Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 a bis 21 c auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU, der SPD und der FDP
Einsetzung einer gemeinsamen Kommission
zur Modernisierung der Bund/Länder-Finanz-
beziehungen
– Drucksache 16/3885 –
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Bodo
Ramelow, Dr. Barbara Höll, Dr. Dagmar Enkelmann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN-
KEN
Beteiligung der Landtage bei der zweiten Stufe
der Föderalismusreform und Information des
Deutschen Bundestages
– Drucksache 16/3539 –
c) Wahl der vom Deutschen Bundestag zu entsen-
denden Mitglieder der gemeinsamen Kommis-
sion zur Modernisierung der Bund/Länder-
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Redet
Finanzbeziehungen
– Drucksache 16/3886 –
Zum Antrag auf Einsetzung der Kommission liegt je
ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke und der
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor.
Über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Beteili-
gung der Landtage werden wir später namentlich abstim-
men.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als e
ner dem Kollegen Dr. Peter Struck, dem Frakt
zenden der SPD, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Erlauben Sie mir zunächst eine persönliche Be-
erkung zu meinem beruflichen Lebensweg: Nachdem
ch 1971 in Hamburg das zweite juristische Staatsexa-
en gemacht habe, war ich zunächst ein Jahr an der dor-
igen Universität beschäftigt. Danach war ich in der
inanzbehörde in der Abteilung „Überregionale Finanz-
lanung“ tätig. Ich kehre heute also zu meinen Wurzeln
urück und stelle fest: Abgesehen davon, dass ein Frak-
ionsvorsitzender kraft seines Amtes über alles Bescheid
issen und gute Arbeit machen muss, kommt bei mir
och die zusätzliche Erfahrung aus meiner beruflichen
ergangenheit hinzu.
Wir haben uns eine Herkulesaufgabe vorgenommen.
ch bin mir nicht ganz sicher, ob wir sie tatsächlich be-
ältigen werden. Das, was wir heute zu beschließen ha-
en und was auch vom Bundesrat beschlossen wird, ist
irklich ein Mammutwerk. Die Neuordnung der Bund/
änder-Finanzbeziehungen beschäftigt uns, seitdem es
ext
die Bundesrepublik Deutschland gibt. Die Koalitions-
fraktionen lösen damit ihr Versprechen ein, sich dieses
Themas anzunehmen.
An die Kollegen von der FDP gerichtet sage ich: Ich
bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie unseren Antrag auf Ein-
setzung der gemeinsamen Kommission mittragen. Ich
hätte es begrüßt, Herr Kollege Kuhn, wenn auch die
Grünen unseren Antrag unterstützt hätten; das gilt natür-
lich auch für die Linke. Denn ich bin der Meinung, dass
es bei der Frage der Bund/Länder-Finanzbeziehungen
nicht um Parteipolitik gehen sollte.
rpräsident von Baden-Württemberg, der
ettinger, wird der Kommission für die
r vorsitzen, ich werde den Vorsitz für die
rstem Red-
ionsvorsit-
Der Ministe
Herr Kollege O
Seite der Lände
7394 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Dr. Peter Struck
Seite des Bundestages übernehmen. Für mich steht dabei
eines fest: Wenn wir bei der Bewältigung dieser sehr
schwierigen Aufgabe Erfolg haben wollen, dann müssen
wir bis spätestens 2009 Ergebnisse erzielen. Ich bin
überzeugt, dass der zeitliche Druck, den wir uns selbst
machen sollten, dazu beitragen kann, dass wir zu Ergeb-
nissen kommen. Wir sollten dieses Vorhaben nicht auf
die nächste Legislaturperiode verschieben, sondern deut-
lich machen, dass wir es noch in dieser Wahlperiode um-
setzen wollen.
Ich will heute nicht über Gebühr optimistisch sein,
aber ich glaube, dass wir das schaffen können. Bund und
Länder besetzen diese Kommission mit hochrangigen
Experten. Einige Ministerpräsidenten möchten sogar
selbst Mitglieder der Kommission werden, andere schi-
cken ihre Finanzminister. Das Interesse an der Arbeit ist
groß. Nicht zuletzt deswegen haben wir entgegen den ur-
sprünglichen Absprachen nicht nur den Bundesrat, son-
dern auch die Länderparlamente einbezogen. Wer aus
den Länderparlamenten Mitglied dieser Kommission
wird, überlassen wir den Landtagen; wir werden uns
nicht einmischen, nach welchen Kriterien die Besetzung
der vier Plätze erfolgen soll. Ich will hier aber deutlich
sagen: Natürlich muss die Präsenz der Kommunen in
dieser Kommission gesichert sein; denn es geht auch um
ihre Finanzsituation. Die Kommunen können sich darauf
verlassen, dass wir ihre Interessen ordentlich berück-
sichtigen werden.
Es müssen in Jahrzehnten gewachsene Strukturen der
Finanzbeziehungen aufgebrochen werden. Für die
Strukturunterschiede zwischen den Ländern müssen
wir einen effizienteren Ausgleich finden, ohne den Län-
derfinanzausgleich von vornherein infrage zu stellen.
Wir brauchen griffige Instrumentarien zur Bewältigung
von Haushaltskrisen. Wir brauchen Instrumente, um die
Verfassungsmäßigkeit der Haushalte zu gewährleisten.
Es kann doch nicht sein, dass sich der jetzige Zustand
verfestigt, dass etwa elf von 16 Länderhaushalten ver-
fassungswidrig sind. Das muss beseitigt werden und wir
müssen Regelungen finden, die eine solche Situation
verhindern.
Wir brauchen auch klare Festlegungen, was ein Land
selbst leisten muss, bevor es sich auf eine Haushaltsnot-
lage beruft und den Bund um Hilfe bittet.
Im Zusammenhang mit seinem Urteil über die Klage des
Landes Berlin auf weitere finanzielle Hilfe des Bundes
hat das Bundesverfassungsgericht hier ausdrücklich Re-
gelungsbedarf angemahnt. Wir wollen versuchen, dieser
Empfehlung des Bundesverfassungsgerichts zu folgen.
Wir brauchen so etwas wie einen Stabilitätspakt der Kör-
perschaften – mit festgelegten Verschuldungsgrenzen –
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as ist alles sehr schwierig und das ist Zukunftsmusik,
as weiß ich. Doch wir müssen mit der Arbeit jetzt be-
innen. Wir wollen alle Möglichkeiten, die es dazu gibt,
utzen.
Wir müssen uns frei machen – ich denke, wir hier im
undestag können das und der Bundesrat auch – von den
arteipolitischen Zwängen, denen wir alle in anderen
ragen unterliegen. Es geht hier nicht um CDU oder
PD, um FDP, Grüne oder PDS, sondern es geht darum,
ass die Länder und der Bund Finanzbeziehungen orga-
isieren, die unser Land zukunftsfähiger machen als bis-
er. Fest steht auch, dass die neuen Länder bis zum Aus-
aufen des Solidarpakts II auf die Zusagen vertrauen
önnen müssen. Wir sollten den Solidarpakt II nicht in-
rage stellen.
Die Aufgabe, die wir uns vorgenommen haben, ist
lso schwierig. Wenn ich die offene Themensammlung
nschaue, muss ich feststellen: Das reicht eigentlich für
wei Legislaturperioden. Wenn mich der Bundestag wie
ereinbart zum Vorsitzenden dieser Kommission erhebt
nd entsendet, will ich meine Pflicht tun und dazu bei-
ragen, dass wir zu einem guten Ergebnis kommen, auch
m Blick darauf, dass wir alle die Pflicht haben, unser
and zukunftsfähiger zu machen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Ernst Burgbacher von
er FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eute ist für uns ein guter Tag. Herr Kollege Struck, ich
edanke mich im Namen der FDP ausdrücklich, dass
ier Versprechen gehalten wurden. Es war immer unser
unsch und unsere Forderung, die Reform der Finanz-
erfassung anzugehen. Deshalb ist es schön, dass wir
eute den Startschuss abgeben.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7395
)
)
Ernst Burgbacher
Wir müssen – auch dem stimme ich zu, Herr Kollege
Struck; das sage ich ausdrücklich – bis 2009 tatsächlich
etwas vorlegen. Wir haben nicht zwölf Jahre Zeit, wie
das auch schon angedeutet wurde, um eine solche Re-
form vorzunehmen. Das muss in dieser Legislaturperio-
de geschehen. Unsere Unterstützung werden Sie dafür
haben.
Bei aller Freude über die Fortsetzung der Reform bin
ich mir aber auch dessen bewusst, dass wir erst am An-
fang eines langen und beschwerlichen Weges stehen.
Aber nach Laotse beginnt ja auch der längste Weg mit
einem ersten Schritt. Den tun wir heute.
Ich nenne für die Reform folgende Eckpunkte:
Die Föderalismusreform II muss dazu beitragen, dass
unser Land in der Welt wettbewerbsfähiger wird. Durch
sie müssen wir erreichen, dass vor allem den kommen-
den Generationen wieder Gestaltungschancen eröffnet
werden. Deshalb ist es zuallererst unabdingbar, dass
Schranken gegen Steuerlast und Staatsverschuldung in
das Grundgesetz aufgenommen werden. Ein Nettoneu-
verschuldungsverbot ist unser eigentliches Ziel. Hierzu
werden wir Vorschläge vorlegen.
Sich am Grundsatz der Subsidiarität und der bundes-
staatlichen Solidarität orientierend – den Begriff der bun-
desstaatlichen Solidarität betone ich besonders –, müssen
die Steuerautonomie der Länder gestärkt und ihre Ge-
staltungsmöglichkeiten erweitert werden. Leistung muss
sich auch im föderalen System wieder lohnen. Deshalb
muss der Finanzausgleich reformiert werden. Er kann
nicht so bleiben, wie er heute ist. Auch das ist, wie ich
glaube, unstrittig.
Wir brauchen insgesamt einen Neustart des Föderalis-
mus in Deutschland. Am Anfang muss für Chancenge-
rechtigkeit gesorgt werden. Aber dann müssen die Län-
der auch eigenständig lebensfähig sein. Das müssen wir
anstreben. Mit dem derzeitigen System wird das Land die
anstehenden Aufgaben nicht mehr lösen können. Voraus-
setzung ist Wettbewerb im deutschen Föderalismus;
auch das sollten wir – ich schaue dabei zum Kollegen
Scholz – deutlich sagen. Dazu sollten wir uns bekennen,
Herr Kollege Scholz.
Wenn die Kommission bei der komplizierten Aus-
gangslage und den unterschiedlichen Interessen zu ei-
nem Erfolg kommen will, dann muss es ihr gelingen,
eine – wie es neudeutsch heißt – Win-win-Situation zu
schaffen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das möglich
sein wird. Wenn wir ein Modell vorlegen, nach dem die
Mehrzahl der Länder verlieren würde, dann bekommen
wir dafür keine Mehrheit. Das macht auch keinen Sinn.
Wir müssen vielmehr ein Modell finden, bei dem alle die
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Wir sollten zu Beginn der Föderalismusreform II aus
en Fehlern der Föderalismusreform I lernen. Für mich
ab es drei wesentliche Fehler:
Erstens. Die Ministerpräsidenten hatten sich bereits
m Mai 2004 auf einen Minikompromiss festgelegt und
ind von diesem nicht mehr abgerückt. Die Lehre für uns
uss sein, dass wir die offene Themensammlung tat-
ächlich als offen betrachten. Ich fordere insbesondere
ie Länder auf, nicht wieder im Vorfeld Beschlüsse zu
assen und so den Erfolg zu gefährden. Wir müssen of-
en an diese Aufgabe gehen.
enkverbote darf es dieses Mal nicht geben.
Zweitens. Herr Kollege Struck, ich hoffe, dass wir
icht wieder in die alten Mechanismen der Entschei-
ungsfindung verfallen. Es darf nach den Verhandlungen
n den einzelnen Projektgruppen am Schluss nicht so
ein, dass das Ergebnis im kleinen Kreise ausgemau-
chelt wird. Der Prozess muss tatsächlich offen sein.
Drittens. Es darf keine Tabus geben.
Wir müssen außerdem zu einem fairen Wettbewerbs-
nd Gestaltungsföderalismus kommen. Das wird unsere
esondere Aufgabe sein.
Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu: Wir müssen natür-
ich an die Regionen mit besonderen Strukturproblemen
enken. Die neuen Bundesländer – nach 16 Jahren sind
ie eigentlich gar nicht mehr so neu – müssen sich darauf
erlassen können, dass der Solidarpakt Ost bleibt und
on uns nicht angegriffen wird.
Meine Damen und Herren, ich habe noch ein Zitat,
on dem ich glaube, dass es heute sehr schön passt. Ein
chwäbischer Abt mit dem Namen Öttinger hat wohl das
itat geprägt:
Herr, gib mir die Kraft, Dinge zu verändern, die ich
ändern kann. Gib mir die Geduld, Dinge hinzuneh-
men, die ich nicht ändern kann. Und gib mir die
Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
ir müssen den Mut dazu aufbringen, Dinge zu ändern.
Ich appelliere an den Ministerpräsidenten Oettinger,
er den Vorsitz für die Länderseite übernehmen wird,
uf die Worte seines Namensvetters zu hören und bei
en Ländern einen Veränderungswillen zu wecken. Ich
ppelliere auch an uns alle in diesem Hause, mit der not-
endigen Offenheit an das Werk zu gehen.
7396 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Ernst Burgbacher
Für die FDP kann ich sagen, dass wir diesen Prozess
sehr konstruktiv unterstützen werden. In diesem Sinne:
Gehen wir es an! Ich persönlich freue mich auf eine gute
Zusammenarbeit im ganzen Hause.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Antje Tillmann von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Besucher! Wenn wir uns nicht in einem se-
riösen Parlament befinden würden, müsste ich jetzt ru-
fen: Jetzt geht’s los!
Anders als bei der ersten Stufe der Föderalismus-
reform, die in der Öffentlichkeit bis kurz vor deren Ende
kaum zur Kenntnis genommen wurde, diskutiert die
Finanzfachwelt schon seit einiger Zeit die Einsetzung
der Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder-
Finanzbeziehungen.
Schon die Föderalismuskommission I hat im
Finanzbereich kleine, aber sehr wichtige Weichen ge-
stellt. Herr Burgbacher, ich sehe die Ergebnisse der ers-
ten Kommission durchaus positiv.
So haben wir Finanzhilfen hinterfragt und befristet,
einige Gemeinschaftsaufgaben einschließlich der finan-
ziellen Mittel der alleinigen Zuständigkeit der Länder
anvertraut sowie EU-Haftungsfragen nach dem Verursa-
cherprinzip geordnet und in die gemeinsame Verantwor-
tung von Bund und Ländern gelegt. Um ein Haar hätten
wir diese neuen Haftungsregeln beim Vertragsverlet-
zungsverfahren wegen der Sparkasse Berlin schon
ausprobieren müssen. Darüber hinaus haben wir das
Finanzverwaltungsgesetz verändert, um eine bessere Zu-
sammenarbeit der Länderfinanzbehörden zu erreichen.
Am deutlichsten wird die Tragweite der Regelungen
durch die erste Kommission aber beim Zusatz zu Art. 84
und Art. 85 Grundgesetz. Hiernach können Gemeinden
durch Bundesgesetz keine Aufgaben mehr direkt über-
tragen werden. In der Vergangenheit hatte die direkte
Aufgabenzuweisung des Bundes an die Kommunen in
erheblichem Maße zu der Finanzmisere der Kommunen
geführt. Den Kommunen wurden kostenträchtige Aufga-
ben übertragen, ohne dass der Gesetzgeber die Finanzie-
rung sicherstellte.
Nun will ich die Tatsache, dass bei einem der ersten
Gesetze nach dem In-Kraft-Treten dieser Grundge-
setzänderungen, dem Verbraucherinformationsgesetz,
diese neue Selbstbeschränkung im parlamentarischen
Verfahren nicht als einschlägig empfunden wurde, nicht
kommentieren. Dass dieses Gesetz zulasten der Kommu-
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Schon mit dem, was in dem gemeinsamen Antrag von
DU/CSU, SPD und FDP vorliegt, haben wir eine Rie-
enaufgabe übernommen. Wir werden dabei von der
kepsis begleitet, ob wir diese Aufgabe überhaupt erfül-
en können. Ich sage ganz offen: Nein, wir werden bis
008 voraussichtlich keine konkreten Vorschläge zu
änderfusionen vorlegen. Wir werden uns aber damit
efassen, welche Hürden für eine eventuelle Fusion zu
berwinden sind und wie man diese Hürden senken
ann. Gegebenenfalls muss überprüft werden, ob das,
as das Grundgesetz für eine Fusion verlangt, zu schwer
u erreichen ist. Wir, der Bund, werden die Frage beant-
orten müssen, ob wir fusionswilligen Ländern unsere
ilfe anbieten, ob wir zum Beispiel Entschuldungshilfen
eisten können oder wollen.
Nein, ziemlich sicher werden wir bis 2008 auch nicht
inen neu ausgehandelten Länderfinanzausgleich ein-
chließlich Solidarpakt II vorlegen. Wir werden aber,
enn wir die Solidarität zwischen den Ländern und dem
und und innerhalb der Länder dauerhaft aufrechterhal-
en wollen, selbstverständlich klären müssen, welche
oraussetzungen ein Land erfüllen muss, um die Solida-
ität der anderen Länder in Anspruch nehmen zu können.
Viel sinnvoller, als ein weiteres Verfassungsgerichts-
rteil abzuwarten, ist es, ein Frühwarnsystem einzurich-
en und sich auf Eckpunkte hinsichtlich der Frage, wann
er Bündnisfall eintritt, festzulegen. Technische Voraus-
etzung hierfür ist, dass auf den verschiedenen Ebenen
ergleichbare Haushaltsdaten vorliegen. Erst dann kön-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7397
)
)
Antje Tillmann
nen wir prüfen, inwieweit sich ein Land, das Hilfe bean-
sprucht, mehr Personal, mehr freiwillige Leistungen
oder vielleicht höhere Standards als andere Länder leis-
tet. Zurzeit ist der Vergleich nur sehr eingeschränkt mög-
lich. Wir werden dabei die Frage beantworten müssen,
ob das Verfahren der Kameralistik, nach dem wir heute
den Haushalt aufstellen, die Gefahren wirklich deutlich
sichtbar macht oder ob wir nicht den Anträgen Ham-
burgs und Hessens folgen sollten, den Bundeshaushalt
und die Länderhaushalte in Form der doppelten Buch-
führung aufzustellen.
Wir werden – Herr Burgbacher hat schon darauf hin-
gewiesen – das Thema Neuverschuldung angehen müs-
sen. Notlagen von Ländern entstehen nicht von heute auf
morgen; sie bahnen sich langsam an. In vielen Fällen
könnten sie bei rechtzeitigem Gegensteuern verhindert
werden. Art. 115 Grundgesetz und die entsprechenden
Vorschriften der Landesverfassungen wollten verhin-
dern, dass mehr Schulden aufgenommen werden, als po-
sitives Vermögen vorliegt. Aber schon die wortgetreue
Auslegung des Artikels wird diesem Ziel nicht gerecht.
Hier wird überhaupt nicht berücksichtigt, dass sich In-
vestitionen in der Praxis schneller abnutzen, als die zu-
grunde liegenden Kredite getilgt werden. Die Auslegung
der Ausnahmeregelung für den Fall der Störung des ge-
samtwirtschaftlichen Gleichgewichts geht weit über das
wirtschaftlich Vernünftige hinaus.
Sie sehen: Es geht hierbei um verhältnismäßig spröde
Themen, die sich nicht in Mark und Pfennig ausrechnen
lassen. Am Ende der Beratungen zum Finanzaus-
gleichsgesetz werden wir ein Ergebnis in Euro vorlegen
müssen. Im Finanzausgleichsgesetz ist zum Beispiel ver-
einbart, die Bundesergänzungszuweisungen zum Aus-
gleich der Belastungen aufgrund der Zusammenführung
von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für den Zeitraum
ab 2008 neu zu verhandeln. Dasselbe gilt für die Zuwei-
sungen aufgrund hoher Kosten politischer Führung.
2013 steht die Überprüfung der Ausgleichszahlungen
wegen der Auflösung der Gemeinschaftsaufgaben auf
Grundlage des Entflechtungsgesetzes an; spätestens
2019 laufen die Solidarpaktmittel aus. Also nur Mut!
Die Föderalismusreformen III bis X können nahtlos fol-
gen.
Weniger schmerzhaft, als begrenzt vorhandene Mittel
neu zu verteilen, ist es, zu überprüfen, ob im vorhande-
nen System alle Mittel vernünftig und effektiv eingesetzt
werden. Die Haupteinnahmequellen von Bund und Län-
dern – die Gemeinschaftssteuern wie Einkommen-, Kör-
perschaft- und Umsatzsteuer – werden im Rahmen der
Auftragsverwaltung von den Ländern eingezogen. Mit
dem Finanzverwaltungsgesetz haben wir erste Schritte
hin zu einer Verbesserung der Zusammenarbeit unter-
nommen. Liebe Kollegen von der Linken, der Bericht
des Bundesrechnungshofes, den Sie in Ihrem Ände-
rungsantrag zitieren, ist zu einer Zeit entstanden, als
diese neuen Regelungen noch nicht in Kraft waren. Ich
denke, wir sollten der Finanzverwaltung Zeit geben,
diese Regelungen umzusetzen. Dann sollten wir über-
prüfen, ob wir nachbessern müssen.
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Wir werden prüfen müssen, warum manch hohe
inanzielle Aufwendungen von Bund und Ländern bei
en Bürgerinnen und Bürgern nicht richtig ankommen.
ir tun gut daran, mit der Arbeitsgruppe im Familien-
inisterium, die die Einführung einer Familienkasse
rüft, zusammenzuarbeiten. Das ist ein Bereich, mit dem
uch wir uns befassen müssen. Die Frage ist: Warum
ommt von dem vielen Geld, das wir in manchen Berei-
hen ausgeben, so wenig bei den Bürgerinnen und Bür-
ern an?
Bei all diesen größeren und kleineren Schwächen des
ystems ist es müßig, zu überlegen, wie groß der Wurf
ein könnte, den wir in dieser Kommission erreichen.
Wir müssen diese Probleme angehen; denn jetzt ist
er Zeitpunkt für Veränderungen günstig. Die Progno-
en sind gut. Die Neuverschuldung auf Bundes- und
änderebene sinkt. Das Bruttoinlandsprodukt steigt und
ie Sozialversicherungssysteme profitieren von den gu-
en Aussichten. Wenn wir jetzt keine Lösung herbeifüh-
en, dann werden wir das niemals tun.
Meine beiden Vorredner haben schon an der einen
der anderen Stelle persönliche Bedenken vorgetragen.
ls ich gefragt wurde, ob ich für meine Fraktion die
ufgabe in der Föderalismuskommission II übernehmen
olle, fiel mir mein Lieblingsheld Beppo Straßenfeger
us dem Roman „Momo“ ein. Beppo bekommt jeden
ag ein Stück Straße zugewiesen, das er fegen muss. Es
st ein langes, endlos erscheinendes Stück Straße, das ei-
em schon Sorgen bereiten könnte, wenn man nur bis
um Ende dieser Straße blickt. Nicht so Beppo: Beppo
chaut immer nur so weit, wie er den Fuß setzen kann:
chritt, Besenstrich, Verschnaufen, Schritt, Besenstrich,
erschnaufen – und noch ehe er sich versieht, ist die
anze Straße gefegt.
Ich glaube, so wie Beppo beim Fegen dieser Straße
erden auch wir in der Föderalismuskommission II in
inzelnen Schritten vorgehen müssen. Wir werden kon-
equent schrittchenweise vorgehen müssen, damit keiner
er Beteiligten atemlos auf der Strecke zurückbleibt. Ich
ann das den Kolleginnen und Kollegen in den Ländern
nd den Ministerpräsidenten zusagen. Dazu sind wir
uch nach unserer Verfassung verpflichtet. Denn wir
önnen in unserem Grundgesetz fast alles außer den
rundrechten ändern, aber nicht die Neugliederung der
änder bzw. die Regelungen, die diese Gliederung be-
reffen. Dazu gehört auch, die Finanzen so zu ordnen,
ass Bund und Länder finanziell lebensfähig sind. Das
ehen wir an und ich bin sicher, dass wir Ihnen im
ächsten Jahr eine Lösung vorlegen werden.
Danke.
7398 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Das Wort hat jetzt der Kollege Bodo Ramelow von
der Fraktion Die Linke.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem vom Abt
Öttinger die Rede war und Laotse zitiert worden ist,
möchte ich mit Konfuzius anfangen:
Es ist besser, eine Kerze anzuzünden, als über die
Dunkelheit zu klagen.
Ich denke, in der Föderalismusreform II gibt es viel
Dunkelheit zu beklagen. Es reicht mir nicht, Kollegin
Tillmann, wenn wir nur auf unsere Fußspitzen schauen.
Man sollte schon wissen, in welche Richtung der Stra-
ßenfeger die Straße auskehrt. Wenn man das Ziel nicht
vor Augen hat, dann kann man seine Hausaufgaben nicht
machen.
Kollege Struck, Sie haben die Frage aufgeworfen, wa-
rum wir den Einsetzungsantrag, den wir zwar für verbes-
serungswürdig, aber von der Richtung her für richtig
halten, nicht mitgetragen haben. Ich will Ihnen diese
Frage beantworten.
Am 31. März 2003 fand in der Hansestadt Lübeck der
Lübecker Konvent statt. Alle Landesparlamente waren
durch ihre Fraktionsvorsitzenden vertreten und auch der
Bundespräsident hat teilgenommen. Ich darf auf das Pro-
tokoll hinweisen. Darin ist festgehalten worden, dass der
Föderalismuskonvent der Auftakt der Initiativen ist, dass
auch die Landesparlamente an der Föderalismusreform
mitarbeiten müssen. Man kann diese Reform nicht ohne
sie und auch nicht gegen sie durchführen, Kollegin
Tillmann.
Sie haben zu Recht auf die Neuordnung der Länder hin-
gewiesen, die im Grundgesetz als geschützter Bereich
geregelt ist.
In dem Protokoll heißt es aber auch – ich zitiere; es
lohnt sich, das nachzulesen –:
Es zeigt sich darin auch der einheitliche Wille, über
den jetzt festgelegten Maßstab der „Lübecker Er-
klärung“ hinaus einen weitergehenden Prozess zu
eröffnen, der sich in mindestens einem Folgekon-
vent niederschlagen wird.
Ich sage: niederschlagen muss; denn wenn wir nicht in
einen zweiten Konvent mit den Landtagen eintreten wer-
den, dann wird es zu einer Verhandlungsrunde ohne die
Landesparlamente kommen. Darauf bezieht sich unsere
kritische Sichtweise. Deswegen haben wir einen Ände-
rungsantrag vorgelegt.
– Ich habe ihn gelesen, Herr Kollege. Sie haben aber of-
fenkundig die Lübecker Erklärung nicht gelesen.
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Es scheint Sie tief zu treffen, dass diese Kakophonie
on Ihren Repräsentanten zu vertreten ist. Das ist aber
och immer besser als der gestrige Ausdruck „Brüssel-
orf“.
Die Finanzbeziehungen der Länder müssen im Ver-
ältnis zum Bund neu geordnet werden. Deswegen be-
rüßen wir die Einsetzung der Kommission. Wir werden
n der Kommission mitarbeiten. Wir werden Ihnen aber
elegenheit geben, darüber abzustimmen, ob die Lan-
esparlamente in eigener Verantwortung bestimmen
önnen, dass sie zumindest antrags- und redeberechtigt
ind. Das ist ein qualitativer Unterschied. Es dürfen nicht
ur vier Vertreter der Landesparlamente am Katzentisch
itzen. Vielmehr sollen sie antragsberechtigt sein. – Frau
illmann, regen Sie sich doch nicht auf! Ich habe Ihren
umor doch auch ertragen. Nun ertragen Sie, dass ich,
er ich einmal Fraktionsvorsitzender im Thüringer
andtag war, einfordere, das umzusetzen, was wir im
übecker Konvent fraktionsübergreifend beschlossen
aben. Sie können im Bundestag nicht sagen: Was schert
ich mein Geschwätz von gestern? Diese Halbherzig-
eit können wir nicht akzeptieren.
Es geht nicht nur um die Beziehungen der Länder un-
ereinander, sondern auch um den Wettbewerbsfödera-
ismus. Wir lehnen den Wettbewerbsföderalismus ab.
as unterscheidet uns in der Tat von der FDP.
ir wollen nicht, dass sich die Länder, die eine prospe-
ierende Entwicklung haben, mit allen ihren Möglichkei-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7399
)
)
Bodo Ramelow
ten besser aufstellen und dass anschließend – Stichwort
„gemeinsame Bildungslandschaft in Deutschland“ – die
einen im Armenhaus und die anderen auf der Sonnen-
seite der Bundesrepublik Deutschland leben. Ich emp-
fehle einen Blick auf die vorgestrige Satire in Belgien.
Hier hat ein Fernsehprogramm das Verhältnis zwischen
Flamen und Wallonen in Form einer bissigen Satire dar-
gestellt. Das Schlimme war, dass die Menschen in Bel-
gien geglaubt haben, dass Belgien auseinander fällt.
Wenn die wirtschaftlich stärkeren Länder in der Bundes-
republik Deutschland auf dem Rücken der wirtschaftlich
schwächeren Länder Geschäfte machen, dann haben wir
mit Zitronen gehandelt. Wir halten an dem Prinzip der
Ausgleichsverpflichtung fest. Alle Menschen in
Deutschland müssen gleichwertige Arbeits- und Lebens-
bedingungen haben und Chancengerechtigkeit erleben.
Die Gemeinschaftsaufgabe Ost ist zwar bis 2010 ge-
sichert. Aber nach 2010 – nun verstehe ich langsam, was
die Agenda 2010 von Herrn Schröder bedeutet – werden
die Mittel degressiv abgeschmolzen. Wir brauchen daher
einen Sonderweg, wenn es um die Schulden der neuen
Bundesländer geht. Wenn wir die zu bewirtschaftenden
Schuldenberge nicht berücksichtigen, werden wir einen
Wettbewerbsföderalismus Ost-West haben. Dann haben
wir einen bitteren Weg vor uns.
Reden Sie also bitte auch über die Einnahmeseite und
nicht nur über die Verteilung! Wenn die Abgaben- und
Steuerquote in Deutschland nur den OECD-Durchschnitt
erreichte, hätten wir 130 Milliarden Euro mehr in der
Kasse und wir könnten uns starke, prosperierende Bun-
desländer erlauben. Dann könnten wir über einen neuen,
innovativen Haushaltsansatz nachdenken, bei dem die
Mittel für die Bildung als Investition und nicht als kon-
sumtive Ausgaben gewertet werden. Lassen Sie uns in
diesem Sinne an die Arbeit in der Föderalismusreform-
kommission herangehen. Nicht dass der Bundespräsi-
dent hinterher wieder alles aus dem Verkehr zieht. Das
hielte ich für eine Katastrophe.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Fritz Kuhn vom Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da
wir grundsätzlich optimistisch sind, haben wir die Hoff-
nung, dass bei der Föderalismusreform II etwas Besseres
herauskommt als bei der Föderalismusreform I. Ich sage
das, weil wir bei den aktuellen Themen, die wir diskutie-
ren, zum Beispiel bei der Bildungspolitik und beim Ver-
braucherinformationsgesetz, sehen, welche Schwierig-
keiten die Föderalismusreform I den Deutschen, der
Bundesrepublik Deutschland und den Ländern einge-
bracht hat. Um es gleich vorweg zu sagen: Ich halte we-
nig davon, in diesem Rahmen jetzt die Mittel zu vertei-
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Wir werden, Peter Struck, konstruktiv in der Kom-
mission mitarbeiten. Ich finde, dass man die Länder und
die Landtage stärker hätte beteiligen müssen. Auch das
ist ein Grund, warum wir dem Antrag von SPD, CDU/
CSU und FDP nicht zustimmen. Wenn man wirklich
eine grundsätzliche Reform plant, ist es wichtig, dass die
Länder und die Länderparlamente stärker gehört wer-
den und mitreden können, als Sie es vorgeschlagen ha-
ben.
In der Summe kann ich sagen: Machen wir uns an die
Arbeit! Es wird mühsam. Vergessen wir die starken
Sprüche vom Durchregieren; beziehen wir Bund und
Länder ein und setzen wir darauf, dass alle im Grundsatz
ein Interesse daran haben müssen, die Finanzverfassung
in Deutschland zu verändern! Dann kann man wahr-
scheinlich zu vernünftigen Vorschlägen kommen.
Danke.
Das Wort hat jetzt der Bundesminister Peer
Steinbrück.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Guten Morgen, sehr geehrter Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe kein Origi-
nalzitat von Laotse oder Konfuzius zu liefern.
– Wenn Sie mich auffordern, Herr Fricke, einen engli-
schen Premier zu zitieren, würde das Zitat abgewandelt
lauten: Es gibt nur noch drei Menschen in Deutschland,
die den deutschen Föderalismus und insbesondere die
Finanzbeziehungen wirklich verstehen. Der eine ist tot,
der zweite ist verrückt geworden und der dritte ist ein na-
mentlich unbekanntes Mitglied dieses Hohen Hauses,
das alles vergessen hat.
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Ich bin der Meinung, dass der Effekt der ersten Stufe
er Föderalismusreform nicht ganz angemessen beurteilt
ird. Der Erfolg ist größer, als wir ihn selber dargestellt
aben; denn diese Stufe der Föderalismusreform leistet,
ie ich finde, einen bemerkenswerten Beitrag zur stär-
eren Entflechtung der Verfassungsorgane Bundestag
nd Bundesrat und damit zur Begegnung bestehender
eibungsverluste, gerade mit Blick auf die zustim-
ungspflichtigen oder einspruchsberechtigten Gesetze,
ie es früher gegeben hat. Dies ist mit der Föderalismus-
eform I gelungen.
Ich begrüße wie alle Redner hier außerordentlich,
ass der Bundestag und der Bundesrat heute eine ge-
einsame Kommission zur Modernisierung der Bund-
änder-Finanzbeziehungen einsetzen werden. Es wird
ie nicht wundern, dass ich es auch sehr begrüße, dass
ier Mitglieder der Bundesregierung zum ersten Mal or-
entliches Mitglied einer solchen Kommission mit
timmrecht sind.
Sehen Sie, ich habe damals noch nicht auf der Regie-
ungsbank gesessen, sondern auf der Länderbank, und
ar ein ordentliches Mitglied. Aber es hat mich schon
ewundert, dass die Bundesregierung in der ersten Föde-
alismuskommission reinen Gaststatus hatte, obwohl sie
och auch ein Verfassungsorgan der Bundesrepublik
eutschland ist.
Ich glaube allerdings, dass wir uns und denen, die
iese Beratungen verfolgen, nichts vormachen sollten.
or uns liegt eine Titanaufgabe. Das erste Halbjahr 2007,
n dem wir eine Doppelpräsidentschaft innehaben, wird
och nicht einen solchen Sitzungsrhythmus hervorbrin-
en, der uns in die Lage versetzt, sehr schnell Ergebnisse
7402 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Bundesminister Peer Steinbrück
vorweisen zu können. Ich finde es wichtig, dass sich nach
Konstituierung der Kommission im Januar beide Seiten,
die Länder wie auch der Bund, über den Themenkatalog
sehr schnell verständigen und abstimmen.
Die Interessenunterschiede laufen nicht an politi-
schen Linien wie A-Länder/B-Länder entlang, sondern
entlang Linien wie Groß/Klein, Ost/West, Geberland/
Nehmerland. Das habe ich unmittelbar erfahren, als ich
Mitglied einer Landesregierung war. Allen ist daher be-
wusst, dass eine Reform der Bund/Länder-Finanzbezie-
hungen angesichts der enormen Interessenunterschiede
kein leichtes Unterfangen sein wird.
Man muss einen gewissen Spagat machen: Einerseits
stellt sich insbesondere mit Blick auf die Zweidrittel-
mehrheiten der großen Koalition in Bundestag und Bun-
desrat die Frage, wann, wenn nicht jetzt, das Fenster
weit genug geöffnet ist, um eine grundlegende Reform
durchzuführen. Wenn dieses Fenster wieder geschlossen
sein sollte, wird es natürlich umso schwieriger sein, an
der Stelle anzuknüpfen, an der man vorher gescheitert
ist, selbst unter den relativ günstigen Bedingungen einer
großen Koalition. Ich möchte an dieser Stelle ausdrück-
lich unterstreichen, Herr Kuhn, dass ich die Meinung
von Herrn Struck teile, dass es keine parteipolitische
Veranstaltung ist. Sie darf es nicht sein und sie wird es
angesichts der Interessendivergenzen auch nicht sein.
Andererseits wissen wir, dass man sich an diesem
Thema die Zähne ausbeißen kann. Ich selber habe über
zwei bis drei Jahre – Volker Kröning kann sich daran er-
innern – allein an der Neuorganisation des Finanzaus-
gleichs mitgearbeitet. Ich weiß nicht, wer richtigerweise
darauf hingewiesen hat – ich glaube, es war Frau
Tillmann oder Herr Burgbacher –, wie wichtig es wäre,
den Finanzausgleich ebenfalls horizontal und vertikal
mit einzubeziehen. Vielleicht erinnern Sie sich daran:
Das hat uns das letzte Mal drei Jahre gekostet. Aus der
Sicht vieler ist dabei eine Minilösung herausgekommen.
Aus der Sicht vieler anderer wiederum war das, was da-
bei herausgekommen ist, schon zu viel Wettbewerbs-
föderalismus.
Das ist die Schwierigkeit, in der wir uns befinden.
Mein Ansatz als Bundesfinanzminister ist deshalb zu-
nächst sehr pragmatisch. Ich würde mich erst einmal auf
die Frage konzentrieren, wie wir Haushaltsrisiken und
Haushaltskrisen im Bundesstaat vermeiden können. Das
oberste Reformziel in meinen Augen ist also in der Tat
die Begrenzung der Staatsverschuldung und die Ver-
meidung von Haushaltskrisen. Dass das eine wichtige
Rolle spielt, kann man am Bundeshaushalt der vergange-
nen Jahre ablesen, in denen wir die Regelgrenze gemäß
Art. 115 des Grundgesetzes nicht eingehalten haben.
Das kann man an den Hinweisen erkennen, die Sie rich-
tigerweise mit Blick auf die Zahl der Länder gegeben ha-
ben, die schon bei der Aufstellung ihrer Haushalte die
Ausnahmeregelungen ihrer Landesverfassungen in An-
spruch nehmen müssen. Das kann man auch daran se-
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Das Thema der Regionalisierungsmittel für die För-
derung des Schienenpersonennahverkehrs – ich will die-
ses Thema nicht sehr strapazieren – ist in diesem Zusam-
menhang von Bedeutung. Es ist zu fragen: Inwieweit
führen die Bundesmittel, die auf der Basis des Regiona-
lisierungsgesetzes gewährt werden, dazu, dass die Län-
der eigene Mittel für Verkehrsinvestitionen einsparen?
