlich, in der Freizeit bewegt. Das in den
ührerscheinprüfungen angelernte Wissen ist deshalb
chnell vergessen. Wichtig ist dagegen die Kenntnis der
raktischen Handgriffe – und da scheint es nur einen ge-
8358 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
(A) )
(B) )
ringfügigen Unterschied zu machen, ob man diese prak-
tisch anlernt oder einmal vor langer Zeit geübt hat.
Diese Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem In- und
Ausland lassen mich daran zweifeln, dass das immense
Regelungsdickicht für die Sport- und Freizeitschifffahrt
in Deutschland tatsächlich seine Berechtigung hat. Denn
natürlich verlangt das deutsche Verbotswesen seinen
Preis: Die restriktiven Führerscheinregelungen sind ab-
schreckend für Neueinsteiger und Gelegenheitsfahrer,
von denen vielleicht viele sich dauerhaft für dieses
Hobby begeistern könnten. Neben einer Einschränkung
bürgerlicher Freiheiten bedeutet dies nicht zuletzt einen
wirtschaftlichen Schaden – für die Bootsbauer und Ver-
eine, vor allem aber für wassertouristisch interessante
Regionen. In den Testgebieten Mecklenburg-Vorpom-
merns und Brandenburgs sieht man, welch großes Poten-
zial durch eine liberalere Führerscheinregelung gehoben
werden kann: Über 40 Prozent aller Bootsvermietungen
in diesen Revieren machen inzwischen die Inhaber eines
Charterscheins aus, die also keinen regulären Führer-
schein besitzen. Für die Region bedeutet das weit über
70 000 Übernachtungen.
Angesichts dessen müssen wir uns fragen, ob durch
das Regelungsdickicht nicht eine Schneise geschlagen
werden muss. Die FDP hat dem Hohen Hause deshalb
den vorliegenden Antrag unterbreitet. Wir hoffen, da-
durch eine konstruktive Debatte anzustoßen.
Unsere Vorschläge gehen vor allem in die Richtung,
erstens die bisherigen Führerscheine Binnen und See zu-
sammenzulegen und Lehrgang und Prüfungen prakti-
scher auszugestalten, zweitens einen erweiterten Ein-
stiegsbereich zu schaffen wie etwa in den Niederlanden,
wo bis zu einer Geschwindigkeit von 20 Kilometer pro
Stunde keine Führerscheinpflicht besteht, und drittens
die Charterscheinregelung vorsichtig zu erweitern, um
zusammenhängende und damit touristisch und wirt-
schaftlich interessantere Reviere zu schaffen. Außerdem
sollte natürlich davon abgesehen werden, durch weitere
Vorschriften mit nur geringer Sicherheitswirkung den
Gesetzes- und Verordnungsdschungel noch dichter zu
gestalten.
Im Detail besteht hier sicherlich noch Diskussionsbe-
darf. Ich hoffe hier auf eine konstruktive Auseinander-
setzung im Ausschuss, wie ich sie auch schon beim
Thema Wassertaxen erleben durfte. Wie zum Beispiel
die Zusammenlegung der Bootsführerscheine genau aus-
gestaltet werden soll, dazu gibt es naturgemäß verschie-
dene Auffassungen. Eine vorsichtige Ausdifferenzierung
des Führerscheinsystems ist zum Beispiel auch weiterhin
durchaus sinnvoll, damit Bootsführer, die nur ein be-
stimmtes Revier befahren wollen, nicht gezwungen wer-
den, für sie überflüssige Lehrgänge und Prüfungen zu
absolvieren. Das wäre kontraproduktiv.
Der jetzige Zustand indes, der so viele dazu zwingt,
den immensen Zeit- und Kostenaufwand zur Erlangung
zweier Führerscheine zu betreiben, ist in meinen Augen
unhaltbar. Hier kann die Politik mit geringem Aufwand
große Erleichterung schaffen, indem sie, für alle Leute,
die dies wollen, aus zwei Prüfungen eine macht.
z
m
F
t
l
u
r
f
v
d
m
i
s
u
w
E
S
F
k
s
d
s
H
a
s
k
F
e
d
k
e
s
d
V
g
i
d
e
d
a
a
d
U
d
b
g
P
(C
(D
Bei diesem Unterfangen hoffe ich auf Ihre Unterstüt-
ung.
Dorothée Menzner (DIE LINKE): Es ist doch im-
er wieder erquickend, mit welchen Einfallen uns die
DP-Fraktion beglückt: Wassertaxis in Berlin, beleuch-
ete Reklameflächen auf Dächern von Taxis usw. Das al-
es wohl aus der Sorge, die Antragsflut könnte versiegen,
nd, wie ich gestern im Ausschuss lernen durfte, um Bü-
okratie abzubauen. An sich ja ein ehrenwertes Unter-
angen, aber bitte doch nicht nach dem Motto: Quantität
or Qualität. Diesen Eindruck könnte man hin und wie-
er schon bekommen.
So beschäftigen wir uns heute zu dieser späten Stunde
it der Erleichterung der Sport- und Freizeitschifffahrt
n Deutschland.
Bei einem Punkt möchte ich Ihnen recht geben. Es
pricht vieles dafür, das Führerscheinwesen in der Sport-
nd Freizeitschifffahrt übersichtlicher, universaler und
eniger bürokratisch zu gestalten. Aber der Idee, die
ingangshürden zur Erlangung eines Motorboot- oder
egelführerscheins herabzusetzen, damit Bootseigner
ahrzeuge unter 5 PS motorseitig aufrüsten können,
ann meine Fraktion nicht folgen.
