Protokoll:
16018

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 18

  • date_rangeDatum: 15. Februar 2006

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:55 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/18 des Erwerbs von Anteilen an Stadtwerken Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) . . . . . . Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Bernd Neumann, Staatsminister BK . . . . . . . auf den Wettbewerb im deutschen Gas- markt Antwort Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 4 Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) Vermeidung von nachfrage- und witte- rungsbedingten Engpässen bei der Versor- gung mit Erdgas in Deutschland Antwort Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin 1269 D 1270 B 1270 B 1271 A 1271 B 1272 A 1272 B 1272 C 1272 D 1274 A 1274 B Deutscher B Stenografisc 18. Sit Berlin, Mittwoch, de I n h a Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Entwurf ei- nes Gesetzes zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie; Föde- ralismusreform; Luftsicherheitsgesetz Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Georg Fahrenschon (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 1267 B 1268 C 1268 D 1269 A 1269 B 1269 C Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Neumann, Staatsminister BK . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 1272 D 1273 A 1273 A undestag her Bericht zung n 15. Februar 2006 l t : Bernd Neumann, Staatsminister BK . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Neumann, Staatsminister BK . . . . . . . Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 16/611) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 3 Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) Auswirkungen eines Einstiegs des russi- schen Energiekonzerns Gasprom in das Endkundengeschäft in Deutschland und 1273 B 1273 B 1273 C 1273 D BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 1273 B 1274 D 1275 A II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Februar 2006 Mündliche Frage 6 Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verhinderung der Schließung von Callcen- ter-Standorten der Telekom Antwort Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 7 Hans-Michael Goldmann (FDP) Regelungen zur Schaffung von unabhän- gigen und verlässlichen Informationen für Verbraucher in einem Verbraucherinfor- mationsgesetz Antwort Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Mündliche Frage 8 Hans-Michael Goldmann (FDP) Unabhängige und verlässliche Informatio- nen für Verbraucher bei gleichzeitigem Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheim- nisse von Unternehmen durch ein Verbrau- cherinformationsgesetz Antwort Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 9 Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) Verankerung eines unmittelbaren Aus- kunftsanspruchs von Verbrauchern gegen Unternehmen im geplanten Verbraucher- informationsgesetz Antwort Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . . . . 1275 B 1275 C 1275 D 1276 A 1276 D 1277 A 1277 C 1277 D 1278 A Mündliche Frage 10 Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) Anhörungs- und Einspruchsrechte der Un- ternehmen im Zusammenhang mit dem ge- planten Verbraucherinformationsgesetz Antwort Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 11 Marina Schuster (FDP) Ausgestaltung eines allgemein verständli- chen Verbraucherinformationsgesetzes Antwort Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . Mündliche Frage 13 Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erhebung oder Einforderung fehlender toxikologischer Daten zur möglichen Ge- sundheitsgefährdung durch Isopropylthio- xanton Antwort Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 14 Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eventuelle Rückrufaktion bei durch Iso- propylthioxanton belasteten Säften Antwort Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1278 B 1278 C 1278 D 1279 A 1279 C 1279 D 1280 B 1281A 1281 B 1281 C 1281 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Februar 2006 III Mündliche Frage 12 Marina Schuster (FDP) Vermeidung von durch Herauslösung aus dem Zusammenhang entstehenden miss- verständlichen Informationen Antwort Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 15 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Aktivitäten der Bundesregierung in diesem Jahr anlässlich des Internationalen Frauen- tages Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Mündliche Frage 20 Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Fertigstellung des vierspurigen Ausbaus der Bahnstrecke zwischen Augsburg und München Antwort Karin Roth, Parl. Staatssekretärin BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 21 Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausbau der Bahnstrecke zwischen Ulm und Oberstdorf, insbesondere des Teil- stücks von Neu-Ulm nach Memmingen Antwort Karin Roth, Parl. Staatssekretärin BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1282 B 1282 C 1282 C 1283 B 1283 C 1284 A 1284 A Mündliche Frage 28 Cornelia Hirsch (DIE LINKE) Auswirkungen fehlender Zahlungen aus dem so genannten Verbändetitel auf die Arbeit der Seminare politischer Studieren- denorganisationen Antwort Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Cornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 29 Cornelia Hirsch (DIE LINKE) Orientierung der Zuweisung der Mittel für den Hochschulbau an den abgerufenen Mitteln der Jahre 2000 bis 2003 Antwort Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Cornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Mündliche Fragen 32 und 33 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausweichreaktionen auf die geplante Ab- gabenerhöhung um 5 Prozent auf Minijobs im gewerblichen Bereich bei Senkung der Lohnsumme um 15 Prozent; dadurch be- wirkte Mehreinnahmen Antwort Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 34 Petra Pau (DIE LINKE) Vorlage eines Gesetzentwurfs zum Schutz von Arbeitnehmerdaten Antwort Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1284 C 1284 D 1285 B 1285 C 1286 A 1286 C 1287 B 1287 B 1287 C IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Februar 2006 Mündliche Frage 35 Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Charakter der am drittletzten Bankarbeits- tag jedes Monats zu erbringenden Bei- tragsschuld als Abschlagszahlung Antwort Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 36 Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Vorgehensweise bei der Berechnung des Beitragssolls der Krankenkassenversiche- rungsbeiträge am drittletzten Bankarbeits- tag jedes Monats für den letzten Entgeltab- rechnungszeitraum Antwort Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 37 Dr. Karl Addicks (FDP) Veranschlagung der deutschen Beiträge an UNICEF im Einzelplan 05 oder im Einzel- plan 23 Antwort Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Karl Addicks (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 38 Dr. Karl Addicks (FDP) Eventuell geplante Änderung bei der Ver- anschlagung der deutschen Beiträge an UNICEF im Einzelplan 05 Antwort Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Karl Addicks (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 39 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bewertung der Arbeit der bisherigen Men- schenrechtsbeauftragten der Bundesregie- 1288 A 1288 A 1288 D 1288 D 1289 C 1289 C 1290 A 1290 A rung im Auswärtigen Amt und Nachfolge- regelung Antwort Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . Zusatzfragen Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 41 Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) Gründe gegen einen UN-geführten Einsatz zur Sicherung der Parlamentswahlen in der Demokratischen Republik Kongo Antwort Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . Zusatzfragen Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . Mündliche Frage 42 Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) Gründe für eine Beteiligung der Bundes- wehr an einem Militäreinsatz zur Siche- rung der Parlamentswahlen in der Demo- kratischen Republik Kongo Antwort Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . Zusatzfragen Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . Mündliche Frage 43 Sevim Dagdelen (DIE LINKE) Situation des nach Togo abgeschobenen togoischen Oppositionellen A. M. Antwort Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . Zusatzfragen Sevim Dagdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 44 Sevim Dagdelen (DIE LINKE) Sicherheitslage abgelehnter Asylbewerber bei einer Abschiebung nach Togo Antwort Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . Zusatzfragen Sevim Dagdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 1290 B 1290 C 1290 D 1291 B 1291 C 1292 A 1292 B 1292 D 1293 B 1293 D 1294 A 1294 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Februar 2006 V Mündliche Frage 45 Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Anhebung der gesunkenen Investitionszu- weisungen seitens des Bundes und der Län- der an die Kommunen Antwort Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . Mündliche Frage 46 Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Anstieg der Ausgaben der Kommunen für soziale Leistungen und eventuelle Entlas- tung von Städten, Gemeinden und anderen Landkreisen Antwort Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 49 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Haushaltsrechtliche Grundlage für 19 neue Stellen im Leistungsbereich des Bundes- ministeriums für Arbeit und Soziales Antwort Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der LINKEN: Zu den von der Bundesregie- rung geplanten Kürzungen bei Hartz IV zulasten junger Erwachsener Elke Reinke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU) . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 1295 A 1295 C 1296 B 1296 C 1297 A 1297 C 1297 D 1298 B 1299 C 1301 A 1302 B 1303 C 1305 A Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Angelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . Karl Richard Schiewerling (CDU/CSU) . . . . Gregor Amann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Wolfgang Grotthaus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Rolf Stöckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Mündliche Frage 1 Christoph Waitz (FDP) Zuordnung des Verlagssektors zum Be- reich der audiovisuellen Medien Antwort Bernd Neumann, Staatsminister BK . . . . . . . . Anlage 3 Mündliche Frage 5 Christoph Waitz (FDP) Haltung der Bundesregierung zur Auffas- sung der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich hinsicht- lich marktbeherrschender Stellungen im Anzeigenmarkt Antwort Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Mündliche Fragen 18 und 19 Patrick Döring (FDP) Maßnahmen zur Beseitigung von Schwie- rigkeiten bei der Versicherung von Flug- zeugen europäischer Luftfahrtunterneh- men gegen terroristische Angriffe sowie mögliche Schritte gegen Wettbewerbsver- zerrungen infolge kostengünstiger Policen für einheimische Fluglinien Antwort Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1306 B 1307 C 1309 A 1310 A 1310 C 1311 D 1312 D 1313 D 1315 A 1315 B 1315 D 1316 A VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Februar 2006 Anlage 5 Mündliche Frage 22 Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erlass einer Verordnung zur Kennzeich- nung von Fahrzeugen, insbesondere Diesel- fahrzeugen, hinsichtlich ihrer Partikel- emissionen Antwort Michael Müller, Parl. Staatssekretär BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Mündliche Fragen 23 und 24 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verabschiedung eines Vorschlags für die Abgasnorm Euro V für PKW und Euro VI für LKW; Unterstützung der Forderung einiger Bundesländer bezüglich einer Absenkung der seit 1. Januar 2005 gelten- den Partikelgrenzwerte auf europäischer Ebene Antwort Michael Müller, Parl. Staatssekretär BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Mündliche Frage 25 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auflösung der seit September 2005 ent- standenen Staus bei der Bewilligung von Forschungsförderungsmitteln Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Mündliche Fragen 26 und 27 Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entwicklung des Mittelabflusses in den Forschungsförderprogrammen der Bun- desregierung seit Herbst 2005 und mögli- che Gefährdungen von wichtigen For- schungsvorhaben Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1316 C 1316 C 1316 D 1317 A Anlage 9 Mündliche Frage 30 Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dokumentation der Zahl von Bewerbern für Studienplätze in Deutschland Antwort Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Mündliche Frage 31 Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dokumentation über ohne Studienplatz ge- bliebene Studienbewerber Antwort Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Mündliche Frage 40 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Haushaltstitel zur eventuellen Zahlung von Lösegeldern für entführte deutsche Staats- bürger Antwort Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . Anlage 12 Mündliche Frage 47 Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorlage eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung der Nachrüstung von Diesel- fahrzeugen mit Partikelfiltern Antwort Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Mündliche Frage 48 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zukünftige Verfahren zur Besteuerung von Biokraftstoffen Antwort Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1317 B 1317 C 1317 D 1317 D 1318 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Februar 2006 VII Anlage 14 Mündliche Fragen 50 und 51 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Eventuelle Abschwächung des Partner- schaftsprinzips im Rahmen der kommuna- len Strukturfondsverordnungen Antwort Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Mündliche Fragen 52 und 53 Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausgleich der Ausfälle bei den EU-Struk- turfondsmitteln ab 2007 über den Solidar- pakt II; Aufstockung der Fondsmittel Antwort Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1318 B 1318 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Februar 2006 1267 (A) (C) (B) (D) 18. Sit Berlin, Mittwoch, de Beginn: 1
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    Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Februar 2006 1315 (A) (C) (B) (D) Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der von der Initiative der EU-Kommission betroffenen Verbände und Un- ternehmen, der Verlagssektor würde in bisher unbekanntem ständig. Sie kann zu dem Auslegungsprozess der KEK daher nicht Stellung nehmen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Antwort des Staatsministers Bernd Neumann auf die Frage des Abgeordneten Christoph Waitz (FDP) (Druck- sache 16/611, Frage 1): Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Albach, Peter CDU/CSU 15.02.2006 Bätzing, Sabine SPD 15.02.2006 Burgbacher, Ernst FDP 15.02.2006 Granold, Ute CDU/CSU 15.02.2006 Haustein, Heinz-Peter FDP 15.02.2006 Hilsberg, Stephan SPD 15.02.2006 Hintze, Peter CDU/CSU 15.02.2006 Höger-Neuling, Inge DIE LINKE 15.02.2006 Hofbauer, Klaus CDU/CSU 15.02.2006 Hovermann, Eike SPD 15.02.2006 Klug, Astrid SPD 15.02.2006 Kramme, Anette SPD 15.02.2006 Kühn-Mengel, Helga SPD 15.02.2006 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.02.2006 Nitzsche, Henry CDU/CSU 15.02.2006 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.02.2006 Schmidt (Nürnberg), Renate SPD 15.02.2006 Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.02.2006 Wolff (Rems-Murr), Hartfrid FDP 15.02.2006 Anlagen zum Stenografischen Bericht Ausmaß audiovisuellen Medien zugeordnet werden, weil das Internetangebot der Verlage, welches zur Gewinnung von An- zeigenkunden diene, nunmehr strengeren rundfunkrechtlichen Maßstäben und Bewertungskriterien unterliegen solle, und welche Begründung führt die Bundesregierung für ihre An- sicht an? Die Bundesregierung teilt diese Einschätzung nicht. Die Bundesregierung unterstützt das Ziel der Europäi- schen Kommission, für den audiovisuellen Sektor einen kohärenten europäischen Rechtsrahmen zu schaffen. Die geltende Fernsehrichtlinie basiert auf ordnungspoliti- schen Konzepten der 80er-Jahre. Seitdem haben sich die Rahmenbedingungen für das Fernsehen gravierend ver- ändert. Die digitale Konvergenz der Kommunikations- netze sowie der Medieninhalte und Geräte führt dazu, dass praktisch alle Dienste auf allen Endgeräten genutzt werden können. Der Vorschlag der Europäischen Kom- mission trägt dieser Konvergenz Rechnung, indem er gleiche Arten von audiovisuellen Diensten, unabhängig vom Übertragungsweg, den gleichen Grundregeln unter- werfen will. Für den Verlagssektor entstehen dadurch keine Nach- teile. In dem Vorschlag der Europäischen Kommission zur Revision der Fernsehrichtlinie sind elektronische Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen. Das gleiche gilt für Internetangebote, mit denen die Verlage Anzei- genkunden für ihre Zeitungen gewinnen wollen. Die Richtlinie will nicht das Internet regeln. Sie soll aus- schließlich für audiovisuelle Massenmedien mit beweg- ten Bildern gelten. Es ist nicht erkennbar, dass damit der Verlagssektor betroffen sein könnte. Selbst wenn die Verlage in ihren Anzeigen animierte grafische Elemente oder sogar kleine Werbespots verwenden, sind sie von der Richtlinie nicht erfasst. Anlage 3 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dagmar Wöhrl auf die Frage des Abgeordneten Christoph Waitz (FDP) (Druck- sache 16/611, Frage 5): Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Kommis- sion zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK), dass eine marktbeherrschende Stellung im Anzeigen- markt durch Zusammenziehung unterschiedlicher Medien aus dem Print- und audiovisuellen Bereich erreicht werden