1) Anlage 9
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        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3029
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        (B) )
        ** für die Teilnahme an der 114. Jahreskonferenz der Interparlamenta-
        rischen Union Teil tatsächlich so wenig Eigenkapital, dass Banken aus
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm-
        lung des Europarates
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        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Dzembritzki, Detlef SPD 11.05.2006*
        Ernst, Klaus DIE LINKE 11.05.2006
        Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 11.05.2006**
        Gabriel, Sigmar SPD 11.05.2006
        Griefahn, Monika SPD 11.05.2006**
        Dr. Hendricks, Barbara SPD 11.05.2006
        Heynemann, Bernd CDU/CSU 11.05.2006*
        Hilsberg, Stephan SPD 11.05.2006
        Jung (Konstanz),
        Andreas
        CDU/CSU 11.05.2006
        Kelber, Ulrich SPD 11.05.2006
        Krüger-Leißner,
        Angelika
        SPD 11.05.2006**
        Lafontaine, Oskar DIE LINKE 11.05.2006
        Laurischk, Sibylle FDP 11.05.2006
        Lintner, Eduard CDU/CSU 11.05.2006*
        Dr. Lippold, Klaus W. CDU/CSU 11.05.2006
        Menzner, Dorothee DIE LINKE 11.05.2006
        Nahles, Andrea SPD 11.05.2006
        Otto (Frankfurt), Hans-
        Joachim
        FDP 11.05.2006
        Raidel, Hans CDU/CSU 11.05.2006**
        Ramelow, Bodo DIE LINKE 11.05.2006**
        Schily, Otto SPD 11.05.2006
        Schmidt (Nürnberg),
        Renate
        SPD 11.05.2006
        Stiegler, Ludwig SPD 11.05.2006
        Thönnes, Franz SPD 11.05.2006
        Dr. Wiefelspütz, Dieter SPD 11.05.2006
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        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        nlage 2
        Zu Protokoll gegebene Rede
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie
        und der neu gefassten Kapitaladäquanzricht-
        linie (Tagesordnungspunkt 11)
        Axel Troost (DIE LINKE): Ich weiß nicht – viel-
        eicht geht es einigen von Ihnen wie mir: Nach Diskus-
        ionen zum Thema „Basel II“ bin ich immer etwas rat-
        os. Einerseits: In den jahrelangen Diskussionen über
        Basel II“ wurden tatsächlich Verbesserungen in unse-
        em Sinne durchgesetzt, zum Beispiel für Kredite an
        leine und mittelständische Unternehmen, zum Beispiel
        ür Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Ohne Zwei-
        el: Im Vergleich mit dem, was uns in der 14. Legislatur-
        eriode vorlag, ist der aktuelle Gesetzentwurf eine Ver-
        esserung. Nicht zuletzt ein Erfolg der Zusammenarbeit
        amals zwischen allen Fraktionen in diesem Hause,
        öchte ich anfügen.
        Andererseits aber: Aus vielen Gesprächen mit kleinen
        nd mittelständischen Unternehmen – ich arbeite ja auch
        ls Berater für Betriebsräte in diesem Bereich – weiß
        ch, dass dort immer noch Klagen kommen: Mein Kredit
        ird teurer, wegen „Basel II“, sagt meine Bank. Oder:
        ch kriege gar keinen Kredit mehr, wegen „Basel II“,
        agt meine Bank.
        Wie passt das zusammen?
        Die erste Möglichkeit: Ich persönlich werde den Ver-
        acht nicht los: Einige Banken nehmen „Basel II“
        chlicht und einfach als Vorwand, um ihre Margen zu er-
        öhen. Ich sage bewusst: einige Banken, nicht alle. Aber
        as, was einige Banken machen, wäre dann schon ein
        unfreundlicher Akt“.
        Wir hier im Parlament arbeiten kiloweise Papier
        urch (allein über 2 Kilo „Solvabilitätsverordnung“ in-
        lusive Anhängen, ich habe es nachgewogen). Wir ler-
        en, was eine „Risikogewichtungsfunktion“ ist und was
        ich hinter einem „Expected Loss“ verbirgt. Wir haben
        in der 14. Legislatur – seitenweise interfraktionelle
        nträge geschrieben. Und am Ende haben wir sogar tat-
        ächlich Verbesserungen durchgesetzt – aber nun müs-
        en wir feststellen: Die kommen einfach nicht bei den
        nternehmen an, zumindest nicht eins zu eins.
        Wenn das so ist, dann müssen wir das auch so sagen.
        ann müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern sagen:
        icht „die Politik“ hat mal wieder Unsinn beschlossen,
        ein. Was wir beschlossen haben, geht in die richtige
        ichtung. Wir scheitern aber an der Marktmacht einiger
        anken. Wir haben die Rechnung ohne den Wirt ge-
        acht. Das ist dann die Wahrheit und das sollten wir
        uch so sagen.
        Die zweite Möglichkeit, wie das zusammenpasst:
        leine und mittelständische Unternehmen haben zum
        3030 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
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        internen Risikokalkülen – aus völlig nachvollziehbaren
        internen Risikokalkülen – ihnen keine Kredite oder nur
        sehr teure Kredite geben. Dann aber haben die Klagen
        der Unternehmen nichts – oder wenig – mit „Basel II“ zu
        tun, sondern mit ich sage noch einmal: völlig nachvoll-
        ziehbaren – Risikokalkülen der Banken. Wenn das so ist,
        dann muss die Politik hier handeln. Dann müssen wir die
        Instrumente der staatlichen Förderbanken auch darauf
        ausrichten, dass dieses Problem angegangen wird. Und
        genau dies ist ja im Koalitionsvertrag auch versprochen
        worden.
        Solche angebotsorientierten Maßnahmen machen al-
        lerdings nur dann Sinn, wenn Sie endlich auf eine expan-
        sive Finanzpolitik zur Stärkung der Binnennachfrage
        umschalten würden. Aber dies ist ja leider nicht zu er-
        warten.
        Lassen Sie mich zu einem anderen Aspekt kommen.
        „Basel II“ ist ja nicht nur für kleine und mittelständische
        Unternehmen relevant. „Basel II“ ist wichtiger Baustein
        zur Regulierung der internationalen Finanzmärkte. Und
        damit zeigt „Basel II“ auch: Internationale Finanzmärkte
        sind grundsätzlich regulierbar. Auch auf den internatio-
        nalen Finanzmärkten gibt es Akteure, denen Staaten
        Spielregeln vorschreiben können. Es muss nur der politi-
        sche Wille da sein. Und: Die wirtschaftlich mächtigsten
        Staaten müssen gemeinsam handeln. Also: Das Gerede
        von den internationalen Finanzmärkten, denen wir alle
        hoffnungslos ausgeliefert sind, kann so nicht ganz stim-
        men.
        Natürlich: Wir müssen genau hinschauen. Wir müs-
        sen fragen: Wie soll da eigentlich was geregelt werden?
        Wie will „Basel II“ das Ziel erreichen, Finanzkrisen zu
        vermeiden? Wurde dafür wirklich alles getan? Und da
        habe ich im Detail doch noch Zweifel.
        „Basel II“ wäre die Möglichkeit gewesen, bestimmte
        Geschäfte für Banken teurer zu machen. Und ich sage:
        vielleicht auch so teuer zu machen, dass sie sich einfach
        nicht mehr lohnen. Was ist zum Beispiel mit Krediten,
        die Spekulation finanzieren? Oder was ist mit Derivaten,
        die kein realwirtschaftliches Geschäft absichern? Das
        sind doch die Geschäfte, die systemweite Bankenkrisen
        auslösen. Und genau diese Geschäfte hätte „Basel II“
        teurer machen können. Und zwar viel teurer. Und zwar
        weltweit.
        Natürlich: „Basel II“ bringt in einigen Bereichen der
        Bankenaufsicht Verbesserungen. Aber: Es wäre mehr
        drin gewesen – wenn der politische Wille stark genug
        gewesen wäre.
        Anlage 3
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gestzes zur
        Änderung des Wohnungseigentumgesetzes und
        anderer Gesetze (Tagesordnungspunkt 17)
        Norbert Geis (CDU/CSU): Die Koalition hat sich in
        ihrem umfangreichen Koalitionsvertrag unter anderem
        vorgenommen, das Wohnungseigentumsgesetz zu refor-
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        ieren. Inzwischen liegt der Gesetzentwurf vor. Zu
        nfang werden die drei wichtigsten Ziele des Reform-
        orhabens aufgezählt: Die Willensbildung der Woh-
        ungseigentümer soll erleichtert werden, die Verfahrens-
        rdnung und der Instanzenzug sollen geändert und die
        tellung der Wohnungseigentümer gegenüber den Kre-
        itinstituten bei der Geltendmachung von Hausgeldfor-
        erungen im Zwangsversteigerungsverfahren soll ver-
        essert werden.
        Zunächst ist jedoch ein Blick auf die Bedeutung des
        ohnungseigentums in unserem gesellschaftlichen und
        irtschaftlichen Leben zu richten; dies vor allem auch
        eshalb, weil die Rechtspolitik eine Querschnittsaufgabe
        at. Es ist immer auch notwendig, sich den Rahmen zu
        ergegenwärtigen, in welchem wir versuchen, eine be-
        timmte gesetzliche Regelung zu treffen.
        Für junge Familien und für die ganz überwiegende
        ehrheit derer, die zur Miete wohnen, ist der Erwerb ei-
        er Eigentumswohnung oder gar der Bau eines Hauses
        er größte Wunsch und zugleich auch die größte Investi-
        ion in ihrem Leben. Gerade für junge Familien ist die
        igene Wohnung oder das eigene Haus von unschätzba-
        em Wert. In diesen Wochen wird uns im Zusammen-
        ang mit der Einführung des Elterngeldes die drohende
        evölkerungskatastrophe vor Augen geführt. Trotz El-
        erngeldes aber werden wir nicht zu Familien mit mehr
        indern kommen, wenn wir nicht auch für ausreichen-
        en Wohnraum sorgen. In einer Dreizimmerwohnung
        it noch so guter Ausstattung lässt sich auf Dauer gese-
        en kein Vier- oder Fünfpersonenhaushalt unterbringen.
        ie Förderung von Wohneigentum hat deshalb vor allem
        uch eine große familienpolitische Bedeutung.
        Für den Kauf einer Eigentumswohnung oder für den
        au eines Eigenheimes ist viel Geld notwendig. Die
        ittel vor allem junger Familien reichen dafür meist
        icht aus. Deshalb geht es auch um die finanzielle Unter-
        tützung durch den Staat. Die Koalition will aus diesem
        rund KfW-Mittel locker machen. Ob dies in dem nöti-
        en Umfang gelingt, ist noch offen. Die Eigenheimzu-
        age und das Baukindergeld waren jedenfalls sehr gute
        nstrumente, um Wohnungseigentum zu fördern. Die
        treichung dieser Mittel war ein schwerer Fehler.
        Das selbst genutzte Wohnungseigentum hat jedoch
        uch im Alter große Bedeutung. Wohnungseigentum
        chützt vor Mieterhöhungen, vor Kündigungen und sons-
        gen Entscheidungen Dritter. Es gehört zu den sichersten
        ormen der Altersvorsorge. Sind die Hypotheken bezahlt,
        irkt kostenfreies Wohnen wie eine Rentenerhöhung. Die
        tatistik zeigt, dass Wohnungseigentümer über 800 Euro
        ehr im Monat verfügen können als Miethaushalte in der
        leichen Situation.
        Zugleich bedeutet das Wohnungseigentum auch eine
        ichere Vermögensanlage.
        Außerdem kurbelt die Nachfrage nach Wohnungs-
        igentum die Bautätigkeit und damit eine der wichtigs-
        en Schlüsselindustrien unseres Binnenmarktes an. So
        önnten die so dringend notwendigen Arbeitsplätze ge-
        chaffen werden.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3031
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        Aus all diesen Gründen ist die Förderung des Eigen-
        heimes nach wie vor eine wichtige Aufgabe der Politik.
        Das eigene Haus wie auch die Eigentumswohnung
        schaffen Sicherheit im Alter und geeigneten Wohnraum
        für junge Familien. Deutschland braucht mehr Woh-
        nungseigentum. Mit 41 Prozent haben wir den niedrigs-
        ten Stand in Europa.
        Dies ist in groben Skizzen der Rahmen, in dem der
        vorliegende Gesetzentwurf zu sehen ist. Der Entwurf
        versucht dem Anliegen, Wohnungseigentum zu fördern,
        gerecht zu werden.
        Es wird deutlich, dass durch die Novellierung die
        Stellung des Wohnungseigentümers, insbesondere des
        Eigentümers, der sein Wohnungseigentum selbst nutzt,
        gestärkt werden soll.
        Dies gilt für die Erleichterung der Willensbildung der
        Eigentümergemeinschaft. Die grundlegenden Regelun-
        gen für das gemeinschaftliche Zusammenleben der
        Wohnungseigentümer werden durch Vereinbarungen
        festgelegt, die meist schon in der so genannten „Gemein-
        schaftsordnung“ niedergelegt sind. Diese Vereinbarun-
        gen sind einstimmige Beschlüsse. Sie sind die Regel.
        Nur in Ausnahmefällen, wenn unter anderem das Gesetz
        es vorsieht, können Entscheidungen durch Mehrheitsbe-
        schlüsse herbeigeführt werden.
        Dies ist in vielen Fällen ein untragbarer Zustand, dann
        zum Beispiel, wenn wichtige Maßnahmen zu treffen
        sind, aber keine Einstimmigkeit zu erzielen ist. Deshalb
        erweitert der Gesetzesentwurf die Möglichkeit, solche
        Entscheidungen künftig auch ohne Einstimmigkeit, also
        mit Mehrheit, treffen zu können.
        Dann können die Wohnungseigentümer auf diese
        Weise unter bestimmten Voraussetzungen Modernisie-
        rungsmaßnahmen beschließen, auch wenn damit nicht
        alle Eigentümer einverstanden sind – § 16 IV WEG.
        Dies gilt auch für die nunmehr vorgesehene Möglich-
        keit, Veräußerungsbeschränkungen durch Mehrheitsbe-
        schluss aufzuheben und die entsprechende Eintragung
        im Grundbuch zu löschen. Dadurch ist es dem einzelnen
        Wohnungseigentümer eher möglich, sein dingliches Ei-
        gentum zu versilbern.
        Durch Mehrheitsbeschluss kann künftig auch unter
        bestimmten Voraussetzungen eine neue Verteilung der
        Betriebskosten erfolgen. Bislang war dies nur mit Ein-
        stimmigkeit zu erreichen. Auch dies ist zu begrüßen.
        Würde es in diesen Fällen bei der Notwendigkeit der
        Einstimmigkeit verbleiben, würde sich der, der durch die
        Neuverteilung belastet wird, immer dagegen wehren und
        es käme unter Umständen nicht zu einer gerechten Ver-
        teilung der Betriebskosten.
        In diesem Zusammenhang ist auch der im Entwurf
        vorgesehene Anspruch des Einzelnen auf Anpassung ei-
        ner Vereinbarung zu sehen. Mit gerichtlicher Hilfe soll
        er die Möglichkeit erhalten, eine Vereinbarung, durch
        die er in besonderer Weise ungerecht belastet wird, an
        eine gerechte Lösung anzupassen. Mit diesem neu vor-
        gesehenen Anpassungsanspruch können ungerechte Ver-
        hältnisse beseitigt werden. Die rechtlichen Verhältnisse
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        önnen so eher den tatsächlichen Verhältnissen ange-
        asst werden.
        Ferner ist vorgesehen, dass die jetzt notwendige Zu-
        timmung dinglich Berechtigter zu von der Eigentümer-
        emeinschaft getroffenen Vereinbarungen künftig in
        eitem Umfang entbehrlich ist.
        Insgesamt ist die Förderung von Mehrheitsentschei-
        ungen der Wohnungseigentümer sachgerecht, da hier-
        urch praktikable Lösungen für viele inzwischen in die
        ahre gekommene Wohnungseigentumsanlagen ermög-
        icht werden, bei denen bislang Modernisierungsgegner
        otwendige Maßnahmen mit juristischen Mitteln verzö-
        ert oder gar unmöglich gemacht haben. Natürlich gibt
        s gegen die Erweiterung der Mehrheitsentscheidung
        uch Bedenken. Alles in allem gesehen wird jedoch die
        tellung der Eigentümer gestärkt. Die begrüßen wir.
        Eine weitere wesentliche Änderung des WEG sieht
        er Entwurf insoweit vor, als das bisherige FGG-Verfah-
        en aufgegeben und die Regelungen der ZPO eingeführt
        erden sollen. Damit verbunden ist eine Änderung des
        nstanzenzuges: Erstinstanzlich ist das Amtsgericht, in
        weiter Instanz das Oberlandesgericht und letztinstanz-
        ich ist der Bundesgerichtshof zuständig. Um den BGH
        icht zu sehr zu belasten, soll die Nichtzulassungsbe-
        chwerde für eine Übergangszeit von fünf Jahren ausge-
        chlossen sein.
        Die Überführung der Wohnungseigentumsstreitigkei-
        en aus der freiwilligen Gerichtsbarkeit in das Verfahren
        ach der ZPO findet die uneingeschränkte Zustimmung
        er Länder. Kritisiert wird die Zuständigkeit der Ober-
        andesgerichte für die zweite Instanz. Der Entwurf hat
        ie zweitinstanzliche Zuständigkeit des Oberlandesge-
        ichtes deshalb gewählt, um schneller zu einer Verein-
        eitlichung der Rechtsprechung zu kommen. Dies ist ein
        uter Vorschlag.
        Für die Wohnungseigentümer stellen der Wegfall des
        GG-Verfahrens und der damit verbundene Wegfall des
        mtsermittlungsgrundsatzes zweifellos eine Erschwer-
        is dar, da sie jetzt gezwungen sind, ihre Rechte selbst
        u verfolgen. Es darf jedoch nicht übersehen werden,
        ass jetzt unter anderem auch die Möglichkeit besteht,
        in Versäumnisurteil zu erlassen. Das kann zu einer will-
        ommenen Beschleunigung des Verfahrens führen und
        edeutet deshalb eine Verbesserung der Stellung des Ei-
        entümers bei der Verfolgung seiner Rechte. Das Für
        nd Wider ist aber genau zu bedenken und abzuwägen.
        Auch die Detailregelungen, wie die Parteistellung im
        eschlussverfahren sinnvoll und wie die Beiladung zu
        estalten ist, bedürfen noch der näheren Prüfung.
        Zu begrüßen ist auch die vorgesehene Einführung ei-
        er Beschlusssammlung beim Verwalter. Wir halten es
        ür richtig, dass die Wirksamkeit bestimmter Beschlüsse
        icht von der Aufnahme in die Beschlusssammlung ab-
        ängig gemacht wird. Beschlüsse müssen also auch Gül-
        igkeit haben, wenn der Verwalter es versäumt hat, sie in
        ie Beschlusssammlung aufzunehmen. Es wäre auch
        alsch, das Grundbuch mit der Sammlung der Be-
        chlüsse zu belasten.
        3032 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
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        Durch eine Öffnungsklausel haben die Länder künftig
        die Möglichkeit, den Aufteilungsplan und die Abge-
        schlossenheitsbescheinigung statt von der Baubehörde
        auch von einem öffentlich bestellten und vereidigten
        Sachverständigen vornehmen zu lassen. Dies bedeutet
        eine Erleichterung für die Eigentümer. Darüber hinaus
        gibt es sogar den Vorschlag, auf die Abgeschlossenheits-
        bescheinigung gänzlich zu verzichten. In der Ausschuss-
        beratung werden wir darüber zu befinden haben.
        Schließlich ist die Stärkung der Wohnungseigentümer
        gegenüber Kreditinstituten bei der Geltendmachung von
        Hausgeldforderungen in der Zwangsversteigerung zu be-
        grüßen. Durch die Änderung der Rangklassen des § 10
        ZVG sollen die Wohnungseigentümer ein, wenngleich
        auch eng begrenztes, Vorrecht für Hausgeldforderungen
        vor den dinglich abgesicherten Ansprüchen der Kre-
        ditinstitute erhalten. Auf diese Weise können Hausgeld-
        ansprüche gegen zahlungsunwillige Miteigentümer, die
        bisher regelmäßig nicht eingetrieben werden konnten
        und deshalb von den übrigen Miteigentümern übernom-
        men werden mussten, eher geltend gemacht werden.
        Diese Stärkung der Wohnungseigentümer gegenüber den
        Kreditinstituten ist daher sehr zu begrüßen.
        Wir werden den vorgelegten Gesetzentwurf in den
        Ausschussberatungen eingehend prüfen. Insbesondere
        werden wir die Vorschläge aus der Wirtschaft und den
        Wohnungsverbänden bedenken. Schon jetzt sehen wir
        zusätzlichen Reformbedarf bei der Regelung des Ver-
        hältnisses von Miteigentümer und Verwalter.
        Dirk Manzewski (SPD): Am heutigen Tag debattie-
        ren wir hier in erster Lesung den Entwurf der Bundesre-
        gierung zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes.
        So sehr sich das WEG in der Vergangenheit auch
        grundsätzlich bewährt hat, im Laufe der Zeit hat sich
        hier ein zunehmender Bedarf nach praktikableren Re-
        geln gezeigt. Dies hat nicht zuletzt auch der bereits ange-
        sprochene Beschluss des Bundesgerichtshofs vom
        Juni 2005 gezeigt. Mit diesem hat der BGH unter ande-
        rem zum ersten Mal auch klargestellt, dass die Woh-
        nungseigentümergemeinschaft im Rahmen der Verwal-
        tung des gemeinschaftlichen Eigentums selbst
        rechtsfähig ist. Die hieraus resultierenden weitreichen-
        den Konsequenzen sind folgerichtig vom Gesetzentwurf
        aufgegriffen und dementsprechend die Rechte und
        Pflichten sowie das Verwaltungsvermögen der Gemein-
        schaft der Wohnungseigentümer ebenso wie die Stellung
        ihres Verwalters neu definiert worden.
        Auch die rechtlichen Folgen einer Insolvenz der Ge-
        meinschaft – dies ist als logische Folge der Entscheidung
        des BGH nun möglich – sind den Besonderheiten des
        Wohnungseigentumsrechts angepasst und zudem ist der
        Schutz der Gläubiger der Gemeinschaft verbessert wor-
        den.
        Soweit in Teilbereichen eine Beschlusskompetenz
        und damit das Mehrheitsprinzip statt der bisher erforder-
        lichen Einstimmigkeit für Entscheidungen der Woh-
        nungseigentümer eingeführt werden soll, halte ich dies
        vom Grundsatz her für richtig und notwendig. Das bis-
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        ang geltende Einstimmigkeitsprinzip hat in der Praxis
        ehr häufig dringend gebotene Entscheidungen verhin-
        ert und Wohnungseigentum damit unattraktiv gemacht.
        Wir werden allerdings in den nächsten Wochen im
        etail zu diskutieren haben, inwieweit bei den einzelnen
        orgeschlagenen konkreten Änderungen zwischen den
        ndividualinteressen einerseits und den Mehrheitsinte-
        essen andererseits sachgerecht abgewogen worden ist.
        Gut finde ich, dass künftig zwingend eine aktuelle
        eschlusssammlung geführt werden soll. Dies ermög-
        icht zum einen einem potenziellen Erwerber, sich über
        ie vergangenen Beschlüsse der Gemeinschaft umfas-
        end zu informieren, um besser einschätzen zu können,
        as auf ihn zukommt. Zum anderen hilft dies natürlich
        uch der Gemeinschaft selbst, da hierdurch besser ge-
        ährleistet ist, dass bei Beschlüssen bereits einmal ge-
        asste Beschlüsse und/oder ergangene gerichtliche Ent-
        cheidungen in gleicher Sache nicht übersehen werden.
        Für nur folgerichtig halte ich es als Konsequenz aus
        er Entscheidung des BGH, die Wohnungseigentümer
        un nicht mehr für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft
        esamtschuldnerisch haften zu lassen. Zwar soll auch
        eiterhin die Möglichkeit bestehen, neben der Gemein-
        chaft auch unmittelbar gegen den einzelnen Wohnungs-
        igentümer vorzugehen. Dessen Haftung soll sich nun-
        ehr aber auf seinen Anteil am Gemeinschaftseigentum
        eschränken.
        Da der Verwalter zukünftig sowohl als Organ der Ge-
        einschaft als auch in der davon zu unterscheidenden
        unktion als Vertreter der Wohnungseigentümer auftritt,
        timme ich zudem mit der Bundesregierung darin über-
        in, die Vorschriften über die Befugnisse und Aufgaben
        es Verwalters sowie seiner Vertretungsmacht neu zu
        assen.
        Für gut erachte ich zudem die beabsichtigte Verlage-
        ung der Wohnungseigentumsverfahren vom FGG zur
        PO. Abgesehen davon, dass schon jetzt zum Teil
        rundsätze der ZPO auch in Wohnungseigentumsver-
        ahren anzuwenden sind, bietet die ZPO einfach die
        öglichkeit einer effizienteren und stringenteren Ver-
        ahrensführung.
        Ich finde, dass uns die Bundesregierung hier einen
        uten Vorschlag für eine Reform des WEG vorgelegt
        at. Ich bin jedenfalls gespannt auf die inhaltliche Dis-
        ussion mit Ihnen hierüber in den kommenden Wochen
        nd würde mich freuen, wenn Sie sich an dieser rege be-
        eiligen würden.
        Mechthild Dyckmanns (FDP): Das seit 1951 beste-
        ende Gesetz über das Wohnungseigentum hat sich
        rundsätzlich bewährt. Rund 5 Millionen Eigentums-
        ohnungen und die nach wie vor anhaltende Nachfrage
        ach dieser besonderen Rechtsform des Wohnens ma-
        hen deutlich, dass das Wohnungseigentum einen festen
        estandteil der Wohnungsversorgung in unserem Land
        ildet.
        Seit In-Kraft-Treten des Wohnungseigentumsgesetzes
        aben sich jedoch die wirtschaftlichen, sozialen, gesell-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3033
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        schaftlichen und politischen Rahmenbedingungen verän-
        dert mit der Folge, dass auch die Gesetze, die diese Rah-
        menbedingungen regeln, der Entwicklung angepasst
        werden müssen. Die letzte umfassende Novellierung des
        Wohnungseigentumsgesetzes erfolgte im Jahre 1973.
        Seither eingeleitete Änderungen kamen über das Diskus-
        sionsstadium nicht hinaus. Handlungsbedarf zeigte sich
        erneut und vordringlich nach der „Jahrhundertentschei-
        dung“ des Bundesgerichtshofs vom 20. September 2000
        zum so genannten Zitterbeschluss.
        Die FDP begrüßt, dass die Bundesregierung mit dem
        jetzt vorgelegten Gesetzentwurf den Versuch unter-
        nimmt, eine schon länger als drei Jahrzehnte andau-
        ernde, aber mangels Einigkeit unter den Betroffenen und
        Beteiligten bislang ergebnislose Diskussion zu einem
        guten Ende zu bringen.
        Im Mittelpunkt des Gesetzentwurfs steht eine Erwei-
        terung der so genannten Beschlusskompetenzen. Der
        Entwurf lässt verstärkt Mehrheitsentscheidungen der
        Wohnungseigentümer zu. Er lockert das starre Einstim-
        migkeitsprinzip bei der Verteilung der Betriebs-, Ver-
        waltungs- und Instandsetzungskosten zugunsten einer
        mehrheitlichen Entscheidung. Auch Maßnahmen zur
        Modernisierung oder zur Energieeinsparung werden
        nach dem vorliegenden Entwurf zukünftig leichter zu
        realisieren sein. Das ist zu begrüßen. Hierdurch wird die
        Handlungsfreiheit der Wohnungseigentümer gestärkt
        und die Willensbildung der Eigentümergemeinschaften
        erleichtert. Besondere Bedeutung wird dies insbesondere
        für mittlere und größere Wohnanlagen haben. Hier war
        in der Vergangenheit die erforderliche Einstimmigkeit
        für Instandhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen
        nicht oder nur schwer zu erreichen. Dadurch ist es in vie-
        len Fällen zu einem Renovierungsstau gekommen. Die
        neue Regelung kann dazu beitragen, diesen abzubauen.
        Ob es zu einem Investitionsschub kommen wird,
        bleibt im Hinblick auf das Erfordernis einer Mehrheit
        von mehr als drei Vierteln aller stimmberechtigten Ei-
        gentümer und mehr als der Hälfte der Miteigentumsan-
        teile abzuwarten. Im Gesetzgebungsverfahren wird da-
        her zu erörtern sein, ob dieses Mehrheitserfordernis
        praktikabel ist oder möglicherweise eine zu hohe Hürde
        darstellt.
        In jedem Fall zu begrüßen ist die vorgesehene Be-
        schlusssammlung. Auf diese Weise können sich Woh-
        nungseigentümer und insbesondere Erwerber besser
        Klarheit darüber verschaffen, welche Rechte und Pflich-
        ten auf sie zukommen.
        Weiterer Erörterung bedarf die Entscheidung, wonach
        sich Verfahren in Wohnungseigentumssachen zukünftig
        nach der Zivilprozessordnung und nicht mehr wie bisher
        nach dem Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit
        richten sollen. Hiermit verbinden sich Vorteile, aber
        auch Nachteile, die die Durchrührung einer Anhörung
        angezeigt erscheinen lassen.
        Grundsätzlich positiv zu bewerten ist die in Aussicht
        genommene Beschränkung der Haftung des einzelnen
        Eigentümers. Nach der noch geltenden gesetzlichen Re-
        gelung haftet der einzelne Wohnungseigentümer bei In-
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        olvenz aller übrigen Miteigentümer für die Schulden
        er Gemeinschaft mit seinem gesamten Privatvermögen,
        as letztlich auch zu seinem eigenen wirtschaftlichen
        uin führen kann. Nachdem der Bundesgerichtshof mit
        einer Entscheidung zur Teilrechtsfähigkeit bereits eine
        esamtschuldnerische Haftung des einzelnen Woh-
        ungseigentümers gegenüber Dritten ausgeschlossen
        atte, geht die Bundesregierung jetzt noch einen Schritt
        eiter und begrenzt die Einzelhaftung auch im Verhält-
        is der Wohnungseigentümer untereinander auf die
        öhe des jeweiligen Miteigentumsanteils. Das ist zu be-
        rüßen.
        Der jetzt vorgelegte Entwurf gibt Anlass zu der Hoff-
        ung, dass die Novellierung des Wohnungseigentumsge-
        etzes ohne größeren politischen Streit über die Bühne
        ehen kann. Die FDP ist bereit, hierzu ihren Beitrag zu
        eisten. Wir legen aber Wert auf eine sorgfältige Bera-
        ung. Die hierfür erforderliche Zeit sollen und müssen
        ir uns nehmen, damit das novellierte Wohnungseigen-
        umsgesetz geeignet ist, dass Wohnungseigentum auch
        n Zukunft attraktiv bleibt, auch und nicht zuletzt als
        ine immer stärker genutzte Form der Altersvorsorge.
        Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Ein Spruch sagt: Wer
        lug ist, wohnt zur Miete. Natürlich in einer Wohnung
        ach Wunsch, in guter Lage, pflegeleicht und wartungs-
        rm, mit netter Nachbarschaft und für einen akzeptablen
        reis. Service inklusive, denn dafür wird Miete gezahlt.
        Trotzdem entscheiden sich Menschen für Wohneigen-
        um. Und dagegen ist auch nichts einzuwenden. Die
        raktion DIE LINKE, steht für das gleichberechtigte Ne-
        eneinander von selbst genutztem Wohneigentum, Woh-
        en zur Miete oder in einer Genossenschaft.
        Viele, meines Erachtens zu viele Menschen erwerben
        ohnimmobilien als Teil einer Wohneigentumsanlage
        zur Selbstnutzung oder als Kapitalanlage –, ohne zu
        issen, was auf sie zukommt. Neben den nicht unerheb-
        ichen Pflichten für das „Sondereigentum“ kommt die
        erantwortung als Miteigentümer am „Gemeinschafts-
        igentum“. Bewährtes Instrument für die Verwaltung,
        en Erhalt, die Pflege und Erneuerung dieses Gemein-
        chaftseigentums ist das Wohneigentumsgesetz.
