Protokoll:
16035

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 35

  • date_rangeDatum: 11. Mai 2006

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:43 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/35 a) Abgabe einer Erklärung durch die Bun- deskanzlerin zur Europapolitik . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Christian Ahrendt, Markus Löning, Michael Link (Heilbronn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Den Kommunen an den Grenzen zu Polen und der Tschechischen Republik die Zusam- menarbeit mit diesen Ländern erleich- tern (Drucksache 16/456) . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühungen zur Stärkung der gesetz- geberischen Befugnisse des Europäi- schen Parlaments 2005 (Drucksache 16/528) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Norbert Röttgen, Dr. Michael Meister, Laurenz Meyer (Hamm), weiteren Abge- ordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Olaf Scholz, Ludwig Stiegler, Dr. Rainer Wend, weite- ren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates (Drucksache 16/1406) . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Laurenz Meyer (Hamm), Veronika Bellmann, Klaus Brähmig, weiteren Ab- geordneten und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Dr. Rainer 2889 B 2889 B 2889 C 2913 D Deutscher B Stenografisch 35. Sitz Berlin, Donnerstag, d I n h a l Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Johannes Pflug und Winfried Nachtwei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 6, 9, 13 und 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . Begrüßung des neuen Direktors beim Deut- schen Bundestag Dr. Hans-Joachim Stelzl . . Nachruf auf den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland Paul Spiegel . . . . . Tagesordnungspunkt 3: D D V R M C H D A T 2887 A 2887 B 2888 B 2888 B 2888 C 2888 D Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . Dr. Werner Hoyer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . 2889 C 2895 B undestag er Bericht ung en 11. Mai 2006 t : r. Angelica Schwall-Düren (SPD) . . . . . . . . r. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . olker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . enate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . hristian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . enning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . r. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . xel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . homas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 2897 A 2898 D 2900 C 2902 C 2905 A 2907 A 2907 C 2909 A 2910 A 2911 C Wend, Doris Barnett, Klaus Barthel, wei- teren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Ersten II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittel- ständischen Wirtschaft (Drucksache 16/1407) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Martin Zeil, Rainer Brüderle, Paul K. Friedhoff, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Statistikpflichten zurückführen – Bürokratiekosten senken (Drucksache 16/1167) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Dr. Max Stadler, Jörg van Essen, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: Schlan- ker Staat durch weniger Bürokratie und Regulierung (Drucksache 16/119) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Martin Zeil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Wend (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartmut Koschyk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Wend (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Bürsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Hildegard Müller, Staatsministerin BK . . . . . Dr. Carl-Christian Dressel (SPD) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: a) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Personenbeförderungs- gesetzes und des Allgemeinen Eisen- bahngesetzes (Drucksache 16/1039) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (Drucksache 16/1110) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Schul- denwesens des Bundes (Bundesschul- denwesenmodernisierungsgesetz) (Drucksache 16/1336) . . . . . . . . . . . . . . . . d e f g h i j k l m 2914 A 2914 A 2914 B 2914 B 2915 D 2917 A 2919 B 2920 D 2923 A 2924 B 2925 C 2926 B 2927 C 2929 C 2930 D 2930 D 2931 A ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Bereinigung von Bundes- recht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und So- ziales und des Bundesministeriums für Gesundheit (Drucksache 16/1293) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes über die Bereinigung von Bun- desrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Drucksache 16/1290) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung von Zulassungsverfahren für Verkehrspro- jekte (Drucksache 16/1338) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des Personenbeförderungsgeset- zes (Drucksache 16/1341) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Einführung einer Grundqualifi- kation und Weiterbildung der Fahrer im Güterkraft- oder Personenverkehr (Drucksache 16/1365) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes über die Besteuerung des Spieleinsatzes (Spieleinsatzsteuergesetz – SpEStG) (Drucksache 16/1032) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung (Drucksache 16/1340) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (Drucksache 16/1344) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Patrick Döring, Joachim Günther (Plauen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Novellierung des Per- sonenbeförderungsgesetzes – Wettbe- werb im öffentlichen Personenfernver- kehr zulassen (Drucksache 16/384) . . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag des Bundesministeriums der Finan- zen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2005 – Vorlage 2931 A 2931 A 2931 A 2931 B 2931 B 2931 C 2931 C 2931 C 2931 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 III der Haushalts- und Vermögensrech- nung des Bundes (Jahresrechnung 2005) (Drucksache 16/1122) . . . . . . . . . . . . . . . . n) Antrag der Abgeordneten Dr. Karl Addicks, Hellmut Königshaus, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die Entwicklungszu- sammenarbeit mit Kenia auf den Prüf- stand stellen (Drucksache 16/965) . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Europäischen Übereinkom- men vom 6. November 2003 über den Schutz von Tieren beim internationa- len Transport (revidiert) (Drucksache 16/1346) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Ich-AG (Drucksache 16/1405) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Flugticketabgabe jetzt – Entwicklungsfinanzierung auf breitere Grundlagen stellen (Drucksache 16/1203) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Kerstin Andreae, Marieluise Beck (Bre- men), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Umsetzung des EU-Stufenplans zur Entwicklungsfinanzierung (0,7-Pro- zent-Ziel) durch Flugticketsteuer unter- stützen (Drucksache 16/1404) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen über das Recht der nichtschifffahrtlichen Nutzung interna- tionaler Wasserläufe (Drucksachen 16/738, 16/1419) . . . . . . . . b) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Pro- tokoll vom 17. Juni 1999 über Wasser und Gesundheit zu dem Übereinkom- Z A d U n D D D B I W D C M C S R C T a b c 2931 D 2931 D 2932 A 2932 A 2932 A 2932 B 2932 C men von 1992 zum Schutz und zur Nut- zung grenzüberschreitender Wasser- läufe und internationaler Seen (Drucksachen 16/739, 16/1420) . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 1: ktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion er FDP: Haltung der Bundesregierung zur msetzung der europäischen Antidiskrimi- ierungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . r. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . r. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . rigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . rmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Bosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . r. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . hristel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . arkus Grübel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . hristine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . tephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . enate Gradistanac (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . hristoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 5: ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ernst Burgbacher, Gisela Piltz, Jens Ackermann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid in das Grundgesetz (Drucksache 16/474) . . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Wieland, Hans-Christian Ströbele, Irmingard Schewe-Gerigk, wei- teren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des Grundgesetzes (Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid) (Drucksache 16/680) . . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Petra Pau, Dr. Gregor Gysi, Dr. Lothar Bisky, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der LINKEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Einführung der dreistufigen Volksgesetzgebung in das Grundgesetz (Drucksache 16/1411) . . . . . . . . . . . . . . . 2932 D 2933 A 2933 A 2935 A 2936 B 2937 C 2939 C 2940 D 2942 B 2944 A 2944 D 2946 A 2947 A 2948 B 2949 A 2950 B 2950 B 2950 C IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingo Wellenreuther (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Lothar Bisky (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Maik Reichel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Investitionszulagengesetzes 2007 (InvZulG 2007) (Drucksache 16/1409) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Simone Violka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Garrelt Duin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Strafbarkeit beharrlicher Nach- stellungen (… StrÄndG) (Drucksache 16/575) . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Stalking-Be- kämpfungsgesetzes (Drucksache 16/1030) . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Beate Merk, Staatsministerin (Bayern) . . Sevim Dagdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine, Dr. Gesine Lötzsch und b c D H V D H D D M V Z E C w R ( H H E D U M 2950 D 2951 D 2953 D 2954 D 2957 C 2958 C 2959 A 2960 A 2960 D 2960 D 2962 A 2962 D 2964 C 2965 B 2966 D 2968 A 2969 B 2969 B 2969 B 2970 D 2971 D 2972 D 2973 C der Fraktion der LINKEN: Gesetzliche Regelung für frühere Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretäre zur Untersagung von Tätigkeiten in der Privatwirtschaft, die mit ihrer ehemali- gen Tätigkeit für die Bundesregierung im Zusammenhang stehen (Drucksache 16/846) . . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Jürgen Koppelin, Dr. Max Stadler, Jens Ackermann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Verhaltenskodex für ausschei- dende Regierungsmitglieder (Drucksache 16/677) . . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Jerzy Montag, Silke Stokar von Neuforn und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Be- rufstätigkeit von ausgeschiedenen Mit- gliedern der Bundesregierung regeln (Drucksache 16/948) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . elmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . olker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) r. Uwe Küster (SPD) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . . . . . . artmut Koschyk (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . . . . . . r. Uwe Küster (SPD) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . . . . . . irk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . artin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 6: rste Beratung des von den Fraktionen der DU/CSU und der SPD eingebrachten Ent- urfs eines Gesetzes zur Neuregelung des echts der Verbraucherinformation Drucksache 16/1408) . . . . . . . . . . . . . . . . . . orst Seehofer, Bundesminister BMELV . . . ans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . lvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . r. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . lrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Julia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . echthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 2974 B 2974 C 2974 C 2974 D 2975 C 2977 A 2977 B 2977 C 2978 A 2978 D 2980 A 2981 C 2982 B 2982 C 2984 A 2985 B 2986 B 2987 B 2988 B 2988 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 V Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Bärbel Höhn, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Bei gentechnisch veränderten Pflanzen nationales Recht auf Einfuhrverbote und Schutzmaßnahmen nutzen (Drucksache 16/1176) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Lehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Lehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der neu gefassten Bankenricht- linie und der neu gefassten Kapitaladä- quanzrichtlinie (Drucksache 16/1335) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nina Hauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Hellmut Königshaus, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Aus dem Peer-Review der OECD lernen – die Empfehlungen zur Umgestaltung der Ent- wicklungszusammenarbeit umsetzen (Drucksache 16/963) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . . D U Z E C w d ( R D D D D K M T A F o m a z ( D M D L D T E e Ä u ( 2989 B 2989 C 2990 B 2991 D 2992 B 2992 C 2992 D 2994 B 2995 D 2996 A 2996 D 2997 B 2997 C 2998 D 2999 C 3001 A 3002 A 3002 B 3003 B 3004 C r. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Addicks (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . te Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 7: rste Beratung des von den Fraktionen der DU/CSU und der SPD eingebrachten Ent- urfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung er Grundsicherung für Arbeitsuchende Drucksache 16/1410) . . . . . . . . . . . . . . . . . . olf Stöckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kornelia Möller (DIE LINKE) . . . . . . . . . irk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . irk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . atja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . arkus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 14: ntrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, rank Spieth, Dr. Ilja Seifert, weiterer Abge- rdneter und der Fraktion der LINKEN: Er- äßigung des Mehrwertsteuersatzes für pothekenpflichtige Arzneimittel auf 7 Pro- ent Drucksache 16/732) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . anfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . r. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . ydia Westrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . r. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 17: rste Beratung des von der Bundesregierung ingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur nderung des Wohnungseigentumsgesetzes nd anderer Gesetze Drucksache 16/887) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3005 D 3006 B 3006 D 3008 B 3008 D 3009 D 3010 A 3011 C 3012 B 3013 C 3015 B 3015 D 3016 A 3017 C 3018 C 3018 C 3019 C 3020 B 3021 C 3021 D 3023 D 3024 C VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 Tagesordnungspunkt 16: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – zu dem Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Ute Koczy, Hans-Josef Fell, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Mit der strategischen Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Latein- amerika Ernst machen und deutsches Engagement ausbauen – zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Die Beziehungen zwischen EU und Lateinamerika solida- risch gestalten – Kein Freihandelsab- kommen EU-Mercosur (Drucksachen 16/941, 16/1126, 16/1441) . . . Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts der Insolvenz- anfechtung (Drucksache 16/886) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Harald Leibrecht, Dr. Karl Addicks, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für einen Beobachterstatus Taiwans bei der Weltgesundheitsversammlung (Drucksache 16/968) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisa- tionen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS- Gesetz – BDBOSG) (Drucksache 16/1364) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Fördergesetz für Dieselrußpartikelfilter baldmöglichst vorlegen (Drucksache 16/946) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . W T E B H t e S ( D N A L A Z E n g o D A Z d d G N D M D P A A Z d – 3024 D 3025 C 3025 D 3026 A 3026 A infried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 21: rste Beratung des von den Abgeordneten ärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter, Ulrike öfken, weiteren Abgeordneten und der Frak- ion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur tärkung der Fahrgastrechte Drucksache 16/1146) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 u Protokoll gegebene Rede zur Beratung des ntwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der eu gefassten Bankenrichtlinie und der neu efassten Kapitaladäquanzrichtlinie (Tages- rdnungspunkt 11) r. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . nlage 3 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung es Wohnungseigentumsgesetzes und anderer esetze (Tagesordnungspunkt 17) orbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . irk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . echthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . r. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . eter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 4 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung er Anträge: Mit der strategischen Partnerschaft zwi- schen der Europäischen Union und Latein- amerika Ernst machen und deutsches En- gagement ausbauen 3026 B 3027 C 3027 C 3028 C 3029 A 3029 C 3030 B 3032 B 3032 D 3033 C 3034 B 3035 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 VII – Die Beziehungen zwischen EU und La- teinamerika solidarisch gestalten – Kein Freihandelsabkommen EU-Mercosur (Tagesordnungspunkt 16) Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Lothar Mark (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Addicks (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errich- tung einer Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicher- heitsaufgaben (BDBOS-Gesetz – BDBOSG) (Zusatztagesordnungspunkt 8) Ralf Göbel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 3036 A 3037 A 3038 A 3039 A 3040 A 3051 B 3052 D Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Pfändungs- schutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung (Tages- ordnungspunkt 19) Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dirk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wolfgang Nešković (DIE LINKE) Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Für einen Beobachterstatus Tai- wans bei der Weltgesundheitsversammlung (Tagesordnungspunkt 18) Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Dzembritzki (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H U S A Z d k n J G M L A Z d F M M R H H A A 3040 C 3041 D 3043 D 3044 C 3045 B 3046 B 3046 D 3047 C 3048 C 3049 A 3050 A 3050 B artfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . lla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . ilke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 8 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Fördergesetz für Dieselrußparti- elfilter baldmöglichst vorlegen (Tagesord- ungspunkt 20) ens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . abriele Frechen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . utz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . nlage 9 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der ahrgastrechte (Tagesordnungspunkt 21) arco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . arianne Schieder (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . ita Schwarzelühr-Sutter (SPD) . . . . . . . . . . ans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . eidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . nlage 10 mtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3054 B 3055 A 3055 D 3056 B 3057 C 3058 B 3059 A 3059 D 3060 D 3062 A 3062 D 3063 C 3064 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 2887 (A) ) (B) ) 35. Sitz Berlin, Donnerstag, d Beginn: 9.0
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    1) Anlage 9 (D (B) ) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3029 (A) ) (B) ) ** für die Teilnahme an der 114. Jahreskonferenz der Interparlamenta- rischen Union Teil tatsächlich so wenig Eigenkapital, dass Banken aus Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates A l s l „ r k f f p b d m u a i w I s d s h d „ d k n s – A s s U D N n R B m a K Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dzembritzki, Detlef SPD 11.05.2006* Ernst, Klaus DIE LINKE 11.05.2006 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 11.05.2006** Gabriel, Sigmar SPD 11.05.2006 Griefahn, Monika SPD 11.05.2006** Dr. Hendricks, Barbara SPD 11.05.2006 Heynemann, Bernd CDU/CSU 11.05.2006* Hilsberg, Stephan SPD 11.05.2006 Jung (Konstanz), Andreas CDU/CSU 11.05.2006 Kelber, Ulrich SPD 11.05.2006 Krüger-Leißner, Angelika SPD 11.05.2006** Lafontaine, Oskar DIE LINKE 11.05.2006 Laurischk, Sibylle FDP 11.05.2006 Lintner, Eduard CDU/CSU 11.05.2006* Dr. Lippold, Klaus W. CDU/CSU 11.05.2006 Menzner, Dorothee DIE LINKE 11.05.2006 Nahles, Andrea SPD 11.05.2006 Otto (Frankfurt), Hans- Joachim FDP 11.05.2006 Raidel, Hans CDU/CSU 11.05.2006** Ramelow, Bodo DIE LINKE 11.05.2006** Schily, Otto SPD 11.05.2006 Schmidt (Nürnberg), Renate SPD 11.05.2006 Stiegler, Ludwig SPD 11.05.2006 Thönnes, Franz SPD 11.05.2006 Dr. Wiefelspütz, Dieter SPD 11.05.2006 (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht nlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzricht- linie (Tagesordnungspunkt 11) Axel Troost (DIE LINKE): Ich weiß nicht – viel- eicht geht es einigen von Ihnen wie mir: Nach Diskus- ionen zum Thema „Basel II“ bin ich immer etwas rat- os. Einerseits: In den jahrelangen Diskussionen über Basel II“ wurden tatsächlich Verbesserungen in unse- em Sinne durchgesetzt, zum Beispiel für Kredite an leine und mittelständische Unternehmen, zum Beispiel ür Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Ohne Zwei- el: Im Vergleich mit dem, was uns in der 14. Legislatur- eriode vorlag, ist der aktuelle Gesetzentwurf eine Ver- esserung. Nicht zuletzt ein Erfolg der Zusammenarbeit amals zwischen allen Fraktionen in diesem Hause, öchte ich anfügen. Andererseits aber: Aus vielen Gesprächen mit kleinen nd mittelständischen Unternehmen – ich arbeite ja auch ls Berater für Betriebsräte in diesem Bereich – weiß ch, dass dort immer noch Klagen kommen: Mein Kredit ird teurer, wegen „Basel II“, sagt meine Bank. Oder: ch kriege gar keinen Kredit mehr, wegen „Basel II“, agt meine Bank. Wie passt das zusammen? Die erste Möglichkeit: Ich persönlich werde den Ver- acht nicht los: Einige Banken nehmen „Basel II“ chlicht und einfach als Vorwand, um ihre Margen zu er- öhen. Ich sage bewusst: einige Banken, nicht alle. Aber as, was einige Banken machen, wäre dann schon ein unfreundlicher Akt“. Wir hier im Parlament arbeiten kiloweise Papier urch (allein über 2 Kilo „Solvabilitätsverordnung“ in- lusive Anhängen, ich habe es nachgewogen). Wir ler- en, was eine „Risikogewichtungsfunktion“ ist und was ich hinter einem „Expected Loss“ verbirgt. Wir haben in der 14. Legislatur – seitenweise interfraktionelle nträge geschrieben. Und am Ende haben wir sogar tat- ächlich Verbesserungen durchgesetzt – aber nun müs- en wir feststellen: Die kommen einfach nicht bei den nternehmen an, zumindest nicht eins zu eins. Wenn das so ist, dann müssen wir das auch so sagen. ann müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern sagen: icht „die Politik“ hat mal wieder Unsinn beschlossen, ein. Was wir beschlossen haben, geht in die richtige ichtung. Wir scheitern aber an der Marktmacht einiger anken. Wir haben die Rechnung ohne den Wirt ge- acht. Das ist dann die Wahrheit und das sollten wir uch so sagen. Die zweite Möglichkeit, wie das zusammenpasst: leine und mittelständische Unternehmen haben zum 3030 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) internen Risikokalkülen – aus völlig nachvollziehbaren internen Risikokalkülen – ihnen keine Kredite oder nur sehr teure Kredite geben. Dann aber haben die Klagen der Unternehmen nichts – oder wenig – mit „Basel II“ zu tun, sondern mit ich sage noch einmal: völlig nachvoll- ziehbaren – Risikokalkülen der Banken. Wenn das so ist, dann muss die Politik hier handeln. Dann müssen wir die Instrumente der staatlichen Förderbanken auch darauf ausrichten, dass dieses Problem angegangen wird. Und genau dies ist ja im Koalitionsvertrag auch versprochen worden. Solche angebotsorientierten Maßnahmen machen al- lerdings nur dann Sinn, wenn Sie endlich auf eine expan- sive Finanzpolitik zur Stärkung der Binnennachfrage umschalten würden. Aber dies ist ja leider nicht zu er- warten. Lassen Sie mich zu einem anderen Aspekt kommen. „Basel II“ ist ja nicht nur für kleine und mittelständische Unternehmen relevant. „Basel II“ ist wichtiger Baustein zur Regulierung der internationalen Finanzmärkte. Und damit zeigt „Basel II“ auch: Internationale Finanzmärkte sind grundsätzlich regulierbar. Auch auf den internatio- nalen Finanzmärkten gibt es Akteure, denen Staaten Spielregeln vorschreiben können. Es muss nur der politi- sche Wille da sein. Und: Die wirtschaftlich mächtigsten Staaten müssen gemeinsam handeln. Also: Das Gerede von den internationalen Finanzmärkten, denen wir alle hoffnungslos ausgeliefert sind, kann so nicht ganz stim- men. Natürlich: Wir müssen genau hinschauen. Wir müs- sen fragen: Wie soll da eigentlich was geregelt werden? Wie will „Basel II“ das Ziel erreichen, Finanzkrisen zu vermeiden? Wurde dafür wirklich alles getan? Und da habe ich im Detail doch noch Zweifel. „Basel II“ wäre die Möglichkeit gewesen, bestimmte Geschäfte für Banken teurer zu machen. Und ich sage: vielleicht auch so teuer zu machen, dass sie sich einfach nicht mehr lohnen. Was ist zum Beispiel mit Krediten, die Spekulation finanzieren? Oder was ist mit Derivaten, die kein realwirtschaftliches Geschäft absichern? Das sind doch die Geschäfte, die systemweite Bankenkrisen auslösen. Und genau diese Geschäfte hätte „Basel II“ teurer machen können. Und zwar viel teurer. Und zwar weltweit. Natürlich: „Basel II“ bringt in einigen Bereichen der Bankenaufsicht Verbesserungen. Aber: Es wäre mehr drin gewesen – wenn der politische Wille stark genug gewesen wäre. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gestzes zur Änderung des Wohnungseigentumgesetzes und anderer Gesetze (Tagesordnungspunkt 17) Norbert Geis (CDU/CSU): Die Koalition hat sich in ihrem umfangreichen Koalitionsvertrag unter anderem vorgenommen, das Wohnungseigentumsgesetz zu refor- m A v n o S d d b W w d h v s M n d t e r h B t K d m h D a B M n s G g l I S a s ti F w S m g s e t k s (C (D ieren. Inzwischen liegt der Gesetzentwurf vor. Zu nfang werden die drei wichtigsten Ziele des Reform- orhabens aufgezählt: Die Willensbildung der Woh- ungseigentümer soll erleichtert werden, die Verfahrens- rdnung und der Instanzenzug sollen geändert und die tellung der Wohnungseigentümer gegenüber den Kre- itinstituten bei der Geltendmachung von Hausgeldfor- erungen im Zwangsversteigerungsverfahren soll ver- essert werden. Zunächst ist jedoch ein Blick auf die Bedeutung des ohnungseigentums in unserem gesellschaftlichen und irtschaftlichen Leben zu richten; dies vor allem auch eshalb, weil die Rechtspolitik eine Querschnittsaufgabe at. Es ist immer auch notwendig, sich den Rahmen zu ergegenwärtigen, in welchem wir versuchen, eine be- timmte gesetzliche Regelung zu treffen. Für junge Familien und für die ganz überwiegende ehrheit derer, die zur Miete wohnen, ist der Erwerb ei- er Eigentumswohnung oder gar der Bau eines Hauses er größte Wunsch und zugleich auch die größte Investi- ion in ihrem Leben. Gerade für junge Familien ist die igene Wohnung oder das eigene Haus von unschätzba- em Wert. In diesen Wochen wird uns im Zusammen- ang mit der Einführung des Elterngeldes die drohende evölkerungskatastrophe vor Augen geführt. Trotz El- erngeldes aber werden wir nicht zu Familien mit mehr indern kommen, wenn wir nicht auch für ausreichen- en Wohnraum sorgen. In einer Dreizimmerwohnung it noch so guter Ausstattung lässt sich auf Dauer gese- en kein Vier- oder Fünfpersonenhaushalt unterbringen. ie Förderung von Wohneigentum hat deshalb vor allem uch eine große familienpolitische Bedeutung. Für den Kauf einer Eigentumswohnung oder für den au eines Eigenheimes ist viel Geld notwendig. Die ittel vor allem junger Familien reichen dafür meist icht aus. Deshalb geht es auch um die finanzielle Unter- tützung durch den Staat. Die Koalition will aus diesem rund KfW-Mittel locker machen. Ob dies in dem nöti- en Umfang gelingt, ist noch offen. Die Eigenheimzu- age und das Baukindergeld waren jedenfalls sehr gute nstrumente, um Wohnungseigentum zu fördern. Die treichung dieser Mittel war ein schwerer Fehler. Das selbst genutzte Wohnungseigentum hat jedoch uch im Alter große Bedeutung. Wohnungseigentum chützt vor Mieterhöhungen, vor Kündigungen und sons- gen Entscheidungen Dritter. Es gehört zu den sichersten ormen der Altersvorsorge. Sind die Hypotheken bezahlt, irkt kostenfreies Wohnen wie eine Rentenerhöhung. Die tatistik zeigt, dass Wohnungseigentümer über 800 Euro ehr im Monat verfügen können als Miethaushalte in der leichen Situation. Zugleich bedeutet das Wohnungseigentum auch eine ichere Vermögensanlage. Außerdem kurbelt die Nachfrage nach Wohnungs- igentum die Bautätigkeit und damit eine der wichtigs- en Schlüsselindustrien unseres Binnenmarktes an. So önnten die so dringend notwendigen Arbeitsplätze ge- chaffen werden. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3031 (A) ) (B) ) Aus all diesen Gründen ist die Förderung des Eigen- heimes nach wie vor eine wichtige Aufgabe der Politik. Das eigene Haus wie auch die Eigentumswohnung schaffen Sicherheit im Alter und geeigneten Wohnraum für junge Familien. Deutschland braucht mehr Woh- nungseigentum. Mit 41 Prozent haben wir den niedrigs- ten Stand in Europa. Dies ist in groben Skizzen der Rahmen, in dem der vorliegende Gesetzentwurf zu sehen ist. Der Entwurf versucht dem Anliegen, Wohnungseigentum zu fördern, gerecht zu werden. Es wird deutlich, dass durch die Novellierung die Stellung des Wohnungseigentümers, insbesondere des Eigentümers, der sein Wohnungseigentum selbst nutzt, gestärkt werden soll. Dies gilt für die Erleichterung der Willensbildung der Eigentümergemeinschaft. Die grundlegenden Regelun- gen für das gemeinschaftliche Zusammenleben der Wohnungseigentümer werden durch Vereinbarungen festgelegt, die meist schon in der so genannten „Gemein- schaftsordnung“ niedergelegt sind. Diese Vereinbarun- gen sind einstimmige Beschlüsse. Sie sind die Regel. Nur in Ausnahmefällen, wenn unter anderem das Gesetz es vorsieht, können Entscheidungen durch Mehrheitsbe- schlüsse herbeigeführt werden. Dies ist in vielen Fällen ein untragbarer Zustand, dann zum Beispiel, wenn wichtige Maßnahmen zu treffen sind, aber keine Einstimmigkeit zu erzielen ist. Deshalb erweitert der Gesetzesentwurf die Möglichkeit, solche Entscheidungen künftig auch ohne Einstimmigkeit, also mit Mehrheit, treffen zu können. Dann können die Wohnungseigentümer auf diese Weise unter bestimmten Voraussetzungen Modernisie- rungsmaßnahmen beschließen, auch wenn damit nicht alle Eigentümer einverstanden sind – § 16 IV WEG. Dies gilt auch für die nunmehr vorgesehene Möglich- keit, Veräußerungsbeschränkungen durch Mehrheitsbe- schluss aufzuheben und die entsprechende Eintragung im Grundbuch zu löschen. Dadurch ist es dem einzelnen Wohnungseigentümer eher möglich, sein dingliches Ei- gentum zu versilbern. Durch Mehrheitsbeschluss kann künftig auch unter bestimmten Voraussetzungen eine neue Verteilung der Betriebskosten erfolgen. Bislang war dies nur mit Ein- stimmigkeit zu erreichen. Auch dies ist zu begrüßen. Würde es in diesen Fällen bei der Notwendigkeit der Einstimmigkeit verbleiben, würde sich der, der durch die Neuverteilung belastet wird, immer dagegen wehren und es käme unter Umständen nicht zu einer gerechten Ver- teilung der Betriebskosten. In diesem Zusammenhang ist auch der im Entwurf vorgesehene Anspruch des Einzelnen auf Anpassung ei- ner Vereinbarung zu sehen. Mit gerichtlicher Hilfe soll er die Möglichkeit erhalten, eine Vereinbarung, durch die er in besonderer Weise ungerecht belastet wird, an eine gerechte Lösung anzupassen. Mit diesem neu vor- gesehenen Anpassungsanspruch können ungerechte Ver- hältnisse beseitigt werden. Die rechtlichen Verhältnisse k p s g w d d J l n g e a S d r w I z l n s s t n d l d r h g F A n z d e k b g u B g n f n h t d f s (C (D önnen so eher den tatsächlichen Verhältnissen ange- asst werden. Ferner ist vorgesehen, dass die jetzt notwendige Zu- timmung dinglich Berechtigter zu von der Eigentümer- emeinschaft getroffenen Vereinbarungen künftig in eitem Umfang entbehrlich ist. Insgesamt ist die Förderung von Mehrheitsentschei- ungen der Wohnungseigentümer sachgerecht, da hier- urch praktikable Lösungen für viele inzwischen in die ahre gekommene Wohnungseigentumsanlagen ermög- icht werden, bei denen bislang Modernisierungsgegner otwendige Maßnahmen mit juristischen Mitteln verzö- ert oder gar unmöglich gemacht haben. Natürlich gibt s gegen die Erweiterung der Mehrheitsentscheidung uch Bedenken. Alles in allem gesehen wird jedoch die tellung der Eigentümer gestärkt. Die begrüßen wir. Eine weitere wesentliche Änderung des WEG sieht er Entwurf insoweit vor, als das bisherige FGG-Verfah- en aufgegeben und die Regelungen der ZPO eingeführt erden sollen. Damit verbunden ist eine Änderung des nstanzenzuges: Erstinstanzlich ist das Amtsgericht, in weiter Instanz das Oberlandesgericht und letztinstanz- ich ist der Bundesgerichtshof zuständig. Um den BGH icht zu sehr zu belasten, soll die Nichtzulassungsbe- chwerde für eine Übergangszeit von fünf Jahren ausge- chlossen sein. Die Überführung der Wohnungseigentumsstreitigkei- en aus der freiwilligen Gerichtsbarkeit in das Verfahren ach der ZPO findet die uneingeschränkte Zustimmung er Länder. Kritisiert wird die Zuständigkeit der Ober- andesgerichte für die zweite Instanz. Der Entwurf hat ie zweitinstanzliche Zuständigkeit des Oberlandesge- ichtes deshalb gewählt, um schneller zu einer Verein- eitlichung der Rechtsprechung zu kommen. Dies ist ein uter Vorschlag. Für die Wohnungseigentümer stellen der Wegfall des GG-Verfahrens und der damit verbundene Wegfall des mtsermittlungsgrundsatzes zweifellos eine Erschwer- is dar, da sie jetzt gezwungen sind, ihre Rechte selbst u verfolgen. Es darf jedoch nicht übersehen werden, ass jetzt unter anderem auch die Möglichkeit besteht, in Versäumnisurteil zu erlassen. Das kann zu einer will- ommenen Beschleunigung des Verfahrens führen und edeutet deshalb eine Verbesserung der Stellung des Ei- entümers bei der Verfolgung seiner Rechte. Das Für nd Wider ist aber genau zu bedenken und abzuwägen. Auch die Detailregelungen, wie die Parteistellung im eschlussverfahren sinnvoll und wie die Beiladung zu estalten ist, bedürfen noch der näheren Prüfung. Zu begrüßen ist auch die vorgesehene Einführung ei- er Beschlusssammlung beim Verwalter. Wir halten es ür richtig, dass die Wirksamkeit bestimmter Beschlüsse icht von der Aufnahme in die Beschlusssammlung ab- ängig gemacht wird. Beschlüsse müssen also auch Gül- igkeit haben, wenn der Verwalter es versäumt hat, sie in ie Beschlusssammlung aufzunehmen. Es wäre auch alsch, das Grundbuch mit der Sammlung der Be- chlüsse zu belasten. 3032 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) Durch eine Öffnungsklausel haben die Länder künftig die Möglichkeit, den Aufteilungsplan und die Abge- schlossenheitsbescheinigung statt von der Baubehörde auch von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vornehmen zu lassen. Dies bedeutet eine Erleichterung für die Eigentümer. Darüber hinaus gibt es sogar den Vorschlag, auf die Abgeschlossenheits- bescheinigung gänzlich zu verzichten. In der Ausschuss- beratung werden wir darüber zu befinden haben. Schließlich ist die Stärkung der Wohnungseigentümer gegenüber Kreditinstituten bei der Geltendmachung von Hausgeldforderungen in der Zwangsversteigerung zu be- grüßen. Durch die Änderung der Rangklassen des § 10 ZVG sollen die Wohnungseigentümer ein, wenngleich auch eng begrenztes, Vorrecht für Hausgeldforderungen vor den dinglich abgesicherten Ansprüchen der Kre- ditinstitute erhalten. Auf diese Weise können Hausgeld- ansprüche gegen zahlungsunwillige Miteigentümer, die bisher regelmäßig nicht eingetrieben werden konnten und deshalb von den übrigen Miteigentümern übernom- men werden mussten, eher geltend gemacht werden. Diese Stärkung der Wohnungseigentümer gegenüber den Kreditinstituten ist daher sehr zu begrüßen. Wir werden den vorgelegten Gesetzentwurf in den Ausschussberatungen eingehend prüfen. Insbesondere werden wir die Vorschläge aus der Wirtschaft und den Wohnungsverbänden bedenken. Schon jetzt sehen wir zusätzlichen Reformbedarf bei der Regelung des Ver- hältnisses von Miteigentümer und Verwalter. Dirk Manzewski (SPD): Am heutigen Tag debattie- ren wir hier in erster Lesung den Entwurf der Bundesre- gierung zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes. So sehr sich das WEG in der Vergangenheit auch grundsätzlich bewährt hat, im Laufe der Zeit hat sich hier ein zunehmender Bedarf nach praktikableren Re- geln gezeigt. Dies hat nicht zuletzt auch der bereits ange- sprochene Beschluss des Bundesgerichtshofs vom Juni 2005 gezeigt. Mit diesem hat der BGH unter ande- rem zum ersten Mal auch klargestellt, dass die Woh- nungseigentümergemeinschaft im Rahmen der Verwal- tung des gemeinschaftlichen Eigentums selbst rechtsfähig ist. Die hieraus resultierenden weitreichen- den Konsequenzen sind folgerichtig vom Gesetzentwurf aufgegriffen und dementsprechend die Rechte und Pflichten sowie das Verwaltungsvermögen der Gemein- schaft der Wohnungseigentümer ebenso wie die Stellung ihres Verwalters neu definiert worden. Auch die rechtlichen Folgen einer Insolvenz der Ge- meinschaft – dies ist als logische Folge der Entscheidung des BGH nun möglich – sind den Besonderheiten des Wohnungseigentumsrechts angepasst und zudem ist der Schutz der Gläubiger der Gemeinschaft verbessert wor- den. Soweit in Teilbereichen eine Beschlusskompetenz und damit das Mehrheitsprinzip statt der bisher erforder- lichen Einstimmigkeit für Entscheidungen der Woh- nungseigentümer eingeführt werden soll, halte ich dies vom Grundsatz her für richtig und notwendig. Das bis- l s d D v I r B l d s w a w f s d n g w s e m b m F s e d f r Z G f M f g h k u t h g w n c B b h (C (D ang geltende Einstimmigkeitsprinzip hat in der Praxis ehr häufig dringend gebotene Entscheidungen verhin- ert und Wohnungseigentum damit unattraktiv gemacht. Wir werden allerdings in den nächsten Wochen im etail zu diskutieren haben, inwieweit bei den einzelnen orgeschlagenen konkreten Änderungen zwischen den ndividualinteressen einerseits und den Mehrheitsinte- essen andererseits sachgerecht abgewogen worden ist. Gut finde ich, dass künftig zwingend eine aktuelle eschlusssammlung geführt werden soll. Dies ermög- icht zum einen einem potenziellen Erwerber, sich über ie vergangenen Beschlüsse der Gemeinschaft umfas- end zu informieren, um besser einschätzen zu können, as auf ihn zukommt. Zum anderen hilft dies natürlich uch der Gemeinschaft selbst, da hierdurch besser ge- ährleistet ist, dass bei Beschlüssen bereits einmal ge- asste Beschlüsse und/oder ergangene gerichtliche Ent- cheidungen in gleicher Sache nicht übersehen werden. Für nur folgerichtig halte ich es als Konsequenz aus er Entscheidung des BGH, die Wohnungseigentümer un nicht mehr für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft esamtschuldnerisch haften zu lassen. Zwar soll auch eiterhin die Möglichkeit bestehen, neben der Gemein- chaft auch unmittelbar gegen den einzelnen Wohnungs- igentümer vorzugehen. Dessen Haftung soll sich nun- ehr aber auf seinen Anteil am Gemeinschaftseigentum eschränken. Da der Verwalter zukünftig sowohl als Organ der Ge- einschaft als auch in der davon zu unterscheidenden unktion als Vertreter der Wohnungseigentümer auftritt, timme ich zudem mit der Bundesregierung darin über- in, die Vorschriften über die Befugnisse und Aufgaben es Verwalters sowie seiner Vertretungsmacht neu zu assen. Für gut erachte ich zudem die beabsichtigte Verlage- ung der Wohnungseigentumsverfahren vom FGG zur PO. Abgesehen davon, dass schon jetzt zum Teil rundsätze der ZPO auch in Wohnungseigentumsver- ahren anzuwenden sind, bietet die ZPO einfach die öglichkeit einer effizienteren und stringenteren Ver- ahrensführung. Ich finde, dass uns die Bundesregierung hier einen uten Vorschlag für eine Reform des WEG vorgelegt at. Ich bin jedenfalls gespannt auf die inhaltliche Dis- ussion mit Ihnen hierüber in den kommenden Wochen nd würde mich freuen, wenn Sie sich an dieser rege be- eiligen würden. Mechthild Dyckmanns (FDP): Das seit 1951 beste- ende Gesetz über das Wohnungseigentum hat sich rundsätzlich bewährt. Rund 5 Millionen Eigentums- ohnungen und die nach wie vor anhaltende Nachfrage ach dieser besonderen Rechtsform des Wohnens ma- hen deutlich, dass das Wohnungseigentum einen festen estandteil der Wohnungsversorgung in unserem Land ildet. Seit In-Kraft-Treten des Wohnungseigentumsgesetzes aben sich jedoch die wirtschaftlichen, sozialen, gesell- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3033 (A) ) (B) ) schaftlichen und politischen Rahmenbedingungen verän- dert mit der Folge, dass auch die Gesetze, die diese Rah- menbedingungen regeln, der Entwicklung angepasst werden müssen. Die letzte umfassende Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes erfolgte im Jahre 1973. Seither eingeleitete Änderungen kamen über das Diskus- sionsstadium nicht hinaus. Handlungsbedarf zeigte sich erneut und vordringlich nach der „Jahrhundertentschei- dung“ des Bundesgerichtshofs vom 20. September 2000 zum so genannten Zitterbeschluss. Die FDP begrüßt, dass die Bundesregierung mit dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf den Versuch unter- nimmt, eine schon länger als drei Jahrzehnte andau- ernde, aber mangels Einigkeit unter den Betroffenen und Beteiligten bislang ergebnislose Diskussion zu einem guten Ende zu bringen. Im Mittelpunkt des Gesetzentwurfs steht eine Erwei- terung der so genannten Beschlusskompetenzen. Der Entwurf lässt verstärkt Mehrheitsentscheidungen der Wohnungseigentümer zu. Er lockert das starre Einstim- migkeitsprinzip bei der Verteilung der Betriebs-, Ver- waltungs- und Instandsetzungskosten zugunsten einer mehrheitlichen Entscheidung. Auch Maßnahmen zur Modernisierung oder zur Energieeinsparung werden nach dem vorliegenden Entwurf zukünftig leichter zu realisieren sein. Das ist zu begrüßen. Hierdurch wird die Handlungsfreiheit der Wohnungseigentümer gestärkt und die Willensbildung der Eigentümergemeinschaften erleichtert. Besondere Bedeutung wird dies insbesondere für mittlere und größere Wohnanlagen haben. Hier war in der Vergangenheit die erforderliche Einstimmigkeit für Instandhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen nicht oder nur schwer zu erreichen. Dadurch ist es in vie- len Fällen zu einem Renovierungsstau gekommen. Die neue Regelung kann dazu beitragen, diesen abzubauen. Ob es zu einem Investitionsschub kommen wird, bleibt im Hinblick auf das Erfordernis einer Mehrheit von mehr als drei Vierteln aller stimmberechtigten Ei- gentümer und mehr als der Hälfte der Miteigentumsan- teile abzuwarten. Im Gesetzgebungsverfahren wird da- her zu erörtern sein, ob dieses Mehrheitserfordernis praktikabel ist oder möglicherweise eine zu hohe Hürde darstellt. In jedem Fall zu begrüßen ist die vorgesehene Be- schlusssammlung. Auf diese Weise können sich Woh- nungseigentümer und insbesondere Erwerber besser Klarheit darüber verschaffen, welche Rechte und Pflich- ten auf sie zukommen. Weiterer Erörterung bedarf die Entscheidung, wonach sich Verfahren in Wohnungseigentumssachen zukünftig nach der Zivilprozessordnung und nicht mehr wie bisher nach dem Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit richten sollen. Hiermit verbinden sich Vorteile, aber auch Nachteile, die die Durchrührung einer Anhörung angezeigt erscheinen lassen. Grundsätzlich positiv zu bewerten ist die in Aussicht genommene Beschränkung der Haftung des einzelnen Eigentümers. Nach der noch geltenden gesetzlichen Re- gelung haftet der einzelne Wohnungseigentümer bei In- s d w R s g n h w n H g n s g l t w t i e k n a P t F b n W – w l V e d s m z E W m K r R g d m u r d (C (D olvenz aller übrigen Miteigentümer für die Schulden er Gemeinschaft mit seinem gesamten Privatvermögen, as letztlich auch zu seinem eigenen wirtschaftlichen uin führen kann. Nachdem der Bundesgerichtshof mit einer Entscheidung zur Teilrechtsfähigkeit bereits eine esamtschuldnerische Haftung des einzelnen Woh- ungseigentümers gegenüber Dritten ausgeschlossen atte, geht die Bundesregierung jetzt noch einen Schritt eiter und begrenzt die Einzelhaftung auch im Verhält- is der Wohnungseigentümer untereinander auf die öhe des jeweiligen Miteigentumsanteils. Das ist zu be- rüßen. Der jetzt vorgelegte Entwurf gibt Anlass zu der Hoff- ung, dass die Novellierung des Wohnungseigentumsge- etzes ohne größeren politischen Streit über die Bühne ehen kann. Die FDP ist bereit, hierzu ihren Beitrag zu eisten. Wir legen aber Wert auf eine sorgfältige Bera- ung. Die hierfür erforderliche Zeit sollen und müssen ir uns nehmen, damit das novellierte Wohnungseigen- umsgesetz geeignet ist, dass Wohnungseigentum auch n Zukunft attraktiv bleibt, auch und nicht zuletzt als ine immer stärker genutzte Form der Altersvorsorge. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Ein Spruch sagt: Wer lug ist, wohnt zur Miete. Natürlich in einer Wohnung ach Wunsch, in guter Lage, pflegeleicht und wartungs- rm, mit netter Nachbarschaft und für einen akzeptablen reis. Service inklusive, denn dafür wird Miete gezahlt. Trotzdem entscheiden sich Menschen für Wohneigen- um. Und dagegen ist auch nichts einzuwenden. Die raktion DIE LINKE, steht für das gleichberechtigte Ne- eneinander von selbst genutztem Wohneigentum, Woh- en zur Miete oder in einer Genossenschaft. Viele, meines Erachtens zu viele Menschen erwerben ohnimmobilien als Teil einer Wohneigentumsanlage zur Selbstnutzung oder als Kapitalanlage –, ohne zu issen, was auf sie zukommt. Neben den nicht unerheb- ichen Pflichten für das „Sondereigentum“ kommt die erantwortung als Miteigentümer am „Gemeinschafts- igentum“. Bewährtes Instrument für die Verwaltung, en Erhalt, die Pflege und Erneuerung dieses Gemein- chaftseigentums ist das Wohneigentumsgesetz. Ich kenne sehr unterschiedliche Wohneigentumsge- einschaften: Manche bestehen aus wenigen selbst nut- enden Haus- bzw. Wohnungseigentümern, manche aus igentümern, die ihre Wohnung weit ab vom eigenen ohnort als Kapitalanlage laufen lassen, es gibt Mehrfa- ilienhäuser mit einer Mischung aus Selbstnutzern und apitalanlegern bis hin zu Großwohnanlagen mit mehre- en hundert Wohnungen. Erfahrungen besagen, dass die echte des einzelnen Eigentümers mit der Zahl der Mit- lieder einer Eigentumsgemeinschaft schrumpfen und ie Zahl der Interessenskonflikte steigt. Viele Entscheidungen, die in einer Eigentümerge- einschaft getroffen werden (müssen), haben oft nicht nerhebliche finanzielle Folgen oder können den Cha- akter der Wohnanlage und die Nutzung erheblich verän- ern. Da jeder einzelne Eigentümer direkt betroffen sein 3034 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) kann, sind nach geltendem Recht einstimmige Entschei- dungen Grundlage für existenzielle Veränderungen. Dies schützt den Einzelnen vor Entscheidungen, zum Beispiel über größere Investitionen, die ihn finanziell überfordern und zum Verlust des Wohneigentums führen. Anderer- seits kann ein Einzelner gewollte und gegebenenfalls er- forderliche Entscheidungen von deutlichen Mehrheiten blockieren. Mit der Novellierung sollen auch schwerwiegende Entscheidungen durch eine verhältnismäßige Mehrheit zugelassen werden. Dies muss in den Ausschussberatun- gen noch einmal genau abgewägt werden – vor allem hinsichtlich des Vertrauensschutzes bei bestehenden Wohneigentümern –, auch wenn die Bundesregierung in der Begründung beteuert, dass ihre Vorschläge ausgewo- gen und rechtlich zulässig sind. Die Einführung der Pflicht einer Beschlusssammlung scheint sinnvoll, erhöht aber wie auch einige andere Än- derungen den bürokratischen Aufwand und die Reg- lungsdichte. Die beabsichtigte Überführung der gerichtlichen Zu- ständigkeit aus der freiwilligen Gerichtsbarkeit in die Zi- vilprozessordnung halten wir für problematisch. Zu begrüßen ist die vorgeschlagene Änderung der Rangklassen bei Zwangsversteigerungen zugunsten von Hausgeldansprüchen und zulasten der Banken. Hervorheben möchte ich das Recht jedes Eigentümers auf Baumaßnahmen zur Schaffung eines barrierefreien Zugangs zum Wohneigentum für behinderte Wohneigen- tümer oder Wohneigentümer, die ihr Eigentum an Men- schen mit Behinderungen vermieten (§ 22 WEG). Wir sollten bei der Beratung des Gesetzentwurfes in den Ausschüssen prüfen, ob das noch genügt. Ein barriere- freier Zugang zu Wohnungen dient schließlich nicht nur dem behinderten Eigentümer oder Mieter, sondern auch Menschen mit Behinderungen, die Selbstnutzer oder Mieter besuchen wollen. Barrierefreie Häuser und Woh- nungen sollten grundsätzlich zum „Stand der Technik“ gehören. Das nutzt allen und trägt auch dem Art. 3 GG, dem Bundesbehindertengleichstellungsgesetz und dem künftigen Antidiskriminierungsgesetz Rechnung. Inso- fern sollte generell bei Verlangen eines Wohnungseigen- tümers auf Schaffung eines barrierefreien Zugangs zum Wohneigentum die Zustimmung nicht erforderlich sein. Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der deutsche Wohnimmobilienmarkt ist in den letzten Jahren in Bewegung geraten; ja man könnte sogar sagen, er steht vor einem großen Umbruch. Auch wenn zum Bei- spiel die Frage der Einbeziehung oder Nichteinbezie- hung von Wohnimmobilien in REITs noch heftig um- stritten ist, so gibt es genügend Gründe, ungelöste Probleme des Wohneigentums jetzt anzugehen. Privatisierung heißt nicht automatisch, dass große kommunale Wohnungsbestände – wie zuletzt in Dres- den – an internationale Investoren verkauft werden, son- dern bedeutet auch, dass Wohnungen an Mieter verkauft werden. Und da wir alle – auf die eine oder andere Art u d u d 1 d L u n K d M p B m g R f l s u i H s l t s b g V v g s M f b t e s d z z n d f u e w b d ß l (C (D nd Weise – die Einbeziehung der Wohnimmobilien in ie geförderte Altersvorsorge befürworten, müssen wir ns konsequenterweise mit den Problemen beschäftigen, ie die Wohnungseigentümergemeinschaften und rund 5 Millionen Eigentümer seit vielen Jahren bewegen. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen begrüßt iese Gesetzesänderung. Wir haben schon in der letzten egislaturperiode eine Gesetzesänderung gefordert und nterstützt. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde och unter der rot-grünen Koalition am 25. Mai 2005 im abinett beschlossen. Für uns war und ist es wichtig, für bestimmte Fälle as Einstimmigkeitsprinzip durch einen qualifizierten ehrheitsbeschluss abzulösen. Das Einstimmigkeits- rinzip ermöglichte bisher einzelnen Miteigentümern die lockade zum Beispiel von sinnvollen Modernisierungs- aßnahmen und führte letztlich zu Ersatzvereinbarun- en, den so genannten Zitterbeschlüssen, die nach echtsprechung des BGH auch ohne gerichtliche An- echtung von Anfang an unwirksam waren. In dem vor- iegenden Gesetzentwurf wird das Quorum für be- timmte Fälle auf drei Viertel der Eigentümerstimmen nd 50 Prozent der Eigentumsanteile abgesenkt. Das ist mmer noch eine hohe, aber nicht unüberwindliche ürde. Sie erschwert aber auf jeden Fall die Blockaden, ie erleichtert die Willensbildung und stärkt die Hand- ungsfähigkeit von Wohnungseigentümergemeinschaf- en. Diese Neuregelung betrifft nach § 22 WEG (2) Ent- cheidungen zu baulichen Veränderungen, insbesondere ei Maßnahmen zur Modernisierung, die der nachhalti- en Erhöhung des Gebrauchswertes, der dauerhaften erbesserung der Wohnverhältnisse oder der Einsparung on Wasser und Energie dienen. Gerade in Zeiten stei- ender Energiekosten müssen alle Maßnahmen unter- tützt werden, die die Belastungen der Eigentümer und ieter und der Umwelt durch die Ausschöpfung von Ef- izienzpotenzialen nachhaltig verringern können. § 22 WEG (1) stellt klar, dass die Schaffung eines arrierefreien Zugangs für behinderte Wohnungseigen- ümer oder Mieter im Regelfall auch ohne die Einholung iner Zustimmung der Wohnungseigentümergemein- chaft gewährleistet ist. Nach § 16 WEG (4) besteht künftig die Möglichkeit, en Verteilungsschlüssel einer Kostenregelung im Ein- elfall – mit dem vorgenannten Quorum – abweichend u gestalten, wenn zum Beispiel durch Baumaßnahmen ur eines von mehreren Gebäuden betroffen ist. Auch ies wird zu einer deutlichen Erleichterung im Verfahren ühren. Und mit dem § 16 WEG (3) wird die Erfassung nd Abrechnung von Betriebs- und Verwaltungskosten rleichtert und den Eigentümergemeinschaften die not- endige Flexibilität für die Immobilienverwaltung gege- en. Ebenfalls unsere Zustimmung findet die Erweiterung es § 12 um den Abs. 4, der eine Aufhebung von Veräu- erungsbeschränkungen mit Stimmenmehrheit ermög- icht. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3035 (A) ) (B) ) Wir begrüßen die verbindliche Einführung einer Be- schlusssammlung, die aus unserer Sicht zu einer besse- ren Informationsmöglichkeit von potenziellen Erwer- bern von Wohnungseigentum beitragen dürfte und deutlich unbürokratischer als die geforderte Einführung eines Zentralgrundbuchs ist. Die Stellung von Wohnungseigentümern gegenüber Banken wird bei der Geltendmachung von Hausgeldfor- derungen in der Zwangsversteigerung gestärkt. Und die Position von Wohnungseigentümern gegenüber zah- lungsunfähigen oder -unwilligen Eigentümern wird durch ein begrenztes Vorrecht vor Grundpfandrechten verbessert. Und die künftige Behandlung von Gerichtsverfahren in Wohnungseigentumsangelegenheiten nach der ZPO wird auch aus unserer Sicht zu einer Aufwandsverringe- rung gegenüber der bisher üblichen freiwilligen Ge- richtsbarkeit (FGG) führen und trägt einer Harmonisie- rung mit anderen bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten Rechnung. Im Großen und Ganzen stimmen wir dem Gesetzent- wurf zu, allerdings haben wir auch noch Ergänzungs- bedarf anzukündigen. Wir sehen insbesondere bei der Einsicht der Wohnungseigentümer in sämtliche Abrech- nungs- und Verwaltungsunterlagen die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung. Des Weiteren sehen wir Änderungsbedarf bei der Verwalterbestellung. Bei neu errichteten Eigentumsanlagen wird der erste Verwalter meist vom Bauträger bestimmt, für einen Zeitraum von fünf Jahren. Dies kann insbesondere bei der Geltendma- chung von Mängeln innerhalb einer Fünfjahresfrist zu erheblichen Problemen führen. Im vorliegenden Gesetzentwurf finden sich viele un- serer Vorstellungen wieder und daher wird er auch un- sere Zustimmung bekommen. Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Der Bundestag behandelt heute einen Gesetzentwurf, der Millionen von Menschen in Deutschland betrifft: die Novelle des Wohnungseigen- tumsgesetzes, kurz: WEG. Ich möchte vorwegschicken: Die Geschichte des WEG ist eine Erfolgsgeschichte. Geschaffen im Jahre 1951, hat es in Deutschland erstmals echtes Eigentum an Teilen eines Gebäudes ermöglicht. Viele Menschen er- hielten so erst die Chance, in den eigenen vier Wänden zu wohnen. Das Gesetz ist bei den Bürgern angekom- men und hat sich bewährt. Wer eine Eigentumswohnung hat, weiß aber auch, dass es nicht immer harmonisch zugeht. Für viele Men- schen ist die eigene Wohnung das wertvollste, was sie besitzen. Da ist es einem nicht gleichgültig, wie eine Wohnanlage verwaltet wird. Kein Gesetz wird deshalb Meinungsverschiedenhei- ten unter Wohnungseigentümern verhindern können. Aber der Gesetzgeber muss Instrumentarien bereitstel- len, damit Meinungsverschiedenheiten die Wohnanlage n w f G r h n h t m a E b t V s u g r m P a s K s z t t g n r s z w r t K b s w K g a s t d c t w d (C (D icht lähmen und in einem geordneten Verfahren gelöst erden. Mit der Novelle des Wohnungseigentumsrechts ver- olgen wir vier Ziele: Erstens. Wir wollen die Willensbildung innerhalb der emeinschaft erleichtern und das Wohnungseigentums- echt entbürokratisieren. Nach heutigem Recht kann äufig ein einziger Wohnungseigentümer eine Maß- ahme verhindern, die alle anderen für gut und richtig alten. Es gilt der Grundsatz, dass die Wohnungseigen- ümer ihre Angelegenheiten durch Vereinbarung und da- it einstimmig regeln. Mehrheitsbeschlüsse sind nur usnahmsweise zulässig. Wir wollen das Prinzip der instimmigkeit dort, wo ein praktisches Bedürfnis dafür esteht, durch das Mehrheitsprinzip ersetzen. Das be- rifft zum Beispiel Modernisierungsmaßnahmen oder die erteilung von Betriebs- und Verwaltungskosten. Zweitens wollen wir die rechtlichen Verhältnisse zwi- chen Eigentümergemeinschaft, Wohnungseigentümern nd Gläubigern der Eigentümergemeinschaft klarer re- eln. Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesge- ichtshofs ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentü- er rechtsfähig. Diese Rechtsprechung hat in manchem unkt Klarheit geschaffen und einiges vereinfacht, aber uch eine Vielzahl von Folgeproblemen entstehen las- en. Die Praxis ist daher verunsichert und wünscht eine lärung durch den Gesetzgeber. Unser Entwurf spricht ich dafür aus, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs u akzeptieren, und gibt der Praxis gleichzeitig die nö- ige Klarheit. Das betrifft vor allem die Frage der Haf- ung der einzelnen Wohnungseigentümer für Forderun- en gegen die Gemeinschaft. Drittens. Wir wollen die Gerichtsverfahren in Woh- ungseigentumssachen mit den anderen bürgerlich- echtlichen Streitigkeiten in Einklang bringen. Deshalb oll sich das Verfahren in Wohnungseigentumssachen ukünftig nach der Zivilprozessordnung und nicht mehr ie bisher nach dem Gesetz über die freiwillige Ge- ichtsbarkeit richten. Das schont die Ressourcen der Jus- iz und gibt den Gerichten bessere Möglichkeiten der onzentration und Beschleunigung. Viertens. Wir wollen den Wohnungseigentümern eine essere Handhabe gegen solche Miteigentümer ver- chaffen, die ihre Hausgelder nicht mehr zahlen – sei es, eil sie zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig sind. ünftig sollen die Wohnungseigentümer mit einem be- renzten Vorrang vor Grundpfandrechten – die sich vor llem Banken zur Sicherung ihrer Kredite eintragen las- en – die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwal- ung betreiben können. Nach allem handelt es sich also um Änderungen, die as Wohnungseigentum gerechter und praktikabler ma- hen. Sie kommen den Bürgerinnen und Bürgern unmit- elbar zugute und entlasten gleichzeitig die Justiz. Dies ird die Attraktivität des Wohnungseigentums auch für ie Zukunft sichern. 3036 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Mit der strategischen Partnerschaft zwi- schen der Europäischen Union und Latein- amerike Ernst machen und deutsches Enga- gement ausbauen – Die Beziehungen zwischen EU und Latein- amerike solidarisch gestalten – Kein Frei- handelsabkommen EU-Mercosur (Tagesordnungspunkt 16) Anette Hübinger (CDU/CSU): Angesichts des be- vorstehenden EU-Lateinamerika-Gipfels in Wien befas- sen wir uns heute mit den Anträgen der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der Linken. Bislang standen die Länder Lateinamerikas und der Karibik nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses. Deut- sche entwicklungspolitische Aufgaben in Lateinamerika und in der Karibik haben Kürzungen hinnehmen müs- sen, deutsche Direktinvestitionen stagnieren. In Anbe- tracht dieser Situation vermisst die CDU/CSU-Fraktion in beiden Anträgen den nötigen breiten Ansatz, um die kulturell-historisch gewachsenen Beziehungen zwischen Lateinamerika und Europa so zu intensivieren und aus- zubauen, dass eine zukunftsfähige strategische Partner- schaft entsteht. Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen enthält wich- tige Punkte, die eine Unterstützung verdienen. Er ist je- doch nach unserer Auffassung abzulehnen, da Lösungs- vorschläge fehlen, um eine stabile wirtschaftliche Partnerschaft weiterzuentwickeln. Für die CDU/CSU-Fraktion ist die Armutsbekämp- fung eines der zentralen Themen in Lateinamerika und in der Karibik. Gerade im Hinblick auf die Millenniums- entwicklungsziele, die Armut auf der Welt bis 2015 zu halbieren, sind in Lateinamerika größere Fortschritte als bisher erforderlich. Lateinamerika ist weltweit die Re- gion mit den größten Einkommensunterschieden. Wir müssen daher einen diversifizierten Entwicklungsansatz wählen. Bei der Armutsbekämpfung ist es für uns wichtig, die bedeutsame Rolle der Bildungs- und Ausbildungsmög- lichkeiten in den Vordergrund zu rücken, weil erst da- durch ein langfristiges Entkommen aus der Armut mög- lich ist. Die Armutsbekämpfung hat auch höchste Priorität, um der Gefahr eines wieder erstarkenden Populismus zu begegnen. Daher müssen die Entwicklungen in Vene- zuela unter Präsident Chavez von uns weiterhin kritisch beobachtet werden. In diesem Zusammenhang muss uns die Veröffentli- chung des Entwicklungsprogramms der Vereinten Natio- nen zu denken geben, das viele Menschen von der De- mokratie enttäuscht sind und deshalb wieder autoritäre R s d A t b d D s g i i w l g b b l r E t b E E s l R m z A M W s h v s K v n L W u L S E u r g d s a (C (D egime befürworten würden, wenn dadurch ihre wirt- chaftliche Lage verbessert würde. Die Problemlösungsfähigkeiten der politischen Mo- elle stehen heute in Lateinamerika auf dem Prüfstand. ufgrund der tiefen Krise, in der sich die Parteiensys- eme vieler lateinamerikanischer Länder gegenwärtig efinden, kommt der bildungspolitischen Arbeit der eutschen Stiftungen vor Ort eine wichtige Rolle zu. enn Demokratie muss erlernt werden, um dauerhaft be- tehen zu können. Daher wollen wir politische Stiftun- en, Kirchen, Gewerkschaften und Kulturorganisationen n dieser Vermittlungsaufgabe unterstützen. Das gesamte Ökosystem Lateinamerikas mit seinen mmensen natürlichen Ressourcen und seiner außerge- öhnlichen biologischen Vielfalt, ist von großem globa- em Interesse. Ergänzend zu den Tropenwaldschutzpro- rammen sollte aber auch der indigenen Bevölkerung eim Aufbau einer nachhaltigen Holzwirtschaft als Le- ensgrundlage geholfen werden. Ein Schwerpunkt der deutschen Entwicklungshilfe iegt im Umwelt- und Ressourcenschutz. Die Vorreiter- olle deutscher Unternehmen im Bereich erneuerbarer nergien in Lateinamerika sollte ausgenutzt werden. Die EU-Staaten sind führender Direktinvestor in La- einamerika sowie ein bedeutender Investor in den Kari- ikstaaten. Die Investitionen aus dem Subkontinent nach uropa sind jedoch gering. In dieser Situation sollte die U einen intensiveren Beitrag zur demokratischen Kon- olidierung, zu Wirtschaftswachstum und Entwicklung eisten. Der Gipfel in Wien bietet die Gelegenheit, die 1999 in io de Janeiro beschlossene strategische Partnerschaft it dieser Region konsequent fortzusetzen. Deshalb set- en wir uns auch für den erfolgreichen Abschluss des ssoziationsabkommens zwischen der EU und dem ercosur ein. Günstige Rahmenbedingungen für die irtschaftbeziehungen zwischen beiden Regionen müs- en aber in beide Richtungen gehen, damit eine tragfä- ige Partnerschaft entstehen kann. Die Fraktion Die Linke wirft in ihrem Antrag der EU or, die EU würde Lateinamerika scheinparlamentari- che Strukturen überstülpen wollen und die Länder der aribik und Lateinamerikas bevormunden. Zugleich erlangt sie, dass wir unsere gelebten Erfahrungen in ei- em demokratischen Rechtsstaat der Bevölkerung in den ändern Südamerikas nicht vermitteln sollen. Das ist ideologische Bevormundung, einem Teil der eltbevölkerung unsere Erfahrungen mit Demokratie nd Rechtsstaatlichkeit vorzuenthalten. Die Fraktion Die inke verkennt aus ihrer verblendeten ideologischen icht hierbei, dass eine Partnerschaft immer eine eigene ntscheidung beinhaltet. Diese Entscheidung können nd wollen wir den Staaten Lateinamerikas und der Ka- ibik nicht abnehmen. Schon allein aufgrund dieser Ar- umentation ist ihr Antrag abzulehnen. Die Koalition wird ihrerseits wegen der Wichtigkeit er Debatte in Kürze einen eigenen Antrag vorlegen, der ich in detaillierter Form mit der Partnerschaft zu Latein- merika und der Karibik auseinander setzen wird. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3037 (A) ) (B) ) Sascha Raabe (SPD): Beginnen möchte ich meinen Redebeitrag zu der EU-Lateinamerika-Debatte heute mit einem viel zitierten Buchtitel aus den 70er-Jahren: „Die offenen Adern Lateinamerikas“. Ich greife den Titel auf, weil ich denke, dass die Adern Lateinamerikas heutzu- tage noch an vielen Stellen offen sind. Lateinamerika liegt vielleicht nicht mehr auf der Intensivstation kolo- nialer oder diktatorischer Despoten, dafür sind die Adern der Armut noch offen. 40 Prozent der Menschen in La- teinamerika leben in Armut – mit weniger als 2 US-Dol- lar pro Tag – und die Einkommensungleichheiten sind in keinem anderen Kontinent größer. Alleine wird es für die Bürgerinnen und Bürger aus Südamerika fast unmöglich sein, ihre Wunden zu heilen. Daher ist von europäischer Seite Hilfe geboten. Ich freue mich, dass sich heute und morgen über 60 Staats- und Regierungschefs aus Lateinamerika und Europa in Wien versammeln, um ihre Beziehung weiter auszubauen und gemeinsam Lösungen für offene Fragen zu finden – so viele waren seit dem Wiener Kongress nicht mehr in Wien versammelt. Dies zeigt – entgegen vieler anderer Meinungen –, dass die Partnerschaft zwi- schen Europa und dem lateinamerikanischen Kontinent durchaus eine große Bedeutung hat. Letzte Woche hat sich unser Außenminister Frank-Walter Steinmeier schon einmal vor Ort ein Bild gemacht und die Bedeu- tung dieses Kontinentes verdeutlicht. Auch unsere Ent- wicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul reiste jüngst nach Bolivien und Chile. Neben dem Stellenwert Lateinamerikas erscheint es mir überaus wichtig, dafür zu plädieren, dass der stattfin- denden politischen Polarisierung ein Ende bereitet wird. Diese Kategorisierung in links und rechts ist für eine strategische Partnerschaft nicht fruchtbar. Im Gegenteil, sie schürt Feindbilder und verhindert eine sachliche so- wie zielorientierte Auseinandersetzung mit den brennen- den Problemen Lateinamerikas. Und diese stehen derzeit auf der Tagesordnung in Wien. So stehen im Mittelpunkt der Diskussion der internationale Handel mit der ent- sprechenden offenen Agrarfrage, die Bestrebungen ein- zelner Staaten zur Verstaatlichung ihrer Rohstoffsekto- ren sowie Maßnahmen internationaler und nationaler Armutsbekämpfung. Ein wichtiger Bestandteil der strategischen Partner- schaft zwischen Europa und Lateinamerika ist und bleibt die Armutsbekämpfung. Obwohl Erfolge zu verzeichnen sind, steht die deutsche bilaterale sowie europäische Ent- wicklungszusammenarbeit weiterhin vor großen Heraus- forderungen. Auch der Zwischenbericht der Vereinten Nationen zur Erreichung der Milleniumsentwicklungs- ziele weist auf Schwierigkeiten hin und warnt vor einem Versagen. In der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Lateinamerika sind der Umwelt- und Ressourcenschutz, die Staatsmodernisierung bzw. Konsolidierung der De- mokratie sowie die Armutsbekämpfung die drei Schwer- punktbereiche. Derzeit sind in der Region fünf Länder als Schwerpunktpartnerländer und acht als Partnerländer klassifiziert. Da das Bundesministerium für wirtschaftli- che Zusammenarbeit und Entwicklung den aktuellen E f P B e d b l t j s E N b g z A s w b a ß n d s z d z D f m n A n k p A z n z ü – e K E F z e E k m i E v v P (C (D ntwicklungen in der Region Rechnung tragen möchte, indet derzeit eine Überprüfung und Neujustierung der artnerländer statt. Das Lateinamerika-Konzept des MZ von 2000, welches als politische Leitlinie in der ntwicklungspolitischen Zusammenarbeit dient, wird erzeit überarbeitet und entsprechend den neuen Gege- enheiten aktualisiert. Komplementär zur deutschen bilateralen Entwick- ungszusammenarbeit ist die Europäische Union in La- einamerika als wichtigster Geber tätig. Durch ihre üngst verabschiedete gemeinsame entwicklungspoliti- che Erklärung, den „Europäischen Konsens“, stellt die U ihr Engagement auch hier deutlich unter Beweis. ach der Wahl mehrerer linksorientierter Regierungen esteht ein enormer Erwartungsdruck an die Regierun- en, Erfolge im Kampf gegen die soziale Misere vor- uweisen. An dieser Stelle begrüße ich die nationalen rmutsbekämpfungsstrategien und möchte diese unter- tützen. Einen großen Armut reduzierenden Beitrag können ir aber natürlich auch in anderen Bereichen leisten, wie eispielsweise mit unserer Handelspolitik. Die EU hat ls wichtiger Handelspartner für Lateinamerika ein gro- es Interesse daran, die Handelsbeziehungen zu harmo- isieren. Ich möchte das Gipfeltreffen in Wien nicht auf as ins Stocken geratene Assoziationsabkommen zwi- chen der EU und dem Wirtschaftsblock Mercosur redu- ieren. Dennoch ist es mir sehr wichtig, die Gründe für as bisherige Scheitern eines Assoziationsabkommens wischen diesen beiden Wirtschaftsblöcken mit aller eutlichkeit hervorzuheben. Die Mercosur-Länder wer- en zu Recht der Europäischen Union Agrarprotektionis- us vor und fordern berechtigterweise sowohl die Öff- ung der Märkte für ihre Agrarprodukte als auch die bschaffung aller handelsverzerrenden Agrarsubventio- en. Zwar konnte beim letzten WTO-Gipfel in Hong- ong immerhin ein Enddatum für das Auslaufen der Ex- ortsubventionen vereinbart werden, aber es gab keine nnäherung bei den internen handelsverzerrenden Stüt- ungen und dem Marktzugang. Wir, die Koalitionsfraktion SPD und CDU/CSU, leh- en die zur Debatte vorliegenden Anträge ab. Ich kann war mit den meisten Punkte des Antrages der Grünen bereinstimmen, möchte aber darauf hinweisen, dass wir die SPD- und CDU/CSU-Fraktion – derzeit an einem igenen umfassenderen Antrag arbeiten, der der ganzen omplexität gerecht wird sowie die Ergebnisse und mpfehlungen des Gipfels aufgreift. Der Antrag der raktion Die Linke ist fast nicht der Rede wert, da er un- eitgemäß und weltfremd ist. So wird beispielsweise an iner Stelle gefordert, dass die Agrarproduktion eines ntwicklungslandes sich auf den Eigenbedarf beschrän- en sollte. Doch gerade der Agrarbereich ist für die eisten Entwicklungsländer eine Haupteinnahmequelle m Export. Gerade wir als Exportweltmeister dürfen den ntwicklungsländern die Teilhabe am Welthandel nicht erbauen. In Wien wird nicht nur zwischen den Regierungs- ertretern an einer Partnerschaft gefeilt. Nein, die artnerschaft umfasst Millionen Lateinamerikaner und 3038 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) europäische Bürger. Das nächste Treffen wird in zwei Jahren turnusgemäß in einer lateinamerikanischen Stadt stattfinden. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir als europäische Gäste mehr anzubieten haben werden, als wir es derzeit in Wien haben. Ein Nichtstun können wir uns nicht leisten. Es wäre so, als ob man Salz in die offe- nen Wunden streuen würde, anstatt die offenen Adern Lateinamerikas zu schließen. Lothar Mark (SPD): Beide vorliegenden Anträge finden nicht die Zustimmung meiner Fraktion. Die Koalitionsfraktionen haben sich vorgenommen, als Nachlese zum vierten biregionalen Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs Lateinamerikas, der Kari- bik und der EU einen gemeinsamen Lateinamerika- Grundsatzantrag einzubringen. Dieser ist bereits vorbe- reitet; wir warten nur noch auf die Schlussfolgerungen des Wiener Gipfels. Lassen Sie mich zunächst auf den Antrag der Links- fraktion eingehen. Es muss jeden Außenpolitiker – ins- besondere aber unsere lateinamerikanischen und karibi- schen Partner – wundern, wenn nicht gar vor den Kopf stoßen, von welchem Realitätsverständnis Sie in Ihrem Antrag ausgehen. Durchgängig ist von Neoimperialismus, „Bevormun- dungsversuchen“ oder „Preisgabe souveräner Staatlich- keit“ die Rede. Vielleicht ist Ihnen entgangen, dass die Region kein fürsorgebedürftiges Opfer, sondern ein selbstbewußter Verhandlungspartner ist. Insbesondere Brasilien leistet zunehmend Beiträge zur globalen Struk- turpolitik und ist auf dem Wege zum Global Player. Des Weiteren kann ich nicht sehen, dass die EU demokra- tisch gewählte Regierungen in LAK stürzen will, wie Sie in Ihrem Antrag behaupten. Die Entscheidung des dama- ligen spanischen Ministerpräsidenten Aznar, die Carmona-Regierung in Venezuela anzuerkennen, reiht sich ein in eine Serie von groben Fehleinschätzungen desselben und wurde glücklicherweise von den übrigen europäischen Regierungschefs nicht mitgetragen. Ich sehe weiterhin nicht, dass die EU den US-Plan Colombia in Kolumbien auch nur mit einem Cent unterstützt oder gar von ihrem Primat der Kooperation zur friedlichen Konfliktlösung abgeht. Wenn es zwischen unseren Regionen große Überein- stimmungen gibt, dann in diesem Bereich. Europa sucht eine enge Kooperation mit LAK, das im Übrigen bereits eine atomwaffenfreie Zone ist, im Bereich der Global Governance. Diese umfasst gerade auch Themen wie die Nichtverbreitung von atomaren und Massenvernich- tungswaffen. Es überrascht nicht, dass in Ihrem Antrag keine kriti- sche Auseinandersetzung mit dem aktuellen Zustand der politischen Systeme in der Region stattfindet. Wie Sie sich vorstellen können, sieht die SPD-Bundestagsfrak- tion Probleme in Bezug auf die Konsolidierung der De- mokratien, insbesondere in der Andenregion, welche un- mittelbar mit der Verschärfung von sozialer Ungleichheit und Armut zusammenhängen. Ihre einfachen Analysen und Rezepte helfen in der globalisierten Welt von heute aber weder dies- noch jenseits des Atlantiks. r f k i k L e b L B u v R p Z h g b n d g g d I g s g D w h S u a E A d a s B s s u h c i e t w e f F n B i (C (D Schließlich ist es sehr simpel, aus der Opposition he- aus einen höheren Mittelansatz im Bundeshaushalt zu ordern. Dies ist durchgängiges Element des PDS-Dis- urses. Dagegen müssen Sie in den Landesregierungen, n denen die Linkspartei PDS Verantwortung trägt, er- ennen, dass es in der Realität ganz anders aussieht. anger Rede kurzer Sinn: Ihr Antrag ist realitätsfern, indimensional und daher unverantwortlich. Eine solch lauäugige Herangehensweise an die Kooperation mit ateinamerika kann nicht die Zustimmung der SPD- undestagsfraktion finden. Der vorliegende Antrag der Bündnisgrünen scheint ns dagegen in der Tendenz richtig. Sie wissen aus den ergangenen sieben Jahren um die Schwierigkeiten, der egion LAK ein höheres Profil in der deutschen Außen- olitik zu geben. Die weltpolitischen Veränderungen im uge von Mauerfall und EU-Erweiterung sowie die aushälterischen Sachzwänge seit der Wiedervereini- ung müssten Ihnen nur zu gut bekannt sein. Deswegen in ich froh, dass Minister Steinmeier in den ersten Mo- aten seiner Amtsführung eine Reise in die Region urchgeführt hat. Dieses Zeichen ist bei unseren dorti- en Partnern auch so aufgenommen worden. Ausschlaggebend für unsere Ablehnung sind fol- ende Gründe: Der vorliegende Antrag ist zu sehr auf as EZ-Handeln Deutschlands und der EU konzentriert. m bald einzubringenden Koalitionsantrag kommt dage- en die Absicht zum Ausdruck, umfassender auf politi- che Dimensionen der strategischen Partnerschaft einzu- ehen. Ansatz der SPD-Fraktion ist es, den politischen ialog auf Augenhöhe mit den Ländern der Region zu ürdigen und zu akzentuieren. In diesem Zusammen- ang soll der Koalitionsantrag, wie bereits erwähnt, chlussfolgerungen aus dem Wiener Gipfel aufnehmen nd aktuell auf die jüngsten Ereignisse in Bolivien, die nstehenden Wahlen in der Region sowie auf die letzten ntwicklungen bezüglich der Integrationsmechanismen ndengemeinschaft und Mercosur eingehen. Auch für Ihren Antrag gilt: Den Haushaltsansatz für ie EZ mit LAK zu erhöhen, ist eine wünschenswerte, ber vor dem Hintergrund der angespannten Haushalts- ituation zurzeit nicht vertretbare Forderung. Insgesamt nimmt die SPD-Fraktion eine positivere eurteilung der Entwicklung der strategischen Partner- chaft vor. Bei allen Schwächen des Gipfelprozesses ollte nicht vergessen werden, dass hieran mit Rumänien nd Bulgarien mittlerweile 60 Länder beteiligt sind. Es andelt sich also um das größte biregionale Forum, wel- hes rund ein Drittel der VN-Staaten repräsentiert. Der ntensivierte politische Dialog in diesem Rahmen stellt inen Wert an sich dar und birgt ein enormes Gestal- ungspotenzial. Diese Tatsache sollte nicht klein geredet erden. Gestatten Sie mir noch einige Anmerkungen aus aktu- llem Anlass: Beide Seiten kommen beim heutigen Gip- el nicht in bester Verfassung an den Verhandlungstisch. ür LAK ist zu beobachten, dass zentrifugale Kräfte in- erhalb der Integrationsblöcke die Verhandlungen in löcken immer schwieriger werden lassen. Die EU muss n diesem Zusammenhang ihr Konzept des offenen Re- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3039 (A) ) (B) ) gionalismus überdenken. Unsere Regierungen stehen vor der gleichen Herausforderung, wie unter den Bedin- gungen globaler Märkte ein geeigneter Mix aus Markt und Staat zum Nutzen breiter gesellschaftlicher Schich- ten gefunden werden kann. Nach dem Scheitern der neo- liberalen Strukturanpassungen hat LAK darauf verschie- dene Antworten entwickelt. Der viel beschriebene „Linksruck“ in Lateinamerika muss unter diesem Gesichtspunkt differenziert betrachtet werden. Es nützt nichts, einzelne Regierungen zu dämo- nisieren. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt hier auf ver- stärkten Dialog und Einbindung. Hoffnungsträger in diesem Zusammenhang bleiben Brasilien und der Mer- cosur, dem es gelingen muss, seine schwache institutio- nelle Basis zu vertiefen. LAK benötigt unser eindeutiges Bekenntnis zur stra- tegischen Partnerschaft, kein Lippenbekenntnis, sondern spürbare Verbesserungen in konkreten Streitfragen wie der Handelsmaterie. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des für LAK wichtigen Agrarsektors. Ich nenne hier großzügigere Quotenregelungen, Abbau aller handels- verzerrenden Exportsubventionen und Abschaffung der Zolleskalation. Vom Wiener Gipfel muss ein deutliches Signal für eine Einigung in diesen strittigen Fragen aus- gehen, um den baldigen Abschluss des EU-Mercosur- Assoziierungsabkommens zu ermöglichen. Dr. Karl Addicks (FDP): Seit 1999 – also nunmehr sieben Jahre lang – wird über die zukünftige Gestalt der europäisch-lateinamerikanischen Zusammenarbeit ge- sprochen. Eben auch vor sieben Jahren haben sich beide Seiten zu einer strategischen Partnerschaft bekannt, al- lein die Ergebnisse fehlen. Nun beginnt am Freitag, also morgen der 4. EU-La- teinamerika-Gipfel unter dem Motto „Stärkung der bi- regionalen strategischen Assoziation“. Der Titel klingt gut und soll eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen durch interregionale Kooperations- und Assoziierungs- abkommen zur Folge haben. Eine gemeinsame Freihan- delszone EU-Lateinamerika muss das Ziel all dieser Ver- handlungen, Dialoge und Diskussionen sein. Gespräche mit den Regionalbündnissen Mercosur, der Andenge- meinschaft und dem zentralamerikanischen Integra- tionssystem gehen jedoch leider nur schleppend oder gar nicht voran. Machen wir uns nichts vor: Die strategische Partnerschaft ist wünschenswert, jedoch noch nicht wirklich in Sicht. Der Wille ist da, nur das Fleisch ist schwach. So lassen sich die Verhandlungen der letzten Jahre eher umschreiben. Sicherlich hat die veränderte politische Landschaft in Lateinamerika und der EU das Ihre dazu getan. Dies und der Zustand der lateinamerikanischen Regionalbünd- nisse machen derzeit keine große Hoffnung auf einen er- folgreichen multilateralen Abschluss. Jedoch möchte ich nicht im Voraus die Flinte ins Korn werfen und Pessi- mismus verbreiten. Ein Plan B in der Tasche ist aller- dings immer von Vorteil. Nach dem Gipfel in Wien wird sich zeigen, ob eine neue Strategie vonnöten sein wird. t k Z A D b a w n s r c G e z b S d P d t s B E i E s f d w u M k s m h l s m m A g h s b m I o l d s d Ü u F M g (C (D Sollte ein Scheitern der Doharunde eintreten und soll- en auch die Verhandlungen über ein Assoziierungsab- ommen mit Mercosur, der Andengemeinschaft und entralamerika nicht zustande kommen, so muss die EU lternativen suchen, finden und diese auch verfolgen. enn wir müssen uns der Rolle der EU in Lateinamerika ewusst sein. Sie ist in der Entwicklungszusammen- rbeit der größte Geldgeber und nach den USA der ichtigste Handelspartner in Lateinamerika. Den natio- alistischen und populistischen Forderungen einzelner üdamerikanischer Regierungen, die eine Destabilisie- ung der lateinamerikanischen Regionalbündnisse errei- hen wollen, muss eine klare Absage erteilt werden. Der ipfel in Wien muss die nötigen Signale aussenden, um in weiteres Auseinanderdriften der Regionalbündnisse u verhindern. Dabei müssen insbesondere die Bestre- ungen der OAS, der Organisation der amerikanischen taaten, die ein solches Auseinanderdriften zu verhin- ern sucht, unterstützt werden. Wichtig ist uns der gleichberechtigte Dialog unter artnern. Trotz der wichtigen Rohstoffvorkommen fin- en wir in Lateinamerika auch enorme Einkommensun- erschiede und einige Länder gehören zu den höchstver- chuldeten der Welt. Nehmen wir einmal Bolivien als eispiel. Hier ist doch fraglich, ob die stattgefundenen ntschuldungsmaßnahmen – nominal wurden Bolivien m internationalen Rahmen insgesamt 1,3 Milliarden uro erlassen – im Sinne der Nachhaltigkeit und Wirk- amkeit das richtige Mittel zur Armutsursachenbekämp- ung darstellen. Eine gemeinsame Freihandelszone und ie Unterstützung und Förderung des Kleingewerbes so- ie des Handwerks in den Staaten von Lateinamerika nd der Karibik sind unserer Meinung nach die besseren ittel. Lassen Sie mich nun zu den vorgelegten Anträgen ommen. Der Antrag von der Fraktion des Bündnis- es 90/Die Grünen hat durchaus unterstützenswerte Ele- ente: die Forderung nach einem Abschluss der Ver- andlungen EU-Mercosur, die Aufnahme der Verhand- ungen mit der Andengemeinschaft und Zentralamerika owie der Erhalt und die Schaffung funktionierender De- okratien und starker Zivilgesellschaften. Dem kann an nichts entgegenhalten. Trotzdem können wir den ntrag hier nur ablehnen. In Anbetracht unserer derzeiti- en Haushaltslage ist eine Forderung nach mehr Haus- altsmitteln im Einzelplan 23 unmöglich. Stattdessen ollte Good Governance an oberster Stelle stehen und ei der Mittelvergabe berücksichtigt werden. Die Mittel üssen eben effizient eingesetzt werden. Zudem ist uns hr Antrag zu sehr auf den Umweltschutz fokussiert, der hne Zweifel sehr wichtig ist; das ist keine Frage. Aber assen Sie uns doch zunächst grundlegende Rahmenbe- ingungen schaffen, bevor wir ins Detail gehen. Der Antrag der Fraktion Die Linke spiegelt die ge- amte Palette linker Träumereien wider: beginnend bei er neoliberalen Wirtschaftspolitik, die als Wurzel allen bels betrachtet wird und endend bei antieuropäischen nd antiamerikanischen Parolen. Die Ablehnung der reihandels-Assoziierungsabkommen, speziell mit dem ercosur, ist ein immenser Rückschritt. Ihr Antrag be- ibt sich mit neosozialistischen Rezepten auf einen 3040 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) gefährlichen Weg. Lassen Sie uns die Ergebnisse des Gipfels in Wien abwarten und sehen, wie die Bereit- schaft der lateinamerikanischen Staaten in den Verhand- lungen einzuschätzen ist. Erst dann wissen wir, ob wir uns auf die Suche nach neuen Wegen und Strategien be- geben müssen. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Die Entschei- dung des bolivianischen Präsidenten Evo Morales, die Erdgasfelder seines Landes zu verstaatlichen, hat eine Tatsache auf den Punkt gebracht: Der politische Wind in Lateinamerika hat sich gedreht. Eine Tatsache, die offen- sichtlich gewöhnungsbedürftig ist. Nur so kann ich die Erklärung des deutschen Außenministers, dass er in Sorge sei, erklären. Worüber er besorgt ist, darüber ließ uns der Herr Außenminister im Unklaren. Wenn seine Sorge die geschichtliche Erfahrung reflektiert, dass eine solche mutige Entscheidung in der Vergangenheit oft- mals zu einem von der USA unterstützten Militärputsch führte, kann ich sie verstehen; wenn allerdings der Ein- griff in die Macht und den Einfluss multinationaler Kon- zerne die Grundlage ist, will ich widersprechen. Ich habe auch zur Kenntnis genommen, dass die Erklärung der Entwicklungsministerin einen anderen Tenor hatte. An Lateinamerika wird besonders deutlich, dass der Neoliberalismus seinen Zenit überschritten hat, seine Akzeptanz in den Bevölkerungen zu bröckeln beginnt. Schwer wird es sein, die Zerstörungen, die drei Jahr- zehnte Marktradikalismus hinterlassen, im Sinne von Solidität, Solidarität und Gerechtigkeit, von Ausgleich und Sozialstaatlichkeit aufzuarbeiten. Genau vor dieser Aufgabe stehen Politikerinnen und Politiker, die heute das neue Lateinamerika verkörpern. Ich denke dabei an Chávez in Venezuela, Kirchner in Argentinien, Lula in Brasilien, Morales in Bolivien und viele mehr. Ich denke aber auch an die Opfer der Militärdiktaturen und Putsche in Chile, Guatemala, El Salvador, Uruguay und vielen anderen Staaten. Für sie alle steht ein Name, der hier genannt werden muss: Salvador Allende. Er ist den Golgathaweg von Befreiung und Gerechtigkeit bis zum bitteren Ende gegangen. Ganz in diesem Sinne sollten wir noch einmal deutlich machen, dass deutsche Politik sich nachhaltig für die Einhaltung der Friedensverträge und der Menschenrechte in Guatemala und El Salvador einsetzt und dass wir zum Beispiel für Demokratie, so- zialen Ausgleich und für ein Ende des Bürgerkrieges in Kolumbien eintreten. Zur neuen Politik in Lateinamerika gehört, dass die Länder Schritt für Schritt zu mehr Zusammenarbeit fin- den und sich aus der Dominanz und Vorherrschaft der USA lösen. Deshalb ist der Bush-Vorschlag für eine Freihandelszone nach den Interessen der USA geschei- tert. Die lateinamerikanische Zusammenarbeit, eine La- teinamerika-Union, wächst von unten und wird auch keine Kopie der EU werden. Deshalb sollte der Gipfel EU-Lateinamerika nicht pri- mär ein Wirtschaftsgipfel sein. Europa kann zu einem wichtigen Partner Lateinamerikas werden. Das aber nur, wenn Europa keine Kopie der USA ist und wird, sondern wenn Europa alternativ ist, und ein anderes Europa ist m s l z d M d g a E f p n ä W B D s w A M s k b d v L h v r d v s R a d r t s s n w m W e P r P s t M n (C (D öglich. Die Verträge mit Lateinamerika müssen sozial- taatlich gebunden sein und auf Armutsbekämpfung zie- en. Lateinamerika als „Markt“ für Demokratie und So- iales und nicht als Markt für Waffen, dahin sollte sich ie EU orientieren. Es muss endlich Widerstand aufgebaut werden: ensch, Tiere und Pflanzen dürfen nicht länger Objekte er Genpatentierung, kapitalistischer Verwertungsbedin- ungen sein. Zu einer neuen Lateinamerikapolitik gehört uch eine neue Kubapolitik, die mit einer Absage an US- mbargos und Boykotte dazu beiträgt, dass Freiräume ür Bürgerinnen und Bürger wachsen, dass soziale und olitische Rechte zusammenfinden. Wenn die Zusammenarbeit EU-Lateinamerika eine eue Qualität erreichen soll, muss sich auch die EU ver- ndern. Um zu meinem Ausgangspunkt zurückzukehren: enn ein Staat seine Ressourcen in das Eigentum der ürgerinnen und Bürger zurückholt, sollte er aus eutschland nichts von Sorgen hören, sondern Unter- tützung erfahren. Ein „Bravo“ vom Außenminister äre auch eine Antwort auf Morales gewesen. Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die nkündigung des bolivianischen Präsidenten Evo orales, die Gas- und Ölförderung in Bolivien zu ver- taatlichen, hat nicht nur dieses ärmste Land Südameri- as auf die Titelseiten der internationalen Presse ge- racht. Die Maßnahme hat auch bewirkt, dass die Politik es ganzen Subkontinents unter den starken Verdacht on Populismus, Sozialismus und Dirigismus geraten ist. ateinamerika auf Linkskurs, zurück in die Vergangen- eit, in die Arme des Revolutionsopas Fidel Castro? Wie erhalten wir uns? Nehmen wir uns zunächst ein Beispiel an den Regie- ungen Spaniens und Brasiliens, die durch die ange- rohte Verstaatlichung als Investoren bzw. in ihrer Gas- ersorgungssicherheit am meisten betroffen sind. Sie etzen auf Verhandlungen und Kooperation. Spaniens egierungsführer Zapatero trifft sich beim EU-Latein- merika-Gipfel in Wien mit Morales. Repressalien wie ie etwaige Einstellung der Entwicklungshilfe hat er be- eits im Vorfeld ausgeschlossen. Wie sieht es mit unserer und der europäischen Hal- ung zum „Linksruck“ in Lateinamerika aus? Die politi- chen Veränderungen, die sich in den Wahlergebnissen eit dem letzten Jahr abzeichnen, bedeuten in der Tat ei- en Richtungswechsel. Dabei sind aber weder die ge- ählten Präsidenten Sozialisten noch gehen die Wähler it dem marxistischen Manifest unterm Arm zu den ahlurnen. Was die neuen Führer und ihr Wahlvolk zu- inander bringt, ist das Verlangen nach einer anderen olitik, vor allem nach mehr sozialer und ethnischer Ge- echtigkeit. Für die Menschen in Lateinamerika ist die neoliberale olitik, die den Diktaturen der 70er-Jahre folgte, ge- cheitert. Den Gürtel enger zu schnallen, die Staatsbe- riebe an ausländische Investoren zu verschleudern, die ärkte für Handel und Finanzen weit zu öffnen – es hat icht die versprochenen Ergebnisse gebracht Obwohl Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3041 (A) ) (B) ) Argentinien und Bolivien Musterschüler dieser von Washington verordneten Politik waren, können die Men- schen nicht erkennen, dass es ihnen nach 20 Jahren Marktreformen besser geht. Ökonomisch und politisch ist der Washington Consensus gescheitert. Aus diesem Grund werden heute in Lateinamerika vor allem diejeni- gen gewählt, die über das „Imperium“, die USA und ihre Erfüllungsgehilfen – den IWF und die Weltbank – her- ziehen. Mag diese Politik auch noch so holzschnittartig sein, sie trifft die lateinamerikanische Volksseele. Dadurch entstehen Gefahren, aber auch Möglichkei- ten. Gefährlich sind Manipulationen von Demagogen und Populisten immer. Hugo Chávez verkörpert viel von dem, was den klassischen Populismus ausmacht: messia- nische Führerschaft, antiamerikanische Rhetorik, pater- nalistische Geldgeschenke und staatlich organisierte Volksmobilisierung. Gefährlich sind die überhöhten Er- wartungen in die neuen Führer, die meistens schnell zur Enttäuschung führen. Gefährlich ist schließlich die poli- tische Isolierung, die mögliche Einmauerung in einer castroschen Revolutionsburg. Diese Gefahren mögen für einige Länder und Führungspersönlichkeiten bestehen, haben aber für das Gros Lateinamerikas keine Bedeu- tung, weil ihre Präsidenten weder Populisten sind noch von Kuba gesteuert werden. Positiv ist das in den deutlichen Wahlsiegen zum Aus- druck gebrachte Verlangen nach sozialen Reformen und nach einer Einbeziehung der bisher rechtlosen indigenen Bevölkerung. Positiv ist auch der Wunsch nach einer deutlichen Differenzierung in den Außenbeziehungen sowie der ausgesprochene Wille zur regionalen Integra- tion. Die EU sollte diese positiven Ansätze nutzen, um eine echte strategische Partnerschaft mit Lateinamerika auf- zubauen. Inhaltlich soll sich die enge Kooperation auf die politische und wirtschaftliche Unterstützung der re- gionalen Integration á la Mercosur, eine enge umweit- und energiepolitische Zusammenarbeit, die Förderung der demokratischen Konsolidierung und der Menschen- rechte sowie der Kooperation im Hochschulbereich kon- zentrieren. Um in diesen Bereichen deutlich Flagge zu zeigen, gilt es auch die Mittel aufzustocken, auf EU- Ebene und bilateral. Das heißt konkret, auch im Einzelplan 23 für die Haushaltsjahre ab 2006 entspre- chende Verpflichtungsermächtigungen und Barmittel zur Verfügung zu stellen. Seit 1999 reden wir nun von strategischer Partner- schaft zwischen der EU und Lateinamerika. Seit Jahren sehen wir jedoch ein strategisches Auf-der-Stelle-Treten. Die antagonistischen Positionen in den multilateralen und biregionalen Handelsverhandiungen sprechen für sich. Europa ist nicht bereit, sich für wichtige Exporte aus Lateinamerika zu öffnen. Gerade dies wäre jedoch ausschlaggebend, um die regionale Integration a la Mercosur, ein Modell, das sich eng an die europäische Integration anlehnt, politisch und wirtschaftlich zu stär- ken. Von europäischer Seite fehlt auch ein entschiedenes Eintreten in den internationalen Finanzinstitutionen, um die weiterhin erdrückende und verhängnisvolle Schul- d z d A I t a s t a K s v w b n z i V l d n s b E h b v c n a n z l e z t Z z d d w s s A r t (C (D enlast zu entschärfen, die seit den frühen 80er-Jahren u periodischen schmerzhaften Krisen führt. Viele Län- er müssen 20, 30 und mehr Prozent ihrer staatlichen usgaben für Zinszahlungen aufwenden, Geld, das für nvestitionen in Gesundheit und Bildung fehlt. Die la- einamerikanischen Länder müssen selbstverständlich ber auch selbst dazu beitragen, dass ihre Finanzkraft für oziale Investitionen steigt und die Einkommen gerech- er verteilt werden. Ein effizientes Steuersystem, das uch die reichen Grundbesitzer und die Bezieher von apitaleinkommen in die Pflicht nimmt, ist eine Voraus- etzung dafür. Angesichts der aktuellen Entwicklungen bei Klima- eränderungen und Energiemärkten wird eine zukunfts- eisende umwelt- und energiepolitische Zusammenar- eit immer vordringlicher. Bei der Energiepolitik gibt es ur einen zukunftstauglichen Weg: Weg vom Öl und hin u alternativen Energien. Wir haben 2004 erreicht, dass m Einvernehmen mit der brasilianischen Regierung erhandlungen über die Beendigung des deutsch-brasi- ianischen Atomabkommens von 1975 und dessen Ersatz urch einen neuen, nicht atomaren Energievertrag aufge- ommen wurden. Im Zentrum dieses neuen Vertrages ollen, so die Willenserklärung beider Seiten, erneuer- are Energien, die Verbesserung der Energieeffizienz, nergieeinsparungen und Emissionsminderungen ste- en. Bedauerlicherweise konnte die Bundesregierung isher keinen Entwurf für einen neuen Energievertrag orlegen. Wir sehen eine große Chance, durch einen sol- hen Vertrag mit Brasilien eine strategische Energiepart- erschaft im nicht atomaren und nicht fossilen Bereich ufzubauen, die im Geiste des Klimaschutzes und einer achhaltigen Energiepolitik steht. Die aktuellen Turbulenzen auf den Energiemärkten eigen, dass auch Biokraftstoffe große Entwick- ungschancen bieten. Brasilien ist Marktführer in Bio- thanol und arbeitet an einem ambitionierten Programm ur Gewinnung von Biodiesel, das die soziale Integra- ion von Kleinproduzenten im Nordosten des Landes ins entrum stellt. Biotreibstoffe haben ein großes Poten- ial. Dabei muss aber darauf geachtet werden, dass Min- eststandards bezüglich der Nachhaltigkeit des Anbaus er Pflanzen sowie der Kraftstofferzeugung eingehalten erden. Es gibt viel zu tun. Wenn wir die strategische Partner- chaft wollen, dann sollten wir uns auf dem mittlerweile chon 4. EU-Lateinamerika-Gipfel dafür entscheiden. nlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung (Tagesordnungspunkt 19) Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Eigentlich diskutie- en wir heute über zwei Gesetzentwürfe; denn thema- isch haben der Pfändungsschutz für die Altersvorsorge 3042 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) und die Anpassung des Rechts zur Insolvenzanfechtung keine Berührungspunkte. Daher möchte ich zunächst auf die angestrebte Änderung zum Pfändungsschutz einge- hen. Kümmert sich ein Selbstständiger in Deutschland um seine Altersvorsorge, kann er dies immer nur unter Vor- behalt tun. Denn letzte Sicherheit erlangt er nie, ob er an seinem Lebensabend auch tatsächlich auf die geplante Alterssicherung zurückgreifen kann. Im Zweifel hat er nämlich die Rechnung ohne den Gerichtsvollzieher ge- macht. Die private Altersvorsorge der Selbstständigen genießt keinen Pfändungsschutz, sondern unterliegt im schlechtesten Fall der Einzel- oder Gesamtvollstre- ckung. Obwohl der Selbstständige eigentlich alles rich- tig gemacht hat und private Vorsorge betrieben hat, um im Alter nicht staatlich alimentiert zu werden, wird er für sein vorausschauendes Verhalten bestraft und steht ohne eigene Altersvorsorge dar. Ein derartiger Vorschlag würde bei der Diskussion um eine stärkere private Alterssicherung von Arbeitnehmern neben der gesetzlichen Rentenversicherung allenfalls Verwunderung hervorrufen. Man könnte sich wohl kaum vorstellen, zu versuchen, den Menschen die Riesterrente näher zu bringen, wenn man ihnen gleichzeitig eröffnen würde, dass die eingezahlten Beiträge komplett der Pfändung unterliegen und sie damit im Zweifel sogar gänzlich leer ausgehen können. Dies bei Arbeitnehmern eben nicht zu tun, hat seinen Grund und dieser Grund muss auch bei den Selbstständigen gelten, gerade dann, wenn wir mehr Menschen zum Weg in die Selbstständig- keit ermutigen wollen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses einer privaten Versicherung sollen sie die Gewissheit ha- ben, dass sie nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsle- ben über eine Alterssicherung verfügen können, die aus einer eigenen Versicherungsleistung finanziert wurde. Daher begrüßen wir als CDU/CSU-Bundestagsfrak- tion außerordentlich diesen Gesetzentwurf der Bundes- regierung, der die Alterssicherung der Selbstständigen grundsätzlich von dem Damoklesschwert der Pfändung befreit. Dabei stellt der Regierungsentwurf nicht jede Form der Alterssicherung unter den Pfändungsschutz, sondern aus dem angesparten Vorsorgekapital muss sich ein Anspruch auf eine laufende Leistung ergeben. Ent- scheidend ist also, dass der Selbstständige auch tatsäch- lich eine Rentenzahlung am Ende seines Berufslebens erhält, die ihm die Existenz sichert und damit zugleich sicherstellt, dass er nicht zum Empfänger staatlicher So- zialtransfers werden muss. Daher ist es richtig, keine Vorsorgeprodukte zu schüt- zen, bei denen es zum Schluss zu einer Auszahlung von frei verfügbarem Kapital statt einer Rente kommt. Hier würde eine zu große Missbrauchsgefahr entstehen, so- wohl was die Absicherung im Alter als auch was die Zahlung von Versicherungsbeiträgen während der Be- rufszeit angeht. Mit der Verwendung des Wortes „Rente“ fällt der Gesetzestext indes keine Entscheidung für ein bestimmtes Versicherungsprodukt, sondern ist neutral formuliert. Die Bundesregierung hat aber selbst ange- merkt, dass faktisch von dem Pfändungsschutz nur Kapi- tallebensversicherung und private Rentenversicherungen p ß h f g D l s d G c ü g s z a a s a p r u a c l f i n t r c h l i p U b P k r r ü S I s r b L n f b (C (D rofitieren und andere Versicherungstypen zunächst au- en vor bleiben. Es ist der Bundesregierung mit Sicherheit zuzugeste- en, dass sich die Ausweitung auf andere Kapitalanlage- ormen nicht so einfach gestaltet wie bei den beiden eben erade erwähnten, die auch zu den verbreitesten gehören. aher unterstützten wir die Bundesregierung ausdrück- ich in ihrer Haltung, die Einbeziehung weiterer Alters- icherungsanlagen in den Pfändungsschutz zu prüfen und abei vor allen Dingen einen Blick über die nationalen renzen hinaus zu wagen. Durch eine rechtsverglei- hende Untersuchung können sich neue Erkenntnisse ber alternative Kapitalanlagen für die Altersvorsorge er- eben, die im Moment noch nicht in unserem Blickfeld ind. Für mich stellt sich aber die Frage, ob man nicht besser unächst das derzeit erarbeitete rechtsvergleichende Gut- chten abwarten sollte, um einen umfassenden Katalog n Versicherungsprodukten für Selbstständige aufzu- tellen, aus dem sie die für sie beste Altersvorsorge uswählen können. Ansonsten würde man ohne Not Ka- itallebensversicherungen und privaten Rentenversiche- ungen einen einseitigen Wettbewerbsvorteil verschaffen nd letztlich den Versicherungswettbewerb verzerren. Wenn ich die Wahl habe zwischen einer Versicherung, uf die Dritte nicht zugreifen können, und einer Versi- herung, die der Einzel- und Gesamtvollstreckung unter- iegt, dann dürfte meine Entscheidung ziemlich schnell ür erstere ausfallen. Daher sollte man die Beratungen m Bundestag dazu nutzen, nochmals zu prüfen, ob man icht schon jetzt einen Ansatz wählt, der über die Kapi- allebensversicherung und die private Rentenversiche- ung hinausgeht. Wenn man Selbstständigen die Möglichkeit einer si- heren Altersvorsorge zugestehen will, darf man beste- ende Versicherungsverträge nicht einfach außen vor assen. Zwar haben die Selbstständigen bei Abschluss hrer Altersverträge gewusst, dass sie im Zweifel ge- fändet werden können, aber dies ändert nichts an dem mstand, dass sie Vorsorge für ihr Alter betrieben ha- en. Auch die Altersverträge gehören daher unter den fändungsschutz. Die gesetzlich vorgesehene Möglich- eit der Umwandlung einer pfändbaren Altersversiche- ung in eine unpfändbare, so wie dies in § 173 VVG ge- egelt wird, ist daher der richtige Weg. Mit diesem Gesetzentwurf beraten wir aber nicht nur ber den Pfändungsschutz bei der Altersvorsorge von elbstständigen, sondern auch über Änderungen bei der nsolvenzanfechtung. Im Gegensatz zu den Überlegungen zum Pfändungs- chutz sehe ich hier noch einigen Beratungs- und Klä- ungsbedarf während des parlamentarischen Gesetzge- ungsverfahrens. Ziel des Insolvenzverfahrens sollte es nicht in erster inie sein, eine Firma zu liquidieren, sondern ein Unter- ehmen, das in eine wirtschaftliche Notlage geraten ist, ür den Markt wieder fit zu machen. Sicherlich darf da- ei die Sicht der Gläubiger nicht aus dem Auge verloren Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3043 (A) ) (B) ) werden. Doch ein saniertes Unternehmen hilft letztend- lich auch den Gläubigern eher, als wenn sie komplett auf ihren Forderungen durch die Auflösung des Unterneh- mens sitzen bleiben oder nur zu einem ganz geringen Teil befriedigt werden. Es sind aber nicht nur private Gläubiger, die das Opfer einer Unternehmensinsolvenz werden können, sondern auch die öffentliche Hand ist nicht vor Forderungsausfäl- len geschützt. Das bedauern nicht nur die Finanzminister. Wenn es aber um die Frage geht, wer letztendlich auf sei- nen Kosten sitzen bleibt, dann kann und darf es aus mei- ner Sicht keine Bevorzugung für öffentliche Gläubiger geben. Dem Handwerker, der einen Forderungsausfall zu beklagen hat, kann es um die Existenz gehen, und er hat zu Recht kein Verständnis dafür, dass der Staat im Falle einer Insolvenz besser gestellt wäre als er. So nützt die geplante Änderung in § 14 Abs. 1 InsO überwiegend den Sozialversicherungsträgern, denn zu- künftig soll ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzver- fahrens nicht allein schon dadurch unzulässig werden, dass der Schuldner nach der Antragstellung die Forde- rung erfüllt. Zwar mag man hier dem Sozialversiche- rungsträger die Besonderheit zugeben, dass sie die Ver- bindung zum Schuldner nicht einseitig aufkündigen können. Aber ich frage mich, wie es der Sozialversiche- rungsträger denn in der Praxis feststellen will, wann neue Verbindlichkeiten auf absehbare Zeit entstehen werden, die eine Aufrechterhaltung des Antrags recht- fertigen würde. Dem Regierungsentwurf ist ohne weiteres zuzugeste- hen, dass er mit der Besserstellung von Gläubigern aus Dauerschuldverhältnissen einer besonderen Problemlage im Rahmen des Insolvenzrechts Rechnung tragen will. Der Antrag für ein Insolvenzverfahren setzt aber aus gu- tem Grund nach geltendem Recht ein rechtliches Inte- resse voraus. Diese Voraussetzung wird aber faktisch aufgehoben, wenn ein Insolvenzantrag unabhängig von einer ausstehenden Forderung weiterverfolgt werden kann. Worin soll denn aber das rechtliche Interesse be- stehen, wenn es keine konkrete und fällige Forderung gibt? Es ist selbstverständlich ärgerlich, dass der Fiskus al- lein im letzten Jahr Umsatzsteuerausfälle in Höhe von 177 Millionen Euro hinnehmen musste. Aber die Lösung dieses Problems kann nicht darin liegen, Steuer- und Ab- gabeforderungen des Staates gegenüber anderen Forde- rungen aus Dauerschuldverhältnissen von Vermietern oder Pächtern zu privilegieren. Die Aufwertung von Steuer- und Abgabeforderungen zur Masseverbindlich- keit schmälert die Insolvenzmasse, die letztendlich wie- derum den privaten Gläubiger trifft, der auf seinen Forderungen sitzen bleibt. Der vermeintliche Verbesse- rungsvorschlag der Bundesregierung in ihrer Gegenäu- ßerung gegenüber der Stellungnahme des Bundesrates stellt daher keine Alternative dar, sondern verwandelt eine zumindest in ihrer Intention nachvollziehbare Hilfe für Gläubiger von Dauerschuldverhältnissen in eine platte Selbstprivilegierung des Staates. Diese Gegen- äußerung lässt, offen gestanden, das ganze Projekt nach- träglich in einem verdächtigten Licht erscheinen. h b 1 s b s d e d f a s a h m n u g z r s v V l b i s d a n r s S w s i t d v s s d ü A t b z w D d m p d g (C (D Wir sollten daher an dieser Stelle sehr sensibel vorge- en, denn die Änderung mag zwar dem Staat zunächst islang ausfallende Gelder in die Kasse spülen. Aber die 77 Millionen Euro fehlen nachher an anderer Stelle – prich: in der Insolvenzmasse und bei den privaten Gläu- igern. Viele kleine und mittelständische Unternehmen ind noch weniger als der Staat in der Lage, größere For- erungsausfälle hinzunehmen. Sie drohen dann selbst zu inem Fall für den Insolvenzrichter zu werden. Daher arf es nicht darauf hinauslaufen, dass Arbeitsplätze ge- ährdet werden und der Staat Kosten an anderer Stelle ufbringen muss, die 177 Millionen Euro leicht über- chreiten könnten. Die konkreten Vorschläge zur Änderung der Insolvenz- nfechtung gehen in dieselbe Richtung und bedürfen da- er auch noch einer eingehenden Prüfung. Exemplarisch öchte ich hier nur die Ergänzung des § 131 Abs. l InsO ennen. Auch er läuft auf eine Besserstellung von Fiskus nd Sozialversicherungsträger hinaus, die das Privileg enießen, Forderungen selbst titulieren und vollstrecken u können. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregie- ung sollen zukünftig durch Zwangsvollstreckung reali- ierte Forderungszahlungen nicht mehr unter die Insol- enzanfechtung fallen, obwohl die Behörden durch die ornahme der Zwangsvollstreckung Bedenken hinsicht- ich der Solvenz des Schuldners deutlich zum Ausdruck ringt. So lobenswert die Absicht der Bundesregierung st, Forderungsausfälle für den Staat durch Insolvenzen o gering wie möglich zu halten, darf auch hier wie- erum nicht vergessen werden, dass es neben dem Staat uch noch andere Gläubiger gibt, die ihre Ansprüche icht mehr realisieren können. Die Intention der Änderungsvorschläge im Insolvenz- echt verstehen und teilen wir. Einnahmeausfälle in drei- telliger Millionenhöhe schmerzen in Zeiten knapper taatsfinanzen in besonderem Maße. Da wir aber Verant- ortung tragen nicht nur für die Finanzen des Staates, ondern auch für eine Chancengleichheit aller Gläubiger m Insolvenzverfahren, werden wir uns nach dieser ers- en Lesung einer intensiven Diskussion stellen müssen, ie das Ziel verfolgen muss, eine gleichmäßige Risiko- erteilung unter den Gläubigern zu erzielen. Ob eine be- ondere Behandlung von Dauerschuldverhältnissen dann innvoll, problematisch und notwendig ist, werden wir aher sorgfältig analysieren. Dirk Manzewski (SPD): Wir debattieren hier heute ber einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der zwei spekte beinhaltet. Zum einen geht es um den Pfändungsschutz der Al- ersvorsorge insbesondere von Selbstständigen. Hier ha- en wir nämlich das Problem, dass diese in der Regel um Aufbau ihrer Altersvorsorge eine Alterssicherung ählen, die im vollen Umfang der Pfändung unterliegt. ies hat im Falle einer Pfändung nicht selten zur Folge, ass der Staat im Alter mit Steuermitteln aushelfen uss, obwohl der Selbstständige eigentlich fürs Alter rivat vorgesorgt hatte. Es kann aber nicht sein, dass die extensive Anwen- ung einer Vollstreckung dazu führt, dass jemand, der ei- entlich privat hinreichend Vorsorge betrieben hat, nur 3044 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) hierdurch von öffentlicher Fürsorge abhängig würde. Ich teile daher die Auffassung der Bundesregierung, dass in- soweit ein wirksamer Pfändungsschutz notwendig ist, um Sozialbedürftigkeit aufgrund von Zwangsvollstre- ckungen zu verhindern. Die Bundesregierung weist meiner Auffassung nach auch zu Recht darauf hin, dass hierdurch dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung ent- sprochen werden würde, da die öffentlich-rechtlichen Rentenleistungen dem Pfändungszugriff so nicht unter- liegen. Hinzu kommt – auch diese Einschätzung halte ich für richtig –, dass hierdurch ein weiterer Anreiz für eine pri- vate Altersvorsorge geschaffen wird, und zwar nicht nur für Selbstständige, sondern auch für die Bezieher gesetz- licher Renten als weitere Säule. Die politische Forde- rung nach privater Vorsorge würde dieses Gesetz damit tatkräftig unterstützen. Natürlich darf es nicht sein, dass der neu eingeführte Pfändungsschutz nun dazu ausgenutzt wird, Vermögens- werte rechtsmissbräuchlich dem Gläubigerzugriff zu entziehen. Völlig zu Recht wird im Gesetzentwurf des- halb deutlich gemacht, dass der Pfändungsschutz selbst- verständlich nur auf das Vorsorgekapital beschränkt wird, das unwiderruflich der Altersvorsorge gewidmet ist. Richtig ist deshalb auch, dass gewährleistet sein muss, dass die Leistung erst mit Eintritt des Rentenfalls bzw. nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahrs oder bei Berufsunfähigkeit erbracht wird und nicht den Bestim- mungen eines Dritten, außer für den Todesfall, unterlie- gen darf. Außerdem wird der Pfändungsschutz auf einen Bedarf begrenzt, der für die Existenzsicherung im Alter notwendig ist. Während ich die Intention dieses Teils des Gesetzes für sinnvoll halte, sehe ich, soweit mit diesem Gesetz zum anderen eine so genannte Anpassung der Insolvenz- anfechtung begehrt wird, noch Beratungsbedarf. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass den Sozialkas- sen jährlich mehrere 100 Millionen Euro an Beitragsauf- kommen im Wege der Insolvenzanfechtung durch Insol- venzverwalter entzogen werden. Ich kann deshalb aus Sicht der Bundesregierung durchaus nachvollziehen, wenn man insbesondere mit Blick auf die Sozialversi- cherungsträger das Anfechtungsrecht einschränken möchte. Die Sozialversicherungsträger haben zugegebe- nermaßen das Problem, stets zur Leistung verpflichtet zu bleiben, da das Sozialversicherungsverhältnis kraft Ge- setzes entsteht. Ich teile allerdings nicht die feste Überzeugung der Bundesregierung, dass man mit dem Gesetz dem so ge- nannten Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung un- problematisch Genüge geleistet hat, und habe so meine Bedenken, ob hier nicht die Sozialversicherungsträger gegenüber anderen Gläubigern unangemessen privile- giert worden sind. Dies werden wir klären müssen. Ebenso ist zu prüfen, ob wir es nicht doch dabei belassen sollten, dass bei Zahlungen aller Verbindlichkeiten ein Antrag unzulässig wird. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich bin schon seit langem der Auffassung, dass wir einmal intensiv darüber diskutieren müssen, ob das geltende Anfech- t d v s t u S g d t t s v d s d p b p f a a A w b z s A e r d m s v s m ö i s v g f d G s d m d w s u d (C (D ungsrecht tatsächlich noch den Gläubigern dient bzw. er Fortführung von Betrieben und damit dem Erhalt on Arbeitsplätzen. Insbesondere an Letzterem muss ich der vorliegende Gesetzentwurf aber messen lassen. Mechthild Dyckmans (FDP): Der heute zu bera- ende Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält Licht nd Schatten. Die vorgeschlagenen Regelungen zur chaffung eines Pfändungsschutzes für die Altersversor- ung und Altersvorsorge von Selbstständigen und die amit verbundenen Änderungen des Versicherungsver- ragsgesetzes erscheinen insgesamt schlüssig. Mit diesen Neuregelungen sollen selbstständige Un- ernehmer besser als bisher abgesichert werden. Bislang ind Vermögenswerte, die Selbstständige für ihre Alters- orsorge vorgesehen haben, ohne ausreichenden Pfän- ungsschutz dem Gläubigerzugriff ausgesetzt. Selbst- tändige sind damit gegenüber abhängig Beschäftigten, eren Rentenansprüche nur wie Arbeitseinkommen ge- fändet werden können, benachteiligt. Diese Ungleich- ehandlung ist nicht gerechtfertigt. Sie ist ungerecht und asst nicht zur Kultur der Selbstständigkeit, die es zu ördern gilt. Die Schaffung eines solchen Pfändungsschutzes liegt ber nicht nur im Interesse der Selbstständigen, sie liegt uch im Interesse der anderenfalls eintrittspflichtigen llgemeinheit und entlastet diese von Sozialleistungen. Der Gesetzentwurf sieht vor, die in Deutschland am eitesten verbreitete Form der Alterssicherung, die Le- ensversicherung, vor einem schrankenlosen Pfändungs- ugriff zu schützen. Dies kann aber nur ein erster Schritt ein. Ziel muss es sein, zukünftig alle Anlageformen der ltersvorsorge gleichermaßen zu schützen. Dies ist auch in Gebot der Wettbewerbsneutralität. Die Bundesregie- ung sollte sich daher verpflichten, zeitnah über die mit em Pfändungsschutz der Lebensversicherungen ge- achten Erfahrungen zu berichten. Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Das zeigt der Ge- etzentwurf ganz deutlich. Die in Art. 2 des Entwurfs orgeschlagenen Änderungen der Insolvenzordnung ind nicht gelungen und so für die FDP nicht zustim- ungsfähig. Diese Änderungen zielen vor allem darauf, ffentlich-rechtlichen Gläubigern eine bessere Stellung m Rahmen der Insolvenz einzuräumen. Damit kehren ie einige grundlegende Ansätze der Reform des Insol- enzrechts in ihr Gegenteil um. Das Ziel, die Vermö- ensmasse zusammenzuhalten, um den Betrieb weiter- ühren und Arbeitsplätze erhalten zu können, gerät aus em Blick. Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller läubiger gerät unter die Räder fiskalpolitischer Interes- en. Die Insolvenzordnung sollte ursprünglich gerade urch Abschaffung der Fiskalvorrechte die Insolvenz- asse erhöhen, was nunmehr, offensichtlich aufgrund er konkreten Haushaltslage der betroffenen Gläubiger, ieder beseitigt wird. Im Einzelnen ist auf Folgendes hinzuweisen: Die Be- timmung, dass ein Insolvenzantrag nicht alleine dadurch nzulässig werde, dass der Schuldner nach Antragstellung ie Forderung erfüllt, Art. 2 des Gesetzentwurfes – § 14 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3045 (A) ) (B) ) Abs. l Satz 2 Insolvenzordnung –, erweist sich bei Lichte betrachtet als Schutzvorschrift für Sozialversicherungs- träger und damit als gesetzgeberische Berücksichtigung von Partikularinteressen. Es besteht zudem die Gefahr, dass der Eröffnungsantrag noch mehr als bisher als Druckmittel gegen den Schuldner eingesetzt wird. Die Fortführung und Sanierung nur vorübergehend zah- lungsschwacher Betriebe würde hierdurch erheblich ge- fährdet. Auch gegen die beabsichtigte Änderung des § 55 Abs. 2 Insolvenzordnung bestehen Bedenken. Die Auf- wertung der im Eröffnungsverfahren begründeten Ver- bindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen zu Masse- verbindlichkeiten vereitelt Sanierungschancen und läuft damit einem wesentlichen Ziel der Insolvenzrechtsre- form zuwider. Zu Recht weist der Bundesrat darauf hin, dass hierdurch die mit der Insolvenzordnung angestrebte Trendwende vom Zerschlagungsprinzip hin zur Sanie- rung von Unternehmen infrage gestellt wird. Erfreulich ist, dass sich die Bundesregierung ausweislich ihrer Ge- genäußerung in diesem Punkt gesprächsbereit zeigt. Gänzlich misslungen ist und bleibt die Neuregelung des Anfechtungsrechts. Die vorgeschlagene Gesetzesän- derung ist und bleibt eine systemwidrige Bevorzugung der Sozialkassen. Diese Privilegierung öffentlich-rechtli- cher Gläubiger führt zwangsläufig zu einer Diskriminie- rung privater Gläubiger. Die FDP ist gegen jede Form von Diskriminierung und wird sie auch an dieser Stelle entschieden bekämpfen. Hier ist es auch nicht mit der zaghaften Prüfbitte des Bundesrates getan, im weiteren Verlauf des Gesetzge- bungsverfahrens darüber nachzudenken, ob den Interes- sen öffentlich-rechtlicher Gläubiger in schonender Weise Rechnung getragen werden könne. Hier ist ein klares Bekenntnis zum Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger gefordert. Wenn sich die Bundesregierung in diesem Punkt nicht bewegt, sieht die FDP keine Möglichkeit, dem Gesetz- entwurf zuzustimmen. Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Als der vorlie- gende Entwurf erstmals im Sommer der Agonie von Rot-Grün das Licht der Öffentlichkeit erblickte, gab es einen unvergleichlichen Sturm der Entrüstung und Ab- lehnung aus der gesamten Fachöffentlichkeit, aus den Verbänden und seitens der Richter. Auch der Bundesrat meldete scharfen Widerspruch an. Das Wort von der „staatlich legalisierten Ausplünderung“ Leipziger Volks- zeitung vom 26. August 2005 von der „Bananenrepu- blik“ Förster ZInsO 2005, 785 und von den „langen Fin- gern der Finanz- und Sozialämter“ Businessportal 24.com vom 17. August 2005 machte die Runde. Das Bundesministerium der Justiz – als Verfasser des Entwurfes – sah sich öffentlich und unwidersprochen dem Vorwurf der Täuschung der Öffentlichkeit und der Lüge bezüglich der rechtlichen und sachlichen Motive des Entwurfes ausgesetzt – Huber ZlnsO 2005, 786ff. – und die Wirtschaftsverbände warnten vor einem drohen- d r v s s b s D d t m P s s I i t n A s n d Z a s k e Z d k J g s d i B h w s m V f g f w m m W v s b k (C (D en Verlust von Arbeitsplätzen und einer Verschlechte- ung der Sanierungschancen für die Unternehmen. Nun liegt uns dieser Entwurf in unveränderter Form or. Unverändert geblieben ist nicht nur der Text des Ge- etzentwurfes. Weitgehend unverändert blieb auch des- en Begründungsteil. Dort suchen wir nämlich verge- ens nach einer echten Auseinandersetzung mit der oeben erwähnten allseitigen Kritik an dem Vorhaben. afür finden wir offenherzige Ausführungen zum Pfän- ungsschutz der Altersvorsorge gegen den – für sich be- rachtet – wohl niemand im Haus Einwände erheben öchte. Was geht hier vor sich? Das will ich Ihnen sagen: Man hat uns einen Berliner fandkuchen zum Anbeißen offeriert, der freilich zu un- erer Überraschung nicht mit zuckersüßer Marmelade, ondern mit sehr scharfem Senf gefüllt ist. Der Senf im nneren ist die Wiedereinführung des Fiskusprivileges m Insolvenzverfahren, das mit dem richtigen und wich- igen Ziel des Pfändungsschutzes der Altersvorsorge icht mehr als eine Drucksachennummer gemein hat. Der Senf ist jene unscheinbare Formulierung unter rt. 2 im Entwurf des § 131 Insolvenzordnung, wo es prachlich seltsam heißt: Eine Rechtshandlung wird icht allein dadurch zu einer solchen nach Satz 1, dass er Gläubiger die Sicherung oder Befriedigung durch wangsvollstreckung erlangt. Potentester Zwangsvollstrecker unter den Gläubigern ber ist nun einmal die öffentliche Hand, die sich stets elbst, schnell und exklusiv mit einem Titel „bewaffnen“ ann. So soll – durch die Hintertür und unter Vermeidung iner bewussten Befassung durch dieses Parlament – ein ustand wieder hergestellt werden, der einmal zum Nie- ergang und zum völligen Bedeutungsverlust der Kon- ursordnung geführt hatte und dem dieses Parlament im ahre 1994 bei der Schaffung der Insolvenzordnung aus utem Grunde und sehr bewusst ein Ende bereitet hatte. Die Selbstprivilegierung der öffentlichen Hand im In- olvenzverfahren ist nicht nur eine massive Verletzung es Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung, wie hn der BGH weiterentwickelt und präzisiert hatte. Die evorzugung der öffentlichen Hand wird auch weitge- ende soziale und ökonomische Folgen haben. Die Fach- elt rechnet mit einer Verschlechterung der Sanierung- chancen für schätzungsweise 7 000 bis 10 000 klein- und ittelständische Unternehmen jährlich. Erwartet wird der erlust von 50 000 bis 100 000 Arbeitsplätzen. Wir dür- en uns einrichten auf ein Absinken der eh schon gerin- en Insolvenzquoten. Und wir verlieren den sanierungs- reundlichen Charakter der Insolvenzordnung, während ir das „Windhundprinzip“ in der Krise der Unterneh- en wieder einführen. Dieses Parlament hat vor mehr als zehn Jahren ge- einsam mit dem Justizministerium und gegen massive iderstände eine wahrlich große Insolvenzrechtsreform ollbracht, deren Kern es unter anderem gewesen ist, die taatlichen Privilegien des 18. und 19. Jahrhunderts zu eseitigen Diese Reform ist – das belegen alle Statisti- en – ein großer, auch internationaler Erfolg geworden 3046 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) und hat zur Rettung vieler tausend Unternehmen und Ar- beitsplätze beigetragen, weil der Staat mit seinen An- sprüchen in der Krise der Unternehmen zurückgetreten ist, um den bedrohten Unternehmen die Chance zur Er- haltung und Erneuerung nicht zu verbauen. Der kluge Staat nämlich ist – gerade mit Blick auf die Liquidität seiner sozialen Kassen – unbedingt an der Erhaltung der Unternehmen interessiert. Es liegt an uns allen gemeinsam, ob wir ein geglück- tes Stück Reformpolitik beibehalten wollen oder durch unsere Zustimmung zu diesem Entwurf einen insolvenz- rechtlichen Salto Mortale zurück zur Konkursordnung anstellen. Wir sollten daher auf der Ebene der Obleute des Rechtsausschusses dringend Einigkeit über die Erforder- lichkeit einer Sachverständigenanhörung erzielen, um überhaupt das Maß an Sachinformation erlangen zu kön- nen – das uns die Entwurfsersteller lieber vorenthalten wollten –, das wir aber benötigen, um Richtiges von Fal- schem in diesem Entwurf zu scheiden. Ein abschließendes Wort zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge: Obwohl es sich um einen richtigen An- satz handelt, ist dieser weniger als die halbe Miete. Die Rücklagen für die Alterssicherung sind in unserem Land natürlich erst dann wirklich umfassend und gerecht ge- schützt, wenn wir gleichzeitig die Freibeträge für Hartz- IV-Empfänger für die Verwertung von Altersrücklagen vor Inanspruchnahme von Sozialleistungen anheben. Hier bestehen nämlich unerträglich weit gehende Ver- pflichtungen zur Abschmelzung privater Altersrückla- gen, die – mit Blick auf den hier in Rede stehenden Pfän- dungsschutz – kaum dem Gleichheitsgebot genügen dürften. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der erste Teil des Gesetzentwurfes, über den wir heute de- battieren, zielt darauf ab, die private Altersvorsorge, vor allem von Selbstständigen, besser als bisher vor Pfän- dungen zu schützen. Dieses Ziel unterstützen wir Grüne ausdrücklich. Ein Pfändungsschutz, wie er heute für Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bereits existiert, dient – auch, aber nicht nur – dem Schutz des Schuldners. Sein Existenzminimum im Alter soll vor Gläubigerzu- griffen gesichert werden. Daneben hat der Pfändungs- schutz aber auch die Funktion, die staatliche Gemein- schaft von Sozialleistungen zu entlasten: Ohne den Pfändungsschutz wäre der Schuldner im Alter im Falle einer Pfändung seiner Altersversorgung auf öffentliche Transferleistungen angewiesen. Indem der Gesetzent- wurf hier in begrenztem Rahmen die Interessen der Ge- meinschaft und des – zuvor als Selbstständiger tätigen – Schuldners über die Gläubigerinteressen stellt, fördert er eine Kultur der Selbstständigkeit und verbessert den Rahmen für Existenzgründungen. Dies findet unsere Zu- stimmung. „Ursprünglich, das will ich an dieser Stelle nicht ver- hehlen, hatten wir Grünen Bedenken, da der Gesetzent- wurf solche Versicherungsverträge nicht erfasst, bei de- n T m z S K c g d r W s s z i n g b s d s w S e a d l w G w z k K t m b A a f g M s a b e s d D d D d d a B (C (D en Dritte – also vor allem Frauen von selbstständig ätigen – bezugsberechtigt sind. Da aber bei der Bestim- ung der Pfändungsfreigrenze auch Unterhaltspflichten u berücksichtigen sind, erscheint ein hinreichender chutz zugunsten von Ehegatten oder -gattinnen bzw. indern gewährleistet. Nach wie vor kritisch sehen wir jedoch die gesetzli- he Beschränkung des Schutzes auf Lebensversicherun- en, primär auf Rentenversicherungen. Auch wenn dies ie am häufigsten gewählte Form privater Alterssiche- ung sein mag, könnte die Regelung gleichwohl zu ettbewerbsverzerrungen zulasten anderer Altersvor- orgeprodukte, zum Beispiel Banksparpläne oder Fonds- parpläne, führen. Werden also solche Wettbewerbsver- errungen in erheblichem Unfang erkennbar – was wir m Rechts-, aber auch den anderen Ausschüssen sehr ge- au erörtern und prüfen wollen –, dann muss hier nach- ebessert werden, zugunsten solcher Alterssicherungen, ei denen in vergleichbarer Weise ein Missbrauch ausge- chlossen werden kann. Dann wird es nicht reichen, iese Entscheidung auf einen späteren Zeitpunkt zu ver- chieben, wie es die Bundesregierung angedacht hat, enn sie bei dem Gesetzentwurf von einem „ersten chritt“ spricht. Lassen Sie mich nun zum zweiten Teil des Gesetz- ntwurfes kommen, der darauf abzielt, die Insolvenz- nfechtungen zu beschränken. Das Anfechtungsrecht es Insolvenzverwalters wegen vorsätzlicher Benachtei- igung soll auf Fälle unlauteren Verhaltens beschränkt erden. Diese Neuregelung soll vor allem – was aber mit dem esetzentwurf mehr verdunkelt als laut ausgesprochen ird – die finanziellen Ausfälle beim Fiskus und den So- ialkassen deutlich verringern. In der öffentlichen Dis- ussion wurde an dieser Regelung zum Teil erhebliche ritik geäußert. Diese Kritik teilen wir. Meines Erach- ens bedeutet diese Neuregelung, auch wenn das Justiz- inisterium beteuert, die Regelung würde für alle Gläu- iger gleichermaßen gelten, im Ergebnis gleichwohl eine bkehr vom Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, lso einer wesentlichen Errungenschaft der Insolvenzre- orm von 1999. Denn im Gegensatz zu privaten Gläubi- ern haben nur der Fiskus und die Sozialkassen die öglichkeit, ihre Forderungen selbst titulieren und voll- trecken zu können. Sie sind also strukturell schneller als ndere Gläubiger. Für letztere wird somit die verblei- ende Massenquote drastisch sinken. Man kann es auch twas deutlicher formulieren, sie werden „in die Röhre“ chauen. So berechtigt der Ansatz erscheint, dem Fiskus und en Sozialversicherungsträgern Einnahmen zu erhalten: ies darf nicht zulasten sanierungsfähiger Unternehmen, urch die Arbeitsplätze erhalten werden können, gehen. as Insolvenzrecht ist hierfür nicht der richtige Ort. Zu iesen rechts- wie wirtschaftspolitisch sehr tief greifen- en Regelungen werden wir deshalb in den Ausschüssen lso noch sehr intensiv diskutieren müssen. Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der undesministerin der Justiz: Bei diesem Gesetzentwurf Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3047 (A) ) (B) ) geht es um zwei verschiedene Punkte: Erstens den Pfän- dungsschutz für Kapitallebensversicherungen und pri- vate Rentenversicherungen und zweitens die Einschrän- kung der Insolvenzanfechtung. Der Pfändungsschutz der Altersvorsorge ist heute un- zureichend. Renten aus der gesetzlichen Rentenversiche- rung genießen einen Pfändungsschutz. Dagegen sind die Einkünfte Selbstständiger nicht in gleicher Weise vor Pfändung geschützt. Auf Vermögenswerte, die ein Selbstständiger für seine Altersvorsorge vorgesehen hat, können Gläubiger also unbeschränkt zugreifen. Das geht nicht nur zulasten des einzelnen Unternehmers und sei- ner Familie, sondern ist auch gesamtwirtschaftlich kein guter Zustand. Denn wenn alles gepfändet werden kann, ist der Unternehmer im Alter auf staatliche Transferleis- tungen angewiesen. Die privaten Gläubiger bedienen sich bei dem Altersvorsorgevermögen des Unternehmers und die staatliche Solidargemeinschaft kann dann für die tatsächliche Versorgung im Alter aufkommen. In einem ersten Schritt sieht der Gesetzentwurf des- halb vor, für die Lebensversicherung und die private Rentenversicherung einen Pfändungsschutz zu schaffen. Das sind die am weitesten verbreiteten Formen der Al- terssicherung Selbstständiger. Unser Ziel ist es, nicht nur die Rentenzahlungen zu schützen. Auch das anzusparende Vorsorgekapital soll vor Pfändung geschützt sein, soweit das erforderlich ist, um im Alter eine existenzsichernde Rente zu erhalten. Die Höhe des pfändungsgeschützten Vorsorgekapitals steigt progressiv mit dem Lebensalter. Das angesparte Kapital soll im Falle einer regelmäßigen Beitragszah- lung mit Vollendung des 65. Lebensjahres eine Rente er- möglichen, die in etwa so hoch ist wie die Pfändungs- freigrenze. Ich bin zuversichtlich, dass dieser Schutz auch dazu beitragen wird, den Menschen Mut zum Schritt in die Selbstständigkeit zu machen. Das zweite Ziel dieses Entwurfes ist eine gewisse Be- schränkung der Insolvenzanfechtung. Wir müssen zwei Dinge in Einklang bringen: die Insolvenzanfechtung als Ausdruck des Grundsatzes der Gläubigergleichbehand- lung und das zentrale sozial- und wirtschaftspolitische Anliegen, für eine langfristige finanzielle Stabilität der sozialen Sicherungssysteme zu sorgen. Nur wenn es ge- lingt, die Sicherungssysteme auf eine solide finanzielle Grundlage zu stellen, kann das Vertrauen der Bevölke- rung in den Sozialstaat auch in Zukunft bewahrt werden. Die steigenden Kosten der sozialen Sicherung führen dazu, dass der Faktor Arbeit immer stärker belastet wird. Hohe lohnbezogene Sozialbeiträge behindern die Schaf- fung von Arbeitsplätzen. Die Bundesregierung will des- halb den Faktor Arbeit entlasten. Diesem Bemühen läuft es jedoch zuwider, wenn jährlich mehrere 100 Millionen Euro an Beitragsaufkommen den Sozialkassen im Wege der Insolvenzanfechtung entzogen werden. Im Unterschied zu sonstigen Gläubigern müssen die Sozialkassen jeden Schuldner akzeptieren, der Arbeitge- ber von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ist, ohne dass eine Auswahl – etwa nach Bonität oder nach l w n z s t R v o h r a A d W r A C G U T g T h C t W 2 t h f n V s S e o i l c r A r t a R C (C (D angjährigen Geschäftsbeziehungen – für sie möglich äre. Und sie müssen dafür einstehen, dass den Arbeit- ehmern später die Sozialleistungen, für die Beiträge be- ahlt wurden, auch zur Verfügung stehen. Gleichzeitig ind die Sozialkassen besonders stark Insolvenzanfech- ungen ausgesetzt. Die vorgesehene Regelung wird deshalb die von der echtsprechung sehr weitgehend ausgestaltete Insol- enzanfechtung zurückführen, und zwar maßvoll und hne den gesetzlichen Grundsatz der Gläubigergleichbe- andlung infrage zu stellen. Ich bin mir im Klaren da- über, dass die vorgesehene Regelung in der Praxis vor llem den Sozialkassen zugute kommen wird. Bei einer bwägung der widerstreitenden Interessen scheint mit as aber hinnehmbar, wenn wir dem wirtschaftlichen achstum und der Schaffung neuer Arbeitsplätze Vor- ang einräumen wollen. Das sollten wir tun. nlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Für einen Beobach- terstatus Taiwans bei der Weltgesundheitsver- sammlung (Tagesordnungspunkt 18) Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CDU/ SU): Die überwiegende Mehrheit der internationalen emeinschaft, darunter alle EU-Mitgliedstaaten und die SA, vertreten eine „Ein-China-Politik“ und erkennen aiwan nicht als selbstständigen Staat an. Die Bundesre- ierung wie die Europäische Union können den Antrag aiwans auf einen Beobachterstatus bei der Weltgesund- eitsorganisation daher nicht unterstützen. Auch die DU/CSU lehnt den Antrag der FDP ab. Regelmäßig tritt Taiwan für einen solchen Beobach- erstatus anlässlich der jährlich im Mai stattfindenden eltgesundheitsversammlung ein, die am 22. bis 7. dieses Monats stattfinden wird. Die Frage einer insti- utionalisierten taiwanesischen Mitarbeit in der WHO at mittlerweile den Status einer politischen Prinzipien- rage zwischen der Volksrepublik China und der taiwa- esischen Seite vor dem Hintergrund erreicht, dass die olksrepublik eine Wiedervereinigung mit Taiwan an- trebt und, gleichzeitig, Taiwan seinen internationalen pielraum und damit die entsprechende Anerkennung zu rweitern sucht. Aus unserer Sicht ist die Frage des formalisierten Be- bachterstatus von der faktischen Einbindung Taiwans n die Arbeit der WHO bzw. Weltgesundheitsversamm- ung zu unterscheiden. Grundsätzlich steht einer fachli- hen Mitarbeit Taiwans bei der WHO und deren Förde- ung und Vertiefung nichts im Wege. Auf pragmatische rt und Weise eine faktische Einbindung Taiwans zu er- eichen kann den Gründen, die im heute debattierten An- rag für die zentrale Forderung der FDP benannt werden, llerdings auch ohne einen Beobachterstatus Taiwans echnung tragen. Die EU, die Bundesregierung und auch die CDU/ SU haben eine solche Einbindung Taiwans in die 3048 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) Arbeit der WHO stets befürwortet. Wir unterstützen nicht nur die Prinzipien der WHO-Verfassung, wonach die Teilhabe an höchstmöglichen Gesundheitsstandards zu den fundamentalen Rechten jedes Einzelnen zählt; darüber hinaus sind wir an einer pragmatischen Lösung der Anwendung der Internationalen Gesundheitsregeln – International Health Regulations – interessiert. Denn derart können Lücken, zum Beispiel bei der grenzüber- schreitenden Seuchenbekämpfung, vermieden werden – und dies muss auch im Interesse aller Beteiligten sein. Diese Position der Bundesregierung hat auch die EU ge- genüber der chinesischen Regierung vorgetragen. In der Tat findet – entgegen der Erläuterung des FDP- Antrages – eine solche Einbindung bereits statt. Hierüber haben die WHO und Volksrepublik China so- gar ein Memorandum of Understanding geschlossen. Zwischen der Weltgesundheitsorganisation und dem Center for Disease Control in Taipeh gibt es eine regel- mäßige Kooperation. Die WHO arbeitet bereits beim Ausbruch von schweren übertragbaren Krankheiten, die sich international ausbreiten können, mit den taiwanesi- schen Gesundheitsbehörden zusammen. Das ist etwa bei SARS oder der Vogelgrippe geschehen. Demzufolge läuft ein nicht unwesentlicher Teil Ihrer Forderungen ins Leere. Selbst von offizieller taiwanesischer Seite – nament- lich von Vizeminister Kao – war kürzlich anlässlich ei- ner Reise nach Europa zu vernehmen, dass es Taiwan weniger auf den Beobachterstatus als vielmehr auf eine Verbesserung und Intensivierung der Zusammenarbeit ankomme. Auf Initiative der Bundesregierung hat die EU-Präsidentschaft jüngst gegenüber der WHO zum Ausdruck gebracht, dass die EU die Vertiefung der Ein- bindung Taiwans in die Arbeit der Weltgesundheitsorga- nisation wünscht – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Vogelgrippe. WHO-Generalsekretär Lee hat am 2. Mai gegenüber der EU zugesagt, sich dafür einsetzen zu wol- len. Dies sind vernünftige, durchaus pragmatische An- sätze, die die Notwendigkeit der verbesserten Zusam- menarbeit nicht von Statusfragen und politischen Sensi- bilitäten in anderen Kontexten abhängig macht. Hier hat die Bundesregierung die volle Unterstützung der CDU/ CSU-Fraktion. Die FDP schießt mit ihrem Antrag hingegen über das Ziel hinaus. Begründet wird der Antrag damit, dass ge- fährliche und sich rapide ausbreitende Seuchen, wie zum Beispiel die Vogelgrippe, nur effektiv bekämpft werden können, wenn alle Regionen der Welt zusammenarbeiten und keine von dieser Zusammenarbeit ausgeschlossen bleibt. Das ist richtig. Allerdings: Wie hier dargestellt, ist es für eine Verbes- serung der Zusammenarbeit nicht zwingend erforderlich, Taiwan einen Beobachterstatus zu geben. Einen solchen zu fordern, vermag für das eigentlich angestrebte Ziel sogar kontraproduktiv zu wirken: Die Wahrscheinlich- keit, dass somit nur weitere Spannungen zwischen Tai- wan und der VR China provoziert würden ist schwerlich auszuschließen, was dem eigentlichen Ziel einen Bären- dienst erweisen würde. Einer pragmatischen Lösung – h d d g g d f b V s d b f E A s W E m w d t f d i r w V d d t h w d s o u g d h k g m K H B a (C (D siehe das erwähnte Memorandum of Understanding – at sich China jedenfalls nicht in den Weg gestellt. Gerade aufgrund der in den letzten Jahren zunehmen- en Spannungen zwischen China und Taiwan muss auch er Deutsche Bundestag hier besonderes Fingerspitzen- efühl unter Beweis stellen. Dies hat das Hohe Haus in anderen Kontexten bereits etan. Ich darf daran erinnern, dass der Deutsche Bun- estag mit großer Mehrheit die Aufhebung des EU-Waf- enembargos ebenfalls abgelehnt hat – damals in der De- atte auch seitens einiger eingedenk des dargestellten erhältnisses China-Taiwan und des chinesischen Anti- ezessionsgesetzes. Rücksicht auf diese mit vielen Implikationen verbun- ene Spannungslage zu nehmen, bedeutet indes nicht, ei allen Themenkreisen in hehre Schweigsamkeit ver- allen zu müssen. Die Bundeskanzlerin fährt bekanntlich nde des Monats nach China. Ein Schelm wer den FDP- ntrag in diesen Zusammenhang stellen wollte. Ange- ichts ihrer sehr gelungenen Auftritte in Moskau und ashington begleitet die Bundeskanzlerin allerdings die rwartung, dass sie auch „schwierige“ Themen – zumal it der erforderlichen Sensibilität – nicht aussparen ird. Insgesamt muss unser überragendes Interesse sein, ass der Konflikt zwischen Peking und Taipeh nicht wei- eren Eskalationsstufen zugeführt wird. Detlef Dzembritzki (SPD): Wir haben Verständnis ür den Wunsch Taiwans auf eine aktive Beteiligung an er Arbeit der Weltgesundheitsorganisation. Die WHO st eine global wirkende Institution, deren Einsatz keine egionale Ausnahme verträgt. Bei der politischen Unterstützung des Wunsches Tai- ans kann jedoch Deutschland alleine wenig bewirken. ielmehr sind die Mitgliedstaaten der EU der notwen- ige Adressat für eine solche Initiative. Anzustreben ist aher ein koordiniertes Vorgehen, um in Genf im nächs- en Jahr erfolgreich sein zu können. Wichtig ist, dass allgemeine Politik und Weltgesund- eitsvorsorge in diesem Zusammenhang nicht vermischt erden. Hier geht es um die Abwehr von Gefahren für ie Gesundheit weltweit, gerade aus der Region, in der ich Taiwan befindet. Viele Grippewellen, auch SARS der aktuell die Vogelgrippe, haben in Südchina und der mgebenden Region ihren Ausgang genommen. Deswe- en ist eine Beteiligung Taiwans an den Erkenntnissen, en Strategien und den Programmen der Weltgesund- eitsorganisation keine abstrakte Frage, sondern ein sehr onkretes, aktuelles Erfordernis. Japan und die USA haben schon vor geraumer Zeit si- nalisiert, dass sie diese Sichtweise teilen. Deswegen uss jetzt die Zeit genutzt werden, um den notwendigen onsens herbeizuführen. Natürlich verbindet Taiwan mit seinem Anliegen die offnung, seinen Status als Land in den internationalen eziehungen zu verbessern. Daran ist im Grunde nichts uszusetzen, und dennoch ist es aussichtsreicher, diese Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3049 (A) ) (B) ) Fragen zu trennen und einer gesundheitspolitischen Ar- gumentation zu folgen. Der Beobachterstatus, der beispielsweise Organisatio- nen wie dem Roten Kreuz bereits eingeräumt wurde, sollte es leichter machen, Taiwan Mitwirkungsmöglich- keiten einzuräumen, ohne von unserer Position in der Ein-China-Politik abzuweichen. Schon aus rationalen Erwägungen sollte uns an einer engeren Kooperation des WHO mit dem hoch entwickel- ten taiwanesischen Gesundheitssystem und seinen medi- zinischen Forschungseinrichtungen gelegen sein. Zu- gleich mache ich aus meiner Sympathie für die Entwicklung Taiwans von einem autoritären Regime hin zu einer durchaus funktionierenden Demokratie mit freien Wahlen, Meinungsfreiheit und Achtung der Men- schenrechte keinen Hehl. Die Bundeskanzlerin sollte bei ihrem Besuch in der Volksrepublik China das Interesse Deutschlands an einer engen und intensiven Zusammenarbeit in Fragen der Ge- sundheit mit der gesamten Region betonen und zugleich die Volksrepublik zu einer Verbesserung der Informa- tionspolitik bei Seuchen und Epidemien auffordern, denn auch das gehört in diesem Zusammenhang erwähnt. Harald Leibrecht (FDP): Wir Liberale sind besorgt über den derzeitigen Status der Zusammenarbeit zwi- schen der WHO und Taiwan. Die Weltgesundheitsorganisation stellt die oberste und wichtigste Instanz dar, wenn es um effektive und ko- ordinierte Krankheitsbekämpfung und -vorbeugung geht. Heute, in Zeiten von Krankheiten wie SARS und der Vogelgrippe, ist es absolut notwendig, dass alle Regio- nen der Welt umfassend in dieses globale Gesundheits- netzwerk eingebunden werden. Die Bundesregierung selbst stellte vergangenen Fe- bruar in ihrem Bericht über „außen- und sicherheitspoli- tische Implikationen und Auswirkungen von Seuchen am Beispiel der Vogelgrippe“ fest, dass in der globali- sierten Welt eine effiziente internationale Zusammenar- beit „unverzichtbar“ ist, da Tierseuchen nicht an Gren- zen Halt machen. Dem kann ich nur zustimmen. Dennoch bleibt Taiwan bis heute ein systematischer und umfassender Zugang zur WHO verwehrt und kann nur eingeschränkt an den Programmen und Treffen der WHO teilnehmen. Die Wichtigkeit und Notwendigkeit. Taiwan systema- tisch in die WHO einzubinden sieht man derzeit ganz deutlich an der Problematik der Vogelgrippe. Taiwan ist eine bedeutende Station auf der Route verschiedener Zugvögel: Etwa 1,25 Millionen Zugvögel passieren jähr- lich Taiwan oder überwintern dort. Hinzu kommt, dass Taiwan einer der wichtigsten internationalen Verkehrs- knotenpunkte im westlichen Pazifik ist. Trotzdem ist Taiwan bis heute aus dem Seuchenbe- kämpfungsnetz der WHO ausgeschlossen. Dabei würden die WHO und wir, ihre Mitgliedsländer, von einer Ein- b h s v e ü d i w i P a k h A S U z p w b w m k g e h d g t u u A i M a T b C A d l k W m l f (C (D indung Taiwans unmittelbar profitieren, denn Taiwan at beachtliche Erfolge im Gesundheitssektor vorzuwei- en: So wurde in Taiwan das erste umfassende Kranken- ersicherungssystem in Asien aufgebaut; Taiwan hat ine hohe Dichte an Ärzten vorzuweisen und zahlreiche bertragbare Krankheiten wie Tollwut, Malaria und Kin- erlähmung überwunden. Den Grund, warum Taiwan dennoch seit Jahrzehnten n Sachen WHO ausgeschlossen wird, kennen wir alle: eil es China nicht gefällt. Die Volksrepublik protestiert lauthals: Taiwan weiter n die WHO einzubeziehen würde gegen die Ein-China- olitik verstoßen – würde eine „Staatlichkeit“ Taiwans nerkennen und sei ohnehin unrechtmäßig, da Taiwan ein Mitglied der Vereinten Nationen ist. Aber was wir ier fordern, hat mit all dem nichts zu tun. Dies ist kein ntrag auf die Anerkennung Taiwans als unabhängiger taat. Dies ist kein Rütteln an der Ein-China-Politik. nd dies ist kein Verstoß gegen die UN- oder WHO-Sat- ung. Dies bedeutet lediglich, dass wir auf der gesundheits- olitischen Landkarte keinen weißen Fleck dulden. Dass ir Taiwan – eine reifende Demokratie mit einem eta- lierten Gesundheitswesen – nicht länger ausschließen ollen aus dem globalen Gesundheitsnetzwerk – sowohl it Blick auf die Gesundheit der taiwanesischen Bevöl- erung als auch auf unsere eigene. Im Übrigen sieht die Satzung der WHO für Nichtmit- lieder der UN eine Aufnahme auf der Grundlage eines infachen Mehrheitsbeschlusses vor. Die Weltgesundheitsversammlung, WHA, das öchste Entscheidungsgremium der WHO, hat überdies ie Möglichkeit, internationale oder nichtstaatliche Or- anisationen einzuladen, an den Aktivitäten der WHO eilzunehmen. So haben in der Vergangenheit Palästina nd Malta einen Beobachterstatus bei der WHA erhalten nd werden routinemäßig zu deren Treffen eingeladen. Eine direkte und geregelte Einbindung Taiwans in die rbeit der WHO wäre schon mit einem Beobachterstatus n der WHA erreichbar. Denkbar wäre zum Beispiel in Anlehnung an Taiwans itgliedschaft in der WTO – gegen die ich im Übrigen us diesem Hause auch keinen Protest gehört habe –, aiwan als „Gesundheitseinheit“ oder Ähnliches einzu- eziehen. Nächste Woche reist Bundeskanzlerin Merkel nach hina. Dort wird sie wichtige Themen der Wirtschafts-, ußen- und Sicherheitspolitik diskutieren. Ich hoffe, ass auf der parallel tagenden Weltgesundheitsversamm- ung in Genf die Gesundheitspolitik einen Schritt voran- ommt und Taiwan einen Beobachterstatus bei der HA erhält – mit der Stimme der deutschen Vertreter. Schließen wir uns in dieser Sache dem Europaparla- ent und unseren amerikanischen und japanischen Kol- egen an und beenden diesen gesundheitspolitischen Un- ug. 3050 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) Monika Knoche (DIE LINKE): Zu später Stunde be- schäftigen wir uns mit einem kleinen Problem, das – ich sage es direkt – auch noch größer gemacht wurde mit diesem Antrag als es eigentlich ist. Mag sein, dass es den Freidemokraten entgangen ist – ich kann es mir jedoch nicht so recht vorstellen – Tatsache ist aber: Taiwan ist seit Mai 2005 Gegenstand eines Memorandums of Un- derstanding mit China. Es handelt sich um eine Verein- barung zwischen der WHO und China, eine Vereinba- rung auf der Grundlage der Ein-China-Politik, die es Taiwan erlaubt, unter bestimmten Bedingungen an WHO-Sitzungen teilzunehmen. Gesundheitspolitische Experten aus Taiwan haben im zurückliegenden Jahr achtmal Gebrauch von dieser Ver- einbarung gemacht, und zwar genau zu den Themen, die die FDP hier darstellt respektive heraushebt – wie die Vogelgrippe. Das Memorandum of Understanding er- streckt sich auf alle Fragen der Gesundheitsprävention, die übertragbare Krankheiten betreffen, also auch HIV/ Aids, TBC etc. Zwar ist der Text des Memorandums nicht öffentlich, wohl aber alle Informationen der WHO zu den angesprochenen Krankheiten. So sind alle Richt- linien der WHO zugänglich und über Internet alle fach- lichen Informationen zu erhalten. Von einem Informa- tionsdefizit kann nicht die Rede sein, von einem Kooperationsdefizit der WHO mit Taiwan auch nicht. Allerdings erlaubt es der konstitutionelle Rahmen der WHO nicht, direkte diplomatische Beziehungen zu Tai- wan aufzunehmen. Die FDP scheint dies mit dem Antrag aber auch gar nicht zu wollen. Die darin vorgeschlage- nen Erweiterungen über das genannte Memorandum hi- naus bergen meines Erachtens zu viele Risiken auf au- ßenpolitischem Gebiet, als dass ich ihnen zustimmen wollte. Taiwan kann von sich sagen, dass es einen hohen me- dizinischen und gesundheitlichen Standard aufweist. Es ist wahrlich kein Entwicklungsland, in dem gravierende Defizite auf diesem Gebiet epidemiologisch die Warnsi- gnale aufleuchten ließe. Auch – so meine ich – ist die Vogelgrippe überschätzt in ihrem Bedrohungspotenzial, als dass man deswegen von „außen- und sicherheitspolitischen Implikationen“ reden müsste. Insofern ist das Beispiel Vogelgrippe oh- nehin schlecht gewählt. Zur Frage, ob wir uns als Parla- ment mit dem Thema befassen sollen, neige ich zur Ab- lehnung. Taiwan ist vom Großteil der Staaten nicht als unab- hängiger Staat anerkannt. Das hat seine guten Gründe und daran wollen Sie und wir nichts ändern. Die Aus- grenzung Taiwans in sachlichen und fachlichen Fragen des Infektionsschutzes kann ich aufgrund unserer Re- cherche nicht sehen. Wir sind als Abgeordnete gut beraten, taiwanische In- teressen auf staatliche Souveränität nicht durch partielle und in der Bedeutung überhöhte Fragen eine Aufwer- tung zu geben. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die weltweite Verflechtung, meist Globalisierung genannt, i n w w s e d v T p d w o s s m v t e m t N s n m v l s e k s k s d k k d K d u d d m d d w d W w A b k e l g (C (D st eine Tatsache. Ebenso eine Tatsache ist, dass hierzu icht nur Wirtschaftsbeziehungen und ihre sozialen Aus- irkungen gehören, sondern auch eine ganze Reihe von eiteren Effekten. Wenn Güter und Kapital reisen, rei- en auch Menschen. Dies ist auf der ganzen Welt so, und s betrifft praktisch alle Länder. Besonders aber gilt dies ann, wenn starke Wirtschaften mit hohem Exportanteil orhanden sind. Zu diesen Ländern gehört schon seit Jahrzehnten auch aiwan, Die taiwanesische Wirtschaft gehört zu den ex- ortstärksten Asiens, sogar der Welt. Dieser Umstand ist eshalb von Bedeutung, weil er eine große Anzahl an eltweiten Kontakten mit sich bringt. So begrüßenswert der auch nur normal dies ist, so hat es doch auch Kon- equenzen, die besondere Beachtung verdienen, Eine olche Konsequenz ist die einfache Erkenntnis, dass enschliche Kontakte auch das Risiko der Übertragung on Krankheiten bedeuten, und je mehr solcher Kon- akte es gibt, umso größer wird die Wahrscheinlichkeit iner Ansteckung. Zur Eindämmung dieses Risikos bzw. seiner unver- eidlichen Folgen gibt es die Weltgesundheitsorganisa- ion. Sie ist wesentlicher Bestandteil des weltweiten etzwerks zur Gesundheitsvorsorge und -versorgung, ie bildet dessen institutionelle Struktur. Es scheint ba- al, auf deren Sinn und Notwendigkeit hinzuweisen, zu- al angesichts der immer enger werdenden Verflechtung on Volkswirtschaften, des wissenschaftlichen, kulturel- en und touristischen Austauschs weltweit. Dennoch cheint dieser Hinweis notwendig, denn bis heute wird inem Land wie Taiwan mit dem Verweis auf seine völ- errechtliche Nichtanerkennung der Zugang zur Weltge- undheitsorganisation verwehrt. Meiner Ansicht nach ist diese Begründung ebenso urzsichtig wie überflüssig, und das möchte ich erklären. Kurzsichtig wäre die Aufrechterhaltung des Aus- chlusses Taiwans von der Mitarbeit in der WHO eshalb, weil die Überwachung, Eindämmung und Be- ämpfung von Pandemien und Seuchen, von Infektions- rankheiten aller Art in unser aller Interesse ist. Dabei ist er völkerrechtliche Status eines Gebietes unerheblich. rankheiten richten sich nicht danach, ob ein Land, in em sie vorkommen, als Staat anerkannt ist. Taiwan war nd ist naturgemäß von allen weltweit sich verbreiten- en Infektionskrankheiten betroffen. Ich erinnere nur an ie gerade noch rechtzeitig eingedämmte SARS-Epide- ie im südchinesischen Raum vor einigen Jahren. Schon amals sollte klar sein, dass eine Einbindung Taiwans in as internationale Gesundheitssystem sinnvoll und not- endig ist. Heute ist die erkennbar gestiegene Gefahr er Ausbreitung der Vogelgrippe eine Aufgabe auch der HO. Und auch hier ist offensichtlich, dass kein be- ohntes Gebiet der Erde vor dieser Krankheit und ihren uswirkungen geschützt ist. Überflüssig ist der Ausschluss Taiwans von der Ein- eziehung in die Arbeit der WHO deshalb, weil diese einerlei völkerrechtliche Auswirkung hat. Die WHO ist ine Sonderorganisation der UN, die eine spezielle fach- iche Aufgabe hat. Nichtmitglieder der UN können Mit- lied der WHO sein oder Beobachterstatus genießen, je- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3051 (A) ) (B) ) denfalls Zugang zu ihrer Arbeit haben. Dafür gibt es eine Reihe von Beispielen: Nicht anerkannte staatsähnliche Gebiete wie Palästina gehören dazu oder auch internatio- nale Organisationen wie das Rote Kreuz. Warum nicht Taiwan? Warum sollte, wer in der WTO mitarbeiten kann oder an Olympischen Spielen teilnehmen, nicht auch zur Aufrechterhaltung der Gesundheit bei sich und weltweit beitragen dürfen? Der völkerrechtliche Status spielt dabei keine Rolle. Worum es geht, ist die Bedeu- tung eines Landes für die Verbreitung von Infektions- krankheiten, sein und der Schutz seiner Nachbarn vor deren Ausbreitung und nicht zuletzt sein möglicher Bei- trag zur Eindämmung von Epidemien und Seuchen. Unter den mehr als 20 Millionen Einwohnern Tai- wans gibt es eine ganze Reihe hervorragender Wissen- schaftler und Ärzte. Die Insel hatte das erste flächende- ckende Krankenversicherungssystem Asiens und verfügt über ein sehr gut ausgebautes Gesundheitssystem. Eine Einbeziehung Taiwans in die Arbeit der WHO wäre nicht nur gut für das Land, gut für die Chancen der welt- weiten Bekämpfung von Epidemien, sondern auch gut für die Arbeit der WHO selbst, Taiwan kann mit seinen Erfolgen in der Gesundheitspolitik zum Erfolg der WHO beitragen. Zu wünschen wäre deshalb auch seine Mit- arbeit in den Lenkungsgremien der WHO und an ihren Arbeitsprogrammen. Dieser Ansicht sind mittlerweile nicht nur eine Reihe von Staaten, sondern auch von inter- nationalen medizinischen Fachorganisationen. Deutsch- land sollte sich diesen Erkenntnissen nicht verschließen und der praktischen Vernunft Genüge tun. Die Unterstüt- zung eines Beobachterstatus Taiwans in der WHO würde uns allen nützen. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS-Gesetz – BDBOSG) (Zusatztagesordnungspunkt 8) Ralf Göbel (CDU/CSU): Die große Koalition bringt die Einführung des neuen und digitalen Funksystems für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufga- ben, BOS, voran. Das Bundesinnenministerium ent- scheidet Ende Juni über die Vergabe der Systemtechnik, die Verhandlungen über den Betrieb des Funknetzes sind auch auf gutem Wege. Noch in diesem Jahr soll mit dem Aufbau des Funknetzes begonnen werden. Der Gesetzgeber steht nun vor der Aufgabe, die not- wendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Vergabe des Digitalfunks zügig abgeschlossen und bald mit dem Aufbau des Funknetzes begonnen werden kann. Folgendes ist dafür zu tun. Erstens müssen im Bundes- haushalt 2006 die notwendigen Finanzmittel bereitge- stellt werden. Zweitens bedarf es einer Organisation, die den Aufbau und Betrieb des Funknetzes steuert und die unterschiedlichen Akteure von Bund und Ländern koor- diniert. g D r v s n D D t k d d ti g T F v d A u f ü e d c t d S l B d w w m h S f t F a N g d d A w b r f t d u d n tr (C (D Die Verabschiedung des Bundeshaushaltes ist im Juni eplant. Um die organisatorischen Voraussetzungen für igitalfunk zu schaffen, hat das Bundesinnenministe- ium den heute zur Debatte stehenden Gesetzentwurf orgelegt. Der Gesetzentwurf sieht vor, eine Bundesan- talt für den Digitalfunk der Behörden und Organisatio- en mit Sicherheitsaufgaben, BDBOS, zu errichten. iese neue Behörde soll die Aufgabe haben, den BOS- igitalfunk aufzubauen, zu betreiben und seine Funk- ionsfähigkeit sicherzustellen. Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien lar zum Ausdruck gebracht, dass sie möglichst rasch en BOS-Digitalfunk einführen wollen. Notwendig ist er BOS-Digitalfunk deshalb, weil die Kommunika- onsstrukturen der BOS nicht mehr heutigen Anforderun- en genügen. Dies gilt besonders mit Blick auf mögliche erroranschläge und Katastrophenfälle. Die analogen unknetze, die seit den 70-Jahren genutzt werden, sind eraltet und nicht abhörsicher. Bei Großeinsätzen sind ie analogen Netze schon häufig zusammengebrochen. uch die Ersatzteilbeschaffung wird immer schwieriger nd kostenintensiver. Demgegenüber wird der Digital- unk die Kommunikation der BOS verbessern. Sprach- bertragung und Datenkommunikation werden innerhalb ines gemeinsamen Netzes ermöglicht. Dies erleichtert en gemeinsamen, koordinierten Einsatz unterschiedli- her Behörden und Einsatzkräfte. Der Informationsaus- ausch erfolgt verschlüsselt und ist deshalb abhörsicher – ies verbessert den Datenschutz und verhindert, dass traftäter den Funkverkehr abhören und dadurch polizei- ichen Maßnahmen entgehen können. Am Beginn des Gesetzgebungsverfahrens für das DBOS-Gesetz stellt sich die Frage, inwiefern für das igitale Funknetz eine eigene Organisation benötigt ird, und wenn ja, ob dazu eine Bundesanstalt gegründet erden sollte. Ich bin der Auffassung, dass beide Fragen it ja zu beantworten sind. Die Innenministerkonferenz at bereits im März 2005 beschlossen, dass eine „BOS- telle“ eingerichtet werden soll. Für eine eigene Organisation für den BOS-Digital- unk spricht zunächst die große Komplexität des Projek- es. Das deutsche BOS-Netz wird das größte digitale unknetz der Welt sein. Seine Einführung ist sehr zeit- ufwendig und wird sich bis Ende 2010 hinziehen. Das etz wird von sehr unterschiedlichen Behörden und Or- anisationen genutzt werden – von der Polizei des Bun- es und der Länder, von den Feuerwehren und Rettungs- iensten, vom Technischen Hilfswerk und dem Zoll. Der ufbau und Betrieb ist technisch anspruchsvoll und wir issen, welche Risiken technologische Großprojekte ergen. Nicht zuletzt ist auch wichtig, die Kosten für Er- ichtung und Betrieb unter Kontrolle zu haben. Das alles macht es erforderlich, eine Stelle zu schaf- en, in der der betriebswirtschaftliche, taktische und echnische Sachverstand gebündelt wird. Es ist sinnvoll, ie Interessen von Bund und Ländern zu koordinieren nd einheitlich gegenüber dem Systemlieferanten und em Betreiber des Funknetzes zu vertreten. Den Auftrag- ehmern sollten nicht 17 verschiedene, sondern eine Auf- aggeberorganisation gegenüberstehen. Dies vermindert 3052 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) das Risiko erheblich, dass der Betrieb eines bundesweit einheitlichen Digitalfunks an technischen oder organisa- torischen Problemen scheitert. Damit die gemeinsame Stelle von Bund und Ländern als Auftraggeberorganisation fungieren kann, ist es er- forderlich, diese Stelle als eine eigenständige juristische Person einzurichten. Dies wird erreicht, indem die ge- meinsame Stelle als rechtsfähige Anstalt des öffentli- chen Rechts errichtet wird. Diese Rechtsform stellt im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen zudem sicher, dass die Länder – sie sind die Hauptnutzer des Funknet- zes und werden einen beträchtlichen Teil der Kosten tra- gen – angemessen am Aufbau und Betrieb des Digital- funks mitwirken können. Das wäre bei einer obersten Bundesbehörde oder bei einer Bundesoberbehörde nicht möglich. Für die Schaffung einer Bundesanstalt und damit ei- ner Behörde sprechen auch Sicherheitsgründe. Dass das digitale Funknetz der Sicherheitsbehörden für die Si- cherheit der Bundesrepublik eine zentrale Rolle spielen wird, liegt auf der Hand. Gerät das Funknetz in Gefahr, kann dies auch die Innere Sicherheit gefährden. In einem solchen Fall ist eine Behörde notwendig, die Maßnah- men zur Gefahrenabwehr anordnen kann. Der Gesetz- entwurf sieht dazu eine Ermächtigung ausdrücklich vor, beispielsweise soll sich die Bundesanstalt Zugang zu Computersystemen des Funknetzes verschaffen und die Steuerung dieser Systeme übernehmen können. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass die Bundesanstalt befugt werden soll, die Sicherheit des Netzes und seiner Komponenten zu überprüfen, um Gefahren vorab erkennen zu können. Die im Gesetzent- wurf vorgesehenen Regelungen zur Abwehr netzspezifi- scher Gefahren und zur Überwachung sind deshalb wichtig, weil private Unternehmen bei Errichtung und Betrieb des Funknetzes einbezogen sind. Das BOS-Netz wird somit kein rein staatliches Netz sein – es bedarf ei- ner Behörde, die das Funktionieren des Netzes über- wacht und gewährleistet. Ein zweiter Sicherheitsaspekt ist nicht so offensicht- lich: Die Funktionsfähigkeit der Bundesanstalt wird auch dadurch gewährleistet, dass der Bund als Zahlungs- träger die Zahlungsfähigkeit garantiert. Dementspre- chend ist auch laut Gesetzentwurf die Eröffnung des In- solvenzverfahrens nicht zulässig. Vor gut einem Jahr standen wir als Gesetzgeber be- reits schon einmal vor der Frage, ob eine Bundesanstalt für den Digitalfunk eingerichtet werden soll. Das Ge- setzgebungsverfahren wurde nicht abgeschlossen – der Gesetzentwurf der rot-grünen Koalition fiel der Diskon- tinuität zum Opfer. Ich habe mich gegen den damaligen Gesetzentwurf ausgesprochen. Die Unionsfraktion hat gegen den Gesetzentwurf gestimmt. Beim damaligen Stand des Verfahrens war nicht er- sichtlich, wie und in welchem Umfang der Ausgleich von Bundes- und Länderinteressen innerhalb der Bun- desanstalt erfolgen sollte. Deshalb wurde diesem Ge- setzentwurf in einer Anhörung attestiert, gegen den ver- fassungsrechtlichen Grundsatz der Bundestreue zu v l n n l L d B L d g t V v s w D s ß g s n V E d k w i s e J d w D V v S v B d V t n v l a J F c s t h (C (D erstoßen und verfassungswidrig zu sein. Mittlerweile iegt ein Verwaltungsabkommen vor, in dem dieser ge- annte Ausgleich enthalten ist. Ich danke dem Bundesin- enminister, dass er mit seinem neuen Stil von Kollegia- ität mit den Innenministern der Länder eine schnelle ösung im Streit um das Verwaltungsabkommen gefun- en hat. Das Verwaltungsabkommen zwischen dem und und den Ländern wurde heute Mittag paraphiert. Mit dem Verwaltungsabkommen regeln Bund und änder ihre Zusammenarbeit beim Aufbau und Betrieb es BOS-Digitalfunks. Das Abkommen trifft klare Re- elungen, beispielsweise über die Aufgaben des Verwal- ungsrates, der Stimmenzahl der einzelnen Länder im erwaltungsrat sowie über die jeweiligen Kostenanteile on Bund und Ländern für die Realisierung der Netzab- chnitte. Anders als vor einem Jahr wissen die Länder, as auf sie zukommt, wenn die Bundesanstalt für den igitalfunk gegründet wird. Deshalb ist der heutige Ge- etzentwurf zustimmungsfähig. Für den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf spricht au- erdem, dass er gegenüber dem alten Entwurf der Vor- ängerregierung die Aufgaben des Verwaltungsrates we- entlich erweitert: Die Satzung der Bundesanstalt wird icht mehr durch den Präsidenten, sondern durch den erwaltungsrat erlassen. Es wird festgelegt, dass die ntscheidung über die grundsätzlichen Angelegenheiten er Bundesanstalt dem Verwaltungsrat obliegt. Die Stär- ung des Verwaltungsrats gegenüber dem früheren Ent- urf ermöglicht es den Ländern, über dieses Gremium hre Interessen besser zu vertreten und in die Bundesan- talt einzubringen. Der Grundsatz der Bundestreue wird ingehalten. Die Situation hat sich gegenüber der von vor einem ahr aufgrund des verbesserten – und vorab mit den Län- ern abgestimmten – Gesetzentwurfs und dem mittler- eile vorliegenden Verwaltungsabkommen geändert. as im Entwurf vorgelegte BDBOS-Gesetz sowie das erwaltungsabkommen bilden eine gute Grundlage, die on der Innenministerkonferenz beschlossene BOS- telle in Form einer Bundesanstalt für Digitalfunk zu erwirklichen. Ich plädiere dafür, das Gesetzgebungsverfahren in undestag und Bundesrat zügig abzuschließen, damit ie Bundesanstalt für Digitalfunk bald gegründet und die oraussetzungen gegeben sind, mit dem Aufbau und Be- rieb des Digitalfunks so schnell wie möglich zu begin- en. Dies wird die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden erbessern und somit der Inneren Sicherheit in Deutsch- and zugute kommen. Gerold Reichenbach (SPD): Unter Fachleuten, ber auch In der Politik ist seit mindestens einem halben ahrzehnt unumstritten, dass unser veraltetes analoges unksystem für die Behörden und Organisationen im Si- herheitsbereich auf den modernen Digitalfunk umge- tellt werden muss. Der Digitalfunk bietet gegenüber dem analogen Sys- em vor allem die seit langem geforderte Abhörsicher- eit. Der Digitalfunk bietet höheren Kommunikations- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3053 (A) ) (B) ) komfort. Er bietet die Möglichkeit des Datentransports und damit einer modernen Führung und Kommunika- tion, er bietet die Möglichkeit der besseren Organisation und eines effektiveren Managements des Funkverkehrs und, last but not least, er verfügt über viel höhere Kapa- zitäten – in Bezug auf Katastrophen und Großschadens- lagen ein ganz wesentlicher Punkt. Mit der Einführung des Digitalfunks in Deutschland bewerkstelligen wir die Aufgabe, das größte europäische Funknetz für die Behörden und Organisationen mit Si- cherheitsaufgaben mit einem Schlag in die neue Technik zu transformieren. Ich sage das ganz bewusst an die Adresse all der Kritiker, die immer wieder moniert ha- ben, dass Deutschland eines der letzten Länder ohne diese neue Technik sei. Diese Transformation eines komplett bestehenden Netzes ist keineswegs vergleich- bar mit dem, was in anderen europäischen Ländern in- zwischen an Neueinführungen, Pilotprojekten oder auch Insellösungen realisiert wurde. Denn das, was in anderen europäischen Ländern zum Großteil erst mit der Einfüh- rung des Digitalfunks realisiert wurde, existiert und funktioniert in Deutschland bereits seit Jahrzehnten: ein einheitliches, integriertes Netz für alle Behörden und Or- ganisationen im Sicherheitsbereich quer über alle Bun- desländer. Damit ist die Aufgabe, die wir uns vorgenommen ha- ben, auch schwieriger. Aber sie lohnt die Anstrengung, weil dadurch unsere Sicherheitsbehörden an Führungs- und Kommunikationsfähigkeit und damit wir alle an Si- cherheit hinzugewinnen. Und weil dies eine schwierige Aufgabe ist, weil wir bei dieser neuen Technik Bund, Länder und Gemeinden und ebenso Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen gemeinsam mitnehmen müssen, gerade deshalb hatten und haben wir einen erheblichen Abstimmungsbedarf, nicht zuletzt bei der Finanzvertei- lung. Ich möchte an dieser Stelle unterstreichen: Dass wir heute mit dem vorliegenden Gesetz einen weiteren wich- tigen Schritt bei der Einführung des Digitalfunks ma- chen, ist dem ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily zu verdanken. Er hat mit seinem Angebot, dass der Bund den Aufbau des Rumpfnetzes mit einer Flä- chenabdeckung von 50 Prozent für jedes Bundesland schultert, den gordischen Knoten der Finanzverteilungs- frage zwischen Bund und Ländern durchschlagen. Damit gelang ihm der entscheidende Durchbruch zur Realisie- rung des Projektes. Und gleichzeitig hat er dafür gesorgt, dass wir in Zukunft einen Wettbewerb bei den Anbietern haben werden, indem er die Vergabe für den Betrieb des Netzes und die Systemlieferung trennte. Diese Frage ist gerade im Hinblick auf die Kosten, die bei den Endgerä- ten auf die Gemeinden und Hilfsorganisationen zukom- men, und im Hinblick auf die Frage, wie die weitere technische Entwicklung des Netzes aussehen wird, nicht unerheblich. Für uns Sozialdemokraten war auch von Anfang an klar, dass der Staat für die Einführung und den Betrieb eines solchen für die innere Sicherheit eminent wichti- gen Netzes die Eingriffs- und Kontrollbefugnisse behal- ten muss. Uns war auch klar, dass für die Einführung u N d u T r A B a t w d e j n – n w h w g T z g z d S s P t d S Q S t s i s w t S s e k 1 n B b o n S g (C (D nd den späteren Betrieb sowie den weiteren Ausbau des etzes eine Organisationsform gefunden werden muss, ie die Beteiligung der Länder gewährleistet, die nach nserer Verfassung ja für einen nicht unwesentlichen eil der Behörden und Organisationen im Sicherheitsbe- eich zuständig sind oder die zuständigen kommunalen ufgabenträger vertreten. Und so debattieren wir heute erneut im Deutschen undestag über ein Gesetz zur Errichtung einer Bundes- nstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisa- ionen mit Sicherheitsaufgaben. Wir erinnern uns, dass ir bereits vor knapp einem Jahr, am 30. Juni 2005, in iesem Hause mit der damaligen Regierungsmehrheit in solches Gesetz beschlossen haben, das sich von dem etzt eingebrachten Gesetz lediglich in Details, aber icht in der Substanz unterscheidet. Dieses Gesetz fiel diese kritische Anmerkung sei mir gegenüber unserem euen Koalitionspartner erlaubt – sachlich unnötiger- eise, aber politisch motiviert der Diskontinuität an- eim, weil die Zustimmung im Bundesrat verweigert urde. Eigentlich könnte ich, was die inhaltliche Be- ründung des hier vorliegenden Gesetzes betrifft, die eile meiner damaligen Rede, die übrigens damals schon u Protokoll gegeben wurde, heute erneut zu Protokoll eben. Die wesentlichen Punkte lassen sich kurz wie folgt usammenfassen. Wir brauchen die Bundesanstalt für en Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit icherheitsaufgaben, weil wir den Sach- und Fachver- tand bündeln und die abzuschließenden Verträge für lanung, Aufbau und Betrieb des Digitalfunksnetzes op- imal managen wollen. Nur über die Bundesanstalt kann er erforderliche technische und betriebswirtschaftliche achverstand optimal gebündelt und eine kontinuierliche ualitätssicherung gewährleistet werden. Wir benötigen eine BOS-Stelle als einheitlichen achwalter der von Bund und Ländern eingebrachten In- eressen und Vermögenswerte. Wir folgen damit der zwi- chen Bundesinnenminister und Landesinnenministern m März 2004 geschlossenen Dachvereinbarung zur Zu- ammenarbeit beim Aufbau und Betrieb eines bundes- eit einheitlichen digitalen Sprech- und Datenfunksys- ems für alle Behörden und Organisationen mit icherheitsaufgaben und den dazugehörigen Beschlüs- en der Innenminister, die eine solche BOS-Stelle ver- inbarten. Auch die Wirtschaft benötigt einen einheitlichen und ompetenten Ansprechpartner. Dies kann der bisherige 00-köpfige Lenkungsausschuss von Bund und Ländern icht leisten. Und wir brauchen eine Stelle, die mit hoheitlichen efugnissen ausgestattet, auch später die Eingriffsrechte esitzt, um den Betrieb des Netzes jederzeit überwachen der notfalls per Ersatzvornahme sicherstellen zu kön- en. Das Vergabeverfahren ist im Gange und die einzelnen chritte werden ohne Zeitverzögerung kontinuierlich ab- earbeitet. Und bei allem, was da auch an öffentlichen 3054 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) Positionierungen der Konkurrenten bzw. jetzt ausge- schiedenen Konkurrenten zu hören ist: Die absolute Kor- rektheit der Vergabestelle und der Durchführung der bis- herigen Verfahrensschritte hat niemand, auch nicht die ausgeschiedenen Bieter, in Zweifel gezogen. Lassen Sie mich deshalb auch hier die Gelegenheit nutzen, den vielen Beamten im Bundesinnenmmiste- rium, bei den beteiligten Behörden der Länder, bei de- nen, die in den Lenkungsausschüssen bei der Erstellung der gemeinsamen Anforderungen, bei der Vorbereitung und Durchführung der Ausschreibungs- und Vergabever- fahren unzählige Arbeitsstunden geleistet haben – nicht selten über die Wochenenden hinweg und in die Nacht- stunden hinein –, meinen ganz herzlichen Dank auszu- sprechen. Wenn das Vergabeverfahren auch weiter ohne An- fechtung verlaufen kann, werden wir es noch vor der Sommerpause im Rahmen des Zeitplanes abschließen können. Wenn bis zu diesem Zeitpunkt das Parlament seine Hausaufgaben gemacht und das Gesetzgebungs- verfahren zur Errichtung einer Bundesanstalt abge- schlossen hat, dann bin ich optimistisch, dass noch in diesem Jahr die konkreten Beauftragungen durchgeführt werden können. Denn zeitgleich haben heute die Staats- sekretärinnen und Staatssekretäre der Innenministerien des Bundes und der Länder das Verwaltungsabkommen zur Errichtung des Digitalfunks für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben paraphiert. An dieser Stelle sei mir noch eine Anmerkung, auch um der historischen Wahrheit willen, erlaubt: Wenn wir das so, wie wir es uns vorgenommen haben, umsetzen können, wird voraussichtlich noch in diesem Jahr Bun- desinnenminister Wolfgang Schäuble den Startschuss zum Aufbau des neuen digitalen Funknetzes geben kön- nen. Aber ohne die wichtigen Vorarbeiten seines Vorgän- gers Otto Schily und ohne seinen mutigen Schritt nach vorne wäre dies nicht möglich. Oder um in einem alten Sinnbild zu bleiben: Der Künstler, der am Ende das Turmkreuz setzt, sollte den Baumeister nicht gering ach- ten, der den Turm gebaut hat. Die neue Technik bereits zur diesjährigen WM zur Verfügung zu stellen, haben wir zwar nicht erreicht. Aber wenn wir das, was sich Bund und Länder gemein- sam vorgenommen haben, erreichen, nämlich die neue Technik bis 2010 flächendeckend für alle Behörden und Organisationen im Sicherheitsbereich einzuführen, dann werden wir zwar nicht die Ersten in Europa bei der Ein- führung eines digitalen Funknetzes gewesen sein, aber wir werden das Land sein, das über das größte und am weitesten integrierte Funknetz für alle Behörden und Or- ganisationen mit Sicherheitsaufgaben verfügt. Die SPD-Fraktion hat im Interesse der inneren Si- cherheit diesen Weg immer konsequent verfolgt. Sie wird es auch weiter tun. Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Alter Wein in neuen Schläuchen ist nicht besser. Auch in der neuen Initiative der Bundesregierung bleibt die FDP bei ihrer Kritik an der geplanten Einrichtung der Bundesanstalt f d A i W s e n A c B G D i d i e s d a m E m p r d n F a d i W d A n d s o n Z R K e f z s u F e d d u b B d v w r s (C (D ür Digitalfunk. Es ist für uns nicht ersichtlich, warum ie im Gesetzentwurf der Bundesanstalt zugewiesenen ufgaben nicht ebenso von einem entsprechenden Stab m Bundesinnenministerium erledigt werden könnten. ir brauchen nicht eine Vielzahl neuer Dienstposten, ondern eine effiziente Ausgestaltung der Digitalfunk- inführung. Die Kosten für eine Bundesanstalt von we- igstens 3 Millionen Euro jährlich sind überflüssig. uch teilen wir nicht den Optimismus, dass die zusätzli- hen Personalkosten mit dem Wegfall von Planstellen im MI finanziert werden können. Die Erfahrung mit der ründung neuer Behörden spricht eindeutig dagegen. ie Steuerung der Digitalfunkeinführung kann sehr gut n Zusammenarbeit mit Privatunternehmen erfolgen – as ist besser als jede neue Behörde. Als Vergabestelle st die geplante Bundesanstalt für den Digitalfunk nur ine weitere Behörde, die sich mit der Beschaffung be- chäftigen soll. Gerade im Beschaffungswesen der Bun- esregierung sind noch erhebliche Effizienzpotenziale uszumachen. Allein das Beschaffungsamt des BMI ist it 211,5 Stellen ausgestattet. Das sollte doch genügen. s ist schon bezeichnend, wenn die Bundesregierung itten in den Haushaltsplanberatungen in Zeiten knap- er Kassen hier falsche Zeichen setzt. Die neue Bundes- egierung nimmt die dringend notwendige Einführung er digitalen Funktechnik für die BOS zum Anlass, mit achhaltiger Wirkung das Geld der Steuerzahler zum enster hinauszuwerfen. Das Scheitern des ersten Anlaufs der rot-grünen Ko- lition, eine solche Bundesanstalt einzurichten, hat zwar urchaus einen Lerneffekt gebracht. Die Verbesserungen m Gesetzentwurf gegenüber dem aus der vergangenen ahlperiode haben aber wenig Bedeutung angesichts er grundsätzlichen Schieflage des ganzen Projektes. ber auch im Detail ist der Gesetzentwurf so jedenfalls icht zustimmungsfähig. Das Herzstück des Gesetzes ist as Verwaltungsabkommen von Bund und Ländern. Die- es ist eben heute unterzeichnet worden. Wie wir Abge- rdneten darüber informiert worden sind, ist kein Zeug- is von parlamentarischer Gesinnung. So wäre eine ustimmung zu dem Gesetz ein Blankoscheck für die egierung. Alle Kolleginnen und Kollegen, die den ontrollauftrag des Parlaments ernst nehmen, können iner solchen Blanko-Ermächtigung nicht zustimmen. Die eigentümlichen Modalitäten der Ausschreibung ür die Einführung des Digitalfunks, die sinnigerweise u einem einzigen verbleibenden Bieter geführt haben, ind – um es vorsichtig auszudrücken – dabei ähnlich ngewöhnlich, wie die vorgesehene Bundesanstalt. Die inanzierung des gesamten Projekts für den Bund – bei inem Bieter ist die Auswahl ja eher gering –, aber auch ie Finanzierungsbedingungen für jedes einzelne Bun- esland geraten so aus dem Blick. Haben denn der Bund nd vor allem die Länder schon jetzt einen klaren Über- lick über die dauerhaften Folgekosten? Wer trägt zum eispiel die Kosten der Weiterentwicklung? Da nach all- em, was man in der Öffentlichkeit erfährt, das Vergabe- erfahren rechtlich – vorsichtig gesagt – bedenklich ist, ächst mein Verständnis für die, die nach einem siche- en Neustart für das Projekt rufen. Denn wir sollten chnellstmöglich die beste Technik in Deutschland um- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3055 (A) ) (B) ) setzen. Dies ist in Gefahr durch rechtliche und techni- sche Risiken, fehlende politische Grundlagen und unübersehbare finanzielle Fragen. Eine neue Ausschrei- bung könnte bei größerer Technikoffenheit möglicher- weise nicht nur die Kosten für den BOS-Digitalfunk reduzieren, sondern die Einführung sogar noch be- schleunigen. Es wäre eine Schande, wenn wir nun noch länger auf die Einführung des Digitalfunks warten müss- ten. Wir haben schwerwiegende Bedenken gegen diesen Gesetzentwurf, den Umgang mit dem Parlament und vor allem die Art und Weise, wie die Bundesregierung die schnellstmögliche Einführung des Digitalfunks durch mögliches Missmanagement insgesamt riskiert. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Was die von der Bundes- regierung angestrebte Bundesanstalt regeln soll, ist ein völlig überteuertes und unnötiges Projekt. Wie mittler- weile üblich, wird der Öffentlichkeit auch die Einfüh- rung des Digitalfunks als absolut notwendige Maßnahme zur Gewährleistung der Sicherheit verkauft. Ohne den angeblichen Antiterrorkampf zu beschwören, geht nach Ansicht der Regierung offenbar gar nichts mehr. Das ist in diesem Fall doppelt absurd: Erstens muss die Regie- rung auf Nachfrage jedes Mal zugeben, dass sie über- haupt keine konkreten Erkenntnisse zu einer Gefährdung durch Terrorbanden hat. Zweitens ist das vorgeschlagene Mittel, also der digitale Funkverkehr, kein geeignetes Mittel. Einen dritten Grund, weswegen die Fraktion Die Linke den Gesetzentwurf der Regierung ablehnt, will ich hier auch gleich nennen: Das ganze Projekt ist schlicht und einfach nicht realistisch finanzierbar. Die Kosten- schätzungen für die bundesweite Einführung des Digital- funks, die beispielsweise von der Gewerkschaft der Polizei vorgenommen wurden, belaufen sich auf Ge- samtkosten von über 7 Milliarden Euro. Und da frage ich mich natürlich, wo dieses Geld herkommen soll. Hinzu kommt, dass die ursprüngliche Absicht, ein eu- ropaweit abgestimmtes Digitalfunknetzwerk aufzu- bauen, schon lange gescheitert ist. Der Wegfall der Bin- nenkontrollen im Schengenraum sollte ja quasi kompensiert werden durch eine Harmonisierung des Di- gitalfunkverkehrs möglichst aller europäischen Staaten. Weil das Projekt aber niemals richtig vorangekommen ist, sind einzelne Länder wie Frankreich mit Alleingän- gen vorgeprescht, und die Modellversuche, wie sie etwa vor einigen Jahren im grenznahen Bereich Aachen statt- gefunden haben, haben schlicht und einfach keine Zu- kunft. Die Harmonisierungsbemühungen, die jetzt noch von der Polizeiarbeitsgruppe des Rates der Innen- und Justizminister angestrengt werden, sind im Wesentlichen Makulatur. Es ist nicht ernsthaft zu erwarten, dass ein Land, das sich bereits für einen bestimmten Standard entschieden hat, nun wieder alles rückgängig macht, um doch noch eine gemeinsame Lösung zu finden. Das wäre erst recht nicht zu finanzieren. Ich habe sowieso den Eindruck, dass die Schwachstellen des Systems bislang nicht richtig zur Kenntnis genommen werden. So ist etwa die so genannte In-house-Versorgung nicht gewähr- leistet. Das bedeutet, dass Polizei- oder Feuerwehrange- hörige, die sich in Häusern befinden, keinen oder nur er- s F d k w f S d d d f m e d w s s v E s f b s d s G f d n G B R B n i s g f d W e w u l f d s b B h b u (C (D chwerte Kommunikationsmöglichkeiten haben. Was im alle eines Ausfalls der verschiedenen Server, die für en Digitalfunk ermöglicht werden, passiert, ist ohnehin lar: Absolute Funkstille im wahrsten Sinn des Wortes äre die Folge. Eine Panne, die beim bisherigen Analog- unkverkehr ausgeschlossen ist. Der Polizeiexperte tephan Stolle kam wegen all dieser Faktoren bereits vor rei Jahren in einem Artikel für die Zeitschrift CILIP zu em Schluss, dass der Analogfunkverkehr alle notwen- igen Aufgaben bereits erfüllt und das Projekt Digital- unk im Wesentlichen als gescheitert betrachtet werden uss. Anstatt nun also eine Behörde einzurichten, die ine Totgeburt meistern soll, wäre der Sicherheit mehr amit gedient, die Ausstattung beispielsweise der Feuer- ehr zu verbessern. Einen Punkt will ich noch ansprechen: § 15 des Ge- etzentwurfs sieht vor, die Anstalt dazu zu ermächtigen, ich gewaltsamen Zutritt zu all solchen Unternehmen zu erschaffen, die für sicherheitsrelevant gehalten werden. s ist bezeichnend, dass die Bundesregierung als Bei- piel für einen möglichen Einsatz ausgerechnet das Ge- ährdungsmerkmal „rechtswidriger Streik“ anführt. Die Bundesanstalt soll also ausdrücklich als Streik- recherin eingesetzt werden können. Und was heißt chon „rechtswidriger“ Streik: Die Zeit, um gerichtlich ie Zulässigkeit eines Streiks zu prüfen, soll sich die An- talt ja gar nicht nehmen. Es ist ausdrücklich nicht der ang zu einem Gericht vorgesehen, sondern ein „verein- achtes“ Verfahren. Diesem überteuerten, unsinnigen und den Rechtsfrie- en gefährdenden Projekt wird Die Linke deswegen icht zustimmen. Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN): Der Gesetzentwurf zur Einrichtung einer undesanstalt für den Digitalfunk wurde bereits von ot-Grün verabschiedet und anschließend leider im undesrat blockiert. Ich begrüße, dass die CDU/CSU unmehr ihre Bedenken zurückgestellt hat. Auch wenn ch bedauere, dass aus parteipolitischen und wahltakti- chen Gründen hier erneut fast ein Jahr verloren gegan- en ist und die Einführung eines digitalen Funknetzes ür Polizei, Feuerwehr, Katastrophen- und Rettungs- ienste weiterhin nur im Schneckentempo vorankommt. Dass Deutschland nicht in der Lage war, zur Fußball- M ein modernes digitales Funknetz einzuführen, ist in Armutszeugnis für die Sicherheitspolitik. Schuldzu- eisungen kann man hier wechselseitig an den Bund nd die Länder geben. Die Einführung bzw. die jahre- ange Blockade der Einführung des digitalen Polizei- unks ist ein Beispiel dafür, wie gefährlich schwerfällig er Föderalismus sein kann. Es ist erfreulich, dass Bund und Länder sich offen- ichtlich auf ein Verwaltungsabkommen verständigt ha- en und dies bereits paraphiert ist. Die Einrichtung einer undesanstalt als Bündelungs- und Koordinierungsbe- örde für die organisatorische Bewältigung der Aufga- en zur Einführung eines digitalen Funknetzes habe ich nter Rot-Grün begrüßt und meine Haltung hat sich auch 3056 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) jetzt in der Oppositionsrolle nicht geändert. Es ist erfor- derlich, dass die Interessen der Nutzer des Digitalfunks gebündelt wahrgenommen werden und das Zweckver- mögen gemeinsam verwaltet wird. Lassen Sie mich aber auch ein paar kritische Anmer- kungen machen. Wir wollen ein Höchstmaß an Transpa- renz im weiteren Verfahren. Ich lasse mich nicht in Haftung nehmen für den Vertrag, den der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily mit der Deutschen Bahn AG geschlossen hat. Die Bahntochter Telematik soll den Betrieb eines Rumpfnetzes übernehmen. Dieser Alleingang des damaligen Bundesinnenministers hat si- cherlich nicht zu einem konstruktiven gemeinsamen Handeln von Bund und Ländern beigetragen. Das Parla- ment ist über das ganze Vertragsverfahren mit der Deut- schen Bahn nach wie vor nur sehr unzureichend infor- miert. Aus den Medien war zu entnehmen, das EADS einzig verbliebener Bewerber um die Auftragsvergabe für die Systemtechnik ist. Auch hier gilt: Die Entscheidung im Ausschreibungsverfahren ist für uns Abgeordnete nicht transparent. Ausgeschiedene Anbieter haben bereits mit einem gerichtlichen Klageverfahren gedroht. Wir wer- den im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens im Innenaus- schuss einen ausführlichen Bericht der Bundesregierung zu diesen Vertrags- und Ausschreibungsverfahren for- dern. Schließlich geht es hier um Milliardenbeträge, für die das Parlament in den Haushalten die Verantwortung übernehmen soll. Bereits im ersten rot-grünen Gesetzesverfahren haben wir durch Änderungsanträge darauf hingewirkt, dass das Haushaltsrecht des Parlamentes und das Kontrollrecht des Bundesrechnungshofes gestärkt wurde. Ich begrüße, dass die große Koalition an diesen Beschlüssen festge- halten hat. Ich erwarte, dass Bundesinnenminister Schäuble nicht nur den Ländern durch die Bundesanstalt Mitwirkungs- rechte einräumt, sondern gleichermaßen das Parlament an dem weiteren Verfahren beteiligt und für die erforder- liche Transparenz sorgt. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Fördergesetz für Dieselrußpartikelfilter baldmöglichst vorlegen (Tagesordnungspunkt 20) Jens Koeppen (CDU/CSU): Wir beraten hier und heute über einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit folgendem Ziel: die Bundesregierung aufzu- fordern, ein Gesetz zur steuerlichen Förderung des Parti- kelfilters vorzulegen, welches spätestens zum 1. Juli 2006, also in anderthalb Monaten, in Kraft treten soll. Dies mit der Begründung, dass die Bundesregierung seit der Neuwahl die Maßnahmen zur Reduktion der Parti- kelemissionen verzögert und – zusammen mit der deut- schen Automobilindustrie – die Filtertechnologie blo- ckiert. Die Fraktion der Grünen hält darüber hinaus die F h ü r P t r D w E s d m w i u d u d t k g d t P l k S B i f n D S s B k d s S F t e g t d m l d m s e f n h (C (D inanzierung durch die Länder für problemlos und sieht ier „keine unverhältnismäßige Belastung“. Als ich diesen Antrag las, wusste ich ehrlich gesagt berhaupt nicht, welche Passage ich am schlechtesten echerchiert fand. Ich möchte Ihnen einige ausgewählte unkte nennen, um zu begründen, warum meine Frak- ion diesen, Ihren Antrag ablehnen wird. Erstens. Die Belastung der Luft hat in den letzten Jah- en und Jahrzehnten insgesamt deutlich abgenommen. ie aktuelle Diskussion um die Feinstaubbelastung urde dadurch ausgelöst, dass die sehr anspruchsvollen U-Immissionsgrenzwerte in einigen Regionen über- chritten worden sind. Diese Grenzwerte haben das Ziel, ie Luftqualität kontinuierlich zu verbessern, um die enschliche Gesundheit zu schützen. Dies ist ein ehren- ertes und richtiges Anliegen. Nichtsdestoweniger halte ch nichts davon, Hysterie und Panik zu verbreiten. Es ist nzutreffend, zu glauben, dass bis zur 34. Überschreitung es Tagesgrenzwertes die Luftqualität unbedenklich ist nd bei der 35. Überschreitung die Situation lebensbe- rohlich wird. Es hat auch nichts mit Verharmlosung zu un, diese Werte realistisch zu betrachten und nicht in urzfristigen Aktionismus zu verfallen, wie Sie es hier erade wieder einmal tun. Sie schreiben, dass „vor allem Partikelemissionen aus em Straßenverkehr die Sterblichkeitsrate erhöhen“. Das rifft schlichtweg nicht zu. Die Deutsche Gesellschaft für neumologie sagt ganz klar, dass die natürlichen Quel- en für Feinstaub wie Bodenerosion, Sandstürme, Vul- ane und Pollen quantitativ deutlich überwiegen. Auch ie sollten sich daher Ihrer Verantwortung gegenüber der evölkerung bewusst werden, wenn Sie solche Anträge m Parlament einbringen bzw. derartige Aussagen tref- en. Zweitens. Schon heute besitzen über 60 Prozent aller eu zugelassenen Dieselfahrzeuge einen Partikelfilter. ie deutschen Automobilhersteller haben in einer elbstverpflichtung zugesagt, ab 2008 alle Diesel-PKWs erienmäßig mit dem Partikelfilter auszustatten. Jeder ürger kann verfolgen, dass jetzt schon der Wiederver- aufswert veralteter Dieselfahrzeuge sinkt, etwa durch ie künftige Einrichtung von Umweltzonen oder aber teuerliche Nachteile. Unterschätzen wir also nicht die elbstregulation des Marktes! Neue Diesel-PKWs ohne ilter sind kaum noch verkäuflich. Eine bessere Motiva- ion für die Autohersteller, ihre Fahrzeuge auf den neu- sten Stand zu bringen, kann es doch wohl kaum geben. Drittens. Sie behaupten, dass ein schnelles Förderpro- ramm für die Länder keine unverhältnismäßige Belas- ung darstellt. Auch das trifft nicht zu. Nicht umsonst hat er Bundesrat im vergangenen Jahr das Modell der da- aligen Bundesregierung abgelehnt. Dort waren keiner- ei Angaben zu einer Gegenfinanzierung enthalten und ie Deckungslücke in den Landeshaushalten betrug weit ehr als 1 Milliarde Euro. Dabei lag der Fokus aus- chließlich auf dem Feinstaub. Dieser ist aber nicht der inzige Schadstoff, der in der Betrachtung alter Diesel- ahrzeuge eine Rolle spielt. Was passiert denn, wenn im ächsten Jahr die Stickoxidbelastung in den Medien erausgestellt wird und Sie wieder auf den Zug der Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3057 (A) ) (B) ) allgemeinen Hysterie aufspringen? Wollen Sie dann das nächste Fördermodell beantragen? Sollen wieder die Länder zur Kasse gebeten werden? Und werden dann die Besitzer der für viel Geld nachgerüsteten Altfahrzeuge immer noch auf der sicheren Seite sein? Was ich damit ins Spiel bringen möchte, lässt sich unter dem Stichwort Folgenabschätzung zusammenfassen. Und dieser Gedanke führt mich auch gleich zu meinem vierten Punkt. Wenn es denn so einfach wäre, so unkom- pliziert und haushaltspolitisch unbedenklich, ein Förder- programm für Partikelfilter aufzusetzen, warum haben Sie das in den vergangenen zwei Legislaturperioden denn nicht getan? Sie werfen der Bundesregierung Verzöge- rungstaktik vor, einer Regierung, die seit einem halben Jahr im Amt ist. Sie selbst haben aber in den sieben Jahren davor gar nichts auf den Weg gebracht, um – wie Sie sa- gen – die Gesundheit der Menschen in unserem Land zu schützen. Das ist die Situation. Die Umweltminister der Länder haben schon 2001 und 2003 den Bund aufgefordert, ein Konzept für steuer- liche Anreize für Partikelfilter vorzulegen und die Fein- staubproblematik in den Griff zu bekommen. Die 64. Umweltministerkonferenz hat diese Forderung noch einmal bestätigt. Sie waren damals nicht in der Lage, ein tragfähiges und zielführendes Konzept zu erarbeiten und jetzt tun Sie wieder einmal so, als wären Sie in den letz- ten Jahren nicht in der Verantwortung gewesen. Das ist ebenso geschickt wie unseriös. Schließlich sollten wir uns fünftens auch Gedanken um die Aufwand-Nutzen-Rechnung machen. Es gibt durchaus seriöse Erhebungen, nach denen Dieselmoto- ren nur für 5 Prozent der gesamten Feinstaubbelastung verantwortlich sind. In anderen Worten: Selbst wenn alle Dieselfahrzeuge in Deutschland einen Partikelfilter hät- ten, würden die Grenzwerte überschritten. Wir sollten dieses Thema also sachlich diskutieren und uns fragen, ob es wirklich Sinn macht, ein Pro- gramm im Schnellverfahren zu verabschieden, dessen Kosten den Nutzen kaum rechtfertigen würde. Mein sechster und letzter Gedanke betrifft ebendiese sachliche Diskussion. Im Koalitionsvertrag steht: „CDU/ CSU und SPD haben es sich zum Ziel gesetzt, die Nach- rüstung von Kraftfahrzeugen mit Partikelfiltern aufkom- mensneutral steuerlich zu fördern und ab 2008 neue Kraftfahrzeuge ohne diesen Standard mit einem steuerli- chen Malus zu belegen. Die Bundesregierung wird mit einer möglichst einfachen Lösung die Fahrzeuge so kennzeichnen lassen, dass Fahrzeuge mit geringem Schadstoffausstoß von Verkehrsbeschränkungen ausge- nommen werden können und ein Anreiz zum Einsatz von Partikelfiltern gegeben wird.“ Es gibt – wie Sie ja in der Vergangenheit selbst erfahren durften – eine Vielzahl von Faktoren, die in diesem laufenden Verfahren berück- sichtigt werden müssen. Ich habe Ihnen einige davon ge- nannt. Nach Auffassung meiner Fraktion hat die ehema- lige Bundesregierung mit ihrem Vorschlag zur Diesel- PKW-Förderung eine zu komplizierte und zu wenig durchdachte Regelung vorgeschlagen. Mit ihr wird zu- dem nur ein Bruchteil der tatsächlichen Feinstaub- emissionen bekämpft. f z s t s s I n d d d w Z s R 1 t b L l a n a s b r S s n r d z V t d V W P k n s v k m h s b g t (C (D Wir brauchen aber nicht nur eine umweltpolitisch be- riedigende Regelung. Sie muss zudem finanzierbar, so- ial verträglich und nachhaltig sein. Wenn die Koalition ich nicht in ständigen „Nachbesserungen“ und bürokra- ischen Überregelungen verlieren will, sollte einer ge- etzlichen Regelung eine sachbezogene, von ideologi- chen Scheuklappen freie Diskussion vorangehen. In hrem Antrag kann ich einen solchen Ansatz wirklich icht erkennen. Gabriele Frechen (SPD): Die Feinstaubbelastung in eutschen Städten und Ballungsräumen hat zum Ende es Jahres 2005 weiter zugenommen. Laut Umweltbun- esamt haben im abgelaufenen Jahr 30 Städte das EU- eit gültige Feinstaublimit überschritten. Das meldet die eitung „Die Welt“ am 3. Januar dieses Jahres. In Leipzig und München wurden jeweils 107 Über- chreitungen gemessen, in Stuttgart nach Angaben des egierungspräsidiums an der Messstelle Neckartor an 73 Tagen. Erlaubt sind nach EU-Richtlinie Überschrei- ungen an maximal 35 Tagen. Als erste deutsche Großstadt hat Stuttgart zum Jahres- eginn 2006 ein großflächiges Durchfahrtsverbot für KW ab 3,5 Tonnen zur Verringerung der Feinstaubbe- astung eingeführt. Verstöße werden mit Bußgeldern ge- hndet, nur der Lieferverkehr ist von dem Verbot ausge- ommen. In einem zweiten Schritt soll es von Juli 2007 n für Autos ohne geregelten Filter mit hohem Schad- toffausstoß ein ganzjähriges Fahrverbot in der City ge- en. 2012 sollen Dieselfahrzeuge mit einem schlechte- en Standard als Euro 3 und ohne Partikelfilter aus dem tadtzentrum verbannt werden. Warum interessiert uns das? Noch vor wenigen Jahren ind Autofahrer auf Dieselfahrzeuge umgestiegen, nicht ur deshalb, weil diese Fahrzeuge weniger und billige- en Kraftstoff brauchen, sondern auch deshalb, weil sie er Meinung waren, einen Beitrag zum Umweltschutz u leisten. „Ich fahre einen umweltfreundlichen Diesel“. on diesem Satz waren viele Dieselfahrer überzeugt. Seit einigen Jahren wissen wir es besser. Nicht nur in- eressierte Kreise befassen sich damit. Feinstaub ist in en Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerutscht. öllig zu Recht: Nach dem Gesundheitsbericht 2002 der eltgesundheitsorganisation WHO verursachen urbane artikelemissionen etwa 5 Prozent aller Krebserkran- ungen der oberen Atemwege und der Lunge. Die klei- eren und leichteren Rußpartikel, die die modernen Die- elmotoren ausstoßen, sind besonders lungengängig und erursachen Lungen- und Herzerkrankungen. Ganz besonders betroffen von den Atemwegserkran- ungen sind Kinder. Das ist nicht verwunderlich, wenn an bedenkt, dass Kinder kleiner und damit näher an der öchsten Konzentration der Feinstäube im Straßenraum ind und gleichzeitig die Immunabwehr weniger ausge- ildet ist. Das Aktionsbündnis „Kein Diesel ohne Filter“, ein esellschaftliches Bündnis von Umweltverbänden, Au- omobil- und Verkehrsclubs, Gesundheitsexperten und 3058 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) Kinderschutzorganisationen, macht sich seit Jahren für die schnelle Einführung von Partikelfiltern stark. Eine steuerliche Förderung kann die Einführung von Dieselrußpartikelfiltern zum Schutz der Gesundheit be- schleunigen. Innovative mittelständische Unternehmen in Deutschland haben schon lange die Technik entwi- ckelt, die Schadstoffemission um bis zu 99,9 Prozent zu mindern. Die Entwicklung, die Herstellung, die Ausrüs- tung von Neufahrzeugen und die Nachrüstung von Alt- fahrzeugen zeigen beste, moderne Ingenieurleistung, schaffen Arbeitsplätze und leisten einen erheblichen Beitrag zum Umweltschutz. Auch die Automobilindustrie selbst, die diese Ent- wicklung nicht gesehen, falsch eingeschätzt oder einfach nur verschlafen hat, versucht mittlerweile, verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Geht man auf die Internet- seiten von deutschen Automobilherstellern findet man bei Dieselfahrzeugen zum Beispiel unter technische Da- ten „Oxydationskatalysator, Abgasrückführung, war- tungsfreier Partikelfilter“ oder unter Ausstattungsmerk- malen: Dieselpartikelfilter. Wir haben bereits eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung der großräumigen Belastung durch Fein- staub initiiert. Dazu gehören die Novelle der Großfeue- rungsanlagenverordnung und der TA Luft, aber auch die Einrichtung eines Förderschwerpunktprogramms für partikel- und stickstoffarme Nutzfahrzeuge im ERP-Um- weltprogramm. Warum es bisher noch kein Gesetz zur Förderung von Dieselrußpartikelfiltern gibt, haben die, Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grü- nen in ihrem Antrag aufgezeigt. Das ist aber auch das einzige, was ich diesem Antrag zugute halten kann, denn er war überflüssig. Nächste Woche stellt das Bundesum- weltministerium zusammen mit dem Bundesfinanzmi- nisterium der interessierten Öffentlichkeit das erarbeitete Konzept vor. Gleichzeitig befindet sich das Ministerium in den Detailabstimmungen mit den Bundesländern. Dass sich Bund und Länder einig in der Art und Weise der Förderung sind, kann doch nur in unserem Sinne sein, denn wie Sie richtig im Antrag schreiben, ist die Kfz-Steuer eine Ländersteuer und der Bundesrat muss dem Gesetz zustimmen. Der SPD-Bundestagsfraktion ist es im Sinne der Ge- sundheit und der Umwelt lieber, dass wir in ein paar Wo- chen ein Gesetz bekommen, das die Zustimmung des Bundesrates findet, als das wir nächste Woche eines be- kommen, das wieder vor dem Bundesrat scheitert. Si- cherheit vor Schnelligkeit, das sollte auch Ihr Wille sein. Deshalb war Ihr Antrag eine gute chronologische Aufarbeitung der Vergangenheit, mehr aber auch nicht. Michael Kauch (FDP): Die vor allem im letzten Jahr öffentlich breit geführte Debatte über die Feinstaubbe- lastung hat deutlich gemacht, dass Dieselfahrzeuge ab- gasärmer werden müssen. Ab 2008 müssen Neufahr- zeuge strengeren EU-Abgasnormen genügen, auch im Blick auf Feinstaubemissionen von Diesel-PKW. Aber wir werden weiterhin einen großen Altbestand an Fahr- z N R S ü ß t d t l d d s t g s F z r d d D a g d g a w f s u d h h K d B l L k a S F m A f m v s u s G n d (C (D eugen mit hohem Partikelausstoß haben. Dass daher der achrüstung mit Rußpartikelfiltern eine entscheidende olle zukommt, steht außer Frage. Die Bekämpfung des chadstoffausstoßes am Fahrzeug hat Priorität gegen- ber meist untauglichen und unverhältnismäßigen Stra- ensperrungen. Deshalb muss die Nachrüstung mit Par- ikelfiltern vorangetrieben werden. Gleichzeitig darf aber nicht der Fehler gemacht wer- en, sich bei der Ausgestaltung auf den derzeitigen Par- ikelfilter zu beschränken und sie damit auf eine Techno- ogie zu reduzieren. Zukünftige Technologien müssen ie gleiche Chance und den gleichen Anspruch auf För- erung haben wie die aktuelle Filtertechnologie. Die taatliche Förderung muss technikunabhängig ausgestal- et, ausschließlich an die Erreichung ökologischer Ziele eknüpft und auf Regelungen zur Nachrüstung be- chränkt sein. Bündnis 90/Die Grünen fordern in ihrem Antrag, ahrzeuge ohne Partikelfilter bei der Kfz-Steuer deutlich u belasten. Eine Steuererhöhung für alte, nicht nachge- üstete Fahrzeuge als Art finanzieller Bestrafung lehnt ie FDP-Bundestagsfraktion dagegen eindeutig ab. Durch die recht aufgeregte Debatte im letzten Jahr um ie Feinstaubrichtlinie ist zwar das Bewusstsein für den ieselrußpartikelfilter geschärft worden. Wir dürfen ber nicht vergessen, dass die Autofahrer in der Vergan- enheit durch niedrige – steuerlich bedingte – Preise an er Zapfsäule regelrecht zum Kauf eines Dieselfahrzeu- es gedrängt wurden. Genau das hat die Politik im Blick uf niedrigere CO2-Emissionen gewollt. In der Mehrzahl aren dies allerdings Fahrzeuge ohne Filter. Die betrof- enen Verbraucher verdienen daher auch jetzt staatlicher- eits Vertrauensschutz. Wenn die Politik die Bürgerinnen nd Bürger damals aus vorgeblich ökologischen Grün- en zu einem bestimmten Verbraucherverhalten geleitet at, darf die Politik sie heute nicht nachträglich durch öhere Steuern bestrafen. Unabhängig davon, ob sich die Förderung über die fz-Steuer oder direkte Zuschüsse vollzieht, stellt sich ie Frage der Finanzierung. Derzeit wollen weder der und noch die Länder die finanziellen Mittel bereitstel- en. Es ist höchste Zeit, dass es zu einer gemeinsamen ösung von Bund und Ländern kommt. Es ist bemer- enswert, dass die Koalition der Steuererhöhungsorgien ngeblich keine Mittel hierfür aufbringen kann. Wenn ie schon die Biokraftstoffe besteuern wollen – was die DP ablehnt – warum verwenden Sie dann das Aufkom- en nicht wenigstens zur Förderung der Partikelfilter? ber die Wahrheit ist ja: Dieser Bundesregierung geht es inanzpolitisch nicht um sinnvolle ökologische Instru- ente, sondern um das Kassemachen zur Vermeidung on Reformen. Ohnehin hätte die neue Bundesregierung bei der Fein- taubreduzierung längst zu Initiativen kommen können nd müssen. Die Verlierer sind die Kommunen. Ein chnelles Handeln ist erforderlich, damit die Städte und emeinden bei der Bekämpfung der Feinstaubbelastung icht länger allein gelassen werden. Eine Bekämpfung es Feinstaubes an der Quelle, dem Fahrzeug, ist wir- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3059 (A) ) (B) ) kungsvoller als fragwürdige Fahrverbote oder eine Citymaut. Lutz Heilmann (DIE LINKE): Auch die Fraktion Die Linke setzt sich dafür ein, dass die Feinstaubbelastung wirksam und zügig gesenkt wird. Der Antrag der Grünen enthält dazu zwar einige richtige Ansätze, aber auch er- hebliche Schwächen. Zunächst einmal muss die Frage gestattet sein, warum Sie dieses dringliche Anliegen nicht in Ihrer siebenjähri- gen Regierungszeit umgesetzt haben? Oder anders ge- fragt: Warum glauben Sie, dass Sie jetzt, wo Sie die Op- positionsbank drücken, eine Mehrheit für dieses Anliegen bekommen? Die Hauptschwäche Ihres Antrags ist, dass er sich ausschließlich auf die Feinstaubbelastung bezieht. Noch länger als über die steuerliche Förderung von Dieselruß- filtern wird über die generelle Umstellung der Kfz- Steuer auf Kohlendioxid als Bemessungsgrundlage ge- sprochen. Das haben Sie allerdings ebenso wenig reali- sieren können. Notwendig ist, die Kfz-Steuer grundlegend zu überar- beiten, anstatt sie alle halben Jahre zu novellieren. Die Einführung einer steuerlichen Förderung für Dieselruß- filter halten wir deshalb für den zweiten vor dem ersten Schritt. Ein aufkommensneutrales Gesamtkonzept für die Kfz-Steuer sollte so ausgestaltet werden, dass der CO2-Ausstoß als wesentliche Bemessungsgrundlage dient. Zusätzlich dazu sind Zu-und Abschläge entsprechend der Einhaltung der Abgasnormen vorzusehen. Wenn da- bei die Abstufung zwischen den verschiedenen Emis- sionsklassen groß genug ist, würde daraus ein erheblicher steuerlicher Anreiz entstehen, Fahrzeuge umzurüsten. Ein zusätzlicher Anreiz entsteht bereits jetzt daraus, dass der Wiederverkaufswert für Fahrzeuge ohne Rußfilter niedriger ist als bei Fahrzeugen mit Filter; Schätzungen gehen von bis zu 1 000 Euro Differenz aus. Wenn man dann noch bedenkt, dass bei Verabschie- dung der Vignetten-Verordnung die Kommunen bald Fahrverbote für die meisten Fahrzeuge ohne Rußfilter verhängen können, stellt sich die Frage, ob wir eine zu- sätzliche steuerliche Förderung wirklich brauchen. Wir haben zwar nichts gegen die steuerliche Förderung von Innovationen im Umweltbereich, aber Steuergelder soll- ten so eingesetzt werden, dass sie eine nachhaltige Poli- tik befördern. Die Förderung würden wir deshalb insbe- sondere unter dem Aspekt betrachten, dass finanzielle Einbußen oder Mehrbelastungen für einkommensschwa- che Haushalte auszugleichen sind. Notwendig ist zweitens – da stimmen wir Ihnen zu –, dass alle Neuwagen bereits von den Herstellern mit Ruß- filtern ausgestattet werden. Nach der Selbstverpflichtung der Hersteller soll dies erst 2008 Realität werden. Ein Wort zum Instrument freiwilliger Selbstverpflichtungen der Automobilindustrie. Dem stehen wir sehr skeptisch gegenüber. Ich denke, das absehbare Scheitern der Selbstverpflichtung der europäischen Hersteller zur Sen- kung des CO2-Ausstoßes gibt uns Recht. Um ein Miss- l b 2 n s d f k s t w T e i d w w A l g d F r j g g d m f u g 1 F c B P s c c a s r d u h (C (D ingen zu verhindern, sollte die Verpflichtung zum Ein- au von Rußfiltern in alle Neufahrzeuge spätestens ab 008 gesetzlich vorgeschrieben werden. Die dritte Schwachstelle Ihres Antrags ist, dass Sie icht nur Vollfilter, sondern auch so genannte Teilfilter teuerlich fördern wollen. Noch schlimmer sind aller- ings die Regierungspläne, ausschließlich Teilfilter zu ördern. Denn insbesondere beim Einsatz von Teilfiltern ommt es zu einer Erhöhung der Emissionen von Stick- toffdioxid, das ebenfalls erhebliche Gesundheitsbeein- rächtigungen zur Folge hat. Hier sollte eine genaue Ab- ägung von Vor- und Nachteilen erfolgen, sodass der eufel nicht mit dem Beelzebub ausgetrieben wird. Statt iner pauschalen Förderung aller Rußfilter ungeachtet hrer sonstigen Emissionen ist eine Gesamtbetrachtung er Emissionen bei der Neuausrichtung der Kfz-Steuer esentlich sinnvoller und besser für Mensch und Um- elt. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. nlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Fahrgastrechte (Tagesordnungs- punkt 21) Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Der uns heute vor- iegende Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Fahr- astrechte kommt bezeichnender Weise von der Fraktion es Bündnisses 90/Die Grünen, also genau von der raktion, die in der letzten Legislaturperiode in Regie- ungsverantwortung gestanden hat und die Schaffung ustiziabler Rahmenbedingungen zur Stärkung der Fahr- astrechte unterließ. In der Plenardebatte am 24. Februar 2005, also vor ut einem Jahr, wurden die Anträge der CDU/CSU-Bun- estagsfraktion zu dieser Thematik mit der Koalitions- ehrheit von SPD und Grünen abgelehnt. Die Unions- raktion des 15. Deutschen Bundestages forderte damals, nter anderem mit den Anträgen „Mehr Rechte für Fahr- äste im öffentlichen Personenverkehr“ auf Drucksache 5/1236 und „Grünes Licht für gesetzlich normierte ahrgastrechte“ auf Drucksache 15/4505, eine einheitli- he Rechtsgrundlage in der Personenbeförderung für die enutzung von Eisenbahnen und anderen öffentlichen ersonenverkehrsmitteln wie Straßenbahnen, Omnibus- en und Kraftfahrzeugen zu schaffen und klare gesetzli- he Regelungen vorzulegen, die Entschädigungsansprü- he der Reisenden bei Verspätungen und Ausfällen bei llen öffentlichen Verkehrsträgern verbindlich fest- chreiben. Die Position der Union in der Frage der Fahrgast- echte war und ist also eindeutig. Unumstritten bedürfen ie Fahrgastrechte für Bahnen, Busse sowie in der Luft- nd Schifffahrt eines rechtlichen Rahmens für die ein- eitliche Regelung von Schadenersatzansprüchen, wobei 3060 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) insbesondere die Kunden der Deutschen Bahn AG in ih- ren Rechten als Verbraucher gestärkt werden müssen. Die noch im letzten Jahr hoch angepriesene Kunden- charta der Deutschen Bahn AG, die laut der Fraktions- chefin Künast, die ja bekanntlich Ministerin unter Rot- Grün mit dem Fachbereich Verbraucherschutz war, „die Bahnkundenrechte und das Preissystem der deutschen Bahn AG verbessert hat“, war eine nette Geste, aber nicht mehr! Diese Selbstverpflichtungsinitiative der Deutschen Bahn AG zur Entschädigung der Fahrgäste bei Verspätung und Zugausfall ist in keinster Weise aus- reichend. Die Deutsche Bahn AG hat nunmehr vor zwei Tagen angekündigt, die Erweiterung der Kundenrechte nicht mehr nur im Fernverkehr anzubieten. Ab 28. Mai 2006 wird – zumindest in Schleswig-Holstein – ein Pilotpro- jekt starten, in dem die Kundencharta auch im Nahver- kehr Anwendung finden soll, sodass die Bahnkunden nicht mehr nur im Fernverkehr, sondern nunmehr auch auf Kurzstrecken das Recht haben, gute Leistung für ihr Geld zu erwarten. In der Debatte 2005 wurden wir mehrfach vonseiten der damaligen rot-grünen Koalition auf das damals noch ausstehende Gutachten „Verbraucherschutz und Kun- denrechte im öffentlichen Personenverkehr“ hingewie- sen, das zur Klärung der Möglichkeiten der Stärkung der Fahrgastrechte von der Bundesregierung in Auftrag ge- geben wurde. Mittlerweile liegt dieses Gutachten vor. Aber natürlich müssen auch die neue Bundesregierung und wir als Parlamentarier das Gutachten gründlich be- werten und die aufgezeigten Lösungsansätze analysie- ren. Bisher war dazu die Zeit zu kurz. Dass wir der Stärkung der Fahrgastrechte eine hohe Priorität beimessen, kann man auch daran ablesen, dass wir diese im Koalitionsvertrag ausdrücklich festge- schrieben haben. Dort heißt es: „Die Entschädigungsan- sprüche der Reisenden bei Verspätungen, Ausfällen etc. bei allen öffentlichen Verkehrsmitteln werden nach Aus- wertung des vorliegenden Gutachtens zum Verbraucher- schutz verbindlich festgeschrieben.“ Das Gutachten, das als Grundlage der Meinungsbildung über den gesetzge- berischen Bedarf bei der Festlegung von Art und Um- fang der Verbraucherrechte dient, befindet sich derzeit in dieser Bewertungsphase bei der Bundesregierung. Es ist schon reichlich dreist, dass genau die Fraktion, die sieben Jahre in Regierungsverantwortung stand und die zuständige Ministerin stellte, nun nach einem gesetz- geberischen Schnellschuss verlangt. Schließlich hat sie in ihrer eigenen Regierungszeit eine ausführliche Prü- fung des Gutachtens argumentativ vornan gestellt, um die Forderungen der damaligen Opposition auf schnelle Lösungen abzuwehren. Wieder zurück auf den harten Bänken der Opposition entsinnt sich die Fraktion der Grünen, wie es mein Kollege Eduard Lintner so schön formulierte, wieder ihrer „alten Tugenden“ sich zu über- schlagen, wenn es darum geht, Haftungsregelungen zu schaffen, die der jeweiligen Kundschaft – notfalls wider jede Praktikabilität und ohne Rücksicht auf die Kosten – maximalen Schutz verleihen sollen. e l A d H d m t i d m l f V z n u s S g Z e u l c k B s d R G g d s d k v R g F H M d G g w R z s B b (C (D Betrachten wir die Details des vorliegenden Gesetz- ntwurfs der Grünen: Der Entwurf sieht eine Neurege- ung des Haftungsrechts der Verkehrsunternehmen bei usfall- und Verspätungsschäden vor, indem der § 17 er Eisenbahnverordnung, der derzeit einen potenziellen aftungsausschluss vorsieht, gestrichen werden soll. Zu- em sollen mit dieser Neuregelung Verkehrsunterneh- en unter das allgemeine zivilrechtliche Haftungssys- em des BGB gestellt werden. Dieses Ansinnen ist grundsätzlich löblich. Aber es ist n keinster Weise absehbar, mit welchen Auswirkungen iese Änderung einhergeht. Für die Verkehrsunterneh- en ist dies trotz der Einführung von Begrenzungsmög- ichkeiten wie Bagatellgrenzen und Pauschalierungsstu- en in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der erkehrsunternehmen nicht absehbar und kann poten- iell eine wahre Flut von Entschädigungsansprüchen ach sich ziehen. An dieser Stelle heißt es daher, gründlich zu prüfen nd sowohl für die Verbraucher- wie für die Anbieter- eite abzuwägen, welche Schritte die richtigen sind. chließlich müssen wir vor dem Hintergrund des heuti- en Verkehrsmarktes Folgenutzen und -risiken abwägen. Fazit: Der Gesetzentwurf der Grünen ist verfrüht. urzeit prüft eine vom Bundesministerium der Justiz ingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe das Gutachten nd berät, ob und in welchem Umfang gesetzliche Rege- ungen zur Verbesserung des zivilrechtlichen Verbrau- herschutzes für Kunden des öffentlichen Personenver- ehrs vorzuschlagen sind. Die Ergebnisse dieser eratungen werden uns zum Sommer vorliegen und ent- prechend den Ergebnissen dieser Arbeitsgruppe wird ie Ausgestaltung der Entschädigungsansprüche von eisenden vorgenommen werden. Deshalb sage ich: Warten wir diese Bewertung des utachtens, den anschließenden Bericht der Arbeits- ruppe und den daraus hervorgehenden Gesetzentwurf es BMJ ab. Denn erst auf dieser Grundlage kann ent- chieden werden, ob und welche Änderungen des gelten- en Personenbeförderungsrechts vorgeschlagen werden önnen. Es werden Regelungen gefunden werden – da- on bin ich überzeugt –, die dem Verbraucherschutz echnung tragen, ohne dass die wirtschaftliche Betäti- ung der Verkehrsunternehmen mit eventuell negativen olgen unangemessen beeinträchtigt oder die öffentliche and über Gebühr belastet werden. Die Komplexität der aterie gebietet eine seriöse und in allen Konsequenzen urchdachte Reform. Marianne Schieder (SPD): Das Grundanliegen des esetzentwurfes, nämlich die Verbesserung der Fahr- astrechte im öffentlichen Personenverkehr, ist ein sehr ichtiges und ein sehr berechtigtes. Auch seitens der egierungskoalition und der tangierten Ministerien wird u diesem Themenbereich seit geraumer Zeit sehr inten- iv gearbeitet. So ist dazu durch das Bundesministerium für Verkehr, au und Stadtentwicklung in Erfüllung des Bundestags- eschlusses „Qualitätsoffensive im öffentlichen Perso- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3061 (A) ) (B) ) nenverkehr“, Bundestagsdrucksache 14/9671, ein Gut- achten in Auftrag gegeben worden, das im Juli 2005 vorgelegt wurde. In Kürze werden dem Deutschen Bundestages die we- sentlichen Ergebnisse dieses Forschungsvorhaben zu- sammen mit dem dazu erarbeiteten Bericht der Bundes- regierung vorgestellt. Der Bericht wurde federführend vom BMVBS vorbereitet und intensiv auf Fachebene mit BMJ, BMELV und BMF abgestimmt. Die im Gut- achten enthaltenen Lösungsvorschläge werden detailliert problematisiert und bewertet. Gemäß einem Beschluss der Justizministerkonferenz der Länder vom 30. Juni 2005 wurde vom BMJ eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt, die derzeit auf der Grundlage des Gutachtens prüft, ob und in welchem Umfang gesetzliche Regelungen zur Verbesserung des zivilrechtlichen Verbraucherschutzes für Kunden des öf- fentlichen Personenverkehrs vorgeschlagen werden soll- ten. Ergebnisse sollen im Sommer vorliegen. Sowohl das Ergebnis dieser Bund-Länder-Arbeits- gruppe als auch das Ergebnis der Befassung des Deut- schen Bundestages mit dem Bericht der Bundesregie- rung sollten sinnvollerweise abgewartet werden, bevor gesetzgeberische Schritte eingeleitet werden. Der Sach- verhalt, den es zu regeln gilt, ist doch wirklich sehr viel- schichtig. Es ist alles andere als einfach, praktikable Lö- sungen zu finden. Aufwand und Ertrag sind gar nicht so leicht in Einklang zu bringen. Daher waren und sind die geschichtlichen Vorarbeiten doch sehr nötig und sinn- voll. Nun sollten wir doch die Geduld haben, die Ergeb- nisse dieser Arbeit auch abzuwarten und diese Ergeb- nisse mit in ein Gesetz einbringen zu können. Hier sollten wir auf alle Fälle nach dem Motto „Gründlichkeit vor Eile“ vorgehen. Aber nicht nur dieses zeitliche Argument macht für uns eine Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf schwie- rig. Der Gesetzentwurf zeichnet sich zwar durch Kürze und gute Verständlichkeit aus, ist in der Sache allerdings nicht unproblematisch. Der Entwurf lehnt sich eng an den von Nordrhein- Westfalen im November 2004 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Fahrgastrechte an. Allerdings sieht er abweichend davon keine konkrete Einschrän- kung der Ansprüche von Reisenden vor, wie dem An- spruch auf Rückbeförderung oder Kostenerstattung für ein anderes Verkehrsmittel. Im Entwurf aus NRW war festgeschrieben, dass es Schadenanspruch erst ab einer drohenden Verspätung von 20 Minuten geben soll. Zu- dem wird nicht zwischen Nah- und Fernverkehr unter- schieden. Vielmehr wird die Haftung der Verkehrsunternehmen für Ausfall- und Verspätungsschäden dem allgemeinen zivilrechtlichen Haftungssystem des BGB unterstellt. Allen Beförderern soll es gestattet werden, ihre Haf- tung in „angemessenem Umfang“ zu begrenzen. Alle Unternehmen werden gezwungen sein, eigene Allge- meine Geschäftsbedingungen (AGB) aufzustellen, in de- nen sie ihre Haftung begrenzen und ihren Informa- tionspflichten nachkommen. Inwieweit diese AGB, die v w E k b l k g w f h d g n a s m a t c t K § n r k P t f H t b V d r H E R d R n t t w t „ f k s s s i t w (C (D om Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent- icklung geprüft werden, einer AGB-Kontrolle am nde standhalten, wird durch die Rechtsprechung zu lären sein. Insbesondere bleibt offen, ob etwa eine Haftung für estimmte Schadenersatzansprüche – wie bisher gesetz- ich vorgesehen – vollständig ausgeschlossen werden ann. Ich halte es für wenig zielführend, gesetzliche Vor- aben in so unbestimmter Art und leise zu halten. Das, as, oberflächlich betrachtet, sich als einfach, kurz und lexibel darstellt, wird sich bald als völlig unpraktikabel erausstellen und mehr die Gerichte beschäftigen, als em Kunden dienen. Hier brauchen wir schon konkrete esetzliche Vorgaben, sowohl was die Möglichkeiten ei- es vollkommenen Haftungsausschlusses betrifft wie uch die Möglichkeiten einer teilweisen Haftungsbe- chränkung. Wir werden auch nicht darum herumkom- en, zwischen Nah- und Fernverkehr zu unterscheiden, uch wenn eine solche Unterscheidung nicht einfach zu reffen sein wird. Ansonsten entsteht zu viel Rechtsunsi- herheit und zu viel Unübersichtlichkeit, sowohl aufsei- en der Beförderungsunternehmen als auch aufseiten der unden. Es fällt auf, dass die vorgesehene Neuregelung in 310 BGB durch die schlichte Bezugnahme auf „Perso- enbeförderungsverträge“ so weit gefasst ist, dass hie- unter auch die Beförderung von Personen im Luftver- ehr subsumiert werden könnte. Die Haftung des Luftfrachtführers bei verspäteter ersonenbeförderung ist aber in Art. 19 und 22 des Mon- realer Übereinkommens, MÜ, für internationale Luftbe- örderungen und in § 46 LuftVG abschließend geregelt. ierin ist für Verspätungsschäden ein Haftungshöchstbe- rag von 4 150 Sonderziehungsrechten, circa 5 000 Euro, estimmt, der bei vorsätzlicher und grob fahrlässiger erursachung durchbrochen wird. Nach Art. 47 MÜ ist jede vertragliche Bestimmung, urch die die Haftung des vertraglichen Luftfrachtfüh- ers nach dem MÜ ausgeschlossen oder der maßgebende aftungshöchstbetrag herabgesetzt werden soll, nichtig. ine vergleichbare Regelung findet sich im nationalen echt in § 48 Abs. 1 LuftVG: Dieser Paragraf bestimmt, ass ein Anspruch auf Schadenersatz, auf welchem echtsgrund er auch beruht, gegen den Luftfrachtführer ur unter den Voraussetzungen und Beschränkungen gel- end gemacht werden kann, die in dem betreffenden Un- erabschnitt des LuftVG vorgesehen sind. Die als § 310 Abs. 5 BGB vorgeschlagene Regelung, onach der Unternehmer für leicht fahrlässige Verspä- ungen oder Ausfälle des Verkehrsmittels seine Haftung in angemessenem Umfang begrenzen“ und im Übrigen ür bestimmte Fälle Pauschalierungen vornehmen kann, ollidiert mit diesen abschließenden Regelungen. Insbe- ondere wäre jede in AGB vorgesehene Haftungsbe- chränkung für leicht fahrlässig verursachte Verspätungs- chäden, die von der im Montrealer Übereinkommen und n § 46 Abs. 1 LuftVG vorgesehenen einheitlichen Haf- ungshöchstgrenze von 4 150 Sonderziehungsrechten ab- eicht, unzulässig. 3062 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) Die Regelung des § 310 Abs. 5 BGB neu müsste da- her, um eine derartige Kollision mit dem Luftverkehrs- recht zu vermeiden, in jedem Fall ausdrücklich auf Personenbeförderungsverträge der Straßenbahnen, Om- nibusse und Kraftfahrzeuge, vergleiche Formulierung in § 305 a Nr. 1 BGB, beschränkt werden. Obwohl wir uns also im Ziel einig sind und unstreitig ist, dass die Kundenrechte von Fahrgästen neu geregelt und gestärkt werden müssen, kommt der vorgelegte Ge- setzentwurf der Grünen zu früh und ist zumindest in Tei- len wenig brauchbar. Darüber wird noch im Detail zu re- den sein, wenn der Gesetzentwurf in den einzelnen Ausschüssen beraten wird. Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Wir alle wün- schen uns pünktlichen und zuverlässigen Transport. Auch Bundestagsabgeordnete verlassen sich auf das Ver- kehrsmittel, das sie zum Beispiel aus dem Wahlkreis nach Berlin bringen soll. Anfang dieser Woche erlebte ich Folgendes: Der Flug, den ich vorsorglich, um ganz pünktlich zu der ers- ten Sitzung am Montag zu gelangen, bereits für Sonntag- abend gebucht hatte, wurde ohne große Erklärung ge- cancelt. Eine vorzeitige Information darüber gab es nicht. Allerdings wurde eine Übernachtung im Hotel an- geboten. Der ausgewiesene Ersatzflug am frühen Mon- tagmorgen startete mit 75 Minuten Verspätung. Meine Geduld wurde ziemlich strapaziert. Zu der Besprechung kam ich natürlich zu spät. Nun sind aber die Kundenrechte im Flugverkehr um- fassend auf EU-Ebene geregelt. Seit 2005 müssen Flug- gäste Verspätungen, Annullierungen und Überbuchun- gen nicht mehr klaglos hinnehmen. Die Europäische Union hat die Fluggastrechte in der Verordnung 261/ 2005 verbessert und der Europäische Gerichtshof hat diese im Februar 2006 bestätigt. Es macht keinen Unter- schied, ob mit einem Billigflieger oder Linie geflogen wird. Alle Passagiere können ihre Rechte geltend ma- chen. Bei Nichtbeförderung muss die Fluggesellschaft eine Entschädigung anbieten. Darüber hinaus ist sie ver- pflichtet, zum einen den Ticketpreis zu erstatten oder eine anderweitige Beförderung zum Zielort zu gewähr- leisten, zum anderen Mahlzeiten, Getränke, notfalls Ho- telunterkunft sowie die Möglichkeit zur Telekommuni- kation anzubieten. Hat der Flieger große Verspätung, muss der gleiche Service zur Verfügung gestellt werden. Beträgt die Verspätung fünf Stunden oder mehr, kann der Reisende von der Fluggesellschaft auch eine Erstattung des Flugpreises und gegebenenfalls den kostenlosen Rückflug zum Abflugort verlangen. Kann ein Passagier einen Schaden wegen einer Verspätung nachweisen, hat er Anspruch auf Schadenersatz. Der Schaden, der mir durch die halbe verpasste Sit- zung entstanden ist, ist wohl eher immaterieller Art, so- dass ich getrost auf Schadenersatz verzichten kann. Für Bahnreisende im Nah- und Fernverkehr, für ÖPNV-Nutzer oder Taxigäste sieht die Welt anders aus. Fahrpreiserstattungen bei Ausfall und Verspätungen von I l i i g k a r s t g f d N Q t „ P M d i k w n Z v H F r B a d a s r d d i g g M t h g V (C (D nlandszügen sind im Schienenpersonenverkehr gesetz- ich nicht geregelt. Die Deutsche Bahn AG entschädigt hre Fahrgäste im Fernverkehr bei Verspätungen gemäß hrer Kundencharta. Allerdings gibt es keine Entschädi- ung für die Reisenden im Schienenpersonennahver- ehr. Fahrgastrechte müssen gestärkt werden. Ich halte dies us drei Gründen für dringlich: Erstens. Die Rolle der Verbraucher im Verkehrsbe- eich soll gestärkt werden. Zweitens. Die unterschiedlichen Verkehrsträger müs- en gleich behandelt werden. Drittens. Vernünftige Kundenrechte dienen der Quali- ätsoffensive im öffentlichen Personenverkehr. Das Magazin „Stern“ berichtet in seiner neuen Aus- abe, dass jeder fünfte ICE oder IC sein Ziel mehr als ünf Minuten zu spät erreicht. Als Ursache werden Hun- erte von „Langsamfahrstellen“ ausgemacht. So viel zur otwendigkeit von praktischem Verbraucherschutz zur ualitätsoffensive. Als Basis für die Debatte sollte der Deutsche Bundes- ag den Bericht der Bundesregierung zum Gutachten Verbraucherschutz und Kundenrechte im öffentlichen ersonenverkehr“ abwarten. Der Bericht ist für diesen onat angekündigt. Die Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die as Bundesministerium der Justiz eingesetzt hat, werden m Sommer erwartet. Ich freue mich schon jetzt auf eine konstruktive Dis- ussion auf solider Basis darüber, welche Kundenrechte ie und wo geregelt werden sollen. Den Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grü- en halte ich für einen Schnellschuss, der zum jetzigen eitpunkt nicht zum angestrebten Ziel führt. Hans-Michael Goldmann (FDP): Zu Beginn des ergangenen Jahres, als die Konstellationen hier im ause noch etwas anders waren, wurde ein Antrag der DP-Fraktion zur Beendigung der Haftungsprivilegie- ung der Bahn und zur Anwendung der Grundsätze des ürgerlichen Gesetzbuchs vom Deutschen Bundestag bgelehnt. Umso mehr freue ich mich, dass inzwischen ie Grünen, die damals unseren Antrag als untauglich bgelehnt haben, auch zu der Erkenntnis gekommen ind, dass eine gesetzliche Regelung vonnöten ist. Es eicht eben nicht aus, sich auf die so genannte Kulanz er Bahn zu verlassen, dass sie aufgrund des wachsen- en Drucks der Kunden und Verbraucherschützer in hren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Entschädi- ungsregelungen aufnehmen. Es ist notwendig, die un- erechtfertigte Privilegierung der Bahn zu beenden. Fahrgäste im öffentlichen Personenverkehr sind arktteilnehmer wie die Kunden anderer Wirtschaftsun- ernehmen auch. Während in anderen Bereichen über- aupt kein Zweifel daran besteht, dass Unternehmen ge- enüber ihren Kunden haften müssen, sind die erbraucherrechte im Personenverkehr noch immer un- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3063 (A) ) (B) ) zureichend. Dabei ist jedes Unternehmen in diesem Land für nicht oder mangelhaft erbrachte Leistungen selbstverständlich haftbar zu machen. So steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch. Nur die Bahn ist hiervon mit- tels § 17 der Eisenbahn-Verkehrsordnung, EVO, aus- genommen. Da hilft auch die von der Bahn mit viel Eigenlob und unter dem Applaus der damaligen Ver- braucherministerin, Renate Künast, verabschiedete Kun- dencharta nichts. Denn es ist eigentlich die pure Selbst- verständlichkeit, die Kunden zu entschädigen. Mit Kulanz darf das nichts zu tun haben. Wenn die Kunden weiterhin auf Entgegenkommen angewiesen sind, so zeigt dies ein Selbstverständnis der Bahn, das nur mit der immer noch bestehenden Monopolstellung zu erklä- ren ist. Diese Sonderstellung der Bahn gilt es aber gerade aufzubrechen, im Interesse der Fahrgäste, aber eben auch im Interesse des Monopolisten Bahn selbst. Nur eine Bahnpolitik, die sich am Interesse der Fahrgäste ori- entiert, gewinnt langfristig mehr Kunden und damit hö- here Marktanteile. Am Beispiel der Fahrgastrechte zeigt sich überdeutlich, wie sich die Bahn durch ihre ungebro- chene Monopolstellung selbst im Wege steht. Durch die jetzige Kundencharta wird die bisherige Kulanzregelung schlicht und einfach nur fortgeschrieben. Dieses Verhal- ten ist ja im Prinzip auch nur natürlich. So verfahren nun einmal Staatsunternehmen, wie die Bahn de facto immer noch eines ist, wenn sie eine so allumfassende Monopol- stellung einnehmen. Aber im Sinne der Verbraucherin- nen und Verbraucher ist das nicht. Im Sinne der Rechts- klarheit ist es auch nicht. Es ist doch einfach keinem Verbraucher klar zu machen, warum die Bahn nicht für Ausfälle und Verspätungen haften soll. Es ist insbeson- dere nicht zu begründen, wenn die Deutsche Bahn ein- räumen muss, dass 95 Prozent der Verspätungen selbst verschuldet sind. Es ist auch gut, dass im vorliegenden Gesetzentwurf der öffentliche Personenverkehr umfassend geregelt werden soll. Denn eine Unterscheidung zwischen öffent- lichem Personennahverkehr und Personenfernverkehr ist den Menschen verständlicherweise nicht plausibel zu machen. Es kann doch für den Kunden keinen Unter- schied machen, ob ich von Hamburg nach München fahre und dort pünktlich ankommen muss oder ob ich im Nahverkehr von einem Ort zum nächsten fahre und mich darauf verlasse, dass ich zur rechten Zeit ankomme. Die Regelung, die nach dem vorliegenden Gesetzentwurf ins Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen werden soll, schafft einen gerechten Ausgleich zwischen Kunden- und Unternehmensinteressen. Die Möglichkeit für einen pauschalierten Schadenersatz schafft kalkulierbare Risi- ken für die Beförderungsunternehmen und gibt den Kun- den die Rechtssicherheit, im Schadenfall eine angemes- sene Entschädigung zu erhalten. Es wird endlich Zeit, in Deutschland bei der Beförde- rung im öffentlichen Personenverkehr den Anschluss an internationale Standards zu schaffen. Die Sonderrege- lungen sind nicht mehr zu vertreten und müssen schnellstens abgeschafft werden. Meine Fraktion wird dem Gesetzentwurf zustimmen. Ich hoffe, dass auch die Bundesregierung diesen Schritt gehen wird. Die Union h n B S s s c t B R a z d t v s o k w o g u t c d a p k s g g d b M c s k B d d s n r d e m a f d t i (C (D at ja im vergangenen Jahr schon einen Vorstoß unter- ommen und einen entsprechenden Antrag eingebracht. leiben Sie jetzt bei Ihrer Linie und setzen Sie um, was ie richtigerweise gefordert haben. Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Fahrgastrechte zu tärken ist ehrenwert, diese umzusetzen wesentlich chwieriger. Die Frage ist: Wie können wir den Verbrau- her zu mehr Vertrauen in die öffentlichen Verkehrsmit- el und seiner Zufriedenheit mit ihnen verhelfen? Doch führen die guten Absichten der Kollegen von ündnis 90/Die Grünen auch wirklich in die erhoffte ichtung? Der Gesetzentwurf versucht, Schadenersatz- nsprüche von Fahrgästen auf eine rechtliche Grundlage u stellen. Die Haftung der Verkehrsunternehmen soll in as allgemeine Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs in- egriert werden. Die dazu in Art. 3 des Gesetzentwurfs orgesehene Änderung ist allerdings nur eine Kann-Vor- chrift. Viel ändert sich damit für den Kunden nicht. Zumeist haben Verspätungen oder Ausfälle von Bus der Bahn andere Ursachen als solche, die vom Ver- ehrsunternehmen selbst zu vertreten sind. Beispiels- eise Störungen in der Schieneninfrastruktur, Unfälle der deren schlimmste Variante, den so genannten Fahr- astunfall. Es kann also schwierig sein, zwischen Selbst- nd Fremdverschulden bei den Verkehrsunternehmen zu rennen. Außerdem ist zu fragen, ob die Praxis hinrei- hend in Betracht gezogen worden ist. Der Gesetzentwurf stellt allenfalls eine Teillösung ar. Informationsprobleme, Regressansprüche müssen in bsehbarer Zeit durchgreifend zu regeln sein. Die Linke lädiert dafür, dass komplette Repertoire der Möglich- eiten zunächst einer Praxiserprobung zu unterziehen, tatt ordnungspolitisch neue Unzulänglichkeiten zu pro- rammieren. Genau genommen sind Regressansprüche der Fahr- äste nur die eine Seite der Medaille. Wichtiger ist es, ie Zahl an Störungen insgesamt gering zu halten. Dafür rauchen wir nicht irgendwelche, sondern die richtigen aßnahmen. Ein Weg, dies zum Beispiel im Nahverkehr zu errei- hen, ist es, je nach Anteil der verspäteten an der Ge- amtzahl der Fahrten, dem Aufgabenträger die Möglich- eit zu geben, Abschläge auf die Entgelte bei der estellung der Verkehrsleistung auszuhandeln und urchzusetzen. Während einer Fahrplanperiode können adurch stattliche Beträge zusammenkommen. Damit part die öffentliche Hand und bei den Verkehrsunter- ehmen steigt der Wille, zumindest die Folgen von Stö- ungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Oberste Priorität dabei muss sein, dass sich durch iese zusätzliche Risikoabsicherung die Fahrpreise nicht rhöhen und die Benutzung der öffentlichen Verkehrs- ittel gegenüber dem Individualverkehr, ebenfalls ttraktiv bleibt. Entschädigungsregelungen werden dazu ühren, dass die Kosten auf alle Fahrgäste umgelegt wer- en und so die Fahrkarten verteuert werden. Ein über- rieben aufwendiges und teures Fahrgastrecht kann nicht m Sinne der Kunden sein. Der Trend, den Verbraucher 3064 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 (A) ) (B) ) und gerade den Geringverdiener immer mehr zu belas- ten, darf nicht auch noch an dieser Stelle fortgeführt werden. Selbstverständlich bleibt es Aufgabe der Verkehrspo- litiker und der Verbraucherschützer, zu prüfen, ob sich diese in der Praxis bewährt, unbürokratisch, schnell und einfach umgesetzt wird, und darauf zu drängen, dass auch der Nahverkehr einbezogen wird. Ob die freiwillige Selbstverpflichtung zu einer Ent- schädigungszahlung im Sinne der Bahnkunden funktio- niert, kann nur eine kritische externe Praxisprüfung er- bringen. Auf dieser Grundlage ist dann zu diskutieren, ob es sinnvoll ist, den Fahrgästen einen gesetzlichen An- spruch auf Verspätungsentschädigung zu verschaffen. Auch und gerade im Zuge des Börsengangs – darauf ha- ben wir immer hingewiesen – darf Effizienz und Rendite der Bahn AG nicht der absolute Maßstab sein und damit zulasten der Kundenzufriedenheit und der Fahrpreise ge- hen. Anlage 10 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 821. Sitzung am 7. April 2006 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen, einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen bzw. einen Einspruch ge- mäß Artikel 77 Absatz 3 nicht einzulegen: – Zweites Gesetz zur Änderung des Betriebsprä- miendurchführungsgesetzes – Zweites Gesetz zur Änderung des Pflanzenschutz- gesetzes – Gesetz zur Förderung ganzjähriger Beschäfti- gung – Siebentes Gesetz zur Änderung des Gemeinde- finanzreformgesetzes – Gesetz zur Vereinfachung der abfallrechtlichen Überwachung – Gesetz zu dem Protokoll vom 21. Mai 2003 über die strategische Umweltprüfung zum Überein- kommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Vertrags- gesetz zum SEA-Protokoll) – Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung Der Bundesrat hat in seiner 821. Sitzung am 7. April 2006 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz gemäß Artikel 105 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustimmen: – Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachs- tum und Beschäftigung Darüber hinaus hat er die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: Der Bundesrat steht voll umfänglich hinter dem mit dem Gesetz verfolgten Ziel, die Kinderbetreu- ungskosten steuerlich stärker zu berücksichtigen. Der Bundesrat hält die steuertechnische Umsetzung der vor- g u g m G D h s m 7 g m – g d S s d e v r k d E b g b f w g (C (D esehenen Regelung allerdings für nicht zweckmäßig nd administrativ nicht handhabbar. Vor diesem Hinter- rund strebt der Bundesrat eine wirkungsgleiche Neufor- ulierung der entsprechenden Regelungen auf der rundlage eines Vorschlags von Schleswig-Holstein an. ie Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder aben dazu eine Formulierung vorgelegt und einen Vor- chlag zum weiteren gesetzgeberischen Vorgehen ge- acht. Der Bundesrat hat in seiner 821. Sitzung am . April 2006 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz emäß Artikel 105 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustim- en: Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steu- ergestaltungen Darüber hinaus hat er die nachstehenden Entschließun- en gefasst: 1. Der Bundesrat geht von der Bereitschaft es Bundes aus, den Ländern die aus einer Absenkung der pielbankabgabe entstehenden Mindereinnahmen voll- tändig auszugleichen. Nach vorläufigen Berechnungen er Länder handelt es sich dabei für das Jahr 2007 – dem rsten Jahr der vollen Wirksamkeit – um einen Betrag on 75 Mio. Euro. 2. Der Bundesrat fordert die Bundes- egierung auf, zeitnah zum Inkrafttreten der Beschrän- ung der Anwendung der 1%-Regelung auf Fahrzeuge es notwendigen Betriebsvermögens (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 StG) Verwaltungsanweisungen für den Nachweis des etrieblichen Nutzungsanteils durch die Steuerpflichti- en zu schaffen. Diese Regelungen sollten einerseits den ürokratischen Aufwand für die Steuerpflichtigen (Be- olgungskosten) und andererseits den Verwaltungsauf- and für die Finanzverwaltung so weit wie möglich be- renzen. Begründung Mit der Änderung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchli- cher Steuergestaltungen wird die Möglichkeit der Anwendung der 1 %-Regelung für die Bewertung der privaten Nutzung auf Fahrzeuge des notwendi- gen Betriebsvermögens beschränkt. In der Begrün- dung des Gesetzes heißt es, dass der Steuerpflich- tige die betriebliche Nutzung von über 50 % im Rahmen allgemeiner Darlegungs- und Beweislast- regelungen nachzuweisen hat. Die Führung eines Fahrtenbuches ist dazu nicht zwingend erforderlich. Wie der Steuerpflichtige den Umfang der betriebli- chen Nutzung darzulegen bzw. nachzuweisen hat, sollte zeitnah zum Inkrafttreten des Gesetzes durch Verwaltungsanweisungen geregelt werden. Ziel der Verwaltungsvorschriften sollte sein, den bürokrati- schen Aufwand für die Steuerpflichtigen und den administrativen Aufwand für die Finanzverwaltung so weit wie möglich zu begrenzen. Dabei sollten auch die Vorschläge der „Arbeitsgruppe zur Evalu- ation des administrativen Mehraufwandes der vor- geschlagenen Änderung der 1%-Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG“ zur Vereinfachung des Nachweises hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit und bezüglich der Auswirkungen für die Steuerpflichti- gen geprüft und ggf. berücksichtigt werden. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3065 (A) (C) (B) (D) Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Innenausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Stand der Ab- wicklung des Fonds für Wiedergutmachungsleistungen an jüdische Verfolgte – Drucksachen 15/5965, 16/480 Nr. 1.20 – Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Jahresgutachten 2003 „Welt im Wandel – Energiewende zur Nachhaltigkeit“ des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen – Drucksachen 15/4155, 16/820 Nr. 48 – Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Tech- nikfolgenabschätzung (17. Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung hier: Leichter-als-Luft-Technologie – Innovations- und Anwendungspotenziale – Drucksache 15/5507 – – Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Tech- nikfolgenabschätzung (17. Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung Vierter Sachstandsbericht zum Monitoring „Technik- akzeptanz und Kontroversen über Technik“ Partizipative Verfahren der Technikfolgenabschätzung und parlamentarische Politikberatung – Drucksache 15/5652 – 35. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1603500000