Jeder, der sich auf unseren dicht befahrenen Wasser-
traßen bewegt, braucht dringend Grundkenntnisse über
as Führen eines Bootes sowie die Gefahren der Wasser-
chifffahrt.
Woran Sie denken, ist das gemütliche Schippern mit
ausbooten etwa in der französischen Camargue oder
lten Kanälen in England. Sie führen in Ihrem Antrag ja
elbst aus, dass die Unfallzahlen im Schiffscharterver-
ehr in anderen Ländern niedrig seien.
Das mag für die genannten Touristenwasserstraßen in
rankreich oder England gelten. Aber ich kann mir aus
igener Erfahrung nicht vorstellen, dass jeder Unbe-
arfte vor meiner Haustür in Wolfsburg auf Mittelland-
anal und Elbeseitenkanal nach eigenem Gutdünken mit
inem Boot fahren kann, ohne Grundkenntnisse wasser-
traßenrechtlicher Vorschriften zu haben, besonders
ann, wenn dieser PS-starke Motorboote führen will.
on speziellen Anforderungen, wie sie etwa Schleusun-
en an Bootsführer stellen, ganz zu schweigen.
Die Einschränkung der Führerscheingrenze auf 5 PS
st daher sehr sinnvoll. Es kann nicht darum gehen, je-
em Bürger das ungezügelte Rasen auf Wasserstraßen zu
rmöglichen, womöglich als Äquivalent dafür, dass wir
och in naher Zukunft dazu kommen werden, das Tempo
uf Autobahnen endlich zu begrenzen.
Das Rasen mit Booten auf den Gewässern sollte auch
us ganz anderen Gründen unterbleiben. Wir stecken
erzeit voll und zu Recht in der Klimaschutzdebatte.
nd das Rasen mit PS-starken Gefährten auf Wasser ist
em Klimaschutz alles andere als dienlich. In Berlin ha-
en wir auch aus gutem Grunde Geschwindigkeitsbe-
renzungen – auch zum Schutz der Uferbereiche. Eine
S-Begrenzung, die wir im Führerscheinwesen auf Was-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8359
(A) )
(B) )
serstraßen haben, ist in dieser Beziehung auch eine gute
Maßnahme.
Wir schlagen vor, in wassersportrelevanten Gegenden
das Schulangebot in diese Richtung zu erweitern, das
Führerscheinwesen durch – wie von Ihnen vorgeschla-
gen – Einführung eines Allgemeinen Amtlichen Boots-
führerscheins übersichtlicher zu machen, aber die Unter-
grenze für das Führen von Motorbooten nicht
anzuheben.
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auf
den ersten Blick macht der Antrag der FDP-Fraktion
durchaus Sinn. Denn die Vielzahl – fünf an der Zahl – an
verschiedenen Sportbootführerscheinen und offensichtli-
che Überschneidungen in den Ausbildungsanforderun-
gen für den Sportbootführerschein-Binnen – SBF-Bin-
nen – und den Sportbootführerschein-See – SBF-See –
sind auffallend. Eine Zusammenlegung der letzteren zu
einem Allgemeinen Amtlichen Bootsführerschein
– AAB – könnte daher zunächst als sinnvoll erscheinen.
Wir stimmen unseren Kollegen von der FDP bei den
Forderungen 1 und 3 zu, in denen es darum geht, die
Sportbootführerscheinregelungen zu vereinfachen und
zu lockern. Auch die Ausweitung des Charterscheins auf
gefährdungsarme Strecken oder mäßig befahrene, kurze
Wasserstraßen und die Beschränkung der Führerschein-
pflicht auf Fahrzeuge bzw. Verkehrsflächen mit wesent-
lichem Gefährdungspotenzial halten wir gerade auch im
internationalen Vergleich für richtig und sinnvoll. Und
wir sehen ebenfalls die Notwendigkeit einer stärker pra-
xisbezogenen Ausbildung, die praktische Vorkenntnisse
besser berücksichtigen sollte.
Aber die nähere Behandlung mit dem Wortungetüm
„Allgemeiner Amtlicher Bootsführerschein“ zeigt auch
auf, daß wir einige Fragen in Ruhe klären sollten. Der
Antrag erscheint uns – aus welchen Gründen auch im-
mer – mit der heißen Nadel gestrickt worden zu sein.
Unsere geschätzten Kollegen von der FDP wollen ver-
mutlich damit belegen, dass nur sie sich wahrhaftig um
die Belange der Sport- und Freizeitschiffer kümmern.
Interessant ist übrigens in diesem Zusammenhang,
daß gestern in „Welt kompakt“ berichtet wurde, dass in
Niedersachsen die geplante völlige Freigabe von Was-
sersport auf – bestimmten – Seen von der schwarz-gel-
ben Regierung gerade ad acta gelegt werden musste.
Vielleicht sollten sich unsere Kollegen doch noch einmal
mit ihren Landespolitikern in Niedersachsen rückkop-
peln.