        Ich kenne sehr unterschiedliche Wohneigentumsge-
        einschaften: Manche bestehen aus wenigen selbst nut-
        enden Haus- bzw. Wohnungseigentümern, manche aus
        igentümern, die ihre Wohnung weit ab vom eigenen
        ohnort als Kapitalanlage laufen lassen, es gibt Mehrfa-
        ilienhäuser mit einer Mischung aus Selbstnutzern und
        apitalanlegern bis hin zu Großwohnanlagen mit mehre-
        en hundert Wohnungen. Erfahrungen besagen, dass die
        echte des einzelnen Eigentümers mit der Zahl der Mit-
        lieder einer Eigentumsgemeinschaft schrumpfen und
        ie Zahl der Interessenskonflikte steigt.
        Viele Entscheidungen, die in einer Eigentümerge-
        einschaft getroffen werden (müssen), haben oft nicht
        nerhebliche finanzielle Folgen oder können den Cha-
        akter der Wohnanlage und die Nutzung erheblich verän-
        ern. Da jeder einzelne Eigentümer direkt betroffen sein
        3034 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
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        (B) )
        kann, sind nach geltendem Recht einstimmige Entschei-
        dungen Grundlage für existenzielle Veränderungen. Dies
        schützt den Einzelnen vor Entscheidungen, zum Beispiel
        über größere Investitionen, die ihn finanziell überfordern
        und zum Verlust des Wohneigentums führen. Anderer-
        seits kann ein Einzelner gewollte und gegebenenfalls er-
        forderliche Entscheidungen von deutlichen Mehrheiten
        blockieren.
        Mit der Novellierung sollen auch schwerwiegende
        Entscheidungen durch eine verhältnismäßige Mehrheit
        zugelassen werden. Dies muss in den Ausschussberatun-
        gen noch einmal genau abgewägt werden – vor allem
        hinsichtlich des Vertrauensschutzes bei bestehenden
        Wohneigentümern –, auch wenn die Bundesregierung in
        der Begründung beteuert, dass ihre Vorschläge ausgewo-
        gen und rechtlich zulässig sind.
        Die Einführung der Pflicht einer Beschlusssammlung
        scheint sinnvoll, erhöht aber wie auch einige andere Än-
        derungen den bürokratischen Aufwand und die Reg-
        lungsdichte.
        Die beabsichtigte Überführung der gerichtlichen Zu-
        ständigkeit aus der freiwilligen Gerichtsbarkeit in die Zi-
        vilprozessordnung halten wir für problematisch.
        Zu begrüßen ist die vorgeschlagene Änderung der
        Rangklassen bei Zwangsversteigerungen zugunsten von
        Hausgeldansprüchen und zulasten der Banken.
        Hervorheben möchte ich das Recht jedes Eigentümers
        auf Baumaßnahmen zur Schaffung eines barrierefreien
        Zugangs zum Wohneigentum für behinderte Wohneigen-
        tümer oder Wohneigentümer, die ihr Eigentum an Men-
        schen mit Behinderungen vermieten (§ 22 WEG). Wir
        sollten bei der Beratung des Gesetzentwurfes in den
        Ausschüssen prüfen, ob das noch genügt. Ein barriere-
        freier Zugang zu Wohnungen dient schließlich nicht nur
        dem behinderten Eigentümer oder Mieter, sondern auch
        Menschen mit Behinderungen, die Selbstnutzer oder
        Mieter besuchen wollen. Barrierefreie Häuser und Woh-
        nungen sollten grundsätzlich zum „Stand der Technik“
        gehören. Das nutzt allen und trägt auch dem Art. 3 GG,
        dem Bundesbehindertengleichstellungsgesetz und dem
        künftigen Antidiskriminierungsgesetz Rechnung. Inso-
        fern sollte generell bei Verlangen eines Wohnungseigen-
        tümers auf Schaffung eines barrierefreien Zugangs zum
        Wohneigentum die Zustimmung nicht erforderlich sein.
        Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der
        deutsche Wohnimmobilienmarkt ist in den letzten Jahren
        in Bewegung geraten; ja man könnte sogar sagen, er
        steht vor einem großen Umbruch. Auch wenn zum Bei-
        spiel die Frage der Einbeziehung oder Nichteinbezie-
        hung von Wohnimmobilien in REITs noch heftig um-
        stritten ist, so gibt es genügend Gründe, ungelöste
        Probleme des Wohneigentums jetzt anzugehen.
        Privatisierung heißt nicht automatisch, dass große
        kommunale Wohnungsbestände – wie zuletzt in Dres-
        den – an internationale Investoren verkauft werden, son-
        dern bedeutet auch, dass Wohnungen an Mieter verkauft
        werden. Und da wir alle – auf die eine oder andere Art
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        nd Weise – die Einbeziehung der Wohnimmobilien in
        ie geförderte Altersvorsorge befürworten, müssen wir
        ns konsequenterweise mit den Problemen beschäftigen,
        ie die Wohnungseigentümergemeinschaften und rund
        5 Millionen Eigentümer seit vielen Jahren bewegen.
        Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen begrüßt
        iese Gesetzesänderung. Wir haben schon in der letzten
        egislaturperiode eine Gesetzesänderung gefordert und
        nterstützt. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde
        och unter der rot-grünen Koalition am 25. Mai 2005 im
        abinett beschlossen.
        Für uns war und ist es wichtig, für bestimmte Fälle
        as Einstimmigkeitsprinzip durch einen qualifizierten
        ehrheitsbeschluss abzulösen. Das Einstimmigkeits-
        rinzip ermöglichte bisher einzelnen Miteigentümern die
        lockade zum Beispiel von sinnvollen Modernisierungs-
        aßnahmen und führte letztlich zu Ersatzvereinbarun-
        en, den so genannten Zitterbeschlüssen, die nach
        echtsprechung des BGH auch ohne gerichtliche An-
        echtung von Anfang an unwirksam waren. In dem vor-
        iegenden Gesetzentwurf wird das Quorum für be-
        timmte Fälle auf drei Viertel der Eigentümerstimmen
        nd 50 Prozent der Eigentumsanteile abgesenkt. Das ist
        mmer noch eine hohe, aber nicht unüberwindliche
        ürde. Sie erschwert aber auf jeden Fall die Blockaden,
        ie erleichtert die Willensbildung und stärkt die Hand-
        ungsfähigkeit von Wohnungseigentümergemeinschaf-
        en.
        Diese Neuregelung betrifft nach § 22 WEG (2) Ent-
        cheidungen zu baulichen Veränderungen, insbesondere
        ei Maßnahmen zur Modernisierung, die der nachhalti-
        en Erhöhung des Gebrauchswertes, der dauerhaften
        erbesserung der Wohnverhältnisse oder der Einsparung
        on Wasser und Energie dienen. Gerade in Zeiten stei-
        ender Energiekosten müssen alle Maßnahmen unter-
        tützt werden, die die Belastungen der Eigentümer und
        ieter und der Umwelt durch die Ausschöpfung von Ef-
        izienzpotenzialen nachhaltig verringern können.
        § 22 WEG (1) stellt klar, dass die Schaffung eines
        arrierefreien Zugangs für behinderte Wohnungseigen-
        ümer oder Mieter im Regelfall auch ohne die Einholung
        iner Zustimmung der Wohnungseigentümergemein-
        chaft gewährleistet ist.
        Nach § 16 WEG (4) besteht künftig die Möglichkeit,
        en Verteilungsschlüssel einer Kostenregelung im Ein-
        elfall – mit dem vorgenannten Quorum – abweichend
        u gestalten, wenn zum Beispiel durch Baumaßnahmen
        ur eines von mehreren Gebäuden betroffen ist. Auch
        ies wird zu einer deutlichen Erleichterung im Verfahren
        ühren. Und mit dem § 16 WEG (3) wird die Erfassung
        nd Abrechnung von Betriebs- und Verwaltungskosten
        rleichtert und den Eigentümergemeinschaften die not-
        endige Flexibilität für die Immobilienverwaltung gege-
        en.
        Ebenfalls unsere Zustimmung findet die Erweiterung
        es § 12 um den Abs. 4, der eine Aufhebung von Veräu-
        erungsbeschränkungen mit Stimmenmehrheit ermög-
        icht.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3035
        (A) )
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        Wir begrüßen die verbindliche Einführung einer Be-
        schlusssammlung, die aus unserer Sicht zu einer besse-
        ren Informationsmöglichkeit von potenziellen Erwer-
        bern von Wohnungseigentum beitragen dürfte und
        deutlich unbürokratischer als die geforderte Einführung
        eines Zentralgrundbuchs ist.
        Die Stellung von Wohnungseigentümern gegenüber
        Banken wird bei der Geltendmachung von Hausgeldfor-
        derungen in der Zwangsversteigerung gestärkt. Und die
        Position von Wohnungseigentümern gegenüber zah-
        lungsunfähigen oder -unwilligen Eigentümern wird
        durch ein begrenztes Vorrecht vor Grundpfandrechten
        verbessert.
        Und die künftige Behandlung von Gerichtsverfahren
        in Wohnungseigentumsangelegenheiten nach der ZPO
        wird auch aus unserer Sicht zu einer Aufwandsverringe-
        rung gegenüber der bisher üblichen freiwilligen Ge-
        richtsbarkeit (FGG) führen und trägt einer Harmonisie-
        rung mit anderen bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten
        Rechnung.
        Im Großen und Ganzen stimmen wir dem Gesetzent-
        wurf zu, allerdings haben wir auch noch Ergänzungs-
        bedarf anzukündigen. Wir sehen insbesondere bei der
        Einsicht der Wohnungseigentümer in sämtliche Abrech-
        nungs- und Verwaltungsunterlagen die Notwendigkeit
        einer gesetzlichen Regelung. Des Weiteren sehen wir
        Änderungsbedarf bei der Verwalterbestellung. Bei neu
        errichteten Eigentumsanlagen wird der erste Verwalter
        meist vom Bauträger bestimmt, für einen Zeitraum von
        fünf Jahren. Dies kann insbesondere bei der Geltendma-
        chung von Mängeln innerhalb einer Fünfjahresfrist zu
        erheblichen Problemen führen.
        Im vorliegenden Gesetzentwurf finden sich viele un-
        serer Vorstellungen wieder und daher wird er auch un-
        sere Zustimmung bekommen.
        Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der
        Bundesministerin der Justiz: Der Bundestag behandelt
        heute einen Gesetzentwurf, der Millionen von Menschen
        in Deutschland betrifft: die Novelle des Wohnungseigen-
        tumsgesetzes, kurz: WEG.
        Ich möchte vorwegschicken: Die Geschichte des
        WEG ist eine Erfolgsgeschichte. Geschaffen im Jahre
        1951, hat es in Deutschland erstmals echtes Eigentum an
        Teilen eines Gebäudes ermöglicht. Viele Menschen er-
        hielten so erst die Chance, in den eigenen vier Wänden
        zu wohnen. Das Gesetz ist bei den Bürgern angekom-
        men und hat sich bewährt.
        Wer eine Eigentumswohnung hat, weiß aber auch,
        dass es nicht immer harmonisch zugeht. Für viele Men-
        schen ist die eigene Wohnung das wertvollste, was sie
        besitzen. Da ist es einem nicht gleichgültig, wie eine
        Wohnanlage verwaltet wird.
        Kein Gesetz wird deshalb Meinungsverschiedenhei-
        ten unter Wohnungseigentümern verhindern können.
        Aber der Gesetzgeber muss Instrumentarien bereitstel-
        len, damit Meinungsverschiedenheiten die Wohnanlage
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        icht lähmen und in einem geordneten Verfahren gelöst
        erden.
        Mit der Novelle des Wohnungseigentumsrechts ver-
        olgen wir vier Ziele:
        Erstens. Wir wollen die Willensbildung innerhalb der
        emeinschaft erleichtern und das Wohnungseigentums-
        echt entbürokratisieren. Nach heutigem Recht kann
        äufig ein einziger Wohnungseigentümer eine Maß-
        ahme verhindern, die alle anderen für gut und richtig
        alten. Es gilt der Grundsatz, dass die Wohnungseigen-
        ümer ihre Angelegenheiten durch Vereinbarung und da-
        it einstimmig regeln. Mehrheitsbeschlüsse sind nur
        usnahmsweise zulässig. Wir wollen das Prinzip der
        instimmigkeit dort, wo ein praktisches Bedürfnis dafür
        esteht, durch das Mehrheitsprinzip ersetzen. Das be-
        rifft zum Beispiel Modernisierungsmaßnahmen oder die
        erteilung von Betriebs- und Verwaltungskosten.
        Zweitens wollen wir die rechtlichen Verhältnisse zwi-
        chen Eigentümergemeinschaft, Wohnungseigentümern
        nd Gläubigern der Eigentümergemeinschaft klarer re-
        eln. Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesge-
        ichtshofs ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentü-
        er rechtsfähig. Diese Rechtsprechung hat in manchem
        unkt Klarheit geschaffen und einiges vereinfacht, aber
        uch eine Vielzahl von Folgeproblemen entstehen las-
        en. Die Praxis ist daher verunsichert und wünscht eine
        lärung durch den Gesetzgeber. Unser Entwurf spricht
        ich dafür aus, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
        u akzeptieren, und gibt der Praxis gleichzeitig die nö-
        ige Klarheit. Das betrifft vor allem die Frage der Haf-
        ung der einzelnen Wohnungseigentümer für Forderun-
        en gegen die Gemeinschaft.
        Drittens. Wir wollen die Gerichtsverfahren in Woh-
        ungseigentumssachen mit den anderen bürgerlich-
        echtlichen Streitigkeiten in Einklang bringen. Deshalb
        oll sich das Verfahren in Wohnungseigentumssachen
        ukünftig nach der Zivilprozessordnung und nicht mehr
        ie bisher nach dem Gesetz über die freiwillige Ge-
        ichtsbarkeit richten. Das schont die Ressourcen der Jus-
        iz und gibt den Gerichten bessere Möglichkeiten der
        onzentration und Beschleunigung.
        Viertens. Wir wollen den Wohnungseigentümern eine
        essere Handhabe gegen solche Miteigentümer ver-
        chaffen, die ihre Hausgelder nicht mehr zahlen – sei es,
        eil sie zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig sind.
        ünftig sollen die Wohnungseigentümer mit einem be-
        renzten Vorrang vor Grundpfandrechten – die sich vor
        llem Banken zur Sicherung ihrer Kredite eintragen las-
        en – die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwal-
        ung betreiben können.
        Nach allem handelt es sich also um Änderungen, die
        as Wohnungseigentum gerechter und praktikabler ma-
        hen. Sie kommen den Bürgerinnen und Bürgern unmit-
        elbar zugute und entlasten gleichzeitig die Justiz. Dies
        ird die Attraktivität des Wohnungseigentums auch für
        ie Zukunft sichern.
        3036 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
        (A) )
        (B) )
        Anlage 4
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Anträge:
        – Mit der strategischen Partnerschaft zwi-
        schen der Europäischen Union und Latein-
        amerike Ernst machen und deutsches Enga-
        gement ausbauen
        – Die Beziehungen zwischen EU und Latein-
        amerike solidarisch gestalten – Kein Frei-
        handelsabkommen EU-Mercosur
        (Tagesordnungspunkt 16)
        Anette Hübinger (CDU/CSU): Angesichts des be-
        vorstehenden EU-Lateinamerika-Gipfels in Wien befas-
        sen wir uns heute mit den Anträgen der Fraktion von
        Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der Linken.
        Bislang standen die Länder Lateinamerikas und der
        Karibik nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses. Deut-
        sche entwicklungspolitische Aufgaben in Lateinamerika
        und in der Karibik haben Kürzungen hinnehmen müs-
        sen, deutsche Direktinvestitionen stagnieren. In Anbe-
        tracht dieser Situation vermisst die CDU/CSU-Fraktion
        in beiden Anträgen den nötigen breiten Ansatz, um die
        kulturell-historisch gewachsenen Beziehungen zwischen
        Lateinamerika und Europa so zu intensivieren und aus-
        zubauen, dass eine zukunftsfähige strategische Partner-
        schaft entsteht.
        Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen enthält wich-
        tige Punkte, die eine Unterstützung verdienen. Er ist je-
        doch nach unserer Auffassung abzulehnen, da Lösungs-
        vorschläge fehlen, um eine stabile wirtschaftliche
        Partnerschaft weiterzuentwickeln.
        Für die CDU/CSU-Fraktion ist die Armutsbekämp-
        fung eines der zentralen Themen in Lateinamerika und
        in der Karibik. Gerade im Hinblick auf die Millenniums-
        entwicklungsziele, die Armut auf der Welt bis 2015 zu
        halbieren, sind in Lateinamerika größere Fortschritte als
        bisher erforderlich. Lateinamerika ist weltweit die Re-
        gion mit den größten Einkommensunterschieden. Wir
        müssen daher einen diversifizierten Entwicklungsansatz
        wählen.
        Bei der Armutsbekämpfung ist es für uns wichtig, die
        bedeutsame Rolle der Bildungs- und Ausbildungsmög-
        lichkeiten in den Vordergrund zu rücken, weil erst da-
        durch ein langfristiges Entkommen aus der Armut mög-
        lich ist.
        Die Armutsbekämpfung hat auch höchste Priorität,
        um der Gefahr eines wieder erstarkenden Populismus zu
        begegnen. Daher müssen die Entwicklungen in Vene-
        zuela unter Präsident Chavez von uns weiterhin kritisch
        beobachtet werden.
        In diesem Zusammenhang muss uns die Veröffentli-
        chung des Entwicklungsprogramms der Vereinten Natio-
        nen zu denken geben, das viele Menschen von der De-
        mokratie enttäuscht sind und deshalb wieder autoritäre
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        egime befürworten würden, wenn dadurch ihre wirt-
        chaftliche Lage verbessert würde.
        Die Problemlösungsfähigkeiten der politischen Mo-
        elle stehen heute in Lateinamerika auf dem Prüfstand.
        ufgrund der tiefen Krise, in der sich die Parteiensys-
        eme vieler lateinamerikanischer Länder gegenwärtig
        efinden, kommt der bildungspolitischen Arbeit der
        eutschen Stiftungen vor Ort eine wichtige Rolle zu.
        enn Demokratie muss erlernt werden, um dauerhaft be-
        tehen zu können. Daher wollen wir politische Stiftun-
        en, Kirchen, Gewerkschaften und Kulturorganisationen
        n dieser Vermittlungsaufgabe unterstützen.
        Das gesamte Ökosystem Lateinamerikas mit seinen
        mmensen natürlichen Ressourcen und seiner außerge-
        öhnlichen biologischen Vielfalt, ist von großem globa-
        em Interesse. Ergänzend zu den Tropenwaldschutzpro-
        rammen sollte aber auch der indigenen Bevölkerung
        eim Aufbau einer nachhaltigen Holzwirtschaft als Le-
        ensgrundlage geholfen werden.
        Ein Schwerpunkt der deutschen Entwicklungshilfe
        iegt im Umwelt- und Ressourcenschutz. Die Vorreiter-
        olle deutscher Unternehmen im Bereich erneuerbarer
        nergien in Lateinamerika sollte ausgenutzt werden.
        Die EU-Staaten sind führender Direktinvestor in La-
        einamerika sowie ein bedeutender Investor in den Kari-
        ikstaaten. Die Investitionen aus dem Subkontinent nach
        uropa sind jedoch gering. In dieser Situation sollte die
        U einen intensiveren Beitrag zur demokratischen Kon-
        olidierung, zu Wirtschaftswachstum und Entwicklung
        eisten.
        Der Gipfel in Wien bietet die Gelegenheit, die 1999 in
        io de Janeiro beschlossene strategische Partnerschaft
        it dieser Region konsequent fortzusetzen. Deshalb set-
        en wir uns auch für den erfolgreichen Abschluss des
        ssoziationsabkommens zwischen der EU und dem
        ercosur ein. Günstige Rahmenbedingungen für die
        irtschaftbeziehungen zwischen beiden Regionen müs-
        en aber in beide Richtungen gehen, damit eine tragfä-
        ige Partnerschaft entstehen kann.
        Die Fraktion Die Linke wirft in ihrem Antrag der EU
        or, die EU würde Lateinamerika scheinparlamentari-
        che Strukturen überstülpen wollen und die Länder der
        aribik und Lateinamerikas bevormunden. Zugleich
        erlangt sie, dass wir unsere gelebten Erfahrungen in ei-
        em demokratischen Rechtsstaat der Bevölkerung in den
        ändern Südamerikas nicht vermitteln sollen.
        Das ist ideologische Bevormundung, einem Teil der
        eltbevölkerung unsere Erfahrungen mit Demokratie
        nd Rechtsstaatlichkeit vorzuenthalten. Die Fraktion Die
        inke verkennt aus ihrer verblendeten ideologischen
        icht hierbei, dass eine Partnerschaft immer eine eigene
        ntscheidung beinhaltet. Diese Entscheidung können
        nd wollen wir den Staaten Lateinamerikas und der Ka-
        ibik nicht abnehmen. Schon allein aufgrund dieser Ar-
        umentation ist ihr Antrag abzulehnen.
        Die Koalition wird ihrerseits wegen der Wichtigkeit
        er Debatte in Kürze einen eigenen Antrag vorlegen, der
        ich in detaillierter Form mit der Partnerschaft zu Latein-
        merika und der Karibik auseinander setzen wird.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3037
        (A) )
        (B) )
        Sascha Raabe (SPD): Beginnen möchte ich meinen
        Redebeitrag zu der EU-Lateinamerika-Debatte heute mit
        einem viel zitierten Buchtitel aus den 70er-Jahren: „Die
        offenen Adern Lateinamerikas“. Ich greife den Titel auf,
        weil ich denke, dass die Adern Lateinamerikas heutzu-
        tage noch an vielen Stellen offen sind. Lateinamerika
        liegt vielleicht nicht mehr auf der Intensivstation kolo-
        nialer oder diktatorischer Despoten, dafür sind die Adern
        der Armut noch offen. 40 Prozent der Menschen in La-
        teinamerika leben in Armut – mit weniger als 2 US-Dol-
        lar pro Tag – und die Einkommensungleichheiten sind in
        keinem anderen Kontinent größer. Alleine wird es für
        die Bürgerinnen und Bürger aus Südamerika fast
        unmöglich sein, ihre Wunden zu heilen. Daher ist von
        europäischer Seite Hilfe geboten.
        Ich freue mich, dass sich heute und morgen über
        60 Staats- und Regierungschefs aus Lateinamerika und
        Europa in Wien versammeln, um ihre Beziehung weiter
        auszubauen und gemeinsam Lösungen für offene Fragen
        zu finden – so viele waren seit dem Wiener Kongress
        nicht mehr in Wien versammelt. Dies zeigt – entgegen
        vieler anderer Meinungen –, dass die Partnerschaft zwi-
        schen Europa und dem lateinamerikanischen Kontinent
        durchaus eine große Bedeutung hat. Letzte Woche hat
        sich unser Außenminister Frank-Walter Steinmeier
        schon einmal vor Ort ein Bild gemacht und die Bedeu-
        tung dieses Kontinentes verdeutlicht. Auch unsere Ent-
        wicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul reiste
        jüngst nach Bolivien und Chile.
        Neben dem Stellenwert Lateinamerikas erscheint es
        mir überaus wichtig, dafür zu plädieren, dass der stattfin-
        denden politischen Polarisierung ein Ende bereitet wird.
        Diese Kategorisierung in links und rechts ist für eine
        strategische Partnerschaft nicht fruchtbar. Im Gegenteil,
        sie schürt Feindbilder und verhindert eine sachliche so-
        wie zielorientierte Auseinandersetzung mit den brennen-
        den Problemen Lateinamerikas. Und diese stehen derzeit
        auf der Tagesordnung in Wien. So stehen im Mittelpunkt
        der Diskussion der internationale Handel mit der ent-
        sprechenden offenen Agrarfrage, die Bestrebungen ein-
        zelner Staaten zur Verstaatlichung ihrer Rohstoffsekto-
        ren sowie Maßnahmen internationaler und nationaler
        Armutsbekämpfung.
        Ein wichtiger Bestandteil der strategischen Partner-
        schaft zwischen Europa und Lateinamerika ist und bleibt
        die Armutsbekämpfung. Obwohl Erfolge zu verzeichnen
        sind, steht die deutsche bilaterale sowie europäische Ent-
        wicklungszusammenarbeit weiterhin vor großen Heraus-
        forderungen. Auch der Zwischenbericht der Vereinten
        Nationen zur Erreichung der Milleniumsentwicklungs-
        ziele weist auf Schwierigkeiten hin und warnt vor einem
        Versagen.
        In der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit
        Lateinamerika sind der Umwelt- und Ressourcenschutz,
        die Staatsmodernisierung bzw. Konsolidierung der De-
        mokratie sowie die Armutsbekämpfung die drei Schwer-
        punktbereiche. Derzeit sind in der Region fünf Länder
        als Schwerpunktpartnerländer und acht als Partnerländer
        klassifiziert. Da das Bundesministerium für wirtschaftli-
        che Zusammenarbeit und Entwicklung den aktuellen
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        ntwicklungen in der Region Rechnung tragen möchte,
        indet derzeit eine Überprüfung und Neujustierung der
        artnerländer statt. Das Lateinamerika-Konzept des
        MZ von 2000, welches als politische Leitlinie in der
        ntwicklungspolitischen Zusammenarbeit dient, wird
        erzeit überarbeitet und entsprechend den neuen Gege-
        enheiten aktualisiert.
        Komplementär zur deutschen bilateralen Entwick-
        ungszusammenarbeit ist die Europäische Union in La-
        einamerika als wichtigster Geber tätig. Durch ihre
        üngst verabschiedete gemeinsame entwicklungspoliti-
        che Erklärung, den „Europäischen Konsens“, stellt die
        U ihr Engagement auch hier deutlich unter Beweis.
        ach der Wahl mehrerer linksorientierter Regierungen
        esteht ein enormer Erwartungsdruck an die Regierun-
        en, Erfolge im Kampf gegen die soziale Misere vor-
        uweisen. An dieser Stelle begrüße ich die nationalen
        rmutsbekämpfungsstrategien und möchte diese unter-
        tützen.
        Einen großen Armut reduzierenden Beitrag können
        ir aber natürlich auch in anderen Bereichen leisten, wie
        eispielsweise mit unserer Handelspolitik. Die EU hat
        ls wichtiger Handelspartner für Lateinamerika ein gro-
        es Interesse daran, die Handelsbeziehungen zu harmo-
        isieren. Ich möchte das Gipfeltreffen in Wien nicht auf
        as ins Stocken geratene Assoziationsabkommen zwi-
        chen der EU und dem Wirtschaftsblock Mercosur redu-
        ieren. Dennoch ist es mir sehr wichtig, die Gründe für
        as bisherige Scheitern eines Assoziationsabkommens
        wischen diesen beiden Wirtschaftsblöcken mit aller
        eutlichkeit hervorzuheben. Die Mercosur-Länder wer-
        en zu Recht der Europäischen Union Agrarprotektionis-
        us vor und fordern berechtigterweise sowohl die Öff-
        ung der Märkte für ihre Agrarprodukte als auch die
        bschaffung aller handelsverzerrenden Agrarsubventio-
        en. Zwar konnte beim letzten WTO-Gipfel in Hong-
        ong immerhin ein Enddatum für das Auslaufen der Ex-
        ortsubventionen vereinbart werden, aber es gab keine
        nnäherung bei den internen handelsverzerrenden Stüt-
        ungen und dem Marktzugang.
        Wir, die Koalitionsfraktion SPD und CDU/CSU, leh-
        en die zur Debatte vorliegenden Anträge ab. Ich kann
        war mit den meisten Punkte des Antrages der Grünen
        bereinstimmen, möchte aber darauf hinweisen, dass wir
        die SPD- und CDU/CSU-Fraktion – derzeit an einem
        igenen umfassenderen Antrag arbeiten, der der ganzen
        omplexität gerecht wird sowie die Ergebnisse und
        mpfehlungen des Gipfels aufgreift. Der Antrag der
        raktion Die Linke ist fast nicht der Rede wert, da er un-
        eitgemäß und weltfremd ist. So wird beispielsweise an
        iner Stelle gefordert, dass die Agrarproduktion eines
        ntwicklungslandes sich auf den Eigenbedarf beschrän-
        en sollte. Doch gerade der Agrarbereich ist für die
        eisten Entwicklungsländer eine Haupteinnahmequelle
        m Export. Gerade wir als Exportweltmeister dürfen den
        ntwicklungsländern die Teilhabe am Welthandel nicht
        erbauen.
        In Wien wird nicht nur zwischen den Regierungs-
        ertretern an einer Partnerschaft gefeilt. Nein, die
        artnerschaft umfasst Millionen Lateinamerikaner und
        3038 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
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        europäische Bürger. Das nächste Treffen wird in zwei
        Jahren turnusgemäß in einer lateinamerikanischen Stadt
        stattfinden. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir als
        europäische Gäste mehr anzubieten haben werden, als
        wir es derzeit in Wien haben. Ein Nichtstun können wir
        uns nicht leisten. Es wäre so, als ob man Salz in die offe-
        nen Wunden streuen würde, anstatt die offenen Adern
        Lateinamerikas zu schließen.
        Lothar Mark (SPD): Beide vorliegenden Anträge
        finden nicht die Zustimmung meiner Fraktion. Die
        Koalitionsfraktionen haben sich vorgenommen, als
        Nachlese zum vierten biregionalen Gipfeltreffen der
        Staats- und Regierungschefs Lateinamerikas, der Kari-
        bik und der EU einen gemeinsamen Lateinamerika-
        Grundsatzantrag einzubringen. Dieser ist bereits vorbe-
        reitet; wir warten nur noch auf die Schlussfolgerungen
        des Wiener Gipfels.
        Lassen Sie mich zunächst auf den Antrag der Links-
        fraktion eingehen. Es muss jeden Außenpolitiker – ins-
        besondere aber unsere lateinamerikanischen und karibi-
        schen Partner – wundern, wenn nicht gar vor den Kopf
        stoßen, von welchem Realitätsverständnis Sie in Ihrem
        Antrag ausgehen.
        Durchgängig ist von Neoimperialismus, „Bevormun-
        dungsversuchen“ oder „Preisgabe souveräner Staatlich-
        keit“ die Rede. Vielleicht ist Ihnen entgangen, dass die
        Region kein fürsorgebedürftiges Opfer, sondern ein
        selbstbewußter Verhandlungspartner ist. Insbesondere
        Brasilien leistet zunehmend Beiträge zur globalen Struk-
        turpolitik und ist auf dem Wege zum Global Player. Des
        Weiteren kann ich nicht sehen, dass die EU demokra-
        tisch gewählte Regierungen in LAK stürzen will, wie Sie
        in Ihrem Antrag behaupten. Die Entscheidung des dama-
        ligen spanischen Ministerpräsidenten Aznar, die
        Carmona-Regierung in Venezuela anzuerkennen, reiht
        sich ein in eine Serie von groben Fehleinschätzungen
        desselben und wurde glücklicherweise von den übrigen
        europäischen Regierungschefs nicht mitgetragen. Ich
        sehe weiterhin nicht, dass die EU den US-Plan Colombia
        in Kolumbien auch nur mit einem Cent unterstützt oder
        gar von ihrem Primat der Kooperation zur friedlichen
        Konfliktlösung abgeht.
        Wenn es zwischen unseren Regionen große Überein-
        stimmungen gibt, dann in diesem Bereich. Europa sucht
        eine enge Kooperation mit LAK, das im Übrigen bereits
        eine atomwaffenfreie Zone ist, im Bereich der Global
        Governance. Diese umfasst gerade auch Themen wie die
        Nichtverbreitung von atomaren und Massenvernich-
        tungswaffen.
        Es überrascht nicht, dass in Ihrem Antrag keine kriti-
        sche Auseinandersetzung mit dem aktuellen Zustand der
        politischen Systeme in der Region stattfindet. Wie Sie
        sich vorstellen können, sieht die SPD-Bundestagsfrak-
        tion Probleme in Bezug auf die Konsolidierung der De-
        mokratien, insbesondere in der Andenregion, welche un-
        mittelbar mit der Verschärfung von sozialer Ungleichheit
        und Armut zusammenhängen. Ihre einfachen Analysen
        und Rezepte helfen in der globalisierten Welt von heute
        aber weder dies- noch jenseits des Atlantiks.