kann, und welche Begründung liegt der Ansicht der Bundesregie- rung zugrunde? Die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) ist eine durch Rundfunkstaatsver- trag von den Landesmedienanstalten geschaffene Einrich- tung (§§ 35 ff. RfStV). Aufgabe der KEK ist es zu prüfen, ob Fernsehsender über vorherrschende Meinungsmacht verfügen (§ 26 RfStV). Die Bundesregierung ist für die Sicherung der Meinungsvielfalt im Fernsehen nicht zu- 1316 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Februar 2006 (A) (C) (B) (D) Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ulrich Kasparick auf die Fragen des Abgeordneten Patrick Döring (FDP) (Druck- sache 16/611, Fragen 18 und 19): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus, dass es für europäische Luftfahrtunternehmen zunehmend schwie- riger wird, ihre Flugzeuge gegen terroristische Angriffe zu versichern, und inwieweit sieht die Bundesregierung diesbe- züglich Handlungsbedarf? Trifft es zu, dass in den USA die Luftfahrtbehörden ein- heimischen Fluglinien eigene, kostengünstige Policen zur Absicherung dieses Risikos anbieten, und wie gedenkt die Bundesregierung auf die entsprechenden Wettbewerbsverzer- rungen zu reagieren? Zu Frage 18: Die Entwicklung auf dem Luftfahrt-Versicherungs- markt wird von der Bundesregierung aufmerksam ver- folgt. Bislang können sich die Luftfahrtunternehmen an- gemessen gegen Kriegs- und Terrorrisiken versichern, soweit dies gesetzlich gefordert wird. Soweit Versiche- rungsschutz in Bezug auf Schäden am Luftfahrzeug (Kaskoversicherung) nur noch eingeschränkt erhältlich sein sollte, wird kein Handlungsbedarf gesehen, zumal es sich um eine Versicherungsart handelt, die nicht ge- setzlich vorgeschrieben ist. Dagegen unterliegt die Haf- tung für Passagier- und Drittschäden nach EG-Recht und nationalem Recht in bestimmter Höhe einer Versiche- rungspflicht. Sollte es zu einem Marktversagen im Be- reich der Passagier- und Drittschadenshaftpflichtver- sicherung kommen, wäre das weitere Vorgehen auf EU- Ebene abzustimmen. Ein isoliertes Vorgehen auf natio- naler Ebene kommt aus Gründen des EG-Wettbewerbs- und Beihilferechts nicht in Betracht. Zu Frage 19: In den USA ist das dortige staatliche Versicherungs- programm zunächst bis zum 31. August 2006 verlängert worden. Es bietet Risikoschutz zu kostengünstigen Prä- mien an, die Kriegs- und Terrorrisiken in den Bereichen Kasko, Passagierschäden und Drittschadenshaftpflicht abdecken. Ob allein daraus bereits ein Wettbewerbsun- gleichgewicht zulasten der europäischen Luftfahrtunter- nehmen folgt oder ob bei der Beurteilung der Wettbe- werbsfähigkeit der europäischen Luftfahrtunternehmen noch weitere Gesichtspunkte – zum Beispiel die Markt- struktur, das Nachfrage- und Konkurrenzverhalten und die gesamten regulatorischen Rahmenbedingungen – he- ranzuziehen sind und welche Konsequenzen aus tatsäch- lichen Wettbewerbsverzerrungen zu ziehen wären, kann nur EU-einheitlich beantwortet werden. Aus Sicht der Bundesregierung kommt allerdings keine Lösung in Be- tracht, die Förderungen in diesem Bereich dauerhaft international zementiert und keine Anreize für eine aus- schließliche Absicherung auf dem privaten Versiche- rungsmarkt bietet. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Michael Müller auf die Frage des Abgeordneten Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/611, Frage 22): Wann wird die Bundesregierung eine Verordnung zur Kennzeichnung von Fahrzeugen, insbesondere Dieselfahrzeu- gen, hinsichtlich ihrer Partikelemissionen erlassen, zur Durch- setzung von Fahrverboten bei Überschreitung von Grenzwer- ten, und wie sieht diese Regelung aus? Die Bundesregierung wird in Kürze den Entwurf ei- ner Kennzeichungsverordnung vorlegen. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Michael Müller auf die Fragen der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/611, Fragen 23 und 24): Wird die Bundesregierung sich auf der europäischen Ebene dafür einsetzen, dass baldmöglichst ein vollständiger Vorschlag für die Abgasnorm Euro V für PKW und Euro VI für LKW verabschiedet wird? Unterstützt die Bundesregierung die Forderung einiger Bundesländer nach einer Absenkung der seit 1. Januar 2005 geltenden Partikelgrenzwerte auf europäischer Ebene? Zu Frage 23: Die Bundesregierung setzt sich seit mehreren Jahren intensiv dafür ein, dass die Abgasvorschriften Euro V (PKW) und Euro VI (LKW) schnellstmöglich auf euro- päischer Ebene verabschiedet werden. Sie hatte deshalb die Kommission mehrfach schriftlich aufgefordert, end- lich die Vorschläge zu den künftigen Abgasstufen vorzu- legen. Die Kommission ist der Aufforderung bezüglich der PKW-Grenzwerte am 21. Dezember 2005 gefolgt. Zu Frage 24: Der Bundesregierung sind Forderungen nach einer Absenkung des Anforderungsniveaus nicht bekannt. Sie nimmt die Gesundheitsgefahren durch Feinstaub sehr ernst. Sie hat deshalb die im Vorschlag der EU-Kommis- sion vom 21. September 2005 über eine „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Luftreinhal- tung und für saubere Luft in Europa“ enthaltene unver- änderte Fortschreibung der geltenden Partikelgrenzwerte begrüßt. Diese anspruchsvollen Werte haben in ganz Eu- ropa zur Intensivierung der Anstrengungen zur Minde- rung der Feinstaubemissionen beigetragen. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/611, Frage 25): Bis wann wird die Bundesregierung den seit September 2005 entstandenen Stau in der Bewilligung von Forschungs- förderungsmitteln, der unter anderem aus der vorläufigen Haushaltsführung sowie den noch zu klärenden Zuständigkei- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Februar 2006 1317 (A) (C) (B) (D) ten zwischen dem Bundesministerium für Bildung und For- schung und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Tech- nologie resultiert und der Auswirkungen auf die Umsetzung beabsichtigter Forschungsvorhaben von Universitäten sowie von kleinen und mittleren Unternehmen hat, auflösen? Unabhängig von organisatorischen Detailfragen bei dem Übergang der Zuständigkeiten besteht Einverneh- men zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), dass bis zur end- gültigen Umsetzung der vorgesehenen Titel/Titelanteile die administrative Betreuung bzw. die Mittelbewirt- schaftung in der Hand des BMBF verbleibt. Insofern gab und gibt es keine negativen Auswirkungen auf die Be- willigungspraxis von Forschungsförderungsmitteln. Im Jahr 2006 wird das Haushaltsgesetz erst nach Beginn des Haushaltsjahres verkündet. Bis zu diesem Zeitpunkt richtet sich die vorläufige Haushaltsführung – zur Wah- rung der Budgethoheit des Parlaments – nach Art. 111 Grundgesetz. Die technische Umsetzung wird durch ein BMF-Rundschreiben konkretisiert. Das BMBF beachtet in dieser Zeit die geltenden verfassungsmäßigen Vorga- ben. Da das Haushaltsgesetz 2006 voraussichtlich erst im Laufe des Monats Juli verkündet wird, wird das BMBF bemüht sein, Bewilligungsrückstände zu vermeiden. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/611, Fragen 26 und 27): Wie hat sich seit Herbst 2005 der Mittelabfluss in den For- schungsförderprogrammen der Bundesregierung entwickelt, die durch den Wechsel vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zum Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie betroffen waren? Kann die Bundesregierung anhand dieser Zahlen aus- schließen, dass wichtige Forschungsvorhaben von Hochschulen und von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) substan- ziell gefährdet sind? Unabhängig von organisatorischen Detailfragen bei dem Übergang der Zuständigkeiten besteht Einverneh- men zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), dass bis zur end- gültigen Umsetzung der vorgesehenen Titel/Titelanteile die administrative Betreuung bzw. die Mittelbewirtschaf- tung in der Hand des BMBF verbleibt. Insofern gab und gibt es keine negativen Auswirkungen auf den Mittelab- fluss der betreffenden Bereiche. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Frage der Abgeordneten Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 16/611, Frage 30): Wie und durch wen wird in Zukunft festgehalten und do- kumentiert, wie viele Studienbewerberinnen und -bewerber es für Studienplätze in Deutschland gibt? Eine solche bundesweite bzw. länderübergreifende Statistik wird derzeit nicht erstellt. Pläne der Bundeslän- der, eine solche in Zukunft zu erstellen, sind der Bundes- regierung nicht bekannt. Soweit der Bereich der bundesweit zulassungsbe- schränkten Studiengänge betroffen ist, stellt die Zentral- stelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) fest, wie viele Studienbewerberinnen und -bewerber sich um Stu- dienplätze in den bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen beworben haben. Die Erhebung von Da- ten zur Vergabe von Studienplätzen in nicht bundesweit zulassungsbeschränkten und zulassungsfreien Studien- gängen obliegt in erster Linie den Hochschulen. Eine hochschulübergreifende statistische Erhebung der Zahl der Studienbewerberinnen und -bewerber erfolgt bisher nicht. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Frage der Abgeordneten Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/611, Frage 31): Wie und durch wen wird in Zukunft festgehalten und do- kumentiert, wie viele Studienbewerberinnen und -bewerber letztendlich ohne Studienplatz in Deutschland bleiben? Eine solche bundesweite bzw. länderübergreifende Statistik wird derzeit nicht erstellt. Pläne der Länder, eine solche in Zukunft zu erstellen, sind der Bundes- regierung bekannt. Im Übrigen gilt entsprechend das zur Frage 30 Ausgeführte. Anlage 11 Antwort des Staatsministers Gernot Erler auf die Frage der Abge- ordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Druck- sache 16/611, Frage 40): Aus welchen Einzelplänen und Haushaltstiteln des Bun- deshaushalts werden gegebenenfalls Lösegelder für entführte deutsche Staatsbürger gezahlt? Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Bundes- außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier haben sich klar geäußert: Die Bundesregierung lässt sich nicht er- pressen. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des Abgeordneten Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/611, Frage 47): Wann wird die Bundesregierung das im Koalitionsvertrag angekündigte Gesetz zur steuerlichen Förderung der Nachrüs- tung von Dieselfahrzeugen mit Partikelfiltern vorlegen, und wie soll diese Förderung die Feinstaubemissionen vermin- dern? 1318 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Februar 2006 (A) (C) (B) (D) Die einer steuerlichen Förderung zugrunde liegenden verkehrsrechtlichen Vorschriften über die technischen Anforderungen an nachgerüstete Partikelminderungs- technik sind am 1. Februar 2006 im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Auf dieser Basis wird in nächster Zeit ein Entwurf zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuer- gesetzes vorbereitet, der nach Abstimmung innerhalb der Bundesregierung und mit den Ländern, denen das Kraftfahrzeugsteueraufkommen allein zusteht, in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wird. Da Diesel- PKW in hoch belasteten Innenstadtstraßen wesentlich zur Feinstaubbelastung beitragen, kann durch die Nach- rüstung mit Partikelminderungssystemen zur Lösung der Feinstaubproblematik beigetragen werden. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/611, Frage 48): Trifft es zu, dass die Bundesregierung Biokraftstoffe zu- künftig so besteuern will, dass ein Landwirt, der seinen Raps an eine Ölmühle verkauft und von dieser Ölmühle das aus sei- nem Raps ausgepresste Rapsöl bezieht, für dieses Pflanzenöl Mineralsteuer zahlen muss? Der Vorschlag, Pflanzenöl bei einer Verwendung als Kraftstoff künftig zu besteuern, ist Bestandteil des Ent- wurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen und zur Änderung des Strom- steuergesetzes. Der Entwurf hat derzeit noch den Status eines Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Finanzen. Das Abstimmungsverfahren innerhalb der Bundesregierung zu diesem Gesetzentwurf ist noch nicht abgeschlossen. Erst danach wird der Entwurf der Geset- zesvorlage der Bundesregierung zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU) (Druck- sache 16/611, Fragen 50 und 51): Ist der Bundesregierung bekannt, ob es Bestrebungen von- seiten der EU-Mitgliedstaaten gibt, das Partnerschaftsprinzip im Rahmen der kommunalen Strukturfondsverordnungen (EU-Kommissionsentwurf der Allgemeinen Verordnung – KOM (2004) 492) abzuschwächen, und, wenn ja, welche Position nimmt die Bundesregierung zu diesem Vorhaben ein? Existieren innerhalb der Bundesregierung Alternativüber- legungen, die die weitere Beteiligung der lokalen Ebene in Deutschland gewährleisten, falls das Partnerschaftsprinzip im Rahmen der kommunalen Strukturfondsverordnungen abge- schwächt wird, und, wenn ja, welcher Art? Zu Frage 50: Die Bedeutung des Partnerschaftsprinzips wird von allen EU-Mitgliedstaaten anerkannt. In den Ratsgremien wird über die genaue Ausgestaltung dieses Prinzips be- raten. Eine Entscheidung wurde noch nicht getroffen. Die Europäische Kommission strebt gegenüber der lau- fenden Förderperiode eine weitere Verstärkung des Part- nerschaftsprinzips an. Eine große Mehrheit der Mitglied- staaten ist dagegen für die Beibehaltung der bisherigen Regelungen, die eine breite Beteiligung der verschiede- nen Partner – wie zum Beispiel der Wirtschafts- und So- zialpartner, Umweltverbände, Frauenbeauftragten sowie Vertreter der kommunalen Ebene vorsehen. Die Bundes- regierung sowie die Bundesländer unterstützen diese Position. Ein zentraler Punkt ist aus Sicht der Bundes- regierung, dass die Beteiligung der Partner im Einklang mit den institutionellen Regelungen des jeweiligen Mit- gliedstaates erfolgen muss. So wäre es zum Beispiel nicht akzeptabel, wenn die Partner Parlamentsentschei- dungen blockieren könnten. Zu Frage 51: Es besteht nicht die Gefahr, dass das Partnerschafts- prinzip abgeschwächt wird. Die Bundesregierung wird auch in der nächsten Förderperiode die Partner, zu denen auch der Deutsche Städtetag und der Landkreistag gehö- ren, intensiv beteiligen. So werden die Partner bei der Erstellung des so genannten Nationalen Strategischen Rahmenplans konsultiert, der die Entwicklungsstrategie sowie die Förderbereiche festlegt. Hierzu ist für März 2006 auf Bundesebene eine große Konferenz geplant, auf der die Partner ihre Ideen hinsichtlich strategischer Entwicklungsziele, Förderschwerpunkte sowie Um- setzung der Förderung in die Planungen einbringen kön- nen. Bei der Vorbereitung der neuen Strukturfondspro- gramme für die Periode 2007 bis 2013 messen die Län- der, die in Deutschland den überwiegenden Teil der Strukturfondsmittel verwalten, der Einbeziehung der kommunalen Ebene einen hohen Stellenwert bei. In Ver- anstaltungen, Konferenzen und Workshops werden zur- zeit die Konturen und Hauptrichtungen der künftigen Förderung mit den kommunalen Akteuren sowie den Wirtschafts- und Sozialpartnern auf kommunaler und re- gionaler Ebene beraten. Darüber hinaus werden die Part- ner auch bei der Durchführung, Begleitung und Bewer- tung der Programme beteiligt. Von einer Abschwächung des Partnerschaftsprinzips in Deutschland kann also keine Rede sein. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des Abgeordneten Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/611, Fragen 52 und 53): Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Aus- fälle bei den EU-Strukturfondsmitteln ab 2007 über den Soli- darpakt II auszugleichen sind („Handelsblatt“, 7. Februar 2006), und, wenn ja, welche politischen Handlungen leitete sie daraus ab? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, wonach die Mittel für die Strukturfonds insgesamt aufgestockt werden sollten („Handelsblatt“, 7. Februar 2006), und, wenn ja, mit welcher Ausgestaltung (Höhe, Zielgebiete)? Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Februar 2006 1319 (A) (C) (B) (D) Zu Frage 52: Mit dem Solidarpakt II hat die Bundesregierung den Aufbau Ost auf eine langfristige und verlässliche finan- zielle Grundlage gestellt. In diesem Rahmen erhalten die ostdeutschen Länder vom Bund im Zeitraum 2005 bis 2019 insgesamt 105 Milliarden Euro in Form von unge- bundenen Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisun- gen zum Abbau des infrastrukturellen Nachholbedarfs und zum Ausgleich der unterproportionalen kommuna- len Finanzkraft. Die Mittel knüpfen im Jahr 2006 mit 10,5 Milliarden Euro nahtlos an das bisherige Leistungs- niveau an und werden bis zum Jahr 2019 degressiv abge- schmolzen (so genannter Korb I). Zusätzlich hat sich der Bund bereit erklärt, über die Laufzeit des Solidarpakts II als Zielgröße weitere 51 Milliarden Euro als „überpro- portionale Leistungen für die ostdeutschen Länder“ ein- zusetzen (so genannter Korb II). Die Strukturfondsmittel sind Bestandteil des Korbes II. Die Bundesregierung steht zu ihren Finanzzusagen. Dies zeigt auch die – zu- gunsten der neuen Länder – vereinbarte Verlängerung der Investitionszulage. Die Beschlüsse des Europäischen Rates über die Fi- nanzielle Vorausschau ändern nicht den Inhalt der Zusa- gen der Bundesregierung im Rahmen des Korbs II. Im Übrigen ist in der Koalitionsvereinbarung niedergelegt, dass sich Bund und neue Länder über die für den Korb II relevanten Politikfelder abstimmen werden und dabei dem Interesse der Länder an Planungssicherheit entspro- chen wird. Sie können davon ausgehen, dass dies ge- nauso umgesetzt wird. Zu Frage 53: Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich auf dem Europäischen Rat im De- zember 2005 auf die Höhe der Strukturfondsmittel für die Periode 2007 bis 2013 verständigt. Für die EU- Strukturpolitik werden damit für die Gesamtperiode rund 307 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Im Vergleich zur laufenden Förderperiode (2000 bis 2006) bedeutet dies eine Erhöhung um rund 30 Pro- zent. 18. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 15. Februar 2006 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601800000