Bezüglich des Allgemeinen Amtlichen Bootsführer-
scheins ist uns die vorliegende Datenbasis zu unsicher,
zumal wir die Zahlen der FDP nicht nachvollziehen kön-
nen. Wir haben uns die aktuellen Zahlen von 2006 über
die Zugänge vom Deutschen Segler Verband – DSV –
und vom Deutschen Motoryachtverband – DMYV – be-
sorgt. Aus diesen können wir beispielsweise nicht erse-
hen, daß 95 Prozent sowohl den SBF-Binnen als auch
den SBF-See erwerben. Die überwiegende Zahl – näm-
lich 52 Prozent – machen den SBF-Binnen und nur
39 Prozent den SBF-See.
u
z
s
d
w
t
d
S
d
r
r
F
i
o
W
e
t
n
A
e
r
F
r
b
a
u
A
a
v
A
v
B
l
m
E
b
U
t
l
M
M
k
d
b
H
(C
(D
See- und Binnengewässer sind aus unserer Sicht zu
nterschiedliche Reviere, so dass bei der Ausbildung
um jeweiligen Sportbootführerschein auch die unter-
chiedlichen Verhältnisse, Anforderungen und Gefähr-
ungen berücksichtigt werden sollten. Warum sollten
ir den vielen Binnenschiffern die Erlernung der erwei-
erten Regeln für den SBF-See auferlegen? Das würde
och nur Sinn machen, wenn die Anforderungen an den
BF-See auf ein entsprechendes Niveau gesenkt werden,
avon raten wir jedoch dringend ab. Man sollte die De-
egulierung nicht übertreiben.
Was wir nicht nachvollziehen können, ist Ihre Forde-
ung 2, die Mindestausrüstung für Sportboote künftig an
ahrgebiete anstatt an die Schiffsgröße anzupassen. Das
st nur eine andere Form von neuer Bürokratie, denn
hne eine verstärkte Prüfungsmöglichkeit durch die
asserpolizei und/oder eine Fahrtenbuchpflicht wäre
ine derartige Regelung ein stumpfes Schwert. Wir hal-
en diese Forderung daher für kontraproduktiv und leh-
en sie daher auch ab.
Wir schlagen vor, dass wir uns dieses Themas im
usschuss auch weiterhin annehmen sollten und halten
s in diesem Zusammenhang für geboten, die Bundes-
egierung aufzufordern, einen Bericht zur Sport- und
reizeitschifffahrt in Deutschland unter besonderer Be-
ücksichtigung der aktuellen Situation bei den Sport-
ootführerscheinen vorzulegen.
Manche Ansätze des Antrags erscheinen uns sinnvoll,
ndere gehen uns an bestimmten Stellen jedoch zu weit
nd sind zu wenig durchdacht. Wir wollen aber keinen
ktionismus. Und wir wollen keine „Leichtmatrosen“
uf unseren Gewässern, für die der Leitspruch gilt: „Na-
igation ist, wenn man trotzdem ankommt.“
nlage 9
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Ratifizierung des
IAO-Übereinkommens über Heimarbeit (Tages-
ordnungspunkt 23)
Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU): Heimarbeit ist in
ielen Entwicklungsländern oft die gängigste Form von
eschäftigung. Dies geschieht vielfach unter unmensch-
ichen Bedingungen und bedeutet für viele Menschen
angelhafte und/oder gar keine soziale Absicherung,
ntrechtung und/oder schlichtweg miserabelste Arbeits-
edingungen.
Es gibt oftmals keinen Arbeitsplatzschutz, Mutterschutz,
rlaubsanspruch oder einen rechtsgültigen Arbeitsver-
rag – Dinge, die wir in Deutschland für selbstverständ-
ich halten. Dabei ist das Tragische, dass viele dieser
enschen in Entwicklungsländern kaum eine andere
öglichkeit haben, für ihre Familien zu sorgen, da es
aum Alternativen zur Heimarbeit gibt. Die Folgen für
ie Entwicklung dieser Länder sind verheerend. Und ich
in mir sicher, dass sich dieser Analyse jeder in diesem
ause anschließt.
8360 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
(A) )
(B) )
Es stellt sich die Frage, was wir dagegen tun können.
Der Antrag der Fraktion Die Linke fordert zum einen,
das Übereinkommen 177 der IAO über Heimarbeit in
Deutschland zu ratifizieren, und zum anderen, bei der
internationalen Staatengemeinschaft dafür zu werben,
dies ebenfalls zu tun. Nun ist dieses Übereinkommen aus
dem Jahr 1996, und bislang haben es erst fünf von fast
180 Unterzeichnerstaaten ratifiziert. Dies ist nicht gerade
eine überwältigende Anzahl und es stellt sich die Frage,
warum dem so ist.
In Deutschland hat dazu das Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit im entsprechenden Ausschuss
Stellung bezogen, welche Auswirkungen eine Ratifizierung
des Übereinkommens über Heimarbeit für Deutschland
hätte. Schließlich darf man nicht vergessen, dass die
Ratifizierung von internationalen Abkommen auch Aus-
wirkungen auf das deutsche Recht haben kann.
Das Ministerium kommt bei der angesprochenen
rechtlichen Bewertung zu der Auffassung, dass das
Übereinkommen über Heimarbeit nicht mit den in
Deutschland geltenden Gesetzen im Einklang steht, weil
auch die Telearbeit unter den Heimarbeitsbegriff des
Übereinkommens fällt und dies nicht mit den entspre-
chenden Bestimmungen des SGB IV vereinbar ist. Außer-
dem übernimmt das Übereinkommen das romanische
System der Arbeitsinspektion, das sich auch auf die
Regelungen von Entlohnung und Arbeitsbedingungen
erstreckt. Doch genau dies ist in Deutschland Aufgabe
der Tarifvertragsparteien oder Gremien nach dem soge-
nannten Heimarbeitsgesetz. Würden wir das Überein-
kommen also ratifizieren, würden wir damit tief in das
System des Tarif- und Arbeitsrechts eingreifen und dies
kann nun wirklich nicht gewollt sein. Ob das vom Antrag-
steller bedacht wurde, vermag ich nicht zu beurteilen,
aber allein deshalb kann die Fraktion der CDU/CSU die-
sem Antrag nicht zustimmen.