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        Schließlich ist es sehr simpel, aus der Opposition he-
        aus einen höheren Mittelansatz im Bundeshaushalt zu
        ordern. Dies ist durchgängiges Element des PDS-Dis-
        urses. Dagegen müssen Sie in den Landesregierungen,
        n denen die Linkspartei PDS Verantwortung trägt, er-
        ennen, dass es in der Realität ganz anders aussieht.
        anger Rede kurzer Sinn: Ihr Antrag ist realitätsfern,
        indimensional und daher unverantwortlich. Eine solch
        lauäugige Herangehensweise an die Kooperation mit
        ateinamerika kann nicht die Zustimmung der SPD-
        undestagsfraktion finden.
        Der vorliegende Antrag der Bündnisgrünen scheint
        ns dagegen in der Tendenz richtig. Sie wissen aus den
        ergangenen sieben Jahren um die Schwierigkeiten, der
        egion LAK ein höheres Profil in der deutschen Außen-
        olitik zu geben. Die weltpolitischen Veränderungen im
        uge von Mauerfall und EU-Erweiterung sowie die
        aushälterischen Sachzwänge seit der Wiedervereini-
        ung müssten Ihnen nur zu gut bekannt sein. Deswegen
        in ich froh, dass Minister Steinmeier in den ersten Mo-
        aten seiner Amtsführung eine Reise in die Region
        urchgeführt hat. Dieses Zeichen ist bei unseren dorti-
        en Partnern auch so aufgenommen worden.
        Ausschlaggebend für unsere Ablehnung sind fol-
        ende Gründe: Der vorliegende Antrag ist zu sehr auf
        as EZ-Handeln Deutschlands und der EU konzentriert.
        m bald einzubringenden Koalitionsantrag kommt dage-
        en die Absicht zum Ausdruck, umfassender auf politi-
        che Dimensionen der strategischen Partnerschaft einzu-
        ehen. Ansatz der SPD-Fraktion ist es, den politischen
        ialog auf Augenhöhe mit den Ländern der Region zu
        ürdigen und zu akzentuieren. In diesem Zusammen-
        ang soll der Koalitionsantrag, wie bereits erwähnt,
        chlussfolgerungen aus dem Wiener Gipfel aufnehmen
        nd aktuell auf die jüngsten Ereignisse in Bolivien, die
        nstehenden Wahlen in der Region sowie auf die letzten
        ntwicklungen bezüglich der Integrationsmechanismen
        ndengemeinschaft und Mercosur eingehen.
        Auch für Ihren Antrag gilt: Den Haushaltsansatz für
        ie EZ mit LAK zu erhöhen, ist eine wünschenswerte,
        ber vor dem Hintergrund der angespannten Haushalts-
        ituation zurzeit nicht vertretbare Forderung.
        Insgesamt nimmt die SPD-Fraktion eine positivere
        eurteilung der Entwicklung der strategischen Partner-
        chaft vor. Bei allen Schwächen des Gipfelprozesses
        ollte nicht vergessen werden, dass hieran mit Rumänien
        nd Bulgarien mittlerweile 60 Länder beteiligt sind. Es
        andelt sich also um das größte biregionale Forum, wel-
        hes rund ein Drittel der VN-Staaten repräsentiert. Der
        ntensivierte politische Dialog in diesem Rahmen stellt
        inen Wert an sich dar und birgt ein enormes Gestal-
        ungspotenzial. Diese Tatsache sollte nicht klein geredet
        erden.
        Gestatten Sie mir noch einige Anmerkungen aus aktu-
        llem Anlass: Beide Seiten kommen beim heutigen Gip-
        el nicht in bester Verfassung an den Verhandlungstisch.
        ür LAK ist zu beobachten, dass zentrifugale Kräfte in-
        erhalb der Integrationsblöcke die Verhandlungen in
        löcken immer schwieriger werden lassen. Die EU muss
        n diesem Zusammenhang ihr Konzept des offenen Re-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3039
        (A) )
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        gionalismus überdenken. Unsere Regierungen stehen
        vor der gleichen Herausforderung, wie unter den Bedin-
        gungen globaler Märkte ein geeigneter Mix aus Markt
        und Staat zum Nutzen breiter gesellschaftlicher Schich-
        ten gefunden werden kann. Nach dem Scheitern der neo-
        liberalen Strukturanpassungen hat LAK darauf verschie-
        dene Antworten entwickelt.
        Der viel beschriebene „Linksruck“ in Lateinamerika
        muss unter diesem Gesichtspunkt differenziert betrachtet
        werden. Es nützt nichts, einzelne Regierungen zu dämo-
        nisieren. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt hier auf ver-
        stärkten Dialog und Einbindung. Hoffnungsträger in
        diesem Zusammenhang bleiben Brasilien und der Mer-
        cosur, dem es gelingen muss, seine schwache institutio-
        nelle Basis zu vertiefen.
        LAK benötigt unser eindeutiges Bekenntnis zur stra-
        tegischen Partnerschaft, kein Lippenbekenntnis, sondern
        spürbare Verbesserungen in konkreten Streitfragen wie
        der Handelsmaterie. Dies gilt insbesondere hinsichtlich
        des für LAK wichtigen Agrarsektors. Ich nenne hier
        großzügigere Quotenregelungen, Abbau aller handels-
        verzerrenden Exportsubventionen und Abschaffung der
        Zolleskalation. Vom Wiener Gipfel muss ein deutliches
        Signal für eine Einigung in diesen strittigen Fragen aus-
        gehen, um den baldigen Abschluss des EU-Mercosur-
        Assoziierungsabkommens zu ermöglichen.
        Dr. Karl Addicks (FDP): Seit 1999 – also nunmehr
        sieben Jahre lang – wird über die zukünftige Gestalt der
        europäisch-lateinamerikanischen Zusammenarbeit ge-
        sprochen. Eben auch vor sieben Jahren haben sich beide
        Seiten zu einer strategischen Partnerschaft bekannt, al-
        lein die Ergebnisse fehlen.
        Nun beginnt am Freitag, also morgen der 4. EU-La-
        teinamerika-Gipfel unter dem Motto „Stärkung der bi-
        regionalen strategischen Assoziation“. Der Titel klingt
        gut und soll eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen
        durch interregionale Kooperations- und Assoziierungs-
        abkommen zur Folge haben. Eine gemeinsame Freihan-
        delszone EU-Lateinamerika muss das Ziel all dieser Ver-
        handlungen, Dialoge und Diskussionen sein. Gespräche
        mit den Regionalbündnissen Mercosur, der Andenge-
        meinschaft und dem zentralamerikanischen Integra-
        tionssystem gehen jedoch leider nur schleppend oder gar
        nicht voran. Machen wir uns nichts vor: Die strategische
        Partnerschaft ist wünschenswert, jedoch noch nicht
        wirklich in Sicht. Der Wille ist da, nur das Fleisch ist
        schwach. So lassen sich die Verhandlungen der letzten
        Jahre eher umschreiben.
        Sicherlich hat die veränderte politische Landschaft in
        Lateinamerika und der EU das Ihre dazu getan. Dies und
        der Zustand der lateinamerikanischen Regionalbünd-
        nisse machen derzeit keine große Hoffnung auf einen er-
        folgreichen multilateralen Abschluss. Jedoch möchte ich
        nicht im Voraus die Flinte ins Korn werfen und Pessi-
        mismus verbreiten. Ein Plan B in der Tasche ist aller-
        dings immer von Vorteil. Nach dem Gipfel in Wien wird
        sich zeigen, ob eine neue Strategie vonnöten sein wird.
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        Sollte ein Scheitern der Doharunde eintreten und soll-
        en auch die Verhandlungen über ein Assoziierungsab-
        ommen mit Mercosur, der Andengemeinschaft und
        entralamerika nicht zustande kommen, so muss die EU
        lternativen suchen, finden und diese auch verfolgen.
        enn wir müssen uns der Rolle der EU in Lateinamerika
        ewusst sein. Sie ist in der Entwicklungszusammen-
        rbeit der größte Geldgeber und nach den USA der
        ichtigste Handelspartner in Lateinamerika. Den natio-
        alistischen und populistischen Forderungen einzelner
        üdamerikanischer Regierungen, die eine Destabilisie-
        ung der lateinamerikanischen Regionalbündnisse errei-
        hen wollen, muss eine klare Absage erteilt werden. Der
        ipfel in Wien muss die nötigen Signale aussenden, um
        in weiteres Auseinanderdriften der Regionalbündnisse
        u verhindern. Dabei müssen insbesondere die Bestre-
        ungen der OAS, der Organisation der amerikanischen
        taaten, die ein solches Auseinanderdriften zu verhin-
        ern sucht, unterstützt werden.
        Wichtig ist uns der gleichberechtigte Dialog unter
        artnern. Trotz der wichtigen Rohstoffvorkommen fin-
        en wir in Lateinamerika auch enorme Einkommensun-
        erschiede und einige Länder gehören zu den höchstver-
        chuldeten der Welt. Nehmen wir einmal Bolivien als
        eispiel. Hier ist doch fraglich, ob die stattgefundenen
        ntschuldungsmaßnahmen – nominal wurden Bolivien
        m internationalen Rahmen insgesamt 1,3 Milliarden
        uro erlassen – im Sinne der Nachhaltigkeit und Wirk-
        amkeit das richtige Mittel zur Armutsursachenbekämp-
        ung darstellen. Eine gemeinsame Freihandelszone und
        ie Unterstützung und Förderung des Kleingewerbes so-
        ie des Handwerks in den Staaten von Lateinamerika
        nd der Karibik sind unserer Meinung nach die besseren
        ittel.
        Lassen Sie mich nun zu den vorgelegten Anträgen
        ommen. Der Antrag von der Fraktion des Bündnis-
        es 90/Die Grünen hat durchaus unterstützenswerte Ele-
        ente: die Forderung nach einem Abschluss der Ver-
        andlungen EU-Mercosur, die Aufnahme der Verhand-
        ungen mit der Andengemeinschaft und Zentralamerika
        owie der Erhalt und die Schaffung funktionierender De-
        okratien und starker Zivilgesellschaften. Dem kann
        an nichts entgegenhalten. Trotzdem können wir den
        ntrag hier nur ablehnen. In Anbetracht unserer derzeiti-
        en Haushaltslage ist eine Forderung nach mehr Haus-
        altsmitteln im Einzelplan 23 unmöglich. Stattdessen
        ollte Good Governance an oberster Stelle stehen und
        ei der Mittelvergabe berücksichtigt werden. Die Mittel
        üssen eben effizient eingesetzt werden. Zudem ist uns
        hr Antrag zu sehr auf den Umweltschutz fokussiert, der
        hne Zweifel sehr wichtig ist; das ist keine Frage. Aber
        assen Sie uns doch zunächst grundlegende Rahmenbe-
        ingungen schaffen, bevor wir ins Detail gehen.
        Der Antrag der Fraktion Die Linke spiegelt die ge-
        amte Palette linker Träumereien wider: beginnend bei
        er neoliberalen Wirtschaftspolitik, die als Wurzel allen
        bels betrachtet wird und endend bei antieuropäischen
        nd antiamerikanischen Parolen. Die Ablehnung der
        reihandels-Assoziierungsabkommen, speziell mit dem
        ercosur, ist ein immenser Rückschritt. Ihr Antrag be-
        ibt sich mit neosozialistischen Rezepten auf einen
        3040 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
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        gefährlichen Weg. Lassen Sie uns die Ergebnisse des
        Gipfels in Wien abwarten und sehen, wie die Bereit-
        schaft der lateinamerikanischen Staaten in den Verhand-
        lungen einzuschätzen ist. Erst dann wissen wir, ob wir
        uns auf die Suche nach neuen Wegen und Strategien be-
        geben müssen.
        Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Die Entschei-
        dung des bolivianischen Präsidenten Evo Morales, die
        Erdgasfelder seines Landes zu verstaatlichen, hat eine
        Tatsache auf den Punkt gebracht: Der politische Wind in
        Lateinamerika hat sich gedreht. Eine Tatsache, die offen-
        sichtlich gewöhnungsbedürftig ist. Nur so kann ich die
        Erklärung des deutschen Außenministers, dass er in
        Sorge sei, erklären. Worüber er besorgt ist, darüber ließ
        uns der Herr Außenminister im Unklaren. Wenn seine
        Sorge die geschichtliche Erfahrung reflektiert, dass eine
        solche mutige Entscheidung in der Vergangenheit oft-
        mals zu einem von der USA unterstützten Militärputsch
        führte, kann ich sie verstehen; wenn allerdings der Ein-
        griff in die Macht und den Einfluss multinationaler Kon-
        zerne die Grundlage ist, will ich widersprechen. Ich habe
        auch zur Kenntnis genommen, dass die Erklärung der
        Entwicklungsministerin einen anderen Tenor hatte.
        An Lateinamerika wird besonders deutlich, dass der
        Neoliberalismus seinen Zenit überschritten hat, seine
        Akzeptanz in den Bevölkerungen zu bröckeln beginnt.
        Schwer wird es sein, die Zerstörungen, die drei Jahr-
        zehnte Marktradikalismus hinterlassen, im Sinne von
        Solidität, Solidarität und Gerechtigkeit, von Ausgleich
        und Sozialstaatlichkeit aufzuarbeiten. Genau vor dieser
        Aufgabe stehen Politikerinnen und Politiker, die heute
        das neue Lateinamerika verkörpern. Ich denke dabei an
        Chávez in Venezuela, Kirchner in Argentinien, Lula in
        Brasilien, Morales in Bolivien und viele mehr. Ich denke
        aber auch an die Opfer der Militärdiktaturen und Putsche
        in Chile, Guatemala, El Salvador, Uruguay und vielen
        anderen Staaten. Für sie alle steht ein Name, der hier
        genannt werden muss: Salvador Allende. Er ist den
        Golgathaweg von Befreiung und Gerechtigkeit bis zum
        bitteren Ende gegangen. Ganz in diesem Sinne sollten
        wir noch einmal deutlich machen, dass deutsche Politik
        sich nachhaltig für die Einhaltung der Friedensverträge
        und der Menschenrechte in Guatemala und El Salvador
        einsetzt und dass wir zum Beispiel für Demokratie, so-
        zialen Ausgleich und für ein Ende des Bürgerkrieges in
        Kolumbien eintreten.
        Zur neuen Politik in Lateinamerika gehört, dass die
        Länder Schritt für Schritt zu mehr Zusammenarbeit fin-
        den und sich aus der Dominanz und Vorherrschaft der
        USA lösen. Deshalb ist der Bush-Vorschlag für eine
        Freihandelszone nach den Interessen der USA geschei-
        tert. Die lateinamerikanische Zusammenarbeit, eine La-
        teinamerika-Union, wächst von unten und wird auch
        keine Kopie der EU werden.
        Deshalb sollte der Gipfel EU-Lateinamerika nicht pri-
        mär ein Wirtschaftsgipfel sein. Europa kann zu einem
        wichtigen Partner Lateinamerikas werden. Das aber nur,
        wenn Europa keine Kopie der USA ist und wird, sondern
        wenn Europa alternativ ist, und ein anderes Europa ist
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        öglich. Die Verträge mit Lateinamerika müssen sozial-
        taatlich gebunden sein und auf Armutsbekämpfung zie-
        en. Lateinamerika als „Markt“ für Demokratie und So-
        iales und nicht als Markt für Waffen, dahin sollte sich
        ie EU orientieren.
        Es muss endlich Widerstand aufgebaut werden:
        ensch, Tiere und Pflanzen dürfen nicht länger Objekte
        er Genpatentierung, kapitalistischer Verwertungsbedin-
        ungen sein. Zu einer neuen Lateinamerikapolitik gehört
        uch eine neue Kubapolitik, die mit einer Absage an US-
        mbargos und Boykotte dazu beiträgt, dass Freiräume
        ür Bürgerinnen und Bürger wachsen, dass soziale und
        olitische Rechte zusammenfinden.
        Wenn die Zusammenarbeit EU-Lateinamerika eine
        eue Qualität erreichen soll, muss sich auch die EU ver-
        ndern. Um zu meinem Ausgangspunkt zurückzukehren:
        enn ein Staat seine Ressourcen in das Eigentum der
        ürgerinnen und Bürger zurückholt, sollte er aus
        eutschland nichts von Sorgen hören, sondern Unter-
        tützung erfahren. Ein „Bravo“ vom Außenminister
        äre auch eine Antwort auf Morales gewesen.
        Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
        nkündigung des bolivianischen Präsidenten Evo
        orales, die Gas- und Ölförderung in Bolivien zu ver-
        taatlichen, hat nicht nur dieses ärmste Land Südameri-
        as auf die Titelseiten der internationalen Presse ge-
        racht. Die Maßnahme hat auch bewirkt, dass die Politik
        es ganzen Subkontinents unter den starken Verdacht
        on Populismus, Sozialismus und Dirigismus geraten ist.
        ateinamerika auf Linkskurs, zurück in die Vergangen-
        eit, in die Arme des Revolutionsopas Fidel Castro? Wie
        erhalten wir uns?
        Nehmen wir uns zunächst ein Beispiel an den Regie-
        ungen Spaniens und Brasiliens, die durch die ange-
        rohte Verstaatlichung als Investoren bzw. in ihrer Gas-
        ersorgungssicherheit am meisten betroffen sind. Sie
        etzen auf Verhandlungen und Kooperation. Spaniens
        egierungsführer Zapatero trifft sich beim EU-Latein-
        merika-Gipfel in Wien mit Morales. Repressalien wie
        ie etwaige Einstellung der Entwicklungshilfe hat er be-
        eits im Vorfeld ausgeschlossen.
        Wie sieht es mit unserer und der europäischen Hal-
        ung zum „Linksruck“ in Lateinamerika aus? Die politi-
        chen Veränderungen, die sich in den Wahlergebnissen
        eit dem letzten Jahr abzeichnen, bedeuten in der Tat ei-
        en Richtungswechsel. Dabei sind aber weder die ge-
        ählten Präsidenten Sozialisten noch gehen die Wähler
        it dem marxistischen Manifest unterm Arm zu den
        ahlurnen. Was die neuen Führer und ihr Wahlvolk zu-
        inander bringt, ist das Verlangen nach einer anderen
        olitik, vor allem nach mehr sozialer und ethnischer Ge-
        echtigkeit.
        Für die Menschen in Lateinamerika ist die neoliberale
        olitik, die den Diktaturen der 70er-Jahre folgte, ge-
        cheitert. Den Gürtel enger zu schnallen, die Staatsbe-
        riebe an ausländische Investoren zu verschleudern, die
        ärkte für Handel und Finanzen weit zu öffnen – es hat
        icht die versprochenen Ergebnisse gebracht Obwohl
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3041
        (A) )
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        Argentinien und Bolivien Musterschüler dieser von
        Washington verordneten Politik waren, können die Men-
        schen nicht erkennen, dass es ihnen nach 20 Jahren
        Marktreformen besser geht. Ökonomisch und politisch
        ist der Washington Consensus gescheitert. Aus diesem
        Grund werden heute in Lateinamerika vor allem diejeni-
        gen gewählt, die über das „Imperium“, die USA und ihre
        Erfüllungsgehilfen – den IWF und die Weltbank – her-
        ziehen. Mag diese Politik auch noch so holzschnittartig
        sein, sie trifft die lateinamerikanische Volksseele.
        Dadurch entstehen Gefahren, aber auch Möglichkei-
        ten. Gefährlich sind Manipulationen von Demagogen
        und Populisten immer. Hugo Chávez verkörpert viel von
        dem, was den klassischen Populismus ausmacht: messia-
        nische Führerschaft, antiamerikanische Rhetorik, pater-
        nalistische Geldgeschenke und staatlich organisierte
        Volksmobilisierung. Gefährlich sind die überhöhten Er-
        wartungen in die neuen Führer, die meistens schnell zur
        Enttäuschung führen. Gefährlich ist schließlich die poli-
        tische Isolierung, die mögliche Einmauerung in einer
        castroschen Revolutionsburg. Diese Gefahren mögen für
        einige Länder und Führungspersönlichkeiten bestehen,
        haben aber für das Gros Lateinamerikas keine Bedeu-
        tung, weil ihre Präsidenten weder Populisten sind noch
        von Kuba gesteuert werden.
        Positiv ist das in den deutlichen Wahlsiegen zum Aus-
        druck gebrachte Verlangen nach sozialen Reformen und
        nach einer Einbeziehung der bisher rechtlosen indigenen
        Bevölkerung. Positiv ist auch der Wunsch nach einer
        deutlichen Differenzierung in den Außenbeziehungen
        sowie der ausgesprochene Wille zur regionalen Integra-
        tion.
        Die EU sollte diese positiven Ansätze nutzen, um eine
        echte strategische Partnerschaft mit Lateinamerika auf-
        zubauen. Inhaltlich soll sich die enge Kooperation auf
        die politische und wirtschaftliche Unterstützung der re-
        gionalen Integration á la Mercosur, eine enge umweit-
        und energiepolitische Zusammenarbeit, die Förderung
        der demokratischen Konsolidierung und der Menschen-
        rechte sowie der Kooperation im Hochschulbereich kon-
        zentrieren. Um in diesen Bereichen deutlich Flagge zu
        zeigen, gilt es auch die Mittel aufzustocken, auf EU-
        Ebene und bilateral. Das heißt konkret, auch im
        Einzelplan 23 für die Haushaltsjahre ab 2006 entspre-
        chende Verpflichtungsermächtigungen und Barmittel zur
        Verfügung zu stellen.
        Seit 1999 reden wir nun von strategischer Partner-
        schaft zwischen der EU und Lateinamerika. Seit Jahren
        sehen wir jedoch ein strategisches Auf-der-Stelle-Treten.
        Die antagonistischen Positionen in den multilateralen
        und biregionalen Handelsverhandiungen sprechen für
        sich. Europa ist nicht bereit, sich für wichtige Exporte
        aus Lateinamerika zu öffnen. Gerade dies wäre jedoch
        ausschlaggebend, um die regionale Integration a la
        Mercosur, ein Modell, das sich eng an die europäische
        Integration anlehnt, politisch und wirtschaftlich zu stär-
        ken.
        Von europäischer Seite fehlt auch ein entschiedenes
        Eintreten in den internationalen Finanzinstitutionen, um
        die weiterhin erdrückende und verhängnisvolle Schul-
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        enlast zu entschärfen, die seit den frühen 80er-Jahren
        u periodischen schmerzhaften Krisen führt. Viele Län-
        er müssen 20, 30 und mehr Prozent ihrer staatlichen
        usgaben für Zinszahlungen aufwenden, Geld, das für
        nvestitionen in Gesundheit und Bildung fehlt. Die la-
        einamerikanischen Länder müssen selbstverständlich
        ber auch selbst dazu beitragen, dass ihre Finanzkraft für
        oziale Investitionen steigt und die Einkommen gerech-
        er verteilt werden. Ein effizientes Steuersystem, das
        uch die reichen Grundbesitzer und die Bezieher von
        apitaleinkommen in die Pflicht nimmt, ist eine Voraus-
        etzung dafür.
        Angesichts der aktuellen Entwicklungen bei Klima-
        eränderungen und Energiemärkten wird eine zukunfts-
        eisende umwelt- und energiepolitische Zusammenar-
        eit immer vordringlicher. Bei der Energiepolitik gibt es
        ur einen zukunftstauglichen Weg: Weg vom Öl und hin
        u alternativen Energien. Wir haben 2004 erreicht, dass
        m Einvernehmen mit der brasilianischen Regierung
        erhandlungen über die Beendigung des deutsch-brasi-
        ianischen Atomabkommens von 1975 und dessen Ersatz
        urch einen neuen, nicht atomaren Energievertrag aufge-
        ommen wurden. Im Zentrum dieses neuen Vertrages
        ollen, so die Willenserklärung beider Seiten, erneuer-
        are Energien, die Verbesserung der Energieeffizienz,
        nergieeinsparungen und Emissionsminderungen ste-
        en. Bedauerlicherweise konnte die Bundesregierung
        isher keinen Entwurf für einen neuen Energievertrag
        orlegen. Wir sehen eine große Chance, durch einen sol-
        hen Vertrag mit Brasilien eine strategische Energiepart-
        erschaft im nicht atomaren und nicht fossilen Bereich
        ufzubauen, die im Geiste des Klimaschutzes und einer
        achhaltigen Energiepolitik steht.
        Die aktuellen Turbulenzen auf den Energiemärkten
        eigen, dass auch Biokraftstoffe große Entwick-
        ungschancen bieten. Brasilien ist Marktführer in Bio-
        thanol und arbeitet an einem ambitionierten Programm
        ur Gewinnung von Biodiesel, das die soziale Integra-
        ion von Kleinproduzenten im Nordosten des Landes ins
        entrum stellt. Biotreibstoffe haben ein großes Poten-
        ial. Dabei muss aber darauf geachtet werden, dass Min-
        eststandards bezüglich der Nachhaltigkeit des Anbaus
        er Pflanzen sowie der Kraftstofferzeugung eingehalten
        erden.
        Es gibt viel zu tun. Wenn wir die strategische Partner-
        chaft wollen, dann sollten wir uns auf dem mittlerweile
        chon 4. EU-Lateinamerika-Gipfel dafür entscheiden.
        nlage 5
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum
        Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur
        Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung
        (Tagesordnungspunkt 19)
        Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Eigentlich diskutie-
        en wir heute über zwei Gesetzentwürfe; denn thema-
        isch haben der Pfändungsschutz für die Altersvorsorge
        3042 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
        (A) )
        (B) )
        und die Anpassung des Rechts zur Insolvenzanfechtung
        keine Berührungspunkte. Daher möchte ich zunächst auf
        die angestrebte Änderung zum Pfändungsschutz einge-
        hen.
        Kümmert sich ein Selbstständiger in Deutschland um
        seine Altersvorsorge, kann er dies immer nur unter Vor-
        behalt tun. Denn letzte Sicherheit erlangt er nie, ob er an
        seinem Lebensabend auch tatsächlich auf die geplante
        Alterssicherung zurückgreifen kann. Im Zweifel hat er
        nämlich die Rechnung ohne den Gerichtsvollzieher ge-
        macht. Die private Altersvorsorge der Selbstständigen
        genießt keinen Pfändungsschutz, sondern unterliegt im
        schlechtesten Fall der Einzel- oder Gesamtvollstre-
        ckung. Obwohl der Selbstständige eigentlich alles rich-
        tig gemacht hat und private Vorsorge betrieben hat, um
        im Alter nicht staatlich alimentiert zu werden, wird er
        für sein vorausschauendes Verhalten bestraft und steht
        ohne eigene Altersvorsorge dar.
        Ein derartiger Vorschlag würde bei der Diskussion um
        eine stärkere private Alterssicherung von Arbeitnehmern
        neben der gesetzlichen Rentenversicherung allenfalls
        Verwunderung hervorrufen. Man könnte sich wohl kaum
        vorstellen, zu versuchen, den Menschen die Riesterrente
        näher zu bringen, wenn man ihnen gleichzeitig eröffnen
        würde, dass die eingezahlten Beiträge komplett der
        Pfändung unterliegen und sie damit im Zweifel sogar
        gänzlich leer ausgehen können. Dies bei Arbeitnehmern
        eben nicht zu tun, hat seinen Grund und dieser Grund
        muss auch bei den Selbstständigen gelten, gerade dann,
        wenn wir mehr Menschen zum Weg in die Selbstständig-
        keit ermutigen wollen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses
        einer privaten Versicherung sollen sie die Gewissheit ha-
        ben, dass sie nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsle-
        ben über eine Alterssicherung verfügen können, die aus
        einer eigenen Versicherungsleistung finanziert wurde.
        Daher begrüßen wir als CDU/CSU-Bundestagsfrak-
        tion außerordentlich diesen Gesetzentwurf der Bundes-
        regierung, der die Alterssicherung der Selbstständigen
        grundsätzlich von dem Damoklesschwert der Pfändung
        befreit. Dabei stellt der Regierungsentwurf nicht jede
        Form der Alterssicherung unter den Pfändungsschutz,
        sondern aus dem angesparten Vorsorgekapital muss sich
        ein Anspruch auf eine laufende Leistung ergeben. Ent-
        scheidend ist also, dass der Selbstständige auch tatsäch-
        lich eine Rentenzahlung am Ende seines Berufslebens
        erhält, die ihm die Existenz sichert und damit zugleich
        sicherstellt, dass er nicht zum Empfänger staatlicher So-
        zialtransfers werden muss.
        Daher ist es richtig, keine Vorsorgeprodukte zu schüt-
        zen, bei denen es zum Schluss zu einer Auszahlung von
        frei verfügbarem Kapital statt einer Rente kommt. Hier
        würde eine zu große Missbrauchsgefahr entstehen, so-
        wohl was die Absicherung im Alter als auch was die
        Zahlung von Versicherungsbeiträgen während der Be-
        rufszeit angeht. Mit der Verwendung des Wortes „Rente“
        fällt der Gesetzestext indes keine Entscheidung für ein
        bestimmtes Versicherungsprodukt, sondern ist neutral
        formuliert. Die Bundesregierung hat aber selbst ange-
        merkt, dass faktisch von dem Pfändungsschutz nur Kapi-
        tallebensversicherung und private Rentenversicherungen
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        rofitieren und andere Versicherungstypen zunächst au-
        en vor bleiben.
        Es ist der Bundesregierung mit Sicherheit zuzugeste-
        en, dass sich die Ausweitung auf andere Kapitalanlage-
        ormen nicht so einfach gestaltet wie bei den beiden eben
        erade erwähnten, die auch zu den verbreitesten gehören.
        aher unterstützten wir die Bundesregierung ausdrück-
        ich in ihrer Haltung, die Einbeziehung weiterer Alters-
        icherungsanlagen in den Pfändungsschutz zu prüfen und
        abei vor allen Dingen einen Blick über die nationalen
        renzen hinaus zu wagen. Durch eine rechtsverglei-
        hende Untersuchung können sich neue Erkenntnisse
        ber alternative Kapitalanlagen für die Altersvorsorge er-
        eben, die im Moment noch nicht in unserem Blickfeld
        ind.
        Für mich stellt sich aber die Frage, ob man nicht besser
        unächst das derzeit erarbeitete rechtsvergleichende Gut-
        chten abwarten sollte, um einen umfassenden Katalog
        n Versicherungsprodukten für Selbstständige aufzu-
        tellen, aus dem sie die für sie beste Altersvorsorge
        uswählen können. Ansonsten würde man ohne Not Ka-
        itallebensversicherungen und privaten Rentenversiche-
        ungen einen einseitigen Wettbewerbsvorteil verschaffen
        nd letztlich den Versicherungswettbewerb verzerren.
        Wenn ich die Wahl habe zwischen einer Versicherung,
        uf die Dritte nicht zugreifen können, und einer Versi-
        herung, die der Einzel- und Gesamtvollstreckung unter-
        iegt, dann dürfte meine Entscheidung ziemlich schnell
        ür erstere ausfallen. Daher sollte man die Beratungen
        m Bundestag dazu nutzen, nochmals zu prüfen, ob man
        icht schon jetzt einen Ansatz wählt, der über die Kapi-
        allebensversicherung und die private Rentenversiche-
        ung hinausgeht.
        Wenn man Selbstständigen die Möglichkeit einer si-
        heren Altersvorsorge zugestehen will, darf man beste-
        ende Versicherungsverträge nicht einfach außen vor
        assen. Zwar haben die Selbstständigen bei Abschluss
        hrer Altersverträge gewusst, dass sie im Zweifel ge-
        fändet werden können, aber dies ändert nichts an dem
        mstand, dass sie Vorsorge für ihr Alter betrieben ha-
        en. Auch die Altersverträge gehören daher unter den
        fändungsschutz. Die gesetzlich vorgesehene Möglich-
        eit der Umwandlung einer pfändbaren Altersversiche-
        ung in eine unpfändbare, so wie dies in § 173 VVG ge-
        egelt wird, ist daher der richtige Weg.