Die Sitzung ist eröffnet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle
herzlich und wünsche Ihnen einen guten Tag und uns
gute, konstruktive Beratungen.

Ich habe einige wenige amtliche Mitteilungen zu ma-
chen: Der Kollege Johannes Pflug feierte am 8. April
seinen 60. Geburtstag und der Kollege Winfried
Nachtwei feierte am 15. April seinen 60. Geburtstag. Im
Namen des ganzen Hauses gratuliere ich zu diesen run-
den Geburtstagen nachträglich herzlich und wünsche al-
les Gute.


(Beifall)


Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene
Tagesordnung um die in der Zusatzpunkteliste aufge-
führten Punkte zu erweitern:

ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP: Hal-
tung der Bundesregierung zur Umsetzung der europäi-
schen Antidiskriminierungsrichtlinie

ZP 2 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN zu den Antworten der Bundesregie-
rung auf die Fragen Nr. 26 und 27 auf Drucksache 16/1374

(siehe 34. Sitzung)


ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgit Homburger,
Dr. Max Stadler, Jörg van Essen, weiterer Abgeordneter und

Redet
der Fraktion der FDP
Schlanker Staat durch weniger Bürokratie und Regulie-
rung
– Drucksache 16/119 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung


(Ergänzung zu TOP 22)

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrach-

ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen
Übereinkommen vom 6. November 200
Schutz von Tieren beim internationale

(revidiert)

– Drucksache 16/1346 –

(C (D ung en 11. Mai 2006 0 Uhr Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung b)

Pothmer, Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Verlängerung der Ich-AG
– Drucksache 16/1405 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heike Hänsel,
Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der LINKEN
Flugticketabgabe jetzt – Entwicklungsfinanzierung
auf breitere Grundlagen stellen
– Drucksache 16/1203 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Thilo Hoppe,

ext
Kerstin Andreae, Marieluise Beck (Bremen), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN
Umsetzung des EU-Stufenplans zur Entwicklungs-
finanzierung (0,7-Prozent-Ziel) durch Flugticket-
steuer unterstützen
– Drucksache 16/1404 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

tung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der
brachten Entwurfs eines Investitionszulagengeset-
InvZulG 2007)
che 16/1409 –
3 über den
n Transport

ZP 5 Erste Bera
SPD einge

( – Drucksa Präsident Dr. Norbert Lammert Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss ZP 6 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation – Drucksache 16/1408 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ZP 7 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende – Drucksache 16/1410 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Verteidigungsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss ZP 8 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS-Gesetz – BDBOSG)





(A) )


(B) )

– Drucksache 16/1364 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO

Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so-
weit erforderlich, abgewichen werden.

Die Tagesordnungspunkte 6, 9, 13 und 15 werden ab-
gesetzt und in der Folge werden die Tagesordnungs-
punkte 16 und 17 sowie 18 und 19 jeweils getauscht.

Schließlich mache ich auf zwei nachträgliche Aus-
schussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste
aufmerksam:

Der in der 32. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich
dem Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

(15. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.


Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neu-
regelung der Besteuerung von Energieerzeug-
nissen und zur Änderung des Stromsteuerge-
setzes

– Drucksache 16/1172 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)


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(C (D Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO Der in der 32. Sitzung des Deutschen Bundestages berwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem usschuss für Wirtschaft und Technologie (9. Aus chuss)


Antrag der Fraktion der LINKEN

Für Selbstbestimmung und soziale Sicherheit –
Strategie zur Überwindung von Hartz IV

– Drucksache 16/997 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? –
as ist offensichtlich der Fall. Dann ist das so beschlos-

en.

Schließlich möchte ich den neuen Direktor beim
eutschen Bundestag, Herrn Dr. Hans-Joachim Stelzl,
er hinter mir Platz genommen hat, herzlich begrüßen.


(Beifall)


ch wünsche ihm auch im Namen aller Kolleginnen und
ollegen viel Erfolg bei seiner verantwortungsvollen
ufgabe und verbinde das mit dem ausdrücklichen Dank

n Herrn Professor Zeh für seine jahrelange verdienst-
olle Arbeit hier im Deutschen Bundestag.


(Beifall)


Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich
ie bitten, sich von den Plätzen zu erheben.


(Die Anwesenden erheben sich)


Am 30. April dieses Jahres ist Paul Spiegel, Vorsit-
ender des Zentralrats der Juden in Deutschland, verstor-
en. Mit Paul Spiegel verlieren wir einen großartigen
enschen und eine bedeutende Persönlichkeit, die sich

m unser Land verdient gemacht hat.

Paul Spiegel wurde am 31. Dezember 1937 in Waren-
orf/Westfalen geboren. Als Deutscher jüdischen Glau-
ens musste er im Kindesalter die Schrecken der
azibarbarei erfahren. Sein Vater überlebte die Konzen-

rationslager Buchenwald, Auschwitz und Dachau, seine
ach Bergen-Belsen verschleppte Schwester Rosa nicht.
achdem er im Exil in Brüssel überlebt hatte, kehrte er
ach dem Zweiten Weltkrieg mit seiner Familie nach
arendorf zurück.

Paul Spiegel gehörte zu denen, die das scheinbar Un-
ögliche zu tun wagten und zurückkehrten, um jüdische
emeinden wieder aufzubauen. Die Aussöhnung von
uden und Deutschland, von deutschen Juden mit ih-
em Land, stand im Mittelpunkt seines Wirkens. Das galt






(A) )



(B) )


Präsident Dr. Norbert Lammert
für sein Engagement in der Jüdischen Kultusgemeinde
Düsseldorf ebenso wie für seine Arbeit als Präsident des
Zentralrats der Juden in Deutschland seit Januar 2000.

Bereits kurz nach seiner Amtseinführung warnte Paul
Spiegel angesichts der Zunahme von rechtsextremen Ge-
walttaten und fremdenfeindlichen Übergriffen in
Deutschland in öffentlichen Stellungnahmen vor der
Gleichgültigkeit und stummen Zustimmung. Er erklärte
nicht nur anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Zen-
tralrats im September des Jahres 2000, dieser werde sich
nicht nur für Juden, sondern auch für Flüchtlinge, für
Aussiedler und für andere benachteiligte Minderheiten
einsetzen.

Im Juli 2001 nahm Paul Spiegel als erster Repräsen-
tant der Juden in Deutschland am öffentlichen Gelöbnis
der Bundeswehr im Bendlerblock in Berlin-Tiergarten
teil, dem Sitz des Oberkommandos des Heeres im Drit-
ten Reich. Bei dieser Gelegenheit bezeichnete er die
Bundeswehr als „Teil unserer rechtsstaatlichen Demo-
kratie“.