Ich glaube auch, dass unabhängig von dieser rechtlichen
Bewertung – und diese können wir nicht einfach so abtun –
nicht vorrangig Deutschland Adressat des Übereinkom-
mens ist; denn unsere Standards bei der Heimarbeit sind
nicht zu beanstanden. Ich glaube vielmehr, dass der
Adressat des Übereinkommens Entwicklungsländer sind,
in denen kein Mindestmaß an Schutz vor Ausbeutung
bei der Heimarbeit existiert. Doch gerade diese Länder
scheinen sich nicht in das enge Korsett des Übereinkom-
mens einpassen zu wollen oder zu können. So wünschens-
wert es wäre, dass weltweit Standards bei der Heimarbeit
gelten, so wenig ist das Übereinkommen offensichtlich
dafür geeignet, diese zu implementieren. Wir brauchen
vielmehr flexiblere Instrumente, die den Regierungen
mehr Raum lassen für länderspezifische Anpassungen
und Ausgestaltungen, ohne dadurch die notwendigen
Standards zu unterminieren. Damit wir uns richtig ver-
stehen: Ich teile ausdrücklich die Auffassung, dass ein
Mindestmaß an Schutz vor Ausbeutung bei der Heimarbeit
weltweit gelten sollte. Allerdings ist das Übereinkommen
über Heimarbeit nicht dazu in der Lage, dies zu ändern.
Kurz gesagt: richtige Analyse – falsches Instrumentarium.
Und solange wir dieses Instrumentarium – eine funktio-
nierende internationale Vereinbarung – nicht haben, müs-
s
v
te
in
w
z
v
H
u
H
u
d
w
v
v
m
i
s
d
f
Z
W
i
i
d
f
u
w
f
g
A
d
s
r
S
d
s
s
m
z
g
l
w
H
g
R
Ü
l
(C
(D
en wir im Rahmen der bilateralen oder der international
ernetzten Entwicklungszusammenarbeit darauf hinarbei-
n, dass ein Mindestmaß an Standards bei der Heimarbeit
den Partnerländern eingehalten wird. Dabei unterstützen
ir diese Länder, und ich glaube, zu diesem Weg gibt es
urzeit keine Alternative. Denn eins dürfen wir nicht
ergessen: Soziale und rechtliche Standards bei der
eimarbeit sind im Interesse der betroffenen Menschen
nd unabdingbar notwendig für die Entwicklung ihrer
eimatländer. Aber nicht nur das; es wäre auch in unserem
reigenen Interesse; denn von weltweit geltenden Stan-
ards bei der Heimarbeit profitieren nicht zuletzt auch
ir selbst. Ich möchte an dieser Stelle aus einer Rede
on Bundespräsident Köhler an der Universität Tübingen
on vor gut zwei Jahren zitieren, in der er diese Zusam-
enhänge deutlich macht:
Wir müssen endlich begreifen, dass wir in einer
Welt leben! Nicht in einer ersten, zweiten oder dritten
Welt. Das liegt auch in unserem eigenen Interesse:
Denn wir in den sogenannten entwickelten Ländern
werden weder unseren Wohlstand noch unsere Si-
cherheit noch unseren Frieden erhalten, wenn wir
uns nicht als Partner der Armen begreifen.
Die Verbesserung der Bedingungen von Heimarbeit
st dafür ein immens wichtiger Beitrag. Ich glaube, wir
ind uns im Ziel, soziale und rechtliche Missstände bei
er Heimarbeit in Entwicklungsländern zu bekämpfen,
raktionsübergreifend einig, und ich hoffe, dass wir in
ukunft – bei aller notwendigen Diskussion über den
eg – auf dieses Ziel gemeinsam hinarbeiten, nicht nur
m Interesse der Menschen in den Partnerländern, auch
m Interesse Deutschlands. Wenn wir das begreifen und
en Menschen deutlich machen, wird auch die Akzeptanz
ür Entwicklungszusammenarbeit insgesamt zunehmen
nd die Bereitschaft, dafür Opfer zu bringen, steigen.
Walter Riester (SPD): Heimarbeit ist gerade in Ent-
icklungs- und Schwellenländern häufig zwischen in-
ormeller und formeller Arbeit angesiedelt und dadurch
ekennzeichnet, dass in diesem Bereich .sehr schlechte
rbeitsbedingungen vorherrschen und Familienmitglie-
er und Kinder durch ihre Mitarbeit ebenfalls betroffen
ind. Insofern ist es gerade hier wichtig, für die besonde-
en Bedingungen der Heimarbeit auch entsprechende
chutzrechte zu vereinbaren. In Deutschland haben wir
ies schon im Jahre 1951 mit dem Heimarbeitsgesetz ge-
etzlich geregelt.