        Mit diesem Gesetzentwurf beraten wir aber nicht nur
        ber den Pfändungsschutz bei der Altersvorsorge von
        elbstständigen, sondern auch über Änderungen bei der
        nsolvenzanfechtung.
        Im Gegensatz zu den Überlegungen zum Pfändungs-
        chutz sehe ich hier noch einigen Beratungs- und Klä-
        ungsbedarf während des parlamentarischen Gesetzge-
        ungsverfahrens.
        Ziel des Insolvenzverfahrens sollte es nicht in erster
        inie sein, eine Firma zu liquidieren, sondern ein Unter-
        ehmen, das in eine wirtschaftliche Notlage geraten ist,
        ür den Markt wieder fit zu machen. Sicherlich darf da-
        ei die Sicht der Gläubiger nicht aus dem Auge verloren
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        werden. Doch ein saniertes Unternehmen hilft letztend-
        lich auch den Gläubigern eher, als wenn sie komplett auf
        ihren Forderungen durch die Auflösung des Unterneh-
        mens sitzen bleiben oder nur zu einem ganz geringen
        Teil befriedigt werden.
        Es sind aber nicht nur private Gläubiger, die das Opfer
        einer Unternehmensinsolvenz werden können, sondern
        auch die öffentliche Hand ist nicht vor Forderungsausfäl-
        len geschützt. Das bedauern nicht nur die Finanzminister.
        Wenn es aber um die Frage geht, wer letztendlich auf sei-
        nen Kosten sitzen bleibt, dann kann und darf es aus mei-
        ner Sicht keine Bevorzugung für öffentliche Gläubiger
        geben. Dem Handwerker, der einen Forderungsausfall zu
        beklagen hat, kann es um die Existenz gehen, und er hat
        zu Recht kein Verständnis dafür, dass der Staat im Falle
        einer Insolvenz besser gestellt wäre als er.
        So nützt die geplante Änderung in § 14 Abs. 1 InsO
        überwiegend den Sozialversicherungsträgern, denn zu-
        künftig soll ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzver-
        fahrens nicht allein schon dadurch unzulässig werden,
        dass der Schuldner nach der Antragstellung die Forde-
        rung erfüllt. Zwar mag man hier dem Sozialversiche-
        rungsträger die Besonderheit zugeben, dass sie die Ver-
        bindung zum Schuldner nicht einseitig aufkündigen
        können. Aber ich frage mich, wie es der Sozialversiche-
        rungsträger denn in der Praxis feststellen will, wann
        neue Verbindlichkeiten auf absehbare Zeit entstehen
        werden, die eine Aufrechterhaltung des Antrags recht-
        fertigen würde.
        Dem Regierungsentwurf ist ohne weiteres zuzugeste-
        hen, dass er mit der Besserstellung von Gläubigern aus
        Dauerschuldverhältnissen einer besonderen Problemlage
        im Rahmen des Insolvenzrechts Rechnung tragen will.
        Der Antrag für ein Insolvenzverfahren setzt aber aus gu-
        tem Grund nach geltendem Recht ein rechtliches Inte-
        resse voraus. Diese Voraussetzung wird aber faktisch
        aufgehoben, wenn ein Insolvenzantrag unabhängig von
        einer ausstehenden Forderung weiterverfolgt werden
        kann. Worin soll denn aber das rechtliche Interesse be-
        stehen, wenn es keine konkrete und fällige Forderung
        gibt?
        Es ist selbstverständlich ärgerlich, dass der Fiskus al-
        lein im letzten Jahr Umsatzsteuerausfälle in Höhe von
        177 Millionen Euro hinnehmen musste. Aber die Lösung
        dieses Problems kann nicht darin liegen, Steuer- und Ab-
        gabeforderungen des Staates gegenüber anderen Forde-
        rungen aus Dauerschuldverhältnissen von Vermietern
        oder Pächtern zu privilegieren. Die Aufwertung von
        Steuer- und Abgabeforderungen zur Masseverbindlich-
        keit schmälert die Insolvenzmasse, die letztendlich wie-
        derum den privaten Gläubiger trifft, der auf seinen
        Forderungen sitzen bleibt. Der vermeintliche Verbesse-
        rungsvorschlag der Bundesregierung in ihrer Gegenäu-
        ßerung gegenüber der Stellungnahme des Bundesrates
        stellt daher keine Alternative dar, sondern verwandelt
        eine zumindest in ihrer Intention nachvollziehbare Hilfe
        für Gläubiger von Dauerschuldverhältnissen in eine
        platte Selbstprivilegierung des Staates. Diese Gegen-
        äußerung lässt, offen gestanden, das ganze Projekt nach-
        träglich in einem verdächtigten Licht erscheinen.
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        Wir sollten daher an dieser Stelle sehr sensibel vorge-
        en, denn die Änderung mag zwar dem Staat zunächst
        islang ausfallende Gelder in die Kasse spülen. Aber die
        77 Millionen Euro fehlen nachher an anderer Stelle –
        prich: in der Insolvenzmasse und bei den privaten Gläu-
        igern. Viele kleine und mittelständische Unternehmen
        ind noch weniger als der Staat in der Lage, größere For-
        erungsausfälle hinzunehmen. Sie drohen dann selbst zu
        inem Fall für den Insolvenzrichter zu werden. Daher
        arf es nicht darauf hinauslaufen, dass Arbeitsplätze ge-
        ährdet werden und der Staat Kosten an anderer Stelle
        ufbringen muss, die 177 Millionen Euro leicht über-
        chreiten könnten.
        Die konkreten Vorschläge zur Änderung der Insolvenz-
        nfechtung gehen in dieselbe Richtung und bedürfen da-
        er auch noch einer eingehenden Prüfung. Exemplarisch
        öchte ich hier nur die Ergänzung des § 131 Abs. l InsO
        ennen. Auch er läuft auf eine Besserstellung von Fiskus
        nd Sozialversicherungsträger hinaus, die das Privileg
        enießen, Forderungen selbst titulieren und vollstrecken
        u können. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregie-
        ung sollen zukünftig durch Zwangsvollstreckung reali-
        ierte Forderungszahlungen nicht mehr unter die Insol-
        enzanfechtung fallen, obwohl die Behörden durch die
        ornahme der Zwangsvollstreckung Bedenken hinsicht-
        ich der Solvenz des Schuldners deutlich zum Ausdruck
        ringt. So lobenswert die Absicht der Bundesregierung
        st, Forderungsausfälle für den Staat durch Insolvenzen
        o gering wie möglich zu halten, darf auch hier wie-
        erum nicht vergessen werden, dass es neben dem Staat
        uch noch andere Gläubiger gibt, die ihre Ansprüche
        icht mehr realisieren können.
        Die Intention der Änderungsvorschläge im Insolvenz-
        echt verstehen und teilen wir. Einnahmeausfälle in drei-
        telliger Millionenhöhe schmerzen in Zeiten knapper
        taatsfinanzen in besonderem Maße. Da wir aber Verant-
        ortung tragen nicht nur für die Finanzen des Staates,
        ondern auch für eine Chancengleichheit aller Gläubiger
        m Insolvenzverfahren, werden wir uns nach dieser ers-
        en Lesung einer intensiven Diskussion stellen müssen,
        ie das Ziel verfolgen muss, eine gleichmäßige Risiko-
        erteilung unter den Gläubigern zu erzielen. Ob eine be-
        ondere Behandlung von Dauerschuldverhältnissen dann
        innvoll, problematisch und notwendig ist, werden wir
        aher sorgfältig analysieren.
        Dirk Manzewski (SPD): Wir debattieren hier heute
        ber einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der zwei
        spekte beinhaltet.
        Zum einen geht es um den Pfändungsschutz der Al-
        ersvorsorge insbesondere von Selbstständigen. Hier ha-
        en wir nämlich das Problem, dass diese in der Regel
        um Aufbau ihrer Altersvorsorge eine Alterssicherung
        ählen, die im vollen Umfang der Pfändung unterliegt.
        ies hat im Falle einer Pfändung nicht selten zur Folge,
        ass der Staat im Alter mit Steuermitteln aushelfen
        uss, obwohl der Selbstständige eigentlich fürs Alter
        rivat vorgesorgt hatte.
        Es kann aber nicht sein, dass die extensive Anwen-
        ung einer Vollstreckung dazu führt, dass jemand, der ei-
        entlich privat hinreichend Vorsorge betrieben hat, nur
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        hierdurch von öffentlicher Fürsorge abhängig würde. Ich
        teile daher die Auffassung der Bundesregierung, dass in-
        soweit ein wirksamer Pfändungsschutz notwendig ist,
        um Sozialbedürftigkeit aufgrund von Zwangsvollstre-
        ckungen zu verhindern. Die Bundesregierung weist
        meiner Auffassung nach auch zu Recht darauf hin, dass
        hierdurch dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung ent-
        sprochen werden würde, da die öffentlich-rechtlichen
        Rentenleistungen dem Pfändungszugriff so nicht unter-
        liegen.
        Hinzu kommt – auch diese Einschätzung halte ich für
        richtig –, dass hierdurch ein weiterer Anreiz für eine pri-
        vate Altersvorsorge geschaffen wird, und zwar nicht nur
        für Selbstständige, sondern auch für die Bezieher gesetz-
        licher Renten als weitere Säule. Die politische Forde-
        rung nach privater Vorsorge würde dieses Gesetz damit
        tatkräftig unterstützen.
        Natürlich darf es nicht sein, dass der neu eingeführte
        Pfändungsschutz nun dazu ausgenutzt wird, Vermögens-
        werte rechtsmissbräuchlich dem Gläubigerzugriff zu
        entziehen. Völlig zu Recht wird im Gesetzentwurf des-
        halb deutlich gemacht, dass der Pfändungsschutz selbst-
        verständlich nur auf das Vorsorgekapital beschränkt
        wird, das unwiderruflich der Altersvorsorge gewidmet
        ist. Richtig ist deshalb auch, dass gewährleistet sein
        muss, dass die Leistung erst mit Eintritt des Rentenfalls
        bzw. nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahrs oder bei
        Berufsunfähigkeit erbracht wird und nicht den Bestim-
        mungen eines Dritten, außer für den Todesfall, unterlie-
        gen darf. Außerdem wird der Pfändungsschutz auf einen
        Bedarf begrenzt, der für die Existenzsicherung im Alter
        notwendig ist.
        Während ich die Intention dieses Teils des Gesetzes
        für sinnvoll halte, sehe ich, soweit mit diesem Gesetz
        zum anderen eine so genannte Anpassung der Insolvenz-
        anfechtung begehrt wird, noch Beratungsbedarf. Die
        Bundesregierung weist darauf hin, dass den Sozialkas-
        sen jährlich mehrere 100 Millionen Euro an Beitragsauf-
        kommen im Wege der Insolvenzanfechtung durch Insol-
        venzverwalter entzogen werden. Ich kann deshalb aus
        Sicht der Bundesregierung durchaus nachvollziehen,
        wenn man insbesondere mit Blick auf die Sozialversi-
        cherungsträger das Anfechtungsrecht einschränken
        möchte. Die Sozialversicherungsträger haben zugegebe-
        nermaßen das Problem, stets zur Leistung verpflichtet zu
        bleiben, da das Sozialversicherungsverhältnis kraft Ge-
        setzes entsteht.
        Ich teile allerdings nicht die feste Überzeugung der
        Bundesregierung, dass man mit dem Gesetz dem so ge-
        nannten Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung un-
        problematisch Genüge geleistet hat, und habe so meine
        Bedenken, ob hier nicht die Sozialversicherungsträger
        gegenüber anderen Gläubigern unangemessen privile-
        giert worden sind. Dies werden wir klären müssen.
        Ebenso ist zu prüfen, ob wir es nicht doch dabei belassen
        sollten, dass bei Zahlungen aller Verbindlichkeiten ein
        Antrag unzulässig wird.
        Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich bin schon
        seit langem der Auffassung, dass wir einmal intensiv
        darüber diskutieren müssen, ob das geltende Anfech-
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        ungsrecht tatsächlich noch den Gläubigern dient bzw.
        er Fortführung von Betrieben und damit dem Erhalt
        on Arbeitsplätzen. Insbesondere an Letzterem muss
        ich der vorliegende Gesetzentwurf aber messen lassen.
        Mechthild Dyckmans (FDP): Der heute zu bera-
        ende Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält Licht
        nd Schatten. Die vorgeschlagenen Regelungen zur
        chaffung eines Pfändungsschutzes für die Altersversor-
        ung und Altersvorsorge von Selbstständigen und die
        amit verbundenen Änderungen des Versicherungsver-
        ragsgesetzes erscheinen insgesamt schlüssig.
        Mit diesen Neuregelungen sollen selbstständige Un-
        ernehmer besser als bisher abgesichert werden. Bislang
        ind Vermögenswerte, die Selbstständige für ihre Alters-
        orsorge vorgesehen haben, ohne ausreichenden Pfän-
        ungsschutz dem Gläubigerzugriff ausgesetzt. Selbst-
        tändige sind damit gegenüber abhängig Beschäftigten,
        eren Rentenansprüche nur wie Arbeitseinkommen ge-
        fändet werden können, benachteiligt. Diese Ungleich-
        ehandlung ist nicht gerechtfertigt. Sie ist ungerecht und
        asst nicht zur Kultur der Selbstständigkeit, die es zu
        ördern gilt.
        Die Schaffung eines solchen Pfändungsschutzes liegt
        ber nicht nur im Interesse der Selbstständigen, sie liegt
        uch im Interesse der anderenfalls eintrittspflichtigen
        llgemeinheit und entlastet diese von Sozialleistungen.
        Der Gesetzentwurf sieht vor, die in Deutschland am
        eitesten verbreitete Form der Alterssicherung, die Le-
        ensversicherung, vor einem schrankenlosen Pfändungs-
        ugriff zu schützen. Dies kann aber nur ein erster Schritt
        ein. Ziel muss es sein, zukünftig alle Anlageformen der
        ltersvorsorge gleichermaßen zu schützen. Dies ist auch
        in Gebot der Wettbewerbsneutralität. Die Bundesregie-
        ung sollte sich daher verpflichten, zeitnah über die mit
        em Pfändungsschutz der Lebensversicherungen ge-
        achten Erfahrungen zu berichten.
        Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Das zeigt der Ge-
        etzentwurf ganz deutlich. Die in Art. 2 des Entwurfs
        orgeschlagenen Änderungen der Insolvenzordnung
        ind nicht gelungen und so für die FDP nicht zustim-
        ungsfähig. Diese Änderungen zielen vor allem darauf,
        ffentlich-rechtlichen Gläubigern eine bessere Stellung
        m Rahmen der Insolvenz einzuräumen. Damit kehren
        ie einige grundlegende Ansätze der Reform des Insol-
        enzrechts in ihr Gegenteil um. Das Ziel, die Vermö-
        ensmasse zusammenzuhalten, um den Betrieb weiter-
        ühren und Arbeitsplätze erhalten zu können, gerät aus
        em Blick. Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller
        läubiger gerät unter die Räder fiskalpolitischer Interes-
        en. Die Insolvenzordnung sollte ursprünglich gerade
        urch Abschaffung der Fiskalvorrechte die Insolvenz-
        asse erhöhen, was nunmehr, offensichtlich aufgrund
        er konkreten Haushaltslage der betroffenen Gläubiger,
        ieder beseitigt wird.
        Im Einzelnen ist auf Folgendes hinzuweisen: Die Be-
        timmung, dass ein Insolvenzantrag nicht alleine dadurch
        nzulässig werde, dass der Schuldner nach Antragstellung
        ie Forderung erfüllt, Art. 2 des Gesetzentwurfes – § 14
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        Abs. l Satz 2 Insolvenzordnung –, erweist sich bei Lichte
        betrachtet als Schutzvorschrift für Sozialversicherungs-
        träger und damit als gesetzgeberische Berücksichtigung
        von Partikularinteressen. Es besteht zudem die Gefahr,
        dass der Eröffnungsantrag noch mehr als bisher als
        Druckmittel gegen den Schuldner eingesetzt wird. Die
        Fortführung und Sanierung nur vorübergehend zah-
        lungsschwacher Betriebe würde hierdurch erheblich ge-
        fährdet.
        Auch gegen die beabsichtigte Änderung des § 55
        Abs. 2 Insolvenzordnung bestehen Bedenken. Die Auf-
        wertung der im Eröffnungsverfahren begründeten Ver-
        bindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen zu Masse-
        verbindlichkeiten vereitelt Sanierungschancen und läuft
        damit einem wesentlichen Ziel der Insolvenzrechtsre-
        form zuwider. Zu Recht weist der Bundesrat darauf hin,
        dass hierdurch die mit der Insolvenzordnung angestrebte
        Trendwende vom Zerschlagungsprinzip hin zur Sanie-
        rung von Unternehmen infrage gestellt wird. Erfreulich
        ist, dass sich die Bundesregierung ausweislich ihrer Ge-
        genäußerung in diesem Punkt gesprächsbereit zeigt.
        Gänzlich misslungen ist und bleibt die Neuregelung
        des Anfechtungsrechts. Die vorgeschlagene Gesetzesän-
        derung ist und bleibt eine systemwidrige Bevorzugung
        der Sozialkassen. Diese Privilegierung öffentlich-rechtli-
        cher Gläubiger führt zwangsläufig zu einer Diskriminie-
        rung privater Gläubiger. Die FDP ist gegen jede Form
        von Diskriminierung und wird sie auch an dieser Stelle
        entschieden bekämpfen.
        Hier ist es auch nicht mit der zaghaften Prüfbitte des
        Bundesrates getan, im weiteren Verlauf des Gesetzge-
        bungsverfahrens darüber nachzudenken, ob den Interes-
        sen öffentlich-rechtlicher Gläubiger in schonender Weise
        Rechnung getragen werden könne. Hier ist ein klares
        Bekenntnis zum Grundsatz der Gleichbehandlung aller
        Gläubiger gefordert.
        Wenn sich die Bundesregierung in diesem Punkt nicht
        bewegt, sieht die FDP keine Möglichkeit, dem Gesetz-
        entwurf zuzustimmen.
        Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Als der vorlie-
        gende Entwurf erstmals im Sommer der Agonie von
        Rot-Grün das Licht der Öffentlichkeit erblickte, gab es
        einen unvergleichlichen Sturm der Entrüstung und Ab-
        lehnung aus der gesamten Fachöffentlichkeit, aus den
        Verbänden und seitens der Richter. Auch der Bundesrat
        meldete scharfen Widerspruch an. Das Wort von der
        „staatlich legalisierten Ausplünderung“ Leipziger Volks-
        zeitung vom 26. August 2005 von der „Bananenrepu-
        blik“ Förster ZInsO 2005, 785 und von den „langen Fin-
        gern der Finanz- und Sozialämter“ Businessportal
        24.com vom 17. August 2005 machte die Runde.
        Das Bundesministerium der Justiz – als Verfasser des
        Entwurfes – sah sich öffentlich und unwidersprochen
        dem Vorwurf der Täuschung der Öffentlichkeit und der
        Lüge bezüglich der rechtlichen und sachlichen Motive
        des Entwurfes ausgesetzt – Huber ZlnsO 2005, 786ff. –
        und die Wirtschaftsverbände warnten vor einem drohen-
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        en Verlust von Arbeitsplätzen und einer Verschlechte-
        ung der Sanierungschancen für die Unternehmen.
        Nun liegt uns dieser Entwurf in unveränderter Form
        or. Unverändert geblieben ist nicht nur der Text des Ge-
        etzentwurfes. Weitgehend unverändert blieb auch des-
        en Begründungsteil. Dort suchen wir nämlich verge-
        ens nach einer echten Auseinandersetzung mit der
        oeben erwähnten allseitigen Kritik an dem Vorhaben.
        afür finden wir offenherzige Ausführungen zum Pfän-
        ungsschutz der Altersvorsorge gegen den – für sich be-
        rachtet – wohl niemand im Haus Einwände erheben
        öchte. Was geht hier vor sich?
        Das will ich Ihnen sagen: Man hat uns einen Berliner
        fandkuchen zum Anbeißen offeriert, der freilich zu un-
        erer Überraschung nicht mit zuckersüßer Marmelade,
        ondern mit sehr scharfem Senf gefüllt ist. Der Senf im
        nneren ist die Wiedereinführung des Fiskusprivileges
        m Insolvenzverfahren, das mit dem richtigen und wich-
        igen Ziel des Pfändungsschutzes der Altersvorsorge
        icht mehr als eine Drucksachennummer gemein hat.
        Der Senf ist jene unscheinbare Formulierung unter
        rt. 2 im Entwurf des § 131 Insolvenzordnung, wo es
        prachlich seltsam heißt: Eine Rechtshandlung wird
        icht allein dadurch zu einer solchen nach Satz 1, dass
        er Gläubiger die Sicherung oder Befriedigung durch
        wangsvollstreckung erlangt.
        Potentester Zwangsvollstrecker unter den Gläubigern
        ber ist nun einmal die öffentliche Hand, die sich stets
        elbst, schnell und exklusiv mit einem Titel „bewaffnen“
        ann.
        So soll – durch die Hintertür und unter Vermeidung
        iner bewussten Befassung durch dieses Parlament – ein
        ustand wieder hergestellt werden, der einmal zum Nie-
        ergang und zum völligen Bedeutungsverlust der Kon-
        ursordnung geführt hatte und dem dieses Parlament im
        ahre 1994 bei der Schaffung der Insolvenzordnung aus
        utem Grunde und sehr bewusst ein Ende bereitet hatte.
        Die Selbstprivilegierung der öffentlichen Hand im In-
        olvenzverfahren ist nicht nur eine massive Verletzung
        es Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung, wie
        hn der BGH weiterentwickelt und präzisiert hatte. Die
        evorzugung der öffentlichen Hand wird auch weitge-
        ende soziale und ökonomische Folgen haben. Die Fach-
        elt rechnet mit einer Verschlechterung der Sanierung-
        chancen für schätzungsweise 7 000 bis 10 000 klein- und
        ittelständische Unternehmen jährlich. Erwartet wird der
        erlust von 50 000 bis 100 000 Arbeitsplätzen. Wir dür-
        en uns einrichten auf ein Absinken der eh schon gerin-
        en Insolvenzquoten. Und wir verlieren den sanierungs-
        reundlichen Charakter der Insolvenzordnung, während
        ir das „Windhundprinzip“ in der Krise der Unterneh-
        en wieder einführen.
        Dieses Parlament hat vor mehr als zehn Jahren ge-
        einsam mit dem Justizministerium und gegen massive
        iderstände eine wahrlich große Insolvenzrechtsreform
        ollbracht, deren Kern es unter anderem gewesen ist, die
        taatlichen Privilegien des 18. und 19. Jahrhunderts zu
        eseitigen Diese Reform ist – das belegen alle Statisti-
        en – ein großer, auch internationaler Erfolg geworden
        3046 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
        (A) )
        (B) )
        und hat zur Rettung vieler tausend Unternehmen und Ar-
        beitsplätze beigetragen, weil der Staat mit seinen An-
        sprüchen in der Krise der Unternehmen zurückgetreten
        ist, um den bedrohten Unternehmen die Chance zur Er-
        haltung und Erneuerung nicht zu verbauen. Der kluge
        Staat nämlich ist – gerade mit Blick auf die Liquidität
        seiner sozialen Kassen – unbedingt an der Erhaltung der
        Unternehmen interessiert.
        Es liegt an uns allen gemeinsam, ob wir ein geglück-
        tes Stück Reformpolitik beibehalten wollen oder durch
        unsere Zustimmung zu diesem Entwurf einen insolvenz-
        rechtlichen Salto Mortale zurück zur Konkursordnung
        anstellen.
        Wir sollten daher auf der Ebene der Obleute des
        Rechtsausschusses dringend Einigkeit über die Erforder-
        lichkeit einer Sachverständigenanhörung erzielen, um
        überhaupt das Maß an Sachinformation erlangen zu kön-
        nen – das uns die Entwurfsersteller lieber vorenthalten
        wollten –, das wir aber benötigen, um Richtiges von Fal-
        schem in diesem Entwurf zu scheiden.
        Ein abschließendes Wort zum Pfändungsschutz der
        Altersvorsorge: Obwohl es sich um einen richtigen An-
        satz handelt, ist dieser weniger als die halbe Miete. Die
        Rücklagen für die Alterssicherung sind in unserem Land
        natürlich erst dann wirklich umfassend und gerecht ge-
        schützt, wenn wir gleichzeitig die Freibeträge für Hartz-
        IV-Empfänger für die Verwertung von Altersrücklagen
        vor Inanspruchnahme von Sozialleistungen anheben.
        Hier bestehen nämlich unerträglich weit gehende Ver-
        pflichtungen zur Abschmelzung privater Altersrückla-
        gen, die – mit Blick auf den hier in Rede stehenden Pfän-
        dungsschutz – kaum dem Gleichheitsgebot genügen
        dürften.
        Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der
        erste Teil des Gesetzentwurfes, über den wir heute de-
        battieren, zielt darauf ab, die private Altersvorsorge, vor
        allem von Selbstständigen, besser als bisher vor Pfän-
        dungen zu schützen. Dieses Ziel unterstützen wir Grüne
        ausdrücklich.
        Ein Pfändungsschutz, wie er heute für Renten aus der
        gesetzlichen Rentenversicherung bereits existiert, dient
        – auch, aber nicht nur – dem Schutz des Schuldners.
        Sein Existenzminimum im Alter soll vor Gläubigerzu-
        griffen gesichert werden. Daneben hat der Pfändungs-
        schutz aber auch die Funktion, die staatliche Gemein-
        schaft von Sozialleistungen zu entlasten: Ohne den
        Pfändungsschutz wäre der Schuldner im Alter im Falle
        einer Pfändung seiner Altersversorgung auf öffentliche
        Transferleistungen angewiesen. Indem der Gesetzent-
        wurf hier in begrenztem Rahmen die Interessen der Ge-
        meinschaft und des – zuvor als Selbstständiger tätigen –
        Schuldners über die Gläubigerinteressen stellt, fördert er
        eine Kultur der Selbstständigkeit und verbessert den
        Rahmen für Existenzgründungen. Dies findet unsere Zu-
        stimmung.
        „Ursprünglich, das will ich an dieser Stelle nicht ver-
        hehlen, hatten wir Grünen Bedenken, da der Gesetzent-
        wurf solche Versicherungsverträge nicht erfasst, bei de-
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        en Dritte – also vor allem Frauen von selbstständig
        ätigen – bezugsberechtigt sind. Da aber bei der Bestim-
        ung der Pfändungsfreigrenze auch Unterhaltspflichten
        u berücksichtigen sind, erscheint ein hinreichender
        chutz zugunsten von Ehegatten oder -gattinnen bzw.
        indern gewährleistet.
        Nach wie vor kritisch sehen wir jedoch die gesetzli-
        he Beschränkung des Schutzes auf Lebensversicherun-
        en, primär auf Rentenversicherungen. Auch wenn dies
        ie am häufigsten gewählte Form privater Alterssiche-
        ung sein mag, könnte die Regelung gleichwohl zu
        ettbewerbsverzerrungen zulasten anderer Altersvor-
        orgeprodukte, zum Beispiel Banksparpläne oder Fonds-
        parpläne, führen. Werden also solche Wettbewerbsver-
        errungen in erheblichem Unfang erkennbar – was wir
        m Rechts-, aber auch den anderen Ausschüssen sehr ge-
        au erörtern und prüfen wollen –, dann muss hier nach-
        ebessert werden, zugunsten solcher Alterssicherungen,
        ei denen in vergleichbarer Weise ein Missbrauch ausge-
        chlossen werden kann. Dann wird es nicht reichen,
        iese Entscheidung auf einen späteren Zeitpunkt zu ver-
        chieben, wie es die Bundesregierung angedacht hat,
        enn sie bei dem Gesetzentwurf von einem „ersten
        chritt“ spricht.
        Lassen Sie mich nun zum zweiten Teil des Gesetz-
        ntwurfes kommen, der darauf abzielt, die Insolvenz-
        nfechtungen zu beschränken. Das Anfechtungsrecht
        es Insolvenzverwalters wegen vorsätzlicher Benachtei-
        igung soll auf Fälle unlauteren Verhaltens beschränkt
        erden.
        Diese Neuregelung soll vor allem – was aber mit dem
        esetzentwurf mehr verdunkelt als laut ausgesprochen
        ird – die finanziellen Ausfälle beim Fiskus und den So-
        ialkassen deutlich verringern. In der öffentlichen Dis-
        ussion wurde an dieser Regelung zum Teil erhebliche
        ritik geäußert. Diese Kritik teilen wir. Meines Erach-
        ens bedeutet diese Neuregelung, auch wenn das Justiz-
        inisterium beteuert, die Regelung würde für alle Gläu-
        iger gleichermaßen gelten, im Ergebnis gleichwohl eine
        bkehr vom Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung,
        lso einer wesentlichen Errungenschaft der Insolvenzre-
        orm von 1999. Denn im Gegensatz zu privaten Gläubi-
        ern haben nur der Fiskus und die Sozialkassen die
        öglichkeit, ihre Forderungen selbst titulieren und voll-
        trecken zu können. Sie sind also strukturell schneller als
        ndere Gläubiger. Für letztere wird somit die verblei-
        ende Massenquote drastisch sinken. Man kann es auch
        twas deutlicher formulieren, sie werden „in die Röhre“
        chauen.
        So berechtigt der Ansatz erscheint, dem Fiskus und
        en Sozialversicherungsträgern Einnahmen zu erhalten:
        ies darf nicht zulasten sanierungsfähiger Unternehmen,
        urch die Arbeitsplätze erhalten werden können, gehen.
        as Insolvenzrecht ist hierfür nicht der richtige Ort. Zu
        iesen rechts- wie wirtschaftspolitisch sehr tief greifen-
        en Regelungen werden wir deshalb in den Ausschüssen
        lso noch sehr intensiv diskutieren müssen.
        Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der
        undesministerin der Justiz: Bei diesem Gesetzentwurf
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3047
        (A) )
        (B) )
        geht es um zwei verschiedene Punkte: Erstens den Pfän-
        dungsschutz für Kapitallebensversicherungen und pri-
        vate Rentenversicherungen und zweitens die Einschrän-
        kung der Insolvenzanfechtung.
        Der Pfändungsschutz der Altersvorsorge ist heute un-
        zureichend. Renten aus der gesetzlichen Rentenversiche-
        rung genießen einen Pfändungsschutz. Dagegen sind die
        Einkünfte Selbstständiger nicht in gleicher Weise vor
        Pfändung geschützt. Auf Vermögenswerte, die ein
        Selbstständiger für seine Altersvorsorge vorgesehen hat,
        können Gläubiger also unbeschränkt zugreifen. Das geht
        nicht nur zulasten des einzelnen Unternehmers und sei-
        ner Familie, sondern ist auch gesamtwirtschaftlich kein
        guter Zustand. Denn wenn alles gepfändet werden kann,
        ist der Unternehmer im Alter auf staatliche Transferleis-
        tungen angewiesen. Die privaten Gläubiger bedienen
        sich bei dem Altersvorsorgevermögen des Unternehmers
        und die staatliche Solidargemeinschaft kann dann für die
        tatsächliche Versorgung im Alter aufkommen.
        In einem ersten Schritt sieht der Gesetzentwurf des-
        halb vor, für die Lebensversicherung und die private
        Rentenversicherung einen Pfändungsschutz zu schaffen.
        Das sind die am weitesten verbreiteten Formen der Al-
        terssicherung Selbstständiger.
        Unser Ziel ist es, nicht nur die Rentenzahlungen zu
        schützen. Auch das anzusparende Vorsorgekapital soll
        vor Pfändung geschützt sein, soweit das erforderlich ist,
        um im Alter eine existenzsichernde Rente zu erhalten.
        Die Höhe des pfändungsgeschützten Vorsorgekapitals
        steigt progressiv mit dem Lebensalter. Das angesparte
        Kapital soll im Falle einer regelmäßigen Beitragszah-
        lung mit Vollendung des 65. Lebensjahres eine Rente er-
        möglichen, die in etwa so hoch ist wie die Pfändungs-
        freigrenze.
        Ich bin zuversichtlich, dass dieser Schutz auch dazu
        beitragen wird, den Menschen Mut zum Schritt in die
        Selbstständigkeit zu machen.