Zu den Höhepunkten seiner zweiten Amtszeit nach
einstimmiger Wiederwahl als Präsident des Zentralrats
der Juden gehört die Unterzeichnung des Staatsvertra-
ges zwischen Deutschland und dem Zentralrat im
Januar 2003 in Berlin. In diesem Staatsvertrag verpflich-
tet sich die Bundesregierung, das deutsch-jüdische Kul-
turerbe zu erhalten und zu pflegen, zum Aufbau einer jü-
dischen Gemeinschaft in Deutschland beizutragen und
ihre Integration in die deutsche Gesellschaft zu unter-
stützen.

Paul Spiegel hat nicht geschwiegen, wenn es Anlass
zur Kritik oder zur Mahnung gab. Aber er hat sich nicht
zu allem und jedem geäußert. Auch deshalb hatte sein
Wort so großes Gewicht und fand sein Wirken so viel
Respekt.

Paul Spiegel war ein deutscher Patriot. Er wird uns
fehlen. Unser Mitgefühl gilt seiner Frau und seinen bei-
den Töchtern sowie der Gemeinschaft der Juden in
Deutschland. Wir verneigen uns in Dankbarkeit vor ei-
ner Lebensleistung, die uns nicht nur in Erinnerung blei-
ben, sondern auch bleibende Verpflichtung sein wird.

Ich danke Ihnen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 c auf:

a) Abgabe einer Erklärung durch die Bundeskanzle-
rin

zur Europapolitik
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten

Christian Ahrendt, Markus Löning, Michael Link

(Heilbronn), weiterer Abgeordneter und der Frak-

tion der FDP

Den Kommunen an den Grenzen zu Polen und
der Tschechischen Republik die Zusammenar-
beit mit diesen Ländern erleichtern
– Drucksache 16/456 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

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(C (D c)

gierung

Bericht der Bundesregierung über ihre Bemü-
hungen zur Stärkung der gesetzgeberischen
Befugnisse des Europäischen Parlaments 2005

– Drucksache 16/528 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Zur Regierungserklärung liegt ein Entschließungsan-
rag der Fraktion Die Linke vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
ie Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-
ung anderthalb Stunden vorgesehen. – Dazu höre ich
einen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
ie Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Angela Merkel (CDU):
Rede ID: ID1603500100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gute

radition dieses Deutschen Bundestages, regelmäßig
ber den Stand und die Perspektiven der europäischen
inigung zu debattieren. Eine solche Debatte in dieser
oche, der Europawoche, ist nicht nur wegen dieser

radition wichtig, sondern sie ist angesichts der Sach-
age und der Situation meines Erachtens notwendig.

Deshalb bin ich den Fraktionen sehr dankbar, dass sie
arum gebeten haben, genau in dieser Woche über die
ragen Europas zu diskutieren; denn angesichts vieler
inzelfragen, die wir debattieren, kann man den Ein-
ruck gewinnen, dass der Blick auf das Ganze manch-
al verloren geht.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Leider wahr!)

Es war richtig, dass wir vor zwei Tagen, am Europa-

ag, noch einmal des großen Europäers Robert Schuman,
es ehemaligen französischen Außenministers, gedacht
nd uns an seine Initiative zur Gründung der Montan-
nion erinnert haben. Schuman schlug vor, die für die
üstungsindustrie notwendigen Rohstoffe Kohle und
tahl einer gemeinsamen Behörde zu unterstellen. Das
ar nicht irgendeine Initiative, sondern diese Initiative
at das deutsch-französische Verhältnis als ein besonde-
es Verhältnis begründet. Aber mit dieser Initiative sollte
uch verhindert werden, dass die europäischen Staaten,
llen voran Deutschland und Frankreich, je wieder ge-
eneinander in den Krieg ziehen.

Europa als Friedensgemeinschaft – das war nach dem
nde des Zweiten Weltkriegs, nach so viel Leid und so
roßen Verlusten an Menschenleben, eine bahnbre-
hende Idee. Europa als Friedensgemeinschaft – diese
topie wurde in den folgenden Jahrzehnten wirklich mit
eben erfüllt. Aus der Vision wurde Realität: unsere Le-
ensrealität.






(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Sie alle kennen die Stichworte, die das dokumentie-
ren: die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft von
1957, die Einführung des Binnenmarktes und einer ge-
meinsamen Währung für zwölf Mitgliedsländer in dem
Verständnis, dass Länder, die dieselbe Währung haben,
nie wieder gegeneinander antreten werden, und die Fort-
entwicklung der Europäischen Gemeinschaft mit heute
25 und bald 27 Mitgliedstaaten.

Im Rückblick kann man feststellen: Robert Schuman
hat die Beziehungen der europäischen Länder zu ande-
ren wahrhaft revolutioniert. Es ist eine völlige Neuord-
nung des europäischen Staatensystems entstanden. Diese
Neuordnung ist nach meiner Auffassung die größte seit
dem Westfälischen Frieden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nach dem Fall der Mauer, mit der Osterweiterung
und dem Ende des Kalten Krieges hat die Friedens- und
Werteidee schließlich unseren gesamten Kontinent er-
reicht. Gerade wir Deutschen mit unserer Geschichte
können uns gar nicht oft genug bewusst machen, dass
Frieden in Freiheit wahrlich keine Selbstverständlichkeit
ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das ist ein Glück und es ist ein Geschenk. Dieser Frie-
den in Freiheit ist, weil er nicht selbstverständlich ist,
auch immer wieder neu zu erarbeiten und zu verteidigen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sollten uns schon bewusst machen, dass alle gu-
ten Wendepunkte in der deutschen Nachkriegsgeschichte
untrennbar mit Europa verbunden sind. Ob es die Wie-
dereingliederung in die Europäische Union oder die
deutsche Einheit ist: Wir verdanken der europäischen
Integration eine beispiellose Zeit von Frieden, Freiheit
und Wohlstand.

Wir sehen daran auch, dass Europa von Anfang an
mehr war als nur eine Zweck- oder Interessengemein-
schaft. Europa hat sich immer auf gemeinsame Werte ge-
gründet, ist sich immer seiner gemeinsamen Geschichte
bewusst gewesen und hat einen gemeinsamen Willen,
die Zukunft zum Wohle aller zu gestalten. Genau über
diesen Willen werden wir mit dem Blick auf die Zukunft
auch zu sprechen haben.

Es ist ein einzigartiges Miteinander von größeren und
kleineren Staaten entstanden. Im nächsten Jahr werden
wir das Jubiläum der Unterzeichnung der Römischen
Verträge vor 50 Jahren begehen. Das ist noch einmal
ein guter Anlass, um an das Erreichte zu erinnern.

Das alles bietet aber auch Anlass, selbstbewusst nach
vorne zu schauen. Heute ist noch nicht der Tag, um im
Detail über die deutsche Präsidentschaft im ersten
Halbjahr 2007 bzw. über die Tatsache, dass die Bundes-
republik Deutschland gleichzeitig die G-8-Präsident-
schaft innehaben wird, zu sprechen; aber wir sollten uns

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(C (D ewusst werden, worum es geht. Denn auch das ist unser emeinsames Gefühl: Die Beschwörung der Werte und er Ursprungsidee des europäischen Einigungsprozesses eicht heute nicht mehr aus; damit ist es nicht getan. Deshalb ist dies auch nicht die Stunde einer historichen Reminiszenz, sondern es ist die Stunde einer Reierungserklärung. Die Wahrheit muss in den Blick geommen werden; denn sie ist zum Teil ernüchternd. iele Bürgerinnen und Bürger erleben Europa in der ritik an detailliertesten Regelungen, im Zweifel, ob Eu opa die Probleme der Zukunft – Arbeitslosigkeit und in zu geringes Wirtschaftswachstum – bewältigen kann. urz gesagt muss man feststellen: Europa steht bei den uropäerinnen und Europäern nicht so hoch im Kurs, ie es der historische Rückblick vielleicht vermuten ässt. Dabei sind die beiden gescheiterten Volksabstimungen in Frankreich und Holland sicherlich nur Indi atoren, die aber noch nicht alles aussagen. Das heißt, es reicht auch nicht aus, wenn wir darauf erweisen können, dass durchaus zukunftsweisende Löungen gefunden wurden. Ja, es ist glücklicherweise ein inanzrahmen für die kommenden Jahre beschlossen orden. Ich füge hinzu: Es ist übrigens gelungen, bei der ergabe der Mittel und bei den Kriterien sicherzustellen, ass Strukturfondsmittel nicht mehr vergeben werden, enn Arbeitsplätze von einem Land in ein anderes verlaert werden. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der viele enschen beunruhigt. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist des Weiteren eine Einigung betreffend die Che-
ieindustrie gelungen. Es ist eine grundsätzliche Eini-

ung über die Dienstleistungsrichtlinie gelungen. Es ist
em Europäischen Parlament gelungen, eine sinnlose
ichtlinie wie die zum Sonnenschutz abzuwehren und
icht zu verabschieden. All das sind Fakten, die erfreu-
ich und positiv sind.

Das alles reicht aber nicht aus, um den Bürgerinnen
nd Bürgern deutlich zu machen, was Europa für sie be-
eutet und welche Verantwortung Europa hat. Wir müs-
en – davon bin ich zutiefst überzeugt – den Stand des
rojekts Europa kritisch überprüfen. Wir müssen den
ürger in den Mittelpunkt stellen und seine Fragen be-
ntworten: Was bedeutet das für meinen Arbeitsplatz, für
einen Wohlstand und für meine soziale Sicherheit bei
rankheit und im Alter? Macht Europa die Dinge einfa-

her, besser oder ist Europa ein Bremsklotz, eine Hürde?
ch glaube, wir dürfen uns vor diesen Fragen nicht drü-
ken. Wir müssen sie sehr spezifisch und konkret beant-
orten.

Ich denke, es geht um nicht mehr und nicht weniger,
ls dass wir der historischen Begründung der Europäi-
chen Union eine Neubegründung hinzufügen. Ich will
ie Dinge nicht dramatisieren, aber ich glaube, eine Neu-
egründung ist notwendiger denn je. Denn wir sind in
olgender Situation: In der Zeit des Kalten Krieges war
s ein riesengroßer Fortschritt, dass die westeuropäi-
chen Länder in der Europäischen Union zusammenge-
rbeitet haben, sich entschlossen haben, nicht mehr






(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
gegeneinander zu handeln. Aber es war keine Frage,
dass diese Europäische Union dem gesamten sozialisti-
schen und kommunistischen System überlegen war. Es
musste nicht aus sich heraus begründet werden, warum
dieses Europa die richtige Antwort war. Es war die bes-
sere Antwort als alles, was jenseits des Eisernen Vor-
hangs stattfand.

Dann kam der große Siegeszug der Freiheit. Dann hat
sich die Überlegenheit der freiheitlichen Idee durchge-
setzt. Der Kalte Krieg war zu Ende. Der ganze Kontinent
kann heute nach dieser europäischen Idee leben. Aber
die Situation in Bezug auf andere Kontinente hat sich
verändert. Europa muss sich aus sich selbst heraus be-
gründen und zeigen, dass es in einer Welt größeren Wett-
bewerbs, in einer global transparenten Welt Politik nach
seinen Wertvorstellungen gestalten kann. Das ist die
große Aufgabe, vor der wir stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Die Bürgerinnen und Bürger haben schlicht und er-
greifend Zweifel, ob das Modell der sozialen Marktwirt-
schaft, ob unsere Vorstellungen von der Würde des Men-
schen so überlegen, so dominant, so durchschlagend
sind, dass wir nicht nur in der Vergangenheit die
Schlacht im Kalten Krieg gewinnen konnten, sondern
dass wir auch jetzt in einer gemeinsam verantworteten
Welt unsere Art, zu leben, weiterführen können und an-
deren als Vorbild zeigen können. Deshalb müssen wir
darüber nachdenken, was Europa bedeutet und wie der
Gestaltungsanspruch der Politik wieder durchgesetzt
werden kann. Viele haben den Eindruck, dass es hier nur
um den Fluss von Kapitalströmen geht, dass die Politik
gar keine Kraft mehr hat. Wir müssen aber unsere Über-
legenheit zeigen. Daher ist es, glaube ich, richtig und
wichtig, dass wir sehen: Mit 450 Millionen Menschen in
der Europäischen Union können wir natürlich die Regeln
des Welthandels beeinflussen. Kein einziges Mitglieds-
land könnte sich mit seinen Interessen so durchsetzen,
wie wir uns gemeinsam durchsetzen können. Um ein
Beispiel aus dem Umweltschutz zu nennen: Die einzel-
nen Mitgliedstaaten hätten niemals so erfolgreich über
das Kiotoprotokoll verhandeln können. Wir haben eine
gemeinsame Entwicklungshilfepolitik.

Wir treten an vielen Stellen als Europäische Union
auf und können so viel stärker gestalten. Das heißt, einer
alleine würde Schiffbruch erleiden, wo wir gemeinsam
unsere Interessen durchsetzen können. Das ist ein ganz
handfester Vorteil Europas.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Um aber das Gesamtziel zu erreichen, müssen wir uns
konzentrieren und sagen, welches die wesentlichen Be-
reiche sind, in denen Erfolge sichtbar werden müssen
und in denen wir unseren Bürgerinnen und Bürgern be-
weisen müssen, dass wir mit Europa erfolgreicher sind
als ohne Europa. Da stellt sich aus meiner Sicht zunächst
die Frage der wirtschaftlichen Dynamik, der sozialen
Verantwortung, die wir für die Menschen wahrnehmen,
und der Arbeitsplätze.

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(C (D Jeder Mitgliedstaat – das wird auch für die Zukunft elten – wird zunächst einmal seine eigenen Aufgaben ösen müssen. Das gilt für Deutschland allemal; denn eutschland ist die größte Volkswirtschaft in Europa. araus dürfen wir keine falschen Schlussfolgerungen bleiten. Wir haben unsere Pflicht zu tun. Wir waren dieenigen, die im Rahmen der Europäischen Währungsnion den Stabilitätspakt eingeführt haben, um den enschen Sicherheit zu geben. Deshalb ist es nicht in rdnung, wenn wir zum dritten, vierten oder fünften al diesen Stabilitätspakt verletzen; denn damit genü en wir unseren eigenen Ansprüchen nicht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Beifall bei der FDP)


ch weiß, dass die Bundesregierung den Menschen in
iesem Lande mit manchem Beschluss in diesen Tagen
anches zumutet. Glaubwürdigkeit in Bezug auf die
aßstäbe, die wir bei anderen in Europa anlegen, ist

ber ein hohes Gut. Deshalb hat sich diese Bundesregie-
ung vorgenommen, die Verfassung und den Stabilitäts-
akt in Europa wieder einzuhalten. So einfach ist das.
as muss durchgesetzt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Wir unterstützen aus vollem Herzen die Lissa-
onstrategie, nach der das A und O in einer Welt zuneh-
ender Widersprüche wirtschaftlicher Erfolg, Erfolg bei

nnovation, Wachstum und Arbeitsplätzen, ist. Wir wer-
en unser Gewicht in vielen Bereichen in Europa nur
inbringen können, wenn erst einmal wir zeigen, dass
ir ein wirtschaftlich erfolgreiches Modell haben, das

m Sinne der sozialen Marktwirtschaft gleichzeitig
enschlich ist und soziale Verantwortung gewährleistet.
nsere Aufgabe ist es, aktiv an der Lissabonstrategie
itzuarbeiten. Es ist wichtig, zu überlegen, wo sich Eu-

opa Wachstumsfesseln angelegt hat.

Unsere Aufgabe muss es immer sein, auf den Wettbe-
erb im Allgemeinen zu achten und vor allen Dingen

uch kleinen und mittleren Unternehmen in der Europäi-
chen Union eine Chance zu geben. Wir wissen: Wenn
uropa erfolgreich sein soll, dann muss es bei Bildung,
orschung und Innovation vorne sein. Das sind unsere
tärken. Deshalb ist unsere nationale Maßnahme richtig,
Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und
ntwicklung auszugeben. Es ist genauso richtig, dass
ir darauf achten, dass die europäischen Forschungs-

trukturen dem Anspruch genügen, Effizienz zu fördern.
ie dürfen nicht einem Regionalproporz entsprechen;
orschung muss vielmehr da gefördert werden, wo Leis-

ungen erzielt werden, die innovativ sind und mit denen
ir weltweit an der Spitze stehen.

Wir sind sowohl innerstaatlich als auch auf europäi-
cher Ebene einen Weg gegangen, der viele Regulierun-
en mit sich gebracht hat. Ich unterstütze ausdrücklich,
ass die Kommission, insbesondere der Präsident der
ommission und der Vizepräsident Günter Verheugen,
emeinsam sagt, dass Bürokratieabbau das Gebot der
tunde ist. Wir können 25 Prozent des bürokratischen
ufwandes nicht nur bei uns zu Hause, sondern in ganz






(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Europa einsparen. Es ist im Übrigen ein revolutionärer
Schritt, dass wir uns nach fast 50 Jahren europäischer
Einheit – Sie können zurzeit in Brüssel den mindestens
6 Meter hohen Berg aufeinander gestapelter Papiere be-
sichtigen, die den gesamten Acquis communautaire be-
inhalten; all das ist in 50 Jahren entstanden – entschlie-
ßen, angesichts einer sich dramatisch verändernden Welt
einmal nachzuschauen, ob man etwas ändern oder weg-
nehmen kann. Auch das gehört zu Europa.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Frage, ob wir wirtschaftlich erfolgreich sein wer-
den, ob wir den Menschen Arbeitsplätze geben können
und ob die Menschen den Eindruck haben, dass sich die
Wertvorstellungen einer sozialen Ordnung in der Euro-
päischen Union besser als auf nationaler Ebene verwirk-
lichen lassen, ist für mich die entscheidende Frage, an
der sich die Akzeptanz Europas beweisen muss.

Wir brauchen neben der wirtschaftlichen Dynamik
eine Antwort auf das Bedürfnis der Menschen nach
Sicherheit, nach innerer Sicherheit und nach Rechtssi-
cherheit. Umfragen zufolge ist das übrigens eine ganz
wichtige Anforderung, die die Bürgerinnen und Bürger
an Europa stellen; sie wollen das.

Aber wir tun uns gerade auf diesem Gebiet schwer,
zuzulassen, dass nationalstaatliche Verantwortungen an
Europa übertragen werden. Sie erinnern sich sicherlich
alle an die Debatten über den Europäischen Haftbefehl.

Wir nutzen heute ganz selbstverständlich das Schen-
gener Abkommen. Gerade in der Innen- und Rechts-
politik wird es immer wieder Bereiche geben, in denen
einzelne Länder sich zusammenschließen und vorange-
hen. Ich habe – um ein Beispiel zu geben – gestern mit
dem litauischen Ministerpräsidenten gesprochen: Li-
tauen arbeitet hart daran, auch in das Schengener Ab-
kommen integriert zu werden, weil es als ein unglaubli-
cher Vorzug gilt, Innengrenzen zu haben und die
Außengrenzen dann gemeinsam zu schützen. Das ist ein
Gedanke, den wir vor 30 oder 40 Jahren für völlig un-
möglich gehalten haben.

Wer heute einmal die Verhältnisse an deutsch-franzö-
sischen Grenzübergängen mit denen an deutsch-polni-
schen vergleicht, der spürt im Grunde schon die Unge-
duld. Man fragt: Wann wird es denn nun endlich ein
bisschen einfacher? Die Fortschritte haben einen un-
glaublichen Mehrwert für die Menschen und sie sind fast
selbstverständlich geworden.

Wir haben inzwischen ein europäisches Strafregister
und einen europäischen Informationsverbund, Stichwort
Europol. Gerade in der Innen- und Rechtspolitik werden
wir die Vereinheitlichung weiterführen müssen, auch
wenn dazu viele Mitgliedstaaten ihre Vorbehalte aufge-
ben müssen. Ich denke, es wird auch weiterhin eine in-
tensive Diskussion im Deutschen Bundestag darüber ge-
ben, wie viel Souveränität wir abgeben und wie viel wir
behalten wollen. Diese Diskussion muss geführt werden.

Ein weiterer zentraler Punkt – auch hierbei geht es um
die Frage, wie Europa wahrgenommen wird und wie wir

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(C (D nsere Interessen durchsetzen können – ist der Bereich er äußeren Sicherheit, der europäischen Außenund icherheitspolitik. Nach dem Ende des Kalten Krieges haben sich völlig eue Bedrohungen ergeben: Terrorismus, Fundamentaismus. Die Erkenntnis ist, dass kein Staat, kein Land, einer allein mit dieser Bedrohung fertig werden kann. as können weder die Supermacht Vereinigte Staaten och Russland, noch die Europäische Union, gechweige denn ein Mitgliedstaat. Wenn man ehrlich ist, dann muss man feststellen: Euopa hat hier seit dem Ende des Kalten Krieges viel leren müssen. Wir haben auf dem Balkan nicht rechtzeitig ehandelt. Wir haben aus diesem Versagen glücklichereise die Lehren gezogen. Es ist dann durch unseren insatz, zum Beispiel in Mazedonien, gelungen – in einer Fraktion hat es darüber heiße Debatten gegeben –, inen Bürgerkrieg zu verhindern. Es ist uns, der Europäichen Union, mittlerweile gelungen, die Verantwortung ür Bosnien und Herzegowina zu übernehmen. Das ist in ganz neuer Meilenstein. Was haben wir uns noch ber die Frage gestritten, ob wir außerhalb unserer Lanesgrenzen überhaupt auftreten dürfen! eute ist es für die überwiegende Mehrheit der Menchen selbstverständlich geworden, dass wir hier Verantortung übernehmen. Wir überwachen die Friedensprozesse in der indoneischen Provinz Aceh. Wir haben als Europäische Union m Quartett eine ganz wichtige Rolle im palästinensischsraelischen Konflikt übernommen. Das Engagement im ongo bei der Absicherung der Wahlen reiht sich in die erantwortlichkeiten ein. Was heißt das? Das heißt, Europa hat gelernt: Es muss ingreifen, bevor es zu spät ist, bevor es zu dramatischen onflikten kommt, bevor wieder Hungersnöte auftreten ie in der Region der Großen Seen in Afrika. Europa ann seinen Anspruch, ein Wertesystem zu haben, nicht ehr allein bei sich durchsetzen; wenn wir es mit diesem ertesystem ernst meinen, dann müssen wir vielmehr da elfen, wo andere allein nicht klarkommen. Das ist die onsequenz aus dem von uns erhobenen Anspruch. Wir werden immer wieder merken: Wir sind als Parter gewünscht, gefragt. Angesichts dessen runzelt anch einer die Stirn und fragt: Können wir das alles eisten? Aber ich sage ganz bewusst: Wenn wir unsere rt, zu leben und zu wirtschaften, zu einer Art machen ollen, mit der wir uns auch in der Welt Anerkennung nd Durchsetzung verschaffen, dann werden wir uns vor en Verantwortungen und Herausforderungen in der elt nicht drücken können. Deshalb müssen wir auch irtschaftlich stark sein. Wenn wir Politik gestalten wol en – die Angst der Menschen ist, dass Politik nicht mehr ie gestaltende Kraft hat –, dann müssen wir das durchetzen und dann dürfen wir uns nicht drücken. Wenn wir ns drücken, dann wird das so verstanden, als wenn wir Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel vor den Herausforderungen kapitulieren, und das wäre genau das Falsche. Um all diese Aufgaben bewältigen zu können, muss Europa handlungsfähig sein. Was die Handlungsfähigkeit betrifft, gibt es zwei Probleme, mit denen wir uns auseinander setzen müssen und die auch noch nicht vollständig gelöst sind. Handlungsfähig sind wir nur dann, wenn wir von unserer inneren Verfasstheit her die notwendigen Entscheidungen vernünftig treffen können. Handlungsfähig sind wir nur dann, wenn wir auch wissen, welches Gebilde diese Europäische Union ist. Erweiterung und Vertiefung – beides sind Fragestellungen, die sich jetzt in einer völlig neuen Dimension stellen, weil Europa attraktiv ist, weil viele Mitglied dieser Europäischen Union werden wollen, weil wir aber auch sagen müssen, wer das kann und wer das nicht kann und welches Angebot wir machen, um nicht als eine abgeschlossene Burg wahrgenommen zu werden. Was die Handlungsfähigkeit anbelangt, ist die Debatte über den Verfassungsvertrag sehr wichtig. Es ist ein Rückschlag, dass die Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden negativ ausgegangen sind. Aber damit ist mitnichten eine Aussage darüber getroffen, ob wir einen Verfassungsvertrag brauchen oder nicht. Ich sage: Wir brauchen den Verfassungsvertrag. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Zuruf von der LINKEN: Ihr streitet weiter!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Zuruf von der LINKEN: Ein Fortschritt!)


Wir brauchen ihn, weil er auf verschiedene Fragen Ant-
worten gibt. Er sagt uns, was unsere Grundrechte sind
und was das gemeinsame Verständnis ist.

Zum allerersten Mal – damals noch unter der Führung
von Roman Herzog – ist es gelungen, die Mitgliedstaa-
ten der Europäischen Union dazu zu bringen, das, was
man allgemein als unsere Wertvorstellungen bezeichnet,
in Form eines Grundrechtekatalogs niederzuschreiben.
Wir haben heiße Debatten gehabt – die werden auch
weitergehen –, zum Beispiel über die Frage, wie wir auf
unsere christlichen Wurzeln Bezug nehmen, ob das über-
haupt möglich ist. Wir haben damit noch einmal einen
tiefen Einblick in die unterschiedliche Geschichte der
einzelnen europäischen Länder bekommen. In der Aus-
einandersetzung mit anderen Religionen, mit anderen
Kulturen wird es wichtig sein, dass wir als Europäer in
der Lage sind, auch unsere Wurzeln ganz klar zu benen-
nen. Das erwarten andere von uns. Wie wollen wir für
unsere Werte fechten, wenn wir das nicht können?


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Der Verfassungsvertrag hat zum ersten Mal den Ver-
such unternommen, klare Kompetenzordnungen fest-
zuschreiben, etwas, was die Bürgerinnen und Bürger mit
Recht verlangen, was im Übrigen in unserem Grundge-
setz seit dem ersten Tage des Bestandes der Bundesrepu-
blik Deutschland in klarer Form enthalten war. Es gehört
zu den wunderbaren Merkmalen des Grundgesetzes,
dass es die Kompetenzen klar auf die einzelnen Ebenen

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(C (D erteilt. Wir werden nächste Woche das Vergnügen haen, über die Neuordnung dieser Kompetenzen zu sprehen – (Dr. Werner Hoyer [FDP]: Da bin ich gespannt!)


in nicht so einfaches Thema,


(Dr. Peter Struck [SPD]: Das ist wahr!)


ber eines, dessen man sich annehmen muss. Verwischte
ompetenzen sind nämlich immer ein Demokratiedefi-

it. Die Leute wissen nicht mehr, wen sie für was verant-
ortlich machen können. Das muss in Europa wieder
öglich sein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Dieser Verfassungsvertrag schafft zum ersten Mal das
mt eines europäischen Außenministers. Da muss
an genau überlegen, welche Kompetenzen wir ihm ge-

en wollen. Ich schaue unseren Außenminister an und
age: Er wird durch den europäischen Außenminister
icht arbeitslos werden. Man wird aber natürlich wissen
üssen, wer für Europa auftritt, zum Beispiel in den
erhandlungen des Quartetts.

Dieser Verfassungsvertrag weist mittels der Subsidia-
itätsklausel zum ersten Mal den nationalen Parlamen-
en eine Bedeutung zu.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


m Übrigen hat mir der Kommissionspräsident gerade
rzählt, dass das gar nicht ohne Differenzen mit dem Eu-
opäischen Parlament geht; denn das Europäische Parla-
ent wacht mit Argusaugen darüber, dass die nationa-

en Parlamente nicht wieder zu viele Möglichkeiten
ekommen.

An der Stelle will ich allerdings sagen: Das Europäi-
che Parlament hat in den letzten Jahren in einem Maße
n Bedeutung gewonnen, wie das vor 20, 30 Jahren
berhaupt nicht vorstellbar war. Angesichts der Dienst-
eistungsrichtlinie und der Beratungen darüber hat es
um ersten Mal Demonstrationen in Straßburg gegeben.
iner unserer Europaparlamentarier hat gesagt, er fühle
ich geehrt; das habe es überhaupt noch nicht gegeben,
ass wegen einer europäischen Regelung demonstriert
erde.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


as zeigt, dass dort etwas entschieden wird.

Meine Damen und Herren, wir werden im Übrigen
ber Folgendes weiter diskutieren müssen; das ist im
erfassungsvertrag noch nicht geklärt. Ich bin der festen
berzeugung, dass die Entscheidung richtig war, dass
ie politische Kraft, die bei den europäischen Wahlen
ie meisten Stimmen bekommt, auch das Recht erhält,
en Präsidenten der Kommission zu benennen. Aber wir
erden auch weitersehen müssen. Wenn wir in Europa

inen Gesetzgebungsprozess mit einem so starken Euro-






(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
päischen Parlament haben, dann muss es auch – was für
uns ganz selbstverständlich ist – das Prinzip der Dis-
kontinuität geben. Es kann nicht sein, dass Richtlinien
in Generaldirektionen erarbeitet werden, die Jahrzehnte
überleben, egal wer gerade gewählt und an der Arbeit ist.
Auch das gehört zu einer Fortentwicklung Europas.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Das heißt, wir haben eine Europäische Union, die
durch den Verfassungsvertrag in die Lage versetzt
wird, Entscheidungen zu treffen. Denn der institutio-
nelle Teil – die Fragen bezüglich der Kommission, des
europäischen Außenministers, des Rates – muss so ge-
klärt werden, dass Europa arbeiten kann. Die heutigen
Entscheidungsmechanismen in Europa sind so schwie-
rig, dass man fast ein Fachhochschulstudium braucht,
um zu erkennen, wer gerade die Mehrheit hatte oder wie
man eine Sperrminorität erzeugt. Die Zusammensetzung
der Kommission kann so nicht bleiben. Wir brauchen
also unbedingt den Verfassungsvertrag, um ein hand-
lungsfähiges Europa zu haben. Spätestens die deutsche
Präsidentschaft wird sich damit befassen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Weil das Thema aber so schwierig ist und weil die In-
teressen so unterschiedlich sind, bin ich gegen einen
Schnellschuss, durch den wir in eine Lage versetzt wer-
den, in der wir wieder nicht weiterkommen. Stattdessen
sollten wir sehr gut überlegen, wie wir das Projekt des
Verfassungsvertrages zu einem Erfolg führen. Ich
möchte diesen Verfassungsvertrag, die Bundesregierung
möchte ihn und auch, wie ich denke, die Mehrheit dieses
Parlaments.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, der zweite große Punkt ist
die Frage der Erweiterung. Hier will ich ausdrücklich
sagen: Das, was versprochen ist, wird – da bewegen wir
uns alle in einer Kontinuität – umgesetzt. Dabei sind al-
lerdings auch die Kriterien klar, unter denen Beitritte er-
folgen können. Wir werden in der nächsten Woche den
Fortschrittsbericht zu Bulgarien und Rumänien er-
halten. Ich denke, es ist klar, dass Bulgarien und Rumä-
nien Mitglieder der Europäischen Union werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Aber ich erwarte von der Europäischen Kommission
auch, dass sie in ihrem Fortschrittsbericht die Defizite
klar benennt.


(Dr. Peter Struck [SPD]: Richtig!)


Wir helfen den Ländern nicht, wenn wir die Defizite
einfach unter den Teppich kehren und davon ausgehen,
dass die Europäische Union und die europäische Idee sie
schon zudecken werden.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D ch gehe auch davon aus, dass die Europäische Kommision Vorschläge machen wird, wie diese Defizite zu beeben sind. Wichtig ist auch, dass Beitrittsverhandlungen keine inbahnstraße sind. Die Kriterien müssen erfüllt weren. Das gilt für Kroatien genauso wie für die Türkei. Es ibt auch keine Koppelgeschäfte. Nur weil zwei Länder m gleichen Tag die Beitrittsverhandlungen begonnen aben, müssen sie sie nicht auch am gleichen Tag abchließen. Jedes Land hat ein Anrecht darauf, so behanelt zu werden, wie es sich selber darstellt. Es war richtig, meine Damen und Herren, dass die uropäische Union die Verhandlungen über ein Stabili ätsund Assoziationsabkommen mit Serbien und Monenegro erst einmal unterbrochen hat, weil dort keine ooperation mit dem Haager Gerichtshof für Kriegsverrechen stattfindet. Auch solche Signale müssen ausgeandt werden: Beitritte gibt es nicht zu jedem Preis, sonern die Bedingungen, die für die Europäische Union elten, müssen erfüllt werden. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Da wir nicht alle, die Mitglied werden wollen, auf-
ehmen können, werden wir die Nachbarschaftspolitik
eiterentwickeln. Das ist überhaupt keine Frage. Ich bin

utiefst davon überzeugt, dass wir das nicht einfach mit
andelsassoziierungsabkommen machen können. Wir
erden diesen Staaten eine verstärkte politische Koope-

ation anbieten müssen, die aber nicht in jedem Falle
ine Vollmitgliedschaft bedeuten kann. Ich habe begrün-
et, warum Europa handlungsfähig sein muss. Ein Ge-
ilde, das keine Grenzen hat, kann nicht in sich schlüssig
andeln und eine bestimmte Verfasstheit haben. Das
üssen wir uns klar vor Augen führen und deshalb
renzen ziehen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wenn wir die
nstehenden Fragen beantworten und als Bundesrepu-
lik Deutschland unseren Beitrag dazu leisten, dass die
enschen in ganz Europa nachvollziehen können, dass

iese Europäische Union für uns eine einzigartige Mög-
ichkeit ist, unsere Interessen, unsere Werte, unsere Art
u leben, lebbar zu machen, dann werden die Menschen
as auch verstehen. Es kann dann sein, dass einige
unkte wieder unter die nationale Kompetenz fallen und
ndere aus der nationalen in die europäische Kompetenz
bergehen. Dies muss sich aber immer an folgenden Fra-
en orientieren: Hat es einen Mehrwert für die einzelnen
enschen, für ihre soziale Sicherheit, für ihren Arbeits-

latz und für unsere äußere und innere Sicherheit? Ha-
en wir damit die Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten,
nderen bei der Lösung ihrer Probleme zu helfen? Wenn
ir diese Fragen ehrlich beantworten, dann werden wir
ie Europäerinnen und Europäer erreichen, und zwar
icht nur mit Worten, sondern auch mit Taten.

Unsere Politik muss die Kraft haben, das Wichtige
om Unwichtigen zu trennen. Wir müssen an die Kraft
on Frieden in Freiheit, von Demokratie und von Men-
chenrechten glauben, die auf der ganzen Welt verwirk-






(A) )



(B) )


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
licht werden sollten. Mit unserer Politik auf der Grund-
lage dieser unglaublich großen Erfolgsgeschichte
müssen wir die Zukunft gestalten.

Menschen wie Schuman, de Gaulle, Adenauer und
viele andere standen damals vor unglaublich großen
Trümmern; aber sie hatten Visionen. Wir haben ein star-
kes Fundament, auf dem wir aufbauen können. Wir ha-
ben eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte. Heute gibt
es neue Bedrohungen, neue Herausforderungen und
mehr Wettbewerb. Aber mit unserer Geschichte und un-
serem Selbstbewusstsein, das wir einbringen, können
wir es schaffen, aus Europa auch im 21. Jahrhundert eine
Erfolgsgeschichte zu machen. Ich jedenfalls bin ent-
schlossen, gemeinsam mit der Bundesregierung und mit
Ihnen das zu tun.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1603500200

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst

der Kollege Dr. Werner Hoyer für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1603500300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

Zustand der Europäischen Union ist überaus besorgnis-
erregend. Über Jahrzehnte hinweg haben wir uns darauf
verlassen können, dass die Integrationsfortschritte nicht
reversibel sind.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Herr Präsident, ich möchte gerne hören, was der Kollege sagt)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1603500400

Einen Moment, Herr Kollege Hoyer. Ich möchte dem

Fraktionsvorsitzenden der FDP gerne bei seinem ver-
ständlichen Bemühen behilflich sein, Ihrer Rede unge-
stört folgen zu können. Ich bitte all diejenigen, die an der
Debatte nicht weiter teilnehmen können, möglichst
schnell und geräuschlos den Saal zu verlassen.


(Dirk Niebel [FDP]: Sie könnten aber etwas lernen, wenn sie blieben!)



Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1603500500

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Zustand der

Europäischen Union ist besorgniserregend. Wir müssen
alles daran setzen, die aufkommenden Zweifel an der Ir-
reversibilität des Integrationsprozesses schnellstens aus-
zuräumen. Defizite an politischer Führung in Brüssel
und in vielen Mitgliedstaaten, erschreckende, ja oft
stumpfsinnige Renationalisierungstendenzen in einigen
Mitgliedstaaten, abnehmendes Vertrauen der Bürgerin-
nen und Bürger, mangelndes Vertrauen in die Reformfä-
higkeit unserer Mitgliedstaaten – all das gibt Anlass zu
größter Sorge.

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(C (D Wir Politiker dürfen die Skepsis gegenüber Europa icht durch populistische Wettrennen bei der vermeintlihen Wahrnehmung nationaler Interessen oder durch eilnahme an der immer weiter um sich greifenden Euopanörgelei geradezu anfeuern. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/CSU])


Sicher, Europa hat Schwächen. Die Politik muss die-
en Schwachstellen zu Leibe rücken. Aber wir haben
uch die Pflicht, darzustellen, dass der Prozess der
uropäischen Integration ohne Alternative ist und wir
ns an der Zukunft unserer Völker versündigen würden,
enn wir nicht entschlossen aufträten, wenn diesem In-

egrationsprozess Schaden droht.

Die Staats- und Regierungschefs können dazu übri-
ens selber beitragen, indem sie nach Tagungen der Eu-
opäischen Räte nicht immer nur das national Herausge-
olte in den Vordergrund stellen und dabei das Ganze
us dem Blick verlieren. Europa ist kein Nullsummen-
piel; Europa ist mehr als die Summe seiner Teile.

Natürlich ist das schwer zu kommunizieren, wenn die
enschen Angst um ihren Arbeitsplatz haben oder ihn

ereits verloren haben. Man darf nicht übersehen, dass
eder verlorene Arbeitsplatz mit einem Gesicht, mit ei-
em konkreten Schicksal verbunden ist, während jeder
rbeitsplatz, der durch die europäische Integration und
ie Globalisierung neu geschaffen wird, eher abstrakt
leibt. Dennoch müssen wir immer wieder darauf hin-
eisen, dass die Veränderungen, die die europäische In-

egration mit sich bringt, per saldo positiv sind. 50 000
usätzliche Arbeitsplätze netto durch die Öffnung nach
sten – so rechnet es uns der Bundesverband des Deut-

chen Groß- und Außenhandels vor – ist eine Zahl, die
an ernsthaft zur Kenntnis nehmen und kommunizieren
uss.

Die Gründergeneration der Europäischen Wirtschafts-
emeinschaft, die auch Kriegsgeneration war, ist heute
m Deutschen Bundestag nicht mehr vertreten. Solange
elmut Schmidt, Willy Brandt, Hans-Dietrich Genscher
nd Helmut Kohl die Szene geprägt haben, war es völlig
ndenkbar, dass die Qualität der Europäischen Union als
rößtes europäisches Friedensprojekt unserer Ge-
chichte im Bewusstsein der Menschen weit nach hinten
ückt. Für die heutige junge Generation ist dies alles
erfreulicherweise – selbstverständlich erlebte Realität

nd Normalität, die kaum jemand hinterfragt.

Dennoch müssen wir – Frau Bundeskanzlerin, Sie ha-
en das dankenswerterweise heute getan – immer wieder
uf die großen Zusammenhänge und auch auf die damit
erbundenen fundamentalen Wertefragen hinweisen,
ie wir mit der europäischen Integration verbinden. Wir
erden die jungen Menschen aber nicht allein durch den
erweis auf die Gräber von Verdun für Europa begeis-

ern können. Hinzukommen muss der Hinweis auf die
iesenchancen, die die europäische Integration für un-

ere Zukunftssicherung darstellt. Sie haben gesagt: Wir
üssen der historischen Begründung eine Neubegrün-

ung hinzufügen. – Das teile ich ausdrücklich.






(A) )



(B) )


Dr. Werner Hoyer
Europa ist die Antwort auf die Herausforderungen der
Globalisierung. Mit Europa organisieren wir die Selbst-
behauptung der Europäer im globalen Wettbewerb, und
zwar wirtschaftlich wie politisch. Ohne Europa werden
weder Deutschland noch Dänemark, weder Ungarn noch
Großbritannien ihre Interessen in der Welt wahren sowie
Sicherheit und Wohlstand erhalten können.

Dabei kann vieles besser gemacht werden. Man kann
sich zum Beispiel auf das konzentrieren – Sie haben es
gesagt –, was Europa besser kann als der Nationalstaat
oder die Regionen. Wir sollten deshalb zum Beispiel
dringend prüfen – um konkret zu werden –, ob das Sub-
sidiaritätsprotokoll des Verfassungsvertrages, das ei-
nen wirklichen Fortschritt darstellt, nicht vorab in Kraft
gesetzt werden kann.


(Beifall bei der FDP)


Die Rolle der nationalen Parlamente kann, ja muss
schnellstmöglich sichtbar gestärkt werden.

Aber wir sollten nicht in Brüssel Kritik abladen, die
nach Berlin oder in deutsche Landeshauptstädte gehört.
Beim Antidiskriminierungsgesetz sehen wir, welchen
Glaubwürdigkeitsverlust man sich sehr schnell einhan-
deln kann.


(Beifall bei der FDP)


Sie von der Union haben im letzten Jahr Ihre Wahlkreise
durchpflügt und mit dem Kampf gegen das rot-grüne
Antidiskriminierungsgesetz richtig schön Punkte ge-
macht.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Was ist daraus geworden? Sie hatten ursprünglich ge-
sagt, in Zukunft würden EU-Richtlinien nur noch eins zu
eins umgesetzt. Dann haben Sie aber eine Kirchenklau-
sel herausgehandelt und für die Landwirte noch etwas
herausgeholt. Und schon ist das alte rot-grüne Antidis-
kriminierungsgesetz wieder auf dem Tisch.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil es einfach gut ist!)


Das schafft keine zusätzliche Glaubwürdigkeit; das
schafft kein Vertrauen in die Politik.


(Beifall bei der FDP)


Einen ähnlichen Fall unverantwortlichen Herum-
schlagens auf Europa bei gleichzeitigem nationalen Ver-
sagen sehen wir in vielen Fragen des Lissabonprozesses.
Es ist doch geradezu rührend, wenn der Europäische Rat
im Halbjahresrhythmus große Ziele bekräftigt, die natio-
nalen Hausaufgaben aber gleichzeitig nicht erledigt wer-
den.

Deutschland wird umso mehr Einfluss entfalten kön-
nen, je mutiger und konsequenter wir unsere Volkswirt-
schaft modernisieren, unsere Bildungsanstrengungen in-
tensivieren, unsere Haushalte sanieren und unsere
Arbeitsmärkte deregulieren.

Frau Bundeskanzlerin, Sie haben am Dienstag gefor-
dert: Jobs schaffen, Bürokratie abbauen und Überregu-

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(C (D ierung zurücknehmen. Das ist völlig richtig. An genau ieser Stelle muss die Bundesregierung aber selbst noch iefern. Ansonsten werden in Europa viele Hoffnungen erstört, die sich vor allem auf Deutschland und die eutsche Bundeskanzlerin richten. Wir Freien Demokraten wünschen Ihnen, Frau Buneskanzlerin, dass Sie die in Sie gesetzten Hoffnungen rfüllen können. Der Anspruch auf Reformen in Europa nd das Fehlen einer mutigen nationalen Reformpolitik assen allerdings nicht zusammen. Am 25. März 2007, also etwa zur Halbzeit der deutchen Präsidentschaft, jährt sich die Unterzeichnung der ömischen Verträge zum 50. Mal. Es muss unsere Amition sein, diesen Jahrestag für einen neuen Aufbruch, icht nur zur Reflexion und Rückbesinnung zu nutzen. rau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, warten heiße icht, den Verfassungsprozess einschlafen zu lassen, ondern den geeigneten Zeitpunkt zum Handeln zu finen, der aber noch nicht gekommen sei. Wir haben aber icht mehr viel Zeit. Spätestens während der deutschen räsidentschaft, möglicherweise in dem kleinen Zeitenster zwischen den Wahlen in Frankreich und dem nde der deutschen Präsidentschaft, muss Deutschland lles versuchen, den Zug wieder auf die Schiene zu seten und die Weichen richtig zu stellen. Mit dem Vertrag on Nizza können wir uns auf Dauer nicht zufrieden geen. Wenn wir das täten, spielten wir denen in die ände, die von vornherein nicht mehr wollten als eine ehobene Freihandelszone. Wer mehr Demokratie, mehr Transparenz, mir Subsiiarität, mehr Dynamik und mehr Handlungsfähigkeit, uch in der Außenund Sicherheitspolitik, will, muss en Verfassungsprozess neu beleben. Ich halte es für rnsthaft erwägenswert, bei Wahrung des Gehalts des ertrages über eine Verfassung für Europa seine onstitutionellen Elemente zu einem echten, verleichsweise schlanken und lesbaren Verfassungstext zu estillieren und die übrige Materie, insbesondere den eil III, weitgehend sekundärrechtlich zu regeln. Europa braucht Mut: Mut zur Erneuerung, Mut zur reizügigkeit, Mut zum Wettbewerb, Mut zur Vertiefung nd Mut zur weiteren Öffnung, auch wenn zwischen den ntscheidungen in Zukunft vermutlich größere Abstände iegen. Wir brauchen mehr Kreativität bei der praktichen Ausgestaltung. Europa braucht Mut zur Freiheit, amit die Bürger und Staaten unseres Kontinents die inellektuellen, technologischen und ökonomischen Chanen nutzen und die Dynamik entfalten können, die wir ür die Sicherung unserer Zukunft dringend brauchen. Wenn Sie, Frau Bundeskanzlerin, dem europäischen ntegrationsprozess neuen Schwung geben wollen, weren Sie die Freien Demokraten an Ihrer Seite finden, insesondere dann, wenn Sie Ihren europäischen Anspruch urch nationale Politik unterfüttern. Ich danke Ihnen. Dr. Werner Hoyer (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das ist eine konstruktive Opposition, was!?)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)





(A) )


(B) )



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1603500600

Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Angelica

Schwall-Düren das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD):
Rede ID: ID1603500700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In

seiner Dankesrede anlässlich der Entgegennahme des
Bruno-Kreisky-Preises am 9. März 2006 sagte Jürgen
Habermas:

Was mich heute am meisten aufregt, die Zukunft
Europas nämlich, finden andere abstrakt und lang-
weilig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin überzeugt, die
heutige Debatte im Deutschen Bundestag wird nicht nur
zeigen, dass wir Europa ernst nehmen, sondern auch,
dass wir mit Leidenschaft diskutieren. Frau Bundeskanz-
lerin, Sie haben uns das eben bereits gezeigt.

Die Europawoche gibt uns Gelegenheit, eine Stand-
ortbestimmung vorzunehmen. Jenseits von Gedenkritua-
len ist es aber wichtig, dass wir uns der Herausforderun-
gen, aber auch der Gefahren eines Rückfalls hinter den
Stand der erreichten Integration bewusst sind. Es ist in
der Tat so, dass wir bis spätestens 2009 eine Entschei-
dung darüber herbeiführen müssen, wohin die Europäi-
sche Union will. Wir müssen uns fragen, ob die Frie-
denssicherung und die Wohlstandsentwicklung uns
weiterhin, ebenso wie in der vergangenen Zeit, gelingen
werden. Die Bürgerinnen und Bürger zweifeln zuneh-
mend und immer wieder. Dennoch ist die Mehrheit für
die Europäische Union. Das scheint ein Widerspruch zu
sein. Aber angesichts der rasanten Veränderungen nach
Beendigung des Ost-West-Gegensatzes ist es tatsächlich
so, dass die Ängste der Bürger und Bürgerinnen zuge-
nommen haben: Ängste um ihren Arbeitsplatz, um den
Verlust ihrer Identität, aber auch die Sorge um die Zu-
kunft ihrer Kinder.

Das kennzeichnet auch die Herausforderungen für
Europa, für die Europäische Union. Denn dass die Bür-
ger die EU für notwendig halten, weist darauf hin, dass
sie Erwartungen und Wünsche an die Europäische Union
haben, dass sie Lösungen und Antworten auf die aufge-
worfenen Fragen und auf die Herausforderungen erwar-
ten.

Damit sind natürlich der Rahmen der zukünftigen Ar-
beit und damit auch der Rahmen der deutschen Ratsprä-
sidentschaft gekennzeichnet. Die Frau Bundeskanzlerin
hat ein großes Tableau gezeichnet. Gemessen an der Tat-
sache, dass eine Ratspräsidentschaft lediglich ein halbes
Jahr dauert, sind die Erwartungen natürlich sehr hoch
und wir müssen vorsichtig sein, um nicht Erwartungen
zu wecken, die dann nicht erfüllt werden können.

Es ist richtig, dass Deutschland in der Vergangenheit
immer wieder gezeigt hat, wie wir die Europäische

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(C (D nion zusammen mit unseren Partnern voranbringen önnen. Nicht zuletzt bei den Verhandlungen über die inanzen haben Frau Bundeskanzlerin Merkel und Herr ußenminister Steinmeier bewiesen, dass wir die Euroäische Union voranbringen können. (Beifall des Abg. Axel Schäfer [Bochum] [SPD])


ber wir haben keine finanzielle Wundertüte mehr, wie
ir sie bis zum Ende der 80er-Jahre besaßen, und die
uropäische Union ist vielfältiger und widersprüchlicher
eworden. Man muss heute auch sagen: Im Augenblick
aben wir keinen starken französischen Partner an unse-
er Seite, der uns helfen kann, die Gegensätze zu über-
rücken.

Wir werden die Projekte, die angefangen und noch
icht erledigt sind, fortsetzen müssen. Wir werden neue
kzente setzen und Impulse geben. Es ist ganz wichtig
ich bin froh, dass hierbei bis auf ganz wenige Ausnah-
en große Einigkeit im Deutschen Bundestag besteht –,

ass das Verfassungsprojekt vorangebracht wird. Ich
timme mit der Bundeskanzlerin völlig überein, dass wir
ie Verfassung für die Handlungsfähigkeit, für größere
ransparenz und für mehr Bürgernähe brauchen. Mein
ollege Michael Roth wird anschließend genauere Aus-

ührungen dazu machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das franzö-
ische und das niederländische Nein in den Referenden
ur Verfassung waren neben anderen Gründen auch mit
er Erwartung an die soziale Gestaltungskraft der Eu-
opäischen Union verbunden. Deswegen ist es wichtig,
ass wir in diesem Feld aktiv bleiben und noch aktiver
erden.


(Zuruf des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Sollte die europäische Dienstleistungsrichtlinie bis
u unserer Ratspräsidentschaft noch nicht verabschiedet
ein – ich hoffe, dass sie es sein wird –, dann wird sich
eutschland selbstverständlich dafür einsetzen, dass die-

es Projekt erfolgreich zu Ende gebracht wird. Für uns
st dabei klar, dass das Prinzip „Gleicher Lohn für glei-
he Arbeit am gleichen Ort“ zur Geltung kommen muss.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Die soziale Dimension der Europäischen Union kann
m Jahr 2007 in hervorragender Weise angepackt wer-
en, in einem Jahr, das auf europäischer Ebene als Jahr
er Chancengleichheit für alle ausgerufen wird. Es
ommt in der Tat darauf an, dass konkrete Politik ge-
acht wird, die für die Menschen erfahrbar ist. Dabei

eht es beispielsweise – übrigens sind das auch Faktoren
ür Wachstum im wirtschaftlichen Bereich – um Themen
ie Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Es geht
m die Arbeitszeitrichtlinie, um die Arbeitsschutzrichtli-
ie, um Fragen der Leiharbeit und um das Aktionspro-
ramm „Lebenslanges Lernen“.Hier gibt es eine Reihe
on Möglichkeiten, die notwendige Flexibilität mit der
ozialen Sicherheit für die Bürger und Bürgerinnen zu
erbinden.

Um die Voraussetzungen für Chancengleichheit
chaffen zu können, braucht der Staat allerdings finan-






(A) )



(B) )


Dr. Angelica Schwall-Düren
zielle Ressourcen. Deswegen müssen wir uns auch dem
Thema „unfairer Steuerwettbewerb“ widmen. Ich bin
froh, dass wir das Projekt der Schaffung einer einheitli-
chen Bemessungsgrundlage für die Unternehmensbe-
steuerung weiterverfolgen werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Das historisch gewachsene Zusammenspiel der wirt-
schaftlichen, politischen und sozialen Institutionen ist
ein fundamentaler Bestandteil unseres kulturellen euro-
päischen Erbes. Das ist es, was wir soziale Marktwirt-
schaft oder gelegentlich auch europäisches Sozialmodell
nennen.

Klar ist: Bei der Umsetzung der Wachstumsstrategie
von Lissabon werden wir Sozialdemokraten darauf ach-
ten, dass es zu keinen marktradikalen Entwicklungen
kommt, wie sie immer wieder von der FDP eingefordert
werden, sondern dass eine Modernisierung der gewach-
senen Strukturen verfolgt wird. Würde hier ein Abbau
betrieben, könnten wir nicht mit einem ökonomischen
Erfolg rechnen, sondern müssten eher negative Abwehr-
reaktionen befürchten. Wir werden das nationale Re-
formprogramm zur Umsetzung der Lissabonstrategie
sorgfältig begleiten, damit seine positiven Ansätze auf
dem Frühjahrsgipfel 2007 als Erfolg gewertet werden
können.

Zum Thema Bürokratieabbau ist heute bereits einiges
gesagt worden. Dem möchte ich nur eines hinzufügen:
Es ist sicherlich wichtig, insbesondere kleine und mittel-
ständische Unternehmen in diesem Bereich zu entlasten.
Dabei darf aber keine blinde Deregulierung stattfinden.
Vielmehr ist eine bessere Gesetzgebung erforderlich, um
die Innovationsfähigkeit dieser Unternehmen zu stärken
und ihnen die Chance zu geben, am Wissens- und Tech-
nologietransfer teilzunehmen, den wir auch im Rahmen
der europäischen Forschungsprogramme unterstützen
können.

Frau Merkel hat in den letzten Tagen auf die europäi-
sche Energiestrategie hingewiesen. In der Tat ist eine
nachhaltige Energieversorgung, die bezahlbar und sau-
ber ist, eine sehr wichtige Bedingung für den Erfolg der
Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten. Deswe-
gen brauchen wir eine kooperative Energiestrategie, die
mehr bedeutet, als langfristige Lieferverträge abzu-
schließen. Dazu gehören auch Elemente wie Energieeffi-
zienz und Energieeinsparung sowie die Unterstützung
regenerativer Energien. Auch in diesem Bereich ist die
Europäische Union tätig, um im Interesse einer ökologi-
schen Nachhaltigkeit, aber auch im Interesse der Bewah-
rung und Schaffung von Arbeitsplätzen, beispielsweise
im Handwerk und in der Landwirtschaft, Erfolge zu er-
zielen.

Hier muss Deutschland Impulsgeber sein, aber auch
Moderator zwischen den unterschiedlichen Interessen
der großen und der kleinen Staaten, zwischen den Län-
dern, die in der Zukunft eher den nuklearen, den fossilen
oder den regenerativen Energien eine Chance geben
wollen. Deutschland muss auch Moderator zwischen
Ländern mit unterschiedlichen historischen Erfahrungen

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(C (D ein. Das hat, wenn ich beispielsweise an unsere Nacharn Polen und die baltischen Staaten denke, auch mit er Frage zu tun: Wie viele Kompetenzen sollen auf euopäischer Ebene angesiedelt werden und wie viel kann nd muss weiterhin auf nationaler Ebene geregelt weren? Hier besteht ein Zusammenhang mit dem wichtigen eld der Energiesicherheitspolitik, mit der Nachbarchaftspolitik und mit der gemeinsamen Außenpolitik, er bereits skizziert worden ist. Ich möchte allerdings etonen, wie wichtig es ist, dass wir diese Politiken mit en östlichen Nachbarn der Europäischen Union partnerchaftlich weiterentwickeln und uns auf gleicher Augenöhe begegnen, damit die Menschen in diesen Ländern ie Chance bekommen, an der Entwicklung hin zu Deokratie, Wohlstand und sozialer Sicherheit teilzunehen, ohne dass damit Souveränitätsabgabe verbunden t. Wir haben in den nächsten Jahren eine Fülle von Heausforderungen zu meistern: den Beitritt von Rumänien nd Bulgarien, die Beitrittsverhandlungen mit weiteren ändern, die Entwicklung einer europäischen Perspek ive für den westlichen Balkan. Diese europäische Perpektive muss gesichert sein, aber dabei müssen wir Auenmaß wahren und die Aufnahmefähigkeit der uropäischen Union berücksichtigen. Deswegen wünchen wir uns, wünschen wir der Bundesregierung, wünchen wir Frau Merkel und Herrn Steinmeier im Vorfeld nd bei der Ausübung der deutschen Präsidentschaft in er Europäischen Union weitsichtige und kompetente artner. Ich bin sicher, dass wir dann gemeinsam erfolgeich für die Zukunft der Bürger und Bürgerinnen in der uropäischen Union arbeiten können. Diese Erfolge erden von den Menschen gewürdigt werden und die uropäische Union wird wieder mehr Akzeptanz bei ihen finden; da bin ich ganz sicher. An diesen konkreten olitikfeldern wird sich das zeigen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1603500800

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Gregor Gysi, Frak-

ion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603500900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bun-

eskanzlerin, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen,
ass die große Leistung der Europäischen Union darin
estehen kann – und hoffentlich auch darin bestehen
ird –, dass es einen europäischen Frieden gibt, dass die

ahrhunderte der europäischen Kriege endlich überwun-
en werden und dass zumindest auf diesem Kontinent
ie kriegerische Geschichte ein Ende findet. Dann – so
ie Hoffnung – wären die kriegerischen Auseinanderset-
ungen innerhalb Jugoslawiens, aber auch der völker-






(A) )



(B) )


Dr. Gregor Gysi
rechtswidrige Krieg der NATO gegen Jugoslawien die
hoffentlich letzten Kriege in Europa gewesen. Das wäre
wichtig.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie wissen, dass es in der EU-Verfassung, die von
zwei Völkern mehrheitlich abgelehnt worden ist – darauf
komme ich noch zu sprechen –, auch einen großen mili-
tärischen Teil gibt. Ich hätte es noch verstanden, wenn
man die nationalen Streitkräfte durch irgendetwas Eu-
ropäisches ablösen wollte. Es soll aber alles oben drauf-
gesetzt werden: Die NATO soll bleiben, die nationalen
Streitkräfte sollen bleiben und Europa will auch noch
Streitkräfte. Wozu eigentlich, wenn wir Europäer keine
Kriege mehr führen wollen? Das ist die Frage, die die
Bevölkerungen stellen.


(Beifall bei der LINKEN)


Frau Bundeskanzlerin, ich hätte heute von Ihnen ein
Wort zu dem Interview erwartet, in dem Verteidigungs-
minister Jung auf die Frage, ob für unser Militär, die
Bundeswehr, wirtschaftliche Interessen, Versorgungs-
und Ressourcensicherung eine Rolle spielen, sagte: Ja,
das müsse man offen sagen. – Das ist ein Denken wie in
den früheren Jahrhunderten. Ich will nicht, dass wir noch
Kriege wegen Erdgas, Erdöl und dergleichen führen!


(Beifall bei der LINKEN)


Das wäre auch grundgesetzwidrig. Wenn Sie die Mütter
und Väter des Grundgesetzes gefragt hätten, ob sie sich
vorstellen könnten, die Bundeswehr zur Durchsetzung
ökonomischer Interessen einzusetzen, hätten sie das völ-
lig zu Recht strikt verneint. Wir sollten uns an das
Grundgesetz halten.


(Beifall bei der LINKEN)


Bis Maastricht war die Europäische Union darauf
ausgerichtet, die Volkswirtschaften der Länder anzuglei-
chen und sozusagen schrittweise eine ökonomische Ge-
meinschaft in Europa zu schaffen. Das war auch sehr
sinnvoll. Aber wir müssen uns mit den Änderungen, die
es seit Maastricht gegeben hat, auseinander setzen. Es
war Helmut Kohl, der gesagt hat: Erst die politische
Union, dann die Währungsunion. Als er die politische
Union nicht durchsetzen konnte, hat er sich entschieden,
doch erst die Währungsunion einzuführen. Dafür zahlen
die europäischen Völker noch heute; denn das war der
Beginn der Dumpingstrukturen, mit denen wir es heute
zu tun haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Eigentlich hätten wir vor der Währungsunion die Ver-
fassung gebraucht, über die jetzt diskutiert wird. Wir
hatten aber keine. Immer, wenn man so etwas im Nach-
hinein einzuführen versucht, wird es kompliziert. Nun
haben wir – zum Teil – einen Binnenmarkt und eine Bin-
nenwährung – auch zum Teil –, aber keine wirkliche po-
litische Verfasstheit. Das ist ein riesiges Problem. Schritt
für Schritt versuchen wir jetzt, das eine oder andere zu
regeln.

Wie lautet denn das Argument, das immer vorge-
bracht wird, wenn es um die Senkung der Steuern für

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(C (D onzerne, Bestund Besserverdienende geht? Das Arument lautet, das sei gerade in einem anderen europäichen Land so gemacht worden, danach müssten wir uns ichten. Das ist organisiertes Steuerdumping, das dazu ührt, dass die Staaten nicht mehr in der Lage sind, den ozialen und ökologischen Ausgleich zu bezahlen, der ber dringend nötig ist, und die notwendigen Investitioen vornehmen zu können. ann machen wir endlich Schluss damit? Wann einigen ir uns in der Europäischen Union endlich und legen indeststeuern fest, die jedes Land erheben muss, zum eispiel bei der Körperschaftsteuer? Wir brauchen diesezüglich eine Verständigung, sonst ist das keine Union. ir haben einen Binnenmarkt mit einer Binnenwährung, ie Steuern aber sind völlig unterschiedlich. Die Unterchiede sind viel größer als diesbezüglich zwischen den ordund den Südstaaten in den USA. Das ist nicht zu erkraften. Dadurch haben wir ein Dumping bei Löhnen und bei ozialen und juristischen Standards. Weil meine Zeit daür nicht reicht, will ich das nicht näher ausführen. Nur o viel: Bei der Zulassung der Beschwerde eines Nacharn gegen einen Bau auf dessen Nachbargrundstück ibt es gewaltige Differenzen. Es macht aber einen Rieenunterschied, ob Sie einem Investor sagen: „Das kann cht Jahre dauern“ oder, in einem anderen Land, „Das auert ein halbes Jahr“. Darüber muss man sich doch erständigen, wenn man eine Union sein will. Als die Erweiterung der Union anstand, hat man geagt, man wolle nicht mehr zahlen, man wolle für den ufbau der Wirtschaften in Litauen, Slowenien und in nderen Ländern nicht mehr so viel Geld ausgeben. Das ührte dazu, dass die Union umgerechnet für jeden Iren 22,1 Euro im Jahr zahlt, für jeden Slowenen aber nur 4,4 Euro. Irland ist inzwischen aber das zweitreichste and in der Union. Was ist die Folge dessen? Die Folge st, dass Dumpingstrukturen entstehen, weil man Sloenien und andere Länder zwingt, über möglichst nied ige Steuern Anziehungskraft auszuüben. Das wirkt sich egativ in den reicheren Ländern wie Frankreich und eutschland aus und führt zu solch negativen Stimmunen, die Sie nicht verstehen und womit Sie sich hier ausinander setzen. Sie haben gesagt, bei der Erarbeitung einer Verfasung bräuchten Sie eine Denkpause, Sie müssten in uhe darüber nachdenken. Nun sagen Sie, Sie wollen ie Verfassung so, wie sie ist. Frau Bundeskanzlerin, ehrheiten in Frankreich und in Holland haben die Ver assung abgelehnt. Das müssen Sie zur Kenntnis nehen. ie können doch nicht einfach sagen: „Wir machen eine ause“ und dann die gleiche Verfassung wieder einbrin Dr. Gregor Gysi gen. Man muss sich doch Gedanken darüber machen, was man ändern muss, um die Mehrheit der Bevölkerungen dafür zu gewinnen, gerade wenn man, wie auch wir, die Europäische Union will. Ich fordere Sie auf: Denken Sie neu über den militärischen Teil nach und darüber, wie der Neoliberalismus aus der Verfassung verdrängt wird. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)





(A) )


(B) )


– Sie machen hier doch nichts weiter als neoliberale Po-
litik:


(Beifall bei der LINKEN)

Sie wollen das Rentenalter heraufsetzen. Die Jungen sol-
len weniger Arbeitslosengeld II bekommen. Die von
Arbeitslosengeld II Betroffenen wollen Sie auf unange-
nehmste Weise kontrollieren. Der Sparerfreibetrag soll
heruntergesetzt werden. Dann machen Sie eine Reichen-
steuer, die nicht einmal ein Witz ist. – Das ist die Wahr-
heit. So wird gegenwärtig Politik organisiert.


(Beifall bei der LINKEN)

Mit dieser Politik werden Sie den Haushalt nicht konso-
lidieren, aber die Gesellschaft weiter entsolidarisieren.
Das ist das Problem.


(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen eine Europäische Union des Friedens

und der Abrüstung und eine Europäische Union der
Wohlfahrt, aber dies nicht für die 10 Prozent Reichsten
in der Gesellschaft, sondern endlich für die Mehrheit der
Bevölkerungen. Dann wird es auch ein Ja zu einer verän-
derten und brauchbaren Verfassung für Europa geben,
die wir zweifellos dringend benötigen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1603501000

Herr Kollege Gysi, ich weiß, dass Sie jetzt erst die

richtige Betriebstemperatur erreicht haben.

(Heiterkeit)



Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603501100

Das stimmt, Herr Präsident. Ich komme langsam in

Form. Das haben Sie gut erkannt.

(Heiterkeit)


Zum Schluss möchte ich aber noch einen Gedanken
vorbringen: Dann, Frau Bundeskanzlerin, habe ich die
Hoffnung, dass wir eine Jugend erleben, von der wir sa-
gen können, sie habe ein erweitertes europäisches
Selbstbewusstsein. Es wäre doch eine Chance, wenn sol-
che Leute einer europäischen Mannschaft und nicht nur
ihrer Nationalmannschaft die Daumen drücken würden.
Davon sind wir leider noch meilenweit entfernt, aber wir
werden es noch erleben.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1603501200

Nächster Redner ist der Vorsitzende der CDU/CSU-

Fraktion, Volker Kauder.

(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Seit 60 Jahren leben wir Europäer in Frieden. iese lange Phase des Friedens ist historisch einmalig. chon deshalb ist die europäische Integration eine Erolgsgeschichte ohne Beispiel. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1603501300

iese Erfolgsgeschichte ist eng verbunden mit den
hristlich-demokratischen Baumeistern Europas: Konrad
denauer, Alcide de Gasperi, Robert Schuman und
elmut Kohl. Allerdings ist diese Leistung für die Mehr-
eit der Menschen selbstverständlich geworden. Daher
ragen sie nach dem Nutzen der Europäischen Union.
as Dilemma besteht darin, dass ausgerechnet die fun-
amentalen Errungenschaften der EU – Friede, Versöh-
ung, Sicherheit und Wohlstand – in der Wahrnehmung
ieler Menschen nicht mehr ausreichen, um den Nutzen
er europäischen Integration darzustellen. Wir alle erle-
en in unseren Wahlkreisen unmittelbar, wie deutlich der
nmut gewachsen ist. Nur noch jeder vierte Deutsche
laubt, dass die Mitgliedschaft in der EU für Deutsch-
and unter dem Strich Vorteile hat. Nur jeder Vierte!

Das liegt auch daran, dass die Menschen mit Sorge
ur Kenntnis genommen haben, dass die EU in den letz-
en Jahren nach ihrer Auffassung zu schnell gewachsen
st. Das hat zu strukturellen Schwierigkeiten geführt. Da-
it die EU ihre Erfolgsgeschichte fortsetzen kann, brau-

hen wir jetzt dringend eine Phase der Konsolidierung.
unächst müssen wir unsere Vorstellungen von Europa
eu definieren und nüchtern fragen: Was ist die EU?
as soll die EU werden? Welche Aufgaben liegen vor

ns?

Ich sehe eine zentrale Aufgabe der EU in der inhaltli-
hen Vertiefung. Es ist deshalb richtig, wenn die Bun-
eskanzlerin sagt, dass die EU nicht unbegrenzt wachsen
ann. Daraus folgt eine klare Erkenntnis: Der Wunsch
ines Landes nach Aufnahme in die Europäische Union
uss auch mit der Aufnahmefähigkeit der EU in Über-

instimmung gebracht werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wichtiger als Konferenzen zur Seele und zur Identität
uropas ist, dass wir uns kritisch den gegenwärtigen Zu-
tand der Europäischen Union anschauen und fragen: Ist
s gut so? Hier – da hat die Bundeskanzlerin völlig
echt – müssen wir die EU so beim Wort nehmen, wie
s im Verfassungsvertragsentwurf steht. Nur die Aufga-
en, die die Nationalstaaten allein nicht mehr regeln
önnen, dürfen auf europäischer Ebene behandelt wer-
en. Das ist der Kern von Subsidiarität und diesen Kern
üssen wir europarechtlich verankern. Wir benötigen

aher eine klare Abgrenzung von Verantwortungsbe-
eichen, so wie sie durch die europäische Verfassung an-
estrebt wird. Wir können nicht zulassen, was gerade in
iesen Tagen vom Präsidenten der EU-Kommission wie-
er formuliert worden ist, nämlich dass die Europäische
ommission immer wieder nach neuen Kompetenzen
reift. Das untergräbt die politische Legitimität der EU.






(A) )



(B) )


Volker Kauder

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nur um zwei Beispiele zu nennen: Was hat die Euro-
päische Kommission mit den deutschen Naturschutzge-
bieten zu schaffen


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage kann ich Ihnen beantworten! Ohne die EU gäbe es diese Naturschutzgebiete nicht!)


oder mit der Frage, ab welcher Außentemperatur Arbeit-
nehmer frei bekommen? Immerhin ist diese irrsinnige
„Sonnenscheinrichtlinie“ inzwischen entschärft worden.

Auf den Einwand, dass es ohne die EU diese Gebiete
nicht gäbe, muss ich Ihnen sagen: Ich glaube, dass der
Deutsche Bundestag und die deutschen Bundesländer
sehr wohl in der Lage sind, in eigener Kompetenz die
Naturschutzgebiete in unserem Land festzulegen.


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2050!)


Dazu brauchen wir keine europäische Richtlinie.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Europäische Kommission sollte sich eher darauf
konzentrieren, Regulierungen auf den Prüfstand zu stel-
len und sie abzubauen, wenn sie nicht notwendig sind.
Nicht Bürokratieaufbau, sondern Bürokratieabbau muss
zum Markenzeichen der Europäischen Union werden.

Deutschland hat eine besondere ordnungspolitische
Verantwortung für Europa. Subsidiarität bedeutet für
alle Ebenen mehr Freiheit. Diese Freiheit müssen wir er-
möglichen, weil die sichtbare Zurechenbarkeit von poli-
tischer Verantwortung die EU transparenter, verständli-
cher und insgesamt handlungsfähiger macht. Mit diesem
Mehr an Freiheit und dem Mehr an Transparenz bringen
wir die Europapolitik wieder näher an die Menschen und
das ist dringend notwendig.

Nahe bei den Menschen ist auch der individuelle Nut-
zen der europäischen Integration. Wenn wir uns die Ex-
portzahlen anschauen, stellen wir fest: Zehntausende Ar-
beitsplätze bestehen in Deutschland allein dadurch, dass
die neuen Mitgliedstaaten viel mehr Waren aus Deutsch-
land einführen, als sie hierher exportieren. Durch das in-
tegrierte Europa können also Arbeitsplätze entstehen.
Ich bin außerordentlich dankbar, dass es jetzt in Europa
gelungen ist, zu sagen: Arbeitsplätze sollen am jeweili-
gen Ort entstehen. Europäische Fördermittel sollen nicht
dazu genutzt werden, von einem Land ins andere Land
transportiert zu werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auch dies ist heute in der Regierungserklärung der
Bundeskanzlerin deutlich geworden: Wir alle müssen
der EU mehr Beachtung schenken. Die Themen und Ent-
scheidungsprozesse in Brüssel verdienen mehr öffentli-
che Aufmerksamkeit; denn kritische Aufmerksamkeit
zwingt zu Transparenz: Was wird entschieden? Welche

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(C (D uswirkungen hat das? Welches sind die deutschen Inteessen? – Was man erreichen kann, wenn man sich früheitig um die Themen und die Entwicklungsprozesse in er Europäischen Kommission – ich nenne nur die Entenderichtlinie und die Dienstleistungsrichtlinie – kümert und darauf Einfluss nimmt, haben wir in diesen Ta en auch durch den Einsatz der Bundesregierung erlebt. enau so muss es gemacht werden. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frühzeitig? Das war vor zwei Jahren!)


enn die Dinge erst beschlossen sind und den nationa-
en Parlamenten vorgelegt werden, können wir sie nicht

ehr richten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir müssen schneller erfahren, welche Aufgaben aus
rüssel auf uns zukommen. Deshalb wird der Deutsche
undestag ein Verbindungsbüro in Brüssel einrichten.
ir müssen einfach schneller und dichter am Ball sein

nd in Brüssel deutlich machen: Der Deutsche Bundes-
ag ist nicht Vollstrecker der Brüsseler Bürokratie, son-
ern Mitgestalter europäischer Politik. Auch dafür sind
ir in die nationalen Parlamente gewählt worden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Frau Bundeskanzlerin, wir werden Sie und die Bun-
esregierung deshalb dabei unterstützen, europäische
ehlentwicklungen rechtzeitig zu verhindern und dafür
u sorgen, dass Richtlinienentwürfe dann nicht auf den
eg gebracht werden, wenn sie nicht notwendig sind

nd wenn sie unseren Interessen nicht entsprechen. Wir
erden uns also früher und mehr um Brüssel kümmern,

ehr viel mehr, als es in der Vergangenheit geschah. Nur
o können wir mitgestalten.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich gespannt!)


Die Europäische Union hat Kompetenzen an sich ge-
ogen, die besser bei den individuellen Mitgliedstaaten
ufgehoben wären. Dort aber, wo die Handlungsfähig-
eit der EU wirklich gefragt ist, sind die Fortschritte
urchaus noch ausbaufähig. Die Bundeskanzlerin hat ein
entrales Thema angesprochen, die europäische Außen-
nd Sicherheitspolitik. Sie hat völlig zu Recht darauf
ingewiesen, dass bezogen auf die Frage „Was ist auf
em Balkan geschehen und wie haben wir reagiert?“
icht die Außenpolitik der EU versagt hat. Das Problem
ar vielmehr, dass sich die Nationalstaaten, die noch gar
eine EU-Politik formuliert haben, nicht rechtzeitig und
ichtig haben einigen können. Deshalb ist die Frage, wie
ie Europäische Union Außenpolitik gestalten und mit
iner Stimme sprechen kann – ich nenne beispielhaft nur
as uns so berührende Thema: Wie gehen wir mit dem
ran um? –, von zentraler Bedeutung. Nicht die Sonnen-
cheinrichtlinie ist die Zukunft der EU, sondern die au-
enpolitische Handlungsfähigkeit – das ist die Zukunft.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A)



(B) )


Volker Kauder
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die EU hat
eine enorme Anziehungskraft nach außen. Diese Aus-
strahlung verschafft Autorität und hat bisher erfolgreich
Stabilität, Wohlstand, Demokratie und Sicherheit ver-
breitet. Dabei waren die Erweiterungen der EU not-
wendig und sinnvoll und nicht Ausfluss einer Gefällig-
keitspolitik. Die Länder müssen fit für Europa sein;
darauf hat die Bundeskanzlerin hingewiesen. Deswegen

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1603501400
Jawohl, Rumänien
und Bulgarien gehören zu Europa. Ich sage Bulgarien
und Rumänien aber auch: Im Schlussspurt gibt es noch
etwas tun. – Wir werden den Fortschrittsbericht ganz ge-
nau anschauen. Bulgarien und Rumänien haben jetzt
noch Zeit, einiges zu verändern. Die Voraussetzungen
für Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit müssen auf dem
Weg nach Europa gewährleistet sein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es ist auch richtig, dass wir angesichts der Größe der
EU in Zukunft kreativ sein müssen, wenn es darum geht,
neue Formen außenpolitischer Zusammenarbeit zu ent-
wickeln. Eine vernünftige Nachbarschaftspolitik – das
wurde bereits formuliert – ist eine wichtige Zukunftsauf-
gabe für die Union. Bei der weiteren Entwicklung der
Union sind wir uns aber durchaus auch unserer gemein-
samen Werte der Aufklärung, des christlichen Men-
schenbildes und unserer Begabung zur Freiheit bewusst.
Deshalb ist es auch richtig, dass diese Grundpositionen
in einem EU-Verfassungsvertrag angesprochen werden.
Das sind aus unserer Sicht konstituierende Elemente für
eine Europäische Union.

Wer glaubt, etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu
werden.

Diese Einsicht von Sokrates hat auch für die Europäi-
sche Union Bestand.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Ungeachtet der Denkpause für Europa – der Status quo
ist keine Lösung. Die EU muss ihre Fähigkeit, Probleme
zu lösen, auf einer neuen Stufe beweisen. Dann wird
auch ihr Nutzen wieder deutlicher sichtbar werden und
die Europäische Union wird eine größere Zustimmung
durch die Menschen erfahren.

Zum Schluss möchte ich uns allen eine kluge Mah-
nung des Verfassungsrichters Udo di Fabio mitgeben:

Nicht nur der freiheitliche Nationalstaat, sondern
auch die Europäische Union ist kein Selbstzweck,
sondern um der Menschen willen und ihrer Würde
und Freiheit wegen da.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1603501500

Das Wort erhält nun die Vorsitzende der Fraktion des

Bündnisses 90/Die Grünen, Renate Künast.

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(C (D Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Ver aub, Frau Bundeskanzlerin, mir war diese Regierungsrklärung in Sachen Europa zu wenig. as war eine Art abstraktes Gemälde. Es war mir aber u abstrakt. Wenn Sie entlang der Straße Unter den Linen zur Humboldt-Universität gehen, dann können Sie ort im Eingangsfoyer einen Satz von Marx lesen. Dort teht: Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert. Es kommt aber darauf an, sie zu verändern. ie haben heute nur interpretiert und nicht konkret geagt, was Sie verändern wollen. Ich muss allerdings sagen, dass ich froh darüber bin, ass Sie sich mit dieser Verve positiv für Europa positioieren. Es fehlt nur noch, dass Sie auch Herrn Kauder an ieser Stelle überzeugen. Warum? Wir alle haben noch n Erinnerung, wie gerade die CDU/CSU in den letzten ahren systematisch Emotionen gegen die Europäische nion geschürt hat. Sie können ruhig lachen. Sie haben sie systematisch eschürt. Das war im Prozess hin zu Europa zu keinem eitpunkt hilfreich. Es geht nicht nur um Bürokratieabbau und Ähnliches. ie Leitfrage an dieser Stelle muss lauten: In welchem uropa wollen wir leben? Das ist die Frage, auf die die enschen eine Antwort haben wollen. Was sollen sie im erzen fühlen, wenn es darum geht, warum dieses Eu opa existiert und warum sie dafür Steuern zahlen? Es eht darum, dass wir in dieser kleinen politischen Krise er Europäischen Union – so kann man es nennen – eue Ziele und Visionen setzen und eine nächste Zünungsstufe erreichen. Es muss den Menschen aber auch twas bringen. Ich sage – frei nach von Jacques elors –: Die Menschen verlieben sich eben nicht in eien gemeinsamen Markt, sondern nur in das Wissen daum, dass es ihnen persönlich im Alltag und für die Zuunft ihrer Kinder etwas bringt. Es reicht nicht, zu sagen, wie – und warum – sich die uropäische Union entwickelt. Wir sind von den Rohtoffen Kohle und Stahl sowie von den besonderen Inteessen einiger Länder an der Landwirtschaft ausgeganen. Wir müssen aber über den Rohstoff der Zukunft reen. Die wichtigsten Rohstoffe der Zukunft sind nergie, Bildung und Forschung. Darüber haben Sie u wenig geredet. Das Soziale leitet sich daraus ab. Sie werden es meren, wenn Sie genau hinschauen. Die Rohstoffe heißen )

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603501600

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Lachen bei der CDU/CSU)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Zuruf von den Linken: Und Soziales!)







(A) )



(B) )


Renate Künast
Energie, Bildung und Forschung. Das sind die Zukunfts-
fragen. Auf diese Fragen brauchen wir europaweit Ant-
worten. Dabei kann und muss uns auch der Verfassungs-
vertrag helfen.

Ich habe mit Freude gehört, Frau Merkel, dass Sie ge-
sagt haben: Die Europäische Union braucht eine neue
Begründung. – Sie müssen dann aber auch sagen, was
das sein soll. Das ist mehr als Ihr Satz: Wir müssen die
Globalisierung nach unseren Werten gestalten. – Sie
müssen auch sagen, welche Werte Sie meinen. Dabei
geht es nicht einfach um die Freiheit, weltweit Geld zu
investieren. Es geht auch nicht einfach um die Freiheit
großer Unternehmen, sich überall in der Welt niederzu-
lassen und sich dies durch die WTO absichern zu lassen.

Wir sagen: Die Europäische Union muss dafür stehen,
dass das Leben und die Gesundheit eines jeden Men-
schen, die sozialen Aspekte und auch der Erhalt der na-
türlichen Lebensgrundlagen in der EU und im internatio-
nalen Handel abgesichert werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die EU hat in vielen Bereichen keine guten Be-
schlüsse gefasst und Entscheidungen getroffen. Frau
Merkel hat zum Beispiel über die Dienstleistungsricht-
linie geredet. Ich meine, dass die Dienstleistungsricht-
linie kein Beispiel für einen guten Kompromiss ist. Das
Schlimmste haben wir zwar verhindert, aber ein wirklich
guter Kompromiss ist das immer noch nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Beispielsweise sind die Kompromisse bei REACH das
Ergebnis aggressiver Lobbyarbeit und der Falschaussa-
gen der Chemielobby. Auch dies ist kein guter Kompro-
miss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir können und dürfen in Europa nicht auf bessere
Zeiten warten, sondern wir müssen jetzt etwas tun. Wir
brauchen eine Kultur der Exzellenz im Bildungsbe-
reich im Wettbewerb um die klügsten Köpfe. Aber in ei-
ner solchen Exzellenz müssen sich alle, nicht nur Eliten
entwickeln können.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen beim Bürokratieabbau gerne mitmachen.
Aber, Frau Merkel, Bürokratieabbau darf nicht heißen,
Standards abzubauen. Die europäischen Standards für
die Umwelt und das Soziale sind keine Knebelung, viel-
mehr dienen sie den Zielen der Europäischen Union, da-
mit die Menschen gesund leben können und auch nach-
folgende Generationen eine gesunde Umwelt haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das von Ihnen gezeichnete Gemälde der Europapoli-
tik war viel zu abstrakt, weil Sie zum Beispiel über Wett-
bewerb reden, aber nicht sagen, wie es mit der Lissa-
bonstrategie weitergeht. Die EU will weltweit zu einer
der wettbewerbsfähigsten Regionen werden. Aber im
Energiebereich sind wir davon meilenweit entfernt.

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(C (D berall auf der Welt dreht sich alles um Energie. In ussland, China, Indien oder auch in Südamerika hat an entweder die entsprechenden Rohstoffe oder sichert ie sich mit Verträgen auf Jahrzehnte hinaus. Unsere Wirtschaft leidet unter den hohen Rohstoffreisen. Die Verbraucher haben im wahrsten Sinne des ortes die Schnauze voll, wenn sie regelmäßig stei ende Rechnungen bezahlen müssen. Sie aber haben icht gesagt, wie die Energiepolitik aussieht. Die Euroäische Union braucht eine neue Energiekultur. Nur so ann diese Lücke geschlossen werden. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das heißt für uns, bis 2020 brauchen wir eine neue
nergiekultur, mit der Europa zur energieeffizientesten
egion der Welt wird. Alle Maßnahmen, die wir in Eu-

opa treffen, und alle Ausgaben müssen sich an diesem
iel messen lassen. Das können wir nicht aufschieben.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen – das sage ich, weil Frau Merkel die
anze Zeit über von der Verbindung von nationalen und
uropäischen Elementen geredet hat – nicht einfach nur
mmer mehr Gipfel, auf denen viel geredet wird, aber am
nde nichts Konkretes herauskommt. Lassen Sie mich
azu Goethe zitieren: „Über allen Gipfeln ist Ruh“.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Erst Marx, dann Goethe! – Dr. Werner Hoyer [FDP]: Aber die Qualität steigt!)


Da sehen Sie: Quer durch Deutschland können wir auf
itate zurückgreifen, Herr Kollege. Das ist der Neid der
ildungsbürger, oder?

Wir brauchen Gipfel, die zu einem Ergebnis führen.
ie Menschen müssen merken: Die Gelder werden nicht
ehr für veraltete Strukturen in der EU ausgegeben.
rau Merkel ist einmal hinter Tony Blair hergelaufen
nd hat mit Verve gerufen, dass zu viel Geld für die
grarwirtschaft und zu wenig für Zukunftsaufgaben aus-
egeben wird. – Was ist denn heute mit diesem Satz? Wo
aben Sie denn gefordert, die Gelder anders auszuge-
en?

Ich will Ihnen zwei Beispiele nennen. Wenn wir über
ine neue Bildungs- und Forschungspolitik reden, weil
edes Kind in Europa – egal wo und egal, wie viel Geld
ie Eltern in der Tasche haben – einen wichtigen Roh-
toff darstellt, dann brauchen wir an dieser Stelle neuen
chwung; dann müssen Bildung und Forschung neu aus-
erichtet werden.

Wir müssen – sozusagen in einer Kultur der Exzellenz –
n Europa das Auto entwickeln, das ohne Öl angetrieben
ird, und es weltweit vermarkten. Aber dann müssen im
iebten Forschungsrahmenprogramm auch endlich neue
rioritäten gesetzt werden. Man muss vorrangig mo-
erne Technologien unterstützen, zur schnellen Reduk-
ion von CO2-Emissionen beitragen, sich um den größ-
en Einspareffekt durch mehr Effizienz bemühen und
lar sagen, dass es nicht angeht, den obsoleten Eura-






(A) )



(B) )


Renate Künast
tomvertrag noch mit weiteren Forschungsgeldern zu
bedenken. 4,8 Milliarden Euro in Euratom zu inves-
tieren, ist falsch; sie müssen stattdessen in erneuer-
bare Energien und in eine Effizienzstrategie investiert
werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Eines ist klar: Der Atomausstieg in Deutschland ist
richtig. Was aber in Deutschland richtig ist, darf nicht in
der Europäischen Union konterkariert werden. Dabei
sind Sie, Frau Merkel, und diese Bundesregierung gefor-
dert, sich nicht darauf zurückzuziehen, dass in Deutsch-
land bis 2009 der Koalitionsvertrag gilt, während in der
europäischen Politik genau das Gegenteil gemacht wird.

Die Zukunft auch der Lissabonstrategie liegt darin,
dass wir uns in der Energiepolitik weiterentwickeln.
Deshalb müssen die Investitionen verlagert werden.

Sie haben über internationale Aufgaben geredet.
Diese bestehen aber nicht nur in der allgemeinen Fest-
stellung, wir würden unsere Werte Glück bringend wei-
terverbreiten. Im nächsten Jahr ziehen wir fünf Jahre
nach dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in
Johannesburg eine Zwischenbilanz. Dabei geht es auch
um die Aufgaben, zum Beispiel um die klare Verpflich-
tung – auch dieser Bundesregierung –, Millionen von
Menschen aus der Armut zu befreien, das heißt, mehr in
Entwicklungshilfe zu investieren und die europäische
Außen- und Sicherheitspolitik entsprechend auszurich-
ten. Es geht um nachhaltige Entwicklung und Krisenprä-
vention, auch bei der G-8-Präsidentschaft. Es geht vor
allem darum, weitere Beiträge zu leisten, damit die Do-
harunde tatsächlich eine Runde für die Entwicklungslän-
der wird.

Ich habe Ihrer Regierungserklärung genau zugehört
und war froh, dass Sie nicht in alter CDU-Manier davon
gesprochen haben, dass das Boot voll sei.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


Diese Mentalität hat zwar Herr Kauder ein bisschen auf-
gegriffen, aber nicht die Bundeskanzlerin. Das war in ih-
rer Rede positiv.

Es geht bei den neuen Aufgaben um die Weiterent-
wicklung der europäischen Nachbarschaftspolitik für
all diejenigen, die wir zumindest heute nicht aufnehmen
können. Aber dann sollten wir nicht so tun, Frau Merkel,
als würden wir den anderen einen Gefallen tun. Viel-
mehr haben die Europäische Union und auch Deutsch-
land ein vehementes und elementares Interesse an solch
einer neuen Nachbarschaftspolitik: denn wir wollen,
dass die Länder, die aus alten Systemen herausgefallen
sind, eine Perspektive bekommen und sich orientieren
können. Lassen Sie uns also ehrlich sagen: Die Europäi-
sche Union muss auch dann, wenn ihr nicht alle beitreten
können, gegenüber den Nachbarn mit offenen Armen da-
stehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen unsere internationale Politik ausbauen.

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(C (D Lassen Sie mich noch auf eines hinweisen: Die euroäische Außenund Sicherheitspolitik muss sich in iesen Tagen an zwei Bereichen messen lassen. Das eine st das Thema „Kongo“, über das wir demnächst auch ier diskutieren werden. Ich halte es für richtig, dass die uropäische Union auf die Bitte der UN eingeht, im ongo einen demokratischen Prozess zu organisieren und u unterstützen. Es wird aber im Zusammenhang mit dem ongo auch um die Frage gehen, was wir darüber hinaus n. Wie helfen wir beim Ausbau der dortigen Sicher eitsstrukturen? Wie helfen wir bei der Bekämpfung der orruption und wie helfen wir, dass der Nutzen der ertvollen Bodenschätze der Bevölkerung statt irgendelchen Eliten oder anderen Staatsangehörigen zugute ommt? Ich habe die Rede der Kanzlerin auch in einem andeen Zusammenhang – ich denke dabei an den Iran – geau verfolgt. Europa muss zeigen, dass es die internatioale Politik gegenüber dem Iran bestimmen kann. Wir ollen keine militärische Lösung. Wir wollen das, was m Irak passiert ist, nicht noch einmal erleben. Wir wisen darum, dass wir immer für die Existenz Israels steen und eintreten wollen. Wir müssen an der Stelle eine eistung bringen: Wir müssen ein Anreizpaket schaffen. uropas Aufgabe besteht darin, dem Iran klar zu mahen, dass wir ihm sozusagen die „Carrots and Sticks“ inhalten und dass Europa immer dafür sorgen wird nur dann wirkt diese Maßnahme –, dass alle Länder emeinsam hinter diesem Anreizpaket stehen werden. ur dann haben zivile Lösungen eine Chance und nur ann wird der Druck entsprechend stark. Mein letzter Satz. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben iel von mehr Transparenz und Kontrolle in Europa geprochen. Ich sage Ihnen an dieser Stelle eines: Es gibt inen Punkt, an dem Sie beginnen können. Es geht in uropa nicht nur um die Frage, wer verantwortlich ist das Europäische Parlament oder die nationalen Parlaente –, sondern auch um die Frage, wer wie viel Geld rhält. Ich fordere Sie daher auf: Unterstützen Sie die ransparenzinitiativen der Kommission! Europa ommt nur weiter, wenn wir die finanziellen Mittel umchichten. Der erste Schritt dahin ist, für mehr Transpaenz zu sorgen, sodass man weiß, wer in Europa etwas on den satten Geldern erhält. Ich weiß, dass das die andwirte, zumindest die großen, treffen wird. Aber das äre der erste Schritt. Dann wären Sie mit einem Verfas ungsvertrag, mehr Transparenz und einer neuen internaional verantwortlichen Politik auf dem richtigen Weg. Frau Kollegin Künast, ich bin immer ganz beein ruckt, wenn nach Überschreiten der Redezeit der letzte atz angekündigt wird, und wäre noch mehr erleichtert, enn er in der Nähe der Ankündigung tatsächlich er olgte. Präsident Dr. Norbert Lammert (Heiterkeit – Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich bemühe mich!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1603501700




(A) )


(B) )


Das Wort hat nun der Kollege Michael Roth für die
SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1603501800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eu-

ropa, die Europäische Union braucht endlich wieder
mehr Mut und weniger Verzagtheit und Kleingläubig-
keit. Ich störe mich ein wenig daran, wie pessimistisch
und verdrossen wir über das große Projekt Europa reden
und wie wenig wir bereit sind, mit den Bürgerinnen und
Bürgern ins Gespräch darüber zu kommen,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


warum es sich lohnt, Europa stark, handlungsfähig, de-
mokratisch und zukunftsfähig zu machen. Nur so kann
ein Aufbruch entstehen, und zwar sowohl in Deutsch-
land als auch in ganz Europa. Ich frage mich manchmal,
wo in Europa, in den Mitgliedstaaten der Europäischen
Union, diejenigen sind, die zu Erneuerung und Verände-
rung bereit sind? Wo sind die Politikerinnen und Politi-
ker, die die Krise, in der wir uns befinden, als eine
Chance verstehen?

Der Kollege Kauder hat eben große Christdemokraten
angesprochen. Ich möchte ein paar Sozialdemokraten er-
wähnen, und zwar nicht nur Willy Brandt und Helmut
Schmidt, sondern auch Jacques Delors – ihn hat schon
Frau Künast erwähnt –, François Mitterrand und Olof
Palme. Sie alle sind Männer – leider ist noch keine Frau
darunter –, die nach vorne geschaut haben, die Visionen
hatten und die sich auch dem Mainstream entgegenge-
stellt haben. Solche Politiker brauchen wir in der Euro-
päischen Union wieder.


(Beifall bei der SPD)


Ich hoffe, dass solche Männer und Frauen auch im Bun-
destag und auf der Regierungsbank sitzen.

Nach den gescheiterten Referenden in Frankreich und
den Niederlanden ist man nicht müde geworden, den
Menschen einzureden, dass nun in Europa kleine Bröt-
chen gebacken werden müssten. Welch ein Unsinn! Seit
wann haben Kleinmut und Verzagtheit zu neuen Ufern
geführt? Deutschland hat sich im Übrigen immer, auch
und gerade in schwierigen Zeiten, als Motor eines demo-
kratischen, handlungsfähigen und solidarischen Europas
verstanden. Auch unsere Partner erwarten das von uns.
Sie erwarten von uns neue Ideen. Wir pflastern im Mo-
ment die ganze Hauptstadt mit den etwas merkwürdig
anmutenden Installationen zum Thema „Land der
Ideen“. Nun zeigen wir doch einmal, dass wir wirklich
ein Land der Ideen sind, dass wir bereit sind, Europa
nach vorne zu bringen. Wir dürfen uns nicht nur zurück-
halten und in Passivität üben.


(Zuruf von der LINKEN: Vorschläge!)


– Es liegen schon zahlreiche Vorschläge vor. Auf ein
paar werde ich noch zu sprechen kommen.

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(C (D Es stimmt zwar, dass die europäische Verfassung in wei Staaten keine Zustimmung gefunden hat. Aber veressen wir nicht: In 15 Staaten hat es eine ganz klare ehrheit dafür gegeben. Diese 15 Staaten repräsentieren ie Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in der Euroäischen Union. Erst vorgestern hat Estland ein ganz lares Zeichen gesetzt. Finnland erwägt, die europäische erfassung zu ratifizieren, genauso wie Portugal. Das ist ahrer Mut und wahres Verantwortungsbewusstsein. So acht man die so genannte Reflexionsphase zu etwas ertvollem und signalisiert: Die Verfassung ist nicht tot. ieses Verfassungsprojekt hat eine Zukunft. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich weiß, dass auch bei uns im Bundestag die Verfas-
ungsdebatte allzu oft missverstanden wurde. Viele hiel-
en sie für eine kleinkarierte Debatte, für Glasperlen-
piele von Juristen und Politologen. Sie fragten sich, was
igentlich die Botschaft sei, die hinter dieser Verfassung
tehe. Es geht dabei nicht nur um Institutionen und um
trukturen. Darauf hat die Bundeskanzlerin hingewie-
en. Es geht um die große Frage, wie wir Globalisie-
ung demokratisch gestalten und wie wir uns in den Pro-
ess der Globalisierung einbringen können. Das geht
icht, indem wir Ängste schüren wie die PDS, sondern
ndem wir deutlich machen, dass die Politik es schafft,
en Menschen nach innen und nach außen Sicherheit zu
eben und auch soziale Sicherheit zu schaffen. Das ist
nser großes Projekt.

Wir müssen endlich den Beweis erbringen, dass Ver-
iefung und Erweiterung zwei Seiten derselben Medaille
ind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ie EU hat sich aus guten Gründen erweitert. Wir haben
ie Teilung Europas überwunden. Jetzt müssen wir mit
er Vertiefung voranschreiten. Eine immer größer wer-
ende Europäische Union braucht mehr Demokratie, sie
raucht handlungsfähige Strukturen und sie muss außen-
olitisch – da hat Herr Kauder völlig Recht – mit einer
timme sprechen und einheitlich handeln. Da haben wir
och verdammt viel zu tun.

Die Verfassung gibt nicht in allen Bereichen ausrei-
hende Antworten. Sie ist aber ein wichtiger Schritt nach
orne. Wenn man die Verfassung mit den Ergebnissen
er Regierungskonferenzen von Amsterdam und Nizza
ergleicht, dann stellt man fest, dass sie ein großer
chritt nach vorne gewesen ist, den die Parlamentari-
rinnen und Parlamentarier des Europäischen Parla-
ents und der nationalen Parlamente ermöglicht haben.

ch bin durchaus bereit, darüber zu streiten, ob es zu die-
em Verfassungsvertrag nicht möglicherweise Ergänzun-
en geben kann, um die Kernbotschaften der Verfassung,
ie anders lauten, als Sie, Herr Gysi, es dargestellt ha-
en, zu schärfen. Kritik kann aufgenommen werden. Es
ann durchaus eine Erklärung zur sozialen oder kulturel-
en Identität aufgenommen werden, die Präambel kann
evidiert oder es können Teile aus der Verfassung he-
ausgelöst werden, die nicht zwangsläufig in eine Ver-
assung gehören. Lassen Sie uns darüber reden! Lassen






(A) )



(B) )


Michael Roth (Heringen)

Sie uns deutlich machen, dass wir den politischen Willen
dazu haben! Danach können uns Juristinnen und Juristen
erklären, ob das alles zu machen ist. Wir brauchen zu-
nächst einmal einen Schritt nach vorne und die Bot-
schaft, dass wir dieses Projekt wirklich realisieren wol-
len.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Acht Kolleginnen und Kollegen hatten in dieser Wo-
che Gelegenheit, an der Konferenz des Europäischen
Parlaments und der nationalen Parlamente in Brüssel
teilzunehmen. Ich war hocherfreut, zu sehen, dass es un-
ter den Abgeordneten ganz viele Freundinnen und
Freunde dieses Verfassungsprojekts gibt, gerade aus den
Ländern, in denen es keine Mehrheit – noch keine Mehr-
heit – für das Verfassungsprojekt gegeben hat. Darauf
sollten wir aufbauen.

Die Grundsatzdebatte wird durch einen Beitrag der
EU-Kommission ergänzt. Sie hat sich gestern dazu geäu-
ßert. Sie will Ergebnisse für Europa liefern. Ich hätte mir
von der Europäischen Kommission mehr Selbstkritik ge-
wünscht. Die ursprünglichen Vorschläge der Kommis-
sion zur Dienstleistungsrichtlinie – Stichwort Bolkestein –
haben zum Glaubwürdigkeitsverlust der EU beigetra-
gen, weil nicht deutlich wurde, dass eine Vervollkomm-
nung des Binnenmarktes auch Solidarität bedeutet. Wir
dürfen den Binnenmarkt nicht in dem Sinne vervoll-
kommnen, dass Lohndumping betrieben wird und sozi-
ale Standards in den Mitgliedstaaten gefährdet werden.
Das ist die Botschaft. Ich hoffe, dass die Kommission
diese Botschaft, die von den Menschen und den nationa-
len Parlamenten kam, verstanden hat.


(Zuruf von der LINKEN)


Auch von einigen nationalen Regierungen hat es Zu-
stimmung für die Vorschläge der Kommission gegeben.
Auch ihnen gegenüber ist Kritik angebracht. Zu dieser
Kritik gehört auch Selbstkritik. Wir tun oft so, als
komme das Gute nur aus den nationalen Hauptstädten
und das Schlechte immer aus Brüssel. Das ist falsch.
Kein einziges Gesetz kommt in der EU zustande, ohne
dass die nationalen Regierungen im Rat mitwirken. Wir
sitzen bei der europäischen Gesetzgebung immer mit im
Boot. Wir sollten den Leuten keinen Sand in die Augen
streuen, sondern deutlich machen, dass wir ein ganz
wichtiger Partner dieses Europas sind. Die nationalen
Hauptstädte gehören unverzichtbar zu Brüssel.

Wir kennen das Spiel: Früher hat man bei Ratlosigkeit
einen Arbeitskreis gegründet, heute eröffnet man eine
Denkpause. Das ist die so genannte Reflexionsphase.
Diese soll verlängert werden. Ich bin skeptisch. Offen-
sichtlich verstehen viele unter einer Denkpause nicht
eine Pause zum Denken, sondern eine Pause vom Den-
ken. Wir sollten jetzt deutlich machen, dass zu dieser
Reflexionsphase Ideen und die Bereitschaft, sich zu
streiten, gehören. Das fehlt mir.


(Beifall bei der SPD)


Ich danke der Bundeskanzlerin und dem Außenminis-
ter dafür, dass sie sich für die Verfassung einsetzen.

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(C (D uch die EU-Kommission sollte die Initiative ergreifen nd in die Offensive gehen. Was sie momentan aber bereibt, ist „Rosinenpickerei durch die Hintertür“. Es ist war sachlich richtig, dass die Europäische Union perpektivisch mehr Kompetenzen im Bereich der sozialen icherheit und bei der polizeilichen und justiziellen Zuammenarbeit braucht – sicherlich geht es auch um ein esseres Miteinander zwischen den nationalen Parlaenten und dem Europäischen Parlament –; aber jetzt zu ordern, der europäischen Ebene neue Kompetenzen zuommen zu lassen, ist verantwortungslos. Wir halten eien solchen Schritt nur dann für verantwortbar, wenn ieses Verfassungsprojekt als Ganzes durchgesetzt wird. enn eine Verlagerung zusätzlicher Kompetenzen auf ie europäische Ebene ist nur in Verbindung mit Ratsreormen akzeptabel, zum Beispiel dem Prinzip der dopelten Mehrheit, und einem gestärkten Europäischen arlament. Nur wenn das gegeben ist, können wir der bwanderung von weiteren Kompetenzen auf die euroäische Ebene zustimmen. Wir sollten uns dagegen wehen, dass die Kommission durch die Hintertür die Aufeichung dieses Verfassungskompromisses betreibt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1603501900

Herr Kollege Roth, schauen Sie bitte gelegentlich auf

ie Uhr.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1603502000

Frau Bundeskanzlerin, zum Schluss möchte ich gern

och eine Bitte äußern. Wie der Kollege Kauder eben
chon angesprochen hat, stehen Bundestag und Bundes-
egierung in Verhandlungen darüber, wie wir die Mit-
irkungs-, die Mitentscheidungs- und auch die Kon-

rollmöglichkeiten des Bundestages ausweiten können.
ch würde mich sehr darüber freuen, wenn Sie, Frau
undeskanzlerin, die Verhandlungsführer der Bundesre-
ierung, nämlich Staatsminister Gloser und Staatssekre-
är Hintze, bei dieser Arbeit unterstützten.

Wir brauchen eine parlamentsfreundliche Regelung.
ehr Rechte für das deutsche Parlament bedeuten nicht
ehr Blockaden, sondern ein höheres Maß an Legitima-

ion für europäische Entscheidungen, ein Stück mehr
erantwortung für den Bundestag und auch unsere Ver-
flichtung, Europapolitik endlich ernster zu nehmen, als
ir es in den vergangenen Jahren getan haben. Ich wün-

che mir mehr Mut, mehr Entschlossenheit. Vielleicht
ann auch die heutige Debatte einen kleinen Beitrag
azu leisten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1603502100

Das Wort hat nun der Kollege Christian Ahrendt für

ie FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Christian Ahrendt (FDP):
Rede ID: ID1603502200

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Wir haben jetzt viel zum Thema
„europäische Verfassung“ gehört. Wir haben in dieser
Woche lesen müssen – wir haben auch in der Regie-
rungserklärung heute Morgen nichts dergleichen gehört –,
dass die Bundesregierung keine Initiative plant, den EU-
Verfassungsprozess neu zu beleben. Ich halte dies für
unverständlich. Es ist vielleicht aus Sicht der Bundesre-
gierung verständlich, sich auf den Standpunkt zu stellen,
dass dieser Verfassungsprozess derzeit nicht von Erfolg
gekrönt ist und dass eine neue Initiative daher keinen Er-
folg haben kann. Ich glaube, dass das ein Irrtum ist. Eu-
ropa – weniger Deutschland – braucht vielmehr gerade
das, was die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklä-
rung im letzten Jahr hier vorgetragen hat: Es sind die be-
rühmten kleinen Schritte, die uns in Europa weiterbrin-
gen. Diese Schritte müssen gewagt werden.

Die EU-Verfassung ist in erster Linie daran geschei-
tert, dass sie eine Verfassung für Politiker, für Verwal-
tungen und weniger eine Verfassung für Menschen ist.
Sie ist letztendlich auch dort gescheitert, wo sie den Bür-
gerinnen und Bürgern in Europa begegnet ist. Den Ernst-
fall haben wir in Frankreich und in den Niederlanden ge-
sehen: Dort ist die Verfassung in einem Referendum
abgelehnt worden.

Wir können diesen Zustand nur ändern, wenn wir
kleine Schritte gehen. Die FDP hat Ihnen hier einen sol-
chen kleinen Schritt vorgeschlagen, indem sie beantragt
hat, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der
Kommunen zu erleichtern. Wir alle wissen, dass die
Grenzregionen in Europa ein wesentlicher Faktor sind,
um den europäischen Integrationsprozess voranzubrin-
gen. Die Bürger in den Grenzregionen erleben, wie Eu-
ropa etwas vor Ort regeln kann.

Ich will das an einem kleinen Beispiel erläutern. Der
Zweckverband auf der Insel Usedom kann sein Abwas-
ser in Zukunft nicht mehr entsorgen, weil die Kapazitä-
ten ausgeschöpft sind. In der Stadt Swinemünde gibt es
ausreichende Klärwerkskapazitäten. Um eine Zusam-
menarbeit zwischen dem Zweckverband auf der einen
Seite und der Stadt Swinemünde auf der anderen Seite
zu ermöglichen, bedarf es zwischenstaatlicher Überein-
kommen, die derzeit nicht geschlossen werden können.

Ein solches Modell gibt es aber. Das ist das Karlsru-
her Übereinkommen von 1996, damals geschlossen
zwischen der Schweiz, Frankreich, Luxemburg und
Deutschland. Das hat Modellcharakter. Wir brauchen
dieses Modell nur umzusetzen. Das ist ein kleiner
Schritt, wenn es darum geht, die Integration in Europa
gerade in den Grenzregionen nach vorn zu treiben und
damit auch den Verfassungsprozess neu zu beleben, aus
dem einfachen Grund: Wenn die Menschen anhand kon-
kreter Beispiele endlich erleben, wie die europäische In-
tegration auch bei ihnen vor Ort wirkt, dann kommen
wir dem Ziel ein Stück näher, dass die Verfassung nicht
nur in den Parlamenten Aussicht auf Erfolg hat, sondern
dass sie auch in den Köpfen der Menschen verankert
wird und wir am Ende einen erfolgreichen Verfassungs-
prozess erleben.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D Wenn wir diesen Weg gehen und Sie den Antrag unerstützen, dann ist das einer der Schritte, die wir brauhen, um den Gesamtprozess wieder zu beleben. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Henning Otte ür die CSU/CSU-Fraktion. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun eskanzlerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der DR hat in dieser Woche anlässlich des Europatages zu inem Forum in Berlin mit dem Thema „Europas ungeisse Zukunft“ eingeladen. Auch dieses Forum hat vereutlicht, dass die Zukunft Europas nicht von sich aus siher ist, sondern aktiv gestaltet werden muss. Europa raucht dazu mehr Vertrauen. Die Politik muss noch stärker für die Akzeptanz Euopas werben. Sie muss Entscheidungen transparenter achen, damit der europäische Gedanke einen festen latz im Bewusstsein der Bürger erlangt. Dafür brauhen wir ein europäisches Wir-Gefühl, das Bewusstein für eine große gemeinsame Aufgabe. Herr Gysi, zu hrer Neiddiskussion kann ich nur sagen: Sie haben diese emeinsame Aufgabe, dieses europäische Wir-Gefühl och immer nicht verstanden. Wir müssen die Menschen mitnehmen und ihnen die orzüge Europas gerade für unser Land, aber auch für uropa insgesamt deutlich machen. Die Menschen sind ritisch. Die Menschen wissen aber auch um die Notendigkeit und Bedeutung Europas. Das zeigt sich insesondere darin, dass nach einer jüngsten Forsa-Umrage 50 Prozent der befragten Bürger der Meinung sind, uropa sei für sie im vergangenen Jahr wichtiger geworen. Über 60 Prozent halten eine EU-Verfassung für notendig. Wir alle, meine sehr verehrten Damen und Herren, ob n den nationalen Parlamenten und Regierungen oder in en EU-Institutionen, sind aufgefordert, die Sorgen der enschen ernst zu nehmen und sie mit einem vernünfti en Konzept zu überzeugen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Michael Roth [Heringen] [SPD])


(Beifall bei der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1603502300

(Beifall bei der CDU/CSU)

Henning Otte (CDU):
Rede ID: ID1603502400

(Beifall bei der CDU/CSU)


ir müssen ihnen verdeutlichen, dass die EU-Bürger
it Europa in eine Win-win-Situation kommen.

Lassen Sie mich das an drei Beispielen festmachen:
n der Erweiterung, an der Energiepolitik und an der
trukturförderung.


(Zuruf von der LINKEN: Da sind wir jetzt aber gespannt!)


Vor zwei Jahren hat die EU die größte Erweiterungs-
unde ihrer Geschichte vollzogen. Heute können wir zu






(A) )



(B) )


Henning Otte
Recht sagen: Das war ein wichtiger, ein richtiger Schritt
und ein Erfolg. Wir haben nicht nur die Vollendung der
Vision Europas maßgeblich vorangebracht, sondern
auch die Teilung Europas endgültig überwunden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nach einer Studie des Deutschen Industrie- und Han-
delskammertages sind in Deutschland durch die EU-Er-
weiterung 80 000 neue Stellen geschaffen worden.
5,5 Millionen deutsche Arbeitsplätze werden durch den
Export in europäische Nachbarstaaten gesichert.

Wir dürfen angesichts der anstehenden Erweiterung
aber nicht vergessen: Nur eine funktionierende EU kann
den neuen Beitrittskandidaten die Unterstützung geben,
die sie erwarten.


(Vorsitz: Vizepräsident Wolfgang Thierse)


Vorfestlegungen und einen Beitrittsautomatismus darf es
nicht geben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir werden insgesamt nicht darum herumkommen,
uns auf Grenzen festzulegen und Wege zu entwickeln,
die abgestufte Modelle beinhalten. Folglich müssen
– hier denke ich an Bulgarien und Rumänien – die Auf-
nahmekriterien erfüllt werden. Nur wenn wir auf der Er-
füllung der Beitrittsbedingungen bestehen und die Bei-
trittskandidaten auch wissen, dass wir diese Vorsätze
ernst nehmen, kann Europa zu einem Markenzeichen
nach innen wie nach außen gedeihen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich erwarte, dass die Kommission ehrlich mit dem
Fortschrittsbericht umgeht und entsprechend reagieren
wird. Das gehört dazu, wenn eine Win-win-Situation
entstehen soll, und nur das schafft Vertrauen in Europa.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Energiepolitik wird in den nächsten Jahren eines
der zentralen und bestimmenden Themen sein. Die Ver-
sorgung eines Landes bestimmt die künftige Entwick-
lung, die Zukunftschancen, aber auch die Wettbewerbs-
fähigkeit. Die Energiepolitik in der Europäischen Union
muss mittel- und langfristig zu einer Verringerung der
Rohstoffimporte und zur Bekämpfung der globalen Kli-
maveränderung beitragen.

Aber sie muss auch einen Beitrag zur Lissabonstrate-
gie leisten. Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum kön-
nen nur mit einer wettbewerbsfähigen Energie und wett-
bewerbsfähigen Energiepreisen geschaffen werden. Hier
müssen wir auch die deutschen Interessen in der Ener-
giepolitik verdeutlichen: Wir wollen die weitere Libera-
lisierung und Öffnung der Märkte für Strom und Erdgas
und wir müssen unsere Versorgungssicherheit gewähr-
leisten sowie Energieeinsparung und den Ausbau erneu-
erbarer Energien, aber auch Innovation und Forschung
vorantreiben. Das hat die Frau Bundeskanzlerin in ihrer
Regierungserklärung ganz deutlich gesagt. Frau Künast
war anscheinend nicht im Bilde, als die Regierungs-
erklärung dazu abgegeben worden ist.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das kommt häufiger vor!)


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(C (D as war ein eindeutiger Schwerpunkt, den Frau Merkel ier gesetzt hat. Insgesamt setzen wir in Deutschland auf eine Zieltrias us Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und mweltverträglichkeit, und das im europäischen Kon ext. Das ist die Win-win-Situation, die wir in Deutschand brauchen, die Vertrauen schafft und die die Menchen von Europa überzeugt. Die Strukturhilfe im Rahmen der Zielförderung soie die Mittel für die Gemeinschaftsaufgaben stellen eien weiteren Bereich dar, an dem wir deutlich sehen, as Europa für uns leistet. Seit der Einigung des Minisrrates am vergangenen Freitag steht fest, dass die Ziel-1örderung für die neuen Bundesländer, aber auch für den o genannten alten Regierungsbezirk Lüneburg und dait für meinen Wahlkreis Celle–Uelzen ab 2007 bereit tehen wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU)


In einer beispielhaften Zusammenarbeit von Kom-
ission, Europäischem Parlament, Bundesregierung,
undestag sowie den Ländern und Kommunen konnte
ier ein hervorragendes Ergebnis erzielt werden. Dazu
ehört: Die private Kofinanzierung wird möglich sein.
ie Anrechenbarkeit der nicht erstattungsfähigen Mehr-
ertsteuer ist gesichert. Die gewerblichen Investitionen
önnen gefördert werden, ohne dass dies zu Abwande-
ungen führen wird. Das ist ein großer Erfolg für unsere
egion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir müssen nun gemeinsam am Ball bleiben, damit
ie Ausgestaltungen der Förderprogramme wirkliche
trukturverbesserungen vor Ort erzielen. Denn das,
eine sehr verehrten Damen und Herren, wird ein Ge-
inn für die Menschen vor Ort sein. Sie werden diese

uropäische Strukturförderung nutzen und damit wird
ie Akzeptanz für Europa weiter steigen. Das ist Aus-
ruck der Win-win-Situation vor Ort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
ns gemeinsam um Vertrauen für ein gemeinsames
uropa werben. Wir wollen dieses gemeinsame Europa
eiterbauen. Nicht mies machen, sondern anpacken, die
hancen für Deutschland und für Europa nutzen – das ist
as, was die Menschen von uns erwarten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1603502500

Kollege Otte, das war Ihre erste Rede im Deutschen

undestag. Herzliche Gratulation und alles Gute für Ihre
eitere Arbeit!


(Beifall)


Ich erteile nun Kollegen Diether Dehm, Fraktion Die
inke, das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) )



(B) )


Dr. Jörg-Diether Dehm-Desoi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603502600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bot-

schaft des französischen und holländischen Referen-
dums ist doch klar: Die Leute – auch die Mehrheit der
Deutschen, die Sie per Volksabstimmung zu Wort kom-
men zu lassen höchst vorsorglich nie gewagt haben –
wollen keine Verfassung, vor der sie in Deckung gehen
müssen, und keinen ungehemmten Wettbewerbskanniba-
lismus


(Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)


– natürlich! – über die Sozialbindung des Eigentums in
unserem Grundgesetz hinweg. Sie wollen keinen Ver-
fassungsvertrag, der dem neoliberalen Sozialdumping,
dem Lohndumping und dem Mittelstandsruin die Tore
sperrangelweit öffnet.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Leute wollen auch keine verfassungsmäßig legiti-
mierten EU-Eingreiftruppen rund um den Erdball. Die
Mehrheit der Europäer und auch wir wollen nicht kei-
nen, sondern einen anderen Verfassungsvertrag. Wir
wollen einen – ich zitiere aus unserem Entschließungs-
antrag –, der „die Grundintention eines sozialen, fried-
fertigen und demokratischen Europas im Geiste seiner
Gründer und Gründerinnen und im Einklang mit dem
Willen der Bevölkerungsmehrheit in den EU-Mitglied-
staaten widerspiegelt“. Die Verfassung ist nicht das Pro-
blem. Die Politik dahinter ist der Kern der hausgemach-
ten so genannten Verfassungskrise.


(Beifall bei der LINKEN)


Frau Bundeskanzlerin, Sie haben deswegen wohl
auch vor einem Schnellschuss gewarnt, um den selbst
mit aufgebauten Erwartungsdruck hinsichtlich der deut-
schen EU-Präsidentschaft 2007 jetzt etwas zu dämpfen.
Hören Sie also auf, große Worte wie „neue Ostpolitik“
zu tönen und damit Willy Brandt wieder einmal zu ver-
hunzen!

In der Tat: Da fehlen für die deutsch-polnischen und
deutsch-tschechischen Grenzregionen nach wie vor die
Abkommen, die die grenzüberschreitende Bekämpfung
der Geflügelpest oder ähnlicher Katastrophen ermögli-
chen. Wir finden den dazu vorliegenden Antrag der FDP
sehr viel konkreter als Ihre großen Worte.


(Beifall des Abg. Markus Löning [FDP])


– Ich danke Ihnen, Herr Löning.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


– Unsere Zustimmung ist doch selbstverständlich, wenn
wir etwas vernünftig finden. Da sehen Sie einmal, wie
undogmatisch die Linken sind.

Laut „Spiegel online“ vom 9. Mai 2006 fordern Sie,
Frau Merkel, dass sich – ich zitiere wörtlich – „EU-Staa-
ten nicht gegenseitig die Rohstoffe wegnehmen“. Frau
Merkel, warum eigentlich nur „EU-Staaten“? Was ver-
steht die Bundesregierung laut „Die Welt“ vom 18. April
unter „Offensive in Richtung Kaukasus“? Was meint
Herr Jung mit einer Einbeziehung der Energieversor-

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(C (D ung in eine „vernetzte Sicherheitspolitik“? Was ist von inem Verteidigungsminister zu halten, dessen Verteidiungsbegriff so ungefähr alles umfasst, was angeblich eutschland und der EU nützt? Deutschland auf den puren des Terrorexperten im Weißen Haus und seiner nergiesicherung im Irak und im Iran? Frau Merkel, dass Sie sich den größten Brecher des ölkerrechts der letzten zwei Jahrzehnte am 14. Juli ach Stralsund in Ihren Wahlkampf holen, ist schon ein emerkenswerter Schulterschluss. Helfen Sie Mecklenurg-Vorpommern lieber wirtschaftlich, statt solche weifelhaften Showeffekte zu initiieren! (Beifall bei der LINKEN – Markus Löning [FDP]: Da seid ihr ja an der Regierung!)


Heute und in den nächsten drei Tagen werden Tau-
ende von überwiegend jungen Menschen nach Wien
ahren. Sie werden dies nicht tun, um das Freihandels-
bkommen zwischen der EU und dem Mercosur zu be-
ubeln, mit dem die großen Agrarunternehmen in Latein-
merika noch größer werden und die Kleinbauern um
hre Existenz gebracht werden können. In unserem An-
rag zur EU-Lateinamerikapolitik haben wir ausführlich
egründet, warum wir den Verzicht auf ein Freihandels-
bkommen fordern. Wir sollten aus dem Verhandlungs-
aket jene Teile aus den Titeln „Dialog“ und „Koopera-
ion“, die bereits ausverhandelt sind, herausnehmen und
nabhängig von den anderen Teilen umgehend in Kraft
etzen.

Linke und andere Globalisierungskritiker werden in
ien sein, um den Aufbruch des jungen, des modernen

ateinamerikas – in Bolivien, in Venezuela und in ande-
en Ländern – gegen die undifferenzierten Vorverurtei-
ungen und die Drohgebärden der EU-Kommission und
er US-Regierung zu unterstützen und zu stärken.


(Beifall bei der LINKEN)


erade jetzt, wo die bolivianische Regierung den Gas-
eichtum ihres Landes nicht mehr zum Nulltarif ausplün-
ern lässt, sondern nationalisiert! Glaubt denn hier
rgendjemand, der ökonomische Unsinn bei uns in
eutschland mit der Privatisierung der Bahn, der Post,
er Wasserversorgung und der Krankenhäuser sei das
esen, an dem die Welt genesen soll?


(Beifall bei der LINKEN)


Dagegen stellen wir heute unseren Entschließungsan-
rag als klare zukunftsfähige Alternative zur Abstim-
ung. Nur ein soziales, solidarisches und friedfertiges
uropa – nach dem Beispiel der Abwahl Berlusconis
nd dem Sieg der französischen Jugend über ihren
inisterpräsidenten – kann ein Partner der Völker sein.
er Gegengipfel in Wien morgen trägt den Titel „Alter-
ativen verbinden“ „Eine andere Welt ist möglich!“. In
uropa ist die andere Welt auf dem Weg. In Venezuela,
olivien und bald in ganz Lateinamerika hat sie schon
ngefangen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) )



(B) )


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1603502700

Ich erteile das Wort Kollegen Axel Schäfer, SPD-

Fraktion.


Axel Schäfer (SPD):
Rede ID: ID1603502800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

haben heute Donnerstag; es ist Alltag. Also lassen Sie
uns deshalb über die Alltagsfragen unserer Europaarbeit
reden, auch wenn wir natürlich im Hinblick auf den
Europatag am 9. Mai auch darüber sprechen müssen,
was wir bisher erreicht haben.

Der erste Punkt ist: Allen denjenigen, die Europa-
skepsis verbreiten, die immer genau wissen, was nicht
geht, und als selbstverständlich annehmen, was gelungen
ist, sei gesagt: Europa war bisher eine Erfolgsgeschichte.
All das, was wir bisher voranzubringen versucht haben,
ist, wenn auch über viele Schritte, gelungen. Das sollten
wir deshalb in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen,
wenn wir über die Probleme reden, die wir noch zu lösen
haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben an einem ganz wichtigen Beispiel gesehen,
wie Europa funktioniert und es zu funktionieren hat:
über eine stärkere Parlamentarisierung. Viele wich-
tige Inhalte konnten durchgesetzt werden – es wurde
schon von der Dienstleistungsrichtlinie gesprochen –,
weil es im Europäischen Parlament im Rahmen einer
großen Kooperation vor allem zwischen Christdemokra-
tinnen und Christdemokraten sowie Sozialdemokratin-
nen und Sozialdemokraten zu einem Sachkompromiss
gekommen ist, Dinge vorangebracht wurden, die von der
Kommission völlig anders gesehen wurden, und Pro-
bleme gelöst wurden, was die Regierungen allein nicht
hinbekommen hätten. Uns als Parlamentarierinnen und
Parlamentarier gerade hier im Bundestag sollte es ein
Stück selbstbewusst machen, dass wir daran in außerge-
wöhnlicher Weise mitwirken konnten. Denn wir haben
uns rechtzeitig eingeklinkt. Wir haben das neue Verhält-
nis zwischen dem Europäischen Parlament und dem
Deutschen Bundestag schon praktiziert. Genau darauf
wird es in Zukunft verstärkt ankommen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn das aber gelingen soll, dann brauchen wir auch
ein neues parlamentarisches Verständnis.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Wir brauchen – liebe zu unterstützende Regierung – ein
neues Verständnis für die Zusammenarbeit von Parla-
ment und Exekutive.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig! – Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


Das, was im Koalitionsvertrag zu Recht steht, nämlich
dass zwischen Bundestag und Bundesregierung eine
Vereinbarung getroffen wird, die auf Parlamentsfreund-

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(C (D ichkeit basiert, werden wir auch umsetzen. Dafür weren wir uns alle miteinander anstrengen. as heißt auch, deutlich zu machen, dass manche ein tückchen Abschied von der Vorstellung nehmen müsen, dass Europapolitik in besonderer Weise Außenpoliik ist; das ist Europapolitik immer auch. Aber Europaolitik ist heute in überwiegendem Maße Innenpolitik. as ist unsere Domäne und muss auch so bleiben. Es ist ine Selbstverpflichtung, und zwar nicht nur sozusagen xklusiv für die Mitglieder im Europaausschuss, sondern uch inklusive aller anderen 23 Ausschüsse in diesem arlament, die sich stärker europäisieren müssen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Europäisierung beinhaltet auch die Frage, wie wir
n dieser Gemeinschaft agieren. Wenn Europäerinnen
nd Europäer über europäische Fragen reden, dann ist
as eine europäische Angelegenheit und keine Sache,
ie zwischenstaatlich abläuft oder eine Einmischung in
nnere Angelegenheiten bedeutet. Deshalb sage ich an
ieser Stelle ganz deutlich: Ich freue mich, wenn eine
artei, die zum Verfassungsbogen gehört – also von
hristdemokraten und Liberalen über die Grünen bis zu
en Sozialdemokraten –, in einem europäischen Land
ute Wahlergebnisse erzielt. Ich freue mich natürlich
anz besonders, wenn Sozialdemokratinnen und Sozial-
emokraten gewinnen. Es ist aber wichtig, dass wir uns
n jedem Land, in dem über Europapolitik diskutiert
ird, öffentlich gegen Rechtspopulisten und Europa-

einde aussprechen. Das gehört zu einer solchen Debatte
m Deutschen Bundestag.


(Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Gegen die europafeindlichen Linkspopulisten, genau!)


Deswegen formuliere ich etwas deutlicher, als die Re-
ierungsmitglieder es können: Den Vergleich, den der
olnische Verteidigungsminister vorgebracht hat – Stich-
orte „Gaspipeline“ und „Molotow-Ribbentrop-Pakt“ –,

st in jeder Hinsicht unakzeptabel. Deshalb sollten wir
as in diesem Haus gemeinsam zurückweisen. Das ist
eine europäische Haltung, sondern widerspricht der
istorischen Wahrheit und ist das Gegenteil all dessen,
as wir auf dem Gebiet der Europapolitik in diesem
aus bisher gemeinsam vorangebracht haben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Auf der anderen Seite sage ich ganz klar: Ich freue
ich, dass nach dem hochgeschätzten Christdemokraten
arlo Ciampi in Italien Giorgio Napolitano zum Präsi-
enten gewählt worden ist,


(Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])


er zu unserer Parteifamilie gehört.


(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Na, na!)







(A) )



(B) )


Axel Schäfer (Bochum)

Ich freue mich besonders darüber, weil er im Europäi-
schen Parlament Vorsitzender des Verfassungsausschus-
ses war und weil er in Italien ein Garant für Europapoli-
tik ist. Er ist ein Gegenbild zu gewissen Separatisten, die
es in der bisherigen italienischen Regierung auch gab.
Das muss an dieser Stelle einmal von Parlamentarierin-
nen und Parlamentariern des Deutschen Bundestages ge-
sagt werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Diese Bundesregierung ist natürlich verpflichtet, die
Ratspräsidentschaft vorzubereiten. Das tut sie, genauso
wie auch wir uns einbringen. Allein der Respekt vor de-
nen, die zurzeit in der Verantwortung stehen, nämlich
vor unseren finnischen Freunden, die sich jetzt an die
Ratifizierung des Vertrages machen, und vor Österreich,
das zurzeit die Ratspräsidentschaft inne hat, gebietet es
aber, dass wir uns heute noch nicht festlegen. Wir wissen
schließlich noch nicht, wie weit wir am Ende des Jahres
gekommen sein werden. Uns muss aber bewusst sein,
dass gegenüber Deutschland eine große Erwartungshal-
tung besteht, Europa voranzubringen und entscheidend
zur Problemlösung beizutragen.