Ein viel problematischeres Thema haben wir gerade
erörtert: Das sind die Kosten der Unterkunft.
War die Einigung im Vermittlungsausschuss zu den Kos-
ten der Unterkunft eigentlich nicht damit verbunden,
dass die Kommunen 1,5 Milliarden Euro für die Betreu-
ung der unter dreijährigen Kinder ausgeben sollten? Wie
sieht das in den Ländern aus?
Ein weiteres Beispiel, um deutlich zu machen, über
wie viel Geld wir reden, ist die, wie ich finde, seinerzeit
richtige Maßnahme des Bundes – ich war nicht beteiligt;
deshalb Kompliment an diejenigen, die es beschlossen
haben –, für den Auf- und Ausbau von Ganztags-
schulen ein 4-Milliarden-Programm aufzulegen. Was
kommt da eigentlich auf welchem Wege bei denjenigen
an, die wir damit erreichen wollen, nämlich bei den Kin-
dern und Eltern, die von der Bereitstellung der entspre-
chenden institutionellen und personellen Infrastruktur ei-
nen Nutzen haben sollen? Dieses Thema wird, wie ich
glaube, eine erhebliche Rolle spielen.
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enken Sie allein an das Thema der Steuerhinterzie-
ungsbekämpfung; ich beziehe mich da jetzt einmal
ur auf die Mehrwertsteuer. Sie alle kennen das System
er Karussellgeschäfte, das auf der europäischen Ebene
ufgrund unseres Drängens, ein anderes Erhebungssys-
em einzuführen – es hat den sehr komplizierten Begriff
Reverse-Charge-Modell“ –, eine Rolle spielt. Nun ist
eutschland ohnehin aufgrund seiner wirtschaftsgeogra-
ischen Lage das prädestinierte Opfer krimineller Ener-
ie. Wir laden dazu insbesondere deswegen ein, weil wir
uch noch föderal strukturiert sind. Wir sollten aus mei-
er Sicht auch dort einen Einstieg schaffen, indem wir,
umindest auf diese für den Betrug sehr anfällige Steuer-
rt bezogen, zum Beispiel eine einheitliche Bundes-
teuerverwaltung einführen. Das gehört aus meiner Sicht
wingend zu dieser Debatte.
Fazit: Wir haben uns ein sehr großes Rad vorgenom-
en. Aber ich finde, dass wir dieser Herausforderung
it Unterstützung aller Kräfte im Deutschen Bundestag
nd, wie ich hoffe, in einem konstruktiven Verhältnis mit
en Ländern entsprechen. Ich glaube, dass die Erwartun-
en nicht gering sind, selbst wenn die Materie nicht für
eden Bürger und jede Bürgerin leicht verständlich ist.
as ist sie letztendlich auch für uns selber nicht.
Ja, man muss da Überzeugungskraft haben. – Aber für
ie zukünftige Handlungsfähigkeit und Europatauglich-
eit des föderalen Gebildes, das viele Vorteile hat und
as wir nicht aufgeben, sondern stärken wollen, wird die
rbeit dieser zweiten Föderalismusreform eine erhebli-
he Bedeutung haben. Die Vertreter der Bundesregie-
ung werden ihre Möglichkeiten einbringen, damit es zu
inem guten Ergebnis kommt.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Volker Wissing
on der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
er Debatte heute Morgen sind schon viele Persönlich-
eiten zitiert worden, nur die Bundeskanzlerin nicht.
eil wir Ihnen eine offene, konstruktive Zusammen-
rbeit bei diesem Vorhaben zugesichert haben, will ich
as jetzt nachholen. Die Bundeskanzlerin hat im An-
chluss an die erste Föderalismusreform gesagt: Viele
ürger wussten nicht mehr, wer in unserem Land für
7404 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Dr. Volker Wissing
was zuständig ist. – Ich will anfügen, dass das auch nach
der ersten Reform nicht klar ist. Vor allen Dingen ist
nach der ersten Reform nicht klar, wer für was bezahlt.
Genau das müssen wir jetzt klarstellen. Das wollen wir
gemeinsam angehen.
Die Reform der Finanzbeziehungen – Herr Minister
Steinbrück, Sie haben das zu Recht betont – ist eine Her-
kulesaufgabe. An ihr wird sich zeigen, wie reformfähig
unser Land ist. Diesmal geht es nicht um die Reformbe-
reitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sondern um die
Reformbereitschaft und Reformfähigkeit der politischen
Klasse. Dieser Verantwortung müssen wir uns ständig
bewusst sein. Wir haben den Menschen in den letzten
Jahren viel Reformwillen und Reformbereitschaft abver-
langt. Jetzt wird sich zeigen, wie reformwillig und re-
formbereit die Politik ist. Ein Scheitern der Föderalis-
muskommission II würde das Vertrauen der Deutschen
in die Problemlösungsfähigkeit unseres Landes weiter
schwächen. Das können und wollen wir uns nicht leis-
ten. Deswegen wird die FDP dieses Vorhaben konstruk-
tiv und offen begleiten.
Wir wollen den Menschen zeigen, dass Politik fähig
ist, die Probleme unseres Landes zu lösen. Ich hoffe,
dass wir mit unserem Mut und unserem Willen zur Ver-
änderung auch der Bevölkerung Mut machen: Mut zu
Reformen, Mut zu Veränderungen und Mut zur Gestal-
tung der Zukunft unseres Landes.
Die Messlatte liegt hoch, sogar sehr hoch. Wie sagt
man so schön: Beim Geld hört der Spaß auf! Wir werden
nur Erfolg haben, wenn wir alle bereit sind, an der einen
oder anderen Stelle Abstriche zu machen und aufeinan-
der zuzugehen. An dieser Stelle appelliere ich ganz be-
sonders an die Union. Sie hat eine besondere Verantwor-
tung. Sie stellt nämlich nicht nur die Bundeskanzlerin,
sondern auch die Mehrzahl der Ministerpräsidenten.
Eine Finanzreform ohne Ergebnis wäre auch ein politi-
scher Offenbarungseid der Union. Die Bundeskanzlerin
ist als Vorsitzende der CDU besonders gefordert.
Macht ist kein Selbstzweck. Macht ist auch Verant-
wortung. Man kann sie nicht nur für sich selbst bean-
spruchen; sie muss vielmehr verantwortungsbewusst für
die Allgemeinheit genutzt und im Sinne der Bürgerinnen
und Bürger eingesetzt werden. Die Menschen erwarten
von den politisch Verantwortlichen viel. Sie werden ge-
nau beobachten, wie sich die Ministerpräsidenten ver-
halten und ob sie bereit sind, sich ihrer Verantwortung zu
stellen. Auch die Ministerpräsidenten sind dem Gemein-
wohl des gesamten Landes verpflichtet.
Die Union hat hierbei großen Einfluss und die Men-
schen sind sehr gespannt, wie sie diesen einsetzen wird.
In diesem Zusammenhang ist es nicht sehr hilfreich,
wenn einzelne Bundesländer unter der Hand signalisie-
ren, dass sie kein großes Interesse an einer grundlegen-
den Neuordnung der Finanzbeziehungen haben. Auch
das muss an dieser Stelle gesagt werden.
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Die Bundeskanzlerin hat es gesagt: Die Arbeit wird
icht einfach. Es gilt, ein dickes Brett zu bohren. Die
nion kann aber dafür sorgen, dass das Bohren dieses
icken Brettes leichter geht.
Das Arbeitsprogramm liegt vor. Ob Verschuldens-
renzen, nationaler Stabilitätspakt oder Entbürokratisie-
ung: Die Agenda ist ehrgeizig. Die FDP begrüßt außer-
rdentlich, dass Herr Minister de Maizière – leider kann
r an der heutigen Debatte nicht teilnehmen – ausdrück-
ich erklärt hat, dass es bei der Themenfestsetzung keine
abus geben darf.
Herr Kollege Kuhn, die Begründung, die Sie dafür
eliefert haben, dass die Grünen den Antrag nicht unter-
tützen können, war alles andere als überzeugend.
ie versuchen krampfhaft, sich zu Beginn der Debatte
ber die Einsetzung der Kommission von den anderen
bzusetzen. Ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist.
enn man Ihre Ausführungen hört, gewinnt man den
indruck, dass Sie Ihre eigenen Ziele nicht sehr coura-
iert verfolgen.
Herr Minister Steinbrück, ich begrüße es außerordent-
ich, dass Sie hier und heute eine Bundessteuerverwal-
ung gefordert haben. Wir werden dieses Vorhaben im
ahmen der Kommission unterstützen. Sie haben es
achlich begründet und können sicher sein, dass die FDP
n diesem Punkt an Ihrer Seite ist.
Wir sind bereit, konstruktiv an der Suche nach Lösun-
en mitzuarbeiten. Wir sind bereit, uns unserer politi-
chen Verantwortung für das Land, für das Wohl der
ürgerinnen und Bürger zu stellen. Die Föderalismus-
eform muss ein Erfolg werden. Ein Scheitern würde das
ertrauen der Menschen in Deutschland in die demokra-
ischen Institutionen schwächen. Wir sind in diesem
inne gemeinsam aufgerufen, die Kommission zu einem
rfolg zu führen, nicht nur Bundestag und Bundesregie-
ung, sondern auch die Ministerpräsidenten und alle, die
ich an der Föderalismuskommission beteiligen. Stellen
ir uns gemeinsam unserer großen Verantwortung.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7405
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Das Wort hat jetzt der Bundesminister Dr. Wolfgang
Schäuble.
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des In-
nern:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
möchte die Gelegenheit dieser Debatte nutzen, um zu-
nächst einmal ein wenig für das föderale Prinzip zu wer-
ben.
Denn angesichts der öffentlichen Debatten dieser Tage
– Schutz von Nichtrauchern – habe ich die Sorge, dass
wir die Prinzipien europäischer Verfassungstradition
nicht mehr richtig begreifen oder aus dem Blick verlie-
ren. Die Tatsache, dass ein großes Problem einer Lösung
bedarf, beantwortet noch nicht die Frage, wer legitimiert
ist, ein solches Problem zu lösen. Dazu muss es eine ver-
fassungsrechtlich begründete Kompetenz geben und eine
demokratische Legitimation.
Es ist wahr, dass die öffentliche Meinung dazu neigt
– das ist ganz allgemein so –, zu sagen: Ein großes Pro-
blem muss eigentlich auf einer hohen Ebene geregelt
werden. Aber konsequent zu Ende gedacht, hieße das,
dass der Nichtraucherschutz letztlich durch die UNO ge-
regelt wird.
Spätestens dann werden wir auf ein zweites Problem
stoßen: In der globalisierten Welt mit ihren großen Ver-
änderungen und schnellen strukturellen Umbrüchen
wächst ungeheuer viel Verunsicherung. Eine der Voraus-
setzungen für die Zukunftsfähigkeit und die Stabilität
unserer demokratischen verfassungsmäßig gebundenen
freiheitlichen Ordnung ist, dass die Bürger sich in dieser
Ordnung zu Hause fühlen, dass sie Orientierung finden.
Das ist eine der großen Fragen; sie ist nicht leicht zu be-
antworten. Alle Umfragen belegen, dass die Zustim-
mung zu den demokratischen Institutionen nicht wächst;
uns beschäftigt die abnehmende Wahlbeteiligung usw.
Das ist nicht nur in Deutschland so.
Ich glaube, dass es bei der Suche nach Antworten da-
rauf vielleicht nicht falsch ist, sich an die Vorteile föde-
raler Ordnungen zu erinnern: Nähe der Entscheidung
zu den Menschen, dezentrale Entscheidungsfindung,
Machtbegrenzung und Machtverteilung sowie mehr
Chancen für die Partizipation der Menschen. Deswegen
bin ich ein überzeugter Anhänger der föderalen Ordnung
unseres Grundgesetzes und halte sie nicht für einen
Standortnachteil.
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ann werden die, die schlechtere Ergebnisse haben, von
enen, die bessere Ergebnisse haben, lernen.
Mir hat einmal der frühere Bremer Bürgermeister
enning Scherf – ich glaube, ich darf das sinngemäß zi-
ieren; es ist lange genug her – in einem Gespräch ge-
agt: Wir haben von den „Bremer Verhältnissen“ in der
ochschule – das war seinerzeit ein Begriff in der bil-
ungspolitischen Debatte, der nicht eben als Qualitäts-
erkmal aufgefasst wurde – genug und versuchen jetzt,
on anderen zu lernen. – Jetzt ist Bremen ein Wissen-
chaftsstandort – immerhin war man mit im Rennen um
ie Benennung von Eliteuniversitäten – und niemand re-
et mehr von „Bremer Verhältnissen“. Das heißt: Der
rozess des Benchmarking kann gerade für die Schwä-
heren durchaus gute Ergebnisse bringen. Deswegen
ollten wir ihn nicht kleinreden, sondern sagen: Es ist
ichtig, notwendig und nützlich.
Ich will ausdrücklich auf das Bezug nehmen, was der
ollege Steinbrück gerade gesagt hat: Die Föderalis-
usreform I wird in der öffentlichen Wahrnehmung un-
erschätzt. Sie bedeutet eine Stärkung unserer föderalen
rdnung. Das ist aber nicht das Ende der Bemühungen;
as geht schrittweise. Es ist ein mühsamer, schwieriger
rozess. Aber die Föderalismusreform ist, wie gesagt,
ine Stärkung der föderalen Ordnung. Wir sollten sie
ichtig wahrnehmen. Wir sollten sie nutzen und auf die-
em Weg vorangehen.
Ein anderer Punkt ist ebenfalls klar. Wir leben in einer
eit, in der die Haushaltsspielräume eng sind und der Wi-
erstand gegen Veränderungen – nicht nur in den
olitischen Parteien, egal ob sie nun in der Opposition
der an der Regierung sind, sondern generell in unserer
evölkerung – groß ist. Die Forderung nach Reformen
ird zwar häufig erhoben, aber gegen jeden konkreten
orschlag einer Veränderung – egal von wem er kommt –
ibt es zunächst einmal ziemlich viele Widerstände.
uch das ist wahr. Das hat auch etwas damit zu tun, dass
ir insgesamt in 60 Jahren, in einer glücklichen Phase
er deutschen Geschichte, viel erreicht haben und Ängste
egenüber der Zukunft zunehmen. Deswegen ist der Wi-
erstand gegen konkrete Veränderungen immer relativ
roß. Man muss also schrittweise vorangehen. Die Hand-
ungsspielräume sind begrenzt.
Deswegen kann ich es auch verstehen, dass wir bei
er Neuordnung der Finanzbeziehungen nur dann wirk-
ich etwas erreichen werden, wenn wir Synergieeffekte
rschließen. Natürlich wird jedes Land am Ende sagen:
7406 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
Wenn für uns unter dem Strich wenig herauskommt,
kann ich es nicht verantworten. – Herr Steinbrück ist ja
einmal Ministerpräsident gewesen; ich darf sagen:
Glücklicherweise ist er es nicht mehr.
Wie Sie das „glücklicherweise“ interpretieren, ist jetzt
Ihre Sache. Aber klar ist: Niemand könnte so etwas ver-
antworten. Auch die Bundesregierung kann nicht sagen:
Das ist kein Problem; das zahlt dann der Bund. – Also
müssen wir schon schauen, dass wir durch Synergieef-
fekte zu einer besseren Zusammenarbeit kommen.
Da gibt es eine Menge Bereiche, an die man in diesem
Zusammenhang denken könnte. Wir könnten beispiels-
weise nach dem Prinzip verfahren, dass ein Land für alle
anderen Länder Verwaltungsmodelle entwickelt. Es gibt
beim Zusammenwirken der Verwaltungen, der Bundes-
verwaltung, der Länderverwaltung, der Auftragsverwal-
tung, große Potenziale. Durch eine bessere Organisation
und Zusammenarbeit können wir uns Synergieeffekte er-
schließen, sodass wir am Ende die Handlungsfähigkeit
unseres föderal organisierten Gemeinwesens stärken und
gleichzeitig die Prinzipien von Machtteilung, Gewalten-
teilung, Bürgernähe und Transparenz befördern. Denken
wir beispielsweise an die Nutzung moderner Kommuni-
kationstechnologien für Verwaltungsabläufe: Da kann
der Bund Dienstleister für alle sein, aber man kann ge-
nauso – das hat man in der Steuerverwaltung teilweise
gemacht – verabreden, dass ein Land oder eine Ober-
finanzdirektion vorangeht und die anderen es überneh-
men. Wir müssen nicht gleichzeitig alles machen.
Ich verstehe die Rolle des Bundesinnenministeriums
in dieser Kommission ein Stück weit so, dass wir Vor-
schläge machen werden, mit denen wir durch Modelle
effizienterer Zusammenarbeit in der Verwaltung Syner-
giepotenziale erschließen wollen. Wenn wir uns gemein-
sam darauf verständigen können, dass der Föderalismus
das richtige Organisationsprinzip für unsere freiheitliche
Demokratie ist und dass wir seine Leistungsfähigkeit
stärken wollen, dann haben wir eine Chance, unser Land
zu modernisieren und zugleich das Vertrauen und die
Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger unseres Lan-
des zu seiner demokratischen Verfasstheit nachhaltig zu
stärken. Das ist das Wichtigste.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Katrin Kunert von der
Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Gäste! Sehr geehrter Herr Steinbrück, die
Kommunen stehen ständig vor der Tür. Oftmals ist die
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In der Vergangenheit haben Bund und Länder über die
ommunen hinweg Entscheidungen getroffen. Die
olge sind zum Beispiel Mehrbelastungen bei den Kos-
en der Unterkunft. Es ist überhaupt nicht akzeptabel,
ass der Anteil, den die Kommunen an den Verwaltungs-
osten der Argen zu tragen haben, demnächst erhöht
erden soll. Dieser Kurs zulasten der Kommunen darf
icht fortgesetzt werden. Die Bundespolitik muss sich
aran messen lassen, wie gut oder schlecht sie bis in die
nteren Ebenen wirkt und wie sie bei den Bürgerinnen
nd Bürgern ankommt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage Sie: Wel-
he zwingenden Gründe gibt es, diese Kommission nicht
indestens so zu besetzen wie die erste Kommission zur
odernisierung der bundesstaatlichen Ordnung? Da-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7407
)
)
Katrin Kunert
mals gab es für viele hier im Haus anscheinend gute
Gründe – ich darf zitieren –:
Schließlich haben wir die Interessen unserer Kom-
munen zu achten, ohne deren aktive Mitwirkung
am demokratischen Prozess unsere Demokratie von
unten her ausgetrocknet würde. Deswegen dürfen
wir sie auch finanziell nicht austrocknen.
So hat sich damals der Kollege Thierse geäußert. Dem
können wir nur zustimmen.
Die vorgesehene Beteiligung der Landtage und
kommunalen Spitzenverbände halten wir für ange-
messen.
Diese Position stammt von Herrn Böhmer, dem Minis-
terpräsidenten von Sachsen-Anhalt.
Jetzt aber geht es um Geld. Die Kommunen sollen
zwar weiterhin möglichst viele Leistungen erbringen
und möglichst viel in eigener Sache entscheiden, aber
die Ressourcen und das Geld dazu sollen ihnen entzogen
werden. Die Formulierung, die Sie in Ihrem Antrag im
Hinblick auf die Beteiligung der kommunalen Spitzen-
verbände gefunden haben – dort heißt es, dass sie „in ge-
eigneter Weise“ einbezogen werden sollen –, ist uns
nicht verbindlich genug.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, fast jeder zweite
von Ihnen war oder ist in einer kommunalen Vertretung
tätig. Ich bitte Sie, unserem Antrag im Interesse der
Kommunen zuzustimmen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Volker Kröning von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich glaube, der heutige Auftakt zur zweiten
Stufe der Bundesstaatsreform im Deutschen Bundestag
kann sich hören und sehen lassen. Mit Interesse werde
ich die Debatte nachlesen, die zu diesem Thema parallel
im Bundesrat geführt wird. Peer Steinbrück hat in erfri-
schender Weise die Themen und Beispiele aufgelistet,
um die es bei den uns bevorstehenden Beratungen gehen
wird. Ich schließe nicht aus – ich fürchte es sogar fast –,
dass die nächste Zeit noch weitere Beispiele liefern wird.
Verehrter Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Struck, ge-
genwärtig gibt es zum Beispiel zwischen Bund und Län-
dern und übrigens auch zwischen Staat und Wirtschaft
eine Auseinandersetzung über die Absicherung der FuE-
Strategie. Das ist eine praktische Frage, Herr Kollege
Kuhn, um die es auch bei der Verwirklichung der Wis-
sensgesellschaft geht. Wir werden es also ständig mit
neuen Lehrbeispielen zu tun haben.
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Was ist das Interesse der Länder und was ist das In-
eresse des Bundes? Die Länder – das muss deutlich ge-
agt werden – sind Teil des bundesstaatlichen Finanzsys-
ems, unabhängig von ihrer Zahl. Es ist schon zu Beginn
er Föderalismusreform I bekräftigt worden, dass
rt. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes – die so genannte
wigkeitsgarantie – die Gliederung der Bundesrepublik
n Länder festschreibt. Aber die Länder haben ein Pro-
lem – besonders in ihrem Verhältnis zum Bund, aber
uch in ihrem Verhältnis zu ihren Gemeinden –: Sie ha-
en in ihren Budgets den höchsten Anteil der Fixkosten,
ber zugleich die schlechtesten Finanzierungsmöglich-
eiten, erst recht wenn eine Schuldenbremse geschaffen
erden wird.
Es ist so viel von der Asymmetrie im Föderalismus
ie Rede. Die Asymmetrie besteht vor allen Dingen zwi-
chen den Ländern, aber auch innerhalb ein und dessel-
en Landes sowie in den jeweiligen Länderhaushalten.
ährend die Föderalismusreform I die Ausgabenauto-
omie der Länder gestärkt hat, wovon sie in der nächsten
eit sicher Gebrauch machen werden – Berlin hat damit
egonnen –, ist ihre Einnahmenautonomie bis auf die
reditaufnahme gleich null; doch gerade die soll ja be-
renzt werden. Also bleibt die Frage von mehr Steuerau-
onomie, die wir bereits bei der Föderalismusreform I
ndiskutiert haben, unausweichlich. Die Länder haben
ieses Thema noch nicht in ihre Themensammlung auf-
enommen; doch sie werden dieser Frage nicht auswei-
hen können.
Es gibt auch klare Interessen des Bundes. Neben sei-
en Eigeninteressen hat der Bund auch gesamtstaatliche
nteressen. Denn als Einzelkörperschaft ist er leichter
andlungsfähig als die Ländergesamtheit, und im
7408 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Volker Kröning
Außenverhältnis wird er zur Verantwortung gezogen,
nicht die 16 Länder. Dazu will ich als Haushälter, der
sich für das Steuergeld verantwortlich fühlt, sagen: Der
Bund trägt 61 Prozent der gesamtstaatlichen Schulden;
aber er bekommt nur 42,1 Prozent des gesamten Steuer-
aufkommens. Und der Gesamtschuldenstand – wir reden
nicht nur von der Neuverschuldung – von Bund und
Ländern, Gemeinden und Sozialkassen ist nach wie vor
zu hoch, von einem Schuldenabbau ist unser Gesamt-
staat noch weit entfernt! Darum muss gehandelt werden;
das ist der eigentliche Grund, warum wir diese Stufe II
einleiten.
Eine Seitenbemerkung zur Neugliederung der Län-
der, einem seit einiger Zeit nicht mehr nur außerhalb,
sondern auch innerhalb des Hauses besonders beliebten
Thema, kann ich mir nicht verkneifen: Man kann eine
Neugliederung nach Art. 29 des Grundgesetzes vorneh-
men. Die Schwelle ist im Sinne von mehr Verantwortung
der Länder gesenkt worden; mit der Wiedervereinigung
ist aus einer Mussvorschrift eine Kannvorschrift ge-
macht worden. Debatten über die Fusion von Ländern
sind scheinbar tabuisiert. Dennoch werden manche ge-
führt, zum Beispiel die über ein Land Berlin-Branden-
burg. Ich finde, jedes Land sollte im Hinblick auf seine
Leistungsfähigkeit – das ist das Kriterium des Art. 29
Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes – auf den Prüfstand ge-
stellt werden. Dazu sollte jedes Land bereit sein. Jedes
Land sollte sich allerdings auch fragen und in die De-
batte einbringen, ob und unter welchen Voraussetzungen
föderaler Fairness es sich zutraut, auf einen grünen
Zweig zu kommen, das heißt, den allfälligen Struktur-
wandel zu bewältigen und mit den anderen Gliedern der
Gemeinschaft gleichzuziehen.
Herr Bundesminister Schäuble, Sie haben als Beispiel
das Land Bremen genannt. Hier hat sich gezeigt, dass
dies nicht ohne Hilfe möglich ist. Dieser Hilfe muss man
dann aber auch gerecht werden. Das ist ein mehrfaches
Wechselverhältnis. Deshalb gefällt mir die Formel von
Herrn Kollegen Kuhn vom fairen Wettbewerb sehr gut.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf aus der
heutigen Debatte, in der nicht alles vorweggenommen
werden konnte, zusammenfassen: Wir vonseiten des
Bundes werden parallel zu den Ländern einen eigenen
Standpunkt entwickeln. Ich begrüße es, dass die Bundes-
regierung auf die Bank des Bundestages aufgenommen
wurde. Das entwertet die Kommission, die beide gesetz-
gebenden Körperschaften umfasst, überhaupt nicht.
Im Gegenteil – ich erlaube mir eine etwas skeptische
Anmerkung –: Ich hätte es schön gefunden, wenn auch
die Länderregierungen und die Ministerpräsidenten be-
reit gewesen wären, die Landtage auf ihre Bank mitauf-
zunehmen.
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as wäre am heutigen Tage ein sehr guter parlamentari-
cher und föderaler Doppelauftakt gewesen.
Wir werden als Bund darauf aufpassen müssen, dass
ir den Gemeinden nicht zu sehr entgegentreten. Wir
aben den Gemeinden in den letzten Jahren schon sehr
iel Gutes getan. Die große Gemeindefinanzreform ha-
en wir hinter und nicht vor uns.
ie Länder werden sich daran gewöhnen müssen, dass
ie die erste Adresse der Gemeinden sind.
Die Zeitspanne des 2001 neu geregelten und 2019
uslaufenden Finanzausgleichs und die eigentümliche
orm des Art. 143 c Abs. 3 Satz 3 des Grundgesetzes,
ie wir jüngst geschaffen haben – ich zitiere wörtlich:
Die Vereinbarungen aus dem Solidarpakt II bleiben un-
erührt“ –, geben uns allen Planungssicherheit. Diesen
atz richte ich vor allem an die Bundesratsvertreter in
er Kommission. Angesichts dieser Planungssicherheit
ollten wir uns vor einer offenen Diskussion nicht ängs-
igen.
Vielen Dank.
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
ebe ich das Wort dem Kollegen Dr. Hans-Peter
riedrich von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
ch denke, die Debatte hat deutlich gemacht, dass es
ichtig war, für die Föderalismusreform II eine sehr breit
efasste und offene Themenliste vorzusehen. Ja, wir dre-
en damit ein sehr großes Rad; das haben wir uns vorge-
ommen, Herr Minister Steinbrück. Wir haben keinen
rund zu Pessimismus.
Ich erinnere mich an die Einsetzung der Föderalis-
uskommission I. Damals waren viele, ja sogar die
eisten skeptisch. Und tatsächlich: Kurze Zeit später
das war in der Vorweihnachtszeit vor zwei Jahren – ist
ie gescheitert. Aber die Ergebnisse, die in dieser Föde-
alismuskommission I erarbeitet wurden, waren Grund-
age für weitere Beratungen, erst zwischen Stoiber und
üntefering, später auch in den Koalitionsverhandlun-
en. Wichtig war, dass man einen langen Atem bewahrt
at. Lieber Kollege Struck, ich wünsche Ihnen und
errn Ministerpräsidenten Oettinger, dass auch Sie in
ieser Föderalismuskommission II langen Atem haben,
en wir für einen Erfolg brauchen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7409
)
)
Dr. Hans-Peter Friedrich
Wir werden – ich denke, das hat diese Debatte deut-
lich gemacht – drei Kategorien von Themen angehen
müssen:
Der erste Themenbereich umfasst Themen, die besser
heute als morgen oder gar übermorgen gelöst werden
müssen. Ich meine damit vor allem die Aufgabe, den
Weg in den Schuldenstaat zu stoppen. Das muss noch
in dieser Wahlperiode mit klaren Regelungen gelingen.
Zweitens. Es gibt Themen, bei denen wir zwischen
Bund und Ländern bzw. zwischen den Ländern unter-
einander erst noch ein gemeinsames Verständnis entwi-
ckeln müssen. Dazu zählen die Bündelung von Verwal-
tungsaufgaben, Verwaltungsvereinfachung – Minister
Schäuble hat das schon angedeutet –, Erschließung von
Synergieeffekten und kritische Überprüfung von Staats-
aufgaben. Das ist die zweite Kategorie, für die wir der
Diskussion innerhalb dieser Kommission eine Struktur
geben müssen.
Zur dritten Kategorie zählen die Themen, die auf die
politische Tagesordnung hier in Berlin und in Deutsch-
land gehören. Wir wissen aber, dass wir die Probleme
nicht auf einen Schlag lösen können. Ein Stichwort ist
hier genannt worden, nämlich die Länderneugliede-
rung.
Wir werden mit dieser Föderalismuskommission II ei-
nen politischen Prozess bzw. zumindest eine weiterfüh-
rende Diskussion anstoßen. Ich denke, dass wir Georg
Paul Hefty, der in der „FAZ“ heute vor Illusionen warnt,
beruhigen können. Wir werden uns nicht überheben,
sondern ganz realistisch an die Dinge herangehen.
Das Ziel, die Finanzbeziehungen neu zu regeln, um-
fasst mehr als Grundgesetzänderungen. Grundge-
setzänderungen werden aber nötig sein. Eine ist heute
schon genannt worden. Mit dem Art. 115 des Grundge-
setzes wurde nicht das erreicht, was man sich erhofft
hatte: Die Verschuldung konnte nicht in breitem Maße
gestoppt werden. An dieser Stelle brauchen wir also eine
Verfassungsänderung. Dies gilt übrigens auch für andere
Bereiche. Zum Beispiel müssen beim Verteilen von Geld
mehr Pflichten gelten.
Wir werden aber auch eine zweite Kategorie der Ge-
setzgebung beachten müssen, nämlich einfachgesetz-
liche Regelungen unterhalb des Grundgesetzes. Auch
sie müssen Gegenstand der Diskussionen zwischen dem
Bund und den Ländern sowie innerhalb der Länder sein.
Ich denke zum Beispiel, dass mit Art. 109 des Grundge-
setzes schon heute viele Möglichkeiten gegeben sind,
durch Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates
mehr Disziplin in der Haushaltsführung einzuführen.
Wir werden also sicher darüber diskutieren müssen, auch
auf der Ebene unterhalb der Verfassung Regelungen zu
treffen.
Die wichtigste Aufgabe ist, den Marsch in den Schul-
denstaat zu stoppen. Roman Herzog, der frühere Bun-
despräsident, wird im „Tagesspiegel“ zitiert. Dort steht:
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Kollege Ernst Burgbacher, wir werden darüber strei-
en, ob wir ein generelles oder ein relatives Verschul-
ungsverbot einführen und ob wir Ausnahmen zulas-
en – wie auch immer. Das Ziel sollte uns allerdings
mmer vor Augen bleiben: Wir wollen, dass die Neuver-
chuldung der Gebietskörperschaften – Bund, Länder
nd Gemeinden – künftig nur noch eine Ausnahme und
icht wie heute die Regel ist. Das muss uns gelingen.
er Schulden macht, ohne beantworten zu können, wie
r sie zurückzahlt, handelt verantwortungslos, unsolide
nd unmoralisch – auch gegenüber den künftigen Gene-
ationen.
Die Bürger eines Landes müssen wissen, dass ihnen
ie Regierung, die Schulden macht, letzten Endes die
onsequenzen daraus – sie bestehen beispielsweise da-
in, einen handlungsunfähigen Staat zu hinterlassen –
ufbürdet. Letzen Endes zahlen die Bürger die Rech-
ung, die ihnen diejenigen, die Schulden machen, prä-
entieren.
Wir brauchen deswegen Mechanismen, um Haus-
altsrisiken vorzubeugen, sie zu erkennen und sie zu be-
ältigen. Das Bundesverfassungsgericht hat uns in sei-
em Berlinurteil eine klare Anweisung – sozusagen
inen Handlungsauftrag, wenn ich es einmal so sagen
arf – dafür gegeben, indem es gesagt hat:
Das Bundesstaatsprinzip macht solche Bestrebun-
gen
nämlich solche Mechanismen zu entwickeln –
angesichts der gegenwärtig defizitären Rechtslage
erforderlich.
s ist unsere Aufgabe, dieses Defizit durch diese Föde-
alismuskommission zu beseitigen.
Ich bedanke mich beim Verfassungsgericht für die
teilvorlage, die wir mit dem Berlinurteil für die Arbeit
n der Kommission erhalten haben. Mit den Urteilen zur
rforderlichkeitsklausel haben wir übrigens auch
chon bei der letzten Kommission Flankenschutz von
em anderen Verfassungsorgan erhalten, für den wir uns
erzlich bedanken sollten.
Wir brauchen noch in dieser Wahlperiode einen natio-
alen Stabilitätspakt, der nicht nur so heißt, sondern sei-
en Namen auch verdient. Wir brauchen klare Maßstäbe
ür die Neuverschuldung. Wir brauchen ein Frühwarn-
ystem für Haushaltskrisen, die den Ländern drohen.
as ist auch eine Frage des demokratischen Prinzips, der
emokratischen Verantwortung: Möglichst zeitnah muss
7410 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Dr. Hans-Peter Friedrich
jede Regierung – nicht erst die übernächste Regierung –
für die Schulden, die sie den Bürgern aufbürdet, zur Ver-
antwortung gezogen werden.
Georg Milbradt, der Ministerpräsident von Sachsen,
hat vorgestern in einem Interview mit dem „Handels-
blatt“ gesagt:
Wir können es uns nicht mehr leisten, dass auf der
einen Seite alle Länder auf ihre Finanzautonomie
pochen und gleichzeitig die Solidargemeinschaft
für hochverschuldete Länder einstehen muss.
Ich stimme diesem Zitat zu. Mit anderen Worten: Wer
sich beim Schuldenmachen auf Haushaltsautonomie
beruft, kann sich beim Zurückzahlen von Schulden nicht
auf Solidarität berufen.
Das Bundesverfassungsgericht hat uns mit seiner Berli-
nentscheidung und dem klaren Hinweis, dass jedes Land
für politische Entscheidungen und ihre Folgen selber
verantwortlich ist, in dieser Frage Flankenschutz gege-
ben.
Wir brauchen Sanktionsmechanismen. Ich habe jetzt
in der Diskussion gemerkt, dass wir durchaus unter-
schiedliche Ansatzpunkte haben. Man muss entscheiden,
was man will: mehr Rechte, von außen einzugreifen,
oder eine stärkere Entflechtung im Hinblick auf die Soli-
darität. Wir werden darüber streiten, was der richtige
Weg ist. Der Wissenschaftliche Beirat beim BMF hat
Vorschläge gemacht, wie man Haushaltskrisen bewälti-
gen und ihnen rechtzeitig vorbeugen kann. Ich nenne
hier das Stichwort Stabilitätsrat. Das ist ein Thema,
dem wir uns sehr zügig widmen sollten.
Man muss sich allerdings im Klaren darüber sein,
dass aufgrund der Staatlichkeit der Länder Eingriffen
von außen Grenzen gesetzt sind. Ich bedanke mich herz-
lich bei Bundesinnenminister Schäuble, der auf die
große Bedeutung der föderalistischen Tradition unse-
rer Verfassung hingewiesen hat. Wir haben die Staatlich-
keit der Länder zu achten und müssen Rücksicht nehmen
auf das, was unsere Verfassungstradition ausmacht.
Ich möchte das Thema Länderneugliederung nicht
vertiefen. Nur so viel: Das ist keine heilige Kuh; das
muss auf die Tagesordnung.
Lassen Sie mich zuletzt etwas zu den Kommunen sa-
gen. Die Kommunen sind über Art. 28 des Grundgeset-
zes, aber auch als Adressaten von Finanzzuweisungen
geschützt. Ich kann für meine Fraktion versichern, dass
wir die Kommunen, immer wenn ihre Rechte betroffen
sind, in die Diskussion, in die Verhandlungen einbezie-
hen werden. Wir, die Bundestagsabgeordneten der
Koalitionsfraktionen, können und wollen die Interessen
unserer Kommunen in der Föderalismuskommission
nachhaltig vertreten.
Ich danke Ihnen.
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1)
Ich gehe davon aus, dass wir mit der Wahl der Mit-
lieder der Kommission fortfahren können. Deswegen
itte ich Sie, sich auf Ihre Plätze zu begeben, damit ich
ei der kommenden Abstimmung einen Überblick habe.
Seite 7413 A
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7411
)
)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, wieder Platz
zu nehmen.
Wir kommen damit zur Wahl der vom Deutschen
Bundestag zu entsendenden Mitglieder der gemeinsa-
men Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder-
Finanzbeziehungen. Hierzu liegen Wahlvorschläge der
Fraktionen auf Drucksache 16/3886 vor. Wer stimmt für
diese Wahlvorschläge? – Gegenstimmen? – Enthaltun-
gen? – Die Wahlvorschläge sind einstimmig angenom-
men. Damit sind die vom Deutschen Bundestag zu ent-
sendenden Mitglieder der gemeinsamen Kommission
gewählt.
Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 22 a bis 22 e
auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Bärbel
Höhn, Undine Kurth , Ulrike
Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Kennzeichnungspflicht auf verarbeitete Eier
ausweiten
– Drucksache 16/3703 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz
– zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-
Schröter, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der LINKEN
Arbeitsplätze durch artgerechte Legehen-
nenhaltung in Deutschland sichern – Verbot
der Käfighaltung ab 2007 durchsetzen
– zu dem Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn,
Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Undine Kurth
und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN
Verbot der Käfighaltung für Legehennen ab
2007 beibehalten
– Drucksachen 16/1128, 16/839, 16/1463 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Peter Jahr
Dr. Wilhelm Priesmeier
Hans-Michael Goldmann
Dr. Kirsten Tackmann
Bärbel Höhn
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz zu
dem Antrag der Abgeordneten Undine Kurth
, Bärbel Höhn, Ulrike Höfken, wei-
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richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz zu
dem Antrag der Abgeordneten Hans-Michael
Goldmann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP,
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter,
Dr. Gesine Lötzsch, Heidrun Bluhm, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN so-
Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN
Verbot der Einfuhr von Wildvögeln
– Drucksachen 16/1502, 16/2849 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Hans-Heinrich Jordan
Dr. Wilhelm Priesmeier
Hans-Michael Goldmann
Dr. Kirsten Tackmann
Undine Kurth
e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz zu
dem Antrag der Abgeordneten Undine Kurth
, Bärbel Höhn, Ulrike Höfken, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN
Einfuhrverbot für Katzen- und Hundefelle
– Drucksachen 16/841, 16/3079 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Peter Jahr
Dr. Wilhelm Priesmeier
Hans-Michael Goldmann
Dr. Kirsten Tackmann
Undine Kurth
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
ie Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es
iderspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so
eschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
erin das Wort der Kollegin Bärbel Höhn vom Bünd-
is 90/Die Grünen.
7412 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Heute ist der letzte Debattentag vor Weihnachten. Da
sich das Jahr dem Ende nähert, ist es richtig, im Bereich
des Tierschutzes Bilanz zu ziehen. Was hat das Jahr
2006 für den Tierschutz gebracht? Der 1. Januar 2007
sollte der große Tag des Tierschutzes werden; denn
Renate Künast hatte erkämpft, dass an diesem Tag ein
Verbot der Batteriekäfighaltung in Kraft tritt. Kein
Huhn in Batteriekäfighaltung ab dem 1. Januar 2007!
Es wird leider nicht so kommen; denn Bundesminister
Seehofer hatte nichts Besseres zu tun, als gemeinsam mit
den Ländern das Verbot rückgängig zu machen. Er
zwingt die Legehenne für weitere Jahre in die
schlimmste Form der Käfighaltung. 2006 ist also kein
gutes Jahr für den Tierschutz in Deutschland.
Die Fortführung der Batteriekäfighaltung wurde übri-
gens schon 1999 vom Bundesverfassungsgericht als ver-
fassungswidrig eingestuft. Deshalb ist das rückgängig
gemachte Verbot ein Rückschlag. Bundesminister
Seehofer hält es offensichtlich noch nicht einmal für nö-
tig, hier anwesend zu sein, obwohl er den Weiterbetrieb
unterschrieben hat.
– Es wäre gut, wenn Herr Seehofer zuhörte.
2002, vor fast genau fünf Jahren, haben alle Fraktio-
nen in diesem Haus den Tierschutz in die Verfassung
aufgenommen. Ich habe mir die Protokolle der Debatten
vom Jahre 2000 und 2002 noch einmal durchgelesen und
fand die Rede von Herrn Röttgen interessant. Er hat sich
zum Schutz der Tiere bekannt und gesagt: Der Schutz
der Tiere ist ein essenzieller Bestandteil jeder humanen
Gesellschaft. Die Anerkennung der Würde der Tiere
zählt zu den zivilisatorisch-kulturellen Elementen. Für
die CDU/CSU sei das kein Lippenbekenntnis. Sie trete
vielmehr für eine konkrete, aktiv betriebene Tierschutz-
politik ein.
Gute Worte, gute Lippenbekenntnisse! Aber ich frage
mich, ob es konkreter, aktiv betriebener Tierschutz ist,
wenn Legehennen so wenig Platz haben, dass sie noch
nicht einmal nebeneinander schlafen oder gleichzeitig
fressen können. Das ist nicht artgerecht. Deshalb muss
mit der Batteriekäfighaltung in Deutschland Schluss
sein.
Batteriekäfighaltung ist agroindustriell. Das eigentli-
che Problem ist, dass es jetzt nicht nur für Hühner gilt,
sondern dass es zunehmend auch auf Schweine ange-
wandt wird. In den neuen Bundesländern haben wir mitt-
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Riesige Mastanlagen mit bis zu 90 000 Tieren sind in
lanung. Die Schweine werden in Deutschland auf har-
en Betonböden mit Spalten gehalten, durch die ihre Ex-
remente fallen, und in diesem Gestank leben die
chweine in Deutschland. Billige Schweine- und Puten-
chnitzel haben ihren Preis, gerade was den Tierschutz
ngeht, und das müssen wir ändern.
Auf EU-Ebene steht im nächsten Jahr die Hähnchen-
ast an. Der Vorschlag, den die EU hierzu unterbreitet
at, würde in Deutschland zu einer Verschlechterung
ühren. Es würden dann immerhin 38 Kilogramm pro
uadratmeter zugelassen, wobei ich es abartig finde,
ass man, wenn man von Tieren redet, von Kilogramm
ro Quadratmeter spricht. Tiere werden in Deutschland
ur noch nach Kilogramm bemessen und nicht mehr
ach Tierzahl.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was die
erbraucher tun können. Sie können mit dem Einkaufs-
agen entscheiden, aber sie müssen es auch können. Be-
üglich der Eier gibt es mittlerweile eine Kennzeich-
ungspflicht. Wir sagen eindeutig: Kein Ei mit der „3“,
enn das sind Batteriekäfigeier. Die Verbraucherinnen
nd Verbraucher halten sich auch daran, was ihr Früh-
tücksei angeht. Sie halten sich aber nicht beim Kauf
on verarbeiteten Produkten daran, denn dort gibt es
eine Kennzeichnungspflicht. Deshalb fordern wir eine
ennzeichnungspflicht auch bei verarbeiteten Produk-
en. Diesen Antrag haben wir eingebracht.
Bezüglich des Informationsrechts für die Verbrauche-
innen und Verbraucher gibt es auch das Verbraucher-
nformationsgesetz. Dies ist die zweite Pleite des Jahres
006. Dieses Verbraucherinformationsgesetz ist inhalt-
ich schlecht, lückenhaft und lässt sehr viele Ausnahmen
u. Dieses Gesetz ist aber nicht nur inhaltlich schlecht,
ondern auch juristisch falsch gemacht. Das sind keine
usätzlichen Rechte für die Verbraucherinnen und Ver-
raucher in diesem Land. Nehmen Sie einfach den Ge-
etzentwurf der Grünen. Der ist gut und würde den Ver-
raucherinnen und Verbrauchern endlich etwas bringen.
as ist Verbraucherschutz.
Herr Seehofer hat in seiner Rede vor dem Deutschen
ierschutzbund eine Menge Redewendungen gebracht,
ie mit Tieren zu tun haben. Ich kann Ihnen auch eine
edewendung nennen. Herr Seehofer, bezüglich der
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7413
)
)
Bärbel Höhn
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Kristina Köhler
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Johann-Henrich
Krummacher
Dr. Hermann Kues
Wolfgang Gehrcke Ulrich Adam Land) Steffen Kampeter
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Gärtner gemacht. Das war ke
Tiere.
durch eine Vogel-Strauß-
e Hessens zum jüngsten
reifen, in der Tierschutz
zusammengebracht wer-
en Sand und nützen nicht
ir haben auf Initiative der
tionen – dafür danke ich
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ur die Robben in Kanada un
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00 Millionen Nutztiere in De
in Geschenk an die Tiere.
Vielen Dank.
n Otto Solms:
fortfahren, gebe ich Ihnen
en Abstimmung zu dem
Beteiligung der Landtage
eralismusreform und In-
ndestages“ auf Druck-
ebene Stimmen 544, mit
in haben 451 gestimmt,
trag ist damit abgelehnt.
arkus Grübel
anfred Grund
onika Grütters
olger Haibach
erda Hasselfeldt
rsula Heinen
da Carmen Freia Heller
ichael Hennrich
ürgen Herrmann
ernd Heynemann
rnst Hinsken
eter Hintze
obert Hochbaum
laus Hofbauer
oachim Hörster
nette Hübinger
ubert Hüppe
usanne Jaffke
r. Peter Jahr
r. Hans-Heinrich Jordan
ndreas Jung
r. Franz Josef Jung
7414 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Karl Lamers
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Stephan Mayer
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Laurenz Meyer
Maria Michalk
Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
Stefan Müller
Bernward Müller
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Bernd Neumann
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche
Klaus Riegert
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht
Peter Rzepka
Anita Schäfer
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Christian Schmidt
Andreas Schmidt
Ingo Schmitt
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
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r. Hans-Peter Bartels
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r. Axel Berg
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r. Gerhard Botz
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r. Herta Däubler-Gmelin
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nnette Faße
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artin Gerster
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ieter Grasedieck
onika Griefahn
erstin Griese
abriele Groneberg
chim Großmann
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olfgang Gunkel
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ettina Hagedorn
laus Hagemann
ina Hauer
einhold Hemker
olf Hempelmann
r. Barbara Hendricks
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abriele Hiller-Ohm
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erd Höfer
ris Hoffmann
rank Hofmann
ike Hovermann
laas Hübner
hristel Humme
othar Ibrügger
ohannes Jung
osip Juratovic
ohannes Kahrs
lrich Kasparick
r. h. c. Susanne Kastner
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hristian Kleiminger
ans-Ulrich Klose
strid Klug
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nette Kramme
rnst Kranz
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olker Kröning
ngelika Krüger-Leißner
r. Hans-Ulrich Krüger
ürgen Kucharczyk
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r. Uwe Küster
hristine Lambrecht
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r! Liebe Kolleginnen und
der grünen Fraktion ha-
trag gestellt. Wir haben
nschzettel schreiben und
n. Frau Höhn, wenn ich
ordern Sie allen Ernstes,
gsverordnung so zu än-
ngsform der Legehennen
h anderen Produkten, die
tend vorgeschrieben wer-
90/DIE GRÜNEN
– Renate Künast
EN]: Bravo!)
ch irgendetwas sein? Sie
rstellungen treu. Bei Ih-
alerei. Hennenhaltungs-
d, sind schlecht und des-
ebe stigmatisiert werden.
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r. Thea Dückert
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as bei Ihren Anträgen immer
itätssinn und der Wunsch, pr
reffen. Eines finde ich noch vi
on Weihnachtsgeschenken. Ih
eitnehmerinnen und Arbeitne
he arbeiten, heißt: Wir möchte
en.
s trotz des härter werden-
usnahmeregelungen für
eigetreten sind, gibt. Ich
Slowenien. Diese Aus-
deutsche Produktion. Die
is zum Jahr 2009. Diese
andards, die unsere Be-
müssen, nicht einzuhal-
fünfte Ei, das derzeit in
s Betrieben, die die Min-
nicht einhalten. Sie, Frau
inisterin diesen Regelun-
gen zugestimmt. Für die
FDP
Jens Ackermann
Ina Lenke
Michael Link
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Waltraud Wolff
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
Uwe Barth
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Joachim Günther
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
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)
Sie fordern eine willkürliche Kennzeichnung auf
Verpackungen. Die hätten Sie in Ihrer Regierungszeit
umsetzen können. In Ihrer Regierungszeit hätten Sie die
Mehrheit dafür sammeln können. Jetzt glauben Sie allen
Ernstes, dass wir dem Antrag heute zustimmen. Ihnen
fehlt der Realitätssinn. Selbst die EU hat 2003 Ihr Ansin-
nen, Frau Künast, abgelehnt.
Dieser Realitätssinn ist ein Grund, warum ich auf die EU
stolz sein kann.
Haben wir keine anderen Probleme in diesem Land,
als diese absurden Forderungen zu diskutieren? Konkret
heißt das nämlich, dass Sie auf jeder Nudelpackung, bei
jedem Kuchen, bei allen Keksen und bei allen Produk-
ten, die Eier aus Legehennenhaltung enthalten, eine
Kennzeichnung durchsetzen möchten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, ich stelle
mir jetzt eine Szene im Restaurant vor, wenn das pa-
nierte Schnitzel gebracht wird. Vielleicht haben Sie auch
noch Vorschläge, wie man den Teller optisch gestalten
könnte, damit man erkennt, welches Ei, das in der Pa-
nade ist, aus Freilandhaltung, welches aus Bodenhaltung
und welches aus Käfighaltung stammt.
Sie haben einen Wunschzettel, auf dem Sie gerne noch
diesbezüglich etwas aufschreiben können. Das hört sich
bei Ihnen alles prima an, aber wir müssen das zu Ende
denken. Das heißt nämlich, dass alle Produkte gekenn-
zeichnet werden müssen, nicht nur Mayonnaise, Schoko-
küsse und Haarshampoo, sondern auch Katzenfutter.
Ich bezweifle, dass es die Katze interessiert, wie das
Huhn das Ei gelegt hat.
Bedenken Sie einmal den Bürokratieaufwand.
Abgesehen davon, dass das nicht praktikabel ist, ma-
chen Sie keine Vorschläge, wie wir mit importierten
Produkten umgehen sollen. Sie machen keine Vor-
schläge, wie wir die importierten Produkte überhaupt
kontrollieren und letztlich rückverfolgen sollen. Für
mich ist das eine klassische Inländerdiskriminierung,
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ie schaffen es einfach nicht, um die Kurve zu denken.
70 Prozent der 14 Milliarden Eier, die hier in
eutschland konsumiert werden, kommen aus Legehen-
enhaltung; 12 Prozent kommen aus Freilandhaltung.
enn wir Ihre Forderung umsetzten, käme es zu immen-
en Engpässen bei der Produktion. Wir wissen alle, wo
ie Eier dann herkommen.
„Ja und?“, sagt Frau Höfken. Dann würde uns der Tier-
chutz außerhalb Deutschlands überhaupt nicht interes-
ieren. Wir würden dann Eier aus Ländern beziehen, die
inen viel geringeren Tierschutzstandard als wir in
eutschland haben, und das einschließlich Verbraucher-
äuschung; denn der Verbraucher weiß dann noch weni-
er über die Herkunft der Eier als hier in Deutschland.
Sie als Grüne schieben gerne immer die Interessen
er Verbraucher vor, um Ihre eigenen ideologischen
orstellungen durchzusetzen.
ei einer Umfrage der Verbraucherzentrale gaben
4 Prozent der Befragten an, mit den bisherigen Infor-
ationen auf den Verpackungen eigentlich zufrieden zu
ein. Außerdem gaben sie an, dass sie Wert darauf legen,
nformationen darüber zu erhalten, welche Inhaltsstoffe
nthalten sind, die für sie möglicherweise gesundheits-
efährdend sind; das ist zum Beispiel für Allergiker sehr
ichtig. Das halten auch wir für richtig.
Aber seien Sie doch so realitätsnah, einzusehen, dass
er Verbraucher, wenn wir noch mehr auf eine Verpa-
kung schreiben, gar nicht mehr draufschaut und auch
icht mehr weiß, wie er damit umgehen soll. Auf eine
olche Informationsflut zu verzichten, das ist richtig ver-
tandener Verbraucherschutz; das ist besser als reiner
ktionismus.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7417
)
)
Julia Klöckner
Warum sagen Sie nicht, was Sie wirklich wollen? Sie
wollen eine Haltungsform verbieten. Dazu haben Sie vor
Monaten einen Antrag gestellt, der nicht durchgekom-
men ist. Deshalb versuchen Sie jetzt, diesen Antrag mit-
hilfe irgendwelcher anderen fadenscheinigen bürokrati-
schen Regelungen doch noch durchzubringen. Für wie
blöd halten Sie uns eigentlich? Wir sind ein bisschen frü-
her aufgestanden, als Sie glauben und als Sie es je schaf-
fen werden.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Künast?
Ich würde gerne erst meine Rede beenden. Dann kön-
nen Sie noch einmal nachfragen.
Nein, nach der Redezeit lasse ich keine Zwischen-
frage mehr zu.
Umso besser.
Ich halte es auch für sehr wichtig, noch einmal darauf
hinzuweisen, dass Ihnen die Arbeitsplätze in Deutsch-
land offensichtlich völlig egal sind. Sie verlieren kein
Wort darüber, wenn man Sie fragt, wie Sie damit umge-
hen. Dass Tierschutzstandards in anderen Ländern viel
niedriger sind,
interessiert Sie nicht. Auch wenn die Kennzeichnung im
Ausland nicht durchsetzbar ist, ist Ihnen das egal.
Wir als CDU/CSU-Fraktion setzen darauf, dass der
Verbraucher entscheiden soll und kann. Es ist richtig,
dass er auch jetzt im Supermarkt entscheiden kann. Wir
sind dafür, dass die wichtigsten Informationen gegeben
werden, zum Beispiel für die Allergiker über allergene
Stoffe, damit sie kein falsches Produkt greifen, oder Ta-
bellen mit Nährwertkennzeichnung. Das machen viele
Betriebe freiwillig und darin liegt ein Wettbewerbsvor-
teil. Darauf setzen wir.
Noch eines, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
Grünenfraktion.
Bei der Grünen Gentechnik fordern Sie keine Kenn-
zeichnung. Da könnten wir doch eine Kennzeichnung
vornehmen! Aber weil klar ist, dass schon jetzt
80 Prozent aller Produkte gentechnisch verändert sind,
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Die derzeitige Kennzeichnungsregelung führt meiner
einung nach in die Irre. Meine Fraktion und ich sind
afür, zukünftig alle Produkte zu kennzeichnen, die gen-
echnisch verändert sind oder bestimmte Stoffe enthalten
önnen. Dann sieht der Verbraucher, dass bereits
0 Prozent gentechnisch verändert sind.
s ist keiner daran gestorben.
Ich denke, das ist eine ganz klare Botschaft. Wir als
DU/CSU-Fraktion werden uns im kommenden Jahr der
rnährung widmen. Wir werden in unserer Fraktion ei-
en Ernährungskongress veranstalten. Mit unserem Ko-
litionspartner werden wir einen Ernährungsantrag stel-
en. Die Bundesregierung hat zugesagt, einen nationalen
rnährungsplan und einen Allergieplan mit auf den Weg
u bringen. Sie sehen, bei uns ist das Thema in den rich-
igen Händen.
Frau Kollegin, jetzt müssen Sie zum Ende kommen.
Dann wünsche ich allen trotz Ihres Wunschzettels
underschöne Weihnachtstage.
Das Wort hat der Kollege Michael Goldmann, FDP-
raktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Die FDP-Bundestagsfraktion und ich persön-
ich begrüßen es, dass wir uns heute zu einer angemesse-
en Tageszeit – diese Debatte wird übertragen – dem
ierschutz in Deutschland zuwenden. Wir können heute
ine Leistungsbilanz vorlegen und darstellen, welche
ute Arbeit wir im Ausschuss geleistet haben.
Weil es vielleicht den einen oder anderen gibt, der
ich die Tagesordnung nicht so genau angeschaut hat,
7418 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Hans-Michael Goldmann
will ich einmal aufzählen, worüber wir konkret reden
wollen. Wir reden über die Ausweitung der Kennzeich-
nungspflicht auf verarbeitete Eier, über Käfighaltung,
über das Verbot der Einfuhr von Wildvögeln und über
das Einfuhrverbot für Katzen- und Hundefelle. Ich
glaube, viele Menschen in Deutschland bewegen diese
Themen; sie sind in der vorweihnachtlichen Zeit davon
durchaus berührt. Deswegen finden wir es, wie gesagt,
prima, dass wir darüber reden können.
Wir als FDP begrüßen dies auch, weil wir insoweit in
einer guten Tradition stehen. Herr Hirsch hat damals da-
für gekämpft, den Tierschutz in die Verfassung aufzu-
nehmen. 2002 wurde dann der Tierschutz als Staatsziel
ins Grundgesetz aufgenommen. Das war ein Erfolg.
Vielleicht hat sich die Position, die den Grünen vor-
schwebte, nicht ganz durchgesetzt. Aber es ist besser,
Fakten zu schaffen als nur Zeichen zu setzen oder Aktio-
nismus zu betreiben. Ich denke, in dieser Kontinuität
sollten wir die Dinge fortführen.
Wir müssen uns intensiv darüber unterhalten, wie wir
es mit der Kennzeichnungspflicht halten. Der Antrag
der Grünen geht meiner Meinung nach nicht substanziell
genug mit dem Sachverhalt um. Aber wir alle, die wir in
diesen Bereichen arbeiten, wissen, dass Rückverfolgbar-
keit heute ein außerordentlich wichtiges Kriterium ist
und dass dadurch Verbraucherentscheidungen durchaus
beeinflusst werden. Ein mündiger Verbraucher muss
wissen, unter welchen Bedingungen ein Produkt herge-
stellt wurde und was darin enthalten ist. Ansonsten kann
er sich nicht qualifiziert verhalten. Wir sollten also über
diese Punkte reden.
Auch ich finde es ein bisschen eigenartig, dass
Frischeier gekennzeichnet werden müssen, dass aber
verarbeitete Eier keinerlei Kennzeichnung haben.
Ich finde es auch nicht besonders glücklich, dass, wie
wir alle wissen, aus Brasilien importiertes Fleisch mit
dem so genannten Frischemerkmal durch das Hinzufü-
gen von Salz und auch aufgetautes Fleisch als Frisch-
fleisch gehandelt werden können, obwohl Frischfleisch
nach Auffassung der Verbraucher in der Tat frisches
Fleisch sein sollte. Ich denke, wir müssen zum Wohle
der Ernährungswirtschaft in Deutschland und, liebe Julia
Klöckner, im Interesse der Arbeitsplätze in diesem Be-
reich darüber reden.
Denn wir werden den Wettbewerb um Arbeitsplätze nur
gewinnen, wenn wir in diesem Bereich Vorreiter sind.
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n diesem Punkt hat Frau Künast mit ihrem Zwischenruf
chon Recht, dass man manchmal etwas vorauseilend
achen muss, um etwas zu erreichen.
Ich erinnere mich an Diskussionen im Ausschuss da-
über, wie wir es eigentlich mit dem Einfuhrverbot für
atzen- und Hundefelle und mit dem Verbot der Ein-
uhr von Wildvögeln halten. Aus dem Haus kam dann
ie Bemerkung, dass man das nicht national regeln
önne, sondern dass es europaweit geregelt werden
üsse. Jetzt hat es eine europaweite Regelung gegeben.
arum? Weil die Dänen vorher ein Verbot erlassen hat-
en. Die Harmonisierung musste also „durch die Hinter-
ür“ eingeführt werden.
eil die Dänen Vorreiter waren, ist es Gott sei Dank zu
inem Verbot für die meiner Meinung nach völlig un-
ögliche Einfuhr von Katzen- und Hundefellen gekom-
en. Ich kann das nur begrüßen.
ch denke, auch bei dem Verbot der Einfuhr von Wild-
ögeln müssen wir genau diesen Weg gehen.
Es geht hier nicht um „eins zu eins“. Bei einer Eins-zu-
ins-Umsetzung geht es um Verordnungen, die von der
uropäischen Ebene kommen. Hier geht es aber darum,
twas auf den Weg zu bringen, was dann in allen europäi-
chen Ländern hoffentlich umgesetzt wird.
Herr Kelber, das ist überhaupt kein Widerspruch.
enn Sie die Ausschussarbeit verfolgen, dann wissen
ie, dass sich die Vertreter der Opposition in diesen Fra-
en zum Erstaunen des einen oder anderen fachlich zu-
ammenfinden.
ch finde es richtig, dass man in der Ausschussarbeit den
achlichen Aspekt in den Vordergrund stellt.
Dass die Erkenntnis durchgreift, gilt hoffentlich auch
ür Ihre eigene Fraktion.
Weil es uns Vergnügen macht, darüber zu reden, will
ch in Erinnerung rufen, was wir im Ausschuss alles ge-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7419
)
)
Hans-Michael Goldmann
macht haben. Wir haben zum Beispiel über die Robben-
problematik gesprochen. Mir hat sehr imponiert, was Sie
von Ihrem Besuch in Kanada erzählt haben. Wir haben
gehandelt. Wir haben uns beispielsweise mit dem Import
von Wildvögeln und mit dem Halten von Tieren in Zir-
kussen beschäftigt. Dazu gab es eine hochinteressante
Anhörung. Wir haben uns mit dem Halten von Tieren in
Zoos beschäftigt. Ich glaube, dass jedem von Ihnen, der
zurzeit in ländliche Gegenden kommt, in denen ein Zir-
kus untergebracht ist, und sieht, wie Zirkustiere zum Teil
in ihren Winterquartieren gehalten werden, das Tier-
schutzherz schmerzt.
Ich finde es nicht schlimm, dass es einen schmerzt. Man
muss dann aber zu den Leuten gehen und mit ihnen re-
den. Man muss sich kommunalpolitisch und wir müssen
uns bundespolitisch dafür einsetzen, dass Verbesserun-
gen erzielt werden.
Frau Höhn, ich finde es gut, wenn Sie eine Aktion in
der Form machen: der Wal und ich vor dem Brandenbur-
ger Tor. Das ist hübsch; das hat eine Botschaft. Aber bei
den Legehennen liegen Sie nun wirklich falsch. Für die
Haltung von Legehennen haben wir in Deutschland
eine Lösung gefunden, die ich für praktikabel halte.
Wenn Legehennen Eier legen, ist das eine Leistung.
Aber man muss vielleicht ein bisschen biologisch und
tierärztlich gebildet sein, was ich Gott sei Dank bin, um
zu wissen: Hühner legen nur Eier, wenn es ihnen ge-
sundheitlich gut geht. Wenn die Eierlegeleistung in der
neuen Haltungsform, in der Volierenhaltung oder der
Kleingruppenhaltung, hoch ist, dann können Sie bis zu
einem gewissen Grad davon ausgehen, dass diese Hal-
tungsform der Artgerechtigkeit bei diesen Tieren nicht
unmittelbar widerspricht.
Frau Höhn, bei solchen Dingen sollten wir nicht ir-
gendetwas in die Gegend blubbern und Wind in Bezug
auf den Tierschutz machen, sondern konkret Problemlö-
sungen angehen. Ich finde, dass die Lösung, die hierzu
gefunden worden ist – Sie wissen, dass das nicht immer
unsere Vorstellung war –, sachgerecht ist und durchaus
eine Zukunftschance haben sollte.
Sie sollten nicht einfach Blindbegriffe verwenden.
Die Zuhörer sind ja keine Experten. Die neue Haltungs-
form hat nichts mit Batteriekäfighaltung zu tun.
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Frau Höhn, das ist schlicht Quatsch.
Ich bin ja mit meinem Vater seit 1954 durch die Ge-
end gefahren
nd habe landwirtschaftliche Betriebe besucht; auch
ein Vater war ja Tierarzt. Da hatten die Bauern acht bis
ehn Kühe. Ich sage Ihnen einmal ganz ehrlich ein biss-
hen flapsig: Da hätte ich weiß Gott keine Kuh sein wol-
en. Die standen mit dem Kopf vor der Wand; es tropfte.
ie standen mit den Beinen hinten im Mist und hatten
saumäßige“ Haltungsbedingungen.
Heute haben bei uns Milchbauern in leistungsfähigen
etrieben, wo sie sich – weil sie, nebenbei gesagt, eine
ute Ertragssituation haben – um die Tiergesundheit
nd den Status des Tieres in der Haltungsform kümmern
önnen, 120 bis 150 Milchkühe. All diese Kühe sind
icht mehr angebunden. Diese Kühe können ihre Liege-
läche wählen, wie sie wollen. Diese Kühe werden zu
em Zeitpunkt gefüttert, zu dem die Tiere es wollen.
iese Tiere haben heute einen Gesundheitsstatus, der
em in früheren Zeiten haushoch überlegen ist.
Deswegen ist es schlicht falsch, zu sagen: Eintierhal-
ung ist gut und Vieltierhaltung ist schlecht. Es kommt
arauf an, wie die Vieltierhaltung ausgestaltet ist. Das
ollten Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen.
Herr Kollege, die Frau Kollegin Höhn würde furcht-
ar gerne eine Zwischenfrage stellen.
Das gönne ich ihr.
Herr Kollege Goldmann, ich habe eben von der Bat-
eriekäfighaltung gesprochen. Ich habe diese Batterie-
äfighaltung auf das bezogen, was über Jahrzehnte in
eutschland üblich war und was zum 1. Januar nächsten
ahres auslaufen sollte. Können Sie bestätigen, dass die
öglichkeit der schlimmen alten Batteriekäfighaltung,
ie wir von vielen Bildern kennen und die viele auch in
er Praxis gesehen haben – ich rede nicht von dem neuen
äfig, der aus meiner Sicht aber auch schlimm genug
st –, von der Bundesregierung und den Ländern um
wei weitere Jahre verlängert worden ist?
7420 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Es ist richtig, was Sie sagen: Die Möglichkeit dieser
Haltungsform ist verlängert worden. Denn es macht mei-
ner Meinung nach keinen Sinn, dass man diese Hal-
tungsform ins Ausland exportiert und wir dann die Ge-
flügelprodukte – Fleisch und Eier – aus einem Land
bekommen, wo die Haltungskriterien viel schlechter
sind als bei uns.
Ich will Ihnen etwas anderes sagen, Frau Höhn: Sie
tun sich selbst keinen Gefallen damit, wenn Sie in die-
sem Zusammenhang das Wort „Käfig“ wieder so benut-
zen, wie es für frühere Zeiten zutraf. Sie wissen ganz ge-
nau: Der alte Käfig ist verboten. Wir sind auf dem Weg,
Haltungsformen zu entwickeln, die den Tieren gerechter
werden. Es gibt Versuche dazu. Ich glaube, dass wir da
auf einem guten Weg sind.
– Frau Höhn, Sie tun sich damit keinen Gefallen.
Auch der Begriff „Schweinefabrik“ hat nichts mit der
Idee des Tierschutzes zu tun.
– Nein, Frau Höhn. – Das ist eine Diskriminierung ge-
genüber heute notwendigen Haltungsformen. Frau
Höhn, es ist schlicht falsch, anzunehmen, dass es dem
Tier Nr. 36 besser geht als dem Tier Nr. 8 720 in einem
Betrieb.
Es kommt darauf an, wie viel Platz das Tier hat, wie viel
Licht es bekommt und welchen Futterzugang es hat.
Wenn die Haltungsformen nicht tier- und artgerecht wä-
ren, könnten wir die züchterischen Erfolge überhaupt
nicht erzielen, hätten keine Marktteilhabe mehr und wä-
ren im Grunde genommen auf Importe aus Ländern an-
gewiesen, in denen ich wirklich kein Tier sein wollte;
Gott sei Dank bin ich es nicht.
Wir müssen uns auf das Ziel fokussieren, guten Tier-
schutz in Deutschland zu verwirklichen. Dafür müssen
wir gemeinsam streiten.
Herr Kollege, ich glaube, die Zwischenfrage ist jetzt
beantwortet, und ich darf die Redezeit weiterlaufen las-
sen.
Liebe Frau Präsidentin, meine Redezeit ist ja auch
schon abgelaufen.
So ist es.
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Ich finde es gut, dass wir darüber reden. Lassen Sie
ns gemeinsam weitermachen, damit wir viel für die
iere erreichen. Wir sind auf einem guten Weg. Wir
üssen aber vernünftig sein. Es geht nicht um Aktionis-
us, sondern um das konkrete Tun, liebe Frau Höhn.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Mechthild Rawert,
PD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-
en und Kollegen! Werte Gäste! Tierschutz ist ein hohes
ut. Der Schutz der Tiere ist zwischenzeitlich auch im
rundgesetz festgeschrieben worden.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei den vielen Mit-
ürgerinnen und Mitbürgern bedanken, die sich in Tier-
chutzorganisationen engagieren, in kleinen und gro-
en Verbänden, die nicht nur auf lokaler und regionaler
bene tätig sind. Ihnen gebührt unser Dank. Dieser Dank
oll hier und heute von mir – ich denke, im Namen des
auses – ausgesprochen werden.
Die Bundesregierung nimmt die Aufgabe des Tier-
chutzes sehr ernst und verfolgt das Ziel, ein hohes
ierschutzniveau in Deutschland zu gewährleisten und
en Tierschutz weiterzuentwickeln. Das betrifft den Be-
eich der Rechtsprechung sowie die Berücksichtigung
es Tierschutzes bei der Abwägung mit anderen Rechts-
ütern und schließt die finanzielle Unterstützung tierge-
echter Haltungsformen, die Forschungsförderung und
in intensives Engagement auf europäischer und interna-
ionaler Ebene ein. Die Bundesregierung setzt mit ihrem
ngagement in den Gremien Akzente. Sie beteiligt sich
n zahlreichen nationalen und internationalen Vorhaben
ur Verbesserung des Tierschutzes. Das gilt hier und
eute genauso wie in der Zukunft.
Die SPD ist und bleibt die Tierschutzpartei. Sie setzt
ich seit Jahren kontinuierlich für die Weiterentwicklung
es Tierschutzes inner- und außerhalb Deutschlands ein.
ir gehen voran. Wir gehen vorwärts.
ir stellen uns der Verpflichtung des ersten Paragrafen
nseres Tierschutzgesetzes:
Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund
Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7421
)
)
Mechthild Rawert
In 2002 wurde – maßgeblich von meiner Fraktion vo-
rangetrieben – der Tierschutz in Art. 20 a unseres
Grundgesetzes als Staatsziel verankert. Damit wurde
eine lange Diskussion über den Rang des Tierschutzes
im Verfassungsgefüge endlich beendet. Dieses Staatsziel
muss aufseiten der Politik bei der Gesetzgebung und
aufseiten der Verwaltungsbehörden und der Gerichte bei
der Auslegung und Anwendung des Tierschutzrechts im-
mer Berücksichtigung finden.
Ich komme zur Verbindung zwischen Tierschutz und
Verbraucherschutz. Nach dem Auftreten von BSE und
zahlreichen Gammelfleischskandalen ist das gesamte
Feld rund um die Ernährung kritisch hinterfragt und neu
bewertet worden: von der Sicherheit und Qualität der
Lebensmittel über die Produktionsprozesse und deren
Auswirkungen auf Umwelt, Natur und Tierhaltung,
quasi „From the Farm to the Fork“, von der Farm zur
Gabel.
Tierschutz ist für uns integraler Bestandteil einer
Nachhaltigkeitsstrategie, die dem vorsorgenden Ver-
braucherschutz Vorrang einräumt, den schonenden
Umgang mit Natur und Umwelt beachtet, auf eine nach-
haltig produzierende Landwirtschaft setzt und den länd-
lichen Raum mit seinen verschiedenen Funktionen als
Lebens-, Wirtschafts-, Natur- und Erholungsraum in den
Blick nimmt.
Verbraucherinnen und Verbraucher entscheiden durch
bewusste Kaufentscheidungen an der Ladentheke
– darüber wurde heute schon ein wenig dissonant disku-
tiert – darüber, wie unsere Tiere in der Landwirtschaft
gehalten und genutzt werden.
Jede und jeder hat somit die Möglichkeit, sich tagtäglich
in kleinem und in größerem Umfang für den Tierschutz
einzusetzen.
Dies setzt jedoch voraus, dass die Verbraucherinnen
und Verbraucher ausreichend über die Produkte infor-
miert sind. Mit Recht fordern sie daher von uns eine de-
tailliertere Informationspflicht bezüglich der Produkte
und der damit verbundenen Herstellungsprozesse, damit
die Kaufentscheidung adäquat getroffen werden kann.
Die Kennzeichnung in Deutschland ist jedoch nach
wie vor ein Buch mit sieben Siegeln. Die Verbraucherin-
nen und Verbraucher müssen zwischen einer Vielzahl
von Bio- und Ökosiegeln unterscheiden und wissen oft
nicht, welche Qualitätsstandards sich dahinter verber-
gen. So sind Produkte, die nach der EU-Öko-Verordnung
gekennzeichnet sind, mit einem Biosiegel und einem
Code der Kontrollstelle versehen. Mittlerweile haben
viele Supermärkte eigene Handelsmarken – das Wettbe-
werbsrecht verbietet jetzt leider eine Aufzählung –, unter
denen sie Bioprodukte vertreiben. Einige Verbände des
ökologischen Landbaus haben eigene Siegel und legen
strengere Auflagen, als die EU-Öko-Verordnung vorgibt,
für ihre Produzenten fest.
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ie grundlegenden Kriterien für ein solches Tierschutz-
iegel sollten unter anderem Bewegungsfreiraum, Ein-
treu, Tageslicht, Beschäftigungsmaterial, Strukturie-
ung und auch Außenklima sein.
Es hat sich – das wurde in den Reden deutlich –
urchaus schon Diskussionsbedarf innerhalb der Koali-
ion aufgetan. Ich habe vorhin sehr intensiv die Rede von
rau Klöckner verfolgt. Dieses Tierschutzsiegel könnte
in weiteres Problem bei der Lebensmittelkennzeich-
ung lösen. Zurzeit können die Verbraucherinnen und
erbraucher beim Einkauf nämlich nicht erkennen, unter
elchen Bedingungen die einzelnen Zutaten für Fertig-
rodukte verwendet werden und wie sie hergestellt wor-
en sind. So können – bleiben wir heute beim Beispiel
er Eier – Konsumentinnen und Konsumenten von Hüh-
ereiern zwar durch die Kennzeichnung erkennen, ob es
ich um ein Ei aus Freiland- oder Käfighaltung – dem-
ächst Volierenhaltung – handelt. Diese Kennzeichnung
indet allerdings nicht bei Produkten statt, bei denen die
ier Zutat sind, wie zum Beispiel Mayonnaise, Nudeln
der Backwaren.
as gilt selbstverständlich auch für alle anderen Fertig-
rodukte.
Im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft, die jetzt be-
innt, hat Deutschland die Gelegenheit, dieses Thema
uf europäischer Ebene aktiv voranzubringen. Ich bin
ir sicher, dass die Bundesregierung diese Pflicht sieht.
ch fordere unseren Bundesminister ausdrücklich auf,
ich hierfür einzusetzen
nd für die entsprechende Aufklärung der Verbrauche-
innen und Verbraucher zu sorgen. Unsere Fraktion wird
ierbei selbstverständlich die größtmögliche Unterstüt-
ung geben.
Den teilweisen Widerstand gegen einen besseren
ierschutz vonseiten einzelner Produzenten in der Land-
irtschaft verstehe ich nicht. Gerade besserer Tierschutz
ls Qualitätsmerkmal kann heimischen Lebensmitteln ei-
en Marktvorteil bringen und sichtbar machen, dass
urch tierschutzgerechtes Wirtschaften Arbeitsplätze
rhalten und neue geschaffen werden. Dass das möglich
t, zeigt – erneut komme ich auf die Hühnereier zurück –
ie große Nachfrage nach Bio- und Freilandeiern, die
urzeit nicht aus der heimischen Produktion gedeckt
erden kann.
7422 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Mechthild Rawert
An dieser Stelle möchte ich auf Folgendes hinweisen:
Ich selber komme von einem Bauernhof. Wir hatten
15 000 Hühner. Ich bin mit Eiereinsammeln und der ent-
sprechenden Arbeit durchaus vertraut. In diesem Bereich
ist es möglich, viel zu tun. Jetzt hier davon zu reden,
dass in diesem Bereich keine neuen Arbeitsplätze ge-
schaffen werden können, lehne ich ab, nicht nur aus der
eigenen familiären Biografie heraus, sondern auch aus
den Erfahrungen meiner Bekanntschaft, meiner Freunde
und Verwandten und auch sämtlicher Nachbarn und
Nachbarinnen.