        Das zweite Ziel dieses Entwurfes ist eine gewisse Be-
        schränkung der Insolvenzanfechtung. Wir müssen zwei
        Dinge in Einklang bringen: die Insolvenzanfechtung als
        Ausdruck des Grundsatzes der Gläubigergleichbehand-
        lung und das zentrale sozial- und wirtschaftspolitische
        Anliegen, für eine langfristige finanzielle Stabilität der
        sozialen Sicherungssysteme zu sorgen. Nur wenn es ge-
        lingt, die Sicherungssysteme auf eine solide finanzielle
        Grundlage zu stellen, kann das Vertrauen der Bevölke-
        rung in den Sozialstaat auch in Zukunft bewahrt werden.
        Die steigenden Kosten der sozialen Sicherung führen
        dazu, dass der Faktor Arbeit immer stärker belastet wird.
        Hohe lohnbezogene Sozialbeiträge behindern die Schaf-
        fung von Arbeitsplätzen. Die Bundesregierung will des-
        halb den Faktor Arbeit entlasten. Diesem Bemühen läuft
        es jedoch zuwider, wenn jährlich mehrere 100 Millionen
        Euro an Beitragsaufkommen den Sozialkassen im Wege
        der Insolvenzanfechtung entzogen werden.
        Im Unterschied zu sonstigen Gläubigern müssen die
        Sozialkassen jeden Schuldner akzeptieren, der Arbeitge-
        ber von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ist,
        ohne dass eine Auswahl – etwa nach Bonität oder nach
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        angjährigen Geschäftsbeziehungen – für sie möglich
        äre. Und sie müssen dafür einstehen, dass den Arbeit-
        ehmern später die Sozialleistungen, für die Beiträge be-
        ahlt wurden, auch zur Verfügung stehen. Gleichzeitig
        ind die Sozialkassen besonders stark Insolvenzanfech-
        ungen ausgesetzt.
        Die vorgesehene Regelung wird deshalb die von der
        echtsprechung sehr weitgehend ausgestaltete Insol-
        enzanfechtung zurückführen, und zwar maßvoll und
        hne den gesetzlichen Grundsatz der Gläubigergleichbe-
        andlung infrage zu stellen. Ich bin mir im Klaren da-
        über, dass die vorgesehene Regelung in der Praxis vor
        llem den Sozialkassen zugute kommen wird. Bei einer
        bwägung der widerstreitenden Interessen scheint mit
        as aber hinnehmbar, wenn wir dem wirtschaftlichen
        achstum und der Schaffung neuer Arbeitsplätze Vor-
        ang einräumen wollen. Das sollten wir tun.
        nlage 6
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Für einen Beobach-
        terstatus Taiwans bei der Weltgesundheitsver-
        sammlung (Tagesordnungspunkt 18)
        Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CDU/
        SU): Die überwiegende Mehrheit der internationalen
        emeinschaft, darunter alle EU-Mitgliedstaaten und die
        SA, vertreten eine „Ein-China-Politik“ und erkennen
        aiwan nicht als selbstständigen Staat an. Die Bundesre-
        ierung wie die Europäische Union können den Antrag
        aiwans auf einen Beobachterstatus bei der Weltgesund-
        eitsorganisation daher nicht unterstützen. Auch die
        DU/CSU lehnt den Antrag der FDP ab.
        Regelmäßig tritt Taiwan für einen solchen Beobach-
        erstatus anlässlich der jährlich im Mai stattfindenden
        eltgesundheitsversammlung ein, die am 22. bis
        7. dieses Monats stattfinden wird. Die Frage einer insti-
        utionalisierten taiwanesischen Mitarbeit in der WHO
        at mittlerweile den Status einer politischen Prinzipien-
        rage zwischen der Volksrepublik China und der taiwa-
        esischen Seite vor dem Hintergrund erreicht, dass die
        olksrepublik eine Wiedervereinigung mit Taiwan an-
        trebt und, gleichzeitig, Taiwan seinen internationalen
        pielraum und damit die entsprechende Anerkennung zu
        rweitern sucht.
        Aus unserer Sicht ist die Frage des formalisierten Be-
        bachterstatus von der faktischen Einbindung Taiwans
        n die Arbeit der WHO bzw. Weltgesundheitsversamm-
        ung zu unterscheiden. Grundsätzlich steht einer fachli-
        hen Mitarbeit Taiwans bei der WHO und deren Förde-
        ung und Vertiefung nichts im Wege. Auf pragmatische
        rt und Weise eine faktische Einbindung Taiwans zu er-
        eichen kann den Gründen, die im heute debattierten An-
        rag für die zentrale Forderung der FDP benannt werden,
        llerdings auch ohne einen Beobachterstatus Taiwans
        echnung tragen.
        Die EU, die Bundesregierung und auch die CDU/
        SU haben eine solche Einbindung Taiwans in die
        3048 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
        (A) )
        (B) )
        Arbeit der WHO stets befürwortet. Wir unterstützen
        nicht nur die Prinzipien der WHO-Verfassung, wonach
        die Teilhabe an höchstmöglichen Gesundheitsstandards
        zu den fundamentalen Rechten jedes Einzelnen zählt;
        darüber hinaus sind wir an einer pragmatischen Lösung
        der Anwendung der Internationalen Gesundheitsregeln
        – International Health Regulations – interessiert. Denn
        derart können Lücken, zum Beispiel bei der grenzüber-
        schreitenden Seuchenbekämpfung, vermieden werden –
        und dies muss auch im Interesse aller Beteiligten sein.
        Diese Position der Bundesregierung hat auch die EU ge-
        genüber der chinesischen Regierung vorgetragen.
        In der Tat findet – entgegen der Erläuterung des FDP-
        Antrages – eine solche Einbindung bereits statt.
        Hierüber haben die WHO und Volksrepublik China so-
        gar ein Memorandum of Understanding geschlossen.
        Zwischen der Weltgesundheitsorganisation und dem
        Center for Disease Control in Taipeh gibt es eine regel-
        mäßige Kooperation. Die WHO arbeitet bereits beim
        Ausbruch von schweren übertragbaren Krankheiten, die
        sich international ausbreiten können, mit den taiwanesi-
        schen Gesundheitsbehörden zusammen. Das ist etwa bei
        SARS oder der Vogelgrippe geschehen. Demzufolge
        läuft ein nicht unwesentlicher Teil Ihrer Forderungen ins
        Leere.
        Selbst von offizieller taiwanesischer Seite – nament-
        lich von Vizeminister Kao – war kürzlich anlässlich ei-
        ner Reise nach Europa zu vernehmen, dass es Taiwan
        weniger auf den Beobachterstatus als vielmehr auf eine
        Verbesserung und Intensivierung der Zusammenarbeit
        ankomme. Auf Initiative der Bundesregierung hat die
        EU-Präsidentschaft jüngst gegenüber der WHO zum
        Ausdruck gebracht, dass die EU die Vertiefung der Ein-
        bindung Taiwans in die Arbeit der Weltgesundheitsorga-
        nisation wünscht – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der
        Vogelgrippe. WHO-Generalsekretär Lee hat am 2. Mai
        gegenüber der EU zugesagt, sich dafür einsetzen zu wol-
        len.
        Dies sind vernünftige, durchaus pragmatische An-
        sätze, die die Notwendigkeit der verbesserten Zusam-
        menarbeit nicht von Statusfragen und politischen Sensi-
        bilitäten in anderen Kontexten abhängig macht. Hier hat
        die Bundesregierung die volle Unterstützung der CDU/
        CSU-Fraktion.
        Die FDP schießt mit ihrem Antrag hingegen über das
        Ziel hinaus. Begründet wird der Antrag damit, dass ge-
        fährliche und sich rapide ausbreitende Seuchen, wie zum
        Beispiel die Vogelgrippe, nur effektiv bekämpft werden
        können, wenn alle Regionen der Welt zusammenarbeiten
        und keine von dieser Zusammenarbeit ausgeschlossen
        bleibt. Das ist richtig.
        Allerdings: Wie hier dargestellt, ist es für eine Verbes-
        serung der Zusammenarbeit nicht zwingend erforderlich,
        Taiwan einen Beobachterstatus zu geben. Einen solchen
        zu fordern, vermag für das eigentlich angestrebte Ziel
        sogar kontraproduktiv zu wirken: Die Wahrscheinlich-
        keit, dass somit nur weitere Spannungen zwischen Tai-
        wan und der VR China provoziert würden ist schwerlich
        auszuschließen, was dem eigentlichen Ziel einen Bären-
        dienst erweisen würde. Einer pragmatischen Lösung
        –
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        siehe das erwähnte Memorandum of Understanding –
        at sich China jedenfalls nicht in den Weg gestellt.
        Gerade aufgrund der in den letzten Jahren zunehmen-
        en Spannungen zwischen China und Taiwan muss auch
        er Deutsche Bundestag hier besonderes Fingerspitzen-
        efühl unter Beweis stellen.
        Dies hat das Hohe Haus in anderen Kontexten bereits
        etan. Ich darf daran erinnern, dass der Deutsche Bun-
        estag mit großer Mehrheit die Aufhebung des EU-Waf-
        enembargos ebenfalls abgelehnt hat – damals in der De-
        atte auch seitens einiger eingedenk des dargestellten
        erhältnisses China-Taiwan und des chinesischen Anti-
        ezessionsgesetzes.
        Rücksicht auf diese mit vielen Implikationen verbun-
        ene Spannungslage zu nehmen, bedeutet indes nicht,
        ei allen Themenkreisen in hehre Schweigsamkeit ver-
        allen zu müssen. Die Bundeskanzlerin fährt bekanntlich
        nde des Monats nach China. Ein Schelm wer den FDP-
        ntrag in diesen Zusammenhang stellen wollte. Ange-
        ichts ihrer sehr gelungenen Auftritte in Moskau und
        ashington begleitet die Bundeskanzlerin allerdings die
        rwartung, dass sie auch „schwierige“ Themen – zumal
        it der erforderlichen Sensibilität – nicht aussparen
        ird.
        Insgesamt muss unser überragendes Interesse sein,
        ass der Konflikt zwischen Peking und Taipeh nicht wei-
        eren Eskalationsstufen zugeführt wird.
        Detlef Dzembritzki (SPD): Wir haben Verständnis
        ür den Wunsch Taiwans auf eine aktive Beteiligung an
        er Arbeit der Weltgesundheitsorganisation. Die WHO
        st eine global wirkende Institution, deren Einsatz keine
        egionale Ausnahme verträgt.
        Bei der politischen Unterstützung des Wunsches Tai-
        ans kann jedoch Deutschland alleine wenig bewirken.
        ielmehr sind die Mitgliedstaaten der EU der notwen-
        ige Adressat für eine solche Initiative. Anzustreben ist
        aher ein koordiniertes Vorgehen, um in Genf im nächs-
        en Jahr erfolgreich sein zu können.
        Wichtig ist, dass allgemeine Politik und Weltgesund-
        eitsvorsorge in diesem Zusammenhang nicht vermischt
        erden. Hier geht es um die Abwehr von Gefahren für
        ie Gesundheit weltweit, gerade aus der Region, in der
        ich Taiwan befindet. Viele Grippewellen, auch SARS
        der aktuell die Vogelgrippe, haben in Südchina und der
        mgebenden Region ihren Ausgang genommen. Deswe-
        en ist eine Beteiligung Taiwans an den Erkenntnissen,
        en Strategien und den Programmen der Weltgesund-
        eitsorganisation keine abstrakte Frage, sondern ein sehr
        onkretes, aktuelles Erfordernis.
        Japan und die USA haben schon vor geraumer Zeit si-
        nalisiert, dass sie diese Sichtweise teilen. Deswegen
        uss jetzt die Zeit genutzt werden, um den notwendigen
        onsens herbeizuführen.
        Natürlich verbindet Taiwan mit seinem Anliegen die
        offnung, seinen Status als Land in den internationalen
        eziehungen zu verbessern. Daran ist im Grunde nichts
        uszusetzen, und dennoch ist es aussichtsreicher, diese
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3049
        (A) )
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        Fragen zu trennen und einer gesundheitspolitischen Ar-
        gumentation zu folgen.
        Der Beobachterstatus, der beispielsweise Organisatio-
        nen wie dem Roten Kreuz bereits eingeräumt wurde,
        sollte es leichter machen, Taiwan Mitwirkungsmöglich-
        keiten einzuräumen, ohne von unserer Position in der
        Ein-China-Politik abzuweichen.
        Schon aus rationalen Erwägungen sollte uns an einer
        engeren Kooperation des WHO mit dem hoch entwickel-
        ten taiwanesischen Gesundheitssystem und seinen medi-
        zinischen Forschungseinrichtungen gelegen sein. Zu-
        gleich mache ich aus meiner Sympathie für die
        Entwicklung Taiwans von einem autoritären Regime hin
        zu einer durchaus funktionierenden Demokratie mit
        freien Wahlen, Meinungsfreiheit und Achtung der Men-
        schenrechte keinen Hehl.
        Die Bundeskanzlerin sollte bei ihrem Besuch in der
        Volksrepublik China das Interesse Deutschlands an einer
        engen und intensiven Zusammenarbeit in Fragen der Ge-
        sundheit mit der gesamten Region betonen und zugleich
        die Volksrepublik zu einer Verbesserung der Informa-
        tionspolitik bei Seuchen und Epidemien auffordern, denn
        auch das gehört in diesem Zusammenhang erwähnt.
        Harald Leibrecht (FDP): Wir Liberale sind besorgt
        über den derzeitigen Status der Zusammenarbeit zwi-
        schen der WHO und Taiwan.
        Die Weltgesundheitsorganisation stellt die oberste
        und wichtigste Instanz dar, wenn es um effektive und ko-
        ordinierte Krankheitsbekämpfung und -vorbeugung
        geht.
        Heute, in Zeiten von Krankheiten wie SARS und der
        Vogelgrippe, ist es absolut notwendig, dass alle Regio-
        nen der Welt umfassend in dieses globale Gesundheits-
        netzwerk eingebunden werden.
        Die Bundesregierung selbst stellte vergangenen Fe-
        bruar in ihrem Bericht über „außen- und sicherheitspoli-
        tische Implikationen und Auswirkungen von Seuchen
        am Beispiel der Vogelgrippe“ fest, dass in der globali-
        sierten Welt eine effiziente internationale Zusammenar-
        beit „unverzichtbar“ ist, da Tierseuchen nicht an Gren-
        zen Halt machen. Dem kann ich nur zustimmen.
        Dennoch bleibt Taiwan bis heute ein systematischer
        und umfassender Zugang zur WHO verwehrt und kann
        nur eingeschränkt an den Programmen und Treffen der
        WHO teilnehmen.
        Die Wichtigkeit und Notwendigkeit. Taiwan systema-
        tisch in die WHO einzubinden sieht man derzeit ganz
        deutlich an der Problematik der Vogelgrippe. Taiwan ist
        eine bedeutende Station auf der Route verschiedener
        Zugvögel: Etwa 1,25 Millionen Zugvögel passieren jähr-
        lich Taiwan oder überwintern dort. Hinzu kommt, dass
        Taiwan einer der wichtigsten internationalen Verkehrs-
        knotenpunkte im westlichen Pazifik ist.
        Trotzdem ist Taiwan bis heute aus dem Seuchenbe-
        kämpfungsnetz der WHO ausgeschlossen. Dabei würden
        die WHO und wir, ihre Mitgliedsländer, von einer Ein-
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        indung Taiwans unmittelbar profitieren, denn Taiwan
        at beachtliche Erfolge im Gesundheitssektor vorzuwei-
        en:
        So wurde in Taiwan das erste umfassende Kranken-
        ersicherungssystem in Asien aufgebaut; Taiwan hat
        ine hohe Dichte an Ärzten vorzuweisen und zahlreiche
        bertragbare Krankheiten wie Tollwut, Malaria und Kin-
        erlähmung überwunden.
        Den Grund, warum Taiwan dennoch seit Jahrzehnten
        n Sachen WHO ausgeschlossen wird, kennen wir alle:
        eil es China nicht gefällt.
        Die Volksrepublik protestiert lauthals: Taiwan weiter
        n die WHO einzubeziehen würde gegen die Ein-China-
        olitik verstoßen – würde eine „Staatlichkeit“ Taiwans
        nerkennen und sei ohnehin unrechtmäßig, da Taiwan
        ein Mitglied der Vereinten Nationen ist. Aber was wir
        ier fordern, hat mit all dem nichts zu tun. Dies ist kein
        ntrag auf die Anerkennung Taiwans als unabhängiger
        taat. Dies ist kein Rütteln an der Ein-China-Politik.
        nd dies ist kein Verstoß gegen die UN- oder WHO-Sat-
        ung.
        Dies bedeutet lediglich, dass wir auf der gesundheits-
        olitischen Landkarte keinen weißen Fleck dulden. Dass
        ir Taiwan – eine reifende Demokratie mit einem eta-
        lierten Gesundheitswesen – nicht länger ausschließen
        ollen aus dem globalen Gesundheitsnetzwerk – sowohl
        it Blick auf die Gesundheit der taiwanesischen Bevöl-
        erung als auch auf unsere eigene.
        Im Übrigen sieht die Satzung der WHO für Nichtmit-
        lieder der UN eine Aufnahme auf der Grundlage eines
        infachen Mehrheitsbeschlusses vor.
        Die Weltgesundheitsversammlung, WHA, das
        öchste Entscheidungsgremium der WHO, hat überdies
        ie Möglichkeit, internationale oder nichtstaatliche Or-
        anisationen einzuladen, an den Aktivitäten der WHO
        eilzunehmen. So haben in der Vergangenheit Palästina
        nd Malta einen Beobachterstatus bei der WHA erhalten
        nd werden routinemäßig zu deren Treffen eingeladen.
        Eine direkte und geregelte Einbindung Taiwans in die
        rbeit der WHO wäre schon mit einem Beobachterstatus
        n der WHA erreichbar.
        Denkbar wäre zum Beispiel in Anlehnung an Taiwans
        itgliedschaft in der WTO – gegen die ich im Übrigen
        us diesem Hause auch keinen Protest gehört habe –,
        aiwan als „Gesundheitseinheit“ oder Ähnliches einzu-
        eziehen.
        Nächste Woche reist Bundeskanzlerin Merkel nach
        hina. Dort wird sie wichtige Themen der Wirtschafts-,
        ußen- und Sicherheitspolitik diskutieren. Ich hoffe,
        ass auf der parallel tagenden Weltgesundheitsversamm-
        ung in Genf die Gesundheitspolitik einen Schritt voran-
        ommt und Taiwan einen Beobachterstatus bei der
        HA erhält – mit der Stimme der deutschen Vertreter.
        Schließen wir uns in dieser Sache dem Europaparla-
        ent und unseren amerikanischen und japanischen Kol-
        egen an und beenden diesen gesundheitspolitischen Un-
        ug.
        3050 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
        (A) )
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        Monika Knoche (DIE LINKE): Zu später Stunde be-
        schäftigen wir uns mit einem kleinen Problem, das – ich
        sage es direkt – auch noch größer gemacht wurde mit
        diesem Antrag als es eigentlich ist. Mag sein, dass es den
        Freidemokraten entgangen ist – ich kann es mir jedoch
        nicht so recht vorstellen – Tatsache ist aber: Taiwan ist
        seit Mai 2005 Gegenstand eines Memorandums of Un-
        derstanding mit China. Es handelt sich um eine Verein-
        barung zwischen der WHO und China, eine Vereinba-
        rung auf der Grundlage der Ein-China-Politik, die es
        Taiwan erlaubt, unter bestimmten Bedingungen an
        WHO-Sitzungen teilzunehmen.
        Gesundheitspolitische Experten aus Taiwan haben im
        zurückliegenden Jahr achtmal Gebrauch von dieser Ver-
        einbarung gemacht, und zwar genau zu den Themen, die
        die FDP hier darstellt respektive heraushebt – wie die
        Vogelgrippe. Das Memorandum of Understanding er-
        streckt sich auf alle Fragen der Gesundheitsprävention,
        die übertragbare Krankheiten betreffen, also auch HIV/
        Aids, TBC etc. Zwar ist der Text des Memorandums
        nicht öffentlich, wohl aber alle Informationen der WHO
        zu den angesprochenen Krankheiten. So sind alle Richt-
        linien der WHO zugänglich und über Internet alle fach-
        lichen Informationen zu erhalten. Von einem Informa-
        tionsdefizit kann nicht die Rede sein, von einem
        Kooperationsdefizit der WHO mit Taiwan auch nicht.
        Allerdings erlaubt es der konstitutionelle Rahmen der
        WHO nicht, direkte diplomatische Beziehungen zu Tai-
        wan aufzunehmen. Die FDP scheint dies mit dem Antrag
        aber auch gar nicht zu wollen. Die darin vorgeschlage-
        nen Erweiterungen über das genannte Memorandum hi-
        naus bergen meines Erachtens zu viele Risiken auf au-
        ßenpolitischem Gebiet, als dass ich ihnen zustimmen
        wollte.
        Taiwan kann von sich sagen, dass es einen hohen me-
        dizinischen und gesundheitlichen Standard aufweist. Es
        ist wahrlich kein Entwicklungsland, in dem gravierende
        Defizite auf diesem Gebiet epidemiologisch die Warnsi-
        gnale aufleuchten ließe.
        Auch – so meine ich – ist die Vogelgrippe überschätzt
        in ihrem Bedrohungspotenzial, als dass man deswegen
        von „außen- und sicherheitspolitischen Implikationen“
        reden müsste. Insofern ist das Beispiel Vogelgrippe oh-
        nehin schlecht gewählt. Zur Frage, ob wir uns als Parla-
        ment mit dem Thema befassen sollen, neige ich zur Ab-
        lehnung.
        Taiwan ist vom Großteil der Staaten nicht als unab-
        hängiger Staat anerkannt. Das hat seine guten Gründe
        und daran wollen Sie und wir nichts ändern. Die Aus-
        grenzung Taiwans in sachlichen und fachlichen Fragen
        des Infektionsschutzes kann ich aufgrund unserer Re-
        cherche nicht sehen.
        Wir sind als Abgeordnete gut beraten, taiwanische In-
        teressen auf staatliche Souveränität nicht durch partielle
        und in der Bedeutung überhöhte Fragen eine Aufwer-
        tung zu geben.
        Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
        weltweite Verflechtung, meist Globalisierung genannt,
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        st eine Tatsache. Ebenso eine Tatsache ist, dass hierzu
        icht nur Wirtschaftsbeziehungen und ihre sozialen Aus-
        irkungen gehören, sondern auch eine ganze Reihe von
        eiteren Effekten. Wenn Güter und Kapital reisen, rei-
        en auch Menschen. Dies ist auf der ganzen Welt so, und
        s betrifft praktisch alle Länder. Besonders aber gilt dies
        ann, wenn starke Wirtschaften mit hohem Exportanteil
        orhanden sind.
        Zu diesen Ländern gehört schon seit Jahrzehnten auch
        aiwan, Die taiwanesische Wirtschaft gehört zu den ex-
        ortstärksten Asiens, sogar der Welt. Dieser Umstand ist
        eshalb von Bedeutung, weil er eine große Anzahl an
        eltweiten Kontakten mit sich bringt. So begrüßenswert
        der auch nur normal dies ist, so hat es doch auch Kon-
        equenzen, die besondere Beachtung verdienen, Eine
        olche Konsequenz ist die einfache Erkenntnis, dass
        enschliche Kontakte auch das Risiko der Übertragung
        on Krankheiten bedeuten, und je mehr solcher Kon-
        akte es gibt, umso größer wird die Wahrscheinlichkeit
        iner Ansteckung.
        Zur Eindämmung dieses Risikos bzw. seiner unver-
        eidlichen Folgen gibt es die Weltgesundheitsorganisa-
        ion. Sie ist wesentlicher Bestandteil des weltweiten
        etzwerks zur Gesundheitsvorsorge und -versorgung,
        ie bildet dessen institutionelle Struktur. Es scheint ba-
        al, auf deren Sinn und Notwendigkeit hinzuweisen, zu-
        al angesichts der immer enger werdenden Verflechtung
        on Volkswirtschaften, des wissenschaftlichen, kulturel-
        en und touristischen Austauschs weltweit. Dennoch
        cheint dieser Hinweis notwendig, denn bis heute wird
        inem Land wie Taiwan mit dem Verweis auf seine völ-
        errechtliche Nichtanerkennung der Zugang zur Weltge-
        undheitsorganisation verwehrt.
        Meiner Ansicht nach ist diese Begründung ebenso
        urzsichtig wie überflüssig, und das möchte ich erklären.
        Kurzsichtig wäre die Aufrechterhaltung des Aus-
        chlusses Taiwans von der Mitarbeit in der WHO
        eshalb, weil die Überwachung, Eindämmung und Be-
        ämpfung von Pandemien und Seuchen, von Infektions-
        rankheiten aller Art in unser aller Interesse ist. Dabei ist
        er völkerrechtliche Status eines Gebietes unerheblich.
        rankheiten richten sich nicht danach, ob ein Land, in
        em sie vorkommen, als Staat anerkannt ist. Taiwan war
        nd ist naturgemäß von allen weltweit sich verbreiten-
        en Infektionskrankheiten betroffen. Ich erinnere nur an
        ie gerade noch rechtzeitig eingedämmte SARS-Epide-
        ie im südchinesischen Raum vor einigen Jahren. Schon
        amals sollte klar sein, dass eine Einbindung Taiwans in
        as internationale Gesundheitssystem sinnvoll und not-
        endig ist. Heute ist die erkennbar gestiegene Gefahr
        er Ausbreitung der Vogelgrippe eine Aufgabe auch der
        HO. Und auch hier ist offensichtlich, dass kein be-
        ohntes Gebiet der Erde vor dieser Krankheit und ihren
        uswirkungen geschützt ist.
        Überflüssig ist der Ausschluss Taiwans von der Ein-
        eziehung in die Arbeit der WHO deshalb, weil diese
        einerlei völkerrechtliche Auswirkung hat. Die WHO ist
        ine Sonderorganisation der UN, die eine spezielle fach-
        iche Aufgabe hat. Nichtmitglieder der UN können Mit-
        lied der WHO sein oder Beobachterstatus genießen, je-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3051
        (A) )
        (B) )
        denfalls Zugang zu ihrer Arbeit haben. Dafür gibt es eine
        Reihe von Beispielen: Nicht anerkannte staatsähnliche
        Gebiete wie Palästina gehören dazu oder auch internatio-
        nale Organisationen wie das Rote Kreuz. Warum nicht
        Taiwan? Warum sollte, wer in der WTO mitarbeiten
        kann oder an Olympischen Spielen teilnehmen, nicht
        auch zur Aufrechterhaltung der Gesundheit bei sich und
        weltweit beitragen dürfen? Der völkerrechtliche Status
        spielt dabei keine Rolle. Worum es geht, ist die Bedeu-
        tung eines Landes für die Verbreitung von Infektions-
        krankheiten, sein und der Schutz seiner Nachbarn vor
        deren Ausbreitung und nicht zuletzt sein möglicher Bei-
        trag zur Eindämmung von Epidemien und Seuchen.
        Unter den mehr als 20 Millionen Einwohnern Tai-
        wans gibt es eine ganze Reihe hervorragender Wissen-
        schaftler und Ärzte. Die Insel hatte das erste flächende-
        ckende Krankenversicherungssystem Asiens und verfügt
        über ein sehr gut ausgebautes Gesundheitssystem. Eine
        Einbeziehung Taiwans in die Arbeit der WHO wäre
        nicht nur gut für das Land, gut für die Chancen der welt-
        weiten Bekämpfung von Epidemien, sondern auch gut
        für die Arbeit der WHO selbst, Taiwan kann mit seinen
        Erfolgen in der Gesundheitspolitik zum Erfolg der WHO
        beitragen. Zu wünschen wäre deshalb auch seine Mit-
        arbeit in den Lenkungsgremien der WHO und an ihren
        Arbeitsprogrammen. Dieser Ansicht sind mittlerweile
        nicht nur eine Reihe von Staaten, sondern auch von inter-
        nationalen medizinischen Fachorganisationen. Deutsch-
        land sollte sich diesen Erkenntnissen nicht verschließen
        und der praktischen Vernunft Genüge tun. Die Unterstüt-
        zung eines Beobachterstatus Taiwans in der WHO würde
        uns allen nützen.
        Anlage 7
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über
        die Errichtung einer Bundesanstalt für den
        Digitalfunk der Behörden und Organisationen
        mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS-Gesetz –
        BDBOSG) (Zusatztagesordnungspunkt 8)
        Ralf Göbel (CDU/CSU): Die große Koalition bringt
        die Einführung des neuen und digitalen Funksystems für
        die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufga-
        ben, BOS, voran. Das Bundesinnenministerium ent-
        scheidet Ende Juni über die Vergabe der Systemtechnik,
        die Verhandlungen über den Betrieb des Funknetzes sind
        auch auf gutem Wege. Noch in diesem Jahr soll mit dem
        Aufbau des Funknetzes begonnen werden.
        Der Gesetzgeber steht nun vor der Aufgabe, die not-
        wendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die
        Vergabe des Digitalfunks zügig abgeschlossen und bald
        mit dem Aufbau des Funknetzes begonnen werden kann.
        Folgendes ist dafür zu tun. Erstens müssen im Bundes-
        haushalt 2006 die notwendigen Finanzmittel bereitge-
        stellt werden. Zweitens bedarf es einer Organisation, die
        den Aufbau und Betrieb des Funknetzes steuert und die
        unterschiedlichen Akteure von Bund und Ländern koor-
        diniert.
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        Die Verabschiedung des Bundeshaushaltes ist im Juni
        eplant. Um die organisatorischen Voraussetzungen für
        igitalfunk zu schaffen, hat das Bundesinnenministe-
        ium den heute zur Debatte stehenden Gesetzentwurf
        orgelegt. Der Gesetzentwurf sieht vor, eine Bundesan-
        talt für den Digitalfunk der Behörden und Organisatio-
        en mit Sicherheitsaufgaben, BDBOS, zu errichten.
        iese neue Behörde soll die Aufgabe haben, den BOS-
        igitalfunk aufzubauen, zu betreiben und seine Funk-
        ionsfähigkeit sicherzustellen.
        Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien
        lar zum Ausdruck gebracht, dass sie möglichst rasch
        en BOS-Digitalfunk einführen wollen. Notwendig ist
        er BOS-Digitalfunk deshalb, weil die Kommunika-
        onsstrukturen der BOS nicht mehr heutigen Anforderun-
        en genügen. Dies gilt besonders mit Blick auf mögliche
        erroranschläge und Katastrophenfälle. Die analogen
        unknetze, die seit den 70-Jahren genutzt werden, sind
        eraltet und nicht abhörsicher. Bei Großeinsätzen sind
        ie analogen Netze schon häufig zusammengebrochen.
        uch die Ersatzteilbeschaffung wird immer schwieriger
        nd kostenintensiver. Demgegenüber wird der Digital-
        unk die Kommunikation der BOS verbessern. Sprach-
        bertragung und Datenkommunikation werden innerhalb
        ines gemeinsamen Netzes ermöglicht. Dies erleichtert
        en gemeinsamen, koordinierten Einsatz unterschiedli-
        her Behörden und Einsatzkräfte. Der Informationsaus-
        ausch erfolgt verschlüsselt und ist deshalb abhörsicher –
        ies verbessert den Datenschutz und verhindert, dass
        traftäter den Funkverkehr abhören und dadurch polizei-
        ichen Maßnahmen entgehen können.
        Am Beginn des Gesetzgebungsverfahrens für das
        DBOS-Gesetz stellt sich die Frage, inwiefern für das
        igitale Funknetz eine eigene Organisation benötigt
        ird, und wenn ja, ob dazu eine Bundesanstalt gegründet
        erden sollte. Ich bin der Auffassung, dass beide Fragen
        it ja zu beantworten sind. Die Innenministerkonferenz
        at bereits im März 2005 beschlossen, dass eine „BOS-
        telle“ eingerichtet werden soll.