Die Initiative der ILO ist also vom Grundsatz her ab-
olut notwendig, und in der Präambel des Übereinkom-
ens 177 über Heimarbeit aus dem Jahre 1996 ist auch
utreffend ausgeführt, dass die besonderen Bedingun-
en, die die Heimarbeit kennzeichnen – ich zitiere wört-
ich –, ,,es wünschenswert erscheinen lassen, die An-
endung dieser Übereinkommen und Empfehlungen auf
eimarbeiter zu verbessern und sie durch Normen zu er-
änzen, die den besonderen Merkmalen der Heimarbeit
echnung tragen“.
Problematisch ist allerdings dann Art. 4 Abs. 2 des
bereinkommens, in dem eine absolute Gleichbehand-
ung insbesondere in Bezug auf acht Positionen gefor-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8361
(A) )
(B) )
dert wird, die teilweise eben nicht eine Gleichbehand-
lung, sondern – aufgrund der Unterschiedlichkeit von
Heimarbeit und formeller Arbeit – eine unterschiedliche
Behandlung erforderlich machen. Dies beginnt bei-
spielsweise schon beim Arbeitsschutz. In unserem Land
gilt im formellen Bereich die Arbeitsstättenverordnung.
Sie gilt natürlich nicht in den Haushallen, in denen
Heimarbeit praktiziert wird. Auch der Schutz durch ge-
setzliche Systeme der sozialen Sicherheit ist in diesen
Ländern nicht ohne Weiteres auf die Heimarbeit zu über-
tragen.
Ähnlich verhält es sich mit der Entgeltregelung und
dem Zugang zur Ausbildung.
Kurzum: Die Besonderheiten der Arbeitsbedingungen
der Heimarbeit bedürfen auch besonderer Regeln. Das
Übereinkommen 177 ist jedoch nicht dazu geeignet, die
in Heimarbeit Beschäftigten zu schützen, da es den be-
sonderen Merkmalen der Heimarbeit nicht ausreichend
Rechnung trägt. Es fordert die Gleichbehandlung mit
formellen Arbeitsverhältnissen und würde somit Unglei-
ches gleich behandeln. Insofern müsste meiner Meinung
nach das ILO-Übereinkommen auch geändert werden.
Es sollte die ILO auch zumindest nachdenklich stimmen,
dass das Übereinkommenden bisher nur von fünf der
176 Mitgliedsländer ratifiziert worden ist.
Aus diesen Gründen lehnen wir den Antrag der Frak-
tion der Linken auf Ratifizierung des ILO-Übereinkom-
mens über Heimarbeit ab. Da das generelle Anliegen,
differenzierte Regeln für die Heimarbeit zu schaffen, je-
doch von großer Bedeutung ist, wäre es durchaus wün-
schenswert, wenn in dieser Sache ein Gespräch zwi-
schen Parlamentariern des Deutschen Bundestages,
deutschen Vertretern in der ILO und deutschen Gewerk-
schaften geführt werden könnte.
Dr. Karl Addicks (FDP): Beim Lesen des Antrags
der Kollegen der Linken ist wieder ein Bild von der „bö-
sen Globalisierung“ gezeichnet worden, die an allem
Elend auf der Welt schuld ist – nach dem Motto: Große
global agierende Unternehmen beuten Heimarbeiter oder
andere kleinere Zulieferfirmen, vorrangig in Entwick-
lungsländern, aus. Das trifft in einigen Fällen sicher zu.
Aber das sind Ausnahmen. Ein immer nur negatives Bild
von einer weltweiten Entwicklung zu zeichnen, das wi-
derstrebt mir. Es gilt die Vorteile und Chancen der Glo-
balisierung zu nutzen. Gerade für Entwicklungsländer
und ihre Bevölkerung ergeben sich viele Entwick-
lungschancen, Chancen zur weltweiten Durchsetzung
von Freiheit, Menschenrechten und Marktwirtschaft.
Globalisierung ist mehr als Handel. Sie deckt gute und
schlechte Politik auf, führt zu Transparenz der politi-
schen und gesellschaftlichen Systeme und damit zur
Durchsetzung von Menschenrechten, zum Ausbau
rechtsstaatlicher Strukturen und zum Wohlstand für alle.
Die Ausbreitung von Freiheit, Menschenrechten, Demo-
kratie und Marktwirtschaft ist daher die zentrale Auf-
gabe der Entwicklungspolitik im Rahmen der Globali-
sierung. Das sind meiner Meinung nach die Ansätze, die
wir verfolgen sollten.
a
w
n
H
e
„
l
l
„
m
h
g
d
l
s
r
u
d
g
l
h
t
S
k
g
t
W
f
s
c
d
z
d
M
e
f
v
i
v
r
Z
d
D
t
k
r
c
z
f
n
d
b
(C
(D
Die Ratifizierung eines Übereinkommens zur Heim-
rbeit der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO),
ie es im Antrag der Linken gefordert wird, kann mei-
er Meinung nach keine Verbesserung der Lage für die
eimarbeiter in Entwicklungs- und Schwellenländern
rwirken. Und auch das oft angebrachte Argument der
Ausstrahlungskraft“ einer Ratifizierung durch Deutsch-
and auf die betroffenen Länder, kann ich nicht gelten
assen. Ein Land wie Botswana, wo 77 Prozent aller
Betriebe“ in Haushalten sind, wird dieses Übereinkom-
en nicht ratifizieren, nur weil Deutschland dies getan
at. Wenn das so einfach wäre, dann wären wir in eini-
en anderen Punkten schon viel weiter. Wir müssen in
en betroffenen Ländern das Bewusstsein und die Mög-
ichkeiten schaffen, dass die Menschen in der Lage sind,
ich selbst zu helfen, und sich ihrer Rechte bewusst sind.