Kommen wir zu den Bioeiern zurück. Sie kommen
zurzeit aus den Niederlanden. Ich bin der Meinung, dass
unsere deutschen Bauern und Unternehmen eine Chance
am deutschen und auch am europäischen Markt vertun.
Ich rechne aus diesem Grunde auch mit der Unterstüt-
zung des Lebensmittelhandels für meine Vorschläge und
erwarte, dass auch die Produzenten in Deutschland das
ständig wachsende Marktpotenzial für Bioprodukte end-
lich erkennen und nutzen.
Gerade jetzt sind dazu mehrere Umfragen durchge-
führt worden. Sie belegen, dass hier von einer Auswei-
tung und nicht von einem Rückgang gesprochen werden
kann. Mit Blick auf die Arbeitsplätze und mit Blick auf
die Produktion wären wir hier auf dem vollkommen
richtigen Weg.
Aus verbraucherpolitischer Sicht ist mir noch ein an-
deres Thema wichtig, nämlich die Förderung neuer und
innovativer Techniken zur tierversuchsfreien For-
schung. Verbraucherinnen und Verbraucher achten sehr
wohl darauf, ob Produkte mithilfe von Tierversuchen ge-
testet worden sind oder nicht. Seit 2004 ist es bereits ver-
boten, kosmetische Mittel einschließlich ihrer Bestand-
teile in Verkehr zu bringen, wenn diese im Tierversuch
überprüft wurden, obwohl alternative Methoden zur
Verfügung stehen. Ich bin sehr dankbar, dass das For-
schungsministerium nach wie vor große Förderpro-
gramme in Bezug auf Ersatzmethoden für den Tier-
versuch, aber auch in Bezug auf die Vergabe von
Forschungsmitteln zur wissenschaftlichen Erarbeitung
von Tierversuchsersatzmethoden finanziert. Wie das
funktioniert, konnten vor kurzem die Mitglieder des
Landwirtschaftsausschusses beim Bundesinstitut für Ri-
sikobewertung in Augenschein nehmen. Ich bin der fes-
ten Überzeugung, dass Verbraucherinnen und Verbrau-
cher gern solche Produkte kaufen, bei denen sie
überzeugend nachgewiesen bekommen, dass sie nicht
unter Verwendung von Tierversuchen produziert worden
sind. Die SPD ist daher der Meinung, dass solche For-
schungsvorhaben und Techniken zugleich wichtige Im-
pulse für unseren Forschungs- und Wirtschaftsstandort
geben und dass wir somit in diesem Bereich weltweit
eine Vorreiterrolle übernehmen können.
Zu dem Antrag der Grünen möchte ich am Ende mei-
ner Rede nur ein kurzes Wort sagen. Er ist leider ein
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ch freue mich ebenfalls, dass in den nächsten Tagen ins-
esondere Ochs und Esel, Schafe und Kamele mit Si-
herheit –
Frau Kollegin, ich muss Sie darauf aufmerksam ma-
hen, dass Sie auf Kosten Ihres Nachfolgers reden.
– eine gute Haltung haben werden. – Ich bin fertig.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Eva Bulling-
chröter, Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen
nd Kollegen! Wäre dieser Saal hier eine Legehennen-
atterie, würden an Ihrer Stelle über 17 000 Hühner sit-
en. Nutzen wir den Raum bis unter die Decke – das ist
ie Realität in Hühnerbatterien –,
ären das fast 1 Million Hühner; 1 Million Hühner im
lenarsaal des Deutschen Bundestages dank moderner
äfigbatterien.
Hierzulande werden 43 Millionen Hühner gehalten,
avon mehr als 73 Prozent in Käfigen bei Gestank und
ünstlichem Licht. Die Folge: zerstörtes Gefieder, ka-
utte Gelenke,
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7423
)
)
Eva Bulling-Schröter
schwere Verhaltensstörungen. Die Tiere können nicht
sandbaden, weder Gefieder noch den Kopf schütteln.
Das Federkleid kann nicht geputzt, Kopf und Schnabel
können nicht gekratzt werden.
Praktisch alle natürlichen Triebe werden unterdrückt.
Früher hat ein Huhn 20 Eier pro Jahr gelegt – so viel
dazu, wie die Situation früher war, Herr Goldmann –,
heute sind es mehr als 300. Masthühner werden heute so
gezüchtet, dass sie täglich – ich betone: täglich – mehr
als 50 Gramm zunehmen müssen.
Normalerweise verbringt ein Huhn den Tag mit Fut-
tersuche und Gefiederpflege. Beides ist bei konventio-
neller Käfighaltung nicht möglich. Langweiliges Futter
und bedrückende Enge führen zu Kannibalismus und
Krankheit.
Den Tieren hilft man nicht dadurch, dass man ihnen
die Schnabelspitzen amputiert oder das Licht in ihrem
Käfig auf ein Minimum abdimmt. Wir brauchen eine
tiergerechte Geflügelhaltung, sowohl für Mast- als auch
für Legehühner. Damit sind aber explizit nicht die ausge-
stalteten Käfige und Kleinvolieren für die so genannte
Gruppenhaltung gemeint. Was so putzig klingt, bedeutet:
Die Tiere können weiterhin nicht auf Sitzstangen schla-
fen, nicht im Sand baden und sich nicht ungestört pfle-
gen, schütteln oder aufbäumen. Hier wird schöngeredet,
was die tierquälerische Käfighaltung in Wirklichkeit
ausmacht.
Zeigen Sie mir doch einmal ein Huhn, das auf der Fläche
eines Bierdeckels sein Sandbad nehmen kann!
Da als ein wichtiger Grund für die Käfighaltung die
Hygiene angeführt wird, sage ich Ihnen: Wir ignorieren
Hygieneprobleme nicht. Aber der Tierschutz darf nicht
den Kürzeren ziehen. Deshalb brauchen wir mehr For-
schung auf dem Gebiet der alternativen Landwirtschaft.
Das geht natürlich nicht, wenn Sie die nötigen Mittel in
diesem Bereich streichen, wie Sie es beim Institut für
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orum es wirklich geht, ist doch leicht zu durch-
chauen: Die Käfighaltung soll nicht nur beibehalten,
ondern wieder eingeführt werden.
ängere Übergangsfristen für Käfigbatterien sollen her,
anz im Sinne der EU-Richtlinie. Die Industrielobby
ird sich bei Ihnen bedanken.
ber ich sage noch einmal: Käfigbatterien, egal ob mit
der ohne Mobiliar, gehören abgeschafft.
Das hat der Bundestag vor fünf Jahren beschlossen.
ir waren daran beteiligt. Kaputtgemacht wurde diese
egelung auf Antrag einiger Bundesländer. Ab Januar
007 sollte ein Käfigverbot gelten. Wir unterstützen das.
azu haben wir einen eigenen Antrag eingebracht.
it Einführung der neuen Käfigsysteme ist dieser Fort-
chritt allerdings hinfällig.
Ich möchte kurz auf die Vorgeschichte eingehen. Das
undesverfassungsgericht hat die Käfighaltung zu Recht
chon im Jahr 1999 als nicht tiergerecht eingestuft.
eshalb wurde die Hennenhaltungsverordnung außer
raft gesetzt. Dazu haben wir damals im Rechtsaus-
chuss auch eine Anhörung durchgeführt.
Mein nächster Punkt. Da es auch um Wirtschaftspoli-
ik geht – manchen Parteien geht es vielleicht nicht so
ehr um den Tierschutz –,
omme ich nun auf den Import von Eiern zu sprechen.
äfigeier werden nicht nur millionenfach importiert, sie
erden auch millionenfach bei uns produziert.
Nun zum Thema Arbeitsplätze. In Deutschland wer-
en in 849 Betrieben fast 29 Millionen Hühner in Käfi-
en gehalten. Das sind drei Viertel des gesamten Hüh-
erbestands. Was bedeutet das für die Hühner und für die
ahl der Arbeitsplätze? Zunächst zu den Hühnern. Ich
iederhole es: Kannibalismus, Fettleber, schwere Fuß-
erletzungen und Knochenschwäche.
7424 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Eva Bulling-Schröter
Wir meinen, das ist nicht im Sinne des verfassungsmäßi-
gen Staatsziels Tierschutz.
Für den Arbeitsmarkt bedeutet dies, dass über den
Daumen gepeilt ein Beschäftigter auf 40 000 Hühner in
einer Legebatterie kommt.
Rechnen Sie selbst aus, um wie wenige Arbeitsplätze es
also bei knapp 29 Millionen Käfighühnern geht. Hinzu
kommt: Es gibt keine regionale oder Kreislaufwirtschaft.
Das Futter wird importiert. Die Ställe werden aus dem
Ausland geliefert, weil sie dort billiger hergestellt wer-
den können. Geschlachtet wird an einem anderen Ort.
Für die Vermarktung sind die großen Unternehmen zu-
ständig.
Bei tiergerechter Haltung sieht das schon besser
aus: Bioerzeugung führt wirklich zur Schaffung von Ar-
beitsplätzen. 29 Millionen glückliche Hühner bedeuten
4 800 glückliche Arbeitskräfte in den Hühnerbetrieben,
eine Kreislaufwirtschaft in der Nahrungsmittelproduk-
tion und eine Vermarktung unter Beachtung des Tier-
und Umweltschutzes.
Umfragen haben ergeben, dass 80 Prozent der Men-
schen das Ende der konventionellen Käfighaltung wol-
len.
Wir haben hierzu einen Antrag eingebracht, mit dem wir
noch einmal an Sie appellieren: Unterstützen Sie, was
die Mehrheit der Bevölkerung will! Wir fordern auch ein
Verbot der schöngeredeten Gruppenhaltung. Ohne Ver-
bot, denke ich, machen Sie sich unglaubwürdig. Wir sind
für Innovation und für die Schaffung von Arbeitsplätzen.
Artgerechte Legehennenhaltung sichert und schafft Ar-
beitsplätze.
Werden Eier aus Boden-, Freiland- und Biohaltung
angeboten, werden sie auch gekauft. Angebot und Nach-
frage, ganz einfach. Wenn die Leute Eier aus Boden-,
Freiland- und Biohaltung wollen, dann müssen die Tiere
auch so gehalten werden. Wir haben es geschafft, dass
seit 2004 auf den Verpackungen von Schaleneiern die
Haltungsform und der Erzeugercode stehen müssen.
Doch auch wer Eiprodukte kauft, hat das Recht, zu
erfahren, woher die Eier kommen. Den Konsumentinnen
und Konsumenten wird vorenthalten, woher die Eier in
Keksen, Nudeln, Kuchen usw. kommen. Ich meine, es
wird Zeit, das zu ändern. In der Schweiz ist so eine Aus-
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Tierschutz mit dem Einkaufskorb ist nur möglich,
enn sich der Verbraucher, wie es immer wieder ver-
prochen und gelobt wird, informieren kann. Mehr als
0 Prozent der konsumierten Eier stecken in verarbeite-
en Lebensmitteln – ein enormes Tierschutzpotenzial,
ine vertane Chance, wie wir meinen. Übrigens kommen
nzwischen besonders viele Eier aus alternativer Erzeu-
ung aus dem Ausland. 2005 stieg der Anteil der impor-
ierten Bioeier bzw. der importierten Eier aus Bodenhal-
ung sehr stark. Allerdings betrifft dies nur die
chaleneier. Aus diesem Grund unterstützen wir den An-
rag der Grünen.
Weil wir gerade bei Geflügel sind: Auf der Arche
oah sind auch Wildvögel. Wir fordern ein Verbot der
infuhr von Wildvögeln. Die EU ist der größte Absatz-
arkt: 8,8 Millionen Vögel wurden während der letzten
ehn Jahre in die EU importiert. Das sind weit mehr als
wei Drittel des Umfangs des weltweiten Wildvogelhan-
els. Bis vor kurzem wurden jährlich über 1,7 Millionen
ildvögel in die EU importiert. Deutschland war ein
ichtiges Abnehmerland. So paradox es klingt: Es war
ie Vogelgrippe, die hier zur Rettung beitrug. Weil
ranke Papageien in England daran starben, wurde die
infuhr letztes Jahr verboten. Bis zum Jahresende kön-
en so fast 4 Millionen Vögel gerettet werden. Denn mit
em legalen Handel geht auch der illegale Handel zu-
ück.
Unzählige Vögel fallen unter das Washingtoner Ar-
enschutzabkommen. Allein, der Handel mit geschützten
ieren ist vollkommen außer Kontrolle geraten: Für
rachtfinken, Gimpel, Stare gibt es keinerlei Handels-
ontrollen. Da wird gefangen und verkauft, was Flügel
at und womit man Geld machen kann. Nur
500 Vogelarten, die international gehandelt werden,
erden erfasst und unterliegen dem Washingtoner Ar-
enschutzabkommen. Gehandelt werden nachweisbar
ehr als 2 600 Vogelarten.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Dort, wo die
atur geplündert wird, bleibt das Geld nicht. In Deutsch-
and gibt es leider keinerlei Kontrolle der bzw. Statistik
ber die Wildvogelhaltung. Der Handel läuft hauptsäch-
ich über Zooläden, Inserate und, fatalerweise, immer
ehr über Tierbörsen. Ungefähr eine Dreiviertelmillion
iervögel, geschützte und ungeschützte, sind in diesem
ahr gehandelt worden. Ich meine, da muss dringend et-
as getan werden.
Was bewirkt der Import von Vögeln in die EU? Allein
n Mittel- und Südamerika wird ein Drittel der dort ge-
angenen Papageien illegal gefangen. Übrigens sind die
xportländer von Wildvögeln hauptsächlich Entwick-
ungsländer. Korruption und fehlende Infrastruktur ma-
hen eine Kontrolle von Zahl, Art und Versand der Wild-
ögel unmöglich. Aber wie wollen wir von Kontrolle
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7425
)
)
Eva Bulling-Schröter
reden, wenn sie auch bei uns oft nicht funktioniert? Hier
muss wirklich etwas getan werden.
Jetzt ist meine Redezeit fast zu Ende.
– Ich sehe, Sie sind furchtbar traurig. – Ich hätte noch
das Thema Stopfleber und einige andere Dinge. –
Aber da meine Redezeit dafür nicht mehr ausreicht – wir
können im nächsten Jahr darüber weiterdiskutieren –,
bleibt mir abschließend nur noch zu sagen: Lassen Sie
sich Keule und Leber in diesem Jahr schmecken, viel-
leicht sogar bei einem gemütlichen Picknick in der Kie-
ler Bucht. Dort werden zurzeit TNT und Munition ent-
sorgt. Die Wale leiden darunter. Ich denke, auch mit
diesem Thema sollten wir uns im nächsten Jahr sehr in-
tensiv beschäftigen.
Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Jahr, CDU/CSU-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im
Deutschen Bundestag diskutieren wir heute am letzten
Sitzungstag eines politisch anstrengenden Jahres in gro-
ßen Redeblöcken über verschiedene Anträge. Auch zum
Thema Tierschutz gibt es heute, wie man nur unschwer
erkennen kann, einen wirklich großen Redeblock. Ich
denke, das ist auch gut so.
Obwohl die heutigen Themen sehr breit gefächert zu
sein scheinen, zieht sich das Thema Tierschutz wie ein
roter Faden durch alle Anträge. Deshalb gestatten Sie
mir am Anfang, ein paar allgemein gültige Bemerkun-
gen zur politischen Einordnung des Tierschutzes in un-
serer entwickelten Gesellschaft zu machen. Ich hoffe
– das gilt insbesondere für Sie, meine Damen und Her-
ren von der Opposition –, dass ein paar meiner Schluss-
folgerungen und Leitlinien auch Ihre Zustimmung fin-
den werden.
Erstens. Tierschutz ist wichtig. Dieses Thema ist kein
Randthema mehr, sondern ist mittendrin in der Gesell-
schaft. Ich bedanke mich an dieser Stelle ausdrücklich
bei den Mitgliedern des Ausschusses für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz und bei der Bun-
desregierung für die engagierten Diskussionen zu dieser
Problematik. Sie wissen: Es gibt auch positive Beispiele;
ich erinnere nur an den so genannten Robbenantrag.
Zweitens. Tierschutz ist unteilbar. Tierschutz ist glo-
bal. Mit regionalen und nationalen Aktivitäten muss man
sich stets global behaupten. Punktueller Tierschutz
bringt wenig. Tierschutz findet in der Fläche statt.
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In diesem Sinne finde ich auch das Verhalten des Lan-
es Rheinland-Pfalz, eine Normenkontrollklage gegen
ie Legehennenverordnung einzureichen, sehr irritie-
end. Staatsmännisch formuliert könnte man sagen: Das
erhalten des Landes ist wenig hilfreich und nicht ziel-
ührend. Bei aller Sympathie für die Eigenständigkeit
er Länder – ich selber war zwölf Jahre lang Mitglied ei-
es Landesparlamentes – meine ich, sagen zu können:
as Verhalten von Rheinland-Pfalz ist unsolidarisch,
or allem gegenüber uns in der Regierungskoalition. Ich
ehe vor allem zur SPD: Wir haben lange diskutiert und
erungen.
Ich möchte den Landwirten an dieser Stelle zusichern:
ir stehen zu der beschlossenen Legehennenverordnung
hne Wenn und Aber.
ch fordere die Geflügelhalter auf, die gesetzlichen
rundlagen auszuschöpfen und in die Zukunft zu inves-
ieren. Jeder hat das Recht, zu klagen, aber niemand hat
as Recht, Arbeitsplätze zu vernichten.
Frau Höhn, ich nenne gleich einen Versöhnungsaspekt.
Drittens. Tierschutz ist nicht statisch. Tierschutz ist
mmer auf dem Weg. Das ist ein Trost für diejenigen, de-
en der Tierschutz noch nicht ausreicht, soll aber auch
enjenigen Mut machen, die vorangehen wollen.
7426 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Dr. Peter Jahr
In diesem Zusammenhang möchte ich auf das Thema
Schächten zu sprechen kommen.
Als Tierschutzbeauftragter der CDU/CSU-Bundestags-
fraktion möchte ich feststellen: Ich bin mit dem Urteil
des Bundesverwaltungsgerichtes hochgradig unzufrie-
den. Wir werden im Ausschuss noch darüber reden müs-
sen. Ich denke, was das Schächten betrifft, sind wir auf
dem Weg und noch nicht am Ziel angekommen.
Auch Führen will gelernt sein. Wer zu langsam geht,
wird überholt. Das gilt in jedem Politikbereich, also auch
für die Tierschutzpolitik. Michail Gorbatschow hat es
1989 auf den Punkt gebracht: „Wer zu spät kommt, den
bestraft das Leben“. Sehr richtig.
– Das ist richtig. – Es gilt aber auch: Wer zu früh kommt,
den bestraft das Leben auch. Anders formuliert: Führen
heißt nicht, voranzurennen. Wer zu weit vorneweg geht,
wird nicht mehr gesehen. Wer nicht mehr gesehen wird,
wird nicht mehr ernst genommen. Noch schlimmer: Wer
sich zu weit von der Truppe entfernt, merkt gar nicht,
wenn die Truppe abbiegt oder stehen bleibt.
Viertens. Beim Tierschutz soll das Tier und nicht der
Mensch im Mittelpunkt stehen. Immer wieder laufen
wir in den Debatten über den Tierschutz Gefahr, den
Tierschutz zu vermenschlichen. Es gilt eben nicht der
Satz: Wenn es dem Menschen gut geht, geht es auch dem
Tier gut. Beim Tierschutz muss dieses Prinzip umge-
kehrt werden. Es gab einmal einen schönen Werbe-
spruch, durch den das auf den Punkt gebracht wurde:
„Ist das Tier gesund, freut sich der Mensch.“ Wie kom-
pliziert sich der Sachverhalt darstellt, haben wir in der
Anhörung zur Haltung von Wildtieren im Zirkus ge-
merkt. Über die Frage, was eigentlich tierartengerecht
ist, wurde von den Experten sehr sach- und fachkundig,
aber auch sehr kontrovers diskutiert.
Fünftens. Der Verbraucher hat in der sozialen
Marktwirtschaft einen entscheidenden Einfluss auf den
Tierschutz, weil er für die Nachfrage sorgt.
Die meisten Dinge, die uns tierschutzpolitisch überhaupt
nicht gefallen, haben oft einen wirtschaftlichen Hinter-
grund. Beispiele dafür sind das grausame Töten von
Hunden und Katzen für die Pelzgewinnung, das Erschla-
gen von Robbenbabys und die Einfuhr von Wildvögeln.
Das heißt aber im Umkehrschluss: Wenn es keinen Ver-
braucher für diese Produkte gäbe, entfiele auch die
Nachfrage und damit auch das Tierschutzdefizit.
Es könnte so einfach sein, wenn wir auf Goethe hören
würden: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.“ Wir
haben in der Schule immer hinzugefügt: wenn er es denn
öfter tut.
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Der Nachsatz war von mir. Ich gestehe, dass das nicht
ehr von Goethe war.
Das sind für mich die fünf Zielkoordinaten der Tier-
chutzpolitik. Das Problem dabei ist: Um auf die aktuellen
erschutzpolitischen Herausforderungen angemessen rea-
ieren zu können, müssen alle fünf Zielkoordinaten be-
chtet werden. Es genügt also nicht, das Problem nur
wei- oder dreidimensional widerzuspiegeln, sondern es
üssen fünf Dimensionen erfasst werden. Das ist ja
chon fast höhere Mathematik.
Nun habe ich diese umfangreichen Vorbemerkungen
icht gemacht, um die Tierschutzpolitik in den Höhen
manche sagen auch: in den Tiefen – der komplizierten
heoretischen Mathematik zu etablieren. Meine Damen
nd Herren von der Opposition, ich wollte Ihnen erklä-
en, worin der Hauptmangel Ihrer Anträge besteht. Man
ann Ihnen aus tierschutzpolitischer Sicht nicht unter-
tellen, dass Sie bei Ihren Anträgen keinen rationalen
nfangsverdacht hatten. Der Hauptmangel besteht aber
arin, dass die Problematik durch Ihre Anträge nur im
in- oder zweidimensionalen Raum widergespiegelt
ird und sie damit für die Praxis völlig untauglich sind.
Ich war bei der höheren Mathematik, Herr Kollege,
nd ich muss mich nun langsam auf das Niveau des Tier-
chutzes zurückbewegen.
Nun zu den einzelnen Anträgen. Mit der Kennzeich-
ungspflicht für verarbeitete Eier hat sich meine Kol-
egin Klöckner umfangreich beschäftigt.
ls Tierschutzbeauftragter der CDU/CSU-Bundestags-
raktion erkenne ich das Recht des Verbrauchers auf eine
ngemessene Kennzeichnung der Produkte an, anderer-
eits muss auch ein Grundvertrauen dafür vorhanden
ein, dass alle Produkte, die man kauft, den gesetzlichen
ormen entsprechen. Mehr Information bedeutet nicht
utomatisch auch bessere Information.
Ich will nicht, dass jeder Verbraucher für jedes Pro-
ukt ein Beipackbuch bekommt, das schwerer als das
rodukt selbst und dazu noch in den 25 Sprachen der EU
bgefasst ist. Sächsisch habe ich vernachlässigt. Wenn
an Sächsisch auch noch erfassen würde, wären das
6 Sprachen. Nicht einmal auf einem Straußenei wäre
afür genügend Platz.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7427
)
)
Dr. Peter Jahr
Zweitens zu den Anträgen hinsichtlich der Legehen-
nenhaltung. Wenn ich bei den Dimensionen bleibe,
muss ich dazu sagen: Der Antrag der Grünen ist 2,5-di-
mensional und der Antrag der Linken ist eindimensional.
Deshalb lehnen wir sie schlicht und ergreifend ab.
Drittens zum Antrag „Tierschutzpolitik energisch
fortführen und weiterentwickeln“.
Wir sind der Auffassung, dass wir genau das tun. Wir
führen die Tierschutzpolitik im Rahmen der fünf Zielko-
ordinaten energisch und zielgerichtet fort. Der Antrag ist
überflüssig. Die Lösung aller wichtigen Probleme ist
entweder in aktueller Bearbeitung oder auf dem besten
Wege bzw. bereits gefunden. Ich verweise hier auf die
Beschlussempfehlung des zuständigen Ausschusses.
Viertens zum Antrag auf Verbot der Einfuhr von
Wildvögeln. Das Anliegen stößt bei mir auf ein gewis-
ses Verständnis, aber der Vorschlag ist vor allem recht-
lich unausgewogen. Auch hier muss man die globali-
sierte Welt berücksichtigen. Im Jahr 1997 wurden
aufgrund eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU-
Kommission gegen Deutschland nationale Einfuhrrege-
lungen für nicht europäische Wildvögel gestrichen. Es
gilt aber: Tierquälereien, die beim Fang, bei der Haltung
und beim Transport auftreten, müssen konsequent be-
kämpft werden.
Fünftens zum Antrag auf Verbot der Einfuhr von
Hunde- und Katzenfellen. Das Anliegen ist verständ-
lich. Handlungseinheit ist hier die Europäische Union.
Inzwischen ist es die erklärte Absicht der EU, ein Verbot
des Imports von Hunde- und Katzenfellen in die EU zu
beschließen. Lassen wir die Regierung arbeiten! Sie ar-
beitet gut. Ich habe volles Vertrauen, dass sie dieses Pro-
blem in der nächsten Zeit löst.
Gestatten Sie mir ein Schlusswort. Zum Jahresende
blicke ich auf ein Jahr als Tierschutzbeauftragter der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion zurück. Ich habe in mei-
ner tierpolitischen Jungfernrede im Februar 2006 – da-
mals noch unter Beifall von rechts und links; so steht es
im Protokoll – gesagt:
Die Größe einer Nation lässt sich daran messen,
wie sie ihre Tiere behandelt.
Dieses Zitat wird Gandhi zugeschrieben.
In der Advents- und Vorweihnachtszeit werden häufig
Geschenke verteilt. Tun wir das doch auch an dieser
Stelle! Ich erinnere an den interfraktionellen Antrag zu
den Robben.
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Ich danke der Präsidentin für ihre Toleranz.
Das Wort hat die Kollegin Undine Kurth, Bündnis 90/
ie Grünen.
Undine Kurth (BÜNDNIS 90/DIE
RÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine
ieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den
ängen! Wir reden hier über Tierschutz. In unserer Ge-
ellschaft gibt es ein sehr zwiespältiges Verhältnis zum
ier: Auf der einen Seite ist es von innigster Liebe, auf
er anderen Seite von brutaler Ausbeutung gekennzeich-
et.
Ich möchte nicht noch einmal auf das Thema Lege-
ennenhaltung eingehen. Eines möchte ich Ihnen, Frau
löckner, aber doch sagen: Auch ein so genanntes Nutz-
ier ist ein Mitgeschöpf.
an wird dem Thema Tierschutz in keiner Weise ge-
echt, wenn man es lächerlich macht.
Ich hatte den Eindruck, dass Sie es lächerlich machen.
Ich frage mich, ob Ihnen und uns allen in diesem Saal
ewusst ist, dass es beim Thema Tierschutz auch um
olitische Zuverlässigkeit bzw. um Politikverdrossen-
eit geht.
nders ausgedrückt: Wir müssen darüber reden, warum
eute leider so viele der politischen Klasse nicht mehr so
echt etwas Gutes zutrauen. Spätestens seit der Auf-
ahme des Staatszieles des ethischen Tierschutzes ins
rundgesetz wissen wir, für wie viele Menschen der
7428 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
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Undine Kurth
Tierschutz ein ganz wichtiges, emotionales Thema ist.
Im Jahr 2002, vor der Bundestagswahl, haben Sie alle
das akzeptiert und haben für die Aufnahme ins Grundge-
setz gestimmt.
Und was kommt nun? Wir müssen mit Fug und Recht
davon ausgehen, dass all diejenigen, denen wir mit die-
ser Entscheidung versprochen haben, etwas für den Tier-
schutz zu tun, nun von uns erwarten, dass in diesem Be-
reich etwas passiert.
Ein Gesetz hat, wenn wir nicht für seine Umsetzung sor-
gen, keinen Nutzen. Darüber hinaus – da werden Sie alle
sicherlich meiner Meinung sein – schadet es auch dem
Rechtsverständnis unserer Gesellschaft.
Man muss sagen: Das Markanteste, was im letzten
Jahr beim Thema Tierschutz in den Köpfen geblieben
ist, ist leider die Verlängerung der Käfighaltung durch
die Hintertür.
– Ich sage, das war das Markanteste. Ich möchte die Er-
folge, zum Beispiel bei den Robbenfellen – Bärbel Höhn
hat davon gesprochen –, nicht in Abrede stellen.
Ich freue mich über jeden einzelnen Fortschritt; denn
jede einzelne Verbesserung für jedes einzelne Tier ist
wichtig. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass
noch vieles dringend zu tun ist. Ihnen, Herr Minister,
und der Bundesregierung fehlt offensichtlich die Hand-
lungsbereitschaft. Diese Anmerkung ist nicht nur im
Hinblick auf Minister Seehofer, der immer als Erster an-
gesprochen wird, wichtig; das ist auch eine Frage für das
Justizministerium, für das Wirtschaftsministerium und
für das Innenministerium. Offensichtlich muss man noch
einmal darauf hinweisen, dass Tierschutz eine Quer-
schnittsaufgabe ist.
Damit komme ich zu unseren Anträgen. Das erste
Beispiel ist das Verbot der Einfuhr von Wildvögeln.
Der Inhalt dieses Antrags ist schon mehrfach zur Spra-
che gekommen. Dabei geht es zunächst um das große
Problem der Tierquälerei. Denn die 1,76 Millionen im-
portierten Vögel bedürfen eines Fangs von 3,5 Millionen
Tieren, weil die Hälfte der gefangenen Vögel schon im
Ursprungsland stirbt. Insofern ist das sowohl ein Tier-
schutzproblem als auch ein Artenschutzproblem. Auf die
Zusammenhänge mit der Vogelgrippe ist bereits hinge-
wiesen worden.
– Wir sind uns einig. Das freut uns auch. Ich hätte es fast
vergessen, Herr Goldmann: Ich wollte mich bei Ihnen
für Ihre sehr sachliche und argumentative Rede bedan-
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Trotzdem war die Koalition nicht in der Lage, diesen
ntrag zu befürworten. Wir sollten nicht mehr über das
ngagement der Bundesrepublik beim weltweiten Bio-
iversitätsschutz reden, wenn wir nicht einmal bei einer
o klaren Faktenlage imstande sind, zu handeln.
Das zweite Beispiel ist das Verbot der Einfuhr von
atzen- und Hundefellen. Es wäre zu wünschen, dass
ich die SPD als Tierschutzpartei profiliert und dem An-
rag zustimmt. Denn es gibt genug Belege dafür, wie
rutal die Bedingungen sind, unter denen die Tiere ge-
alten und getötet werden. Es gehören sehr gute Nerven
azu, sich diese Bilder anzusehen.
Wir haben nichts weniger gewollt, als dass die Bundes-
epublik dem Beispiel anderer Staaten folgt und ein Ver-
ot der Einfuhr von Hunde- und Katzenfellen und -häuten
rlässt. Wir wollten eine Kennzeichnungspflicht für ver-
rbeitete Pelze, damit die Verbraucher und Verbrauche-
innen die Chance haben, sich gegen solche Produkte zu
ntscheiden.
Im Mai dieses Jahres sind dem Parlamentarischen
taatssekretär Dr. Müller 130 000 Unterschriften für die-
es Anliegen übergeben worden. Es war aber wieder
ehlanzeige. Sie verkriechen sich hinter der Aussage,
ass eine EU-weite Regelung notwendig sei. Aber nach
er EU kommt dann noch die WTO und irgendwann
ind wir im intergalaktischen Raum.
ann sind wir bereit, hier in diesem Land zu handeln?
s muss doch möglich sein, dass wir definieren, was in
iesem Land für uns verbindlich gelten soll bzw. welche
ormen und Regelungen wir uns hier geben wollen.
Nehmen Sie die Wählerinnen und Wähler ein einzi-
es Mal so ernst wie die Vertreter der Landwirtschaft
nd der Wirtschaftslobby! Das wäre sehr hilfreich.
rauen Sie den Menschen in diesem Land Urteilsvermö-
en zu! Dann würde es Ihnen vielleicht auch leichter fal-
en, endlich das notwendige Verbandsklagerecht für
ierschutzverbände einzuführen.
Es bleibt sehr viel zu tun. Der Handlungsbedarf reicht
om Schächten bis zu Tierversuchen. Das wissen wir. Es
st bereits angesprochen worden. Der Sachverstand der
ierschutzverbände würde Ihnen sicherlich dabei helfen,
as Problem zu bewältigen. Dass sie sich bereits mit der
rage befasst haben, was im Rahmen der EU-Ratspräsi-
entschaft auf europäischer Ebene zu tun ist, geht aus ei-
em Memorandum hervor, das ich Ihnen, Herr Minister,
erne stellvertretend für andere Stellungnahmen der
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7429
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Undine Kurth
Tierschutzorganisationen übergeben möchte. Denn wir
haben einen großen Handlungsbedarf.
Danke schön.
Nächster Redner ist der Kollege Christoph Pries von
der SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Ich freue mich, dass ich als Umweltpoliti-
ker in der heutigen tierschutzpolitischen Debatte zum
Thema Artenschutz – genauer gesagt: zum Wildvogel-
schutz – sprechen darf. Wir debattieren heute unter ande-
rem über den Antrag der drei Oppositionsfraktionen, in
dem ein generelles Verbot des Imports von Wildvögeln
auf EU-Ebene gefordert wird.
Wir werden diesen Antrag ablehnen, obwohl ich der
Auffassung bin, dass die Meinungsunterschiede beim
Thema Wildvogelschutz insgesamt nur sehr gering sind.
Der beste Beleg für diese Behauptung ist, dass die FDP
und die Linke gemeinsam einen Antrag eingebracht ha-
ben. Das ist sonst eher die Ausnahme, Herr Goldmann.
Ein weiterer Beleg ist, dass die Grünen, die jetzt ein
EU-Verbot des Imports von Wildvögeln unterstützen,
erst nach dem Regierungswechsel 2005 ihre Meinung
zur Umsetzbarkeit eines solchen Vorhabens geändert ha-
ben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,
in der gesamten Zeit, als das Landwirtschafts- und das
Umweltministerium unter Ihrer Führung gestanden ha-
ben, ist von Ihnen keine Initiative für ein Verbot des Im-
ports von Wildvögeln ausgegangen. Ich verstehe Sie.
Denn trotz aller Einigkeit im Grundsatz stellt sich die
Umsetzung eines EU-weiten Importverbotes als äußerst
schwierig dar.
Worin besteht Übereinstimmung? Welche Probleme
gibt es? Wir alle wollen nicht, dass sich gefährliche
Krankheiten wie die Vogelgrippe über Wildvögelimporte
nach Europa ausbreiten. Wir alle wollen nicht, dass
Wildvögel auf dem Transport vom Ursprungsland nach
Europa qualvoll zugrunde gehen. Wir alle wollen auch
nicht, dass zahlreiche Vogelarten durch die unkontrol-
lierte Entnahme von Wildfängen in ihrem Bestand ge-
fährdet werden.
Das Problem ist die konkrete Umsetzung. Ich möchte
drei Aspekte ansprechen.
Erstens. Die Forderung nach einem generellen Ein-
fuhrverbot ist mit der Konvention über die biologische
Vielfalt nicht vereinbar. Die Grundsätze der Konvention
verwehren den Ursprungsländern den Verkauf von Wild-
tieren so lange nicht, wie dieser nachhaltig ist und sich
am Vorsorgeprinzip orientiert.
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edauerlich ist, dass die EU-Kommission dieses Verbot
llein auf seuchenrechtliche Grundlagen gestützt hat.
ls Umweltpolitiker hätte ich mir hier eine stärkere Be-
onung artenschutzrechtlicher und artenschutzpolitischer
spekte gewünscht.
Zweitens. Die nachgezüchteten Wildvögel dürfen nur
us zugelassenen Zuchtstationen in sicheren Drittländern
mportiert werden. Sichere Drittländer sind diejenigen
taaten, aus denen auch Geflügel und Eier in die EU ein-
eführt werden dürfen. Aktuell sind dies Australien,
euseeland, Teile von Brasilien, Chile, die USA, Ka-
ada, Israel, Kroatien und die Schweiz.
Drittens. Andere Länder können die Aufnahme in die
iste der zugelassenen Exportländer beantragen. Diese
änder müssen allerdings strenge Auflagen bezüglich
er Tiergesundheit, der Bauweise der Zuchtstationen,
er kontinuierlichen tierärztlichen Überwachung und der
okumentation erfüllen.
Viertens. Durch Fußringe oder die Implantierung von
ikrochips sowie eine entsprechende Dokumentation
7430 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
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Christoph Pries
wird in Zukunft eine individuelle Identifizierung der
Zuchtvögel gewährleistet. So soll sichergestellt werden,
dass zwischen Wildfängen und Nachzuchten unterschie-
den werden kann.
Ich bin mir durchaus bewusst, dass sich die Natur-
und Tierschutzverbände eine weiter gehende Regelung
gewünscht hätten. Dennoch bin ich der Auffassung, dass
eine europaweite Lösung, die mit internationalem Recht
vereinbar ist, einen ersten, aber wichtigen Fortschritt
beim Artenschutz, im Bereich des Tierschutzes und bei
der Bekämpfung der Vogelgrippe darstellt.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wün-
sche Ihnen ein frohes Fest. Herzlichen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Christel
Happach-Kasan, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Tiere sind Mitgeschöpfe. Sie sind keine Objekte. Wir
tragen Verantwortung insbesondere für die Tiere, die in
unserer Obhut sind. Aus diesem Grunde meine ich, dass
Tiere nicht auf den weihnachtlichen Gabentisch gehören.
Wir haben für sie Verantwortung und dürfen sie nicht
wie Sachen verschenken. Vielmehr müssen wir dafür
sorgen, dass es ihnen gut geht.
Auch aus diesem Grunde hatte sich die FDP – lange und
inzwischen erfolgreich – für die Aufnahme des Tier-
schutzes in die Verfassung eingesetzt.
Der Tierschutz ist unteilbar. Um jeden Quadratzenti-
meter mehr Platz für Hühner wurde hier gekämpft. Das
hat die bisherige Debatte hauptsächlich bestimmt. Aber
wie verhält es sich mit anderen Tieren? Zum Beispiel er-
laubt die EU-Ökoverordnung die Anbindehaltung von
Kühen bis 2010. Ist das eine tiergerechte Haltung von
intelligenten Tieren wie beispielsweise Rindern? Wurde
nicht im Jahre 2003 die Anbindehaltung insbesondere
von Pferden verboten? Warum nicht auch bei Rindern?