        Für eine eigene Organisation für den BOS-Digital-
        unk spricht zunächst die große Komplexität des Projek-
        es. Das deutsche BOS-Netz wird das größte digitale
        unknetz der Welt sein. Seine Einführung ist sehr zeit-
        ufwendig und wird sich bis Ende 2010 hinziehen. Das
        etz wird von sehr unterschiedlichen Behörden und Or-
        anisationen genutzt werden – von der Polizei des Bun-
        es und der Länder, von den Feuerwehren und Rettungs-
        iensten, vom Technischen Hilfswerk und dem Zoll. Der
        ufbau und Betrieb ist technisch anspruchsvoll und wir
        issen, welche Risiken technologische Großprojekte
        ergen. Nicht zuletzt ist auch wichtig, die Kosten für Er-
        ichtung und Betrieb unter Kontrolle zu haben.
        Das alles macht es erforderlich, eine Stelle zu schaf-
        en, in der der betriebswirtschaftliche, taktische und
        echnische Sachverstand gebündelt wird. Es ist sinnvoll,
        ie Interessen von Bund und Ländern zu koordinieren
        nd einheitlich gegenüber dem Systemlieferanten und
        em Betreiber des Funknetzes zu vertreten. Den Auftrag-
        ehmern sollten nicht 17 verschiedene, sondern eine Auf-
        aggeberorganisation gegenüberstehen. Dies vermindert
        3052 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
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        das Risiko erheblich, dass der Betrieb eines bundesweit
        einheitlichen Digitalfunks an technischen oder organisa-
        torischen Problemen scheitert.
        Damit die gemeinsame Stelle von Bund und Ländern
        als Auftraggeberorganisation fungieren kann, ist es er-
        forderlich, diese Stelle als eine eigenständige juristische
        Person einzurichten. Dies wird erreicht, indem die ge-
        meinsame Stelle als rechtsfähige Anstalt des öffentli-
        chen Rechts errichtet wird. Diese Rechtsform stellt im
        verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen zudem sicher,
        dass die Länder – sie sind die Hauptnutzer des Funknet-
        zes und werden einen beträchtlichen Teil der Kosten tra-
        gen – angemessen am Aufbau und Betrieb des Digital-
        funks mitwirken können. Das wäre bei einer obersten
        Bundesbehörde oder bei einer Bundesoberbehörde nicht
        möglich.
        Für die Schaffung einer Bundesanstalt und damit ei-
        ner Behörde sprechen auch Sicherheitsgründe. Dass das
        digitale Funknetz der Sicherheitsbehörden für die Si-
        cherheit der Bundesrepublik eine zentrale Rolle spielen
        wird, liegt auf der Hand. Gerät das Funknetz in Gefahr,
        kann dies auch die Innere Sicherheit gefährden. In einem
        solchen Fall ist eine Behörde notwendig, die Maßnah-
        men zur Gefahrenabwehr anordnen kann. Der Gesetz-
        entwurf sieht dazu eine Ermächtigung ausdrücklich vor,
        beispielsweise soll sich die Bundesanstalt Zugang zu
        Computersystemen des Funknetzes verschaffen und die
        Steuerung dieser Systeme übernehmen können.
        In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung,
        dass die Bundesanstalt befugt werden soll, die Sicherheit
        des Netzes und seiner Komponenten zu überprüfen, um
        Gefahren vorab erkennen zu können. Die im Gesetzent-
        wurf vorgesehenen Regelungen zur Abwehr netzspezifi-
        scher Gefahren und zur Überwachung sind deshalb
        wichtig, weil private Unternehmen bei Errichtung und
        Betrieb des Funknetzes einbezogen sind. Das BOS-Netz
        wird somit kein rein staatliches Netz sein – es bedarf ei-
        ner Behörde, die das Funktionieren des Netzes über-
        wacht und gewährleistet.
        Ein zweiter Sicherheitsaspekt ist nicht so offensicht-
        lich: Die Funktionsfähigkeit der Bundesanstalt wird
        auch dadurch gewährleistet, dass der Bund als Zahlungs-
        träger die Zahlungsfähigkeit garantiert. Dementspre-
        chend ist auch laut Gesetzentwurf die Eröffnung des In-
        solvenzverfahrens nicht zulässig.
        Vor gut einem Jahr standen wir als Gesetzgeber be-
        reits schon einmal vor der Frage, ob eine Bundesanstalt
        für den Digitalfunk eingerichtet werden soll. Das Ge-
        setzgebungsverfahren wurde nicht abgeschlossen – der
        Gesetzentwurf der rot-grünen Koalition fiel der Diskon-
        tinuität zum Opfer. Ich habe mich gegen den damaligen
        Gesetzentwurf ausgesprochen. Die Unionsfraktion hat
        gegen den Gesetzentwurf gestimmt.
        Beim damaligen Stand des Verfahrens war nicht er-
        sichtlich, wie und in welchem Umfang der Ausgleich
        von Bundes- und Länderinteressen innerhalb der Bun-
        desanstalt erfolgen sollte. Deshalb wurde diesem Ge-
        setzentwurf in einer Anhörung attestiert, gegen den ver-
        fassungsrechtlichen Grundsatz der Bundestreue zu
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        erstoßen und verfassungswidrig zu sein. Mittlerweile
        iegt ein Verwaltungsabkommen vor, in dem dieser ge-
        annte Ausgleich enthalten ist. Ich danke dem Bundesin-
        enminister, dass er mit seinem neuen Stil von Kollegia-
        ität mit den Innenministern der Länder eine schnelle
        ösung im Streit um das Verwaltungsabkommen gefun-
        en hat. Das Verwaltungsabkommen zwischen dem
        und und den Ländern wurde heute Mittag paraphiert.
        Mit dem Verwaltungsabkommen regeln Bund und
        änder ihre Zusammenarbeit beim Aufbau und Betrieb
        es BOS-Digitalfunks. Das Abkommen trifft klare Re-
        elungen, beispielsweise über die Aufgaben des Verwal-
        ungsrates, der Stimmenzahl der einzelnen Länder im
        erwaltungsrat sowie über die jeweiligen Kostenanteile
        on Bund und Ländern für die Realisierung der Netzab-
        chnitte. Anders als vor einem Jahr wissen die Länder,
        as auf sie zukommt, wenn die Bundesanstalt für den
        igitalfunk gegründet wird. Deshalb ist der heutige Ge-
        etzentwurf zustimmungsfähig.
        Für den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf spricht au-
        erdem, dass er gegenüber dem alten Entwurf der Vor-
        ängerregierung die Aufgaben des Verwaltungsrates we-
        entlich erweitert: Die Satzung der Bundesanstalt wird
        icht mehr durch den Präsidenten, sondern durch den
        erwaltungsrat erlassen. Es wird festgelegt, dass die
        ntscheidung über die grundsätzlichen Angelegenheiten
        er Bundesanstalt dem Verwaltungsrat obliegt. Die Stär-
        ung des Verwaltungsrats gegenüber dem früheren Ent-
        urf ermöglicht es den Ländern, über dieses Gremium
        hre Interessen besser zu vertreten und in die Bundesan-
        talt einzubringen. Der Grundsatz der Bundestreue wird
        ingehalten.
        Die Situation hat sich gegenüber der von vor einem
        ahr aufgrund des verbesserten – und vorab mit den Län-
        ern abgestimmten – Gesetzentwurfs und dem mittler-
        eile vorliegenden Verwaltungsabkommen geändert.
        as im Entwurf vorgelegte BDBOS-Gesetz sowie das
        erwaltungsabkommen bilden eine gute Grundlage, die
        on der Innenministerkonferenz beschlossene BOS-
        telle in Form einer Bundesanstalt für Digitalfunk zu
        erwirklichen.
        Ich plädiere dafür, das Gesetzgebungsverfahren in
        undestag und Bundesrat zügig abzuschließen, damit
        ie Bundesanstalt für Digitalfunk bald gegründet und die
        oraussetzungen gegeben sind, mit dem Aufbau und Be-
        rieb des Digitalfunks so schnell wie möglich zu begin-
        en. Dies wird die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden
        erbessern und somit der Inneren Sicherheit in Deutsch-
        and zugute kommen.
        Gerold Reichenbach (SPD): Unter Fachleuten,
        ber auch In der Politik ist seit mindestens einem halben
        ahrzehnt unumstritten, dass unser veraltetes analoges
        unksystem für die Behörden und Organisationen im Si-
        herheitsbereich auf den modernen Digitalfunk umge-
        tellt werden muss.
        Der Digitalfunk bietet gegenüber dem analogen Sys-
        em vor allem die seit langem geforderte Abhörsicher-
        eit. Der Digitalfunk bietet höheren Kommunikations-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3053
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        komfort. Er bietet die Möglichkeit des Datentransports
        und damit einer modernen Führung und Kommunika-
        tion, er bietet die Möglichkeit der besseren Organisation
        und eines effektiveren Managements des Funkverkehrs
        und, last but not least, er verfügt über viel höhere Kapa-
        zitäten – in Bezug auf Katastrophen und Großschadens-
        lagen ein ganz wesentlicher Punkt.
        Mit der Einführung des Digitalfunks in Deutschland
        bewerkstelligen wir die Aufgabe, das größte europäische
        Funknetz für die Behörden und Organisationen mit Si-
        cherheitsaufgaben mit einem Schlag in die neue Technik
        zu transformieren. Ich sage das ganz bewusst an die
        Adresse all der Kritiker, die immer wieder moniert ha-
        ben, dass Deutschland eines der letzten Länder ohne
        diese neue Technik sei. Diese Transformation eines
        komplett bestehenden Netzes ist keineswegs vergleich-
        bar mit dem, was in anderen europäischen Ländern in-
        zwischen an Neueinführungen, Pilotprojekten oder auch
        Insellösungen realisiert wurde. Denn das, was in anderen
        europäischen Ländern zum Großteil erst mit der Einfüh-
        rung des Digitalfunks realisiert wurde, existiert und
        funktioniert in Deutschland bereits seit Jahrzehnten: ein
        einheitliches, integriertes Netz für alle Behörden und Or-
        ganisationen im Sicherheitsbereich quer über alle Bun-
        desländer.
        Damit ist die Aufgabe, die wir uns vorgenommen ha-
        ben, auch schwieriger. Aber sie lohnt die Anstrengung,
        weil dadurch unsere Sicherheitsbehörden an Führungs-
        und Kommunikationsfähigkeit und damit wir alle an Si-
        cherheit hinzugewinnen. Und weil dies eine schwierige
        Aufgabe ist, weil wir bei dieser neuen Technik Bund,
        Länder und Gemeinden und ebenso Polizei, Feuerwehr
        und Hilfsorganisationen gemeinsam mitnehmen müssen,
        gerade deshalb hatten und haben wir einen erheblichen
        Abstimmungsbedarf, nicht zuletzt bei der Finanzvertei-
        lung.
        Ich möchte an dieser Stelle unterstreichen: Dass wir
        heute mit dem vorliegenden Gesetz einen weiteren wich-
        tigen Schritt bei der Einführung des Digitalfunks ma-
        chen, ist dem ehemaligen Bundesinnenminister Otto
        Schily zu verdanken. Er hat mit seinem Angebot, dass
        der Bund den Aufbau des Rumpfnetzes mit einer Flä-
        chenabdeckung von 50 Prozent für jedes Bundesland
        schultert, den gordischen Knoten der Finanzverteilungs-
        frage zwischen Bund und Ländern durchschlagen. Damit
        gelang ihm der entscheidende Durchbruch zur Realisie-
        rung des Projektes. Und gleichzeitig hat er dafür gesorgt,
        dass wir in Zukunft einen Wettbewerb bei den Anbietern
        haben werden, indem er die Vergabe für den Betrieb des
        Netzes und die Systemlieferung trennte. Diese Frage ist
        gerade im Hinblick auf die Kosten, die bei den Endgerä-
        ten auf die Gemeinden und Hilfsorganisationen zukom-
        men, und im Hinblick auf die Frage, wie die weitere
        technische Entwicklung des Netzes aussehen wird, nicht
        unerheblich.
        Für uns Sozialdemokraten war auch von Anfang an
        klar, dass der Staat für die Einführung und den Betrieb
        eines solchen für die innere Sicherheit eminent wichti-
        gen Netzes die Eingriffs- und Kontrollbefugnisse behal-
        ten muss. Uns war auch klar, dass für die Einführung
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        nd den späteren Betrieb sowie den weiteren Ausbau des
        etzes eine Organisationsform gefunden werden muss,
        ie die Beteiligung der Länder gewährleistet, die nach
        nserer Verfassung ja für einen nicht unwesentlichen
        eil der Behörden und Organisationen im Sicherheitsbe-
        eich zuständig sind oder die zuständigen kommunalen
        ufgabenträger vertreten.
        Und so debattieren wir heute erneut im Deutschen
        undestag über ein Gesetz zur Errichtung einer Bundes-
        nstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisa-
        ionen mit Sicherheitsaufgaben. Wir erinnern uns, dass
        ir bereits vor knapp einem Jahr, am 30. Juni 2005, in
        iesem Hause mit der damaligen Regierungsmehrheit
        in solches Gesetz beschlossen haben, das sich von dem
        etzt eingebrachten Gesetz lediglich in Details, aber
        icht in der Substanz unterscheidet. Dieses Gesetz fiel
        diese kritische Anmerkung sei mir gegenüber unserem
        euen Koalitionspartner erlaubt – sachlich unnötiger-
        eise, aber politisch motiviert der Diskontinuität an-
        eim, weil die Zustimmung im Bundesrat verweigert
        urde. Eigentlich könnte ich, was die inhaltliche Be-
        ründung des hier vorliegenden Gesetzes betrifft, die
        eile meiner damaligen Rede, die übrigens damals schon
        u Protokoll gegeben wurde, heute erneut zu Protokoll
        eben.
        Die wesentlichen Punkte lassen sich kurz wie folgt
        usammenfassen. Wir brauchen die Bundesanstalt für
        en Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit
        icherheitsaufgaben, weil wir den Sach- und Fachver-
        tand bündeln und die abzuschließenden Verträge für
        lanung, Aufbau und Betrieb des Digitalfunksnetzes op-
        imal managen wollen. Nur über die Bundesanstalt kann
        er erforderliche technische und betriebswirtschaftliche
        achverstand optimal gebündelt und eine kontinuierliche
        ualitätssicherung gewährleistet werden.
        Wir benötigen eine BOS-Stelle als einheitlichen
        achwalter der von Bund und Ländern eingebrachten In-
        eressen und Vermögenswerte. Wir folgen damit der zwi-
        chen Bundesinnenminister und Landesinnenministern
        m März 2004 geschlossenen Dachvereinbarung zur Zu-
        ammenarbeit beim Aufbau und Betrieb eines bundes-
        eit einheitlichen digitalen Sprech- und Datenfunksys-
        ems für alle Behörden und Organisationen mit
        icherheitsaufgaben und den dazugehörigen Beschlüs-
        en der Innenminister, die eine solche BOS-Stelle ver-
        inbarten.
        Auch die Wirtschaft benötigt einen einheitlichen und
        ompetenten Ansprechpartner. Dies kann der bisherige
        00-köpfige Lenkungsausschuss von Bund und Ländern
        icht leisten.
        Und wir brauchen eine Stelle, die mit hoheitlichen
        efugnissen ausgestattet, auch später die Eingriffsrechte
        esitzt, um den Betrieb des Netzes jederzeit überwachen
        der notfalls per Ersatzvornahme sicherstellen zu kön-
        en.
        Das Vergabeverfahren ist im Gange und die einzelnen
        chritte werden ohne Zeitverzögerung kontinuierlich ab-
        earbeitet. Und bei allem, was da auch an öffentlichen
        3054 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
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        Positionierungen der Konkurrenten bzw. jetzt ausge-
        schiedenen Konkurrenten zu hören ist: Die absolute Kor-
        rektheit der Vergabestelle und der Durchführung der bis-
        herigen Verfahrensschritte hat niemand, auch nicht die
        ausgeschiedenen Bieter, in Zweifel gezogen.
        Lassen Sie mich deshalb auch hier die Gelegenheit
        nutzen, den vielen Beamten im Bundesinnenmmiste-
        rium, bei den beteiligten Behörden der Länder, bei de-
        nen, die in den Lenkungsausschüssen bei der Erstellung
        der gemeinsamen Anforderungen, bei der Vorbereitung
        und Durchführung der Ausschreibungs- und Vergabever-
        fahren unzählige Arbeitsstunden geleistet haben – nicht
        selten über die Wochenenden hinweg und in die Nacht-
        stunden hinein –, meinen ganz herzlichen Dank auszu-
        sprechen.
        Wenn das Vergabeverfahren auch weiter ohne An-
        fechtung verlaufen kann, werden wir es noch vor der
        Sommerpause im Rahmen des Zeitplanes abschließen
        können. Wenn bis zu diesem Zeitpunkt das Parlament
        seine Hausaufgaben gemacht und das Gesetzgebungs-
        verfahren zur Errichtung einer Bundesanstalt abge-
        schlossen hat, dann bin ich optimistisch, dass noch in
        diesem Jahr die konkreten Beauftragungen durchgeführt
        werden können. Denn zeitgleich haben heute die Staats-
        sekretärinnen und Staatssekretäre der Innenministerien
        des Bundes und der Länder das Verwaltungsabkommen
        zur Errichtung des Digitalfunks für die Behörden und
        Organisationen mit Sicherheitsaufgaben paraphiert.
        An dieser Stelle sei mir noch eine Anmerkung, auch
        um der historischen Wahrheit willen, erlaubt: Wenn wir
        das so, wie wir es uns vorgenommen haben, umsetzen
        können, wird voraussichtlich noch in diesem Jahr Bun-
        desinnenminister Wolfgang Schäuble den Startschuss
        zum Aufbau des neuen digitalen Funknetzes geben kön-
        nen. Aber ohne die wichtigen Vorarbeiten seines Vorgän-
        gers Otto Schily und ohne seinen mutigen Schritt nach
        vorne wäre dies nicht möglich. Oder um in einem alten
        Sinnbild zu bleiben: Der Künstler, der am Ende das
        Turmkreuz setzt, sollte den Baumeister nicht gering ach-
        ten, der den Turm gebaut hat.
        Die neue Technik bereits zur diesjährigen WM zur
        Verfügung zu stellen, haben wir zwar nicht erreicht.
        Aber wenn wir das, was sich Bund und Länder gemein-
        sam vorgenommen haben, erreichen, nämlich die neue
        Technik bis 2010 flächendeckend für alle Behörden und
        Organisationen im Sicherheitsbereich einzuführen, dann
        werden wir zwar nicht die Ersten in Europa bei der Ein-
        führung eines digitalen Funknetzes gewesen sein, aber
        wir werden das Land sein, das über das größte und am
        weitesten integrierte Funknetz für alle Behörden und Or-
        ganisationen mit Sicherheitsaufgaben verfügt.
        Die SPD-Fraktion hat im Interesse der inneren Si-
        cherheit diesen Weg immer konsequent verfolgt. Sie
        wird es auch weiter tun.
        Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Alter Wein in
        neuen Schläuchen ist nicht besser. Auch in der neuen
        Initiative der Bundesregierung bleibt die FDP bei ihrer
        Kritik an der geplanten Einrichtung der Bundesanstalt
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        ür Digitalfunk. Es ist für uns nicht ersichtlich, warum
        ie im Gesetzentwurf der Bundesanstalt zugewiesenen
        ufgaben nicht ebenso von einem entsprechenden Stab
        m Bundesinnenministerium erledigt werden könnten.
        ir brauchen nicht eine Vielzahl neuer Dienstposten,
        ondern eine effiziente Ausgestaltung der Digitalfunk-
        inführung. Die Kosten für eine Bundesanstalt von we-
        igstens 3 Millionen Euro jährlich sind überflüssig.
        uch teilen wir nicht den Optimismus, dass die zusätzli-
        hen Personalkosten mit dem Wegfall von Planstellen im
        MI finanziert werden können. Die Erfahrung mit der
        ründung neuer Behörden spricht eindeutig dagegen.
        ie Steuerung der Digitalfunkeinführung kann sehr gut
        n Zusammenarbeit mit Privatunternehmen erfolgen –
        as ist besser als jede neue Behörde. Als Vergabestelle
        st die geplante Bundesanstalt für den Digitalfunk nur
        ine weitere Behörde, die sich mit der Beschaffung be-
        chäftigen soll. Gerade im Beschaffungswesen der Bun-
        esregierung sind noch erhebliche Effizienzpotenziale
        uszumachen. Allein das Beschaffungsamt des BMI ist
        it 211,5 Stellen ausgestattet. Das sollte doch genügen.
        s ist schon bezeichnend, wenn die Bundesregierung
        itten in den Haushaltsplanberatungen in Zeiten knap-
        er Kassen hier falsche Zeichen setzt. Die neue Bundes-
        egierung nimmt die dringend notwendige Einführung
        er digitalen Funktechnik für die BOS zum Anlass, mit
        achhaltiger Wirkung das Geld der Steuerzahler zum
        enster hinauszuwerfen.
        Das Scheitern des ersten Anlaufs der rot-grünen Ko-
        lition, eine solche Bundesanstalt einzurichten, hat zwar
        urchaus einen Lerneffekt gebracht. Die Verbesserungen
        m Gesetzentwurf gegenüber dem aus der vergangenen
        ahlperiode haben aber wenig Bedeutung angesichts
        er grundsätzlichen Schieflage des ganzen Projektes.
        ber auch im Detail ist der Gesetzentwurf so jedenfalls
        icht zustimmungsfähig. Das Herzstück des Gesetzes ist
        as Verwaltungsabkommen von Bund und Ländern. Die-
        es ist eben heute unterzeichnet worden. Wie wir Abge-
        rdneten darüber informiert worden sind, ist kein Zeug-
        is von parlamentarischer Gesinnung. So wäre eine
        ustimmung zu dem Gesetz ein Blankoscheck für die
        egierung. Alle Kolleginnen und Kollegen, die den
        ontrollauftrag des Parlaments ernst nehmen, können
        iner solchen Blanko-Ermächtigung nicht zustimmen.
        Die eigentümlichen Modalitäten der Ausschreibung
        ür die Einführung des Digitalfunks, die sinnigerweise
        u einem einzigen verbleibenden Bieter geführt haben,
        ind – um es vorsichtig auszudrücken – dabei ähnlich
        ngewöhnlich, wie die vorgesehene Bundesanstalt. Die
        inanzierung des gesamten Projekts für den Bund – bei
        inem Bieter ist die Auswahl ja eher gering –, aber auch
        ie Finanzierungsbedingungen für jedes einzelne Bun-
        esland geraten so aus dem Blick. Haben denn der Bund
        nd vor allem die Länder schon jetzt einen klaren Über-
        lick über die dauerhaften Folgekosten? Wer trägt zum
        eispiel die Kosten der Weiterentwicklung? Da nach all-
        em, was man in der Öffentlichkeit erfährt, das Vergabe-
        erfahren rechtlich – vorsichtig gesagt – bedenklich ist,
        ächst mein Verständnis für die, die nach einem siche-
        en Neustart für das Projekt rufen. Denn wir sollten
        chnellstmöglich die beste Technik in Deutschland um-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3055
        (A) )
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        setzen. Dies ist in Gefahr durch rechtliche und techni-
        sche Risiken, fehlende politische Grundlagen und
        unübersehbare finanzielle Fragen. Eine neue Ausschrei-
        bung könnte bei größerer Technikoffenheit möglicher-
        weise nicht nur die Kosten für den BOS-Digitalfunk
        reduzieren, sondern die Einführung sogar noch be-
        schleunigen. Es wäre eine Schande, wenn wir nun noch
        länger auf die Einführung des Digitalfunks warten müss-
        ten. Wir haben schwerwiegende Bedenken gegen diesen
        Gesetzentwurf, den Umgang mit dem Parlament und vor
        allem die Art und Weise, wie die Bundesregierung die
        schnellstmögliche Einführung des Digitalfunks durch
        mögliches Missmanagement insgesamt riskiert.
        Ulla Jelpke (DIE LINKE): Was die von der Bundes-
        regierung angestrebte Bundesanstalt regeln soll, ist ein
        völlig überteuertes und unnötiges Projekt. Wie mittler-
        weile üblich, wird der Öffentlichkeit auch die Einfüh-
        rung des Digitalfunks als absolut notwendige Maßnahme
        zur Gewährleistung der Sicherheit verkauft. Ohne den
        angeblichen Antiterrorkampf zu beschwören, geht nach
        Ansicht der Regierung offenbar gar nichts mehr. Das ist
        in diesem Fall doppelt absurd: Erstens muss die Regie-
        rung auf Nachfrage jedes Mal zugeben, dass sie über-
        haupt keine konkreten Erkenntnisse zu einer Gefährdung
        durch Terrorbanden hat. Zweitens ist das vorgeschlagene
        Mittel, also der digitale Funkverkehr, kein geeignetes
        Mittel.
        Einen dritten Grund, weswegen die Fraktion Die
        Linke den Gesetzentwurf der Regierung ablehnt, will ich
        hier auch gleich nennen: Das ganze Projekt ist schlicht
        und einfach nicht realistisch finanzierbar. Die Kosten-
        schätzungen für die bundesweite Einführung des Digital-
        funks, die beispielsweise von der Gewerkschaft der
        Polizei vorgenommen wurden, belaufen sich auf Ge-
        samtkosten von über 7 Milliarden Euro. Und da frage ich
        mich natürlich, wo dieses Geld herkommen soll.
        Hinzu kommt, dass die ursprüngliche Absicht, ein eu-
        ropaweit abgestimmtes Digitalfunknetzwerk aufzu-
        bauen, schon lange gescheitert ist. Der Wegfall der Bin-
        nenkontrollen im Schengenraum sollte ja quasi
        kompensiert werden durch eine Harmonisierung des Di-
        gitalfunkverkehrs möglichst aller europäischen Staaten.
        Weil das Projekt aber niemals richtig vorangekommen
        ist, sind einzelne Länder wie Frankreich mit Alleingän-
        gen vorgeprescht, und die Modellversuche, wie sie etwa
        vor einigen Jahren im grenznahen Bereich Aachen statt-
        gefunden haben, haben schlicht und einfach keine Zu-
        kunft. Die Harmonisierungsbemühungen, die jetzt noch
        von der Polizeiarbeitsgruppe des Rates der Innen- und
        Justizminister angestrengt werden, sind im Wesentlichen
        Makulatur. Es ist nicht ernsthaft zu erwarten, dass ein
        Land, das sich bereits für einen bestimmten Standard
        entschieden hat, nun wieder alles rückgängig macht, um
        doch noch eine gemeinsame Lösung zu finden. Das wäre
        erst recht nicht zu finanzieren. Ich habe sowieso den
        Eindruck, dass die Schwachstellen des Systems bislang
        nicht richtig zur Kenntnis genommen werden. So ist
        etwa die so genannte In-house-Versorgung nicht gewähr-
        leistet. Das bedeutet, dass Polizei- oder Feuerwehrange-
        hörige, die sich in Häusern befinden, keinen oder nur er-
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        chwerte Kommunikationsmöglichkeiten haben. Was im
        alle eines Ausfalls der verschiedenen Server, die für
        en Digitalfunk ermöglicht werden, passiert, ist ohnehin
        lar: Absolute Funkstille im wahrsten Sinn des Wortes
        äre die Folge. Eine Panne, die beim bisherigen Analog-
        unkverkehr ausgeschlossen ist. Der Polizeiexperte
        tephan Stolle kam wegen all dieser Faktoren bereits vor
        rei Jahren in einem Artikel für die Zeitschrift CILIP zu
        em Schluss, dass der Analogfunkverkehr alle notwen-
        igen Aufgaben bereits erfüllt und das Projekt Digital-
        unk im Wesentlichen als gescheitert betrachtet werden
        uss. Anstatt nun also eine Behörde einzurichten, die
        ine Totgeburt meistern soll, wäre der Sicherheit mehr
        amit gedient, die Ausstattung beispielsweise der Feuer-
        ehr zu verbessern.
        Einen Punkt will ich noch ansprechen: § 15 des Ge-
        etzentwurfs sieht vor, die Anstalt dazu zu ermächtigen,
        ich gewaltsamen Zutritt zu all solchen Unternehmen zu
        erschaffen, die für sicherheitsrelevant gehalten werden.
        s ist bezeichnend, dass die Bundesregierung als Bei-
        piel für einen möglichen Einsatz ausgerechnet das Ge-
        ährdungsmerkmal „rechtswidriger Streik“ anführt.
        Die Bundesanstalt soll also ausdrücklich als Streik-
        recherin eingesetzt werden können. Und was heißt
        chon „rechtswidriger“ Streik: Die Zeit, um gerichtlich
        ie Zulässigkeit eines Streiks zu prüfen, soll sich die An-
        talt ja gar nicht nehmen. Es ist ausdrücklich nicht der
        ang zu einem Gericht vorgesehen, sondern ein „verein-
        achtes“ Verfahren.
        Diesem überteuerten, unsinnigen und den Rechtsfrie-
        en gefährdenden Projekt wird Die Linke deswegen
        icht zustimmen.
        Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE
        RÜNEN): Der Gesetzentwurf zur Einrichtung einer
        undesanstalt für den Digitalfunk wurde bereits von
        ot-Grün verabschiedet und anschließend leider im
        undesrat blockiert. Ich begrüße, dass die CDU/CSU
        unmehr ihre Bedenken zurückgestellt hat. Auch wenn
        ch bedauere, dass aus parteipolitischen und wahltakti-
        chen Gründen hier erneut fast ein Jahr verloren gegan-
        en ist und die Einführung eines digitalen Funknetzes
        ür Polizei, Feuerwehr, Katastrophen- und Rettungs-
        ienste weiterhin nur im Schneckentempo vorankommt.
        Dass Deutschland nicht in der Lage war, zur Fußball-
        M ein modernes digitales Funknetz einzuführen, ist
        in Armutszeugnis für die Sicherheitspolitik. Schuldzu-
        eisungen kann man hier wechselseitig an den Bund
        nd die Länder geben. Die Einführung bzw. die jahre-
        ange Blockade der Einführung des digitalen Polizei-
        unks ist ein Beispiel dafür, wie gefährlich schwerfällig
        er Föderalismus sein kann.
        Es ist erfreulich, dass Bund und Länder sich offen-
        ichtlich auf ein Verwaltungsabkommen verständigt ha-
        en und dies bereits paraphiert ist. Die Einrichtung einer
        undesanstalt als Bündelungs- und Koordinierungsbe-
        örde für die organisatorische Bewältigung der Aufga-
        en zur Einführung eines digitalen Funknetzes habe ich
        nter Rot-Grün begrüßt und meine Haltung hat sich auch
        3056 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
        (A) )
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        jetzt in der Oppositionsrolle nicht geändert. Es ist erfor-
        derlich, dass die Interessen der Nutzer des Digitalfunks
        gebündelt wahrgenommen werden und das Zweckver-
        mögen gemeinsam verwaltet wird.
        Lassen Sie mich aber auch ein paar kritische Anmer-
        kungen machen. Wir wollen ein Höchstmaß an Transpa-
        renz im weiteren Verfahren. Ich lasse mich nicht in
        Haftung nehmen für den Vertrag, den der ehemalige
        Bundesinnenminister Otto Schily mit der Deutschen
        Bahn AG geschlossen hat. Die Bahntochter Telematik
        soll den Betrieb eines Rumpfnetzes übernehmen. Dieser
        Alleingang des damaligen Bundesinnenministers hat si-
        cherlich nicht zu einem konstruktiven gemeinsamen
        Handeln von Bund und Ländern beigetragen. Das Parla-
        ment ist über das ganze Vertragsverfahren mit der Deut-
        schen Bahn nach wie vor nur sehr unzureichend infor-
        miert.
        Aus den Medien war zu entnehmen, das EADS einzig
        verbliebener Bewerber um die Auftragsvergabe für die
        Systemtechnik ist. Auch hier gilt: Die Entscheidung im
        Ausschreibungsverfahren ist für uns Abgeordnete nicht
        transparent. Ausgeschiedene Anbieter haben bereits mit
        einem gerichtlichen Klageverfahren gedroht. Wir wer-
        den im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens im Innenaus-
        schuss einen ausführlichen Bericht der Bundesregierung
        zu diesen Vertrags- und Ausschreibungsverfahren for-
        dern. Schließlich geht es hier um Milliardenbeträge, für
        die das Parlament in den Haushalten die Verantwortung
        übernehmen soll.