Lassen Sie mich drei Stichworte nennen, die für Libe-
ale Grundvoraussetzungen zur Beseitigung der Armuts-
rsachen sind: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der
iskriminierungsfreie Zugang zur Bildung.
Eine funktionierende Demokratie ist der beste Schutz
egen Ausbeutung und Zweckentfremdung von Hilfs-
eistungen und eine wesentliche Voraussetzung für nach-
altige Hilfe. Sie öffnet zudem traditionell benachteilig-
en Gruppen die Möglichkeit politischer Partizipation.
Darüber hinaus ist Rechtsstaatlichkeit das wichtigste
chutzinstrument der Armen. Wo es an Rechtsstaatlich-
eit fehlt, müssen sich die Armen in Abhängigkeiten be-
eben, die ihre wirtschaftlichen und politischen Freihei-
en beschränken oder ganz unmöglich machen.
irtschaftliche Entwicklung braucht den Markt. Wo er
ehlt, gibt es keinen wirtschaftlichen Erfolg. Erfolgreich
ind nur jene Staaten, die ein hohes Maß an wirtschaftli-
her Freiheit erlauben. Die Entwicklungspolitik muss
aher den Aufbau funktionierender Marktwirtschaften
um Ziel haben, wenn sie die Armut und ihre Ursachen
auerhaft beseitigen will.
Und nicht zu vergessen der Zugang zur Bildung.
enschen, die lesen und schreiben können, sind viel
her in der Lage, ihre Rechte zu kennen und auch einzu-
ordern. Das muss unser Ziel sein. Ich kann mir nicht
orstellen, dass ein Heimarbeiter in Indien oder wo auch
mmer, wenn er nicht lesen und schreiben kann, jemals
on den im Übereinkommen festgelegten Rechten erfah-
en wird. Alles andere wäre illusorisch.
Es gibt aber noch weitere Punkte, die uns von einer
ustimmung zu ihrem Antrag abhalten. Es ist Tatsache,
ass bei einer Ratifizierung des Übereinkommens durch
eutschland erhebliche arbeitsrechtliche Probleme auf-
reten. Ohne umfassende arbeitsrechtliche Änderungen
ann Deutschland dieses Übereinkommen nicht ratifizie-
en. Wir haben in Deutschland bereits ein völlig ausrei-
hendes Heimarbeitsgesetz und zusätzlich noch weitere,
um Teil überflüssige arbeitsrechtliche Vorschriften. Da
rage ich mich doch, warum wir dieses Übereinkommen
och ratifizieren sollen, gerade vor dem Hintergrund,
ass es für die Heimarbeiter in Deutschland keine Ver-
esserung der rechtlichen Situation ergeben würde?
8362 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
(A) )
(B) )
Ferner geht der Anwendungsbereich des Überein-
kommens weit über den nationalen Begriff der Heimar-
beit hinaus. Demnach würden auch Telearbeitsplätze un-
ter den weiten Begriff Heimarbeit fallen. Darüber hinaus
enthält das Übereinkommen Regelungen zur Entlohnung
und Arbeitsbedingungen. Dies ist aber in Deutschland
Aufgabe der Tarifparteien.
Ich könnte Ihnen noch weitere Punkte nennen. Doch
ich will es kurz machen: Die Ratifizierung des Überein-
kommens würde einen tiefgreifenden, systemwidrigen
Eingriff in unser arbeitsrechtliches System bedeuten.
Das kann nicht in unserem Interesse sein. Ganz zu
schweigen von dem bürokratischen Aufwand, den eine
solche Ratifizierung nach sich zieht. Ein langes und auf-
wendiges Berichtsystem ist nach einer Ratifikation die
Folge. Dieser bürokratische Aufwand macht nur dann
Sinn, wenn das Übereinkommen auch eine Verbesserung
der Lage bringt. Bei diesem bezweifle ich das.
Ich möchte nicht, dass Sie mich falsch verstehen. Es
gibt Übereinkommen, die sind richtig und wichtig. Doch
warum soll Deutschland ein Übereinkommen ratifizie-
ren, wo doch viel bessere und weitergehende gesetzliche
Regelungen vorhanden sind? Das ist meines Erachtens
ein Bürokratismus, den wir uns sparen können, auch vor
dem Hintergrund der Wirksamkeit des Übereinkom-
mens.
Wir Liberale sind uns einig, dass wir diesem Antrag
nicht zustimmen können.
Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE): Die Bundes-
regierung hat sich den UN-Millenniumszielen verpflich-
tet, die im Zeitraum zwischen 2000 und 2015 die Halbie-
rung des Hungers und der extremen Armut auf der Welt
vorsehen. Auch auf der kommenden Tagung der G 8 in
Heiligendamm wird sich die deutsche Präsidentschaft
dieses Ziel wieder werbewirksam auf die Fahnen schrei-
ben.
Nur: Was heißt das konkret? Extreme Armut entsteht
dort, wo Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen sind
oder in unsicheren Arbeitsverhältnissen beschäftigt wer-
den. Diese sogenannte prekäre Beschäftigung ist welt-
weit auf dem Vormarsch. Der Grund ist einfach: Die
neoliberale Ideologie, der sich die G 8 und die Bundes-
regierung verschrieben haben, sieht überall nur Deregu-
lierung, Privatisierung und Liberalisierung der Wirt-
schaft vor. Als Folge wächst weltweit der informelle
Sektor. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorga-
nisation IAO beträgt der Anteil der in der Schattenwirt-
schaft Beschäftigten in vielen Ländern Asiens und Afri-
kas zwischen 50 und 80 Prozent. Heimarbeit nimmt
dabei eine bedeutsame Rolle ein.