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-

zung ist eröffnet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-

binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und
der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundes-
minister der Finanzen, Dr. Barbara Hendricks. Bitte
schön.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1601800100


Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
gen! Bitte erlauben Sie, dass ich mich kurz an unsere Zu-
hörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne wende – ich
sehe, dort sitzen vor allem Gruppen von jungen Men-
schen –: Der Sachverhalt, den ich gleich darlegen werde,
ist ziemlich schwierig. Im Wesentlichen geht es um die
Frage, wie viel Geld eine Bank oder Sparkasse über-
haupt haben muss, damit sie an andere Geld verleihen

Rede
darf. Das ist eigentlich ein ziemlich einfacher Sachver-
halt. Aber die Materie insgesamt ist schwierig. Ich bitte
dafür um Verständnis. Sie müssen nicht denken, Sie wä-
ren dumm, wenn Sie gleich nicht mehr so viel verstehen.


(Heiterkeit – Roland Claus [DIE LINKE]: Warum war das nicht auch an uns gerichtet? – Gegenruf der Abg. Petra Ernstberger [SPD]: Das hat sie sich nicht getraut! – Weiterer Zuruf: Man muss dazu sagen, den meisten Abgeordneten geht es auch so!)


– Ein Kollege hat gerade gesagt: Den meisten Abgeord-
neten geht es auch so. Das will ich nicht kommentieren.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601800200

Wir hoffen ganz auf Sie, Frau Staatssek

wir hinterher vollständig informiert sind u
stehen. Nun aber los!
zung

n 15. Februar 2006

3.00 Uhr

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1601800300


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Das Bundeskabinett hat heute den vom
Bundesministerium der Finanzen vorgelegten Entwurf
eines Gesetzes zur Umsetzung der neu gefassten Ban-
kenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanz-
richtlinie beschlossen. Den vorangegangenen Prozess
zur grundlegenden Modernisierung der bankaufsichts-
rechtlichen Eigenkapitalvorschriften für Banken und
Wertpapierfirmen, bekannt unter dem Stichwort Basel II,
haben wir seit Beginn der Diskussionen vor knapp sie-
ben Jahren auf internationaler Ebene begleitet und mit-
gestaltet. Auch der Deutsche Bundestag hat diesen Pro-
zess stets begleitet.

Auf dem Gebiet der Finanzmarktpolitik sieht die Bun-
desregierung eine zentrale Aufgabe in der neuen Legisla-
turperiode darin, den Inhalt von Basel II eins zu eins in
Verwaltungsvorschriften zu überführen, welche für die
beaufsichtigten Institute praktikabel, für die Kunden und
die übrigen Marktteilnehmer akzeptabel und für den Fi-
nanzdienstleistungssektor insgesamt stabilitätsfördernd
sind. Dies soll eine weiterhin reibungslose Versorgung
der Wirtschaft und vor allem der mittelständischen Be-
triebe und Unternehmen mit Bankkrediten zu attraktiven

text
Konditionen sicherstellen.

Darüber hinaus werden die neuen bankaufsichtsrecht-
lichen Regelungen wettbewerbsneutral für die Banken
und Sparkassen und außerdem benutzerfreundlich für
die Kreditinstitute und deren Kunden ausgestaltet.

Lassen Sie mich die vorrangigen Ziele im Zusam-
menhang mit diesem Gesetzgebungsprojekt verdeutli-
chen: Das Kreditgewerbe, aber auch die Kredit nehmen-
den Unternehmen und Haushalte sollen von der
Neufassung der bankaufsichtsrechtlichen Eigenkapi-
talanforderungen profitieren. Die künftig differenziertere
Erfassung der Risiken aus dem Kreditgeschäft ermög-

ituten eine exaktere Berechnung der bank-
tlich verursachten Kapitalkosten. Damit
ussetzung für eine risikogerechtere Gestal-
itkonditionen geschaffen. Nach dem neuen
retärin, dass
nd alles ver-

licht den Inst
aufsichtsrech
wird die Vora
tung der Kred

Regelungswerk steht sämtlichen Instituten grundsätzlich






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
die Möglichkeit offen, die modernisierten Verfahren zur
Risikoanrechnung zu nutzen. Der Anreiz zur Anwen-
dung ausgefeilter, fortgeschrittener Verfahren besteht in
der Aussicht auf Erleichterungen bei den bankaufsichts-
rechtlichen Eigenkapitalanforderungen.

Die Sorge vor allem kleinerer Institute, die neuen Ei-
genkapitalregelungen könnten unverhältnismäßig hohe
Hürden für sie darstellen, wird im Bundesfinanzministe-
rium sehr ernst genommen. Einseitige Belastungen oder
überzogene Anforderungen sind nicht beabsichtigt.

Die im Rahmen der Baseler und Brüsseler Verhand-
lungen bei der Mittelstandsfinanzierung erzielten Er-
folge werden nun im deutschen Bankenaufsichtsrecht
festgeschrieben. Sämtliche in der neuen EU-Richtlinie
enthaltenen Wahlrechte zugunsten von Mittelstandskre-
diten sollen ausgeübt werden. Dies betrifft sowohl die
genauere Berücksichtigung von risikomindernden Port-
folioeffekten bei kleinvolumigen Krediten, den so ge-
nannten Retailportfolios, als auch die Anerkennung von
Kreditsicherheiten.

Ganz generell ist die Umsetzung strikt an den Min-
destvorgaben aus den neu gefassten EU-Richtlinien aus-
gerichtet worden. Eine Überregulierung wäre uner-
wünscht. Allerdings müssen wir einräumen, dass allein
die Mindestvorgaben aus Brüssel bereits einen beträcht-
lichen Umfang aufweisen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stellt die Bun-
desregierung die Weichen für eine mittelstandsfreundli-
che Umsetzung von Basel II. Die internationalen Ver-
handlungen über Basel II sind aus deutscher Sicht
erfolgreich gestaltet worden und es ist ein Mittelstands-
paket zur fairen Behandlung von Mittelstandskrediten
vereinbart worden. Nunmehr kommt es darauf an, diesen
Erfolg endgültig zu sichern.

Lassen Sie mich auf das im Rahmen der Basel-II-Ver-
handlungen vereinbarte so genannte Mittelstandspaket
eingehen: Es beinhaltet zum Beispiel eine Senkung des
Anrechnungssatzes für Kredite an kleine und mittlere
Unternehmen, wenn es um einen Kreditbetrag von bis zu
1 Million Euro geht. Diese Zuordnung zum so genannten
bankaufsichtsrechtlichen Retailportfolio, auf das ich be-
reits eingegangen bin, bedeutet, dass man solche kleine-
ren Kredite bis zu 1 Million Euro auch dann ausreichen
kann, wenn man bei den Banken 25 Prozent weniger Si-
cherheiten bzw. Eigenkapital hat.

Außerdem hat das Mittelstandspaket niedrigere An-
rechnungssätze für Kredite an Unternehmen mit einem
Umsatz von bis zu 50 Millionen Euro zum Inhalt. In Be-
zug auf diese Unternehmen kann es Abschläge bei den
Eigenkapitalanforderungen von maximal 20 Prozent ge-
ben. Darüber hinaus ist enthalten, dass es keine Risiko-
zuschläge für langfristige Kredite an Unternehmen mit
einem Jahresumsatz und einer Bilanzsumme von jeweils
maximal 500 Millionen Euro gibt. Die Kreditsicherhei-
ten, die in Deutschland üblich sind, werden stärker als
bisher berücksichtigt; hier lautet das Stichwort: Pfand-
briefe.

Zur Umsetzung der neuen EU-Eigenkapitalregelun-
gen in das deutsche Bankenaufsichtsrecht ist vorgese-
hen, neben dem vorliegenden Gesetzentwurf auch zwei
Rechtsverordnungen in Kraft zu setzen, die die neuen
Regelungen im Kreditwesengesetz um notwendige tech-
nische Bestimmungen ergänzen sollen: Zum einen wird
eine Solvabilitätsverordnung zur Festlegung von Aus-
führungsbestimmungen zu den Eigenkapitalanforderun-
gen erlassen – diese Verordnung wird den bisherigen
Grundsatz I im Kreditwesengesetz ersetzen –, zum ande-
ren werden die Großkredit- und Millionenkreditverord-
nung überarbeitet und ergänzt.

Mit dem heutigen Beschluss des Kabinetts ist die Vo-
raussetzung für eine gründliche Befassung des Parla-
ments mit dem vorgelegten Gesetzentwurf geschaffen
worden. Nun besteht Gelegenheit zur vertieften Erörte-
rung dieses wichtigen Vorhabens. Das Bundesministe-
rium der Finanzen wird Ihnen hierfür gerne zur fachli-
chen Beratung zur Verfügung stehen.

Herzlichen Dank.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601800400

Danke schön. – Ich bitte, zunächst Fragen zu dem

Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet
wurde.

Als erster hat sich Kollege Leo Dautzenberg, CDU/
CSU-Fraktion, gemeldet.


Leo Dautzenberg (CDU):
Rede ID: ID1601800500

Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Die EU-Richt-

linien, um die es geht, sind vom Finanzministerium rela-
tiv schnell umgesetzt worden. Wenn ich Sie richtig ver-
standen habe, haben Sie gesagt, dass auch die
vorhandenen Wahlrechte genutzt werden. Schließlich
war es ja auch das Verdienst der parlamentarischen Be-
gleitung dieser Maßnahmen, dass die Mittelstandskom-
ponenten realisiert werden konnten.

Meine Frage an Sie lautet: Werden die Verordnungen,
die Sie gerade genannt haben – ich meine zum einen die
Solvabilitätsverordnung und zum anderen die Großkre-
dit- und Millionenkreditverordnung –, zeitgleich zur par-
lamentarischen Beratung vorliegen, damit wir sie in das
Beratungsverfahren einbeziehen können?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1601800600


Herr Kollege, derzeit liegen lediglich Entwürfe dieser
Verordnungen vor. Es wäre zwar möglich, dass sie dem
Parlament informell zur Kenntnis gegeben werden. Aber
im Grunde handelt es sich hier um ein exekutives Ver-
fahren. Um diese Verordnungen zu erlassen, ist, soweit
ich weiß – allerdings bin ich mir nicht sicher; da bin ich
im Moment überfragt –, die Zustimmung des Bundesra-
tes erforderlich. Selbstverständlich werden wir auf infor-
mellem Wege über ihren Inhalt berichten. Aber das ist
nicht Gegenstand der Abstimmungen in diesem Haus
oder im Finanzausschuss.

Herr Kollege, der Hinweis, den Sie eingangs gemacht
haben, ist richtig: Trotz wechselnder Mehrheiten hat die-
ses Haus den Basel-II-Prozess immer einvernehmlich
sehr positiv begleitet. Sie werden sich daran erinnern,






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
dass wir bereits im Sommer 2000 und im Sommer 2001
einvernehmlich zwei Entschließungen gefasst haben, die
sehr positive Wirkungen hatten, weil sie die Position un-
serer Verhandlungsführer auf internationaler Ebene ge-
stärkt haben. Denn dieser Richtlinie der Europäischen
Union sind ja Verhandlungen auf der internationalen
Ebene vorausgegangen, im Baseler Ausschuss für Ban-
kenaufsicht. Dort ist die Position unserer Verhandler von
der Deutschen Bundesbank und von der Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht durch die Entschlie-
ßungen, die der Deutsche Bundestag im Hinblick auf die
Mittelstandskredite gefasst hatte, sehr gestärkt worden.
Sonst hätte das von mir eben angesprochene und darge-
stellte so genannte Mittelstandspaket innerhalb des
Richtlinienvorschlages so nicht ausgestaltet werden kön-
nen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601800700

Danke schön. – Ich erteile das Wort zu einer Frage

Kollegen Roland Claus, Linkspartei.


Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601800800

Frau Kollegin, ich beziehe mich auf Ihre Koalitions-

vereinbarung, in der Sie in der Rubrik „Aufbau Ost
voran bringen“ angekündigt haben, Mitte 2006 neue
Rahmenbedingungen für Kredite an kleine und mittel-
ständische Unternehmen sowie Existenzgründer zu
schaffen. In welchem Zusammenhang stehen die heuti-
gen Entscheidungen des Kabinetts mit dieser Ankündi-
gung und inwiefern berücksichtigen Sie mit dem Gesetz-
entwurf die besondere Verantwortung der Sparkassen?
Welche Nachteile entfallen für die Sparkassen und was
wird sich für sie verbessern?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1601800900


Zu Ihrer ersten Frage, Herr Kollege Claus: Das steht
nicht in unmittelbarem Zusammenhang. Was in der Ko-
alitionsvereinbarung zur Überarbeitung von Kreditkon-
ditionen angekündigt worden ist, bezieht sich auf Mittel-
standskredite, zum Beispiel durch die Kreditanstalt für
Wiederaufbau. Das ist ein anderes Thema, mit dem wir
uns, wie angekündigt, bis Mitte des Jahres befasst haben
wollen.