Warum, Frau Kollegin Bulling-Schröter, machen Sie
nicht auch einmal Tierschutz vor Ihrer Haustür? Das
Ganze ist insbesondere in Bayern ein Problem.
Der bayerische Minister Miller kämpft dafür, dass die
Anbindehaltung von Kühen beibehalten wird. Wir, Herr
Minister Seehofer, fordern Sie auf, dies nicht zuzulas-
sen; denn dies widerspricht dem Tierschutzgedanken.
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Wenn Sie eine Frage stellen wollen, Herr Kollege
erzog, dann tun Sie das. – Schnell wachsende Tierras-
en müssen entsprechend ihrem Nahrungsbedarf gefüt-
ert werden. Alles andere ist Tierquälerei. Ansonsten ha-
en wir Mortalitätsraten zwischen 30 und 50 Prozent,
as dem Tierschutz widerspricht.
Der Energiegehalt sowie der Gehalt an Aminosäuren
m Futter von Schweinen und Geflügel müssen bedarfs-
erecht sein. Deshalb ist es nicht entscheidend, ob Me-
hionin von gentechnisch veränderten Organismen
tammt, sondern es ist entscheidend, dass die Methionin-
ersorgung ausreichend ist; denn Tierschutz hat Priorität
nd nicht die Bekämpfung der Gentechnik.
Es ist völlig überzogen, wenn unter dem Deckmantel
es Umweltschutzes für bekannte und sichere chemische
toffe komplizierte Prüfverfahren mit aufwendigen
ierversuchen gefordert werden, ohne dass ernsthafte
isiken abgeklärt werden müssen. Tiere leiden, aber ein
ewinn an Sicherheit wird nicht erzielt. Tierversuche
ind nur dann gerechtfertigt, wenn es um die biologi-
chen Leistungen eines ganzen Organismus geht.
Impfen statt Töten ist ein Gebot des Tierschutzes. Im
uge der Bekämpfung der Vogelgrippe sind bis jetzt
00 Millionen Tiere getötet worden. In Südkorea waren
s in der vergangenen Woche 700 000 Tiere. Das erneute
uftreten dieses Virus erinnert daran, dass wir noch
ange mit der Vogelgrippe zu rechnen haben und dass die
ntwicklung eines Markerimpfstoffes vordringlich ist,
amit wir vorbeugend impfen können.
In Kassel-Witzenhausen wurde vor wenigen Monaten
as Fachgebiet „Biologisch-dynamische Landwirt-
chaft“ ins Leben gerufen. Kaum ist die vormalige FDP-
issenschaftsministerin Ruth Wagner nicht mehr im
mt, wird dort biologisch-dynamischer Schabernack ge-
rieben. „Erleuchtung durch die Gurke“ titelte der „Spie-
el“ seinen Bericht über den Fachbereich.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7431
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)
Dr. Christel Happach-Kasan
Mehr Tierschutz erreichen wir nur
durch seriöse Agrarforschung, aber nicht durch Vergra-
ben von Kuhhörnern zum Beispiel im Acker. Deswegen
fordere ich Sie auf, solchen Spuk zu beenden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die letzte
Debatte über den Tierschutz vor Weihnachten. Ich wün-
sche Ihnen frohe Festtage.
Vielen Dank.
Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Hans-Heinrich
Jordan, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei einem
Gespräch fragte mich vorhin ein Kollege etwas blauäu-
gig: Warum wird diese Diskussion heute und nicht zu
Ostern geführt?
Ich muss ehrlich sagen: Nach dem, was ich von Frau
Höhn gehört habe, hätte ich mir diese Debatte auch lie-
ber zu Ostern gewünscht; denn dann hätte Frau Höhn
bereits gewusst, dass wir zum 1. Januar 2007 einige Ver-
änderungen im Bereich der Batteriekäfighaltung vorge-
nommen haben und dass bereits einiges auf dem Weg ist.
Frau Höhn, es verbindet uns ja aber einiges mehr als das
von mir eben Dargestellte.
Die heute anstehenden Vorlagen sind ein Ergebnis ei-
ner langwierigen politischen Diskussion, die von ideolo-
gischen Vorurteilen, wissenschaftlichen Erkenntnissen
und vielen anderen Einsichten und Standpunkten geprägt
ist. Da kommen wir vielleicht zu dem, was uns eint,
nämlich das Geschöpf in der Schöpfung zu ehren. Das in
Art. 20 a des Grundgesetzes festgelegte Staatsziel ist
unsere gemeinsame Richtschnur, Frau Höhn. Unsere Ge-
sellschaft steht in der Verantwortung, die Vielfalt in un-
serer Flora und Fauna zu schützen und zu erhalten.
Dabei geht es nicht zuletzt darum, dass der Tierschutz
seine Voraussetzungen in der Gesundheit und in dem
Wohlbefinden unserer Tiere finden muss.
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ies gilt nicht nur für den Menschen, sondern vor allem
uch für die von uns gehaltenen Tiere. Deshalb ist die im
rühjahr beschlossene Rechtsnorm zur Legehennenhal-
ung in Kleingruppen ein wesentlicher Fortschritt im
ergleich zur Käfighaltung. Unsere deutsche Norm liegt
ei weitem über dem Standard der EU-Mindestanforde-
ungen.
Tierschutz im Rahmen der Nutztierhaltung ist ab Ja-
uar 2007 ein wesentlicher Maßstab für die Gewährung
on Beihilfen an landwirtschaftliche Betriebe. Sie ist
egenstand von Cross-Compliance-Kontrollen. Tierge-
undheit ist die ausschlaggebende Größe für Leistungen
on Tierbeständen und fordert als Maßstab eine artge-
echte und durch Wissenschaft begründete Haltung. Dies
arf und kann kein Tummelplatz von Ideologie und Ver-
lärung sein.
Mit der ab Januar 2007 gültigen Rechtsnorm zur Le-
ehennenhaltung hat der Gesetzgeber Voraussetzungen
eschaffen, dass durch die Sicherung der Wettbewerbs-
ähigkeit mehr als 40 000 Arbeitsplätze bestandssicherer
erden. Die Übergangsfrist von zwei Jahren, die die
mrüstung bestehender Anlagen ermöglicht, bietet die
hance, dem hohen Wettbewerbsdruck durch ausländi-
che, günstiger gestellte Anbieter auf dem europäischen
arkt standzuhalten. Wir wollen nicht durch neue For-
erungen Gefahren für Standorte heraufbeschwören. Es
ann nicht rechtens sein, nach planwirtschaftlichen
aßstäben Betriebsformen, Betriebsgrößen oder gar Ar-
eitsplatzzahlen gesetzlich zu normieren. Wir haben
ielfalt nicht nur in der Natur zu fördern, sondern auch
n der Volkswirtschaft und in der Gesellschaft. Derartige
orgaben sind nicht frei von Ideologie und ziehen unver-
ntwortliche Bürokratie nach sich.
Aus den Erfahrungen des letzten Winters mit der Vo-
elgrippe wird deutlich, dass ein sehr unterschiedliches
efahrenpotenzial in den verschiedenen Haltungsfor-
en steckt. Unbestritten ist derzeit, dass auch deutlich
egative Aspekte bei der Freiland- und Bodenhaltung
uftreten.
n Form von Kannibalismus und durch höheren Infek-
ionsdruck werden sie von Wissenschaft und Praxis
achgewiesen, zuletzt von der Hochschule für tierärztli-
he Wissenschaften in Hannover.
Der mühsam errungene Kompromiss bei der Klein-
oliere ist eine Alternative zur Tierhaltung in Großbe-
tänden von bis zu 6 000 Stück in einer Gruppe bei der
reiland- und Bodenhaltung.
leine Gruppen von bis zu 30 oder 60 Stück in Volieren
ind gesundheitlich wesentlich weniger belastet. Das be-
eutet geringeren Einsatz von Pharmaka und eine höhere
eistung.
7432 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Das viel gelobte System der Schweiz zeigt, dass dort
nur 50 Prozent des Eigenverbrauchs hochsubventioniert
produziert werden und der Rest aus sonstiger Haltung
aus dem Ausland kommt.
Schweden war eines der ersten Länder mit Käfighal-
tungsverbot und machte nun eine Kehrtwendung von
180 Grad auf die EU-Norm zu.
Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht: Die Klein-
gruppe ist aus tierphysiologischer und tierpsychischer
Sicht weniger stressbelastet.
Aus den genannten Gründen halte ich es für Wettbe-
werbsverzerrung und irreführend, Eier und Eiprodukte
aufgrund der Haltungsform qualitativ zu differenzieren.
Sie mögen schmunzeln: Ei ist Ei, ohne wissenschaftlich
begründbaren herkunftsbezogenen Unterschied
– das ist vielleicht aus Ihrer Sicht so – in der biologi-
schen Zusammensetzung und ernährungsphysiologi-
schen Qualität.
Wir stehen unzweideutig zum Verbraucherschutz. Das
beinhaltet auch den Schutz vor Manipulation und Irre-
führung.
Gesunde Tiere bringen gesunde Produkte und Tiere mit
Wohlbefinden bringen hohe Leistung; Sie wissen das,
Herr Goldmann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Not-
wendigkeit des Kampfes gegen Bürokratie sind wir uns
alle einig. Ich kann mir praktisch nicht vorstellen, wie
bis zum letzten Produkt ein Nachweis der Haltungsform
machbar sein soll.
Dies geht nur mit einem Höchstmaß an Belastung für
den Erzeuger und für den Verbraucher. Deshalb kann
man der Vorlage der Grünen zur Kennzeichnung von Ei-
produkten keinesfalls zustimmen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, zum wiederholten
Mal hat die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen ei-
nen Gesetzesantrag zum Einfuhrverbot von Katzen-
und Hundefellen in den Deutschen Bundestag einge-
bracht. Es ist völlig unstrittig, dass in dieser Angelegen-
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Das ist doch positiv. – Dieses Vorgehen ist effizient
nd richtig. Schon jetzt zeigen die Unterschiede – das ist
as, was uns unterscheidet, Herr Goldmann – in den ein-
elstaatlichen Verboten eine Störung des europäischen
innenmarktes. Mit einem einheitlichen EU-Verbot der
ermarktung und des Handels mit Katzen- und Hunde-
ellen werden wir eine eindeutige Rechtslage und glei-
he Bedingungen in der Gemeinschaft schaffen sowie
nnötige Hindernisse im Binnenmarkt beseitigen.
Da wir einmal dabei sind, Herr Goldmann, noch ein
ort an die Adresse der FDP, die den Antrag der Grünen
a unterstützt. Sie pflegen das Bild, Weltmeister im
ürokratieabbau zu sein. Wie oft wurde uns hier vor-
eworfen, wir würden mit der Umsetzung von EU-
ichtlinien die Bürokratie noch weiter aufblühen lassen.
in von Ihnen gefordertes bzw. unterstütztes nationales
esetz zum Einfuhrverbot von Katzen- und Hundefel-
en, welches in naher Zukunft ein Gesetz der EU nur
ubstituieren würde, bedeutet ein Vielfaches mehr an
ürokratie.
ie CDU/CSU-Fraktion ist angesichts der breiten Über-
instimmung über alle Parteigrenzen hinweg sehr zuver-
ichtlich, dass das Europäische Parlament und der Rat
em entsprechenden Verordnungsentwurf zügig zustim-
en werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, auch unter Würdi-
ung der Aspekte des Tierschutzes stimmen wir völlig
berein, dass die Einfuhr von Wildvögeln aus Nicht-
U-Staaten uns zum Handeln zwingt. Die Gefahren der
inschleppung –
Herr Kollege, schauen Sie bitte einmal auf die Uhr!
– ja, ein paar Sekunden noch – von Wildtierkrankhei-
en stellen uns vor die Aufgabe, Maßnahmen einzuleiten.
ir sind sehr gut beraten, wenn wir auch hier den EU-
orgaben und -Richtlinien folgen und die Initiative und
as gemeinsame Vorgehen seitens der EU unterstützen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7433
)
)
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Als Letztes wünsche ich Ihnen alles Gute für Weih-
nachten, ein gesundes neues Jahr und gute Zusammenar-
beit im Jahr 2007.
Herzlichen Dank.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Dr. Wilhelm Priesmeier, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute wird
wieder deutlich: Tierschutz verbindet mehr, als er trennt.
Unserer ethischen Verantwortung sind wir uns alle be-
wusst. Das Ziel, das wir erreichen wollen, haben alle in
diesem Hause fest im Blick; nur der Weg dorthin ist strit-
tig. Es ist aber gut, dass man sich in einem Parlament
über den Weg streitet; denn ein Streit bewirkt in der Re-
gel einen vernünftigen Kompromiss.
Unter diesem Aspekt sehe ich auch die Regelungen
im Bereich der Hennenhaltung. Wir haben unendlich
lange gestritten. Eigentlich hätten wir schon viel früher
einen Kompromiss erreichen können. Natürlich gibt es
auch Stimmen, die von einem Rückschritt sprechen.
Aber ich glaube, mit unseren Regelungen liegt Deutsch-
land immer noch erheblich über dem EU-Standard. An-
gesichts anderer Produktionsbedingungen – Stichwort
„Verbraucherschutz“ – ist die Herstellung von Eiproduk-
ten bei uns weiterhin gesichert.
Dass die Versorgung deutscher Haushalte mit Eiern
von Hennen aus Bodenhaltung oder aus Freilandhaltung
gewährleistet ist, ist aufgrund der gegenwärtigen Ent-
wicklung unstrittig. Angesichts der jetzigen Vorgaben
kann man davon ausgehen, dass für die etwa 30 Prozent
der Hennen, die jetzt noch in den alten Käfigsystemen
gehalten werden, das ab 1. Januar 2007 nicht mehr der
Fall sein wird, weil diese Systeme ab diesem Zeitpunkt
verboten sind. Wir werden uns relativ schnell dem Ziel
nähern, 50 Prozent der Hennen in Bodenhaltung zu ha-
ben.
Wenn wir uns die Entwicklung in diesem Bereich an-
schauen, dann erkennen wir, dass von 1990 bis 2005 der
Hennenbestand in Deutschland von 53 Millionen auf
36 Millionen gesunken ist. Das hat natürlich Gründe.
Der Selbstversorgungsgrad hat sich in allen Bereichen
der Produktion von fast 100 Prozent auf 70 Prozent ver-
ringert.
– Frau Höfken, Sie können gerne eine Zwischenfrage
stellen. Aber ich möchte Sie bitten, ansonsten nicht da-
zwischenzureden.
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Bei uns ist das auch ein Problem. – Aus dem Grunde
ilt es, die Bedingungen der Tierhaltung in allen Hal-
ungssystemen im Hinblick auf die Gesundheit der Tiere
u harmonisieren und die entsprechende Forschung vo-
anzutreiben.
Vom Bundesrat wurde ein Maßgabeschluss formu-
iert; er wird von der Koalition unterstützt. Man kann
interher zustimmen oder ablehnen. Dieser Beschluss
esagt, dass gerade die Forschung in diesem Bereich
erstärkt werden muss. Das konnten wir zur Zeit der rot-
rünen Regierung nicht umsetzen.
Man kann jetzt einen Grundsatzstreit führen. Ich habe
azu an gleicher Stelle schon eine Bemerkung gemacht.
as Problem der einen Haltungsform ist die einge-
chränkte Bewegungsfähigkeit durch die Drahtkäfige.
as Problem der anderen Haltungsform heißt Kopropha-
ie, das bedeutet, dass Hühner ihre Ausscheidungen
ressen. Damit gibt es in bestimmten Haltungsformen
uch ganz spezifische Risiken und Erkrankungen. Daher
st je nach Haltungssystem der Einsatz bestimmter Medi-
amente notwendig. Im Bereich der Boden- und Frei-
andhaltung brauchen wir daneben ein extrem gutes Her-
enmanagement.
Wenn man als einziges Kriterium für Tierschutz die
ortalität heranzieht, dann muss man Folgendes be-
chten: In den jetzigen Haltungssystemen und unter kon-
rollierten Bedingungen liegt die Mortalität bei 2 Pro-
ent, in den konventionellen Systemen zwischen 6 und
Prozent. Bei der Boden- und Freilandhaltung kann sie
m Regelfall zwischen 12 und 18 Prozent betragen.
Betragen kann und es auch tut. Schauen Sie sich die
erlustzahlen an! Sie sind abhängig von der Größe und
em Management.
Wenn wir demnächst nur noch Hühner in Freilandhal-
ung in Größenordnungen von bis zu 5 000 Hennen pro-
uzieren wollen, soll das in Ordnung sein. Rechnen Sie
ich einmal die Zahl der Betriebe aus, die wir brauchen,
m unter optimalen Managementbedingungen zu produ-
ieren. Das wäre wünschenswert, ist aber nicht real.
Das System der Freilandhaltung oder auch der Bo-
enhaltung bedingt natürlich einen erheblichen tier-
chutzrelevanten Eingriff an dem jeweiligen Huhn. Das
eißt, ich muss dem Huhn einen Tastsinn rauben. Dieser
st im Oberschnabel und im Unterschnabel beheimatet.
amit kann das Huhn Partikel in der Größenordnung
7434 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Dr. Wilhelm Priesmeier
von 0,2 Millimeter sortieren. Das kann es, wenn ich sei-
nen Schnabel gekürzt habe, nicht mehr. Dieses Schna-
belkürzen ist in dem System, so wie es jetzt ausgestalte-
tet ist, nachweislich nicht notwendig. Das heißt, dass
unter diesen Voraussetzungen eine Abwägung vorzuneh-
men ist, was tierschutzgerechter ist und in welcher Hal-
tung Tiere in ihrer Empfindung besonders beeinträchtigt
werden. Ob die Möglichkeit des Flatterns gegeben sein
muss oder nicht, darüber streitet sich die Wissenschaft
natürlich weiterhin.
Wer sich zum Beispiel die Umweltbelastungen ver-
schiedener Produktionsformen anschaut, erkennt ganz
klar, dass es erhebliche Unterschiede gibt. Das hat natür-
lich mit Genehmigungsprozeduren und -verfahren und
auch damit zu tun, dass man nicht einfach von der Käfig-
haltung auf die Bodenhaltung umstellen kann. Wer das
versucht, hat aufgrund emissionsschutzrechtlicher Be-
stimmungen unter Umständen das große Problem, in ei-
nem angemessenen Zeitraum eine Genehmigung dafür
zu bekommen. Das ist unbestritten so. Dies ist und war
in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen so. Dies
gilt auch für andere Bundesländer.
Aus diesem Grunde sollte man eine sorgfältige Abwä-
gung vornehmen. Ich glaube, dass das in Form des ge-
genwärtigen Kompromisses auch passiert ist.
Vergleichen wir einmal die Flächenvorgaben. Beim
alten System ist pro Henne quasi eine Fläche eines DIN-
A4-Blattes vorgesehen. Dieses System ist ab 2007 nur
noch aufgrund einer Übergangsregelung und mit der de-
finitiven Erklärung darüber zu betreiben, was ich als
Hühnerhalter bis 2008 tun will. Wenn ich dies nicht tue,
muss ich die Hühnerhaltung aufgeben. Das ist zwingend;
daran führt kein Weg vorbei. Im Hinblick auf die nor-
male Bodenhaltung, bei der circa 800 Quadratzentimeter
pro Huhn und pro Quadratmeter neun Hennen festgelegt
worden sind, kann sich jeder Folgendes ausrechnen: Das
sind pro Huhn etwa 1 100 Quadratzentimeter. Wenn ich
dann im Rahmen von Bodenhaltungssystemen Etagen-
systeme habe, liege ich bei 18 Hennen pro Quadratmeter
pro Huhn bei einer Fläche von 555 Quadratzentimetern.
Vergleicht man das mit dem alten System, sieht man,
dass die Differenz nicht mehr allzu groß ist.
Herr Kollege, die vorhin von Ihnen erwähnte Kolle-
gin Höfken würde jetzt gerne eine Zwischenfrage stel-
len.
Gerne. Ich freue mich schon.
Ich weiß, dass alle nach Hause wollen. – Nachdem
ich mir das alles angehört habe, möchte ich trotzdem
feststellen: Ich habe ein Plädoyer dafür gehört, dass
möglichst alles so bleibt, wie es einmal unter der Käfig-
haltung war. Ich will Ihnen folgende Frage stellen: Sind
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ch hoffe, dass wir diese Ergebnisse nach Europa tragen
önnen; denn ich halte das für ein System, das sich euro-
aweit gut etablieren ließe.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7435
)
)
Dr. Wilhelm Priesmeier
Zum dritten Punkt. Sie liegen mit Ihrer Vermutung
falsch. Ich glaube, dass es uns gelingen wird, die Sys-
teme nicht als Gegensätze zu diskutieren. Wir müssen
die wissenschaftliche Erkenntnis berücksichtigen und
dürfen nicht emotional, aus dem Bauch heraus, diskutie-
ren. Wir müssen Systeme auf der Basis von Indikatoren
– was ist tierschutzgerecht und was ist weniger tier-
schutzgerecht? – entwickeln. Wir müssen dafür sorgen,
dass in Zukunft nur noch tierschutzgerechte Systeme zu-
gelassen werden. Das ist Konsens und entspricht der
Ausrichtung des Maßgabebeschlusses; denn ab 2010
wird es – das ist hervorragend – einen Tierschutz-TÜV
geben, ab 2012 wird es nur noch zugelassene Haltungs-
systeme geben und ab 2020 überhaupt kein System
mehr, das nicht zugelassen ist. Das ist ein Erfolg, mit
dem wir in der EU an der Spitze stehen. Das werden Sie,
Frau Kollegin, doch wohl nicht bezweifeln, oder?
Ich fahre mit meiner Rede fort, auch wenn der ICE
des Kollegen Goldmann um 13.13 Uhr abfährt. Das tut
mir Leid.
– Sie werden den Weihnachtsmann nicht verpassen, Herr
Kollege Goldmann, da bin ich mir ganz sicher.
Es gäbe sicherlich noch einiges zu bemerken, zum
Beispiel zu dem Normenkontrollverfahren, das von
Rheinland-Pfalz angestrebt wird. Das ist ein abstraktes
Verfahren. Es bezieht sich nicht auf die Verankerung des
Tierschutzes als Staatsziel im Grundgesetz; in ihm wer-
den zunächst Verfahrensmängel gerügt und es bezieht
sich inhaltlich auf § 2 des Tierschutzgesetzes, der schon
Grundlage des Urteils zur Hennenhaltung war. Das ist zu
prüfen. Es ist jeder Landesregierung vorbehalten, ein
verfassungsrechtlich garantiertes Recht in Anspruch zu
nehmen. Aus Respekt vor unserem Grundgesetz übe ich
daran auch keine Kritik. Über den Zeitpunkt kann man
zwar streiten, das lasse ich jetzt aber einmal dahinge-
stellt.
In Rheinland-Pfalz werden immerhin 613 000 Hühner
gehalten; sprich: 1,7 Prozent aller Hühner in Deutsch-
land. 70 Prozent davon werden in Käfigen gehalten. An-
gesichts dessen ist sicherlich noch einiges zu tun.
Wichtig ist mir vor allen Dingen Folgendes. Ich
möchte Sie bitten, ein bisschen aufmerksam zu sein. Viele
von Ihnen werden im Zusammenhang mit dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts zum Schächten von hoch
motivierten Bürgerinnen und Bürgern E-Mails erhalten ha-
ben. Sie werden aber auch einige E-Mails erhalten haben
– sie stehen im Zusammenhang mit einer Kampagne –, die
ganz klar einen antisemitischen oder antiislamischen
Hintergrund haben. Davon sollten wir uns hier ganz klar
und deutlich distanzieren.
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Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/3703 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.
Tagesordnungspunkt 22 b. Wir kommen zur Be-
chlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung,
andwirtschaft und Verbraucherschutz auf Drucksache
6/1463. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Be-
chlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak-
ion Die Linke auf Drucksache 16/1128 mit dem Titel
Arbeitsplätze durch artgerechte Legehennenhaltung in
eutschland sichern – Verbot der Käfighaltung ab 2007
urchsetzen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
ung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Be-
chlussempfehlung ist mit den Stimmen der Fraktionen
7436 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
der SPD, CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der Grü-
nen und Gegenstimmen der Linken angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion
des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/839
mit dem Titel „Verbot der Käfighaltung für Legehennen
ab 2007 beibehalten“. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Die Beschlussempfehlung ist ebenfalls mit den Stimmen
von SPD, CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen von
Bündnis 90/Die Grünen und bei Enthaltung der Fraktion
Die Linke angenommen.
Tagesordnungspunkt 22 c. Beschlussempfehlung des
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz auf Drucksache 16/1464 zu dem Antrag der
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache
16/550 mit dem Titel „Tierschutzpolitik energisch fort-
führen und weiterentwickeln“. Der Ausschuss empfiehlt
in seiner Beschlussempfehlung, in Kenntnis des Tier-
schutzberichtes 2005 auf Drucksache 15/5405, den An-
trag abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die
Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD,
CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen der Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke
angenommen.
Tagesordnungspunkt 22 d. Der Ausschuss für Ernäh-
rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt
in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/2849
die Ablehnung des Antrags der Fraktionen der FDP, Die
Linke und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Druck-
sache 16/1502 mit dem Titel „Verbot der Einfuhr von
Wildvögeln“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Be-
schlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition
bei Gegenstimmen der Opposition angenommen.
Tagesordnungspunkt 22 e. In seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 16/3079 empfiehlt der Aus-
schuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
schutz die Ablehnung des Antrags der Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/841 mit
dem Titel „Einfuhrverbot für Katzen- und Hundefelle“.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-
fehlung ist ebenfalls mit den Stimmen der Koalition bei
Gegenstimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:
– Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deut-
scher Streitkräfte zur Unterstützung der
Überwachungsmission AMIS der Afrikani-
schen Union in der Region Darfur/Sudan
auf Grundlage der Resolutionen 1556
und 1564 des Sicherheitsrates der Ver-
einten Nationen vom 30. Juli 2004 und 18. Sep-
tember 2004
– Drucksachen 16/3652, 16/3845 –
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Diese jetzt zur Entscheidung anstehende Unterstüt-
zung der AU-Mission dürfte wohl kaum in der Kritik
stehen. Sie ist die konsequente Fortsetzung des Einsatzes
unter den gleichen völkerrechtlichen Bedingungen wie
bisher. Der Einsatz von bis zu 200 Soldaten wird für ei-
nen Zeitraum von sechs Monaten 800 000 Euro kosten.
Wenn dieser bescheidene Beitrag dazu führt, dass der
Auftrag der AU-Soldaten auch im Hinblick auf humani-
täre Hilfsleistungen erfüllt werden kann, dann hat er sich
gelohnt. Dass wir uns insgesamt eine in Wirkung und
Ausrüstung verbesserte AU-Mission wünschen, steht da-
bei außer Frage. Ziel ist und bleibt es, den Friedenspro-
zess im Sudan zu fördern.
Das Darfur Peace Agreement und die AU-Mission
sind wichtige Bestandteile dieses Prozesses. Deshalb
stimmt meine Fraktion dem vorliegenden Antrag zu. Die
AU-Mission braucht unsere Unterstützung.
Im Kongo war es uns möglich, trotz aller Risiken da-
bei zu helfen, den Start in eine hoffnungsvollere Zukunft
zu wagen. Wir hoffen, dass dies auch im Sudan gelingt.
Es bedarf allerdings enormer Kraftanstrengungen aller
Interessengruppen, um für die Konfliktherde in den un-
terschiedlichen Regionen tragfähige Lösungen zu erzie-
len.
In der letzten Woche hatte ich im Sudan die Gelegen-
heit, mit Vertretern aus Darfur und Khartoum zu spre-
chen. Alle meine Gesprächspartner drückten ihre Hoff-
nung aus, dass sich auch jene wieder am Dialog
beteiligen, die dem Darfur Peace Agreement bislang
nicht zugestimmt haben.
Deutschland genießt im Sudan einen guten Ruf. Es
wäre zu überlegen, ob die Bundesregierung im Rahmen
der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands eine entspre-
chende Initiative startet. Wir brauchen mehr diploma-
tische Initiativen, um den Friedensprozess im Sudan zu
fördern. Viele Zahnräder müssen ineinander greifen, da-
mit sich im Sudan stabile Verhältnisse entwickeln kön-
nen. Die AU-Mission ist eines davon. Deshalb sollte der
Antrag der Bundesregierung von einer großen Mehrheit
dieses Hauses getragen werden.
Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Marina Schuster,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gleich vorweg: Meine Fraktion wird dem vorliegenden
Antrag der Bundesregierung zustimmen.
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Aber wie bringen wir die Verhandlungspartner wieder
n einen Tisch? Wie will die Bundesregierung hier im
ahmen ihrer Doppelpräsidentschaft tätig werden?
taatsminister Erler hat gestern im Auswärtigen Aus-
chuss einen kenntnisreichen Bericht zur Lage in Darfur
bgegeben. Aber im Kern lief dieser Bericht darauf hi-
aus, dass Deutschland weder direkt auf Khartoum noch
uf die Rebellengruppen entscheidenden direkten Ein-
luss ausüben kann. Aber was tut die Bundesregierung
ann?
Die kritische Frage, die Herr Erler nicht beantwortet
at, ist: Wie nehmen wir China in die Verantwortung?
enn China hat einen beachtlichen Einfluss auf Khar-
oum. Bei meinem Besuch im Außenministerium in
7438 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Marina Schuster
Khartoum sagte man mir: „China is our friend for deca-
des.“ Das ist für uns nicht neu: China deckt 9 Prozent
seiner Ölimporte aus dem Sudan. China ist der größte In-
vestor und versorgt die sudanesische Regierung mit De-
visen, Personal, Krediten – und wohl auch direkt mit
Waffen. Ich erwarte daher, dass die Bundesregierung in
der Darfurfrage auf China direkt Einfluss nimmt.
Welchen Einfluss möchte Deutschland nehmen, wenn
es darum geht, Druck auf die Konfliktparteien auszu-
üben? Herr Jung, ich möchte wissen: Unterstützt die
Bundesregierung den Vorschlag, eine Flugverbotszone
einzurichten, um zu unterbinden, dass sudanesische
Antonows die eigenen Dörfer unter Feuer nehmen? Oder
sollte ich besser fragen, wer in der Bundesregierung die-
sen Vorschlag unterstützt.
Erleben wir in dieser Frage erneut, wie bereits in der
Vergangenheit, komplett verschiedene Meinungen? Im
„Morgenmagazin“ vom 28. November sagte der Vertei-
digungsminister, dass sich deutsche Truppen einer Ver-
antwortung nicht entziehen werden.
Der Außenminister wurde in der „Frankfurter Rund-
schau“ am gleichen Tag wie folgt zitiert:
Die Entsendung europäischer Kampftruppen in den
Darfur sehe ich jedoch nicht: Dass nur sie das errei-
chen können, was afrikanische Truppen bislang
nicht geschafft haben, ist eine gefährliche und, wie
ich finde, auch arrogante Illusion.
Ich frage angesichts dieser Statements: Was ist Ihre
Strategie? Einigkeit herrscht bei Ihnen nicht. Leider
herrscht auch international keine Einigkeit. Wenn wir
heute mit Nachdruck ein entschlossenes Handeln der in-
ternationalen Gemeinschaft fordern, dann weil hier noch
nicht alles getan wurde, gerade politisch. Wir wissen na-
türlich, dass es unter den P5 im Sicherheitsrat in den ent-
scheidenden Fragen auch keinen Interessenausgleich
gibt. Doch die unermessliche Katastrophe in Darfur ver-
pflichtet uns alle an einem Strang zu ziehen, die wir uns
auf die Achtung der Menschenwürde und das friedliche
Zusammenleben der Völker verständigt haben.
Erlauben Sie mir am Ende zwei grundsätzliche Be-
merkungen, die die langfristige Strategie betreffen. Ich
begrüße ausgesprochen, dass die Kanzlerin Afrika auf
die Agenda unserer G-8-Präsidentschaft gesetzt hat.
Doch wie passt das zur Ausstattung unserer Botschaften
in Afrika? Wie sollen unsere Botschaftsangehörigen die
Arbeit vor Ort leisten bei einer Personalausstattung, die
von den chinesischen Botschaften um ein Vielfaches
übertroffen wird?
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och eine solche Entscheidung steht jetzt nicht an.
er Punkt ist einfach der: Wir wollen nicht nacheifern
it einer Militärangebotspolitik. Wenn ein Antrag für
in entsprechendes Mandat vorliegt, werden wir weiter-
ehen. Im Moment geht es aber darum, das AMIS-Man-
at um ein halbes Jahr zu verlängern. Ob wir uns das
ünschen oder nicht, dieser Antrag liegt heute vor.
Ich komme zur letzten grundsätzlichen Bemerkung.
elche Pläne hat die Bundesregierung für die langfris-
ige Zusammenarbeit mit der AU beim direkten Aufbau
er Strukturen in Addis? Ich meine, wir können im Be-
eich der Ausbildung und auch durch Know-how-Trans-
er beim Aufbau der Strukturen vor Ort wichtige Arbeit
eisten. Die langfristige, über AMIS hinausgehende Per-
pektive liegt mir besonders am Herzen. Denn eine stra-
egische und konzertierte Afrikapolitik, die endlich AA,
MZ, BMVg und auch das BMWi stringent umfasst,
ehlt bis heute – und diese sollte die Kanzlerin nicht
errn Jung überlassen.
Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung,
r. Franz Josef Jung.
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi-
ung:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir bitten Sie
eute um die Verlängerung des Einsatzes bewaffneter
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7439
)
)
Bundesminister Dr. Franz Josef Jung
deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Überwa-
chungsmission AMIS der Afrikanischen Union in Dar-
fur/Sudan.
Frau Kollegin Schuster, Sie haben gerade ausgeführt,
dass es zum Thema Afrika keine Strategie geben würde.
Ich will Sie nur daran erinnern, dass wir in diesem Jahr
vonseiten der Europäischen Union unter großer Beteili-
gung deutscher Streitkräfte einen, wie ich finde, sehr
wichtigen Beitrag zur Stabilisierung in Afrika geleistet
haben, indem wir die Durchführung demokratischer
Wahlen im Kongo unterstützt haben. Unsere Soldatin-
nen und Soldaten werden rechtzeitig zu Weihnachten
wieder nach Hause kommen.
Das Mandat vom 17. November 2004 betreffend Dar-
fur/Sudan sieht Lufttransport einschließlich Bewachung
und Eigensicherung sowie Unterstützungskräfte mit ei-
nem Personalumfang von maximal 200 Soldaten vor.
Der Bundestag hatte am 25. Mai 2006 beschlossen, den
Einsatz bis zum 2. Dezember 2006 fortzusetzen. Das
Bundeskabinett hat, wie Sie wissen, zwischenzeitlich
entschieden, dass der Einsatz fortgesetzt werden soll.
Heute kommt es darauf an, dass der Deutsche Bundestag
dem zustimmt, um eine entsprechende Verlängerung zu
bewirken.
Teilweise ist nur wenig bekannt – ich habe zumindest
diesen Eindruck –, auf welche Art Unterstützung ge-
leistet wird. Militärbeobachtung und Militärberatung
habe ich gerade schon angesprochen. Im Mai dieses Jah-
res haben wir die Rotation eines gambischen Kontin-
gents durchgeführt und haben im Dezember zusammen
mit unseren französischen Freunden den Transport eines
senegalesischen und eines weiteren gambischen Kontin-
gents gewährleistet. In diesem Prozess haben wir der
Afrikanischen Union Unterstützung geleistet.
Aber es ist wahr: Die Lage in Darfur hat sich nicht
stabilisiert, sie ist eher noch kritischer geworden. Man
denke nur an die Ausdehnung des Konflikts auf den
Tschad und die Zentralafrikanische Republik. Deshalb
ist es, wie ich glaube, richtig, dass auch vonseiten der
Vereinten Nationen alles daran gesetzt wird, eine Über-
einstimmung zu erzielen. Zunächst war es Ziel, dass die
Mission AMIS in eine rein VN-geführte Friedensmis-
sion überführt wird. Dies ist am Widerstand des sudane-
sischen Präsidenten gescheitert. Es wurde dann am
16. November versucht, einen Kompromiss herbeizu-
führen, der eine gemeinsame Mission der Vereinten Na-
tionen und der Afrikanischen Union unter dem Kom-
mando der Vereinten Nationen vorsah. Aber auch dies ist
am Veto des sudanesischen Präsidenten gescheitert.
Freunde haben, wie Sie wissen, eine Frist bis zum
Ende des Jahres gesetzt. Ich denke, dass es wichtig ist,
dass die gemeinsamen Bemühungen der Vereinten Na-
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Wir sind uns auch darüber einig, dass die Lage der Men-
schen in Darfur unerträglich ist. Wir sind uns aber nicht
darüber einig, wie dieses Elend gestoppt werden kann
und was wir dazu beitragen können. Sie setzen wieder
einmal auf eine militärische Intervention.
– Warten Sie ab, Sie werden es bald erkennen. – Sie se-
hen keine Alternative zur militärischen Intervention. Wir
hingegen sehen eine Alternative in zivilen und diplo-
matischen Mitteln.
Dabei ist Zweierlei doch klar:
Erstens. Wir müssen uns immer wieder eingestehen,
dass wir keine Lösung für diesen nun schon so lange
dauernden und hoch komplizierten Konflikt anbieten
können.
Zweitens. Die afrikanischen Truppen der AMIS sind
nicht in der Lage, den Schutz der Bevölkerung militä-
risch zu garantieren. Trotz dieser Situation verfallen Sie
wieder auf das Militär, um zumindest sagen zu können:
Na, wir tun doch etwas.
Ginge es wirklich nur um den Einsatz von 200 Solda-
ten zur logistischen Unterstützung auf der Basis eines
richtigen Blauhelmeinsatzes nach Kap. VI der VN-
Charta, dann könnte man ja darüber reden. Sie verfolgen
aber ganz offensichtlich ein viel weiter reichendes Kon-
zept, das Verteidigungsminister Jung neulich ausgeplau-
dert hat. Ich zweifle daran, dass es nur seiner Unfähig-
keit anzulasten ist, wenn er von einem stärkeren Einsatz
der Bundeswehr redet, sobald die UNO ruft. Das kann
auch nicht die scharfe Kritik aus seinen eigenen Reihen
wieder zurückholen.
Mag sein, dass er sich verplappert hat, wie jüngst
auch Ehud Olmert, aber wir haben auch schon vergleich-
bare Töne aus dem Kabinett gehört. Sein Vorgänger, der
SPD-Fraktionsvorsitzende Struck, hat ihm vor einem
Monat sogar bestätigt und hinzugefügt, dass es dann
– ich zitiere ihn – ein „brisantes Mandat“ wäre, das
„auch mit Kampfeinsätzen der Soldaten verbunden sein
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Wir fordern von Ihnen nur eines: Verlassen Sie den
eg eines militärischen Einsatzes!