        Bereits im ersten rot-grünen Gesetzesverfahren haben
        wir durch Änderungsanträge darauf hingewirkt, dass das
        Haushaltsrecht des Parlamentes und das Kontrollrecht
        des Bundesrechnungshofes gestärkt wurde. Ich begrüße,
        dass die große Koalition an diesen Beschlüssen festge-
        halten hat.
        Ich erwarte, dass Bundesinnenminister Schäuble nicht
        nur den Ländern durch die Bundesanstalt Mitwirkungs-
        rechte einräumt, sondern gleichermaßen das Parlament
        an dem weiteren Verfahren beteiligt und für die erforder-
        liche Transparenz sorgt.
        Anlage 8
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Fördergesetz für
        Dieselrußpartikelfilter baldmöglichst vorlegen
        (Tagesordnungspunkt 20)
        Jens Koeppen (CDU/CSU): Wir beraten hier und
        heute über einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
        Grünen mit folgendem Ziel: die Bundesregierung aufzu-
        fordern, ein Gesetz zur steuerlichen Förderung des Parti-
        kelfilters vorzulegen, welches spätestens zum 1. Juli
        2006, also in anderthalb Monaten, in Kraft treten soll.
        Dies mit der Begründung, dass die Bundesregierung seit
        der Neuwahl die Maßnahmen zur Reduktion der Parti-
        kelemissionen verzögert und – zusammen mit der deut-
        schen Automobilindustrie – die Filtertechnologie blo-
        ckiert. Die Fraktion der Grünen hält darüber hinaus die
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        inanzierung durch die Länder für problemlos und sieht
        ier „keine unverhältnismäßige Belastung“.
        Als ich diesen Antrag las, wusste ich ehrlich gesagt
        berhaupt nicht, welche Passage ich am schlechtesten
        echerchiert fand. Ich möchte Ihnen einige ausgewählte
        unkte nennen, um zu begründen, warum meine Frak-
        ion diesen, Ihren Antrag ablehnen wird.
        Erstens. Die Belastung der Luft hat in den letzten Jah-
        en und Jahrzehnten insgesamt deutlich abgenommen.
        ie aktuelle Diskussion um die Feinstaubbelastung
        urde dadurch ausgelöst, dass die sehr anspruchsvollen
        U-Immissionsgrenzwerte in einigen Regionen über-
        chritten worden sind. Diese Grenzwerte haben das Ziel,
        ie Luftqualität kontinuierlich zu verbessern, um die
        enschliche Gesundheit zu schützen. Dies ist ein ehren-
        ertes und richtiges Anliegen. Nichtsdestoweniger halte
        ch nichts davon, Hysterie und Panik zu verbreiten. Es ist
        nzutreffend, zu glauben, dass bis zur 34. Überschreitung
        es Tagesgrenzwertes die Luftqualität unbedenklich ist
        nd bei der 35. Überschreitung die Situation lebensbe-
        rohlich wird. Es hat auch nichts mit Verharmlosung zu
        un, diese Werte realistisch zu betrachten und nicht in
        urzfristigen Aktionismus zu verfallen, wie Sie es hier
        erade wieder einmal tun.
        Sie schreiben, dass „vor allem Partikelemissionen aus
        em Straßenverkehr die Sterblichkeitsrate erhöhen“. Das
        rifft schlichtweg nicht zu. Die Deutsche Gesellschaft für
        neumologie sagt ganz klar, dass die natürlichen Quel-
        en für Feinstaub wie Bodenerosion, Sandstürme, Vul-
        ane und Pollen quantitativ deutlich überwiegen. Auch
        ie sollten sich daher Ihrer Verantwortung gegenüber der
        evölkerung bewusst werden, wenn Sie solche Anträge
        m Parlament einbringen bzw. derartige Aussagen tref-
        en.
        Zweitens. Schon heute besitzen über 60 Prozent aller
        eu zugelassenen Dieselfahrzeuge einen Partikelfilter.
        ie deutschen Automobilhersteller haben in einer
        elbstverpflichtung zugesagt, ab 2008 alle Diesel-PKWs
        erienmäßig mit dem Partikelfilter auszustatten. Jeder
        ürger kann verfolgen, dass jetzt schon der Wiederver-
        aufswert veralteter Dieselfahrzeuge sinkt, etwa durch
        ie künftige Einrichtung von Umweltzonen oder aber
        teuerliche Nachteile. Unterschätzen wir also nicht die
        elbstregulation des Marktes! Neue Diesel-PKWs ohne
        ilter sind kaum noch verkäuflich. Eine bessere Motiva-
        ion für die Autohersteller, ihre Fahrzeuge auf den neu-
        sten Stand zu bringen, kann es doch wohl kaum geben.
        Drittens. Sie behaupten, dass ein schnelles Förderpro-
        ramm für die Länder keine unverhältnismäßige Belas-
        ung darstellt. Auch das trifft nicht zu. Nicht umsonst hat
        er Bundesrat im vergangenen Jahr das Modell der da-
        aligen Bundesregierung abgelehnt. Dort waren keiner-
        ei Angaben zu einer Gegenfinanzierung enthalten und
        ie Deckungslücke in den Landeshaushalten betrug weit
        ehr als 1 Milliarde Euro. Dabei lag der Fokus aus-
        chließlich auf dem Feinstaub. Dieser ist aber nicht der
        inzige Schadstoff, der in der Betrachtung alter Diesel-
        ahrzeuge eine Rolle spielt. Was passiert denn, wenn im
        ächsten Jahr die Stickoxidbelastung in den Medien
        erausgestellt wird und Sie wieder auf den Zug der
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3057
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        allgemeinen Hysterie aufspringen? Wollen Sie dann das
        nächste Fördermodell beantragen? Sollen wieder die
        Länder zur Kasse gebeten werden? Und werden dann die
        Besitzer der für viel Geld nachgerüsteten Altfahrzeuge
        immer noch auf der sicheren Seite sein? Was ich damit
        ins Spiel bringen möchte, lässt sich unter dem Stichwort
        Folgenabschätzung zusammenfassen.
        Und dieser Gedanke führt mich auch gleich zu meinem
        vierten Punkt. Wenn es denn so einfach wäre, so unkom-
        pliziert und haushaltspolitisch unbedenklich, ein Förder-
        programm für Partikelfilter aufzusetzen, warum haben
        Sie das in den vergangenen zwei Legislaturperioden denn
        nicht getan? Sie werfen der Bundesregierung Verzöge-
        rungstaktik vor, einer Regierung, die seit einem halben
        Jahr im Amt ist. Sie selbst haben aber in den sieben Jahren
        davor gar nichts auf den Weg gebracht, um – wie Sie sa-
        gen – die Gesundheit der Menschen in unserem Land zu
        schützen. Das ist die Situation.
        Die Umweltminister der Länder haben schon 2001
        und 2003 den Bund aufgefordert, ein Konzept für steuer-
        liche Anreize für Partikelfilter vorzulegen und die Fein-
        staubproblematik in den Griff zu bekommen. Die
        64. Umweltministerkonferenz hat diese Forderung noch
        einmal bestätigt. Sie waren damals nicht in der Lage, ein
        tragfähiges und zielführendes Konzept zu erarbeiten und
        jetzt tun Sie wieder einmal so, als wären Sie in den letz-
        ten Jahren nicht in der Verantwortung gewesen. Das ist
        ebenso geschickt wie unseriös.
        Schließlich sollten wir uns fünftens auch Gedanken
        um die Aufwand-Nutzen-Rechnung machen. Es gibt
        durchaus seriöse Erhebungen, nach denen Dieselmoto-
        ren nur für 5 Prozent der gesamten Feinstaubbelastung
        verantwortlich sind. In anderen Worten: Selbst wenn alle
        Dieselfahrzeuge in Deutschland einen Partikelfilter hät-
        ten, würden die Grenzwerte überschritten.
        Wir sollten dieses Thema also sachlich diskutieren
        und uns fragen, ob es wirklich Sinn macht, ein Pro-
        gramm im Schnellverfahren zu verabschieden, dessen
        Kosten den Nutzen kaum rechtfertigen würde.
        Mein sechster und letzter Gedanke betrifft ebendiese
        sachliche Diskussion. Im Koalitionsvertrag steht: „CDU/
        CSU und SPD haben es sich zum Ziel gesetzt, die Nach-
        rüstung von Kraftfahrzeugen mit Partikelfiltern aufkom-
        mensneutral steuerlich zu fördern und ab 2008 neue
        Kraftfahrzeuge ohne diesen Standard mit einem steuerli-
        chen Malus zu belegen. Die Bundesregierung wird mit
        einer möglichst einfachen Lösung die Fahrzeuge so
        kennzeichnen lassen, dass Fahrzeuge mit geringem
        Schadstoffausstoß von Verkehrsbeschränkungen ausge-
        nommen werden können und ein Anreiz zum Einsatz
        von Partikelfiltern gegeben wird.“ Es gibt – wie Sie ja in
        der Vergangenheit selbst erfahren durften – eine Vielzahl
        von Faktoren, die in diesem laufenden Verfahren berück-
        sichtigt werden müssen. Ich habe Ihnen einige davon ge-
        nannt. Nach Auffassung meiner Fraktion hat die ehema-
        lige Bundesregierung mit ihrem Vorschlag zur Diesel-
        PKW-Förderung eine zu komplizierte und zu wenig
        durchdachte Regelung vorgeschlagen. Mit ihr wird zu-
        dem nur ein Bruchteil der tatsächlichen Feinstaub-
        emissionen bekämpft.
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        Wir brauchen aber nicht nur eine umweltpolitisch be-
        riedigende Regelung. Sie muss zudem finanzierbar, so-
        ial verträglich und nachhaltig sein. Wenn die Koalition
        ich nicht in ständigen „Nachbesserungen“ und bürokra-
        ischen Überregelungen verlieren will, sollte einer ge-
        etzlichen Regelung eine sachbezogene, von ideologi-
        chen Scheuklappen freie Diskussion vorangehen. In
        hrem Antrag kann ich einen solchen Ansatz wirklich
        icht erkennen.
        Gabriele Frechen (SPD): Die Feinstaubbelastung in
        eutschen Städten und Ballungsräumen hat zum Ende
        es Jahres 2005 weiter zugenommen. Laut Umweltbun-
        esamt haben im abgelaufenen Jahr 30 Städte das EU-
        eit gültige Feinstaublimit überschritten. Das meldet die
        eitung „Die Welt“ am 3. Januar dieses Jahres.
        In Leipzig und München wurden jeweils 107 Über-
        chreitungen gemessen, in Stuttgart nach Angaben des
        egierungspräsidiums an der Messstelle Neckartor an
        73 Tagen. Erlaubt sind nach EU-Richtlinie Überschrei-
        ungen an maximal 35 Tagen.
        Als erste deutsche Großstadt hat Stuttgart zum Jahres-
        eginn 2006 ein großflächiges Durchfahrtsverbot für
        KW ab 3,5 Tonnen zur Verringerung der Feinstaubbe-
        astung eingeführt. Verstöße werden mit Bußgeldern ge-
        hndet, nur der Lieferverkehr ist von dem Verbot ausge-
        ommen. In einem zweiten Schritt soll es von Juli 2007
        n für Autos ohne geregelten Filter mit hohem Schad-
        toffausstoß ein ganzjähriges Fahrverbot in der City ge-
        en. 2012 sollen Dieselfahrzeuge mit einem schlechte-
        en Standard als Euro 3 und ohne Partikelfilter aus dem
        tadtzentrum verbannt werden.
        Warum interessiert uns das? Noch vor wenigen Jahren
        ind Autofahrer auf Dieselfahrzeuge umgestiegen, nicht
        ur deshalb, weil diese Fahrzeuge weniger und billige-
        en Kraftstoff brauchen, sondern auch deshalb, weil sie
        er Meinung waren, einen Beitrag zum Umweltschutz
        u leisten. „Ich fahre einen umweltfreundlichen Diesel“.
        on diesem Satz waren viele Dieselfahrer überzeugt.
        Seit einigen Jahren wissen wir es besser. Nicht nur in-
        eressierte Kreise befassen sich damit. Feinstaub ist in
        en Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerutscht.
        öllig zu Recht: Nach dem Gesundheitsbericht 2002 der
        eltgesundheitsorganisation WHO verursachen urbane
        artikelemissionen etwa 5 Prozent aller Krebserkran-
        ungen der oberen Atemwege und der Lunge. Die klei-
        eren und leichteren Rußpartikel, die die modernen Die-
        elmotoren ausstoßen, sind besonders lungengängig und
        erursachen Lungen- und Herzerkrankungen.
        Ganz besonders betroffen von den Atemwegserkran-
        ungen sind Kinder. Das ist nicht verwunderlich, wenn
        an bedenkt, dass Kinder kleiner und damit näher an der
        öchsten Konzentration der Feinstäube im Straßenraum
        ind und gleichzeitig die Immunabwehr weniger ausge-
        ildet ist.
        Das Aktionsbündnis „Kein Diesel ohne Filter“, ein
        esellschaftliches Bündnis von Umweltverbänden, Au-
        omobil- und Verkehrsclubs, Gesundheitsexperten und
        3058 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
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        Kinderschutzorganisationen, macht sich seit Jahren für
        die schnelle Einführung von Partikelfiltern stark.
        Eine steuerliche Förderung kann die Einführung von
        Dieselrußpartikelfiltern zum Schutz der Gesundheit be-
        schleunigen. Innovative mittelständische Unternehmen
        in Deutschland haben schon lange die Technik entwi-
        ckelt, die Schadstoffemission um bis zu 99,9 Prozent zu
        mindern. Die Entwicklung, die Herstellung, die Ausrüs-
        tung von Neufahrzeugen und die Nachrüstung von Alt-
        fahrzeugen zeigen beste, moderne Ingenieurleistung,
        schaffen Arbeitsplätze und leisten einen erheblichen
        Beitrag zum Umweltschutz.
        Auch die Automobilindustrie selbst, die diese Ent-
        wicklung nicht gesehen, falsch eingeschätzt oder einfach
        nur verschlafen hat, versucht mittlerweile, verlorenes
        Terrain zurückzugewinnen. Geht man auf die Internet-
        seiten von deutschen Automobilherstellern findet man
        bei Dieselfahrzeugen zum Beispiel unter technische Da-
        ten „Oxydationskatalysator, Abgasrückführung, war-
        tungsfreier Partikelfilter“ oder unter Ausstattungsmerk-
        malen: Dieselpartikelfilter.
        Wir haben bereits eine Reihe von Maßnahmen zur
        Bekämpfung der großräumigen Belastung durch Fein-
        staub initiiert. Dazu gehören die Novelle der Großfeue-
        rungsanlagenverordnung und der TA Luft, aber auch die
        Einrichtung eines Förderschwerpunktprogramms für
        partikel- und stickstoffarme Nutzfahrzeuge im ERP-Um-
        weltprogramm.
        Warum es bisher noch kein Gesetz zur Förderung von
        Dieselrußpartikelfiltern gibt, haben die, Kolleginnen und
        Kollegen von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grü-
        nen in ihrem Antrag aufgezeigt. Das ist aber auch das
        einzige, was ich diesem Antrag zugute halten kann, denn
        er war überflüssig. Nächste Woche stellt das Bundesum-
        weltministerium zusammen mit dem Bundesfinanzmi-
        nisterium der interessierten Öffentlichkeit das erarbeitete
        Konzept vor. Gleichzeitig befindet sich das Ministerium
        in den Detailabstimmungen mit den Bundesländern.
        Dass sich Bund und Länder einig in der Art und Weise
        der Förderung sind, kann doch nur in unserem Sinne
        sein, denn wie Sie richtig im Antrag schreiben, ist die
        Kfz-Steuer eine Ländersteuer und der Bundesrat muss
        dem Gesetz zustimmen.
        Der SPD-Bundestagsfraktion ist es im Sinne der Ge-
        sundheit und der Umwelt lieber, dass wir in ein paar Wo-
        chen ein Gesetz bekommen, das die Zustimmung des
        Bundesrates findet, als das wir nächste Woche eines be-
        kommen, das wieder vor dem Bundesrat scheitert. Si-
        cherheit vor Schnelligkeit, das sollte auch Ihr Wille sein.
        Deshalb war Ihr Antrag eine gute chronologische
        Aufarbeitung der Vergangenheit, mehr aber auch nicht.
        Michael Kauch (FDP): Die vor allem im letzten Jahr
        öffentlich breit geführte Debatte über die Feinstaubbe-
        lastung hat deutlich gemacht, dass Dieselfahrzeuge ab-
        gasärmer werden müssen. Ab 2008 müssen Neufahr-
        zeuge strengeren EU-Abgasnormen genügen, auch im
        Blick auf Feinstaubemissionen von Diesel-PKW. Aber
        wir werden weiterhin einen großen Altbestand an Fahr-
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        eugen mit hohem Partikelausstoß haben. Dass daher der
        achrüstung mit Rußpartikelfiltern eine entscheidende
        olle zukommt, steht außer Frage. Die Bekämpfung des
        chadstoffausstoßes am Fahrzeug hat Priorität gegen-
        ber meist untauglichen und unverhältnismäßigen Stra-
        ensperrungen. Deshalb muss die Nachrüstung mit Par-
        ikelfiltern vorangetrieben werden.
        Gleichzeitig darf aber nicht der Fehler gemacht wer-
        en, sich bei der Ausgestaltung auf den derzeitigen Par-
        ikelfilter zu beschränken und sie damit auf eine Techno-
        ogie zu reduzieren. Zukünftige Technologien müssen
        ie gleiche Chance und den gleichen Anspruch auf För-
        erung haben wie die aktuelle Filtertechnologie. Die
        taatliche Förderung muss technikunabhängig ausgestal-
        et, ausschließlich an die Erreichung ökologischer Ziele
        eknüpft und auf Regelungen zur Nachrüstung be-
        chränkt sein.
        Bündnis 90/Die Grünen fordern in ihrem Antrag,
        ahrzeuge ohne Partikelfilter bei der Kfz-Steuer deutlich
        u belasten. Eine Steuererhöhung für alte, nicht nachge-
        üstete Fahrzeuge als Art finanzieller Bestrafung lehnt
        ie FDP-Bundestagsfraktion dagegen eindeutig ab.
        Durch die recht aufgeregte Debatte im letzten Jahr um
        ie Feinstaubrichtlinie ist zwar das Bewusstsein für den
        ieselrußpartikelfilter geschärft worden. Wir dürfen
        ber nicht vergessen, dass die Autofahrer in der Vergan-
        enheit durch niedrige – steuerlich bedingte – Preise an
        er Zapfsäule regelrecht zum Kauf eines Dieselfahrzeu-
        es gedrängt wurden. Genau das hat die Politik im Blick
        uf niedrigere CO2-Emissionen gewollt. In der Mehrzahl
        aren dies allerdings Fahrzeuge ohne Filter. Die betrof-
        enen Verbraucher verdienen daher auch jetzt staatlicher-
        eits Vertrauensschutz. Wenn die Politik die Bürgerinnen
        nd Bürger damals aus vorgeblich ökologischen Grün-
        en zu einem bestimmten Verbraucherverhalten geleitet
        at, darf die Politik sie heute nicht nachträglich durch
        öhere Steuern bestrafen.
        Unabhängig davon, ob sich die Förderung über die
        fz-Steuer oder direkte Zuschüsse vollzieht, stellt sich
        ie Frage der Finanzierung. Derzeit wollen weder der
        und noch die Länder die finanziellen Mittel bereitstel-
        en. Es ist höchste Zeit, dass es zu einer gemeinsamen
        ösung von Bund und Ländern kommt. Es ist bemer-
        enswert, dass die Koalition der Steuererhöhungsorgien
        ngeblich keine Mittel hierfür aufbringen kann. Wenn
        ie schon die Biokraftstoffe besteuern wollen – was die
        DP ablehnt – warum verwenden Sie dann das Aufkom-
        en nicht wenigstens zur Förderung der Partikelfilter?
        ber die Wahrheit ist ja: Dieser Bundesregierung geht es
        inanzpolitisch nicht um sinnvolle ökologische Instru-
        ente, sondern um das Kassemachen zur Vermeidung
        on Reformen.
        Ohnehin hätte die neue Bundesregierung bei der Fein-
        taubreduzierung längst zu Initiativen kommen können
        nd müssen. Die Verlierer sind die Kommunen. Ein
        chnelles Handeln ist erforderlich, damit die Städte und
        emeinden bei der Bekämpfung der Feinstaubbelastung
        icht länger allein gelassen werden. Eine Bekämpfung
        es Feinstaubes an der Quelle, dem Fahrzeug, ist wir-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3059
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        kungsvoller als fragwürdige Fahrverbote oder eine
        Citymaut.
        Lutz Heilmann (DIE LINKE): Auch die Fraktion Die
        Linke setzt sich dafür ein, dass die Feinstaubbelastung
        wirksam und zügig gesenkt wird. Der Antrag der Grünen
        enthält dazu zwar einige richtige Ansätze, aber auch er-
        hebliche Schwächen.
        Zunächst einmal muss die Frage gestattet sein, warum
        Sie dieses dringliche Anliegen nicht in Ihrer siebenjähri-
        gen Regierungszeit umgesetzt haben? Oder anders ge-
        fragt: Warum glauben Sie, dass Sie jetzt, wo Sie die Op-
        positionsbank drücken, eine Mehrheit für dieses Anliegen
        bekommen?
        Die Hauptschwäche Ihres Antrags ist, dass er sich
        ausschließlich auf die Feinstaubbelastung bezieht. Noch
        länger als über die steuerliche Förderung von Dieselruß-
        filtern wird über die generelle Umstellung der Kfz-
        Steuer auf Kohlendioxid als Bemessungsgrundlage ge-
        sprochen. Das haben Sie allerdings ebenso wenig reali-
        sieren können.
        Notwendig ist, die Kfz-Steuer grundlegend zu überar-
        beiten, anstatt sie alle halben Jahre zu novellieren. Die
        Einführung einer steuerlichen Förderung für Dieselruß-
        filter halten wir deshalb für den zweiten vor dem ersten
        Schritt. Ein aufkommensneutrales Gesamtkonzept für
        die Kfz-Steuer sollte so ausgestaltet werden, dass der
        CO2-Ausstoß als wesentliche Bemessungsgrundlage
        dient.
        Zusätzlich dazu sind Zu-und Abschläge entsprechend
        der Einhaltung der Abgasnormen vorzusehen. Wenn da-
        bei die Abstufung zwischen den verschiedenen Emis-
        sionsklassen groß genug ist, würde daraus ein erheblicher
        steuerlicher Anreiz entstehen, Fahrzeuge umzurüsten.
        Ein zusätzlicher Anreiz entsteht bereits jetzt daraus, dass
        der Wiederverkaufswert für Fahrzeuge ohne Rußfilter
        niedriger ist als bei Fahrzeugen mit Filter; Schätzungen
        gehen von bis zu 1 000 Euro Differenz aus.
        Wenn man dann noch bedenkt, dass bei Verabschie-
        dung der Vignetten-Verordnung die Kommunen bald
        Fahrverbote für die meisten Fahrzeuge ohne Rußfilter
        verhängen können, stellt sich die Frage, ob wir eine zu-
        sätzliche steuerliche Förderung wirklich brauchen. Wir
        haben zwar nichts gegen die steuerliche Förderung von
        Innovationen im Umweltbereich, aber Steuergelder soll-
        ten so eingesetzt werden, dass sie eine nachhaltige Poli-
        tik befördern. Die Förderung würden wir deshalb insbe-
        sondere unter dem Aspekt betrachten, dass finanzielle
        Einbußen oder Mehrbelastungen für einkommensschwa-
        che Haushalte auszugleichen sind.
        Notwendig ist zweitens – da stimmen wir Ihnen zu –,
        dass alle Neuwagen bereits von den Herstellern mit Ruß-
        filtern ausgestattet werden. Nach der Selbstverpflichtung
        der Hersteller soll dies erst 2008 Realität werden. Ein
        Wort zum Instrument freiwilliger Selbstverpflichtungen
        der Automobilindustrie. Dem stehen wir sehr skeptisch
        gegenüber. Ich denke, das absehbare Scheitern der
        Selbstverpflichtung der europäischen Hersteller zur Sen-
        kung des CO2-Ausstoßes gibt uns Recht. Um ein Miss-
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        ingen zu verhindern, sollte die Verpflichtung zum Ein-
        au von Rußfiltern in alle Neufahrzeuge spätestens ab
        008 gesetzlich vorgeschrieben werden.
        Die dritte Schwachstelle Ihres Antrags ist, dass Sie
        icht nur Vollfilter, sondern auch so genannte Teilfilter
        teuerlich fördern wollen. Noch schlimmer sind aller-
        ings die Regierungspläne, ausschließlich Teilfilter zu
        ördern.
        Denn insbesondere beim Einsatz von Teilfiltern
        ommt es zu einer Erhöhung der Emissionen von Stick-
        toffdioxid, das ebenfalls erhebliche Gesundheitsbeein-
        rächtigungen zur Folge hat. Hier sollte eine genaue Ab-
        ägung von Vor- und Nachteilen erfolgen, sodass der
        eufel nicht mit dem Beelzebub ausgetrieben wird. Statt
        iner pauschalen Förderung aller Rußfilter ungeachtet
        hrer sonstigen Emissionen ist eine Gesamtbetrachtung
        er Emissionen bei der Neuausrichtung der Kfz-Steuer
        esentlich sinnvoller und besser für Mensch und Um-
        elt.
        Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
        nlage 9
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Stärkung der Fahrgastrechte (Tagesordnungs-
        punkt 21)
        Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Der uns heute vor-
        iegende Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Fahr-
        astrechte kommt bezeichnender Weise von der Fraktion
        es Bündnisses 90/Die Grünen, also genau von der
        raktion, die in der letzten Legislaturperiode in Regie-
        ungsverantwortung gestanden hat und die Schaffung
        ustiziabler Rahmenbedingungen zur Stärkung der Fahr-
        astrechte unterließ.
        In der Plenardebatte am 24. Februar 2005, also vor
        ut einem Jahr, wurden die Anträge der CDU/CSU-Bun-
        estagsfraktion zu dieser Thematik mit der Koalitions-
        ehrheit von SPD und Grünen abgelehnt. Die Unions-
        raktion des 15. Deutschen Bundestages forderte damals,
        nter anderem mit den Anträgen „Mehr Rechte für Fahr-
        äste im öffentlichen Personenverkehr“ auf Drucksache
        5/1236 und „Grünes Licht für gesetzlich normierte
        ahrgastrechte“ auf Drucksache 15/4505, eine einheitli-
        he Rechtsgrundlage in der Personenbeförderung für die
        enutzung von Eisenbahnen und anderen öffentlichen
        ersonenverkehrsmitteln wie Straßenbahnen, Omnibus-
        en und Kraftfahrzeugen zu schaffen und klare gesetzli-
        he Regelungen vorzulegen, die Entschädigungsansprü-
        he der Reisenden bei Verspätungen und Ausfällen bei
        llen öffentlichen Verkehrsträgern verbindlich fest-
        chreiben.
        Die Position der Union in der Frage der Fahrgast-
        echte war und ist also eindeutig. Unumstritten bedürfen
        ie Fahrgastrechte für Bahnen, Busse sowie in der Luft-
        nd Schifffahrt eines rechtlichen Rahmens für die ein-
        eitliche Regelung von Schadenersatzansprüchen, wobei
        3060 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
        (A) )
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        insbesondere die Kunden der Deutschen Bahn AG in ih-
        ren Rechten als Verbraucher gestärkt werden müssen.
        Die noch im letzten Jahr hoch angepriesene Kunden-
        charta der Deutschen Bahn AG, die laut der Fraktions-
        chefin Künast, die ja bekanntlich Ministerin unter Rot-
        Grün mit dem Fachbereich Verbraucherschutz war, „die
        Bahnkundenrechte und das Preissystem der deutschen
        Bahn AG verbessert hat“, war eine nette Geste, aber
        nicht mehr! Diese Selbstverpflichtungsinitiative der
        Deutschen Bahn AG zur Entschädigung der Fahrgäste
        bei Verspätung und Zugausfall ist in keinster Weise aus-
        reichend.
        Die Deutsche Bahn AG hat nunmehr vor zwei Tagen
        angekündigt, die Erweiterung der Kundenrechte nicht
        mehr nur im Fernverkehr anzubieten. Ab 28. Mai 2006
        wird – zumindest in Schleswig-Holstein – ein Pilotpro-
        jekt starten, in dem die Kundencharta auch im Nahver-
        kehr Anwendung finden soll, sodass die Bahnkunden
        nicht mehr nur im Fernverkehr, sondern nunmehr auch
        auf Kurzstrecken das Recht haben, gute Leistung für ihr
        Geld zu erwarten.
        In der Debatte 2005 wurden wir mehrfach vonseiten
        der damaligen rot-grünen Koalition auf das damals noch
        ausstehende Gutachten „Verbraucherschutz und Kun-
        denrechte im öffentlichen Personenverkehr“ hingewie-
        sen, das zur Klärung der Möglichkeiten der Stärkung der
        Fahrgastrechte von der Bundesregierung in Auftrag ge-
        geben wurde. Mittlerweile liegt dieses Gutachten vor.
        Aber natürlich müssen auch die neue Bundesregierung
        und wir als Parlamentarier das Gutachten gründlich be-
        werten und die aufgezeigten Lösungsansätze analysie-
        ren. Bisher war dazu die Zeit zu kurz.
        Dass wir der Stärkung der Fahrgastrechte eine hohe
        Priorität beimessen, kann man auch daran ablesen, dass
        wir diese im Koalitionsvertrag ausdrücklich festge-
        schrieben haben. Dort heißt es: „Die Entschädigungsan-
        sprüche der Reisenden bei Verspätungen, Ausfällen etc.
        bei allen öffentlichen Verkehrsmitteln werden nach Aus-
        wertung des vorliegenden Gutachtens zum Verbraucher-
        schutz verbindlich festgeschrieben.“ Das Gutachten, das
        als Grundlage der Meinungsbildung über den gesetzge-
        berischen Bedarf bei der Festlegung von Art und Um-
        fang der Verbraucherrechte dient, befindet sich derzeit in
        dieser Bewertungsphase bei der Bundesregierung.
        Es ist schon reichlich dreist, dass genau die Fraktion,
        die sieben Jahre in Regierungsverantwortung stand und
        die zuständige Ministerin stellte, nun nach einem gesetz-
        geberischen Schnellschuss verlangt. Schließlich hat sie
        in ihrer eigenen Regierungszeit eine ausführliche Prü-
        fung des Gutachtens argumentativ vornan gestellt, um
        die Forderungen der damaligen Opposition auf schnelle
        Lösungen abzuwehren. Wieder zurück auf den harten
        Bänken der Opposition entsinnt sich die Fraktion der
        Grünen, wie es mein Kollege Eduard Lintner so schön
        formulierte, wieder ihrer „alten Tugenden“ sich zu über-
        schlagen, wenn es darum geht, Haftungsregelungen zu
        schaffen, die der jeweiligen Kundschaft – notfalls wider
        jede Praktikabilität und ohne Rücksicht auf die Kosten –
        maximalen Schutz verleihen sollen.
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        Betrachten wir die Details des vorliegenden Gesetz-
        ntwurfs der Grünen: Der Entwurf sieht eine Neurege-
        ung des Haftungsrechts der Verkehrsunternehmen bei
        usfall- und Verspätungsschäden vor, indem der § 17
        er Eisenbahnverordnung, der derzeit einen potenziellen
        aftungsausschluss vorsieht, gestrichen werden soll. Zu-
        em sollen mit dieser Neuregelung Verkehrsunterneh-
        en unter das allgemeine zivilrechtliche Haftungssys-
        em des BGB gestellt werden.
        Dieses Ansinnen ist grundsätzlich löblich. Aber es ist
        n keinster Weise absehbar, mit welchen Auswirkungen
        iese Änderung einhergeht. Für die Verkehrsunterneh-
        en ist dies trotz der Einführung von Begrenzungsmög-
        ichkeiten wie Bagatellgrenzen und Pauschalierungsstu-
        en in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der
        erkehrsunternehmen nicht absehbar und kann poten-
        iell eine wahre Flut von Entschädigungsansprüchen
        ach sich ziehen.