Zu Ihrer zweiten Frage. Es ist nicht so, dass die Spar-
kassen in besonderer Weise bevorteilt oder benachteiligt
würden. Entscheidend ist, dass die Frage der so genann-
ten Intergruppenforderungen auch zugunsten der Spar-
kassen gelöst worden ist. Das war, auch auf der europäi-
schen Ebene, zunächst sehr fraglich. Sie müssen wissen,
dass die Banken in Deutschland in drei Säulen organi-
siert sind: Wir haben zum Ersten die Privatbanken, die
als Konzerne strukturiert sind, zum Zweiten die Sparkas-
sen und zum Dritten die Volksbanken, die als Genossen-
schaften organisiert sind. Nun sind die jeweiligen Spar-
kassen wie auch die Genossenschaftsbanken in ihrem
Verbund zunächst jeweils selbstständig. Bei einer Kon-
zernstruktur hingegen gibt es natürlich keine eigenstän-
dige X-Bank in Y-Stadt; vielmehr ist jede Bank dem
Mutterkonzern – dessen Sitz meist Frankfurt ist – zuge-
ordnet. Die Frage war, wie Kredite innerhalb dieser
Gruppen bewertet werden müssen: ob dafür viel oder
wenig Eigenkapital zugrunde gelegt werden muss. Da ist
es uns gelungen, im Interesse der Sparkassen und auch
der Volksbanken die so genannten Intergruppenforde-
rungen zu minimieren. Das war uns aus dem Grund
möglich, weil die Sparkassen bzw. die Volksbanken un-
tereinander einen Haftungsverbund bilden. Wir haben
dafür sorgen können, dass ein solcher Haftungsverbund
von Brüssel genauso gewertet wird, als wenn die jeweili-
gen Banken zu einem Konzern gehörten. Dadurch ist
eine mögliche Benachteiligung der Sparkassen oder
Volksbanken ausgeräumt worden und die besondere
Struktur des deutschen Bankenwesens hat Berücksichti-
gung gefunden.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601801000

Danke schön. – Nun erteile ich Kollegen Fahrenschon

das Wort. Bitte.


Georg Fahrenschon (CSU):
Rede ID: ID1601801100

Frau Staatssekretärin, Sie haben darauf hingewiesen,

dass es sich bei Basel II um einen internationalen Rah-
men für Bankgeschäfte handelt und dass die Bundesre-
gierung vorschlägt, die nationale Umsetzung des europäi-
schen Rahmens schnellstmöglich voranzutreiben.

In den Vereinigten Staaten hat die Debatte über
Basel II dazu geführt, dass dort die Umsetzung dieses
Regelwerks verschoben wurde. Vor diesem Hintergrund
möchte ich wissen, wo das Bundeskabinett die Vorteile
einer schnelleren Umsetzung für den Finanzmarkt
Deutschland sieht. Dabei würden mich auch zwei
Details interessieren: Am Anfang waren zwei Wahl-
rechte mit sektoralen Auswirkungen in der Diskussion.
Zum einen war angedacht, die Energiehändler von den
Eigenkapitalanforderungen auszunehmen, zum anderen,
die Wertpapierhandelsfirmen von den speziellen Unter-
legungen für operationelle Risiken auszunehmen. Inwie-
weit sind diese Punkte im Gesetzentwurf berücksichtigt
worden?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1601801200


Herr Kollege Fahrenschon, bezüglich der nicht zeit-
gleichen Umsetzung in den Vereinigten Staaten ist die
Bundesregierung gemeinsam mit der EU-Kommission
der Auffassung – die EU-Kommission wird dies in den
Gesprächen mit der amerikanischen Seite mit Nachdruck
vortragen –, dass Basel II möglichst rasch auch in den
USA eingeführt werden sollte. Das sehen nicht nur wir
und die EU-Kommission, sondern auch unsere europäi-
schen Partner so.

Unabhängig von der Umsetzung in den Vereinigten
Staaten bleibt es bei dem Zeitplan, dass nämlich die
neuen Eigenkapitalregelungen für die Kreditinstitute und
die Wertpapierfirmen in der Europäischen Union zum
1. Januar 2007 eingeführt werden. Es liegt im Interesse
der Europäer, dass die in den USA tätigen EU-Banken
die Vorteile aus den neuen EU-Eigenkapitalregelungen
von Beginn an ohne Einschränkung nutzen können. Die
europäischen Institute haben sich darauf eingestellt, ihre






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
neuen Systeme weltweit einzusetzen. Auch wenn sie
Niederlassungen in den Vereinigten Staaten haben, wer-
den die europäischen Institute das also zum 1. Januar
2007 tun.

Sie hatten noch nach den Energiehändlern und ande-
rem gefragt. Moment, ich habe mir die Einzelheiten dazu
notiert. Ich habe es jetzt nicht im Kopf.


(Georg Fahrenschon [CDU/CSU]: Energiehändler und Wertpapierhandelsfirmen! – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Ihr ist die Energie ausgegangen!)


Zur Ausübung von Wahlrechten. Wir üben ungefähr
100 Wahlrechte aus. Insgesamt gibt es etwa 120 Wahl-
rechte. Für uns sind davon 100 interessant, die wir auch
ausüben. 30 davon üben wir wiederum zugunsten des
Mittelstandes aus. Wir üben praktisch alle aus, die von
Interesse für uns sind.

Eine der wichtigsten davon ist die Ausnahme von der
Überwachung des Eigenkapitals beim einzelnen Institut,
was bei der Aufsicht über die Bankengruppe zu Erleich-
terungen beim Meldeaufwand führt. Außerdem haben
wir – danach haben Sie gerade gefragt – die Ausnahme
für die Energiehändler in Anspruch genommen. Dane-
ben nehmen wir auch die Ausnahme für die Wertpapier-
handelsfirmen im Hinblick auf die Eigenkapitalunterle-
gung von operationellen Risiken in Anspruch.

Die beiden Fragen, die Sie gerade gestellt haben,
kann ich deswegen mit Ja beantworten.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601801300

Kollege Jochen-Konrad Fromme, bitte.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1601801400

Frau Staatssekretärin, die Kreditversorgung ist für die

Mittelstandsbetriebe ja ein besonderes Problem. Die
Diskussion über Basel II hat zunächst einmal zu einer
großen Verunsicherung geführt, weil viele Kredite mit
Bezugnahme auf Basel II im Vorfeld versagt worden
sind.

Damit es jeder versteht: Können Sie noch einmal
ganz einfach darstellen, wie zum Beispiel ein Kredit von
bis zu 1 Million Euro – einen Kredit in einer solchen
Höhe brauchen Handwerksbetriebe ja häufig – behandelt
wird und was Sie tun werden, um jetzt in der Öffentlich-
keit Aufklärungsarbeit zu betreiben, damit durch dieses
komplizierte Gebilde keine Verunsicherung geschaffen,
sondern die notwendige Sicherheit wiedergegeben wird?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1601801500


Herr Kollege, ich bin Ihnen dankbar für die Frage und
ich will gerne noch einmal versuchen, das mit einfachen
Worten auszudrücken.

Gehen wir von einem Kredit in der Größenordnung
von bis zu 1 Million Euro je Kreditinstitut aus. Jemand,
der genügend Bonität hat, könnte sich also bei dem einen
Kreditinstitut 1 Million Euro leihen und bei einem ande-
ren eine weitere Million Euro aufnehmen. Wenn er die
Bonität nachweist, werden ihm die beiden Banken das
wohl leihen. Man hat ja häufig eine Kreditstreuung über
mehrere Institute.

Dieser Kredit in der Größenordnung von bis zu
1 Million Euro fällt unter die so genannten Privatkredite
oder auch unter das Retailportfolio. Im Zusammenhang
mit dem Finanzmarkt werden ja immer englische Be-
griffe verwendet. – Für diese Kredite von nicht so um-
fangreicher Größe – also bis zu 1 Million Euro – wird es
zukünftig sogar weniger Anforderungen an die Höhe des
Eigenkapitals der kreditgebenden Banken geben, und
zwar wird die Erleichterung etwa ein Viertel betragen.

Wenn die Bank also nach noch geltendem Recht einen
Kredit in der Größenordnung von 1 Million Euro ver-
gibt, dann muss sie mehr Eigenkapital dafür haben, als
sie zukünftig dafür haben muss. Das heißt, das, was zu-
künftig bankaufsichtsrechtlich dabei zu tun ist, führt bei
den Banken zu einer Erleichterung bei der Kreditver-
gabe. Es geht jetzt nur um bankaufsichtsrechtliche Fra-
gen. In Bezug darauf wird es zu einer Erleichterung
kommen.

Unabhängig davon muss die Bonität des einzelnen
Kreditnehmers durch die Bank natürlich geprüft werden.
Das ist nicht anders, als es bisher schon war. Es ist nicht
so, dass man einen Anspruch auf eine Kreditvergabe
hätte; vielmehr handelt es sich um ein zweiseitiges Ge-
schäft zwischen einem, der einen Kredit haben möchte,
und einem, der einen Kredit vergibt oder aber auch nicht.

Niemand hat einen Anspruch auf einen Kredit; viel-
mehr muss eine ausreichende Bonität vorhanden sein.
Das hat sich durch die bankaufsichtsrechtlichen Vor-
schriften nicht geändert. Aber vonseiten der Banken
wird die Kreditvergabe in der Größenordnung von bis zu
1 Million Euro zunächst erleichtert.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Darf ich nachfragen, Herr Präsident?)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601801600

Kollege Fromme.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1601801700

Das heißt im Grunde genommen: Weil die Bank we-

niger Eigenkapital hinterlegen muss, kann sie – eine aus-
reichende Bonität vorausgesetzt – den Kredit wirtschaft-
licher und damit preiswerter vergeben?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1601801800


Richtig. Sie kann im Verhältnis zu ihrem Eigenkapital
mehr Kredite vergeben, als sie das bisher tun konnte,
wenn die Kredite sich in dem Volumen von bis zu
1 Million Euro bewegen. Bei sehr vielen kleineren Insti-
tuten mit lokaler Bedeutung macht dies fast das ganze
Geschäft aus.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Danke!)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601801900

Ich erteile das Wort Kollegen Gerhard Schick von den

Grünen.


Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601802000

Danke schön. – Frau Staatssekretärin, meine Fragen

gehen in Richtung der Diskussion, die ganz am Anfang
stand, nämlich in Richtung der Systemrisiken.

Meine erste Frage ist: Kann man jetzt davon ausge-
hen, dass durch diese Regelungen, die wir in Deutsch-
land übernehmen, das Risiko, das wir im Zusammen-
hang mit der Asienkrise diskutiert haben, zurückgeht?

Meine zweite Frage bezieht sich auf die prozyklische
Wirkung, die die Eigenkapitalunterlegung haben kann.
Wir haben in den letzten Jahren in Deutschland gemerkt,
wie gefährlich es ist, wenn sich die Versorgung gerade
des Mittelstandes mit Krediten in der Phase eines kon-
junkturellen Abschwungs verschlechtert. Es besteht die
Gefahr, dass aufgrund einer Eigenkapitalunterlegung
nach Risikokomponenten dann, wenn im Abschwung
das Risiko zunimmt, eine prozyklische Wirkung auftritt.

Mich interessiert, ob im Kabinett diskutiert worden
ist, wie man damit umgeht und, da man in Deutschland
nicht mehr das gesamte System umgestalten kann – das
ist klar –, welche entsprechenden Vorkehrungen man
treffen kann, um eine mögliche prozyklische Wirkung zu
kompensieren.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1601802100


Zu Ihrer ersten Frage, Herr Kollege Schick. Sie haben
Recht, Ausgangspunkt der ganzen Überlegungen zu
Basel II waren die Finanzkrisen insbesondere in Asien.
Davor gab es aber auch schon eine Krise in Mittel- und
Südamerika. Es ging um die Begrenzung der so genann-
ten systemischen Risiken.

Vereinfacht ausgedrückt: In einigen Regionen in der
Welt wurden Kredite zu leichtfertig vergeben. Anschlie-
ßend drohte ein Crash, der nur durch die Weltbank ge-
meinsam mit anderen Institutionen aufgefangen werden
konnte. Dies sollte für die Zukunft möglichst vermieden
werden. Das war der Ausgangspunkt der gesamten Über-
legungen. Es ist gut, dass Sie daran noch einmal erin-
nern.

Soweit man das beurteilen kann, helfen die Basel-II-
Regelungen, ein solches Szenario zu vermeiden. Seither
haben wir solche Krisen nicht mehr erlebt. In der Tat
sind die Banken vorsichtiger geworden. Soweit wir das
einschätzen können, wirken diese Vereinbarungen, die
durch Basel II getroffen worden sind und über eine EU-
Richtlinie deutsches Recht werden, den systemischen
Risiken entgegen, weil die Risikogewichtung in den
Vordergrund tritt. Kredite werden nicht mehr schema-
tisch vergeben; vielmehr werden je nach Risiko unter-
schiedlich teure Kredite – vereinfacht ausgedrückt – ver-
geben. Die Zinslast wird also höher, wenn das Risiko
steigt, oder aber es wird gar kein Kredit vergeben. Das
ist nicht neu, das hat es auch früher schon gegeben. Nach
unserer Kenntnis kann man sagen: Die Basel-II-Rege-
lungen wirken diesen systemischen Risiken entgegen.
So ist es angelegt.

Mit den prozyklischen Effekten hat sich das Bundes-
kabinett in seiner Beratung im Einzelnen nicht befasst.
Aber das Kreditgeschäft reagiert auf Konjunkturschwan-
kungen grundsätzlich empfindlich; das ist nicht zu ver-
meiden. Prozyklische Effekte durch Basel II sind selbst-
verständlich nicht beabsichtigt und sollten möglichst
vermieden werden. Andererseits ist nicht von der Hand
zu weisen, dass das Kreditgeschäft auf Konjunktur-
schwankungen empfindlich reagiert und infolgedessen
eine Tendenz aufweist, sich prozyklisch zu verhalten.
Das wird aber durch Basel II nicht verstärkt.

Die Institute sind angehalten, durch eine vorausschau-
ende Steuerung der Kreditvergabe einem bloßen zykli-
schen Kreditvergabeverhalten entgegenzuwirken. Das ist
die Aufgabe der Institute selbst.

Der gesamte Basel-II-Prozess hat auch dazu geführt,
dass in den Bankengruppen in Deutschland eine vertiefte
Kenntnis über die Risikoadäquanz erworben wurde, weil
sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Banken
schon seit Jahren – intensiver als früher – mit diesem
Thema befassen. Insofern ist die intellektuelle Kapazität
der handelnden Personen in den letzten Jahren erweitert
worden, sodass man in dieser Hinsicht guten Mutes sein
kann. Gleichwohl lassen sich Risiken nie ganz ausschlie-
ßen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601802200

Ihre Nachfrage, bitte.


Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601802300

Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es bei dem

Systemrisiko um die Risikoposition im Gesamtsystem
aufgrund der Interaktion zwischen den verschiedenen
Kreditinstituten, Währungsräumen etc. Die Basel-II-Re-
gelungen beziehen sich aber auf die Kreditvergabe an ein
einzelnes Unternehmen und reduzieren das Insolvenz-
risiko des einzelnen Kreditinstituts, können aber – so
habe ich es der wissenschaftlichen Diskussion entnom-
men – das Systemrisiko gerade dadurch noch erhöhen.
Ich habe Ihre Antwort so verstanden, dass Sie auf das
Risiko der Insolvenz des einzelnen Instituts eingegangen
sind.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1601802400


Nein, Herr Kollege. Das ist zwar einerseits der Fall,
aber auf der anderen Seite ist bei der jeweiligen Kredit-
vergabe die Risikobehaftetheit des geforderten Kredites
genauer zu betrachten, sodass es, vereinfacht ausge-
drückt, nicht mehr so einfach ist, schlechtem Geld im-
mer weiter gutes Geld hinterherzuwerfen, wie es manch-
mal der Fall ist. Das sind natürlich Fehlentscheidungen.