Es ist gut, dass die Bundeskanzlerin auf die Kontinui-
tät hingewiesen hat. Die letzte deutsche Ratspräsident-
schaft, im ersten Halbjahr 1999, war, das sagen heute die
Historiker, eine der erfolgreichsten. Es ist gut, dass wir
daran anknüpfen wollen. Das ist gut für Angela Merkel
und gut für Frank-Walter Steinmeier.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich erlaube mir aber, auf Nuancen hinzuweisen. Wir
dürfen es uns nicht zu einfach machen und beispiels-
weise sagen: Wenn über schwierige Kommissionsvorla-
gen nach zwei Jahren noch nicht entschieden wurde,
können sie verfallen. – Ich erinnere nur daran, dass die
Vredeling-Richtlinie schon 1970 – Arbeitsminister war
damals Walter Arendt, SPD – auf den Weg gebracht
wurde. Erst 1994 haben sich der Rat und das Europäi-
sche Parlament über die Einrichtung europäischer Be-
triebsräte geeinigt – Arbeitsminister war Norbert Blüm,
CDU. Dieser lange Weg war notwendig, um dieses Vor-
haben im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer voranzubringen. Wir sollten darum nicht leicht-
fertig über bürokratisch festgelegte Verfallsdaten
sprechen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Subsidiarität darf nicht zu einem Wettlauf dergestalt
ausarten, dass wir uns in dem überbieten, was wir alles
nicht machen. Beim Thema Subsidiarität müssen wir
darüber diskutieren, was wir machen, um Europa ge-
meinsam voranzubringen. Wir bringen es gemeinsam
voran. Bertolt Brecht hat das einmal unübertrefflich for-
muliert – das entspricht dem deutschen Verständnis –:

Und weil wir dies’ Land verbessern, lieben und be-
schirmen wir’s, und das Liebste mag’s uns schei-
nen, so wie anderen Völkern ihrs …

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(C (D n diesem gemeinsamen Europa, das Jean Monnet auf er Basis der „Solidarität der Tat“ aufgebaut hat, wollen ir in diesem Haus weiterbauen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1603502900

Ich erteile das Wort dem Kollegen Thomas

ilberhorn, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1603503000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden

ier über eine Akzeptanzkrise der Europäischen Union,
ielleicht die tiefste, die sie in ihrer Entwicklung hat.
ust in dem Moment, in dem die Europäische Union mit
em Verfassungsvertrag und der Erweiterung ihre ambi-
ioniertesten Projekte auf den Weg gebracht hat, schwin-
et das Vertrauen der Bürger in die europäische Integra-
ion. Ich glaube, das gebietet uns, innezuhalten und nach
en Gründen zu fragen, die sicher vielschichtig sind.
ach meiner Auffassung gehört dazu aber auch, dass die
nliegen der Bürger und die europapolitische Agenda
icht immer zusammenpassen. Die Europäische Union
eantwortet Fragen, die sich für die Bürger nicht stellen,
nd umgekehrt ist die Europäische Union nicht in der
age, auf die drängenden Zukunftsfragen der Bürger
usreichende Antworten zu geben. Das halte ich für eine
er tieferen Ursachen der Akzeptanzkrise, in der wir ste-
ken.

Die Europäische Union beschäftigt sich zum Beispiel
it einer Richtlinie über optische Strahlung, bei der

ottlob der Sonnenschein ausgenommen werden konnte.
ch bin der dritte Redner, der das heute ansprechen muss.

an kann nicht oft genug betonen, dass durch solche
inge das Vertrauen der Bürger in die europäische Inte-
ration nachhaltig beschädigt wird, weil niemand einse-
en kann, dass das Fragen sind, die man auf europäi-
cher Ebene behandeln muss.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Europäische Union befasst sich mit der Daseins-
orsorge, bei der für jedermann einsichtig ist, dass sie in
rster Linie auf kommunaler Ebene angesiedelt bleiben
uss. Ganz aktuell befasst sich die Europäische Union
it der Einrichtung einer europäischen Grundrechte-

gentur, obwohl Europa seit Jahrzehnten den weltweit
ichtesten Grundrechteschutz hat. Dafür möchte man
ehr als hundert Beamte einstellen und weit mehr Geld

ur Verfügung stellen, als der Europarat zur Verfügung
at, um Grundrechte zu schützen, und das für eine Be-
örde, die von dem gerichtlichen Grundrechtsschutz,
en wir in Europa seit Jahrzehnten haben, weit entfernt
st. Das alles sind keine Beiträge zum Bürokratieabbau


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sehr gut!)


der dazu, dass Bürger wieder neues Vertrauen in die eu-
opäische Integration fassen können.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Thomas Silberhorn
Wir müssen uns die großen Zukunftsfragen stellen
und darauf Antworten finden: Was tun wir gegen die
Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland? Was tun
wir, um wieder mehr Wachstum und Beschäftigung in
Europa zu entfalten, und was tun wir, um unsere interna-
tionale Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten der Globalisie-
rung zu erhalten? Das sind die Zukunftsfragen, auf die
wir Antworten finden müssen.

Es genügt bei der Beantwortung dieser Zukunftsfra-
gen nicht, dass wir unsere Vision von der europäischen
Integration an der Nachkriegsgeschichte orientieren.
Denn wir können die Zukunft nicht mit alten Lösungen
gewinnen. Wir müssen unsere Zukunftsvision von der
europäischen Integration an den Problemen orientieren,
vor denen wir stehen. Dazu gehört aus meiner Sicht, dass
wir eine Vision der europäischen Integration entwi-
ckeln, durch die wir die wirtschaftliche Dynamik in der
Europäischen Union wieder entfalten können, durch die
wir internationale Wettbewerbsfähigkeit gewinnen,
durch die wir innere Sicherheit angesichts der neuen Be-
drohungen gewährleisten können und durch die wir eine
Europäische Union schaffen, die einen Beitrag zur Si-
cherheit und zur Stabilität in der Welt leistet. Das ist
meine Vision der europäischen Integration.

Dazu gehört auch, dass wir ganz pragmatische Ant-
worten finden: Was tun wir denn konkret, um den Bin-
nenmarkt, der immer noch nicht vollendet ist, endlich zu
vollenden? Was tun wir konkret, um Bürokratie abzu-
bauen? Was tun wir konkret, um Bildung und Forschung
zu stärken? Ich glaube, wir müssen die Balance zwi-
schen unserer Vision von der europäischen Integration
und den pragmatischen Antworten auf die Fragen, die
sich den Arbeitnehmern, den Unternehmern, den Men-
schen in Europa heute stellen, neu austarieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir müssen uns zum Ziel setzen, dass wir im Inneren
der Europäischen Union die Attraktivität wiedergewin-
nen, die die Europäische Union nach außen, insbeson-
dere für die Beitrittskandidaten, hat. Wenn es uns ge-
lingt, dass wir im Inneren so attraktiv bleiben und
werden, wie wir es nach außen sind, dann können wir
mit gutem Grund den Anspruch vertreten, dass wir den
Prozess der Globalisierung mitgestalten können, und
zwar nach unseren europäischen Wertvorstellungen. Das
muss die Zielsetzung sein.

Es ist heute schon mehrfach angemahnt worden
– auch von der Bundeskanzlerin –, dass die Politik ihre
Gestaltungskraft zurückgewinnen muss. Ich glaube, dass
wir selbst eine ganze Menge dafür tun können, und
möchte zwei Punkte herausgreifen.

Zum einen geht es mir um die aus meiner Sicht zwar
historisch verständliche, aber heute anachronistische Si-
tuation, dass neue Initiativen in der Europäischen Union
fast nur von der Europäischen Kommission auf den
Tisch gelegt werden können. Damit haben wir uns fast
vollständig in die Hände von Beamten begeben. Kein
gewählter Politiker kann auf europäischer Ebene eine
Initiative ergreifen, selbst dann nicht, wenn er Hand-
lungsbedarf sieht. Die Menschen fragen uns, was wir

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(C (D onkret tun. Wir können aber gar nicht selbstständig andeln, sondern wir sind darauf angewiesen, dass die eamten der Europäischen Kommission Vorschläge auf en Tisch legen. (Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber das hat die Regierung so gewollt!)


ieser Anachronismus ist schlichtweg unhaltbar. Wenn
ir die Gestaltungskraft der Politik zurückgewinnen
ollen, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass Vor-

chläge für neue Initiativen auf europäischer Ebene
on den gewählten Politikern eingebracht werden kön-
en.


(Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das musst du mal deiner Regierung klar machen!)


Deswegen fordere ich, dass wir hier tätig werden. Na-
ürlich weiß ich, dass so etwas in einen Vertrag gegossen
nd ratifiziert werden muss; aber wir müssen einen sol-
hen Prozess doch einmal anstoßen, damit die gewählten
olitiker – ich meine unsere Kollegen im Europäischen
arlament – in die Lage versetzt werden, aus parlamen-

arischem Interesse heraus Initiativen für die konkrete
uropapolitik zu ergreifen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich begrüße die Forderung, den Grundsatz der Dis-
ontinuität, der im Bundestag gilt, auch auf europäi-
cher Ebene einzuführen, damit wir Vorschläge, die die
ommission eingereicht hat, die aber keine Zustimmung

inden, auch wieder loswerden können. Allerdings müs-
en Vorschläge auch von den demokratisch gewählten
olitikern formell eingebracht werden können. Nur so
elingt es, politische Handlungsmacht und politische
erantwortung miteinander zu verknüpfen. Es ist ein-

ach untragbar, dass die Abgeordneten, die die politische
erantwortung tragen und von den Bürgern politisch
erantwortlich gemacht werden, keine Handlungsmög-
ichkeiten haben, da diese bei den Beamten liegen, die
iederum sich den Wählern nicht stellen müssen und
icht politisch verantwortlich gemacht werden. Das
asst nicht zusammen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Lass uns dazu mal einen gemeinsamen Antrag in den Bundestag einbringen!)


Zur Frage, wie die Politik ihre Gestaltungskraft zu-
ückgewinnen kann, möchte ich noch einen zweiten
unkt ansprechen: Auch wir als Deutscher Bundestag
üssen darüber nachdenken, wie wir unsere Gestal-

ungskraft in Fragen der Europapolitik stärken können.
enn man sich die Präsenz in diesem Saal anschaut
bitte gestatten Sie mir diese Bemerkung –, dann könnte
an durchaus den Eindruck gewinnen, dass die Akzep-






(A) )



(B) )


Thomas Silberhorn
tanzkrise der Europäischen Union auch die Abgeordne-
ten des Deutschen Bundestages erfasst hat;


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


dafür habe ich sogar Verständnis.

Wir müssen in diesem Hause für Fragen der Europa-
politik mehr öffentliche Aufmerksamkeit erzeugen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das beginnt damit, dass wir diesbezüglich besser von
der Bundesregierung unterrichtet werden müssen, als es
bisher der Fall ist. Es ist doch Unfug, dass der Bundesrat
viel umfangreicher von der Bundesregierung unterrichtet
wird als die gewählten Mitglieder dieses Hauses.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Beifall bei der LINKEN)


Wir Abgeordnete des Deutschen Bundestages werden
auf informellem Wege von den Beobachtern und Vertre-
tern der Bundesländer in Brüssel – das sage ich aus vol-
ler Überzeugung und kann es bei Bedarf auch gerne
beweisen – besser über die deutsche Europapolitik infor-
miert als von der Bundesregierung. Dieser Zustand ist
unhaltbar. Wir müssen uns, was das Ausmaß der Unter-
richtung durch die Bundesregierung angeht, mindestens
auf Augenhöhe mit dem Bundesrat bewegen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ute Berg [SPD]: Wenden Sie sich damit doch mal an Ihre Kanzlerin!)


Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass ihre
Europapolitik nicht nur hinter verschlossenen Türen von
den Beamten in den Ministerien gemacht wird, sondern
dass sie auch von den Abgeordneten mitgetragen werden
kann. Das ist die erste Voraussetzung, um auch in der
Öffentlichkeit wieder Vertrauen in die europäische Poli-
tik zu gewinnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der LINKEN)


Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung: Die Büro-
kratie in Brüssel, die wir oft beklagen, wird nicht nur
von den Brüsseler Beamten, sondern auch von den Re-
gierungen der Mitgliedstaaten verursacht. Es ist einfach
unbefriedigend, dass die Positionen, die der Bundestag
vertritt, für die Bundesregierung völlig unverbindlich
sind. Es gibt sogar die Praxis, dass Beamte der Bundes-
regierung in den Verhandlungen in Brüssel Parlaments-
vorbehalte einlegen. Damit machen sie von einem Mittel
Gebrauch, das uns Abgeordneten de jure gar nicht zur
Verfügung steht. Wir werden lediglich im Nachhinein
davon in Kenntnis gesetzt. Das bedeutet, dass der Bun-
destag von den Beamten der Bundesregierung instru-
mentalisiert wird. Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bitte um Nachsicht dafür, dass ich das hier so offen
ansprechen muss: Dies betrifft nicht diese Bundesregie-

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(C (D ung allein; es betrifft vielmehr jede Bundesregierung. s ist eine Frage, die das Parlament als Ganzes angeht. ir müssen dafür sorgen, dass der Deutsche Bundestag, enn er in europäischen Fragen Position bezieht, bei der undesregierung Gehör findet. Das bedeutet: Stellungahmen des Bundestages müssen einen höheren Grad an erbindlichkeit erhalten, als das bisher der Fall ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich formuliere diesen Anspruch als Einladung an die
undesregierung, das Parlament einzubinden und es mit
afür zu nutzen, in europäischen Fragen Transparenz
nd die nötige öffentliche Aufmerksamkeit zu schaffen.
iesen Beitrag können und wollen wir leisten, und ich
laube, dass uns das gelingen kann. Wenn wir die Ak-
eptanz für die europäische Politik verstärken wollen
nd neues Vertrauen gewinnen wollen, müssen an erster
telle die Abgeordneten dieses Hauses mitgenommen
erden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1603503100

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs-
ntrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/1413.
er stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer

timmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungs-
ntrag ist mit den Stimmen des Hauses mit Ausnahme
er Fraktion Die Linke abgelehnt.

Tagesordnungspunkte 3 b und 3 c. Interfraktionell wird
berweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/456
nd 16/528 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus-
chüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? –
as ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so be-

chlossen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 c so-
ie Zusatzpunkt 3 auf:

4a) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Dr. Norbert Röttgen, Dr. Michael Meister,
Laurenz Meyer (Hamm), weiteren Abgeordneten
und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge-
ordneten Olaf Scholz, Ludwig Stiegler,
Dr. Rainer Wend, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Nor-
menkontrollrates

– Drucksache 16/1406 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss






(A) )



(B) )


Vizepräsident Wolfgang Thierse
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Laurenz Meyer (Hamm), Veronika Bellmann,
Klaus Brähmig, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
Dr. Rainer Wend, Doris Barnett, Klaus Barthel,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD
eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes
zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbe-
sondere in der mittelständischen Wirtschaft

– Drucksache 16/1407 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Martin
Zeil, Rainer Brüderle, Paul K. Friedhoff, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Statistikpflichten zurückführen – Bürokratie-
kosten senken

– Drucksache 16/1167 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Innenausschuss

ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgit
Homburger, Dr. Max Stadler, Jörg van Essen,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Schlanker Staat durch weniger Bürokratie
und Regulierung

– Drucksache 16/119 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Norbert Röttgen, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1603503200

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Im Jahre 1969 hat der damalige Bundeskanzler
Willy Brandt zum ersten Mal für eine Regierung das Ziel
proklamiert, Bürokratie abzubauen.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Sehr gut!)


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(C (D ies hat seither jede Bundesregierung wiederholt. Von eder politischen Konstellation, die es seither gegeben at, ist angekündigt worden, Bürokratie abzubauen. (Dr. Michael Bürsch [SPD]: Es ist auch etwas geschehen!)


Nichts ist geschehen!


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Doch!)


In den letzten 30 Jahren hat es am Ende jeder Legisla-
urperiode nicht nur nicht weniger, sondern sogar mehr
ürokratie gegeben als zuvor. Die Geschichte des Ab-
aus von Bürokratie – dem wichtigen Ziel, Bürger und
nternehmen von Kosten und Freiheitsbeschränkungen

u befreien – ist eine Geschichte des politischen Schei-
erns


(Birgit Homburger [FDP]: Das setzt sich jetzt fort!)


Wir wollen und werden dies ändern. Wir trauen uns
u, dieser Geschichte des Scheiterns mit einem neuen
nsatz ein Ende zu bereiten. Weil die Erfahrungen der
ergangenen Jahrzehnte so negativ sind, ist Skepsis si-
herlich angebracht. Deshalb will ich begründen, wie
ir das Ziel, das uns alle in diesem Hause verbindet, er-

eichen wollen: Der neue Ansatz der Koalitionsfraktio-
en ist nicht theoriegeboren, sondern er besteht darin, et-
as auf unser Land zu übertragen, das in anderen
ändern mit Erfolg praktiziert wird. Das heißt, wir wol-

en die positiven Erfahrungen, die andere Länder ge-
acht haben, nutzen. Diese anderen Länder sind insbe-

ondere die Niederlande, Großbritannien – Tony Blair –,
änemark und weitere europäische Länder. Ich möchte
ie Methode schildern, die Inhalt unseres Gesetzentwur-
es ist. Drei Elemente machen den neuen Ansatz aus.

Das erste Element ist die Einführung und Anwendung
iner Methode, um durch Bürokratie entstehende Kos-
en zu messen.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Höchste Zeit!)


s ist möglich, die durch Gesetze verursachten Bürokra-
iekosten zu erfassen, zu messen. Dazu gibt es eine ob-
ektive Methode, bezogen auf einen bestimmten Büro-
ratiebegriff, die schon angewendet wird und akzeptiert
t.

Diese Methode werden wir anwenden, so wie das
chon in anderen Ländern gemacht wird, und zwar flä-
hendeckend auf alle Gesetze, alle Rechtsverordnungen
nd alle Verwaltungsvorschriften. So werden wir erfas-
en können, wie hoch die Kosten sind, die durch Gesetze
erursacht werden. Wir werden sehen, wie viel Bürokra-
ie, die durch Gesetze veranlasst wird, kostet.

In den Niederlanden lag der Wert bei 3,6 Prozent des
ruttoinlandsproduktes. Die niederländische Regierung
onnte, nachdem sie gesehen hat, welche Kosten Büro-
ratie verursacht, Abbauziele vereinbaren und hat fest-
elegt, diesen Stand in einer Legislaturperiode um
5 Prozent senken zu wollen; das hat die Bundeskanzle-
in heute Morgen aufgenommen. Das haben die Nieder-
änder dann gemacht. Die Vierjahresfrist ist noch nicht
bgelaufen, aber sie haben schon 18 Prozent erreicht.






(A) )



(B) )


Dr. Norbert Röttgen
Für die Niederlande bedeuten Bürokratiekosten in
Höhe von 3,6 Prozent des BIP ein Einsparvolumen von
4 Milliarden Euro. Davon haben sie schon drei Viertel
erreicht. Das ist die Wirklichkeit. Eine solche Kostenent-
lastung gab es für die Adressaten von Bürokratie. Wenn
wir das auf das deutsche Bruttoinlandsprodukt beziehen
und genauso erfolgreich sind wie die Niederländer – dort
ist es nicht Fiktion, sondern Realität –, dann wäre das in
Deutschland eine Entlastung der Unternehmen bei Büro-
kratiekosten von 20 Milliarden Euro.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich komme auf 20 Milliarden Euro, indem ich die Erfah-
rungen der Niederlande auf Deutschland übertragen
habe.

Wir kündigen nicht an, dass es diese Entlastung in
Höhe von 20 Milliarden Euro auch tatsächlich geben
wird. Fest steht: Durch die Umsetzung dieser Methode
können die Unternehmen bei ihren Kosten so stark ent-
lastet werden, wie es mit kaum einem anderen Projekt
möglich wäre. Denn es kostet uns nichts. Der Staat hat
keine Einnahmeausfälle zu verkraften, wenn er auf Bü-
rokratie verzichtet. Es gibt also erneut nur Gewinner.
Eine solch enorme Kostenentlastung der Unternehmen
könnten wir auf absehbare Zeit mit keinem anderen In-
strument der Politik und der Gesetzgebung realisieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zum zweiten Element, das die Niederlande anwenden
und das wir übertragen wollen: In den Prozess der Ent-
stehung von Recht, von Gesetzen muss mit Blick auf den
Abbau und die Vermeidung von Bürokratie eine unab-
hängige Kontrolle eingebaut werden. Denn Bürokratie
fällt nicht vom Himmel, sondern wird durch Gesetze,
Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften staat-
lich erzeugt. Das hängt mit der bestimmten Art der ex-
pertenhaften Organisation von Gesetzgebung zusam-
men. Die Experten haben ihr kleines Planquadrat vor
sich, das sie beherrschen und zusammen mit Interessen-
gruppen gestalten. Sie erklären der Politik, dass es an
dieser Stelle unbedingt notwendig ist, diese Regulierung
vorzunehmen. Das kennen alle, die sich schon einmal in-
tensiv mit der Entstehung von Rechtsvorschriften befasst
haben.

Darum brauchen wir in dieser Phase, implementiert in
der Exekutive, eine Kontrollinstanz, eine unabhängige
Instanz, die weisungsunabhängig ist und die nicht mit
Politikern oder weisungsabhängigen Beamten besetzt
wird, sondern mit unabhängigen Sachverständigen, die
intervenieren können. Diese Institution heißt Normen-
kontrollrat. Der Normenkontrollrat ist kein politischer
Zensor. Er sagt dem Parlament nicht, was der politische
Wille eines Gesetzes sein soll, sondern er stellt fest, ob
für das durch die Politik festgelegte Ziel dieses Maß an
Bürokratie erforderlich ist. Er kann das in seiner Stel-
lungnahme kritisieren.

Die Erfahrungen aus den anderen Ländern zeigen,
dass die Regierungen ihre Gesetzesvorschläge verän-
dern. Das müssen sie von Rechts wegen nicht. Aber

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(C (D enn eine solche Stellungnahme des Normenkontrollraes erfolgt, gerät die Regierung, die mit dieser Rechtsorschrift Bürokratie verursachen will, in Rechtfertiungsdruck. Das ist der Mechanismus. Sie muss sich für ie Verursachung von Bürokratie rechtfertigen – und das st richtig. ir wollen, dass Bürokratieverursachung in unserem and zu einem rechtfertigungsbedürftigen Verhalten ird. Denn das kann Bürokratie reduzieren. Drittes Element. Wir schaffen für dieses Ziel des Büokratieabbaus eine parlamentarisch-gesetzliche rundlage. Bislang wurde immer gesagt: Das macht die xekutive allein. – Wir brauchen, wenn wir das Ziel Bü okratieabbau erreichen wollen, die Exekutive. Aber wir erden das Ziel nur gemeinsam erreichen; die Exekutive llein schafft das nicht. Vielmehr müssen das Parlament, er Gesetzgeber, und die Exekutive zusammenwirken. azu gibt es ein Gesetz; es entstammt der Mitte des undestages und wurde von den Koalitionsfraktionen ormuliert. Das gibt dem gesamten Vorhaben eine parlaentarische Grundlage. Wir als Gesetzgeber involvieren nd engagieren uns bei diesem Thema und machen es um Maßstab auch unseres Verhaltens. Wir wollen beteiigt werden und wollen uns an der Bearbeitung dieses hemas beteiligen. Ich komme zu meiner letzten Bemerkung. Nach allen rklärungen verbindet uns das Ziel des Bürokratieabaus bzw. des Bürokratiekostenabbaus. Ich habe die Diensionen geschildert, um die es geht. Es ist ein Thema, as mit Kosten, aber auch mit Freiheit zu tun hat. Es verindet uns alle. Ich möchte eine letzte Erfahrung aus den iederlanden schildern und das mit einer Bitte und eiem Appell verbinden. Im niederländischen Parlament st dieses Thema, von ganz links bis zum anderen Ende es politischen Spektrums, nicht streitig. Man geht das hema gemeinsam an. Ich möchte alle Fraktionen dazu inladen, mitzuwirken und sich konstruktiv zu beteilien, damit wir zusammenwirken bei der Verfolgung eies gemeinsamen Zieles und so als Gesetzgeber in der ache gemeinsam etwas erreichen. Diesen Schlussappell öchte ich an alle richten und verbinde ihn mit der Beerkung: Wir sind selbstverständlich bereit, Korrektu en und Verbesserungen anzunehmen; wir wollen einen iskussionsprozess. Was wir anstreben, ist, dass dieses iel gemeinsam, auf breiter Grundlage, getragen wird. enn so kann es umso erfolgreicher realisiert werden. Danke. Ich erteile das Wort Kollegen Martin Zeil, FDP-Frak ion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! an gewinnt manchmal den Eindruck, als wäre Martin Zeil Bürokratie etwas, das unser Land gewissermaßen ohne unser Zutun befallen hätte, und als bräuchten wir möglichst viele externe Gremien, um ihr abzuhelfen. Es ist aber wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen – Herr Röttgen hat es ebenfalls erwähnt –, dass wir selbst als Gesetzgeber, die Regierungen und Verwaltungen in der EU, im Bund und in den Ländern die Quelle der Bürokratie sind, niemand sonst. Den Bürgern müssen wir sagen: Wer für jedes neue Problem eine Regelung fordert, der fordert auch mehr Bürokratie. Es geht also letztlich auch um unser Staatsverständnis. Dass wir als Liberale uns dabei etwas leichter tun als andere, liegt auf der Hand: Für uns ist das Loslassen seitens des Staates kein schmerzhafter Prozess wider Willen, sondern ein Freiheitsthema schlechthin. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die zahlreichen Entbürokratisierungsinitiativen unserer Fraktion, die unter Federführung der Kollegin Homburger in den letzten Jahren gestartet wurden. Es ist gut, wenn die schwarz-rote Regierung nun endlich erste, zaghafte Schritte in die von uns seit langem vorgezeichnete Richtung unternimmt. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten der FDP – Ernst Burgbacher [FDP]: Sehr zaghafte!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1603503300
Martin Zeil (FDP):
Rede ID: ID1603503400




(A) )


(B) )


(Beifall bei der FDP)


Nach langem Hin und Her haben Sie jetzt das Gesetz
über den Normenkontrollrat vorgelegt. Über die Na-
mensgebung lässt sich streiten; wir hätten uns den um-
fassenderen „Bürokratiekosten-TÜV“ gewünscht. Es ist
auch kein gutes Omen, dass im Namen des Bürokratie-
abbaus erst einmal Stellenmehrungen vorgenommen
wurden.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wir haben doch keine Stellenmehrungen vorgenommen!)


Der Entwurf weist auch inhaltliche Mängel auf: Der
Begriff der Bürokratiekosten wird auf die „Informati-
onspflichten“ reduziert.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Weil nur das messbar ist!)


Dabei wissen auch Sie es besser, nämlich dass der weit-
aus größere Teil der Kosten den Unternehmen durch die
Umsetzung anderer Rechtsvorschriften und vor allen
Dingen durch die hierfür erforderlichen Investitionen
entsteht.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Deshalb machen wir das Mittelstandsentlastungsgesetz!)


Ferner möchte ich erwähnen: Die Kontrollaufgabe des
Rats darf sich nicht nur auf Initiativen der Regierung be-
ziehen. Das Modell der Messung der Bürokratiekosten
entspricht unseren Vorschlägen. Aber eines dürfen wir
nicht vergessen: Auch das modernste Fieberthermometer
ist noch keine Therapie gegen die Krankheit selbst.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D Die spannendste Frage aber ist – auch dazu haben Sie ichts gesagt –: Wer wird nun Mitglied dieses Rats? Die usammensetzung ist noch geheimer als die endgültige ominierung unserer WM-Mannschaft. Der Bundestraier wird sein Geheimnis am 15. Mai lüften. Wir dürfen ls Parlament gespannt sein, wann nun endlich konkrete orschläge seitens der Regierung kommen werden. (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Zuerst müssen wir das Gesetz haben!)


ntscheidend ist, dass dort unabhängiger Sachverstand
nd Praxiserfahrung einziehen und keine Frösche zur
rockenlegung des Sumpfes nominiert werden.


(Beifall bei der FDP – Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Richtig! Wir sind einer Meinung! – Olaf Scholz [SPD]: Quak! Quak!)


ir bedauern, dass die Besetzung allein Sache der Exe-
utive ist und das Parlament außen vor bleibt.

Beim Mittelstandsentlastungsgesetz haben Sie von
iner Entfesselungsoffensive gesprochen. Ja, es enthält
inige verdienstvolle Ansätze. Es ist auch gut, dass man
ich dem herausragenden Problem der Deklaration von
ltholz widmet. Sie wissen im Grunde aber selbst, dass
ie mit diesem Entwurf viel zu kurz springen. Es hat
uch schon aus den eigenen Reihen Kritik gegeben.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Nein!)


ir werden Ihnen im Gesetzgebungsverfahren gerne
elfen, vielleicht doch noch zu einer echten Entfesselung
u kommen.


(Beifall bei der FDP)


Meine Damen und Herren von der Koalition, viel
chlimmer als diese Trippelschritte ist aber etwas ganz
nderes: Während Sie hier vollmundig von Mittelstands-
ntlastung reden, haben Sie in Ihrer kurzen Amtszeit
chon selbst neue bürokratische Belastungen zu ver-
ntworten. Ich nenne nur das Vorziehen der Fälligkeit
er Sozialversicherungsbeiträge,


(Ernst Burgbacher [FDP]: Richtig!)


ie neue Zwangsversicherung für Kleinbetriebe bei der
ohnfortzahlung, die Fahrtenbuchführung bei Ge-
chäftswagen für Selbstständige und – als neuesten Sün-
enfall – das neue Antidiskriminierungsgesetz, dessen
estimmungen von jedem Normenkontrollrat, der seine
ufgabe ernst nimmt, sofort beanstandet werden müss-

en.


(Beifall bei der FDP)


Es ist dieses völlig widersprüchliche Verhalten, das
hrer Politik die Glaubwürdigkeit nimmt. Die „Wirt-
chaftswoche“ hat es so beschrieben:

… die Augen vor der Realität verschließen, konse-
quent am Sachverstand der Wissenschaft vorbeihö-
ren und schamlos die Bedenken gegen das eigene
Tun verschweigen.

Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Solange Sie
o weitermachen, lösen Sie keine Probleme, sondern






(A) )



(B) )


Martin Zeil
sind selbst Teil des Problems. Dabei kann es so einfach
sein:

Bürokratieabbau kostet nichts, steigert das Brutto-
inlandsprodukt und macht populär,

so der Vorsitzende des niederländischen Normenkon-
trollrats.

Wenn Sie auf diese Weise Popularität suchen, wenn
Sie den großen Worten endlich Taten folgen lassen, ha-
ben Sie die FDP-Fraktion an Ihrer Seite.


(Beifall bei der FDP – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Machen wir doch! Wir machen es den Niederländern nach!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1603503500

Ich erteile das Wort Kollegen Rainer Wend, SPD-

Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1603503600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Kein Staat kann ohne Recht, kein Recht ohne Staat
bestehen.

Max Weber hat gesagt: „Eine Verwaltung“, die dieses
Recht durchsetzen will, „ist entweder bürokratisch oder
dilettantisch“.

Was ich damit sagen will, ist: Bürokratie ist auch Be-
standteil eines Rechtsstaates. Ohne Bürokratie kann
Willkür herrschen. Deswegen geht es bei unserem Vor-
haben heute in Wahrheit nicht um einfache und pau-
schale Deregulierung, sondern um eine richtige und ef-
fektive Regulierung.

In unserer Republik haben sich aber über Jahrzehnte
bürokratische Regeln verselbstständigt und führen für
Bürgerinnen und Bürger, aber auch für Unternehmer zu
Belastungen.

Ich möchte ein Zitat von Ralf Dahrendorf anführen,
der gesagt hat:

Wir brauchen Bürokratien, um unsere Probleme zu
lösen. Aber wenn wir sie erst haben, hindern sie
uns, das zu tun, wofür wir sie brauchen.

Wenn es so ist, wie der Kollege Röttgen gesagt hat,


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: So ist es!)


dass die Belastungen der Bürokratie so groß sind, und
auch die Erkenntnis von Dahrendorf und anderen die ist,
dass diese Belastungen riesig sind, stellt sich natürlich
die Frage: Warum haben wir es alle nicht geschafft
– Herr Röttgen hat Recht damit –, diese Dinge zu re-
geln? Sie, Herr Kollege von der FDP, sagen: Es ist alles
ganz einfach. Wenn alles ganz einfach ist, stellt sich die
Frage, warum die Partei, die in unserer Republik am
längsten mit in der Regierung saß, das nicht schon längst
geregelt hat, was dort zu regeln ist.


(Beifall bei der SPD – Martin Zeil [FDP]: Das müssen Sie Ihren Koalitionspartner fragen!)


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(C (D on daher scheint es vielleicht nicht ganz so leicht zu sein. Ich darf ein etwas ironisches Zitat bringen. Wernher on Braun hat gesagt: Bei der Eroberung des Weltraums sind zwei Probleme zu lösen: die Schwerkraft und der Papierkrieg. Mit der Schwerkraft wären wir fertig geworden. Ich glaube, daran sieht man: So pessimistisch muss an nicht sein, wenn man die Ursachen dafür erkennt, arum wir Bürokratieabbau bisher nicht erreicht haben. s gibt mehrere Ursachen. Ich will zwei benennen, weil ie mir wichtig sind. Mit unserem Gesetzgebungsvorhaen versuchen wir, genau diese Dinge zu umschiffen und u vermeiden. Die erste Ursache ist: Die FDP – wenn ich jetzt bösar ig wäre, würde ich vielleicht auch einige unserer neuen reundinnen und Freunde von der CDU/CSU mit einbeiehen, ber das tue ich nicht – sagt „Bürokratieabbau“ und pricht anschließend über den Kündigungsschutz, die arifautonomie, das Betriebsverfassungsrecht, die Umeltstandards und das Antidiskriminierungsoder, so eißt es jetzt, das Gleichstellungsgesetz. ohlgemerkt: Selbstverständlich kann man über jeden ieser Punkte inhaltlich diskutieren. Man tut dem Thema ürokratieabbau aber einen Tort an, wenn man diese inaltlichen Themen unter der Überschrift „Bürokratieabau“ subsumiert. Damit erreichen Sie nämlich, dass bei ns eine Art Reflex entsteht, nachdem immer dann, enn Bürokratieabbau gesagt wird, der Verdacht ent teht, dass Kündigungsschutzabbau gemeint ist. Deswegen sage ich Ihnen an dieser Stelle: Wenn Sie irklich Bürokratieabbau wollen, dann ist es ein Fehler, ies mit materiellen Dingen, über die man diskutieren ann, zu verknüpfen. (Martin Zeil [FDP]: Das kam in meinem Beitrag nicht vor, Herr Kollege!)


(Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU)


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Nein, nein!)


(Martin Zeil [FDP]: Ja!)


(Beifall bei der SPD)


Die zweite Ursache, die ich für diese Problematik
ehe, ist auch schon angesprochen worden. Ich meine
as nicht bösartig, aber es ist natürlich wahr, dass sich
er Beamtenapparat und die Behörden verselbstständi-
en. Ich glaube, dass ihrem Verhalten im Regelfall hehre
otive zugrunde liegen. Natürlich sitzen der Abtei-

ungsleiter X und der Referatsleiter Y seit vielen Jahren
n einer Thematik. Sie sind zutiefst überzeugt davon,
ass der Zweck, dem sie seit Jahren oder Jahrzehnten
ienen, nicht mehr in der bisherigen Perfektion erreich-
ar ist, wenn man die Vorschrift X oder Y auch nur mo-
ifiziert.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das ist so!)


as muss man respektieren.






(A) )



(B) )


Dr. Rainer Wend
Ich wiederhole es: Es ist noch nicht einmal Bösartig-
keit, als wollten sie dabei nur für ihre Pfründe sorgen.
Darum geht es nicht. Es geht darum, dass sie in ihrer jah-
relangen Arbeit und Tätigkeit gefangen sind und deswe-
gen um Normen kämpfen und sie nicht hinterfragen, die
in Wirklichkeit veränderungswürdig sind. Das ist der
zweite Grund, warum wir uns beim Thema Bürokratie-
abbau so schwer tun.

Jetzt möchte ich Ihnen gerne sagen, warum ich
glaube, dass wir diese beiden Dinge mit unserem Ge-
setzentwurf, der heute hier vorliegt, umschiffen und in
den Griff bekommen: Bei der Einrichtung des Normen-
kontrollrates und bei diesem Gesetz geht es eben nicht
darum, den gesetzgeberischen Zweck im Kündigungs-
recht oder wo auch immer zu hinterfragen, sondern es
geht ausschließlich – von mir aus können Sie in Klam-
mern „nur“ dahinter schreiben – darum, Dokumenta-
tions- und Berichtspflichten zu messen.

Ich möchte das an einem praktischen Beispiel der
Bauindustrie verdeutlichen, damit wir uns einmal vor
Augen führen, was das eigentlich heißt. Es gibt eine Vor-
schrift, wonach die Unternehmen der Bauwirtschaft ihre
Hochbauleistungen monatlich in Form einer Statistik do-
kumentieren und staatlichen Stellen übermitteln müssen.
Unterstellen wir einmal, dass in einem Unternehmen ein
Mitarbeiter vier Stunden im Monat damit beschäftigt ist,
der über den Daumen gepeilt 30 Euro für jede dieser
Stunden verdient. Wenn wir das einmal ausrechnen
– 30 Euro pro Stunde mal vier Stunden mal zwölf, weil
es ja zwölf Monate sind –, dann kommen wir zu dem Er-
gebnis, dass dieses Unternehmen aufgrund dieser Statis-
tik eine Kostenbelastung von 1 440 Euro im Jahr hat.
Das hört sich wie Peanuts an.

Rechnen wir jetzt aber einmal weiter: In der Bauwirt-
schaft gibt es gut 300 000 Unternehmen. Wenn wir diese
1 440 Euro mit 300 000 multiplizieren, dann kommen
wir auf eine Größenordnung von 432 Millionen Euro,
die die gesamte Bauwirtschaft nur diese eine Pflicht zur
Erstellung einer Statistik im Jahr kostet. Damit sind wir
nicht mehr bei Peanuts.

Warum ist es unter Aufrechterhaltung des gesetzgebe-
rischen Zwecks denn nicht möglich, zu sagen, dass diese
Verpflichtung nicht zwölfmal im Jahr, sondern beispiels-
weise nur noch viermal im Jahr, also alle drei Monate,
besteht? Ich habe ausgerechnet, dass das eine erhebliche
Ersparnis von 288 Millionen Euro im Jahr bedeuten
würde. An dieser Stelle erkennen wir: Nur durch eine
Reduzierung von Dokumentations- und Berichtspflich-
ten, ohne materiell in Recht, Gesetze und Ansprüche ein-
greifen zu müssen, entlasten wir die Wirtschaft in unse-
rer Republik erheblich. Das ist eine gute Sache.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte die gesamtvolkswirtschaftlichen Zahlen
aus den Niederlanden nennen. Dort wurde errechnet,
dass die Dokumentationspflichten die Wirtschaft mit
etwa 19 Milliarden Euro belasten. Davon sollen 25 Pro-
zent, fast 5 Milliarden Euro, eingespart werden. Wenn
wir diese Zahlen auf das Bruttoinlandsprodukt in

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(C (D eutschland übertragen, würden Kosten von etwa 0 Milliarden Euro entstehen. Wenn wir diese wie in den iederlanden um 25 Prozent reduzieren würden, ergäbe as nach Adam Riese 20 Milliarden Euro, um die die irtschaft in unserer Republik entlastet würde. Viele sagen – sie haben Recht –: Wir sind aber nicht ie Niederlande; denn wir sind ein föderaler Staat. Viele ieser Dokumentationsverpflichtungen gehen nicht vom und, sondern von den Bundesländern aus; das ist wahr. ber das ist kein Grund zur Resignation, sondern dies ist her ein Grund, die Länder zu motivieren. Wir müssen hnen sagen: Steigt in den Wettbewerb ein! Zeigt, wer eim Bürokratieabbau, beim Messen von Dokumentaionsund Berichtspflichten und der anschließenden Reuzierung dieser Pflichten am besten ist. Ein Wettbewerb zwischen den Ländern sowie dem und und den Ländern, der in diese Sache Bewegung ringt, ist richtig und gut. Deswegen stellt der föderale taat zwar auf den ersten Blick ein Problem dar, aber auf en zweiten Blick könnte er eine Chance dafür sein, eine ynamik zu entfalten. Denn kein Bundesland will – das offe ich jedenfalls – bei diesem Wettbewerb das chlusslicht sein und beim Bürokratieabbau am schlech esten abschneiden. Auch da ist Wettbewerb gut. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Von Herrn Röttgen ist – das finde ich völlig richtig –
ie Frage aufgeworfen worden: Wer macht eigentlich
it? Herr Kollege Zeil, Sie haben mich ein bisschen ent-

äuscht. Sie haben uns vorgeworfen, auf diesem Gebiet
icht genug getan zu haben. – Erstens. Die Opposition
uss so etwas tun, sonst wäre sie keine Opposition.


(Martin Zeil [FDP]: Außerdem stimmt es!)


weitens. Sie könnten in Teilen sogar Recht haben; dazu
age ich gleich noch etwas. Wir befinden uns in einem
esetzgebungsverfahren, in dem wir vieles noch bes-

er machen können. Aber dann habe ich die Bitte, dass
ie nicht nur erklären, die Regelungen gingen offen-
ichtlich in die richtige Richtung, und uns ansonsten
ersagen vorwerfen. Vielmehr müssen Sie sich Ihrer-
eits Mühe geben, konkrete Vorschläge zu unterbreiten,


(Martin Zeil [FDP]: Das haben wir doch gemacht!)


ie dann aber nicht wie beim Antidiskriminierungsge-
etz irgendwo stehen bleiben. Beim Thema Bürokratie-
bbau müssen diese Vorschläge konkret werden und sie
ürfen keine materiellen Ansprüche in unserer Gesell-
chaft betreffen.

Wir haben ein weiteres Gesetz zum Thema „Entlas-
ung des Mittelstandes“ eingebracht. Mit diesem Arti-
elgesetz werden wir 16 Gesetze und Verordnungen än-
ern: das Bundesdatenschutzgesetz, das Gesetz über die
ohnstatistik, die Abgabenordnung, das Umsatzsteuer-
esetz, die Gewerbeordnung und das Chemikalienge-
etz.

Viele meinen, das seien nur Kleinigkeiten. – Das ist
ahr. Aber diese Kleinigkeiten summieren sich zu ei-






(A) )



(B) )


Dr. Rainer Wend
nem großen Vorschlag, der unter dem Strich Substanz
hat. Ich sage aber gleich dazu: Das muss in diesem Ge-
setzgebungsverfahren noch nicht das Ende der Fahnen-
stange sein.


(Martin Zeil [FDP]: Doch!)


Vielleicht fallen uns weitere Dinge ein, die wir einarbei-
ten, sodass wir am Ende sagen können: Dieses Gesetz ist
im Laufe des Verfahrens noch besser geworden, als es
zum Zeitpunkt der Einbringung gewesen ist.

Eine abschließende Bitte. Nicht nur wir müssen sa-
gen: Wir müssen versuchen, diese Regelungen einmütig
zu beschließen. Vielmehr ist dies auch ein Appell an die
Ministerien und die Beamten. Wir brauchen sie. Die Bü-
rokratiemessung und der Abbau der Bürokratie sind
ohne die Bürokratie selbst schlichtweg nicht möglich.
Sie darf den Normenkontrollrat nicht als eine Instanz
auffassen, die ihr etwas Böses will. Der Rat ist vielmehr
eine Instanz, die ihre Aktivitäten begleitet, Anregungen
gibt und gegenüber dem Parlament deutlich macht, wie
der Prozess der Entbürokratisierung vorangehen soll.
Der Normenkontrollrat soll keine Konkurrenz sein und
auch niemanden überwachen.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Er soll ihre Arbeit begleiten sowie für die Ministerien
und für das Parlament eine Hilfe von unabhängigen
Fachleuten sein, die sich in Politik, Verwaltung, Wirt-
schaft und Wissenschaft auskennen. Wenn wir das auf
den Weg bringen, dann ist das in der Tat ein neuer An-
satz. Dann ist es der Versuch, aus der Erstarrung der Bü-
rokratiediskussion der letzten Jahre herauszukommen.
Lassen Sie uns alle gemeinsam diesen Versuch unterneh-
men. Er kann sich für unser Land lohnen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1603503700

Ich erteile das Wort Kollegin Sabine Zimmermann,

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603503800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Herr Röttgen, Sie werden
mir immer sympathischer.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Olaf Scholz [SPD] – Dr. CarlChristian Dressel [SPD]: Herr Röttgen, das würde mir zu denken geben! – Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das schadet mir zwar jetzt ein bisschen, aber ich habe Verständnis dafür!)


Ich habe mit Freude gehört, dass Sie alle Gesetze be-
leuchten wollen. Damit meinen Sie sicherlich auch das
Monster Hartz IV. Das sollten wir tatsächlich als ge-
meinsames Ziel sehen; darin bin ich mit Ihnen einer
Meinung.

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(C (D In Ihrem Plan zum Bürokratieabbau gibt es Punkte, ie wir im Großen und Ganzen mittragen können. as betrifft beispielsweise die Änderungen beim Chemialiengesetz, beim Fahrlehrergesetz oder bei Teilen des msatzsteuergesetzes. Es betrifft aber nicht die Ände ungen beim Datenschutz. Hierüber hätten Sie sich mehr edanken machen können. Kleine Betriebe zu entlasten, ndem der Datenschutz ausgehöhlt wird, ist keine verntwortungsvolle Politik. Eine solche Politik bedenkt uch die gesellschaftlichen Folgen von Demokratie-, on Bürokratieabbau. Dafür stehen wir als Linksfrakion. (Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: „Demokratieabbau“ war das richtige Wort!)


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Man kann sich versprechen. Ich denke, Sie haben dafür
erständnis.

Das eigentlich Problematische an den Vorschlägen
er großen Koalition ist, dass Sie an den wirklichen Pro-
lemen der kleinen und mittleren Unternehmen völlig
orbei gehen. Erst letzte Woche sprach ich mit einer Un-
ernehmerin aus Sachsen, die eine Initiative gegründet
at. Die Vorschläge der Bundesregierung zum Bürokra-
ieabbau ernten vor Ort nur Hohn und Gelächter. Der
rust beim Mittelstand ist enorm. Wir fragen uns, ob Sie
igentlich mit den Unternehmen vor Ort – vor allen Din-
en mit den kleineren Unternehmen – reden. Ich zitiere
us dem Brief der Geschäftsführerin eines Unterneh-
ens an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales:

Sie sollten mit dem Wort „Bürokratieabbau“ sehr
vorsichtig umgehen, da in den letzten Jahren die
Bürokratiebelastung für die kleineren Unternehmen
geradezu explodiert ist und sich auch nicht durch
schöne neue Namen verschleiern lässt.

ch denke, mit diesem Satz hat sie den Nagel auf dem
opf getroffen.

Sie bat mich, folgenden Punkt anzusprechen: die vor-
ezogene Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge.
ir haben das Thema bereits im Ausschuss behandelt.

ine verfehlte Wirtschafts- und Sozialpolitik hat die So-
ialversicherungssysteme in die Krise geführt. Mit einer
orzeitigen Fälligkeit der Sozialabgaben ist dieser Krise
icht zu begegnen. Die bürokratischen Belastungen sind
edoch – vor allem für die kleineren und mittleren Unter-
ehmen – enorm hoch. Der Steuerberaterverband und
ie betroffenen Unternehmen haben angeboten, die Fäl-
igkeit auf den dritten bis fünften Tag des Folgemonats
u legen. Die Regierung hat dies ignoriert. Nun hat die
nternehmerin an den Petitionsausschuss geschrieben
nd von einem Abgeordneten einer Koalitionsfraktion,
ämlich dem Abgeordneten Günter Baumann von der
DU/CSU-Fraktion, am 15. Februar 2006 folgende Ant-
ort bekommen:

Ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass es sich bei
der vorgezogenen Fälligkeit der Sozialversiche-
rungsbeiträge um einen hohen bürokratischen Auf-
wand handelt …






(A) )



(B) )


Sabine Zimmermann
Soll ich mehr dazu sagen oder spricht diese Aussage für
sich? Sieht so Ihr Bürokratieabbau aus?

Ich fasse zusammen: Ihre Vorschläge zum Bürokratie-
abbau bringen in der Praxis wenig und laufen in die fal-
sche Richtung. Ihre Flickschusterei an den Sozialversi-
cherungssystemen führt gerade für die kleineren
Unternehmen zu neuer Bürokratie.

Das eigentliche Problem des Mittelstands ist die
schwache Binnenwirtschaft. Das bestätigen alle Exper-
ten landauf, landab. Sie aber legen mit der angekündig-
ten Erhöhung der Mehrwertsteuer ein Antiwachstums-
programm auf, das vor allem die sozial Schwachen, die
kleinen Unternehmen, den Mittelstand und die Selbst-
ständigen belasten wird. Denn diese profitieren nicht
von der Senkung der Sozialversicherungsbeiträge.

Die Regierung will zur Verringerung der Bürokratie-
kosten einen Normenkontrollrat einrichten. Wie der
Kollege Röttgen von der Union sagt – das Zitat ist sehr
interessant; Herr Röttgen, wir beide werden vielleicht
doch noch Freunde –,


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Das war eine Drohung!)


soll dieser ein „Wachhund sein, der laut bellt, wenn das
Bürokratieabbauziel nicht erreicht wird“.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Absolut richtig!)


Die Linke hat erhebliche Zweifel, ob der Hund immer an
der richtigen Stelle bellen wird. In den Niederlanden gibt
es dieses Verfahren bereits. Dort zählten die jährlichen
Umweltberichte der Unternehmen bislang zu den unnüt-
zen bürokratischen Belastungen. Wie wird es denn bei
uns sein? Weitere Fragen sind offen. Warum soll der
Normenkontrollrat seine Stellungnahme nicht öffentlich
abgeben dürfen? Warum sollen Verbraucher, Gewerk-
schafter und Sozialverbände nicht Mitglieder dieses Ra-
tes stellen dürfen? Zumindest diese Fragen sind zu be-
antworten.

Die Regierung hat noch weitere Maßnahmen zum Bü-
rokratieabbau angekündigt. Die Linke ist aber misstrau-
isch, wenn die Bundesregierung von Bürokratieabbau
redet. Herr Bundesminister Glos hat in seiner ersten
Amtshandlung unser Misstrauen bestätigt. Gegen seinen
Plan, das Gaststättengesetz abzuschaffen, haben Ge-
meinden, Gaststättenverbände und Verbraucherschützer
zu Recht protestiert. Ginge es nach dem Minister, hätte
jeder ohne Erlaubnis eine Kneipe an jeder Ecke aufma-
chen können. Der Schlamperei wären Tür und Tor geöff-
net worden. Die Überprüfung der Einhaltung der
Vorschriften betreffend den Brandschutz und die Flucht-
wege sowie des Lebensmittelrechts und der Hygienevor-
schriften wäre unter den Tisch gefallen. Der Plan ist zum
Glück in der Schublade verschwunden. Ich hoffe, dass er
dort bleibt.

Ein anderes Beispiel: Die große Koalition will dafür
sorgen, dass Bauvorhaben schneller umgesetzt werden.
Der Politik muss es aber um die Menschen in diesem
Land gehen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz kri-
tisiert, dass bei den Vorhaben von Union und SPD die

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(C (D nvestoren bevorzugt, die betroffenen Anwohner jedoch enachteiligt werden. Die Linke hat zum Thema Bürokratieabbau eine einache Haltung. Wir sind gegen Gesetze und Vorschriften, ie die Menschen belasten. Demzufolge müsste die Bunesregierung als Erstes – das sprach ich eingangs an – as bürokratische Monster Hartz IV abschaffen. Sie ollen aber zu Hartz IV noch ein Fortentwicklungsge etz beschließen. Den Betroffenen muss dieser Name eientlich Angst machen. Kleinste Auskünfte bis ins Deail! Diese Bürokratie gehört bekämpft. Die Bundesregierung spricht zwar von Bürokratieabau zugunsten von Wirtschaft und Bürgern. Aber Letzere kommen bei Ihnen leider kaum vor. Das Streichen on noch so vielen Vorschriften wird nichts an der Aufragslage der kleinen Handwerker und Dienstleister ndern, wohl aber zu einem weiteren Verfall sozialer und kologischer Standards führen. Wir hingegen setzen hier uf ein öffentliches Investitionsprogramm, das vor allem ie Binnennachfrage nachhaltig stärken soll. Gesetzliche Auflagen belasten große Unternehmen in er Tat weniger als kleine. Aber der Marktmacht der roßunternehmen tritt man nicht gegenüber, indem an dereguliert, sondern indem man dafür sorgt, dass teuern gezahlt werden. Dafür brauchen wir ein Mehr an taatlicher Kontrolle; denn Steuerhinterziehung ist zu eiem Hobby der Konzerne geworden. Fast 11 Milliarden uro haben die Betriebsprüfer im letzten Jahr bei Großnternehmen eingetrieben. 11 Milliarden Euro! Mit dieen Steuereinnahmen könnte der Staat endlich wieder Inestitionen tätigen. Die öffentlichen Aufträge würden em Mittelstand mehr helfen als eine gestrichene Vorchrift. Wenn Sie bei der Steuerfahndung so viel Kraft und nergie einsetzten wie bei Hartz IV, dann könnten Sie ich wesentlich mehr Geld holen als bei den Langzeitrbeitslosen in diesem Land. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Ich erteile das Wort Kollegen Matthias Berninger, raktion des Bündnisses 90/Die Grünen. Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1603503900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin

em Vorredner Rainer Wend dankbar, dass er beim
hema Bürokratieabbau darauf hingewiesen hat, dass es

n diesem Land sehr viele Regelungen gibt, die aus einer
erwaltung ein effizientes Instrument machen, das dafür
orgt, dass die Bürgerinnen und Bürger in etwa wissen,
oran sie sind, und dass die Alternative häufig Willkür

st. Dazu hat Max Weber eine Menge geschrieben, wie-
ohl er den Übergang von einer eher monarchisch ge-
rägten Verwaltung, über die sich schon Bismarck auf-
eregt hat, in die Weimarer Republik beobachtet hat.






(A) )



(B) )


Matthias Berninger
Selbst wenn wir uns alle darauf verständigen, dass es
nicht darum geht, die Bürokratie abzuschaffen, sondern
dass es darum geht, sie effizienter zu machen und zu
schauen, wo Unsinn geschieht, sollte man immer im
Auge haben, dass sie notwendig ist, sie für Bürgerinnen
und Bürger, aber auch für Unternehmen wichtig ist, weil
sie ihnen Sicherheit gibt, dass es ein Korsett von Rege-
lungen in diesem Lande gibt, und dass sie ein Teil des
demokratischen Rechtsstaates ist. Das geht manchmal in
der Debatte unter. Ich war ganz froh, dass Sie das ange-
sprochen haben.

Die Koalitionsfraktionen haben einen Gesetzentwurf
zur Einführung eines Normenkontrollrates ausgearbei-
tet. Darüber ist zum Teil belustigt nach dem Motto ge-
schrieben worden: Neue Bürokratie zum Bürokratieab-
bau. Der Normenkontrollrat knüpft an Erfahrungen an,
die in Großbritannien und Holland gemacht wurden, und
an die Feststellung, dass die Entscheidung, in eine solche
Richtung zu gehen, tatsächlich Belastungen abgebaut
hat. Deswegen halte ich es für falsch, zu glauben, das
werde es nicht bringen.

Der Kollege Röttgen hat darüber hinaus den Opposi-
tionsfraktionen das Angebot gemacht, bei dem Normen-
kontrollrat mitzuarbeiten, das heißt, diesen Gesetzent-
wurf der großen Koalition mitzutragen. Ich kann Ihnen
für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen sagen,
dass unsere Mitarbeit davon abhängt, ob er an zwei Stel-
len, die mir sehr wichtig erscheinen, substanziell verän-
dert wird. Zunächst zur ersten Stelle. Ich halte nichts da-
von, dass sich der Normenkontrollrat auf Vorschläge
aus der Regierung beschränkt. Wir sind das Parlament.
Die Bürgerinnen und Bürger, die uns hier zuschauen, be-
suchen den Gesetzgeber. Wir sind nicht der Gesetzentge-
gennehmer. Ich denke, dass es richtig wäre, den Zustän-
digkeitsbereich des Normenkontrollrats auf Gesetze aus
dem Parlament zu erweitern.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Das sage ich auch deshalb, weil der Normenkontrollrat
die Freiheit hat, zu entscheiden, ob er ein Gesetz für so
relevant hält, dass er sich mit ihm befasst. Ich denke,
dass eine solche Regelung das Selbstbewusstsein des
Parlaments zum Ausdruck bringen würde.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das werden wir konstruktiv aufgreifen!)


Das ist für uns eine wichtige Voraussetzung, um diesem
Vorhaben zuzustimmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der zweite Punkt bezieht sich auf die Zuständigkeit,
das heißt auf die engere Definition, was Bürokratie ist.
Da wird die große Weide der Bürokratie durch einen ho-
hen Zaun umgrenzt. Der Normenkontrollrat soll sich
nämlich nur auf solche Themen beschränken, die mit
Berichtspflichten zu tun haben. Ich bin ein sehr prag-
matischer Mensch. Es ist richtig, dass man anhand von
Berichten genaue Berechnungen anstellen kann. Eine
Rechnung, wie Bürokratiekosten entstehen und wie sie
letzten Endes darstellbar sind, hat der Kollege Wend auf-

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(C (D emacht. Insofern kann man hier anhand konkreter Zahen Risiken und Nebenwirkungen eines Gesetzes abchätzen. Ich denke, dass der Normenkontrollrat die reiheit haben sollte, auch andere bürokratische Belas ungen, wenn er sie für relevant hält, in den Blick zu ehmen. Ich will ein Beispiel nennen. Es ist immer noch icht möglich, Sozialversicherungsbeiträge online zu ahlen. Das Verfahren ist eine monatliche Routine für roße und kleine Unternehmen und es ist mit enormem ufwand verbunden. Warum soll der Normenkontrollrat icht bei einer Änderung im Sozialbereich darauf hineisen, dass eine kleine Modifikation am Gesetz den nternehmen in Deutschland erhebliche Kosten sparen önnte? Der Normenkontrollrat soll ja gleich einem Fieerthermometer in der Lage sein, solche Kosten zu mesen. Deswegen lautet mein Vorschlag: Lassen Sie uns dieen Zaun in dem Gesetz abbauen! Lassen Sie uns dem ormenkontrollrat das Vertrauen entgegenbringen, dass ie Experten, die in ihn berufen werden, schon wissen, elche Gesetze ihnen besonders wichtig sind. Lassen ie uns in der Begründung darauf hinweisen, dass in aneren Ländern mit den Informationspflichten ein besonerer Erfolg erzielt wurde! Wenn wir uns bei diesen eiden Punkten entgegenkommen können, dann hat jeenfalls meine Fraktion keine Bedenken, einem solchen orhaben zuzustimmen. Das Ziel, Bürokratie abzubauen, ist ohnehin das Ziel er meisten Regierungen. Ich habe mir das in den Länern angesehen, egal wer dort regiert hat, ob das eine Aleinregierung wie in Bayern war oder – man möchte es aum glauben – eine Regierung wie Rot-Grün in Nordhein-Westfalen. Landauf, landab haben Landesregieungen das Ziel, Bürokratie abzubauen. Das ist in den etzten Jahren Gegenstand jeder Regierungserklärung on neu gewählten Kanzlern und der Kanzlerin geween. Es gibt also einen großen Konsens im Parlament. Es st schon darauf hingewiesen worden, dass wir es beim ürokratieabbau mit der Ministerialbürokratie zu tun aben, einem relativ mächtigen Partner, der häufig zu jeer Lösung ein Problem findet nd uns genau sagt, dass es nur eine ganz bestimmte Löung für ein Problem gibt, die häufig mit Bürokratie verunden ist, also Sachzwänge erzeugt. Ich denke, dass as richtig ist. Die meisten Kolleginnen und Kollegen aben Erfahrungen sammeln können. Ich selbst habe Erahrungen auf beiden Seiten des „Bauzauns“ machen önnen; schließlich war ich früher Staatssekretär. Zur Debatte gehört schon, festzustellen, dass wir Paramentarier auch nicht ganz ohne sind. Nach einem kandal, beispielsweise nach einem Brand in einem lughafengebäude, sind wir Parlamentarier die Ersten, ie sagen: Die Brandschutzvorschriften müssen enorm erbessert werden. So ist es nach dem Brand auf dem üsseldorfer Flughafen geschehen. Wenn infolge hoher chneebelastungen Turnhallendächer einstürzen, dann ird zuerst darüber geredet, ob man nicht die Vorschrif Matthias Berninger ten verändern muss. Nach einem Lebensmittelskandal – zuletzt hatten wir einen Gammelfleischskandal; es wurde so manche Sau durchs Dorf getrieben – schienen geradezu bergeweise neue Vorschriften die einzige Lösung der Probleme zu sein. Man wird mit diesem Gesetz nur dann Erfolge erzielen, wenn das Parlament an bestimmten Stellen den Mut hat, auf Regelungsdichte zu verzichten. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Der Satz ist gut!)





(A) )


(B) )


Dazu bedarf es in der Tat der Mitwirkung von Opposi-
tion und Regierung. Die Regierung allein kann das nicht
schaffen.

Die Kollegin Zimmermann hat den Datenschutz, das
Umweltrecht und verschiedene andere Standards ge-
nannt, die ihr wichtig sind. In diesem Sinne hat sich auch
der Kollege Wend geäußert. Auch ich stehe auf diesem
Standpunkt. Für mich ist das heutige Datenschutzrecht
allerdings nicht sakrosankt. Das Datenschutzrecht dient
dazu, die Bürgerinnen und Bürger und auch Unterneh-
men elementar zu schützen. Das enthebt uns aber nicht
davon, dafür zu sorgen, dass dieses Recht effizient ist. Es
nutzt dem Datenschutz überhaupt nichts, das Daten-
schutzrecht von Veränderungen auszuklammern, indem
wir sagen: Das ist ein Heiligtum; wir reden nicht da-
rüber, ob auf diesem Gebiet etwas besser werden kann.
Der Datenschutz ist unser gemeinsames Anliegen; da
sind wir uns einig. Wir wollen durch Bürokratieabbau
keine Bürgerrechte beseitigen. Daher sollten wir selbst-
verständlich auch Themen wie Datenschutz, Umwelt-
recht bearbeiten.

Ich glaube im Übrigen nicht, dass sich die Qualität
von Umweltschutz an der Anzahl der Seiten von Vor-
schriften messen lässt. Ich bin daher sehr froh, dass es
ein Umweltgesetzbuch geben soll, in dem die Umwelt-
schutzvorschriften neu zusammengefasst werden.

An dieser Stelle möchte ich eine kleine Nebenbemer-
kung machen. Wenn wir mit der in den nächsten Wochen
anstehenden Föderalismusreform dafür Sorge tragen,
dass jedes einzelne Bundesland dieses Umweltgesetz-
buch mit Einzelvorschriften umgehen kann, dann laufen
Investoren Amok, weil sie glauben, dass sie bestimmte
Investitionen nach Prüfung von deren Rechtmäßigkeit in
einem Bundesland auch in einem anderen tätigen kön-
nen, und anschließend feststellen müssen, dass es erheb-
liche rechtliche Unterschiede gibt.

Ich halte es für wichtig, an dieser Stelle nicht den
Fehler zu machen, Föderalismusreform mit der büro-
kratischen Verkomplizierung unseres Rechtssystems zu
verwechseln. Mir ist zum Beispiel auch nicht ersichtlich,
warum wir 16 verschiedene Bauordnungen haben,
nachdem man sich zunächst einmal auf eine Bundesbau-
ordnung verständigt hat. So etwas ist keine Stärkung der
Länder, sondern greift das Nervenkostüm vieler Betei-
ligter an.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zwei Beispiele zum Abschluss.

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(C (D Erstens. Heute steht ein zweites Gesetz auf der Tagesrdnung. Durch eine ganze Reihe von Regelungen sollen leine und mittlere Unternehmen von Bürokratie entlaset werden. Was kleine Unternehmen angeht, soll die agatellgrenze von 350 000 Euro Umsatz im Jahr auf 00 000 Euro angehoben werden, damit sie es mit einer eringeren Regelungsdichte zu tun haben. Man setzt etas fort, was Rot-Grün in der letzten Legislaturperiode egonnen hat. Das freut mich sehr. Ich habe mir seitens iner Finanzverwaltung Informationen darüber besorgt, as es für diese Betriebe bedeutet, wenn wir ihnen auf iese Art und Weise mehr Freiheiten einräumen wollen: ntsprechende Vordrucke werden entwickelt, aus denen ie neue Definition der Einnahme-Überschuss-Regelung ür die Betriebe hervorgeht. In der Praxis wird es daurch komplizierter als zuvor. Dazu sage ich Ihnen: So kann es nicht funktionieren. ir müssen dafür Sorge tragen, dass die von uns vorge ommenen Änderungen wirkliche Entlastungen für die etriebe sind. Es geht nicht an, dass etwa die Steuerveraltung eines Landes dem mit irgendwelchen Vordru ken entgegenwirkt, sodass am Ende womöglich das Geenteil von dem herauskommt, was das Parlament rreichen wollte. Es reicht also nicht, Gesetze abzuschafen; vielmehr müssen wir berücksichtigen, wie sich etas in der Realität auswirkt. Bei dem von mir genannten eispiel ist es nicht so gut gelaufen. Zweitens – Stichwort „Gaststättenrecht“ –: das so enannte Bulettenabitur. Frau Zimmermann, ich war für erbraucherschutz zuständig. Ich kann Ihnen eines saen: Wenn man eine Gaststätte eröffnen will, dann hat an es mit Regelungen zu tun, die nicht für Verbrau herschutz sorgen, sondern dafür, dass man verzweifelt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


ch bin für einen modernen Verbraucherschutz und eine
ute Kontrolle. Regelungen wie die bisherigen müssen
eseitigt werden. Der Bundeswirtschaftsminister hat zu-
ächst die Abschaffung dieser Regelungen angekündigt.
ann hat er gesagt, er trete doch nicht für deren Ab-

chaffung ein, weil das Ganze im Zusammenhang mit
er Föderalismusreform in die Zuständigkeit der Länder
alle. Wir sollten ein Signal setzen, finde ich, und das
ennoch abschaffen. Wenn einzelne Länder nach der Fö-
eralismusreform der Meinung sind, dass sie das Bulet-
enabitur doch brauchen, dann sollen sie es meinetwegen
ieder einführen. Die Abschaffung wäre ein richtiger
chritt. Das ist eine von den Maßnahmen, Herr Kollege
end, über die wir vorhin gesprochen haben, die wieder

n diese Vorlage hineinkommen sollten.

Ich habe die Zeit ein bisschen überzogen, danke Ihnen
ür die Aufmerksamkeit und hoffe, dass wir gemeinsam
orankommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Dr. Rainer Wend [SPD]: Du hast ja ganz gut gesprochen!)







(A) )



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Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1603504000

Ich erteile das Wort Kollegen Hartmut Koschyk,

CDU/CSU-Fraktion.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1603504100

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Berninger, Sie haben durch Ihren konstruk-
tiven Redebeitrag deutlich gemacht, dass sich die große
Koalition bei ihrem Ziel, mit messbarem Bürokratieab-
bau und wirksamer Mittelstandsentlastung in Deutsch-
land ernst zu machen, in diesem Hause auf eine breite
Mehrheit weit über die Koalitionsfraktionen hinaus ab-
stützen kann.

Wir alle sind uns einig, dass vor allem Wirtschaft und
Mittelstand seit Jahrzehnten unter der Last unsinniger
Vorschriften und Regelungen leiden. Wir alle, auch die
Kollegen der Freien Demokraten, sollten die Kraft zur
Selbstkritik haben und einräumen, dass die Bundesregie-
rungen aller Farbschattierungen, auch Wirtschaftsminis-
ter – über lange Zeit sind sie von den Freien Demokraten
gestellt worden –, ihren Beitrag dazu geleistet haben.

80 Prozent der Bürokratiekosten tragen Handwerk
und Mittelstand in unserem Land und die entsprechen-
den Mittel fehlen bei den Investitionen und bei der
Schaffung neuer Arbeitsplätze. Ich bin dankbar dafür,
dass das Bundeswirtschaftsministerium durch das Insti-
tut für Mittelstandsforschung einmal hat errechnen las-
sen, wie hoch die jährlichen Bürokratiekosten sind.
Man schätzt diese Kosten auf 45 Milliarden Euro. Wenn
es uns gelingt, davon auch nur ein Viertel abzubauen,
dann entlasten wir die Unternehmen in unserem Land
um rund 10 Milliarden Euro. Das ist ein Betrag, der jede
Mühe wert ist. Das Beste daran ist: Der Abbau überflüs-
siger Bürokratie kostet den Finanzminister keinen Cent.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben uns für eine Doppelstrategie bei diesen
Maßnahmen entschieden. Wir richten einen Normen-
kontrollrat ein, der Regierung und Parlament berät und
bei der Aufgabe unterstützt, den Wildwuchs in Gesetzen
und Verordnungen dauerhaft zu bändigen. Herr Kollege
Berninger, wir sind sehr offen dafür, dies nicht auf Ge-
setzesinitiativen der Bundesregierung zu beschränken,
sondern dies im parlamentarischen Beratungsverfahren
auf Gesetzentwürfe aus dem Parlament auszudehnen.
Auch darüber, ob wir die Kompetenzen des Normenkon-
trollrats noch um das eine oder andere erweitern können,
wollen wir im Verfahren offen sprechen.

Ich sage sehr deutlich: Es ist gut und richtig, dass die
Einrichtung eines Normenkontrollrats kein bürokrati-
scher Akt ist, den eine Bundesregierung auf dem Verord-
nungswege erledigt, sondern dass das eine Initiative aus
dem Parlament heraus ist


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D nd dass dieser Epoche machende Schritt bei der Beämpfung überflüssiger Bürokratie in unserem Land om Parlament getan wird. Wir beraten und verabschieden mit diesem Entwurf ines Gesetzes zur Einsetzung eines Normenkontrollrats uch den Entwurf eines Mittelstandsentlastungsgesetes, das den Bürokratiekostendschungel mit ersten konreten Maßnahmen lichtet. Wir sollten uns als Deutsche mmer anschauen – davon ist hier mehrfach gesprochen orden –, was unsere Nachbarn in dieser Frage besser achen. Wir haben uns das genau angeschaut. Ich bin nserem Kollegen Röttgen sehr dankbar, der über lange eit mit Fachleuten gesprochen hat, die in die Nieder ande gereist sind und sich das dort genau angeschaut haen. Wir haben uns das auch in Dänemark und in Großritannien angeschaut. Was sich bei unseren Nachbarn eim Abbau überflüssiger Bürokratie bewährt hat, das ollen wir jetzt auch in Deutschland wagen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe von der Doppelstrategie gesprochen. Es
ommt der Normenkontrollrat, aber es kommt auch ein
ittelstandsentlastungsgesetz. Ich will einige Beispiele

afür nennen, wo das Mittelstandsentlastungsgesetz
reifen wird. Jährlich fallen in Deutschland 8 Millionen
onnen Altholz an. Wenn jemand zurzeit eine Lieferung
on nur 100 Kilogramm erhält, muss er einen zweiseiti-
en amtlichen Vordruck ausfüllen. Das wird der Vergan-
enheit angehören. Im produzierenden Gewerbe werden
ir bei der Statistikerhebung die Grenze, von der an
nternehmen einbezogen werden, von 20 auf 50 Be-

chäftigte anheben. Damit werden wir 25 000 Kleinbe-
riebe sozusagen von der Stichprobe und damit auch von
er Meldepflicht befreien. Für Betriebe mit insgesamt
00 000 Beschäftigten wird in dem Jahr 2007 die
ohnstrukturerhebung ganz entfallen.

Wir wissen, das alles reicht noch nicht. Deshalb wer-
en wir im laufenden Gesetzgebungsverfahren prüfen,
o wir noch weitere Entlastungsmomente einbringen
önnen. So wollen wir, dass Existenzgründer in den
rsten drei Jahren von allen Pflichten bezüglich statisti-
cher Auskünfte freigestellt werden. Das wollen wir ins
aufende Gesetzgebungsverfahren einbringen. Ein ande-
er Punkt betrifft die vielen technischen Möglichkeiten
Herr Kollege Berninger hat davon gesprochen –, die

ns die moderne Informationstechnik auch bei der Bü-
okratieentlastung bei Handwerk und Mittelstand bietet.

Wir werden auch in das laufende Verfahren zum ers-
en Mittelstandsentlastungsgesetz schnell realisierbare
eitere Vorschläge einfügen. Gleichzeitig beginnen wir
it den Vorbereitungen für ein zweites Mittelstandsent-

astungsgesetz, das bereits im Herbst konkrete Gestalt
nnehmen soll.

Unsere Fraktion hat über 60 konkret umsetzbare
unkte genannt, die wir uns für diese Legislaturperiode
orgenommen haben. Ein Drittel wird umgesetzt; bei ei-
em weiteren Drittel sind wir auf einem guten Weg. Wir
assen nicht locker, wenn es darum geht, in unserem






(A) )



(B) )


Hartmut Koschyk
Land etwas für mehr Wachstum und Beschäftigung zu
tun.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Denn wenn ein Unternehmer sich nicht mehr mit der
Meldung für die vierteljährliche Produktionserhebung
im Fertigteilbau beschäftigen muss, dann hat er mehr
Zeit für sein Unternehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Somit sichert Entbürokratisierung Arbeitsplätze und
schafft neue. Mehr Arbeitsplätze garantieren durch hö-
here Steuereinnahmen auch die Entlastung, die wir brau-
chen, um wieder zukunftsnotwendige Investitionen für
unser Land tätigen zu können.

Deshalb freuen wir uns, dass wir schon bei dieser De-
batte gespürt haben, dass auch die Freien Demokraten
und Bündnis 90/Die Grünen sich an diesem Gesetzge-
bungsverfahren und diesen Beratungen in Bezug auf
echten Bürokratieabbau in Deutschland und echte Mit-
telstandsentlastung konstruktiv beteiligen wollen. Wenn
es uns insgesamt gelingt, mit breiter parlamentarischer
Mehrheit endlich Konkretes auf den Weg zu bringen,
dann werden die Bürgerinnen und Bürger in unserem
Land spüren, dass die Politik aus dem Parlament heraus
Ernst macht, den Dschungel überflüssiger Bürokratie in
Deutschland nachhaltig zu lichten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1603504200

Das Wort hat nun Kollegin Birgit Homburger, FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1603504300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In

dieser Debatte ist über die Gesetzentwürfe zum Bürokra-
tieabbau schon einiges gesagt worden. Herr Kollege
Röttgen, Sie haben beispielsweise einleitend erklärt,
dass es seit 30 Jahren im Prinzip Ziel jeder Regierung
gewesen sei, Bürokratie abzubauen. Ich muss Ihnen ganz
ehrlich sagen: Diese Meinung teile ich nicht. In den
80er-Jahren, als es Deutschland wirtschaftlich gut ging,
sind in diesem Land einige Bestimmungen beschlossen
worden, die für mehr Bürokratie gesorgt haben und die
den Deutschen Bundestag heute nicht mehr passieren
würden. Es ist nicht so, dass das Ziel seit 30 Jahren das-
selbe ist.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Ich habe gesagt, dass das Ziel proklamiert, aber nicht erreicht wurde!)


Aber es ist in der Tat richtig – da wende ich mich an
Sie, Herr Dr. Wend, denn Sie haben das gesagt –, dass
die FDP in der Vergangenheit an den Bundesregierungen
beteiligt war.

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(C (D (Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Leider viel zu häufig!)


ch sage Ihnen klipp und klar: Wir haben schon Anfang
er 90er-Jahre deutlich gemacht, dass wir in Zeiten, als
ir Verantwortung getragen haben, Dingen zugestimmt
aben, denen wir heute nicht mehr zustimmen würden,
ie man damals als richtig empfunden hat und die zu
ehr Bürokratie geführt haben. Wir stehen zu der Ver-

ntwortung; aber weil wir das erkannt haben, fordern wir
chon seit Beginn der 90er-Jahre konsequent immer wie-
er die Reduzierung von überflüssigen Vorschriften in
eutschland.


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Bis 1998 waren Sie an der Regierung!)


a sind wir bei den anderen Fraktionen bisher gegen
ine Wand gelaufen. Ich freue mich, dass es jetzt eine
emeinsame Erkenntnis des ganzen Hauses gibt.


(Beifall bei der FDP)


Ich möchte auch deutlich machen, dass die Landesre-
ierungen, in denen wir vertreten waren bzw. sind, im-
er wieder Anstrengungen unternommen haben. Ich

enne beispielsweise entsprechende Zahlen für Baden-
ürttemberg. Dort wurde im Jahr 2000 eine Initiative

um Abbau überflüssiger Bürokratie gestartet. Wir ha-
en es geschafft, innerhalb von vier Jahren die Verwal-
ungsvorschriften in Baden-Württemberg um über 2 000
uf die Hälfte zu reduzieren. Das ist immer noch nicht
enug. Deswegen werden wir die Anstrengungen fort-
etzen. Anstrengungen erwarten wir aber auch von der
undesregierung.


(Beifall bei der FDP)


Von der Bundesregierung gab es nach der Wahl bisher
ur zahllose Ankündigungen. Es hieß, Bürokratieabbau
erde Chefsache. Auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Da-
os wurde dies angekündigt. Man muss allerdings deut-
ich sagen, dass wir davon bisher nichts gesehen haben.
etzt haben wir die erste Lesung eines entsprechenden
esetzentwurfs. Was bisher gelaufen ist, ist also wirk-

ich kein Ruhmesblatt für die Koalition.

Ich sage sehr deutlich: Wir begrüßen beide Gesetzent-
ürfe. Aber ich sage Ihnen auch sehr deutlich: Sie gehen
icht weit genug. Ich bin der Auffassung, dass wir end-
ich dazu kommen müssen, in Deutschland über die Be-
ristung von Gesetzen nachzudenken und Verordnun-
en grundsätzlich mit einem Verfallsdatum zu versehen.
s soll nicht derjenige sozusagen die Beweislast haben,
er sie abschaffen will, sondern derjenige, der sie weiter
ehalten will. Auch das wäre eine strukturelle Maß-
ahme.


(Beifall bei der FDP)


Wir fordern von Ihnen klipp und klar – ich komme
arauf noch zu sprechen – eine Eins-zu-eins-Umsetzung
er europäischen Richtlinien. Diese haben Sie vollmun-
ig angekündigt. Sie tun es allerdings nicht. Ich nenne in
iesem Zusammenhang beispielsweise das Antidiskrimi-
ierungsgesetz. Vor diesem Hintergrund sind natürlich






(A) )



(B) )


Birgit Homburger
alle möglichen Bekenntnisse zum Bürokratieabbau nicht
allzu viel wert.

Ähnliches gilt für das Mittelstandsentlastungsge-
setz. Es geht zwar in die richtige Richtung; Herr
Röttgen, Sie haben das Gesetz überschwänglich gelobt.
Ihr Kollege, Herr Fuchs, hat als mittelstandspolitischer
Sprecher Ihrer Fraktion aber öffentlich geäußert, dieses
Gesetz sei bei weitem nicht ausreichend und müsse an
entscheidender Stelle überarbeitet werden.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Aha!)


Wo Herr Fuchs Recht hat, hat er Recht.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Recht hat er!)


Wir können ihm nur zustimmen.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das habe ich doch angekündigt, Frau Kollegin!)


Ich möchte Ihnen sehr deutlich sagen: Wenn durch das
Mittelstandsentlastungsgesetz für kleine und Kleinst-
betriebe ein paar Regelungen verändert werden – bei-
spielsweise durch eine vereinfachte Statistik –, dann ist
das lobenswert.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Es kommt, Frau Homburger!)


Aber wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie
endlich an die Hauptkostenblöcke geht. Es wurde schon
das Institut für Mittelstandsforschung zitiert, das jährli-
che Kosten in Höhe von 46 Milliarden Euro allein auf-
grund bürokratischen Aufwands für die Betriebe festge-
stellt hat.

Was sind die großen Kostenblöcke? Ein zu kompli-
ziertes Steuerrecht, ein zu kompliziertes Sozialversiche-
rungsrecht, ein zu kompliziertes Arbeitsrecht, ein zu
kompliziertes Umweltrecht und viel zu viel Statistiken.
Das ist das Ergebnis der Studie, die im Auftrag des Wirt-
schaftsministeriums durch das Institut für Mittelstands-
forschung durchgeführt wurde. Was aber machen Sie?
Fehlanzeige! Wenn Sie nicht bereit sind, auch an die
großen Kostenblöcke heranzugehen, dann werden Sie in
der Zukunft keine Entlastung im Bereich der Bürokratie-
kosten erreichen.


(Beifall bei der FDP)


Das zeigt sich beispielsweise auch an dem Vorziehen
der Fälligkeit für die Abgabe der Sozialversicherungs-
beiträge; die entsprechende Regelung gilt seit Januar.
Das bedeutet Zusatzbelastungen in Höhe von 3 Milliar-
den Euro. Herr Röttgen, wenn Sie sagen, zusätzliche
Kosten müssten zukünftig gerechtfertigt werden, dann
sind Sie schlicht und ergreifend unglaubwürdig. Sie hät-
ten im Januar die Chance gehabt, dieses unsinnige Ge-
setz rückgängig zu machen. Sie haben dies nicht gewollt
und haben sehenden Auges 3 Milliarden Euro zusätzli-
che Kosten für die Betriebe und für die Krankenkassen,
die jetzt zweimal eine Abrechnung machen müssen, in
Kauf genommen. Trotzdem erklären Sie heute, dass Sie
zukünftig die Bürokratiekosten gerne reduzieren wollen.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Genau!)


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(C (D as ist nicht akzeptabel. Unser Vorschlag zum Antidiskriminierungsgesetz Herr Dr. Wend, Sie haben dies angesprochen – ist ganz infach: Gehen Sie über eine Eins-zu-eins-Umsetzung er Europäischen Richtlinien nicht hinaus. enn Sie jedes Mal bei der Umsetzung einer solchen ichtlinie weitere Kriterien draufsatteln, dann wird das ur dazu führen, dass Sie mehr Bürokratie und mehr osten in diesem Land provozieren. Das lassen wir Ihen als Opposition nicht durchgehen. Frau Kollegin Homburger, gestatten Sie eine Zwi chenfrage des Kollegen Wend? Gerne. Frau Kollegin Homburger, könnten Sie mir freundli herweise erklären, was die Frage, ob in Zukunft auch ehinderte in den Schutzbereich des Antidiskriminie ungsgesetzes genommen werden sollen, mit dem hema Bürokratie zu tun hat? Das will ich Ihnen gerne erklären. Wir haben in eutschland eine ganze Reihe von Regelungen, die eine iskriminierung verhindern. Wir alle – ich glaube, da ind wir uns in diesem Hause völlig einig – sind gegen ine Diskriminierung sowohl von Behinderten als auch on alten Menschen wie auch gegen eine Diskriminieung aufgrund der sexuellen Orientierung. Wir haben ber klare Regelungen in Deutschland, die das schon etzt verhindern. (Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Reden Sie mal mit den Behindertenverbänden!)


(Beifall bei der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1603504400
Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1603504500
Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1603504600
Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1603504700

enn es jetzt auf europäischer Ebene zusätzliche Richt-
inien gibt, die in Deutschland umgesetzt werden müs-
en, dann werden sie – das sagen wir als Rechtsstaats-
artei FDP – auch umgesetzt.


(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)


ber wir sagen Ihnen sehr deutlich: Dass Sie jetzt anfan-
en, im Zivilrecht Kriterien einzuführen, wonach es
anktioniert werden kann, wenn zwei Menschen sich
azu entscheiden, keinen Vertrag miteinander zu schlie-
en, ist schlicht und ergreifend falsch.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Aber was hat das mit Bürokratie zu tun?)


Moment, ich bin gerade dabei, das zu erklären. – Das
esen des Zivilrechts besteht darin, Herr Kollege
r. Wend, dass zwei Menschen selber entscheiden kön-
en, ob sie einen Vertrag schließen oder nicht.


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Oder diskriminieren!)







(A) )



(B) )


Birgit Homburger
Wenn dem einen die Nase des anderen nicht gefällt, dann
braucht er keinen Vertrag abzuschließen, auch wenn Ih-
nen das nicht passt. Das ist das Wesen des Zivilrechts.

Wenn Sie jetzt hier Kriterien einführen und anfangen,
dies zu ändern, dann führt das nur zu einem: dass zu-
künftig in diesem Zusammenhang auch im Bereich des
Zivilrechts Klage eingereicht wird und dadurch zusätzli-
che Bürokratie und höhere Kosten entstehen. Das ist
kontraproduktiv für Deutschland. Wir brauchen dies
nicht, um Diskriminierung zu verhindern. Was Sie jetzt
vorhaben, ist eine überflüssige Vorschrift und überflüs-
sige Bürokratie.


(Beifall des Abg. Ernst Burgbacher [FDP])


Deswegen lehnen wir Ihren Vorschlag ab. Ich kann nur
darauf verweisen, dass Frau Dr. Merkel, die heute Bun-
deskanzlerin ist, das noch vor wenigen Monaten, vor der
Bundestagswahl, genauso gesehen hat wie wir.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1603504800

Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen.


Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1603504900

Unter Schwarz-Rot ist Bürokratie wie eine Hydra.

Schon für jede Ankündigung der Abschaffung einer Vor-
schrift kommen zwei neue hinzu. Deswegen werden wir
als FDP-Bundestagsfraktion alles daransetzen, Sie auch
zukünftig beim Thema Bürokratieabbau zu treiben, da-
mit es wirklich zu Bürokratieabbau kommt und Kosten
reduziert werden. Die Republik ächzt in diesem Zusam-
menhang unter Kosten von jährlich 46 Milliarden Euro
und Sie kommen nicht vorwärts. Das muss ein Ende ha-
ben, und zwar so, dass wir in diesem Lande mehr Frei-
heit und damit mehr Chancen insbesondere für mehr Ar-
beitsplätze haben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1603505000

Ich erteile das Wort Kollegen Michael Bürsch, SPD-

Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Michael Bürsch (SPD):
Rede ID: ID1603505100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle reden

von Bürokratieabbau. Der Beitrag der Kollegin
Homburger hat aber gezeigt, dass es sehr unterschiedli-
che Vorstellungen zu diesem Thema gibt. Das gibt mir
Anlass zu ein paar Klarstellungen.

Erste Klarstellung. In diesen Tagen wird heftig über
den Staat diskutiert: Brauchen wir einen starken Staat?
Brauchen wir – das ist das FDP-Modell – einen schlan-
ken Staat? Um es gleich sehr deutlich zu sagen: Das ist
nicht unser Thema, wenn wir über Bürokratieabbau re-
den.


(Martin Zeil [FDP]: Leider!)


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(C (D en Ruf nach Bürokratieabbau mit der Forderung nach inem schlanken Staat gleichzusetzen, bringt uns auf en Holzweg. Den schlanken Staat bzw. einen Staat zu ollen, der sich möglichst weit zurückzieht und viel eicht nur noch hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, beeutet nicht, Bürokratie abzubauen, liebe FDPler. Das ist in Abbau von Staatsaufgaben. Das mag zwar das neolierale Verständnis von Bürokratieabbau sein. Aber das st nicht unser Verständnis und steht auch nicht zur Deatte. Wenn wir von Bürokratieabbau reden, dann meinen ir gerade nicht den schlanken Staat. Wir meinen damit icht den Rückzug aus den staatlichen Aufgaben. Denn ie Auffassung der Sozialdemokraten ist: Wir brauchen inen starken Staat. Wir brauchen einen Sozialstaat, der eine Fürsorgepflichten gegenüber seinen Bürgerinnen nd Bürgern wahrnimmt. Der Ruf nach einem schlanken taat ist sehr populär. Denn es wird vielfach unterstellt, ass nur der schlanke Staat zu einer starken Wirtschaft ühren kann, dass ein starker Staat und eine starke Wirtchaft einander ausschließen. Diese Rechnung geht nicht uf. Wenn Sie eines Beweises dafür bedürfen, sollten Sie ach England schauen und sehen, was Maggie Thatcher ort angestellt hat. Das ist die Widerlegung des Staatsodells „schlanker Staat“. Die Diskussion um Bürokratieabbau setzt dort an, wo s darum geht, wie der Staat seine Aufgaben wahrimmt. Genau an dieser Stelle müssen wir natürlich imer wieder prüfen, wie die öffentliche Hand möglichst ffizient arbeiten kann. Das heißt, wir müssen prüfen, ie sie Ressourcen schonen und mit möglichst geringer ürokratischer Belastung der Wirtschaft und der Bürgeinnen und Bürger arbeiten kann. Zweite Klarstellung. Wenn wir über Bürokratieabbau eden, dann sollten wir dies bitte schön unter dem Geichtspunkt tun, es handele sich um ein Gesamtkunsterk von Staat, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Ich enne Ihnen dazu Beispiele: Die Kritik an bürokratichen Regelungen und Verfahren sollte nicht unterschlaen, dass viele Exzesse nicht staatlichen Ursprungs sind, um Beispiel die Vorgaben der Berufsgenossenschaften, as im Gesundheitswesen bzw. zwischen Krankenkassen nd kassenärztlichen Vereinigungen bestehende Regelerk oder die verschiedenen nationalen und internatioalen Normgremien. Die allgegenwärtigen DIN reichen on der einheitlichen Kennzeichnung von Lineaturen in chulheften über Prüfnormen für den Knieschutz bis um IT-Management. Das Europäische Komitee für ormung, CEN, hat im März 2006 stolz verkündet, den ehntausendsten europäischen Standard verabschiedet u haben. Hinzu kommen immer mehr EU-Normen, die ompliziert und unübersichtlich erscheinen. Die Wirtschaft sollte sich an ihre eigene Nase fassen. s gibt wunderbare Beispiele dafür, wie bürokratisch die irtschaft – das ist die Domäne der FDP – selber ver ährt und jede Menge interne Regeln aufstellt. In der Zeit“ wurde darüber vor kurzem ein Artikel veröffenticht. Ein Beispiel: Die Mitarbeiterin eines Chemiekonerns wollte etwas Gutes tun. Sie schlug vor, zehn Dr. Michael Bürsch veraltete Computer nicht einfach wegzuwerfen, sondern an eine Schule abzugeben. Was ist passiert? In allen Abteilungen wurde geprüft, ob das möglich ist. Die Buchhalterin sagte schließlich, das geht nicht, ich kann das nicht verbuchen. Im Ergebnis landeten die Computer auf dem Sondermüll. So sieht die Bürokratie aus, die uns die Wirtschaft vorlebt. Wenn die Wirtschaft mit dem Finger auf die Politik zeigt, zeigen drei Finger auf sie zurück. Dritte Klarstellung zu den Möglichkeiten des Gesetzgebers unter dem Gesichtspunkt, dass es nicht um das Staatsmodell geht, sondern darum, wie wir ressourcenschonend vorgehen und Gesetze besser machen können. Es geht um eine kostenund zeitsparende Gesetzesanwendung. Ein Beispiel für eine bessere Gesetzgebung ist die Vereinfachung und Zusammenführung von Vorschriften. Eine große Hilfe wäre beispielsweise die Zusammenführung der Normen, die das Arbeitsrecht regeln – sie sind bisher auf viele Einzelgesetze verstreut –, in einem Gesetz. Ein weiteres Beispiel ist die Vermeidung von Doppelzuständigkeiten, die wir immer noch zuhauf haben. In Deutschland gibt es – das wissen viele nicht – zwei Meldewesen, nämlich über das Standesamt und über das Einwohnermeldeamt. Muss das denn sein? Viele Länder haben überhaupt kein Meldewesen. Die USA sind vielleicht nicht das beste Beispiel. Ob wir aber zwei Meldewesen brauchen, stelle ich infrage. Solche Beispiele können sie raufund runterdeklinieren. An dieser Stelle können wir ansetzen. Zu dem heute vorliegenden Gesetzentwurf sage ich: Das Standardkostenmodell ist der richtige Weg, weil zum ersten Mal auf der Basis von Zahlen und Fakten mit den vier Grundrechenarten belegt werden kann, wo man ansetzen kann. Man darf allerdings nicht zu viel erwarten. Die Informationsund Berichtspflichten, die hiermit ins Visier genommen werden, machen in der Tat gerade einmal 5 bis 10 Prozent des bürokratischen Aufwands aus. Es ist aber immerhin ein richtiger Schritt auf dem Weg, bei den Kosten Transparenz herzustellen und – das ist neu – bei den Beteiligten ein Kostenbewusstsein zu schaffen. Man muss in der Tat bei der Verwaltung anfangen. Vierte Klarstellung. Das, worüber wir reden, ist eine Domäne der Bürgerinnen und Bürger. Fassen wir uns doch einmal an unsere eigene Nase! In Deutschland leisten auch wir, die Bürgerinnen und Bürger, einen erheblichen Beitrag zum Bürokratieaufwand, weil wir bei allen Entscheidungen der Verwaltung auf Einzelfallgerechtigkeit pochen. Bei finanziellen Ansprüchen ist es sehr beliebt, für den eigenen Fall bis auf zwei Stellen nach dem Komma Gerechtigkeit zu verlangen, sie notfalls vor Gericht einzuklagen. Das ist eine Aufforderung an uns alle und an die Organisationen, die im gesellschaftlichen Sektor tätig sind. Ich weise darauf hin, dass sich der Deutsche Beamtenbund dieses Themas dankenswerterweise annimmt. Er will dafür sorgen, dass in der Verwaltung ein anderes Bewusstsein, eine andere Mentalität Einzug hält. Die Verwalter müssen allerdings bereit sein, Ermessen aus z c V z d K m g W k H w o p t n b t W d g g i P l g W a r t N a m g 3 w W G h t n b (C (D uüben. Wir brauchen einen Kulturwandel. Wir brauhen einen Verwalter, der nicht die buchstabengetreue erwaltung der Vorschriften anstrebt, sondern bereit ist, u gestalten und Verantwortung zu übernehmen. Wenn er Beamtenbund und andere Organisationen bei diesem ulturwandel mitmachen, sind sie herzlich willkommen. Also: Wir gehen an die Arbeit. Das Werk wird uns indestens noch 25 Jahre lang beschäftigen. Viel Ver nügen! Ich erteile der Staatsministerin Hildegard Müller das ort. H Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! In Deutschland haben wir – das ist bereits gesagt orden – ein zu enges Geflecht von Gesetzen und Verrdnungen. Viele Vorschriften, Auflagen und Meldeflichten schränken die Spielräume der Menschen, Unernehmen ein und lähmen ihre Initiativen. Deshalb ist es otwendig, zu überlegen, ob wir unsere Kräfte nicht viel esser für die Freisetzung innovativer Kräfte nutzen sollen. ir beschneiden die Freiheit und damit die Kreativität er Menschen und Unternehmen in unserem Land. Wir alle haben dazu beigetragen. Es wurden bereits ute Beispiele genannt. Kollege Berninger hat auf das roße Sicherheitsbedürfnis hingewiesen. Wann immer rgendetwas passiert, wird sofort gefragt: Warum hat die olitik das nicht geregelt? Warum gibt es Regelungs ücken? Warum wurde etwas abschließend nicht so gereelt, dass alles hundertprozentig abgedeckt ist? Es hat auch viel versteckten Protektionismus aus der irtschaft heraus gegeben. Die Wirtschaft hat ihre Ver ntwortung mitzutragen und kann sich daraus nicht zuückziehen. Oftmals geht es um den Schutz von Produken, die Sicherung von Nischen oder vieles andere. atürlich hat auch die Verwaltung selber ein Bestreben, lles perfekt zu machen, und damit hat sie zu den Probleen beigetragen. Das heißt, einfache Schuldzuweisun en nützen uns nichts. Die Ursache liegt vielleicht darin, dass in den letzten 0 Jahren immer wieder über dieses Thema gesprochen urde, aber am Ende nichts passiert ist. ir müssen Kräfte freisetzen – nicht vorrangig für neue esetze, sondern für neue Ideen, die zugleich neue Freieiten und damit neuen Wohlstand sichern. Unsere Unernehmen müssen wieder investieren, produzieren und eue Arbeitsplätze schaffen, statt mit neuen Statistiken eschäftigt zu werden. Staatsministerin Hildegard Müller Mit den heutigen Initiativen und dem Programm der Bundesregierung für Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung tragen wir diesen Anforderungen an einen modernen Bürokratieabbau Rechnung. Ziel ist es dabei, einen wirkungsvollen und zugleich möglichst schlanken und kostengünstigen Ansatz zum Abbau von Bürokratie zu wählen. Hierbei sollten wir – das ist gesagt worden – durchaus von guten Beispielen aus dem Ausland lernen. Wir müssen mehr von anderen Ländern – im Übrigen auch von unseren eigenen Bundesländern – lernen, in denen es bereits gute Initiativen zum Bürokratieabbau gibt. Die Bundesregierung selber hat vor zwei Wochen einen ersten – ich betone: ersten – entscheidenden Schritt unternommen. Am 25. April dieses Jahres hat das Kabinett das Programm „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ beschlossen. Dabei handelt es sich um eine Gesamtstrategie, die den Anforderungen an einen modernen Bürokratieabbau Rechnung tragen wird. Ziel dieser Strategie ist es, nicht nur die Reduzierung bestehender Belastungen zu intensivieren, sondern vor allem auch bei der frühzeitigen Verhinderung neuer Bürokratie effektiv anzusetzen. Wir brauchen eine bessere Rechtsetzung. Wir vergrößern damit den Freiraum für Wirtschaft und Gesellschaft. Lassen Sie mich kurz nur einige Maßnahmen dieses Programms vorstellen. Neu ist, dass sich wirklich die gesamte Bundesregierung, alle Kabinettsmitglieder diesem Ziel verpflichtet haben. Damit sind sich Kabinett, Ministerien und Verwaltung bei diesem Thema einig und werden gemeinsam vorangehen. Auch wir sind für die Einführung des Standardkostenmodells. Das ist ein innovativer und für Deutschland neuer Ansatz. Denn bislang hat es keine Methode gegeben, bestehende Bürokratiekosten zuverlässig zu erfassen. Liebe Kollegen von der FDP, Sie haben bemängelt, dass sich das nur auf Berichtsund Informationspflichten bezieht. Ihr eigener Antrag vom Januar dieses Jahres beinhaltete genau diesen Ansatz, die Messung von Berichtsund Informationspflichten. Darauf sollten Sie hier ehrlicherweise hinweisen. Das Standardkostenmodell ist eine wichtige Voraussetzung für die Quantifizierung und damit letztlich die Rückführung von Bürokratiekosten in Deutschland. Der einheitliche methodische Ansatz erlaubt es, hier schnellstmöglich vorzugehen und systematisch zu messen. Wir werden die Belastungen, die auf Berichten, Formularen und Anträgen beruhen, sehr konkret messen. Es gibt zum Beispiel 62 so genannte Primärstatistikerhebungen, 62 Auskunftspflichten, die teilweise mehrfach pro Jahr erhoben werden. Dies muss sich ändern. Auf der Grundlage dieser Messung wird die Bundesregierung ein verbindliches Abbauziel für bestehende, auf Informationspflichten beruhende Bürokratiekosten festlegen. So wird Bürokratiekostenabbau transparent, n b t m w u r n g D B N E k j b w M P m A s m A t k t f n i n I Ä d h p R V B p W s k d t e s K (C (D achvollziehbar und messbar. Wir werden hier darüber erichten. Wir wollen uns aber nicht nur auf das Standardkosenmodell beschränken. Auch weitergehende Instru ente und Verfahren sollen geprüft und durchgeführt erden. Wir müssen noch neue Techniken entwickeln, m eine umfassende Bewertung aller Lasten durchfühen zu können. Wir haben diese Techniken heute noch icht. Die Bundesregierung wird in diesem Bereich eieninitiativ weiterdenken. Der Normenkontrollrat ist bereits erwähnt worden. ie Bundesregierung hat sich in ihrem Programm zum ürokratieabbau bereits jetzt verpflichtet, den künftigen ormenkontrollrat regelmäßig in Anspruch zu nehmen. s ist gut, dass wir heute die Einrichtung dieses Büroratie-TÜV auf den Weg bringen. Ich freue mich schon etzt auf eine konstruktive und intensive Zusammenareit mit den Experten, die in diesem Gremium sitzen erden. Er soll eine starke Stimme bekommen. Seine acht wird die Öffentlichkeit sein. Aber ich sage auch: olitische Verantwortung ist nicht übertragbar. Auch wir üssen zu den Dingen stehen, die wir politisch regeln. ber das, was für notwendig erachtet wird, sollte so chlank wie möglich in Kraft treten. Ich habe nicht nur die Überprüfung bestehender Noren im Auge, sondern wir müssen auch grundlegende nsätze zu besserer Rechtsetzung mit dem Normenkon rollrat besprechen und praktische Umsetzungsmöglicheiten finden. Ich bin mir sicher, dass der Normenkonrollrat für uns alle eine Bereicherung sein wird. Vor diesem Hintergrund und weil das Initiativrecht ür die Gesetzgebung – das ist bereits gesagt worden – icht allein bei der Bundesregierung liegt, würde auch ch mich freuen, wenn der Sachverstand der Experten icht nur von den Bundesministerien genutzt würde. m Laufe des Verfahrens lassen sich ja vielleicht noch nderungen vornehmen. Insbesondere in der Woche des Europatages muss arauf hingewiesen werden – auch die Bundeskanzlerin at das eben ausdrücklich gesagt –, dass auch die Euroäische Union erheblich zur Bürokratie beiträgt. Viele echtsetzungsakte gehen mittlerweile auf europäische orgaben zurück. Daher ist es entscheidend, dass wir die ürokratie nicht nur beim Bund, sondern auch auf euroäischer Ebene begrenzen und, wo möglich, abbauen. ir bieten den anderen europäischen Ländern hier un ere Partnerschaft an. Wir sollten nicht nur die Möglicheiten nutzen, voneinander zu lernen, sondern uns auch em gemeinsamen Ziel des Bürokratieabbaus verpflichen. Dieser Prozess muss auch auf der Ebene der EU in inem möglichst frühen Stadium der Gesetzgebung beser als bisher berücksichtigt werden. Ich begrüße, dass ommissionspräsident Barroso vorgestern angekündigt Staatsministerin Hildegard Müller hat, die nationale Ebene bereits bei der Formulierung von Gesetzentwürfen stärker an der Rechtsetzung mitwirken zu lassen. Auch das ambitionierte Programm von Vizepräsident Verheugen, das Maßnahmen zur Rechtsbereinigung und Folgenabschätzung von EU-Recht enthält, zielt in die richtige Richtung. Mittlerweile hat auch die Kommission das Standardkostenmodell für sich entdeckt, für das wir ebenfalls werben. Ich kündige schon jetzt an, dass dieses Thema im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft im nächsten Jahr einen unserer Schwerpunkte bilden wird. Wir wollen innerhalb der Europäischen Union eine bessere Rechtsetzung erreichen. Heute beraten wir aber nicht nur die Einführung des Standardkostenmodells, sondern auch das erste Mittelstandsentlastungsgesetz. Weitere konkrete Maßnahmen werden folgen. Seien Sie versichert, dass nicht nur die Bundesregierung viele weitere Ideen hat. Auch aus der Mitte des Parlaments, zum Beispiel im Parlamentskreis Mittelstand der Union – er ist bereits erwähnt worden –, werden eine Reihe von Maßnahmen entwickelt, wie wir die Unternehmen ganz konkret entlasten können. Durch die Anhebung der Buchführungspflichtgrenze auf 500 000 Euro werden zum Beispiel 150 000 Unternehmen entlastet. Der Bürokratieabbau in unserem Land ist eine dringend notwendige Aufgabe. Er ist überfällig und er wird sich nur als gemeinsame Kraftanstrengung meistern lassen. Ich setze großes Vertrauen in die große Koalition und bedanke mich schon jetzt für die Unterstützung der verschiedenen Ressorts der Bundesregierung. Sie macht mich zuversichtlich, dass wir bei dieser Aufgabe vorankommen werden. Ich würde mich freuen, wenn wir bei diesem Vorhaben über die Parteigrenzen hinweg zusammenarbeiten könnten. Dazu liegen Angebote der verschiedenen Fraktionen vor. Ich werde in dieser Frage auf die Fraktionen zugehen und ihre Expertise einbeziehen. Aber wir sollten ehrlich sein: In keiner Fraktion ist ein Platz für Heiligenscheine angebracht. Wir sollten uns dazu bekennen, dass wir alle in den vergangenen Jahren Fehler gemacht haben. Ich denke nur an eine Fragestunde, in der von der FDP-Fraktion kritisiert wurde, dass sich die Bundesregierung nicht mehr für die Rückhaltebügel in Omnibussen einsetze. (Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Aha! So war das! Jetzt kommt es raus!)


(Beifall bei der SPD)





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(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr gut!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1603505200

(Beifall bei der CDU/CSU)

Hildegard Müller (CDU):
Rede ID: ID1603505300

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: So ist es!)


(Beifall bei der CDU/CSU)





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(Beifall bei der CDU/CSU)


(Martin Zeil [FDP]: Der war weitergehend!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Sehr gut!)


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr gut!)





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(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dazu sage ich nur: Auch in der FDP mag es in dieser
Frage den einen oder anderen Hänger gegeben haben.


(Martin Zeil [FDP]: Kümmern Sie sich lieber einmal darum, was Sie in den letzten Monaten gemacht haben!)


Wie gesagt: Das Ziel des Bürokratiekostenabbaus ist un-
ser gemeinsames Ziel.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D Ich bedanke mich für die Diskussion. Als Koordinatoin der Bundesregierung für Bürokratieabbau und besere Rechtsetzung werde ich als Ansprechpartnerin funieren. Ich lade Sie zur Mitarbeit ein. Ich bin mir sicher, ass wir mit diesem zukunftsweisenden Konzept geeinsam einen Erfolg haben werden. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1603505400

Ich erteile das Wort Kollegen Carl-Christian Dressel,

PD-Fraktion.


Dr. Carl-Christian Dressel (SPD):
Rede ID: ID1603505500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Max

eber hat Bürokratie als die rationale Form legitimer
errschaft definiert. Demnach vollzieht sich bürokrati-

che Herrschaft im Unterschied zu traditionaler oder
harismatischer Herrschaft nach überprüfbaren Regeln.
er Vorteil einer funktionierenden Verwaltung ist, dass

ie für Legitimität und Transparenz im demokratischen
taatswesen sorgt. Alles Verwaltungshandeln im demo-
ratischen Rechtsstaat muss sich auf Gesetze zurückfüh-
en lassen. Ich bin froh, dass wir in Deutschland über
ine, wie ich glaube, effiziente Verwaltung verfügen.
ir müssen durch unsere Gesetze dafür sorgen, dass die

erwaltung auch effizient sein kann.

Nicht nur im öffentlichen Dienst gibt es Bürokratie
wie Kollege Bürsch schon ausgeführt hat –; aber der

ffentliche Dienst in Deutschland, meine Damen und
erren von der FDP, ist leider seit Jahren dazu verurteilt,

n regelmäßigen Abständen Ihre Anträge zur Entbüro-
ratisierung, die sich nicht nur sinngemäß, sondern auch
m Wortlaut häufig wiederholen, auf Papier zu drucken,
u verteilen, zu verwalten und vor allem zu ertragen. Da
un mir nicht nur die Beamten Leid, da tun mir auch die
äume Leid, die für das Papier der Drucksachen sterben
üssen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


as meine ich nicht im Spaß. Ihre redundante Antrags-
lut der letzten Jahre hat dazu beigetragen, dass der Be-
riff des Bürokratieabbaus häufig zu einer Leerformel
erkommt. Ich möchte bei dieser Gelegenheit einen
achlichen Beitrag beisteuern.

Vonseiten der FDP höre ich immer wieder, Gesetze
räuchten ein Verfallsdatum. So schreiben Sie unter
unkt I. 3 des vorliegenden Antrags:

Wenn ein Gesetz ein Verfallsdatum hat und von
ganz allein aufgehoben wird, wird der Aufwand
schon sehr viel größer sein, es dann doch noch zu
verlängern.

as halte ich für eine gewagte These. Glauben Sie denn
llen Ernstes, dass sich nach Ablauf der Frist bei der
berprüfung eines Gesetzes die Normierungsgegner
urchsetzen werden? Aus eigener Erfahrung kann ich sa-
en: Das ist nicht so. In Bayern laufen kommunale Ver-
rdnungen nach 20 Jahren aus. Doch nichts ist einfacher,
ie identische Rechtsnorm als gut und bewährt erneut zu






(A) )



(B) )


Dr. Carl-Christian Dressel
verabschieden. Das Gleiche geht im Übrigen aus einer
Studie der Bertelsmann-Stiftung zum Thema Sunset-Le-
gislation hervor: keine Reduzierung der mit Regulierung
verbundenen administrativen Lasten.

Zweitens möchte ich von Ihnen gerne wissen, wie Sie
festlegen wollen, welche Gesetze befristet sein sollen.
Anders als in Ihrem Antrag haben Sie, Frau Homburger,
selbst gesagt, dass es Grenzen bei der Anwendung der
von Ihnen vorgeschlagenen Befristung geben muss;
Quelle „Financial Times Deutschland“, 10. April 2006.
Wo liegen diese Grenzen? Wie wollen Sie eingrenzen,
welche Gesetze ein solches Verfallsdatum haben sollen?
Es ist so wie immer – Rainer Wend hat das auch schon
festgestellt –: Ihre Vorschläge klingen markig und dyna-
misch, aber sie sind wenig konkret.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das Gleiche gilt für den Bürokratiekosten-TÜV. Mit
Normenkontrollrat und Standardkostenmodell setzen wir
unsere Koalitionsvereinbarung zum Bürokratieabbau
jetzt in die Tat um. Wenn Gesetzesvorlagen auf Effizienz
und Wirtschaftlichkeit hin überprüft werden, werden wir
ordentlich Bürokratie einsparen.

Auch wenn für diese Vorlage das strucksche Gesetz
gilt, muss man eines klar machen: Der Nutzen dieser
Form des Bürokratieabbaus liegt in der kritischen Ana-
lyse der bürokratischen Auswirkungen einer Gesetzes-
vorlage, nicht aber ihrer inhaltlichen Zielsetzung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es wird Ihnen wieder nicht gelingen, damit ein Gesetz
zum Kündigungsschutz zum Scheitern zu bringen,
meine Damen und Herren von der FDP.

In der Rechtsbereinigung, die Sie auch ansprechen,
haben wir in der vergangenen Legislaturperiode im Rah-
men der Initiative schon Zahlreiches bewegt; gekrönt
wurde es durch die Einsparung von 217 Gesetzen und
Rechtsverordnungen im Bereich des damaligen Ministe-
riums für Gesundheit und Soziale Sicherung – der größte
Beitrag zur Rechtsbereinigung in 40 Jahren. Sie ignorie-
ren dies schlichtweg.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren von der FDP, Sie könnten ei-
nen wichtigen Beitrag zum Bürokratieabbau leisten,
wenn Sie die Ministerien und auch den Deutschen Bun-
destag nicht mehr mit der Forderung, jährlich ein Berei-
nigungsgesetz vorzulegen, von der Arbeit abhalten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Martin Zeil [FDP]: Also: Wir brauchen kein Parlament mehr!)


Für interessant halte ich es, dass Sie im gleichen
Atemzug fordern, neue Maßnahmen zu ergreifen wie
eine Pflicht, die Gesetzesfolgenabschätzung zu doku-
mentieren. Das führt zum Aufbau von mehr Bürokratie.
Wenn wir im Rahmen der ZPO-Reform über Dokumen-
tierungspflichten sprechen, sind es doch gerade Ihre
Rechtspolitiker, die sagen: Das ist überflüssiger Büro-
kratismus. Ich kann Ihnen nur auf den Weg mitgeben: Es
reicht, was in §§ 43 und 44 der Gemeinsamen Geschäfts-
ordnung der Bundesministerien steht; es muss nur umge-
setzt werden.

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(C (D Herr Zeil, Sie haben vorhin das Stichwort Staatsvertändnis genannt. Anhand der Äußerungen von Ihnen nd Ihren Fraktionskollegen kann man klar und deutlich rkennen: Es geht Ihnen nicht um Bürokratieabbau, es eht um das Staatsverständnis. Wenn Sie von Bürokraieabbau sprechen, dann meinen Sie neben dem Aufbau on Entbürokratisierungsbürokratien doch nur den Abau von Schutzund Beteiligungsrechten der Bürger bis in zum Abbau des Sozialstaats. Die SPD-Fraktion hat Ihrem Antrag in der 15. Legisaturperiode nicht zugestimmt; sie wird ihm auch in der 6. Legislaturperiode nicht zustimmen. (Dr. Michael Bürsch [SPD]: In der 17. auch nicht!)


(Beifall bei der SPD)


ollten Sie in der 17. Legislaturperiode diesem Hause
och angehören, dann wird auch bei der dann sicherlich
rscheinenden Neuauflage eine Ablehnung des Wieder-
ängers seitens unserer Fraktion erfolgen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ernst Burgbacher [FDP]: Ob Sie dann noch da sind?)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1603505600

Kollege Dressel, dies war Ihre erste Rede im Deut-

chen Bundestag. Herzliche Gratulation und alles Gute
ür Ihre weitere Arbeit!


(Beifall)


Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
uf den Drucksachen 16/1406, 16/1407, 16/1167 und
6/119 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus-
chüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? –
as ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so be-

chlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a bis 22 n sowie
usatzpunkte 4 a bis 4 d auf:

22 a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Per-
sonenbeförderungsgesetzes und des Allgemei-
nen Eisenbahngesetzes

– Drucksache 16/1039 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Sicherung der Unterbringung in einem psychia-
trischen Krankenhaus und in einer Entzie-
hungsanstalt

– Drucksache 16/1110 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Gesundheit






(A) )



(B) )


Vizepräsident Wolfgang Thierse
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Moderni-

(Bundesschuldenwesenmodernisierungsgesetz)


– Drucksache 16/1336 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

d) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Bereinigung von Bundesrecht im Zuständig-
keitsbereich des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales und des Bundesministe-
riums für Gesundheit

– Drucksache 16/1293 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

e) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes über
die Bereinigung von Bundesrecht im Zustän-
digkeitsbereich des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

– Drucksache 16/1290 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Innenausschuss

f) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung und
Beschleunigung von Zulassungsverfahren für
Verkehrsprojekte

– Drucksache 16/1338 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus

g) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Per-
sonenbeförderungsgesetzes

– Drucksache 16/1341 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Tourismus

h) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ein-
führung einer Grundqualifikation und Wei-
terbildung der Fahrer im Güterkraft- oder
Personenverkehr

– Drucksache 16/1365 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus

(C (D i)

Entwurfs eines Gesetzes über die Besteuerung
des Spieleinsatzes


(Spieleinsatzsteuergesetz – SpEStG)


– Drucksache 16/1032 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Sportausschuss

j) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung der
Bundesnotarordnung

– Drucksache 16/1340 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss

k) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Rechts
der Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt

– Drucksache 16/1344 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Gesundheit

l) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst
Friedrich (Bayreuth), Patrick Döring, Joachim
Günther (Plauen), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP

Novellierung des Personenbeförderungsgeset-
zes – Wettbewerb im öffentlichen Personen-
fernverkehr zulassen

– Drucksache 16/384 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus

m) Beratung des Antrags des Bundesministeriums
der Finanzen

Entlastung der Bundesregierung für das
Haushaltsjahr 2005 – Vorlage der Haushalts-

(Jahresrechnung 2005)


– Drucksache 16/1122 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

n) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Karl
Addicks, Hellmut Königshaus, Dr. Werner
Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP

Die Entwicklungszusammenarbeit mit Kenia
auf den Prüfstand stellen

– Drucksache 16/965 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss






(A) )



(B) )


Vizepräsident Wolfgang Thierse
ZP 4 a)Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Europäischen Übereinkommen vom 6. Novem-
ber 2003 über den Schutz von Tieren beim
internationalen Transport (revidiert)


– Drucksache 16/1346 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Brigitte Pothmer, Volker Beck (Köln), Birgitt
Bender, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlänge-
rung der Ich-AG

– Drucksache 16/1405 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heike
Hänsel, Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN-
KEN

Flugticketabgabe jetzt – Entwicklungsfinan-
zierung auf breitere Grundlagen stellen

– Drucksache 16/1203 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Thilo

(Bremen)

des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Umsetzung des EU-Stufenplans zur Entwick-
lungsfinanzierung (0,7-Prozent-Ziel) durch
Flugticketsteuer unterstützen

– Drucksache 16/1404 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach-
ten Verfahren ohne Debatte.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

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(C (D Ich rufe die Tagesordnungspunkte 23 a und 23 b auf. s handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, u denen keine Aussprache vorgesehen ist. Zunächst Tagesordnungspunkt 23 a: 23 a)

von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu dem Übereinkommen über
das Recht der nichtschifffahrtlichen Nutzung
internationaler Wasserläufe

– Drucksache 16/738 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit (16. Ausschuss)


– Drucksache 16/1419 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Ulrich Petzold
Dirk Becker
Horst Meierhofer
Lutz Heilmann
Sylvia Kotting-Uhl

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
icherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
rucksache 16/1419, den Gesetzentwurf anzunehmen.

ch bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
ollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen oder Enthal-

ungen? – Keine. Der Gesetzentwurf ist damit einstim-
ig angenommen.

Tagesordnungspunkt 23 b:

b) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 17. Juni
1999 über Wasser und Gesundheit zu dem
Übereinkommen von 1992 zum Schutz und
zur Nutzung grenzüberschreitender Wasser-
läufe und internationaler Seen

– Drucksache 16/739 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit (16. Ausschuss)


– Drucksache 16/1420 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Ulrich Petzold
Dirk Becker
Horst Meierhofer
Lutz Heilmann
Sylvia Kotting-Uhl

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
icherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
rucksache 16/1420, den Gesetzentwurf anzunehmen.

ch bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
ollen, sich zu erheben. – Auch dieser Gesetzentwurf ist
amit einstimmig angenommen.






(A) )



(B) )


Vizepräsident Wolfgang Thierse
Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der FDP

Haltung der Bundesregierung zur Umsetzung
der europäischen Antidiskriminierungsricht-
linie

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Guido Westerwelle, FDP-Fraktion, das Wort.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1603505700

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Wir haben heute Morgen eine Debatte zur Europa-
politik geführt. Die Bundeskanzlerin hat sich in ihrer
Rede dafür eingesetzt – wir finden, das ist anerkennens-
wert –, dass wir aus Brüssel nicht noch mehr Bürokratie
bekommen. Aber wenn man die Bürokratie aus Brüssel
ablehnt, dann darf man in Deutschland aus dem, was aus
Brüssel kommt, nicht noch mehr Bürokratie machen.


(Beifall bei der FDP)


Meine sehr geehrten Damen und Herren von der
Unionsfraktion, an dieser Stelle fehlt Ihr Beifall. Denn
mit Verlaub gesagt: Sie waren diejenigen, die in der letz-
ten Legislaturperiode gemeinsam mit uns dafür ge-
kämpft haben, dass das, was aus Brüssel kommt, eins zu
eins umgesetzt wird.


(Christel Humme [SPD]: Das war ein Fehler!)


Davon ist nicht mehr die Rede.


(Beifall bei der FDP)


Sie setzen nicht eins zu eins um, was aus Brüssel
kommt, sondern setzen den Unfug eins zu eins um, den
Rot-Grün begonnen hat. Das ist das Entscheidende.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Katrin GöringEckardt)


Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von
der Union, man sieht Ihnen die Freude über dieses
Gesetz an. Sie haben vor ungefähr einem Jahr eine Bun-
destagsdrucksache eingebracht, über die wir hier gespro-
chen haben. Sie trägt den Titel: „Kein weiterer Arbeits-
platzabbau – Antidiskriminierungsgesetz zurückziehen“.
Ihre Haltung gegen das Antidiskriminierungsgesetz, wie
sie in diesem Antrag zum Ausdruck kam, war damals
richtig und wäre heute auch noch richtig. Dann müssten
Sie gemeinsam mit uns gegen das, was jetzt Gleichbe-
handlungsgesetz genannt wird, kämpfen. Rot-Grün hat
das „Antidiskriminierungsgesetz“ genannt; Sie nennen
es jetzt „Gleichbehandlungsgesetz“. Das ist derselbe Un-
fug in anderer Färbung und dagegen wenden wir uns mit
aller Entschiedenheit.


(Beifall bei der FDP)


Es ist übrigens auch ein Irrtum, zu glauben, dass ir-
gendeiner Minderheit, irgendeiner zu schützenden
Gruppe damit geholfen werden könnte.

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(C (D (Abgeordnete der LINKEN entrollen ein Transparent und tragen T-Shirts mit einem Aufdruck – Abg. Cornelia Hirsch [DIE LINKE] trägt als Schriftführerin ebenfalls ein T-Shirt mit Aufdruck – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Also, das kann man doch nicht machen! Da wird im Parlament demonstriert! Das kann nicht sein! – Unruhe)


ir Freie Demokraten – –


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603505800

Herr Dr. Westerwelle, ich muss Sie bitten, Ihre Rede

urz zu unterbrechen, damit ich den Kolleginnen und
ollegen der Linksfraktion deutlich machen kann, dass
ies hier kein Ort für Demonstrationen irgendwelcher
rt ist.


(Zuruf von der LINKEN: Wir protestieren hier!)


as können Sie draußen machen.


(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Würden Sie vielleicht die Schriftführer auch einmal ermahnen?)


as wir dagegen hier tun, ist, uns mit Worten auseinan-
er zu setzen und nicht mit Transparenten.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


eswegen würde ich Sie bitten, die Transparente und die
-Shirts, die die Funktion von Transparenten haben,
raußen zu zeigen, aber nicht hier drinnen.


(Lebhafte Zurufe im ganzen Hause)



Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1603505900

Wenn Sie mir noch die Bemerkung erlauben: Einige

on Ihnen sollten diese T-Shirts nicht tragen. Die sind
ei Ihrer Figur wirklich nicht mehr kleidsam.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der SPD)


ch meinte die Herren, damit das gleich klar ist.


(Renate Gradistanac [SPD]: Ich weiß jetzt, warum wir das Antidiskriminierungsgesetz brauchen!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603506000

Herr Dr. Westerwelle, ich muss die Sitzung unterbre-

hen, bis die Kollegen sowohl die Transparente als auch
ie T-Shirts nach draußen geschafft haben.


(Joachim Stünker [SPD]: Der Ältestenrat soll tagen! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Frau Präsidentin, haben Sie die Aufgabe, hier für Ordnung zu sorgen, oder nicht? Eine unglaubliche Provokation! – Weitere lebhafte Zurufe im ganzen Hause)







(A) )



(B) )


Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1603506100

Frau Präsidentin, bei allem Respekt: Ich bin der Über-

zeugung, dass Sie das richtig machen und auch für Ord-
nung sorgen. Aber wozu ich nicht bereit bin, ist: Wenn
vom Präsidium aus eine solche Demo gemacht wird, tue
ich hier nicht so, als ginge das einfach so weiter. Das
mache ich nicht mit.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dann unterbrechen wir jetzt hier. Ich würde dann jetzt
beantragen, dass die Sitzung unterbrochen wird.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603506200

Herr Dr. Westerwelle, die Sitzung ist im Moment un-

terbrochen.


(Abgeordnete der LINKEN sowie Abg. Cornelia Hirsch [DIE LINKE] verlassen den Saal)



Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1603506300

Na, fabelhaft.


(Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] nimmt auf dem Stuhl eines Schriftführers Platz – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Außerdem hat jetzt ein Grüner bei den Schriftführern Platz genommen!)


– Ich habe mich selten so gefreut, einen Grünen da oben
zu sehen.


(Heiterkeit – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Komm, wir machen die Sitzung jetzt weiter! – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Jawohl!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603506400

Ich würde die Sitzung jetzt gern wieder aufnehmen.

Nachher haben wir eine Ältestenratssitzung. Da gibt es
möglicherweise Leute, die das dort thematisieren wol-
len.

Ich erteile Herrn Dr. Westerwelle also erneut das
Wort.


Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1603506500

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Wir kommen jetzt

wieder zur Sache zurück. Ich will zu dem Gleichbehand-
lungsgesetz, das dem ehemaligen Antidiskriminierungs-
gesetz eins zu eins entspricht und das Sie dem Deutschen
Bundestag vorlegen, noch eine Bemerkung dazu ma-
chen, welcher Schutz damit eigentlich erreicht wird. Aus
unserer Sicht ist es eben Unfug, zu glauben, man könne
irgendeiner der zu schützenden Minderheiten hiermit ir-
gendwie helfen. Das Ergebnis dieses Antidiskriminie-
rungsgesetzes wird nicht sein, dass den zu Schützenden
geholfen wird. Die werden zu den Vorstellungsgesprä-
chen gar nicht mehr eingeladen, weil die Firmen be-
fürchten müssen, mit irgendwelchen Verbandsklagen
überzogen zu werden.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D Deswegen bedeutet dieses Gesetz eine Ausweitung on Bürokratie. Es ist minderheitenfeindlich. Hier wird einem Behinderten geholfen; hier wird keinem Schwuen geholfen; hier wird keiner Lesbe geholfen; hier wird iemandem geholfen, der zu Recht geschützt werden uss. In Wahrheit ist es ein Gesetz, das den zu Schüt enden schadet. Auch das muss klar gesagt werden. (Beifall bei der FDP – Irmingard ScheweGerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der redet ja wie Herr Kusch!)


Wir wollen an dieser Stelle festhalten: Diese Debatte
indet in diesem Hause ja nicht zum ersten Mal statt. Wir
aben das, was jetzt vorgelegt wird, schon einmal ge-
einsam verhindert.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, haben wir nicht verhindert!)


nion und FDP haben im Bundesrat diesen Unfug von
ot-Grün angehalten. Jetzt kommt er wieder. Wir wis-

en, dass Ihre eigenen Leute darüber entsetzt sind. Jeden
ag lese ich von einem Kollegen aus der Unions-Bun-
estagsfraktion, was das für ein Schrott von Rot-Grün
st, den sie hier heute durchbringen sollen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mindermeinung!)


Ich sage Ihnen dazu: Denken Sie an Ihr freies Mandat.
annesmut vor Königinnentreue, das ist hier jetzt ange-

agt.


(Beifall bei der FDP)


amit das Ganze korrekt bleibt: Frauenpower selbstver-
tändlich auch.

Wir Freien Demokraten sind der Überzeugung, dass
en Minderheiten hier geschadet wird, weil sie in Wahr-
eit um Chancen gebracht werden, dass der Mittelstand
it noch mehr Bürokratie belastet wird, dass deutschen

nteressen durch dieses Gesetz nicht entsprochen wird,
ass sie vielmehr in Europa benachteiligt werden. Wir
önnen auch auf die Regierungserklärung, die schließ-
ich von Ihrer eigenen Bundeskanzlerin hier abgegeben
orden ist, verweisen. Die Bundeskanzlerin hat hier in

hrer Regierungserklärung gesagt: Wir haben uns vorge-
ommen, die EU-Richtlinien im Grundsatz nur noch
ins zu eins umzusetzen. Wenn wir uns zusätzlich zu
em, was wir in Europa vereinbaren, Lasten aufbürden,
aben wir gegenüber unseren europäischen Mitbewer-
ern keine fairen Chancen. – Das war richtig, das bleibt
ichtig und es ist gut, dass es noch eine Kraft in diesem
ause gibt, die sich an das erinnert, was Sie früher mit
ertreten haben, nämlich mehr Freiheit und weniger Bü-
okratie.


(Beifall bei der FDP)


Mehr Freiheit wagen“ war doch eigentlich die Über-
chrift Ihres Amtsantritts.

Man ist einigermaßen atemlos darüber, mit welch ra-
antem Agendawechsel wir es in diesem Hause zu tun
aben. Wir werden darüber mit Sicherheit noch manches
al reden. Ich appelliere an die Ministerpräsidenten der






(A) )



(B) )


Dr. Guido Westerwelle
Bundesländer, die diesen Unfug schon einmal mit uns
gestoppt haben, es auch diesmal wieder im Bundesrat zu
tun. Wir werden jedenfalls dann an deren Seite stehen.
Es darf nicht dazu kommen, dass Herr Müntefering mit
seinem berühmten Satz nach der Regierungsbildung
„Schwarz ist auch nur ein ganz dunkles Rot“ Recht be-
kommt. Das wäre wirklich bedauerlich.

Wir brauchen mehr Freiheit. Wir müssen mehr Frei-
heit wagen. Das schafft Arbeitsplätze in Deutschland
und nicht diese Bürokratie. Ob sie von Schwarz-Rot
oder von Rot-Grün kommt – sie ist in beiden Fällen Un-
fug.


(Beifall bei der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603506600

Als nächster Redner hat der Kollege Dr. Jürgen Gehb,

CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt geht es nach Canossa!)



Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1603506700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die

Europäische Kommission hat am 23. Februar dieses Jah-
res vor dem Europäischen Gerichtshof ein unter dem
Aktenzeichen C-43/05 geführtes Feststellungsurteil er-
wirkt, das in etwa folgenden Tenor hat: Die Bundesrepu-
blik Deutschland hat ihre Verpflichtungen aus der Richt-
linie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur
Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirk-
lichung der Gleichbehandlung in Beruf und Beschäfti-
gung verletzt, indem sie nicht alle Verwaltungs- und
Rechtsvorschriften erlassen hat, die notwendig sind, um
dieser Richtlinie in Bezug auf bestimmte Diskriminie-
rungsmerkmale nachzukommen.

Warum erwähne ich dieses Urteil? Die Zeit drängt.
Nach diesem Erkenntnisverfahren folgt sozusagen das
Vollstreckungsverfahren,


(Zuruf von der LINKEN: Genau darum geht es!)


mit der Konsequenz, dass eine Strafe in Höhe von
900 000 Euro fällig wird für jeden Tag, den diese Richt-
linie nicht umgesetzt ist.