Ich konnte mir von den Auswirkungen informeller
Arbeitsverhältnisse anlässlich des Weltsozialforums in
Kenia ein Bild machen. Von den rund 10 Millionen Be-
schäftigten befinden sich dort nur 1,8 Millionen in einer
regulären, durch Arbeitsverträge abgesicherten Beschäf-
tigung. Ich habe gesehen, wie unter ärmlichsten Bedin-
gungen in Nairobi Zehntausende auf einem improvisier-
t
W
l
f
u
Z
h
t
f
t
w
s
s
m
h
a
z
s
w
j
g
H
1
e
g
D
h
s
z
s
B
n
S
D
k
t
S
l
l
b
g
s
r
S
F
F
r
I
n
a
V
D
w
(C
(D
en Markt für Alt-Textilien und andere Second-Hand-
are unter freiem Himmel arbeiten und handeln.
Heimarbeit ist eine besonders perfide Form informel-
er Beschäftigung. Häufig handelt es sich um Arbeit, die
rüher unter dem Dach großer Unternehmen stattfand
nd durch Arbeitsverträge abgesichert war. Doch im
uge der neoliberalen Umstrukturierungsmaßnahmen
aben gerade die transnationalen Unternehmen systema-
isch bestimmte Produktionsbereiche ausgelagert. So be-
indet sich heute ein Drittel aller kenianischen „Be-
riebe“ in Privathaushalten.
Die sozialen Folgen der Heimarbeit in solchen Ent-
icklungsländern sind häufig dramatisch. Aufgrund der
chwachen Verhandlungsposition der in Heimarbeit Be-
chäftigten sind die Entgelte niedrig. Die betroffenen Fa-
ilien leben in permanenter Unsicherheit. Jede Krank-
eit ist existenzbedrohend. Heimarbeit bedeutet, dass die
bhängig Beschäftigten für die Produktionsvorausset-
ungen selber zahlen müssen.
Und: Die Mehrheit der in Heimarbeit Beschäftigten
ind weiblich, in Industriestaaten ebenso wie in Ent-
icklungsländern. Heimarbeit bedeutet die Aushebelung
eglichen Mutterschutzes – sofern sie nicht von Schutz-
esetzen begleitet wird.
Genau solch eine Gesetzgebung zum Schutz der
eimarbeiterinnen fordert das IAO-Übereinkommen
77. Es trat im April 2000 in Kraft, und dennoch haben
s bis heute nur fünf Länder ratifiziert – Albanien, Ar-
entinien, Finnland, Irland und die Niederlande.
eutschland verweigert sich bislang. Kanzlerin Merkel
at in der letzten Woche wohl Weltbank und Afrikani-
che Union aufgefordert – ich zitiere – „ihr Bekenntnis
ur Gleichstellung von Mann und Frau messbar umzu-
etzen“. Gleichzeitig aber blockiert sie die IAO in ihren
emühungen, konkrete Gesetze zum Schutz von Millio-
en von Heimarbeiterinnen weltweit durchzusetzen.
cheinheiliger geht es nicht.
Nun fragt man sich, was die Regierungsfraktionen in
eutschland gegen eine Ratifizierung des IAO-Überein-
ommens über Heimarbeit einzuwenden haben. Abs-
rakte Bekenntnisse zur IAO gibt es schließlich genug.
o lesen wir in einer Broschüre unter dem Titel „Globa-
isierung sozial gestalten“ des Ministeriums für Entwick-
ung und Zusammenarbeit: „Die Bundesregierung legt
esonderen Wert auf die Umsetzung international gülti-
er Sozialstandards … Die Internationale Arbeitsorgani-
ation verweist in diesem Zusammenhang zu Recht da-
auf, dass Arbeitsstandards eine besondere Rolle beim
treben nach einer größeren Balance zwischen sozialem
ortschritt und wirtschaftlichem Wachstum zukommt.“
Doch solche Bekenntnisse haben in der Praxis keine
olgen. Seit Beginn dieser Wahlperiode hat die Bundes-
egierung dem Bundestag kein einziges Abkommen der
AO zur Ratifizierung vorgelegt. Dabei handelt es sich
icht um ein Versehen. Das Übereinkommen über Heim-
rbeit stand bereits auf der Tagesordnung der rot-grünen
orgängerregierung zum Ende der letzten Wahlperiode.
och auf Anraten des federführenden Ministeriums
urde seine Ratifizierung abgelehnt.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007 8363
(A) (C)
(B) )
Die Bundesrepublik Deutschland ist Mitglied in der
IAO. Wir müssen feststellen, dass sowohl die rot-grüne
Regierung als auch die derzeit amtierende Große Koali-
tion die Verpflichtungen Deutschlands gegenüber der
IAO systematisch hintertreiben.
Dabei geht es nicht immer direkt um die Gesetze hier-
zulande. Deutschland hat seit 1964 ein Heimarbeitsgesetz,
das sogar zum Teil noch über die von der IAO beschlosse-
nen Standards hinausgeht. Aber die Ratifizierung hierzu-
zwar jene, die weltweit mit am schlechtesten bezahlt
wird.