In einigen Fällen empfiehlt es sich, einen Kreditneh-
mer mit einem weiteren Kredit zu stärken, wenn zu er-
warten ist, dass er damit bestehende Turbulenzen über-
winden kann. In manchen Fällen wird aber lediglich
schlechtem Geld gutes Geld hinterhergeworfen. Das liegt






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
zwar in der Verantwortung der einzelnen Institute – das
lässt sich nicht leugnen –, aber wenn die Risikoadäquanz
im Einzelnen stärkere Berücksichtigung findet, dann
wird auch das systemische Risiko insgesamt vermindert.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601802500

Danke schön. – Nun hat Kollege Axel Troost, Frak-

tion Die Linke, Gelegenheit zu einer Frage.


Dr. Axel Troost (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601802600

Frau Staatssekretärin, Sie hatten noch einmal den ei-

gentlichen Anlass der Basel-II-Regelungen dargestellt.
Ich meine aber, dass Sie die Auswirkungen auf die Mit-
telstandsfinanzierung ein bisschen bagatellisieren. Tat-
sächlich hatte man noch nie Anspruch auf einen Kredit.
Aber jetzt habe ich den Eindruck, dass Unternehmen, die
keinen Kredit brauchen, einen bekommen, während die-
jenigen, die einen brauchen, keinen bekommen. Durch
die Rankingverfahren und vieles andere mehr ist die Si-
tuation entstanden, dass nicht mehr allein der individu-
elle Tatbestand zugrunde gelegt wird.

Ich bin im Rahmen der Betriebsräteberatung relativ
viel herumgekommen und habe mit einem absolut ge-
sunden Unternehmen – das ergibt sich aus der Bilanz-
analyse des vergangenen Jahres – zu tun, dessen völlig
verängstigte Geschäftsführung mir jetzt dargelegt hat,
dass ihr die Werte aus der Vergangenheit in diesem Jahr
wenig nutzen; das Kreditinstitut gibt ihm kein Geld
mehr. Ich habe in der Textilbranche zu tun. In diesem
Bereich werden eben keine Kredite mehr vergeben bzw.
nur in Verbindung mit enormen Auflagen.

Insofern stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll
wäre, zu untersuchen, welche Konsequenzen sich aus
den Basel-II-Regelungen für die Finanzierung des Mit-
telstands ergeben haben und ob andere Wege gefunden
werden müssen, um die Kreditversorgung des Mittel-
standes sicherzustellen.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1601802700


Herr Kollege Troost, durch die bankaufsichtsrechtli-
chen Vorschriften der Basel-II-Regelungen ergibt sich
keine schwierigere Situation für den deutschen Mittel-
stand. Im Gegenteil wird es – wie ich eben bereits ausge-
führt habe – bei Krediten bis zu 1 Million Euro für die
Institute sogar prinzipiell leichter, Kredite zu vergeben,
weil sie selber diese Kredite mit weniger Eigenkapital
unterlegen müssen. Insofern bedeutet unser Vorhaben
eine Verbesserung bei der Vergabe von Krediten in einer
Größenordnung von bis zu 1 Million Euro. Das sind fast
90 Prozent aller bundesweit vergebenen gewerblichen
Kredite.

Gleichwohl will ich nicht von der Hand weisen, dass
es bei manchen Instituten – das ist manchmal fälschlich
mit Basel II begründet worden – Vorsichtsprinzipien
gibt, die im Einzelfall übertrieben sein mögen. Das hat
sich allerdings schon wieder geändert. Im Moment gibt
es keine Kreditrestriktionen, sondern eine verhältnismä-
ßig geringe Kreditnachfrage. Tatsächlich sind die Ver-
hältnisse nun wieder anders als vor einem Jahr.
In diesem von Ihnen angesprochenen Fall, wenn also
die Bilanz hervorragend ist, sollte der Betreffende natür-
lich einen Kredit bekommen, wenn nicht bei der einen,
dann bei einer anderen Bank; das ist gar keine Frage.
Andererseits müsste man den einen oder anderen deut-
schen Mittelständler auffordern – damit will ich jetzt
nicht den Stab über alle brechen –, die Offenlegung ge-
genüber seiner Bank zu verbessern. Ich selber komme
aus dem ländlichen Raum. Wenn dort ein Schreinermeis-
ter zu seiner Sparkasse geht und sagt: „Was willst du al-
les von mir wissen? Du hast doch schon meinem Vater
Kredite gegeben“, dann reicht das heutzutage einfach
nicht mehr aus. Er wird wohl die Fragen, die ihm seine
Bank stellt, beantworten müssen, auch wenn ihm das läs-
tig ist. Daran muss sich der eine oder andere – insbeson-
dere kleinere – deutsche Mittelständler noch gewöhnen.

In der Tat ändert sich die Kultur der Kreditvergabe,
aber nicht wegen Basel II, sondern zeitgleich mit
Basel II.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601802800

Danke schön, Frau Staatssekretärin.

Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Ka-
binettssitzung? – Zuerst Kollegin Cornelia Hirsch und
dann Kollegin Petra Pau.


Cornelia Hirsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601802900

Ich möchte mich erkundigen, was heute zur geplanten

Föderalismusreform beraten wurde.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601803000

Wer von den anwesenden Staatssekretären möchte

antworten? – Der Vertreter des Bundeskanzleramtes,
Herr Staatsminister Neumann, wird antworten.

B
Bernd Neumann (CDU):
Rede ID: ID1601803100


Im Bundeskabinett wurde dieses Thema heute kurz
angesprochen. Wir haben uns über den Stand der Gesprä-
che informieren lassen. Es ist für morgen erneut eine
Runde vorgesehen, die versuchen wird, die Dinge, die
zwischen Bund und Ländern strittig sind, auszuräumen.
Ich gehe davon aus, dass das gelingt. Das Ziel der Bun-
desregierung ist, zu demselben Ergebnis wie in den von
der großen Koalition verabschiedeten Texten zu kom-
men. Von unserer Seite ist also nicht vorgesehen, Ände-
rungen herbeizuführen. Das deckt sich auch mit der Mei-
nung der beiden Koalitionsfraktionen. Ziel ist, auf der
Grundlage der Ergebnisse der damals vorzeitig beende-
ten Föderalismuskommission einen gemeinsamen Ent-
wurf vorzulegen und dann einen gemeinsamen Beschluss
zu fassen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601803200

Kollegin Pau, bitte.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601803300

Da in die Zeit der heutigen Kabinettssitzung die Ver-

kündung des lang erwarteten Urteils des Bundesverfas-
sungsgerichtes zum Luftsicherheitsgesetz fiel, interes-






(A) (C)



(B) (D)


Petra Pau
siert mich eine erste Stellungnahme der Bundesregierung
dazu bzw. die Antwort auf die Frage, auf welches weitere
Vorgehen Sie sich verständigt haben.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601803400

Wer kann darauf antworten? – Bitte, Herr Staats-

minister Neumann.

B
Bernd Neumann (CDU):
Rede ID: ID1601803500


Frau Kollegin, wir haben diese Nachricht über das
Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Laufe der Ka-
binettssitzung erhalten. Wir haben das kurz besprochen
und sind zu folgender Feststellung gelangt: Die Bundes-
regierung respektiert die heutige Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichtes zum Luftsicherheitsgesetz. Ziel
der Bundesregierung bleibt jedoch, im Rahmen der Ver-
fassung alles Menschenmögliche zu tun, um das Leben
unserer Bürgerinnen und Bürger vor terroristischen An-
schlägen, auch vor solchen aus der Luft, zu schützen.
Wir werden prüfen, wie der Schutzzweck des Luftsicher-
heitsgesetzes in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz
und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ver-
wirklicht werden kann.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601803600

Kollegin Golze, Sie haben sich zu einer Frage gemel-

det.


Diana Golze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601803700

Ich habe eine Frage zur Föderalismusreform: Inwie-

weit wurde bei der heutigen kurzen Ansprache dieses
Themas auf die von der SPD geäußerten Bedenken beim
Thema Bildungspolitik eingegangen?


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601803800

Herr Staatsminister.

B
Bernd Neumann (CDU):
Rede ID: ID1601803900


Ich wiederhole das, was ich gesagt habe. Wir haben
nicht im Einzelnen Bedenken und Anregungen, die hier
und dort aus den unterschiedlichsten Richtungen vorge-
tragen worden sind, erörtert, sondern wir haben einmütig
vereinbart, was die Bundesregierung angeht, alles dazu
beizutragen, dass die inzwischen vorliegenden Texte in
diesem Sinne eingebracht und verabschiedet werden.
Somit haben Einzelheiten zu dem von Ihnen erfragten
Punkt keine Rolle gespielt.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601804000

Kollege Beck, bitte.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601804100

Ich wollte etwas zu dem von Frau Pau angesproche-

nen Komplex nachfragen: Teilt die Bundesregierung die
Auffassung, dass dieses Urteil eine klare Absage an ei-
nen Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist, und teilt sie
auch die Auffassung, dass es nicht notwendig ist, in die-
sem Zusammenhang grundsätzliche Korrekturen an der
Verfassung anzubringen, sondern dass es allenfalls da-
rum gehen kann, für schwere Unglücksfälle in der Luft
einen entsprechenden Kompetenztitel für den Bund zu
schaffen, oder gehen die Überlegungen der Bundesregie-
rung über diese Frage hinaus?


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601804200

Bitte schön, Herr Staatsminister.

B
Bernd Neumann (CDU):
Rede ID: ID1601804300


Die Bundesregierung hatte nicht die Zeit, diese Fra-
gen im Einzelnen zu erörtern. Deswegen wiederhole ich
das, was ich als letzten Satz bezogen auf die Erklärung
gesagt habe. Wir wollen das Urteil in Ruhe prüfen und in
Ruhe bewerten. Ich finde, das Verfahren ist angemessen.
Wenn einem durch die Presse bzw. durch Anruf ein sol-
cher Beschluss zukommt,


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der stand im Internet!)


dann muss man sich erst einmal die Texte ansehen und
die Ausführungen im Einzelnen lesen. Das haben wir
uns vorgenommen. Deswegen haben wir über den Text,
den ich Ihnen vorgetragen habe, hinaus keine weiteren
Bewertungen vorgenommen.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601804400

Aber Sie können doch politisch die Frage beantwor-

ten, ob die Bundesregierung in diesem Zusammenhang
jenseits der Frage eines Einsatzes der Bundeswehr im
Rahmen der Luftsicherheit die Absicht hegt, die Verfas-
sung in diesem Punkt zu ändern oder nicht. Dazu muss
man das Urteil nicht kennen; dazu muss man eine politi-
sche Auffassung haben.

B
Bernd Neumann (CDU):
Rede ID: ID1601804500


Ich muss hier für die Bundesregierung sprechen. Die
Bundesregierung hält daran fest, dass sie sich, bevor sie
weitere Entscheidungen trifft bzw. weitere Schritte vor-
sieht, vorbehält, erst die Konsequenzen dieses Urteils im
Einzelnen zu prüfen und zu bewerten. Deswegen, aber
auch weil das nicht erörtert worden ist, bin ich nicht be-
reit, darüber hinaus weitere Mitteilungen zu machen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601804600

Herzlichen Dank. Ich beende damit die Regierungs-

befragung.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

– Drucksache 16/611 –

Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich der
Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes.

Die erste Frage wird schriftlich beantwortet.

Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums des Innern auf.






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsident Wolfgang Thierse
Wir kommen zur zweiten Frage, der Frage der Kolle-
gin Kerstin Andreae. Da sie nicht anwesend ist, wird
verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.

Wir kommen zur Frage 3 des Abgeordneten Hans-
Kurt Hill:

Welche Auswirkungen auf den Wettbewerb im deutschen
Gasmarkt erwartet die Bundesregierung von der Tatsache,
dass der russische Energiekonzern Gasprom, der bereits eine
dominierende Marktstellung bei der Förderung, der Vertei-
lung und dem Handel von Erdgas innehat, in Deutschland in
das Endkundengeschäft einsteigt und dazu Anteile an Stadt-

(vergleiche „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 16. Dezember 2005)


Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staats-
sekretärin Wöhrl zur Verfügung. Bitte schön.

D
Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1601804700


Herr Kollege Hill, Vorhaben von Zusammenschlüs-
sen, auch wenn ausländische Unternehmen beteiligt
sind, sind eine Angelegenheit des Bundeskartellamts,
das diese im Rahmen der Fusionskontrolle bewertet. Es
gibt in Deutschland keine Möglichkeit, ausländische Ka-
pitalbeteiligungen zu verhindern, weil wir die Freiheit
des Kapitalverkehrs haben. Die Bundesregierung steht
grundsätzlich Beteiligungen und Investitionen von aus-
ländischen Unternehmen positiv gegenüber.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601804800

Sie haben die Gelegenheit zur Nachfrage, Kollege

Hill.


Hans-Kurt Hill (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601804900

Vielen Dank. – Frau Staatssekretärin, ich möchte

nachhaken. Die deutsche Tochter der Gasprom, die ZGG
GmbH, ist bereits mit 35 Prozent an der Wingas GmbH
und mit 50 Prozent an der Wintershall Erdgas Handels-
haus GmbH beteiligt. 40 Prozent der Gasversorgung
kommen aus Russland. Gasprom agiert außerhalb der
Wettbewerbsregeln. Ich erinnere nur an die Probleme der
Ukraine. Wie will die Bundesregierung im Interesse der
Verbraucher konkret dem entgegenwirken, dass es auf
dem deutschen Markt durch die Vorgaben von Gasprom
zu einer verstärkten Abhängigkeit von den russischen
Gaslieferungen kommt?

D
Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1601805000


Hinsichtlich unserer Abhängigkeit von Russland gilt:
Momentan beziehen wir 36 Prozent unseres Gases aus
Russland. Was Sie dazu gesagt haben, stimmt also. Man
kann aber nicht sagen, dass die deutsche Tochter von
Gasprom gegen Wettbewerbsrecht verstößt; sonst wäre
das Bundeskartellamt schon tätig geworden. Sie wissen
ganz genau, dass wir durch das neue Netzzugangsmodell
mehr Wettbewerb auf dem Gasmarkt schaffen wollen.
Das heißt, der Verbraucher soll den Gasproduzenten
künftig leichter wechseln können, um so zu günstigeren
Preisen zu kommen.

Hans-Kurt Hill (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601805100

Ich nehme das gerne zur Kenntnis. Trotzdem möchte

ich noch einmal nachhaken. Die Marktsituation ist durch
eine Verflechtung der großen Gasversorger in Bezug auf
die Netze gekennzeichnet. Ich wage zu bezweifeln, dass
dies zum Vorteil der Verbraucher sein wird. Ich glaube
nicht, dass das Kartellamt ausreichend Kontrolle aus-
üben kann, um die Gaslieferanten davor zu schützen, ei-
nem neuen Monopol ausgesetzt zu sein. Auch Sie sagen,
dass man dieses neue Monopol mit den jetzigen Mög-
lichkeiten kaum stoppen kann. Wie wollen Sie dem ent-
gegenwirken?

D
Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1601805200


Herr Hill, Sie sind der Erste, von dem ich höre, dass
er behauptet, in diesem Bereich entstehe in Deutschland
ein neues Monopol. Das widerspricht Ihrer Forderung,
zu kostengünstigen Energiepreisen zu kommen. Wir
wollen mehr Wettbewerb, gerade beim Netzzugang. Wir
haben das Energiewirtschaftsgesetz auf den Weg ge-
bracht. Sie sagen einerseits: Wir wollen mehr Wettbe-
werb; wir wollen, dass der Verbraucher seinen Gaspro-
duzenten künftig frei wählen kann. Auf der anderen
Seite sagen Sie: Den einen wollen wir nicht und den an-
deren wollen wir auch nicht. So geht das nicht.