Diese Koalition hat diese Richtlinie nun umgesetzt.
Gestern hat die Bundesregierung einen entsprechenden
Gesetzentwurf im Kabinett verabschiedet.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Die heutige Aktuelle Stunde gibt mir keinen Anlass
und lässt mir auch nicht Zeit genug, jedes Detail dieses
Gesetzesvorhabens hier darzulegen. Ich möchte damit
auch nicht den einzelnen Lesungen vorgreifen. Deshalb
will ich mich auf zwei oder drei allgemeine Erwägungen
beschränken.

Herr Westerwelle, jede europäische Richtlinie ist in
nationales Recht umzusetzen, ob sie einem nun gefällt
oder nicht.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Eins zu eins!)


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(C (D iese europäische Antidiskriminierungsrichtlinie gefällt ir eher nicht. Dies gilt übrigens auch für viele andere ichtlinien, zum Beispiel die FFH-Richtlinie, die Vogel chutzrichtlinie, die uns bis aufs Blut drangsaliert. Lassen Sie mich eine Metapher wählen, damit das uch diejenigen im Publikum verstehen, die sich nicht on Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang mit dem echselspiel von europäischem und nationalem Recht eschäftigen: (Zuruf von der FDP: Das wird auch durch eine Metapher nicht besser!)


enn Sie einen lange in der Sonne liegenden und inzwi-
chen übel riechenden Handkäse verpacken müssen,
ann macht es keinen Unterschied, ob Sie diesen in eine
lte Pappschachtel legen oder in einen Parfümflakon
ersenken wollen. Das olfaktorische Unbehagen bleibt
it nur graduellen Unterschieden bestehen.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Und Sie müssen den zweiten Stinkkäse noch daneben legen!)


Ich mache hier und heute keinen Hehl aus meiner bei
eder Gelegenheit artikulierten Auffassung: Diese Anti-
iskriminierungsrichtlinien – ich betone: bereits die
ichtlinien – stellen einen fundamentalen Angriff auf
nsere kontinentaleuropäische und vom Grundsatz der
rivatautonomie geprägte Rechtsordnung dar. Dazu
tehe ich und dabei bleibe ich auch. Dennoch müssen
ir sie umsetzen.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: So weit geht nicht einmal die FDP! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kollege, geht es ein bisschen kleiner? Das Ende des Abendlandes!)


Deswegen hatte der „Tagesspiegel“ auch vollkommen
echt, als er vor zwei Tagen geschrieben hat: Wer dieses
rojekt hätte stoppen wollen, der hätte das vor langer,

anger Zeit in Brüssel tun müssen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie auch nichts getan!)


eshalb liegt das Kind nicht nur nicht erst seit gestern
m Brunnen, sondern dieser Brunnen steht auch nicht an
er Spree.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um Gottes willen!)


Einem weiteren Leitsatz möchte ich frönen: Das
ünschbare darf nicht zum Feind des Machbaren und,
ie in diesem Fall, auch Erforderlichen werden.
ünschbar wäre sicherlich – nicht jeder teilt diese Auf-

assung – eine Alleinregierung der CDU/CSU. Dann
ähe nicht nur dieses Gesetzeswerk anders aus, dann
ürden wir uns vielleicht auch eher dem Parfümflakon
ähern.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ihr hättet ja ein bisschen mehr Widerstand leisten können!)


uch wenn unser jetziger Koalitionspartner oder ir-
endeine andere Fraktion alleine regieren würde, sähe






(A) )



(B) )


Dr. Jürgen Gehb
das Gesetzeswerk anders aus. Freilich würde man sich
dann vielleicht eher in der Nähe zur Pappschachtel be-
finden. In diesem Hause gibt es seit geraumer Zeit aber
keine Alleinregierung.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja und keine Pappschachtel! – Dr. Rainer Wend [SPD]: Aber Pappnasen!)


Weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün, noch Schwarz-Rot
sind von der Not entbunden, Kompromisse finden zu
müssen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber ein bisschen mehr Mühe hättet ihr euch schon geben können, mein lieber Jürgen!)


Dieser Kompromiss – nicht mehr und nicht weniger – ist
gefunden worden. Wenn es zur Lesung des Gesetzes
kommt, können wir uns um die arithmetische Umset-
zung kümmern. Darüber, ob sie im Grundsatz eins zu
eins, eins zu 1,1 oder eins zu 0,9 beträgt, können wir uns
trefflich streiten. Für heute soll es damit sein Bewenden
haben.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603506800

Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Dr. Ilja

Seifert das Wort.


(Beifall bei der LINKEN – Ina Lenke [FDP]: Wo bleiben die Transparente?)



Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603506900

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Lieber Herr Kollege Gehb, wenn es in diesem
Lande und auf diesem Kontinent Dinge gibt, die funda-
mental gegen unser Verständnis von Gerechtigkeit ver-
stoßen, dann ist es die Diskriminierung von Minderhei-
ten und nicht die Umsetzung einer Richtlinie. Ich finde,
Sie haben das Pferd völlig von hinten aufgezäumt.


(Beifall bei der LINKEN)


Auf Wunsch der FDP reden wir hier darüber, wie sich
die Bundesregierung zur Antidiskriminierungsrichtlinie
verhält. Sie, die FDP, möchten sie am liebsten ganz und
gar verhindern. Herr Westerwelle, Sie versteigen sich
dazu, zu sagen, dass Minderheiten durch diese Richtlinie
eher Schaden als Nutzen haben.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Unglaublich!)


– Es ist wirklich unglaublich, was Sie hier sagen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Je weniger Schutz, umso mehr Rechte – das ist die Logik der FDP!)


Wenn es wenigstens so wäre, dass die Regierung die
Richtlinie eins zu eins umsetzte, dann wäre ich ja schon
heilfroh. Schauen wir aber doch bitte einmal nach, wo-

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(C (D um es überhaupt geht. An einem einzigen Punkt geht ie Regierung ein kleines bisschen darüber hinaus, nämich bei der Aufzählung der betroffenen Gruppen. Bei er Aufzählung der betroffenen Gruppen würde noch zuätzlich dadurch diskriminiert, wenn die einen die Guten nd die anderen die Schlechten bzw. die Bösen genannt ürden. Ein anderer Punkt ist die Überschrift. Es ist ein gealtiger Unterschied, ob Diskriminierung verboten oder ur so getan wird, als ob ein allgemeines Gleichbehandungsgebot eingeführt wird. Wenn man Diskriminierung irklich verhindern will, dann muss man gerade unleich behandeln. eil die diskriminierten Gruppen benachteiligt sind, uss ihnen eine Chance gegeben werden, diesen Nach eil auszugleichen. Wenn bei ungleichen Verhältnissen lle gleich behandelt werden, dann wird dadurch nur die ngleichheit reproduziert. Das soll aber gerade überunden werden. Weil die Regierung der Meinung ist, dass es in diesem ande keine Diskriminierung gibt, weil es sie nicht eben darf, wird das Gesetz auch nicht Diskriminieungsverbot, sondern Gleichbehandlungsgebot genannt. chon da fällt sie weit hinter die Richtlinie zurück. Es ird also nicht im Verhältnis eins zu eins oder eins zu ,1, sondern im Verhältnis eins zu 0,5 umgesetzt. Es geht aber noch weiter. Die Antidiskriminierungsichtlinie der EU besagt nichts anderes als das, was in rt. 13 des Amsterdamer Vertrages steht, dass nämlich iskriminierung verboten ist. Was steht in dem von der egierung vorgelegten Gesetz? Diskriminierung ist mit usnahme folgender Punkte verboten. Es folgt unter anerem die Ausnahme, dass es ausreicht, einen so geannten „sachlichen Grund“ geltend zu machen, der ann wieder zu einer Diskriminierung berechtigt. Ein achlicher Grund ist nach allgemeiner Rechtsprechung n diesem Lande – Herr Westerwelle, Sie sind Jurist geug, um das zu bestätigen – die Angabe, dass die Beseiigung der Diskriminierung zu teuer sei. Die EU-Richtliie sieht aber nicht vor, dass Diskriminierung erlaubt ist, enn ihre Beseitigung nur teuer genug ist. Ich nenne ein Beispiel. Wenn vor dem Eingang zum athaus drei Treppenstufen sind, dann können die Beindertenorganisationen verlangen, eine Rampe zu auen; das ist gerade noch möglich. Wenn aber verhinert werden soll, dass Behinderte ins Rathaus kommen, ann werden vor dem Eingang zum Rathaus neun Stufen ebaut; denn dort eine Rampe hinzubauen, wäre viel zu euer. Also ist es keine Diskriminierung. Diese Denkeise ist doch absurd. Demzufolge ist dieser Finanzierungsvorbehalt, der ich hinter dem „sachlichen Grund“ versteckt, abzuchaffen. Dieses Gesetz setzt die Richtlinie nicht um, ondern fällt weit dahinter zurück. Sie aber, Herr Westerwelle, tun ebenso wie Ihre ganze raktion so – das ist bedauerlich –, als sei das Ganze ein Dr. Ilja Seifert furchtbares und schlimmes bürokratisches Hindernis auf dem Weg zur realen Gleichbehandlung von Menschen mit unterschiedlichen Handicaps. Das Handicap kann beispielsweise auch aus einem Migrationshintergrund bestehen. (Renate Gradistanac [SPD]: Sie wollen Gleichbehandlung! Jetzt haben Sie es selber noch einmal betont!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)





(A) )


(B) )


– Nein, ich will keine Gleichbehandlung, sondern ich
will Ungleichbehandlung, um am Ende eine Gleichstel-
lung zu erreichen. Das Ziel ist die Gleichstellung, nicht
die Gleichbehandlung.


(Beifall bei der LINKEN)


Genau darüber reden wir; das dürfen wir nicht verwech-
seln.

Ich finde diese Aktuelle Stunde sehr wichtig. Der Im-
petus darf aber nicht sein, dieses Antidiskriminierungs-
gesetz zu verhindern, sondern der Impetus muss dahin
gehen, dieses Gesetz auszuweiten, sodass Sanktionen
wirklich greifen. Momentan enthält dieses Gesetz kei-
nerlei wirksame Sanktionsmöglichkeiten. Es passiert
doch gar nichts, wenn nichts passiert. Das ist das
Schlimme.

Wenn wir wenigstens erreichen würden, dass in der
Bevölkerung das Bewusstsein entsteht, es sei unanstän-
dig, Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung,


(Renate Gradistanac [SPD]: Das heißt „sexuelle Identität“, nicht „Orientierung“!)


wegen ihrer Behinderung oder wegen ihrer Herkunft zu
diskriminieren, dann hätten wir schon etwas erreicht.
Aber wenn nichts passiert und Menschen trotzdem dis-
kriminiert werden, dann haben wir wenig erreicht. Des-
halb muss dieses Gesetz Möglichkeiten zu Sanktionen
enthalten, die bei Verstößen gegen dieses Gesetz zum
Einsatz kommen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich danke Ihnen für die Möglichkeit, hier vor diesem
Haus zu reden. Aber ich danke Ihnen überhaupt nicht für
den Impetus, den Sie damit verbinden.


(Beifall bei der LINKEN)



(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ihre Argumentation erschließt sich uns auch nicht immer!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603507000

Für die Bundesregierung hat das Wort jetzt die Bun-

desministerin Brigitte Zypries.


(Das Rednerpult lässt sich nicht verstellen – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ist das jetzt eins zu eins oder mehr?)



Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1603507100

– Das wissen Sie in zehn Minuten. Gedulden Sie sich

noch so lange und hören Sie schön zu!

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(C (D (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: In neun Minuten!)


ch muss erst einmal anfangen. Wenn das so weitergeht,
ann sind zehn Minuten schon richtig. Das ist wie mit
er Frage der Umsetzung.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603507200

Wird das alles im Protokoll festgehalten?


(Iris Gleicke [SPD]: Ja! Da bin ich ganz sicher, dass das im Protokoll ist! – Zuruf von der SPD: Dann kann man es wenigstens nachlesen!)



Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1603507300

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

amen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
s gibt in der Tat Themen in der Politik, bei denen es
chwierig ist, eine sachliche Debatte zu führen, weil die
orurteile der verschiedenen Seiten so manifest sind,
ass die Menschen das, worum es im Gesetzentwurf
eht, in der Regel nicht mehr wahrnehmen. Ich erlebe
as in meinem Ressort leider nicht nur bei diesem Ge-
etz.

Im Urheberrecht gibt es ein ähnliches Problem. Da
at man sich auf eine bestimmte Weise festgelegt und
eint, es seien Vorschläge im Gesetzentwurf enthalten,

ie aber gar nicht drinstehen. Es gibt Interessengruppen,
ie immer wieder mit der Behauptung, im Gesetzent-
urf seien bestimmte Vorschläge enthalten, öffentlich zu
elde ziehen. Damit erreichen sie aber das Gegenteil.

Dasselbe Problem stellt sich beim Antidiskriminie-
ungsgesetz, besser gesagt beim Allgemeinen Gleichbe-
andlungsgesetz. In Heft 18/2006 des „Focus“ wird Herr
endt, der Chef der gleichnamigen Maschinenbau
mbH aus Georgsmarienhütte, dem ein zweiseitiger Be-

icht gewidmet ist, wie folgt zitiert:

Seit das Antidiskriminierungsgesetz gilt, betreiben
wir bei Stellenausschreibungen und Bewerberaus-
wahl einen Riesenaufwand,


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Hört! Hört!)


um uns gegen Klagen abzusichern. Denn wir müs-
sen im Zweifelsfall nachweisen, dass wir einen Be-
werber nicht diskriminiert haben. Bei Bewerbungs-
gesprächen sind wir jetzt immer zu dritt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist vorausschauend! – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen Sachkenntnis wäre nicht schlecht!)


Es ist immer wieder dasselbe Phänomen: Es wird eine
ehauptung in den Raum gestellt und die Menschen
enken, dass dies auch zutrifft. Dabei gilt die betreffende
egelung noch gar nicht. Sie wissen überhaupt nicht,
ovon sie reden.

Insofern danke ich sehr für diese erste Gelegenheit
es wird noch mehrere geben –, deutlich zu machen,
orum es beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz






(A) )



(B) )


Bundesministerin Brigitte Zypries
geht. Das erste, was wir lernen müssen, ist, dass es zwei
verschiedene Regelungsbereiche gibt. Genauer gesagt
gibt es sogar drei. Es gibt erstens eine Antirassismus-
richtlinie, die sich auf das Verbot der Diskriminierung
wegen Rasse und ethnischer Herkunft bezieht und die ei-
nen sehr tiefen Regelungsbereich hat. Sie gilt sowohl im
Arbeitsrecht als auch im Zivilrecht. Im Zivilrecht greift
sie sogar relativ tief in die Rechtsverhältnisse ein und be-
wirkt damit das, von dem Herr Gehb gesagt hat, dass wir
es in Deutschland nicht kennen. Wir haben nämlich im
Grundsatz keine Vorschriften, an wen man sich wenden
darf; wir halten die Vertragsfreiheit sehr hoch.

Die Antirassismusrichtglinie regelt außerdem den Zu-
gang zu Bildung, Gesundheit und Sozialleistungen. Das
heißt, der zweite Schwerpunkt liegt im öffentlichen
Recht.

Daneben gibt es zwei Richtlinien, die sich auf das Ar-
beitsrecht erstrecken und auf die sich das Urteil des
EuGH bezieht. Diese enthalten die Merkmale Religion
und Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Iden-
tität und Geschlecht, Rasse und ethnische Herkunft sind
nicht enthalten; sie sind an anderer Stelle geregelt. Aber
alle anderen Merkmale nach Art. 13 des EG-Vertrages
werden berücksichtigt. Eine Diskriminierung wegen der
in diesem Artikel genannten Merkmale darf in Europa
nicht erfolgen.

Damit wird übrigens auch durch den europäischen
Vertrag dokumentiert, dass es sich bei der EU – Herr
Westerwelle, Sie haben mit dem Zitat von Frau Merkel
zu Recht darauf hingewiesen – nicht nur um eine Wirt-
schaftsgemeinschaft, sondern auch um eine Wertege-
meinschaft handelt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist völlig klar, dass die EU nicht nur die Wirtschaft
schützen will, sondern auch die Werte. Was anderes als
gelebte Menschenrechtspolitik ist denn die Wertepolitik
der EU?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch für Herrn Gehb wichtig!)


Wir haben also im Arbeitsrecht eine andere Rege-
lungstiefe als im Zivilrecht. Im Zivilrecht gibt es nur
eine Regelung in Bezug auf das Geschlecht, nämlich die
Vierte Gleichstellungsrichtlinie, sowie eine Richtlinie,
die die Merkmale Rasse und ethnische Herkunft schützt
und deren Regelungstiefe sehr viel weiter geht. Das
heißt, es gibt ein buntes Durcheinander von verschiede-
nen Regelungsbereichen.

Eines ist aber gegeben, Herr Westerwelle: Im Arbeits-
recht gilt die Gleichbehandlung aller Merkmale. Inso-
fern setzen wir im Arbeitsrecht – das ist unstreitig, wie
Ihnen Ihre Mitarbeiter sicherlich bestätigen werden – die
Richtlinie eins zu eins um.


(Widerspruch bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D ir machen im Arbeitsrecht nichts anderes als das, was ezüglich des Geschlechts seit 25 Jahren – beispielseise in § 611 a BGB – geltendes Recht in Deutschland st. Mehr machen wir nicht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Da täuschen Sie sich!)


Die Grünen behaupten nun, wir machten sogar weni-
er. Wir sagen aber, dass es genauso viel ist. Das klären
ir vielleicht in der ersten Lesung. Erst einmal gilt: Aus
er Umsetzung ergibt sich nicht mehr Bürokratie für die
rbeitgeber als das, was sie durch den § 611 a seit
5 Jahren kennen. Der einzige Unterschied ist, dass sich
ie Regelung nicht nur auf das Geschlecht, sondern auch
uf alle anderen Diskriminierungsmerkmale in Art. 13
es EU-Vertrages bezieht. Meiner Meinung nach ist das
icht kritikwürdig.


(Zustimmung bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Beim Zivilrecht gibt es nun unterschiedliche Rege-
ungstiefen und Diskriminierungsmerkmale wie Rasse,
thnische Herkunft und Geschlecht. Deshalb vertreten
ir die Meinung: Bei Massengeschäften des täglichen
ebens – das sind solche Geschäfte, bei denen jemand
iner unbestimmten Vielzahl von Menschen eine Viel-
ahl von Angeboten macht, beispielsweise wenn man im
aufhof ein Haarshampoo, bei Karstadt ein paar Unter-
osen oder bei Ebay ein Fahrrad im Angebot kaufen
ill; also überall dort, wo es dem Verkäufer egal ist, mit
em er den Vertrag schließt, handelt es sich um ein Mas-

engeschäft – kann es keinen Grund für Diskriminierung
eben, weil wir hier die Wertentscheidung aus Art. 13
es EU-Vertrages anwenden. Mit anderen Worten: Wir
aben hier alle Merkmale aufgenommen. Ich glaube,
ass das Sinn macht.

Natürlich kann man fragen: Warum regelt ihr das
enn? Solche Fälle sind doch in der Vergangenheit in
eutschland über die Generalklauseln des bürgerlichen
echts abgehandelt worden. In §§ 138 und 242 BGB

ind solche Fälle gerichtsfest gelöst. – Das waren für die
ichterinnen und Richter aber immer nur Krücken,
ilfsmittel. Nun gibt es eine Regelung, die besagt: Wenn

emand keine Arme hat, weil er als Contergan-Geschä-
igter geboren wurde, darf er nicht eines Lokals verwie-
en werden, weil er nur mit den Füßen essen kann. Wa-
um will man so jemandem verbieten, in einem
ffentlichen Lokal zu essen?


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


arum will man Menschen, die eine Behinderung oder
in bestimmtes Alter haben, bestimmte Massengeschäfte
ersagen? Wodurch ist legitimiert, dass beispielsweise
0-Jährigen, die die notwendigen Sicherheiten bieten,
auschal kein Kredit gewährt wird?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Bundesministerin Brigitte Zypries
Warum sollten wir den Banken in Deutschland eine
solch pauschale Vorgehensweise nicht verbieten, wenn
die individuellen Voraussetzungen – diese dürfen natür-
lich überprüft werden; das steht ausdrücklich in unserem
Gesetzentwurf – gegeben sind? Verehrte Frau Kollegin,
das ist der Unterschied zwischen öffentlichem Recht und
Zivilrecht: Die Verfassung besagt, dass der Staat nicht
diskriminieren darf. Wir reden hier aber über das Zivil-
recht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir legen fest, dass man in solchen herausgehobenen Si-
tuationen im Zivilrechtsverkehr nicht diskriminieren
darf.


(Beifall bei der SPD)


Da dies noch nicht geregelt ist, muss es im Rahmen der
Umsetzung der EU-Richtlinien einfachgesetzlich gere-
gelt werden; das ist nun einmal so.

Da meine neun Minuten Redezeit gleich vorbei sind,
möchte ich zusammenfassend feststellen, dass wir die
EU-Richtlinien sachgerecht umsetzen. Nur bei den Mas-
sengeschäften des täglichen Lebens haben wir zusätzli-
che Diskriminierungsmerkmale eingeführt, ansonsten
werden die EU-Richtlinien eins zu eins umgesetzt. Da-
rüber hat schon Rot-Grün lange gestritten. Herr Bosbach
und Herr Gehb haben den letzten Feinschliff vorgenom-
men und noch weitere Verhandlungsergebnisse in die-
sem Sinne erzielt. Ich kann jedenfalls nicht erkennen, wo
die EU-Richtlinien im Arbeitsrecht nicht eins zu eins
umgesetzt werden und wo die Umsetzung über das hi-
nausgeht, was bereits im Betriebsverfassungsgesetz ge-
regelt ist.


(Zuruf von der FDP)


– Das ist ein anderer Punkt. Es ist jedenfalls geltendes
deutsches Recht.

Ich schließe mich den Worten meines Vorredners an
und sage vielen Dank für die Gelegenheit, einmal im Zu-
sammenhang darzustellen, was wir eigentlich regeln. Ich
fände es schön, wenn ein bisschen Sachlichkeit in die
Diskussion einkehrte


(Beifall bei der SPD)


und wenn man zur Kenntnis nähme, dass es nicht darum
geht, Bürokratiemonster aufzubauen, sondern darum, die
EU-Richtlinien umzusetzen, und zwar möglichst schnell
– denn aufgrund des politischen Streits sind wir schon
spät dran –, und dass unsere Regelungen sachgerecht
sind.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603507400

Das Wort hat die Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk,

Bündnis 90/Die Grünen.

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(C (D Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

eutschland bekommt ein Gleichbehandlungsgesetz und
um mit den Worten des Berliner Bürgermeisters zu
prechen – das ist auch gut so. Nach einigem Gezerre hat
ich die Koalition offensichtlich geeinigt und siehe da:
er Ansatz von uns Grünen hat sich weitgehend durch-
esetzt. Das ist ein Sieg der Vernunft, ein Erfolg der bes-
eren Argumente. Das zeigt deutlich: Grüne Politik
irkt nachhaltig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der FDP)


Im Detail werden wir uns noch streiten. Die Koalition
ill einige Abstriche machen. Das gefällt uns nicht. Des-
alb werden wir den Gesetzentwurf der Regierung auf
erz und Nieren prüfen. Verwässerungen werden wir

ntgegentreten; denn das Gleichbehandlungsgesetz darf
ein Papiertiger werden, es muss einen wirksamen
chutz vor Ausgrenzung gewährleisten.

Herr Bosbach, Sie haben nach dem Lob gefragt. Ich
ill mit Lob nicht geizen,


(Beifall des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Nicht übertreiben!)


bwohl gestern eine große Zeitung schrieb, der größte
ehler des Gesetzes sei, dass die Grünen es lobten.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der FDP)


ie Richtung stimmt. Unsere zentrale Forderung war
mmer: Das Gleichbehandlungsgesetz darf niemanden
usgrenzen und


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Bosbach wird von den Grünen gelobt!)


s muss klarstellen,


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Zur Sache!)


ass niemand wegen seiner ethnischen Herkunft, des
eschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer
ehinderung, des Alters oder der sexuellen Identität be-
achteiligt werden darf. Ich freue mich über den Zu-
pruch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ieses Ziel ist offenbar erreicht. Behinderte, ältere Men-
chen, Lesben und Schwule sowie religiöse Minderhei-
en sind nun auch im Zivilrecht geschützt. Das ist ein
ichtiger gesellschaftspolitischer Fortschritt. Das ist,
ie die Ministerin sagte, die eigentliche Erweiterung
ber die Richtlinie hinaus.

Halten wir doch fest: In diesem Hause gibt es nur
och eine Fraktion, die geschlossen dagegen schäumt,
ass Lesben und Schwule in das Gesetz voll einbezogen
erden. Es gibt nur noch eine Partei, die unbedingt errei-

hen will, dass behinderte Menschen im Zivilrecht aus-
eschlossen bleiben, und diese sitzt hier auf der ganz
echten Seite.






(A) )



(B) )


Irmingard Schewe-Gerigk

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das sagen Sie wider besseres Wissen!)


Es ist die FDP,


(Zuruf von der FDP: Absolut falsch!)


die weiter Amok gegen dieses Gesetz läuft. Meine Da-
men und Herren von der FDP, für eine Partei, die sich
angeblich um Bürgerrechte kümmern will – ich kenne
die Aussage noch –, ist Ihre heutige Aufführung wirklich
eine Schande.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie haben einen einseitigen Freiheitsbegriff. Für Sie
zählt nur die Freiheit derjenigen, die etwas besitzen. Sie
stehen für die nackte Ellenbogenfreiheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ina Lenke [FDP]: Das reicht aber jetzt!)


Wir verstehen Freiheit umfassend. Vertragsfreiheit
gilt immer für beide Seiten, für die Arbeitgeber und die
Arbeitnehmer, für die Anbieter und für die Verbraucher.
Vertragsfreiheit heißt eben auch: Alle Menschen müssen
am Markt teilnehmen können. Keine Person darf ausge-
grenzt werden, weil sie eine dunkle Haut hat, weil sie
eine Frau ist oder weil sie angeblich zu alt ist. Wir wol-
len Freiheit und gesellschaftliche Verantwortung, Frei-
heit und Gerechtigkeit. Deshalb bedeutet Diskriminie-
rungsschutz mehr Freiheit für die Bürgerinnen und
Bürger.

Auch als Wirtschaftspartei, meine Kolleginnen und
Kollegen von der FDP, sind Sie nicht auf der Höhe der
Zeit. Das Wohl der Wirtschaft hängt doch nicht davon
ab, dass sie Schwule, Lesben und Menschen mit Behin-
derung diskriminiert.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Macht sie jetzt schon nicht!)


Erfolgreiche Unternehmen wissen schon längst, dass Di-
versity das Erfolgsmodell der Zukunft ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zurück zum Koalitionsvertrag. Es war sehr merkwür-
dig, wie die Einigung zustande kam. Ministerpräsident
Stoiber hat eine höhere Vorsteuerpauschale für Land-
wirte herausgeschachert. Im Gegenzug hat er seinen Wi-
derstand gegen die Aufnahme von Lesben und Schwulen
in das Gesetz aufgegeben. Das war für Stoiber wohl ein
Bauernopfer, diesmal anders herum gesehen. Es wirft
kein gutes Licht auf diese Koalition, dass sie ernsthafte
Bürgerrechtsfragen so verhandelt, als sei man auf dem
Viehmarkt in Vilshofen.

Die Bundeskanzlerin erlebt in den letzten Tagen einen
mittleren Aufstand in den eigenen Reihen. Das ist kein
Wunder. Wer jahrelang die Eins-zu-eins-Umsetzung von
EU-Richtlinien als höchstes Glaubensdogma gepredigt
hat, darf sich nicht wundern, wenn jetzt die aufgehetzten
Fußtruppen irritiert sind.

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(C (D Das Einlenken der Koalitionsspitze im Ausschuss eigt deutlich: Das jahrelange Gezeter von Frau Merkel nd Herrn Stoiber gegen das Antidiskriminierungsgesetz ar absolut unehrlich und das rächt sich jetzt einfach. as haben Sie alles für Schauergeschichten über den ntergang des Abendlandes erzählt! Dabei schafft die eutsche Bundesregierung lediglich ein Gesetz, wie es iele andere Länder in Europa längst haben. Ich muss saen: Die Wirtschaftlichkeit in diesen Ländern ist höher ls in Deutschland. Mein Appell an die Koalition: Bringen Sie Ihren Geetzentwurf nun endlich ein! Wir werden darüber sachich diskutieren und für jeden vernünftigen Ansatz haben ie unsere Unterstützung. Eines möchte ich aber noch festhalten, Herr esterwelle: Vor Wahlen versuchen Sie immer den Ein ruck zu erwecken, Sie seien für die gleichen Rechte on Homosexuellen. (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Nein, da bin ich bekanntermaßen sehr dagegen, Frau Kollegin!)


eute stelle ich fest, dass die CDU schwulen- und les-
enfreundlicher ist als die FDP.


(Widerspruch bei Abgeordneten der FDP)


ch nehme das so zur Kenntnis und ich freue mich auf
ie Debatten, die wir demnächst führen werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603507500

Das Wort hat jetzt der Kollege Wolfgang Bosbach.


Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1603507600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt

erschiedene Möglichkeiten, eine parlamentarische
ede anzulegen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ch versuche es einmal mit einer eher seltenen Variante:
ch schildere die Dinge einmal so, wie sie sind.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Vorsicht, Vorsicht!)


Dass die FDP diese Aktuelle Stunde beantragt hat,
ann ich verstehen. Das hätte ich an Ihrer Stelle genauso
emacht. Wenn Sie es nicht gemacht hätten, wären Sie
hr Geld nicht wert.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Danke!)


Herr Westerwelle hat eine feurige Rede gehalten, und
war unter vollständigem Verzicht auf eine sachliche Ar-
umentation; deswegen war diese Rede so feurig. Die
rünen loben die Union und überschreiten damit die
renzen des parlamentarischen Anstands.






(A) )



(B) )


Wolfgang Bosbach

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist jetzt fast unangenehm.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603507700

Herr Kollege, Sie haben aber nicht erwartet, dass ich

deswegen einen Ordnungsruf erteile?

(Heiterkeit)



Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1603507800

Nein. Dennoch wäre es gut gewesen.
In der Sache liegen die Grünen nicht ganz richtig;

denn es ist keine Eins-zu-eins-Umsetzung

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


– Moment! – dessen, was Rot-Grün wollte, wie gerade
behauptet worden ist,


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zustimmung bei der FDP)


es ist keine Eins-zu-eins-Umsetzung des europäischen
Rechts, sondern es liegt dazwischen.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und der Titel ist auch anders geworden! Die Überschrift ist neu!)


Ich stelle mich hier nicht hin und sage: Genau so
wollte ich immer die Umsetzung des europäischen
Rechts in nationales Recht. Ich stelle mich auch nicht
hin und sage: Genau so ist der Inhalt vernünftig. Ich
stelle mich aber hier hin und sage: Wir haben einen
Kompromiss gefunden; das ist kein fauler Kompromiss,
sondern ein Kompromiss, den man mit Argumenten gut
begründen kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich weiß nicht, ob die Grünen oder die FDP mehr Ent-
täuschung darüber empfinden, dass die Pläne von Rot-
Grün oder dass die Vorgaben von der europäischen
Ebene nicht eins zu eins umgesetzt worden sind, oder
darüber, dass sich die Koalition in einer schwierigen
Frage tatsächlich geeinigt hat. Ich glaube, dass es zu die-
ser Einigung gekommen ist, ist Ihre eigentliche Enttäu-
schung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Was beschlossen worden ist, ist nicht die Urfassung

von Rot-Grün; denn Rot-Grün selber hat die Urfassung
aufgegeben. Es gab im Grunde drei verschiedene Geset-
zespakete. Es gab das Urvorhaben von Rot-Grün,


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Erst einmal Urgrün!)


wenn man so will: den besonders streng duftenden Käse.
Diesen Käse hat Rot-Grün selber parfümiert. Rot-Grün
hat sich im Laufe der Debatte selber geändert. Zum Teil
werden heute, im Mai 2006, Dinge angegriffen, die Rot-

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(C (D rün schon selber eliminiert hat: keine Arbeitgeberhafung für Dritte; keine Probleme bei der Auswahl bei der rstellung von Sozialplänen wegen des Kriteriums Al er; Vermietung von Wohnraum; es soll möglich bleiben, ozial ausgewogene Vermietungsstrukturen zu erhalten. as alles hatte Rot-Grün schon selber geändert. Auch die letzte Fassung ist keine Eins-zu-eins-Umetzung dessen, was Rot-Grün wollte. Wir haben das elbstbestimmungsrecht der Kirchen sichergestellt. Wir aben eine Ausschlussfrist für die Geltendmachung von nsprüchen im arbeitsrechtlichen Teil auf drei Monate ereinbart. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Bürokratie ist ja doch da!)


Inwiefern ist das eine Eins-zu-eins-Umsetzung?
enn man das europäische Recht in Bezug auf die Ver-

ährung nach drei Jahren eins zu eins umsetzt, dann muss
in Arbeitgeber 36 Monate lang Dokumentationspflich-
en erfüllen. Wer hier laut applaudiert, wenn gefordert
ird, das europäische Recht eins zu eins umzusetzen,
er will die Wirtschaft mit einem erheblichen Aufwand
elasten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


as ist die Wahrheit. Wir ändern die Frist von 36 Mona-
en auf drei Monate ab. Wir entlasten die Wirtschaft zu
inem wesentlichen Teil und Sie sagen: Wir hätten aber
ieber eine Umsetzung eins zu eins gehabt.

Kommen wir zum zivilrechtlichen Teil. Da geht es
m eine politische Bewertung; die muss jedermann für
ich selber vornehmen. Ich gestehe Ihnen sofort zu, dass
ir da über europäisches Recht hinausgehen. Ich sage

hnen aber auch, dass mir das Hinausgehen über das eu-
opäische Recht jedenfalls an dieser Stelle nicht schwer
ällt.

Im zivilrechtlichen Teil, bei den Massengeschäften
es täglichen Lebens, besteht der europäische Schutz vor
iskriminierung wegen des Geschlechts, der Rasse und
er Ethnie. Nehmen wir das Restaurantbeispiel, das die
undesministerin gerade erwähnt hat. Der Restaurantbe-

itzer könnte einen Farbigen unter Hinweis auf dessen
autfarbe nicht abweisen – richtig so! –,


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber einen Behinderten!)


ber einen Behinderten. Ein Freier Demokrat kann das
itmachen;


(Zurufe von der FDP: Ach!)


ch nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Aktuelle Stunde ist ein Bumerang!)


ch könnte draußen nicht mit guten Argumenten erklä-
en, warum wir jemanden vor Diskriminierung wegen
einer Hautfarbe schützen, aber wegen seiner Behinde-
ung nicht.


(Iris Gleicke [SPD]: Richtig!)







(A) )



(B) )


Wolfgang Bosbach
Wer eine Umsetzung eins zu eins will, nimmt die Diskri-
minierung des Behinderten in Kauf.


(Christel Humme [SPD]: So ist es!)


Deswegen fällt es mir an dieser Stelle nicht schwer, da-
rüber hinauszugehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Zum Verbandsklagerecht. Nun wird die Ausweitung
des Verbandsklagerechts beklagt. Das Verbandsklage-
recht wird nicht ausgeweitet; das Verbandsklagerecht
wird abgeschafft. Wie viele Gespräche und Telefonate
habe ich in den letzten Tagen immer nach demselben
Muster geführt?! Zunächst kam harte Kritik an dem, was
vereinbart worden ist, und drei Minuten später kam die
Bitte, doch einmal den Text zu übersenden, damit man
wisse, was vom Gesetzgeber jetzt tatsächlich geplant sei.


(Zuruf von der SPD: Genau!)


Ich gebe sofort zu, dass die Unkenntnis eines Sachver-
halts die Bewertung des Sachverhalts wesentlich erleich-
tert.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Irmingard ScheweGerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Aber spätestens dann, wenn diese Aktuelle Stunde vor-
bei ist, wenn sich der Pulverdampf verzogen hat, wenn
wir uns in einer sachlichen Debatte mit dem Gleichbe-
handlungsgesetzentwurf beschäftigen, werden sich viele
Bedenken – nicht alle, aber viele – als gegenstandslos er-
weisen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in zwei,
drei Jahren viel ruhiger und sachlicher über den Gegen-
stand debattieren werden als heute in dieser Aktuellen
Stunde.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Sehr gute Rede!])



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603507900

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Heinrich Kolb,

FDP-Fraktion.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1603508000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich halte aus dem bisherigen Verlauf der Debatte zu-
nächst einmal fest: Der Entwurf des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes geht unzweifelhaft über das
hinaus, was europarechtlich geboten ist; dafür habe ich
die Kronzeugin Schewe-Gerigk und den Kronzeugen
Bosbach.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, weil wir das auch wollen!)


Es ist keine Eins-zu-eins-Umsetzung, und eine zwin-
gende Begründung dafür, warum dieses Mehr erforder-

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(C (D ich sein soll, sind Sie, Herr Kollege Bosbach, schuldig eblieben. (Beifall bei der FDP – Irmingard ScheweGerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Behindertenbeispiel war doch wohl eindeutig! – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Nicht zugehört!)


Nein! Das war keine zwingende Begründung. Er hat
esagt, dass er damit leben kann.

Damit stellt sich für mich die Frage, was das Wort der
eutschen Bundeskanzlerin wert ist. Mein Fraktionsvor-
itzender hat schon aus der Regierungserklärung zitiert.
ür mich ist auch entscheidend, was Frau Merkel vor der
ahl gesagt hat. Sie hat direkt nach ihrer Nominierung

ls Kanzlerkandidatin in einem Interview mit der „Bild“-
eitung gesagt: „Wir werden als Erstes die Dinge anpa-
ken, die unsere Wirtschaft behindern, an erster Stelle
ürokratie und Überreglementierung. Beides können
ir sehr schnell umsetzen, weil es nichts kostet. Wir
erden zum Beispiel jede europäische Richtlinie nur
och eins zu eins umsetzen und nicht wie Rot-Grün noch
raufsatteln“. – Jetzt hören wir von Frau Schewe-
erigk: Das AGG ist im Wesentlichen rot-grün. – Das

st die Wahrheit, meine Damen und Herren!


(Beifall bei der FDP)


Weil Frau Merkel damals Recht hatte, verstehen wir
icht, warum man jetzt im zivilrechtlichen Teil weit über
ie EU-Vorgaben hinausgeht


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Weil wir das Diskriminieren nicht mehr möchten!)


nd die Liste der Merkmale – nach der Richtlinie müss-
en das eigentlich nur die Merkmale Rasse, ethnische
erkunft und Geschlecht sein – um die Merkmale Be-
inderung, Alter, sexuelle Identität und Weltanschauung
rweitert.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Alte Menschen sollen auch nicht mehr diskriminiert werden! – Weitere Zurufe)


Nein! Das ist eben nicht so. Das wird nicht ohne Wir-
ung bleiben – das ist auch angesprochen worden –,
twa im Einzelhandel, in der Gastronomie und in der
ersicherungswirtschaft.


(Iris Gleicke [SPD]: Hoffentlich kommt so eine Wirkung!)


eswegen ist schon richtig – das muss man Frau Merkel
uch einmal sagen –: versprochen – gebrochen. Sie hat
ich vor der Wahl anders geäußert, als sich das jetzt nach
er Wahl in ihrer aktuellen Politik niederschlägt. Das
ann nicht sein.


(Beifall bei der FDP)


Wenn weiter gilt, was unser Bundespräsident Horst
öhler in seiner Rede am 15. März 2005 gesagt hat,
ämlich: „Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt
rauchen wir … eine politische Vorfahrtsregel für






(A) )



(B) )


Dr. Heinrich L. Kolb
Arbeit“, dann kann dieses Gesetz, wie es vorgelegt wor-
den ist, keine Gesetzeskraft erlangen.

Ich will auf einige Punkte eingehen, die Sie angespro-
chen haben, Herr Bosbach. Zunächst zu dieser tollen
Verbesserung, dass man die Unterlagen nur noch drei
Monate und nicht mehr 36 Monate aufbewahren muss.
Das Problem ist doch nicht – verstehen Sie das nicht? –,
dass man die Unterlagen irgendwo hinlegt und sie da lie-
gen lässt. Das Problem ist, dass der Arbeitgeber, der eine
Stellenanzeige aufgegeben hat, sich für den Fall einer
möglichen Klage rüsten muss, die er im Voraus über-
haupt nicht absehen kann.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das gibt doch Europa vor! – Dr. Jürgen Gehb [CDU/ CSU]: Das ist doch die Richtlinie!)


Das ist doch der bürokratische Aufwand, der an dieser
Stelle entsteht.


(Beifall bei der FDP)


Ich sehe auch ein Problem in dem Zusammenspiel des
von Ihnen potenziell zu ändernden Kündigungsschutzge-
setzes mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.
Wenn nämlich zum Beispiel in einem Vertrag eine Ver-
längerung der Wartezeit enthalten ist, in einem anderen,
beispielsweise dem eines älteren Arbeitnehmers, aber
nicht, ist sehr leicht glaubhaft zu machen, dass hier eine
Diskriminierung vorliegen könnte. Dann hat der Arbeit-
geber die Beweislast, dass das nicht der Fall ist. Deswe-
gen müssen Unternehmen sich an der Stelle warm anzie-
hen.

Wir haben auch ein Problem mit – das geht eindeutig
über die Eins-zu-eins-Umsetzung hinaus – dem eigen-
ständigen Klagerecht für Gewerkschaften und Betriebs-
räte. Hier wird Tür und Tor für neuen Kuhhandel zwi-
schen Betriebsrat und Unternehmensleitung geöffnet,
wie wir ihn aus dem Bereich des Betriebsverfassungsge-
setzes leider schon kennen. Dass ich noch einmal erle-
ben muss, dass sich die Union in diesem Haus aktiv für
ein Klagerecht der Gewerkschaften einsetzt, hätte ich,
ehrlich gesagt, nicht gedacht.


(Beifall bei der FDP – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die hat auch einen Gewerkschaftsflügel!)


Sie haben, um das vor Ihrer Fraktion zu verbrämen,
einen 16-Punkte-Katalog vorgelegt. Er heißt jedenfalls
offiziell so; wenn man genau hinschaut, sind es nur acht
Punkte. Ein Punkt ist die Verkürzung der Dokumenta-
tionszeit; ein zweiter ist, dass die Antidiskriminierungs-
stelle jetzt in einem unionsgeführten Ministerium ange-
siedelt ist und nicht mehr, wie vorher, in einem SPD-
geführten. Wenn das die Verbesserungen sind, die Sie
erreicht haben, dann gute Nacht! Dass gleichzeitig ein
16-köpfiger Beirat mit 16 Stellvertretern eingeführt wor-
den ist, der Millionen Steuergelder zusätzlich kostet,


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist EU-Recht!)


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(C (D eigt doch, dass es sich nicht wirklich um einen Fortchritt handelt, sondern um eine Verschlechterung der rsprünglichen Vorlage. (Beifall bei der FDP – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das ist doch EU-Recht!)


Diejenigen in der Union, die noch ein Gespür dafür
aben, was den Mittelstand drückt, haben hier versucht,
twas zu verändern: der Kollege Hinsken, der Kollege
uchs, sicherlich auch der Kollege Rauen, obwohl ich
einen Namen nicht in der Zeitung gelesen habe. Aber
ie Vernünftigen in der Union waren offensichtlich in
er Minderheit.

Deswegen muss man sagen: Die Union vertritt mit ih-
er aktuellen Politik nicht länger die Interessen der gro-
en Zahl kleiner und mittlerer Unternehmen in diesem
and.


(Beifall bei der FDP)


ie ist zum Wahlverein für eine Kanzlerin mutiert und
ickt eine sozialdemokratisch dahergekommene, unge-
chminkte Gesetzesvorlage ohne größeres Murren ab.
ie Ministerin – eine weitere Kronzeugin – hat öffent-

ich erklärt, es sei im Wesentlichen das, was ursprüng-
ich vorgesehen gewesen sei.

Im Ergebnis steht für mich fest: Das Gesetz ist ein
eiteres Beispiel dafür, wie Schwarz-Rot rücksichtslos
ie eine Dampfwalze über das zarte Konjunkturpflänz-

hen hinwegrollt.


(Zurufe von der SPD: Oh!)


ie haben die Wirtschaft am Anfang des Jahres durch das
orziehen der Fälligkeit der Sozialbeiträge mit Bürokra-

ie und Liquiditätsentzug belastet. Sie erhöhen die Mehr-
ertsteuer um 3 Prozent. Sie verschlechtern durch die

ngestrebte Änderung das Kündigungsschutzgesetz. Sie
aben eine ideologisch motivierte Reichensteuer im Vi-
ier, bei der das Aufkommen und der Schaden für unser
and in keinem Verhältnis stehen werden. Das AGG ist
in weiterer Beweis dafür, dass die deutsche Bundesre-
ierung unter Führung von Angela Merkel offensichtlich
ie Wirtschaft und den Arbeitsmarkt einem Härtetest un-
erziehen will. Anstatt den aufkeimenden Aufschwung
u hegen, gibt die Bundeskanzlerin ein ums andere Mal
em sozialdemokratischen Koalitionspartner klein bei,
nd zwar auch da, wo Härte in der Sache gefragt wäre.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603508100

Wenn Sie bitte zum Schluss kommen.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1603508200

Ich fordere die Bundeskanzlerin auf, ihren Amtseid

achzulesen, den sie vor diesem Haus geleistet hat.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603508300

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Kollegin

hristel Humme.






(A) )



(B) )


Christel Humme (SPD):
Rede ID: ID1603508400

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin-

nen! Nach der heutigen Debatte hätte ich schon ganz
gerne gewusst, was denn die eigentliche Position der
FDP ist.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das können Sie in meinen Reden aus dem letzten Jahr nachlesen!)


Nach den beiden Wortmeldungen, Herr Westerwelle und
Herr Kolb, ist mir das bei weitem nicht klar geworden.
Denn ich habe erst letzte Woche einer Pressemitteilung
von Ihrem sozialpolitischen Sprecher


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das bin ich!)


Folgendes entnommen – ich zitiere –:

Menschen mit Behinderungen müssen Chancen-
gleichheit und eine bessere Integration und Teil-
habe an der Gesellschaft erfahren.


(Christine Lambrecht [SPD]: Sonntagsrede!)


Benachteiligungen sind zu beseitigen,


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Ist irgendjemand dagegen?)


die Rechte von Minderheiten müssen gestärkt wer-
den.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Ist dagegen jemand?)


So weit kann ich der FDP vollkommen zustimmen.


(Dr. Heinrich L. Kolb von mir, aber trotzdem richtig! Ein Gesetz alleine schafft natürlich noch keine Toleranz und keinen Respekt. Aber wenn es Ihnen ernst damit ist, die Rechte von Minderheiten zu stärken, dann müssen Sie diesen Minderheiten natürlich ein Instrument an die Hand geben, mit dem sie ihre Rechte durchsetzen können. Nichts anderes machen wir, wenn wir die europäischen Richtlinien in nationales Recht umsetzen. Ich sage Ihnen auch – das hat die Frau Ministerin dankenswerterweise schon erwähnt –: Wir gehen dabei ganz bewusst über eine Eins-zu-eins-Umsetzung hinaus. Würden wir Ihren Vorstellungen folgen, wären bestimmte Gruppen nämlich nicht so geschützt, wie es Ihr sozialpolitischer Sprecher zu Recht fordert. Nicht geschützt wären Menschen mit Behinderung, ältere Menschen, Schwule und Lesben. An dieser Stelle sage ich Ihnen auch: Das Gesetz ist längst überfällig. Es ist der Bevölkerung und den betroffenen Gruppen längst nicht mehr vermittelbar, warum gerade in Deutschland diese Richtlinien noch nicht umgesetzt worden sind, während alle anderen europäischen Staaten ausnahmslos gehandelt haben. Ich bin über die Reden, die vorhin gehalten worden sind, sehr froh. Denn sie zeigen: Die große Koalition bewegt etwas im Interesse der betroffenen Menschen. Ich bin dankbar, dass der gestrige Kabinettsbeschluss mög l m s F p p F i b f S t I k m d R b W m s m L n d k g s M F N u r t S F d E F u (C (D ich war und dass wir ab der nächsten Woche die parlaentarische Beratung erneut aufnehmen und zum Ab chluss bringen können. Ich hoffe, dass dies – wie es die rau Ministerin gesagt hat – in sachlicher und nicht in olemischer Form geschieht. Denn es ist ein guter Komromiss, den wir gemeinsam erzielt haben. Aber Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der DP, fahren immer noch auf die aktuelle Diskussion ab, n der immer wieder reflexartig Pauschalvorwürfe erhoen und Horrorszenarien beschrieben werden. Ich verolge die Debatte genau und stelle genauso wie Frau chewe-Gerigk fest: Die FDP stellt mit ihrer Argumen ation eine Minderheit im Bundestag dar. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einsam!)


(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ch sage Ihnen aber zu, dass wir Sie deswegen nicht dis-
riminieren werden. Wir werden uns mit Ihren Argu-
enten ernsthaft auseinander setzen.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Da haben Sie wirklich Recht!)


Sie von der FDP haben heute Morgen behauptet, dass
as Hinausgehen über eine Eins-zu-eins-Umsetzung der
ichtlinien zu einem nicht akzeptablen Bürokratieauf-
au und damit zu Wettbewerbsnachteilen der deutschen
irtschaft führe. Das ist ein Standardargument und für
ich überhaupt nicht belegbar. Ganz im Gegenteil: Wirt-

chaftwachstum und Schutz vor Diskriminierung sind
einer Ansicht nach keine Gegensätze. Die befürchtete
ähmung der Wirtschaft hat weder in Großbritannien
och in Schweden, in Frankreich oder in den Niederlan-
en stattgefunden. Dort gibt es schon lange eine Antidis-
riminierungskultur und entsprechende gesetzliche Re-
elungen.


(Beifall bei der SPD)


Für mich ist sehr wichtig: Das Gleichbehandlungsge-
etz wird auch einen Beitrag zu mehr Gleichstellung von

ännern und Frauen leisten. Davon bin ich überzeugt.
rauen wird ein Mittel an die Hand gegeben, mit mehr
achdruck für gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit
nd für gerechte Aufstiegs- und Karrierechancen im Be-
uf zu kämpfen. Helfen wird ihnen unter anderem die na-
ionale Gleichstellungsstelle. Ich freue mich, dass diese
telle im Bundesministerium für Familie, Senioren,
rauen und Jugend angesiedelt sein wird. Ich wünsche
ieser Stelle wie auch dem Gesetz den größtmöglichen
rfolg.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603508500

Das Wort hat der Kollege Markus Grübel, CDU/CSU-

raktion.


Markus Grübel (CDU):
Rede ID: ID1603508600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

nd Herren! Seit rund sechs Jahren stehen die ersten






(A) )



(B) )


Markus Grübel
zwei von vier europäischen Antidiskriminierungsrichtli-
nien im Raum. Die rot-grüne Koalition hat fünf Jahre ge-
braucht, um sich auf einen Kompromiss zu einigen. Wir,
die Koalition aus CDU/CSU und SPD, haben diesen
Kompromiss in fünf Monaten hinbekommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Zurufe von der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Das sage ich besonders in Richtung derjenigen, die ge-
legentlich behaupten, wir hätten zu lange gebraucht; ich
erinnere an die Debatte in der letzten Sitzungswoche.
Dieser Vorwurf fällt auf Sie selber zurück.

Wir haben einen Kompromiss, der – wie das bei
Kompromissen meistens der Fall ist – nicht alle voll be-
friedigen kann. Das hat die Debatte zweifellos gezeigt.
Ein Hauptproblem besteht darin, dass die EU-Richt-
linien viel zu eng gefasst sind und viel zu wenig auf
deutsche Rechtstraditionen Rücksicht nehmen.

Neben dem schon bestehenden Regelungsgeflecht – es
besteht in Deutschland beispielsweise ein sehr enges Re-
gelungsgeflecht im Arbeitsrecht und im Mietrecht – legen
wir ein weiteres Regelungsgeflecht in Form des Antidis-
kriminierungsgesetzes vor. Nutzen und Schaden einer
Richtlinie müssen künftig viel stärker abgewogen wer-
den. Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, von Anfang
an aufzupassen, dass es solche Richtlinien, die dann um-
gesetzt werden müssen, nicht mehr gibt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Gar nicht erst über Bande spielen!)


Es handelt sich hier um ein Erbe der rot-grünen
Regierung. Man könnte auch sagen: Es ist vergossene
Milch. Tatsache ist aber – das sage ich in Richtung FDP –:
Wir müssen die EU-Richtlinien umsetzen, ob wir wollen
oder nicht.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Eins zu eins! Das haben wir immer gesagt! Da sind wir dabei!)


Im Rahmen der Verhandlungen in der Koalition wur-
den Kompromisse erzielt. Bekannt ist, dass zusätzliche
Gruppen in den zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz
aufgenommen wurden. Aber eines ist und war immer
klar: Der Schutz von Behinderten ist in der Union unum-
stritten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Schwerer fällt mir in der Tat zum Beispiel der Schutz
beim Merkmal Weltanschauung. Die Behinderten sind
eine eng umschriebene Gruppe. Beim Merkmal Weltan-
schauung ist es schon schwieriger, zu definieren, wer da-
runterfällt und wer nicht.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht im Grundgesetz!)


Es besteht eine Grauzone bei Gruppen, die zum Beispiel
verfassungsrechtlich bedenklich sind und jetzt mögli-
cherweise in den zivilrechtlichen Schutzbereich fallen.

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(C (D Aber die Union hat keine absolute Mehrheit. Von daer mussten wir uns mit unserem Koalitionspartner einien. Wir haben durchaus Verbesserungen erreicht, die ür die Anwendung eines Gleichbehandlungsgesetzes ichtig sind. Diese Verbesserungen sind auch von Beeutung, damit dieses Gleichbehandlungsgesetz künftig ine hohe Akzeptanz in der Gesellschaft findet; denn das rauchen wir. Ein Gesetz, das gegen den Willen der Geellschaft angewendet wird, ist kein gutes Gesetz. Ich möchte ein paar Beispiele nennen, Herr Kolb, wo ir Verbesserungen erreicht haben. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich habe euer Papier!)


enn Sie haben offensichtlich nicht alle Beispiele des
ollegen Bosbach verstanden.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich habe es schriftlich! Zufällig ist mir das in die Hände gelangt!)


enken Sie an das Thema Kontrahierungszwang, an den
wang, zivilrechtliche Verträge abzuschließen, zum Bei-
piel an den Zwang eines Vermieters, mit einem be-
timmten Mieter einen Vertrag abzuschließen. Dieser
ontrahierungszwang soll nicht im Gesetz stehen.

Denken Sie an den Bereich der Kirchen. Kirchen sol-
en das Personal einstellen können, das sie wollen: die
atholische Kirche Mesner und Hausmeister, die katho-
isch sind, und die evangelische Kirche eine Sekretärin
der einen Sekretär im Kirchenbüro, der aus der Kir-
hengemeinde kommt. Auch da haben wir Verbesserun-
en erreicht.

Denken Sie an das wichtige Thema „Abtretbarkeit
on Schadenersatz und Entschädigungen“. Diese Forde-
ungen sollen nicht, wie im früheren Entwurf vorgese-
en, an Verbände abgetreten werden können. Die Ver-
ände hätten ansonsten ein viel zu großes
irtschaftliches Interesse daran gehabt, solche Forde-

ungen geltend zu machen.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Abmahnvereine!)


s macht auch einen Unterschied, ob jemand selber als
läger auftreten muss oder seine Klage sozusagen an ei-
en Verband abtreten kann und dieser Verband quasi
nonym bzw. abstrakt die Klage führen kann. Die jetzt
orgesehene Regelung wird eine dämpfende Wirkung
aben. Es wäre ein Problem, wenn das Gleichbehand-
ungsgesetz eine Prozessflut auslösen würde und manche
ieses Gesetz als Trittbrettfahrer nutzten.

Die Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen
Kollege Bosbach hat es angesprochen – wurden auf
rei Monate verkürzt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist Pipifax!)


Das ist nicht Pipifax. Denn bei einer Eins-zu-eins-Um-
etzung wären es 36 Monate gewesen. Aber eines bleibt:
uch wenn die FDP die absolute Mehrheit in diesem
ause hätte, müsste sie die Richtlinien umsetzen und






(A) )



(B) )


Markus Grübel
alle Kröten, die Sie angesprochen haben, schlucken. Da-
ran kann kein Zweifel bestehen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Birgit Homburger [FDP]: Eins zu eins! – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So viel zur Europatauglichkeit der FDP!)


Jetzt gilt es für uns, die Richtlinien zügig umzusetzen.
Denn in Deutschland hat kein Mensch Verständnis dafür,
wenn wir Tag für Tag Strafzahlungen in Höhe von
900 000 Euro an die EU leisten müssen. Darum ans
Werk!

Ich komme zum Schluss. Bei aller Kritik an dem jet-
zigen Kompromiss sollten alle zur Kenntnis nehmen,
dass wir deutliche Schritte zum Bürokratieabbau und zu
einem schlanken Umgang mit den Richtlinien erreicht
haben.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603508700

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Kollegin

Christine Lambrecht.


Christine Lambrecht (SPD):
Rede ID: ID1603508800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ohne

jetzt eine Krise in der Koalition herbeibeschwören zu
wollen, möchte ich an dieser Stelle dem Kollegen
Bosbach ausdrücklich widersprechen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Oh! – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Was seid ihr heute mutig!)


Er hat nämlich gesagt, Sie von der FDP seien Ihr Geld
wert. Angesichts der Beiträge aber, die Sie heute abge-
liefert haben, ist dies beim besten Willen nicht der Fall.


(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie müssen noch Geld mitbringen, wenn Sie so weitermachen!)


Ich höre seit einer Dreiviertelstunde nur, es werde nicht
eins zu eins, sondern über die EU-Richtlinien hinausge-
hend umgesetzt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von
der FDP, es geht nicht nur darum, ob man eins zu eins
oder ein Stückchen mehr oder weniger umsetzt, als in
den Richtlinien vorgesehen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist schon die Frage! Frau Merkel hat das so angekündigt!)


Inhaltlich geht es hier vielmehr um Menschen, deren
Würde verletzt wurde und die aufgrund bestimmter
Merkmale diskriminiert wurden. Wir wollen diesen
Menschen ein Instrument an die Hand geben, damit mit
dieser Diskriminierung Schluss ist. Darum geht es, nicht
um die Eins-zu-eins-Umsetzung.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D s mag ja sein, dass Frau Merkel das irgendwann einmal nders gesehen hat. Ich habe zu dieser Frage eine ziemich eindeutige Haltung. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Der Bundespräsident sieht das anders!)


Herr Bosbach, ich bin froh darüber, dass wir mittler-
eile auf einer sehr sachlichen Ebene arbeiten. Wir
nterhalten uns endlich über die Ziele, die mit dem
ntidiskriminierungsgesetz bzw. dem Allgemeinen
leichbehandlungsgesetz verfolgt werden: Es geht um
enschen und um Werte. Ansonsten führen Sie doch

mmer gerne eine Wertediskussion. Die Würde des Men-
chen ist ein Wert.


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Sehr richtig!)


Herr Montag, Sie haben vorhin dazwischen gerufen,
as sei schon durch das Grundgesetz geregelt. Das ist es
ber eben nicht. Das Grundgesetz entfaltet keine Dritt-
irkung. Das heißt, im Grundgesetz kann zwar sehr viel

tehen, trotzdem wirkt es beispielsweise nicht im Ver-
ältnis zwischen dem Gastwirt und einem Gast, der ab-
ewiesen wird, weil er aufgrund seiner Behinderung
das wurde schon dargestellt – mit den Füßen essen
uss. Diesem Gast bringt es nichts, sich auf das Grund-

esetz zu berufen. Deswegen muss Schluss sein mit die-
en Sonntagsreden, wenn Sie wirklich etwas gegen Dis-
riminierung tun wollen.


(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: In den Sonntagsreden geht es bei Ihnen um andere Themen!)


Meine Damen und Herren von der Linkspartei, Herr
eifert, wir haben nicht eins zu eins umgesetzt, sondern
erade im zivilrechtlichen Bereich draufgesattelt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aha!)


as finde ich sehr gut und richtig. Davon bin ich voll
nd ganz überzeugt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das muss man einmal festhalten!)


s ist eben nicht ausreichend – Herr Bosbach hat das
anz interessant dargestellt –, dass jemand wegen seiner
autfarbe nicht diskriminiert werden kann, wegen seiner
ehinderung aber schon.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dann darf man den Wählern vorher nicht die Eins-zu-einsUmsetzung ankündigen!)


Herr Seifert, Sie haben vorhin gesagt, es sei nur ein
isschen verändert worden. Wir haben aufgenommen,
ass Menschen wegen ihrer Behinderung, wegen ihrer
eschlechtlichen Identität oder wegen ihres Alters nicht
iskriminiert werden dürfen. Sie können doch nicht sa-
en, das sei bloß ein bisschen. Es geht konkret um eine
anze Menge Menschen, die mit diesem Instrument die
hance bekommen, sich zu wehren, die das Recht ha-
en, die Achtung ihrer Würde durchzusetzen.


(Zuruf des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])







(A) )



(B) )


Christine Lambrecht
Ich bin darüber verwundert, dass gerade Sie so etwas sa-
gen und diesen Tagesordnungspunkt zu einer Kundge-
bung missbrauchen, die mit dem Thema überhaupt
nichts zu tun hat.

Ich hoffe, dass wir in den anstehenden Beratungen ein
hohes Niveau an Sachlichkeit erreichen. Wir müssen uns
darüber unterhalten, worum es eigentlich geht. Es geht
nicht darum, wer von vornherein Recht hatte und wer
sich um wie viele Millimeter bewegt hat, sondern darum,
dass Menschen den Schutz bekommen, den sie verdie-
nen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603508900

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege

Stephan Mayer.


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1603509000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Kolleginnen! Sehr geehrten Kollegen! Zunächst möchte
ich positiv herausstellen, dass es in diesem Haus einen
Konsens darüber gibt, dass jegliche Diskriminierung von
Menschen wegen äußerlicher Merkmale oder Veranla-
gungen unanständig und unangemessen ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dieser Konsens entspringt nicht zuletzt dem christlichen
Menschenbild und der christlichen Soziallehre, nach der
die Unverletzbarkeit der Würde des Menschen das
höchste Gut ist, das es zu schützen gilt. Aus diesem
Grund ist es meines Erachtens vollkommen richtig, dass
sich eine Gesellschaft Regeln gibt, um Diskriminierun-
gen zu ahnden.


(Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD])


An dieser Stelle ist es mit der Gemeinsamkeit aber
auch schon vorbei. Diese Regelungen gibt es in Deutsch-
land bereits. Wir haben eine sehr ausdifferenzierte
Rechtsprechung. Ich verweise beispielsweise auf § 611 a
des Bürgerlichen Gesetzbuches.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dann brauchen wir das Gesetz ja gar nicht, Herr Mayer!)


Hier liegt der grundlegende Fehler – das ist der Sünden-
fall –: Diese vier EU-Richtlinien, die es jetzt in nationa-
les Recht umzusetzen gilt, hätten in dieser Form nie ver-
abschiedet werden dürfen. Der Sündenfall ist nicht in
Berlin, sondern vor langer Zeit in Brüssel passiert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte das etwas differenzierter ausführen: Diese
vier EU-Richtlinien, die es jetzt in deutsches Recht um-
zusetzen gilt, entspringen einer Rechtsposition, die der
deutschen Rechtssystematik und Rechtsgeschichte dia-
metral entgegensteht. Skandinavische und angelsächsi-
sche Länder haben keine Probleme, diese vier EU-Richt-
linien umzusetzen, weil ihr Antidiskriminierungsgesetz
diesen Richtlinien von Hause aus sehr stark ähnelt. Bei

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(C (D ns in Deutschland ist das anders. An dieser Stelle muss an, so glaube ich, mit berühmten Worten sprechen: Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Wir sind verflichtet, diese vier EU-Richtlinien umzusetzen. Meine ehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der FDPraktion, ich bin mir sicher, Sie wären die ersten, die uns ls Regierung brandmarken und triezen würden, wenn ir tägliche Strafzahlungen in Höhe von 900 000 Euro eisten müssten, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ihr sollt es doch nur eins zu eins umsetzen und dann ist gut!)


eil wir diese Richtlinien nicht fristgemäß umgesetzt
aben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Der Kompromiss, der jetzt gefunden wurde,


(Zuruf von der FDP: Ist schlimm!)


st zwar nicht das Ei des Kolumbus, aber es ist auch kein
bler Kompromiss. Viele der Punkte, die jetzt kritisiert
nd vor allem von der Wirtschaft vollkommen zu Recht
ngeprangert werden, sind – das wurde schon ausgeführt –
n diesen vier EU-Richtlinien originär enthalten. Ich
enke zum Beispiel an die verschuldensunabhängige
aftung bei Nichtvermögensschäden oder an die Be-
eislastumkehr gemäß § 22 des Allgemeinen Gleichbe-
andlungsgesetzes.

Es ist gelungen, viele Dinge, die ursprünglich im An-
idiskriminierungsgesetz angelegt waren, herauszuver-
andeln. Ich glaube, deswegen kann man mit Fug und
echt behaupten: Das jetzt vorliegende Allgemeine
leichbehandlungsgesetz ist kein rot-grünes Urprodukt.
s hat nichts mit dem ursprünglichen Entwurf zu tun; es

st ein neues Gesetz. Es ist mit Sicherheit nicht das beste
esetz, das man sich wünschen würde, aber es ist mei-
es Erachtens ein tragfähiger Kompromiss.

Gleichwohl gibt es mit Sicherheit in vielen Punkten
och Konkretisierungsbedarf; ich möchte dies in keiner
eise verhehlen. Es ist einem privaten Vermieter, der

ber ein Haus mit drei oder vier Wohneinheiten verfügt,
icht klar zu machen, dass er mit seinen Vermietungen
in Massengeschäft betreibt


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tut er auch nicht! Haben wir nie gesagt, Herr Kollege!)


nd daher behandelt wird wie eine Wohnungsbaugesell-
chaft oder eine Ferienanlage, die per Internet Wohnun-
en vermietet. Hier besteht noch Bedarf, die Defini-
ionen zu konkretisieren.

Als positiv möchte ich darstellen, dass der Kontrahie-
ungszwang keinen Eingang in den zivilrechtlichen Teil
es Gesetzes gefunden hat. Der vermeintlich Diskrimi-
ierte hat also keine Sanktionsmöglichkeit und keinen
nspruch darauf, dass der Vertrag zustande kommt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber auf Schadenersatz!)







(A) )



(B) )


Stephan Mayer (Altötting)

Ebenso möchte ich in aller Deutlichkeit auf Folgen-
des hinweisen: Entgegen vielerlei Bekundungen gibt es
kein Verbandsklagerecht im Allgemeinen Gleichbehand-
lungsgesetz.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Natürlich! Die Gewerkschaften klagen selbst gegen den Willen des Betroffenen! Das habt ihr da eingebaut!)


Es wird keine Branche für vermeintliche Gutmenschen
oder für Berufsquerulanten entstehen, die Deutschland
massenhaft mit Klagen überziehen können.

Genauso ist es gerade für die Arbeitgeber ein erhebli-
cher Fortschritt, dass vermeintlich diskriminierte Arbeit-
nehmer oder Bewerber nur noch drei Monate Zeit haben,
sich mit einer Klage gegen den Arbeitgeber bzw. mögli-
chen Arbeitgeber zu wenden, und nicht, wie ursprüng-
lich vorgesehen, drei Jahre.

Ich halte es ebenso für positiv, dass die Antidiskrimi-
nierungsstelle, die in den EU-Richtlinien ebenfalls als
verpflichtend vorgesehen ist,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber nicht so!)


bei dem qualitativ hervorragend dafür geeigneten Bun-
desfamilienministerium angesiedelt wird.

Es wird mit Sicherheit erforderlich sein, bestimmte
Bereiche noch einmal auf den Prüfstand zu stellen und
ganz leidenschaftslos und ergebnisoffen zu diskutieren,
wie den vorgesehenen Beirat nach § 30 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes. Aber darüber kann man im
weiteren Gesetzgebungsverfahren beraten.

Das Gesetz ist nicht so schlecht, wie es dargestellt
wird. Man sollte jetzt die Wogen glätten und getrost ins
Gesetzgebungsverfahren übergehen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603509100

Als Nächstes spricht die Kollegin Renate

Gradistanac, SPD-Fraktion.


Renate Gradistanac (SPD):
Rede ID: ID1603509200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die EU-Gleichbehandlungsrichtlinien werden in
deutsches Recht umgesetzt. So steht es in unserem
Koalitionsvertrag. Mit dem Entwurf für ein Allgemeines
Gleichbehandlungsgesetz wird dieser Auftrag erfüllt und
werden die vier EU-Richtlinien, wie wir meinen, nahezu
eins zu eins in nationales Recht umgesetzt.

Als Frauenpolitikerin begrüße ich ausdrücklich, dass
die Antidiskriminierungsstelle beim Bundesministerium
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angesiedelt ist.
Es geht hier nicht um die Frage, ob sie zum Verantwor-
tungsbereich der SPD oder der CDU/CSU gehört. Es ist
vielmehr das dafür geeignete Ministerium, Herr Kolb.
Für die Menschen, die sich benachteiligt fühlen, wird
eine unabhängig arbeitende bundesweite Anlaufstelle

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(C (D eschaffen, die sie unterstützt und berät. Zu den Aufgaen dieser Stelle gehören die Öffentlichkeitsarbeit, die urchführung von wissenschaftlichen Untersuchungen nd die Vorlage von Berichten und Handlungsempfehungen. Ich freue mich sehr, sogar leidenschaftlich – ich weiß icht, warum dieses Wort verpönt ist –, dass sich der oalitionsausschuss auf einen Gesetzentwurf geeinigt at, in dem sämtliche Merkmale, um die es in dieser Disussion geht, unter Diskriminierungsschutz gestellt weren. Im Zivilrecht geht er sachgerecht und mit Augenaß über die EU-Vorgaben hinaus. Das ist, so meine ich, in großer Erfolg für uns alle, vor allem aber für die enschen, die wir vor Diskriminierung schützen wollen. ie Bürgerinnen und Bürger können sich zukünftig beser gegen Benachteiligungen aufgrund ihrer ethnischen erkunft, der so genannten Rasse, ihres Geschlechts, ih er Religion bzw. Weltanschauung, ihres Alters, aufrund von Behinderungen oder ihrer sexuellen Identität ehren. Eine Beschränkung auf einzelne Diskriminie ungsmerkmale wäre wirklichkeitsfremd. Wie soll es zu echtfertigen sein, dass derselbe Mensch – das wurde beeits von Herrn Bosbach erwähnt – beispielsweise aufrund seiner ethnischen Herkunft nicht diskriminiert und enachteiligt werden darf, aufgrund seiner Behinderung ber sehr wohl? Versicherungen werden Menschen mit ehinderungen in Zukunft nicht mehr ohne Angabe achprüfbarer Gründe abweisen können. Lesben und chwulen kann künftig nicht mehr der Zutritt zu Hotels nd Gaststätten verwehrt werden; das freut mich als ourismuspolitikerin. Die Europäische Union versteht sich – auch das ist eute schon gesagt worden – nicht nur als Währungsnd Wirtschaftsunion. Sie ist auch eine Werteunion. Zu hren Werten zählt auch die Nichtdiskriminierung. in Gesetz kann zwar nicht immer vor Diskriminierung chützen. Es zeigt aber auf, welche Werte für eine Geellschaft wichtig sind. as Gleichbehandlungsgesetz ermutigt Benachteiligte, ich zu wehren. Es gibt gute Instrumente an die Hand, egen Benachteiligungen vorzugehen und sie zu unterinden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz chützt nicht nur die Rechte der benachteiligten Bürgeinnen und Bürger, sondern auch die Menschenwürde on uns allen; das gefällt mir. Es ist höchste Zeit, dass die EU-Vorgaben umgesetzt erden. Ich wünsche mir eine schnelle Verabschiedung ieses Gesetzentwurfs. Schließlich haben wir lange Zeit uf ihn gewartet. (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Nicht nur darauf mussten wir lange warten!)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD])


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)







(A) )



(B) )


Renate Gradistanac
Aber jetzt können wir stolz auf den Gesetzentwurf sein.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603509300

Als Letzter in dieser Debatte spricht der Kollege

Christoph Strässer, SPD-Fraktion.


Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1603509400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Gleich zu Beginn eine Klarstellung und ein Be-
kenntnis: In der letzten Stunde ist häufig erwähnt wor-
den – in formaler Hinsicht völlig zu Recht –, dass es EU-
Richtlinien gibt, die wir umsetzen müssen. Das klingt
nach dem Prinzip: Halb trug man ihn, halb zog es ihn.


(Iris Gleicke [SPD]: Oh ja! – Zuruf von der FDP: Das heißt anders: Halb zog sie ihn, halb sank er hin!)


Ich sage Ihnen – ich denke, das gilt für meine gesamte
Fraktion –: Wir müssen diese EU-Richtlinien nicht um-
setzen, sondern wir wollen sie umsetzen, weil wir der
Auffassung sind, dass das ein ganz wichtiger Schritt in
die richtige Richtung ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Hier unterscheiden sich die Motivationslagen der Koalitionspartner allerdings doch ein wenig!)


– Darüber bin ich auch froh; denn sonst wären wir uns so
einig, dass wir gemeinsame Veranstaltungen durchfüh-
ren könnten.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Wir wollen keine Fusion! Wir wollen nur eine Koalition!)


– So ist es. Deshalb freut es mich, dass deutlich gewor-
den ist, an welchen Stellen wir unsere Schwerpunkte set-
zen.

Aus meiner Sicht ist es kein Widerspruch, Fragen der
Antidiskriminierung und der Gleichbehandlung in einem
deutschen Gesetz zu regeln. Denn auch an anderen Stel-
len – § 611 a BGB ist bereits genannt worden – haben
wir bereits klargestellt, was wir tun wollen und wie wir
vorgehen wollen. Die Themen Antidiskriminierung und
Gleichbehandlung gehören im deutschen Arbeitsrecht
zur alltäglichen Praxis. Ich habe noch niemanden getrof-
fen, der mir erklären kann, warum solche Bestimmungen
nicht auch im Zivilrecht – in den Bereichen, die wir in
diesem Gesetzentwurf aufführen – sinnvoll sein sollten.
Das brächte uns einen guten Schritt nach vorne. Dadurch
entsteht keine neue Bürokratie. Im Gegenteil, dadurch
wird die Würde des Menschen gestärkt, insbesondere
derjenigen, die in dieser Gesellschaft benachteiligt sind.


(Beifall bei der SPD)


Ich möchte noch etwas im Hinblick auf die Gewerk-
schaften sagen. § 611 a BGB – er hat vor einiger Zeit
sein 25-jähriges Jubiläum gefeiert –

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(C (D (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Da täuschen Sie sich: Er ist noch keine 25 Jahre alt!)


pricht hier eine ganz deutliche Sprache; denn in diesen
5 Jahren sind weniger als 200 Fälle vor Gericht gelan-
et, weniger als 200 Fälle mit einem klaren Hintergrund
nd mit der Umkehr der Beweislast zugunsten derjeni-
en, denen wegen ihres Geschlechts der Zugang zu einer
rbeitsstelle verweigert wird. Da können Sie nicht be-
aupten, hier werde Bürokratie aufgebaut. Sie bauen ei-
en Popanz auf.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das werden wir ja sehen!)


Wir werden das in der Praxis sehen, wie wir es auch im
inblick auf § 611 a BGB gesehen haben.

Ihre Auffassung wird auch deutlich an dem, was Sie
n Bezug auf die Gewerkschaften gesagt haben.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja! Hoffentlich!)


ch persönlich als einer, der über 20 Jahre als Anwalt tä-
ig war, sage Ihnen: § 611 a BGB wäre in einem viel grö-
eren Umfang angewendet worden, wenn die Gewerk-
chaften nicht nur bei Aussicht auf Erfolg geklagt hätten.

ir sollten froh darüber sein, dass die Gewerkschaften
ie Möglichkeit zur Klage haben – sie sollen sie auch
ehalten –; denn sie gehen, anders als Sie glauben, ver-
ntwortlich damit um. Sie machen in der Praxis so davon
ebrauch, dass alle etwas davon haben und dass es an
ieser Stelle vorangeht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte auch in meiner Funktion als menschen-
echtspolitischer Sprecher unserer Fraktion etwas zu die-
em Thema sagen. Ich bin schon erstaunt, wie wenig die

enschenrechte in unserer Diskussion eine Rolle spie-
en. Deshalb bin ich froh, dass wir mit diesem Gesetzent-
urf endlich die Erklärung zur Würde des Menschen der
iener Menschenrechtskonferenz vom Jahre 1993 um-

etzen. Darin stehen die Maßgaben, nach denen wir zu
andeln haben: Wir haben die Allgemeine Erklärung der
enschenrechte zu berücksichtigen und die Freiheits-

echte; an allererster Stelle aber steht das Gleichbehand-
ungsgebot. Ich finde, es stünde uns gut an, dies, wenn
uch als letztes Land, endlich umzusetzen; denn Men-
chenrechtspolitik – das haben wir in diesem Hohen
aus oft genug gesagt – ist nicht teilbar und nicht trenn-
ar und gilt auch nach innen. Deshalb müssen wir dafür
orgen, dass Menschen, die behindert, homosexuell oder
lter sind, entsprechende Instrumente in die Hand be-
ommen, um ihre Rechte einzufordern, wie alle anderen.


(Beifall bei der SPD)


Sie sollten sich auch einmal die Entscheidungen des
uropäischen Gerichtshofs in Luxemburg anschauen,
ie in den letzten Wochen und Monaten eine Rolle ge-
pielt haben. In vielen dieser Entscheidungen – ich
ringe sie Ihnen einmal mit, sodass Sie sie durchsehen
önnen – hat der Europäische Gerichtshof sehr deutlich
esagt, dass Diskriminierung, auch im Privatrecht, mit
er Würde des Menschen und mit der Werteordnung der






(A) )



(B) )


Christoph Strässer
Europäischen Union nicht vereinbar ist. Art. 6 und
Art. 13 des EU-Vertrages besagen dies ganz deutlich.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Unstrittig! Brauchen Sie gar nicht anzuführen! Ist abgehakt!)


Deshalb wollen wir auch den Menschen in Deutschland
endlich Instrumentarien in die Hand geben, die ihnen
helfen, ihre Rechte einzufordern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Frage ist, wie man das macht!)


Eine kleine Polemik zum Schluss kann ich mir auch
als ehemaliges FDP-Mitglied nicht verkneifen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das habe ich schon nachgelesen, Herr Strässer!)


– Das wissen Sie also. – Ich will ein Wort des bei Ihnen
früher ja sehr geschätzten Fraktionskollegen Joseph
Fischer anführen – ich weiß nicht, wie das heute ist –,


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoch geschätzt!)


der einmal im Zusammenhang mit Außenpolitik gesagt
hat: Wenn man einen Muffin aufpustet, ihn in den Back-
ofen stellt und reinsticht, dann kommt nur heiße Luft
raus.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das haben Sie mit einem Soufflé verwechselt! Eine Soufflé, kein Muffin! – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Lernt ihr Sozis denn nicht kochen?)


So ist es, wie diese Debatte entlarvt, mit Ihrer Bürger-
rechtspolitik. Schon deshalb hat sie sich gelohnt.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603509500

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a bis 5 c auf:

a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ernst
Burgbacher, Gisela Piltz, Jens Ackermann, weite-
ren Abgeordneten und der Fraktion der FDP ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einfüh-
rung von Volksinitiative, Volksbegehren und
Volksentscheid in das Grundgesetz

– Drucksache 16/474 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Wolfgang Wieland, Hans-Christian Ströbele,
Irmingard Schewe-Gerigk, weiteren Abgeordne-
ten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Geset-

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(C (D zes zur Änderung des Grundgesetzes (Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid)


– Drucksache 16/680 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Petra
Pau, Dr. Gregor Gysi, Dr. Lothar Bisky, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion der LINKEN ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einfüh-
rung der dreistufigen Volksgesetzgebung in
das Grundgesetz

– Drucksache 16/1411 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Zwischen den Fraktionen ist verabredet, eine Drei-
iertelstunde darüber zu debattieren. – Dazu höre ich
einen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich erteile das Wort dem Kollegen Ernst Burgbacher,
DP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1603509600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

n den Verfassungen aller Bundesländer gibt es inzwi-
chen Elemente, die die direkte Mitentscheidung der Be-
ölkerung zulassen. Damit hat man in aller Regel gute
rfahrungen gemacht. In den Kommunen kennt man
iese Elemente sowieso. Der Stand des Grundgesetzes
ierzu ist faktisch aber nach wie vor der von 1949. Die
irekte Beteiligung des Volkes ist nur bei der Länderneu-
liederung vorgesehen.

Über dieses Thema wurde schon viel diskutiert. Auch
n diesem Hohen Hause gab es immer wieder Ansätze,
as zu ändern. Ich erinnere mich an einen Gesetzentwurf
on Rot-Grün aus der 14. Legislaturperiode, der aller-
ings so spät vorgelegt wurde, nämlich erst kurz vor de-
en Ende, dass darüber nicht mehr vernünftig diskutiert
erden konnte. Wir als FDP hatten damals den Versuch
nternommen, einen Kompromiss herbeizuführen. Er
urde leider abgelehnt. Ich sage offen: Damals habe ich

her zu den Skeptikern gehört;


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir erinnern uns!)


azu bekenne ich mich. Ich will das gleich begründen.

In der letzten Legislaturperiode hatten wir uns mit ei-
em neuen Thema zu beschäftigen, nämlich mit dem
U-Verfassungsvertrag. Wir von der FDP haben da-
als einen Gesetzentwurf vorgelegt mit dem Ziel, einen






(A) )



(B) )


Ernst Burgbacher
Volksentscheid über die EU-Verfassung durchzuführen.
Ich sage heute: Es wäre wichtig gewesen, das zu tun. Es
liegt leider an Ihnen, dass es nicht dazu kam.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was!)


Wir haben das damals vorgeschlagen, weil alles andere
nicht durchsetzbar war. Wir müssen in diesem Haus ein
Stück weit praxisorientierte Politik machen.


(Beifall bei der FDP – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Uns hätten Sie auf Ihrer Seite!)


Einiges wurde inzwischen weiterentwickelt. Wir ha-
ben Erfahrungen in den Ländern und in den Kommunen,
die wertvoll sind. Gespräche mit Organisationen wie
„Mehr Demokratie“ und anderen haben uns neue Argu-
mente geliefert, die wir natürlich berücksichtigen. Meine
Erfahrung mit der Föderalismusreform, die am Schluss
an zwei oder drei Leuten gescheitert ist, hat mir gezeigt,
dass es in manchen Fällen die Möglichkeit geben muss,
dass das Volk den Parlamentariern, vor allem den Regie-
rungen Beine macht. Deshalb habe ich meine Meinung
geändert. Wenn man zu einer Meinungsänderung
kommt, sollte man das auch umsetzen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wie schon gesagt, hat man in der 14. Legislatur-
periode den Fehler gemacht, dass man den Gesetzent-
wurf am Ende der Legislaturperiode vorgelegt hat. Des-
wegen haben wir unseren Gesetzentwurf zu Anfang der
Legislaturperiode eingebracht. Damit haben wir den
Stein ins Wasser geworfen. Es freut mich, dass die Grü-
nen und die Linke nachgezogen haben. Auf Initiative der
FDP liegen jetzt drei Gesetzentwürfe vor. Damit können
wir nun arbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns für
ein dreistufiges Verfahren entschieden – darin stimmen
wir alle eigentlich überein –: Volksinitiative, Volksbe-
gehren, Volksentscheid. Dabei sehen wir ganz unter-
schiedliche Quoren vor, auf die ich nicht im Einzelnen
eingehen will. Es stellt sich natürlich die Frage, wie hoch
man die Hürden setzt. Die Hürden sollten schon so hoch
sein, dass es nicht jeden Tag eine Initiative gibt. Aber sie
dürfen nicht so hoch sein, dass sie nicht übersprungen
werden können. Deshalb haben wir Quoren gewählt, die
sich aufgrund unserer Erfahrungen als sinnvoll erwiesen
haben, was uns Experten bestätigen.

Eine weitere Frage ist, ob wir Volksentscheide zu be-
stimmten Themen ausschließen oder ob wir Volksent-
scheide zu allen Themen zulassen. Wir waren beim Aus-
schluss von Themen sehr restriktiv. Wenn es aber um
Ausgaben geht, dann soll auch ein Deckungsvorschlag
gemacht werden. Ansonsten – darüber sind wir uns in
diesem Hause weitgehend einig – sind Abgabengesetze
und Haushaltsgesetze ausgenommen.

Ich bitte Sie, auch über folgenden Punkt nachzuden-
ken: Wir haben in unserem Gesetzentwurf vorgesehen,
dass drei Monate vor einer Bundestageswahl kein Volks-

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(C (D ntscheid eingeleitet werden darf; denn wir wollen nicht, ass direkte Demokratie dazu missbraucht wird, den ahlkampf in eine bestimmte Richtung zu lenken. Das äre falsch. Wenn wir darüber reden, dann bitte praxiserecht und so, dass es nicht durch andere Dinge in ein alsches Licht gerückt wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben den Stein ns Wasser geworfen. Jetzt geht es darum, dass wir das ehr ernsthaft betreiben. Ich bitte Sie herzlich: Wir haben ber verschiedene Dinge zu diskutieren, über die Quoen, die Ausnahmetatbestände und anderes. Wir alle sollen – das sage ich für die FDP-Fraktion ausdrücklich u – offen in die Beratungen gehen. Wir sollten in der ebatte auch keine Hürden aufbauen, die man hinterher icht mehr überspringen kann. Denn wir wissen: Das rundgesetz lässt direktdemokratische Elemente zu, ber dazu müssen wir das Grundgesetz ändern. Dafür rauchen wir in diesem Haus eine Zweidrittelmehrheit. Ich schaue jetzt zu den Kolleginnen und Kollegen von er Union. Manche von Ihnen haben mit uns gestimmt, ls es darum ging, einen Volksentscheid über die EUerfassung möglich zu machen. Ich weiß: Auch bei Ihen gibt es Diskussionen. Wir sollten die Debatte so fühen, dass wir nicht von vornherein das Tor zumachen; ielmehr sollten wir das Tor ein Stück weit öffnen, soass wir auch aus dem Lager der Union mehr Zustimung bekommen. Es geht nicht darum, die Gesetzgebung durch das Parament zu ersetzen, sondern darum, diese Gesetzgebung u ergänzen. Es geht ferner darum, verkrustete Struktuen ein Stück aufzubrechen. Es geht darum, Bürgern ehr Möglichkeiten zu geben, sich direkt am politischen eschehen zu beteiligen. Ich bin ein Anhänger der reräsentativen Demokratie; ich will sie nicht grundsätzich ändern. Aber ich will sie um das Instrument der olksgesetzgebung, der Volksinitiative, des Volksbegeh ens und des Volksentscheids, ergänzen. Nach meiner esten Überzeugung können wir damit unsere Demokraie stärken; nach meiner festen Überzeugung und der berzeugung meiner Fraktion können wir damit unsere emokratie ein Stück weit aktiver, erlebbarer machen nd bürgerschaftliches Engagement stärken. Deshalb itte ich Sie herzlich, mit uns eine offene und unvoreinenommene Diskussion zu führen, damit wir zu einer emeinsamen Lösung kommen. Nur darum kann es geen. Herzlichen Dank. Das Wort erhält der Kollege Ingo Wellenreuther, DU/CSU-Fraktion. Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen nd Kollegen! Herr Burgbacher, schon vielfach – das haen Sie zu Recht ausgeführt – hat sich der Deutsche undestag mit dem Thema einer stärkeren Beteiligung es Volkes an der Gesetzgebung beschäftigt. Die Ingo Wellenreuther aktuelle Debatte um Plebiszite ist deswegen zunächst zu begrüßen, weil diese Frage diesmal weder aus wahltaktischen Gründen und unter Zeitnot noch anlässlich eines Einzelfalls diskutiert und debattiert wird. Die Einführung von Plebisziten auf Bundesebene ist sowohl eine verfassungsrechtliche als auch eine politische Grundsatzfrage, die nicht für Wahltaktik missbraucht werden darf, sondern in Ruhe und vor allem sachlich diskutiert werden muss. Auch da gebe ich Ihnen Recht. Aber an der Diskussion, Herr Burgbacher, stört mich, dass den Gegnern von Plebisziten immer wieder populistisch unterstellt wird, sie hielten die Bevölkerung für nicht in der Lage, ihre Meinung sachgerecht zu äußern. (Ernst Burgbacher [FDP]: Das habe ich aber nicht getan!)


(Beifall bei der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603509700
Ingo Wellenreuther (CDU):
Rede ID: ID1603509800




(A) )


(B) )


– Das haben Sie nicht getan, aber dieses Argument hört
man öfter.

Außerdem stört mich, dass von den Befürwortern von
Plebisziten der Eindruck erweckt wird, als sei nur die
unmittelbare Demokratie die wahre Demokratie, ein All-
heilmittel gegen Politikverdrossenheit und das jetzige
System der repräsentativen Demokratie sei im Gegen-
satz dazu eine minderwertige Form der Demokratie, ein
geschichtliches Versehen, das endlich korrigiert werden
müsse.

Wer so argumentiert, verkennt, dass uns das mit guten
Gründen gewählte System der parlamentarisch-repräsen-
tativen Demokratie über 50 Jahre hinweg eine nicht zu
unterschätzende politische Stabilität in Deutschland be-
schert hat. Lassen Sie mich deshalb sechs Gründe nen-
nen, die gegen Plebiszite und für unsere repräsentative
Demokratie sprechen.

Erstens. Plebiszite bergen die Gefahr des Miss-
brauchs und der politischen Destabilisierung. Für diese
Bedenken und Vorbehalte gibt es Beispiele aus unserer
deutschen Geschichte. In der Weimarer Republik haben
Volksabstimmungen das Land politisch aufgewühlt und
gespalten


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch!)


und letztlich mit zu deren Scheitern beigetragen, Herr
Wieland.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wirklich falsch!)


– Lesen Sie es nach!


(Lachen des Abg.Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Im Dritten Reich wurden Volksbefragungen dazu miss-
braucht, die diktatorischen Entscheidungen des Nazire-
gimes nach außen demokratisch legitimiert erscheinen
zu lassen, wie etwa 1933 der Austritt aus dem Völker-
bund oder 1938 der Anschluss Österreichs. Der Parla-
mentarische Rat hat sich daher ganz bewusst und strikt
zur parlamentarisch-repräsentativen Demokratie und ge-
gen Plebiszite bekannt, als er 1948/49 das Grundgesetz
ausgearbeitet hat.

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(C (D Der zweite Grund gegen Plebiszite sind die immer omplexer werdenden Fragestellungen unserer pluralistichen Gesellschaft. Um diesen gerecht zu werden, ist ein usgewogenes, auf Kompromissbereitschaft basierendes ntscheidungsund Gesetzgebungsverfahren erforder ich. Im Gegensatz zu Plebisziten können im parlamentaischen Verfahren verschiedene Interessen, insbesondere uch die von Minderheiten, berücksichtigt und gewichtet erden: durch Beratungen im Plenum und in Ausschüs en, Berichterstattergespräche und Sachverständigenanörungen. Bei Volksentscheidungen ist dieses ausgewoene Verfahren nicht möglich, denn dabei geht es etztlich nur um die Frage „Ja oder nein?“. Der dritte Grund liegt darin, dass Plebiszite die verassungsrechtlich garantierte föderale Grundstruktur uneres Staates beeinträchtigen. Art. 79 Abs. 3 des Grundesetzes garantiert die grundsätzliche Beteiligung der änder an der Gesetzgebung. Bei der Volksgesetzgeung bliebe die Beteiligung dieser Länderinteressen auen vor. Die vorliegenden Gesetzentwürfe sehen zwar ie Möglichkeit der Konkurrenzvorlage durch den Bunestag vor, nicht aber durch den Bundesrat. Sie enthalten war eine Länderklausel, aber das ist keine inhaltliche itgestaltung der Länder im Sinne des Grundgesetzes, ondern eine reine Formalie. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können Sie ja Vorschläge machen, wie es besser geht!)


Machen wir.

Viertens. Plebiszite bergen die Gefahr der weiteren
bwertung des Parlaments. Seien wir einmal ehrlich:
er Deutsche Bundestag hat schon heute kräftig gegen
edeutungsverlust zu kämpfen. Dies hängt mit Europa
usammen, mit der Normenflut der europäischen Institu-
ionen, mit einer Föderalismusreform, bei der der Bund
en Ländern zu Recht weitere Zuständigkeiten überträgt,
nd schließlich mit der gestiegenen Neigung, politische
ebatten in Talkshows anstatt im Plenum auszutragen.
ämen jetzt noch Plebiszite hinzu, sei die Frage erlaubt,
ber welche wichtigen Fragen das Parlament überhaupt
och eigeninitiativ zu entscheiden hätte. Die großen
tunden des Parlamentes wären Vergangenheit, über die
chicksalsfragen der Nation würde woanders entschie-
en, Herr Wieland.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meine Güte! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat so gut angefangen!)


Fünftens. Durch Plebiszite besteht die Gefahr, dass
ich Parlamentarier ihrer Verantwortung entziehen und
nsbesondere unpopuläre und sensible Fragestellungen
iner Entscheidung des Volkes überließen.

Sechstens bergen Plebiszite die Gefahr, dass Sachfra-
en nicht nach sachbezogenen Gesichtspunkten ent-
chieden werden. Es ist auch zu befürchten, dass sich das
olk und der Einzelne von Stimmungen und subjektiver
etroffenheit leiten lassen,






(A) )



(B) )


Ingo Wellenreuther

(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also das Volk ist dumm! Sagen Sie es doch ruhig!)


vor allem deswegen, weil organisierte und öffentlich-
keitswirksame Lobbyarbeit noch mehr Einfluss erhalten
könnte als heute schon. Populismus, Stimmungsmache,
schlagwortartige Parolen können die Entscheidung über
Sachfragen zum unsachlichen Abstimmungskampf de-
gradieren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Wieland, was Sie gerade dokumentieren, entspricht
genau dem, was ich vorhin gesagt habe und was mich
sehr stört: Sie versuchen, mit Totschlagargumenten
Stimmung zu machen.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Fazit Ihrer Rede: Gut genug, die CDU zu wählen, aber nicht, um eine Abstimmung durchzuführen!)


Außerdem können und wollen nur wenige Bürger sich
schon allein aus Zeitgründen mit einer oftmals umfang-
reichen und fachlich schwierigen Materie intensiv aus-
einander setzen. In der Gesamtschau sind das alles
Gründe gegen eine Ausweitung der unmittelbaren De-
mokratie und zugleich ein Plädoyer für unser bewähr-
tes parlamentarisch-repräsentatives System.

Ich will noch zwei der gängigsten Argumente anspre-
chen und entkräften, die von Anhängern von Plebisziten
immer wieder erhoben, deshalb aber trotzdem nicht
stichhaltiger werden:

Erstens. Angeblich werden mit direktdemokratischen
Verfahren sowohl in anderen Staaten als auch auf Lan-
desebene und kommunaler Ebene positive Erfahrungen
gemacht.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Absolut!)


– Herr Burgbacher, Sie haben es angesprochen. Was an-
dere Staaten anbelangt, ist ein Vergleich wegen gravie-
render Unterschiede meines Erachtens nahezu unmög-
lich. Das betrifft sowohl die Größe der Bevölkerung als
auch die jeweilige Tradition von Plebisziten als auch den
Staatsaufbau.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann schaffen wir eine Tradition!)


Was den Vergleich der Bundesebene mit der Landes-
ebene und der kommunalen Ebene angeht – ich kann es
beurteilen; ich sitze auch im Gemeinderat –, ist zu sagen:
Man darf nicht verkennen, dass die politischen Fragen in
den Kommunen und in den Ländern regional und sach-
lich viel besser überschaubar sowie weniger komplex
sind. Insgesamt hinken diese Vergleiche gewaltig.

Zweitens wird mit Plebisziten angeblich der Politik-
verdrossenheit und dem Vertrauensverlust der Politiker
entgegengewirkt. Ich warne davor, die Wirkung von Ple-
bisziten insoweit zu überschätzen. Vor allem erscheint
mir dieses Argument geradezu unlogisch. Warum soll
das Vertrauen in Politik und das Parlament eigentlich ge-
nau dann gesteigert werden, wenn das Parlament über

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(C (D ichtige gesetzliche Regelungen nicht mehr selbst entcheiden soll, sondern die Verantwortung abgibt? Das at mir bis jetzt noch niemand erklären können. Auch eine Steigerung der Beteiligung an Wahlen und bstimmungen tritt dadurch nicht ein. Ich weiß, dass ergleiche nur schwer möglich sind, aber hier lohnt sich inmal ein Blick in die Schweiz. Dort liegt die Wahlbeeiligung meist unter 50 Prozent. Sie ist also niedriger als n jedem anderen demokratischen Land. Das zeigt: Diektdemokratische Elemente können kontraproduktiv irken und die Gefahr der Wahlmüdigkeit nimmt sogar u. Insgesamt glaube ich, dass es ein Trugschluss ist, ass die Politikverdrossenheit mit der Einführung von ehr direkter Demokratie überwunden werden könnte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, oft zeichnen die Beürworter der direkten Demokratie ein unrealistisches ild nach dem Motto: In der Mitte des Volkes entsteht in Gesetzentwurf, es folgt eine breite gesellschaftliche achliche Diskussion, jeder stimmberechtigte Bürger beeiligt sich, wägt alle Argumente intensiv ab und entcheidet auf dieser Grundlage nach objektiven Kriterien, obei er das Allgemeinwohl und die Minderheiten ganz est im Blick hat. – Ich glaube, mit der politischen Wirkichkeit von direktdemokratischen Entscheidungen hat ieses Bild nur sehr wenig zu tun. Lassen Sie mich zusammenfassen: Die Ergänzung unerer repräsentativen Demokratie um plebiszitäre Eleente auf Bundesebene, die Sie angesprochen haben, err Burgbacher, würde die Wesenszüge unserer Demoratie meines Erachtens verändern. Ich kann nur raten: nterschätzen wir nicht die Gefahr des Populismus, der n Plebisziten steckt, schätzen wir unsere geschichtlihen Erfahrungen nicht gering und überschätzen wir icht deren Bedeutung im Kampf gegen die Politikverrossenheit. Deshalb plädiere ich dafür, unser ausgewogenes paramentarisches Verfahren und unseren starken Föderalisus wertzuschätzen. Ich danke Ihnen – auch Ihnen, Herr Wieland. Als Nächster hat der Kollege Dr. Lothar Bisky für die raktion Die Linke das Wort. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mehr irekte Demokratie steht zur Debatte. Herr Burgbacher, ch bin froh, dass wir in Brandenburg gemeinsam mit der DP bereits die direkte, die dreistufige Volksgesetzgeung durchgesetzt haben. Im Übrigen geschah das auch emeinsam mit dem damaligen Bündnis 90. Es funktioiert. Herr Wellenreuther, auch damals hörte ich Reden von er CDU, in denen die Gefahren beschworen wurden. Dr. Lothar Bisky Diese sind aber nicht eingetreten. Sie können Ihre Kollegen in der CDU fragen. Natürlich ist das die Landesebene und wir sprechen hier über die Bundesebene. Alle Gefahren und auch manche Wunder, die sich einige erhofft hatten, sind aber eben nicht eingetreten, sondern es ist zu einem vernünftigen Umgang der Bürgerinnen und Bürger und, wie ich denke, auch der Politiker mit diesem Instrument gekommen. Ich bin froh, dass jetzt drei Fraktionen mehr direkte Demokratie fordern. Wir können in diesem Parlament gar nicht genug sein. Ich hoffe, dass uns eine sachliche Diskussion zu einer vernünftigen Lösung bringen wird. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603509900

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Lothar Bisky (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603510000




(A) )


(B) )


Wir wollen den Bürgern auf Bundesebene mehr di-
rekte Einflussmöglichkeiten verschaffen. Das richtet
sich eben nicht gegen die parlamentarische Demokratie.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Richtig!)


Ich sehe das als eine untrennbare Einheit und ich möchte
mich nicht weiter auf die Gegensatzdiskussion einlassen.

Ich komme aus einem Land, in dem es eine Zivilge-
sellschaft, wenn überhaupt, nur marginal gegeben hat,
und ich möchte in einem Land leben, in dem zivilgesell-
schaftliches Engagement nicht nur geduldet, sondern
auch bewusst gefördert wird.


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren von der FDP und den Grünen,
gerade deshalb wollen wir im Unterschied zu Ihnen nicht
nur Gesetzesvorlagen zum Gegenstand der dreistufigen
Volksgesetzgebung machen, sondern auch politische
Entscheidungen zur Debatte stellen. Es geht zum Bei-
spiel um Fragen der Privatisierung. Die Bürgerinnen und
Bürger müssen nach unserer Auffassung die Möglichkeit
haben, bei wichtigen politischen Fragen mitzureden. Ich
wünsche mir, dass sie in die Lage versetzt werden, deut-
licher zu erklären, was sie bei bestimmten Themen poli-
tisch wollen.

Natürlich schwächt das nicht die parlamentarische
Demokratie; denn die Antworten, die dort auf bestimmte
Fragen gegeben werden, werden dann ja im Parlament
umgesetzt .Ich will jetzt nicht der Versuchung unterlie-
gen, konkrete Fragen zu nennen; denn dann stellt sich
die Frage, ob man sie positiv oder negativ formulieren
soll. Das ist nach meinem Dafürhalten Aufgabe für Ex-
perten. Dafür gibt es Psychologen und Soziologen, die
genau wissen, wie man eine Frage formuliert, damit man
eine gültige und zuverlässige Antwort bekommt.

Dennoch sage ich: Ich bin dafür, den Bürgerinnen und
Bürgern solche Fragen zu stellen, also direkt über eine
politische Sachfrage abstimmen zu lassen. Jede Fraktion
hätte nach unserem Vorschlag die Möglichkeit, den Bür-
gerinnen und Bürgern eine Sachfrage zur Entscheidung
vorzulegen. Das würde den Wahlkampf revolutionie-
ren. Nicht mehr Versprechungen, an die sowieso immer
weniger glauben, stünden im Vordergrund, sondern die
von den Fraktionen gesetzten Themen würden eine grö-
ßere Rolle spielen.

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(C (D Sie und uns wird nicht jedes Ergebnis einer Volksiniiative, eines Volksbegehrens oder eines Volksentscheids rfreuen. Die Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenaus kann davon ein Lied singen. Dennoch hat kürzlich ie Linke gemeinsam mit anderen Fraktionen einen Ge etzentwurf in das Abgeordnetenhaus eingebracht, der ie demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten der Berinerinnen und Berliner erweitert; und das ist gut so. Wir haben nicht nur in Berlin erfahren und verinnericht, dass jeder Zuwachs an demokratischen Verfahren ie Kluft zwischen politisch Verantwortlichen und dem igentlichen Souverän verkleinert. Die Ablehnung der uropäischen Verfassung in Frankreich und den Niederanden – das ist heute schon mehrfach erwähnt worden – nd die katastrophal niedrige Wahlbeteiligung in den ergangenen Wochen – die Wahlbeteiligung in Thürinen am vergangenen Sonntag lag bei nur rund 2 Prozent – zeigen: Wir müssen schleunigst und umfasend handeln. Dazu wurde von drei Fraktionen dieses auses ein Vorschlag auf den Tisch gelegt. Vor gut 16 Jahren stand ich auf dem Alexanderplatz nd hörte, wie ein späterer Alterspräsident des Deutchen Bundestages erklärte – ich zitiere –: Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen … ie Worte waren von Stefan Heym. Er wollte am . November 1989 unter anderem den Wunsch ausdrüken, dass Bürgerinnen und Bürger endlich ernst genomen werden, dass vielfältige, auch direkte Mitentschei ungsmöglichkeiten, dass mehr direkte und indirekte emokratie in der Gesellschaft Einzug halten. Bei Stefan Heym kenne ich mich ganz gut aus. Lassen ie uns heute gemeinsam die Fenster ein Stück weiter ufstoßen. Ich bedanke mich. Als Nächster spricht der Kollege Maik Reichel, SPD raktion. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Heute liegen uns drei Anträge vor, die wir in rster Lesung beraten und die zum Inhalt die Einfühung einer dreistufigen Volksgesetzgebung auf Bunesebene haben, nämlich Volksinitiative, Volksbegehren nd Volksentscheid. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es seit Beinn der Existenz unseres Landes Bestrebungen, eine olche Volksgesetzgebung einzuführen. 1948 – das ist erade genannt worden – hat der Parlamentarische Rat uf diese Möglichkeit zur direkten Beteiligung im Hinlick auf die deutsche Geschichte bewusst verzichtet. tattdessen wurde die repräsentative parlamentarische emokratie eingeführt. Ein zweites Mal, 1976, schei Maik Reichel terte die Einführung einer größeren Bürgerbeteiligung, als die dafür eingesetzte Enquete-Kommission dieses Ansinnen ablehnte. Auch nach der Einheit Deutschlands zu Beginn der 90er-Jahre war der Versuch, Volksabstimmungen zu ermöglichen, nicht von Erfolg gekrönt. Viele von Ihnen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, haben diesen Prozess begleitet. Unser Grundgesetz bietet dafür – das haben wir bereits festgestellt und das wird auch in den Anträgen erwähnt – die verfassungsrechtliche Grundlage. In Art. 20 des Grundgesetzes steht der deutliche Satz: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Ergänzend heißt es: Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen … ausgeübt. Seit nunmehr fast sechs Jahrzehnten hat sich die auf dem Grundgesetz aufbauende parlamentarisch-repräsentative Demokratie bewährt. Zumindest auf Bundesebene ist die direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger noch nicht eingeführt, auf kommunaler und Landesebene aber schon. Wir beklagen gerade in dieser Zeit zu Recht die allmähliche Politikverdrossenheit unserer Bürger, die sich sehr unterschiedlich darstellt: Teilnahmslosigkeit bei politischen Sachthemen, Desinteresse und – das ist gerade angesprochen worden; es bedrückt uns alle – die sinkende Wahlbeteiligung. Letztere zeichnet sich seit einigen Jahren deutlich ab. Das zeigen die Bundestagswahlen wie auch die Wahlen auf Landesebene. In meinem Heimatland Sachsen-Anhalt sank die Wahlbeteiligung von 71,5 Prozent im Jahr 1998 auf 56,5 Prozent im Jahr 2002 und auf 44,4 Prozent am 26. März dieses Jahres. Wie wir eben gehört haben, lag die Beteiligung an der Kommunalwahl in Thüringen noch etwas niedriger; sie ist auf 42 Prozent gesunken. Demokratie ist nun einmal auf eine aktive, verantwortungsbewusste und vor allem interessierte Mitarbeit von Bürgerinnen und Bürgern angewiesen. Das Verantwortungsbewusstsein sollte sich nicht nur auf einen Urnengang alle vier Jahre beschränken. Wenn wir jetzt über eine durchaus sinnvolle Verlängerung der Wahlperiode des Deutschen Bundestages von vier auf fünf Jahre diskutieren, dann müssten damit auch stärkere Einflussmöglichkeiten der Bevölkerung einhergehen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Allerdings! Das ist gekoppelt!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Zuruf des Abg. Reinhard Grindel [CDU/CSU])


(Beifall bei der LINKEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603510100
Maik Reichel (SPD):
Rede ID: ID1603510200




(A) )


(B) )


Ein europaweiter Vergleich zeigt, dass in den meisten
Ländern Volksentscheide mit Volksinitiativen und Volks-
begehren eingeleitet werden. Das bekannteste System
hat die Schweiz. Volksabstimmungen gibt es unter ande-
rem auch in Österreich und Italien. Dabei finden wir die
unterschiedlichsten Regelungen hinsichtlich der Min-
destbeteiligung, der Quoren. Diese dienen dazu – das
halte ich für besonders wichtig –, dem Missbrauch von
Volksabstimmungen vorzubeugen.

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(C (D Betrachten wir eine Ebene darunter: Ein Blick auf die 6 deutschen Bundesländer zeigt, dass dort – wenn uch in unterschiedlicher Ausgestaltung – Volksabstimungen möglich sind. In den Länderverfassungen zu erschiedenen Zeiten verankert, stellt diese Form der diekten Demokratie einen wesentlichen Bestandteil deokratischen Umgangs mit den Bürgerinnen und Bür ern dar. Das muss man sagen. – Von dieser Möglichkeit wurde nd wird unterschiedlich rege Gebrauch gemacht, bei nterschiedlichem Erfolg für die jeweiligen Initiatoren. Bis zum Jahr 2002 gab es allein in Bayern 40 solcher bstimmungen, in Brandenburg 21, in Mecklenburgorpommern 15, in Hessen 14, in Nordrhein-Westfalen ehn und in Baden-Württemberg nur vier. Diese Aufzähung ließe sich weiter fortsetzen. Es gibt viele Bürgerbewegungen oder -initiativen auf ommunaler wie auch auf Landesund Bundesebene, ie deutlich den Willen der Bevölkerung zeigen, sich akiv für die Gesellschaft einzusetzen und sie mitzugestalen. Sie alle, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, haen vor wenigen Tagen Post von der Aktion Volksabtimmung erhalten, die sich für die Einführung von olksabstimmungen stark macht. Die heutige Debatte ird längst nicht mehr nur auf innerparlamentarischer bene geführt. Ganz allein stehen die außerparlamentarischen Betrebungen nicht, hat doch bereits die Enquete-Kommision „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ des 4. Deutschen Bundestages festgestellt – ich zitiere –: Bürgerschaftliches Engagement steht in enger Verbindung mit Teilhabeund Mitgestaltungsmöglichkeiten. ie Empfehlung der Enquete-Kommission lautete, die eteiligungsrechte zu stärken und neue Beteiligungsöglichkeiten zu schaffen. In den vergangenen 58 Jahren sind die guten Gründe, ie für eine stärkere Bürgerbeteiligung sprechen, auf unerschiedlicher Ebene in allen Bereichen der Gesellchaft thematisiert und erörtert worden. Ich glaube, dass ine solche Beteiligung, wenn sie in einem entsprechenen gesetzlichen Rahmen erfolgt, einer sich breit mahenden Ohnmacht gegenüber der Politik entgegenwiren kann. Es sei ein Blick auf die Jüngeren in unserem Land getattet. Das Desinteresse an Politik und politischem Haneln scheint mir bei ihnen sehr stark ausgeprägt. Andeerseits erleben wir aber bei bestimmten aktuellen nlässen ein starkes, spontanes Engagement. Gerade iese jungen Menschen sind es, die in den nächsten Jahen und Jahrzehnten unsere Gesellschaft gestalten weren. Die frühe Einbindung – auch in demokratische trukturen – ist dabei ein nicht zu unterschätzender Fak or. Maik Reichel (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Iris Gleicke [SPD]: Sie ist auch erfolgreich!)





(A) )


(B) )


Der Wunsch der jungen Leute danach ist spürbar. Dafür
müssen entsprechende Formen gefunden werden.


(Beifall bei der SPD)


Ich weiß, dass es in der Frage der Einführung von
Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden
viele Argumente Pro und Kontra gibt. Einige sind bereits
angesprochen worden. Auch ich kann mich mancher Be-
fürchtung nicht entziehen, habe ich selbst doch bereits
zwei solcher Volksentscheide auf unterschiedlichen Ebe-
nen erlebt. Der eine liegt noch nicht lange zurück; es war
vor einem Jahr auf Landesebene – in Sachsen-Anhalt –,
der letzten Endes gescheitert ist.

Wesentlich intensiver und nachhaltiger für mich war
ein Bürgerentscheid auf kommunaler Ebene in meiner
Heimatstadt Lützen, wo ich die Ehre habe, Bürgermeis-
ter sein zu dürfen. Im Laufe der Wochen und Monate, in
denen ich diesen Bürgerentscheid mit vorausgegange-
nem Bürgerbegehren begleitet habe – sozusagen von der
anderen Seite, also von der Seite, die wir alle hier wahr-
scheinlich einmal kennen lernen werden –, konnte ich
das Für und Wider eines solchen Entscheides erleben.
Ich erkenne mitunter die Bedenken an, die von Kritikern
geäußert werden. Angeführt wird immer – nicht so sehr
hier im Haus, wohl aber außerhalb – die fehlende Kom-
petenz der Menschen, die sich beteiligen sollen; denn
alle müssen in die Lage versetzt werden, den Hinter-
grund einer Entscheidung zu verstehen. Überblicken
denn alle Beteiligten das Thema und die Folgen? Wird
der Bürger also richtig und sachlich informiert? Was ist,
wenn sich das Parlament – in diesem Fall der Stadtrat –
bei einem unliebsamen Thema vor der eigenen Verant-
wortung drückt? Was geschieht bei fehlenden aufgezeig-
ten Alternativen durch die Initiativen? Ein weiterer Kri-
tikpunkt ist die mitunter mangelhafte Beteiligung der
Wahlberechtigten.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt)


Dann drängt sich mir der Gedanke auf, dass die bloße
Auswahl zwischen Ja und Nein zu einfach gedacht ist.
Tendenziell wird eine Frage zumeist so gestellt, dass
man sie logischerweise sofort mit Ja beantworten muss.
Ist das immer zielführend? Das alles sind Dinge, die mir
durch den Kopf gegangen sind.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit welchem Ergebnis?)


– Darauf komme ich noch zu sprechen.

Die angeführten Argumente – es gibt sicherlich noch
wesentlich mehr – sprechen für mich jedenfalls nicht ge-
gen die Einführung eines Volksentscheids.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut!)


Es handelt sich vielmehr um Dinge, die es in der Ausein-
andersetzung mit den Menschen vor Ort zu klären gilt.
Daran sollte meiner Meinung nach – ich spreche hier
ganz sicher auch für meine Fraktion – die Einführung ei-
ner Volksabstimmung nicht scheitern. Ich persönlich

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(C (D abe in meiner Stadt erlebt, dass ein solches Verfahren as Interesse an der Mitgestaltung des Gemeinwohls teigen lässt. Die Menschen gehen bewusster mit manhen Entscheidungen um und versuchen, sich einzubrinen. Darin liegt eine sehr große Chance, eine höhere Akeptanz der politischen Entscheidungen zu erreichen und olitikverdrossenheit, die wir alle täglich erleben, abzuauen. Aber wir müssen auch bereit sein, die Bürgerinen und Bürger teilhaben zu lassen. Ich habe auf unterer Ebene Menschen erlebt, die sich ür eine Sache einsetzen, die sich über das normale Maß inaus engagieren. Jeder von Ihnen kennt sicherlich geügend Beispiele. Einige der Initiatoren des Bürgerentcheids in meiner Stadt sitzen heute im Stadtrat, einer avon sogar als mein zweiter stellvertretender Bürgereister. Er und andere tun mit, und das auf konstruktive rt und Weise. Ich weiß natürlich, dass man so etwas icht einfach auf Bundesebene umsetzen kann. Aber ich laube, dass dieses Beispiel Möglichkeiten und Chancen iner Volksabstimmung aufzeigt. Uns liegen nun drei Gesetzentwürfe vor. Alle gehen on einer dreistufigen Volksbeteiligung – Volksinitiaive, Volksbegehren und Volksentscheid – aus. Die Frakion des Bündnisses 90/Die Grünen hält sich in ihrem esetzentwurf im Wesentlichen an den rot-grünen Ge etzentwurf aus der 14. Legislaturperiode. Das will ich icht verhehlen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben! Das erwarten wir von Ihnen auch!)


ie Volksinitiative soll den Bürgerinnen und Bürgern er-
öglichen, eine Gesetzesvorlage einzubringen, über die

ann im Bundestag mit Anhörungsrecht debattiert wird.
ie Zahl der Mindestbeteiligung liegt bei den Grünen
nd der FDP bei 400 000 und bei der Linksfraktion bei
00 000 Wahlberechtigten.

Hinsichtlich der möglichen Inhalte solcher Initiativen
einige sind schon genannt worden – liegen ähnliche
nsätze vor, ohne dass man genauer darauf eingeht. Ich
laube, gerade hier gibt es noch gehörigen Klärungsbe-
arf, was alles im Rahmen einer Volksabstimmung mög-
ich sein darf.

Wenn ich mir alle drei Gesetzentwürfe anschaue,
ann stelle ich fest: Die vorgeschlagenen Beschlussfris-
en des Bundestages bei einer Volksinitiative reichen von
echs bis acht Monaten. Auch die vorgeschlagenen Pro-
entklauseln einer erfolgreichen Beteiligung bei einem
olksbegehren liegen mit knapp 1,7 Prozent – das ist der
orschlag der Linksfraktion – und 10 Prozent deutlich
useinander. Hier besteht ebenfalls großer Klärungsbe-
arf. Die vorgeschlagenen Fristen für die Entscheidung
es Bundestages über ein erfolgreiches Volksbegehren
iegen bei drei bzw. sechs Monaten. Auch bei den Quo-
en für den Volksentscheid gibt es natürlich Unter-
chiede zwischen den drei Gesetzentwürfen. Bei der
inksfraktion reicht die Mehrheit der abgegebenen Stim-
en ohne Mindestbeteiligung. Bei der FDP und den
rünen müssen es mindestens 15 Prozent sein. Das ist
ie Bandbreite, über die wir noch diskutieren müssen.






(A) )



(B) )


Maik Reichel
Einen Zusatzpunkt enthält der Gesetzentwurf der
Linksfraktion. Dort heißt es in Art. 82 c Abs. 4:

Drei Wochen nach Festlegung des Wahltermins
zum Deutschen Bundestag hat jede Fraktion des
Bundestages das Recht, eine Sachfrage zur Abstim-
mung am Wahltermin vorzuschlagen. … Der ge-
wählte Bundestag ist für seine Wahlperiode an die
Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger in diesen
Fragen gebunden.

Herr Kollege Bisky, Sie haben darauf hingewiesen, dass
der Wahlkampf dadurch interessanter werde. Ich stelle
mir das auch interessant vor, halte es aber für wenig
durchdacht, das miteinander zu verquicken.


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Da hätte man Sie jetzt auf die Mehrwertsteuer festgenagelt!)


– Ich habe damit keine Probleme. Das gebe ich doch zu.

Es wird noch einige Diskussionen geben. Ich stelle es
mir sehr schön vor, an einem Wahlsonntag dort zu sitzen,
wenn wir neben der Bundestagswahl – manchmal kom-
men sogar noch Landtagswahlen oder Kommunalwahlen
hinzu – fünf Abstimmungen über die Vorschläge von
fünf Fraktionen haben. Dann greift die Linksfraktion mit
Art. 82 b in ein fast abgeschlossenes Verfahren ein, in-
dem sie die Möglichkeit eröffnen will, ein bereits be-
schlossenes, aber noch nicht ausgefertigtes Gesetz durch
die sehr geringe Beteiligung von nur 500 000 Wahlbe-
rechtigten wieder zu kippen. Das ist ein unpraktikables
Mittel und führt nicht zum Ziel.

Auch wenn nicht alles, was hier vorgeschlagen
wurde, nutzbringend ist, so wurde doch mit den jetzt ein-
gebrachten Gesetzentwürfen eine neue Grundlage für
weitere Gespräche gelegt. Es wird Diskussionen geben.
Die SPD – das kann ich sagen – ist dazu bereit. Auch die
Kolleginnen und Kollegen unseres Koalitionspartners
werden sich diesen Diskussionen sicherlich nicht ver-
schließen.


(Beifall des Abg. Rüdiger Veit [SPD])


Wenn wir in die jüngere Geschichte zurückblicken, dann
stellen wir fest, dass es bereits verschiedene Anträge aus
allen Fraktionen gab, auch einen, der vor Jahren von der
PDS gestellt worden ist. Heute liegen drei auf dem
Tisch. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
SPD haben wir uns darauf verständigt, die – ich zitiere –
„Einführung von Elementen der direkten Demokratie“
zu prüfen. Damit liegen die besten Voraussetzungen vor,
einen gemeinsamen Weg zu gehen. Die Koalition wird
sich auch in dieser Frage ihrer Verantwortung stellen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603510300

Herr Kollege Reichel, das war Ihre erste Rede in die-

sem Haus. Ich beglückwünsche Sie dazu sehr herzlich
und wünsche Ihnen für Ihre weitere Arbeit alles Gute.


(Beifall)


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(C (D Das Wort hat nun der Kollege Wolfgang Wieland für ie Fraktion der Grünen. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dies ist es wurde hier mehrfach gesagt – wahrlich nicht die rste Debatte über dieses Thema in diesem Hause und es ind wahrlich nicht nur ganz unbekannte Argumente geesen, die wir hier gehört haben. Aber, Herr Kollege urgbacher, ohne jede Häme: Über Spätbekehrte freut an sich immer am meisten. Wir freuen uns darüber, ass die FDP nunmehr fest an der Seite der Befürworter er direkten Demokratie und der Volksgesetzgebung teht. ir hätten es sogar noch besser gefunden, wenn die Oposition vorher darüber geredet und eventuell eine geeinsame Initiative gestartet hätte. Sie haben am Wo henende Ihren Parteitag. Man las, dass Sie dort über irekte Demokratie reden wollen. Das finden wir gut. ir finden, dass es immer nötig ist, Demokratie auf eine reitere Basis zu stellen. Das alles jedoch ist für uns nicht entscheidend. Entcheidend ist, dass es in dieser Legislaturperiode endlich u dem überfälligen Schritt hin zur direkten Demokratie ommt. Dazu liegt einiges auf dem Tisch. Wir werden eine ertrauensfrage der besonderen Art zu behandeln haen. Das letzte Jahr stand im Zeichen einer anderen Verrauensfrage. Ein Teil von Ihnen wird sich schmerzlich aran erinnern. Jetzt stellt sich die Frage, welches Verrauen wir eigentlich in den Souverän, in das Volk haben. hre Antwort darauf, Herr Wellenreuther, war sehr negaiv: Sie haben so gut wie gar kein Vertrauen. Das Volk ann das nicht, es versteht das nicht, es ist Opfer von emagogen und von Populisten. Politik ist viel zu komlex geworden, als dass wir sie in Form der Frage „Ja der nein“ zur Abstimmung stellen könnten. Das ist nicht unser Bild. Das ist wahrlich auch nicht ie Erfahrung, die in den Ländern – das wurde zu Recht on den Kollegen der SPD erwähnt – gemacht wurde. as ist vor allem nicht die Erfahrung, die in den Komunen gemacht wurde. Inzwischen kennen alle Landes erfassungen die Volksgesetzgebung. Inzwischen wird ie bundesweit mit sehr guten Erfolgen kommunal urchgeführt. Dennoch stellen Sie sich als – ich darf das agen – noch recht junger Mensch hierhin und beschwöen wieder einmal die Geister von Weimar. Weimar ist icht an der direkten Demokratie gescheitert; Weimar ist eider an ganz anderem gescheitert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603510400

(Zuruf des Abg. Ernst Burgbacher [FDP])


Die Volksbegehren, die es dort geben sollte, kamen
egen zu hoher Quoren nicht zustande; auch das muss
an im Gedächtnis behalten. Es sollte um Fragen wie
ürstenenteignungen und Militärausgaben – Stichwort






(A) )



(B) )


Wolfgang Wieland
„Panzerkreuzerbau“ – gehen; doch das ist an den Zu-
stimmungsquoren gescheitert.

Ich ziehe daraus einen ganz anderen Schluss: Funk-
tionierbar gemachte direkte Demokratie gibt dem Volk
die Möglichkeit, zu gestalten, und zwar nicht anstelle
oder als Ersatz des Bundestages, sondern ergänzend. Sie
gibt dem Volk das Bewusstsein, etwas in diesem Land
bewirken zu können. Die schlechten Wahlbeteiligun-
gen, von denen Sie gesprochen haben, haben wir doch,
obwohl wir keine Volksgesetzgebung auf Bundesebene
haben. Das sind doch alles Erscheinungen, die schon da
sind. Daher muss klar sein: Wir vertrauen auf den Sou-
verän; wir geben ihm mehr Möglichkeit, mitzugestalten
und mitzureden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wie Sie richtig gesagt haben, Herr Kollege, haben wir
hier den unter Rot-Grün erarbeiteten Gesetzentwurf ein-
gebracht. Obwohl es mit Otto Schily, Herr Kollege
Benneter, nicht immer ganz einfach war, stehen wir zu
jeder Zeit zu unserer rot-grünen Vergangenheit in diesem
Haus. Wir wollen Ihnen auch die Zustimmung zu dem,
was wir vorgelegt haben, erleichtern. Um den etwas du-
biosen Satz „Was gestern richtig war, kann heute nicht
falsch sein“ einmal zu variieren: Das, was gestern Ihre
Billigung hatte, kann heute nicht nur deswegen falsch
sein, weil Sie einen noch zu überzeugenden – nach dem,
was wir hier gehört haben, scheint das ein weiter Weg zu
sein; aber wir stehen ja am Anfang dieser Legislaturperi-
ode und haben noch Zeit – Koalitionspartner haben.

Ich gestehe der CDU/CSU-Fraktion auch zu – die
„Bild“-Zeitung schrieb gestern „Schauder-Kauder“ –


(Zuruf des Abg. Reinhard Grindel [CDU/CSU])


– ja, gemeint war der große Bruder von Siegfried
Kauder; die „Bild“-Zeitung differenziert da nicht –, dass
sie diese Woche einige Dinge schaudernd schlucken
musste: das Antidiskriminierungsgesetz – Nachbeben
waren eben noch zu spüren –, die Reichensteuer und
Weiteres. Jetzt werden Sie denken: Und nun sollen wir
auch noch „direkte Demokratie“ schlucken.

Ich mache Ihnen zum Schluss Hoffnung: Da, wo es in
den Kommunen Elemente der direkten Demokratie gibt,
sind die Konservativen, die CDU/CSU oft vorn. Sie ha-
ben hier in Berlin gegen die Einführung des Bürgerent-
scheides auf kommunaler Ebene erbittert gestritten.
Kaum war er gegen Ihren Willen da, waren die CDUler
die Ersten, die Bürgerbegehren gestartet haben.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603510500

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603510600

Nur noch ein Wort zu Friedbert Pflüger: –


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603510700

Sie sind am Ende Ihrer Redezeit.

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(C (D Ich bringe wirklich nur diesen Satz zu Ende. – Er un erschrieb gegen die Umbenennung einer Straße in Rudi-Dutschke-Straße“, obwohl er nicht unterschriftserechtigt war. Das Tröstliche ist: Direkte Demokratie st lernbar. Diese Anträge sind eine gute Chance, sich da it vertraut zu machen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603510800


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603510900

Das Wort hat nun der Kollege Gert Winkelmeier.


Gert Winkelmeier (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603511000

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
ir beraten heute über die Bedeutung von Volksabstim-
ungen in unserer Demokratie. Nach dem Willen der
ppositionsfraktionen soll das Grundgesetz dahin ge-
end geändert werden, dass künftig auch auf Bundes-
bene Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksent-
cheide gesetzgeberischen Einfluss ausüben können.
napp 57 Jahre nach der Verabschiedung des Grundge-

etzes wird es Zeit, unsere parlamentarisch-repräsenta-
ive Demokratie weiterzuentwickeln. Den Bedürfnissen
er Bevölkerung nach mehr direkter Demokratie im
1. Jahrhundert ist Rechnung zu tragen. Diese Weiter-
ntwicklung muss durch neue Beteiligungsrechte ge-
chehen. In Meinungsumfragen befürworten über
0 Prozent der Menschen in Deutschland die Einführung
er bundesweiten Volksabstimmung. Mit dieser Einfüh-
ung verwirklichen wir auch ein Stück des real verwirk-
ichten Freiheitsbegriffes.

Unter den Abgeordneten sind auch Mitglieder des
ereins „Mehr Demokratie e. V.“. Einige gehören der
egierungspartei SPD an. Rot-Grün hat bereits in der
4. Wahlperiode einen Gesetzesentwurf zur Volksgesetz-
ebung eingereicht. Die Hürden waren aus meiner Sicht
war viel zu hoch, doch es war damals ein Schritt in die
ichtige Richtung. Wenn die Kolleginnen und Kollegen
er SPD es wirklich ernst meinten, dann wäre jetzt die
ichtige Zeit, Einfluss auf ihren Regierungspartner zu
ehmen, damit die CDU/CSU die Volksgesetzgebung
icht länger blockiert. Es wird allerhöchste Zeit, dass der
undestag zu der Einsicht findet, dass Volksabstimmun-
en ein wichtiges Instrument sind, weil Menschen ganz
irekt Verantwortung für Politik in unserem Land über-
ehmen wollen.

Damit treten wir auch einer Volksverdrossenheit ent-
egen. Die Beteiligung an Bundestagswahlen nimmt im-
er mehr ab. Am 18. September 2005 war sie mit

7,7 Prozent so niedrig wie nie.

Eine kürzlich in Rheinland-Pfalz erstellte Jugendstu-
ie ergab, dass die 14- bis 18-jährigen Jugendlichen eine
roße Distanz zu den Parteien haben. Sie favorisieren
ösungsorientiertes Handeln. Drei Viertel der Jugendli-
hen sind frustriert, weil sie glauben, dass sie keine
hance haben, Politik real zu beeinflussen. Dieses Be-
usstsein können wir durch mehr direkte Demokratie
erändern.