ören Sie auf den Rat des finnischen Botschafters beim
enschenrechtsrat in Genf. Er sagte vorgestern:
Es ist besser, mit dem Sudan zusammenzuarbeiten,
um konkrete Resultate zu erzielen.
Bringen Sie die Konfliktparteien wieder an den Ver-
andlungstisch, damit sie einen Friedensvertrag unter-
eichnen. Dies hat auch der Menschenrechtsrat gefor-
ert. Unsere Stärke besteht in den diplomatischen
ähigkeiten, in den wirtschaftlichen Möglichkeiten und
m humanitären Engagement. Wir plädieren für ein sol-
hes Engagement und nicht für den Rückfall in eine mi-
itärische Drohung.
Danke sehr.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7441
)
)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Müller,
Bündnis 90/Die Grünen.
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Meine Damen und Herren! Herr Präsident! In den
nächsten Tagen wird Kofi Annan, der Generalsekretär
der Vereinten Nationen, seine Amtszeit beenden. Er ist
nun wirklich mit den Krisen dieser Welt vertraut. Er hat
in all seinen Reden der letzten Tage eine Krise besonders
hervorgehoben und eindringliche Appelle an die interna-
tionale Gemeinschaft gerichtet, endlich einzugreifen: in
Darfur. Annan appellierte an die Welt,
den Alptraum der Gewalt in Darfur endlich zu be-
enden und nicht wieder zu warten, bis der Völker-
mord einsetzt, sondern die
– auch das muss man sich vor Augen führen –
erst im letzten Jahr auf dem Millenniumsgipfel von
allen Staats- und Regierungschefs
– auch von der deutschen Regierung – eingegangene Re-
sponsibility to Protect, also die Verpflichtung, die Men-
schen vor Völkermord und ethnischen Säuberungen zu
schützen, endlich ernst zu nehmen und endlich in die Re-
alität umzusetzen. Darum geht es in Darfur.
Liebe Kollegen von der PDS, Herr Dr. Paech, in der
derzeitigen Situation reicht AMIS nicht aus. Es handelt
sich hierbei im Kern um ein Mandat gemäß Kap. VI der
UN-Charta.
Die AU-Mission ist im Kern ein Beobachtermandat,
welches Sie gerade gefordert haben. Wissen Sie auch,
dass die AU inzwischen Angriffen durch die Bevölke-
rung vor Ort ausgesetzt ist? Wissen Sie, warum?
Weil die AU-Soldaten zwar auf der Grundlage des Man-
dates nachher protokollieren dürfen, dass ein Massaker
stattgefunden hat und dass die Menschen umgebracht
werden, aber nicht eingreifen dürfen. Das macht die
Leute wütend. Deswegen wollte die Afrikanische
Union selber nicht mehr dableiben. Sie konnte nur müh-
sam überzeugt werden, das Mandat überhaupt um ein
halbes Jahr zu verlängern.
Da fordern Sie hier ein Kapitel-VI-Mandat. Das ist wirk-
lich an Zynismus nicht mehr zu überbieten!
Kofi Annan hat in seiner Rede zum Tag der Men-
schenrechte – die können Sie sich auch einmal an-
schauen – auch Folgendes gesagt:
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Ja, ich führe nur noch diesen Gedanken zu Ende. –
0 Prozent der Menschen in Darfur können nicht mehr
ersorgt werden. Bei dem robusten UNO-Mandat, das in
er Resolution 1706 schon längst beschlossen ist, geht es
unächst einmal darum, die Menschen mit dem Nötigs-
en zu versorgen. Erst dann kann man wieder über Poli-
ik reden und dann muss man sich daran machen, den
onflikt politisch zu lösen. Diesen Zusammenhang soll-
en nach Srebrenica und Ruanda endlich alle verstanden
aben.
Bitte schön, Herr Paech.
Frau Kollegin Müller, um es kurz zu machen: Würden
ie zur Kenntnis nehmen oder gegebenenfalls nachlesen,
ass es sich bei den beiden Resolutionen 1556 und 1564,
uf denen der Antrag der Bundesregierung beruht, um
eschlüsse nach Kap. VII der UN-Charta handelt? Das
st dort ausdrücklich festgehalten.
Danke schön.
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Ich kenne die Resolutionen sehr gut. Ich weiß auch,
as die Afrikanische Union beschlossen hat und dass die
frikaner international nur ermächtigt sind, dort zu be-
bachten, zu protokollieren, was vor sich geht, und den
affenstillstand zu überwachen. Das ist die Ursache für
ie Wut der Bevölkerung, weil nur protokolliert, aber
icht eingeschritten wird. Auf diesen Skandal hat Annan
ingewiesen. Das muss die internationale Gemeinschaft
ndern.
Ich habe sie nicht nur gelesen, sondern mitgestaltet.
Das ist so.
Vor dem Hintergrund, dass alle dem Vorhaben zuge-
timmt haben, will ich auf die Debatte eingehen, die
7442 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Kerstin Müller
leider in den letzten Wochen in der Koalition geführt
wurde. Herr Ramsauer zum Beispiel hat gesagt, gerade
weil die Lage so schrecklich sei, sollten keine deutschen
Soldaten nach Darfur geschickt werden. Herr Stoiber
wiederum hat festgestellt, die deutschen Interessen seien
hier nicht so stark berührt. Leider steht auch immer noch
die Äußerung der Bundeskanzlerin im Raum, dass wir
uns über die Unterstützung von AMIS hinaus nicht enga-
gieren würden.
Unabhängig davon, ob deutsche Soldaten dorthin ent-
sandt werden oder nicht, glaube ich, dass das ein völlig
kontraproduktives Signal an das Regime in Khartoum
ist.
Denn dadurch müssen die Vertreter dieses Regimes zu
der Auffassung kommen, dass sie von Europa nichts zu
erwarten haben.
Damit komme ich zu meinem Hauptanliegen. Wir
brauchen keine unseligen Debatten über die Beteiligung
deutscher Soldaten, nach der noch niemand gefragt hat,
und einer UNO-Truppe, die noch gar nicht in das Land
hinein kann. Wir müssen jetzt vielmehr alle Kräfte auf
diplomatische Initiativen konzentrieren. Herr Minister
Jung, Sie haben selber festgestellt, dass das robuste
Mandat notwendig ist. Ich fordere Sie auf, im Rahmen
der EU-Ratspräsidentschaft diplomatische Initiativen zu
ergreifen und auf die Schutzmächte Sudans, China und
Russland, einzuwirken und in jedem Gespräch mit China
anzusprechen, dass wir alles versuchen, um die Zustim-
mung der sudanesischen Regierung für ein robustes UN-
Mandat zu bekommen.
Gestern wurde vorgeschlagen, eine Flugverbotszone
einzurichten, damit die sudanesische Regierung nicht
mehr die Antonows zur Unterstützung der Reitermilizen
einsetzt. Leider hat sich die Bundesregierung nicht dazu
geäußert.
Nach meinen Informationen haben die Außenminister
auf dem Ratstreffen gestern einen Beschluss zum weite-
ren Vorgehen in Darfur gefasst. Das sind aber leider auch
noch keine Taten; es sind nur Worte. Wir brauchen aber
endlich Taten im Sinne der Diplomatie. Was gestern auf
dem Ratstreffen passiert ist, darf bei der EU-Ratspräsi-
dentschaft nicht wieder passieren. Wir müssen durch
entschlossenes Handeln der internationalen Gemein-
schaft den Druck auf das Regime erhöhen.
Wenn es nicht gelingt – etwa wegen eines Vetos von
China und Russland –, im Sicherheitsrat gezielte perso-
nenbezogene Sanktionen zu beschließen, um die Zu-
stimmung für die UNO-Truppe zu erwirken, dann muss
meiner Meinung nach die Europäische Union endlich
vorangehen und – das hat sie schon x-mal beschlossen –
gezielte personenbezogene Sanktionen gegen die Verant-
wortlichen des Völkermordes verhängen, um die Zu-
stimmung zu erwirken.
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Nein. Ich komme zum letzten Satz. Oder gibt es noch
ine Zwischenfrage?
Nein. Ich bin beinahe beruhigt, auch wenn Ihre Reak-
ion mir bestätigt, dass Ihnen in der Tat entgangen sein
uss, dass die Bewirtschaftung der Redezeit durch mich
ieder einmal viel großzügiger war als durch die Frak-
ion.
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Es geht zur-
eit um politische Initiativen. Ich appelliere eindringlich
n Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregie-
ung: Werden Sie politisch aktiv! Gerade wir Deutsche
it unserer Geschichte dürfen nicht tatenlos zusehen,
enn in Darfur ein Völkermord geschieht. Ich glaube,
ass wir Deutsche hier eine besondere Verantwortung
aben.
Vielen Dank.
Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Rainer Arnold,
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
ie Nachrichten aus dem Sudan sind sicherlich für uns
lle mehr als beunruhigend. Der begonnene Friedenspro-
ess droht zu scheitern. Die Risiken für die gesamte Re-
ion werden gerade in den letzten Tagen an den Grenzen
es Sudans deutlich sichtbar. Die Untersuchung der
ommission, die dem Internationalen Strafgerichtshof
uarbeitet, zeigt, dass 200 000 Menschen ermordet und
,5 Millionen vertrieben wurden und dass Folter und se-
uelle Misshandlungen zum Alltag in dieser Region
ehören. Die Situation ist unübersichtlich. Es gibt tradi-
ionelle Stammesfehden um die ökonomischen Grundla-
en. Reitermilizen operieren mit Duldung der Zentralre-
ierung. In dieser unübersichtlichen Situation versucht
un die Afrikanische Union, mit ihrem Mandat AMIS
in Stück weit für Stabilität zu sorgen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDS,
ap. VII der UN-Resolution 1706 umfasst zwei Kompo-
enten: Beobachtung und Schutz. Aber die Afrikaner
toßen bei dieser Mission an die Grenzen sowohl ihrer
ateriellen Möglichkeiten als auch ihrer operativen Fä-
igkeiten; darauf haben Sie schon hingewiesen. In einer
ituation, in der wir sehen, dass die Afrikaner es nicht
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7443
)
)
Rainer Arnold
alleine leisten können, wollen Sie ihnen die relativ
kleine Unterstützung, die wir in erster Linie bei der Lo-
gistik und beim Lufttransport leisten, verwehren und ih-
nen so den Boden unter den Füßen wegziehen. Dies ist
zutiefst inhuman.
Wir alle wissen, dass eine Fortsetzung des Einsatzes
bewaffneter deutscher Streitkräfte für weitere sechs Mo-
nate nicht die beste Lösung ist. Aber das ist das Maxi-
mum, das im Augenblick erreicht werden kann. Mehr
wird man erst erreichen, wenn die Zentralregierung in
Khartoum den Frieden wirklich will und bereit ist, den
Frieden mit einer stabilen Truppe absichern zu lassen.
Das steht nicht im Gegensatz zu unseren humanitären
und diplomatischen Anstrengungen, wie Sie von der
PDS behaupten. Aber Sie müssen irgendwann einmal
kapieren, dass man gelegentlich mit freundlichen Worten
alleine leider an die Grenzen stößt und dass dann eine
militärische Schutztruppe notwendig und zutiefst human
ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wir
wissen nicht, wie sich das Ganze in den nächsten Mona-
ten entwickeln wird. Vielleicht müssen wir darüber er-
neut nachdenken. Aber wir sollten vorsichtig sein und
keine schnellen Antworten geben. Mein Eindruck ist,
dass in allen Fraktionen, falls ein erneutes Nachdenken
erforderlich ist, zu Recht sehr schwierige und komplexe
Debatten geführt werden müssen. Die Antworten kön-
nen dann gegeben werden, wenn die Debatten beendet
sind. Ich denke, das ist die korrekte Reihenfolge.
Wir sollten uns daran erinnern, dass die UN-Resolu-
tion 1706 drei Phasen vorsieht. Wir sind in der ersten
Phase, bei der es um die logistische Unterstützung der
Afrikanischen Union geht. Die zweite Phase sieht eine
personelle Erweiterung vor. Die dritte Phase sah ur-
sprünglich ein VN-Mandat vor. Nun sagt die Zentralre-
gierung, dass sie das nicht will. Vielleicht lässt sie sich
– es ist richtig, dass China ein bisschen helfen kann, da-
mit sich im Sudan etwas bewegt – auf eine Mischform
ein, eine so genannte Hybridlösung, eine gemeinsame
Mission von VN und Afrikanischer Union.
Ich habe den Eindruck, die Beweggründe für eine sol-
che Lösung im Sudan sind nicht korrekt. Das Ziel ist
aber möglicherweise auch unseres. Vielleicht ist es klü-
ger, auf dem afrikanischen Kontinent durch eine sehr
gute Kooperation der Vereinten Nationen, durch eine
Kooperation der militärischen Fähigkeiten der westli-
chen Industriestaaten mit den afrikanischen Partnern da-
für zu sorgen, dass auf einer längeren Zeitschiene die
Afrikanische Union als legitime regionale Ordnungs-
organisation die Fähigkeiten erhält, dass sie sie entwi-
ckeln, dass sie lernen – wir sollten sie materiell darin un-
terstützen, selbst die Fähigkeiten zu entwickeln –, auf
ihrem Kontinent für Sicherheit und Stabilität zu sorgen.
Darum muss es uns gehen. Deshalb wäre ich nicht un-
glücklich, wenn eines Tages auch in Deutschland eine
ernsthafte Debatte über diese Hybridlösung geführt
würde.
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Wir Deutsche bewegen uns im Einklang mit den Ver-
inten Nationen, mit der Afrikanischen Union, im Kon-
ert mit der Europäischen Union. Es ist kein Sonderweg,
ondern wir sind im Einklang mit allen europäischen Or-
anisationen. Wenn wir heute der Fortsetzung des Ein-
atzes zustimmen, dann sollten wir uns immer wieder
ragen, welche Legitimation wir für diesen Einsatz ha-
en. Wer sich die Europastrategie zu Afrika anschaut
nd nicht will, dass dieses kluge Papier reine Makulatur
ird, der muss die Bereitschaft und die Fähigkeit haben,
ier ein Stück weit mitzuhelfen. Die Beweggründe dafür
ind eindeutig. Wir haben zunächst ein eigenes Interesse
n Stabilität auf dem afrikanischen Kontinent, nämlich
nser Sicherheitsinteresse. Neben diesem Interesse ha-
en wir aber im Sudan auch eine zutiefst humanitäre
erpflichtung. Von diesen beiden Gründen lassen wir
ns bei der Entscheidung über eine Fortsetzung des Ein-
atzes leiten.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Eckart von Klaeden,
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
as, was wir bisher von den beiden Oppositionsfraktio-
en der Grünen und der FDP in dieser Debatte gehört ha-
en, ist in seiner Substanz engagiert vorgetragene Ratlo-
igkeit.
Die Ratlosigkeit ist eine Konsequenz aus der Situa-
ion, die wir im Sudan, in Darfur vorfinden. Aber es ist
ntellektuell unredlich, dafür die Bundesregierung ver-
ntwortlich zu machen und dann nicht mehr auf der
latte zu haben als den Vorschlag, man müsste einmal
ruck auf China oder Russland ausüben, um die Krise
u überwinden.
ch finde, hier müssen mehr Vorschläge kommen.
Wir befinden uns dort in einem Dilemma. Der Sicher-
eitsrat hat zwar nach der Resolution 1706 beschlossen,
ie AMIS-Mission in eine VN-Mission zu überführen,
ber das Dilemma ist doch, dass die Zustimmung der
egierung in Khartoum nicht vorliegt.
Jeder von uns weiß, dass diese Zustimmung zwar
echtlich nicht mehr erforderlich ist, aber doch politisch
rforderlich ist, um eine erfolgreiche militärische Opera-
ion durchzuführen. Selbstverständlich unternehmen wir
n Richtung Khartoum alles, um eine Zustimmung
öglich zu machen. Aber die Bundesregierung dafür
7444 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Eckart von Klaeden
verantwortlich zu machen, dass es nicht dazu kommt, ist
hanebüchen.
Zurzeit findet ein Gipfeltreffen von elf afrikanischen
Staaten, der Demokratischen Republik Kongo, der Re-
publik Kongo-Brazzaville, Zentralafrikanische Repu-
blik, Ruanda, Burundi, Uganda, Angola, Sambia, Tansa-
nia, Kenia und Sudan, in Nairobi statt. Heute soll ein
„Pakt über Sicherheit, Stabilität und Entwicklung der
Region der Großen Seen“ unterzeichnet werden. Man
will, wie es so schön heißt, die „Dynamik der Konflikte
in den Aufbau des regionalen Friedens“ umwandeln.
Diese Konferenz kann einen elementaren Beitrag zur
Konfliktverhütung und -bewältigung, zur Friedensförde-
rung nach dem Grundsatz der afrikanischen Eigenver-
antwortung leisten. Aber sie muss dieser Aufgabe auch
nachkommen; denn Hunger und Armut, wirtschaftliche
Ungleichheit und politische Ungerechtigkeit, fehlende
Rechtsstaatlichkeit, die Eskalation von Konflikten durch
gewaltsame Vertreibungen, Epidemien, Ressourcen-
knappheit und ökologische Gefährdungen vielfältiger
Art gehören ja seit langem für die afrikanische Bevölke-
rung zu den vordringlichsten Problemen.
Im Sudan konnte der über 20 Jahre andauernde Bür-
gerkrieg zwischen dem Norden und dem Süden, der
2 Millionen Menschen das Leben gekostet und 4 Millio-
nen Menschen zu Binnenvertriebenen und Flüchtlingen
gemacht hat, zwar durch den Friedensvertrag von Nai-
robi im Januar 2005 beendet werden. Der Waffenstill-
stand wird aber immer wieder gebrochen. Seit 2003 tobt
ein grausamer und blutiger Konflikt in der westsudanesi-
schen Provinz Darfur. Das Darfur Peace Agreement vom
Mai dieses Jahres wird von keiner der beteiligten Rebel-
lengruppen und auch nicht von den Milizen eingehalten.
Nach Schätzung der Vereinten Nationen sind in Darfur
über 200 000 Menschen ums Leben gekommen und
2 Millionen wurden zu Vertriebenen und Flüchtlingen.
Es ist klar – das sollten wir hier auch deutlich machen –,
dass für diese beiden Konfliktherde die Regierung in
Khartoum mit ihrem Verhalten die Hauptverantwortung
trägt.
Ich begrüße, dass der Sudan auf dem Gipfeltreffen in
Nairobi beteiligt ist und nach den bisherigen Meldungen
den Pakt unterzeichnet hat. Es kommt aber darauf an,
dass die Verpflichtungen, die damit eingegangen wer-
den, schließlich auch erfüllt werden. Bislang kann Präsi-
dent Bashir nicht nachgesagt werden, er halte viel von
Vertragstreue: Abkommen werden nicht eingehalten,
wie zum Beispiel das eben bereits angesprochene Darfur
Peace Agreement. Nach Angaben der VN-Hochkommis-
sarin für Menschenrechte sind in den letzten sechs Wo-
chen in Darfur weitere 80 000 Menschen vertrieben und
mehrere hundert Personen getötet worden. Die Regie-
rung habe die Milizen nicht entwaffnet, sondern viel-
mehr aufgerüstet.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch daran erin-
nern, dass es die Arabische Liga war, die als erste auf die
Gewalt in Darfur hingewiesen hat. Sie muss deshalb in
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Die 47 Mitglieder des Menschenrechtsrates haben es
icht verstanden, ein klares Zeichen gegen die Verlet-
ung von humanitärem Recht und Menschenrechten so-
ie gegen Gewalt und Terror zu setzen. Die Erklärung
ässt eine klare Sprache vermissen. Ich kritisiere den
enschenrechtsrat mit Blick auf diese Entscheidung ins-
esondere deswegen, weil er erst seit März dieses Jahres
n dieser Form besteht und in seinen bisherigen sechs
itzungen insgesamt acht Resolutionen gegen Israel ver-
bschiedet hat. Wenn dem Westen von diesen Staaten
mmer wieder vorgeworfen wird, dass er Doppelstan-
ards anwende, dann müssen sich die Ländergruppen,
ie im Menschenrechtsrat für diese Entscheidung verant-
ortlich sind, wirklich Doppelzüngigkeit vorwerfen las-
en.
Ich wünsche mir – und bitte die Bundesregierung, die
ntwicklung sehr sorgfältig zu beobachten und alles in
hrer Macht Stehende dafür zu unternehmen –, dass die
om VN-Menschenrechtsrat nun eingesetzte Kommis-
ion schnellstmöglich zusammengesetzt wird und sie
ann ihre Untersuchung zur Menschenrechtslage in Dar-
ur vor Ort ohne Behinderungen jeglicher Art durchfüh-
en kann. Als ein Mitglied der insgesamt 28-köpfigen
ruppe der Freunde der Region der Großen Seen ist
eutschland dazu verpflichtet.
All dies zeigt, dass wir unser Engagement für Frieden
nd Stabilität in der Region im östlichen Afrika beibe-
alten müssen. Wir müssen uns vor allem dafür einset-
en, dass die humanitären Hilfsleistungen für die Not
eidende Bevölkerung ermöglicht werden; die Kollegin
üller hat darüber heute schon gesprochen.
Es gibt aber noch einen weiteren gravierenden Grund.
ie internationale Staatengemeinschaft muss ihren Bei-
rag nicht nur zur Stabilisierung der Lage in Darfur leis-
en, sondern auch zur Stabilisierung der gesamten
egion. Das liegt auch in unserem Sicherheitsinteresse.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7445
)
)
Eckart von Klaeden
Aus diesem Grund ist es notwendig, unseren Beitrag zur
Unterstützung der Überwachungsmission AMIS der
Afrikanischen Union auch in den nächsten sechs Mona-
ten fortzusetzen, so enttäuschend die Ergebnisse der
Mission bisher auch sein mögen und sosehr zu kritisie-
ren ist, dass die Regierung in Khartoum der Übertragung
der Mission auf die Vereinten Nationen bisher nicht zu-
gestimmt hat.
Meine Fraktion wird deswegen dem Antrag der Bun-
desregierung zustimmen.
Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Jürgen
Trittin das Wort.
Lieber Herr Kollege von Klaeden, Sie wissen, dass
ich Sie als Außenpolitiker durchaus schätze. Aber ich
finde, Sie haben sich keinen Gefallen getan, als Sie, be-
vor Sie angefangen haben, Ihre Rede abzulesen, FDP
und Grüne der intellektuellen Unredlichkeit in dieser
Frage geziehen haben.
Worum geht es hier? Es geht nicht darum, wie Herr
Paech glaubt, dass dort ein großer Kampfeinsatz, eine
Friedenserzwingung stattfinden soll, sondern es geht ei-
gentlich um etwas sehr Simples: Es geht darum, dass die
15 000 zivilen Helferinnen und Helfer, die dort zur Ver-
fügung stehen, die bedrohten Menschen wieder errei-
chen können. Das ist der Kern. Das ist mit 7 000 Leuten
für ein Gebiet der Größe Frankreichs nicht zu gewähr-
leisten. Deswegen hat die UN beschlossen, die Zahl der
Soldaten von 7 000 auf 17 000 aufzustocken. Nun geht
es darum, dafür die Zustimmung der sudanesischen Re-
gierung zu bekommen.
Die Frage, die Frau Müller und Frau Schuster hier an
die Bundesregierung gestellt haben, war nicht intellek-
tuell unredlich, sondern nahe liegend, und zwar deswe-
gen, weil sie wissen wollten, was die Bundesregierung
tut, um diesen Zustand, den Sie Zustand der Ratlosigkeit
genannt haben, zu durchbrechen und Druck auf Khar-
toum auszuüben.
Es ist auch nicht so, dass keine Vorschläge genannt
worden wären. Wie ist die Haltung der Bundesregierung
zum Vorschlag einer Flugverbotszone dort? Wie soll
das umgesetzt werden? Warum hat der Rat der Außen-
minister gestern, obwohl man sich im Prinzip schon
lange darauf verständigt hat, nicht entschieden, individu-
elle Sanktionen gegen die Machthaber in Khartoum zu
ergreifen? Was muss eigentlich noch passieren?
Die werfen einen Bevollmächtigten, einen ehemaligen
Umweltminister der Europäischen Union, aus Khartoum
raus, aber wir wollen sie weiter reisen lassen. Das geht
mir nicht in den Kopf.
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Zur Erwiderung Herr Kollege von Klaeden.
Herr Kollege Trittin, mein Hinweis auf die fehlende
ntellektuelle Redlichkeit hat sich nicht auf die Schilde-
ung der Situation bezogen. Wenn ich ausreichend Rede-
eit gehabt hätte, hätte ich das, was Sie eben noch ein-
al betont haben, darstellen können. Aber das, was Sie
orgeschlagen haben und was auch die Kollegin
chuster hier gesagt hat, läuft de facto auf das hinaus,
as ich gesagt habe, nämlich dass von der Bundesregie-
ung erwartet wird, dass mehr Druck auf China oder
ussland ausgeübt wird. Ich habe doch die Kollegin
chuster gefragt, wie Sie sich die Durchsetzung eines
lugverbots vorstellt.
arauf ist keine Antwort gekommen. Es hieß, wenn ein
olcher Antrag einmal vorliege, dann würde man da-
über in der Fraktion beraten. Das ist doch nicht intellek-
uell redlich. Das ist der Versuch, die eigene Ratlosigkeit
er Bundesregierung in die Schuhe zu schieben. Das ma-
hen wir nicht mit.
Nun bitte ich um Aufmerksamkeit für die letzte Red-
erin in dieser Debatte, die Kollegin Gabriele Groneberg
ür die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
olleginnen und Kollegen! Ich muss ehrlich sagen, dass
ch verdammt ratlos bin. Das sage ich einmal ganz unge-
chminkt. Wir müssen seit Jahren hilflos dem zusehen,
as in Darfur passiert. Aber auch die vorherige Bundes-
egierung konnte nicht anders mit diesem Problem um-
ehen, Herr Trittin.
Die Situation ist folgendermaßen: Die Bundesregie-
ung und all die anderen, die in der Vergangenheit tätig
ewesen sind und die auch jetzt handeln – Frau Müller
st intensiv daran beteiligt gewesen –, haben sich in den
ergangenen Jahren intensiv um eine Lösung bemüht.
ber Deutschland allein kann nicht die Lösung bringen;
uch die anderen Staaten sind gefordert. Nur in Zusam-
enarbeit mit diesen ist eine Lösung möglich. Ich bin
avon überzeugt, dass die Bundesregierung das ihr
7446 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Gabriele Groneberg
Mögliche tut. Wir können nur hoffen, dass die internatio-
nale Gemeinschaft sozusagen mehr in die Pötte kommt.
Seit zwei Jahren verlängern wir das Mandat für deut-
sche Soldaten, die zur Unterstützung der Überwachungs-
mission der Afrikanischen Union als Militärbeobachter
und im Transportbereich eingesetzt werden. Ich bin nicht
nur betroffen und frustriert, sondern ich fühle mich, wie
schon gesagt, mittlerweile hilflos, weil wir bei der Lö-
sung dieses Konfliktes immer noch kein Stück weiter ge-
kommen sind.
Im Gegenteil: Die aktuelle Situation in Darfur hat
sich zur größten Katastrophe der Gegenwart ausgewei-
tet. Seit Ausbruch des Konfliktes sind Hunderttausende
von Menschen – Herr von Klaeden, die Zahlen schwan-
ken; man spricht teilweise von 200 000, aber es können
nach Schätzung einiger Organisationen durchaus
450 000 Menschen sein – getötet und Millionen von
Menschen in die Flucht getrieben worden. Noch schlim-
mer ist, dass die an diesen Raum angrenzenden Länder
mittlerweile in den Konflikt hineingezogen werden. Hier
entwickelt sich ein Flächenbrand.
Als Mitglied des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung habe ich die Region
mehrfach besucht. Ich habe mir Flüchtlingslager anse-
hen können. Ich habe gesehen, unter welchen Bedingun-
gen die Menschen dort leben; teilweise muss man von
Vegetieren sprechen. Die Hilfsorganisationen sind be-
müht gewesen, die größte Not zu lindern. Für eine kurze
Zeit schien sich wenigstens die humanitäre Situation
zu verbessern. Nach Angaben der Vereinten Nationen
hatte sich aufgrund des massiven Hilfseinsatzes in den
beiden vergangenen Jahren die Versorgungslage deutlich
verbessert. Die Sterblichkeitsrate bei den Kindern und
bei den Erwachsenen war je nach Region um die Hälfte
bzw. um zwei Drittel zurückgegangen. Das Problem ist
aber, dass man effektive Hilfe nur leisten kann, wenn die
Sicherheit der Menschen und derjenigen, die für die
Hilfsorganisationen arbeiten, gewährleistet ist. Aber ge-
rade das ist in dem letzten halben bis dreiviertel Jahr
nicht mehr der Fall. Diese Menschen sind nicht mehr si-
cher.
An dieser Stelle komme ich zu der Mission der AU.
Herr Paech, ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich Sie an
dieser Stelle nicht verstehe.
Es ist unverantwortlich, dass Sie hier sagen, wir würden
uns an einer militärischen Intervention beteiligen. Wenn
wir das getan hätten, dann hätten wir vielleicht eine Lö-
sung des Problems erreicht. Die AU ist, was diese Mis-
sion angeht, vollkommen hilflos. Die Afrikaner wollen
anfangen, ihre Probleme selbst zu lösen; das ist löblich.
Aber sie sind zum ersten Mal im Rahmen einer solchen
Mission vor Ort. Meiner Ansicht nach ist die internatio-
nale Gemeinschaft nicht in der Lage gewesen, sie genü-
gend zu unterstützen.
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Be-
chlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf
rucksache 16/3845 zum Antrag der Bundesregierung
ur Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher
treitkräfte zur Unterstützung der Überwachungsmis-
ion AMIS in der Region Darfur/Sudan. Der Ausschuss
mpfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/3652 anzuneh-
en. Dazu ist namentliche Abstimmung verlangt.
Während die Schriftführerinnen und Schriftführer, so-
eit nicht bereits geschehen, jetzt die dazu vorgesehe-
en Plätze einnehmen, bitte ich Sie um eine halbe Mi-
ute Aufmerksamkeit. Da wir zum Ende der heutigen
agesordnung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr
anz so zahlreich sein werden wie jetzt und die meisten
on Ihnen ganz unglücklich wären, wenn sie den Heim-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7447
)
)
Präsident Dr. Norbert Lammert
weg in die Wahlkreise und die Weihnachtspause ohne
präsidiale Grüße zu den bevorstehenden Feiertagen an-
treten müssten,
nutze ich die Gelegenheit des in diesem Jahr zum letzen
Mal vollen Hauses, um Ihnen allen ganz persönlich ein
frohes, besinnliches Weihnachtsfest, alles Gute zum
neuen Jahr und dazwischen ein paar ruhige Tage und
dann Kraft und Zuversicht für ein neues Jahr zu wün-
schen, das vermutlich nicht weniger interessant, vermut-
lich nicht weniger kontrovers und hoffentlich mindes-
tens so erfolgreich wird wie das, das wir jetzt schon fast
hinter uns haben.
Damit eröffne ich die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses im Plenarsaal anwe-
send, das seine Stimme nicht hat abgeben können? – Das
scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Ab-
stimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir geben das
Ergebnis der Abstimmung während der Debatte zum
letzten Tagesordnungspunkt bekannt, sobald die Stimm-
karten ausgezählt sind.1)
Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesord-
nung um die Beratung der Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung zu einem Antrag auf Genehmigung zur
Durchführung eines Strafverfahrens zu erweitern und
diese sofort als Zusatzpunkt 12 ohne Aussprache aufzu-
rufen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.
Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe also den Zusatzpunkt 12 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung zu einem Antrag
auf
Genehmigung zur Durchführung eines Straf-
verfahrens
– Drucksache 16/3896 –
Wir kommen sofort zur Abstimmung. Der Ausschuss
für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 16/3896, die Genehmigung zur Durchführung eines
Strafverfahrens zu erteilen. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich der Stimme? – Dann ist diese Beschlussemp-
fehlung einstimmig angenommen.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 24 a und 24 b
auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Laurenz
Meyer , Erich G. Fritz, Veronika
Bellmann, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
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w1) Ergebnis Seite 7450 C
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-
nologie zu dem Antrag der Abge-
ordneten Gudrun Kopp, Hellmut Königshaus,
Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP
Doha-Runde wieder beleben – WTO-General-
direktor als Schlichter einsetzen
– Drucksachen 16/2658, 16/3584 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Ulla Lötzer
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für
iese Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich
öre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
ächst dem Kollegen Erich Fritz für die CDU/CSU-
raktion.
Herr Präsident, ich bin von Ihren weihnachtlichen
orten noch so gerührt, dass es mir schwer fällt, jetzt zu
inem so sachlichen Thema wie dem Stand der Doha-
elthandelsrunde zu sprechen.
Herr Kollege, wenn das zur Verkürzung Ihrer Rede-
eit führt, wird das keine Bestürzung im Plenum auslö-
en.
Ich denke, es wird eher dazu führen, dass ich immer
ieder Pausen zum Nachdenken brauche, um mich auf
as Thema konzentrieren zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was die Doha-
elthandelsrunde angeht, gibt es in diesen Tagen gute
nd schlechte Zeichen. Am 1. und 2. Dezember haben
ich in Genf Parlamentarier fast aller Mitgliedstaaten ge-
roffen und versucht, gegenüber ihren Regierungen zum
usdruck zu bringen, dass es durchgängig den Willen
ibt, die Verhandlungen wieder in Gang zu bringen und
u einem erfolgreichen Abschluss zu führen, und zwar
us Sicht sowohl der Industrieländer als auch der Ent-
icklungsländer, sowohl der Schwellenländer als auch
er ärmsten Länder mit den kleinsten Volkswirtschaften.
Pascal Lamy hat dort keine sehr optimistische Pro-
nose gegeben, indem er gesagt hat: Ein Scheitern ist
icht unmöglich. – Dennoch hat er vernünftige Appelle
usgesandt. In der aktuellen Ausgabe der „Wirtschafts-
oche“ hat er wiederum sehr optimistische Signale
7448 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Erich G. Fritz
ausgesandt. Er sagte, es zeichne sich ab, dass das, was er
die ganze Zeit gefordert habe, nämlich dass alle Flexibi-
lität zeigen, nun umgesetzt werde. Konkret sehen wir das
allerdings noch nicht. Lamy hat in Genf deutlich an die
EU und die USA appelliert, noch einmal etwas zu geben.
Bezüglich der USA setze ich an „noch einmal“ ein Fra-
gezeichen; denn bisher haben sich die USA noch nicht
sehr bewegt. Er hat auch gesagt, dass Länder wie Indien
etwas geben müssen, und zwar mehr als Länder wie
Sierra Leone, weil sie dazu in der Lage sind.
Die Entwicklungsländer haben in der Debatte ganz
deutlich vernommen, dass es für sie einen großen Scha-
den bedeuten würde, wenn diese Runde in dem schma-
len Zeitfenster, das es dafür gibt, nicht zu einem Ab-
schluss kommen sollte, weil dann alle Zusagen für einen
zoll- und quotenfreien Zugang für die ärmsten Länder,
nicht nur für die Industrieländer, und schrittweise auch
für die großen Schwellenländer hinfällig wären. Der
Vorteil für die ärmsten Länder kann nur darin bestehen,
dass sie den Marktzugang für die Produkte bekommen,
die sie selbst anzubieten haben.
In dieser Runde soll alles nur gemeinsam beschlossen
werden. Dieses Prinzip darf nicht aufgegeben werden.
Deshalb dürfen nicht nur Entwicklungsaspekte verhan-
delt werden. Es muss auch die Frage gestellt werden:
Wie kommen wir zu einem Gesamtpaket, das für alle
Mitgliedstaaten eine Verbesserung mit sich bringt, das
zu mehr Wachstum auf der Welt führt, Entwick-
lungschancen bietet und durch das weitere freie Märkte
im Bereich der Industriegüter und der Dienstleistungen
geschaffen werden? Wir wissen, dass mittlerweile auch
sehr viele Schwellenländer gerade im Bereich der
Dienstleistungen Interessen haben und dort sehr gerne
Fortschritte sähen.
Worauf wird es in den nächsten Wochen ankommen?
Zunächst einmal ist zu begrüßen, dass alle Mitgliedstaa-
ten – egal welcher Art und welcher wirtschaftlichen
Stärke – angekündigt haben, jetzt flexibel sein zu wollen
und selbst Angebote zu machen.
Es gibt also momentan nicht mehr den Zustand, dass alle
nur sagen: „Die USA müssen sich bewegen“ oder „Be-
vor wir selbst etwas tun, muss unser Interesse berück-
sichtigt werden“. Das ändert aber nichts daran, dass wir
als Ausgangslage nach wie vor eine sehr unglückliche
Konstellation zwischen Europa und den USA haben: Die
Europäische Union hat durch ihre eigene Reform der
Agrarpolitik und durch die Zugeständnisse in Hong-
kong – einschließlich des Auslaufens der Exportsubven-
tionen – bereits Vorleistungen erbracht in einer Zeit, in
der die USA sich kein Jota bewegt haben. Allerdings
gibt es jetzt Signale aus den USA – das steht im Gegen-
satz zu dem, was wir in Genf von Herrn Allgeier gehört
haben, Herr Kollege Dobrindt –, dass man bereit ist, sich
hinsichtlich der Agrarsubventionen zu bewegen.
Wenn das so ist, dann ist das ein erstes gutes Zeichen. Es
bietet die Chance, dass wir weiter über eine breite
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uch die Finanzierung von Entwicklungszusammenar-
eit und von Einsätzen, von denen wir gerade einen be-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7449
)
)
Erich G. Fritz
schlossen haben, braucht eine wirtschaftliche Grund-
lage. Wir alle kennen die Prognosen – selbst wenn wir
davon Abstriche machen –, die besagen, wie sehr sich
ein positiver Abschluss dieser Runde auf die Wohlfahrt
der Welt auswirkt. Deshalb kann das Motto nur lauten:
Mit ganzer Kraft für eine erfolgreiche Runde!
Wir als Parlamentarier müssen dazu beitragen, dass
die Regierungen in dieser Frage ermuntert werden. Wir
müssen ebenfalls dazu beitragen, dass auch die Bevölke-
rung erkennt, dass mit diesem Prozess immer Schwierig-
keiten verbunden sind, dass immer Anpassungsleistun-
gen erfolgen müssen, die manchmal schwer zu
verkraften sind, dass der Weg aber richtig ist und dass er
Chancen für alle auf dieser Welt beinhaltet – unabhängig
davon, wo sie leben.
Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Gudrun Kopp für
die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Da-
men! Ich glaube, niemand in diesem Hause kann wollen
und will, dass die Doha-Welthandelsrunde, scheitert.
Wir brauchen mehr Welthandel und nicht weniger –
nicht etwa aus dem Grunde, dass die Industrieländer
weiter profitieren können, sondern zum Wohle der
schwachen und schwächsten Länder auf der ganzen
Welt. Ich hoffe, dass wenigstens in Bezug auf diesen
Punkt hier Einigkeit besteht.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einige
Zahlen nennen, die sehr eindrucksvoll und wichtig sind.
Die Weltbank beziffert die globalen Einkommenseffekte
einer vollständigen Liberalisierung der Doharunde bis
2015 auf etwa 461 Milliarden US-Dollar. Allein im
Jahre 2005 hat die Bundesrepublik Waren und Dienst-
leistungen im Wert von rund 786 Milliarden Euro expor-
tiert. Jeder dritte Arbeitsplatz in Deutschland hängt vom
Welthandel ab. Wir Deutsche sind ja immer noch Ex-
portweltmeister. Das ist positiv; das muss uns aber, ge-
schätzter Kollege Fritz,
umso mehr dazu antreiben, die Regierung aufzufordern,
hier weiter aktiv zu werden und mehr Druck zu machen,
damit diese Doharunde erfolgreich abgeschlossen wer-
den kann. Das muss eine Aufforderung an die Regierung
und darf nicht einfach nur eine Ermunterung an sie sein.
Wir wissen, dass es mit Übernahme der EU-Rats-
präsidentschaft durch Deutschland notwendig ist, Si-
gnale zu setzen, dass sich die Bundesregierung bemüht,
diese Welthandelsrunde zu puschen. In diesem Zusam-
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7450 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Schwenningen)
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Kristina Köhler
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Michael Kretschmer
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uprecht Polenz
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r. Peter Ramsauer
ckhardt Rehberg
atherina Reiche
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ohannes Röring
urt J. Rossmanith
Elisabeth Winkelmeier-
Becker
Wolfgang Zöller
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Staffelt die Gelegenheit
be, möchte ich gerne auf
kommen und Ihnen das
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r. Hans-Peter Friedrich
rich G. Fritz
ochen-Konrad Fromme
r. Michael Fuchs
r. Jürgen Gehb
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berhard Gienger
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r. Reinhard Göhner
osef Göppel
eter Götz
r. Wolfgang Götzer
einhard Grindel
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ichael Grosse-Brömer
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anfred Grund
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olger Haibach
erda Hasselfeldt
rsula Heinen
da Carmen Freia Heller
ichael Hennrich
ürgen Herrmann
ernd Heynemann
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eter Hintze
obert Hochbaum
laus Hofbauer
nette Hübinger
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usanne Jaffke
r. Peter Jahr
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r. Franz Josef Jung
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on den Schriftführerinnen und
rgebnis der namentlichen A
chlussempfehlung des Auswä
ntrag der Bundesregierung au
es bewaffneter deutscher Strei
er Überwachungsmission AM
udan bekannt geben: Abgegeb
aben gestimmt 466, mit Nein
alten haben sich neun Kolleg
it ist die Beschlussempfehlun
unther Krichbaum
r. Günter Krings
r. Martina Krogmann
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r. Hermann Kues
r. Karl Lamers
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r. Norbert Lammert
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r. Max Lehmer
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r. Michael Luther
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r. Michael Meister
riedrich Merz
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r. Eva Möllring
arlene Mortler
arsten Müller
tefan Müller
ernward Müller
r. Gerd Müller
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r. Georg Nüßlein
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duard Oswald
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lrich Petzold
r. Joachim Pfeiffer
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gen: Wir dürfen nicht im-
ch einer bewegt, und an-
en. Ich konzediere sehr
as eine oder andere leis-
arauf verwiesen, dass es
Landwirtschaft in einem
ert, dass wir schon sagen
klungsländern in stärke-
n werden, ihre landwirt-
Europa zu exportieren.
Bewegung in den Verei-
Nach den Aussagen von
gibt es einige positive
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or allem mit den Chinesen, d
ianern, aber auch mit den Süda
anern. Dass sich Europa hier in
itionieren muss, damit es im W
rleiden muss, liegt wohl auf de
auptexport- und -handelsländ
iegt es besonders in unserem In
usst in Richtung des Wirtsch
rdenkliche dafür zu tun, dass d
elssystem erhalten bleibt.
Wir müssen auch weiter dar
ieder Vertrauen in die internat
ehrt. Es geht hier nicht nur um
m den IWF und die Weltbank
ophie ein Stück weit verändern
ragen sein von der Dominanz
ir müssen von einer multipo
en Indern und den Brasi-
frikanern und den Mexi-
angemessener Weise po-
elthandel keine Nachteile
r Hand. Wir sind eines der
er dieser Welt. Deshalb
teresse – das sage ich be-
aftsministeriums –, alles
as multilaterale Welthan-
ie bei Abgeordneten
nd des BÜNDNIS-
an arbeiten, dass endlich
ionalen Institutionen ein-
die WTO, es geht auch
. Wenn wir unsere Philo-
– sie darf nicht mehr ge-
der Amerikaner, sondern
laren Welt der Zukunft
Die EU hat – auch deshalb ist dieser Antrag wichtig – im
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Dr. Gerhard Schick
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Jürgen Trittin
Wolfgang Wieland
Nein
CDU/CSU
Dr. Wolf Bauer
Willy Wimmer
SPD
Gregor Amann
Reinhold Hemker
Petra Hinz
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Heike Hänsel
Lutz Heilmann
Hans-Kurt Hill
Cornelia Hirsch
Inge Höger-Neuling
Ulla Jelpke
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Wir setzen die Debatte fort. Nächster Redner ist der
Kollege Dr. Ditmar Staffelt für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Es ist gut, dass wir heute über die Doha-Welthandels-
runde bzw. über die Fortsetzung der WTO-Verhandlun-
gen sprechen. Denn ich glaube, dass dies tatsächlich ein
Thema der G-8-Präsidentschaft Deutschlands sein muss
und sein wird. Ich erwarte zwar nicht, dass alle Probleme
dieser Welt im nächsten halben Jahr im Rahmen der G-8-
Präsidentschaft bzw. im Rahmen der EU-Ratspräsident-
schaft unseres Landes gelöst werden können. Doch hier
könnte eine Reihe wichtiger Impulse gesetzt werden.
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Lassen Sie mich einen Punkt ansprechen, der in unse-
er Debatte immer wieder wichtig ist: Natürlich ist es
ine Entwicklungsrunde. Es ist aber auch eine Runde,
ei der Europa seine Interessen in der Welt vertritt. Ich
abe hier bei anderer Gelegenheit schon einmal gesagt:
uch mit den Schwellenländern stehen wir heute in
eftigem Wettbewerb,
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7453
)
)
Dr. Ditmar Staffelt
ausgehen –, dann kann Deutschland einen wichtigen,
vermittelnden, aber in der Zielsetzung durchaus klaren
Standpunkt entwickeln, mit dem wir die Dinge voran-
bringen können. Darum bitte ich die Bundesregierung
ausdrücklich.
Es geht bei dem Werben auch um etwas, das mir im-
mer mehr Kopfschmerzen bereitet: die Vorbildfunktion.
Man kommt auf internationale Kongresse und Tagun-
gen, und die Entwicklungsländer fragen zu Recht: Was
macht eigentlich ihr Amerikaner, aber auch ihr Euro-
päer? Ihr haltet euch nur sehr bedingt an die von euch
selbst gesetzten Standards. Doch von uns erwartet ihr,
dass wir diese Standards erfüllen. – Hier muss ein stär-
keres Maß an Durchgängigkeit, an Klarheit dessen, was
wir anderen zumuten, und dessen, was wir uns selbst zu-
muten müssen, hergestellt werden. Diese Glaubwürdig-
keit kann auch im Rahmen unserer G-8-Präsidentschaft
stärker in den Mittelpunkt gestellt werden.
Jene, die in dieser Debatte darauf verwiesen haben,
das ganze WTO-System sei eigentlich nichts weiter als
eine neokoloniale Erscheinung, sollten einmal über Fol-
gendes nachdenken: Die Alternative zur Multilateralität
ist, dass eine Vielzahl bilateraler Abkommen geschlos-
sen würden. Das würde am Ende insbesondere den ärms-
ten der armen Länder in der Welt schaden.
Wir wie andere vergleichbare Länder würden vielleicht
noch damit zurechtkommen, die armen Länder aber mit
Sicherheit nicht. In diesen Ländern würde sich der Pro-
zess der Verarmung in einer Weise fortsetzen, die nicht
mehr verantwortbar wäre. Deshalb müssen wir in dieser
Frage beieinander stehen.
Ein weiterer Punkt. Wir müssen, allein schon aus ei-
genem Interesse, allergrößten Wert darauf legen, dass
die Kernarbeitsnormen der ILO und Umwelt- und So-
zialstandards in verstärktem Maße Eingang in die Volks-
wirtschaften dieser Welt finden. Es führt kein Weg daran
vorbei, auf dieses Thema hinzuweisen, selbst wenn es
nicht unmittelbar in die WTO-Verhandlungen einfließen
kann. Nur dann werden wir a) zur Wahrung der Men-
schenwürde beitragen, b) die Realisierung des Klima-
schutzes voranbringen und c) dafür Sorge tragen, dass
die Wettbewerbsfähigkeit in dieser Welt und damit un-
sere Wettbewerbsposition nicht dadurch weiter untermi-
niert werden, dass sich andere überhaupt nicht an Stan-
dards halten und tun, was sie wollen, noch dazu
ungestraft. Das darf nicht sein. Wir müssen uns alle zu-
sammen dafür einsetzen, dass sich Europa und Deutsch-
land dieser Aufgabe stellen und eine wichtige Klammer-
funktion wahrnehmen.
Abschließend noch ein Aspekt, der kürzlich bei der
WTO-Parlamentarierkonferenz eine gewisse Rolle ge-
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Sie weisen zu Recht auf die Verletzung der Kern-
arbeitsnormen in vielen Ländern – zum Beispiel in
China – hin. Wer veranlasst diese aber und wer zieht den
Nutzen daraus?
Am 8. Oktober 2006 hat das Magazin „Weltspiegel“
in einem Bericht über einen chinesischen Hersteller von
Duschvorhängen gezeigt, wie die Aufkäufer aus Europa
und den USA in China agieren. Sie erpressen die chine-
sischen Hersteller: Wenn du den Auftrag willst, musst du
billiger produzieren als bisher – auch unter Verletzung
der Kernarbeitsnormen. – Eingekauft wird in China für
1,96 Dollar und verkauft wird in Europa für 20 bis
30 Dollar. Wer die Bedeutung der ILO-Kernarbeitsnor-
men stärken will, der sollte zunächst einmal die europäi-
schen Konzerne verbindlich darauf verpflichten, sie
auch in China einzuhalten.
Wer die soziale Situation verbessern will, der muss die
Konzerne hinsichtlich der Kernarbeitsnormen auch bei
den Investitionen in die Pflicht nehmen.
Mit der EU-Strategie „Ein wettbewerbsfähiges
Europa in einer globalen Welt“ forcieren Sie im Gegen-
teil die Freizügigkeit bei Investitionen europäischer
Konzerne in bilateralen Handelsabkommen. Damit neh-
men Sie den Regierungen die Gestaltungsmacht in die-
sen Dingen, anstatt sie zu stärken. Auch für Europa be-
handeln Sie soziale und ökologische Auflagen in dieser
Strategie als Hindernis für die Wettbewerbsfähigkeit, die
es zu beseitigen gilt.
Wer erfolgreiche Verhandlungen und einen erfolgrei-
chen Abschluss will, der muss im Rahmen der Ratspräsi-
dentschaft und des G-8-Vorsitzes eine Neuorientierung
vornehmen: die Förderung sozialer und ökologischer
Nachhaltigkeit in Europa und in den Verhandlungen, die
Orientierung an einem fairen Welthandel mit den Ent-
wicklungs- und Schwellenländern – das heißt, Ernäh-
rungssicherheit und Souveränität für alle; auch für die
Schwellenländer –, eine tatsächlich an deren Interessen
orientierte Verhandlung – das heißt, keine Ausweitung in
das GATS – und der Schutz vor dem Zugriff auf ihre
Märkte. Kollege Fritz, der Handel braucht auch die Ab-
sicherung des Sozialsystems. Das gilt also nicht nur um-
gekehrt.
Schöne Feiertage und auf gute Zusammenarbeit im
nächsten Jahr!
Danke.
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Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
ollege Thilo Hoppe, Fraktion Bündnis 90/die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
1. September 2001 brachte einen großen Schock. Un-
ittelbar danach fand in Doha eine Konferenz statt. Un-
er dem Eindruck dieser schrecklichen Ereignisse gab es
as Versprechen, dass die Doharunde eine Entwick-
ungsrunde werden sollte. Es wurde schon gesagt: Die
uswertung der Uruguayrunde hatte ergeben, dass es
en ärmsten Ländern danach noch schlechter als zuvor
ing. An die Doharunde wurde ein ganz anderer An-
pruch gestellt: Mit ihr sollte wirklich zur Armutsbe-
ämpfung und zur Wohlfahrtssteigerung in den Entwick-
ungsländern beigetragen werden.
Doch was ist daraus geworden? Wir erleben in den
iskussionen sehr viel Entwicklungsrhetorik. Ich habe
as „off the record“ am Rande der WTO-Konferenz in
ongkong erlebt, weil ich in demselben Hotel wie die
itglieder der EU-Kommission untergebracht war.
bends an der Hotelbar hat ein sehr hoher Repräsentant
er EU-Kommission gesagt: Meine Herren, bei den Er-
ffnungsveranstaltungen müssen wir alle eine Träne aus-
rücken, die Millenniumsziele zitieren und von der Ar-
utsbekämpfung sprechen. Aber seien wir ehrlich:
enn wir nach Hause kommen, werden wir daran ge-
essen, was wir für unsere Exportindustrie herausgeholt
aben. – Das war jetzt kein Originalzitat – ich habe es
icht mit einem Rekorder aufgenommen –, aber sinnge-
äß vorgetragen. Offenbar legen viele dort eine ziem-
ich zynische Haltung an den Tag.
Hier wurde in vielen Reden gesagt, die Europäische
nion habe sich bereits hervorragend bewegt; abgesehen
on den Franzosen seien es allein die Amerikaner, die
lockierten. Das sieht die große Mehrheit der Entwick-
ungsländer völlig anders. Auch da gibt es eine große
luft zwischen Selbsteinschätzung und Fremdwahrneh-
ung.
In den Reden, die zum Antrag gehalten wurden,
urde viel Richtiges gesagt. Ich war angenehm über-
ascht, dass die Kernarbeitsnormen der ILO unter-
tützt werden. Es ist eine sehr wichtige und gute Forde-
ung in diesem Antrag, diese Normen anzuwenden.
ußerdem wurde gefordert, ein Standing Forum zu
tablieren, damit sich die WTO stärker mit anderen mul-
ilateralen Organisationen, die für die ökologischen und
ozialen Dimensionen der Globalisierung verantwortlich
ind – die WTO ist stark; die anderen Organisationen
ind sehr schwach –, verzahnt. Richtig war auch, dass
esagt wurde: Umweltschweinereien und ausbeuterische
inderarbeit sowie die Verletzung von Kernarbeitsnor-
en dürfen sich nicht als komparative Kostenvorteile
uswirken. Das sind ganz wichtige Punkte, die ich aus-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7455
)
)
Thilo Hoppe
drücklich unterstreichen möchte. Das Votum fast aller
Redner ist also zu unterstützen: Wir sind nicht an einem
Scheitern der WTO, sondern an ihrer Stärkung interes-
siert; wir brauchen multilaterale Regeln für alle.
Wir können hier eigentlich eine breite Übereinkunft
von fast allen feststellen. Liest man aber den Antrag, er-
kennt man, dass er in einigen Punkten eine ganz andere
Sprache spricht. Er beinhaltet Double-Bind: Einerseits
fordert er, der Doha-Entwicklungsrunde zum Erfolg zu
verhelfen; gleichzeitig sagt er aber auch: Wenn das nicht
klappt, müssen bilaterale und polylaterale Verhand-
lungen mit Kraft geführt werden.
Das ist keine Zukunftsvision; das geschieht schon, etwa
im Rahmen der EPA-Verhandlungen, der Verhandlungen
mit den AKP-Staaten sowie bei den Verhandlungen mit
asiatischen Staaten, mit China und Indien, die Peter
Mandelson begleitet hat. Damit wird aber nicht das Er-
gebnis von Hongkong gesichert.
Themen, die bei der WTO schon hinten herunterge-
fallen waren, kommen durch die Hintertür wieder auf die
Agenda; das wird im Antrag sogar ausdrücklich gefor-
dert. Hiermit meine ich die Singapurthemen: Investi-
tionsschutz, Wettbewerb, öffentliches Beschaffungswe-
sen. Unter Rot-Grün haben wir vor der Cancúnkonferenz
einen Antrag verabschiedet, der eindeutig vorsah, die
Singapurthemen herauszunehmen, weil sie zu kompli-
ziert sind, weil sie eine Einigung erschweren. Jetzt heißt
es im Antrag plötzlich zu bilateralen Abkommen, sie
… sollten allerdings mit dem Anspruch verbunden
werden, über den aktuellen Stand der WTO-Verein-
barungen hinauszugehen.
Diese Themen sollen also wieder aufgenommen wer-
den.
Das ist eine Sabotage der WTO. Wir sehen das sehr kri-
tisch. In diesem Bereich können wir Ihrem Antrag nicht
zustimmen.
Wir möchten eine Entwicklungsrunde, die diesen Na-
men verdient. Das Wort Entwicklungsrunde soll kein
Etikettenschwindel sein. Das macht weit größere Zuge-
ständnisse auch der Europäischen Union bei der
Abschaffung der Agrarexportsubventionen – nicht
nur der direkten Agrarexportsubventionen, sondern aller
Subventionen im Agrarbereich, die sich handelsverzer-
rend und nachteilig für die Entwicklungsländer auswir-
ken können – erforderlich.
Zum Schluss möchte ich einige Redner bremsen. Ei-
nige Rednerinnen und Redner haben zitiert, eine gren-
zenlose Liberalisierung aller Märkte würde große Wohl-
standsgewinne für die ganze Welt bringen. Es gibt neue
Studien der Weltbank – ich habe die Zahlen leider nicht
vorliegen; ich kann sie Ihnen aber zur Verfügung
stellen –, die besagen, dass eine grenzenlose Liberalisie-
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den An-
rag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD mit dem
itel „Anstrengungen für einen erfolgreichen Abschluss
er Doha-Welthandelsrunde mit höchster Priorität
ortsetzen“. Wer stimmt für den Antrag auf Druck-
ache 16/3810? – Das sind die Antragsteller. – Wer
timmt dagegen? – Wer enthält sich? – Das erste war die
ehrheit. Dann ist der Antrag angenommen.
Zum Tagesordnungspunkt 24 b stimmen wir nun über
ie Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirt-
chaft und Technologie auf Drucksache 16/3584 zum
ntrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Doha-Runde
ieder beleben – WTO-Generaldirektor als Schlichter
insetzen“ ab. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf
rucksache 16/2658 abzulehnen. Wer stimmt für die Be-
chlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
ält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit Mehrheit
egen die Stimmen der FDP angenommen.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 25 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Christel Happach-Kasan, Cornelia Pieper,
Hans-Michael Goldmann, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der FDP
Eigentumsrechte und Forschungsfreiheit
schützen – Entschiedenes Vorgehen gegen Zer-
störungen von Wertprüfungs- und Sortenver-
suchen sowie von Feldern mit gentechnisch
veränderten Pflanzen
– Drucksache 16/2835 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit
7456 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Präsident Dr. Norbert Lammert
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Kollegin Dr. Christel Happach-Kasan für die FDP-Frak-
tion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
23 Felder mit gentechnisch veränderten Pflanzen wur-
den in diesem Jahr zerstört. Forschungsinvestitionen
wurden entwertet, Wissensfortschritt verhindert und das
Engagement junger Wissenschaftlerinnen und Wissen-
schaftler ins Leere geführt. Wir in der FDP empfinden
diese Situation als unerträglich.
Dabei wollen wir festhalten: Die Mehrzahl der Zer-
störungen richtete sich nicht gegen den kommerziellen
Anbau von Bt-Mais, eine gentechnisch veränderte Mais-
sorte, die gegen das Schadinsekt Maiszünsler resistent
ist. Die Mehrzahl der Zerstörungen richtete sich gegen
Sortenversuche und Wertprüfungen, gegen Versuche zur
biologischen Sicherheit und gegen Koexistenzversuche.
All diese Versuche finden auf Miniflächen statt. Damit
richteten sich diese Zerstörungen gezielt gegen den
Züchtungsfortschritt von landwirtschaftlich genutzten
Sorten und die Steigerung der Wertschöpfung in den
ländlichen Räumen. Die Schäden betrugen mehrere Mil-
lionen Euro. Ich meine, dass wir das nicht länger hinneh-
men können.
Eine Regierung, die eine Hightechstrategie auf den
Weg gebracht hat und diese auch umsetzen will, wie ich
annehme, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD
und der CDU/CSU, und die im Koalitionsvertrag verein-
bart hatte, dass Anbau und Forschung gentechnisch
veränderter Pflanzen zum Wohle der ländlichen Räume
gefördert werden sollen, ist angesichts dieses zerstöreri-
schen Demonstrationstourismus gefordert, Gegenmaß-
nahmen zu entwickeln.
Mittelständische Zuchtunternehmen haben wegen
dieser Situation bereits vor mehreren Jahren Forschungs-
abteilungen ins Ausland verlagert.
Studenten, Diplomanden, Doktoranden und andere
Wissenschaftler können aufgrund ihrer guten Sprach-
kenntnisse ebenfalls ins Ausland gehen. Es ist für sie
kein Problem, ein Arbeitsplatzangebot im Ausland anzu-
nehmen.
Aber was wird aus unserem Mittelstand, aus der Gas-
tronomie und dem Handwerk, wenn diejenigen unser
Land verlassen, die relativ gut verdienen und es sich
leisten können, ein Haus zu bauen, die hier Urlaub ma-
chen und gerne in die Gastwirtschaft gehen?
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In mehr als vier Ländern, und es sind große Länder.
Die Produkte kommen zu uns. Es macht keinen Sinn,
ich gegen eine Züchtungsmethode zu wehren, über die
um Beispiel der Senat der Bundesforschungsanstalten
agt: Bt-Mais ist gesünder als herkömmlich gezüchteter
ais. Warum soll dieser Züchtungsfortschritt bei uns
erhindert werden?
Ich kenne auch das Gutachten, das in Bayern erarbeitet
urde. Das Bt-Mais-Monitoring wurde in vier Jahren an
ünf Standorten durchgeführt. Das Gutachten ist hervor-
agend. Wenn Sie es ganz lesen, dann werden Sie fest-
tellen, was uns alles entgeht.
Das Bundesamt für Naturschutz hat in seinen Stel-
ungnahmen in der Regel eine sehr abwegige Sicht der
inge. Es weiß noch nicht einmal, dass beispielsweise
artoffeln nicht auskreuzen.
Das ist nicht höhnisch. Ich habe mich mit dem Gutach-
en des Bundesamtes für Naturschutz und den an mich
erichteten Briefen auseinander gesetzt. Ich habe sie
ithilfe von Wissenschaftlern gegengecheckt und
usste feststellen, dass das Bundesamt für Naturschutz
n Forschungsfragen nicht auf der Höhe der Zeit ist. Ich
ill Ihnen ganz ehrlich sagen: Das bedauere ich als en-
agierte Biologin.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7457
)
)
Dr. Christel Happach-Kasan
– Ich fahre in meiner Rede fort. Aber Sie dürfen mir
selbstverständlich gerne eine Frage stellen, Herr Kol-
lege.
Nein. Es gab bereits vorher eine andere Wortmeldung.
Diese müssen wir, wenn überhaupt, zuerst berücksichti-
gen.
Entschuldigung, das habe ich nicht gesehen.
Gestatten Sie denn eine Zwischenfrage? Sehen allein
reicht nicht.
Sehr gerne.
Bitte schön, Frau Kurth.
Undine Kurth (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Frau Happach-Kasan, habe ich richtig verstanden,
dass Sie gesagt haben, dass das Bundesamt für Natur-
schutz in der Einschätzung wissenschaftlicher Sachver-
halte nicht auf der Höhe der Zeit ist?
Ich habe mich insbesondere mit den Arbeiten des
Bundesamtes für Naturschutz zur Freisetzung von Kar-
toffeln auseinander gesetzt. Ich habe einen Brief von
Herrn Vogtmann zu diesem Thema bekommen. Ich habe
nach Kontrolle durch andere wissenschaftliche Einrich-
tungen der Bundesrepublik Deutschland feststellen müs-
sen, dass bestimmte Dinge, die das Bundesamt für Na-
turschutz vertritt, nicht richtig sind. Ich möchte zudem
daran erinnern, dass das UBA und das BfN gemeinsam
Gutachten über die Wirksamkeit von Freisetzungsversu-
chen herausgegeben haben, die meine Position sehr
deutlich bestätigen. Das heißt, wenn das UBA beteiligt
wird, kann auch das BfN gut arbeiten.
Möchten Sie eine weitere Zwischenfrage aus den ei-
genen Reihen beantworten?
Gerne.
Bitte schön, Herr Königshaus.
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Ich teile Ihre Auffassung, dass die Bundesregierung
ffensichtlich die Verantwortung für die Grüne Gentech-
ik in das Auswärtige Amt verlagert hat. Ich glaube,
ass sie dort gut aufgehoben ist. Ich darf an meine Erfah-
ungen in Argentinien erinnern. Dort wurde uns gesagt:
ie Koexistenz ist die Sache derjenigen, die ohne Gen-
echnik anbauen wollen. Insofern vielen Dank für Ihre
nterstützung.
Ich möchte in meiner Rede fortfahren. Bei der Novel-
ierung des Gentechnikgesetzes verspielt Bundesminis-
er Seehofer viele Chancen für den Wissenschaftsstand-
rt Deutschland. Willentlich hat Minister Seehofer die
ovellierung des Gentechnikgesetzes so weit hinausge-
choben, dass es in der kommenden Anbausaison nicht
ehr zur Geltung kommt. Damit enttäuscht insbeson-
ere die CDU/CSU, mit der ich noch vor einem Jahr völ-
ig übereingestimmt habe, die Erwartungen der Wähle-
innen und Wähler.
Das glaube ich sehr wohl, Frau Kollegin Tackmann.
Es gibt in unserem Rechtsstaat keinen Freibrief für
echtswidriges Handeln. Im Grundgesetz ist der Schutz
es Eigentums verankert. Die Zerstörung von Feldern ist
ine gesetzeswidrige Aktion. Den Aktivisten, die für die
erstörung von Feldern werben, ist dies bekannt. Laut
taz“ sagte eine Aktivistin: „Wir wissen, dass es sich im
rinzip um eine Sachbeschädigung handelt, und gehen
on einer Anklage aus.“ Die FDP bedauert, dass sich
rotz der eindeutigen Rechtslage nur wenige Verbände
owie nur wenige Politikerinnen und Politiker von
rechtswidrigen – Zerstörungsaktivitäten distanzie-
en. Ministerin Künast hat in ihrer Amtszeit auf die kon-
rete Anfrage des ZDF eine Distanzierung verweigert.
reenpeace begrüßt laut einer Sprecherin eine Vielzahl
on Protesten. Ich wünsche mir, dass sich meine Kolle-
innen und Kollegen aus den anderen Fraktionen in den
ommenden Debatten öffentlich von diesen Zerstörun-
en distanzieren; denn unser Rechtsstaat ist ein sehr ho-
es Gut, das wir einer tagespolitischen Auseinanderset-
ung nicht opfern sollten.
7458 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Dr. Christel Happach-Kasan
Wer Transparenz beim Anbau gentechnisch veränder-
ter Pflanzen will, muss den Zerstörungen aktiv entge-
gentreten. Es ist in meinen Augen extrem doppelzüngig,
die Ortsangabe für diese Felder einzufordern, aber wenn
sie zerstört werden, die Hände in Unschuld zu waschen.
Wir sollten uns einig sein – –
Frau Kollegin, einig sollten wir uns auch über die Re-
dezeit sein. Diese ist, wie Ihnen entgangen sein dürfte,
schon deutlich überschritten.
Ich möchte die Geduld der Kolleginnen und Kollegen
nicht zu lange strapazieren und komme deshalb zum
Schluss. Ich bin in Brandenburg bei einer der
23 Zerstörungsaktionen dabei gewesen.
– Als Beobachter und Schützer des Landwirts! – Er-
schreckend waren der extrem geringe Informationsstand
vieler Aktivisten – nicht aller – und die Tatsache, dass
die Veranstalter vor Fehlinformationen nicht zurück-
scheuten und dass diese Aktion durchgezogen wurde,
obwohl sie in der dortigen Bevölkerung keinerlei Unter-
stützung fand. Nur die „taz“ hat von dieser Aktion be-
richtet. Dieses Beispiel macht deutlich, dass die gewalti-
gen Proteste nicht von Ängsten motiviert sind, sondern
– immer am Wochenende organisiert – eine Form der
Freizeitgestaltung sind.
Diese sollte durch das Gentechnikgesetz keine wei-
tere Unterstützung finden. Auch deswegen muss das
Gentechnikgesetz novelliert werden.
Diese Art der Freizeitgestaltung
muss auf den Widerstand der Gesellschaft, der Politike-
rinnen und Politiker und von ernsthaft im Naturschutz
engagierten Verbänden treffen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wün-
sche Ihnen schöne Weihnachten und ein gutes neues
Jahr.
Die Kolleginnen und Kollegen Dr. Max Lehmer,
Elvira Drobinski-Weiß, Dr. Kirsten Tackmann und
Ulrike Höfken geben ihre Reden zu Protokoll.1)
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1) Anlage 2
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/2835 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Ich stelle fest, dass das so ist. Damit ist die
berweisung so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:
Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung
Erster Bericht der Bundesregierung über die
Umsetzung des Aktionsplans zur zivilen Kri-
senprävention, Konfliktlösung und Friedens-
konsolidierung – Sicherheit und Stabilität
durch Krisenprävention gemeinsam stärken
– Drucksache 16/1809 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Hierzu soll eine dreiviertelstündige Debatte stattfin-
en. Ich stelle dazu Einvernehmen fest. Dann ist das so
eschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat
unächst Staatsminister Gernot Erler.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am
2. Mai 2004 hat die rot-grüne Bundesregierung den Ak-
ionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und
riedenskonsolidierung“ vorgelegt. Er enthielt mehr als
60 Handlungsvorschläge, baute auf einer Reorientie-
ung von Sicherheitspolitik seit dem Jahr 2000 auf und
eflektierte Erfahrungen mit verschiedenen Konflikten,
nter anderem auf dem Balkan und später auch in Af-
hanistan.
Zwei Jahre später, am 31. Mai 2006, hat das Bundes-
abinett den ersten Bericht zur Umsetzung dieses Ak-
ionsplans verabschiedet und vorgelegt. Auf 133 Seiten
ird hier bilanziert, was zwischen Mai 2004 und Mai
006 erreicht werden konnte. Dieser Bericht stellt fest:
er Aktionsplan hat das deutsche Engagement bei Kri-
enpräventionsmaßnahmen verstärkt und das auch inter-
ational sichtbar gemacht. Der Aktionsplan hat insge-
amt zu erhöhter Aufmerksamkeit auf diesen
olitikbereich geführt und dazu beigetragen, dass heute
risenprävention zunehmend Teil von Sicherheitspolitik
eworden ist. Diese Erkenntnis hatte sich auch in dem
ürzlich vom Deutschen Bundestag beratenen Weiß-
uch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zu-
unft der Bundeswehr 2006 niedergeschlagen. Ich
öchte daraus eine kurze Passage in Erinnerung rufen.
ort heißt es wörtlich:
Sicherheit kann weder rein national noch allein
durch Streitkräfte gewährleistet werden. Erforder-
lich ist vielmehr ein umfassender Ansatz, der nur in
vernetzten sicherheitspolitischen Strukturen sowie
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7459
)
)
Staatsminister Gernot Erler
im Bewusstsein eines umfassenden gesamtstaatli-
chen und globalen Sicherheitsverständnisses zu ent-
wickeln ist. Das Gesamtkonzept der Bundesregie-
rung „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und
Friedenskonsolidierung“ ist ein Baustein hierzu.
Dieser Baustein wird immer wichtiger. Warum? Weil je-
der sieht, dass ein alleiniges Setzen auf Fähigkeiten,
Konflikte, wenn sie ausbrechen, durch militärische In-
tervention unter Kontrolle zu bringen, große Risiken
birgt. Wir wissen aus dem Balkan und aus Afghanistan,
dass das Risiko besteht, dass jede solche Intervention zu
einer sehr aufwendigen Langzeitverantwortung führt
und dass dabei tendenziell eine Überforderung, ein so
genanntes Overstretching, der Weltgemeinschaft ent-
steht. Die Alternative ist in der Tat eine wirksamere, vor-
ausschauende Friedenspolitik, eine bessere und frühzei-
tige Analyse, Early Warning, und eine bessere und
frühzeitige Antwort, Early Action, auf drohende Kon-
flikte, also letztlich die Verhinderung von Krisen, be-
vor sie überhaupt richtig ausbrechen können.
Dieser Baustein ist aber auch wichtig, weil wir die Er-
fahrung machen, wie schwierig Friedenskonsolidierung,
also die langfristige Stabilisierung nach einer vorläufi-
gen Konfliktlösung, ist. Wir verdanken dem scheidenden
UN-Generalsekretär Kofi Annan die Erkenntnis, dass
50 Prozent aller schon gelösten Konflikte nach fünf Jah-
ren wieder virulent werden und wieder ausbrechen. Weil
das so ist, ist es kein Wunder, dass zivile, präventive und
friedenskonsolidierende Missionen immer wichtiger
werden. Es ist kein Zufall, dass von den 15 laufenden
Maßnahmen im Rahmen der ESVP heute 13 ziviler und
nur zwei militärischer Natur sind. In diese Richtung geht
es weiter.
Während unserer Ratspräsidentschaft in der EU wer-
den wir wahrscheinlich die bisher umfangreichste
Rechtsstaatsmission in der bisherigen Geschichte der
ESVP auf den Weg bringen, nämlich die im Kosovo.
Dort werden etwa 950 Spezialisten plus 250 Polizisten
eingesetzt, die auf Crowd-and-Riot-Control spezialisiert
sind. Wir werden vielleicht darüber beraten müssen, was
das Ergebnis der Fact-Finding-Mission ist, die gerade in
Afghanistan war und die dort über eine Polizeimission
Fakten gesammelt hat. Wir werden uns sicher darüber
unterhalten, wie es im Kongo weitergehen soll, wo im
Augenblick zwei zivile Missionen in Sachen Sicher-
heitssektor und Polizei sind, um den schönen Erfolg im
Kongo, den die Weltgemeinschaft und speziell die EU
erreicht haben, mit der EUFOR abzusichern. Es gibt so-
gar schon erste Überlegungen über künftige ESVP-Auf-
gaben in Zentralasien. Das alles zeigt die Vitalität der
Nachfrage nach wirksamen Missionen im Bereich ziviler
Krisenprävention. Damit zeigt sich auch die Bedeutung
der Umsetzung des Aktionsplans, dessen Bericht wir
hier beraten.
Der Bericht der Bundesregierung zeigt allerdings
auch, dass noch viel zu tun ist. Dessen ist sich die Bun-
desregierung bewusst. Ich will hier fünf Punkte stich-
wortartig anführen: Erstens. Wir brauchen ein Missions-
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche
hnen alles Gute und mir selber gute Besserung.
Das Wort hat nun der Kollege Hellmut Königshaus,
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
laube, lieber Herr Staatsminister, das Thema ist aus der
icht der Bundesregierung doch ein Randthema; wenn
ch die Präsenz auf der Regierungsbank betrachte, sieht
as jedenfalls so aus.
Joschka Fischer hatte gestern, wie man weiß, keinen
esonders guten Auftritt. Aber heute möchte ich ihn
7460 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
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)
Hellmut Königshaus
loben. Denn der von ihm verantwortete Aktionsplan zur
zivilen Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedens-
konsolidierung war eine wichtige Initiative. Sie eröffnet
große Chancen, jedenfalls wenn sie richtig umgesetzt
wird.
Der Vorrang der Prävention und des Zivilen vor der
rein militärischen Reaktion ist natürlich ein vernünftiger
Ansatz, wenn die notwendigen Mittel bereitgestellt wer-
den. Leider ist das nicht ganz selbstverständlich. Auch
wir hier im Hohen Hause haben immer wieder erlebt,
dass wir Militäreinsätze fast schon routinemäßig be-
schließen und beschließen müssen.
Der Aktionsplan unternimmt wenigstens den Versuch,
solchen Krisen vorzubeugen, mit zivilen Mitteln einzu-
greifen und insbesondere durch eine kohärente Politik
ressortübergreifend die Kräfte zu bündeln, bevor ein Mi-
litäreinsatz erforderlich wird.
Dadurch wird zugleich versucht – auch das ist gut –,
Ressortegoismen dem großen Ziel unterzuordnen. So
weit, so gut.
Leider verliert sich die Umsetzung des Aktionsplans
allerdings in Kleinigkeiten und Einzelheiten. Vielleicht
– das kann man sicherlich konzedieren – ist das der
Preis, den man zahlen muss, wenn man bestimmte Auf-
gaben zwar ressortübergreifend berät, aber in den einzel-
nen Häusern entscheiden lassen muss. Hier werden wie-
der Reibungsverluste sichtbar, die beispielsweise der
leidigen Trennung von AA und BMZ geschuldet sind.
Das will ich hier jetzt nicht vertiefen.
Aber eines muss man feststellen: In dem eigens gebil-
deten Ressortkreis geben die Mitarbeiter ihr Bestes. Das
gilt auch für die Mitglieder des beim AA angesiedelten
Beirats, zu denen übrigens viele Vertreter von NROs ge-
hören, aber auch viele Mitarbeiter von internationalen
Unternehmen. Das ist nicht selbstverständlich. Ihnen ge-
bührt der besondere Dank der FDP-Fraktion und, wie ich
annehme, des ganzen Hauses.
Ich nehme an, dass diesen Dank auch die Kolleginnen
und Kollegen von der Union und der Linken teilen,
obwohl sie dem Beirat bisher noch keinerlei Zeichen von
Teilnahme gezeigt haben. Das wird sich hoffentlich än-
dern. Die Kollegin Hänsel, die noch in letzter Minute ih-
ren Beitrag hier angemeldet hat – normalerweise nennt
man das eine Spätberufene –, wird uns sicher erklären,
dass auch die Linken dieses Thema ernst nehmen.