Hans-Kurt Hill (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601805300

Vielen Dank.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601805400

Wir kommen zur Frage 4 des Kollegen Hans-Kurt

Hill:
Welche konkreten Maßnahmen beabsichtigt die Bundesre-

gierung zu treffen, um die aktuellen nachfrage- und witte-
rungsbedingten Engpässe bei der Versorgung mit Erdgas in
Deutschland zukünftig zu vermeiden?

D
Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1601805500


Herr Kollege Hill, wir haben das Energiewirtschafts-
gesetz auf den Weg gebracht. Der Versorgungsauftrag
betrifft in erster Linie die Gasversorgungsunternehmen.
Ich glaube hier sagen zu können, dass sie der Versor-
gungsverpflichtung bis jetzt in vollem Umfang gerecht
geworden sind.

Es gab nachfrage- und witterungsbedingte Engpässe.
Das wissen wir. Aber die Lage war beherrschbar. Der
Speichereinsatz ist sehr hoch. Wir haben in Deutschland
allein 40 Gasspeicheranlagen mit 100 Milliarden Kubik-
metern, in denen ein Fünftel des jährlichen Bedarfs ge-
speichert werden kann.

Außerdem gibt es eine Diversifikation des Gasbe-
zugs: Bestimmte Kunden haben Gasminderlieferungen
vertraglich vereinbart. Es gibt verschiedene Verträge mit
Kunden, die die Möglichkeit vorsehen, statt Erdgas an-
dere Energieträger einzusetzen. Aufgrund vertraglicher
Vereinbarungen können die Lieferungen reduziert wer-
den. Die entsprechenden Verträge beinhalten also Alter-
nativen, weswegen Gas zu günstigeren Konditionen ge-
liefert wird.






(A) (C)



(B) (D)


Hans-Kurt Hill (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601805600

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Das klingt sehr

beruhigend.

Trotzdem möchte ich eine Nachfrage stellen: Ist der
Bundesregierung bekannt, dass einzelne Energieversor-
gungsunternehmen planen, die Kapazität der Gasspei-
chersysteme auszubauen? Hält die Bundesregierung das
momentane Reservevolumen für ausreichend?

D
Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1601805700


Mir liegen momentan keine Angaben dazu vor. Aber
ich kann Sie darüber schriftlich unterrichten.


(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Vielen Dank!)


– Bitte.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601805800

Die Frage 5 wird schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 6 der Kollegin Scharfenberg auf:
Betrachtet die Bundesregierung den Erhalt von wohnort-

nahen Arbeitsplätzen, von dem insbesondere in Teilzeit arbei-
tende Frauen profitieren, wie zum Beispiel bei der Telekom,
als Chance für strukturschwache Regionen und was wird die
Bundesregierung als größter Anteilseigner der Telekom tun,
um Schließungen von Callcenterstandorten der Telekom, zum
Beispiel in Oberfranken, zu verhindern und damit die dro-
hende Arbeitslosigkeit von Frauen abzuwenden, die auf
wohnortnahe Arbeitsplätze angewiesen sind?

D
Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1601805900


Frau Scharfenberg, zu Ihrer Frage ist zu sagen, dass
es die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regio-
nalen Wirtschaftsstruktur“ gibt – Sie kennen sie auch –,
die besonders in strukturschwachen Gebieten zum Tra-
gen kommt. Die GA-Förderung ist zwar nicht ge-
schlechtsspezifisch ausgerichtet, aber nichtsdestoweni-
ger können in Ländern, die strukturschwache Regionen
haben, Investitionen gefördert werden, die gezielt Ar-
beitsplätze für Frauen schaffen, und dafür die Höchstför-
derbeträge gewährt werden.

Dann fördert die GA auch Investitionen zur Schaf-
fung von Telearbeitsplätzen, wenn das mit Erziehungs-
bzw. Pflegeaufgaben in der Familie zusammenhängt.
Teilzeitarbeitsplätze werden bei der GA-Investitionsför-
derung anteilig berücksichtigt. Darüber hinaus kann
auch die Neuerrichtung von Callcentern, deren Arbeits-
plätze überwiegend mit Frauen besetzt werden, mit GA-
Zuschüssen gefördert werden.

Nun noch zu Ihrer speziellen Frage zu den Callcen-
tern der Telekom. Sie wissen, dass die Telekom eine bör-
sennotierte Aktiengesellschaft ist. Eine Einwirkung der
Bundesregierung ist nach dem Aktiengesetz nicht zuläs-
sig; denn nach dem Aktiengesetz werden die Geschäfte
vom Vorstand des Unternehmens in alleiniger Verant-
wortung geführt.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601806000

Kollegin Scharfenberg, bitte.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe dazu noch eine Nachfrage. Wie ich aus Ihren
Ausführungen heraushören kann, betrachten Sie es
schon als Chance für strukturschwache Gebiete, dass
solche Teilzeitarbeitsplätze, egal ob für Männer oder
Frauen, gefördert werden. Wenn die Bundesregierung
das als Chance sieht, dann würde mich interessieren, wie
die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat der
Telekom abgestimmt haben, als es um den angekündig-
ten Stellenabbau bzw. um die Verlagerung der Callcenter
aus strukturschwachen Gebieten in Ballungsgebiete
ging.

D
Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1601806100


Dazu kann ich Ihnen keine Angaben machen; ich
habe keine Kenntnis von dem Abstimmungsverhalten.
Ich habe aber schon darauf hingewiesen, dass aufgrund
des Aktiengesetzes keine Einflussnahme möglich ist.


(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601806200

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-

nisteriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz. Der Parlamentarische Staatssekretär Peter
Paziorek beantwortet die Fragen hierzu.

Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Goldmann von der
FDP-Fraktion auf:

Durch welche Regelungen will die Bundesregierung das
Bedürfnis nach unabhängigen und verlässlichen Informa-
tionen der Verbraucherinnen und Verbraucher in einem Ver-
braucherinformationsgesetz – wie unter anderem im Zehn-
punkteprogramm vom Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst Seehofer, ange-
kündigt – befriedigen?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601806300


Herr Kollege Goldmann, um die Informationsmög-
lichkeiten der Verbraucherinnen und Verbraucher nach-
haltig und wirksam zu stärken, wird sich die Bundesre-
gierung für die Schaffung einer effektiven und
praktikablen gesetzlichen Regelung zur Verbesserung
der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation ein-
setzen. Neben einer Erleichterung der Befugnis der Be-
hörden zur Information der Öffentlichkeit soll den Ver-
braucherinnen und Verbrauchern ein auf die Produkte
des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs sowie
des Weingesetzes bezogenes Zugangsrecht zu Informa-
tionen eröffnet werden, die bei Behörden vorhanden
sind.

Dies, Herr Goldmann, sollte heute Nachmittag im
Bund-Länder-Gespräch detailliert erörtert werden. Wie-
weit dies aber aufgrund der aktuellen Entwicklung im
Zusammenhang mit der Vogelgrippe tatsächlich der Fall
sein wird, kann von mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht be-
urteilt werden.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601806400

Kollege Goldmann, bitte.


Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1601806500

Herr Staatssekretär, zunächst einmal möchte ich Ver-

ständnis für den Teil Ihrer Antwort zum Ausdruck brin-
gen. Wir haben uns heute Vormittag im Ausschuss aus-
giebig mit dem Fall der Vogelgrippe beschäftigt. Nur, in
Ihrem Hause gibt es konzeptionelle Überlegungen. Die
wollten Sie heute Nachmittag der Verbraucherschutz-
ministerkonferenz vorstellen. Ich hatte nun gefragt,
durch welche Regelungen Sie den Konflikt, der hier an-
gesprochen worden ist, befrieden oder die Chance, die
nach Ihrer Auffassung in dem Zehnpunkteprogramm
liegt, nutzen wollen. Vielleicht können Sie an der einen
oder anderen Stelle doch noch etwas konkreter werden;
das, denke ich, darf ich als Parlamentarier von einer leis-
tungsfähigen Regierung erwarten.

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601806600


Herr Goldmann, ich habe Verständnis dafür, dass Sie
sehr hohe Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der
Regierung stellen. Das ist auch grundsätzlich richtig so.
Man muss nur sehen, dass wir im Augenblick dabei sind,
die praktischen Fragen mit den zuständigen Ländern zu
erörtern. Bei den Fragen, ob ein eigenständiges Verbrau-
cherinformationsgesetz aufgelegt und was im Lebens-
mittel- und Futtermittelgesetzbuch geregelt werden soll,
kommen wir, wie Sie wissen, in den Bereich der Zustän-
digkeit der Länder. Deren Antworten müssen also in der
Tat abgewartet werden. Deshalb kann ich zum jetzigen
Zeitpunkt nur sagen, dass wir die gesamte Palette der
Möglichkeiten erst einmal noch mit den Ländern erör-
tern müssen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601806700

Kollege Goldmann, noch einmal.


Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1601806800

Danke, Herr Präsident. – Ich ahne jetzt schon, wie

Sie, Herr Staatssekretär, die weiteren Antworten ausge-
stalten werden. Wir haben ja, wie Sie sicherlich zur
Kenntnis genommen haben, einen ganzen Fragenkom-
plex an Sie gerichtet, weil wir uns für diesen Sachverhalt
ganz besonders interessieren. Und erst gestern Abend,
als wir, Herr Staatssekretär, gemeinsam beim Abendes-
sen waren, ist der Fall von Vogelgrippe aufgetreten.


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Beim Essen?)


– Ich rede von dem Fall auf Rügen, nicht von unserem
Abendessen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601806900

Da sind wir beruhigt.


Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1601807000

Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Sie die Ant-

worten auf die sechs Fragen, die wir gestellt haben, erst
heute Morgen entwickelt haben. Lassen Sie mich des-
halb zum Ausdruck bringen, dass ich ein wenig über Ihre
Antworten verwundert bin. Wir haben darüber hinaus
nämlich auch Informationen, dass Sie konzeptionelle
Vorstellungen bezüglich der Gesetzesformulierungen
schon an andere Institutionen herausgegeben haben. Vor
diesem Hintergrund halte ich es nicht für korrekt, dass
Sie mich als Parlamentarier – jedenfalls empfinde ich es
so – jetzt so auflaufen lassen.


(Zuruf von der SPD: Oh!)


Ich versuche es aber trotzdem noch einmal: Ist die
Bundesregierung weiterhin der Auffassung, dass ein
Verbraucherinformationsgesetz präventiv gegen Krimi-
nalität wirkt? Vielleicht kann ich an dieser Stelle gleich
den Streit zwischen der Staatsanwaltschaft und den
Ministerien in Bayern einbinden, den es im Zusammen-
hang mit dem dortigen Wildfleischskandal gibt. Sind Sie
nicht auch der Auffassung, dass schon nach der jetzigen
Regelung die Staatsanwaltschaft die Ministerien darüber
informieren muss, dass Schaden für Menschen entstehen
kann, und dass es deshalb eigentlich gar keiner Neurege-
lung in Form eines Verbraucherinformationsgesetzes
mehr bedarf?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601807100


Herr Goldmann, zunächst einmal muss ich an dieser
Stelle klar und deutlich sagen, dass wir zurzeit in unse-
rem Hause einen ersten Referentenentwurf erstellen.
Eine Kabinettsabstimmung hat also noch gar nicht statt-
gefunden. Wir sind vielmehr dabei, die nach den ver-
schiedenen Verfahrensbestimmungen notwendigen An-
hörungen und Gespräche zu führen. Wir sind dabei, mit
den Ländern Detailfragen abzustimmen; auch Sie rekur-
rieren ja mit Ihrem Hinweis auf Bayern auf die beste-
hende Gesetzeslage. Auch ich bin ja lange Zeit Opposi-
tionspolitiker gewesen und weiß, dass man als
Parlamentarier in einer solchen Situation gerne wissen
möchte, wie der Sachstand zu einem bestimmten Zeit-
punkt im Ministerium ist. Ich muss an dieser Stelle aber
klar und deutlich sagen, dass wir uns in Abstimmungs-
gesprächen mit den zuständigen Stellen befinden, und
bitte um Verständnis, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt
eine Position des Hauses aufgrund der Gesprächslage
nicht vortragen kann.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601807200

Damit sind wir bei der Frage 8, ebenfalls vom Kolle-

gen Goldmann:
Wie will die Bundesregierung zugleich den durch unsere

Rechts- und Wirtschaftsordnung garantierten Schutz der Be-
triebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen sicher-
stellen?


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Dazu kann er jetzt ja auch nichts sagen!)


Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601807300


Ich gebe wenigstens eine Antwort in einem Satz, Herr
Goldmann. – Mit der von mir in der Antwort zur vorigen
Frage genannten gesetzlichen Regelung soll nach unse-






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Dr. Peter Paziorek
ren Vorstellungen ein umfassender Schutz von Betriebs-
und Geschäftsgeheimnissen gewährleistet werden. Be-
triebs- und Geschäftsgeheimnisse – das ist eine Grund-
satzposition unseres Hauses – sollen nicht offenbart wer-
den.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601807400

Nachfragen dazu?


Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1601807500

Ja, selbstverständlich, Herr Präsident.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601807600

Bitte schön.


Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1601807700

Ich habe eine Nachfrage zu dem Verbraucherinforma-

tionsgesetz, das die Bundesregierung auf den Weg brin-
gen will. Wie wollen Sie, Herr Staatssekretär, denn die-
ses Verbraucherinformationsgesetz – vielleicht gibt es
dazu ja schon Vorstellungen – in bestehende gesetzliche
Regelungen wie zum Beispiel die Informationsfreiheits-
gesetze, die es auf Bundes- und Länderebene gibt, inte-
grieren oder wollen Sie auch das erst mit den Länderver-
tretern besprechen?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601807800


Hier geht es in der Tat um die äußerst spannende
Frage, ob im IFG abschließende Regelungen für diesen
Fall vorgesehen sind oder ob die Rechtsmeinung zutrifft,
dass tatsächlich noch Formulierungen zum Schutze von
Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eingefügt werden
müssen, die über die jetzige Rechtslage hinausgehen.
Diese Rechtsfrage wird im Augenblick geprüft. Aus die-
sem Grunde kann ich Ihnen nicht mehr als den Hinweis
auf diesen Rechtsstreit mitteilen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601807900

Noch einmal.


Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1601808000

Herr Staatssekretär, können Sie mir vielleicht andeu-

tungsweise darlegen, welche Absichten Sie verfolgen
– ich nehme an, dass Sie präventiv gegen Fleischskan-
dale wirken wollen – und was bisher konzeptionell im
Hause angedacht ist, um konsequenter gegen Fleisch-
skandale vorzugehen?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601808100


Herr Goldmann, ich habe großen Respekt vor der Art
und Weise, in der Sie immer wieder versuchen, zu einem
internen Beratungsstand Informationen zu bekommen.
Ich kann an dieser Stelle nur auf den augenblicklichen
Sachstand hinweisen. Ich habe schon angedeutet – das
möchte ich noch einmal positiv erwähnen –, dass wir das
Betriebs- und Geschäftsgeheimnis – Ihnen ist es ein be-
sonderes Anliegen; so haben Sie sich, Herr Goldmann,
in der letzten Legislaturperiode auch bezüglich des Ver-
mittlungsausschusses immer eingelassen – als ein wich-
tiges Kriterium sehen. Ich muss aber ganz klar und deut-
lich sagen: Bei Rechtsverstößen ist es natürlich eine
spannende Frage, wie in diesem Fall der Informationsan-
spruch gestaltet werden kann. Wir sind im Augenblick
dabei, diesen Sachverhalt im Zusammenhang mit der Er-
stellung des Gesetzentwurfes zu prüfen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601808200

Bitte schön, Kollegin Höfken.