(A) )



(B) )


Gert Winkelmeier
Deshalb dürfen die Hürden nicht so hoch sein. Das
Erfordernis von 100 000 Unterschriften für Volksinitiati-
ven und von 1 Million Unterschriften unter ein Volksbe-
gehren muss auch ein Signal sein, dass es möglich ist,
eine Volksinitiative bzw. ein Volksbegehren durchzufüh-
ren. Ein Volksbegehren, das eine Verfassungsänderung
anstrebt, benötigt sogar 2 Millionen Unterschriften.
Beim Volksentscheid bedarf es einer Mindestzustim-
mung von einem Viertel der Stimmberechtigten.

Wir sollten den Mut zur Volksgesetzgebung und Ver-
trauen in die Bevölkerung haben. Das ist grundsätzlich
ein guter Politikansatz. Er stärkt zivilgesellschaftliches
Engagement. Das ist unser Interesse.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603511100

Das Wort hat nun für die CDU/CSU-Fraktion der

Kollege Stephan Mayer.


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1603511200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine werten Kolle-

ginnen! Sehr geehrte Kollegen! Wir Deutsche können
auf die parlamentarisch-repräsentative Demokratie mit
Fug und Recht stolz sein. Die parlamentarisch-repräsen-
tative Demokratie hat uns mittlerweile über 55 Jahre
eine Periode der Stabilität in Deutschland beschert.
Gleichwohl muss uns klar sein, dass Demokratie nicht
gottgegeben ist und dass Demokratie und demokratische
Strukturen auch immer wieder erkämpft werden müssen.

Eines muss uns ebenso klar sein: Demokratie lebt von
der Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger. Es darf uns
alle hier im Hause nicht ruhig lassen, dass die Politik-
verdrossenheit – vielleicht auch die Politikerverdros-
senheit – in Deutschland immer größer wird.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Vor allem mich als jungen Abgeordneten beschäftigt es
durchaus, wenn ich in einer Umfrage des Emnid-Insti-
tuts lese, dass nur noch 3 Prozent der deutschen Bevöl-
kerung Vertrauen in die deutschen Politiker haben. Die
Frage ist nur, welcher Weg der richtige ist, um die Bür-
gerinnen und Bürger in Deutschland wieder stärker an
die Demokratie und an die Politik heranzuführen.

Ich habe viele Gespräche mit Bürgerinnen und Bür-
gern in meinem Wahlkreis und auch bei Veranstaltungen
hier in Berlin. Nie wird mir der Eindruck vermittelt, dass
die Bürger ein Gesetzesinitiativrecht haben wollen, dass
sie sich mit Gesetzentwürfen unmittelbar an den Bun-
destag wenden wollen. Was die Bürgerinnen und Bürger
in Deutschland wollen und ganz vehement einfordern,
ist, dass wir hier im Hause, aber auch alle anderen politi-
schen Ebenen in Deutschland eine authentische, eine
ehrliche Politik betreiben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sind gefordert, meine sehr verehrten Damen und
Herren, uns wieder zum Bürger zu bewegen, und nicht

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(C (D efordert, dem Bürger das vermeintliche Angebot zu achen, sich mit Gesetzesinitiativen an uns zu wenden. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein tatsächliches Angebot, kein vermeintliches!)


Herr Kollege Wieland, es ist eben kein tatsächliches
ngebot; es ist ein Feigenblatt. Wenn ich mir die Ent-
ürfe der drei Oppositionsfraktionen ansehe, komme ich

u dem Ergebnis, dass dies Etikettenschwindel ist, weil
amit nicht mehr Volksdemokratie ausgelöst wird. Das
inzige, was Sie erreichen würden, meine sehr verehrten
amen und Herren, wäre letztlich eine Minderheitende-
okratie in Deutschland.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


s würden sich aktive, engagierte Interessenverbände zu
ort melden. Glauben Sie denn ernsthaft, dass sich in
eutschland plötzlich Freundeskreise zusammenfinden
ürden, um Gesetzesinitiativen zu starten?


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt doch viele davon!)


ein, die Situation wäre doch die: Verbände, Lobbyis-
en, Interessenverbände würden versuchen, Partikular-
nteressen mit einer Volksinitiative zu erreichen.


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Die sind im Moment alle machtlos!)


Der Antrag der Linken hat, wie ich finde, mit demo-
ratischen Strukturen überhaupt nichts mehr zu tun. Er
einhaltet, dass schon 100 000 Unterschriften von Wahl-
erechtigten ausreichen, um eine Volksinitiative zu star-
en, um einen Gesetzesantrag an den Bundestag zu rich-
en. 100 000 Wahlberechtigte entsprechen gerade einmal
Promille der deutschen Wahlberechtigten insgesamt.


(Sevim Dagdelen [DIE LINKE]: Schon mal was von Minderheitenrechten gehört?)


a kann man wirklich mit Fug und Recht von einem
eigenblatt sprechen.

Nein, wir als Politiker sind gefordert, unserem Auf-
rag wieder gerecht zu werden. Sehen Sie ins Grundge-
etz. Art. 21 des Grundgesetzes fordert uns als Parteien
uf, an der politischen Willensbildung des Volkes teilzu-
ehmen.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber doch nicht mit Alleinvertretungsanspruch!)


ir müssen wieder stärker Bodenhaftung bekommen.
ir müssen auf die Bevölkerung zugehen und das auf-

ehmen, was sie uns an die Hand gibt.

Eine Erweiterung von plebiszitären Elementen im
eutschen Grundgesetz wäre mit Sicherheit eine Steil-
orlage für eine zusätzliche Stimmungs- und Mei-
ungsmache. Populisten und Demagogen würden sich
uf den Plan gerufen fühlen. Herr Kollege Wieland, ich
rage Sie: Wenn es so ist, dass man durch eine verstärkte
ufnahme plebiszitärer Elemente in Landesverfassun-
en oder kommunalen Satzungen das Interesse der






(A) )



(B) )


Stephan Mayer (Altötting)

Bevölkerung an der Politik erhöht, warum ist dann die
Wahlbeteiligung bei vielen Landtagswahlen und Kom-
munalwahlen – bei den Bundestagswahlen nicht so sehr –
in den letzten Jahren desaströs eingebrochen? Es ist also
nicht so, dass man durch die Aufnahme plebiszitärer
Elemente in Verfassungen automatisch eine Steigerung
des Interesses der Bevölkerung an der Politik erreicht.
Meines Erachtens ist sogar das Gegenteil der Fall.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Was Sie vorschlagen, ist ein Feigenblatt. Es besteht
die eklatante Gefahr der Manipulation. Ich bin sehr wohl
der Meinung, dass wir eine aktive Bürgergesellschaft
brauchen, dass wir eine moderne Zivilgesellschaft in
Deutschland erreichen müssen, dass wir die Bevölke-
rung wieder stärker dazu aufrufen müssen, sich in die
Verantwortung zu begeben.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603511300

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Winkler?


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1603511400

Gern.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Mayer, ich habe eine Frage, da ich weiß,
dass Sie aus Bayern stammen. Was Sie eben alles aufge-
zählt haben – Bühne für Demagogen, Populisten usw. –,
würde ja eine Gefahr auch auf Landesebene bedeuten.
Aber Sie haben in Bayern doch selber die Erfahrung ge-
macht, dass die Möglichkeiten überhaupt nicht in dieser
Art und Weise missbraucht werden, sondern im Gegen-
teil die Bevölkerung sehr verantwortlich mit diesem In-
strument umgegangen ist. Wie stehen Sie denn dazu?
Das ist ja nicht in einen Sachzusammenhang mit dem zu
bringen, was Sie gerade gesagt haben. Oder wollen Sie
vielleicht in Bayern jetzt die Verfassung ändern, damit
dieses Instrument dort herausgenommen wird?


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1603511500

Herr Kollege Winkler, ich habe es ja schon ausge-

führt: Die Bürgerinnen und Bürger interessieren sich an
sich nicht für die Möglichkeit, Bürgerbegehren, Volks-
begehren zu starten. Wer sich tatsächlich aus reinen Par-
tikularinteressen dafür interessiert, sind nun einmal spe-
zielle Interessenverbände, Aktivistengruppen,


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU Friedrichshain-Kreuzberg!)


die dieses Instrumentarium ganz bewusst ausnutzen. Ich
sehe die große Gefahr, dass wir als politische Parteien
und als Parlamentarier insgesamt den Anschein erwe-
cken, dass wir uns aufgrund der Möglichkeit der Volks-
initiative, die wir geschaffen haben, nicht mehr selbst
um Gesetzesinitiativen oder das, was das Volk wirklich
bewegt und wirklich interessiert, so stark kümmern;
denn rein formal hätte die Bevölkerung dann von sich

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(C (D us die Möglichkeit, Gesetzesinitiativen in den Deutchen Bundestag einzubringen. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir ls Parteien sind in der Verantwortung, zu absorbieren, as die Bevölkerung, was die Bürgerinnen und Bürger n Deutschland denken und wollen, und das entsprehend in den Deutschen Bundestag einzubringen. Desegen halte ich, gelinde gesagt, nichts von solchen esetzesinitiativen, wie sie von den drei Oppositions raktionen hier eingebracht werden. Wir werden sie rotzdem in aller Sachlichkeit und Nüchternheit behaneln. Wir alle – das möchte ich abschließend noch einmal esthalten – sind gefordert, uns damit auseinander zu seten, wie wir die Bevölkerung, die Bürger wieder stärker n die Politik heranführen können, wie wir sie wieder tärker zu nachhaltiger und stetiger Verantwortung in eutschland bewegen können. Ich schließe die Aussprache zu diesem Punkt. Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzentürfe auf den Drucksachen 16/474, 16/680 und 16/1411 n die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse orgeschlagen. Gibt es dazu andere Vorschläge? – Ich ehe, das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisunen so beschlossen. Ich rufe den Zusatzpunkt 5 auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Investitionszulagengesetzes 2007 (InvZulG 2007)


(Ernst Burgbacher [FDP]: Offenheit!)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603511600

– Drucksache 16/1409 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
öre dazu keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlos-
en.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
ollegin Simone Violka, SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Simone Violka (SPD):
Rede ID: ID1603511700

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
ie Sie alle wissen, läuft das Investitionszulagengesetz

005 zum Ende des Jahres 2006 aus. Trotz der nach wie
or nicht zufrieden stellenden Lage in den neuen Län-
ern im Hinblick auf Arbeitsplätze und Produktivität






(A) )



(B) )


Simone Violka
sollten wir den Blick auf die sichtbaren Erfolge aber
nicht verlieren. Nicht zuletzt durch die so genannte I-Zu-
lage konnten sich in den vergangenen Jahren konkur-
renzfähige und innovative Unternehmen ansiedeln und
entwickeln.

Mein Dank gilt den vielen, die bereit waren und auch
weiterhin bereit sind, sich in diesen Regionen so stark zu
engagieren. Dabei wurden viele Arbeitsplätze geschaf-
fen, die auch zukünftig den Menschen dort eine Perspek-
tive bieten. Doch der unglaubliche wirtschaftliche Um-
wälzungsprozess seit 1989 hat mehr Arbeitsplätze
gekostet, als bisher aufgefangen werden konnten. Des-
halb ist eine Fortführung dieses so erfolgreichen Instru-
mentes unabdingbar und wurde im Koalitionsvertrag be-
reits festgeschrieben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Der heute einzubringende Gesetzentwurf dient der
Schaffung einer Nachfolgeregelung für das auslaufende
Gesetz. Er soll die Investitionszulage auf hohem Niveau
über 2006 hinaus bis Ende 2009 festschreiben. Dabei
können wir nicht unbeachtet lassen, dass die Anforde-
rungen der Europäischen Kommission an die Beihil-
feregelungen gestiegen sind. Das ist auch gut so; denn es
ist wichtig, die Rentabilität verschiedener Instrumente
von Zeit zu Zeit zu überprüfen. Nur so kann verhindert
werden, dass ein einst durchaus notwendiger Einsatz
verschiedener Mittel und Wege im Laufe der Zeit nicht
nur nutzlos, sondern im Extremfall sogar kontraproduk-
tiv wird. Im Fall der Investitionszulage ist das derzeit
aber nicht der Fall.

Unsere reale wirtschaftliche Situation vor Ort hat sich
doch nicht verbessert, nur weil Regionen, denen es noch
schlechter geht, neu in die Europäische Union dazuge-
kommen sind. Das mag ja in Statistiken abstrakt so dar-
stellbar sein; in der Realität haben die Menschen aber
nichts davon. Daher bin ich sehr froh, dass in diesem
Punkt ein Kompromiss mit der Europäischen Kommis-
sion gefunden werden konnte. Mein Dank gilt an dieser
Stelle auch unserem deutschen EU-Kommissar, Günter
Verheugen, der in Brüssel ein verlässlicher Partner ist,
wenn es um die Wahrung deutscher Interessen geht.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dennoch: Beihilfen werden von Brüssel generell
misstrauisch beäugt, egal in welchem Land sie gewährt
werden. Deshalb ist es wichtig, vor Ort sehr verantwor-
tungsbewusst mit diesem Instrument umzugehen. Denn
negative Fälle, die auch zu Rückzahlungen führen, wer-
den nur zu gern als Beispiel für die Nichtzweckmäßig-
keit dieser Regelungen angeführt. Die Begehrlichkeiten
auf das Geld aus Brüssel sind überall groß. Den Unter-
nehmen bringt es nichts, wenn sie Gelder für Investitio-
nen, die von vornherein als nicht förderfähig gelten, für
sich dennoch in Anspruch nehmen und diese dann wie-
der zurückzahlen müssen. Dies ist oftmals mit einem
langen Rechtsstreit verbunden, der zusätzliche Kosten
für die betroffenen Unternehmen verursacht. Doch das
sind nur sehr wenige Ausnahmen, die in keinem realen
Verhältnis zu den vielen positiven Beispielen stehen.

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(C (D Wir brauchen in den neuen Ländern weiterhin die nvestitionsförderung zum Aufbau einer stabilen Wirtchaft. Dieses Anliegen wird auch von vielen gesellchaftlichen Gruppen wie Wirtschaftverbänden und Geerkschaften massiv unterstützt. Das ist auch gut so; enn eine verlässliche Wirtschaftsförderung schafft Verrauen in Deutschland und in die EU. Deshalb soll die örderung betrieblicher Investitionen in Betrieben des erarbeitenden Gewerbes und bestimmter produktionsaher Dienstleistungen in den Jahren 2007 bis 2009 im ahmen dieser Gesetzesinitiative fortgesetzt werden. abei stehen natürlich die eben genannten Bereiche im ordergrund. Ein großer Erfolg ist es aber, dass erstmalig auch das eherbergungsgewerbe in den Genuss dieses Förderin trumentes kommen kann. Für viele Regionen in den euen Ländern ist das besonders wichtig, weil sich urchaus tragfähige Konzepte im Bereich des Tourismus ls Wirtschaftskraft entwickeln lassen. Das gilt meist für egenden, wo es in absehbarer Zeit nicht zu einem Aufau anderer Wirtschaftsbereiche kommen wird. Damit ollen die Chancen der geförderten Regionen im Wettbeerb um Ansiedlungen weiter gestärkt und bestehende tandortnachteile vermindert werden. Gerade auch in Grenzgebieten ist das nach wie vor in wichtiger Punkt. Ich komme aus Sachsen – zwei Auengrenzen zu neuen Mitgliedern in der EU! – und weiß, ie schwer es in diesen grenznahen Räumen schon jetzt st, den Menschen eine wirtschaftliche Perspektive zu ewähren. Wir brauchen aber positive wirtschaftliche ntwicklungen, damit Menschen auf der Suche nach Areit und einer lebenswerten Infrastruktur nicht ihre Heiat verlassen müssen. Eines bedingt dabei das andere: Eine Ausdünnung der evölkerung hat zur Folge, dass auch das gesellschaftlihe Umfeld abgebaut wird. Schulschließungen, weniger ulturangebote, weitere Wege usw. sind dabei häufig die olge und machen Regionen unattraktiv. Das hat wieerum zur Folge, dass sich Menschen dort nicht ansieeln oder weiter weggehen. Daraus folgt, dass dort keine nternehmen angesiedelt werden, weil ein Fachkräfteangel herrscht. Diese Spirale muss aufgehalten wer en. Ein Mosaiksteinchen dabei ist das Förderinstrument er Investitionszulage. Ich weiß, dass durch das Auslauen des alten Gesetzes bis zum In-Kraft-Treten des jetzt orgelegten Entwurfes eine Förderlücke entstanden ist. nser Ziel war es daher, eine einvernehmliche Lösung it Brüssel zu erreichen, mit der diese Lücke möglichst eschlossen werden kann. Leider konnte diesbezüglich ur ein Kompromiss erreicht werden. Immerhin bestand an nach intensiven Verhandlungen nicht auf der einge retenen Lücke von zwölf Monaten. Die weitere Fördeung ist jetzt bereits vom Tag der Verkündigung des Geetzes an möglich. Das heißt, je eher dieses Gesetz erabschiedet wird, umso eher – bereits im Jahr 2006 – önnen wieder Förderungen nach dem Investitionszulaengesetz gewährt werden. Daher sollten wir diesen Gesetzentwurf so schnell ie parlamentarisch möglich beraten und gemeinsam Simone Violka verabschieden. Denn die Investoren stehen weiterhin in den Startlöchern. Es liegt nun an uns, den Startschuss so schnell wie möglich abzufeuern. Vielen Dank. Für die FDP-Fraktion hat nun das Wort der Kollege Christian Ahrendt. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die FDP-Fraktion wird der Verlängerung der Investitionsförderung im Rahmen des Investitionszulagengesetzes zustimmen. Ich darf daran erinnern, dass wir dieses Gesetz 1997 zusammen mit der CDU/CSUFraktion, damals noch in Regierungsverantwortung, auf den Weg gebracht haben. Dieses Gesetz ist auch heute noch ein zentraler und vor allem verlässlicher Bestandteil der Förderung vor allen Dingen kleiner und mittelständischer Unternehmen in den neuen Bundesländern. Besonders freut mich natürlich, dass die Förderung des Beherbergungsgewerbes Eingang in das Investitionszulagengesetz gefunden hat. Der Tourismus in den neuen Bundesländern, besonders aber der Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern ist ein bedeutender Wirtschaftszweig, den es auch in Zukunft nachhaltig zu fördern gilt. Wir müssen aber an dieser Stelle die Frage stellen, warum es nach 16 Jahren deutscher Einheit noch erforderlich ist, über ein Investitionszulagengesetz zu sprechen. Wir können zunächst feststellen, dass sich die Situation der mittelständischen Unternehmen in den fünf neuen Bundesländern trotz aller Widrigkeiten deutlich verbessert hat. Die Unternehmen sind heute breiter und wirtschaftlich robuster aufgestellt. Sie sind innovativ und für die Zukunft gut gewappnet. Es gibt aber ein altes Problem – und ein neues Problem ist hinzugekommen –: Nach wie vor ist die mittelständische Landschaft in den neuen Bundesländern von Kleinund Kleinstunternehmen geprägt. Die Unternehmen sind kurz nach der Wende gegründet worden. Die Zeit des Aufschwunges haben sie genutzt, um ihre Existenzgründungsdarlehen zurückzuführen. Rücklagen konnten meist nicht gebildet werden. Dann kam ein langer wirtschaftlicher Abschwung. In dieser Zeit mussten Rücklagen, die dennoch gebildet werden konnten, für das wirtschaftliche Überleben eingesetzt werden. Ergibt sich nach dieser Situation eine neue wirtschaftliche Entwicklung, so fehlt gerade für Ersatzund Erweiterungsinvestitionen das entsprechende Kapital, weil die Unternehmen aufgrund der kurzen Tradition, die sie haben, mit einer zu geringen Eigenkapitaldecke ausgestattet sind. Genau dort setzt die Investitionsförderung an, die zumindest die Rentabilität dieser Unternehmen über eine direkte Förderung verbessern kann. s g e d k J d D d z d b I – – n D f d n f w t r d e w g b i d k t k A z M I v (C (D Hinzugekommen ist ein Problem, über das man sich ehr ernsthaft Gedanken machen muss: Wir haben eientlich in ganz Deutschland festzustellen – auch wenn s die Unternehmen in den neuen Bundesländern besoners stark trifft –, dass sich die deutschen Geschäftsbanen nach der wirtschaftlichen Stagnation der letzten ahre aus der Finanzierung des Mittelstandes vollstänig zurückgezogen haben. (Peter Hettlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist genau das Problem!)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603511800
Christian Ahrendt (FDP):
Rede ID: ID1603511900

(Beifall bei der FDP)


(Beifall des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])


ie Investitionsförderung ist natürlich kein Ersatz für
ie fehlende Finanzierung des Mittelstandes. Sie ist aber
umindest ein Instrument, um die Kapitaldienstfähigkeit
er kleinen und mittelständischen Unternehmen zu ver-
essern. Auch deshalb ist es sinnvoll, dem Entwurf des
nvestitionszulagengesetzes 2007 zuzustimmen.

Drittens. An dieser Stelle – das muss man leider sagen
kann man die Regierung nicht besonders loben.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Loben reicht schon, Herr Kollege!)


Loben reicht schon? Es reicht aber nicht einmal zum
ormalen Loben.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das ist etwas anderes!)


Sie kennen den EU-Haushaltskompromiss, der im
ezember geschlossen wurde. Die Bundeskanzlerin ist

ür den EU-Haushaltskompromiss besonders gelobt wor-
en. Tatsache ist, dass im Zeitraum 2007 bis 2013 in den
euen Bundesländern 5 Milliarden Euro Fördermittel
ehlen, weil diese Mittel im EU-Fonds für regionale Ent-
icklung eingespart wurden. Der Bundesverkehrsminis-

er hat in seiner Rede anlässlich der Vorstellung des Jah-
esberichtes zum Stand der deutschen Einheit verkündet,
ass, wenn 1 Milliarde Euro in den Wirtschaftskreislauf
ingespeist wird, rund 25 000 Arbeitsplätze geschaffen
erden. In logischer Konsequenz heißt das im Grunde
enommen nichts anderes, als dass durch die ausblei-
ende Einspeisung von 5 Milliarden Euro Fördergeldern
m Zeitraum von 2007 bis 2013 in den neuen Bundeslän-
ern 125 000 Arbeitsplätze nicht geschaffen werden
önnen. Auch vor diesem Hintergrund ist die Investi-
ionszulage als wirtschaftliches Förderinstrument für die
leinen und mittelständischen Unternehmen wichtig.
us diesem Grunde stimmen wir diesem Gesetzentwurf

u.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603512000

Das Wort hat nun für die Unionsfraktion der Kollege
anfred Kolbe.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Manfred Kolbe (CDU):
Rede ID: ID1603512100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

m Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und SPD
erpflichtet, den Aufbau Ost fortzusetzen und alles zu






(A) )



(B) )


Manfred Kolbe
tun, damit wir auch im Osten Deutschlands einen sich
selbst tragenden Aufschwung erreichen. Die Reduzie-
rung der Arbeitslosigkeit ist das zentrale Ziel des Auf-
baus Ost. Deshalb wollen wir die Investitionsförderung
überall dort fortsetzen, wo es darum geht, bestehende
Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Diesem Ziel dient auch das heutige Gesetzesvorha-
ben. Das Investitionszulagengesetz 2005 läuft Ende die-
ses Jahres aus. Im Koalitionsvertrag haben wir uns des-
halb zur

Fortführung der Investitionszulage und ihrer Kon-
zentration auf wachstumsrelevante und arbeits-
platzschaffende Investitionen

bekannt. Deshalb bringen wir heute den Entwurf eines
Investitionszulagengesetzes 2007 ein.

Herr Kollege Hettlich, an dieser Stelle können auch
Sie klatschen; denn die Unternehmer in unserem Wahl-
kreis Torgau-Oschatz warten auf diese Investitionszu-
lage. Ich bitte um heftigen Applaus!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Peter Hettlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warten Sie einmal ab! Sie werden noch etwas von mir hören! Lassen Sie sich einmal überraschen!)


Die Investitionszulage ist ausdrücklich zu begrüßen.
Die wirtschaftliche Entwicklung in den östlichen
Ländern – das ist schon teilweise angeklungen – hat
viele Erfolge gezeitigt, verlief in den letzten Jahren aber
teilweise enttäuschend.

Die Wachstumsraten liegen seit 1998 unterhalb des
gesamtdeutschen Durchschnitts. Das wird, folgt man den
jetzigen Prognosen, 2006 bedauerlicherweise nicht an-
ders sein. Die Zahl der Erwerbstätigen ging seit 1998
von knapp 6 Millionen auf knapp 5,6 Millionen zurück.
Die Arbeitslosenquote ist im Schnitt im Osten Deutsch-
lands leider immer noch doppelt so hoch wie im Westen
Deutschlands. Die Abwanderung ist nach wie vor unser
größtes Sorgenkind. Jedes Jahr verlieren die östlichen
Bundesländer im Saldo rund 50 000, zumeist junge
Menschen. Handeln tut Not!

Deshalb bringen wir diesen Entwurf eines Investitions-
zulagengesetzes 2007 ein. Da nach Art. 87 des EG-Ver-
trages staatliche Beihilfen an Unternehmen mit dem Ge-
meinsamen Markt nur ausnahmsweise vereinbar sind,
muss sich das Investitionszulagengesetz 2007 strikt am
europarechtlichen Rahmen orientieren. Dieser Rah-
men steht seit dem 4. März dieses Jahres fest. Es sind die
„Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Ziel-
setzung 2007 bis 2013“. Das Bundesfinanzministerium
hat rasch gehandelt und eine Formulierungshilfe vorge-
legt. Wir bringen heute einen Gesetzentwurf ein. Lassen
Sie mich ihn kurz skizzieren.

Fördergebiet sind nach wie vor die Länder Branden-
burg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-An-
halt, Thüringen und mit Einschränkungen Berlin.

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(C (D Begünstigte Investitionen sind Erstinvestitionen, die indestens fünf Jahre zum Anlagevermögen eines Be riebes des verarbeitenden Gewerbes, der produktionsnaen Dienstleistungen oder des Beherbergungsgewerbes ehören. Erstinvestitionen oder Erstinvestitionsvorhaben das ist der neue zentrale Begriff der Leitlinien der EU 007 – 2013 – sind die Errichtung einer neuen Betriebstätte, die Erweiterung einer bestehenden Betriebsstätte, ie Diversifizierung der Produktion und die Vornahme iner grundlegenden Änderung des gesamten Produkionsverfahrens. Bei kleinen Betrieben – das sage ich ier ausdrücklich – kann ein Erstinvestitionsvorhaben uch die Herstellung oder Anschaffung lediglich eines inzigen Wirtschaftsgutes sein. Die Investition muss ann fünf Jahre im Betrieb verbleiben, womit dem achhaltigkeitsfaktor Rechnung getragen ist. Begünstigte Wirtschaftszweige sind wie bisher das erarbeitende Gewerbe, die produktionsnahen Diensteistungen und neu hinzugekommen das Beherbergungsewerbe. Nicht mehr begünstigt sind Leasingunternehmen. as Wirtschaftsgut muss jetzt im eigenen förderfähigen etrieb verwendet werden. Das ist sicherlich eine rich ige Einschränkung gegenüber dem alten Investitionszuagengesetz. Investitionszeitraum ist die Zeit nach dem Tage der erkündung des vorliegenden Gesetzes – voraussichtlich ird das, wenn wir uns alle beeilen, Mitte Juli dieses ahres sein – bis zum 31. Dezember 2009, also ungefähr reieinhalb Jahre. Allerdings sind Erstinvestitionen, mit enen vor dem Tag der Verkündung begonnen wurde, uch dann förderfähig, wenn hierfür eine Genehmiungsentscheidung der EU-Kommission vorliegt. Der Fördersatz beträgt nach wie vor grundsätzlich 2,5 Prozent der Bemessungsgrundlage, in Randgebieen 15 Prozent und bei kleinen und mittleren Unterneh en 25 bzw. 27,5 Prozent. Das Finanzvolumen ist beachtlich. Die gesamten Inestitionszulagen sollen im Jahr 2008 350 Millionen uro, 2009 580 Millionen Euro, 2010 ebenfalls 580 Mil ionen Euro und 2011 noch 230 Millionen Euro betraen. Da der durchschnittliche Fördersatz bei ungefähr 0 Prozent liegt, heißt das, dass wir damit Investitionen m Osten Deutschlands im Gesamtvolumen von insgeamt 10 Milliarden Euro anstoßen. Das ist keine Kleinigeit. Lassen Sie mich abschließend auf die Förderlücke ingehen, die auch von einer Vorrednerin angesprochen urde. Förderlücken liegen in der Natur unserer Inves itionszulagengesetze, da diese periodisch für einen betimmten Förderzeitraum gelten. Natürlich können dann n den Schnittstellen Förderlücken auftreten. Wir müsen aber, um die Unternehmen nicht zu verunsichern, anz genau hinschauen, wo eine Förderlücke besteht und o nicht. Drei Konstellationen sind zu unterscheiden: Erstens. Unternehmer, die ihr Investitionsvorhaben och in diesem Jahr beginnen, können alle bis zum Ende ieses Jahres beendeten Einzelinvestitionen noch nach em Investitionszulagengesetz 2005 geltend machen. Manfred Kolbe Für sie tritt also keine Förderlücke ein. Allerdings trifft das nicht für das Beherbergungsgewerbe zu, weil es nur im neuen Investitionszulagengesetz 2007 begünstigt ist. Zweitens. Unternehmer, die ihr Investitionsvorhaben nach dem Tag der Verkündung des neuen Investitionszulagengesetzes 2007 beginnen – ich sagte schon, dass das etwa Mitte 2006 sein wird –, können alle noch in 2006 beendeten Investitionen nach dem Investitionszulagengesetz 2005 und alle ab 2007 beendeten Investitionen nach dem Investitionszulagengesetz 2007 geltend machen. Also auch in diesem Fall besteht keine Förderlücke. Drittens. Eine Förderlücke besteht nur dann, wenn ein Unternehmer jetzt, noch vor dem Tag der Verkündung des Investitionszulagengesetzes 2007, mit dem Investitionsvorhaben und den ersten Einzelinvestitionen beginnt und weitere Einzelinvestitionen erst im Jahre 2007 beendet. Dann sind diese weiteren Einzelinvestitionen im Jahr 2007 nicht förderfähig, es sei denn, eine Genehmigungsentscheidung der EU liegt vor. Hier gilt der „umgekehrte Gorbatschow“: Wer zu früh investiert, den bestraft das Investitionszulagengesetz! Dies trifft allerdings nur auf diesen einen besonderen Fall zu. Darauf ist sorgfältig zu achten, um keine Verunsicherung zu schaffen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Konnte man das nicht besser machen?)





(A) )


(B) )


– Dazu sind wir als nationaler Gesetzgeber allein nicht in
der Lage, verehrter Herr Kollege.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Aber Sie können uns dabei behilflich sein, den Nachteil
einzugrenzen, indem Sie dazu beitragen, dass wir diesen
Gesetzentwurf möglichst schnell verabschieden können;


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


denn die Förderlücke wird umso geringer sein, je zügi-
ger wir diesen Gesetzentwurf verabschieden.

Unser Zeitplan sieht vor, dass die Behandlung im
Ausschuss noch im Mai dieses Jahres stattfindet. Die
zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfs könnte am
1. Juni durchgeführt werden. Der Bundesrat könnte dann
am 7. Juli entscheiden. Die Verkündung des Gesetzes
wäre Mitte Juli 2006 möglich. Wir alle sollten daran mit-
wirken, dass das gelingt. Wenn auch die Oppositions-
fraktionen ihren Beitrag dazu leisten, ist das umso bes-
ser.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603512200

Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Roland Claus

für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Ich will mich an einen Grundsatz der alten griehischen Rednerschulen halten, der da heißt: Lobend eginnen, kritisch ausführen, optimistisch enden. Es ist ereits darauf hingewiesen worden, dass das Investiionszulagengesetz die Fortsetzung der Investitionsförerungen ab dem Jahre 2007 regelt. Das nützt vorrangig en neuen Bundesländern. An meinen Vorredner geandt, kann ich für meine Fraktion ganz ausdrücklich ine zügige Behandlung dieses Gesetzentwurfes zusaen. In ihm werden neue EU-Vorgaben berücksichtigt. as geschieht vor dem Hintergrund – auch das dürfen ir, wie ich finde, nicht ausblenden –, dass die wichtigs en wirtschaftspolitischen Indikatoren verdeutlichen, ass die Schere zwischen Ost und West seit dem ahre 1997 leider wieder auseinander geht. Anerkennenswert, lobenswert und gut finden wir Folendes: Zunächst einmal wird in diesem Gesetz der Förerbedarf im Osten anerkannt. Das ist nicht unwichtig. ch habe schon ein bisschen über den Kollegen von der DP gestaunt, der das Vorhaben unterstützt hat. Ich omme nämlich gerade aus den Beratungen des Hausaltsausschusses. Dort stellt Ihre Fraktion, verehrter ollege, pausenlos Anträge auf Kürzung der Wirt chaftsförderung Ost. Das können wir Ihnen nicht durchehen lassen. Das Gesetz zielt – auch das ist unterstützenswert – auf ie Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Erhaltung orhandener Arbeitsplätze. Dabei geht es insbesonere um die Förderung kleiner und mittlerer Unternehen. Dabei handelt es sich um einen Rechtsanspruch nd nicht um einen Bewilligungstatbestand. Das ist geade für kleine Unternehmen, die sich im Förderdschunel oft nicht zurechtfinden, ein wichtiger Schritt. Zudem st der Verwaltungsaufwand als relativ gering eingechätzt worden. Bemerkenswert finden wir die Aufnahme der – ich age das verkürzt – Tourismusförderung. Die rot-rote andesregierung in Mecklenburg-Vorpommern hat das usdrücklich begrüßt und zum Teil als Erfolg ihres Beühens um die Förderung dieses Bereichs verstanden. arüber hinaus sind wir der Auffassung, dass Sie den U-Rechtsrahmen ziemlich weit ausgeschöpft haben. as ist, wenn man das optimal machen will, ziemlich chwierig, wie wir alle wissen. Hier endet das Lob der pposition. Nun zu unserer Kritik: Sie bleiben bei der Pflicht steen und wagen sich nicht an die Kür. Ihre Pflicht ist es eshalb, weil Sie sich im Koalitionsvertrag dazu verflichtet haben. Sie kamen also nicht darum herum, hier ktiv zu werden, zumal Sie das den Ost-Ministerpräsienten auf der letzten Ost-Ministerpräsidentenkonferenz n Halle an der Saale auch versprochen haben. Gelegentlich ist es nötig, daran zu erinnern, dass Förermittel nicht von den Bezügen der Minister abgespart, ondern nach wie vor aus Steuergeldern gezahlt werden. Roland Claus Von denjenigen, die Fördersätze von 12 oder 15 Prozent – zum Teil sind sie noch höher – in Anspruch nehmen wollen, wird noch immer ein recht hohes Maß an Eigenkapital vorausgesetzt, das, wie wir wissen, gerade in den neuen Bundesländern nur selten vorhanden ist. Mit diesem Gesetz führen Sie einen Passus neu ein, der da heißt, dass auch solche Unternehmen gefördert werden, die mit Unternehmen verbunden sind, die im Fördergebiet ansässig sind. Da wird mir um meinen Wahlkreis Naumburg/Weißenfels nicht bange, weil jeder die Story von Rotkäppchen und Mumm kennt. Aber wenn man sich den Regelfall vor Augen führt, muss man an dieser Stelle einige Bedenken anmelden. Ich will ausdrücklich sagen: Auch wenn wir uns vehement für die weitere Förderung der Interessen der neuen Bundesländer einsetzen – Mitnahmeeffekte bei der Verlagerung von Betrieben aus den westlichen in die östlichen Bundesländer unter Vernichtung von Arbeitsplätzen in westlichen Bundesländern stehen nicht auf unserer politischen Agenda und werden von uns kritisiert. Wir finden, dass die Industrieforschung fehlt. Wir werden Sie, wie Sie in den Haushaltsberatungen sehen werden, weiter mit unserem Vorschlag behelligen, eine kommunale Investitionspauschale in Höhe von 1,5 Milliarden Euro einzuführen; das ist nicht mit diesem Gesetz zu lösen. Wir finden es bedauerlich, dass unlängst im Ältestenrat unserem Antrag nicht gefolgt wurde, einen Bundestagsausschuss für die Angelegenheiten der neuen Länder und für strukturschwache Gebiete in westlichen Bundesländern einzusetzen. Wir möchten Sie daran erinnern, dass Sie sich in Ihrem Koalitionsvertrag unter dem Stichpunkt „Aufbau Ost“ verpflichtet haben, Mitte des Jahres 2006 neue Kreditbedingungen für Risikobzw. Wagniskapital zu schaffen, die den Unternehmen zugute kommen sollen. Bei aller Anerkennung dieses Gesetzentwurfes muss ich sagen: Was die Koalition gut und richtig macht, das macht sie notgedrungen und halbherzig – was Koalition und Regierung schlecht machen, wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Privatisierung der Bahn, das macht sie mit sehr viel mehr Power. Wir würden nicht in Ehrfurcht erstarren, wenn das umgekehrt wäre; aber schon ein Schritt in die richtige Richtung wäre gut. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN – Norbert Schindler [CDU/CSU]: Das war der Optimismus der griechischen Rhetorik!)

Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603512300

(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603512400

Das Wort hat nun der Kollege Peter Hettlich für die

Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.


Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603512500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich habe schon vor
einigen Wochen in der Debatte zum Stand der deutschen
Einheit gesagt: Wir halten die Verlängerung der Gel-
tungsdauer des Investitionszulagengesetzes für einen

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(C (D ehler und werden den Gesetzentwurf in dieser Form abehnen. Um der Legendenbildung vorzubeugen – der ollege Kolbe hat ja schon angedroht, mich in meinem andkreis Torgau-Oschatz anzuschwärzen –: Wir sind icht gegen die Förderung von Investitionen in Osteutschland; aber wir sind für eine effiziente und vor alem Fehlallokationen vermeidende Investitionsfördeung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Manfred Kolbe [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Manfred, machen wir es später; lass mich erst einmal
nfangen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603512600

Heißt das, dass Sie die Zwischenfrage jetzt nicht ge-

ehmigen?


Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603512700

Ich habe fünf Minuten Redezeit; das ist wirklich sehr

napp.
Das Ziel, das ich eben definiert habe,


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Wie wollen Sie das denn erreichen, Herr Kollege?)


ird mit der Investitionszulage nach dem Investitionszu-
agengesetz verfehlt; das ist ganz klar. Deshalb können
ir dem Gesetzentwurf in dieser Form nicht zustimmen.

ch weiß mich damit auf der sicheren Seite, was die
achleute angeht. Schauen Sie sich an, was die wirt-
chaftswissenschaftlichen Institute erklären, schauen Sie
ich die Fortschrittsberichte an, zum Beispiel das Jahres-
utachten 2004/05 des Sachverständigenrates – ich zi-
iere –:

Der Sachverständigenrat hat sich wiederholt für ein
Auslaufen des Investitionszulagengesetzes ausge-
sprochen … Problematisch ist insbesondere, dass
auf diese Zulage ein Rechtsanspruch besteht und
vergleichsweise hohe Mitnahmeeffekte ausgelöst
werden. Sinnvoll wäre demgegenüber eine einzel-
fallbezogene und regionalpolitischen Zielen ent-
sprechende Investitionsförderung.

em muss ich nichts hinzufügen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dennoch heißt es in der Begründung des Gesetzent-
urfs – ich zitiere –:

Mit der Investitionszulage sollen die Unternehmen
gezielt unterstützt werden, um in Ostdeutschland
neue Investitionen zu tätigen, die dazu beitragen,
die Wirtschaftskraft zu stärken und Arbeitsplätze zu
schaffen, um der Abwanderung und der hohen Ar-
beitslosigkeit entgegenzuwirken.

Jetzt frage ich mich: Haben Sie die Gutachten nicht
elesen? Haben Sie sie nicht zur Kenntnis genommen?
der sagen Sie wider besseres Wissen etwas anderes?
arum soll man über die I-Zulage Unternehmen geziel-

er fördern können? Das lässt sich für mich nicht nach-
ollziehen, auch nicht anhand der Begründung in Ihrem
esetzentwurf.






(A) )



(B) )


Peter Hettlich
Wir sagen ganz deutlich – ich habe es immer wieder
gesagt –: Die Gemeinschaftsaufgabe Ost, „Verbesserung
der regionalen Wirtschaftsstruktur“, ist das bessere In-
strument; das bestätigen uns alle wissenschaftlichen In-
stitute. Es ist gezielter, es ist eine regional abgestimmte
Wirtschaftsförderung, es schafft nachweislich mehr Ar-
beitsplätze – schauen Sie sich die Berichte an – und es
ist vor allen Dingen unproblematisch, was das Beihilfe-
recht der EU angeht, weil es in diesem Korsett bereits
abgesegnet ist. Die Gemeinschaftsaufgabe Ost – das hat
der Kollege Claus eben wieder gesagt – ist jedoch lau-
fend bedroht: Jedes Jahr, in schöner Regelmäßigkeit,
wird darüber diskutiert, wie wir diese Mittel weiter kür-
zen können; auch dieses Jahr drohte dies wieder am Ho-
rizont. In letzter Minute hat man noch einmal die Kurve
gekriegt. Ich kenne jetzt nicht den letzten Stand des
Haushaltsausschusses; aber ich hoffe, dass es zumindest
bei den zugesagten Mitteln bleibt. Die Gemeinschafts-
aufgabe Ost, dieses erfolgreiche Instrument, ist immer
wieder bedroht. Wir sollten uns an unsere eigene Nase
fassen und sollten uns an dieser Stelle zu diesem erfolg-
reichen Instrument bekennen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich weiß auch, warum das so ist; das wurde eben
schon von einem Vorredner gesagt. Hierbei spielt die
Kofinanzierung durch die Länder eine entscheidende
Rolle. Über die Kofinanzierung müssten wir eigentlich
einmal eine gesonderte Debatte führen. Ich habe Minis-
terpräsident Böhmer vor sechs oder sieben Wochen ge-
sagt: Bei der Frage, woher die Mittel kommen, bin ich
zu vielen Schandtaten bereit. Aber nur mit der Begrün-
dung, man müsse kofinanzieren, ein Gesetz voranzubrin-
gen, das aus meiner Sicht wirklich schlechtere Effekte
hat, halte ich nicht für vertretbar und halte ich für unver-
antwortlich, gerade auch, weil wir Steuergelder effizient
verwenden müssen.

Zum Thema EU-Vorbehalte – dieser Punkt wurde
schon vorhin angesprochen –: Ein Teil des Gesetzes tritt
erst dann in Kraft, wenn die EU die entsprechenden bei-
hilferechtlichen Aspekte überprüft hat. Ich als Verkehrs-
politiker, der ich ja auch bin, kann mich sehr gut daran
erinnern, dass wir uns im Zusammenhang mit der LKW-
Maut mit der Frage der Kompensation für die Logistik-
unternehmen beschäftigt haben. Bis heute haben wir
hierzu im Prinzip keine Entscheidung getroffen. Das
heißt, dass es, wenn wir dieses Gesetz jetzt mit den be-
stehenden Vorbehalten verabschieden, durchaus sein
kann, dass wir in den nächsten drei Jahren keine Ent-
scheidung der EU-Kommission bekommen. Was ma-
chen Sie dann mit diesem Teil des Gesetzes? Ich finde
das unverantwortlich. Das ist nicht das, was ich unter In-
vestitionssicherheit und vor allem unter Vertrauens-
schutz für die Unternehmen verstehe, die möglicher-
weise in den nächsten Jahren Investitionen in
Ostdeutschland tätigen werden. Das Gesetz ist auch in
diesem Punkt nicht der Weisheit letzter Schluss.

Wir fordern daher, dass die Mittel für die Gemein-
schaftsaufgabe Ost um die Summe, die im Investitions-
zulagengesetz eingestellt ist, erhöht werden, also um
etwa 250 Millionen bis 300 Millionen Euro. Das müssen

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(C (D ir einmal überdenken. Das hat sehr viel Charme; denn ann müssten wir nur den Haushaltstitel entsprechend rhöhen, brauchten kein Gesetz zu verabschieden und ätten das Problem des EU-Beihilferechts bei der Geleenheit auch noch umgangen. Ich will noch auf einen weiteren Aspekt zu sprechen ommen – auch diesen hat der Kollege Claus schon geannt: Es gibt keine Initiativen zu der Frage der Unterehmensfinanzierung, zu der Frage, wie wir Start-ups in stdeutschland finanzieren, oder zu der Frage, wie es it dem Risikokapital weitergeht. Das Problem in Ost eutschland ist, dass viele Unternehmer gar keine Invesitionszulage in Anspruch nehmen können, weil sie es icht schaffen, die Gründungsphase zu überstehen. Ich kann abschließend nur sagen: Sie haben versprohen, gezielter zu fördern. Was haben Sie gemacht? Sie aben aus dem Keller die Gießkanne hervorgeholt. Ich ordere Sie auf: Räumen Sie diese schnell wieder weg. och ist es nicht zu spät. Wir haben bis zum Sommer eit. Vielleicht sehen Sie es ein und arbeiten gemeinsam it uns an der Initiative weiter, die Gemeinschaftsauf abe zu stärken. Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort hat nun der Kollege Garrelt Duin für die PD-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! eine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn olgende Bemerkung machen: Ich habe im „Kürschner“ achgesehen, woher die Rednerinnen und Redner, die zu iesem Tagesordnungspunkt sprechen, kommen. Mir ist ufgefallen, dass ich der einzige Redner bin, der nicht us einem der neuen Länder kommt. Lassen Sie uns die ufgabe Aufbau Ost bitte auch künftig als gesamtdeut che Aufgabe begreifen. Sorgen wir dafür, dass dieses hema nicht nur einem Teil Deutschlands überlassen ird und gesagt wird: Seht zu, wie ihr damit fertig weret. – Es ist und bleibt eine Aufgabe für das gesamte aus und für die Vertreter aus allen Regionen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603512800

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Garrelt Duin (SPD):
Rede ID: ID1603512900

In den vergangenen 16 Jahren hat in den neuen Län-
ern ein umfassender Modernisierungsprozess stattge-
unden. Das konnten wir miterleben. Aber wir müssen
eststellen, dass dort trotz aller Anstrengungen noch
icht eine solche Wirtschaftskraft erreicht wurde, die für
ine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung ausrei-
hen würde. Die industrielle Basis ist nach wie vor zu
chwach. Die Investitionsdynamik der ostdeutschen

irtschaft lässt nach; das ist von meinen Vorrednern
chon angesprochen worden. Der zentrale Punkt ist:
och immer finden zu wenige Menschen Arbeit und zu
iele Menschen haben keine Arbeit.






(A) )



(B) )


Garrelt Duin
Nur durch weitere neue Investitionen kann dazu bei-
getragen werden, neue und sichere Arbeitsplätze zu
schaffen und die Wirtschaft zu stärken. Investitionen
sind deswegen enorm wichtig. Um es anders zu sagen:
Geld in die Hand zu nehmen, ist enorm wichtig. Das
wollen wir als große Koalition machen. Die Ansiedlung
neuer Unternehmen, der Bau von Technologiezentren
und vieles andere mehr – der wirtschaftliche Auf-
schwung der neuen Bundesländer wäre ohne öffentliche
Gelder so nicht möglich.

Insbesondere die Gewährung von Investitionszu-
schüssen durch Bund und Länder hat zahlreiche Unter-
nehmensgründungen und damit die Schaffung neuer Ar-
beitsplätze erst möglich gemacht. Es geht darum, die
ostdeutschen Regionen entsprechend ihrem eigenen Pro-
fil wirtschaftlich zu entwickeln. Regionalentwicklung ist
nicht das Resultat, sondern Teil der wirtschaftlichen Ent-
wicklung. Im Mittelpunkt der Politik müssen deshalb die
regionalen Potenziale und Fähigkeiten stehen. Diese gilt
es auszubauen und die regionalen Stärken zu verbessern.
Gerade im Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten kann
sich regionales Selbstbewusstsein entwickeln. Hier muss
die Politik ansetzen. Jede Region hat Stärken, sei es in
der Erzeugung und Verarbeitung landwirtschaftlicher
Produkte, sei es im Maschinenbau, sei es in der umwelt-
freundlichen Energieerzeugung, sei es im Tourismus, sei
es im Logistikbereich, sei es im traditionellen Hand-
werk.

Das geltende Investitionszulagengesetz läuft aus. Uns
war aber bewusst: Die Förderung von betrieblichen In-
vestitionen in den ostdeutschen Ländern durch eine
Investitionszulage ist weiterhin dringend nötig. Sie ist
eines der zentralen Instrumente zur Förderung des Auf-
baus der ostdeutschen Wirtschaft. Die Fortsetzung der
Geltungsdauer der Investitionszulage haben wir im Ko-
alitionsvertrag vereinbart; darauf ist schon hingewiesen
worden. In Genshagen haben wir das konkretisiert.

Ganz im Sinne der Europäischen Kommission wird in
diesem Gesetzentwurf die Förderung von kleinen und
mittleren Betrieben im Fördergebiet intensiviert. Erstin-
vestitionen werden in den Bereichen unterstützt, die die
Konjunktur- und Wachstumsmotoren in den neuen Län-
dern darstellen. Wir sind froh darüber, dass auch der Be-
reich des Tourismus hier Eingang gefunden hat. Der
Tourismus hat sich in vielen Regionen Ostdeutschlands
zu einem starken und erfolgreichen Wirtschaftsfaktor
entwickelt. Wir wollen mit der Aufnahme von Hotelle-
riebetrieben usw. dazu beitragen, das touristische Poten-
zial Ostdeutschlands weiter zu stärken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Hettlich, mit der Investitionszulage und den In-
vestitionszuschüssen im Rahmen der Gemeinschafts-
aufgabe steht ein insgesamt bewährtes Förderinstrumen-
tarium zur Verfügung. Es geht nicht um ein Entweder-
oder. Vielmehr brauchen wir einen Mix der verschiede-
nen Instrumente und nicht nur eines.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


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(C (D arüber hinaus gibt es eine Reihe von Fördermaßnahen, die nicht investive Zwecke verfolgen, zum Beispiel ie Innovationsförderung und die Förderung der Netzerkbildung. Auch diese helfen mit, die Wettbewerbsfäigkeit von Unternehmen und Regionen zu erhöhen. Es ist schon davon gesprochen worden, dass es von rößter Wichtigkeit ist, das Verfahren hier im Hause und m Bundesrat jetzt so rasch wie möglich durchzuführen, amit möglichst zügig Rechtssicherheit für die Investoen geschaffen wird und keine zusätzliche Lücke die nöigen Investitionen in die Wirtschaft der neuen Länder nterbricht. Nach dem Beitritt der relativ wirtschaftsschwachen ehn osteuropäischen Staaten zur EU sind die ostdeutchen Bundesländer zudem in eine schwierige Lage geaten. Es ist wichtig, dass Ostdeutschland in diesem Zuammenhang nicht ins Hintertreffen gerät. Dies hat rüssel mit der Gewährung von Beihilfen anerkannt, rotz großer Widerstände. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, sprehen Sie noch einmal mit Ihren Kolleginnen und Kolleen in Brüssel! Ich selber war dort fünf Jahre, bis zum erbst des vergangenen Jahres, Abgeordneter. Der Wierstand, der dort insbesondere von der liberalen Frakion gegen jede Form von Beihilfe gezeigt wird, ist geade in diesem Punkt wirklich nicht hilfreich. Beim nvestitionszulagengesetz wäre eine Solidarität, wie wir ie hier durchaus in Ansätzen erkennen können, in beonderem Maße notwendig. Ich will abschließend grundsätzlich sagen, dass staatiche Beihilfe ein Schlüsselinstrument ist, das uns zur örderung regionaler Entwicklung sowie echter Konverenz zwischen den Ländern zur Verfügung steht. Sie bieet wichtige Anreize, wenn es darum geht, öffentliche Inestitionen und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung zu ördern und im Übrigen auch dafür zu sorgen, dass in en am stärksten benachteiligten Regionen öffentliche ienstleistungen erbracht werden. Nur so kann sozialer nd wirtschaftlicher Zusammenhalt in unserem Land erwirklicht werden. Deswegen wollen wir diesen Vorchlag so einbringen. Eine letzte Bemerkung. Auch das ist gerade schon anesprochen worden: Wir haben es in Europa mit etriebsverlagerungen zu tun. Wir müssen einen Wett auf um die höchstmöglichen staatlichen Beihilfen verindern. Herr Staatssekretär Hintze, es ist weiteres Tun uf der europäischen Ebene notwendig, um den Wettlauf m möglichst hohe staatliche Beihilfen in Europa einzuämmen. Wir erleben, dass es bei vielen Unternehmenserlagerungen um genau diese Frage geht. Die Menchen in Deutschland haben die Erwartung, dass auf uropäischer Ebene eine entsprechende Antwort gefunen wird. Wenn das nicht gelingt, werden wir bei dieser rage unglaubwürdig. Die große Koalition macht mit diesem Gesetz deutich, dass die Wirtschaftsförderung in den neuen Bunesländern eine gesamtdeutsche Aufgabe ist. Wir lassen ie Menschen dort nicht alleine, sondern wollen mit Garrelt Duin einem handlungsfähigen Staat, der investiert und die Wirtschaft fördert, weiter zum Gelingen beitragen. Vielen Dank. Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat nun die Kol legin Antje Tillmann für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol legen! Heute beginnt die parlamentarische Debatte über die Verlängerung der Investitionszulage über den 31. Dezember 2006 hinaus. Gott sei Dank ist es in den Verhandlungen mit der Europäischen Union gelungen, neben den schon bisher geförderten Sektoren – verarbeitendes Gewerbe und produktionsnahe Dienstleistungen – die Tourismusbranche in den förderungsfähigen Bereich aufzunehmen. Das ist für die neuen Länder gut und wichtig. Wer die Wachstumsquoten im Bereich Tourismus in den letzten 15 Jahren betrachtet, der sieht hier Chancen, in den neuen Ländern neue Arbeitsplätze und weiteres Wachstum zu generieren. Die Gutachten bestätigen immer wieder einen hohen Investitionsstau und ein Fehlen qualitativer Voraussetzungen in den neuen Ländern. Wir hoffen, mit der Ausweitung der Investitionszulage in diesem Bereich eine Lücke zu schließen. Die Verlängerung der Investitionszulage ist schon vor dem heutigen Tag sehr lange diskutiert worden, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik und unter den Sachverständigen, und zwar bei weitem nicht so einvernehmlich, wie es heute hier geschieht. Während sich die Unternehmen in den neuen Ländern schnell einig waren, dass auch über den 31. Dezember hinaus eine Förderung mit diesem Instrument erforderlich ist, plädieren Wissenschaftler schon seit längerem für ein Auslaufen und gegen eine Verlängerung. Herr Kollege Hettlich, Sie haben völlig Recht: Wir müssen uns mit diesen Bedenken beschäftigen. Wir können nicht ignorieren, dass sich sowohl das Institut für Wirtschaftsforschung Halle als auch der Sachverständigenrat gegen eine Verlängerung ausgesprochen haben. Die Investitionszulage ist ein breit angelegtes Förderinstrument. Es besteht die Gefahr, dass wegen der gesetzlichen Absicherung starke Mitnahmeeffekte entstehen, dass in Unternehmen investiert wird, die sich sowieso nicht am Markt halten können, und dass hier viel Geld für Investitionen, die durchaus auch ohne Fördermittel möglich wären, ausgegeben wird. Auch der Sachverständigenrat hat in seinen Jahresgutachten 2004 und 2005 ausdrücklich für ein Auslaufen der Investitionszulage plädiert und sich für eine einzelfallbezogene und regionalpolitischen Zielen entsprechende Förderung ausgesprochen. e S s g G W G p g g d W g n D r v B H m u d H s d L b r a k T m s h d I r I A l d S L n w c k v i S d z T z (C (D Herr Kollege Hettlich, obwohl ich diese Argumente rnst nehme, komme ich zu einem anderen Ergebnis als ie. Beide Wirtschaftsfachgremien fordern nicht die eratzlose Abschaffung der Investitionszulage; beide saen, man solle dieses Instrument aufschlüsseln und der emeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen irtschaftsstruktur“ zuschlagen. Unabhängig von diesen utachten tun wir gut daran, die Effektivität erneut zu rüfen, bevor wir 1,74 Milliarden Euro Steuergelder auseben. Wegen des gesetzlichen Anspruchs fällt dies zuegebenermaßen bei der Investitionszulage nicht leicht. Warum plädiere ich heute trotzdem für den vorliegenen Antrag auf Verlängerung der Investitionszulage? arum halte ich die Auflösung der Gemeinschaftsauf abe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ icht für den richtigen Weg? Herr Kollege, Sie haben die iskussion über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse ung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ lange miterfolgt. Wer schon ein wenig länger im Deutschen undestag ist, der kennt die Diskussion darüber im aushaltsausschuss und weiß, dass die Mittel für die Geeinschaftsaufgabe immer wieder gekürzt worden sind, nd zwar um fast 30 Prozent in den letzten fünf Jahren. In jedem Haushaltsjahr haben wir Probleme, die Förerung auf dem bisherigen Niveau zu halten. Zu diesen aushaltsvorbehalten kommt hinzu, dass die Gemein chaftsaufgabe jeweils zur Hälfte vom Bund und von en Ländern zu tragen ist. Gerade wirtschaftsschwache änder können aber häufig den Eigenanteil gar nicht erringen, sodass auch die Bundesmittel wegfallen. Geade in diesen Ländern wäre eine Wirtschaftsförderung usgesprochen wichtig. Die Förderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe ann nur unter Haushaltsvorbehalt gewährt werden. rotz der Verpflichtungsermächtigungen kommt es imer wieder zu der Situation, dass den Unternehmen ge agt werden muss: Wenn die Gelder zur Verfügung steen, kann die Investition gefördert werden. So erhalten ie Unternehmen keine hinreichende Sicherheit für ihre nvestitionen. Deshalb sagt auch der Sachverständigenat: Aus Sicht der ostdeutschen Länder rechnet sich die nvestitionszulage besser als jede andere Förderung. Hier bin ich Thüringerin; das sage ich ganz offen. ls Thüringerin kann ich dem Stopp der Investitionszu age erst dann zustimmen, wenn ich gewiss sein kann, ass wir mit einer ähnlichen Sicherheit die gleiche umme Geldes für den investiven Zweck in den neuen ändern bekommen. Diese Sicherheit ist im Moment icht gegeben. Ich plädiere mit Ihnen dafür, dass wir eiterhin versuchen sollten, diese Sicherheit zu errei hen. Ich bin auch gleichzeitig Mitglied der Föderalismusommission und es ärgert mich natürlich schon, dass on 100 Euro Investitionszulage, die ein Unternehmen n meinem Bundesland erhält, genau 3 Euro thüringische teuergelder sind. Die übrigen 97 Euro kommen über en Länderfinanzausgleich und Bundessonderergänungszuweisungen. Das führt natürlich dazu, dass jeder hüringer auf gar keinen Fall dem Stopp der I-Zulage ustimmen kann, solange nicht die Zahlung der 97 Euro, Antje Tillmann die unter anderem über den Länderfinanzausgleich kommen, in ähnlicher Weise sichergestellt wird. Ich plädiere dafür, dass wir heute die Zahlungsdauer der Investitionszulage bis 2009 verlängern. Das gibt uns Zeit, in der zweiten Runde der Föderalismusreform, die wir alle miteinander beschlossen haben und bei der wir uns mit den Finanzbeziehungen beschäftigen werden, ein Förderinstrument zu finden, durch das die Effektivität und die Treffsicherheit erhöht und den Ländern trotzdem die Sicherheit gegeben wird, dass dieses Geld tatsächlich bei ihnen ankommt. Ich bin gerne dabei und freue mich. Herr Hettlich, vielleicht haben wir hier ja ein gemeinsames Ziel. Ich bin froh, dass wir den Unternehmen erst einmal bis 2009 eine Sicherheit geben können. Beim künftigen Gesetzgebungsverfahren werde ich für meine Fraktion für diese Verlängerung stimmen. Danke. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/1409 in die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vorlage soll abweichend von der Tagesordnung ausschließlich gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuss überwiesen werden. Gibt es dazu andere Vorschläge? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Nun rufe ich die Tagesordnungspunkte 7 a und 7 b auf: a)


(Beifall bei der SPD)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603513000

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Antje Tillmann (CDU):
Rede ID: ID1603513100

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603513200
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Strafbar-
keit beharrlicher Nachstellungen (… StrÄndG)

– Drucksache 16/575 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines Stalking-Bekämpfungsgesetzes
– Drucksache 16/1030 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort für
die Bundesregierung der Bundesministerin für Justiz,
Brigitte Zypries.


Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1603513300

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehr-

ten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

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(C (D en! Bei dem Thema Stalking gibt es inzwischen einen reiten Konsens in Deutschland. Das liegt nicht zuletzt aran, dass diese Problematik durch viele Veröffentlihungen bekannter geworden ist und dass viele Nachtellungen und Belästigungen, die es früher zwischen gerennten Paaren wahrscheinlich auch gab und die nicht ls solche definiert waren, nun auf einmal einen Namen aben, und das liegt auch daran, dass sich inzwischen orschungsgruppen dieses Themas angenommen haben. In Darmstadt, meinem Wahlkreis, wurde eine Unteruchung vorgelegt, die zeigt, dass überwiegend Männer talken, dass es also auch beim Stalking dasselbe Phänoen wie ansonsten bei Gewaltdelikten im Strafrecht ibt, und dass – das ist besonders bedrückend für die Oper – Stalkinghandlungen in der Regel circa zwei Jahre auern. Das heißt, es ist ein relativ langer Zeitraum, in em man beeinträchtigt und belästigt wird und in dem in iner Weise in das Leben eingegriffen wird, dass man ut verstehen kann, dass viele der Opfer sagen, sie müssen sich anschließend in psychiatrische Behandlung beeben. Die momentane Rechtslage ermöglicht es, etwas zu un. Sie ermöglicht es den Opfern, sich vom Zivilgericht ine speziell auf ihren Fall zugeschnittene Verfügung zu olen. Bei Verstoß gegen diese Verfügung begeht der äter eine Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe bis zu eiem Jahr bestraft wird. Das haben wir alle übereinstimend als zu wenig erachtet. Bei allen Schwierigkeiten m Hinblick auf die Ausgestaltung war deswegen immer lar: Der Strafrahmen muss angehoben werden, um dieen besonderen Unrechtsgehalt der Tat deutlich zu mahen. Wie man das ansonsten formuliert, ist beim Stalking inreichend schwierig; denn wir müssen genau bestimen, ob sich jemand rechtmäßig auf öffentlichem rund und Boden aufhält. Wenn beispielsweise jemand eden Morgen gegenüber der Wohnung des Opfers auf er Straße wartet, steht er auf öffentlichem Grund und oden und darf das zunächst einmal. Wann ist die renze zur Belästigung, zum Nachstellen, zum so geannten Stalking erreicht und wann wird dies strafrechtich relevant? Diese Abgrenzung war schwierig. Deswegen hat die ebatte lange gedauert. Bereits in der letzten Legislatureriode haben wir die rechtspolitische Diskussion über ie Veränderung des Stalkingparagrafens begonnen. Wir onnten sie nicht mehr förmlich abschließen, weil die egislaturperiode früher endete, als allgemein erwartet. ie Zeit, die wir dadurch gewonnen haben, haben wir ber genutzt. Gesetzentwürfe der Bundesregierung und es Bundesrates liegen vor. In den letzten Wochen haben ir gemeinsam mit den Rechtspolitikern dieses Hauses ine Formulierung gesucht, die sowohl vom Bundestag ls auch vom Bundesrat getragen werden kann. Ich möchte mich an dieser Stelle sowohl bei den Länern, insbesondere bei Ihnen, Frau Kollegin Merk, als uch bei den Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ie sehr engagiert mitdiskutiert haben, wie auch bei dem arlamentarischen Staatssekretär, der in diese Diskusionen involviert war, für diese sehr sachlichen, Bundesministerin Brigitte Zypries sachgerechten und konsensorientierten Gespräche herzlich bedanken. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)





(A) )


(B) )


Die Schwierigkeit war, das strafrechtlich Wünschbare
und die eigenen Vorstellungen mit dem verfassungs-
rechtlich Machbaren und Vertretbaren zu verbinden. Es
liegt in der Natur der Sache, dass kein Entwurf ohne aus-
legungsbedürftige Begriffe auskommt. Gleichwohl muss
eben den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes ge-
nügt werden.

Im Entwurf der Bundesregierung war vorgesehen:
Es gibt klar definierte Straftatbestände, die Handlungen
sind als Erfolgsdelikte konzipiert und eine Deeskala-
tionshaft ist nicht vorgesehen. Damit hätten wir unter
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten mit Sicherheit
jede Problematik ausgeschlossen. Aber im Zuge eines
Kompromisses mit den weiter gehenden Vorstellungen
aus dem Bundesrat haben wir Lösungen entwickelt, die
den Wünschen des Bundesrates ein Stück weit entgegen-
kommen.

Die vier sehr konkreten Handlungsalternativen, die
wir in unserem Gesetzentwurf benannt haben, nämlich
Verfolgung mittels Telekommunikation, Auflauern und
Ähnliches, werden wir – das wollen wir wenigstens vor-
schlagen – um „andere vergleichbare Handlungen“ er-
gänzen. Damit stellen wir sicher, dass keine Strafbar-
keitslücken entstehen. Insbesondere stellen wir in
Anbetracht der sich rasant entwickelnden Technik si-
cher, dass durch die Weiterentwicklung durch Technik
keine Lücken entstehen. Wer hätte vor einigen Jahren
gedacht, dass es ein Stalking mittels SMS überhaupt ge-
ben kann?

Durch diesen Auffangtatbestand meinen wir, dem Be-
stimmtheitsgebot zu genügen, weil wir die Handlungs-
alternativen zuvor näher konkretisiert haben und da-
durch einen Bezug zu diesen konkreten Handlungen
herstellen. Die Rechtsprechung muss dann herausarbei-
ten, was im Einzelfall eine „vergleichbare Handlung“ ist.
Und: Wir knüpfen bei der Strafbarkeit nicht an eine
potenzielle Gefährdung an.

Auf besonderen Wunsch der Länder und auch der
Union, wenn ich richtig informiert bin, wird es künftig
auch Qualifikationstatbestände mit einem höheren
Strafrahmen für die Fälle geben, in denen der Tod eintritt
oder die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesund-
heitsschädigung entweder beim Opfer oder bei Angehö-
rigen des Opfers besteht. Ich hatte eben schon gesagt,
dass der Strafrahmen bisher bei einem Jahr lag. Künftig
sollen dies drei Jahre sein. Bei schwereren, bei Qualifi-
kationstatbeständen können dies künftig bis zu zehn
Jahre werden.

Im strafprozessualen Bereich wollen wir eine Erwei-
terung für die so genannte Deeskalationshaft erreichen.
In einem Fall, der sich in Berlin zugetragen hat, hätte
überlegt werden müssen, ob nicht die Deeskalationshaft
das sachgerechte Mittel gewesen wäre, um auf diese Art
und Weise einen Mord zu verhindern. Es ging um einen
Fall von Stalking, der vor Gericht verhandelt wurde.

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(C (D eim Verlassen des Saales hat der Mann die Frau erstohen. Ich kann den Fall nicht beurteilen, weil ich die eale Situation nicht kenne. Aber wenn gewaltförmiges andeln absehbar ist, dann könnte man künftig in sol hen extremen Fällen nach § 112 a StPO die Täter kurzristig in Haft nehmen. Ich halte die dazu erreichten Lösungen für einen verünftigen Kompromiss, der vor allem eine gesetzliche egelung ermöglicht. Denn wir sind uns einig – das haen zahlreiche Gespräche mit Vertretern der Polizei betätigt –, dass eine Regelung im Strafgesetzbuch vonseien der Polizei für ausgesprochen wichtig gehalten wird. as kann aber nicht der einzige Grund sein, weil er die änder nicht davon enthebt, auch künftig zu berücksich igen, dass für die praktische Bearbeitung dieser Fälle owohl bei der Polizei als auch bei den Staatsanwaltchaften Fortbildungen durchgeführt werden müssen. s kann nicht angehen, dass einem Stalking-Opfer, das ich bei der Polizei meldet, gesagt wird: „Er liebt Sie och. Was wollen Sie denn?“ Ein positives Beispiel in diesem Zusammenhang ist remen, wo sowohl bei der Polizei als auch bei der taatsanwaltschaft Schwerpunkteinheiten gebildet wuren, die Fortbildungen durchführen und psychologische etreuung anbieten. In Berlin wird das ebenfalls geacht. In diesen Ländern werden – abgesehen von den pferhilfevereinen, die eine große Hilfe sind – Fach eute eingesetzt, die wissen, wie man mit einem Opfer edet. Aber wenn es um die Verfolgung einer Straftat eht, ist völlig klar, dass möglichst zügig die Polizei einuschalten ist, um Schlimmeres zu verhindern. Alle Forchungsergebnisse belegen, dass ein schnelles und kateorisches Nein, mit dem die Grenzen aufgezeigt werden, as Beste ist, was in solchen Fällen getan werden kann. Ich würde mich freuen, wenn der Kompromiss, der wischen Bund und Ländern ausgehandelt wurde, in dieem Haus einen Konsens finden und das Gesetz mögichst bald verabschiedet würde, damit wir im Interesse er Opfer zu einer besseren Rechtssituation kommen. Besten Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603513400

Das Wort hat nun für die FDP-Fraktion der Kollege

örg van Essen.


Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1603513500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

rau Ministerin, der Appell, den Sie zum Schluss an uns
erichtet haben, zielt offenkundig in Richtung Opposi-
ion. Sie haben innerhalb der Koalition schon einen
ompromiss gefunden, an dem wohl auch die Länder
itgewirkt haben.

Ihre Problembeschreibung wird von uns geteilt. Wir
atten uns nicht zum ersten Mal mit diesem Thema zu
efassen, und zwar zu Recht, weil uns selber durch Zei-
ungslektüre immer wieder gravierende Fälle von Stal-
ing vor Augen geführt werden und wir das Gefühl






(A) )



(B) )


Jörg van Essen
haben, dass wir als Gesetzgeber die Opfer, die zum Teil
schrecklich leiden, nicht allein lassen dürfen.

Wir haben zuerst einen eher zivilrechtlichen Ansatz
gewählt, weil wir davon ausgegangen sind, dass die
schwierigen Abgrenzungsprobleme, die auch Sie aufge-
zeigt haben, in diesem Bereich leichter zu lösen sind.
Aber auch in dem zivilrechtlichen Gewaltschutzgesetz,
das dann verabschiedet worden ist, ist schon ein straf-
rechtlicher Teil enthalten gewesen.

Ich denke, dass inzwischen genug Zeit verstrichen ist,
um eine Bilanz ziehen zu können. Wir müssen feststel-
len, dass die bisherige Rechtslage dem notwendigen
Schutz der Opfer offensichtlich nicht gerecht wird. Des-
halb begrüßen wir es, dass wir erneut über dieses Thema
sprechen und dass über die Notwendigkeit eines eigenen
Straftatbestands diskutiert wird.

Ich will nicht verhehlen, dass mir die vom Bundesrat
vorgeschlagene Lösung nicht zusagt. Das Gefährdungs-
delikt gefällt mir nicht und die darauf gründende
Deeskalationshaft ist nach meiner Auffassung rechts-
staatlich höchst bedenklich.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Deshalb begrüße ich es außerordentlich, dass die Ver-
handlungen zwischen den Koalitionsfraktionen offen-
sichtlich dazu geführt haben, davon Abstand zu nehmen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da täuschen Sie sich, befürchte ich! Die wollen das immer noch!)


– Ich gehe davon aus, dass das so ist.


(Joachim Stünker [SPD]: Dieser Herr Montag! Immer dieser Meckerer! Immer misstrauisch, dieser Mensch!)


Denn wir haben eine Verpflichtung. Deshalb sollten wir
auf der Grundlage des Gesetzentwurfs diskutieren, der
jetzt von der Koalition vorgelegt worden ist. Ich hoffe
sehr, dass wir sorgfältig beraten; denn es ist notwendig,
dass wir Abgrenzungen zu sozial adäquatem Verhalten
vornehmen.

Ich möchte einen Gesichtspunkt ansprechen, den Sie,
Frau Ministerin, in Ihrer Rede nicht erwähnt haben. Sie
wissen, dass die Medien befürchten, Probleme durch
den zu schaffenden Straftatbestand zu bekommen. Ich
finde, wir sollten die von den Medien geäußerten Sorgen
ernst nehmen. Frau Ministerin, ich habe Ihre Pressemit-
teilung gelesen. Sie sagen, dass das noch nicht einmal
tatbestandlich sei. Wer sich aber die verschiedenen Re-
cherchemöglichkeiten der Presse anschaut, der weiß,
dass man das nicht ganz ausschließen kann. Wir sollten
daher in den Beratungen diesem Aspekt besondere Auf-
merksamkeit widmen. Es darf nicht sein, dass die Presse
in unserem Land Gefahr läuft, strafrechtlich verfolgt zu
werden.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Doch! Ein Journalist, der Stalker ist, ist ein Stalker!)



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(C (D Herr Kollege, ich habe mit Ihrer Aufgeregtheit gerechet. (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Ich bin völlig unaufgeregt! Sie kennen mich doch, wenn ich aufgeregt bin!)


Ich will deshalb ergänzend hinzufügen, dass sich
elbstverständlich auch die Medien in unserem Land an
ie Gesetze zu halten haben.


(Joachim Stünker [SPD]: Da passen wir schon auf!)


ber wir haben die verfassungsrechtlich garantierten
echte der Medien zu gewährleisten. Hier eine vernünf-

ige Abwägung vorzunehmen, damit sollten wir uns in
en Beratungen besonders beschäftigen. Alles das ist des
chweißes der Edlen wert.

Ich sage für die FDP-Bundestagsfraktion, dass wir
ns konstruktiv einbringen werden. Wir sind offen für
inen Straftatbestand. Wir sind sehr dafür, dass kein Ge-
ährdungsstraftatbestand, sondern ein erfolgsorientierter
traftatbestand geschaffen wird; denn mit Letzterem

ässt sich das Entstehen vieler Probleme verhindern. Ich
reue mich jedenfalls auf die Beratungen. Wir sind es
nsbesondere den Stalkingopfern schuldig, schnell zu ei-
er rechtsstaatlich einwandfreien Lösung zu kommen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603513600

Das Wort hat nun die Staatsministerin für Justiz des

reistaats Bayern, Dr. Beate Merk.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1603513700

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

erren! Intensiv und mit großer Ernsthaftigkeit haben
ir uns des Themas Stalking angenommen. Ich freue
ich sehr, dass wir auf der Grundlage der Gesetzent-
ürfe von Bundesrat und Bundestag einen Kompromiss
efunden haben. Wir wissen, dass es jeden treffen kann,
nd doch wird das Delikt viel zu oft bagatellisiert. Fast
eder ist schon einmal verlassen worden. Wie oft passiert
s, dass eine angebetete Frau oder ein bewunderter
ann nichts von ihrem Verehrer bzw. seiner Verehrerin
issen will! In einer solchen Situation hat man viele
öglichkeiten. Man kann resignieren, verzweifeln oder

ich jemand anderen suchen.

Was aber tut jemand, der clever ist, der Ausdauer hat
nd der absolut davon überzeugt ist, dass dieser andere
ensch einzig und allein für ihn geschaffen wurde? Er
ird handeln; er wird Stalker. Als Stalker ist man Jäger.
as Opfer ist Freiwild. Ein Stalker ist ein guter Jäger. Er

ieht, er hört und er ist präsent. Er registriert alles; es
ntgeht ihm nichts. Seine Motive mögen irrational sein,
ein Handeln ist dafür umso rationaler. Die begehrte
rau will ihren Alltag leben. Der Stalker wird ihn analy-
ieren: Wann geht sie morgens aus dem Haus? Wie lange
uss man sie aufhalten, damit sie den Bus verpasst? In
elche Schule geht ihr Kind? Wo kauft sie ein? Zu






(A) )



(B) )


Staatsministerin Dr. Beate Merk (Bayern)

welcher Bank, zu welchem Arzt oder in welches Fitness-
studio geht sie? In welcher Zeitung könnte man ihre To-
desanzeige aufgeben oder in welchem Blatt ein Inserat,
in dem sie Telefonsex anbietet? Welche Nachbarn besit-
zen genügend Zeit und Neugier, um sich die Geschichte
einer enttäuschten Liebe anzuhören und sie dann weiter-
zuerzählen?

Als Stalker bringt man Disziplin in das Leben seines
Opfers. Geht sie montagabends nicht gerne ins Freibad?
Man muss nur auch dort sein, dann wird das aufhören.
Kauft sie nicht immer gerne in diesem Fachgeschäft ein?
Man muss nur in ihrem Beisein mit der Verkäuferin re-
den und sie kommt nicht mehr. Hat sie nicht früher oft
über ihren Chef geschimpft? Man sollte es ihm einmal
erzählen. Die betroffene Frau soll nicht ausgehen, nicht
lustig sein, nicht vergessen. Sie soll nur eines: an mich
denken.

Ich habe mit vielen Stalkingopfern gesprochen. Sie
erwarten eine klare, adäquate Aussage der Politik. Ich
weiß, wie sie fühlen. Aber um die ganze Dimension des
Geschehens zu begreifen, muss man sich in den Täter hi-
neindenken. Er allein hat die Fäden in der Hand, nur er
stellt die Weichen. Er hat nicht nur Wut im Bauch, er hat
vor allen Dingen Konzept und System. Die Frau hat es
eilig? Der Stalker hat Zeit. Die Frau scheut Peinlichkei-
ten? Der Stalker sucht sie geradezu. Die Frau kennt
Freunde, Bekannte und Kollegen? Der Stalker kennt sie
auch. Es ist wie bei Hase und Igel: Wohin auch immer
sich das Opfer auf den Weg macht, der Stalker ist schon
dort. Er ist der Schatten. Er hat keine eigenständige Exis-
tenz. Ihm genügt diejenige des Opfers. Und mag das Op-
fer einfach leben wollen – dem Stalker reicht das War-
ten. Man muss nicht erst an die tödlich endenden Fälle
denken, um sich klar zu machen: Stalking ist ein massi-
ver Angriff auf einen Menschen in seiner Gesamtheit,
auf seine körperliche und auf seine seelische Unversehrt-
heit, auf sein ganzes soziales Dasein. Es kann, wie ge-
sagt, jeden treffen.

Warum ist Stalking eine Aufgabe für die Politik? Weil
unsere Rechtsordnung bisher genau das tut, was dem Tä-
ter niemals einfiele: Unsere Gesetze lassen das Opfer al-
lein. Wann können Polizei und Justiz eingreifen? Erst
dann, wenn sich der Stalker aus der Deckung wagt, wenn
er offen und sichtbar agiert, wenn er beleidigt, wenn er
schlägt. Aber wer allein darauf reagiert, der kuriert nur
Symptome und nicht die Krankheit. Deshalb ist es essen-
ziell wichtig, dass wir einen Tatbestand bekommen, der
das Stalking als solches zum Ziel hat, der beharrlichem
Nachstellen eigenen Unrechtsgehalt verleiht, und es
muss ein Straftatbestand sein, damit der Staatsanwalt
für das Opfer aktiv werden kann.

Das Gewaltschutzgesetz – Frau Kollegin Zypries hat
es angesprochen – war ein wichtiger Schritt, das Kon-
taktverbot eine richtige Idee. Aber wer ein Leben zwi-
schen Furcht und Scham führt, der tut sich mit dem
Gang vor ein öffentliches Gericht sehr hart.

Besonders wichtig ist mir die von uns in die Diskus-
sion gebrachte Deeskalationshaft; denn Stalking bedeu-
tet Steigerung. Es lebt von der Intensivierung. Der Täter
muss die Schraube anziehen, die Kreise enger drehen.

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(C (D rüher oder später gehört dazu physisches Handeln. Will an diese Bedrohungsspirale rechtzeitig durchbrechen, uss man dazu auch physisch eingreifen dürfen. Es darf icht länger Fälle geben, in denen die Strafverfolgungsehörden quasi hilflos zusehen müssen, bis es zur Katatrophe kommt. Umso mehr freut es mich, dass wir hier uf einem guten Weg sind. Wir als Länder hätten uns siher noch mehr gewünscht. Aber alles deutet auf einen ragfähigen Kompromiss hin, auch zur Deeskalationsaft. Mir ist bewusst, dass das ein schweres Geschütz ist. ber als Justizministerin eines Landes kenne ich unsere ichter und ich weiß, dass sie dieses Instrument mit Um icht gebrauchen werden. Außerdem ist die Untersuhungshaft wegen Wiederholungsgefahr keine neue rfindung, sondern sie ist schon lange in der Strafproessordnung enthalten. Unser Vorschlag passt in das vorandene System. Stalking trägt die Wiederholungsgefahr chon seiner Definition nach in sich. Das Gesetz sieht iese Form der Haft bevorzugt für Sexualdelikte vor. ir wissen alle, dass Stalking in aller Regel einen sexu llen Hintergrund hat. Die Deeskalationshaft wird zuem nur für die besonders schweren Fälle eröffnet, etwa enn der Täter die Gesundheit seines Opfers schwer beroht oder wenn er es gar in Lebensgefahr bringt. Geade deshalb sind die Qualifikationstatbestände wichig, die wir vorschlagen. Der neue Tatbestand soll nicht ur den Anfängen wehren, er soll auch eine Antwort für assive Formen des Stalkings enthalten. Mir ist bewusst, dass wir nicht jeden schrecklichen all verhindern können. Absoluten Schutz kann kein Geetz gewährleisten. Aber wir brauchen ausreichende echtsgrundlagen. Mir ist auch bewusst, dass Strafrecht ein Allheilmittel ist. Es ist viel zu tun, um das Stalking n den Griff zu bekommen. Ich gebe Frau Kollegin ypries vollkommen Recht: Wir brauchen Fortbildung ür die Strafverfolger, wir brauchen Forschung durch die sychiatrie, auch Therapie der Täter mit ihren ganzen esonderheiten. Aber wenn uns eine effektive Lösung m Strafrecht gelingt, dann kann die große Koalition das eichen setzen: Wir lassen die Opfer nicht allein. Ich itte Sie, setzen Sie dieses Zeichen. Es stimmt: Unser Vorhaben ist diffizil. Wir haben es ns damit aber auch wirklich nicht leicht gemacht. Desegen sollten wir anfangen, es den Tätern schwer zu achen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603513800

Das Wort hat nun die Kollegin Sevim Dagdelen von

er Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1603513900

Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Verehrte Kollegin-

en und Kollegen! In einem sind wir uns alle einig: Der
chutz von Opfern beharrlicher Nachstellungen, des so






(A) )



(B) )


Sevim Dagdelen
genannten Stalkings, muss verbessert werden. Ich be-
grüße es hier ausdrücklich, dass wir über den Bundes-
ratsgesetzentwurf anscheinend nicht mehr zu sprechen
brauchen, da die inhaltlichen Mängel dieses Gesetzent-
wurfs meines Erachtens so groß sind, dass man darüber
überhaupt nicht zu diskutieren braucht.

Kommen wir also zum Entwurf der Bundesregierung.
Dieser hat zwar den Vorteil, dass er wahrscheinlich nicht
verfassungswidrig wäre; dafür weist er aber andere
Schwächen auf. Im Gegensatz zum Bundesratsgesetz-
entwurf beschreibt der vorgesehene neue Straftatbestand
§ 241 b StGB abschließend besonders häufig auftretende
Verhaltensweisen von Stalkern und stellt dieselben unter
Strafe. Die Strafbarkeit soll dabei – das ist hier oft zum
Ausdruck gekommen – vom Erfolg der kausalen schwer-
wiegenden und unzumutbaren Beeinträchtigung der Le-
bensgestaltung abhängen.

Fraglich ist hier allerdings, ob das Ziel der Gesetzesini-
tiative so überhaupt erreicht wird. Das Ziel ist der Opfer-
schutz, und zwar vor allem die bessere Betreuung durch
die Strafverfolgungsbehörden zu einem Zeitpunkt, da das
Opfer sich dem Psychoterror noch nicht durch Einschrän-
kung der Lebensumstände gebeugt hat. Ein Ansetzen zu
diesem Zeitpunkt wird durch den Gesetzentwurf jedoch
nicht geregelt. Das Opfer soll erst schwerwiegend und un-
zumutbar beeinträchtigt sein, bevor die Schwelle zur
Strafbarkeit überschritten wird. Den Bedürfnissen der Be-
troffenen wird er somit nicht gerecht. Diese sind primär
nicht am repressiven Handeln des Staates interessiert, son-
dern an der präventiven Tätigkeit der Behörden und an
Unterstützung.


(Beifall bei der LINKEN)


Erforderlich sind daher unseres Erachtens eine Sensibili-
sierung der Strafverfolgungsbehörden und eine konse-
quente Unterstützung der Opfer durch geschulte Kräfte.

Was die Opfer wollen, ist auch eine Unterbrechung
der Gewaltspirale des Täters, um bereits jetzt strafbare
Handlungen wie Körperverletzung zu verhindern. Eine
aus Sicht der Opfer vielleicht wünschenswerte vorbeu-
gende Haft ist in einem demokratischen Rechtsstaat we-
gen der schweren Form des Eingriffs in die Handlungs-
freiheit und in die Freiheit der Person nur unter
restriktiven Bedingungen möglich; vergleichen Sie dazu
§ 112 a StPO. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bun-
desregierung würde im Gegensatz zum Entwurf des
Bundesrats hieran zu Recht nichts ändern.

Stellt sich somit die Frage, ob eine Ergänzung des Ge-
waltschutzgesetzes um bisher nicht erfasste, nach wis-
senschaftlichen Untersuchungen aber verbreitete Verhal-
tensweisen nicht hilfreicher wäre. Zudem sollte unseres
Erachtens der Normverletzung nach § 4 Gewaltschutz-
gesetz der Anschein eines Bagatelldelikts genommen
werden. Die Polizeikräfte sollten darüber hinaus dazu
angehalten werden, die Opfer von Straftaten allgemein
und die Opfer von Stalking ernst zu nehmen und entspre-
chend zu betreuen.

Dem grundsätzlichen Anliegen, eine bessere Verfolg-
barkeit der Stalker durch die Strafbewehrung zu errei-
chen und damit den Opfern zu helfen, wird man durch

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(C (D ie vorliegende Fassung dieses Gesetzentwurfs nicht geecht. Ich hoffe, wir werden bei den Beratungen im Auschuss darauf hinwirken können, dass die Regelung zu em Zeitpunkt, wo die Opfer die Hilfe benötigen, greift. Ich danke Ihnen. Nun hat das Wort der Kollege Jerzy Montag von der raktion des Bündnisses 90/Die Grünen. Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol egen! Sehr geehrte Frau Ministerin, wir reden heute ber eine mögliche neue Strafvorschrift gegen beharrlihes Nachstellen, Stalking genannt. Frau Justizministein Merk aus Bayern hat in ihrem Redebeitrag die Vielalt der möglichen Lebensgestaltungen geschildert und ns klar gemacht, welch eine unglaubliche Belastung ies für die Opfer jeweils darstellt. Es ist richtig: Stalking ist eine ganz erhebliche Bechneidung der Freiheit der Lebensführung von Menchen. Stalking ist ein Verhalten von Tätern, das den Opern nicht nur psychisch, sondern auch physisch rhebliche Schäden zufügt. Trotzdem sollten wir uns och einmal klar machen, dass eine neue Strafvorschrift m Strafgesetzbuch kein Allheilmittel gegen diesen Zutand ist. (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das hat Frau Merk auch gesagt!)


(Beifall bei der LINKEN)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603514000
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603514100

Die Untersuchung, die der Weiße Ring hat durchfüh-
en lassen und auf die die Bundesjustizministerin zu
prechen gekommen ist, hat ergeben, dass in 70 Prozent
er Fälle die Polizei überhaupt nicht begriffen hat, was
ie Opfer ihr sagen wollten; in 80 Prozent der Fälle ha-
en die Opfer erklärt, dass sie sich durch das Verhalten
er Polizei überhaupt nicht geschützt gefühlt haben.

Das liegt nicht daran, dass es zurzeit keinen eigenen
traftatbestand des Stalkings gibt. In der gleichen Studie
ird gesagt, dass es in 40 Prozent aller Fälle zu Körper-
erletzungen gekommen ist, in weiteren 20 Prozent zu
efährlichen und schweren Körperverletzungen, dazu zu
eleidigungen, Bedrohungen und auch noch anderen ge-

ährlichen Straftaten. Trotzdem reagiert die Polizei in
er Regel immer noch nicht. Das hat damit zu tun, dass
ie Polizei – und auch die Justiz – auf dieses Phänomen
es Stalkings immer noch nicht genügend vorbereitet
nd nicht entsprechend geschult ist. Deswegen ist es
ufgabe der Länder, da noch viel zu tun.

Unter dem Strich sage ich für uns Grüne: Wir sind der
uffassung, dass es eines neuen Straftatbestandes gegen
as Stalking bedarf. Wir sollten uns jetzt in der ersten
esung den Entwürfen nähern, die es dazu heute gibt.

Die große Koalition hat heute – wie gestern zum
teuerchaos – ein bisschen zum Rechtsstaatschaos bei-
etragen. Wir reden heute nämlich über einen Gesetzent-
urf des Bundesrates, den es offensichtlich nicht mehr
ibt, und über einen Gesetzentwurf der Bundesregie-






(A) )



(B) )


Jerzy Montag
rung, den es offensichtlich auch nicht mehr gibt. In der
Öffentlichkeit wird über einen Gesetzentwurf von Bay-
ern diskutiert, der nie eingebracht worden ist. Meine
Vorrednerinnen und Vorredner haben über irgendeine Ei-
nigung geredet, die wir nicht kennen, jedenfalls nicht in
Form einer Gesetzesvorlage hier. Aber wir sind ja in der
ersten Lesung des Gesetzes.

Es ist kein guter Stil, dass wir heute um halb drei eine
Presseerklärung des Bundesjustizministeriums be-
kommen haben, in der erstens steht, dass der Bundestag
heute in erster Lesung über zwei Gesetzesvorschläge be-
raten hat – jetzt ist es halb fünf! –, und in der uns zwei-
tens ein völlig neuer Gesetzentwurf mit neuen Fallge-
staltungen vorgelegt wird, den wir so nicht kennen.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das war vorhersehbar!)


Ich habe keine Zeit, im Rahmen meines jetzigen Bei-
trags zur Debatte zu den einzelnen Punkten des nicht
vorhandenen Gesetzentwurfs Stellung zu nehmen. Aber
wir sichern Ihnen zu, dass wir uns im Gesetzgebungsver-
fahren mit Ihrem Vorschlag einer Deeskalationshaft und
mit vielen anderen Vorschlägen befassen werden, mit
Vorschlägen, von denen das Bundesjustizministerium
bisher behauptet hat, sie seien verfassungswidrig, wäh-
rend es nun der Meinung ist, das sei hinnehmbar. Ein
solches Verhalten ist nicht hinnehmbar.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dem werden wir im parlamentarischen Verfahrensgang
noch nachspüren.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das habe ich nicht verstanden! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Es war aber schwer, was zu finden, oder?)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603514200

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzent-
würfe auf den Drucksachen 16/575 und 16/1030 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Gibt es dazu andere Vorschläge? – Das ist
nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a bis 8 c auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine, Dr. Gesine
Lötzsch und der Fraktion der LINKEN

Gesetzliche Regelung für frühere Mitglieder
der Bundesregierung und Staatssekretäre zur
Untersagung von Tätigkeiten in der Privat-
wirtschaft, die mit ihrer ehemaligen Tätigkeit
für die Bundesregierung im Zusammenhang
stehen

– Drucksache 16/846 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)


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(C (D Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie b)

Koppelin, Dr. Max Stadler, Jens Ackermann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Verhaltenskodex für ausscheidende Regie-
rungsmitglieder

– Drucksache 16/677 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker
Beck (Köln), Monika Lazar, Jerzy Montag, Silke
Stokar von Neuforn und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN

Berufstätigkeit von ausgeschiedenen Mitglie-
dern der Bundesregierung regeln

– Drucksache 16/948 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
azu keinen Widerspruch. Dann ist auch dies so be-
chlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin
r. Gesine Lötzsch von der Fraktion Die Linke das
ort.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603514300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor kur-

em haben wir hier in einer Aktuellen Stunde über den
echsel ehemaliger Bundesminister und Staatssekretäre

n die Wirtschaft gesprochen. Dabei ging es nicht um
inzelfälle, sondern um eine bisher ungekannte Massen-

lucht des politischen Personals in die Wirtschaft.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Das hat doch nichts mit Flucht zu tun!)


Zwei Beispiele zur Erinnerung: Altkanzler Gerhard
chröder ging nach seiner Abwahl in den Aktionärsaus-
chuss der Nordeuropäischen Gaspipelinegesellschaft.
ahreseinkommen 250 000 Euro. Noch zum Ende seiner
mtszeit wurde von der Bundesregierung über eine ge-
altige Kreditbürgschaft für Gasprom entschieden. Herr
chröder will angeblich nichts davon gewusst haben.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Gar nichts!)


Anderes Beispiel: Exfinanzstaatssekretär Cajo Koch-
eser geht als Vice Chairman zur Deutschen Bank. Vor-

er war er in der Bundesregierung für die Bankenauf-






(A) )



(B) )


Dr. Gesine Lötzsch
sicht zuständig. Er war an der Abwicklung eines Schul-
dendeals beteiligt, in den auch die Deutsche Bank
involviert war.

Wissen Sie, ich habe gar kein Problem, wenn zum
Beispiel der ehemalige Staatssekretär Rezzo Schlauch
von den Grünen die Seiten wechselt und jetzt Kernkraft-
werksbetreiber EnBW berät, wie man den von SPD und
Grünen beschlossenen Atomausstieg wieder rückgängig
machen kann. In der Diskussion vor einigen Wochen im
Bundestag wurde deutlich, dass niemand etwas dagegen
hat, wenn Politiker so in die Wirtschaft wechseln, wie es
Herr Schlauch gemacht hat. Er muss das nur mit seiner
Partei und, wenn vorhanden, mit seinem Gewissen ver-
einbaren. Es ist aber ein unhaltbarer Zustand, wenn Poli-
tiker in ihrer Amtszeit Entscheidungen treffen, die Un-
ternehmen begünstigen, zu denen sie dann später
wechseln wollen, und das noch gut dotiert.


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist noch nicht strafbar. Für mich ist das eine Form
der nachgelagerten Bestechung nach dem Motto „Erst
liefern, später zahlen“. Diese Praxis muss gesetzlich aus-
geschlossen werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Leider hatten wir den Eindruck, dass die Bundesre-
gierung denkt, wenn sich die erste Aufregung gelegt
habe, gebe es keinen Handlungsbedarf mehr. Da haben
Sie aber die Rechnung ohne die Wählerinnen und Wäh-
ler gemacht. Auch wir werden das nicht akzeptieren. Da-
rum haben wir Ihnen den heute in Rede stehenden An-
trag vorgelegt.

Wir fordern die Bundesregierung darin auf, eine ge-
setzliche Regelung auszuarbeiten, die eine Karenzzeit
von fünf Jahren für ehemalige Regierungsmitglieder
vorsieht.


(Beifall bei der LINKEN)


Jeder Regierungsbeamte muss vor einem Wechsel in ein
Unternehmen die Genehmigung seines Dienstherrn ein-
holen. Das gilt noch fünf Jahre nach dem Ausscheiden
aus dem Staatsdienst. Laut Beamtengesetz muss der
Dienstherr die Beschäftigung untersagen, wenn die Ge-
fahr besteht, dass dadurch dienstliche Interessen beein-
trächtigt werden. Warum, frage ich Sie, soll diese Rege-
lung, die für Staatsbedienstete schon lange gilt, nicht
auch für ehemalige Regierungsmitglieder gelten? Das
Motto „Erst regieren, dann kassieren“ darf nicht weiter
Schule machen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich finde, meine Damen und Herren, es ist nicht gut
für unser Land und für die Demokratie, wenn der Ein-
druck erweckt wird, dass bestimmte Herren ihren Eid
auf das Grundgesetz bei ihrer Entlassung an der Garde-
robe des Bundespräsidenten abgeben. Darum bitte ich
Sie, unseren Vorschlag zu übernehmen oder, wenn Sie
einen besseren haben, diesen vorzulegen.


(Dirk Niebel [FDP]: Haben wir doch schon!)



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(C (D Einigkeit der Opposition in dem Fall, verehrter Kolege Niebel, wäre ja nicht schlecht. Aber ob Ihr Vorchlag wirklich besser ist, werden wir in den Ausschüsen sorgfältig beraten. Es geht darum, die Mehrheit des auses einzubeziehen. Sie sollten also nicht auf die Vergesslichkeit der Wäherinnen und Wähler hoffen. Das wäre der falsche Weg. ie werden Sie am nächsten Wahltag daran erinnern. Vielen Dank. Nun erteile ich dem Kollegen Helmut Brandt für die DU/CSU-Fraktion das Wort. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Kol eginnen und Kollegen! Auf Verlangen der Fraktion des ündnisses 90/Die Grünen fand am 16. Februar 2006 ine Aktuelle Stunde unter dem Titel „Übernahme ehealiger Regierungsmitglieder in Vorstände und Auf ichtsräte deutscher Energiekonzerne“ statt. Ausgangsunkt für diese Aktuelle Stunde war der in der ffentlichkeit vielfach negativ diskutierte Wechsel des rüheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder in den Aufichtsrat des deutsch-russischen Konsortiums Nordeuroäische Gaspipeline. In der Diskussion wurde bereits daals zu Recht darauf hingewiesen, dass es bei dieser rage eben nicht um ein energiepolitisches Thema gehe, ondern dass über das Thema unter grundsätzlichen Geichtspunkten zu diskutieren sei. Nunmehr diskutieren wir über drei Anträge der Linen, der FDP und des Bündnisses 90/Die Grünen. Diese nträge haben eines gemeinsam: In ihnen wird ein Veraltenskodex bzw. eine gesetzliche Regelung gefordert, hne aber zu präzisieren, wie eine solche Regelung inaltlich ausgestaltet sein soll. Aber genau hierin liegt das roblem. Die drei Anträge unterscheiden sich im Wesentlichen arin, dass die Linke eine fünfjährige Karenzzeit fordert, ährend die FDP eine solche von zwei Jahren für ausrei hend hält. Bündnis 90/Die Grünen fordert ohne Festleung auf eine Karenzzeit von der Bundesregierung, eine erfassungsfeste Lösung zu präsentieren. (Dirk Niebel [FDP]: Wir machen es untergesetzlich!)


(Beifall bei der LINKEN)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603514400
Helmut Brandt (CDU):
Rede ID: ID1603514500

Ich komme noch auf diesen Punkt, Herr Kollege
iebel. – So weit zum Ausgangspunkt der heutigen De-
atte.

Es erscheint mir wesentlich, über dieses schwierige
hema mit großer Sensibilität und Sachlichkeit zu disku-

ieren. Alles andere würde nur dazu führen, dass in der
ffentlichkeit der falsche Eindruck entsteht, dass bei
olitikern nach dem Ausscheiden aus ihrem Amt ein di-
ekter Wechsel in die Wirtschaft an der Tagesordnung
st. Ein solcher Eindruck würde nur zu weiterer Politik-
erdrossenheit führen. Wir haben heute schon an anderer
telle über diese Problematik diskutiert.






(A) )



(B) )


Helmut Brandt
Tatsächlich muss zunächst einmal festgestellt werden,
dass wir in der Bundesrepublik Deutschland von 1949
bis heute, also immerhin mehr als 56 Jahre, ohne eine
solche Regelung ausgekommen sind. Es stellt sich daher
schon die Frage, ob man aufgrund bestimmter Einzel-
fälle, die sicherlich fragwürdig und kritikwürdig sind,
auf die Notwendigkeit einer generellen Regelung schlie-
ßen muss. Außerdem muss man sich darüber im Klaren
sein, dass eine solch konkrete Regelung nur äußerst
schwer generalisiert werden kann. Dafür spricht schon,
dass es in sämtlichen Anträgen der drei eben genannten
Fraktionen ganz offensichtlich bewusst unterlassen
wurde, einen bestimmten Text vorzugeben.

Betritt man Neuland, so empfiehlt es sich immer, über
den Tellerrand hinauszuschauen. Dabei stellt man sehr
schnell fest, dass es höchst unterschiedliche Regelungen
und Auffassungen zu dem hier diskutierten Thema gibt.
Beispiel USA: Hier gibt es eine Wartezeit von einem bis
zwei Jahren, wobei dort auf den Einzelfall abgestellt
wird. Das Gleiche gilt in etwa auch in Großbritannien. In
Frankreich demgegenüber ist ein schneller Wechsel in
die Wirtschaft völlig üblich und gilt dort nicht als ehren-
rührig. Auf europäischer Ebene gilt seit dem Jahr 2000
eine Karenzzeit von einem Jahr. Das ist die so genannte
Lex Bangemann. In unseren Bundesländern gibt es nach
meinem Wissen nur im Land Nordrhein-Westfalen eine
Regelung, die sich an die Regelung für Beamte anlehnt.

Diese Beispiele zeigen, dass eine wie auch immer ge-
artete gesetzliche Regelung nicht per se als notwendig
angesehen werden kann.

Immer wieder werden zu Recht die Forderung und
auch der Wunsch geäußert, dass wir mehr Politiker mit
Berufserfahrung außerhalb der Politik benötigen und es
nicht erstrebenswert sein kann, künftig nur noch Berufs-
politiker zu beschäftigen. Wenn man diese Forderung
ernst nimmt, so muss man sowohl den Wechsel von ei-
ner beruflichen Tätigkeit in eine politische Tätigkeit er-
möglichen wie auch umgekehrt nach Beendigung des
Mandates bzw. nach Ausscheiden aus dem Amt den
Wechsel in eine wirtschaftliche Betätigung ermöglichen.
Dies sollte ohne Diskriminierung geschehen. Im Übri-
gen würde das Verbot einer Tätigkeit, wenn es rigoros
gelten würde, eindeutig gegen Art. 12 Abs. 1 des Grund-
gesetzes verstoßen.

Was ist die rechtliche Situation heute? Da muss man
zunächst auf Art. 66 des Grundgesetzes verweisen. Hier
wird den Mitgliedern der Bundesregierung eine gleich-
zeitige Erwerbstätigkeit praktisch untersagt. Näher aus-
gestaltet ist dieses Verbot im Bundesministergesetz.
Wenn das Grundgesetz diese Betätigungs- und Zugehö-
rigkeitsverbote nur aktiven Mitgliedern der Bundesre-
gierung auferlegt, so kann man hieraus sicherlich auch
den Schluss ziehen, dass eine gewisse Grundentschei-
dung des Grundgesetzgebers dahin gehend vorliegt, dass
vor und nach einem Regierungsamt eine sonstige beruf-
liche Tätigkeit möglich sein soll.

Dabei ist auch zu beachten, dass die Anlehnung an
das Beamtenrecht, wie es von einigen gefordert wird,
schon deshalb problematisch ist, weil die Mitglieder der
Bundesregierung in einem öffentlich-rechtlichen Amts-

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(C (D erhältnis zum Bund stehen und keine Beamte im staatsechtlichen Sinne sind. Die Amtszeit eines Mitgliedes er Bundesregierung ist zeitlich begrenzt und nicht wie as Dienstverhältnis eines Beamten auf Lebenszeit auserichtet. Darüber hinaus finden sich im Strafgesetzbuch Vorchriften wie § 331, die Vorteilsannahme, und § 353 b, ie Verletzung von Dienstgeheimnissen. Diese Vorchriften haben Auswirkungen nicht nur während der itgliedschaft in der Bundesregierung, sondern nach uffassung der Rechtswissenschaft auch noch danach, enn nämlich die Aufnahme einer Tätigkeit und die dait verbundene Vorteilsannahme in unmittelbarem Zu ammenhang mit der früheren Tätigkeit als Mitglied der egierung stehen sollten. Man kann deshalb nicht sagen, ass es in diesem Bereich keine Regelungen gibt. Fasst man alles zusammen, so ist sicherlich die Frage erechtigt, ob überhaupt eine Regelungslücke besteht. edenfalls kann man nach meiner Meinung aus dem Vorergesagten sicherlich den Schluss ziehen, dass es einer usätzlichen gesetzlichen Regelung nicht zwingend bearf. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Reden wir mithin über einen Verhaltenskodex, dem
ich jedes Regierungsmitglied einschließlich der Parla-
entarischen Staatssekretäre zu unterwerfen hätte. Unter
odex versteht man zunächst ungeschriebene Verhal-

ensregeln. In der Formulierung solcher Regeln, will
an sie schriftlich fixieren, liegt das Problem. Will man
ithin den Wechsel von der beruflichen Tätigkeit aus

er Wirtschaft in die Politik und umgekehrt nicht unnö-
ig behindern, sondern im Gegenteil grundsätzlich för-
ern, so müssen Regeln gefunden werden, die auf die
esonderheit der Tätigkeit eines Staatssekretärs, Minis-

ers, eines Bundeskanzlers oder einer Bundeskanzlerin
ücksicht nehmen. Denn nur wenn die Gefahr besteht
nd der äußere Anschein erweckt wird, dass die beruf-
ich übernommene Tätigkeit in einem nachträglichen
usammenhang mit der früheren Tätigkeit und mit be-
timmten aus dieser Tätigkeit sich ergebenden Entschei-
ungen in Zusammenhang steht, ist die Selbstbeschrän-
ung geboten und dann allerdings auch zu fordern.

Eine weitere Schwierigkeit bietet aber auch die Frage,
em es dann obliegt, die Einhaltung einer solchen Rege-

ung zu überprüfen, und welche Sanktionen damit ver-
unden sein könnten. Es kommt hinzu: Fasst man die
erhaltensregeln zu weit, so wäre die zwangsläufige
olge, dass man zu grundgesetzwidrigen Berufsverboten
elangen würde. Fasst man die Formulierung zu eng, so
st nicht auszuschließen, dass ein Wechsel zwischen
olitik und Wirtschaft in zulässiger Weise erfolgt, wobei
ann ein fader Beigeschmack bleibt oder das Ganze
wie die Schwaben sagen – ein Geschmäckle hat.

Mir scheint, dass die Vielzahl möglicher Interessen-
ollisionen kaum abstrakt zufriedenstellend geregelt
erden kann. Dennoch sollten wir alles tun, um künftig

inen möglichen Schaden für das Ansehen der Bundes-
epublik Deutschland und der Politik insgesamt zu ver-






(A) )



(B) )


Helmut Brandt
meiden. Schön und nach meiner Auffassung die beste
Lösung wäre es, wenn die betroffenen Regierungsmit-
glieder sich selbst eine Art freiwillige Beschränkung
auferlegen würden. Solange dies nicht der Fall ist, bedarf
es weiterer Diskussionen, um zu einem für alle befriedi-
genden Ergebnis zu gelangen.

Ich freue mich in diesem Sinne auf eine unpolemische
und nicht populistische Diskussion im zuständigen Fach-
ausschuss.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603514600

Herr Kollege Brandt, nach meinen Informationen war

das Ihre erste Rede in diesem Haus.


(Helmut Brandt [CDU/CSU]: Sie sind richtig informiert!)


Ich gratuliere Ihnen dazu sehr herzlich und wünsche Ih-
nen für die weitere Arbeit alles erdenklich Gute.


(Beifall)


Nun erteile ich das Wort zur Geschäftsordnung dem
Kollegen Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603514700

Das ist eine wichtige Frage, die vor allen Dingen die

Bundesminister interessieren muss. Es schmerzt mich
schon sehr, dass bei dieser Debatte kein Minister anwe-
send ist.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)


– Lediglich einer, Herr Seehofer. – Ich meine, der Wirt-
schaftsminister sollte angesichts der Tatsache, dass es in
seinem Haus einen aktuellen Fall zu dem in Rede stehen-
den Thema gibt, anwesend sein. Deswegen beantragen
wir die Herbeizitierung des Ministers Glos.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Der wichtigste Minister ist da!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603514800

Herr Küster, bitte sehr.


Dr. Uwe Küster (SPD):
Rede ID: ID1603514900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Hoch geehrter Herr Kollege Beck, man kann natürlich
immer wieder versuchen, durch solche Anträge ein biss-
chen Wirbel in das Plenum hineinzubringen und für ein
bisschen Aufhellung zu sorgen. Ich halte das für absolut
überflüssig. Erstens haben Sie Herrn Minister Seehofer
übersehen.


(Bundesminister Horst Seehofer und Parl. Staatssekretär Peter Hintze begeben sich auf ihren Abgeordnetensitz)


Zweitens war die Staatsministerin da. Auch zwei Staats-
sekretäre sind anwesend.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt haben wir gar niemanden – m I k m u i d E S d n d – B t m E l m e z d z S T r (C (D mehr auf der Regierungsbank! Die Regierungsbank ist ganz leer!)


Herr Beck, lassen Sie den Kinderkram doch bitte ein-
al außen vor und bleiben Sie einigermaßen ernsthaft!

ch merke ja, dass Sie sich wahnsinnig amüsieren. Das
ann man sich ja wünschen.

Wir wollen eine geordnete Debatte führen. Wir waren
itten in der Debatte. Jetzt unterbrechen Sie die Debatte

nd versuchen eine Abstimmung über eine Sache, die
ch für absolut überflüssig halte, herbeizuführen. Bei
ieser Gelegenheit muss ich sagen: Ein bisschen mehr
rnsthaftigkeit kann nicht schaden.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind aber sehr ernsthaft! – Dirk Niebel [FDP]: Das dauert aber lange, bis der Kollege Küster zum Punkt kommt!)


ie werden erleben, dass Sie jetzt und bei jeder folgen-
en Gelegenheit den Kürzeren ziehen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603515000

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Koschyk.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1603515100

Verehrter Kollege Beck, bitte nehmen Sie zur Kennt-

is, dass der Parlamentarische Staatssekretär beim Bun-
eswirtschaftsminister im Plenum anwesend ist.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist nur der Abgeordnete Hintze!)


Sie haben die Nichtanwesenheit eines Vertreters des
undeswirtschaftsministeriums angemahnt. Ein Vertre-

er ist aber anwesend.


(Dirk Niebel [FDP]: Ich sehe aber keinen!)


Der Herr Bundesminister hat wichtige andere Ter-
ine.


(Dirk Niebel [FDP]: Was kann wichtiger sein als das Parlament?)


r war heute den ganzen Morgen im Plenum anwesend.

Herr Kollege Beck, wir haben uns im Kreise der Par-
amentarischen Geschäftsführer und im Ältestenrat oft-
als ernsthaft darüber unterhalten, was im Umgang mit-

inander geboten ist. Sie sollten Ihren Antrag
urückziehen. Ich appelliere an Sie, mit dem Instrument
er Herbeizitierung von Ministern nicht leichtfertig um-
ugehen, insbesondere wenn der Parlamentarische
taatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und
echnologie anwesend ist.


(Volker Beck [Köln) [BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN]: Die Regierungsbank ist leer! –
Dirk Niebel [FDP]: Ich sehe keinen Staats-
sekretär!)


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603515200

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Herr Kollege Beck, erhalten Sie Ihren Antrag auf-
echt, auch wenn der Herr Parlamentarische Staatssekre-






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
tär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie
anwesend ist?


(Dirk Niebel [FDP]: Aber auf der Regierungsbank sitzt doch gar keiner, Frau Präsidentin!)


– Herr Kollege Niebel, Sie haben gesehen, dass er zuerst
auf der Regierungsbank saß und immer noch im Plenar-
saal ist.

Noch einmal zur Geschäftsordnung, Herr Küster.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn er keinen Antrag stellt, ist das unzulässig!)



Dr. Uwe Küster (SPD):
Rede ID: ID1603515300

Herr Beck, Sie kennen die Geschäftsordnung genauso

gut wie ich. Also werden Sie nicht erwarten, dass ich
noch einmal in die bereits abgeschlossene Debatte über
diesen Punkt einsteige. Ich stelle den Antrag, dass wir in
dem üblichen Verfahren, also durch Auszählen, über die
Frage, um die es hier geht, abstimmen. Das heißt, wir
machen jetzt einen schönen Hammelsprung.


(Lachen bei der FDP – Dirk Niebel [FDP]: Erst einmal müssen wir abstimmen! Herr Küster, lesen Sie doch einmal in der Geschäftsordnung nach!)


Dann schauen wir einmal, ob der Antrag von Herrn Beck
eine Mehrheit findet.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1603515400

Der Antrag steht. In unserer Geschäftsordnung ist das

Procedere klar geregelt.

Zunächst einmal wird ohne Auszählung der Stimmen
über den Antrag abgestimmt. Ich bitte diejenigen, die
dem Antrag des Kollegen Beck auf Herbeizitierung des
Wirtschaftsministers zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen. –


(Dirk Niebel [FDP]: Ich sehe Herrn Glos so gern!)


Wer ist dagegen? –


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Eindeutig die Mehrheit! – Lachen bei der FDP)


Wir sind uns im Präsidium nicht einig. Deshalb müssen
wir noch einmal abstimmen.


(Hellmut Königshaus [FDP]: Da lachen ja die Hühner!)


Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen wollen,
um das Handzeichen. – Wer lehnt den Antrag ab? –


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Eindeutig die Mehrheit! – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Eindeutig die Mehrheit!)


Wir im Präsidium sind der Meinung, dass das Ergeb-
nis unterschiedlich interpretiert werden kann. Der Sit-
zungsvorstand ist sich über das Ergebnis der Abstim-
mung auch nach der Gegenprobe nicht einig.

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(C (D Daher kommen wir zur Abstimmung über den Gechäftsordnungsantrag des Kollegen Beck und der Frakion des Bündnisses 90/Die Grünen durch Auszählung er Stimmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, jetzt en Saal zu verlassen, und ich bitte, die Türen zu schlieen. Die Abstimmung ist eröffnet. Ich schließe die Abstimmung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, Platz u nehmen. Wir erwarten das Ergebnis der Auszählung urch die Schriftführerinnen und Schriftführer. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, Platz u nehmen, damit ich das Ergebnis der Abstimmung beannt geben kann. Mit Ja haben 102 Kolleginnen und Kollegen getimmt, it Nein haben 254 Kolleginnen und Kollegen getimmt, ein Kollege und keine Kollegin hat sich enthalten. amit ist der Antrag abgelehnt. Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort erhält der ollege Niebel. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Nachdem der Kollege Beck mir ein ausreichenes Publikum besorgt hat, freue ich mich, dass wir die ebatte fortsetzen können. Es ist nämlich eine wichtige ebatte. Denn es geht um das Ansehen der Politiker und as Vertrauen in die Unabhängigkeit staatlichen Hanelns in der Bundesrepublik Deutschland. Wir alle – auch diejenigen, die da herumstehen und eden – müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Schamloen und die Ungenierten nicht nur ihren eigenen Ruf ruiieren, sondern – wie es im wirklichen Leben bei allen esellschaftlichen Gruppen der Fall ist – auch diejenien, die ihre Arbeit ernst nehmen, mit einem schlechten uf überziehen. Deswegen haben wir gesagt: Wir brauhen einen Verhaltenskodex für das berufliche Engageent von ehemaligen Regierungsmitgliedern. Wir sind ganz ausdrücklich gegen ein gesetzliches erufsverbot, weil unser Bild vom hauptamtlichen Poli iker nicht das eines berufslosen Politikers ist. Vielmehr Dirk Niebel ist es das von gestandenen Persönlichkeiten, die Lebenserfahrung haben, die wissen, wie man sich im wirklichen Leben durchschlägt, und die ihre Erfahrungen in die politische Tätigkeit einbringen. Deswegen haben wir schon 2003 gefordert, einen entsprechenden Verhaltenskodex einzuführen, wie ihn auch die Europäische Union hat. Glauben Sie mir: Es waren leidvolle Erfahrungen, bis die Europäische Union dahin gekommen ist. Es ist jetzt wieder notwendig, dieses Thema auf die Tagesordnung zu setzen; denn gerade bei der abgewählten rot-grünen Bundesregierung gibt es eine deutliche Häufung von Fällen, die zumindest ein Geschmäckle haben. Kollege Niebel, entschuldigen Sie, dass ich Sie unter breche. Solange Sie die Zeit anhalten, jederzeit. Ja. – Ich möchte Ihre Redebedingungen verbessern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie an dieser Debatte nicht teilhaben wollen, bitte ich Sie, die dringenden Gespräche doch vor der Türe fortzusetzen, sodass die Kollegen, die sich hier mit dem Kollegen Niebel austauschen wollen, die Chance dazu haben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Vorsitz: Vizepräsidentin Petra Pau)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603515500

(Dr. Uwe Küster [SPD]: So wenige!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Zurufe: Oh!)


(Beifall bei der FDP)

Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1603515600

(Unruhe)


(Beifall bei der FDP)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der FDP)


(Unruhe)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603515700
Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1603515800
Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603515900


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1603516000

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich warne bloß davor,

dass dann hier wieder nur zehn Abgeordnete der Regie-
rungsfraktionen sitzen. – Ein bisschen disziplinierter
müssen Sie schon sein, wenn Sie groß sein wollen.


(Beifall des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])


In der abgewählten Regierung gibt es eine gewisse
Häufung von Fällen, von denen man sagen könnte, dass
sie ein Geschmäckle haben. Eine Interessenvermischung
ist zumindest möglich.

Wenn der ehemalige Wirtschaftsminister Müller, der
aus der Energiewirtschaft kam und als Parteiloser ein
Ministeramt übernommen hat, in die Energiewirtschaft
zurückgeht, mag noch ein gewisses Maß an Toleranz ge-
übt werden. Wenn aber ein Staatssekretär, der für diesen
Minister eine Ministerentscheidung durchgesetzt hat,
ebenfalls in den Vorstand eines der begünstigten Ener-
gieunternehmen geht, dann wird es schon kritisch. Wenn
ein ehemaliger bayerischer Wirtschaftsminister erst die
Verhandlungen dieser vermeintlich großen Koalition im
Verkehrsbereich führt und unmittelbar im Anschluss da-

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(C (D an in den Vorstand der Deutschen Bahn wechselt, dann arf man schon hellhörig werden. Das Gleiche gilt für einen ehemaligen Staatssekretär m Finanzministerium, der nicht nur ein Schuldengechäft eingefädelt hat, sondern auch für die Bankenauficht zuständig war und offenkundig an der Gewährung iner relativ großen Bürgschaft mit beteiligt war, von der n der letzten Regierung offenkundig keiner gewusst hat, nd der dann in ein Unternehmen geht, das von all dieen Geschäften profitiert hat. Spätestens dann muss die ellhörigkeit doch noch etwas präziser werden. s schlägt dem Fass den Boden aus, wenn ein Altbuneskanzler zum Gasmann wird, also faktisch auf einen osten wechselt, den es ohne sein politisches Handeln iemals gegeben hätte. Ich habe drei Kinder. Ich versuche ihnen deutlich zu achen, dass es bestimmte Dinge gibt, von denen man eiß: Die tut man nicht. Es gibt auch bestimmte Dinge, ie sich nicht wegprozessieren lassen. Es ist eine Frage on Ethik und Moral, von Anstand und Common Sense, ber die wir hier diskutieren. Ich bin der festen Überzeuung: Wenn sich Menschen in einem öffentlichen Amt ngagieren, haben sie auch nach dem Ausscheiden ein tück weit Sorge dafür zu tragen, dass dieses Amt und lle Nachfolgerinnen und Nachfolger in diesem Amt icht beschädigt werden. Gerade von einem Altkanzler, er – wie ich finde, zu Recht – sein Leben lang mit öfentlichen Aufgaben betraut wird und auch deswegen ichtigerweise in einem ausreichenden Maße alimentiert ird, hat man eine größere Sensibilität zu erwarten als on einem ehemaligen grünen Wirtschaftsstaatssekretär, er zu einem der größten Atomenergieerzeuger in eutschland geht – obwohl er doch eigentlich gegen die tomenergie ist. Ich glaube, es ist richtig, dass wir uns mit der Frage useinander setzen, was man tut und was man nicht tut. inen gewissen inneren Kompass für das zu haben, was nständig ist, steht einem Parlament durchaus gut an. eswegen fordern wir kein gesetzliches Berufsverbot Staatssekretäre und Minister sind keine Beamten und oldaten, es gilt nicht das Lebenszeitprinzip –, aber eien Verhaltenskodex. Wir selbst sollten uns Gedanken arüber machen, welches Ansehen wir in der Öffentlicheit genießen, dass Fehlverhalten Misstrauen in die Unbhängigkeit politischer Entscheidungen wecken kann. ie Bürgerinnen und Bürger können von uns erwarten, ass wir wenigstens so weit gehen, uns diese Gedanken u machen. Deswegen lade ich Sie alle ein, unseren Weg u gehen: kein gesetzliches Berufsverbot, aber ein Stück eit mehr Sensibilität für das, was sich gehört, und das, as man nicht tut. Vielen herzlichen Dank. Das Wort hat der Kollege Martin Gerster. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Stunde im Februar dieses Jahres, die Bundestagsdebatte im Dezember, aber auch die heutigen Beiträge zeigen: In der Tat gibt es immer wieder Fragen und Unklarheiten, wenn ehemalige Angehörige der Bundesregierung sehr schnell in die Wirtschaft wechseln. Oft wird über Nacht – ruck, zuck! – der Vorwurf der Vorteilsnahme erhoben, auch wenn das Verhalten rechtlich einwandfrei ist. Medien und Opposition spielen dabei einander in die Hände, skandalisieren vorschnell die Vorgänge. Es geht oft nur um Theater, wie es auch der heutige Vorgang, der von den Grünen initiiert wurde, zeigt. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? – Ute Kumpf [SPD]: Ein schlechtes Theater! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn von Ihnen mal ein paar da wären!)


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig!)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603516100

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





(A) )


(B) )

Martin Gerster (SPD):
Rede ID: ID1603516200

Hauptsache, das Image der Politiker, das Ansehen der
Entscheidungsträger ist schnell ruiniert. Ich glaube, am
Ende nehmen unsere Demokratie und unsere Gesell-
schaftsordnung Schaden, wenn wir vorschnell ein Urteil
über andere fällen, die sich viele Jahre in der Sache ver-
dient gemacht haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich glaube, dass eine Versachlichung der Debatte not-
wendig ist. Es stünde uns allen gut an, gerade in diesem
Zusammenhang auf Polemik und Fingerzeige zu ver-
zichten. Art. 66 Grundgesetz verbietet Ministern eine
anderweitige Tätigkeit, allerdings nur, solange sie im
Amt sind. Das Bundesministergesetz beinhaltet viel zu
den Rechten und Pflichten ehemaliger Bundesminister,
kennt aber kein Berufsverbot.


(Dirk Niebel [FDP]: Das wollen wir auch nicht!)


Ich sage: Das ist auch gut so.


(Beifall bei der SPD)


Kollege Brandt hat schon vor einer halben Stunde darauf
hingewiesen. Aus meiner Sicht brauchen wir in der Poli-
tik mehr Quereinsteiger aus der Wirtschaft und aus der
Wissenschaft. Das ist meines Wissens eine Forderung,
die von allen Parteien aufgestellt wird. Wer dies fordert,
muss im Umkehrschluss natürlich auch sagen, dass wir
für den Fall, dass jemand aus der Politik wieder in die
Wirtschaft oder in die Wissenschaft möchte, den Wech-
sel dorthin weiterhin ermöglichen müssen.


(Beifall bei der SPD)


Zweifelhaft wird der Wechsel aus meiner Sicht aller-
dings dann, wenn ein Mitglied der Bundesregierung po-
litische Entscheidungen offensichtlich nicht zum Wohle
des Volkes trifft, sondern um sich damit für die Zeit nach
der Regierungsverantwortung womöglich einen Posten
in einem Unternehmen zu sichern. Es ist aus meiner
Sicht nicht nur legitim, sondern auch dringend notwen-
dig, hierüber zu diskutieren. Ich finde es auch gut, dass
diese Debatte hier heute erneut stattfindet.

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(C (D Deswegen bin ich auch dankbar für die Denkanstöße, ie aus den drei Fraktionen gekommen sind. Entschuldiung, aber mehr als Denkanstöße sind es aus meiner icht an dieser Stelle leider nicht. Wenn Ihre Anträge irklich so ernst gemeint sind, dann hätte ich eigentlich chon erwartet, dass sie nach all den erhitzten Diskussioen in den letzten paar Monaten fundierter und auch geauer ausgearbeitet sind. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht! Deshalb müssen Sie sich hier nicht so oberlehrerhaft aufführen!)


Mir liegt viel daran, dass sich die Bundesregierung
atsächlich auf den Weg macht, eine Selbstverpflich-
ung einzugehen und sie vielleicht auch öffentlich zu
räsentieren. Herr Niebel, ich glaube aber, dass sie in der
at kein Patentrezept bzw. Allheilmittel ist und erst recht
ein wirksamer Schutz davor, dass ein Wechsel aus der
egierung in Spitzenpositionen der Wirtschaft womög-

ich ein Geschmäckle nach sich zieht. Hier also so zu
un, als ob das die Patentlösung sei, ist sicher verfehlt.


(Dirk Niebel [FDP]: Nicht alles, was legal ist, ist legitim!)


Herr Brandt hat schon auf die Frage hingewiesen, wer
etztendlich über Verstöße urteilen soll. Wer soll über-
aupt Sanktionen verhängen? Welche Sanktionen sollen
n dieser Stelle überhaupt greifen? Ehrlich gesagt: Von
inem solchen Ehrenkodex verspreche ich mir nicht
llzu viel.

Interessant ist auch der Beitrag des Präsidenten des
undesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, der in
er „Leipziger Volkszeitung“ im Dezember gesagt hat
ich zitiere –:

Von dem Erlass eines normativen Regelwerks in
Fragen des politischen Anstands rate ich ab. Das
Meiste sollte sich von selbst verstehen.

ür jeden denkbaren Einzelfall lasse sich ohnehin keine
orabregelung treffen. Weiter sagte er:

Jeder muss sich für seine Entscheidungen vor sich
selbst und vor der Öffentlichkeit rechtfertigen.

urzum, Herr Niebel: Ein Ehrenkodex ist gut gemeint,
ber gut gemeint ist eben meistens nicht gut gemacht.


(Beifall bei der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Was heißt das denn für den Gaskanzler? – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also soll alles so bleiben, wie es ist?)


Herr Niebel, wir haben auch in diesem Hause in der
ergangenheit reichlich über diese Fälle diskutiert. Ich
enke, irgendwann muss man auch einmal mit Blick in
ie Zukunft diskutieren. Ansonsten können wir noch
inmal von vorne beginnen und alle Fälle, angefangen
ei Herrn Bangemann, noch einmal durchdiskutieren.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb haben wir ja Anträge gestellt! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was schlagen Sie denn vor?)







(A) )



(B) )


Martin Gerster
Ich komme jetzt zu den einzelnen Anträgen, die hier
auf dem Tisch liegen.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben alle Anträge für unzureichend erklärt! Wir wollen hören, was Sie vorschlagen!)


– Ich komme auch zu Ihrem Antrag. Um diese geht es
heute hier in unserer Debatte ja. – Zum Antrag der Frak-
tion Die Linke. Es soll eine Regelung geschaffen wer-
den, die es – so wörtlich –

früheren Mitgliedern der Bundesregierung und ih-
ren Staatssekretären untersagt, in den ersten fünf
Jahren nach ihrer Tätigkeit in Regierungsverant-
wortung eine Tätigkeit in der Privatwirtschaft auf-
zunehmen, die im Zusammenhang mit ihrer Tätig-
keit in Regierungsverantwortung steht.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass ich zwei Probleme
damit habe:

Erstens. Beamtete Staatssekretäre können Sie entge-
gen Ihrem Wortlaut ja wohl nicht meinen; denn dafür
gibt es ja bereits eine Regelung, nämlich eine beamten-
rechtliche. Deswegen sage ich: Ihr Antrag ist handwerk-
lich einfach nicht gut zusammengeschustert worden.

Zweitens. Ich halte es auch für sehr schwierig – hier
teile ich die Ansicht vom Kollegen Niebel –, ein teilwei-
ses Berufsverbot für fünf Jahre zu verhängen, während
das Übergangsgeld keinesfalls länger als drei Jahre be-
zogen werden kann. Sie haben hierbei nämlich offenbar
vergessen, dass laut Arbeitsrecht Konkurrenzverbote nur
dann wirksam sind, wenn eine entsprechende Entschädi-
gung gewährt werden kann. Dies ist hier nicht der Fall.
Deswegen muss Ihr Antrag leider schon allein aus hand-
werklicher Sicht zurückgewiesen werden.


(Beifall bei der SPD – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Arbeitsrecht gilt hier nicht!)


– Jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Wieland. Warten Sie es
doch ruhig ab. Ich glaube, weniger Aufgeregtheit tut uns
allen gut.

Ich habe mir auch das Papier vom Bündnis 90/Die
Grünen angeschaut. Sie fordern eine verfassungsfeste
Lösung, die die Bundesregierung hier vorlegen soll.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss man immer dazu sagen! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre mal was Neues bei Ihnen!)


Dabei ist ganz interessant, dass Sie in Ihrem Antrag auf
§ 69 a des Bundesbeamtengesetzes verweisen und dies
gleich mit dem Hinweis versehen, dass es dabei ja ver-
fassungsrechtliche Probleme gibt. Ich frage Sie: Wie
passt das zusammen? Auf der einen Seite fordern Sie
von der Bundesregierung, eine verfassungsfeste Lösung
vorzulegen. Auf der anderen Seite weisen Sie in Ihrem
eigenen Antrag auf verfassungsrechtliche Probleme hin.
Irgendwie – Entschuldigung – passt das überhaupt nicht
zusammen.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Das zeigt das große Vertrauen in diese Regierung vonseiten der Grünen!)