        An dieser Stelle heißt es daher, gründlich zu prüfen
        nd sowohl für die Verbraucher- wie für die Anbieter-
        eite abzuwägen, welche Schritte die richtigen sind.
        chließlich müssen wir vor dem Hintergrund des heuti-
        en Verkehrsmarktes Folgenutzen und -risiken abwägen.
        Fazit: Der Gesetzentwurf der Grünen ist verfrüht.
        urzeit prüft eine vom Bundesministerium der Justiz
        ingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe das Gutachten
        nd berät, ob und in welchem Umfang gesetzliche Rege-
        ungen zur Verbesserung des zivilrechtlichen Verbrau-
        herschutzes für Kunden des öffentlichen Personenver-
        ehrs vorzuschlagen sind. Die Ergebnisse dieser
        eratungen werden uns zum Sommer vorliegen und ent-
        prechend den Ergebnissen dieser Arbeitsgruppe wird
        ie Ausgestaltung der Entschädigungsansprüche von
        eisenden vorgenommen werden.
        Deshalb sage ich: Warten wir diese Bewertung des
        utachtens, den anschließenden Bericht der Arbeits-
        ruppe und den daraus hervorgehenden Gesetzentwurf
        es BMJ ab. Denn erst auf dieser Grundlage kann ent-
        chieden werden, ob und welche Änderungen des gelten-
        en Personenbeförderungsrechts vorgeschlagen werden
        önnen. Es werden Regelungen gefunden werden – da-
        on bin ich überzeugt –, die dem Verbraucherschutz
        echnung tragen, ohne dass die wirtschaftliche Betäti-
        ung der Verkehrsunternehmen mit eventuell negativen
        olgen unangemessen beeinträchtigt oder die öffentliche
        and über Gebühr belastet werden. Die Komplexität der
        aterie gebietet eine seriöse und in allen Konsequenzen
        urchdachte Reform.
        Marianne Schieder (SPD): Das Grundanliegen des
        esetzentwurfes, nämlich die Verbesserung der Fahr-
        astrechte im öffentlichen Personenverkehr, ist ein sehr
        ichtiges und ein sehr berechtigtes. Auch seitens der
        egierungskoalition und der tangierten Ministerien wird
        u diesem Themenbereich seit geraumer Zeit sehr inten-
        iv gearbeitet.
        So ist dazu durch das Bundesministerium für Verkehr,
        au und Stadtentwicklung in Erfüllung des Bundestags-
        eschlusses „Qualitätsoffensive im öffentlichen Perso-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3061
        (A) )
        (B) )
        nenverkehr“, Bundestagsdrucksache 14/9671, ein Gut-
        achten in Auftrag gegeben worden, das im Juli 2005
        vorgelegt wurde.
        In Kürze werden dem Deutschen Bundestages die we-
        sentlichen Ergebnisse dieses Forschungsvorhaben zu-
        sammen mit dem dazu erarbeiteten Bericht der Bundes-
        regierung vorgestellt. Der Bericht wurde federführend
        vom BMVBS vorbereitet und intensiv auf Fachebene
        mit BMJ, BMELV und BMF abgestimmt. Die im Gut-
        achten enthaltenen Lösungsvorschläge werden detailliert
        problematisiert und bewertet.
        Gemäß einem Beschluss der Justizministerkonferenz
        der Länder vom 30. Juni 2005 wurde vom BMJ eine
        Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt, die derzeit auf
        der Grundlage des Gutachtens prüft, ob und in welchem
        Umfang gesetzliche Regelungen zur Verbesserung des
        zivilrechtlichen Verbraucherschutzes für Kunden des öf-
        fentlichen Personenverkehrs vorgeschlagen werden soll-
        ten. Ergebnisse sollen im Sommer vorliegen.
        Sowohl das Ergebnis dieser Bund-Länder-Arbeits-
        gruppe als auch das Ergebnis der Befassung des Deut-
        schen Bundestages mit dem Bericht der Bundesregie-
        rung sollten sinnvollerweise abgewartet werden, bevor
        gesetzgeberische Schritte eingeleitet werden. Der Sach-
        verhalt, den es zu regeln gilt, ist doch wirklich sehr viel-
        schichtig. Es ist alles andere als einfach, praktikable Lö-
        sungen zu finden. Aufwand und Ertrag sind gar nicht so
        leicht in Einklang zu bringen. Daher waren und sind die
        geschichtlichen Vorarbeiten doch sehr nötig und sinn-
        voll. Nun sollten wir doch die Geduld haben, die Ergeb-
        nisse dieser Arbeit auch abzuwarten und diese Ergeb-
        nisse mit in ein Gesetz einbringen zu können. Hier
        sollten wir auf alle Fälle nach dem Motto „Gründlichkeit
        vor Eile“ vorgehen.
        Aber nicht nur dieses zeitliche Argument macht für
        uns eine Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf schwie-
        rig. Der Gesetzentwurf zeichnet sich zwar durch Kürze
        und gute Verständlichkeit aus, ist in der Sache allerdings
        nicht unproblematisch.
        Der Entwurf lehnt sich eng an den von Nordrhein-
        Westfalen im November 2004 vorgelegten Entwurf eines
        Gesetzes zur Stärkung der Fahrgastrechte an. Allerdings
        sieht er abweichend davon keine konkrete Einschrän-
        kung der Ansprüche von Reisenden vor, wie dem An-
        spruch auf Rückbeförderung oder Kostenerstattung für
        ein anderes Verkehrsmittel. Im Entwurf aus NRW war
        festgeschrieben, dass es Schadenanspruch erst ab einer
        drohenden Verspätung von 20 Minuten geben soll. Zu-
        dem wird nicht zwischen Nah- und Fernverkehr unter-
        schieden.
        Vielmehr wird die Haftung der Verkehrsunternehmen
        für Ausfall- und Verspätungsschäden dem allgemeinen
        zivilrechtlichen Haftungssystem des BGB unterstellt.
        Allen Beförderern soll es gestattet werden, ihre Haf-
        tung in „angemessenem Umfang“ zu begrenzen. Alle
        Unternehmen werden gezwungen sein, eigene Allge-
        meine Geschäftsbedingungen (AGB) aufzustellen, in de-
        nen sie ihre Haftung begrenzen und ihren Informa-
        tionspflichten nachkommen. Inwieweit diese AGB, die
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        om Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-
        icklung geprüft werden, einer AGB-Kontrolle am
        nde standhalten, wird durch die Rechtsprechung zu
        lären sein.
        Insbesondere bleibt offen, ob etwa eine Haftung für
        estimmte Schadenersatzansprüche – wie bisher gesetz-
        ich vorgesehen – vollständig ausgeschlossen werden
        ann. Ich halte es für wenig zielführend, gesetzliche Vor-
        aben in so unbestimmter Art und leise zu halten. Das,
        as, oberflächlich betrachtet, sich als einfach, kurz und
        lexibel darstellt, wird sich bald als völlig unpraktikabel
        erausstellen und mehr die Gerichte beschäftigen, als
        em Kunden dienen. Hier brauchen wir schon konkrete
        esetzliche Vorgaben, sowohl was die Möglichkeiten ei-
        es vollkommenen Haftungsausschlusses betrifft wie
        uch die Möglichkeiten einer teilweisen Haftungsbe-
        chränkung. Wir werden auch nicht darum herumkom-
        en, zwischen Nah- und Fernverkehr zu unterscheiden,
        uch wenn eine solche Unterscheidung nicht einfach zu
        reffen sein wird. Ansonsten entsteht zu viel Rechtsunsi-
        herheit und zu viel Unübersichtlichkeit, sowohl aufsei-
        en der Beförderungsunternehmen als auch aufseiten der
        unden.
        Es fällt auf, dass die vorgesehene Neuregelung in
        310 BGB durch die schlichte Bezugnahme auf „Perso-
        enbeförderungsverträge“ so weit gefasst ist, dass hie-
        unter auch die Beförderung von Personen im Luftver-
        ehr subsumiert werden könnte.
        Die Haftung des Luftfrachtführers bei verspäteter
        ersonenbeförderung ist aber in Art. 19 und 22 des Mon-
        realer Übereinkommens, MÜ, für internationale Luftbe-
        örderungen und in § 46 LuftVG abschließend geregelt.
        ierin ist für Verspätungsschäden ein Haftungshöchstbe-
        rag von 4 150 Sonderziehungsrechten, circa 5 000 Euro,
        estimmt, der bei vorsätzlicher und grob fahrlässiger
        erursachung durchbrochen wird.
        Nach Art. 47 MÜ ist jede vertragliche Bestimmung,
        urch die die Haftung des vertraglichen Luftfrachtfüh-
        ers nach dem MÜ ausgeschlossen oder der maßgebende
        aftungshöchstbetrag herabgesetzt werden soll, nichtig.
        ine vergleichbare Regelung findet sich im nationalen
        echt in § 48 Abs. 1 LuftVG: Dieser Paragraf bestimmt,
        ass ein Anspruch auf Schadenersatz, auf welchem
        echtsgrund er auch beruht, gegen den Luftfrachtführer
        ur unter den Voraussetzungen und Beschränkungen gel-
        end gemacht werden kann, die in dem betreffenden Un-
        erabschnitt des LuftVG vorgesehen sind.
        Die als § 310 Abs. 5 BGB vorgeschlagene Regelung,
        onach der Unternehmer für leicht fahrlässige Verspä-
        ungen oder Ausfälle des Verkehrsmittels seine Haftung
        in angemessenem Umfang begrenzen“ und im Übrigen
        ür bestimmte Fälle Pauschalierungen vornehmen kann,
        ollidiert mit diesen abschließenden Regelungen. Insbe-
        ondere wäre jede in AGB vorgesehene Haftungsbe-
        chränkung für leicht fahrlässig verursachte Verspätungs-
        chäden, die von der im Montrealer Übereinkommen und
        n § 46 Abs. 1 LuftVG vorgesehenen einheitlichen Haf-
        ungshöchstgrenze von 4 150 Sonderziehungsrechten ab-
        eicht, unzulässig.
        3062 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
        (A) )
        (B) )
        Die Regelung des § 310 Abs. 5 BGB neu müsste da-
        her, um eine derartige Kollision mit dem Luftverkehrs-
        recht zu vermeiden, in jedem Fall ausdrücklich auf
        Personenbeförderungsverträge der Straßenbahnen, Om-
        nibusse und Kraftfahrzeuge, vergleiche Formulierung in
        § 305 a Nr. 1 BGB, beschränkt werden.
        Obwohl wir uns also im Ziel einig sind und unstreitig
        ist, dass die Kundenrechte von Fahrgästen neu geregelt
        und gestärkt werden müssen, kommt der vorgelegte Ge-
        setzentwurf der Grünen zu früh und ist zumindest in Tei-
        len wenig brauchbar. Darüber wird noch im Detail zu re-
        den sein, wenn der Gesetzentwurf in den einzelnen
        Ausschüssen beraten wird.
        Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Wir alle wün-
        schen uns pünktlichen und zuverlässigen Transport.
        Auch Bundestagsabgeordnete verlassen sich auf das Ver-
        kehrsmittel, das sie zum Beispiel aus dem Wahlkreis
        nach Berlin bringen soll.
        Anfang dieser Woche erlebte ich Folgendes: Der
        Flug, den ich vorsorglich, um ganz pünktlich zu der ers-
        ten Sitzung am Montag zu gelangen, bereits für Sonntag-
        abend gebucht hatte, wurde ohne große Erklärung ge-
        cancelt. Eine vorzeitige Information darüber gab es
        nicht. Allerdings wurde eine Übernachtung im Hotel an-
        geboten. Der ausgewiesene Ersatzflug am frühen Mon-
        tagmorgen startete mit 75 Minuten Verspätung. Meine
        Geduld wurde ziemlich strapaziert. Zu der Besprechung
        kam ich natürlich zu spät.
        Nun sind aber die Kundenrechte im Flugverkehr um-
        fassend auf EU-Ebene geregelt. Seit 2005 müssen Flug-
        gäste Verspätungen, Annullierungen und Überbuchun-
        gen nicht mehr klaglos hinnehmen. Die Europäische
        Union hat die Fluggastrechte in der Verordnung 261/
        2005 verbessert und der Europäische Gerichtshof hat
        diese im Februar 2006 bestätigt. Es macht keinen Unter-
        schied, ob mit einem Billigflieger oder Linie geflogen
        wird. Alle Passagiere können ihre Rechte geltend ma-
        chen.
        Bei Nichtbeförderung muss die Fluggesellschaft eine
        Entschädigung anbieten. Darüber hinaus ist sie ver-
        pflichtet, zum einen den Ticketpreis zu erstatten oder
        eine anderweitige Beförderung zum Zielort zu gewähr-
        leisten, zum anderen Mahlzeiten, Getränke, notfalls Ho-
        telunterkunft sowie die Möglichkeit zur Telekommuni-
        kation anzubieten. Hat der Flieger große Verspätung,
        muss der gleiche Service zur Verfügung gestellt werden.
        Beträgt die Verspätung fünf Stunden oder mehr, kann der
        Reisende von der Fluggesellschaft auch eine Erstattung
        des Flugpreises und gegebenenfalls den kostenlosen
        Rückflug zum Abflugort verlangen. Kann ein Passagier
        einen Schaden wegen einer Verspätung nachweisen, hat
        er Anspruch auf Schadenersatz.
        Der Schaden, der mir durch die halbe verpasste Sit-
        zung entstanden ist, ist wohl eher immaterieller Art, so-
        dass ich getrost auf Schadenersatz verzichten kann.
        Für Bahnreisende im Nah- und Fernverkehr, für
        ÖPNV-Nutzer oder Taxigäste sieht die Welt anders aus.
        Fahrpreiserstattungen bei Ausfall und Verspätungen von
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        nlandszügen sind im Schienenpersonenverkehr gesetz-
        ich nicht geregelt. Die Deutsche Bahn AG entschädigt
        hre Fahrgäste im Fernverkehr bei Verspätungen gemäß
        hrer Kundencharta. Allerdings gibt es keine Entschädi-
        ung für die Reisenden im Schienenpersonennahver-
        ehr.
        Fahrgastrechte müssen gestärkt werden. Ich halte dies
        us drei Gründen für dringlich:
        Erstens. Die Rolle der Verbraucher im Verkehrsbe-
        eich soll gestärkt werden.
        Zweitens. Die unterschiedlichen Verkehrsträger müs-
        en gleich behandelt werden.
        Drittens. Vernünftige Kundenrechte dienen der Quali-
        ätsoffensive im öffentlichen Personenverkehr.
        Das Magazin „Stern“ berichtet in seiner neuen Aus-
        abe, dass jeder fünfte ICE oder IC sein Ziel mehr als
        ünf Minuten zu spät erreicht. Als Ursache werden Hun-
        erte von „Langsamfahrstellen“ ausgemacht. So viel zur
        otwendigkeit von praktischem Verbraucherschutz zur
        ualitätsoffensive.
        Als Basis für die Debatte sollte der Deutsche Bundes-
        ag den Bericht der Bundesregierung zum Gutachten
        Verbraucherschutz und Kundenrechte im öffentlichen
        ersonenverkehr“ abwarten. Der Bericht ist für diesen
        onat angekündigt.
        Die Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die
        as Bundesministerium der Justiz eingesetzt hat, werden
        m Sommer erwartet.
        Ich freue mich schon jetzt auf eine konstruktive Dis-
        ussion auf solider Basis darüber, welche Kundenrechte
        ie und wo geregelt werden sollen.
        Den Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grü-
        en halte ich für einen Schnellschuss, der zum jetzigen
        eitpunkt nicht zum angestrebten Ziel führt.
        Hans-Michael Goldmann (FDP): Zu Beginn des
        ergangenen Jahres, als die Konstellationen hier im
        ause noch etwas anders waren, wurde ein Antrag der
        DP-Fraktion zur Beendigung der Haftungsprivilegie-
        ung der Bahn und zur Anwendung der Grundsätze des
        ürgerlichen Gesetzbuchs vom Deutschen Bundestag
        bgelehnt. Umso mehr freue ich mich, dass inzwischen
        ie Grünen, die damals unseren Antrag als untauglich
        bgelehnt haben, auch zu der Erkenntnis gekommen
        ind, dass eine gesetzliche Regelung vonnöten ist. Es
        eicht eben nicht aus, sich auf die so genannte Kulanz
        er Bahn zu verlassen, dass sie aufgrund des wachsen-
        en Drucks der Kunden und Verbraucherschützer in
        hren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Entschädi-
        ungsregelungen aufnehmen. Es ist notwendig, die un-
        erechtfertigte Privilegierung der Bahn zu beenden.
        Fahrgäste im öffentlichen Personenverkehr sind
        arktteilnehmer wie die Kunden anderer Wirtschaftsun-
        ernehmen auch. Während in anderen Bereichen über-
        aupt kein Zweifel daran besteht, dass Unternehmen ge-
        enüber ihren Kunden haften müssen, sind die
        erbraucherrechte im Personenverkehr noch immer un-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3063
        (A) )
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        zureichend. Dabei ist jedes Unternehmen in diesem
        Land für nicht oder mangelhaft erbrachte Leistungen
        selbstverständlich haftbar zu machen. So steht es im
        Bürgerlichen Gesetzbuch. Nur die Bahn ist hiervon mit-
        tels § 17 der Eisenbahn-Verkehrsordnung, EVO, aus-
        genommen. Da hilft auch die von der Bahn mit viel
        Eigenlob und unter dem Applaus der damaligen Ver-
        braucherministerin, Renate Künast, verabschiedete Kun-
        dencharta nichts. Denn es ist eigentlich die pure Selbst-
        verständlichkeit, die Kunden zu entschädigen. Mit
        Kulanz darf das nichts zu tun haben. Wenn die Kunden
        weiterhin auf Entgegenkommen angewiesen sind, so
        zeigt dies ein Selbstverständnis der Bahn, das nur mit
        der immer noch bestehenden Monopolstellung zu erklä-
        ren ist.
        Diese Sonderstellung der Bahn gilt es aber gerade
        aufzubrechen, im Interesse der Fahrgäste, aber eben
        auch im Interesse des Monopolisten Bahn selbst. Nur
        eine Bahnpolitik, die sich am Interesse der Fahrgäste ori-
        entiert, gewinnt langfristig mehr Kunden und damit hö-
        here Marktanteile. Am Beispiel der Fahrgastrechte zeigt
        sich überdeutlich, wie sich die Bahn durch ihre ungebro-
        chene Monopolstellung selbst im Wege steht. Durch die
        jetzige Kundencharta wird die bisherige Kulanzregelung
        schlicht und einfach nur fortgeschrieben. Dieses Verhal-
        ten ist ja im Prinzip auch nur natürlich. So verfahren nun
        einmal Staatsunternehmen, wie die Bahn de facto immer
        noch eines ist, wenn sie eine so allumfassende Monopol-
        stellung einnehmen. Aber im Sinne der Verbraucherin-
        nen und Verbraucher ist das nicht. Im Sinne der Rechts-
        klarheit ist es auch nicht. Es ist doch einfach keinem
        Verbraucher klar zu machen, warum die Bahn nicht für
        Ausfälle und Verspätungen haften soll. Es ist insbeson-
        dere nicht zu begründen, wenn die Deutsche Bahn ein-
        räumen muss, dass 95 Prozent der Verspätungen selbst
        verschuldet sind.
        Es ist auch gut, dass im vorliegenden Gesetzentwurf
        der öffentliche Personenverkehr umfassend geregelt
        werden soll. Denn eine Unterscheidung zwischen öffent-
        lichem Personennahverkehr und Personenfernverkehr ist
        den Menschen verständlicherweise nicht plausibel zu
        machen. Es kann doch für den Kunden keinen Unter-
        schied machen, ob ich von Hamburg nach München
        fahre und dort pünktlich ankommen muss oder ob ich im
        Nahverkehr von einem Ort zum nächsten fahre und mich
        darauf verlasse, dass ich zur rechten Zeit ankomme. Die
        Regelung, die nach dem vorliegenden Gesetzentwurf ins
        Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen werden soll,
        schafft einen gerechten Ausgleich zwischen Kunden-
        und Unternehmensinteressen. Die Möglichkeit für einen
        pauschalierten Schadenersatz schafft kalkulierbare Risi-
        ken für die Beförderungsunternehmen und gibt den Kun-
        den die Rechtssicherheit, im Schadenfall eine angemes-
        sene Entschädigung zu erhalten.
        Es wird endlich Zeit, in Deutschland bei der Beförde-
        rung im öffentlichen Personenverkehr den Anschluss an
        internationale Standards zu schaffen. Die Sonderrege-
        lungen sind nicht mehr zu vertreten und müssen
        schnellstens abgeschafft werden. Meine Fraktion wird
        dem Gesetzentwurf zustimmen. Ich hoffe, dass auch die
        Bundesregierung diesen Schritt gehen wird. Die Union
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        at ja im vergangenen Jahr schon einen Vorstoß unter-
        ommen und einen entsprechenden Antrag eingebracht.
        leiben Sie jetzt bei Ihrer Linie und setzen Sie um, was
        ie richtigerweise gefordert haben.
        Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Fahrgastrechte zu
        tärken ist ehrenwert, diese umzusetzen wesentlich
        chwieriger. Die Frage ist: Wie können wir den Verbrau-
        her zu mehr Vertrauen in die öffentlichen Verkehrsmit-
        el und seiner Zufriedenheit mit ihnen verhelfen?
        Doch führen die guten Absichten der Kollegen von
        ündnis 90/Die Grünen auch wirklich in die erhoffte
        ichtung? Der Gesetzentwurf versucht, Schadenersatz-
        nsprüche von Fahrgästen auf eine rechtliche Grundlage
        u stellen. Die Haftung der Verkehrsunternehmen soll in
        as allgemeine Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs in-
        egriert werden. Die dazu in Art. 3 des Gesetzentwurfs
        orgesehene Änderung ist allerdings nur eine Kann-Vor-
        chrift. Viel ändert sich damit für den Kunden nicht.
        Zumeist haben Verspätungen oder Ausfälle von Bus
        der Bahn andere Ursachen als solche, die vom Ver-
        ehrsunternehmen selbst zu vertreten sind. Beispiels-
        eise Störungen in der Schieneninfrastruktur, Unfälle
        der deren schlimmste Variante, den so genannten Fahr-
        astunfall. Es kann also schwierig sein, zwischen Selbst-
        nd Fremdverschulden bei den Verkehrsunternehmen zu
        rennen. Außerdem ist zu fragen, ob die Praxis hinrei-
        hend in Betracht gezogen worden ist.
        Der Gesetzentwurf stellt allenfalls eine Teillösung
        ar. Informationsprobleme, Regressansprüche müssen in
        bsehbarer Zeit durchgreifend zu regeln sein. Die Linke
        lädiert dafür, dass komplette Repertoire der Möglich-
        eiten zunächst einer Praxiserprobung zu unterziehen,
        tatt ordnungspolitisch neue Unzulänglichkeiten zu pro-
        rammieren.
        Genau genommen sind Regressansprüche der Fahr-
        äste nur die eine Seite der Medaille. Wichtiger ist es,
        ie Zahl an Störungen insgesamt gering zu halten. Dafür
        rauchen wir nicht irgendwelche, sondern die richtigen
        aßnahmen.
        Ein Weg, dies zum Beispiel im Nahverkehr zu errei-
        hen, ist es, je nach Anteil der verspäteten an der Ge-
        amtzahl der Fahrten, dem Aufgabenträger die Möglich-
        eit zu geben, Abschläge auf die Entgelte bei der
        estellung der Verkehrsleistung auszuhandeln und
        urchzusetzen. Während einer Fahrplanperiode können
        adurch stattliche Beträge zusammenkommen. Damit
        part die öffentliche Hand und bei den Verkehrsunter-
        ehmen steigt der Wille, zumindest die Folgen von Stö-
        ungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren.
        Oberste Priorität dabei muss sein, dass sich durch
        iese zusätzliche Risikoabsicherung die Fahrpreise nicht
        rhöhen und die Benutzung der öffentlichen Verkehrs-
        ittel gegenüber dem Individualverkehr, ebenfalls
        ttraktiv bleibt. Entschädigungsregelungen werden dazu
        ühren, dass die Kosten auf alle Fahrgäste umgelegt wer-
        en und so die Fahrkarten verteuert werden. Ein über-
        rieben aufwendiges und teures Fahrgastrecht kann nicht
        m Sinne der Kunden sein. Der Trend, den Verbraucher
        3064 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
        (A) )
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        und gerade den Geringverdiener immer mehr zu belas-
        ten, darf nicht auch noch an dieser Stelle fortgeführt
        werden.
        Selbstverständlich bleibt es Aufgabe der Verkehrspo-
        litiker und der Verbraucherschützer, zu prüfen, ob sich
        diese in der Praxis bewährt, unbürokratisch, schnell und
        einfach umgesetzt wird, und darauf zu drängen, dass
        auch der Nahverkehr einbezogen wird.
        Ob die freiwillige Selbstverpflichtung zu einer Ent-
        schädigungszahlung im Sinne der Bahnkunden funktio-
        niert, kann nur eine kritische externe Praxisprüfung er-
        bringen. Auf dieser Grundlage ist dann zu diskutieren,
        ob es sinnvoll ist, den Fahrgästen einen gesetzlichen An-
        spruch auf Verspätungsentschädigung zu verschaffen.
        Auch und gerade im Zuge des Börsengangs – darauf ha-
        ben wir immer hingewiesen – darf Effizienz und Rendite
        der Bahn AG nicht der absolute Maßstab sein und damit
        zulasten der Kundenzufriedenheit und der Fahrpreise ge-
        hen.
        Anlage 10
        Amtliche Mitteilungen
        Der Bundesrat hat in seiner 821. Sitzung am 7. April
        2006 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu-
        stimmen, einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des
        Grundgesetzes nicht zu stellen bzw. einen Einspruch ge-
        mäß Artikel 77 Absatz 3 nicht einzulegen:
        – Zweites Gesetz zur Änderung des Betriebsprä-
        miendurchführungsgesetzes
        – Zweites Gesetz zur Änderung des Pflanzenschutz-
        gesetzes
        – Gesetz zur Förderung ganzjähriger Beschäfti-
        gung
        – Siebentes Gesetz zur Änderung des Gemeinde-
        finanzreformgesetzes
        – Gesetz zur Vereinfachung der abfallrechtlichen
        Überwachung
        – Gesetz zu dem Protokoll vom 21. Mai 2003 über
        die strategische Umweltprüfung zum Überein-
        kommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung
        im grenzüberschreitenden Rahmen (Vertrags-
        gesetz zum SEA-Protokoll)
        – Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in
        der Arzneimittelversorgung
        Der Bundesrat hat in seiner 821. Sitzung am 7. April
        2006 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz gemäß
        Artikel 105 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustimmen:
        – Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachs-
        tum und Beschäftigung
        Darüber hinaus hat er die nachstehende Entschlie-
        ßung gefasst: Der Bundesrat steht voll umfänglich hinter
        dem mit dem Gesetz verfolgten Ziel, die Kinderbetreu-
        ungskosten steuerlich stärker zu berücksichtigen. Der
        Bundesrat hält die steuertechnische Umsetzung der vor-
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        esehenen Regelung allerdings für nicht zweckmäßig
        nd administrativ nicht handhabbar. Vor diesem Hinter-
        rund strebt der Bundesrat eine wirkungsgleiche Neufor-
        ulierung der entsprechenden Regelungen auf der
        rundlage eines Vorschlags von Schleswig-Holstein an.
        ie Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder
        aben dazu eine Formulierung vorgelegt und einen Vor-
        chlag zum weiteren gesetzgeberischen Vorgehen ge-
        acht. Der Bundesrat hat in seiner 821. Sitzung am
        . April 2006 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz
        emäß Artikel 105 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustim-
        en:
        Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steu-
        ergestaltungen
        Darüber hinaus hat er die nachstehenden Entschließun-
        en gefasst: 1. Der Bundesrat geht von der Bereitschaft
        es Bundes aus, den Ländern die aus einer Absenkung der
        pielbankabgabe entstehenden Mindereinnahmen voll-
        tändig auszugleichen. Nach vorläufigen Berechnungen
        er Länder handelt es sich dabei für das Jahr 2007 – dem
        rsten Jahr der vollen Wirksamkeit – um einen Betrag
        on 75 Mio. Euro. 2. Der Bundesrat fordert die Bundes-
        egierung auf, zeitnah zum Inkrafttreten der Beschrän-
        ung der Anwendung der 1%-Regelung auf Fahrzeuge
        es notwendigen Betriebsvermögens (§ 6 Abs. 1 Nr. 4
        StG) Verwaltungsanweisungen für den Nachweis des
        etrieblichen Nutzungsanteils durch die Steuerpflichti-
        en zu schaffen. Diese Regelungen sollten einerseits den
        ürokratischen Aufwand für die Steuerpflichtigen (Be-
        olgungskosten) und andererseits den Verwaltungsauf-
        and für die Finanzverwaltung so weit wie möglich be-
        renzen.
        Begründung
        Mit der Änderung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG
        durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchli-
        cher Steuergestaltungen wird die Möglichkeit der
        Anwendung der 1 %-Regelung für die Bewertung
        der privaten Nutzung auf Fahrzeuge des notwendi-
        gen Betriebsvermögens beschränkt. In der Begrün-
        dung des Gesetzes heißt es, dass der Steuerpflich-
        tige die betriebliche Nutzung von über 50 % im
        Rahmen allgemeiner Darlegungs- und Beweislast-
        regelungen nachzuweisen hat. Die Führung eines
        Fahrtenbuches ist dazu nicht zwingend erforderlich.
        Wie der Steuerpflichtige den Umfang der betriebli-
        chen Nutzung darzulegen bzw. nachzuweisen hat,
        sollte zeitnah zum Inkrafttreten des Gesetzes durch
        Verwaltungsanweisungen geregelt werden. Ziel der
        Verwaltungsvorschriften sollte sein, den bürokrati-
        schen Aufwand für die Steuerpflichtigen und den
        administrativen Aufwand für die Finanzverwaltung
        so weit wie möglich zu begrenzen. Dabei sollten
        auch die Vorschläge der „Arbeitsgruppe zur Evalu-
        ation des administrativen Mehraufwandes der vor-
        geschlagenen Änderung der 1%-Regelung des § 6
        Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG“ zur Vereinfachung des
        Nachweises hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit und
        bezüglich der Auswirkungen für die Steuerpflichti-
        gen geprüft und ggf. berücksichtigt werden.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006 3065
        (A) (C)
        (B) (D)
        Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
        mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2
        der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den
        nachstehenden Vorlagen absieht:
        Innenausschuss
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bericht der Bundesregierung über den Stand der Ab-
        wicklung des Fonds für Wiedergutmachungsleistungen
        an jüdische Verfolgte
        – Drucksachen 15/5965, 16/480 Nr. 1.20 –
        Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
        Reaktorsicherheit
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bericht der Bundesregierung zum Jahresgutachten
        2003
        „Welt im Wandel – Energiewende zur Nachhaltigkeit“
        des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung
        Globale Umweltveränderungen
        – Drucksachen 15/4155, 16/820 Nr. 48 –
        Ausschuss für Bildung, Forschung und
        Technikfolgenabschätzung
        – Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Tech-
        nikfolgenabschätzung (17. Ausschuss) gemäß § 56a der
        Geschäftsordnung
        Technikfolgenabschätzung
        hier: Leichter-als-Luft-Technologie – Innovations- und
        Anwendungspotenziale
        – Drucksache 15/5507 –
        – Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Tech-
        nikfolgenabschätzung (17. Ausschuss) gemäß § 56a der
        Geschäftsordnung
        Technikfolgenabschätzung
        Vierter Sachstandsbericht zum Monitoring „Technik-
        akzeptanz und Kontroversen über Technik“
        Partizipative Verfahren der Technikfolgenabschätzung
        und parlamentarische Politikberatung
        – Drucksache 15/5652 –
        35. Sitzung
        Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2006
        Inhalt:
        Redetext
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Anlage 2
        Anlage 3
        Anlage 4
        Anlage 5
        Anlage 6
        Anlage 7
        Anlage 8
        Anlage 9
        Anlage 10