Trotz der genannten Hemmnisse und Hindernisse ist
es also insgesamt ein lobenswertes Vorhaben. Aber was
hat sich an positiven Ansätzen konkret daraus entwi-
ckelt? Wir wissen es: leider nicht besonders viel. Der
Bericht selbst belegt dies. Es ist Kleinkram. Es fehlt ein-
fach der politische Wille, den mit dem Aktionsplan ver-
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Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass die Katastrophe
on Aceh schon zwei Jahre zurückliegt. Man hätte also
uch zu einem anderen Zeitpunkt dorthin fahren können.
a ein Thema auf der Tagesordnung steht, das im Zen-
rum unserer Aufmerksamkeit liegen sollte, hätte die Mi-
isterin heute hier und nicht dort sein müssen.
ier zeigt sich, dass für die Ministerin die Öffentlich-
eitsarbeit mit „Frau im Spiegel“ wichtiger ist als die
it dem „Spiegel“.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7461
)
)
Hellmut Königshaus
Diese Geringschätzung der Krisenprävention in der
praktischen Arbeit ist das Problem, mit dem wir uns aus-
einander setzen sollten. Sie sollten genauso wie wir ein-
mal danach fragen, wo eigentlich die ordnende Hand ist,
die tatsächlich Prioritäten setzt.
Rund ein halbes Prozent unserer gesamten EZ-Mittel
gehen zurzeit nach Afghanistan. Obwohl wir am Hindu-
kusch, wie der jetzige SPD-Fraktionsvorsitzende und
ehemalige Verteidigungsminister – er ist sozusagen ein
Sachverständiger in dieser Frage – sagt, –
Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Kollege.
– ich habe es gesehen, Herr Präsident – unsere Frei-
heit verteidigen, passiert nichts Adäquates.
Der Plan ist also gut. Aber seine Verankerung in den
Köpfen ist leider miserabel und seine Umsetzung des-
halb weitestgehend misslungen.
Da ich außerhalb meiner Redezeit keine Weihnachts-
wünsche mehr äußern darf, möchte ich wenigstens da-
rum bitten, dass die Bundesregierung für das neue Jahr
gute Vorsätze fasst und sich vornimmt, diesen Aktions-
plan wenigstens zu lesen. Wir wünschen uns, Frau Kol-
legin Zapf, dass er in konkrete Politik umgesetzt wird.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Holger Haibach für
die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei aller vorweih-
nachtlichen Friedfertigkeit, Herr Kollege Königshaus,
muss ich sagen: Was Sie eben von sich gegeben haben,
kann man nicht unkommentiert stehen lassen.
Ich glaube, die Entwicklung im Kongo und die Auf-
gaben, die Deutschland im Bereich der Friedenskonsoli-
dierung und der Konfliktprävention in vielen anderen
Ländern übernommen hat – zum Beispiel werden
885 Millionen Euro für Entwicklungshilfe in Afghanis-
tan ausgegeben – zeugen davon, dass in der Bundesre-
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Es ist daher richtig, wenn wir versuchen, vorurteils-
rei an die Sache heranzugehen und zu schauen, was in
en letzten beiden Jahren wirklich passiert ist.
Niemand bestreitet doch, dass dieser Bereich ausbau-
ähig ist. Jeder von uns würde gerne mehr Mittel zur
erfügung stellen, damit mehr getan werden kann. Aber
chauen Sie einmal auf den Rest von Europa und auf die
nderen Kontinente. Viele Länder dieser Welt haben
as Instrument der zivilen Krisenprävention, der Kon-
liktlösung und der Friedenskonsolidierung gerade erst
ntdeckt. In Deutschland sind wir immerhin schon so
eit, dass wir diesen Weg seit zwei Jahren gehen. Natür-
ich ist dies immer noch ein zartes Pflänzchen; aber es ist
mmerhin eines vorhanden und wir brauchen nicht erst
och den Samen zu streuen. Auch das sollten Sie bei al-
er notwendigen Kritik seitens der Opposition anerken-
en.
ch glaube, dass in dem heute vorliegenden Bericht sehr
eutlich gemacht wird, wo in Zukunft unsere Schwer-
unkte liegen müssen.
Ich möchte auf das zu sprechen kommen, was der
ollege Königshaus gesagt hat: Wir sind in letzter Zeit
ehr häufig dafür kritisiert worden, dass wir uns zu we-
ig an harten Militäreinsätzen beteiligen,
ass wir nicht an diesem internationalen Einsatz teilneh-
en und nicht in jenes Land gehen. Wir leisten aber ei-
en wichtigen Beitrag. Die Konsolidierung von Frie-
ensprozessen und die Konfliktprävention sind vielleicht
icht sehr spektakulär; denn sie liefern nicht solche Bil-
er, wie sie Kriegseinsätze liefern. Aber sie wirken zum
chluss dauerhafter und nachhaltiger und verdienen des-
alb unsere volle Unterstützung.
Natürlich ist es in diesem Zusammenhang schwierig,
inen ressortübergreifenden Ansatz zu wählen. Aber
s ist immerhin gelungen. Ich finde, dass man an vielen
tellen sehr deutlich sehen kann, wo wir Möglichkeiten
nd Chancen haben. Natürlich gibt es Länder, von denen
ir heute sagen: Da sind wir nicht so weit, wie wir gerne
ären. Das ist gar keine Frage.
Mir fällt in diesem Zusammenhang auch Afghanistan
in. Afghanistan ist ein Land, das unsere volle Aufmerk-
amkeit verdient; über die Mittel, die dort hinfließen,
abe ich schon gesprochen. Es ist ein Land, für dessen
tabilisierung wir alle Kräfte – in diesem Fall von der
lassischen Verteidigungs-, also Militärpolitik, über die
lassische Außenpolitik und die Menschenrechtspolitik
7462 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Holger Haibach
bis hin zur Entwicklungspolitik – bündeln müssen. Ge-
rade an dieser Stelle sollten wir die Entwicklungspolitik
viel mehr als strategisches Element und strategisches
Moment begreifen; denn nur sie kann dabei helfen, sozi-
ale Verwerfungen zu beseitigen und nachhaltige Lösun-
gen zu schaffen.
Ich denke dabei gerade an den Bereich, der sicherlich
mit am wichtigsten ist: die Verbreitung von Drogen.
Dies ist eine große Aufgabe; das ist gar keine Frage. Sie
lässt sich nicht nur mit militärischen Mitteln lösen. Wir
haben zum einen ein Mentalitätsproblem und zum ande-
ren vor allen Dingen das Problem zu lösen, dass wir den-
jenigen, die Drogen anbauen, eine tatsächliche Alterna-
tive bieten müssen, damit sie damit aufhören, Drogen
anzubauen. Da sind unsere Kreativität und unsere Mittel
gefragt; denn wir können an dieser Stelle nur dann etwas
erreichen, wenn wir echte Alternativen haben. Zu sagen:
„Baut irgendein Getreide an“, das dann vielleicht nur ein
Zehntel oder ein Hundertstel des Gewinnes abwirft, den
der Drogenanbau bringt, wird keine Lösung sein. Auch
das sollten wir für die Zukunft sehen.
Ein Weiteres, wenn wir über Afghanistan reden. Wir
haben es mit einem Land zu tun, das eine Grenze zu Pa-
kistan hat. Diese Grenze ist, wenn wir über die Verbrei-
tung und den Transport von Drogen reden, ein großes
Problem für uns; das wissen wir alle. Es gibt noch keine
richtige Lösung dafür. Aber ich glaube, auch hierin liegt
durchaus ein Ansatz für entwicklungs- und menschen-
rechtspolitische Maßnahmen. Wir haben es nun einmal
mit einer Grenzregion zu tun, die sich nicht mit einer
europäischen Grenzregion oder einer auf dem amerika-
nischen Kontinent vergleichen lässt. Es leben dort Men-
schen, die sich nicht zwingend als Afghanen oder Pakis-
tanis bezeichnen würden. Es sind vielleicht Paschtunen
oder Angehörige einer anderen Volksgruppe. Es gehört
für uns dazu, zu lernen, dass die Mentalitäten anders
sind. Wir müssen uns auf diese anderen Mentalitäten
einstellen und sie bei unseren Maßnahmen im Bereich
der Entwicklungspolitik berücksichtigen.
So könnte man viele andere Gebiete auf dieser Welt
beleuchten. Ich möchte daher – es hat in der Debatte vor-
hin eine Rolle gespielt – noch den Sudan ansprechen.
Da erleben wir eine verkehrte Welt. Die Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen hätte vielleicht vor zehn Jah-
ren nicht so gesprochen, wie sie es heute tut, wenn es um
die Frage geht: Brauchen wir mehr Militär an dieser
Stelle in der Welt? Dazu sage ich ganz deutlich: Natür-
lich hat das etwas mit militärischem Engagement zu tun.
Aber es ist doch unverantwortlich, Soldaten in eine Mis-
sion zu schicken, von der wir von vornherein wissen,
dass sie angesichts der gegenwärtigen Situation keine
Aussicht auf Erfolg hat. Dementsprechend brauchen wir
auch hier einen übergreifenden Ansatz und eine über-
greifende Lösung. Ich glaube nicht, dass wir mit kurz-
fristigen Aussagen weiterkommen, mögen sie auch recht
interessant sein.
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nteressanterweise ist der Kollege Königshaus ja Mit-
lied des Aufsichtsrats. Deswegen finde ich es ausge-
prochen spannend, dass er das an dieser Stelle leider gar
icht gesagt hat.
In dem Bericht kann man nachlesen, wo sich
eutschland überall engagiert. Ich zähle es einmal auf:
ei Missionen der Europäischen Union und der UN in
en Ländern Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Afghanis-
an, Sudan, Äthiopien, Eritrea, Georgien, Sierra Leone,
iberia, Mazedonien, Aceh in Indonesien, Moldau/
kraine und am Grenzübergang Raffah zwischen Ägyp-
en und dem Gazastreifen. Dazu kommen 180 OSZE-
issionen und 10 Missionen des Europarates. Ich glaube
icht, dass man davon sprechen kann, dass sich Deutsch-
and zu wenig engagiert.
Natürlich ist es wichtig – Herr Staatsminister Erler
at das schon angesprochen –, dass wir die Kräfte in Zu-
unft bündeln; das muss die Aufgabe der kommenden
ahre sein. Wir wissen, dass uns nicht die finanziellen
essourcen zur Verfügung stehen werden, die wir ei-
entlich bräuchten. Deshalb ist es notwendig, dass wir
ns besser verzahnen, dass wir uns hinsichtlich der Ini-
iativen mit anderen Ländern zusammenschließen. Wir
üssen dieses Thema in der Europäischen Union und
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7463
)
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Holger Haibach
der transatlantischen Partnerschaft in den Vordergrund
rücken.
Ich habe vor zwei Tagen ein Gespräch mit Mitarbei-
tern des britischen Außenministeriums geführt. Sie ver-
suchen in diese Richtung etwas, was beispielhaft ist. Ich
denke, dass wir dort und auch jenseits des Atlantiks gute
Anknüpfungspunkte finden.
Wir haben es, so meine ich, mit einer durchaus erfolg-
reichen Angelegenheit zu tun. Ich kann die Bundesregie-
rung nur ermuntern, auf diesem Weg weiterzufahren.
Ich wünsche uns allen frohe Weihnachten und ein gu-
tes neues Jahr.
Ich danke Ihnen.
Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Winfried
Nachtwei, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Staatsminister Erler, Herr Botschafter Däuble, bitte
bestellen Sie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
unseren ganz herzlichen Dank dafür, dass sie diesen Be-
richt zusammengestellt haben.
Dieser Bericht zeigt erneut, in welcher Breite und Inten-
sität in diesem Bereich schon seit längerem vonseiten
der Bundesregierung gearbeitet wird.
Im Unterschied zum ursprünglichen Aktionsplan
kommt es in diesem ersten Überprüfungsbericht erstmals
zu Schwerpunktsetzungen, was sehr wichtig ist. Defizite
– den Ball werde ich gleich noch stärker aufnehmen –
werden zumindest angedeutet.
Zur Erinnerung: Der Aktionsplan „Krisenprävention,
Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ geht auf
zwei wesentliche Erfahrungen zurück, erstens auf die
Erfahrungen, die man im Rahmen des internationalen
Krisenengagements gesammelt hat. Es gab ein eklatan-
tes Defizit bei den Fähigkeiten zur zivilen Krisenpräven-
tion und Friedenskonsolidierung. Daraus sind seit 1998
erhebliche Schlussfolgerungen gezogen worden. Das
ZIF ist nur ein Beispiel von vielen. Ein anderes Beispiel
ist der Zivile Friedensdienst.
Die zweite Erfahrung: Es kam darauf an, nicht nur
einzelne Maßnahmen und Instrumente, sondern auch
neue Fähigkeiten systematisch zu entwickeln. Dies ist
der Ansatz des Aktionsplans. Es kommt darauf an, die
ganze Politik der Bundesregierung an dieser Quer-
schnittsaufgabe auszurichten.
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Zweitens ist das zivil-militärische Verhältnis, die
ivil-militärische Zusammenarbeit zu klären. Sie wird
m Überprüfungsbericht sehr stark aus der Perspektive
es Militärischen geschildert. Hier ist es wichtig, auch
ie Perspektive der anderen einzubeziehen. Da muss
eutlich nachgearbeitet werden.
Schließlich nenne ich das Nebeneinander der ver-
chiedenen Grundlagendokumente der Bundesregierung
n diesem Bereich: Aktionsplan und Weißbuch. Staats-
inister Erler, Sie haben das angesprochen. Ich habe
im Gegensatz zu Ihrer offiziellen Einschätzung – den
indruck, dass beide Dokumente sehr unverbunden ne-
eneinander stehen. Im letzten Anlauf sind sozusagen
och einzelne Andockstellen eingebaut worden, aber
nsgesamt ist das noch kein Ausdruck integrierter
ußen- und Sicherheitspolitik, die wir uns inzwischen
uf die Fahnen geschrieben haben.
Wo gibt es Verstärkungsbedarf? Erstens braucht der
essortkreis mehr Steuerungskompetenz. Das ist von
anz entscheidender Bedeutung.
7464 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Winfried Nachtwei
Da kann, glaube ich, helfen, dass der Ressortkreis einen
Ressourcenpool mit „neuem“ Geld zugeordnet be-
kommt, wodurch ressortübergreifende Maßnahmen
gefördert werden.
Zweitens brauchen wir – das kennen wir im militäri-
schen Bereich seit Jahren; das ist dort eine Selbstver-
ständlichkeit – zivile Planziele. Mit wie vielen Friedens-
fachkräften muss die Bundesrepublik für eine effektive
Krisenbewältigung im Rahmen von Friedensmissionen
beitragen? Ich nenne das Stichwort Sicherheitssektor-
reform. Wir müssen uns – auch bezüglich der Polizei –
auf Zahlen einigen, die wir anstreben wollen. Wir müs-
sen auch zu einer schnellen Verfügbarkeit dieser Kräfte
kommen. Das ist im Personalgesetz angesprochen. Da
müssen wir schnell zu Potte kommen.
Von ganz entscheidender Bedeutung ist – der Redner
der FDP hat es angesprochen –, dass wir eine deutliche
Aufstockung der entsprechenden Haushaltstitel brau-
chen.
Hier bekommen wir für wenig Geld viel Extrakt.
Als Letztes komme ich zum Schlüsselprojekt. Bisher
gibt es eine schlimme Unsichtbarkeit dieses Politikansat-
zes. Bei Google zum Beispiel gibt es zum Aktionsplan
– er ist inzwischen seit zwei Jahren auf dem Markt – un-
gefähr 28 700 Treffer, das Weißbuch – es ist seit zwei
Monaten auf dem Markt – erzielt dort über 125 000 Tref-
fer. Dies ist ein riesiger Unterschied. Daran muss gear-
beitet werden.
Herr Kollege!
Ja, ich komme zum Schluss.
Im Umsetzungsbericht ist von einer Kommunika-
tionsstrategie die Rede. Sie muss jetzt schleunigst ange-
gangen werden. Es kann nicht wie in der Vergangenheit
sein, dass über Jahre das Geld fehlt, um den Aktionsplan
zum Beispiel als Broschüre bekannt zu machen.
Zusammengefasst: Krisenprävention ist in jeder Hin-
sicht sehr kostensparend, aber es gibt sie nicht zum Bil-
ligtarif.
Ich danke Ihnen. Gute Feiertage!
Das Wort hat die Kollegin Uta Zapf, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und
Kollegen! Es ist hier schon eine Menge zu den Inhalten
und zu den Perspektiven gesagt worden. Ich würde ganz
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s ist auch ein schlechter Zeitpunkt für diese Debatte.
Ich wollte etwas zur Vorgeschichte dieses Politikfel-
es sagen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat vor über
ehn Jahren angefangen, an diesem Thema zu arbeiten.
ir haben eine Anhörung im Auswärtigen Ausschuss
m 25. Mai 1994 veranlasst; das ist tatsächlich schon so
ange her. Diese Anhörung haben wir in der Fraktion
usgewertet und haben im Februar 1997 einen Antrag im
eutschen Bundestag gestellt. Er ist natürlich nicht auf
esonanz gestoßen; das ist klar. 1998 haben wir diese
rinzipien in der Koalitionsvereinbarung von Rot-Grün
iedergeschrieben. Von diesem Zeitpunkt an ist von der
ot-grünen Regierung eine Entwicklung vorangetrieben
orden, die wir Parlamentarier stark unterstützt haben.
m Juni 2000 hat Rot-Grün einen Antrag eingebracht,
er viele Elemente enthalten hat, die heute von der aktu-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7465
)
)
Uta Zapf
ellen Politik umgesetzt werden. Darin waren enthalten:
die Ausbildung für Menschen, die wir in Krisengebiete
entsenden; die Forderung nach Schaffung eines Zen-
trums für internationale Friedenseinsätze. Das alles
ist umgesetzt worden. Das ist eine gute Entwicklung.
Wenn wir beklagen, dass noch nicht alles verwirklicht
worden ist, möchte ich darauf hinweisen, dass vieles,
was auch eine Veränderung in den Strukturen bedeutet,
gewöhnungsbedürftig ist und dass es Zeit braucht, bis es
angenommen wird.
In der neuen Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU
und SPD sind diese Prinzipien enthalten. Ich beklage
nicht, dass das im Weißbuch noch nicht in allen Kapiteln
der Fall ist. Vielmehr bin ich ganz froh, dass im ersten
Entwurf des Weißbuchs überhaupt davon die Rede ist,
im Rahmen der deutschen Sicherheits- und Außenpolitik
verstärkt zivile Instrumente einzusetzen. Ich muss in die-
sem Zusammenhang an Boutros Boutros-Ghali denken,
der im Jahre 1992 die Agenda for Peace ins Leben ge-
rufen hat. Wir haben mit diesem Bericht den ersten kon-
kreten Schritt zur Umsetzung dieser Agenda gemacht.
Ich möchte noch einen zweiten Aspekt ansprechen.
Wir befassen uns mit diesem Thema nicht nur im kleinen
Kreis, sondern wir haben es auch auf die europäische
Ebene transportiert. Diese Vorschläge sind auf dem Eu-
ropäischen Rat in Köln im Jahre 1999 unter deutscher
Präsidentschaft zum ersten Mal eingebracht worden. Da-
mals waren sie durchaus neu. Andere Länder, allerdings
eher die Zwerge unter den europäischen Staaten, haben
uns unterstützt. Aufgrund der Erkenntnis, dass neue
Konflikte auch einen neuen Sicherheitsbegriff erfor-
dern, haben sie diese Konzepte mitgetragen.
Dieser Sicherheitsbegriff umfasst viel mehr als nur
militärische Sicherheit. Wichtig ist, dass es fast keine
zwischenstaatlichen Kämpfe mehr gibt. Im Jahre 2002
waren 32 von 33 Konflikten innerstaatliche Konflikte.
Daran wird deutlich, dass wir andere Mittel brauchen.
Deshalb ist es richtig, dass wir den Ressortkreis einge-
setzt haben. Die Beratung all dieser Themen findet nun
in einem Gremium statt. Wenn es dort hin und wieder
holpert, ist das kein Wunder. Da in diesem Gremium der
Finanzminister neben der Entwicklungsministerin und
der Innenminister neben dem Außenminister sitzt und
darüber hinaus auch der Verteidigungsminister anwe-
send ist, ist es schwierig, sich zu koordinieren. Aber wir
sind auf dem Weg, für eine kohärente Politik zu sorgen.
Da wir dieses Thema auf die europäische Ebene
transportiert haben und es dort verankert ist, verfügen
wir über die entsprechenden Strukturen. Ich bin froh,
dass im Konzept Deutschlands für die EU-Ratspräsi-
dentschaft darauf hingewiesen wird, dass wir diese Prin-
zipien auch auf europäischer Ebene fördern wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich empfehle Ihnen,
den vorliegenden Bericht und den Aktionsplan an den
Weihnachtsfeiertagen zu lesen. Man kann viel daraus
lernen. Das sollten wir auch tun. Wir sollten zum Bei-
spiel noch mehr Interesse für eine Politik entwickeln, die
dazu beiträgt, die zivile Krisenprävention zu etablieren,
und wir sollten uns dafür einsetzen, dass neue Strukturen
gefördert und alte evaluiert werden.
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Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist
ie Kollegin Heike Hänsel, Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
err Königshaus, ich war davon ausgegangen, dass alle
bgeordneten, die zu diesem Tagesordnungspunkt spre-
hen wollten, ihre Reden zu Protokoll geben. Als ich er-
ahren habe, dass sich das geändert hat, habe ich mich,
eil dieses Thema sehr wichtig ist, nachnominieren las-
en.
Eines muss ich Ihnen gleich zu Beginn sagen: Weder
urch die Präsenz im Beirat noch dadurch, dass man hier
ine Rede hält, leistet man einen nachhaltigen Beitrag
ur Friedenspolitik. Das glauben Sie hoffentlich nicht
m Ernst! Dafür sind größere Anstrengungen notwendig.
ch zum Beispiel war als Anhängerin der Friedensbewe-
ung jahrelang auf der Straße, habe viele Krisenregionen
esucht und mich für die Nutzung von Instrumenten der
ivilen Krisenprävention eingesetzt. Die Politik der Bun-
esregierung war nämlich eine andere. Wenn Sie glau-
en, dass Sie mit einer Rede die Welt verändern können,
ann muss ich Ihnen sagen: Das ist völlig unrealistisch.
ntscheidend ist, dass wir aktiv sind und Initiativen er-
reifen.
7466 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Heike Hänsel
Damit komme ich zum Knackpunkt des Konzeptes
der zivilen Krisenprävention. Dieser Aktionsplan wurde
von Friedensgruppen und von entwicklungspolitischen
Organisationen erst einmal begrüßt. Aber es gab schon
bei der Formulierung einige Kritik an der inhaltlichen
Ausrichtung. Mehrere Bereiche, die wir kritisieren, wur-
den genannt. Zentraler Kritikpunkt ist der Sicherheits-
begriff, der dem Aktionsplan zugrunde liegt und den Sie
auch erwähnt haben, Frau Zapf. Für uns ist ganz klar:
Solange wir in Deutschland von einem Sicherheitsbe-
griff ausgehen, zu dem eine militärische Absicherung
des Zugangs zu Ressourcen zählt, sind wir ein Teil des
Problems, nicht der Lösung.
Zivile Krisenprävention macht überhaupt nur Sinn als
Teil einer aktiven Friedenspolitik, die von der Bundesre-
gierung formuliert werden muss. Sie kann eine militäri-
sche Politik nicht abfedern, sie kann kein Beiwerk sein.
Man kann nicht Jugoslawien bombardieren und dann
einfach ein paar zivile Friedenskräfte in die Region schi-
cken; diese Arbeitsteilung funktioniert nicht. Deswegen
fordern wir einen Wechsel in der Grundausrichtung der
deutschen und europäischen Außenpolitik.
Wir erleben zunehmend eine Vermischung des Zivi-
len und des Militärischen. So etwas liegt auch diesem
Aktionsplan zugrunde: Es werden zunehmend zivil-mili-
tärische Instrumente formuliert. Für mich als Mitglied
des Ausschusses für Entwicklungspolitik ist es ein Wi-
derspruch in sich, zu behaupten, militärische Instru-
mente könnten einen Beitrag zu ziviler Krisenprävention
leisten. Zivile Krisenprävention muss – das ist der An-
spruch an uns – zivil formuliert werden. Wir müssen die
zivilen Instrumente entsprechend ausstatten, ja erst ent-
wickeln. Ich glaube, in vielen Bereichen fehlt schlicht
die politische Fantasie, was es alles an zivilen Instru-
menten geben kann. Mit welcher Intensität, mit welchen
finanziellen Ressourcen wird unsere Armee, wie auf eu-
ropäischer Ebene formuliert, in eine Interventionsar-
mee umgebaut! Das steht in keinem Verhältnis zur Be-
deutung ziviler Instrumente, geschweige denn zu ihrer
angemessenen finanziellen Unterstützung. Wir sagen:
Wir brauchen ganz andere Instrumente. Im Grunde müs-
sen wir das Ministerium für Verteidigung in ein Ministe-
rium für zivile Krisenprävention umbauen. Denn es geht
überhaupt nicht mehr um Landesverteidigung – wir be-
treiben eine Politik der militärischen Intervention.
Ein richtiger Schritt wäre es, zu sagen: weg von diesen
Militärhaushalten und weg von Rüstungsexporten! Der
beste Beitrag zu ziviler Krisenprävention sind internatio-
nale Abrüstung und ein Stopp aller Rüstungsexporte.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Wir müssen uns auch
Gedanken über unseren Ressourcenverbrauch machen.
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Anlage 3
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Präsident Dr. Norbert Lammert
Dann kommen wir zu Tagesordnungspunkt 28 sowie
Zusatzpunkt 11:
28 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin
Müller , Marieluise Beck (Bremen), Fritz
Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Fahrplan zur Wiederbelebung des Friedens-
prozesses im Nahen Osten nach der Resolution
1701 des Sicherheitsrats der Vereinten
Nationen vom 11. August 2006
– Drucksache 16/3547 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Gehrcke, Dr. Norman Paech, Monika
Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der LINKEN
Den Friedensprozess im Nahen Osten wieder
aufnehmen
– Drucksache 16/3802 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
ZP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr.
Werner Hoyer, Dr. Rainer Stinner, Birgit
Homburger, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP
Für eine Konferenz für Sicherheit und
Zusammenarbeit im Nahen Osten
– Drucksache 16/3816 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll diese
Debatte eine halbe Stunde dauern, wobei die Fraktion
des Bündnisses 90/Die Grünen fünf Minuten Redezeit
erhalten soll.1)
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Jürgen Trittin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen
Sie mich mit einem Zitat beginnen:
Um einen dauerhaften und stabilen Frieden im Na-
hen Osten zu erlangen, reichen militärische und po-
lizeiliche Maßnahmen nicht aus. Seine Konflikte
lassen sich nur durch politische Verhandlungen lö-
sen. Die Region benötigt dringend neue Friedens-
impulse.
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P1) Anlage 4
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Gleichzeitig ist aber auch festzustellen, dass die Links-
partei mit ihrem Antrag der altbekannten Tradition folgt,
vor allem den Westen und Israel für die Konflikte ver-
antwortlich zu machen. Bezeichnend ist auch, dass die
Infragestellung des Existenzrechts Israels durch den Iran
in dem Antrag der Linkspartei keine Erwähnung findet.
In allen Anträgen wird von dem israelisch-palästinen-
sischen Konflikt als dem Kernkonflikt in der Region
gesprochen. Ich halte diese Bezeichnung für falsch; denn
weder das iranische Verhalten in den Verhandlungen
über das Nuklearprogramm noch die Nichtanerkennung
des Libanon durch Syrien noch die Lage im Irak noch
das Bestreiten des Existenzrechts Israels durch den Iran
haben irgendetwas mit dem Konflikt zwischen Israel und
den Palästinensern zu tun. Das ändert nichts an der Tat-
sache, dass dieser Konflikt natürlich grundlegend ist und
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Für die FDP-Fraktion hat nun das Wort der Kollege
r. Rainer Stinner.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
en! Wir haben in den letzten Jahren schon oft Nahost-
ebatten in diesem Hause geführt. Aber durch die Tatsa-
he, dass wir seit drei Monaten selber in der Region
urch deutsche Soldaten vertreten sind, bekommt die
iskussion meines Erachtens eine andere Qualität. Denn
etzt sind wir selber Teil des Konfliktes. Wir haben uns
elber engagiert. Ich weiß, dass wir in diesem Hause eine
eiße Diskussion über den Einsatz geführt haben, aber
ir sind jetzt vor Ort. Aus der Tatsache, dass deutsche
oldaten vor Ort sind, ergibt sich, glaube ich, nicht nur
as Recht, sondern auch die Pflicht, uns noch intensiver
n den politischen Prozess in dieser Region einzuschal-
en.
Die Frau Bundeskanzlerin hat in ihrer Erklärung zum
NIFIL-Mandat wörtlich gesagt:
Die militärische Umsetzung der UN-Resolu-
tion 1701 kann … nur der Anfang eines langen We-
ges sein. Natürlich muss die Waffenruhe in einen
7470 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
)
)
Dr. Rainer Stinner
neuen Anlauf für einen umfassenden politischen
Friedensprozess übergeleitet werden.
Das ist völlig richtig. Der Meinung sind wir schon seit
langem. Aber in der Diskussion über einen solchen Pro-
zess sind zwei Dimensionen zu beachten. Das sind ers-
tens die Gestaltung dieses Prozesses und zweitens seine
Inhalte.
Schon hinsichtlich der Gestaltung gibt es offensicht-
lich eine Reihe von unterschiedlichen Meinungen, Herr
von Klaeden. Dass sich jetzt mehrere Fraktionen für eine
Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen
Osten aussprechen, zeigt, dass wir dasselbe anstreben
wie die Frau Bundeskanzlerin, nämlich einen integrier-
ten und umfassenden politischen Ansatz.
Dieser Ansatz ist aber umstritten. Zumindest ein Land
in der Region glaubt nach wie vor, dass es besser ist, die
einzelnen Konfliktfelder sequenziell, das heißt nachein-
ander abzuarbeiten, und hält es nicht für sinnvoll, die
Konfliktlösung umfassend zu bearbeiten. Wir halten das
aber für sinnvoll und haben deshalb noch einmal einen
entsprechenden Antrag eingebracht. Wir haben schon
vor vier Jahren einen Antrag zu diesem Thema vorge-
legt. Bisher haben Sie unsere Forderungen abgelehnt.
Ich beglückwünsche alle, die nunmehr auch die höheren
Weihen der Weisheit genossen haben und jetzt derselben
Meinung sind wie wir. Deshalb rechne ich damit, dass
Sie unserem Antrag heute entsprechend freudig zustim-
men werden.
Herr von Klaeden, bei den von Ihnen genannten Vo-
raussetzungen handelt es sich doch um Details. Wir kön-
nen uns doch nicht schon jetzt mit den Teilnehmern und
der Tagesordnung beschäftigen. Im ersten Schritt geht es
darum, die Grundvoraussetzungen bzw. das Verständnis
dafür zu schaffen, dass der integrierte Ansatz richtig ist,
und einen entsprechenden Prozess einzuleiten.
Ein solcher umfassender Prozess bedeutet auch, dass
es sinnvoll ist, mit all denen zu reden, mit denen man re-
den muss, um etwas bewegen zu können. Deshalb sind
wir in der Tat derselben Meinung wie die Mehrheit die-
ses Hauses, dass der Besuch des Bundesaußenministers
in Syrien sinnvoll und richtig war.
Das ist alles andere als Appeasementpolitik. Es
kommt nicht darauf an, mit wem man redet, sondern da-
rauf, was man dort sagt. Das, was man sagt, muss in der
Sache sehr klar sein. Ich bin der Überzeugung, dass der
Herr Außenminister es richtig gemacht hat.
Die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit ist
sicherlich ein Vorbild für diese Region; denn dieser Pro-
zess hat erstmals gezeigt, dass es sinnvoll ist, mit Men-
schen und Staaten in einen Diskussionsprozess einzutre-
ten, obwohl man vorher weiß, dass die Meinungen völlig
unterschiedlich sind.
Herr Trittin, Sie haben die Hoffnung geäußert, dass
die Vereinigten Staaten in den nächsten Monaten aktiver
werden. Auch ich habe diese Hoffnung, allein mir fehlt
der Glaube. Die augenblicklichen Signale aus Washing-
ton sind nicht so eindeutig, dass wir darauf hoffen kön-
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Ich bin nicht sicher, ob uns die semantische Diskussion
arüber, ob es der Konflikt oder ob es ein wesentlicher
onflikt ist, weiterbringt. Das mögen Sie anders sehen.
Die Bundesregierung hat in den nächsten sechs Mo-
aten eine nahezu einzigartige Möglichkeit, zu gestalten;
enn in diesem Zeitraum hat sie die EU-Ratspräsident-
chaft und die G-8-Präsidentschaft inne. Ich glaube, dass
ir aufgrund unserer Beteiligung an dem militärischen
ngagement das Recht und die Pflicht haben, hier ver-
tärkt einzuwirken. Die Bundesregierung ist aufgefor-
ert, hier aktiv zu werden und Initiativen zu ergreifen.
ch hoffe, dass sie das tut. Sie hat jedenfalls unsere Un-
erstützung, wenn es darum geht, eine nachhaltige Frie-
enslösung in dieser Region zu finden.
Vielen Dank.
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt und
oraussichtlich letzter Redner in diesem Jahr ist der Kol-
ege Wolfgang Gehrcke für die Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
ollte schon immer einmal das letzte Wort in diesem
ause haben.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006 7471
)
)
Wolfgang Gehrcke
Ich muss Sie enttäuschen. Das wird Ihnen nicht ganz
gelingen.
Stimmt, das letzte Wort werden Sie haben. Aber auch
das vorletzte Wort ist ganz in Ordnung.
Die Bundeskanzlerin hatte eine neue Nahostinitiative
Deutschlands während der EU-Ratspräsidentschaft an-
gekündigt. Ich finde, das ist zu begrüßen. Ich war ge-
spannt, was sie inhaltlich vorschlägt. Dann kam der Vor-
schlag, das Nahostquartett wieder zu beleben. Das ist
richtig, aber nicht ausreichend. Bis heute hat die Bundes-
regierung keinen einzigen inhaltlichen Vorschlag ge-
macht, aus dem hervorgeht, wie eine neue Nahostinitia-
tive aussehen soll. Die Politik der Bundesregierung ist
konturlos.
Nun kann man wie Herr von Klaeden die Opposi-
tionsfraktionen ob ihrer Ideen kritisieren. Aber das setzt
voraus, dass man selber Ideen hat. Wenn man keine hat,
sollte man nicht kritisieren. Dann bleibt man im unver-
bindlichen Nebel.
Ich halte fest, dass in den letzten Monaten in diesem
Hause alle Vorschläge zum Nahostkonflikt entweder von
den Grünen, von der FDP oder von den Linken kamen.
Die CDU/CSU und die SPD haben es nicht fertig ge-
bracht, einen einzigen schriftlichen Vorschlag auf den
Tisch zu legen. Man kann deswegen nichts kritisieren,
weil Sie einfach nichts haben und nichts vorlegen kön-
nen. Damit werden Sie in der EU-Ratspräsidentschaft
und in der G 8 nicht durchkommen.
Ich finde es richtig, dass alle hier im Hause – es hätte
sehr viel früher passieren müssen – die Holocaustlügner-
konferenz im Iran nachhaltig verurteilen.
Ich hätte es für notwendig gehalten – es wäre gut ge-
wesen, wenn Sie dazu etwas gesagt hätten –, dass die
Frau Bundeskanzlerin Herrn Olmert etwas zu seinem of-
fiziellen Eingeständnis, dass Israel Atomwaffen hat
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as steht ja auch in unseren Anträgen. Dabei ist es nicht
rheblich, ob Sie den Konflikt als Kernkonflikt bezeich-
en. Klar ist doch, dass ohne Lösung des Konflikts zwi-
chen Israel und Palästina auch die anderen Konflikte im
ahen und Mittleren Osten nicht lösbar sind. Das ist der
unkt, auf den es entscheidend ankommt.
Das bedingt – miteinander verbunden und nicht ne-
eneinander – die Existenz Israels in völkerrechtlich
erbindlichen und gesicherten Grenzen und ebenso die
xistenz eines eigenständigen palästinensischen Staa-
es, und zwar lebensfähig und nicht in einem Flickentep-
ich. Wer das voneinander trennen will – wie es bei
errn Olmert immer noch anklingt –, der wird weder das
ine noch das andere erreichen. Der Weg dazu wird ein
ialog sein. Man kann sich natürlich seinen Dialogpart-
er nicht aussuchen. Man muss mit Positionen in die Ge-
präche gehen und den Partnern sagen, was geht und was
icht geht. Das muss man dem Iran, der Hisbollah, der
amas, aber auch Israel sagen. Aber ohne Dialog wird
s keinen Weg für den Frieden im Nahen Osten geben.
as muss man deutlich aussprechen. Daran muss sich
ie deutsche Politik orientieren.
Der Präsident mahnt; ich habe doch nicht das letzte
ort.
Die große Weihnachtsbotschaft lautet: Frieden auf Er-
en und den Menschen ein Wohlgefallen. Ich finde, auf
rden ist kein Frieden, und so, wie die Welt ist, kann sie
en Menschen auch nicht wohlgefallen.
Herzlichen Dank.
7472 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Dezember 2006
(C)
(D)
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/3547 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vorlage auf
Drucksache 16/3802 – Tagesordnungspunkt 28 b – soll
zur federführenden Beratung an den Auswärtigen Aus-
schuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung überwie-
sen werden. Die Vorlage auf Drucksache 16/3816
– Zusatzpunkt 11 – soll ausschließlich im Auswärtigen
Ausschuss beraten werden. Sind Sie damit einverstan-
den? – Das ist offenkundig der Fall. Dann sind die Über-
weisungen so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Da ich bereits allen gute Wünsche für das bevorste-
hende Weihnachtsfest und das neue Jahr übermittelt
habe, wünsche ich denen, die es bis zum Schluss durch-
gehalten haben, exklusiv ein wunderschönes drittes Ad-
ventswochenende unter Aufrechterhaltung der guten
Wünsche für die Festtage, die sich daran anschließen.
Wenn diejenigen, die heute bis zum Schluss da waren, zu
den Ersten gehörten, die in der nächsten Sitzung des
Deutschen Bundestages wieder gebraucht werden, dann
wäre das eine besonders schöne Verbindung.
Jedenfalls berufe ich die nächste Sitzung des Deut-
schen Bundestages für Mittwoch, den 17. Januar 2007,
13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.