Ich fasse zusammen: Ich gestehe Ihnen zu, dass Ihre
nitiativen aus meiner Sicht wichtige Beiträge für eine
bsolut notwendige Debatte sind. Aber der Königsweg
st ganz sicher nicht dabei. Mein Wunsch an die Fraktion
on Bündnis 90/Die Grünen ist: weniger Polemik und
ehr Sachlichkeit. Das würde uns allen gut tun und uns

n der Sache einen großen Schritt voranbringen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603516300

Das Wort hat der Kollege Volker Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603516400

Herr Kollege Gerster, ich habe nicht verstanden, wel-

hes die Position der SPD-Fraktion ist. Wollen Sie nun,
ass etwas getan wird, oder wollen Sie alles so lassen,
ie es ist? Das wird immer wieder zu solchen Debatten
ie nach dem Wechsel von Herrn Schröder zu Gasprom

ühren. Ich will gar nicht sagen, dass seine frühere Posi-
ion in einem direkten Zusammenhang zu seiner jetzigen
ätigkeit steht. Aber es gibt kein Verfahren, in dem ge-
rüft wird, ob dieser Zusammenhang besteht und ob
iese Tätigkeit zulässig ist. Das schadet nicht nur der
irtschaft, sondern auch den Betroffenen. Deshalb brau-

hen wir klare Regelungen.

Lieber Herr Kollege, in der Europäischen Union gibt
s eine Regelung, die nach dem Fall Bangemann, dem
rüheren EU-Kommissar der FDP, eingeführt wurde, als
r unmittelbar nach seinem Ausscheiden aus der Kom-
ission, wo er für das Telekommunikationsgeschäft zu-

tändig war, zu einem Telekommunikationsunternehmen
ewechselt ist. Das hatte genau wie jetzt bei Herrn
chröder ein Geschmäckle, der in diesem Sinne sozusa-
en der Bangemann der SPD ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD)


Leider gibt es dazu eine Reihe von Diskussionen. Es
chadet dem Ansehen der parlamentarischen Demokra-
ie, der Bundesregierung und der politischen Klasse,
enn wir das nicht in Ordnung bringen. Einige Bei-

piele: Herr Müller ist zur RAG gewechselt, Herr Tacke
rbeitet inzwischen für die STEAG und Herr Koch-
eser ist nun für die Deutsche Bank tätig. Herr Wiesheu

erhandelt erst in der Koalition über die Bahn und die
erkehrspolitik – so hört man – und entschwindet dann
ur Deutschen Bahn AG, nachdem er lange Zeit Ver-
ehrsminister in Bayern war. Das hat einen komischen
eigeschmack. Wenn dann auch noch die Deutsche
ahn erklärt, gerade wegen seiner Beteiligung an den
ahnreformen habe sie Herrn Wiesheu angeheuert, dann
uss man sagen: Man weiß nicht, wie die Zusammen-

änge sind, aber man hat ein ungutes Gefühl.






(A) )



(B) )


Volker Beck (Köln)

Auch in der Öffentlichkeit entsteht der Verdacht – dem
will ich entgegentreten –, Regierungsmitglieder fällten in
ihrem Amt Entscheidungen, die sich hinterher für sie di-
rekt oder indirekt auszahlten, weil sie sich Unternehmen
gewogen gemacht hätten. Diesen Verdacht müssen wir
ausräumen, indem wir klare und transparente Regelungen
festlegen.

Zur Lösung dieses Problems gibt es zwei Ansätze.
Der eine Ansatz orientiert sich an § 69 a des Bundesbe-
amtengesetzes, der für Beamte gilt. Dabei werden muta-
tis mutandis die versorgungsrechtlichen und die status-
rechtlichen Verhältnisse von Bundesministern und
Staatssekretären angepasst. Der andere Ansatz ist der
Verhaltenskodex der Europäischen Union für ehema-
lige Kommissionsmitglieder.

Ich bin dafür, dass wir uns zusammensetzen, um zu
klären: Was können wir aus diesen beiden Regelungen
lernen, um so zu einer Lösung zu kommen? Ein Vor-
schlag: In einem festgelegten Verfahren meldet das aus-
geschiedene Mitglied die Tätigkeit an. Danach untersucht
ein Ethikrat oder ein Gremium, ob es einen Konflikt zur
früheren Tätigkeit gibt. Dann wird entschieden, ob die
Tätigkeit innerhalb der Karenzzeit aufgenommen werden
darf oder ob bis zum Ende der Karenzzeit gewartet wer-
den muss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dieses Verfahren ist klar und transparent. Es dient dazu,
das Ansehen der politischen Klasse zu stärken, und ver-
meidet jeden Anschein von Korruption und Makeleien
anderer Art.

Ich bitte Sie wirklich, liebe Kolleginnen und Kollegen
von der großen Koalition: Überlegen Sie noch einmal,
ob Sie nicht mit uns, den Oppositionsparteien, zusam-
men zu einer Regelung kommen wollen.

Wir wollten Ihnen eigentlich den Vortritt lassen. Wir
hatten ursprünglich in einer Geschäftsführerrunde ver-
einbart, etwas zu warten, bis sich die Bundesregierung
entscheidet, ob sie aus eigener Kraft etwas vorlegen will.
Ich hätte das besser gefunden, weil es mir kein Anliegen
ist, uns bei solchen Themen als Oppositionspartei zu
profilieren. Aber ich finde, dass wir in diesem Bereich
für Klarheit sorgen müssen. Das erwarten die Bürgerin-
nen und Bürger draußen im Lande von uns und das soll-
ten wir uns als Demokratinnen und Demokraten auch
selber schuldig sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603516500

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 16/846, 16/677 und 16/948 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe den Zusatzpunkt 6 auf:

Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines

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(C (D Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation – Drucksache 16/1408 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre azu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege orst Seehofer für die Bundesregierung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Hartmut Koschyk [CDU/ CSU]: Bravo! Den braucht ihr nicht erst herbeizuzitieren! Er ist schon hier!)


Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
andwirtschaft und Verbraucherschutz:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Heute wird zum dritten Mal innerhalb der letzten

ünf Jahre versucht, ein bundeseinheitliches Verbraucher-
nformationsgesetz mit einem Recht der Verbraucher auf
ugang zu Behördeninformationen durchzusetzen. Diese
oalition wird den dritten Versuch zum Erfolg führen.


(Mechthild Rawert [SPD]: Jawohl!)


Ich glaube, nach einem langen Anlauf wird das Ge-
etz zu einem Meilenstein für die Verbraucherrechte in
er Bundesrepublik Deutschland, der gut in unsere Zeit
asst,


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


eil nach unserer modernen Verbraucherpolitik ausrei-
hende Verbraucherinformationen zum Bild des mündi-
en Verbrauchers gehören. Wir machen eine moderne
erbraucherpolitik, die – das kann man nicht oft genug
etonen – der Schlüssel für eine erfolgreiche Wirt-
chaftspolitik ist. Beides gehört zusammen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deshalb ist dieses Gesetz jetzt notwendig. Es steht
uch in Einklang mit dem anderen großen politischen
iel dieser Regierung, unser Land zu entschlacken und
nbürokratischer zu gestalten.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


enn nicht jeder Paragraf bedeutet Bürokratie. Beim
erbraucherinformationsgesetz geht es vielmehr darum,
en Bürgern eine Dienstleistung anzubieten. Die Bürger
ekommen vor allem ein Recht auf Zugang zu Informa-
ionen, die ohnehin bei den Behörden vorhanden sind.
eshalb trägt dieses Gesetz nicht zu zusätzlicher Büro-
ratie bei; vielmehr schafft es eine zusätzliche Dienst-
eistung der öffentlichen Hand zugunsten der Menschen.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Bundesminister Horst Seehofer
Das Gesetz insgesamt ist äußerst schlank.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das stimmt! Abgemagert!)


Ich habe wenige Gesetze mitbeschlossen, die so über-
sichtlich, klar lesbar und hinsichtlich ihres Volumens so
kompakt waren wie das Verbraucherinformationsgesetz,
sodass wir mit Fug und Recht davon reden können, dass
dieses Gesetz schlank und unbürokratisch ist und des-
halb nicht im Widerspruch zu unseren Entbürokratisie-
rungsbemühungen in Deutschland steht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Manfred Zöllmer [SPD])


Das Gesetz umfasst drei wesentliche Inhalte: Der
erste Punkt ist eine Konsequenz aus den Fleischskanda-
len des letzten Jahres, Stichwort „Gammelfleisch“ bzw.
„Ekelfleisch“. Das geltende Recht hat zu der eigenarti-
gen Situation geführt, dass der Name einer Firma nicht
mehr öffentlich genannt werden durfte, wenn ein verdor-
benes Produkt bereits verkauft und im Regelfall schon
verzehrt war, dass aber dann, wenn das Produkt noch auf
dem Markt war, der Name genannt werden durfte. Sie
können keinem logisch denkenden Menschen erklären,
warum der Hersteller eines Produkts, das aufgrund der
besonderen Energie seitens des Herstellers bereits ver-
kauft wurde und nicht mehr auf dem Markt ist, nicht na-
mentlich genannt werden darf, während der schläfrige
Produzent, der noch nicht alles verhökert hat, genannt
werden darf. Es ist dringend notwendig, diese Gesetzes-
lücke zu schließen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Denn die Namensnennung ist eine sehr wichtige Präven-
tionsmaßnahme. Ich glaube, dass die Nennung des Na-
mens desjenigen, der gegen das Lebensmittelrecht ver-
stoßen hat, mehr präventive Wirkung hat als das
Ordnungswidrigkeiten- oder das Strafrecht. Es geht
schließlich immer um die wirtschaftliche Existenz einer
Firma.

Der zweite Punkt ist ebenfalls schwer zu erklären.
Aber es war und ist Realität, dass die eine Ebene des
Staates, die Strafverfolgungsbehörden, zwar Ermitt-
lungen wegen Verstößen gegen das Lebensmittelrecht
durchführt, aber die andere Ebene des Staates, die für
Lebensmittelüberwachung zuständigen Behörden,
nicht unterrichtet. Die eine Ebene des Staates hat also
Erkenntnisse und die andere Ebene des Staates hält sich
unwissend. Dies hat gerade im Süden der Republik kon-
krete Auswirkungen gehabt. Deshalb ist ein zentrales
Element des Gesetzentwurfs die Verpflichtung der Straf-
verfolgungsbehörden, die für Lebensmittelüberwachung
zuständigen Behörden über Ermittlungsverfahren zu un-
terrichten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Klaus Uwe Benneter [SPD]: Damit es auch in Bayern funktioniert!)


Ein dritter wichtiger Punkt ist, dass Firmen, die selber
feststellen, dass ihre Produkte nicht in Ordnung sind,
und die Öffentlichkeit informieren wollen, nicht länger
nur auf Eigeninitiative angewiesen sind, sondern von

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(C (D en Behörden Unterstützung bekommen können. Die ehörden können nun öffentlich vor den entsprechenden rodukten warnen und Hinweise ins Internet einstellen. as ist ein wichtiger Fortschritt, eine Konsequenz aus en letzten Monaten. Der vierte und zentrale Punkt ist: Erstmals in der bunesdeutschen Geschichte wird den Bürgern ein Anpruch auf Behördeninformationen eingeräumt. Wenn ie Bürger diesen wahrnehmen, müssen sie für die entprechende Dienstbzw. Serviceleistung Gebühren zahen und Auslagen ersetzen, wenn beispielsweise umangreiche Studien kopiert werden müssen. Aber es ist in Meilenstein, ein verbraucherpolitischer Durchbruch, ass die Bürger unseres Landes gegenüber den Behörden rstmals einen Anspruch auf Information über die Zuammensetzung und die Gefahren von Lebensund Futermitteln sowie Bedarfsgegenständen haben. Sie könen nun beispielsweise erfahren, wie hoch die estizidbelastung von Erdbeeren oder bestimmten Geüsesorten ist. Wenn wir landauf, landab vom mündigen Bürger reen – das tun fast alle Politikerinnen und Politiker –, ann gehört es dazu, dass der mündige Bürger das Recht rhält, dass ihm die Behörden im Falle des Falles die ohehin vorhandenen Informationen mitteilen; das ist ein roßer Fortschritt. Darüber bin ich sehr glücklich. Nun ist es gerade in Deutschland objektiv unmöglich hier mache ich mir keine Illusionen –, politische Entcheidungen zu treffen, ohne dass man dafür kritisiert ird. Das gehört sicherlich zu einer lebendigen Demoratie. Aber die Kritik sollte sich zumindest an der ahrheit orientieren, insbesondere bei denjenigen, deren xistenz durch Steuergelder mitfinanziert wird. Auf eier heute stattfindenden Demonstration wird ein Fluglatt verteilt, in dem es heißt: Das Gesetz hat gravieende Lücken. Es fehlen klare Regeln, die verhindern, ass Gesetzesverstöße weiter als Betriebsgeheimnisse nter Verschluss bleiben. (Kristina Köhler [Wiesbaden] [CDU/CSU]: Das ist doch gelogen!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


azu kann ich nur sagen: Das hat mit der Realität nichts
u tun; denn nach unserem Gesetzentwurf sollen Geset-
esverstöße ausdrücklich nicht unter den Schutz von Be-
riebsgeheimnissen fallen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


uf Deutsch: Niemand kann sich auf den Schutz von
etriebsgeheimnissen berufen, wenn Rechtsverstöße be-
angen wurden. Nichtsdestotrotz werden unwahre Kri-
ikpunkte in der Öffentlichkeit verbreitet, obwohl sie mit
er Absicht des Gesetzgebers nicht in Einklang stehen.
ch habe nichts gegen Diskussionen. Aber sie sollten fair
nd an der Wahrheit orientiert geführt werden.

Natürlich kann man über die Ausgestaltung eines Ge-
etzes endlos diskutieren. Aber dafür gibt es ein parla-
entarisches Verfahren. Wir werden in den Experten-

earings völlig offen gegenüber der technischen
usgestaltung des Gesetzes sein. Das ist ja der Sinn des






(A) )



(B) )


Bundesminister Horst Seehofer
parlamentarischen Verfahrens. Das oberste Ziel muss
bleiben, dass wir nach fünfjährigen Bemühungen um
eine verbesserte Verbraucherinformation in der Bundes-
republik Deutschland die Vorschläge, die wir heute vor-
legen, nicht mit der Folge zerreden, dass am Ende nichts
kommt. Wir sollten vielmehr das, was möglich ist, jetzt
verabschieden. Dann sollten wir einen zweijährigen
Praxistest machen. Nach Ende dieser zweijährigen
Periode, die wir in der Koalition vereinbart haben, soll-
ten wir uns ansehen, wie das Gesetz in der Praxis ge-
wirkt hat. Geben wir dem Gesetz in der Praxis eine
Chance! Machen wir es nicht umgekehrt, nämlich so,
dass es vor lauter Theoriediskussion nicht zur Anwen-
dung in der Praxis kommt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir werden nicht zulassen, dass der Erfolg von vornhe-
rein klein geredet wird. Ich möchte zum Schluss ein
schönes Sprichwort bringen: Wir sind niemals am Ziel,
sondern immer auf dem Weg dorthin.

Machen wir uns also auf zum Ziel!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603516600

Das Wort hat der Kollege Hans-Michael Goldmann

für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1603516700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Zum Schluss haben Sie, Herr Minister, gesagt,
dass Sie auf einem Weg sind. Dieser Weg ist für uns
nicht erkennbar. Dieses Gesetz ist nicht schlank,


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Sechs Paragrafen!)


sondern es ist schlicht und ergreifend inhaltsarm. Dieses
Gesetz hat keine Substanz und es wird zusätzlich da-
durch verwässert – da sollten wir sehr ehrlich miteinan-
der umgehen, Herr Seehofer; Sie nehmen die Worte
Wahrheit und Klarheit häufig in den Mund –, dass es ein
interessantes parlamentarisches Verfahren gibt. Auf der
einen Seite gibt es den Gesetzentwurf, auf der anderen
Seite gibt es einen, wenn auch heute noch nicht im Parla-
ment zu behandelnden, aber immerhin im Verfahren ste-
ckenden Entschließungsantrag. Wenn man den Gesetz-
entwurf mit dem Entschließungsantrag vergleicht, dann
ist man schon sehr darüber überrascht, dass auf der einen
Seite im Gesetzentwurf Versprechen gemacht werden,
die auf der anderen Seite im Entschließungsantrag zum
großen Teil rückgängig gemacht werden. Insofern ist
dieser Koalitionskompromiss, der hier auf dem Tisch
liegt, schwach und er ist in Sachen Klarheit als absolut
minderwertig zu beurteilen.


(Beifall bei der FDP – Widerspruch bei der SPD)


Es gibt auch die Qualifizierung „bedingt tauglich“, aber
dieser Gesetzentwurf ist minderwertig, das heißt im
Nahrungs- und Genusswert erheblich herabgesetzt.


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Nicht richtig gelesen!)


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(C (D Zu diesem Gesetz muss man sagen: Sie betreiben Etiettenschwindel. Ihr Gesetz ist unübersichtlich, es reihen ich zahlreiche unüberschaubare Ausnahmetatbestände neinander, es wird von vornherein ein viel zu enger Anendungsbereich angelegt und die Kostenregelung zu asten des Verbrauchers führt dazu, dass Sie den Verrauchern Informationsrechte rauben. Da helfen auch eine Presseerklärungen der Kolleginnen Heinen und löckner oder des Kollegen Bleser, die von einer Stärung der Verbraucherrechte sprechen. Ich habe den Eindruck, dass bei Ihnen ein hohes Maß n Verwirrung herrscht. m Gesetz wollen Sie Betriebsund Geschäftsgeheimisse grundsätzlich schützen. Verwirrung schaffen Sie ber schon durch die problematische Formulierung, wettbewerbsrelevante Informationen, die in ihrer Beeutung für den Betrieb mit einem Betriebsund Gechäftsgeheimnis vergleichbar sind“, sollten ebenfalls eschützt werden. Was sind denn wettbewerbsrelevante nformationen? Wer hat denn das zu klären? Soll das ine Behörde entscheiden oder soll das möglicherweise ogar ein Beamter entscheiden? Nein, es gehört Klarheit n das Gesetz und diese Klarheit fehlt dem Gesetz ganz indeutig. (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Ach nein!)


Eine andere Frage ist, wie es sich mit dem direkten
nformationsanspruch gegenüber einem Unterneh-
en verhält. Sie wissen, dass gerade kleine und mittel-

tändische Unternehmen mit diesem Anspruch, der zum
eil von Verbraucherorganisationen erhoben wird, er-
ebliche Probleme haben. Ich hatte in der letzten Zeit
ährend Beratungen mit Kollegen der CDU/CSU, zum
eispiel im Vermittlungsausschuss, den Eindruck, dass
ir uns in dieser Frage einig sind.


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Sind wir auch!)


Wenn das so ist, warum bringen Sie dann zusammen
it der SPD einen Entschließungsantrag in das Verfah-

en, mit dem Sie durch die Hintertür gerade diesen nach
nserer Auffassung ungerechtfertigten Anspruch des
erbrauchers gegen Unternehmen einführen? Denn Sie
ollen auf europäischer Ebene eine Initiative entwi-

keln, um diese Verbraucherrechte über die europäische
bene auf nationaler Ebene zur Geltung zu bringen. Das

inde ich unfair und unaufrichtig. Das ist eigentlich eine
olitik nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach
ich nicht nass!


(Beifall bei der FDP – Peter Bleser [CDU/ CSU]: Das steht nicht im Gesetz!)


Sehr geehrter Herr Minister Seehofer, liebe Kollegin-
en und Kollegen von der CDU, ich meine, Sie sollten in
iesem Punkt Farbe bekennen. Was sollen diese europäi-
chen Initiativen? Wenn Sie der Meinung sind, dass es
inen Verbraucherinformationsanspruch nicht nur ge-
enüber der Behörde, sondern auch gegenüber dem Un-
ernehmen geben soll, warum schaffen Sie dann keine
ntsprechende Regelung in Ihrem Gesetz?






(A) )



(B) )


Hans-Michael Goldmann
Ich will noch einen anderen Punkt ansprechen, der
mich sehr beunruhigt: Es geht um die Selbstverpflich-
tung der Unternehmen zu mehr Verbraucherinforma-
tionen. Das ist dasselbe Verfahren: Sie sagen, Sie wollen
zunächst einmal mit den Betrieben ins Gespräch kom-
men; aber wenn die Betriebe dann nicht so spuren, wie
Sie sich das vorstellen, dann entwickeln Sie europäische
Initiativen, die wiederum dazu beitragen, dass die euro-
päische Ebene das regelt, was Sie aufrichtigerweise ins
nationale Verbraucherinformationsgesetz hineinzubrin-
gen nicht bereit sind.

Ich frage mich wirklich: Welche Haltung haben Sie
gegenüber Unternehmen, wenn Sie von Selbstverpflich-
tung sprechen? Kennen Sie die vielfältigen Aktivitäten
deutscher Unternehmen nicht, die gerade darauf abzie-
len, die Verbraucherinformationen, die Verbraucherbil-
dung zu verbessern? Kennen Sie nicht das Mitwirken der
deutschen Lebensmittelwirtschaft zum Beispiel in der
Plattform für Ernährung und Bewegung? Wenn Sie das
alles kennen, dann wundere ich mich sehr darüber, dass
wir hier diesen Doppelweg gehen: auf der einen Seite ein
– Sie sagen: schlankes, ich sage: inhaltsarmes – Verbrau-
cherinformationsgesetz und auf der anderen Seite euro-
päische Initiativen, die das regeln, was in Ihrem Gesetz
nicht verankert ist.

Dieses Gesetz muss im Rahmen der Anhörung und im
Rahmen der Ausschussberatungen deutlich verbessert
werden; sonst wird es unseren gemeinsamen Ansprü-
chen an Verbraucherinformationen und an Verbraucher-
bildung nicht gerecht.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603516800

Das Wort hat die Kollegin Drobinski-Weiß für die

SPD-Fraktion.


Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Rede ID: ID1603516900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr verehrte Damen und Herren! Wir bringen heute den
Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes ein.
Erstmals wird damit dem Anspruch der Verbraucherin-
nen und Verbraucher auf Informationen in einem eigen-
ständigen Gesetz Rechnung getragen und den Verbrau-
cherinteressen der Stellenwert eingeräumt, der ihnen
gebührt und den wir als SPD-Fraktion bereits mehrfach
eingefordert haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Vor dem Hintergrund des Gammelfleischskandals ist
Bewegung in die festgefahrene Diskussion um ein Ver-
braucherinformationsgesetz gekommen. Wir konnten
uns mit unserem Koalitionspartner auf den heute vorlie-
genden Entwurf einigen. Er sieht deutliche Verbesserun-
gen für die Verbraucherinnen und Verbraucher vor und
verleiht ihren Interessen mehr Gewicht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


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(C (D Ich will aber auch erklären, dass für uns, die SPDraktion, dies erst der Auftakt ist. Die vorgesehenen aßnahmen sind erste Schritte auf dem Weg zu einem ransparenteren Markt, denen weitere Schritte folgen üssen. Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir die Mög ichkeiten und Pflichten der Behörden zur Information er Öffentlichkeit über Missstände im Lebensmittel-, uttermittelund Bedarfsgegenständebereich auswei en. Außerdem sollen sich Verbraucherinnen und Verraucher künftig selbst bei den Behörden informieren önnen, auch wenn keine Rechtsverstöße vorliegen. Aber schon der Dichter Friedrich von Logau formuierte: „Anfang, der nicht Fortgang hat, ist ein Wagen hne Rad.“ Wir wollen dafür sorgen, dass dieser Wagen namens erbraucherinformation Räder bekommt, damit er fah en kann. Verbraucher und Verbraucherinnen müssen ugang zu allen Informationen haben, die ihnen eine beusste Auswahl von Produkten und Dienstleistungen eröglichen und eine eigenverantwortliche Marktteil ahme gewährleisten. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Auch gegenüber Unternehmen?)


Hier ist auch die Wirtschaft gefordert, Herr Kollege
oldmann: Die Unternehmen müssen ihrer Verantwor-

ung gegenüber ihren Abnehmern nachkommen und sie
ber ihre Produkte und Dienstleistungen informieren.
erbraucherpolitik ist Wirtschaftspolitik von der Nach-

rageseite.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Auch von der Angebotsseite, Frau Kollegin!)


ur dann, wenn die Konsumenten und Konsumentinnen
ber die Qualität der Produkte informiert sind, kann
ualität nachgefragt werden und sich am Markt durch-

etzen. Diesen Wettbewerbsvorteil gilt es zu nutzen;
enn die Stärke der deutschen Wirtschaft liegt in der
ualitätsproduktion.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig!)


Vielen Dank, Herr Goldmann.

Wir werden deshalb im Laufe des Verfahrens einen
ntrag zum Gesetzentwurf einbringen, der – der Herr
inister hat es schon angedeutet – die Überprüfung

er Erfahrungen mit dem Verbraucherinformationsge-
etz vorsieht und weitere Maßnahmen für mehr Markt-
ransparenz aufzeigt.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Warum bringen Sie das nicht ins Gesetz?)


ir müssen auswerten, wie sich die neuen Regelungen
n der Praxis bewähren.


(Zuruf)


Ich finde das gar nicht lächerlich. – Wir wollen wissen,
b und, wenn ja, wie oft und aus welchen Gründen Infor-
ationen verweigert wurden. Damit kann nachvollzogen
erden, ob und gegebenenfalls welche Ausschluss-
ründe den Informationsanspruch der Verbraucherinnen
nd Verbraucher zu stark einschränken.






(A) )



(B) )


Elvira Drobinski-Weiß

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das können Sie doch alles ins Gesetz schreiben! Schreiben Sie es doch ins Gesetz!)


Auch die Bearbeitungszeit für die Auskunftsanliegen
und die Kosten für die Anfragenden sollen dokumentiert
werden, damit wir bei Fehlentwicklungen gegensteuern
können.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist doch selbstverständlich!)


Ich sage von hier aus noch einmal ganz deutlich: Wir
erwarten von der Wirtschaft Vorschläge dazu, wie der
Zugang der Verbraucherinnen und Verbraucher zu den
bei den Unternehmen vorhandenen Informationen er-
möglicht werden kann.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Prost!)


Da werden wir nicht lockerlassen; denn die Unterneh-
men sind die wichtigste Informationsquelle für die Ver-
braucherinnen und Verbraucher. Informationen sind die
beste Werbung für Qualitätsprodukte. Kommt hier nichts
zustande, werden wir auf gesetzliche Regelungen drän-
gen.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Für wie blöd halten Sie denn die Unternehmen? Das ist abenteuerlich!)


Sehr geehrte Damen und Herren, mit unserem Gesetz-
entwurf machen wir uns endlich auf den Weg zu einem
transparenteren Markt. Auf diesem Markt mit Qualitäts-
produkten ist Transparenz ein Wettbewerbsvorteil. Des-
halb lade ich Sie ein, uns auf diesem Weg zu begleiten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603517000

Das Wort hat die Kollegin Tackmann für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603517100

Sehr geehrte Frau Präsidentin, es ist mir eine große

Ehre, während Ihrer ersten Sitzungsleitung reden zu dür-
fen.


(Beifall bei der LINKEN)


– Das muss sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Mit
dem Verbraucherinformationsgesetz ist es ein bisschen
wie bei dem bekannten Sprichwort: Der Berg kreißte
und er gebar ein Mäuschen.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Da hast du Recht!)


Am Ende weiß man nicht, ob man froh darüber sein soll,
dass es wenigstens ein Mäuschen geworden ist.

Entgegen allen wortreichen Bekenntnissen zum Ver-
braucherschutz wirkt das erste große Gesetzesvorhaben

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(C (D on Minister Seehofer und den Koalitionsfraktionen ustlos und wenig ambitioniert, (Widerspruch bei der CDU/CSU – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Wir hatten viel Spaß dabei!)


ielleicht deshalb, weil das Ergebnis des Kreißens nicht
inmal eine Maus werden sollte, sondern nur ein schwa-
hes Mäuschen, das hoffentlich keinen Ärger macht.
abei ist die Aufgabenstellung übersichtlich: Verbrau-

herinnen und Verbraucher sollen so mit Informations-
echten und Informationszugängen ausgestattet werden,
ass sie sich im Spannungsfeld von Verbraucher- und
irtschaftsinteressen souverän behaupten können; denn

atürlich müssen Gesetze die Interessen der Schwäche-
en gegenüber denen der Stärkeren schützen.


(Beifall bei der LINKEN)


as ist, meine ich, alles andere als wirtschaftsfeindlich.
m Gegenteil: Dort, wo es ein Vertrauensverhältnis zwi-
chen Wirtschaft und Verbraucherinnen und Verbrau-
hern gibt, profitieren beide Seiten. Vertrauen lässt sich
ur mit Transparenz und Offenheit herstellen.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sehr richtig!)


Diesem Anspruch wird der vorliegende Gesetzent-
urf leider nicht gerecht. Meine Fraktion hat elf Kritik-
unkte formuliert. Ich werde mich auf die wichtigsten
onzentrieren.

Erstens. Informationszugänge müssen kostenfrei an-
eboten werden, damit die Möglichkeit ihrer Nutzung
icht vom sozialen Status abhängig ist.


(Beifall bei der LINKEN)


un hat Herr Minister Seehofer aber erst kürzlich öffent-
ich erklärt, dass kostendeckende Gebühren erhoben
erden sollen. Wir halten das für falsch; denn für die im-
er größer werdende Zahl sozial benachteiligter Men-

chen stehen oft schon andere Informationsquellen wie
eitungen nicht mehr zur Verfügung. Das zusammenge-
ürzte Netz von Verbraucherberatungsstellen wird für
ie immer schwerer erreichbar. Wir werden überall dort

iderstand leisten, wo Armut auch noch rechtlos macht.


(Beifall bei der LINKEN)


Zweitens. Wir fordern einen Informationsanspruch
egenüber privaten Unternehmen. Für uns ist es ein fata-
es Zeichen, dass diese Diskussion unterschwellig von
em Gedanken durchzogen wird, Informationsrechte
eien grundsätzlich und vorsätzlich gegen die Wirtschaft
erichtet. Es kann aber doch nicht Anliegen dieses Ge-
etzes sein, die Wirtschaft vor den Verbrauchern und
erbraucherinnen zu schützen. Was spricht eigentlich
egen diesen Informationsanspruch? Glauben Sie wirk-
ich, dass dann jeder morgens beim Bäcker die Rezeptur
einer Brötchen verlangt?

Drittens. Wir wollen die Behörden, entsprechend dem
mweltinformationsgesetz, deutlich stärker in die
flicht nehmen. Das heißt zum Beispiel, die Behörden
ollen zur aktiven Information der Öffentlichkeit sowie






(A) )



(B) )


Dr. Kirsten Tackmann
zur Hilfe bei der Informationsbeschaffung verpflichtet
werden. Dass nur die bereits vorliegenden Informationen
offen gelegt werden, reicht uns nicht.

Viertens. Wir fordern die Erweiterung des Geltungs-
bereichs des Verbraucherinformationsgesetzes. Herr
Goldmann hat schon darauf hingewiesen. Für uns ist es
nicht vermittelbar, dass nur der Bereich der Erzeugnisse
im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch geregelt
werden soll,


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Warten Sie doch ab, Frau Kollegin!)


aber beispielsweise nicht die berühmten Sicherheitshin-
weise bei Elektrogeräten.

Fünftens. Wir fordern eine deutliche Reduzierung der
jetzt sehr umfangreichen und weitgehenden Informa-
tionsverbote. Das bedeutet, der Verweis auf Betriebs-
und Geschäftsgeheimnisse darf nicht zum Freibrief für
Informationsverweigerung werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Sechstens. Wir fordern deutlich kürzere Bearbei-
tungszeiten.

Letztlich wird aber auch ein noch so gutes Verbrau-
cherinformationsgesetz das eigentliche Problem nicht lö-
sen: die strukturellen Ursachen der Lebensmittelskan-
dale. Wo Sozial- und Umweltdumping stattfindet, ist es
oft auch mit der Lebensmittelsicherheit nicht weit her.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603517200

Das Wort hat die Kollegin Ulrike Höfken für die Grü-

nen.


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603517300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Das ist jetzt der dritte Versuch eines Verbrau-
cherinformationsgesetzes. Sie hätten noch dazusagen
sollen, Herr Minister, dass die ersten beiden Versuche
hauptsächlich an Ihnen von der CDU/CSU gescheitert
sind.


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Aber Uli, du musst jetzt dankbar sein!)


Sie haben gesagt, die Nennung des Namens zur klaren
Information habe mehr Wirkung hinsichtlich der Be-
kämpfung von Wirtschaftskriminalität als alle anderen
Strafgesetzregelungen. Das ist richtig. Aber dann fragen
wir uns natürlich, warum die Latte beim Verbraucher-
informationsgesetz diesmal wieder gerissen wird.

Denn wie wir sehen, setzen Sie sich über die vielfache
Kritik von Verbraucher- und Umweltverbänden, von
Wirtschaft und Journalistenverbänden hinweg. Es ist ein
Gesetz voller Anwendungslöcher und bürokratischer
Hürden, das Sie jetzt durch den Bundestag peitschen.
Die Ausschlussgründe sind zu vielfältig, der Anwen-
dungsbereich ist zu klein, die Antwortfristen sind viel zu

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(C (D ang und die schwarzen Schafe – ich glaube, denen sind ie heute schon begegnet – werden weiter geschützt. Die Bezeichnung „Verbraucherinformationsgesetz“ st insgesamt völlig irreführend, weil Sie die Verbrauherinformation auf das Lebensmittelund Futtermittelecht reduziert haben. Das kann es ja wohl nicht sein. Nun liegt ein Konzept für einen Entschließungsntrag der Koalitionsfraktionen vor. Das ist ein merkürdiger Vorgang: Erst legen die Koalitionsfraktionen inen Gesetzentwurf vor, nun wollen die Abgeordneten inen eigenen Entschließungsantrag vorlegen. Das ist in sehr interessantes Verfahren. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Abenteuerlich! Koalitionssuppe ist das, ganz fade Koalitionssuppe! – Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das ist nichts Neues! Auch unter RotGrün haben wir so was praktiziert!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


m Herzen bin ich bei diesem Entschließungsantrag. Ich
in natürlich auch sehr interessiert, zu beobachten, wie
ich dieses Kind entwickelt.

Aber ganz klar ist: Hätten Sie sich an unserem Ge-
etzentwurf orientiert, den wir damals eingebracht
aben, dann hätten Sie ein wirklich effektives Verbrau-
herinformationsgesetz bereits im ersten Durchgang vor-
egen können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


tattdessen sind die Regelungen nahezu gleich inhalts-
eer geblieben: keine Informationsherausgabe und Na-

ensnennung bei bestimmten Schadstoffen, zum Bei-
piel der Druckchemikalie ITX oder Acrylamid.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das stimmt nicht, Uli!)


Doch, das stimmt. – Acrylamid – das darf ich einmal
en Kollegen von der CDU/CSU sagen – hat doch in der
ergangenen Legislaturperiode noch eine Bedrohung der
enschheit dargestellt.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)


Hier muss man also eine deutliche Lücke feststellen.
ine Information über diesen Schadstoff – das können
ie gerne nachprüfen; wir möchten bei der Wahrheit
leiben und werden dies weiter überprüfen – werden Sie
icht bekommen, ebenfalls nicht bezüglich Mehrfach-
estizidbelastungen von Obst und Gemüse.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das stimmt auch nicht! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Hast du den aktuellen Entwurf?)


Sie haben auch keinen Informationsanspruch und
eine Informationspflicht durch die Behörden bei wirt-
chaftlicher Täuschung, zum Beispiel bei Verschleierung
er Herkunft von Produkten – Frau Tackmann hat das
chon erwähnt – oder bei Umetikettierung von ach so be-
iebten importierten Billigsportartikeln oder Medika-
enten, vorgesehen. Kein Informationsanspruch besteht






(A) )



(B) )


Ulrike Höfken
auch bei Produkten und Dienstleistungen, zum Beispiel
bei Finanzdienstleistungen. Es gibt auch keinen Infor-
mationsanspruch gegenüber Unternehmen sowie im
Hinblick auf wirtschaftlich relevante Informationen.
Dies gilt beispielsweise für den Fall, dass Unternehmen
Kapitalanleger bewusst geschädigt hatten.

Der Gesetzentwurf baut durch unklare Formulierun-
gen – das ist vielleicht das Hauptproblem –, mangelnde
Transparenz, Kosten, bürokratische Vorschriften und zu
lange Antwortfristen einen Schutzwall gegen die Ver-
braucher. Das finden wir nicht akzeptabel. Die Verbrau-
cher und auch die Presse werden daran gehindert, ihre
Rechte wahrzunehmen. Unternehmen verstecken sich
hinter Betriebsgeheimnissen. Es ist für uns selbstver-
ständlich, dass diese gewahrt bleiben.


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Frau Höfken, Sie wissen, dass Sie die Unwahrheit sagen!)


Dieses Gesetz enttäuscht also die Erwartungen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603517400

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist eigentlich zu Ende.

Aber Sie können noch auf eine Zwischenfrage der Kolle-
gin Klöckner antworten.


Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1603517500

Ich habe eine Frage, Frau Kollegin Höfken. Sie haben

eben gesagt, der Verbraucher habe keinen Anspruch da-
rauf, etwas über Herkunft und Kennzeichnung zu erfah-
ren. Ich weiß nicht, ob Ihnen die aktuelle Version des
Gesetzes vorliegt. Mir liegt sie als Drucksache vor. In
§ 1 Abs. 1 heißt es:

Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch
auf freien Zugang zu allen Daten über …
3. die Kennzeichnung, Herkunft, Beschaffenheit,
Verwendung sowie das Herstellen oder das Behan-
deln von Erzeugnissen sowie über Abweichungen
von Rechtsvorschriften über diese Merkmale und
Tätigkeiten …

Haben Sie vorhin gemeint, dass das nicht möglich ist?


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sie müssen noch die Ausnahmetatbestände vorlesen! Aber das dauert zu lange!)



Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603517600

Wir haben lange Zeit darauf verwendet, die einzelnen

Paragrafen dieses Gesetzes zu prüfen und zu bewerten.
Darum sagen wir, dass es eher ein Verbraucherinforma-
tionsverhinderungsgesetz ist. Denn normalen Menschen
wird es aufgrund dieses Gesetzes nicht möglich sein,
eine Auskunft zu bekommen.


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Es ist doch ganz klar formuliert!)


Frau Klöckner, Sie vergessen den Anwendungs-
bereich des Gesetzes. Dieses Gesetz ist auf das Lebens-
mittel- und Futtermittelrecht reduziert. Aber es gibt auch
den Bereich – Frau Tackmann hat ebenfalls darüber ge-

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(C (D prochen – der importierten Sportartikel. Eine Informaion darüber bekommen Sie trotz aller Nachfragen nicht. Dieses Gesetz enttäuscht also die Erwartungen. Ich ehme Sie beim Wort, Herr Minister. Sie haben zugeagt, dieses Gesetz einer Überprüfung unterziehen zu assen. Also ein neuer Sprung; die Latte wird neu aufgeegt. Wir werden im Gesetzgebungsverfahren weiter daüber diskutieren. Danke schön. Ich erteile das Wort der Kollegin Mechthild Rawert on der SPD-Fraktion. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin en und Kollegen! Werte Gäste! Wir haben schon geört: Aus Kindern werden Leute; noch kein Mäuschen st klein geblieben. Infolgedessen gilt: Aller guten Dinge ind drei. Verbraucherschutz ist ein aktiver und bedeutender eil unserer Bürgergesellschaft. Jede Bürgerin und jeder ürger ist als Verbraucher davon betroffen. Verbraucher chutz betrifft uns alle. Wir wollen, dass ein umfangreiher Verbraucherschutz der Gesundheit, dem Schutz der irtschaftlichen Interessen, der Wiedergutmachung er ittenen Schadens wie auch der Unterrichtung und Auflärung über Waren und Dienstleistungen sowie die dait verbundenen Gefahren und Missbräuche dient. Wir sind uns doch alle einig: Der unappetitliche Gamelfleischskandal hat uns gezeigt, dass Gesundheitsrisi en für Verbraucherinnen und Verbraucher durch unsihere Produkte frühzeitig ermittelt und wirksam ekämpft werden müssen. Zuverlässige Kontrollen, ransparente Qualitätssicherungssysteme, sichere Pronosemethode sowie – darum geht es heute – unabhänige und objektive Informationen sind dabei die wichigsten Instrumente. Grundsätzlich stehen beim Verbraucherrecht wirtchaftliche und finanzielle Aspekte im Mittelpunkt. ir wollen Verbraucherinnen und Verbraucher dabei unerstützen, solche Waren und Dienstleistungen auszuählen, die ihnen sowohl qualitativ als auch finanziell en größten Nutzen versprechen. Wir wollen die Bürgeinnen und Bürger befähigen, dem Marktgeschehen nicht ehrlos gegenüberzustehen, sondern als sachkundige nd selbstbewusste Akteurinnen und Akteure zu agieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603517700
Mechthild Rawert (SPD):
Rede ID: ID1603517800

enn eines ist richtig: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist
esser.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig!)


ies hat eigentlich jede und jeder von uns schon einmal
esagt. Für beides, für Vertrauen und sachkundige Kon-
rolle, sind Transparenz und eine umfassende Informa-
ion die Voraussetzung.






(A) )



(B) )


Mechthild Rawert

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das steht aber nicht im Gesetz!)


Mit dem von der Regierungskoalition vorgelegten
Gesetz ermöglichen wir es den Verbraucherinnen und
Verbrauchern erstmalig, Auskunft von Behörden zu er-
halten. Wir wollen die Verbraucherinnen und Verbrau-
cher dazu befähigen, sich über eklatante Verstöße zu in-
formieren, bevor sie ihre Wirkung entfalten können.

Eines ist sicher: Wir betrachten dies als einen ersten
Schritt in Richtung eines verbesserten, modernen Ver-
braucherschutzes. Ich sage bewusst: Dies ist ein erster
Schritt. Auch meine Kollegin Elvira Drobinski-Weiß hat
von einem Stein gesprochen, der ins Rollen gekommen
ist. Weitere Schritte müssen also folgen. Wir, die SPD-
Bundestagsfraktion, wollen einen transparenten Markt,
der den Verbraucherinnen und Verbrauchern durch Infor-
mation und Beratung die Möglichkeit bietet, gleichbe-
rechtigte Partnerinnen und Partner der Wirtschaft zu
werden.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig!)


Verbraucherschutz kann sich dauerhaft nicht nur auf
Lebens- und Futtermittel beschränken.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig!)


Verbraucherschutz durch Verbraucherinformationen
muss in unser aller Interesse langfristig für alle Produkte
und Dienstleistungen gelten. Selbstverständlich wollen
wir die Verbraucherin und den Verbraucher vor mangel-
hafter Ware schützen. Effektiver Verbraucherschutz be-
deutet daher auch, die Wirtschaft vor ruinösen Wettbe-
werbsbedingungen, vor einer sowohl qualitativen als
auch preislichen Spirale nach unten zu bewahren. Denn
die Mentalität „Geiz ist geil“ schadet uns allen und nutzt
niemandem. Dagegen ist anzugehen.

Moderner Verbraucherschutz sei die Grundlage einer
erfolgreichen Wirtschaftspolitik, hat Herr Seehofer ge-
sagt. Ich stimme ihm ausdrücklich zu; dies ist richtig.
Aus diesem Grunde werden wir die Wirtschaft weiterhin
sehr genau beobachten. Wir wollen einen ersten Schritt
in Richtung eines transparenten Marktes gehen und das
Leitbild der mündigen Verbraucherin bzw. des mündigen
Verbrauchers stärken. Machen Sie mit! Stimmen Sie zu!


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603517900

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich

schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfes auf Drucksache 16/1408 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike
Höfken, Cornelia Behm, Bärbel Höhn, weiterer

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(C (D Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Bei gentechnisch veränderten Pflanzen nationales Recht auf Einfuhrverbote und Schutzmaßnahmen nutzen – Drucksache 16/1176 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache wiederum eine halbe Stunde vorgesehen. – ch höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist auch dies so eschlossen. Als erste Rednerin in dieser Debatte hat die Kollegin lrike Höfken von den Grünen das Wort. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin en und Kollegen! Unser Antrag widmet sich dem hema „Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen nd Produkte“. Wir greifen in der aktuellen Gentechnikebatte ein Thema auf, über das sowohl auf der europäichen Ebene wie auch bei uns auf nationaler Ebene und n anderen Mitgliedstaaten intensiv diskutiert wird. Auf der EU-Konferenz Anfang April in Wien ist deutich geworden, dass die Bedenken im Hinblick auf ökoogische und gesundheitliche Risiken, die sich in den Erebnissen zahlreicher Studien widerspiegeln, inzwischen on vielen Mitgliedstaaten und der EU-Kommission geeilt werden. Wir sind froh darüber, dass die EU-Komission eine Verbesserung der Zulassungsverfahren in ussicht gestellt hat. Wir werden diesen Prozess mit achdruck begleiten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])

Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603518000

Ich will auf einen sehr interessanten Punkt unseres
ntrages zu sprechen kommen. Zu der gentechnisch ver-

nderten Maislinie MON 810, die von Minister Seehofer
es war eine seiner ersten Amtshandlungen – Ende letz-
en Jahres zugelassen wurde, haben wir heute ein
echtsgutachten vorgestellt, welches erneut belegt, dass
as Inverkehrbringen der in Deutschland verwendeten
aislinie MON 810 ungeachtet der Zulassung durch
inister Seehofer nicht erlaubt ist. Wir fordern Minister

eehofer daher auf, den gerade gestarteten Anbau von
ON 810 sofort zu stoppen und die Sortenzulassung zu-

ückzunehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


ie Bundesbehörden, die für die Kontrolle und das In-
erkehrbringen zuständig sind, fordern wir auf, ihre
flicht wahrzunehmen und den gestarteten Anbau zu
toppen.






(A) )



(B) )


Ulrike Höfken
Der Anbau findet zu fast 99 Prozent in den neuen
Bundesländern statt. Wir finden es nicht in Ordnung,
dass die Menschen dort zu Versuchskaninchen gemacht
werden. Die Bedenken, die in dem heute vorgelegten
Rechtsgutachten noch einmal zum Ausdruck gebracht
werden, müssen ihren Niederschlag finden: Der weitere
Anbau der Maissorte MON 810 muss sofort gestoppt
werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


In dieser Zulassung sehe ich auch insofern einen poli-
tischen Skandal, als wir vorher deutlich genug darauf
hingewiesen haben, dass eine Zulassung dieser Mais-
sorte in Deutschland nicht rechtskonform ist. Trotzdem
wurde der Anbau durchgedrückt. Herr Minister
Seehofer, Sie haben die Betroffenen in eine äußerst
schwierige Situation gebracht, und zwar sowohl diejeni-
gen, die gentechnikfrei produzieren wollen, als auch die-
jenigen, die einen Anbau des gentechnisch veränderten
Maises betreiben wollten bzw. dazu gebracht wurden.
Sie befinden sich jetzt in einer rechtlich außerordentlich
schwierigen Situation. Sie müssen sich an die Hersteller,
Händler und Behörden wenden, um zu klären, wie die
rechtliche Situation aussieht. Ich finde, diese Situation
ist politisch nicht tragbar. Wir fordern Sie daher noch
einmal auf, die Zulassung für den Anbau dieses Produk-
tes sofort zurückzuziehen.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603518100

Das Wort hat der Kollege Dr. Lehmer für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Max Lehmer (CSU):
Rede ID: ID1603518200

Verehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle-

gen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau
Höfken, den in Ihrem Antrag gemachten Feststellungen
zu den Zielen des deutschen Gentechnikrechtes, nämlich
dem Schutz von Mensch, Tier und Umwelt – das ist die
oberste Priorität –, der Wahlfreiheit der Verbraucher und
Landwirte sowie der Koexistenz verschiedener Land-
wirtschaftsformen, stimmen wir uneingeschränkt zu.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir begrüßen es ausdrücklich, dass hinsichtlich der na-
tionalen Gestaltungsspielräume bezüglich dieser wichti-
gen Zielsetzungen entsprechende Freiräume bestehen.
Es ist unserer Meinung nach erfreulich, dass es hierzu
vonseiten der EU keine einheitlichen und zwingenden
Vorgaben gibt. Wie mehrfach angekündigt, wird die Re-
gierungskoalition in den nächsten Monaten entspre-
chende nationale Regelungen zu den genannten Berei-
chen ausarbeiten und zur Abstimmung bringen.

Im vorliegenden Antrag der Fraktion des Bündnis-
ses 90/Die Grünen wird verlangt,

erteilte Sortenzulassungen von GVO-Maissorten zu
widerrufen und keine weiteren Sortenzulassungen
zu erteilen

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(C (D owie Einfuhrverbote auf EU-Ebene zu unterstützen. ktuelle Überprüfungen der im Antrag vorgebrachten egründungen – denen Sie, Frau Höfken, eine andere ktuelle Information entgegensetzen – ergaben folgenes Ergebnis: Feststellung Nr. 1. Die Voraussetzungen für die Erteilung er Sortenzulassung für GV-Mais der Linie MON 810 lagen nd – jedenfalls nach meinem gestrigen Informationstand – liegen weiterhin vor. Eine erneute Bewertung der echtslage im Gesamtzusammenhang des europäischen enehmigungsrechtes stützt nicht die angesprochenen weifel an der Rechtmäßigkeit der Zulassung. Die Euroäische Behörde für Lebensmittelsicherheit steht derzeit neingeschränkt zu diesen bisherigen Zulassungen. Feststellung Nr. 2. Gegen die Inverkehrbringungsgeehmigung für MON 863 liegen ebenfalls nach aktuelm Stand der Sicherheitsbeurteilung keine neuen wissen chaftlichen Erkenntnisse von rechtlicher Bedeutung vor. Feststellung Nr. 3. Die Kommission geht davon aus, ass alle bisher in der EU zugelassenen GVO auch in ihen ökologischen Langzeitwirkungen sicher sind. Die ommission wird auch – so die Aussage – im Rahmen er strengen Gesetzgebung für weitere Zulassungen einreten. Sie weist ausdrücklich darauf hin, dass nationale lleingänge und Verbote nach einer Zulassung vermieen werden sollen. Bemerkenswert in diesem Zusamenhang ist, dass Deutschland bei den Abstimmungen m Umweltrat am 24. Juni 2005 und im Landwirtschaftsat am 25. Oktober 2005 – beide Male vertreten durch ürgen Trittin, im Juni als Umweltminister und im Oktoer als geschäftsführender Landwirtschaftsminister – em Vorschlag der Kommission auf Zulassung zugetimmt hat. eutschland hat dabei ausdrücklich festgestellt, dass aus einer Sicht keine schädlichen Auswirkungen von ON 863 auf Mensch oder Umwelt zu erwarten seien. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Peter Bleser [CDU/CSU]: So ist es!)


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Gut zuhören!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603518300

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kol-

egin Höfken zu?


Dr. Max Lehmer (CSU):
Rede ID: ID1603518400

Ich möchte in meinem Konzept weitermachen.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Ich finde, das war eindeutig!)


Feststellung Nr. 4. Im Zusammenhang mit der aktuel-
en Diskussion über eine Überarbeitung der EU-Zulas-
ungsregeln – Sie haben sie angesprochen – regt die
ommission an, bei vorhandenen Zweifeln seitens der
itgliedstaaten diese schon während des laufenden Zu-

assungsverfahrens einbringen zu können. Diese angebo-
ene engere Kooperation mit den nationalen wissen-
chaftlichen Institutionen bereits in der Phase der
isikoanalyse selbst ist ausdrücklich zu begrüßen.






(A) )



(B) )


Dr. Max Lehmer
Feststellung Nr. 5. Bundesminister Seehofer hat in
diesen Tagen ein Schreiben an die Kommissare für Ge-
sundheit und Verbraucherschutz sowie für Umwelt ge-
sendet und fordert diese zur Klärung auf, welche Konse-
quenzen aus der Ankündigung der Kommission zu
Änderungen der Entscheidungsprozesse über GVO zu
erwarten sind.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Sehr gutes Schreiben!)


Außerdem wurde das Bundesamt für Verbraucherschutz
und Lebensmittelsicherheit um Prüfung gebeten, ob aus
einer aktuellen Sicherheitsbewertung heraus Anlass für
zulassungsrelevante Entscheidungen besteht. In diese
Prüfung sollen das Bundesamt für Naturschutz, das
Robert-Koch-Institut, das Bundesinstitut für Risikobe-
wertung und die Biologische Bundesanstalt für Land-
und Forstwirtschaft eingeschaltet werden. Das Ergebnis
dieser Prüfung ist abzuwarten.

Feststellung Nr. 6. Nationale Einfuhrverbote können
nur im Einzelfall ausgesprochen werden – so lautet EU-
Recht –, und zwar nur dann, wenn neue oder zusätzliche
wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass eine Gefahr
für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt be-
steht.

Feststellung Nr. 7. Es ist ausdrücklich zu begrüßen,
dass zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten
Einigkeit darin besteht, dass im Hinblick auf die Koexis-
tenz die zwischenstaatliche Zusammenarbeit verstärkt
werden soll. Danach sollen die verfügbaren Informatio-
nen allen Mitgliedstaaten zugänglich gemacht werden
sowie Forschungstätigkeiten unterstützt werden. Einig-
keit besteht auch darin, dass die Kommission so bald wie
möglich einen Vorschlag für gemeinschaftliche Schwel-
lenwerte für GV-Bestandteile im Saatgut vorlegen soll,
bei deren Überschreitung das Saatgut folgerichtig als ge-
netisch verändert gekennzeichnet werden soll. Jedenfalls
ist zu vermeiden, dass durch unterschiedliche Koexis-
tenzregelungen der Mitgliedstaaten Wettbewerbsverzer-
rungen entstehen.

Feststellung Nr. 8. Ein Anbaumoratorium bis zum
Erlass von EU-weiten Harmonisierungsmaßnahmen, wie
Sie es vorschlagen, halten wir für nicht erforderlich.

Aus all den genannten Gründen lehnen wir den An-
trag vom Bündnis 90/Die Grünen ab. Wir halten die ge-
stellten Forderungen für nicht zielführend. Vielmehr
bleiben wir bei der geplanten Vorgehensweise. Nach der
erfolgten Umsetzung der Freisetzungsrichtlinie im Fe-
bruar dieses Jahres erfolgt nun nach einer von Minister
Seehofer breit angelegten Anhörung aller Interessens-
gruppen die Ausarbeitung der noch offenen, in nationa-
ler Zuständigkeit zu regelnden wichtigen Sachfragen zu
den Bereichen – ich wiederhole –: Koexistenz aller An-
bauverfahren, die Haftungsregel, die Ausgestaltung der
guten landwirtschaftlichen Praxis und – das ist ein wich-
tiger Punkt – die Sicherung der Wahlfreiheit für die Ver-
braucher. Im Mittelpunkt steht auch künftig die
Forschung zur weiteren Aufklärung und Auffindung re-
levanter Erkenntnisse für die Bereiche Sicherheit und
Anwendungsregelungen. Ein hoher Stellenwert muss da-

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(C (D ei auch in Zukunft der öffentlichen wissenschaftlichen orschung zugewiesen werden. Ein wichtiger Hinweis: Freilandversuche müssen hne Behinderung möglich sein. Sie bilden die Basis für nbauund ökologierelevante Fragestellungen. eider mussten wir in dieser Beziehung in manchen Reionen gegenteilige Erfahrungen machen. Zum Abbau vorhandener Bedenken unserer Bürger egenüber der Grünen Gentechnik müssen alle Ergebisse im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten transpaent gemacht werden. Alle möglichen Maßnahmen für ine sachund fachgerechte Information sind zu nutzen. s geht vor allem darum, eine offene und wissenschaft ich fundierte Chancen-Risiko-Abschätzung vorzunehen. Dazu ist es erforderlich, sich die sich in raschem empo entwickelnden Möglichkeiten gentechnisch vernderter Produkte und ihren Nutzen für den Verbraucher nsbesondere in den Bereichen Lebensmittelqualität, nergienutzung von Pflanzen und Umweltschutz beusst zu machen. Wir wollen niemandem eine Technologie aufdrängen – eineswegs. Wir wollen aber sicherstellen, dass die hancen der Grünen Gentechnik nach verantwortungsoller Abwägung aller Vorteile und Risiken auch in eutschland genutzt werden können, und zwar von den erbrauchern, den Landwirten und der Wirtschaft. Dazu ind die Regeln so auszugestalten, dass der Markt, also er Verbraucher durch sein Konsumverhalten, entscheien kann, wie es auch bei allen anderen Technologien er Fall war und ist. Wir werden in Ruhe, ohne Zeitdruck und – das betone ch – in vollem Verantwortungsbewusstsein vorgehen. lle Aktivitäten, die vornherein die Verhinderung einer odernen Technologie verfolgen, werden wir sehr kri isch begleiten. Ich bedanke mich. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603518500

Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Kollegin

öfken.


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603518600

Herzlichen Dank. – Da mich der Kollege gerade an-

esprochen hat, möchte ich seine Auffassung zur Zulas-
ung der Maislinie MON 810 richtig stellen: Die in
eutschland verwendeten Sorten verfügen nicht über
ie erforderliche gentechnikrechtliche Genehmigung.
ON 810 hat zwar auf Grundlage der so genannten

U-Freisetzungsrichtlinie aus dem Jahr 1990 ein Zulas-
ungsverfahren durchlaufen. Aber die Entscheidung der
U-Kommission über diesen Antrag bedeutet keines-

alls – das wird auch in der Fachöffentlichkeit manch-
al falsch dargestellt –, dass MON 810 genehmigt ist.






(A) )



(B) )


Ulrike Höfken
Es oblag den französischen Behörden, für die in
Frankreich angebauten Sorten eine Genehmigung zu er-
teilen. Das haben sie auch getan. Dabei ging es aber
nicht um die Sorten, die vor kurzem in Deutschland zu-
gelassen worden sind und hierzulande angebaut werden.
Von daher besteht für die in Deutschland verwendeten
Sorten seit 1998 eine gentechnikrechtliche Zulassungs-
lücke.

Sie alle wissen, dass das Gentechnikrecht bzw. das
Zulassungsrecht nach dem Moratorium EU-weit deutlich
verschärft worden ist. Seit 2003 dürfen gentechnisch
veränderte Organismen, die für Lebensmittel prinzipiell
verwendet werden dürfen, nur nach einer umfassenden
Lebensmittelsicherheitsprüfung zugelassen werden.
MON 810 ist im Rahmen eines solchen Verfahrens und
anhand der aktuellen Vorschriften bisher überhaupt nicht
geprüft worden.

Zudem sind genehmigte Erzeugnisse nach altem
Recht nur für eine Übergangsfrist bis Ende 2006 zuge-
lassen, und dies auch nur dann, wenn eine ordnungsge-
mäße Meldung in Brüssel erfolgt ist. Diese Meldung ist,
was MON 810 betrifft, aber nicht erfolgt. Dass es plötz-
lich eine Meldung in dem entsprechenden Register gege-
ben hat, ändert daran übrigens gar nichts. Das ist näm-
lich etwas anderes. Man kann nicht einfach ein
Erzeugnis in ein Register eintragen lassen und dann be-
haupten, das entspreche einer Zulassung. Das geht nicht.

Aus diesem Grunde darf das Saatgut MON 810 in
Deutschland nicht mehr vertrieben und auch nicht mehr
angebaut werden. Diese Erkenntnis haben wir aus dem
entsprechenden Rechtsgutachten gewonnen. Deswegen
sind wir der Auffassung, dass auch Sie die Konsequen-
zen aus diesem Rechtsgutachten ziehen müssen.

Danke.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603518700

Herr Dr. Lehmer, Sie haben das Wort zu einer Erwi-

derung.


Dr. Max Lehmer (CSU):
Rede ID: ID1603518800

Frau Kollegin Höfken, ich habe mich über den recht-

lichen Hintergrund der Zulassung von MON 810 infor-
miert. Meine Informationen – Stand: gestern – stehen im
Widerspruch zu Ihren Aussagen. Ich kann diesen Wider-
spruch nicht auflösen. Ich kenne das Rechtsgutachten
nicht, auf das Sie sich beziehen. Mir liegen andere Infor-
mationen vor.


(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich lasse es Ihnen gerne zukommen! – Gegenruf des Abg. Dr. Max Lehmer [CDU/ CSU]: Gerne!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603518900

Ich erteile das Wort für die FDP-Fraktion der Kolle-

gin Dr. Happach-Kasan.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! uvor ein Wort zu dem aktuellen Streit: Ich wundere ich sehr, dass die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grü en jetzt ein Rechtsgutachten zu diesem Thema eingeolt hat. Warum ist der rechtliche Dissens im Hinblick uf die Zulassung dieser Sorte nicht thematisiert worden, ls Frau Künast Ministerin war? arum ist eigentlich Abteilungsleiter Schlagheck aus em Amt vertrieben worden und warum sind die Sitzunen des Sortenausschusses abgesagt worden, sodass eine Entscheidung getroffen werden konnte? Dies alles ätte man vermeiden können, wenn es einen rechtlichen rund gegeben hätte, die Sorte nicht zuzulassen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1603519000

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja!)


ch bitte Sie, das Rechtsgutachten zur Verfügung zu stel-
en, damit wir uns selbst eine Meinung darüber bilden
önnen. Ich denke, wir alle – auch der Kollege Lehmer –
ind uns darüber einig, dass die Zulassung rechtlich kor-
ekt zu verlaufen hat. Aber ich habe große Zweifel, dass
hr Rechtsgutachten standhalten wird.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603519100

Kollegin Happach-Kasan, möchten Sie auf Zwischen-

ragen der Kollegin Höfken antworten?


Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1603519200

Ja, gerne.


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603519300

Ich möchte dazu sagen, dass diese Rechtsauffassung

chon damals bestand und auch belegt worden ist.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Wann?)


enau deswegen hat Frau Künast die Zulassung nicht er-
eilt. Allerdings haben wir jetzt in einem neuen, von der
raktion in Auftrag gegebenen Gutachten noch andere
spekte herausarbeiten können. Ich stelle dieses Gut-

chten gerne zur Verfügung.


Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1603519400

Frau Kollegin Höfken, diese Äußerung wundert mich

ehr; denn meines Wissens – Sie wissen, dass ich in der
etzten Legislaturperiode ebenfalls Mitglied des Bundes-
ages gewesen bin – hat Frau Künast dies nicht öffentlich
emacht. Sie hat verhindert, dass der Sortenausschuss ta-
en und damit die Zulassung aussprechen konnte. Ich
undere mich, warum ein solcher, an der Legalität vor-
eigehender Weg gewählt worden ist, wenn die Sorte ei-
em Rechtsgutachten nach eindeutig nicht zugelassen
erden konnte.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja!)


as ist für mich ein rechtsstaatlich sehr undurchsichtiges
erfahren.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrike Höfken [BÜND Dr. Christel Happach-Kasan NIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich könnte das jetzt erklären; aber vielleicht machen wir das im Ausschuss!)





(A) )


(B) )



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603519500

Ich würde auch vorschlagen, dass Sie diesen interes-

santen Meinungsaustausch zunächst in den Ausschuss-
beratungen fortsetzen und das Ganze nicht weiter als
Zwischenfrage tarnen.


Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1603519600

Danke schön, Frau Präsidentin.

Ich möchte an den Anfangspunkt meiner Rede zu-
rückkehren: Es geht nicht nur um MON 810, vielmehr
müssen wir den Antrag der Grünen in den Gesamtzu-
sammenhang stellen: Wir wissen, dass der Anbau von
Kulturpflanzen, die unter Anwendung gentechnischer
Methoden gezüchtet wurden, weltweit eine Erfolgsstory
ist.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Jedes Jahr vergrößert sich die Fläche – inzwischen sind
es über 90 Millionen Hektar –, auf der solche Pflanzen
angebaut werden. Es gibt eine Studie von Professor
Qaim von der Universität Hohenheim. Er hat herausge-
funden, dass gerade die Bauern in den Entwicklungslän-
dern davon profitieren.


(Beifall des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])


Mehrere Millionen Tonnen gentechnisch veränderte
Soja werden jedes Jahr eingeführt. 95 Prozent der Soja,
die in Deutschland verbraucht werden, sind gentech-
nisch verändert; die Aufschrift „gentechnisch verändert“
ist inzwischen die Regel. Deutschland hinkt bei der Nut-
zung der Grünen Gentechnik in der EU hinterher. Wir
haben keine Wahlfreiheit, weil die Verbraucherinnen und
Verbraucher nicht zwischen Produkten, die aus gentech-
nisch veränderten Pflanzen hergestellt sind, und solchen,
die dies nicht sind, wählen können. Das wollen wir än-
dern. Wir haben im März die Freisetzungsrichtlinie der
EU umgesetzt und damit eine Altlast von Rot-Grün aus
dem Weg geräumt und drohende Strafzahlungen vermie-
den. Die EU hat mit dem im Mai 2004 beendeten sechs-
jährigen Moratorium für die Einfuhr gentechnisch verän-
derter Lebensmittel gegen internationale Handelsregeln
verstoßen; dies hat das Schiedsgericht der WTO gerade
bestätigt. Das gilt auch für die von Deutschland ausge-
sprochenen Handelsverbote. Wir als FDP wollen einen
rechtlich sicheren Weg gehen und nicht gegen internatio-
nale Handelsbestimmungen verstoßen.


(Beifall des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])


Die von der Bundesregierung in dem im März verab-
schiedeten Gentechnikgesetz angekündigte weitere No-
vellierung ist dringend erforderlich. Minister Seehofer
ist inzwischen leider nicht mehr da.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)



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(C (D Oh, entschuldigen Sie, Herr Minister, ich nehme zur enntnis: Sie sind da. Ich freue mich, dass Sie mir zuhö en. – Herr Minister, wir werden Sie daran messen, ob ie nur ankündigen oder ob Sie auch handeln. Erst hieß s, im Mai gebe es einen Gesetzentwurf. Jetzt sollen im uni Eckpunkte vorgelegt werden. Herr Lehmer hat geagt, der Gesetzentwurf komme in mehreren Monaten. ir wollen möglichst bald ein Gesetz. Wir wollen nicht, ass weiter Nebelkerzen geworfen werden. Wir werden den Gesetzentwurf daran messen, ob urch ihn praktikable Haftungsregelungen geschaffen erden, ob das Inverkehrbringen neu definiert wird und b schikanierende Bürokratielasten abgebaut werden. ie, Herr Minister, haben mit der Zulassung fünf transener Maissorten, deren Wertprüfung schon lange abgechlossen ist – damit komme ich auf dieses Thema zuück –, den Weg rechtsstaatlichen Handelns beschritten. as will ich ausdrücklich anerkennen. Jetzt brauchen ir eine Novelle des Gentechnikgesetzes, die in eutschland einen Innovationsschub bewirken wird. Liebe Kollegin Höfken, der Antrag der Grünen weist n die falsche Richtung; das habe ich beim Thema ON 810 bereits gesagt. Ich will noch hinzufügen: Es ag sein, dass wir eine neue Freisetzungsrichtlinie ha en, aber es gilt: Das Abitur bleibt gültig, auch wenn die rüfungsordnung verändert wurde. So ist es auch bei den orten der Maislinie MON 810. Die Studien zu den Sorten der Linie MON 863 sind on der EFSA umfassend geprüft worden. Sie kommt zu em Schluss, dass der Mais dieser Linie gut ist. Ich eine, wir können politisch nicht etwas entscheiden, as von der EFSA bereits richtig entschieden worden t. Wir sind wie Sie der Auffassung, dass Studien von nabhängigen Experten geprüft werden müssen. Doch er sind unabhängige Experten? Wissenschaftler des koinstituts, die der Regierung geraten haben, die gute achliche Praxis beim Maisanbau an einer russischen tudie aus dem Jahre 1940 auszurichten? Sind das unabängige Experten? Oder ist das der Umweltverband, der it seiner Genmilchkampagne versucht hat, Verbrauche innen und Verbraucher zu verunsichern und der ein Unernehmen diskreditiert hat, das hervorragende Produkte uf den Markt bringt? Ich glaube, das sind keine unabängigen Experten. Die Anwendung Grüner Gentechnik zur Verbesseung der Sorten ist eine sehr gute Strategie, von der eine der Energiepflanzen von vornherein ausgeschlosen werden sollte, auch der Raps nicht. Es ist gut, dass es azu Initiativen in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Erst estern haben wir gemeinsam für eine andere Politik der undesregierung bei Biokraftstoffen protestiert. Wir ind uns einig, dass Biokraftstoffe in Deutschland eine ukunft haben müssen. Dazu brauchen wir die entsprehenden steuerlichen Regelungen, aber auch mehr Effiienz auf dem Acker. Dabei hilft die Grüne Gentechnik. Dr. Christel Happach-Kasan Die Grünen haben Erfahrung darin, mit Verboten auf neue Entwicklungen zu reagieren. Die Petflasche ist dafür ein Beispiel, ich nenne aber auch ihre Haltung zum Handy oder zum PC. Nun soll es die Terminatortechnologie sein, wissenschaftlich GURT. Es gibt dazu keinerlei Anwendungserfahrung. Jetzt ein Verbot zu fordern, ist Symbolpolitik, nicht mehr. Das gilt im Übrigen für den gesamten Antrag. Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Schluss kom men. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: So ist es!)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)





(A) )


(B) )

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603519700


Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1603519800

Ich komme zum Schluss. – Herr Minister Seehofer,

Sie haben betont, dass Sie das Gentechnikgesetz im
Konsens novellieren wollen. Ich finde, das ist ein guter
Ansatz. Aber ich möchte Sie nur an folgenden Vorfall er-
innern: Im April ist in Bayern ein Versuchsfeld durch
Ausbringen von Mineralöl zerstört worden. Für mich ist
das Umweltkriminalität.


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Frau Happach-Kasan, Sie sollten aufhören!)


Wie wollen Sie mit Menschen, die die biologische Si-
cherheitsforschung mit kriminellen und umweltgefähr-
denden Handlungen sabotieren, im Konsens ein für die
deutsche Forschung und Landwirtschaft wichtiges Ge-
setz novellieren?


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603519900

Die Antwort auf diese Frage müssen Sie leider in den

weiteren Beratungen suchen bzw. in der zweiten und
dritten Lesung. Sie haben Ihre Redezeit wirklich weit
überschritten.


Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1603520000

Ich bitte Sie: Haben Sie mehr Mut, Herr Minister!

Danke schön.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603520100

Das Wort hat die Kollegin Drobinski-Weiß von der

SPD-Fraktion.


Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Rede ID: ID1603520200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag von
Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Bei gentechnisch
veränderten Pflanzen nationales Recht auf Einfuhrver-
bote und Schutzmaßnahmen nutzen“ hat vor dem Hinter-
grund derzeitiger Entwicklungen auf EU-Ebene an Ak-
tualität gewonnen. Deshalb sollten wir die Debatte nicht
auf einen Schlagabtausch zwischen Opposition und Re-
gierungsfraktionen reduzieren.

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(C (D (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Jawohl!)


Einige der angesprochenen Punkte sollten ernsthaft
iskutiert werden. Wir sind uns sicher, dass alle in die-
em Haus sich darin einig sind, dass wir die in Brüssel in
ang gekommene Diskussion um mehr Transparenz
on Entscheidungen über gentechnisch veränderte Or-
anismen und um eine Stärkung des Einflusses der ein-
elnen Mitgliedstaaten dazu nutzen sollten, alle Mög-
ichkeiten auszuschöpfen, die Interessen der Menschen
n diesem Land zu vertreten.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Neue Entwicklungen in der EU veranlassen uns, uns
it einigen der im Antrag aufgeworfenen Fragen ausei-

ander zu setzen. So hat die EU-Kommission gegenüber
er WTO das Zulassungsmoratorium, welches zwi-
chen 1998 und 2004 für GVO-Pflanzen in der EU be-
tand, unter anderem damit gerechtfertigt, dass es ein be-
ründeter und rechtmäßiger Standpunkt sei,
chädlingsresistente GVO-Pflanzen nicht anzubauen,
evor alle Auswirkungen auf den Boden bekannt sind.
iebe Kolleginnen und Kollegen, bei den in der EU zu-
elassenen GVO-Pflanzen geht es um solche Schäd-
ingsresistenzen, nämlich um mithilfe eines Bodenbakte-
iums erreichte Maiszünslerresistenzen.

Außerdem zitiert die Presse aus dem EU-Kommis-
ionspapier, dass bei der Zulassung von Biotechproduk-
en die wissenschaftliche und technische Kenntnis oft
nvollständig sei, zumal GVO-Produkte sehr neu sind.
ies bietet nach meiner Ansicht durchaus Anlass, die
ritisierten Zulassungen und Genehmigungen zu über-
rüfen. Den Medien habe ich entnommen, dass Minister
eehofer den Umweltverbänden dies für den Monsanto-
ais 810 zugesichert hat. Das begrüßen wir ausdrück-

ich. Herr Minister, da haben Sie unsere volle Unterstüt-
ung.


(Beifall der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Weiter ist zu lesen, dass die EU-Kommission Unsi-
herheit über den Gentransfer zu wild wachsenden Ver-
andten der gentechnisch veränderten Pflanze einräumt.

n unseren Breiten hat der Raps solche wild wachsenden
erwandten. Laut Studien ist Raps nicht koexistenzfä-
ig. Daraus sollten wir Konsequenzen ziehen. Gentech-
isch veränderter Raps sollte nicht zum Anbau zugelas-
en werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Schlecht begründet!)


Sehr zu begrüßen sind die Vorschläge der EU-Kom-
ission, die wissenschaftliche Kohärenz und Transpa-

enz von Entscheidungen über gentechnisch veränderte
rganismen zu verbessern und einen Konsens zwischen

llen Beteiligten herbeizuführen. So sollen die nationa-
en wissenschaftlichen Einrichtungen demnächst stärker
inbezogen werden und die Stellungnahmen der einzel-
en Mitgliedstaaten mehr Gewicht im Entscheidungs-






(A) )



(B) )


Elvira Drobinski-Weiß
prozess erhalten. Auch sollen potenzielle Langzeitwir-
kungen und Fragen der biologischen Vielfalt stärker
berücksichtigt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen sehr ge-
nau prüfen, welcher Handlungsbedarf und welche Mög-
lichkeiten sich aus diesen Bewegungen auf der EU-
Ebene für uns auf der nationalen Ebene ergeben. Der
Schutz von Mensch und Umwelt gemäß dem Vorsorge-
prinzip ist unser oberstes Ziel. Das haben wir im Koali-
tionsvertrag vereinbart. Mit der Grünen Gentechnik
muss vorsichtig und verantwortungsvoll umgegangen
werden, zum einen weil es noch immer wissenschaftli-
che Unsicherheiten gibt, wie die EU-Kommission selbst
gegenüber der WTO angibt, zum anderen weil wir wol-
len, dass hier auch weiterhin gentechnikfrei angebaut
und produziert werden kann. Das verlangen 80 Prozent
der Verbraucherinnen und Verbraucher von uns; das ver-
langen aber auch die deutsche Landwirtschaft und Le-
bensmittelwirtschaft von uns, für die die Produktion
gentechnikfreier Rohstoffe und Lebensmittel ein Markt-
vorteil ist.

Das polnische Parlament hat Ende April ein Gesetz
verabschiedet, das den Vertrieb von GVO-Saatgut ver-
bietet. Das Gesetz ist noch nicht vom Präsidenten unter-
zeichnet. Es sprengt voraussichtlich den EU-rechtlichen
Rahmen und dürfte in Brüssel für helle Aufregung sor-
gen. Von den 16 polnischen Provinzregierungen haben
sich mindestens 14 – ich denke, das ist die aktuelle Zahl –
zu gentechnikfreien Regionen erklärt.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich erwähne das deshalb, weil die Hoffnung auf Wettbe-
werbsvorteile bei diesen Initiativen mit Sicherheit eine
Rolle gespielt hat. So haben diese Regionen eine Erklä-
rung verfasst, in der sie unter anderem die Befürchtung
äußern, der Anbau von GVO schade dem öffentlichen
Ansehen der gesamten polnischen Landwirtschaft, die
für ihre nachhaltige und hochwertige Wirtschaftsweise
bekannt sei.


(Zuruf von der LINKEN: Sehr gut!)


Ein nationales Verbot von 16 GVO-Maissorten in Po-
len ist Anfang der Woche von der EU-Kommission ge-
nehmigt worden. Es gibt also durchaus Spielräume, die
zur Wahrung nationaler Interessen genutzt werden kön-
nen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603520300

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Happach-Kasan?


Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Rede ID: ID1603520400

Nein, vielen Dank. Frau Happach-Kasan, wir disku-

tieren das im Ausschuss immer rauf und runter.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Wir
haben uns in der Koalitionsvereinbarung verpflichtet,
die Forschung im Bereich Biotechnologie zu fördern.
Daran halten wir fest. Die wissenschaftlichen Unsicher-
heiten in diesem Bereich, welche die EU-Kommission

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(C (D ttestiert, sind nur durch Erkenntnisse aus der Forschung uszuräumen. Natürlich muss auch die Forschung dem orsorgeprinzip und der Nachhaltigkeit verpflichtet sein. Die Forderung von Bündnis 90/Die Grünen nach eiem weiteren Zulassungsmoratorium für GVO-Pflanzen is zum Erlass EU-weiter Koexistenzregelungen könen wir nicht unterstützen. Die EU-Kommission hat im ärz beschlossen, sich gegenwärtig nicht mit der Schaf ung harmonisierter Koexistenzregelungen zu befassen. war wollen auch wir EU-weit geltende Koexistenzreelungen; das Fehlen solcher Regelungen können wir jeoch nicht dazu nutzen, ein neues, rechtlich wackeliges oratorium zu fordern. Auch wir hätten gern ein weltweites Verbot der URT, auch bekannt als Terminatortechnologie, haben ber gesehen, wie schwierig es war, die Verlängerung es Moratoriums für die GURT zu erreichen. Deshalb alte ich ein weltweites Verbot für derzeit nicht durchetzbar. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der grünen raktion, einige Forderungen in Ihrem Antrag lehnen ir ab, über einige andere Forderungen sollte vor dem intergrund neuer Entwicklungen in Brüssel diskutiert erden. Ich hoffe, wir alle werden das in den Ausschüs en – fruchtbar und jenseits politischer Grabenkämpfe – iteinander angehen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603520500

Das Wort zu einer Kurzintervention erhält die Kolle-

in Happach-Kasan.


Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1603520600

Liebe Kollegin Drobinski-Weiß, Sie brauchten gar

icht so angstvoll das Rednerpult zu verlassen. Ich hätte
hnen wirklich gern die Frage gestellt, ob Ihnen bekannt
st, dass in Polen nicht nur ein Verbot von 16 GVO-Sor-
en, sondern außerdem von 700 konventionell gezüchte-
en Sorten beantragt wurde. Sicherlich haben Sie doch
m Protokoll der ESA gelesen, dass das Verbot der
6 GVO-Sorten und der 700 konventionell gezüchteten
orten damit begründet wird, dass diese Sorten unter den
limatischen Bedingungen in Polen nicht mehr reif wer-
en. Das heißt, die Begründung ist nicht, dass man gen-
echnikfrei anbauen möchte, sondern dass die Sorten
icht reifen. Ich teile Ihre Einschätzung, dass man das
icht verbieten muss, weil Landwirte sicherlich keine
orten anbauen, die nicht reif werden. Wir sollten kon-
ret darauf hinweisen, dass es um 716 Sorten geht, und
ns fragen, ob das insgesamt mit den Interessen des eu-
opäischen Binnenmarktes und unserer Pflanzenzüchter
bereinstimmt.

Danke schön.


(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Weg ist das Ziel!)







(A) )



(B) )


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603520700

Frau Drobinski-Weiß, Sie haben die Möglichkeit zu

einer Erwiderung. – Sie verzichten.

Ich erteile Frau Dr. Tackmann das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603520800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Gäste! Wer würde den Maiszünsler
kennen, wenn es nicht die intensive Diskussion über die
Grüne Gentechnik und ihr Für und Wider gäbe? Das
zeigt uns, dass manche politische Debatte durchaus Bil-
dungswert hat. Zur Erinnerung: Der Maiszünsler ist ein
Schädling, der in allen Maisanbaugebieten heimisch ist.
Deswegen ist die Frage: Ergreifen wir Gegenmaßnah-
men? Wenn ja, welche?

Wie einige wissen, komme ich aus der schönen Prig-
nitz im Nordwesten Brandenburgs. Die dortige SPD/
CDU-Landesregierung hat meiner Kollegin Carolin
Steinmetzer im November 2005 auf eine Kleine Anfrage
geantwortet, dass es insbesondere in den östlichen Lan-
desteilen Befallsschwerpunkte mit Befallshäufigkeiten
von zum Teil mehr als 50 Prozent gebe. Die Landesre-
gierung kommt dann zum Schluss, dass ein genereller
Einsatz von Bt-Mais – also Gen-Mais – auf allen Be-
fallsstandorten als nicht erforderlich angesehen wird.

Man könne nämlich

… mit den zur Verfügung stehenden ackerbaulichen
Maßnahmen … das Auftreten dieses Schaderregers
unter der wirtschaftlichen Schadensschwelle …
halten.


(Beifall der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Es besteht also berechtigterweise die Frage: Müssen
wir überhaupt die Risiken des Anbaus von Genmais ein-
gehen, um dem Maiszünsler den Garaus zu machen?
Eine ganze Reihe Brandenburger Landwirte hat unter-
dessen, vielleicht gerade weil diese Frage im Raum
steht, ihre Anbauanmeldungen für dieses Jahr zurückge-
zogen. Die Skepsis ist berechtigt, denn die Grüne Gen-
technik ist eine Risikotechnologie; durch sie eingetre-
tene Schäden sind nicht oder kaum zu beheben.


(Beifall bei der LINKEN)


Diskussionen auf der Ebene der Totschlagargumente
Technologiefeindlichkeit versus blinder Fortschritts-
glaube bringen uns aber nicht weiter. Neben ethischen
Aspekten und der Abhängigkeit von den Saatgutmultis
gehört vor allem die Bewertung der Risiken – auch in
Abwägung möglicher Nutzen – in das Zentrum dieser
Debatte.

Die anfängliche Euphorie bei der Agro-Gentechnik
wird ohnehin zunehmend von nüchterner Skepsis abge-
löst. So konnte zum Beispiel in den neuesten Genmais-
studien im Oderbruch wie auch schon in den USA kein
positiver Ertragseffekt nachgewiesen werden. Prinzipiell
ist unsere Gesellschaft bereit, Risiken im Kontext des
Lebensalltags einzugehen. Trotz der Verkehrstoten wird

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(C (D iemand ernsthaft den Straßenverkehr infrage stellen. enn zum potenziellen Risiko aber auch noch ein sehr raglicher Nutzen kommt, dann ist das einfach zuviel. Die Menschen haben deswegen die völlig berechtigte rwartung an die politischen Entscheidungsträger, dass ie ökologischen und die gesundheitlichen Risiken des nbaus gentechnisch veränderter Pflanzen mit Ab chluss eines Zulassungsverfahrens objektiv geklärt ein müssen. Es macht mich daher sehr nachdenklich, ass sich die EU-Kommission jetzt zu tief greifenden nderungen des Zulassungsverfahrens veranlasst sieht. abei sind die von den EU-Kommissaren für Verbrau herschutz, Markos Kyprianou, und für Umwelt, Stavros ima, vorgeschlagenen Korrekturen alles anderes als ur Schönheitsreparaturen. Es geht unter anderem um en Umgang mit divergierenden wissenschaftlichen utachten, die Ablehnung wissenschaftlich fundierter inwände und die Klärung spezifischer Protokolle zum icherheitsnachweis. Dieser Vorgang stellt aus unserer Sicht alle bisher erolgten Zulassungen ganz grundsätzlich infrage – übriens auch über die von den Grünen in ihrem Antrag vorebrachten Argumente hinaus. Frau Kollegin Tackmann, lassen Sie eine Zwischen rage der Kollegin Höfken zu? Ja. Ich habe mich aus wirklich sachlichem Grund gemel et. Fast alle Ihre Ausführungen kann ich begrüßen. Ich war gestern in Güstrow in Mecklenburg-Vorpomern und frage mich, ob Sie als Beteiligte in der SPD/ DS-Landesregierung bereit sind, diese Auffassung uch durchzusetzen; denn ich muss wirklich sagen: Die ersuche, die dort von der Uni Rostock gemacht werden, ehen an die Grenzen dessen, was man mit der Freiheit er Forschung im Hinblick auf die Rechte der Menschen m Umfeld dieser Forschungseinrichtungen – Recht auf igentum, Recht auf freie Berufsausübung und Ähnlihes – wirklich noch verantworten kann. Dort wird nämich gentechnisch veränderter Raps getestet und es weren zudem noch sehr umstrittene Versuche mit einer edikamentenkartoffel zum Zwecke der Impfstoffher tellung mithilfe von Choleragenen durchgeführt. Meine Frage an Sie lautet: Sind Sie bereit, dafür zu orgen, dass in diesem Land eine andere Haltung zur gro-Gentechnik eingenommen wird? Vielen Dank, Frau Höfken. – Sie kennen sicherlich ie Meinung von Professor Methling zu diesen Fragen, er hier ganz dezidiert anderer Meinung ist als beispielseise der Landwirtschaftsminister Till Backhaus. Sie ennen auch die Zwänge, in die man in Koalitionen teileise gerät. Sie können sich sicher sein, dass wir ganz Dr. Kirsten Tackmann bestimmt versuchen, Einfluss darauf zu nehmen, dass auch in Mecklenburg-Vorpommern Vernunft in diesen Dingen einkehrt. (Beifall bei der LINKEN – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Forschungsfreies Land oder wie?)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603520900
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603521000
Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603521100
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603521200




(A) )


(B) )


Im Übrigen ist natürlich klar, dass Daten, auf deren
Grundlage die Risikobewertung erfolgt, öffentlich zu-
gänglich sein müssen. Das ist selbstverständlich. Auch
die Tatsache, dass in neun Fällen EU-Mitgliedstaaten na-
tionale Schutzmaßnahmen nach § 23 der EU-Freiset-
zungsrichtlinie erlassen haben, zeigt die Brisanz der Zu-
lassungssituation.

Die Risiken sind also nicht wegzudiskutieren. Des-
halb greifen Landwirte inzwischen zur Selbsthilfe und
schaffen gentechnikfreie Zonen. Auch der Wahlkreis
von Minister Seehofer gehört dazu, wie die Zeitungen
schreiben. Unbeirrt davon hält Herr Seehofer aber an
seiner abenteuerlichen Haltung fest, man müsse gentech-
nisch veränderte Pflanzen anbauen, damit das Risiko be-
wertet werden kann. Ich halte ein solches politisches
Abenteuer – Freilandversuche mit 88 Millionen Men-
schen und mit einer unwiederbringlichen Natur – ange-
sichts der vorliegenden bedenklichen Daten für unver-
antwortlich.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603521300

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. – Ich

schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/1176 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umset-
zung der neu gefassten Bankenrichtlinie und
der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie

– Drucksache 16/1335 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es dazu
Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist auch dies
so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin in die-
ser Debatte hat die Kollegin Nina Hauer für die SPD-
Fraktion das Wort.

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(C (D Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle en! Es war ein langer Weg von der alten Regelung des aseler Ausschusses für Bankenaufsicht aus dem ahr 1988, dem so genannten Basel I, bis heute. Nach er alten Regelung müssen die Banken 8 Prozent der nrechnungswerte für Kreditrisiken in Eigenkapital voralten. Das wurde aber nicht nach Bonität entschieden, ondern es ging danach, welcher Gruppe die Kunden anehört haben. Das Ergebnis war – das wissen Sie –, dass or allem eine schlechte Bonität, die zu höheren Zinsen ührte, für die Banken besonders attraktiv war. Das ist nicht nur für die Banken, sondern auch für die olkswirtschaft verheerend, weil Unternehmen mit chlechter Bonität aus marktwirtschaftlichen Gründen evorzugt werden, während Unternehmen mit guter Boität außen vor bleiben. Diese und andere Defizite waren er Grund dafür, dass seit 1999 der Baseler Ausschuss n der Weiterentwicklung seines Regelwerkes gearbeitet at. Die Vereinbarung, die uns jetzt vorliegt, ist das Erebnis dieser Verhandlungen. (Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)

Nina Hauer (SPD):
Rede ID: ID1603521400

Ziel der Regelung über die Bankenaufsicht sind die
tabilität der Banken selber und die Solidität unseres
inanzmarktes. Natürlich ist das auch für unser Wachs-

um von Bedeutung. Wem die wirtschaftlichen Begrün-
ungen nicht ausreichen, dem nenne ich eine politische
egründung: Es darf nicht sein, dass die Banken ihre
ewinne privatisieren, wohingegen die damit verbunde-
en Risiken im Falle einer Instabilität von der öffentli-
hen Hand gegenfinanziert werden müssen.


(Beifall des Abg. Florian Pronold [SPD])


Wir wollen ein Regelwerk, das für unser Bankensys-
em gut ist, aber auch die Interessen der kleinen und

ittleren Unternehmen berücksichtigt. Dabei muss ins-
esondere die Situation im deutschen Mittelstand be-
rachtet werden. Ich danke der alten Bundesregierung
afür, dass sie mit dem Verhandlungsführer Jochen
anio das, was wir im Deutschen Bundestag mit unseren
wei Entschließungen aus den vergangenen Jahren auf
en Weg gebracht haben, erfolgreich umgesetzt hat. Vor
llen Dingen die Bedenken und Wünsche in Bezug auf
ie Situation mittelständischer Unternehmen wurden
ufgenommen. Wir haben damals die Sorge gehabt, dass
as Basel-II-Abkommen zu einer Gefahr für die kleine-
en und mittelgroßen Unternehmen bei der Kreditver-
abe wird. Mittlerweile ist diese Gefahr dank der guten
rgebnisse dieser Verhandlungen gebannt.

Die hohe Abhängigkeit von Krediten unserer Wirt-
chaft hat ihre Vor- und Nachteile. Aber sie darf insge-
amt nicht dazu führen, dass Unternehmen Schwierig-
eiten haben, in Deutschland Kapital zu bekommen. Das
ilt für die bestehenden Unternehmen genauso wie für
eue Unternehmen mit innovativen Ideen, die Kapital
rauchen, um diese Ideen umzusetzen.

Aus dem Baseler Regelwerk ist eine EU-Richtlinie
eworden. Diese EU-Richtlinie müssen wir nun durch
in Gesetz in nationales Recht umsetzen. Die neuen






(A) )



(B) )


Nina Hauer
Regelungen sollen die Banken dazu verpflichten, dass
Risiken, die bei der Kreditvergabe entstehen, stärker dif-
ferenziert und genauer bestimmt werden. Das entlastet
vor allem die kleineren Banken von zu hohen Eigenkapi-
talanforderungen und bedeutet für die Unternehmen die
Chance, bei ihrer Kreditaufnahme danach zu differenzie-
ren, ob der Kredit für eine Expansion benötigt wird, zum
Beispiel für einen Grundstückskauf, oder ob der Kredit
für Investitionen in die Produktentwicklung oder in die
Dienstleistung gebraucht wird. Das hilft, Kredite ziel-
und passgenauer aufzunehmen, und führt dazu, dass sich
Unternehmen besser entwickeln können.

Basel II sieht vor, dass Kredite an kleinere oder mitt-
lere Unternehmen bis zu 1 Million Euro mit einem um
25 Prozent niedrigeren Risikogewicht belegt werden sol-
len. Das bedeutet für den Mittelstand, dass er bessere
Kreditbedingungen vorfindet, als das jetzt – nach Basel I –
der Fall ist. Wir als Abgeordnete kennen die vielen Be-
richte von Unternehmen aus unseren Wahlkreisen, die
darüber klagen, dass sie keinen Kredit mehr bekommen,
was von der Bank mit Basel II begründet werde. Das ist
erstens sachlich nicht richtig und zweitens wird sich das
ändern, wenn wir die Richtlinie in nationales Recht um-
gesetzt haben, weil dann gerade die kleinen und mittle-
ren Unternehmen bessere Bewertungen als bisher be-
kommen werden – sie werden, wie gesagt, mit einem um
25 Prozent niedrigeren Risikogewicht belegt – und Risi-
ken stärker differenzieren können.

Insofern ist das Vorhaben ein Erfolg. Die Gefahren,
die damit einhergehen konnten, sind gebannt. Zu diesem
Erfolg haben wir als Deutscher Bundestag gemeinsam
beigetragen.

Durch die Neuregelung ändern sich auch die Anfor-
derungen an die Banken. Wer Kunden berät, muss dem-
nächst stärker auf die wirtschaftliche Situation des Un-
ternehmens bzw. auf das Risikomanagement im
eigenen Unternehmen eingehen. Das bedeutet auch, da-
für zu sorgen, dass Mittelständler mit dem Risikoma-
nagement umgehen können, statt wertvolle Zeit zu ver-
lieren und gute Ideen zu verschenken, weil sie sich mit
Aufgaben beschäftigen müssen, die letztlich dazu füh-
ren, dass sie keinen Kredit erhalten und ihr Unternehmen
nicht weiterentwickeln können.

Die Banken sind demnächst dazu verpflichtet, ihr Ri-
sikoprofil transparenter zu machen. Auch das wird dazu
führen, dass Banken verantwortungsvoller mit den be-
stehenden Risiken umgehen. Für die Genehmigung von
technischen Modellen durch die nationale Aufsicht vom
Ratingverfahren bis zur Umsetzung ist, was die Risiko-
gewichtung in der Bank und im Unternehmen selber an-
geht, für grenzüberschreitend tätige Unternehmen eine
stärkere Zusammenarbeit der jeweiligen Finanzaufsich-
ten notwendig. Ich denke, dass eine stärkere Notwendig-
keit zur Zusammenarbeit unserer europäischen Finanz-
aufsicht in einem wachsenden Markt insgesamt nur gut
tun kann.

Eine stärkere Differenzierung bei Risiken der Kre-
ditvergabe macht immun gegen konjunkturverstärkende
Effekte – insbesondere nach unten –, weil die Konjunk-

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(C (D urabhängigkeit großer Unternehmen weitaus größer ist ls die von kleinen, aber auch, weil besser auf die Situaion von Unternehmen eingegangen werden kann. Daurch werden wir konjunkturunabhängig die Kreditituation nicht nur für die großen Unternehmen, sondern esonders für unsere kleinen und mittleren Unternehmen erbessern, einfach weil wir besser auf Konjunkturchwankungen – auf die wir reagieren müssen, weil uns er Weltmarkt dazu zwingt – eingehen können. Insgesamt sind die vorliegenden Regelungen ein Erolg. Die Bundesregierung hat von den verschiedenen ahlrechten Gebrauch gemacht, die wir als unsere naionalen Interessen ausüben können. Ich denke, uns liegt in gutes Paket vor, das sowohl den unterschiedlichen nteressen unserer Kreditinstitute – der Sparkassen auf er einen Seite und der Privatbanken auf der anderen – erecht wird als auch den Unternehmen entgegenommt, die Kapital auf dem Finanzmarkt aufnehmen. Das Gesetz wird insgesamt ein Erfolg werden. Ich beanke mich für die gute Vorlage, mit der wir jetzt weiterrbeiten werden, damit sie zügig und erfolgreich umgeetzt werden kann. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Frank Schäffler, DP-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und erren! Die Basel-II-Umsetzung ist eine Herausfordeung für die Unternehmen und die Kreditwirtschaft in eutschland. Mit der Novellierung des KWG vollziehen ir den ersten Schritt der Umsetzung. Der zweite Schritt it der Anpassung der Solvabilitätssowie der Groß nd Millionenkreditverordnung wird in diesem Jahr folen. Basel II stellt einen Paradigmenwechsel bei der Beureilung und Klassifizierung von Kreditrisiken für Banen dar. Wir begrüßen, dass sich damit die Eigenkapitalnterlegung der Banken an deren tatsächlichen reditrisiken orientiert. Dies verhindert nationale, aber or allem auch internationale Wettbewerbsverzerrungen uf den Kreditmärkten. Gerade als große Volkswirtschaft üssen wir für freie Märkte mit gleichen Spielregeln intreten. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603521500

(Beifall bei der FDP)

Frank Schäffler (FDP):
Rede ID: ID1603521600

Ziel der Basel-II-Vereinbarung sind stabile Finanz-
ärkte. In Deutschland, aber nun auch mit zweijähriger
erzögerung in den USA, führte die Diskussion über
asel II zu heftigen Auseinandersetzungen. Beide Sei-

en, Europa und die USA, müssen jedoch ein großes In-
eresse an einer möglichst zeitgleichen Umsetzung ha-
en.






(A) )



(B)


Frank Schäffler
Im deutschen Mittelstand gab es Befürchtungen,
dass sich Kredite nun verteuern würden, da ein höheres
Risiko des Kreditnehmers zu einer höheren Eigenkapi-
talanforderung führt. Dass nunmehr die Ausfallwahr-
scheinlichkeit bei Großunternehmen sowie bei kleinen
und mittleren Unternehmen untersucht wurde, begrüßen
wir. Das Ergebnis der Untersuchung ist gerade für kleine
und mittlere Unternehmen positiv; denn während die
Ausfälle bei Großunternehmen besonders stark in dem
Konjunkturverlauf entsprechenden Wellen auftreten,
sind kleine und mittlere Unternehmen diesem Teil des
Kreditrisikos weniger ausgesetzt. Voraussichtlich kön-
nen die Eigenkapitalanforderungen an mittelständische
Unternehmen um 17 Prozent verringert werden.

Die FDP-Bundestagsfraktion ist dem Mittelstand wie
keine andere Fraktion hier im Haus verbunden.


(Beifall bei der FDP)


Deshalb begrüßen wir im Einzelnen, dass Kredite bis
1 Million Euro wie Retail-Kredite behandelt werden
können. Banken können darüber hinaus für Unterneh-
men mit einem jährlichen Umsatz von weniger als
50 Millionen Euro ein Segment für kleine und mittlere
Unternehmen bilden. Auch dies führt zu einer Entlas-
tung des Mittelstandes, da hier geringere Eigenkapi-
talanforderungen bestehen.

Unterm Strich wird die Kreditvergabe für den Mittel-
stand durch die geringere Eigenkapitalunterlegung der
Banken verbessert. Damit werden rund 90 Prozent aller
deutschen Unternehmen Nutznießer dieser Regelung
sein. Dennoch sind Bankkredite für die Finanzierung
von Unternehmen nur ein Baustein. Deshalb sollten wir
auch andere Formen der Kapitalbeschaffung von Unter-
nehmen fördern. Wir sollten die Private-Equity-
Branche einladen, zu uns nach Deutschland zu kom-
men. Vergleiche von Investoren mit Tieren nutzen dem
Standort Deutschland dabei nicht.


(Beifall bei der FDP)


Es passt nicht zusammen, wenn Sie von der SPD Inves-
toren beschimpfen und dann den Einstieg eines Private-
Equity-Fonds bzw. eines Hedgefonds – je nachdem, wie
man das bezeichnen will – bei der Deutschen Telekom
einfädeln.

Unser Augenmerk gilt bei der Basel-II-Umsetzung
auch dem deutschen Bankensektor. Gerade gestern hat
der Chef der BaFin, Jochen Sanio, auf der Jahrespresse-
konferenz die schlechte Ertragslage der deutschen Ban-
ken dargestellt. Unter Renditegesichtspunkten haben die
deutschen Banken weiterhin die rote Laterne. Wichtig
ist, dass der Gesetzgeber den Wettbewerb in der deut-
schen Kreditwirtschaft nicht verzerrt. Bei der Basel-II-
Umsetzung stellt sich das Problem der Nullgewichtung
von Intergruppenforderungen. Die FDP hat dazu eine
Kleine Anfrage hier im Parlament gestellt.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Die war aber sehr gut beantwortet!)


– Das meinen Sie. – Die Bundesregierung hat in ihrer
Antwort leider kein Problembewusstsein gezeigt.

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(C (D Es ist nun Aufgabe der BaFin, zu prüfen, ob die Hafungsverbünde, in Deutschland insbesondere die Sparassen und die Landesbanken, die Voraussetzungen für ine Nullgewichtung von Intergruppenforderungen erüllen. Ich erwarte von der BaFin eine unvoreingenomene Prüfung. Es darf keine Vorabzusagen geben. Imerhin wird in diesem Bereich ein Volumen von Milliarden Euro bewegt. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Leo Dautzenberg, DU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Nina Hauer [SPD])


(Beifall bei der FDP)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603521700


Leo Dautzenberg (CDU):
Rede ID: ID1603521800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der

eute zur ersten Lesung anstehenden Umsetzung der neu
efassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapi-
aladäquanzrichtlinie beraten wir über den Abschluss ei-
es Prozesses, den wir alle besser unter dem Stichwort
Basel II“ kennen. Basel II wird den Basel-I-Akkord aus
em Jahre 1988 ablösen. Eine zentrale Neuerung von
asel II besteht darin, dass die Risiken einer Bank bei
er Kreditvergabe und der damit verbundenen Bemes-
ung ihrer Eigenkapitalausstattung und -unterlegung ge-
auer und differenzierter berücksichtigt werden. Das
eißt, künftig muss nicht mehr wie bisher jeder Kredit
auschal mit einer Eigenkapitalquote von 8 Prozent der
ktiva unterlegt werden.

Zeitgleich beraten die amerikanischen Parlamentarier
rst die Auswirkungen von Basel II, wohingegen wir uns
n diesen Prozess schon viel früher eingeschaltet haben.

ir werden deshalb das Einführungsdatum einhalten
önnen, was immer unser Ziel war. Wir haben unsere
ausaufgaben gemacht und erreichen mit dem nunmehr
orliegenden Umsetzungsgesetz die Zielgerade von
asel II. Mit den heute beginnenden Beratungen stellen
ir sicher, dass Basel II rechtzeitig und mit genügend
orlauf zum 1. Januar 2007, dem von Europa vorgesehe-
en Einführungsdatum, verabschiedet werden wird. Da-
urch erhält die Kreditwirtschaft die Zeit, die sie für die
mplementierung braucht.

Dass der Basel-II-Prozess in Deutschland so weit und
ositiv fortgeschritten ist, ist das Ergebnis jahrelanger
onsequenter und hartnäckiger Arbeit auf internationa-
er, europäischer und schließlich nationaler Ebene. Da-
ei waren mit Basel II auch und gerade bei uns in
eutschland anfänglich viele Sorgen und Ängste ver-
unden. Der Mittelstand befürchtete, dass Kredite unbe-
ahlbar würden oder überhaupt nicht mehr an eine be-
timmte Klientel vergeben würden. Die Kreditwirtschaft
orgte sich wegen des hohen administrativen Aufwands
nd gravierender Kosten.

Dass die Implementierung von Basel II Geld kostet
nd aufwendig ist, ist auch heute noch unbestritten. Be-
üglich der anderen Sorgen, die in den vergangenen
)






(A) )



(B) )


Leo Dautzenberg
Jahren mit Basel II verbunden waren, vor allem hinsicht-
lich der befürchteten Finanzierungslücken im Mittel-
stand, können wir mit dem heute vorliegenden Gesetz-
entwurf Entwarnung geben. Vielmehr ist es an der Zeit,
die positiven Aspekte von Basel II deutlich zu machen:
Erstens. Basel II trägt zu einer größeren Stabilität im
Bankensektor weltweit bei. Zweitens. Basel II wirkt
konjunkturellen Übertreibungen bei der Kreditvergabe
entgegen und stabilisiert somit die Kreditverfügbarkeit
in allen Stadien des Wirtschaftszyklus. Drittens. Basel II
ist in seiner aktuellen Fassung mittelstandsfreundlich, da
Mittelstandskredite besonders behandelt werden. Vier-
tens. Basel II führt mittelfristig gerade bei den kleinen
Kreditinstituten zu erheblichen Entlastungen bei den
Aufwendungen von und für Eigenkapital.

Diese positiven Aspekte von Basel II waren, wie wir
alle wissen, keinesfalls von Anfang an absehbar. Sie sind
vielmehr das Ergebnis eines langen Verhandlungspro-
zesses, der bereits vor sieben Jahren begann. Erlauben
Sie mir einen kurzen Blick zurück auf diesen Prozess,
der sehr deutlich macht, dass wir den heutigen Gesetz-
entwurf zu Basel II als einen Erfolg für den Finanzstand-
ort Deutschland bezeichnen können. Sein erstes Konsul-
tationspapier zu Basel II veröffentlichte der Baseler
Ausschuss im Jahre 1999. Vor Augen hatte der Aus-
schuss damals dabei vor allem die 1997er-Finanzkrise in
Südostasien, als einige größere Banken kollabierten,
nachdem sich riskante und leichtfertig vergebene Kre-
dite als Totalausfälle erwiesen hatten. Mit neuen Eigen-
kapitalregeln, welche die Risiken besser erfassen und die
die Eigenkapitalvorsorge der Kreditinstitute risikoge-
rechter ausgestalten, sollte, so die Intention des Baseler
Ausschusses, Krisen wie in Asien besser vorgebeugt
werden. Insgesamt sollte die Stabilität in der internatio-
nalen Finanzstruktur verbessert werden. Vor diesem Hin-
tergrund war Basel von Anfang an ein internationales
Projekt.

Der Deutsche Bundestag hat die Zielsetzung des Ba-
seler Ausschusses, mehr Stabilität in der internationalen
Finanzstruktur zu schaffen, von Beginn an fraktions-
übergreifend unterstützt. Fraktionsübergreifend waren
wir uns von Beginn an auch einig, dass die zunächst vom
Baseler Ausschuss vorgeschlagene Umsetzung nicht
sachgerecht war und eine Gefährdung der gewachsenen
Finanzstrukturen insbesondere in Deutschland bedeutet
hätte. Diese fraktionsübergreifende Einigkeit sowie un-
ser sehr frühzeitiges gemeinsames Engagement in dem
zunächst internationalen, später europäischen Prozess
haben – da bin ich sicher – wesentlich zu positiven Er-
gebnissen bei Basel II beigetragen.

Bereits im Juni 2000 haben alle Fraktionen gemein-
sam einen Entschließungsantrag zu Basel II eingebracht,
in dem wir Folgendes deutlich gemacht haben: Erstens.
Die gewachsenen Finanzstrukturen in Deutschland müs-
sen im Basel-II-Prozess berücksichtigt werden.

Zweitens. Basel II darf nicht zu einer unangemesse-
nen Verteuerung der Finanzierungskonditionen des Mit-
telstands führen. Drittens. Der regulierungsbedingte
Mehraufwand soll für alle beteiligten Kreditnehmer und

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(C (D ür die Institute so gering wie möglich gehalten und so infach wie möglich gestaltet werden. Die deutsche Verhandlungsführung hat diese Fordeungen in die internationalen Gremien eingebracht und ie hat – wenn auch nach anfänglichem Zögern bei den erhandlungsführern; das muss in Erinnerung gerufen erden – hart verhandelt. Zugute kam ihr dabei, dass sie tets auf eine breite Rückendeckung hier im Parlament erweisen konnte. So hat der Baseler Ausschuss dank er deutschen Einbringung im Juli 2002 diverse Eleente beschlossen, die vor allem, wie schon betont, für en Mittelstand von großer und vor allen Dingen positier Bedeutung sind. Beispielhaft möchte ich hier nur die Einführung eines infachen, auf bankinternen Ratings gestützten Stanardansatzes anführen ebenso wie die so genannten etail-Portfolios. Hinter diesen Portfolios verbergen ich Kredite an kleine und mittlere Firmenkunden mit eiem Gesamtvolumen von weniger als 1 Million Euro. iese Kredite können nunmehr von dem Kreditinstitut in inem Portfolio zusammengefasst und mit einer geringeen Eigenkapitalsumme als bisher unterlegt werden. Wie chon mehrmals betont worden ist, dürften davon in eutschland rund 90 Prozent aller Kreditforderungen an ittelständische Unternehmen profitieren. Darüber hinaus wurden – wiederum zugunsten des ittelstands – die Methoden zur Minderung des reditrisikos erweitert. So werden nunmehr auch ganz pezifische und mittelstandstypische Sicherheiten anerannt, beispielsweise Sicherungsübereignung und Abretung von Forderungen aus Lieferungen und Leistunen. Das war zuvor so nicht der Fall. Der Bundestag hat Basel II nicht nur auf internationaer Ebene begleitet, sondern er hat auch – das war für uns esonders wichtig – die europäische Umsetzung aktiv lankiert. Dabei hat uns auch das große Engagement unerer Kollegen im Europäischen Parlament geholfen, die ich für eine möglichst schlanke Richtlinie und diverse ahlrechte stark gemacht haben. Seit Februar dieses Jahres liegt nun die nationale Umetzung von Basel II in Form des heute zur ersten esung anstehenden Gesetzentwurfs vor. Neben Ände ungen im Kreditwesengesetz sind zudem zwei Verordungen notwendig, welche die technischen Details von asel II umsetzen. Der Gesetzentwurf – das ist eine für mich sehr wichige Botschaft in dieser ersten Lesung – setzt die EUichtlinien zu Basel II, wie wir es im Koalitionsvertrag orgesehen haben, im Grundsatz eins zu eins um. Wir atteln keine neuen oder weiter gehende Regeln und Reulierungen auf die EU-Richtlinie drauf nd sorgen damit für gleiche Wettbewerbsbedingungen ie in den anderen EU-Mitgliedstaaten. Ebenso – das ist genauso wichtig – kommt der Geetzentwurf einem zweiten Auftrag des Koalitionsvertraes nach: Er nutzt die von der EU eröffneten Wahlechte zugunsten des deutschen Standorts. Beispielhaft Leo Dautzenberg seien hier die Wahlrechte angeführt, die der besonderen deutschen Drei-Säulen-Bankenstruktur Rechnung tragen und bei Haftungsverbünden unter ganz bestimmten Voraussetzungen eine Nullgewichtung von Intergruppenforderungen vorsehen. Sie sehen, dass wir dies konsequent umgesetzt haben. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf ist sicherlich noch nicht in sämtlichen technischen und redaktionellen Einzelheiten perfekt. Die nun anstehenden Beratungen werden wir dazu nutzen, auch diese Details zu klären. Im Grundsatz lässt sich aber glücklicherweise schon heute sagen: Die kontinuierliche Arbeit bei Basel II, auch die parlamentarische, hat sich für Deutschland gelohnt. Vielen Dank. Der Kollege Axel Troost, Fraktion Die Linke, hat seine Rede zu Protokoll gegeben.1)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603521900

Als Letzter spricht in dieser Debatte Dr. Gerhard
Schick, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603522000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ge-

schichte der Verhandlungen über Basel II zeigt sehr
deutlich, welch immense Bedeutung die Bankenregulie-
rung für die wirtschaftliche Entwicklung hat. Ein wichti-
ger Impuls für die Verhandlungen in Basel war die
Asienkrise. Man hat gesehen, dass eine schwache Ban-
kenregulierung dramatische Auswirkungen für die Real-
wirtschaft haben kann, die sich weit über das jeweilige
Land hinaus erstrecken können. Die Umsetzung in einer
internationalen Vereinbarung ist deswegen richtig. Da-
rüber hinaus haben wir in dem Diskussionsprozess zu
Basel II gemerkt, dass es dann, wenn an ein paar Stellen
zu rigoros, zu dogmatisch geschraubt wird, große Pro-
bleme für die Finanzierung der Unternehmen geben
kann. Deswegen die große Diskussion: Was tut Basel II
für den Mittelstand?

Wenn wir uns heute anschauen, was vorliegt, wie also
die Vorschläge der Koalition zur Umsetzung der Ban-
kenrichtlinie und der Kapitaladäquanzrichtlinie sind,
können wir vom Bündnis 90/Die Grünen sagen, dass wir
da mitgehen können; wir haben das auch bisher schon
zusammen getragen.

Wir finden es richtig, dass zum 1. Januar 2007 mit der
zweistufigen Umsetzung begonnen wird, obwohl in den
USA nicht gleichgezogen wird. In Deutschland haben
sich schon alle, die Banken, aber auch die Unternehmen,
darauf eingestellt. Von daher wäre es falsch, jetzt einen
Rückzieher zu machen.

Wir sind mit der Mittelstandskomponente sehr zufrie-
den. Wir von der rot-grünen Seite haben uns schon in der
letzten und der vorletzten Legislaturperiode sehr dafür
eingesetzt, dass eine starke Mittelstandskomponente hi-
neinkommt. Erlauben Sie mir an der Stelle eine Bemer-

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1) Anlage 2

(C (D ung: Dieses Pachten des Eintretens für die kleinen und ittleren Unternehmen durch eine Partei ist da wenig ilfreich. Es ist gut, dass wir gemeinsam daran arbeiten. uch auf die Grünen kann der deutsche Mittelstand, önnen die kleinen und mittleren Unternehmen auf jeden all zählen. Das haben wir gerade bei dem Thema geeigt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Bei der Gentechnik haben wir das gerade gesehen! – Gegenruf des Abg. Frank Schäffler [FDP]: Genau!)


Die Details zu der Frage, in welchen Bereichen der
ittelstand in den Verhandlungen gestärkt worden ist,

ind schon genannt worden; darauf will ich jetzt nicht
och einmal eingehen. Wir können im Endeffekt sagen,
ass es wirklich gelungen ist, das einzulösen, was der
erhandlungsführer Sanio gesagt hat: In Basel gilt es,
in Zeichen für den deutschen Mittelstand zu setzen.

Ich will noch auf zwei, drei Aspekte eingehen, die in
er bisherigen Debatte noch nicht genannt worden sind.
eben den Mindestkapitalanforderungen, der einen
äule, die im Zentrum der Diskussion stand, geht es na-

ürlich auch darum, dass wir die Bankenaufsicht hin-
ichtlich des Risikomanagements insgesamt deutlich
odernisieren und effektiver machen. Wir mussten
ruck ausüben, damit überall im Bankensystem ein mo-
ernes Risikomanagement Einzug hält. Außerdem geht
s mit neuen Offenlegungspflichten und neuen Hand-
ungsmöglichkeiten für die BaFin ein Stück voran auf
em Weg zu einer guten Bankenaufsicht.

Wenn wir jetzt in die Beratungen gehen, wird das
hema Intergruppenforderungen eine Rolle spielen. Von
nserer Seite aus werden auch die Themen Datenschutz
nd Verbraucherschutz eingebracht werden. Es geht
m Fragen wie: Wie werden die Daten übermittelt? Gibt
s im Hinblick auf das Scoring – das durch Basel II nicht
eu eingeführt wird, aber dadurch eine größere Bedeu-
ung erhält – eine Möglichkeit, Auskunft über das eigene
coring zu erhalten? Gibt es die Möglichkeit, da noch
inmal nachzufragen, damit das nicht nur ein Automatis-
us ist?

Ich möchte zum Schluss noch sagen: Wenn man sich
en Gang der Verhandlungen anschaut, erkennt man,
ass es sich lohnt, wenn wir uns frühzeitig bei internatio-
alen Verhandlungen einklinken.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: So ist das!)


o konnten wir als Parlament für die deutsche Wirt-
chaft, für die typischen deutschen Strukturen – jedes

irtschaftssystem ist ein bisschen anders strukturiert –
uch international wirklich etwas herausholen. Diese po-
itive Erfahrung sollten wir uns für die nächsten Projekte
erken, zumal wir bei Solvency II das Ganze für die
ersicherungswirtschaft noch einmal in ähnlicher Weise
urchdeklinieren werden.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603522100

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 16/1335 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse sowie an den Ausschuss
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? –
Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so be-
schlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Hellmut
Königshaus, Dr. Karl Addicks, Christian
Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP

Aus dem Peer-Review der OECD lernen – die
Empfehlungen zur Umgestaltung der Ent-
wicklungszusammenarbeit umsetzen

– Drucksache 16/963 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Erster Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Hellmut Königshaus, FDP.


(Beifall bei der FDP)



Hellmut Königshaus (FDP):
Rede ID: ID1603522200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die

Bundesregierung hat einen Peer-Review erhalten. Das
bedeutet, dass die Wirksamkeit ihrer Politik in einem
Teilbereich, in diesem Fall der Entwicklungszusammen-
arbeit, von der OECD untersucht und bewertet wurde.
Sie, Frau Ministerin, haben dies für die Bundesregierung
als ein nachdrückliches Lob empfunden und so darge-
stellt. Es ist zu befürchten, dass Sie das auch wirklich
glauben. Davon kann aus unserer Sicht aber keine Rede
sein.

Gelobt wurde einiges; das ist wahr; das wollen wir
auch einräumen. Aber es waren Teile dabei, die wir je-
denfalls nicht für richtig halten.

Es ging zum Beispiel darum, dass ein eigenes Minis-
terium existiere. Das hat, neben einigen Vorteilen, vor
allem Nachteile. Das Nebeneinander mehrerer Ämter
und Ministerien hat notwendigerweise Reibungsverluste
und Kompetenzgerangel zur Folge. Das können wir auch
hier in einigen Bereichen beobachten. Damit stellt es ei-
gentlich eher, anders als Sie es darlegen, einen Teil des
Problems dar, das der Peer-Review im Weiteren übrigens
heftig kritisiert, und nicht einen Teil der Lösung.

Auch die Fokussierung auf die so genannte ODA-
Quote, die der Peer-Review in der Tat behandelt, ist
nach unserer Überzeugung falsch; denn sie macht den
Mittelabfluss, das heißt das Geldausgeben an sich, zum
Erfolgskriterium und animiert damit letztlich zum Geld-

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(C (D erschwenden. Es geht doch wohl weniger darum, dass ir Geld ausgeben, dass wir Mittel abfließen lassen, sonern vielmehr darum, dass bei den Partnerländern mögichst viel und natürlich vor allem Nutzbringendes anommt. icht die Quantität, sondern vor allem die Qualität muss timmen. Darüber sagen Quoten gar nichts. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Entwicklungshilfe ist wohl auch eine Frage der Quantität!)


(Beifall bei der FDP)


Aber ich will mich hier vor allem auf diejenigen Vor-
chläge der OECD konzentrieren, Herr Kollege, die uns
irklich weiterführen. Da will ich nicht verhehlen, dass

uch wir Liberalen nicht alle Kritikpunkte des Peer-
eview teilen. Es gibt in dem Bericht aber doch sehr be-

echtigte Kritik, und das nicht zu knapp. Diese Punkte
ill ich hier einmal kurz zusammenfassen.

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit sei, so
ie OECD, zersplittert, nicht kohärent und oftmals nicht
n den Bedürfnissen der Empfängerländer orientiert.
chlimmer noch: In Teilen sei sie ineffektiv. Vernichten-
er, meine Damen und Herren, kann das Urteil über eine
olitik, bei der so viel Geld umgesetzt wird, so viel Steu-
rgelder eingesetzt werden, eigentlich nicht ausfallen.

Sie fragen natürlich, wenn wir das so nachdrücklich
ritisieren, was wir, die Liberalen, denn vorschlagen.


(Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


ir müssen – das ist unsere Antwort – zunächst einmal
ie Entwicklungszusammenarbeit auf ihre Zielgenauig-
eit und Effizienz hin überprüfen. Das heißt konkret, wir
üssen vor allem das Verhältnis zwischen technischer
usammenarbeit und finanzieller Zusammenarbeit über-
rüfen, mit dem Ziel, die unnötige, teure, lähmende Bü-
okratie zu verringern.


(Beifall bei der FDP)


Wir müssen die Hilfe besser bündeln, auf weniger
artnerländer fokussieren. Dabei müssen die Kriterien
ood Governance, Reformbereitschaft und Koopera-

ionswilligkeit, aber auch Bedürftigkeit im Vordergrund
tehen.

Außerdem müssen wir das Ankerländerkonzept zu-
indest in seiner gegenwärtigen Ausprägung aufgeben.
as bedeutet nicht Rückzug, sondern verstärkte Mobili-

ierung von finanziellen Eigenmitteln der Empfänger-
änder. Wir waren gerade in China und haben die starke

irtschaftskraft besonders in den Küstenstädten erlebt.
as wir dort gesehen haben, waren keine potemkin-

chen Dörfer, meine Damen und Herren. China ist kein
isneyland. Die Hochhäuser in Schanghai, Hongkong
nd den anderen Küstenstädten drücken echte wirt-
chaftliche Leistungsfähigkeit aus. Diese müssen wir ak-
ivieren; wir müssen sie den Chinesen abverlangen. Das
u leisten sind die Chinesen auch bereit. Für die anderen
chwellenländer gilt nichts anderes.


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Hellmut Königshaus
Wir müssen die bisherige Praxis der Schuldenerlasse
überprüfen. Es muss sichergestellt sein, dass, wenn wir
einen Schuldenerlass in Betracht ziehen, die Mittel dann
tatsächlich in geeignete Kanäle fließen, dass sie wirklich
für die weitere Entwicklung eingesetzt werden. Wir dür-
fen nicht ungeeigneten Partnern, die anschließend inner-
halb kürzester Zeit wieder neue Schulden in ungeahnter
Höhe aufbauen, Zusagen machen. Ein Schuldenerlass,
weil die Länder dann, ohne Cash zu haben, die ODA-
Quote auffüllen können, ist einfach Unfug.


(Beifall bei der FDP)


Nicht zuletzt – Frau Präsidentin, ich komme zum
Schluss – müssen wir das Verhältnis zwischen bilatera-
ler und multilateraler Zusammenarbeit überprüfen.
Die Probleme mit dem Europäischen Entwicklungs-
fonds, auch durch mangelnde parlamentarische Kon-
trolle, haben wir hier schon mehrfach erörtert. Ich will
das hier aber nicht weiter vertiefen.

Wir müssen all diese Punkte in Betracht ziehen. Der
OECD-Bericht gibt uns an einigen Stellen wertvolle
Hinweise. Wir sollten – damit haben wir schon begon-
nen – weiter intensiv darüber reden. Die Liberalen sind
dazu bereit, um die Ziele, die wir teilen, zu erreichen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603522300

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Ruck,

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1603522400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Auch ich glaube, dass der DAC-Peer-Review
eine gute Einrichtung ist. Wenn uns Kollegen aus be-
freundeten Ländern ein wenig auf die Finger schauen,
befreit uns das von der Nabelschau, die wir oft betreiben.
Ich danke daher den französischen, kanadischen und den
holländischen Kollegen herzlich.

Der DAC-Peer-Review fällt in eine Zeit, in der die
Probleme der Entwicklungsländer auch zunehmend un-
sere eigenen Probleme werden und in der die Entwick-
lungszusammenarbeit und die Entwicklungspolitik unter
Erfolgsdruck und auch Legitimationsdruck stehen. Wir
Entwicklungspolitiker sind schon von Natur aus selbst-
kritisch und nehmen deshalb die Ratschläge im DAC-
Peer-Review dankend zur Kenntnis. In dem Peer-
Review ist auch viel Lob für unsere Entwicklungspolitik
enthalten.

An die Adresse meines Vorredners gerichtet muss ich
sagen: Die Eigenständigkeit des BMZ war schon in der
letzten Legislaturperiode ein Streitpunkt zwischen uns.
Wir sind der Meinung, dass wir eine stärkere Stellung
des BMZ brauchen und dass die Entwicklungspolitik im
Kabinett vertreten sein muss. Dabei bleibt es.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein weiterer Punkt. Es wurde ausdrücklich die hohe
ualität unserer Entwicklungsinstitutionen in diesem
ericht erwähnt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang
n die Diskussion mit Herrn Manning und auch an die
ohe Qualität der GTZ beispielsweise im Bereich des
apacity-Buildings, also im Bereich des Aufbaus, der
taatsverwaltung, der Forschung und anderen Punkten.

Auch in Bezug auf die ODA-Quote ist das Lob im
AC-Peer-Review gerechtfertigt. Wir haben unser Wort
egeben und werden es auch einhalten, dass wir diese
uote erfüllen.

Sie haben natürlich Recht: Bei einer modern aufge-
tellten Entwicklungsarbeit geht es vor allem um die
erbesserung der Qualität. Aber bei den gigantischen
ufgaben, die nach unserer Meinung die Entwicklungs-
olitik erfüllen muss, geht es natürlich auch um Quanti-
ät. Deswegen ist die Koordination zwischen Verbes-
erung und Erhöhung des Potenzials der
ntwicklungspolitik richtig. Diese Position vertreten
eide Koalitionspartner.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir nehmen natürlich auch die Mahnungen ernst.
err Königshaus, die Mahnungen decken sich mit dem,
as wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Ich
ann Ihnen die einzelnen Punkte Schritt für Schritt he-
unterbeten. Im Koalitionsvertrag sind die Ausrichtung
er strategischen Entwicklungspolitik, die Erhöhung der
ffizienz und auch die Reform der Durchführungsorga-
isationen enthalten. Auch wir sind trotz des guten Ru-
es, den unsere Organisationen haben, der Meinung, dass
ie Notwendigkeit zur Verbesserung, zur Erhöhung der
ffizienz, zur Straffung und zur Hebung von Synergien
esteht. Auch das steht im Koalitionsvertrag. Also keine
ufregung!


(Dr. Karl Addicks [FDP]: Von AIDS und Gesundheit steht aber nichts drin!)


Ich bin dafür, dass wir diesen Weg gehen, dass wir
as Gutachten einer hervorragenden Institution abwarten
nd dass wir diesen Prozess transparent gestalten und
hne Tricks im Parlament begleiten. Darauf legen auch
ir Wert. Dann können wir erneut diskutieren, ob die ge-
achten Vorschläge sinnvoll sind.

Ich möchte, dass wir in diesem Zusammenhang auch
n das BMZ und nicht nur an die Durchführungsorgani-
ationen denken. Das gesamte System der entwicklungs-
olitischen Instrumente muss auf den Prüfstand. Ich
laube, dass das ein wichtiger Punkt ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Was wird im Peer-Review noch angemahnt? Die Aus-
ichtung auf die Millennium-Development-Ziele – auch
ies steht im Koalitionsvertrag. Die Steigerung der
ohärenz und die Konzentration auf sowohl sektorale






(A) )



(B) )


Dr. Christian Ruck
als auch regionale Schwerpunkte haben wir ebenso im
Koalitionsvertrag festgehalten. Ich gebe zu: Der Bericht
wurde natürlich im Wesentlichen vor den Koalitionsver-
handlungen geschrieben. Aber auch diese Punkte haben
wir abgehakt.

Wir müssen eine ganz sorgfältige Diskussion darüber
führen, wer in Zukunft unsere Schwerpunktpartner-
länder sein sollen. Dies muss unter dem Gesichtspunkt
erfolgen, in welchem Land wir am meisten bewegen
können und müssen und wie wir am meisten erreichen.
Auch das ist eine Diskussion, der wir uns laut Koaliti-
onsvertrag stellen müssen.

Genauso halten wir für ganz entscheidend: Es geht
nicht nur um die nationale Arbeitsteilung, sondern vor
allem auch – das ist ebenso ein ganz wichtiger Punkt in
unserem Koalitionsvertrag – um eine Verbesserung der
internationalen Arbeitsteilung, die auch Good Gover-
nance einfordert. Gerade das, was Manning angespro-
chen hat, Good Governance, ist ein schwarz-roter Faden,
der sich durch den Koalitionsvertrag zieht.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt: Hier anfangen, bevor man bei den anderen predigt!)


Auch in diesem Punkt ist der Peer-Review abgehakt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nun zur Frage der Entschuldung. Ich gebe Ihnen
vollkommen Recht: Die Entschuldung darf kein Trick
werden, der es erlaubt, die ODA-Quote zu erhöhen. Ich
kann mich gut an meine eigenen Worte erinnern – ich
lasse mich auch gerne daran erinnern –, was den Irak an-
belangt. Wir sind der Meinung – wir haben im Obleute-
gespräch eine Anhörung zu diesem Thema vereinbart;
sie ist schon terminiert –, dass wir eine Entschuldung
wollen, die nicht dazu führt, dass die Katze wieder auf
die alten Füße fällt, sondern die wirklich zu einem Ent-
wicklungsschritt führt. Das müssen wir natürlich sicher-
stellen. Da geht es um Konditionalität. Wir müssen
gemeinsam dafür sorgen, dass unsere Entschuldungspro-
gramme zu besseren Ergebnissen führen als bisher.

Auch die bilateralen und multilateralen Instru-
mente – dies steht ebenso im Koalitionsvertrag – wollen
wir angehen. Nur, wir haben in den Haushaltsverhand-
lungen gesehen: Wenn wir damit ernst machen, dann
geht es ans Eingemachte. Dies muss man dann trotz Zäh-
neknirschen und Wehklagen der Betroffenen durchset-
zen. Irgendeine Gruppe ist immer betroffen. Ich bitte in
diesem Zusammenhang um Tapferkeit und Mut auch sei-
tens der FDP.