Um die schlimmsten Formen von Ausbeutung zu ver-
hindern, braucht die Heimarbeit daher besonderen
Schutz. Das hebt die ILO-Konvention 177 richtig her-
vor, und damit stimmen wir ganz klar überein.
Wir brauchen weltweit festgelegte Mindestarbeits-
und Mindestschutznormen für Heimarbeiterinnen. Nur so
lande würde natürlich sofort die Frage nach den Partner-
ländern in der Entwicklungszusammenarbeit aufwerfen.
Deutschland ist Exportweltmeister. Investitionen deut-
scher Firmen auf globalem Maßstab begleiten diesen Ex-
pansionsprozess. Sie haben kein Interesse, in Ländern wie
Kenia oder Indien Gesetze vorzufinden, die das allge-
meine Lohnniveau stabilisieren. Wenn es nach den Herren
und Damen in den Chefetagen geht, dann liefern sich die
verschiedenen Länder einen Wettlauf um die schlechtes-
ten Arbeits- und Lebensbedingungen.
Die Durchsetzung weltweiter Kernarbeitsnormen und
anderer von der IAO vereinbarter sozialer Mindeststan-
dards ist Voraussetzung, um dieser Abwärtsspirale Ein-
halt zu gebieten. Doch daran haben die Hartz-IV-Par-
teien offenbar kein Interesse. So wie sie in Deutschland
nicht willens sind, durch die Einführung eines allgemei-
nen Mindestlohnes die Lage der Niedrigverdiener zu
verbessern, so wenig wollen sie andere Länder dazu er-
mutigen, gesetzgeberische Maßnahmen zum Schutz der
zahllosen informell Beschäftigten einzuführen. Das
nenne ich Interessenpolitik für das große Kapital.
Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die De-
batte über die Bedeutung der Heimarbeit ist sinnvoll. Sie
muss weitergeführt und intensiviert werden. Der Rah-
men, der durch den vorliegenden Antrag gewählt wird,
kann jedoch nicht überzeugen.
Auch wenn es auch in Deutschland gute Gründe ge-
ben mag, die ILO-Konvention Nr. 177 zur Heimarbeit zu
ratifizieren, muss erst einmal festgehalten werden, dass
Heimarbeit – als Teil des informellen Sektors – in we-
sentlichen Aspekten besonders Entwicklungsländer be-
trifft. So ist in Lateinamerika und Nordafrika etwa die
Hälfte der arbeitenden Bevölkerung im informellen Sek-
tor tätig. In einigen Ländern Asiens und in fast ganz
Subsahara-Afrika sind es mehr als zwei Drittel der Be-
völkerung.
Gerade in Entwicklungsländern bewegt sich Heimar-
beit fast immer in einer ungeregelten Grauzone der Öko-
nomie. Daher ist sie besonders anfällig für Diskriminie-
rung. Heimarbeit ist im wesentlichen Frauenarbeit, und
k
d
h
h
D
m
d
I
b
w
S
s
s
d
n
W
g
z
r
A
z
W
d
R
v
v
v
r
e
f
z
d
s
k
s
f
Z
i
H
(D
ann verhindert werden, dass die Unternehmen verschie-
ene Länder gegeneinander ausspielen. Unternehmen ge-
en oftmals dorthin, wo die Standards gerade am tiefsten
ängen. Damit wird einer weiteren Ausbeutung und einer
ynamik nach unten – dem „race to the bottom“ – immer
ehr Spielraum eröffnet. Auch um die bestehenden Stan-
ards und Schutzbestimmungen für Heimarbeiterinnen in
ndustrieländern beibehalten zu können, sind daher ver-
indliche Sozialstandards nötig.
In der Realität macht allerdings – bezogen auf Ent-
icklungsländer – das Übereinkommen 177 den zweiten
chritt vor dem ersten. Denn in Entwicklungsländern be-
tehen vielfach lediglich rudimentäre soziale Sicherungs-
ysteme, und auch im formellen Sektor ist die Einhaltung
er Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorga-
isation nicht immer selbstverständlich. So ist es kein
under, dass es aus vielen Entwicklungsländern selbst
eringe politische Bemühungen gibt, die Konvention 177
u befördern. Die Ratifizierung Deutschlands würde da-
an wenig ändern.
Wir halten es auch im Moment nicht für den richtigen
nsatz, die Heimarbeit mit dem formellen Sektor gleich-
ustellen, wie es die Konvention fordert. Hier besteht ein
iderspruch zu der – bereits erwähnten – Anforderung
erselben Konvention, wonach die Heimarbeit spezieller
egeln und besonderen Schutzes bedarf. Um die Lage
on Heimarbeiterinnen in Entwicklungsländern real zu
erbessern, hatten wir derzeit andere Ansätze für Erfolg
ersprechender als die Zeichnung der Konvention.
So bietet die zweite Stufe der Reform des Vergabe-
echts die ideale Gelegenheit für die Bundesregierung,
in gesellschaftlich verantwortungsbewusstes Beschaf-
ungswesen zu verankern. Unternehmen können dadurch
u mehr Transparenz über ihre Zulieferketten und die
ortige Einhaltung sozialer und ökologischer Mindest-
tandards verpflichtet werden. Dies wäre eine Möglich-
eit der Einflussnahme, die mit Sicherheit zu einer bes-
eren Durchsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen im
ormellen Sektor in Entwicklungsländern führen würde.
udem hätte es auch bestimmt positive Effekte auf den
nformellen Sektor und damit auf die Situation der
eimarbeiterinnen.
82. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9