Ein wichtiger Punkt ist natürlich die Diskussion um
Schwellenländer und Ankerländer. Das ist ein ent-
scheidender Punkt, der auch in unserer eigenen Fraktion
eine Rolle spielt. Ich glaube, dass wir diese Diskussion
vor dem Hintergrund folgender Fragen führen müssen:
Was ist für uns eine moderne Politik der Zusammenar-
beit und Entwicklung? Ist es überhaupt möglich, ganze
Erdteile, die eine rasante Entwicklung durchmachen,
auszuklammern? Ist es nicht so, dass China durch seine
Entwicklung und die gigantische Auseinanderentwick-

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(C (D ung ganzer Landesteile in einen bedrohlichen Zustand ersetzt werde könnte, der zu schweren Rückschlägen it ungeahnten Folgen auch für unser eigenes Land füh en könnte? Müssen wir nicht auch auf unsere Partner, um Beispiel auf die Kirchen, hören, die sagen, dass es ür sie weiterhin eine Verpflichtung ist, sich um die Aren in China und in Indien zu kümmern? Das alles sind inge, die wir gut überlegen und über die wir diskutie en sollten. Da komme ich zu anderen Schlüssen als Sie on der FDP. Ich möchte diesen Bericht – das sage ich ganz ehrlich – icht wie eine Monstranz vor mir hertragen. In der Disussion mit Manning haben wir Widersprüche festgetellt. Wir haben gesagt, dass wir in einigen Punkten icht einer Meinung mit ihm sind. Aber wir nehmen den ericht ernst. Wir sagen: Wir haben schon im Koalitinsvertrag die entsprechenden Weichen gestellt. Diese erden wir jetzt abarbeiten. Insofern kann ich nur sagen: Der Antrag der FDP ist berflüssig. Ihm können wir deswegen nicht zustimmen. Nächster Redner ist der Kollege Hüseyin Aydin, raktion Die Linke. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und erren! Die FDP fordert in ihrem Antrag mehr Zielenauigkeit und Effektivität in der deutschen Entwickungshilfe. Wer würde dem widersprechen? Sie haben Recht. Nieand ist gegen mehr Effizienz. Sie wollen jedoch den Eindruck vermitteln, als behin ere allein die mangelnde Effizienz die Umsetzung der illenniumsentwicklungsziele. Das ist Unsinn. Die Mil enniumsentwicklungsziele sehen die Halbierung der ahl der weltweit Hungernden und extrem Armen bis um Jahr 2015 vor. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen unächst einmal mehr finanzielle Mittel bereitgestellt erden. Dazu sagt die FDP aber keinen Ton. Die Bundesregierung hat sich im Rahmen der EU auf inen Stufenplan zur Erhöhung der Entwicklungshilfe uf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2015 verflichtet. Die Bundesregierung behauptet heute, der erste chritt sei getan. Mit 0,35 Prozent sei das Etappenziel in iesem Jahr sogar übertroffen worden. Das ist Augenwicherei. (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Rechnen muss man schon können!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603522500

(Beifall bei der LINKEN)

Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603522600

(Dr. Karl Addicks [FDP]: Das ist doch gut!)


ollege Raabe, in Wirklichkeit wurde diese scheinbare
rhöhung nur dadurch erreicht, dass dem Irak und Nige-

ia Schulden erlassen wurden. Darauf hat Herr Ruck hin-
ewiesen.


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Sind es 0,35 Prozent oder nicht?)







(A) )



(B) )


Hüseyin-Kenan Aydin
Dieser Erlass wurde auf die öffentlich geleistete Ent-
wicklungshilfe angerechnet.

Die OECD hat festgestellt, dass die deutsche Ent-
wicklungshilfe, bereinigt um die Mittel des Schuldener-
lasses und der Wechselkurseinflüsse, zwischen 2004 und
2005 um fast 10 Prozent abgenommen hat. Ich wieder-
hole: minus 10 Prozent. Das ist nicht meine Berechnung.
Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Wir von der
Linksfraktion sind für die umfassende Entschuldung von
Drittweltländern.


(Beifall bei der LINKEN)


Viele afrikanische Staaten werden von einer Schulden-
last erdrückt. Entschuldung ist die Voraussetzung für
Entwicklung.


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Deshalb ist auch die ODA-Anrechnung richtig!)


Kollege Raabe, nehmen wir das Beispiel Mosambik.
Der deutliche Anstieg der Einschulungsrate in Mosam-
bik steht in einem engen Zusammenhang mit der Ent-
schuldung des Landes.


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Richtig!)


Doch ohne den Bau neuer Schulen, ohne Mittel für die
Ausbildung von Lehrern wird die Entschuldung nicht
greifen. Entschuldung kann die Bereitstellung echter, fri-
scher Mittel in der Entwicklungszusammenarbeit nicht
ersetzen.

Bundesministerin Wieczorek-Zeul hat offenbar ver-
gessen, dass sie diesem Punkt bis vor kurzem zustimmte.
Im März 2002 hat sich die Bundesregierung im mexika-
nischen Monterrey darauf eingelassen, Schuldenerlasse
nicht auf die ODA-Quote anzurechnen.


(Beifall des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Leider hält sich die Bundesregierung heute nicht mehr
daran. Sie erklärt das sogar zu einem großen Fortschritt
auf dem Weg zur Erfüllung der gesteckten Entwick-
lungsziele. Frau Ministerin, ich frage Sie: Ist das der
Preis, den Sie für die große Koalition zahlen müssen?

Der OECD-Bericht kritisiert den mangelnden strate-
gischen Ansatz der deutschen Entwicklungspolitik. Es
geht um die Effektivierung der Armutsbekämpfung. Es
gibt einzelne Länder, vor allem in der Sahelzone, wo die
deutsche Entwicklungszusammenarbeit durch ein um-
fassendes und zusammenhängendes Konzept zur Ar-
mutsbekämpfung überzeugt. Die Frauen und Männer
von der GTZ leisten in einem Land wie Burkina Faso
hervorragende Arbeit. Dort trägt das Programm „Land-
wirtschaftliche Entwicklung“ zur Sicherung der Ernäh-
rungsgrundlagen bei. Hier werden die Folgen der Armut,
die eine unsoziale und ungerechte Weltwirtschaftsord-
nung immer von neuem erzeugt, unmittelbar bekämpft.

Ich empfinde es als angebracht, an dieser Stelle – ich
hoffe, ich spreche im Namen aller Abgeordneten im
Deutschen Bundestag – den Entwicklungshelfern für ih-
ren Einsatz Anerkennung und Dank auszusprechen.

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(C (D (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD])


Leider ist die deutsche Entwicklungspolitik in ihrer
esamtheit aber alles andere als optimal aufgestellt. Der
nteil der armutsrelevanten Kernbereiche Bildung, Ge-

undheit und Wasserversorgung betrug 2005 zusammen-
enommen deutlich weniger als 25 Prozent der Mittel
ür die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit.

Die FDP kommt mit ihrem Antrag kritisch daher. Sie
ordert die Überprüfung des Verhältnisses „zwischen
echnischer und finanzieller Zusammenarbeit“ um „be-
astende ... Bürokratie zu verringern“. Wer ist schon für
elastende Bürokratie? Selbst die Linke nicht. Wenn die
DP die Verschlankung des Staates fordert, dann ist der
tellenabbau nicht weit.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


ir sagen: Effizient ist das, was den Armen in der Drit-
en Welt hilft. Wenn eine Fusion von technischer und fi-
anzieller Zusammenarbeit in der deutschen Entwick-
ungshilfe dem Kampf gegen Hunger, dem Kampf gegen
ids und dem Bau neuer Abwassersysteme dient, dann
nterstützen wir das.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603522700

Herr Kollege, ich muss Sie an Ihre Redezeit erinnern.


Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603522800

Ich komme zum letzten Absatz.

Der OECD-Bericht merkt kritisch an, Deutschland
öge über Möglichkeiten zur Freisetzung zusätzlicher

ffentlicher Haushaltsmittel für die Entwicklungsarbeit
achdenken, sprich: nicht nur auf dem Papier, sondern
eal die Entwicklungshilfe steigern.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603522900

Herr Kollege!


Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603523000

Doch diese Kritik hat die FDP in ihrem Antrag gern

bersehen. Zu einem Antrag, der von Effektivität redet,
ber Abbau der Entwicklungshilfe meint, können wir
ur Nein sagen.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603523100

Das Wort hat der Kollege Sascha Raabe, SPD-Frak-

ion.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1603523200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen

nd Kollegen!

Deutschland verdient Anerkennung für sein En-
gagement in einer Reihe von Bereichen, die von an-
deren Gebern eher weniger finanziell unterstützt
werden …






(A) )



(B) )


Dr. Sascha Raabe
Dieser Satz stammt nicht von mir, sondern er ist ein Zitat
aus eben jenem DAC-Prüfbericht, von dem die Opposi-
tion meint, er sei so schlecht ausgefallen. Sie tut sich nun
erkennbar schwer damit, zu begründen, warum das, was
eigentlich gut ist, schlecht sein soll. Diese von mir zi-
tierte Stelle ist nur eine von vielen, an denen der Bericht
die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ausdrücklich
lobt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In weiten Teilen fällt der Bericht überaus positiv aus
und erkennt an, dass „die Bundesregierung beträchtliche
Fortschritte bei der Anpassung ihrer Politiken und An-
sätze erzielt“. Ich jedenfalls fühle mich durch den Be-
richt ermutigt und bin durchaus stolz auf das, was deut-
sche Entwicklungszusammenarbeit in den letzten Jahren
für die Menschen in der ganzen Welt geleistet hat. Denn,
meine Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Ihnen
muss bewusst sein, wenn Sie in Ihrem Antrag und, Herr
Königshaus, in Ihren Redebeiträgen davon sprechen,
dass das eine vernichtende Kritik an der deutschen Ent-
wicklungszusammenarbeit sei, dass das nicht zuletzt
eben jene vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
vor Ort trifft, die sich unter schwierigsten Bedingungen
für die ärmsten Menschen auf dieser Welt einsetzen. Wir
werden nicht zulassen, dass Sie denen vors Schienbein
treten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist nicht so, dass wir für konstruktive Kritik nicht
offen wären. Der DAC-Bericht liefert sicher sinnvolle
Hinweise, in welchen Punkten wir unsere Bemühungen
noch forcieren müssen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603523300

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Königshaus?


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1603523400

Es gibt zwar Dinge, die mehr Vergnügen bereiten,

aber gerne.


(Walter Kolbow [SPD]: Da hat er Recht! – Dirk Niebel [FDP]: Ich finde nichts vergnüglicher, als Herrn Königshaus zuzuhören!)


– Sie können gerne noch den Abend im Biergarten mit
ihm verbringen. Das steht Ihnen frei, Herr Kollege.


Hellmut Königshaus (FDP):
Rede ID: ID1603523500

Herr Kollege, sind Sie bereit, einzuräumen, dass die

Kritik an der Politik der großen Koalition und der Bun-
desregierung nicht identisch ist mit der Kritik, die Sie
uns unterstellen, nämlich Kritik an denen, die unter die-
ser schlechten Politik leiden – sie müssen diese Politik
umsetzen, obwohl sie sie nicht gut finden –, und Ihre
Unterstellung somit völlig daneben ist?

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(C (D Das ist wieder typisch. Sie stellen eine Behauptung in en Raum. Der DAC-Prüfbericht hat ja nicht nur die Areit der Regierung geprüft – Herr Manning hat ja nicht ur die Frau Ministerin in ihrem Wirken geprüft –, sonern er hat geprüft, wie effizient, wie gut Entwicklungsusammenarbeit vor Ort ist. Sie wird nicht in Berlin am rünen Tisch gemacht, sondern vor Ort bei den Menchen. Wenn Sie wahrheitswidrig behaupten, dass der AC-Prüfbericht ein vernichtendes Urteil über die deut che Entwicklungszusammenarbeit ausspricht, dann ollten sie wirklich einmal mit den Menschen reden, die or Ort arbeiten, und auch mit denen, denen geholfen ird. Sie würden Ihnen sagen, was auch im Prüfbericht teht: Das ist eine gute Arbeit, die Menschen hier mahen eine gute Arbeit. – Das sollte man anerkennen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1603523600

Wir sind auch der Meinung, dass es des Antrags nicht
edurft hätte – da stimme ich mit meinem Kollegen
uck überein –, weil wir die Lehren aus dem Bericht

chon gezogen haben. Wir halten es eher mit Aristoteles:
Was man lernen muss, um es zu tun, das lernt man, in-
em man es tut.“ Deswegen haben wir uns die Mühe ge-
acht, im Koalitionsvertrag viele Dinge aufzugreifen,

ie durchaus mutig sind, weil sie in gewissen Bereichen
rst einmal auf Widerstand stoßen. Das ist zum Beispiel
ann der Fall, wenn man sagt, dass man die finanzielle
nd die technische Zusammenarbeit enger verzahnen,
lso die Arbeit zweier guter Durchführungsorganisatio-
en noch weiter verbessern möchte. All das ist angegan-
en worden.

Wie Herr Ruck erwähnt hat, haben wir auch ein Gut-
chten erstellen lassen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603523700

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischen-

rage des Kollegen Trittin?


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1603523800

Gerne. Herr Trittin läuft ja immer mit mir zusammen

on UdL 50 bis zum Reichstag.


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Dann könnt ihr das doch dann besprechen! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


avon soll er auch etwas haben.


Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603523900

Herr Raabe, da Sie gesagt haben, dass man Gutes

ernt, indem man Gutes tut, frage ich Sie: Wie stehen Sie
u dem Vorschlag – er ist wohl von einer Beratungsorga-
isation des BMZ entwickelt worden –, die erfolgreiche
esellschaft für Technische Zusammenarbeit, die GTZ,
ünftig einer Bank, der KfW, zu unterstellen, und welche
olgen erwarten Sie insbesondere vor dem Hintergrund
es erfolgreichen Wirkens der GTZ im Rahmen der tech-
ischen Zusammenarbeit?






(A) )



(B) )


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1603524000

Herr Trittin, Sie behaupten, bereits einige Auszüge

aus dem Gutachten zu kennen. Ich kenne diese Auszüge
nicht, weil das Gutachten noch nicht vorliegt. Darin wer-
den sicherlich viele Gedankenspiele gemacht. Erinnern
Sie sich einmal an Ihre Zeit als Minister. Damals haben
auch Sie sich nicht immer gefreut, wenn alles, was in Ih-
rem Ministerium angedacht wurde, an die Öffentlichkeit
gelangte; meistens haben Sie dann gesagt, dass diese
Ideen ganz gewiss nicht von Ihnen kommen. Daran wird
deutlich: Es gibt immer viele gute Ideen, die gesammelt
werden müssen, und es gibt keine Denkverbote.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denken Sie denn?)


Uns Parlamentariern werden dann, wenn das Gutach-
ten vorliegt, mehrere Optionen vorgeschlagen.


(Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Trittin hat Sie nach Ihrer Meinung gefragt!)


Dann werden wir uns dazu äußern. Aber Sie werden ver-
stehen, dass ich zu einem angeblichen Zitat aus einem
Gutachten, das noch nicht vorliegt, nicht Stellung neh-
men werde.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommen Sie jetzt doch endlich mal zur Beantwortung der Frage!)


Herr Kollege, Sie können aber versichert sein, dass wir
uns darüber noch ausführlich unterhalten und dann die
beste Lösung finden werden.

Wie ich bereits sagte, werden auch andere Punkte, die
im DAC-Peer-Review angeregt werden, bereits von uns
bearbeitet. Dabei geht es zum Beispiel um die Konzen-
tration auf weniger Partnerländer, also um die zukünf-
tige Beschränkung der bilateralen staatlichen Zusam-
menarbeit auf 60 Länder. Das lassen wir im Augenblick
mit wissenschaftlicher Begleitung prüfen. Hier spielen
verschiedene Kriterien eine Rolle, zum Beispiel die Be-
dürftigkeit und die Bedeutung für den Schutz globaler
Umweltgüter. Auch Good Governance, gute Regierungs-
führung, ist für die Mittelvergabe mit Sicherheit ein
wichtiger Aspekt.

Ich sage aber auch: Wir dürfen die Menschen, die
nicht das Glück haben, in einem Staat mit guter Regie-
rungsführung zu leben, nicht im Stich lassen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Karl Addicks [FDP]: Das ist ja wohl auch nicht die Alternative!)


– Doch.


(Dr. Karl Addicks [FDP]: Nein!)


Denn in Ihrem Antrag, Herr Addicks, heißt es, dass wir
uns bei der Länderauswahl, wenn es also um die Kon-
zentration auf weniger Partnerländer geht, daran orien-
tieren sollten, ob dort gute Regierungsführung geleistet
wird oder nicht. Das steht wörtlich so in Ihrem Antrag.
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Sie nicht mehr

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(C (D ollen, dass wir weiterhin mit Ländern zusammenarbeien, in denen die Regierungsführung nicht gut ist. (Dirk Niebel [FDP]: Dann dürften wir ja gar nicht mehr mit uns selbst zusammenarbeiten!)


Dazu sage ich: Natürlich werden wir keinen Despoten
nkontrolliert deutsche Steuergelder anvertrauen; das
aben wir noch nie getan. Dennoch wollen wir in Län-
ern mit schlechter Regierungsführung die Zivilgesell-
chaft stärken, für Demokratisierung sorgen und insbe-
ondere durch die Entwicklungszusammenarbeit dazu
eitragen, dass man im Interesse der Menschen zu einer
uten Regierungsführung übergeht. Deswegen können
ir uns hier nicht einfach zurückziehen, wie Sie es vor-

chlagen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


An einem Punkt haben Sie den Bericht allerdings
icht richtig verstanden – das ist zwar nicht nur an dieser
inen Stelle der Fall; hier wird es aber besonders deut-
ich –:


(Hellmut Königshaus [FDP]: Na, na! Jetzt geht es aber langsam los!)


ie haben in Ihrem Antrag ein Zitat aus dem DAC-Prüf-
ericht angeführt und dann gesagt, dass das Ankerlän-
erkonzept darin kritisiert würde. Das Ankerländerkon-
ept wird aber nicht kritisiert, sondern lediglich
eschrieben.

Es wäre falsch, dieses Konzept aufzugeben. Wer das
ut, verkennt, dass Ankerländer für die Entwicklungszu-
ammenarbeit eine strategische Bedeutung haben. Ihnen
ommt bei der Bekämpfung der Armut im Rahmen einer
achhaltigen globalen Entwicklung, bei der Sicherung
on Frieden und Stabilität und beim Schutz öffentlicher
üter eine Schlüsselrolle zu. Die Mehrzahl der Armen

ebt in Anker- und Schwellenländern. Oft wird aller-
ings so getan, als würden die Menschen dort schon in
aus und Braus leben. Man muss sich nur einmal verge-
enwärtigen, dass allein in Indien mehr hungernde Kin-
er als in ganz Afrika leben. Wir dürfen also nicht so
un, als wäre in diesen Anker- und Schwellenländern
chon alles geregelt und als ob wir uns aus der Entwick-
ungszusammenarbeit mit diesen Ländern zurückziehen
önnten. Wir wollen dort Maßnahmen ergreifen, die die
oziale Kohäsion nach vorne bringen und die globalen
mweltgüter schützen. Wir wollen das wirtschaftliche
ewicht und den Einfluss dieser Länder in der Region
ahin gehend steuern, dass auch andere Länder davon
rofitieren können.

Ein gutes Beispiel in diesem Zusammenhang ist
hina. Herr Königshaus, Sie sind selbst dort gewesen
die Kollegin Kofler auch – und haben in Ihrem Bericht

or dem Ausschuss erklärt, dass es Sinn macht, mit
hina eine vernünftige Entwicklungszusammenarbeit zu
flegen. Denn China hat eine so große Bevölkerung,
ass sich die Millenniumsziele ohne eine Zusammen-
rbeit mit China überhaupt nicht erreichen ließen.

Wir wollen nicht wieder eine Entwicklungspolitik
ach dem Motto „Der gute Onkel gibt den armen






(A) )



(B) )


Dr. Sascha Raabe
Menschen etwas Milchpulver und Reis als Entwick-
lungshilfe“, sondern wir haben ein modernes Verständ-
nis von Entwicklungszusammenarbeit. Deswegen geht
Ihre Kritik daran, dass wir den ärmsten Menschen die
Schulden erlassen, völlig am Thema vorbei – als ob wir
in der Vergangenheit Schulden ungeprüft erlassen hätten.
Nein, anders als es in Ihrem Antrag heißt, ist es so, dass
wir auch in der Vergangenheit nur solchen Ländern ei-
nen Schuldenerlass gewährt haben, die nachweislich
Fortschritte bei der Armutsbekämpfung gemacht haben,
die strukturelle Reformen vorgenommen haben. Wir
werden weiterhin Ländern, in denen diese Voraussetzun-
gen gegeben sind, die Schulden erlassen. Dadurch be-
kommen sie Mittel für die Armutsbekämpfung, die sie
sonst für Zinsen und Tilgung ausgeben müssten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Kollege Aydin, Sie haben am Beispiel von Mo-
sambik zu Recht aufgezeigt, wie ein Land in die Lage
versetzt wurde, sich eigenständig zu entwickeln und
Hunger und Armut zu bekämpfen. Warum Sie versu-
chen, die ODA-Quote mit dem Hinweis, ein Schulden-
erlass sollte nicht einfließen, klein zu rechnen, kann ich
nicht nachvollziehen. Man hat sich international zu
Recht darauf geeinigt, dass auch ein Schuldenerlass ein
wichtiger Bestandteil von Entwicklungszusammenar-
beit ist. Das lobt auch der DAC-Bericht, insbesondere
lobt er den Aufwuchs unserer Mittel in diesem Bereich
von 0,28 Prozent in 2004 auf 0,35 Prozent unseres BIP.
Ich kann ja verstehen, dass man es als Opposition ange-
sichts eines solchen Anstiegs, wie es ihn in den letzten
zehn, zwanzig Jahren in dieser Größenordnung nicht ge-
geben hat, in der Debatte schwer hat und seltsamste
Arithmetik bemühen muss, um das schlecht zu rechnen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber nehmen Sie einfach einen Taschenrechner zur
Hand und tippen Sie die Zahlen ein; wir brauchen dazu
nicht viel zu erklären.

Zum Abschluss möchte ich erwähnen, dass im DAC-
Bericht besonders der Kohärenzcharakter der deut-
schen Entwicklungszusammenarbeit gelobt wird.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603524100

Herr Kollege, der Herr Kollege Addicks möchte eine

Zwischenfrage stellen.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1603524200

Gerne; aber die Uhr muss gestoppt werden.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603524300

Die Uhr habe ich schon immer gestoppt, bei jeder

Zwischenfrage, Herr Kollege.


Dr. Karl Addicks (FDP):
Rede ID: ID1603524400

Herr Kollege Raabe, ich gebe Ihnen gerne Gelegen-

heit, Ihre Redezeit etwas zu verlängern, wenn Sie mir die
Frage beantworten, wieso ausgerechnet ein Land wie

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(C (D igeria Teil des Entschuldungsprogramms der Bundesegierung geworden ist. Entschuldungsprozesse haben immer einen langen orlauf: Da wird überprüft, und wenn die Kriterien nicht ehr erfüllt sind, dann reagieren wir als Parlamentarier nd als Regierung entsprechend. Wir Entwicklungspoliiker sind nicht blind, wenn in einem Land Rohstoffe orhanden sind und wir das Gefühl haben, dass die entprechenden Einnahmen nicht so verwandt werden, wie ir es wollen. Das ärgert uns; das möchte ich ganz offen agen. Sicherlich gibt es in Nigeria wie in einigen afrikaischen Ländern in dieser Hinsicht Probleme; wir haben a im Ausschuss eine Anhörung zu diesem Thema. Sie ennen bei mir offene Türen ein, wenn Sie sagen, dass an Ländern, die mit ihren eigenen Einnahmen nicht erantwortungsvoll umgehen, an den Stellen, wo wir ormalerweise helfen, sagen muss: So nicht. Aber die biaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Nichtregieungsorganisationen und anderen Stellen sollte man naürlich weiterführen; wir wollen ja nicht die Menschen in iesen Ländern bestrafen. Ganz wichtig, Herr Kollege ddicks, ist es auch, dass ein Land wie Nigeria gerechte andelsbedingungen bekommt. Das ist der Kern. Es darf icht nur um Schuldenerlass gehen, die Entwicklungsänder müssen auch gerechte Handelsbedingungen beommen. Im Bereich globaler Strukturpolitik hat sich nsere Ministerin dafür seit 1998 sehr stark eingesetzt. Der DAC-Bericht lobt die Bemühungen Deutschlands n diesem Bereich ausdrücklich. Dort ist zu lesen: Zur Förderung der Politikkohärenz im Bereich der internationalen Handelsagenda hat sich Deutschland 2004 für die Reform der europäischen Baumwollmarktordnung sowie für die Baumwoll-Initiative in der WTO eingesetzt und zu einer baldigen Reform der europäischen Zuckermarktordnung aufgerufen. as wollte ich gerne noch loswerden. Es ist schön, dass ie mir das durch Ihre Zwischenfrage ermöglicht haben. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1603524500

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603524600

Das Wort hat die Kollegin Ute Koczy, Bündnis 90/

ie Grünen.


Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603524700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Wir führen auf internationaler Ebene seit ge-
aumer Zeit eine Debatte über die Aufstockung der Mit-
el für die Entwicklungszusammenarbeit und darüber,
ie man bessere Ergebnisse in der Entwicklungszusam-
enarbeit erreichen kann. Dazu gibt es einige wichtige
tichworte, die ich Ihnen in Erinnerung rufen möchte:
ualität der Entwicklungszusammenarbeit, bessere






(A) )



(B) )


Ute Koczy
Abstimmung der Geber und – das betone ich besonders –
nachvollziehbare, klare Ergebnisse. Das wird im Jargon
Geberharmonisierung und Ergebnisorientierung ge-
nannt.

Die OECD-Länder haben letztes Jahr mit der Parisde-
klaration eine Vereinbarung zur Verbesserung der Wirk-
samkeit ihrer Entwicklungszusammenarbeit getroffen.
Kofi Annan hat gerade ein Beratergremium, ein High
Level Panel, eingesetzt, das bis zum Sommer einen Vor-
schlag zur Reorganisation der Entwicklungszusammen-
arbeit auf UN-Ebene erarbeiten soll. Die multilateralen
und regionalen Entwicklungsbanken stehen unter
Druck, die Effektivität ihrer Arbeit zu beweisen und zu-
künftig zu erhöhen.

Jetzt liegt der DAC-Peer-Review vor, der eine umfas-
sende Reform der EZ anmahnt, ich denke, zur richtigen
Zeit. Es ist wichtig, in dieser Debatte zwei Dinge dazu
klarzustellen: Zum einen müssen die Mittel für die Ent-
wicklungszusammenarbeit erhöht werden, zum anderen
brauchen wir eine höhere Effizienz in der Entwicklungs-
zusammenarbeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Beides ist wichtig, wenn wir in Zukunft die Eigenstän-
digkeit der Entwicklungszusammenarbeit erhalten wol-
len.

Bei einer solchen Qualitätsverbesserung geht es nicht
allein um eine Reform der Durchführungsinstitutionen.
Es müssen auch andere Elemente stimmen, damit wir
tatsächlich eine größtmögliche Effizienz erreichen:

Die Empfängerländer müssen ihre Regierungsfüh-
rung verbessern – ich nenne das Stichwort Good Gover-
nance –, damit die von außen kommenden Gelder eben
nicht auf den Konten von korrupten Beamten und Politi-
kerinnen und Politikern versickern.

Die Eigenverantwortung der Empfänger muss geför-
dert werden. Dazu müssen die Geber eine größere
Planungssicherheit gewährleisten. Sie müssen die Be-
rechenbarkeit ihrer Mittel verbessern und zu Mehrjah-
reszusagen bereit sein. Das bedeutet, dass auch wir eini-
ges verändern müssen.

Die Geber müssen versuchen, eine größere Überein-
stimmung ihrer Mittelvergabe mit der Politik des Landes
herzustellen, zum Beispiel im Sinne eines Beitrags zur
Umsetzung der nationalen Strategien zur Armuts-
minderung.

Nun zum DAC-Peer-Review. Der Bericht stellt
Deutschland eigentlich ein gutes Zeugnis aus. Aber wie
es sich für einen guten Bericht gehört, wird in ihm auch
Kritik an der deutschen Entwicklungszusammenarbeit
geübt: Das deutsche EZ-System sei zu unübersichtlich,
es benötige zu viel interne Koordinierung, es überfor-
dere durch seine Aufwendigkeit schlicht und einfach die
Strukturen der Empfängerländer. Insgesamt wird aber
herausgestellt, dass die deutsche EZ gut ist, die techni-
sche Zusammenarbeit wird als vorteilhaft beschrieben.
Die EZ erzielt in verschiedensten Evaluierungen ver-
gleichsweise gute Ergebnisse.

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(C (D In der Debatte müssen wir aber auch die Institutioenlandschaft der deutschen EZ betrachten. Es kommt atürlich darauf an, wie, wo und mit welchen Institutioen die Mittel verwendet werden sollen. Die Tatsache, ass das deutsche System einmalig ist, lässt sich histoisch begründen, ist aber für die Entwicklung in der Zuunft nicht sehr aussagekräftig. Wir brauchen – das ist ichtig – Kohärenz zwischen BMZ, Auswärtigem Amt nd anderen Ministerien in der Entwicklungszusammenrbeit, wenn wir gute Entwicklungszusammenarbeit leisen wollen. as BMZ muss seine Fähigkeit beweisen, die Durchfühungsorganisationen zu steuern. Es muss daran arbeiten, as zu verbessern, die strategische Gestaltung der Inalte in den Vordergrund zu stellen und über die Diskusion der Budgetfinanzierung hinaus Innovationen zu eröglichen. Die Frage „KfW oder GTZ?“ wird jetzt vorrangig in en Medien gestellt. Dieser Frage müssen wir uns offeniv stellen. Ich bin der Meinung, es handelt sich um zwei nstitutionen mit unterschiedlichen Kulturen. Wir müsen sehr sorgfältig prüfen, was wir in diesem Zusamenhang für zukunftsfähig halten. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603524800

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/963 an die in der Tagesordnung aufge-

ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.

Ich rufe den Zusatzpunkt 7 auf:

Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsi-
cherung für Arbeitsuchende

– Drucksache 16/1410 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
einen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Rolf Stöckel, SPD-Fraktion.


Rolf Stöckel (SPD):
Rede ID: ID1603524900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir So-

zialdemokraten bekennen uns bei aller unberechtigten,
aber auch berechtigten Kritik und Diskussion im Detail
zu den von uns eingeleiteten Reformen der Arbeits-
marktpolitik und zu dem notwendigen Umbau unserer
sozialen Grundsicherungssysteme.

Es bleibt menschenunwürdig, wenn Langzeitarbeits-
lose zwar ausreichende staatliche Transferleistungen er-
halten, aber ohne Chance auf Qualifizierung und auf In-
tegration in den Arbeitsmarkt sind und damit vom
gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt bleiben. Es bleibt
richtig, dass wir das ganze Ausmaß der versteckten
Langzeitarbeitslosigkeit und der betroffenen Familien
ans Licht gebracht haben, obwohl wir Prügel für die ge-
stiegene Arbeitslosenstatistik bekommen haben. Es
bleibt auch richtig, dass die Bekämpfung der Langzeitar-
beitslosigkeit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist,
für die alle Akteure in der Wirtschaft – also Kapitaleig-
ner, Arbeitgeber und Gewerkschaften – sowie Bera-
tungsstellen, Verbände und die ausführenden Bürokra-
tien der Arbeitsagenturen und der Sozialverwaltungen in
den Kommunen verantwortlich sind und bleiben.

Wir als Gesetzgeber haben den gesetzlichen Rahmen
dafür weiterzuentwickeln, damit diese Aufgabe fort-
schreitend besser umgesetzt werden kann. Nennen Sie es
Nachbessern oder lernende Gesetzgebung! Das liegt in
der Natur der Sache und einer modernen Politik. Das ist
sogar der gesetzliche Auftrag des SGB II, den diese
große Koalition ernst nimmt und den wir im Koalitions-
vertrag verankert haben.

Niemand von uns hatte damals die Vorstellung, dass
die neue Grundsicherung für Arbeitsuchende alle struk-
turellen Probleme mit einem Schlag auflöse, die über
Jahrzehnte gewachsen sind und mit der deutschen Ein-
heit, die international ohne Beispiel ist, verschärft wur-
den, zumal vor dem Hintergrund einer weltweit schlech-
ten Wirtschaftsentwicklung nach dem 11. September
2001. Da hilft auch kein populistisches Wunschdenken;
da helfen keine Parolen. Vor allem den Betroffenen hilft
das keinen Schritt weiter.

Es ist unbestritten, dass es Defizite und Unvermögen
in der Organisation gibt, etwa beim Datenabgleich und
insbesondere bei der Schnelligkeit und Qualität der per-
sönlichen Betreuung und Integration, also beim Fördern
durch die örtlichen Arbeitsgemeinschaften oder auch in
den so genannten Optionskommunen. Die Eingliede-
rungsmittel sind bis heute etwa zur Hälfte in Angebote
umgesetzt worden, von einer bedarfsgerechten ganztägi-
gen Kinderbetreuung in den Kommunen ganz zu schwei-
gen.

Im Gerangel der Leistungsträger, die in alter, gewohn-
ter Manier versuchen, Kosten und Verantwortung auf an-
dere abzuwälzen, am liebsten auf den Bund, werden be-
währte Unterstützungsangebote, zum Beispiel in der
Jugendhilfe, der Drogen- und der Schuldnerberatung,

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(C (D her abals aufgebaut. Die Sparorgie der schwarz-gelen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ist ein beonders unrühmliches Beispiel dafür. Wir Sozialdemoraten werden gemeinsam mit den Betroffenen dagegen turm laufen. Wir werden uns aber auch nicht damit abfinden, dass s sozialdemokratische Bürgermeister gibt, deren Hauptnliegen nicht die effiziente Betreuung der Betroffenen der die Schaffung ganztägiger Kinderbetreuung, sonern das Abwälzen von Personalund Unterkunftsosten auf den Bund ist. Wir sind nicht einverstanden, wenn die Geschäftsstraegie der Verantwortlichen der BA vorsieht, möglichst chnell die so genannten Betreuungskunden – schwer ermittelbare und unqualifizierte Betroffene – aus ihrem erantwortungsbereich loszuwerden. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Beifall bei der SPD)


Es ist wahr, dass es durch organisatorische Mängel
icht nur infolge der gestiegenen Bedürftigkeit, die wir
uch konstatieren müssen, sondern auch infolge legaler
itnahmen Leistungsausweitungen gab. Sie haben die
osten für den Bund in die Höhe getrieben, während der

ielgenaue Einsatz der Mittel und die Umsetzung von
anktionsmöglichkeiten bis heute mangelhaft sind. Die-

enigen, die aufgrund dieser Anfangsprobleme gravie-
ende Leistungskürzungen fordern, etwa Herr Sinn vom
fo-Institut für Wirtschaftsforschung, sind auf dem Holz-
eg.

Die Unterschreitung des menschenwürdigen Exis-
enzminimums löst keine Probleme, sondern schafft
eue, die der Gesellschaft teuer zu stehen kommen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ur das aktive Fördern sowie die möglichst schnelle und
ntensive persönliche Betreuung hilft den Betroffenen,
erhindert missbräuchlichen Leistungsbezug, den es
ach allen Erfahrungen auch gibt, der aber mit Sicher-
eit nicht dazu führen kann – das wäre völlig falsch und
ynisch –, alle Betroffenen unter Generalverdacht zu
tellen. Ich rate Herrn Sinn und all denen, die so denken
ie er, sich mit den Einnahmeausfällen aufgrund von
itnahmen bei den Steuern bzw. mit Steuerbetrug zu

eschäftigen.


(Beifall bei der SPD)


Bei allen verständlichen Debatten dürfen wir eines
icht übersehen:


(Dirk Niebel [FDP]: Den Jubel bei der Union!)


lle vergleichbaren Staaten, in denen entsprechende Re-
ormen früher eingeführt worden sind und die teilweise
essere Ausgangsbedingungen hatten, hatten ähnliche
nfangsschwierigkeiten; sie brauchten ebenfalls drei
is fünf Jahre, um eine annähernd optimale Praxis zu
ntwickeln. Umso mehr geht es uns darum, Kurs zu hal-






(A) )



(B) )


Rolf Stöckel
ten, einen langen Atem zu haben und sich nicht durch
fundamentale Opposition oder Störmanöver von Vertre-
tern durchsichtiger Einzelinteressen von dieser Verant-
wortung ablenken zu lassen.


(Beifall bei der SPD)


Es gibt bei der CDU/CSU auf der einen Seite und bei
der SPD auf der anderen Seite verschiedene Schlussfol-
gerungen aus den Praxiserfahrungen. Wir freuen uns
nicht über alles, was in diesem Gesetzentwurf steht. Wie
könnte es anders sein?


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Über was freuen Sie sich denn? Erzählen Sie doch mal!)


Der Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der
Grundsicherung für Arbeitsuchende ist aber keinesfalls,
wie vielfach behauptet wird, nur ein Spargesetz. Er ist
auch viel besser als ein schlechter Kompromiss. Ich
möchte gleich ein paar Beispiele dafür nennen.

In der Tat sollen in den kommenden Jahren Einspa-
rungen, die sich aus der Verbesserung der Verwal-
tungsabläufe und aus der Bekämpfung von Leistungs-
missbrauch ergeben, erzielt werden. Beispiele sind etwa
die Einführung eines flächendeckenden Außendienstes
oder aber das Sofortangebot an Antragsteller ohne vor-
herigen Leistungsbezug. In 2006 geht es um einen Be-
trag von 500 Millionen Euro, in 2007 und 2008 um ei-
nen Betrag von jeweils 1,48 Milliarden Euro.

Ein vorrangiges Anliegen des Gesetzentwurfes ist je-
doch eine verbesserte Betreuung der tatsächlich hilfe-
berechtigten Arbeitsuchenden aus einer Hand. Die
Arbeits- und Ausbildungsstellenvermittlung wird ein-
heitlich als Pflichtaufgabe der Arbeitsgemeinschaften
und der zugelassenen kommunalen Träger festgelegt.
Weitere vorrangige Anliegen sind die Beseitigung von
Schnittstellen, die klare Regelung der Zuständigkeit für
Personen, die Arbeitslosengeld I und aufstockend Ar-
beitslosengeld II erhalten, und die Erhöhung des Schon-
vermögens für die Alterssicherung bei gleichzeitiger Ab-
senkung des freien Vermögens.

Aus unserer Sicht müssen aber auch – das sage ich
den Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU hier
ganz deutlich – die Belange der jüngeren Langzeitar-
beitslosen ausreichend beachtet werden. Die Union han-
delt meines Erachtens widersprüchlich, wenn sie den
Ausbau des geschützten Altersvermögens fordert und
gleichzeitig das Arbeitslosengeld II absenken möchte.
Sie ignoriert die aktuellen Erfordernisse bei der Mobili-
tät und Flexibilität junger Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer. Wir sind der Meinung, dass die Stärkung des
Förderns, zum Beispiel die Weiterfinanzierung einer
Eingliederungsmaßnahme bei Wegfall der Hilfebedürf-
tigkeit und die schnellere Aktivierung der Arbeitsuchen-
den, eine bessere Lösung darstellt. Das gilt auch für die
Unterstützung junger Menschen, zum Beispiel durch
Vollfinanzierung der Aktivierungshilfen für erwerbsfä-
hige hilfebedürftige Jugendliche, und für die bedarfsge-
rechte Ausgestaltung der Leistungen durch einen Zu-
schuss zu den Wohnkosten für die Bezieher von BAföG
oder Berufsausbildungsbeihilfe.



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(C (D (Dirk Niebel [FDP]: Wissen das schon die Kollegen von der Union?)


Ja.

Ich kann Ihnen nicht alle Einzelheiten und Details des
esetzes vortragen. Wir werden sicherlich an dem einen
der anderen Punkt in der Debatte darauf zurückkom-
en. Wir legen einen Gesetzentwurf vor, der die Grund-

icherung für Arbeitsuchende fortentwickelt. Wir haben
ns redlich bemüht, die Vorschläge der verschiedensten
kteure in der Praxis einzuarbeiten


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Sozialdemokratie hat sich stets bemüht!)


nd wir werden gemeinsam eine ausführliche Anhörung
azu durchführen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603525000

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Möller?


Rolf Stöckel (SPD):
Rede ID: ID1603525100

Ja, selbstverständlich.


Kornelia Möller (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603525200

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass das Papier von

errn Clement zum so genannten Leistungsmissbrauch
einen wissenschaftlichen Hintergrund hat, sondern dass
ur ausgewählte Einzelfälle zur pointierten Darstellung
ür dieses Papier herangezogen wurden?

Ich vermute, dass Ihnen das bekannt ist. Deshalb
rage ich: Warum haben Sie in diesem SGB-II-Fortent-
icklungsgesetz einen flächendeckenden Schnüffel-
ienst eingeführt? Können Sie sich vorstellen, was es für
enschen mit ALG II bedeutet, wenn sie keine Privat-

phäre mehr haben und unter ihre Bettdecke geschaut
ird?


(Beifall bei der LINKEN – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das hat die PDS überhaupt nie getan! Das ist natürlich richtig!)



Rolf Stöckel (SPD):
Rede ID: ID1603525300

Kollegin Möller, mir ist nicht nur dieses Papier be-

annt, mir sind viele Papiere von Herrn Clement
ekannt. Unabhängig von wissenschaftlichen Unter-
uchungen kann ich Ihnen aus 15-jähriger Sozialarbei-
erpraxis in einem Sozialamt, in dem ich Klienteninte-
essen zu vertreten hatte, sagen, dass das, was dort
eschrieben ist, sicherlich Einzelfälle sind. Wenn man
ber die gesamte Praxis der Sozialhilfe seit dem Beste-
en des Gesetzes betrachtet, also seit ungefähr
5 Jahren, dann sieht man auch, dass es immer auch
eistungsmissbrauch gab.

Wir beziehen uns in unserer Debatte im Wesentlichen
uf legale Mitnahmen von sicherlich von irgendeiner
otlage Betroffenen, um die es beim SGB II aber mit Si-

herheit nicht geht.


(Dirk Niebel [FDP]: Dann braucht man keinen Außendienst!)







(A) )



(B) )


Rolf Stöckel
Zur Ausweitung der Bedarfsgemeinschaften kam es ja
nicht etwa aufgrund des betrügerischen Missbrauchs,
sondern aufgrund legaler Mitnahmen durch Lücken im
Gesetz, also durch Defizite, die damals im Vermittlungs-
verfahren nicht berücksichtigt werden konnten.

Alle Kolleginnen und Kollegen in der Praxis werden
Ihnen sagen, dass es, egal welches Gesetz wir in diesem
Hause verabschieden, immer den Versuch geben wird,
einen eigenen Nutzen daraus zu ziehen. Ich glaube, dass
wir gut daran tun – natürlich gemeinsam mit den Prakti-
kern –, in einer Fortentwicklung dieses Gesetzes diese
Möglichkeiten zu begrenzen, weil die Mittel, die wir als
Steuerzahler alle gemeinsam dafür einsetzen, möglichst
effektiv denen zukommen sollten, die tatsächlich betrof-
fen sind.

Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, dass das für
die Solidargemeinschaft auch kontrollierbar und transpa-
rent sein muss. Das ist richtig.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig! – Dirk Niebel [FDP]: So lang war die Frage doch gar nicht!)


Wenn wir die Beweislast bei der Frage umkehren, ob es
sich um Lebenswirtschaftsgemeinschaften handelt oder
nicht, dann bedeutet das aus meiner Praxiserfahrung im
Sozialamt heraus eher weniger Schnüffelstaat, weniger
Kontrolle und ein geringeres Herumschnüffeln in den
Schlafzimmern als bei der bisherigen Praxis zumindest
in der Sozialhilfe. Bisher gibt es diesen entwickelten Au-
ßendienst ja überhaupt nicht. Insofern weiß ich gar nicht,
auf welche Erfahrung Sie sich hier berufen.


(Beifall bei der SPD – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sie versteht das doch gar nicht!)


Ich sage noch einmal: Wir werden gemeinsam eine
ausführliche Anhörung dazu durchführen. Ich denke,
dass die Ausführungen der Experten und Praktiker dort
für uns sicherlich wichtige Aufschlüsse bringen werden.
Wir alle kennen das strucksche Gesetz. Ich persönlich
würde sagen: Nichts ist so gut, dass es nicht noch ver-
bessert werden kann. – Sie sind herzlich eingeladen
– auch Sie, Frau Möller –, eigene konstruktive und re-
alistische Vorschläge zu machen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603525400

Nächster Redner ist der Kollege Dirk Niebel, FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1603525500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Das hier in erster Lesung zu beratende Gesetz
nennt sich Fortentwicklungsgesetz. Im Vorfeld sprach
die Regierungskoalition immer noch von einem Opti-
mierungsgesetz. Ich denke, es ist bemerkenswert, dass

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(C (D an ein Gesetz erst einmal fortschreibt, bevor man ein orhandenes Gesetz, das Fehler aufweist, optimiert. Vielleicht ist auch die späte Stunde, zu der die Deatte über dieses Gesetz stattfindet, das sehr viele Menchen in diesem Lande interessiert, ein Fingerzeig dafür, ie die Regierung miteinander umgeht. uch die Stimmung bei den Koalitionspartnern, die man etzt gesehen hat bzw. nicht hören konnte, zeigt ja, dass s hier intern durchaus unterschiedliche Betrachtungseisen gibt. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Die gibt es in der FDP natürlich nicht!)


(Beifall bei der FDP und der LINKEN)


Bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und
ozialhilfe, die ich nach wie vor für richtig halte, weil es
nwürdig war, dass zwei steuerfinanzierte Transfersys-
eme teilweise für den gleichen Personenkreis parallel
xistiert haben, sind Fehler gemacht worden. Man hat
ichtigerweise mit der Zusammenlegung dieser beiden
eistungen für den gleichen Lebenssachverhalt, dass
an seinen Unterhalt eben nicht mit der eigenen Hände
rbeit verdienen kann, versucht, Verwaltung zu verein-

achen, Kosten zu minimieren, die Betreuung von Ar-
eitsuchenden zu verbessern und die Würde der Betrof-
enen dadurch zu schonen, dass sie ihre intimsten
irtschaftlichen Daten nicht vor zwei wildfremden Be-

mten offen legen müssen.

Aber die Situation der Arbeitsuchenden ist nicht ver-
essert worden, weil in der Grundanlage dieses Gesetzes
ntscheidende Fehler gemacht worden sind. Die Union
ar übrigens im Vermittlungsverfahren, an dem auch ich

eilnehmen durfte, mit mir der Meinung, dass man keine
oppelten Vermittlungsstrukturen aufbauen sollte,
eil der Verlust des Arbeitsplatzes bei dem Personen-
reis der Langzeitarbeitslosen oftmals nur ein Problem
on ganz vielen darstellt und andere Probleme wie Woh-
ungsverlust, Überschuldung und Suchtprobleme hinzu-
ommen. Für all diese Punkte sind die Mitarbeiterinnen
nd Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit, ohne ih-
en Böses zu wollen, nicht ausreichend kompetent und
berhaupt nicht qualifiziert. Deswegen waren wir der
nsicht, man müsse die kommunale Trägerschaft prä-

erieren. Sie haben das noch im Wahlkampf gefordert.
ie sind noch nicht einmal so weit gegangen, die Kom-
unen, die das möchten, in die Lage zu versetzen, sich

m diesen Personenkreis zu kümmern. Das ist ein großer
ehler.


(Beifall bei der FDP)


Im Vermittlungsverfahren habe ich gefordert: Wer
ich bei der Bundesagentur für Arbeit meldet, muss so-
ort ein Angebot zu einer Qualifizierung, einer gemein-
ützigen Tätigkeit oder einer Zeitarbeit bekommen. Ein
olches Angebot verdeutlicht, dass erstens die Arbeits-
ereitschaft vorhanden ist, und führt zweitens dazu, dass
ie Arbeitslosigkeit möglichst zügig wieder beendet
erden kann. Das ist aus ideologischen Gründen von ei-
er Seite dieses Hauses abgelehnt worden. Jetzt steuern
ie nach; das finde ich gut und richtig.






(A) )



(B) )


Dirk Niebel
Es geht hier – Herr Stöckel, Sie sind, wie ich gelesen
habe, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Verteilungsgerech-
tigkeit Ihrer Fraktion – um die Erwirtschaftungsgerech-
tigkeit; denn die Mittel für das Arbeitslosengeld II wer-
den durch die Steuergelder der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer finanziert. Ohne einen Generalverdacht
aussprechen zu wollen: Es ist Aufgabe des Gesetzge-
bers, dafür zu sorgen, dass Möglichkeiten zum Miss-
brauch in diesem System verhindert werden. Das hätten
wir viel früher haben können. Es ist gut, dass dies jetzt
endlich passiert. Dann lassen Sie es uns aber auch richtig
machen.


(Beifall bei der FDP)


Lassen Sie uns dafür sorgen, dass eine Arbeitslosen-
polizei nicht flächendeckend eingeführt werden muss,
sondern dass die Arbeitsgemeinschaften und die Op-
tionskommunen vor Ort, die es möchten und es für not-
wendig erachten, einen Außendienst einführen können.
Lassen Sie uns dort, wo es vielleicht sinnvoller ist, Stel-
lenakquise zu betreiben, weil der Arbeitsmarkt wie in
Baden-Württemberg ordentlich funktioniert, die Mitar-
beiter für die Stellenakquise einsetzen, damit die Ar-
beitslosigkeit beendet werden kann.

Lassen Sie uns das aber ohne eine weitere Aufblä-
hung des Personalapparates machen. Der Effizienzgrad
der Bundesagentur mit 90 000 Mitarbeitern und einer
Vermittlungsquote von ungefähr 18 Prozent schreit zum
Himmel. Das ist auch einer der Gründe dafür, weshalb
wir über das Thema der Verwaltung der Arbeitslosigkeit
in der Zukunft noch werden sprechen müssen. Sie wis-
sen, wir sind der Überzeugung: Die Agentur ist in dieser
Form nicht reformierbar. Wir wollen die kommunale
Trägerschaft. Frau Engelen-Kefer hat gerade diese Wo-
che in einer Pressekonferenz erklärt, es sei ein Fehler,
doppelte Vermittlungsstrukturen aufzubauen. In dieser
Frage hat Frau Engelen-Kefer Recht. Aber man sollte
die Aufgabe, sich um die Arbeitslosen zu kümmern,
nicht dem Moloch in Nürnberg überlassen. Vielmehr
müssen die Menschen dort, wo sie sind und wo auch die
Arbeitsplätze sind, betreut werden, nämlich vor Ort. Da-
für kommt nur die kommunale Trägerschaft infrage.


(Beifall bei der FDP)


Es macht überhaupt keinen Sinn, dass Sie die Durch-
führung der Ordnungswidrigkeitenverfahren in Kom-
munen erst ab dem 1. Januar 2007 zulassen wollen. Das
kann man sofort machen, weil das effizient und sinnvoll
ist. Wir unterstützen Sie darin ausdrücklich. Deswegen
glaube ich, dass wir im Verfahren der parlamentarischen
Beratung noch weiterkommen.

Der letzte Punkt sind die Telefonbefragungen. Die
Ergebnisse, die uns zwischenzeitlich aus den Berichten
bekannt geworden sind, zeigen, dass die Telefonbefra-
gungen ein adäquates Mittel sind, Missbrauch aufzude-
cken und zu beenden, und zwar auf eine Art und Weise,
bei der keiner unter irgendeine Bettdecke schauen muss,
liebe Frau Kollegin Möller. Dies geschieht einfach da-
durch, dass allein ungefähr ein Drittel von denjenigen,
die mit der Information angeschrieben worden sind, sie
würden angerufen werden, eine freiwillige Änderung ih-

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(C (D es Status bei den Arbeitsgemeinschaften haben durchühren lassen. Lassen Sie uns die Arbeitsgemeinschaften verpflichen, bei den Telefonbefragungen mitzumachen. Lassen ie uns die Telefonbefragungen bei den Arbeitsuchenen verpflichtend machen. Das spart Verwaltung und uch das Geld anderer Leute, nämlich derjenigen Steuerahlerinnen und Steuerzahler, die es zu finanzieren haen. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Dr. Ralf Brauksiepe, CDU/ SU-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle en! Es ist wahr, Kollege Niebel: Wir debattieren dieses ichtige Thema zu einem sehr späten Zeitpunkt. Den chuh müssen wir uns anziehen. Ich kann Ihnen aber en Grund dafür nennen: Eine vergleichsweise kleine artei veranstaltet morgen ihren Bundesparteitag und hat arum gebeten, dass der morgige Tag sitzungsfrei ist und ir die anstehenden Themen heute beraten. Ich verrate icht, wie die Partei heißt. Es sei nur so viel gesagt: Sie ind der Generalsekretär der Partei, auf die wir bei der lanung Rücksicht genommen haben. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das hätten Sie nie gemacht!)


(Beifall bei der FDP)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603525600

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1603525700

onst hätten wir das Thema morgen zu einer besseren
endezeit beraten können.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ach wo!)


ber aus dem genannten Grund steht es heute so spät auf
er Tagesordnung.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603525800

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

ollegen Niebel?


Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1603525900

Nein. Da an dem Umstand, den ich bisher geschildert

abe, in politischer Hinsicht nichts streitig ist, erübrigt
ich eine Zwischenfrage dazu.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Die große Koalition hat sich im Koalitionsvertrag
mfangreiche Maßnahmen vorgenommen, um Fehlent-
icklungen im Zusammenhang mit Hartz IV zu korri-
ieren. Wir haben uns Einsparungen in Höhe von
,8 Milliarden Euro bezogen auf ein Jahr vorgenommen,
ie zum wesentlichen Teil bereits durch das SGB-II-Än-
erungsgesetz auf den Weg gebracht worden sind.






(A) )



(B) )


Dr. Ralf Brauksiepe
Wir legen nun einen weiteren Gesetzentwurf zur Kor-
rektur von Fehlentwicklungen im Zusammenhang mit
Hartz IV vor, mit dem wir die anderen umfangreichen
Maßnahmen, die wir uns vorgenommen haben, in Geset-
zesform bringen. Wir können dann sicherlich in relativ
kurzer Zeit feststellen, dass wir die Fehlentwicklungen
in diesem Bereich korrigiert haben. Denn bei allem, was
hinsichtlich der Vermarktung schlecht gelaufen ist, war
die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
grundsätzlich richtig. Im Gegensatz zu dem oft in der
Öffentlichkeit vermittelten Eindruck ist für die Men-
schen, um die es geht – nämlich die früheren Bezieher
von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe –, nie so viel ausge-
geben worden wie seit dem In-Kraft-Treten von
Hartz IV. Das ist die Wahrheit – nicht das Zerrbild von
Verarmung, das von manchen gezeichnet wird.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das ändert nichts daran, dass der Regelsatz von
345 Euro für das Arbeitslosengeld nicht sehr hoch ist.
Aber wie jeder weiß, kommen Leistungen für Unter-
kunft und Heizung hinzu. Das Verfahren ist unbürokrati-
scher als früher. Die Wohngeldregelungen und die Leis-
tungen für Familien tragen mit dazu bei, dass für eine
mehrköpfige Familie insgesamt ein so hoher Anspruch
besteht, dass es nicht einfach ist, durch Erwerbstätigkeit
ein Nettoeinkommen in vergleichbarer Höhe zu erzielen.
Auch das gehört zu den Realitäten, die wir zur Kenntnis
nehmen müssen.

Damit wir denjenigen helfen können, die sozial
schwach sind und der Hilfe bedürfen, bleibt es auch über
das vorliegende Gesetzesvorhaben hinaus eine Dauer-
aufgabe, das zu verhindern, worauf die Bundeskanzlerin
schon in ihrer Regierungserklärung hingewiesen hat,
nämlich dass sich Starke als Schwache verkleiden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben uns mit dem Gesetzentwurf wesentliche
Einsparungen sowohl beim Bund als auch bei den Kom-
munen vorgenommen. Vorgesehen sind die Erweiterung
des automatisierten Datenabgleichs und die Überprüfung
von Daten in Verdachtsfällen. Das ist völlig richtig und
legitim. Des Weiteren geht es um die Einrichtung von
Außendiensten in allen Arbeitsgemeinschaften, um die
Einführung regelmäßiger Telefonabfragen und auch um
Sanktionen. Selbstverständlich sind gegenüber denjeni-
gen, die sich nicht an die Regeln halten, spürbare Sankti-
onen notwendig. Das liegt im Interesse der Menschen,
die täglich frühmorgens aufstehen, zur Arbeit gehen und
mit ihren Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen die
Leistungen finanzieren, die die bekommen sollen, die in
diesem Land der Hilfe bedürfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Also doch Sanktionen!)


Deswegen verstecken wir das nicht. Wir bekennen uns
vielmehr dazu, dass diejenigen, die sich nicht an die
Spielregeln halten, Sanktionen zu spüren bekommen
müssen.

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(C (D Wir werden die Beweislastumkehr bei eheähnlichen emeinschaften einführen. Es ist eine pure Selbstver tändlichkeit, dass Menschen, die im Leben füreinander instehen, auch bei Hilfebedürftigkeit als solche behanelt werden. Das hat nichts mit Bespitzelung zu tun. ielmehr werden wir den Gesetzentwurf im Interesse erjenigen umsetzen, die auf Hilfe angewiesen sind. iese Hilfe werden wir ihnen auch zukommen lassen. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Maurer? Nein. (Dirk Niebel [FDP]: Herr Maurer, er traut sich nicht, zu antworten! Das wissen Sie doch!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603526000
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1603526100

Jetzt mal ganz ruhig mit der Koalition in der Opposi-
ion! Ich möchte lieber die einzelnen Punkte im Zusam-
enhang vortragen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es geht darum, Fördern und Fordern in Einklang zu
ringen. Deswegen machen wir mit dem Gesetz den
enschen, die erstmalig Leistungen nach dem SGB II

eziehen, ein Sofortangebot zur Integration auf dem Ar-
eitsmarkt. Es geht darüber hinaus um Maßnahmen zur
erbesserung der Verwaltungspraxis. Dabei müssen wir
ns eingestehen: Es wird immer Schnittstellenprobleme
nsbesondere bei den Arbeitsgemeinschaften geben. Die
rgen tragen alle Züge eines politischen Kompromisses.
ier findet eine Zusammenarbeit statt, wie es sie vorher
ie gegeben hat. Wir haben uns in den Gesprächen zur
rarbeitung des vorliegenden Gesetzentwurfs mit jeder
chnittstellenproblematik beschäftigt und sind zu dem
rgebnis gekommen, dass es nicht in jedem Falle befrie-
igende Lösungen geben kann. Aber wir müssen die
rundlagen dafür schaffen, dass alle, die Verantwortung

ragen, verstärkt zusammenarbeiten, damit die Betroffe-
en nicht von Pontius zu Pilatus geschickt werden. Alle,
ie als Träger zuständig und kompetent sind, müssen
erantwortlich handeln und den Betroffenen die Hilfe
ukommen zu lassen, die sie brauchen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Selbstverständlich sind bei einem solchen Gesetz, von
em wir uns Einsparungen in einem Volumen von etwa
,2 Milliarden Euro allein beim Bund und mehreren
undert Millionen Euro bei den Bundesländern verspre-

hen, verschiedene Dinge abzuwägen. Deswegen neh-
en wir keine Kürzungen nach dem Rasenmäherprinzip

or. Vielmehr ist es immer unser Prinzip gewesen, dass
s selbst dann, wenn generell gekürzt werden muss, die
öglichkeit geben muss, an Stellen – es geht hier nicht

ur um ein oder zwei –, an denen es sachlich gerechtfer-
igt ist, zu einem Aufwuchs zu kommen. Die Abgeord-
eten der Koalitionsfraktionen, die an den vorbereiten-
en Gesprächen über diesen Gesetzentwurf
eilgenommen haben, wissen, dass wir an rund einem






(A) )



(B) )


Dr. Ralf Brauksiepe
Dutzend Stellen zu höheren Leistungen, zu einem Auf-
wuchs gekommen sind, obwohl wir unterm Strich
1,2 Milliarden Euro einsparen wollen.

So wollen wir – das ist für uns ein wichtiger Punkt –
das Schonvermögen erhöhen, das der Altersvorsorge
dient; denn wir müssen denjenigen etwas anbieten, die
über Jahrzehnte Beiträge und Steuern gezahlt haben, die
dann unverschuldet arbeitslos geworden sind und die
aufgrund ihres Alters nicht die Möglichkeit hatten, die
Riester-Förderung – diese bleibt geschützt – in Anspruch
zu nehmen. Es kann nicht sein, dass Menschen, die jahr-
zehntelang fleißig gearbeitet haben, nach kurzer Zeit so
gestellt werden wie diejenigen, die noch nie gearbeitet
haben. Deswegen wird es hier zu einem Aufwuchs kom-
men.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Hier gibt es auch keine Widersprüche. Wir sollten uns
die Freiheit nehmen, zu sagen: Es tut uns Leid, aber wir
müssen sparen. Niemand tut das gerne. Gleichzeitig
müssen wir jedoch in der Lage sein, Prioritäten zu set-
zen. Das werden wir tun.


(Zurufe von der Linken: Ja, ja!)


Wir werden mit den Bundesländern im Gespräch über
diesen Gesetzentwurf bleiben. Wir wissen, dass wir die
Zustimmung des Bundesrates brauchen. Die Sachver-
ständigen werden ebenfalls ausführlich zu Wort kom-
men; denn wir sind an einem breiten Konsens interes-
siert. Klar ist: Wenn das Prinzip „Fördern und Fordern“
funktionieren soll, brauchen wir in diesem Land mehr
Arbeitsplätze. Hartz IV und das SGB II dienten immer
dazu, eine Grundsicherung für Hilfsbedürftige sicherzu-
stellen. Aber es ging nie darum, damit zusätzliche Ar-
beitsplätze zu schaffen. Vielmehr sollen Härten für die
Menschen abgefedert werden, die der Hilfe bedürfen.

Wir brauchen vor allem mehr Arbeitsplätze in
Deutschland. Dafür ist eine bessere wirtschaftliche Ent-
wicklung Voraussetzung. Diese hat offensichtlich einge-
setzt.


(Lachen bei der LINKEN)


Alle Daten deuten darauf hin, dass wir auf einem guten
Weg sind. Wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen
stimmen, wird dieses Gesetz den erwarteten Erfolg zeiti-
gen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603526200

Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen

Niebel das Wort.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1603526300

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Der Kollege

Brauksiepe hat mir zugestimmt, dass es bemerkenswert
ist, dass dieses wichtige Thema zu dieser späten Stunde
regelrecht versteckt wird. Er hat allerdings suggeriert,

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(C (D ass der Grund dafür der ordentliche Parteitag der FDP m kommenden Wochenende sei. (Klaus Brandner [SPD]: Wollen Sie widersprechen? Das trifft doch zu!)


as ist eindeutig falsch. Noch auf der vorläufigen Tages-
rdnung für die heutige Sitzung war die Debatte über
iesen Gesetzentwurf aufgesetzt. Dann wurde dieser Ta-
esordnungspunkt abgesetzt und erst am Montag dieser
oche wieder aufgesetzt. Der Absetzungsgrund be-

tand, wie wir gehört haben, in Differenzen zwischen
en Regierungsfraktionen.


(Klaus Brandner [SPD]: Da haben Sie falsch gehört!)


Im Übrigen hat der Kollege Brauksiepe offenkundig
icht verstanden, dass in der Geschichte der Bundesre-
ublik Deutschland die Sitzungswochen immer so fest-
esetzt wurden, dass die Parteien – das galt für alle Par-
eien – ihre ordentlichen Parteitage durchführen
onnten.


(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Das hat niemand infrage gestellt!)


s wundert mich nicht, dass der Kollege Brauksiepe ein
ewisses Problem mit den Umgangsformen zwischen
en demokratischen Parteien hat.


(Klaus Brandner [SPD]: Sie müssen ein schlechtes Gewissen haben, Kollege Niebel!)


as sage ich vor allem vor dem Hintergrund, dass die
PD aufgrund der Wirren im Zuge des Verlustes vieler
arteivorsitzender nicht in der Lage war, festzustellen,
ass eine Partei einen ordentlichen Parteitag durchführt,
nd im Gegensatz zu den Gepflogenheiten erstmals in
er Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einen
ußerordentlichen Parteitag auf das Datum eines ordent-
ichen Parteitages einer anderen Bundestagspartei gelegt
at. Das zeigt, dass die große Koalition nicht nur merk-
ürdige Umgangsformen untereinander hat, sondern
ass sie offenkundig bereit ist, sich dieses Land zur
eute zu machen.


(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD: Oh! – Klaus Brandner [SPD]: So ein blödes Zeug habe ich selten gehört!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603526400

Herr Kollege Brauksiepe, Sie können antworten.


Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1603526500

Lieber Kollege Niebel, machen Sie sich um die große

oalition und deren Umgang miteinander keine Sorgen.
ir werden am Ende ein gutes Gesetz durch das Parla-
ent bringen. Wir haben selbstverständlich Rücksicht

enommen. Wir waren es, die das kritisiert haben. Wir
aben mit Rücksicht auf Sie diese Zeit gewählt, damit
ir heute die Tagesordnung abwickeln können.


(Dirk Niebel [FDP]: Das haben Sie nicht!)


as ist in der Tat unter Demokraten selbstverständlich.






(A) )



(B) )


Dr. Ralf Brauksiepe

(Dirk Niebel [FDP]: Sie sind sich nicht einig geworden! Sie haben sich gestritten wie die Kesselflicker! Deshalb ist es zu so einer späten Zeit auf die Tagesordnung gesetzt worden!)


Sie, auf die wir Rücksicht genommen haben, sollten un-
sere Rücksichtnahme jetzt nicht kritisieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Klaus Brandner [SPD]: Ein typisches Eigentor war das!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603526600

Das Wort hat die Kollegin Katja Kipping, Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603526700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Brauksiepe, man will Ihnen Ihre dicken Krokodilstränen,
die Sie darüber vergießen, dass es Ihnen schwer fällt, bei
den Erwerbslosen zu kürzen, nicht so richtig abnehmen,
insbesondere wenn man daran denkt, dass Sie bereitwil-
lig immer wieder in Missbrauchsdebatten einstimmen
und Erwerbslose als Sozialschmarotzer darstellen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ganz unabhängig davon, wie man diesen Gesetzent-
wurf nennt, wollen wir eines festhalten: Das Einzige,
was hier optimiert wird, ist die Diskriminierung von Er-
werbslosen und die Verfolgungsbetreuung.


(Beifall bei der LINKEN)


Hier soll die zentrale These fortentwickelt werden – das
ist das alte Trauerspiel –, dass Erwerbslose schuld an der
Massenarbeitslosigkeit sind. Damit werden sie zu Sün-
denböcken gemacht. Wenn das nicht so verdammt trau-
rig für die Betroffenen wäre, dann könnte man fast darü-
ber lachen. Diese Masche ist wirklich nicht neu.

Zwar enthält der vorliegende Gesetzentwurf auch ei-
nige kleine Verbesserungen. Das ändert aber nichts da-
ran, dass es im Kern um die Verschärfung von Hartz IV
geht. Von den vielen Sauereien dieses Gesetzes möchte
ich auf drei zentrale Gemeinheiten eingehen. Im Kern
geht es hier um nichts anderes als um die Fortführung ei-
ner Verdächtigungskampagne gegenüber Erwerbslosen.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Es spricht im Original Rosa Luxemburg!)


In den letzten Tagen häufen sich die Meldungen, dass
es zu Kostenexplosionen kommt. Das geht mit der Un-
terstellung einher, die Ursache dafür sei Missbrauch.
Wir wollten diesen Meldungen auf den Grund gehen und
haben beim zuständigen Bundesministerium nachge-
fragt, wie hoch die Zahlungen im alten System für Er-
werbslose ausgefallen sind, wie viel man für Sozialhilfe,
Wohngeld und Arbeitslosenhilfe ausgegeben hat. Es gibt
eine Berechnung aus Ihrem Haus, Herr Andres, die be-
sagt, dass dann, wenn man das alte System beibehalten
hätte, im Jahr 2005 35,5 Milliarden Euro für Erwerbs-
lose ausgegeben worden wären. Im letzten Jahr sind
nach dem neuen System gerade einmal 1,8 Milliarden

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(C (D uro mehr als im alten System ausgegeben worden. Daon sind 1,4 Milliarden Euro auf die Erhöhung der Renenzahlung zurückzuführen. Im Klartext heißt das: Es ibt keine Kostenexplosion durch Missbrauch. Das Einige, was es gibt, ist eine Verschiebung der Zahlungen. rüher zahlte man Sozialhilfe, Wohngeld und Arbeitsloenhilfe, heute zahlt man Kosten für Unterkunft und rbeitslosengeld II. Ihre Unterstellung des Missbrauchs st nicht haltbar und nicht durch Zahlen belegt. Für die zweite Sauerei (Rolf Stöckel [SPD]: Warum ist das eine Sauerei?)


(Beifall bei der LINKEN)


orgt der Außendienst, der die Lebenssituation von Ar-
eitslosengeld-II-Empfängern untersuchen soll.


(Dr. Karl Addicks [FDP]: Was ist das für eine Ausdrucksweise? Bitte verschonen Sie uns damit! Nicht zu fassen!)


m Clement-Report wurde sehr anschaulich dargestellt,
ie Sozialspitzel losgeschickt werden, um bei allein er-

iehenden Erwerbslosen nachzuschauen, ob sie nicht
och einen Freund haben, den man finanziell in Haft
ehmen kann. Einige Sozialspitzel gingen sogar in die
chlafzimmer, um zu schauen, wie groß die Kuhle im
ett ist, um nachzuweisen, dass man dort doch zu zweit
eschlafen hat.


(Dr. Karl Addicks [FDP]: Das haben sie von der Stasi gelernt!)


ch meine, im Schlafzimmer hat der Staat nichts zu su-
hen. Das ist so und das soll so bleiben.


(Beifall bei der LINKEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wie war das denn in der DDR?)


Wir haben die Lehren aus der Vergangenheit gezogen.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ich möchte Ihnen sagen: Alle Versuche, die Privat-
nd Intimsphäre von Menschen auszuspionieren, sollten
n Filmen wie „Das Leben der Anderen“ unternommen
erden.


(Klaus Brandner [SPD]: Das ist aber besonders glaubwürdig, Frau Kipping! Das ist die Spitze an Glaubwürdigkeit!)


it moderner Sozialpolitik hat die Sozialspitzelei, die
ie jetzt praktizieren, nichts, aber auch gar nichts zu tun.


(Beifall bei der LINKEN)


ir brauchen eben nicht mehr Sozialspitzel, sondern
ehr sorgfältige Beratung und mehr Vermittlung von Er-
erbslosen.


(Dr. Karl Addicks [FDP]: Wir brauchen aber auch keinen Neosozialismus!)


Die dritte zentrale Gemeinheit, die ich ansprechen
öchte, ist die Beweislastumkehr bei den Bedarfsge-






(A) )



(B) )


Katja Kipping
meinschaften. Hier setzen sie den Hebel am Rechtsstaat
an; hier werden rechtsstaatliche Grundsätze geopfert.
Heute gilt: Wer nur ein Jahr zusammen wohnt, der lebt
schon in einer Bedarfsgemeinschaft. Damit wird jede
Wohngemeinschaft zu einer Bedarfsgemeinschaft.


(Rolf Stöckel [SPD]: Gibt es ja gar nicht!)


Beispielsweise in meiner WG leben vier Personen. Was
ist, wenn jetzt einer meiner Mitbewohner arbeitslos
wird? Heißt es dann, einer von uns muss ausziehen, da-
mit er keiner Bedarfsgemeinschaft zugeordnet wird?


(Dr. Karl Addicks [FDP]: Helfen Sie dem! Das wäre echte Solidarität! – Dirk Niebel [FDP]: Sie verdienen doch ordentlich! Helfen Sie ihm doch!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603526800

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.


Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603526900

Heute hat ein CDU-Minister in NRW gesagt: Wenn

zwei Personen zusammenleben, von denen eine erwerbs-
los ist, dann müssen sie beweisen, dass sie kein Liebes-
paar sind. Ich frage Sie: Wie soll man das beweisen?


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Bei uns beiden wäre das klar!)


Müssen Erwerbslose in Zukunft Kameras in ihren
Schlafzimmern installieren?


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603527000

Frau Kollegin, ich möchte Sie an Ihre Redezeit erin-

nern.


Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603527100

Ich komme zum Ende. – Ich sage nur noch: Das hat

nichts, aber auch gar nichts mit moderner Sozialpolitik
zu tun. Anstatt die Situation von Bedarfsgemeinschaften
zu verschärfen, brauchen wir eine soziale Sicherung, die
konsequent vom Einzelnen ausgeht.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603527200

Frau Kollegin, das wäre ein gutes Ende gewesen.


Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603527300

Diesem Gesetzentwurf muss man Widerstand im Par-

lament und außerhalb des Parlaments entgegensetzen.
Deswegen können wir allen nur empfehlen, am 3. Juni
zur Demonstration nach Berlin zu kommen, um – –


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603527400

Frau Kollegin, was Sie im Augenblick machen, finde

ich nicht in Ordnung.


(Dr. Karl Addicks [FDP]: Ja, wir auch nicht!)


Nächster Redner ist der Kollege Markus Kurth, Bünd-
nis 90/Die Grünen.

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(C (D Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! eine Damen und Herren von der großen Koalition, enn man im privaten Leben oder auch als Gesetzgeber twas optimieren möchte, was nicht so richtig funktioiert, dann setzt man doch zuallererst an der schwächsen Stelle an. Das ist im Falle des Sozialgesetzbuchs II mmer noch die Komponente des Förderns und des Aktiierens. Hier muss man ansetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Sehr richtig, das machen wir auch! Genau da setzen wir an!)

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603527500

enau an dieser Stelle weist Ihr Gesetz eine große Leer-
telle auf. Schlimmer noch: An manchen Stellen sind
chwere Mängel und auch Mogelpackungen zu sehen.

Anstatt die lokale Handlungsfreiheit der Arbeitsge-
einschaften aufzuwerten und zu verbessern, schränken
ie sie ein. Sie müssen einmal mit den Praktikern in den
rbeitsgemeinschaften und in den Jobcentern reden.


(Klaus Brandner [SPD]: Jetzt müssen wir aufpassen! Wenn das Geld nicht ausgegeben wird, dann hat die lokale Ebene versagt!)


s ist so, dass der Zugriff der Bundesagentur für Arbeit
ogar noch verschärft wird und dass die Spielräume ver-
ingert werden. Es ist zum Beispiel so, dass Sie die so
enannten 1-Euro-Jobs-Arbeitsgelegenheiten jetzt den
BM und SAM gleichstellen. Die Begründung dafür im
esetzentwurf lautet, dadurch werde einfach die Verän-
erung in der Praxis nachvollzogen.

Ich kann Ihnen sagen, was wir damals, als das SGB II
ntworfen wurde, gedacht haben: Wir haben die so ge-
annten 1-Euro-Jobs ausdrücklich als Ultima Ratio, als
etztes Mittel der Förderung an das Ende von § 16
GB II gestellt. Wir haben die anderen Instrumente der
eiterbildung, die Eingliederung durch Zuschüsse und

uch die sozialversicherungspflichtige Entgeltvariante
eutlich priorisiert und daher vorangestellt. Sie sorgen
etzt für eine Gleichsetzung. Das ist der falsche Weg; das
st kein Fördern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie sich mit großem Getöse hier hinstellen und
agen, wir brauchen jetzt Sofortangebote, dann muss
ch fragen: War denn das vorher nicht möglich? Nie-
and in den Jobcentern ist doch davon abgehalten wor-

en, ein Sofortangebot einzurichten. Was schreiben Sie
enn für eine platte Tautologie in das Gesetz?

Angesichts der Meldung in der „Welt“ von heute,
ass bislang erst knapp 1 Milliarde Euro aus dem Ein-
liederungstitel beim SGB II ausgegeben wurde, wird
ieses Reden vom Sofortangebot vollends zur Farce. Be-
chleunigen wir doch das Ausgeben der zur Verfügung
estellten Mittel zur Eingliederung!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Klaus Brandner [SPD]: Das spricht doch gerade dafür, dass die BA die Kompetenz bekommt, das auch zu tun!)







(A) )



(B) )


Markus Kurth
Anstatt das Fördern zu verstärken, werden – das hat
auch Frau Kipping beschrieben – auf der Leistungsseite
Einschränkungen gemacht, die zum Teil mehr als frag-
würdig sind.


(Rolf Stöckel [SPD]: Wo denn?)


Die Einkommensanrechnung in Wohngemeinschaften
– dabei soll das Zusammenleben für länger als ein Jahr
bereits ausreichen, um eine so genannte Bedarfs-
gemeinschaft zu begründen –


(Klaus Brandner [SPD]: Das stimmt nicht! Das ist inhaltlich nicht richtig!)


ist aus meiner Sicht rechtlich überhaupt nicht haltbar.
Das Verfassungsgericht hat sehr strenge Maßstäbe an so
genannte Einstehensgemeinschaften angelegt.


(Klaus Brandner [SPD]: Ja, da ist genau die Begründung!)


Das Bundessozialgericht hat geurteilt, dass ein Zusam-
menleben von mindestens drei Jahren vorliegen muss,
bevor man vermuten kann, dass es sich um eine Bedarfs-
gemeinschaft handelt. Sie machen einfach „ein Jahr“
daraus und führen noch zusätzlich eine Beweislastum-
kehr ein, die so in der Tat kaum zu leisten sein dürfte.
Das ist ein unzulässiger Eingriff in die Lebenssphäre von
Menschen, die in Form von Wohngemeinschaften – das
ist eine mittlerweile durchaus verbreitete Wohnform –
zusammen wohnen, und ist aus diesem Grunde abzuleh-
nen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rolf Stöckel [SPD]: Das ist doch Unsinn!)


– Ich will damit an der Stelle schließen.

Auch Ihre Regelungen zum so genannten Alters-
schonvermögen und zu seiner vermeintlichen Auswei-
tung sind eine Mogelpackung, weil Sie im gleichen Ver-
hältnis das zulässige so genannte freie Vermögen kürzen.
Selbst Ihr Sozialminister in Nordrhein-Westfalen, Herr
Laumann, hat diese Regelung als unzulänglich bezeich-
net und ein Altersvorsorgevermögen von 700 Euro pro
Lebensjahr gefordert. In diese Richtung hätten Sie gehen
sollen.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Ach!)


Als Roland Koch in Hessen das so genannte EEG gegen
das Sozialgesetzbuch II in Anschlag gebracht hat, haben
Sie in noch viel schärferem Maße das zulässige Alters-
vorsorgevermögen kürzen wollen. Anstatt in dieser Art
und Weise Dinge vermeintlich zu tun und zu täuschen,
sollten Sie an das herangehen, was man wirklich machen
muss und in das man Energie stecken muss, nämlich an
das Fördern.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603527600

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 16/1410 an die in der Tagesord-

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(C (D ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vorage soll abweichend von der Tagesordnung zusätzlich n den Haushaltsausschuss gemäß § 96 unserer Gechäftsordnung überwiesen werden. Gibt es dazu andereitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die berweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Frank Spieth, Dr. Ilja Seifert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes für apothekenpflichtige Arzneimittel auf 7 Prozent – Drucksache 16/732 – Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss Ausschuss für Gesundheit Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre einen Widerspruch. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollein Dr. Barbara Höll, Fraktion Die Linke. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! iejenigen, die sich gerade die Debatte zu Hartz IV anehört haben, sollten ruhig noch sitzen bleiben; denn uch das jetzige Thema hat viel damit zu tun. Wir müssen einfach konstatieren, dass bereits im verangenen Jahr viele Menschen nicht mehr zum Arzt geangen sind, weil ihnen die 10 Euro für die Praxisgebühr u viel waren. Jeder Hartz-IV-Empfänger und jede artz-IV-Empfängerin muss diese 10 Euro zahlen. (Rolf Stöckel [SPD]: Eben nicht! Das ist nicht wahr!)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603527700

ie müssen bei den Arzneimitteln Zuzahlungen leisten.
as sind Belastungen, die dazu führen, dass medizini-

che Versorgung nicht mehr in dem Umfang in Anspruch
enommen wird, wie es notwendig wäre.

Wir haben Ihnen einen kurzen Antrag vorgelegt, der
n dieser Richtung zumindest eine kleine Hilfe geben
ürde. Wir möchten, dass der Katalog der Waren des le-
ensnotwendigen täglichen Bedarfs, die nur mit dem er-
äßigten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent belegt wer-

en, erweitert wird. Es ist recht und billig, dass neben
rot, Butter und anderen Dingen wie Hundefutter,
chnittblumen und Tiermedikamenten


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Und Möhren!)


uch die apothekenpflichtigen Medikamente für Men-
chen dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterliegen;
enn es ist steuersystematisch wohl kaum begründbar,
arum Antibiotika für Hunde nur mit 7 Prozent Mehr-
ertsteuer belegt werden, während Antibiotika für Kin-






(A) )



(B) )


Dr. Barbara Höll
der, für ältere Menschen, für jüngere Menschen, für je-
den, der es braucht, mit 16 Prozent belegt werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Dieses Thema ist nicht neu. Bereits in der
222. Sitzung des Deutschen Bundestages am 5. März
1998, damals noch in Bonn, habe ich einen entsprechen-
den Antrag in den Bundestag eingebracht, den Sie mit
den damaligen Mehrheiten am 7. Mai desselben Jahres
abgelehnt haben. Es freut mich, inzwischen konstatieren
zu können, dass auch die Bundesgesundheitsministerin
Ende vergangenen Jahres öffentlich darüber nachge-
dacht und gesagt hat, dass sie Handlungsbedarf sehe und
sich dem Thema widmen werde.

Wir liegen mit unserer Regelung im europäischen
Spitzenfeld; Deutschland hat den vierthöchsten Mehr-
wertsteuersatz für Medikamente. Viele andere europäi-
sche Staaten nutzen die Möglichkeit eines ermäßigten
Mehrwertsteuersatzes bzw. erheben überhaupt keine
Mehrwertsteuer auf Medikamente.

Die Regelung, die wir Ihnen vorschlagen, würde zu
einer kurzfristigen Entlastung des Systems der Kran-
kenversicherungen führen. Die Krankenkassen und die
Bürgerinnen und Bürger könnten im nächsten Jahr un-
mittelbar um 2,6 Milliarden Euro entlastet werden. Das
wäre möglich, wenn es uns als Politikerinnen und Politi-
ker gelingt, sicherzustellen, dass die Senkung des Mehr-
wertsteuersatzes tatsächlich an die Krankenkassen und
die Bürgerinnen und Bürger weitergegeben und damit
auch eine Senkung des Beitragssatzes, die Sie ja immer
anstreben, um 0,2 Prozentpunkte ermöglicht wird. So
sagt es der Vorsitzende des Apothekerverbandes Nord-
rhein. Wir haben hier also eine Möglichkeit, kurzfristig
Druck aus dem System zu nehmen und im Interesse der
Bürgerinnen und Bürger zu handeln.

Wir meinen, das ist auf diesem Feld notwendig; denn
das wäre zumindest ein Schritt in die richtige Richtung,
den Sie nutzen könnten, um ruhiger und gelassener sach-
lich darüber zu diskutieren, wie die Probleme im Kran-
kenversicherungssystem gelöst werden können. Wir
werden nicht umhinkönnen, weiter über die Notwen-
digkeit einer Stärkung der Beitragsseite auch der
Krankenversicherung und über die Aufhebung der Bei-
tragsbemessungsgrenze zu diskutieren. Wir müssen die
Krankenversicherung insgesamt gerechter gestalten, so-
dass die, die sehr viel verdienen, sich nicht privat versi-
chern müssen, sondern in das System der gesetzlichen
Krankenversicherung einbezogen werden können.

Aber der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf apothe-
kenpflichtige Medikamente wäre ein erster kleiner
Schritt, den wir machen könnten und der umso notwen-
diger ist, als Sie angedroht haben, die Mehrwertsteuer im
nächsten Jahr um 3 Prozentpunkte zu erhöhen. Das
würde im Klartext bedeuten: Haushaltssanierung des
Bundes auf Kosten der Kranken. Denn je kränker die
Bevölkerung ist, umso höher sind die Zahlungen, die die
Kranken über die Mehrwertsteuer leisten müssen. Das
ist inhuman und kann nicht das sein, was wir als Politi-
kerinnen und Politiker erstreben.

Ich danke Ihnen.

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(C (D Nächster Redner ist der Kollege Manfred Kolbe, DU/CSU-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! er Antrag, über den wir jetzt zu später Stunde diskutieen, ist einer der klassischen PDS-Schauanträge, die man oche für Woche erlebt. Auf der einen Seite erleben wir mmer wieder eine maßlose Überforderung des Sozialtaats. Ich denke da zum Beispiel an den vorhergehenen Tagesordnungspunkt. Sie fordern teilweise eine rundsicherung oder Mindestlöhne von bis zu 400 Euro monatlich, worüber selbst in Ihren eigenen eihen Diskussionen entstanden sind. Als wir beim vorerigen Tagesordnungspunkt dann aber über eine maßolle Missbrauchskontrolle diskutiert haben, hat Ihre ednerin, Frau Kipping, von „Sauereien“, „Gemeinhei en“ und „Sozialspitzeln“ gesprochen. (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Recht hat sie!)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1603527800

(Beifall bei der CDU/CSU)

Manfred Kolbe (CDU):
Rede ID: ID1603527900

ch zitiere nur; das sind nicht meine eigenen Worte. Auf
er anderen Seite nehmen Sie dem Staat die notwendige
innahmebasis weg. Das funktioniert nicht.

Ich komme selbst aus einem Wahlkreis, Frau Höll, wo
och zu viele Bürgerinnen und Bürger PDS wählen.


(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Die wählen die richtige Partei!)


as verfängt aber auch in Ihrer Wählerschaft immer we-
iger. Das erlebe ich jede Woche in Bürgersprechstun-
en. Die Bürgerinnen und Bürger kommen zu uns, weil
ie bei Ihnen ohnehin nichts erreichen; sie wissen, dass
ie alles versprechen, aber nichts halten können. Das
unktioniert nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jörg-Otto Spiller [SPD])


s fehlt nur noch Mallorca und Freibier für alle und zah-
en soll der liebe Gott.

Frau Höll, nachdem Sie eine ganze Reihe von Jahren
m Haushaltsausschuss verbracht haben, sind Sie jetzt
inanzpolitikerin und wie ich Mitglied des Finanzaus-
chusses. Ich hätte von Ihnen als Finanzpolitikerin zu-
indest ein Wort darüber erwartet, woher die
Milliarden Euro kommen sollen, die uns durch die von

hnen vorgeschlagene Maßnahme verloren gehen. Eine
ntwort darauf sind Sie schuldig geblieben. Das ist op-
ortunistisch und leichtfertig und keine seriöse Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch der Abg. Dr. Barbara Höll [DIE LINKE])


as macht Sie selbst bei Anträgen wie dem vorliegen-
en, über den man durchaus diskutieren kann, unglaub-






(A) )



(B) )


Manfred Kolbe
würdig. Denn von Ihrer Seite werden keine seriösen Vor-
schläge zur Finanzierung gemacht.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Katrin GöringEckardt)


Wir lehnen, auch wenn man darüber – wie gesagt –
durchaus diskutieren kann, Ihren Antrag aus folgenden
Gründen ab:

Erstens. Unsere Arzneimittelpreise liegen trotz des
vollen Mehrwertsteuersatzes im europäischen Mittel-
feld. Alle seriösen Studien haben ergeben, dass in unse-
ren Nachbarländern wie etwa in den Niederlanden, in
Dänemark, in der Schweiz, in Irland und in Finnland die
Arzneimittelpreise wesentlich höher liegen.

Zweitens. Eine ganze Reihe von Staaten erheben den
vollen Mehrwertsteuersatz; wir sind nicht die Einzigen.
Dänemark mit 25 Prozent und Österreich mit 20 Prozent
liegen dabei an der Spitze.


(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Und dann kommen aber gleich wir!)


Drittens. Die ermäßigten Mehrwertsteuersätze brin-
gen das Problem der Abgrenzung mit sich. Schauen Sie
sich einmal die fast 30 Seiten Papier an, die für die Be-
schreibung der Abgrenzung zu den ermäßigten Mehr-
wertsteuersätzen nötig sind. Diese Bürokratie bedeutet
einen Mehraufwand für die Verwaltung. Sie fordern ja
für apothekenpflichtige Arzneimittel einen ermäßigten
Mehrwertsteuersatz. Das wirft gravierende Abgren-
zungsprobleme auf, die anzusprechen Sie nicht für nötig
gehalten haben.

Viertens. Wir können diese Maßnahme im Augen-
blick nicht finanzieren. Sie wissen, wir haben im Bun-
deshaushalt ein strukturelles Defizit in Höhe von
50 Milliarden Euro jährlich. Dieses Defizit müssen wir
eingrenzen, um wieder einen verfassungsmäßigen Haus-
halt verabschieden zu können.

Fünftens. Eine entscheidende Frage wäre, wie man
die Kostensenkung durch die reduzierte Mehrwertsteuer
an die Verbraucher weitergibt. Sie sind eine Antwort
darauf schuldig geblieben, wie Sie das – es ist in der Tat
ein schwieriges Unterfangen – bewerkstelligen wollen.

Wir sind bereit, über die reduzierten Mehrwertsteuer-
sätze zu diskutieren. Ihren Einzelantrag lehnen wir aber
heute ab, weil uns nur eine Gesamtlösung weiterbringt.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603528000

Das Wort hat der Kollege Dr. Volker Wissing, FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1603528100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Mehrwertsteuer zu erhöhen, ist einfach; das Mehr-
wertsteuersystem zu reformieren, nicht. Es passt des-

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(C (D alb perfekt in das Bild der großen Koalition der kleinen chritte. Sie erhöhen die Mehrwertsteuer, schaffen es ber nicht, das System zu reformieren. Dabei wäre das itter nötig. Wie nötig das ist, hat die Bundesregierung jüngst in iner Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundesagsfraktion bestätigt. Ich frage Sie: Warum werden rüffel subventioniert? Warum gelten für Basilikum und osmarin der volle, für Dill oder Majoran der ermäßigte teuersatz? Worin besteht der Zweck, Schlachtnebenereugnisse von Bibern, Walen, Schildkröten und Fröchen mit einem ermäßigten Umsatzsteuersatz zu subentionieren? Auf unsere Anfrage nach circa 20 Produktgruppen, ür die ein ermäßigter Umsatzsteuersatz gilt – die also ubventioniert werden –, konnte die Bundesregierung icht in einem einzigen Fall eine schlüssige Begründung orlegen. Deutlicher kann man die Absurdität des Sysems kaum vorführen. Es ist bezeichnend für die Qualität der politischen Areit von CDU/CSU und SPD, dass sie nur Steuern erhöen, sich eine Reform der Systeme aber überhaupt nicht ornehmen. 140 Seiten benötigt die Bundesregierung, m wenigstens einen teilweisen Überblick darüber zu eben, für welche Produkte der ermäßigte und für welhe der volle Umsatzsteuersatz erhoben wird. Trotz diees Kompendiums leiden Verwaltung und Wirtschaft ach wie vor darunter, dass oftmals nicht ersichtlich ist, elcher Steuersatz denn nun angewendet werden soll. Seit fünf Jahren müssen sich jeden Tag mindestens ünf Unternehmen bei den Zolltechnischen Prüfungsnd Lehranstalten erkundigen, wie ihre Produkte besteurt werden. Sind Sie sich eigentlich darüber im Klaren, elche Bürokratiekosten dieser Umsatzsteuerwahn mitt erweile verursacht? Aber CDU/CSU und SPD können ur eines: Steuern erhöhen. Allein in der Bundesfinanzerwaltung beschäftigen sich 500 Mitarbeiterinnen und itarbeiter mit Fragen der Umsatzbesteuerung. Die undesregierung erhöht lieber die Steuern, anstatt sich arum zu kümmern, wie man das Problem im System in ngriff nehmen kann. Es wäre an der Zeit, das System ür die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Fianzverwaltung selbst wieder verständlich zu machen. ber Sie machen nichts. Sie erhöhen lieber die Mehrertsteuer und beenden dann die Debatte. Selbst die Bundesregierung kann nicht sagen, wer in nserem Land eine verbindliche Auskunft darüber erteien kann, ob für ein Produkt der ermäßigte oder der volle msatzsteuersatz fällig ist. Auf eine entsprechende An rage antwortet das Bundesfinanzministerium – ich itiere jetzt aus der Antwort auf die Anfrage –: Bestehen weifel, haben die Lieferer und Abnehmer die Möglicheit, bei der zuständigen Stelle eine unverbindliche Zollarifauskunft einzuholen. ußerdem können unverbindliche Zolltarifauskünfte uch bei den Landesfinanzbehörden beantragt werden. – Dr. Volker Wissing Die Auskunft ist unverbindlich. Ich frage mich, wer in diesem Land eigentlich eine verbindliche Auskunft erteilen kann. Dazu sagt die Bundesregierung nichts, weil sie es offensichtlich auch nicht weiß. Ihr fehlt der Durchblick beim Umgang mit den eigenen Steuergesetzen. Das zeigt, wie dringend hier reformiert werden muss. Sie sollten anfangen, unsinnig gewordene Ausnahmetatbestände zu streichen. – Frau Kollegin, zum Beispiel die Subventionierung von Trüffeln und Gänsestopfleber. Was halten Sie davon? Diese Produkte werden nämlich in Deutschland mit einem verminderten Umsatzsteuersatz subventioniert. Auch das wäre übrigens ein Thema gewesen, das die Linkspartei hätte aufgreifen können. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Dagegen sind aber die Trüffelschweine!)


(Beifall bei der FDP)


(Heiterkeit bei der LINKEN)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der FDP)


(Zuruf von der SPD: Welche zum Beispiel?)


(Beifall bei der FDP)


Ihr Antrag hilft nicht weiter. Hier wird nur ein Aspekt
herausgepickt. Sie betreiben finanzpolitische Flick-
schusterei. Es geht nicht darum, einen ermäßigten Steu-
ersatz für Medikamente zu fordern. Die Frage ist: Wie
bekommen wir das bei der Umsatzsteuer bestehende
Strukturproblem in den Griff? Fehlanzeige bei der SPD
und Fehlanzeige bei der CDU/CSU!


(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Und die Erleuchtung ist bei der FDP!)


– Herr Spiller, Sie haben eine breite Mehrheit und wol-
len eine große Koalition sein. Sie haben eine historische
Mehrheit


(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Die Erleuchtung ist doch unabhängig von der Mehrheit!)


und bekommen nichts zustande. Ihre Regierung weiß
nicht einmal, welche Umsatzsteuersätze wann anwend-
bar sind. Dann wollen Sie Lösungen von der Opposition.
Auch so kann man sich, wenn man solche Mehrheiten
auf sich vereint, aus der Verantwortung stehlen.

Die Steuererhöhungspolitik hilft den Bürgerinnen und
Bürgern in Deutschland nicht weiter. Das ist kein Lö-
sungsansatz. Wenn wir über die Mehrwertsteuer reden,
sollte die Strukturfrage im Vordergrund stehen und nicht
die Erhöhung. Diese braucht Deutschland nicht.
Deutschland braucht auch keine finanzpolitische Flick-
schusterei der Linkspartei.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603528200

Als Nächste hat das Wort die Kollegin Lydia

Westrich, SPD-Fraktion.

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(C (D Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen zu päter Stunde! Liebe Frau Kollegin Höll, es ist keinesegs vergnügungssteuerpflichtig, zu addieren, wie viele nträge von Ihrer Fraktion – Herr Kolbe hat es schon ngesprochen –, die in hohem Maße kostenrelevant sind nd die wir als verantwortungsbewusste Koalition natürich ablehnen mussten, in den letzten Monaten in den undestag eingebracht wurden. Sie würden den jungen enschen, unseren Kindern Milliardenbeträge als Rie enhypothek hinterlassen, falls Ihre Anträge durchkomen würden. Sie haben in der Aktuellen Stunde gestern Ihr Steueronzept erwähnt. Ich bin von Beruf Steuerbeamtin. Ich abe die Vermögensteuer bearbeitet. Wenn ich denke, elcher Verwaltungsaufwand für die paar Kröten notendig ist! Es kommt noch nicht einmal ein Bruchteil er Summe zusammen, die Sie für die Umsetzung allein iner Ihrer Anträge brauchen würden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Das ist doch jetzt wider besseres Wissen!)

Lydia Westrich (SPD):
Rede ID: ID1603528300

Das ist wahr. Wenn Sie sich mit der Praxis näher be-
chäftigen, stellen Sie fest, dass das eine ganz logische
eschichte ist.


(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Sie hatten doch nie 7 Milliarden Kosten für die Erhebung!)


Sie machen eine Politik des reinen Populismus nach
em Motto: Nach mir die Sintflut.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


ls gewählte Parlamentarierinnen und Parlamentarier
aben auch Sie für die Zukunft unseres Landes Verant-
ortung übernommen.


(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Eben deshalb!)


hre Politik wird aber anscheinend immer noch vom
wiggestrigen bestimmt.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603528400

Frau Kollegin, möchten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Barbara Höll zulassen?


Lydia Westrich (SPD):
Rede ID: ID1603528500

Da es schon so spät ist, würde ich normalerweise

ein sagen. Aber, okay.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603528600

Dann Frau Dr. Höll, bitte.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1603528700

Liebe Kollegin Westrich, ich finde, wir sollten uns auf

in uns zustehendes Diskussionsniveau begeben. Es ist
och wohl klar, dass der Verwaltungsaufwand für die Er-
ebung der Vermögensteuer – er mag vielleicht 10 bis
5 Prozent betragen haben – zu keinem Zeitpunkt höher
ar als die Einnahmen. Diesen Anschein haben Sie eben






(A) )



(B)


Dr. Barbara Höll
erweckt. Sie werden mir sicher zustimmen, dass wir als
Gesetzgeber die Vermögensbesteuerung durchaus so ge-
stalten können, dass auch tatsächlich Geld in die Kassen
hineinkommt. Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir
– das ist der Knackpunkt – vor dem Hintergrund der zu
erwartenden Entscheidung des Bundesverfassungsge-
richts zur Erbschaftsbesteuerung sowieso gezwungen
sein werden, eine Neubewertung der Immobilien vorzu-
nehmen. Da diese Aufgabe sowieso ansteht, sollten wir
sie zeitnah angehen.

Zur Erhebung ist zweifelsfrei eine Anschubfinanzie-
rung erforderlich. Stimmen Sie mir zu, dass diese Auf-
gabe erstens ansteht – sie muss sowieso erledigt werden –
und es zweitens sehr wohl möglich ist, auf diesem Wege
Geld einzunehmen? Die Erwartungen bezüglich der Ein-
nahmen schwanken. Die Schätzungen – es gibt entspre-
chende Berechnungen – reichen von 15 Milliarden Euro
bis zu 50, 60 Milliarden Euro. Diese sehr hohen Schät-
zungen würde ich persönlich nicht vertreten. Eine so
hohe Besteuerung möchte ich nicht. Dazu liegen aber se-
riöse Berechnungen vor. Daher kann man das nicht so
einfach zur Seite schieben.


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der SPD: Wo ist denn die Frage? – Gegenruf des Abg. Otto Bernhardt [CDU/CSU]: Das war ein Beitrag!)



Lydia Westrich (SPD):
Rede ID: ID1603528800

Liebe Frau Kollegin, dem kann ich nicht zustimmen.

Selbst bei penibelster Bewertung aller Goldmünzen- und
Briefmarkensammlungen, aller Gemälde, Teppiche oder
dergleichen ist eine derart hohe Einnahme nicht zu er-
warten. In den Jahren, in denen die Vermögensteuer zu-
letzt erhoben wurde – das muss ich ehrlich sagen –, wur-
den kaum mehr als 1 oder 2 Milliarden Euro
eingenommen. Der dafür notwendige Verwaltungsauf-
wand betrug circa 20 Prozent dieser Summe. Der Auf-
wand, der erforderlich wäre, um die notwendigen Ver-
waltungsstrukturen wieder aufzubauen, wäre viel zu
hoch. Dies ist im Übrigen nur ein Aspekt.

Ich erinnere an die Vielzahl derartiger Anträge von
Ihnen, die wir in diesem Haus schon behandelt haben.
Das hat mit seriöser Politik überhaupt nichts zu tun. Ir-
gendwann werden wir uns mit Ihrem Steuerkonzept aus-
einander setzen müssen. Ich kann aber gleich sagen, dass
es etwas realitätsnäher sein müsste als das, was Sie jetzt
vorgelegt haben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ihr heute vorliegender Antrag auf Ermäßigung des
Mehrwertsteuersatzes für apothekenpflichtige Arznei-
mittel hätte einen Ausfall an Steuergeldern in Höhe von
jährlich sage und schreibe 3 Milliarden Euro zur Folge.
Sie bezeichnen das als überfällige sozialpolitische Kom-
ponente im Umsatzsteuerrecht. Sie wissen genau – das
können Sie auch nachlesen –, dass ein ermäßigter
Umsatzsteuersatz als Instrument der Verteilungspolitik
völlig ungeeignet ist. Das ist äußerst zielungenau und er-
reicht selten die Gruppen, die Sie mit dieser sozialpoliti-

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(C (D chen Komponente zu fördern versuchen. Ein Gegenfianzierungsvorschlag taucht mit keiner Silbe auf. Ich kenne diese Forderung nach dem ermäßigten ehrwertsteuersatz für Medikamente aus Schreiben der harmazeutischen Industrie, aus Gesprächen mit Apohekern und Großhändlern. Manche Kollegen der FDP ringen sie vor. Auch einige Verbraucherschützer aus einer Fraktion führen sie immer wieder an. Sie haben ber nicht die bitteren Erfahrungen mit Steuersenkungen emacht wie wir Steuerpolitiker. Wir haben das an andeer Stelle bereits erlebt. In den letzten Jahren haben wir doch sehr deutlich erahren, dass Steuersenkungen, die wir als Vorleistung erracht haben, nicht automatisch eine Preissenkung für ie Verbraucherinnen und Verbraucher nach sich gezoen haben. Sie können auch in diesem Fall nicht sichertellen, dass die Umsatzsteuerersparnis in Milliardenöhe durch die Anwendung des ermäßigten ehrwertsteuersatzes tatsächlich an die Krankenkassen nd Patienten weitergegeben wird. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Das habe ich auch gar nicht gesagt!)


Dieser Antrag würde lediglich ein Loch in Milliar-
enhöhe produzieren, das auf andere Weise wieder ge-
topft werden müsste. Die sozialpolitische Komponente
rreicht nicht diejenigen, für die sie gedacht ist. Sie he-
en doch die gleichen Zweifel. Das machen Sie in Ihrem
ntrag deutlich. Sie fordern nämlich gleichzeitig die
enkung der Zuzahlungspauschale für apothekenpflich-

ige Arzneimittel. Was ist denn das für eine Milchmäd-
henrechnung? Die Senkung der jeweiligen Zuzahlungs-
auschalen um den durch die Mehrwertsteuerersparnis
rzielten Einsparbetrag, also mehrere Milliarden Euro,
st eine Mindereinnahme bei den Krankenkassen, die
eilweise durch die Hoffnung aufgefangen werden soll,
ass Medikamente tatsächlich billiger werden könnten,
enn der Staat auf seine Einnahmen verzichtet. Aber wir
aben das Geld nicht mehr. Statt eines Gegenfinanzie-
ungsvorschlags, wie sich das gehören würde, legen Sie
lso noch Milliardenabgaben für die Versicherten oben
rauf. Ich halte das für eine unverantwortliche Politik.
ie von Ihnen gewünschte sozialpolitische Komponente
ird einfach der nächsten Generation in die Schuhe ge-

choben.


(Zuruf der Abg. Dr. Barbara Höll [DIE LINKE])


o einfach ist das für Sie. Das hat mit sozialer Gerech-
igkeit überhaupt nichts zu tun.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir, Herr Wissing, haben vor drei Jahren einen sehr
chmerzhaften Diskurs mit vielen Betroffenen geführt,
nd zwar mit dem umgekehrten Ziel, nämlich die beste-
enden Mehrwertsteuerermäßigungen auf Lebensmittel
da wäre die Gänsestopfleber dabei; darüber müssen
ir uns noch einmal gesondert unterhalten –


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Das ist eine sehr gute Idee!)

)






(A) )



(B) )


Lydia Westrich
und Kultur- und Druckerzeugnisse zu beschränken und
die anderen auf den Normalsatz anzuheben. Das war
eine sehr schmerzhafte Diskussion und Ihre Partei hat
gut daran mitgewirkt, dass sie so schmerzhaft abgelau-
fen ist. Das Vorhaben ist, wie Sie wissen, im Bundesrat
gescheitert. Trotzdem halte ich diesen Weg, die Steuer-
basis für die öffentlichen Ausgaben besser zu sichern,
immer noch für den richtigen. Wenn Sie dabei mithelfen,
können wir gemeinsam einiges bewegen.


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Wenn Sie etwas Gescheites machen, machen wir immer mit! Das wissen Sie!)


– Das ist schön.

1968 wurde die Gesamtkonzeption für die Besteue-
rung der Umsätze im Gesundheitswesen mit Einfüh-
rung der Mehrwertsteuer entwickelt. Dem gingen lang-
wierige Beratungen voraus und insgesamt hat sich dieses
Konzept bewährt. Sie wissen, dass es umfassende um-
satzsteuerliche Begünstigungen gibt, die Sozialversiche-
rungsträgern und Bürgerinnen und Bürgern gleicherma-
ßen zugute kommen. Die Heilberufe und die
Krankenhäuser sind von der Umsatzsteuer befreit. Wir
haben einen ermäßigten Steuersatz für orthopädische
Hilfs- und Fortbewegungsmittel sowie für zahn- und kie-
ferorthopädische Leistungen. Die einheitliche Besteue-
rung der Arzneimittelumsätze zum allgemeinen Umsatz-
steuersatz ist schon zum damaligen Zeitpunkt eingeführt
worden und hat sich seit Jahren eingespielt.

Die zurzeit weit überdurchschnittlichen jährlichen
Ausgabenzuwächse bei den gesetzlichen und privaten
Krankenkassen für die Arzneimittelversorgung haben
mit der Umsatzbesteuerung überhaupt nichts zu tun.


(Zuruf der Abg. Dr. Barbara Höll [DIE LINKE])


Uns allen ist klar, dass wir diese Ausgabenzuwächse
wirksam und langfristig begrenzen müssen. Das kann
aber nicht heißen, dass die öffentlichen Kassen von
Bund, Ländern und Gemeinden auf Milliarden von Euro
verzichten, nur in der Hoffnung, dass dann die Medika-
mente ein bisschen billiger werden könnten. Denn ga-
rantieren können Sie das nicht.

Die Fehlentwicklung der immensen Ausgabenzu-
wächse müssen wir durch Gesetzesänderungen im Be-
reich des Gesundheitsministeriums angehen. Sie selbst
mahnen ja in Ihrem Antrag eine grundsätzliche, dauer-
hafte Reform des Gesundheitswesens an. Wir in der
Koalition werden sie in Kürze nach intensiven Beratun-
gen durchführen. Sie sind gerne eingeladen, Ihre Vor-
schläge dazu einzubringen, allerdings ohne vorher groß-
zügige Steuergeschenke an alle zu verteilen und unsere
finanziellen Möglichkeiten schon im Voraus auszu-
schöpfen. Sie wissen, dass wir große Aufgaben zu be-
wältigen haben. Sie wissen, dass an einer Haushaltskon-
solidierung überhaupt kein Weg vorbeiführt.


(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Sozial gerecht! Darauf warten wir noch!)


Ich glaube, dass ich für die meisten Mitglieder der
Koalition in Anspruch nehmen kann, dass die geplante

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(C (D rhöhung der Mehrwertsteuer nicht leichten Herzens bechlossen worden ist. (Dr. Volker Wissing [FDP]: Dann sagen Sie es doch!)


ir haben uns dazu durchgerungen, um die Tragfähig-
eit der öffentlichen Finanzen sicherzustellen. Das mag
hnen, Herr Wissing, vielleicht nicht so wichtig sein.
ns ist es aber wichtig, weil wir eingesehen haben, dass

elbst ein moderater Ausgabenkurs nicht ausreicht, um
ie Lücken der öffentlichen Haushalte zu schließen. Die-
er Verantwortung für die Zukunft stellen wir uns in der
oalition. Wenn Sie sich, Herr Wissing, davon aus-

chließen, dann muss ich ehrlich sagen, dass ich daran
weifle, dass Sie den richtigen Beruf gewählt haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Dr. Volker Wissing [FDP])


Die Leichtigkeit, mit der Sie von der Fraktion Die
inke in Ihren Anträgen zusätzliche Milliarden Euro
erteilen wollen, können und wollen wir uns als Koali-
ion wirklich nicht leisten, also auch nicht die ermäßigte
msatzsteuerbelastung für Arzneimittel mit eventuellen
illiardengeschenken für Arzneimittelhersteller, wie Sie

on der Linken es wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir lehnen Ihren Antrag auf jeden Fall ab. Ausgeben
st immer leichter als reales Sparen. Aber ich wäre froh,
enn wir zusammenarbeiten könnten, um in Brüssel
hier haben Sie Recht, Herr Wissing – ein besseres Um-

atzsteuerkonzept durchsetzen zu können. Das wäre eine
roße Aufgabe, der wir uns alle stellen sollten.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603528900

Das Wort hat der Kollege Harald Terpe, Bündnis 90/

ie Grünen.


Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603529000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

erren! Wir führen diese Diskussion vor dem Hinter-
rund der durch die große Koalition organisierten neuer-
ichen Defizite bei der Finanzierung des Gesundheits-
esens zulasten der Bürgerinnen und Bürger. Ich
erweise auf die beabsichtigte Mehrwertsteuererhöhung
nd auf die dadurch forcierte Steigerung der Arzneimit-
elausgaben. Sie sollten auf die Mehrwertsteuererhöhung
erzichten, meine Damen und Herren von der großen
oalition.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Des Weiteren nenne ich die Beseitigung des Steuerzu-
chusses für versicherungsfremde Leistungen in Höhe
on 4,2 Milliarden Euro zulasten der GKV. Das ist ein
eutlicher Rückschritt auf dem Weg zur Steuerfinanzie-
ung, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Ihr
roßkoalitionäres Konklave zur Gesundheitsreform nur
chwarzen Rauch produziert.






(A) )



(B) )


Dr. Harald Terpe
Vor diesem Hintergrund kommt der vorliegende An-
trag der Linken scheinbar sympathisch daher. Er sugge-
riert uns eine wirksame Lösung. Aber wie so oft liegt der
Teufel im Detail und damit bei Ihnen, meine Damen und
Herren von der Linksfraktion.

Lassen Sie mich das kurz begründen:

Erstens. Eine gravierende Umsatzsteuersenkung in ei-
nem Land wie Deutschland mit freier Preisbildung
schafft Spielräume für Preiserhöhungen bei Arzneimit-
teln durch die Pharmaindustrie, wovor auch das AVWG
allenfalls zwei Jahre lang teilweise schützt, insbesondere
deshalb, weil Sie es auf apothekenpflichtige Arzneimit-
tel ausgedehnt haben. Deswegen wundert es mich per-
sönlich gar nicht, dass ich vonseiten der Pharmaindustrie
und der Apothekerverbände Ihrem Antrag gegenüber in
den vergangenen Tagen nur Wohlwollen vernommen
habe.


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Was soll das denn heißen? Mögen Sie die etwa nicht?)


Das Phänomen der Preissteigerungen lässt sich in den
in der Begründung Ihres Antrags genannten Ländern
– Ländern mit niedrigen Umsatzsteuern – nachweisen.
In Großbritannien zum Beispiel ist zu beobachten, dass
die Einkaufspreise von Arzneimitteln wesentlich höher
sind als in Deutschland, dass also der Gewinn der Phar-
mafirmen wesentlich größer ist als hierzulande.

Zweitens. Vielleicht unbedacht, vielleicht aber auch,
um zu verschleiern, dass Ihr Antrag krankenkassenzen-
triert ist – wenn man berücksichtigt, wer diesen Antrag
eingebracht hat, wäre auch das nicht verwunderlich –,
behaupten Sie, die erhofften Einsparungen in voller
Höhe an die Kranken weiterzugeben. Dabei übersehen
Sie aber zweierlei: zum einen, dass von dem Einsparbe-
trag, den Sie genannt haben, gerade die Bezieher höherer
Einkommen profitieren, zum anderen, dass die durch die
Einsparbeträge reduzierten Einnahmen der Krankenkas-
sen von allen aufgebracht werden müssen, egal ob arm
oder nicht arm.

Drittens. Ihr Antrag würde zu Steuerausfällen in Mil-
liardenhöhe führen, ohne dass Sie einen konkreten Vor-
schlag zur Gegenfinanzierung unterbreiten.

Nun nehme ich noch den Gedanken meiner Vorredne-
rin von der SPD auf: Es ist eher zu fragen, ob man Steu-
ersenkungstatbestände abschafft. Das habe ich jetzt al-
lerdings nicht einfach nachgeplappert. Die Fraktion der
Grünen im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat da-
rüber bereits Ende letzten Jahres diskutiert und einen
entsprechenden Antrag erarbeitet. Es ist also an der Ta-
gesordnung, darüber nachzudenken, ob reduzierte Steu-
ersätze beispielsweise für Schnittblumen und Hunde-
und Katzenfutter sinnvoll sind.


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Sie sind also auch für Steuererhöhungen! Aha!)


Außerdem sei dahingestellt, ob das Ihre Genossen in den
ostdeutschen Ländern, in denen Sie parlamentarisch ver-
treten sind oder mit regieren, erfreuen würde.

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(C (D Alles in allem bedeutet der Antrag der Linksfraktion ine potenzielle Umverteilung von Steuergeldern zuunsten der Pharmaindustrie und gut Verdienender; ween dieser Ungerechtigkeit kann er von der Fraktion des ündnisses 90/Die Grünen nur abgelehnt werden. Herr Kollege Terpe, das war Ihre erste Rede im Deut chen Bundestag. Dazu gratuliert Ihnen das ganze Haus nd wir wünschen Ihnen viel Erfolg. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf rucksache 16/732 an die in der Tagesordnung aufge ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie sind damit einerstanden? – Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze – Drucksache 16/887 – Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Hierfür wäre eigentlich eine Redezeit von einer halen Stunde vorgesehen. Zu Protokoll gegeben haben ihre eden der Kollege Norbert Geis, CDU/CSU-Fraktion, er Kollege Dirk Manzewski, SPD-Fraktion, Kollegin echthild Dyckmans, FDP-Fraktion, der Kollege r. Ilja Seifert, Die Linke, der Kollege Peter Hettlich, ündnis 90/Die Grünen, und für die Bundesregierung er Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach1)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603529100

(Beifall)

amit schließe ich die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwur-
es auf Drucksache 16/887 an die in der Tagesordnung
ufgeführten Ausschüsse sowie an den Ausschuss für
rnährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vor-
eschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? –
as ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so be-

chlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (19. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Thilo
Hoppe, Ute Koczy, Hans-Josef Fell, weiterer

Anlage 3






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN

Mit der strategischen Partnerschaft zwi-
schen der Europäischen Union und Latein-
amerika Ernst machen und deutsches En-
gagement ausbauen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Heike
Hänsel, Dr. Diether Dehm, Wolfgang
Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der LINKEN

Die Beziehungen zwischen EU und Latein-
amerika solidarisch gestalten – Kein Frei-
handelsabkommen EU-Mercosur

– Drucksachen 16/941, 16/1126, 16/1441 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Thilo Hoppe
Anette Hübinger
Dr. Sascha Raabe
Dr. Karl Addicks
Heike Hänsel

Hierfür war ebenfalls eine Aussprache von einer hal-
ben Stunde vorgesehen. Zu Protokoll gegeben haben ihre
Reden die Kollegin Anette Hübinger, CDU/CSU-Frak-
tion, die Kollegen Lothar Mark und Sascha Raabe, SPD-
Fraktion, der Kollege Karl Addicks, FDP-Fraktion, der
Kollege Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke, und der
Kollege Thilo Hoppe, Bündnis 90/Die Grünen1).

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung auf Drucksache 16/1441 zu dem Antrag der
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel
„Mit der strategischen Partnerschaft zwischen der Euro-
päischen Union und Lateinamerika Ernst machen und
deutsches Engagement ausbauen“. Der Ausschuss emp-
fiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung, den An-
trag auf Drucksache 16/941 abzulehnen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Ent-
haltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der
FDP und der Linksfraktion gegen die Stimmen von
Bündnis 90/Die Grünen angenommen.


(Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Es war die Beschlussempfehlung, ihr habt dafür gestimmt!)


– Sie haben für den Antrag gestimmt, aber gegen die Be-
schlussempfehlung; es ist schon alles richtig. Alles ist
richtig, alles wird gut.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 16/1126 mit dem Titel „Die
Beziehungen zwischen EU und Lateinamerika solida-
risch gestalten – Kein Freihandelsabkommen EU-Mer-

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1) Anlage 4
2)

3)

(C (D osur“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – egenstimmen? – Enthaltungen? – Diese Beschluss mpfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Kolition und der FDP bei Gegenstimmen der Linksfrakion und Enthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die rünen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung – Drucksache 16/886 – Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Hierfür war ebenfalls eine Aussprache von einer halen Stunde vorgesehen. Zu Protokoll gegeben haben ihre eden der Kollege Dr. Günter Krings, CDU/CSU-Frak ion, der Kollege Dirk Manzewski, SPD-Fraktion, die ollegin Mechthild Dyckmans, FDP-Fraktion, der Kol ege Wolfgang Nešković, Fraktion Die Linke, der Kolege Jerzy Montag, Bündnis 90/Die Grünen, und für die undesregierung der Parlamentarische Staatssekretär lfred Hartenbach2)


Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
urfs auf Drucksache 16/886 an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Dazu
ibt es offensichtlich keine anderen Vorschläge. Dann ist
ie Überweisung so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald
Leibrecht, Dr. Karl Addicks, Jens Ackermann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Für einen Beobachterstatus Taiwans bei der
Weltgesundheitsversammlung
– Drucksache 16/968 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Ausschuss für Gesundheit

Hier wäre ebenfalls eine halbe Stunde Aussprache
orgesehen. Zu Protokoll gegeben haben ihre Reden der
ollege Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, CDU/
SU-Fraktion, der Kollege Detlef Dzembritzki, SPD-
raktion, der Kollege Harald Leibrecht, FDP-Fraktion,
ie Kollegin Monika Knoche, Fraktion Die Linke, und
er Kollege Jürgen Trittin, Fraktion Bündnis 90/Die
rünen.3)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/968 an die in der Tagesordnung aufge-

ührten Ausschüsse vorgeschlagen. – Damit sind Sie
benfalls einverstanden. Die Überweisung ist damit so
eschlossen.

Anlage 5
Anlage 6






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Ich rufe Zusatzpunkt 8 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Er-
richtung einer Bundesanstalt für den Digital-
funk der Behörden und Organisationen mit

(BDBOS-Gesetz – BDBOSG)


– Drucksache 16/1364 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO

Hier wäre wiederum eine halbe Stunde Aussprache
vorgesehen. Zu Protokoll gegeben haben ihre Reden der
Kollege Ralf Göbel, CDU/CSU-Fraktion, der Kollege
Gerold Reichenbach, SPD-Fraktion, Hartfrid Wolff,
FDP-Fraktion, Ulla Jelpke, Fraktion Die Linke, und
Silke Stokar, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.1)

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 16/1364 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Auch
hierzu gibt es keine weiteren Vorschläge. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried
Hermann, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Fördergesetz für Dieselrußpartikelfilter bald-
möglichst vorlegen

– Drucksache 16/946 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Gesundheit
Haushaltsausschuss
Federführung strittig

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Dazu höre
ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort dem
Kollegen Winfried Hermann, Bündnis 90/Die Grünen.


Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603529200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich habe soeben erfahren, dass ich der einzige
Redner zu diesem Tagesordnungspunkt bin. So habe ich
die Chance, Sie gnadenlos zu beschimpfen; denn Sie
können sich nicht mehr dagegen wehren. Vielen Dank.


(Heiterkeit)


– Natürlich wird es nicht ganz so schlimm für Sie wer-
den, aber ich kann dieses Thema nicht totschweigen,

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1) Anlage 7

(C (D uch dann nicht, wenn alle anderen ihre Reden zu dieem Punkt zu Protokoll gegeben haben. Wenn man sich in den Zeitungen und auf der Interneteite des Umweltbundesamtes die Werte für die Feintaubbelastung ansieht, dann muss man feststellen, dass n der Bundesrepublik in zahlreichen Städten – nicht nur n Großstädten –, in Ballungsräumen und überall dort, o viel Verkehr ist, vermutlich schon zur ersten Jahresälfte die Grenzwerte erreicht sein werden, die höchsens am Ende des Jahres hätten erreicht werden dürfen. ir erleben in Deutschland also, dass deutsches und euopäisches Recht nicht eingehalten werden. Das kann so icht weitergehen, zumal wir alle wissen – das wissen ie von der SPD-Fraktion genauso wie Sie von der DU/CSU-Fraktion –, dass die Belastung mit Feinstaub iel zu hoch ist und ein hohes Risiko für die Gesundheit arstellt. Wir müssen alles tun, um diese Werte zu senen. Lange waren die Länder und die Kommunen untätig. as hat sich inzwischen geändert. Überall werden nstrengungen unternommen, zum Teil werden Straen komplett, zum Teil werden Ortsdurchfahrten auch ur für LKW gesperrt. Die Kommunen bemühen sich. rotzdem sinken die Werte nicht. Warum ist das so? Insesamt ist die Belastung in Ballungsräumen aufgrund es hohen Verkehrsaufkommens und aufgrund der vielen ieselfahrzeuge ohne Filter zu hoch. Es ist also ange agt, dringend zu handeln und nicht abzuwarten. Ich will kurz daran erinnern, wie lange wir uns schon amit beschäftigen: Dieses Parlament hat 2002 beschlosen, die neuen Grenzwerte einzuführen. Diese gelten seit 005. Wir haben seit 2004 einen Bundestagsbeschluss, ier etwas zu tun. 2005 hat das Kabinett beschlossen, ein ördergesetz zur Einführung des Dieselrußfilters vorzu egen. Inzwischen ist die große Koalition im achten Moat und noch nicht einmal schwanger mit einem solchen esetz. Es ist wirklich zum Mäusemelken. Es ist nicht achzuvollziehen, dass nichts geschieht, obwohl alle issen, dass bei der Nachrüstung von Dieselfahrzeuen, vor allem von Euro-3und Euro-4-Fahrzeugen, die ür die Masse der Belastung verantwortlich sind, etwas etan werden muss. Neufahrzeuge werden – das wissen wir – inzwischen ufgrund von Konsumentenverantwortung überwiegend it Filtern gekauft. Aber bei den Altfahrzeugen brau hen wir dringend einen Schub. Wir haben dazu einen orschlag gemacht. Er ist in unserem Antrag skizziert. ch will ihn angesichts der späten Stunde nur knapp umeißen. Wir wollen, dass rasch, nämlich noch in diesem Jahr, um 1. Juli, ein Fördergesetz eingeführt wird. Vor allen ingen sollen Fahrzeuge mit Vollfilter gefördert werden, nd zwar mit 600 Euro. Eine Teilfilterlösung soll nur mit 50 Euro gefördert werden. Warum? Es macht keinen inn, Dieselrußfilter, die nur eine Wirksamkeit von 0 bis 40 Prozent haben, so stark wie voll wirksame, geegelte Filter zu fördern. Die Experten werden dem zutimmen. Winfried Hermann Ich weiß, dass man im Umweltministerium brütet. Ich weiß, dass man es im Finanzministerium aufhält. (Karl Diller, Parl. Staatssekretär: Nein! Falsch!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )


Aber Sie werden das Thema nicht aufhalten können. Sie
müssen eine Lösung finden. Sie sollten eine differen-
zierte Lösung finden, die gute Filter stärker fördert als
weniger gute Filter.

Wir meinen, dass die Regelung durchaus aufkom-
mensneutral sein sollte. Wer zukünftig mit einem Diesel-
fahrzeug ohne Rußfilter fährt, der soll mehr Steuern zah-
len. Damit kann die Förderung mitfinanziert werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren von der großen Koalition,
es ist an der Zeit, zu handeln, jetzt und hier einen Ge-
setzentwurf zur Förderung der Nachrüstung von Diesel-
fahrzeugen vorzulegen. Warten Sie nicht noch länger!
Sonst bestätigen Sie endgültig das Urteil, dass große Ko-
alitionen nicht nur wenig hervorbringen, sondern dass
das Wenige auch noch ziemlich langsam daherkommt.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603529300

Ihre Reden zu Protokoll gegeben haben der Kollege

Jens Koeppen, CDU/CSU-Fraktion, der Kollege Mi-
chael Kauch, FDP-Fraktion, die Kollegin Gabriele Fre-
chen, SPD-Fraktion, und der Kollege Lutz Heilmann,
Fraktion Die Linke.1)

Damit schließe ich die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/946 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist
allerdings strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und der
SPD wünschen Federführung beim Finanzausschuss,
hingegen die Fraktionen der FDP, der Linken und des
Bündnisses 90/Die Grünen beim Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit.

Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag der
Oppositionsfraktionen abstimmen: Federführung beim
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? –
Dagegen? – Enthaltungen? – Dieser Überweisungsvor-
schlag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der Opposition abgelehnt.

Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der
Fraktionen der CDU/CSU und der SPD abstimmen: Fe-
derführung beim Finanzausschuss. Wer stimmt für die-
sen Überweisungsvorschlag? – Gegenstimmen? – Ent-
haltungen? – Dieser Vorschlag ist mit den Stimmen der
Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenom-
men.

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s1) Anlage 8

(C (D Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 21 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter, Ulrike Höfken, weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Fahrgastrechte – Drucksache 16/1146 – Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Federführung strittig Hier ist interfraktionell eine halbe Stunde Aussprache orgesehen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege r. Anton Hofreiter, Bündnis 90/Die Grünen. (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Ach nein! – Gegenruf der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind alle betroffen! Jeder fährt mit der Bahn! Hört einmal zu!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Fahrgäste wollen sicher und pünktlich beför-
ert und vernünftig informiert werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ahezu 50 Prozent der Bevölkerung haben keinen regel-
äßigen Zugang zu einem PKW. Sie sind auf öffentliche
erkehrsmittel angewiesen. Was geschieht, wenn diese
nternehmen, aus welchen Gründen auch immer, kein
ernünftiges Produkt anbieten, das heißt den Fahrgast
icht pünktlich befördern und unter Umständen nicht
inmal vernünftig über die Verzögerung informieren?

In nahezu allen Fällen hat man als Kunde bestimmte
echte. Wenn man eine Waschmaschine kauft, wenn
an irgendeine Dienstleistung in Anspruch nimmt und

ann irgendetwas schief geht, hat man Rechte. Nur der
ahrgast hat bei Verspätungen keinerlei Rechte. Dies
ollen wir ändern. Deshalb haben wir diesen Gesetzent-
urf eingebracht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen die Regeln des Bürgerlichen Gesetzbu-
hes – eigentlich eine Selbstverständlichkeit – auch für
ahrgäste in Kraft setzen. Gleiche Kundenrechte für
lle! Wir erreichen damit, dass die Unternehmen pünktli-
her werden, dass die Fahrgäste informiert und, falls et-
as schief geht, entschädigt werden.

Die DB AG schreit immer herum, die Fahrpreise
ürden gigantisch ansteigen, wenn es zu einer solchen
egelung käme; all das bringe nichts und führe eher zu
achteilen für die Kunden. Die Erfahrungen aus dem
usland, zum Beispiel aus den Niederlanden, mit ent-

prechenden Maßnahmen haben ganz klar gezeigt:






(A) (C)

Dr. Anton Hofreiter

Weder steigen die Fahrpreise erheblich an noch kommt
es zu anderen Problemen. Im Gegenteil: In Holland
zeigte sich, dass die Bahnen sogar pünktlicher wurden.
Das heißt: Fahrgastrechte sind ein Gewinn für alle, für
die Fahrgäste, aber auch für die Unternehmen; denn zu-
friedene Kunden kommen wieder.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir alle kennen die Probleme, die es immer wieder
mit der DB AG und anderen Unternehmen gibt. Deshalb
kann ich nur dazu auffordern, nach den Beratungen un-
serem Gesetzentwurf zuzustimmen. Er ist ein Gewinn
für alle, für Unternehmer und Kunden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1603529400

Ihre Reden zu Protokoll gegeben haben der Kollege

Marco Wanderwitz, CDU/CSU-Fraktion, der Kollege
Hans-Michael Goldmann, FDP-Fraktion, Marianne
Schieder, SPD-Fraktion, Heidrun Bluhm, Fraktion Die
Linke, und die Kollegin Rita Schwarzelühr-Sutter, SPD-
Fraktion.1) Damit schließe ich die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 16/1146 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Hierbei
ist die Federführung ebenfalls strittig. Die Fraktionen
der CDU/CSU, der SPD und der FDP wünschen die Fe-

derführung beim Rechtsausschuss. Die Fraktionen Die
Linke und Bündnis 90/Die Grünen hingegen möchten
die Federführung beim Ausschuss für Ernährung, Land-
wirtschaft und Verbraucherschutz sehen.

Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag der
Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen
abstimmen, der eine Federführung beim Verbraucher-
schutzausschuss vorsieht. Wer stimmt für diesen Über-
weisungsvorschlag? – Dagegen? – Enthaltungen? – Damit
ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Ko-
alition gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt.

Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der
Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP, der
eine Federführung beim Rechtsausschuss vorsieht, ab-
stimmen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvor-
schlag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit
ist dieser Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der
Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenom-
men.

Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Freitag, den 19. Mai 2006, 8 Uhr, ein.

Genießen Sie die gewonnenen Einsichten! Haben Sie
einen schönen Abend!

Die Sitzung ist geschlossen.