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601808300

Auch ich bin brennend daran interessiert, Näheres

dazu zu erfahren. Herr Staatssekretär, ist der Tatbestand
der wirtschaftlichen Täuschung auch im Verbraucherin-
formationsgesetz erfasst und gibt es in diesem Bereich
ein aktives und passives Informationsrecht bzw. eine ak-
tive und passive Informationspflicht?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601808400


In der Tat wird im Augenblick bei uns geprüft, ob bei
der anstehenden Novellierung von Gesetzen zum Le-
bensmittelrecht und eventuell bei einem eigenständigen
Entwurf zum Verbraucherinformationsgesetz die Fragen
der aktiven und der passiven Rolle ausgewogen gestaltet
werden müssen. Beim aktiven Recht geht es ja um die
Fragen: Was kann die Behörde selbst im Rahmen eines
bestimmten Falles tun? Wie kann sie informieren? Das
passive Recht beinhaltet die Frage: Welche Fragen kön-
nen die Bürger im Laufe eines Verfahrens den zuständi-
gen Behörden stellen und welche Antworten müssen
dann von den Behörden gegeben werden? Das alles ist
eng miteinander verwoben. Wir werden das in dem Ge-
setzentwurf, den wir im Augenblick vorbereiten, mitei-
nander abstimmen und harmonisiert in einem Artikelge-
setz, das dann zum Beispiel Regelungen zu einem
bestimmten Gesetz beim Lebensmittelrecht und zum
Verbraucherinformationsgesetz enthält, zusammenfas-
sen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601808500

Jetzt kommen wir zu den Fragen des Kollegen

Geisen, zunächst zur Frage 9:
Plant die Bundesregierung, in dem vom Bundesminister

für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst
Seehofer, vorgeschlagenen Verbraucherinformationsgesetz ei-
nen unmittelbaren Auskunftsanspruch von Verbraucherinnen
und Verbrauchern gegen Unternehmen zu verankern, und,
falls ja, aus welchen Gründen?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601808600


Herr Kollege Geisen, Herr Bundesminister Seehofer
hatte die Absicht, am heutigen Tag in einem Gespräch
mit den Wirtschaftsverbänden und einzelnen Unterneh-
men die Möglichkeit der Einbeziehung der Wirtschaft in
eine verbesserte Verbraucherinformation zu erörtern, um






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Dr. Peter Paziorek
eventuell Vorschläge aus der Praxis bei dem jetzt anste-
henden Erarbeitungsverfahren zu diesem Gesetzeswerk
einzubeziehen. Leider musste das Gespräch aufgrund
der aktuellen Entwicklung im Zusammenhang mit der
Vogelgrippe kurzfristig abgesetzt werden. Es besteht
aber die Absicht aller Beteiligten, dieses Gespräch bald-
möglichst nachzuholen, weil diese Fragen für die Ausge-
staltung eines Regierungsentwurfs von großer Bedeu-
tung sind.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601808700

Nachfrage.


Dr. Edmund Peter Geisen (FDP):
Rede ID: ID1601808800

He
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1601808900
Plant die Bundesregierung den Ausschluss der In-
formationsweitergabe bei Daten, die Gegenstand eines
laufenden Verwaltungsverfahrens sind, und, falls ja, wa-
rum, falls nein, warum nicht?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601809000


Dazu kann ich noch nichts sagen, weil die Planungs-
absicht in unserem Hause noch nicht endgültig zum Ab-
schluss gebracht worden ist.


Dr. Edmund Peter Geisen (FDP):
Rede ID: ID1601809100

Eine zweite Frage: Wird die Bundesregierung die

Weitergabe und Veröffentlichung von in der Vergangen-
heit liegenden Sachverhalten, insbesondere von Verstö-
ßen gegen das Lebensmittelrecht, bei denen aber keine
Gefahr mehr für die Verbraucherinnen und Verbraucher
besteht, künftig zulassen, auch wenn dadurch die Gefahr
der Berufsschädigung für Unternehmen besteht, und,
falls ja, aus welchen Gründen hält die Bundesregierung
dies insbesondere für mit der Verfassung vereinbar?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601809200


Auch dazu, Herr Kollege Geisen, muss ich Ihnen mit-
teilen, dass die endgültige Entscheidung in unserem
Hause zu diesem Gesetzentwurf noch nicht getroffen ist,
sodass ich Ihnen hierzu im Detail keine Antwort geben
kann.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601809300

Dann kommen wir zur Frage 10 des Kollegen Geisen:

Wie will die Bundesregierung die Unternehmen allgemein
an dem Prozess der Information und Auskunft durch die Be-
hörden, die ein Auskunftsbegehren eines Verbrauchers gemäß
dem geplanten Verbraucherinformationsgesetz bearbeiten, be-
teiligen, insbesondere durch Anhörungs- und Einspruchs-
rechte?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601809400


Herr Kollege Geisen, die Bundesregierung wird dafür
Sorge tragen, dass bei der geplanten gesetzlichen Re-
gelung zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen
Verbraucherinformation auch berechtigte Belange be-
troffener Dritter bei der Bearbeitung eines Auskunftsbe-
gehrens insbesondere durch verfahrensmäßige Absiche-
rungen zu berücksichtigen sind.


Dr. Edmund Peter Geisen (FDP):
Rede ID: ID1601809500

Vielen Dank.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601809600

Danke schön. – Wir kommen damit zur Frage 11 der

Kollegin Schuster, FDP-Fraktion:
Wie will die Bundesregierung ein angekündigtes Verbrau-

cherinformationsgesetz ausgestalten, damit komplexe und
fachspezifische Daten in allgemein verständlicher und für die
Verbraucherinnen und Verbraucher nachvollziehbarer Weise
herausgegeben werden?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601809700


Frau Kollegin Schuster, die Bundesregierung wird
sich dafür einsetzen, dass die genannte gesetzliche Rege-
lung eine Bestimmung enthält, wonach die an die Ver-
braucherinnen und Verbraucher herauszugebenden In-
formationen verständlich dargestellt werden sollen.


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601809800

Bitte, Sie haben Gelegenheit zur Nachfrage.


Marina Schuster (FDP):
Rede ID: ID1601809900

Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, meine

Nachfrage betrifft die Verbraucherinnen und Verbrau-
cher. Plant die Bundesregierung, die Auskunftserteilung
durch die Behörden gegenüber den Verbrauchern kosten-
pflichtig zu gestalten? Falls ja: In welchem Rahmen sol-
len sich die Gebühren bewegen? Mich interessiert, ob
sich die Höhe dieser Gebühren an dem Informationsfrei-
heitsgesetz oder dem Umweltinformationsgesetz orien-
tieren wird.

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601810000


Auch dazu muss ich klar und deutlich sagen, dass eine
endgültige Entscheidung darüber noch nicht getroffen
worden ist. Die Problemlage, auf die sich auch Ihr be-
rechtigter Hinweis bezogen hat, ist bekannt. Es ist sinn-
voll, hier eine Abgleichung vorzunehmen. Aber ich kann
noch nicht sagen, wie die endgültige Entscheidung aus-
sehen wird.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601810100

Jetzt zunächst der Kollege Goldmann mit seiner Zwi-

schenfrage.






(A) (C)



(B) (D)


Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1601810200

Herr Staatssekretär, können Sie in groben Zügen dar-

stellen, was Inhalt dieser „verständlichen Aufbereitung“
sein soll und welcher personelle – und damit kostenmä-
ßige – Aufwand nach Ihrer Meinung nötig ist, um diese
sicherzustellen? Sie können dazu einmal ins Internet
schauen. Da sind konzeptionelle Vorstellungen Ihres
Hauses zu finden. Wie Sie sicherlich wissen, ist einer der
Juckepunkte, wie sich der Kostenrahmen beim Verbrau-
cherinformationsgesetz entwickelt.

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601810300


Herr Goldmann, Sie haben in der letzten Legislatur-
periode monatelang an den Beratungen teilgenommen.
Daher ist Ihnen sicherlich bekannt, dass die Länder zu
dieser Verpflichtung immer eine gewisse reservierte Hal-
tung einnahmen. Denn diese Vorgehensweise ist perso-
nal- und damit kostenaufwendig. Ich weiß nicht, wie Sie
damals im Vermittlungsverfahren abgestimmt haben


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Wir waren dagegen! Sie damals auch!)


– Sie waren also dagegen; jetzt verstehe ich Ihre Frage –,
aber jedenfalls ist seinerzeit vereinbart worden, dass die
Informationen für die Verbraucherinnen und Verbrau-
cher verständlich dargestellt werden sollen. Das war
Konsens im Vermittlungsausschuss. Niemand in der
Bundesregierung und in diesem Hohen Hause käme
doch auf die Idee, eine andere Forderung zu erheben.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601810400

Ich gebe jetzt Kollegin Schuster die Gelegenheit zu

ihrer zweiten Nachfrage.


Marina Schuster (FDP):
Rede ID: ID1601810500

Danke, Herr Präsident. – Auch auf die Gefahr hin,

dass es aus den bekannten Gründen jetzt keine Antwort
gibt, möchte ich fragen: Will die Bundesregierung die
Behörden zu weiter gehenden Veröffentlichungen, also
auch ohne konkretes Auskunftsbegehren eines Verbrau-
chers, insbesondere unter der Nutzung des Internets ge-
setzlich verpflichten? Aus welchen Gründen sieht die
Bundesregierung den bestehenden § 40 des Lebensmit-
tel- und Futtermittelgesetzbuches als nicht ausreichend
an?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601810600


Ich habe Verständnis dafür, dass Sie Kenntnis über
die genauen Formulierungen haben wollen. Aber es
existiert noch nicht einmal ein Referentenentwurf. Ihre
Fragen sind zwar berechtigt – damit treffen Sie den Kern
der Probleme, Hochachtung! –, aber sie werden etwas zu
früh gestellt, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben
darf.

Ich muss klar und deutlich sagen: Die Probleme sind
bekannt. Wenn es wissenschaftlichen Streit in der Frage
der Bewertung gibt, zum Beispiel ob etwas genotoxisch
ist oder nicht, dann muss der Sachverhalt so aufbereitet
werden, dass der interessierte Internetbenutzer erkennt,
dass es viele Meinungen und nicht eine einzige Meinung
gibt. Dieses Problem ist bekannt. Mit den Ländern muss
erörtert werden, wie man praktikabel vorgehen kann.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601810700

Kollegin Höfken hat auch noch eine Nachfrage.


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601810800

Wir haben heute im Ausschuss auch schon ein wenig

über dieses Thema diskutiert. Sie konnten leider nicht
anwesend sein. Daher ist es ein bisschen gemein, wenn
Sie jetzt gefragt werden. Aber so ist es nun einmal.

Wir haben uns ausführlich mit dem Wildfleischskan-
dal beschäftigt und haben, wie ich denke, im Großen und
Ganzen übereinstimmend festgestellt, dass es sich um ei-
nen unsäglichen Skandal handelt, der die Landwirtschaft
und die gesamte Lebensmittelbranche in Verruf bringt.
Aus diesem Skandal muss eine Vielzahl von Konsequen-
zen gezogen werden.

In diesem Zusammenhang ist das Verbraucherinfor-
mationsgesetz von besonderer Bedeutung. Meine Frage
dazu lautet: Gedenken Sie aus dem Wildfleischskandal
– wie Umetikettierung und Neudeklaration, Auftauen
von Tiefkühlware und Verkauf als frische Ware – ent-
sprechende Konsequenzen für das Verbraucherinforma-
tionsgesetz zu ziehen?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601810900


Frau Höfken, alle Vorkommnisse und alle Tatbe-
stände, die Sie gerade angesprochen haben, müssen vom
Sachverhalt her beurteilt und gewichtet werden. Daraus
müssen dann Konsequenzen hinsichtlich der Praktikabi-
lität der neuen gesetzlichen Regelungen gezogen werden.
Aus diesem Grunde ist es eine dringende Notwendigkeit,
diese Fragen in den Gesprächen mit den Ländern, die
teilweise die allein zuständigen Vollzugsbehörden sind,
zu erörtern und darüber nachzudenken, welche Konse-
quenzen für die Formulierung der Gesetzesbestimmun-
gen gezogen werden müssen. Daher kann ich nur sagen:
Wir sind bereit, alle Vorkommnisse in die Überprüfung
einzubeziehen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601811000

Dann der Kollege Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601811100

Herr Staatssekretär, über den Diskurs, den wir zu den

Fragen der FDP-Fraktion im Zusammenhang mit dem
Verbraucherinformationsgesetz führen, bin ich insge-
samt etwas verwundert. Denn im Wesentlichen sagen Sie
uns: Informationen müssen verständlich sein. Über alles
muss geredet werden. – Das sind sehr pauschale Aus-
künfte. Wie erklären Sie es sich, dass man in dieser Fra-
gestunde den Eindruck gewinnen muss, dass die Bun-
desregierung nicht weiß, was sie im Zusammenhang mit
dem Verbraucherinformationsgesetz will, bzw. Sie uns






(A) (C)



(B) (D)


Volker Beck (Köln)

dies nicht sagen dürfen, angesichts der Tatsache, dass ein
Entwurf dieses Gesetzes für Ende Januar angekündigt
war und seit Dezember ein Gesetzentwurf unserer Frak-
tion dem Ausschuss vorliegt? Es steht Ihnen frei, von
diesem Gesetzentwurf abzuschreiben, wenn Sie selber
nicht mehr weiterwissen. Können Sie mir, falls Sie dem
Eindruck widersprechen wollen, dass Sie hier nur sehr
allgemein und an der Sache vorbei antworten, im Gegen-
zug, um mich vom Gegenteil zu überzeugen, sagen, in
welchen Punkten sich die Vorstellung der Bundesregie-
rung vom Gesetzentwurf der Grünen, der schriftlich vor-
liegt, unterscheidet?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601811200


Zunächst einmal muss ich mit aller Entschiedenheit
den Vorwurf zurückweisen, die Bundesregierung in mei-
ner Person rede an der Sache vorbei. Ganz im Gegenteil:
Ich habe Ihnen den Beratungsbedarf und den Arbeits-
stand innerhalb der Bundesregierung bzw. des Ministeri-
ums exakt geschildert. Ich bin der Ansicht – das ist der
Sachverhalt –, dass Informationen umfassend und kor-
rekt erfolgen müssen. All die Punkte, die hier inhaltlich
angesprochen worden sind, müssen in der Tat bei der
rechtlichen Ausformulierung besonders berücksichtigt
werden. Wenn der Referentenentwurf in unserem Hause
fertig gestellt sein wird, wird das Verfahren so ablaufen,
wie Gesetzgebungsverfahren bei allen Bundesregierun-
gen – auch zu Ihrer Zeit, als Sie in der Regierung waren –
abgelaufen sind: Dann wird der Referentenentwurf so-
wohl der Bundesregierung als auch dem Ausschuss und
den interessierten Kreisen für eine breitere Diskussion
zur Verfügung gestellt.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu den Differenzen können Sie nichts sagen?)


– Herr Beck, ich kenne keine Differenzen in der Sache.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601811300

Jetzt Kollegin Wolff und dann Kollege Goldmann.

Dann sollten wir die Frage 12 abschließen und zur
nächsten übergehen.


Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1601811400

Herr Staatssekretär, gehe ich recht in der Annahme

– auch ich bin im Übrigen der Meinung, dass wir diese
Frage abschließen sollten –, dass das, was in der Bundes-
regierung jetzt vorbereitet wird, mit allen Betroffenen
besprochen wird? Soweit mir bekannt ist, ist das bisher
der Fall gewesen. Vielleicht könnten Sie den Parlamen-
tariern noch erklären, dass, wenn ein Gesetzentwurf auf
den Tisch kommt, das Parlament gefragt ist und alle Kol-
leginnen und Kollegen – jedenfalls kenne ich das so aus
den sieben Jahren meiner Parlamentsarbeit – dann die
Möglichkeit haben, an diesem Gesetz mitzuarbeiten.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Gesetzentwurf liegt ja auf dem Tisch! Aber nicht von Ihnen!)

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601811500


Den ersten Aspekt Ihrer Frage kann ich bejahen. Ich
will ausdrücklich betonen, Frau Wolff, dass aktuell Ge-
spräche mit den betroffenen Bereichen der Wirtschaft,
den zuständigen Behörden und den Ländern geführt wer-
den, um abzuchecken, ob uns eine Gesetzesformulie-
rung, die wir eventuell vorschlagen wollen, auch tatsäch-
lich in der Praxis einen Schritt weiterbringen würde. Das
ist ein ganz normales Verfahren, das in Gesetzesverfah-
ren bei der Erarbeitung von Entwürfen immer ange-
wandt wird. In der Praxis gibt es da kein Abweichen.

Ich kann also feststellen: Gespräche mit interessierten
Kreisen sind fest terminiert. Nach Abschluss dieser Ge-
spräche werden wir einen Referentenentwurf erstellen.
Darüber hinaus wird es so sein, dass wir, wie es nach der
Geschäftsordnung die Pflicht unseres Hauses ist, in ei-
nen engen Dialog mit dem Gesetzgeber, nämlich mit die-
sem Hohen Hause, treten, das dieses Gesetz letztlich ver-
abschieden wird.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601811600

Nun noch Kollege Goldmann.


Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1601811700

Herr Staatssekretär, nach meiner Einschätzung haben

die Ungereimtheiten beim Fleischskandal sehr viel mit
„regionaler Verfilzung“ zu tun. Ist in Ihren Vorstellun-
gen, die Sie heute Morgen Vertretern von Verbänden und
Parteien dargelegt haben und die Sie heute Nachmittag
den Verbraucherschutzministern zur Kenntnis geben, der
Gesichtspunkt einer fachlichen, informativen Meinungs-
führerschaft des Bundes gegenüber den Ländern berück-
sichtigt, oder ist das von Ihnen nicht angedacht?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601811800


Generell ist zu sagen, dass wir im Rahmen des Bund-
Länder-Verhaltens von dem Grundsatz der Kooperation
ausgehen. Es muss ein gemeinsames Vertrauensverhält-
nis geben. Das ist sogar ein tragender Grundsatz der Ver-
fassung. Unter diesem Gesichtspunkt beantworte ich
Ihre Frage nicht positiv.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Also keine Taskforce?)


– Das ist durchaus nicht ausgeschlossen. Auch eine
Taskforce ist im Gespräch. Hierzu gibt es aber noch
keine verbindliche Entscheidung.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601811900

Wenn ich richtig aufgepasst habe, kommen wir jetzt

zur Frage 12 der Kollegin Schuster. – War die schon be-
antwortet? – Entschuldigung, dann zur Frage 13 der Kol-
legin Höfken:

Wird die Bundesregierung die fehlenden toxikologischen
Daten, die für eine Gesamtbewertung der Gesundheitsgefähr-
dung durch Isopropylthioxanton, ITX, erforderlich sind, erhe-
ben oder von der Verpackungsindustrie einfordern, um zu ei-
ner abschließenden Empfehlung für die Verwendung dieser
Chemikalie zu kommen?






(A) (C)



(B) (D)

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601812000


Frau Höfken, in ihren Stellungnahmen kommen die
europäischen Behörden für Lebensmittelsicherheit und
das Bundesinstitut für Risikobewertung zu dem Schluss,
dass die ITX-Rückstände in Lebensmitteln nach dem jet-
zigen wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht geno-
toxisch sind. Für eine vollständige gesundheitliche Be-
wertung sind zusätzliche Daten zur toxischen Wirkung,
zur Bioverfügbarkeit und zur Toxizität dieses Stoffes er-
forderlich. Es obliegt der Industrie, diese weiteren Daten
zur Verfügung zu stellen.

Das BMELV ist mit den Ländern und den beteiligten
Wirtschaftskreisen bezüglich eines nationalen Orientie-
rungswertes für ITX im Gespräch. In Kontakt mit der
Wirtschaft sollen tragfähige Lösungen entwickelt wer-
den, die dem Problem gerecht werden. Wie bekannt ist,
hat unter anderem Tetra Pak angekündigt, die Belastun-
gen deutlich zu minimieren. In diesem Zusammenhang
wird aber geprüft, ob ein EU-weites Vorgehen, zum Bei-
spiel die Festlegung einheitlicher Beurteilungskriterien
einschließlich der eventuellen Schließung von Datenlü-
cken, auf Gemeinschaftsebene erforderlich ist.

Es war vorgesehen, Frau Höfken, auch diesen Sach-
verhalt in dieser Woche zu erörtern. Die Termine waren
schon vereinbart, sowohl mit Vertretern der Wirtschaft
als auch mit Vertretern der zuständigen Länder. Inwie-
weit sich die beiden Termine in dieser Woche aufrechter-
halten lassen, kann ich heute nicht beurteilen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601812100

Bitte, Kollegin Höfken.


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601812200

Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang das In-

strument REACH, das es ermöglicht, Aufschluss über
die Daten solcher Altlasten zu geben? Sind Sie nicht
auch der Auffassung, dass es völlig ungerechtfertigt ist,
wenn die Bundesregierung die Bestimmungen in
REACH in Brüssel derart massiv einschränkt und hier
nicht die notwendigen Informationen über möglicher-
weise gefährliche Altlasten gibt?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601812300


Gefährliche Altlasten müssen – das ist unbestritten
und war immer Position der Bundesregierung – eindeu-
tig benannt werden. Dazu bedarf es eines entsprechen-
den Prüfverfahrens.

Die entscheidende Frage in der letzten Legislaturperi-
ode war ja, ob all die Verfahrensbestimmungen, die im
ersten Entwurf zu REACH von der Kommission ange-
dacht waren, tatsächlich notwendig sind, um Gefahrensi-
tuationen zu beschreiben. Es gab unterschiedliche An-
sichten darüber. Wir sind der Ansicht, dass das, was jetzt
auf europäischer Ebene zu REACH vereinbart worden
ist, ausreicht, um Gefahrenlagen, wie sie jetzt bei ITX
aufgetreten sind, zu beschreiben.

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601812400

Haben Sie eine weitere Nachfrage dazu? – Dann kön-

nen wir zur Frage 14 der Kollegin Höfken übergehen:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass angesichts

der ungeklärten toxikologischen Bewertung der Chemikalie ITX
in Kartonsäften und den von der Deutschen Umwelthilfe ge-
fundenen Belastungen in Höhe von bis zu 447 Mikrogramm
pro Kilogramm in einzelnen Säften, die den österreichischen
Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kilogramm erheblich
überschreiten, eine Aktion des Rückrufs der belasteten Säfte
durch die Behörden und Unternehmen durchzuführen ist?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601812500


Nach Angaben der österreichischen Regierung ist
vorgesehen, zum Vorkommen von ITX eine Empfehlung
zu erarbeiten. Einen Grenzwert für ITX gibt es in Öster-
reich nicht.

Für die Überwachung des Verkehrs mit Lebensmitteln
sind in der Bundesrepublik Deutschland die Länderbe-
hörden zuständig. Das Bundesinstitut für Risikobewer-
tung hat in seiner Empfehlung im Rahmen der Bewer-
tung von ITX dargelegt, dass die bisher von der Industrie
vorliegenden toxikologischen Daten zum Ausschluss der
Genotoxizität für die Bewertung mit einem maximalen
Übergang von 50 Milligramm pro Kilogramm in Le-
bensmitteln ausreichen. Zu diesem Schluss kommt auch
die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit in
ihrer Bewertung. Diese Empfehlungen der beiden Stel-
len liegen den zuständigen Länderbehörden vor.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601812600

Bitte schön.


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601812700

Ich würde gerne noch wissen, ob Sie in dem Zusam-

menhang nicht eine Rückrufaktion für erforderlich hal-
ten, weil der Wert doch sehr hoch ist. Ganz allgemein
kann man doch sagen: Druckereierzeugnisse gehören
wohl kaum in Säfte.

Wann rechnen Sie – das ist meine zweite Frage – mit
dem Abschluss der Datenerhebung?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601812800


Zunächst einmal kann ich für die Bundesregierung sa-
gen, dass wir Ihrer Meinung sind: Solche Druckermittel
dürfen natürlich nicht in Lebensmitteln anzufinden sein.
Wir werden auch alles tun und die Wirtschaft darauf hin-
weisen, dass Verfahren geändert werden müssen, damit
solche Gefahren von vornherein ausgeschaltet sind. Es
hat bereits Mitte Dezember Gespräche zwischen Vertre-
tern unseres Hauses und denen der betroffenen Wirt-
schaft dazu gegeben. Diese hat in den Gesprächen zuge-
sagt, die Verfahren sofort zu verändern.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sie haben das auch gemacht!)







(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Dr. Peter Paziorek
– Das wollte ich gerade sagen. Das ist erfolgt, sodass wir
jetzt davon ausgehen können, dass die Verfahren, die
zum Eintrag der Stoffe geführt haben, nicht mehr ange-
wandt werden. Wir wollen in dieser Woche mit der Wirt-
schaft sprechen, ob das Verfahren, das wir angestrebt ha-
ben, in der Sache auch ausreichend ist oder ob noch
weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Wir ste-
hen also in Kontakt mit der Wirtschaft, um mögliche Ge-
fahrenquellen von vornherein zu beseitigen.


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601812900

Sind denn jetzt alle Verfahren geändert?

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601813000


Soweit ich das im Augenblick beurteilen kann – das
muss ich an dieser Stelle etwas vorsichtig sagen –, sind
deutliche Minderungen eingetreten. Man hat mir gesagt,
man könne nach dem jetzigen Stand davon ausgehen,
dass fast alle Verfahren geändert worden sind. Wir wer-
den auch dazu in dieser Woche eine Information seitens
der Wirtschaft bekommen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601813100

Die Kollegin Schuster hat mir signalisiert, dass ich

doch Recht hatte und die Frage 12 der Kollegin Schuster
noch nicht beantwortet ist. Ich rufe sie daher auf:

Wie will die Bundesregierung insbesondere vermeiden,
dass Informationen dadurch missverständlich werden, dass sie
aus dem Zusammenhang gerissen an die Öffentlichkeit oder
an einzelne Verbraucherinnen und Verbraucher herausgege-
ben werden?

Herr Staatssekretär.

Dr
Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1601813200


Frau Schuster, die in der Antwort auf eine vorherge-
hende Frage – ich weiß nicht, ob es eine von Ihnen war –
genannte Bestimmung kann im Einzelfall natürlich auch
erfordern, dass herauszugebende Informationen aufbe-
reitet, mit Erläuterungen versehen oder im Zusammen-
hang dargestellt werden.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601813300

Bitte.


Marina Schuster (FDP):
Rede ID: ID1601813400

Ich habe keine Nachfrage, danke.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601813500

Danke schön.

Dann kommen wir zum nächsten Geschäftsbereich,
und zwar dem des Bundesministeriums für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend. Zur Beantwortung steht
Staatssekretär Hermann Kues zur Verfügung.

Wir kommen zur Frage 15 der Kollegin Lötzsch:
Welche Aktivitäten plant die Bundesregierung in diesem

Jahr anlässlich des Internationalen Frauentages?
Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1601813600


Konkret aus Anlass des Internationalen Frauentages
wird die Bundesregierung am Vorabend in Berlin ein
bundesweites Frauen-Business-Mentoring mit dem Titel
„Von Vorbildern lernen“ durchführen lassen. Die Mento-
ringfachtagung wird von der Käte-Ahlmann-Stiftung or-
ganisiert. Es ist die Abschlussveranstaltung eines sehr
erfolgreichen Modellprojektes, das vom Ministerium fi-
nanziert wurde. Die Käte-Ahlmann-Stiftung als Organi-
satorin setzt damit das erste bundesweite Mentoringpro-
gramm von Unternehmerinnen für Unternehmerinnen
erfolgreich um.

Über den konkreten Anlass des Internationalen Frau-
entages hinaus sind im weiteren Verlauf der Legislatur-
periode zahlreiche Projekte und Initiativen im Bereich
der Gleichstellungspolitik vorgesehen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601813700

Kollegin Lötzsch, bitte.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601813800

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,

dankenswerterweise haben Sie in Ihrer Antwort den di-
rekten Bezug auf den Internationalen Frauentag genom-
men. Ich habe auf der Homepage Ihres Ministeriums den
Suchbegriff „Frauentag“ eingegeben. Dort erschien je-
doch kein Stichwort. Vielleicht können Sie eine entspre-
chende Änderung veranlassen, damit das der Öffentlich-
keit bekannt gegeben wird.

Sie haben gesagt, Sie planen zahlreiche Initiativen.
Mich würde interessieren, welche Initiativen die Bun-
desregierung noch in diesem Jahr plant, um die Gleich-
stellung von Frauen und Männern zu fördern. Können
Sie Beispiele nennen?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1601813900


Ja. Zunächst einmal vielen Dank für die Anregung zur
Gestaltung der Homepage. Ich werde das im Haus ent-
sprechend weitergeben.

Konkret planen wir – auch gemäß Koalitionsvertrag –
einen Bericht zur Gleichstellung von Frauen und Män-
nern. Die Bundesregierung wird dazu eine Stellung-
nahme abgeben. Es ist eine Regierungserklärung vorge-
sehen. In dieser sollen weitere Fortschritte aufgezeigt
werden. Die verbliebenen Defizite sollen offen gelegt
und die sich daraus ergebenden Konsequenzen gezogen
werden. Die Grundlage für diesen Bericht wird der kom-
mentierte Datenreport sein, der 2005 im Auftrag des
BMFSFJ durch das Deutsche Jugendinstitut erstellt wor-
den ist.

Als weiteren Punkt – neben vielen anderen – möchte
ich nennen: Es wird einen Bericht zu den Auswirkungen
des Prostitutionsgesetzes geben, beispielsweise zur
Frage, ob die damit verbundenen Erwartungen erfüllt
wurden. Eine Frage, über die viel diskutiert wurde und






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues
die in diesem Zusammenhang auch erörtert werden
muss, ist, welche Konsequenzen sich aus dem Prostitu-
tionsgesetz für die Strafverfolgung von Menschenhandel
ergeben haben. Dazu gibt es verschiedene Hypothesen
und Behauptungen. Dies soll untersucht werden.

Des Weiteren soll der Aktionsplan zur Bekämpfung
von Gewalt gegen Frauen fortgeschrieben werden.

Als Letztes will ich eine bundesweite Helpline „Ge-
walt gegen Frauen“ nennen.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601814000

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Ich komme noch

einmal auf Ihre ursprüngliche Antwort zur Frage zurück.
Sie erwähnten das Mentoringprogramm. Welche weite-
ren Initiativen plant die Bundesregierung, um Frauen zu
unterstützen, Führungspositionen in Wirtschaft und an-
deren Bereichen der Gesellschaft zu erreichen?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1601814100


Wir werden das Mentoringprogramm, das erfolgreich
durchgeführt wurde, auswerten und dann in der Regie-
rungserklärung zum Gleichstellungsbericht die notwen-
digen Konsequenzen aufzeigen. Das werden wir mit den
anderen Ressorts abstimmen, damit es handfest wird.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601814200

Danke schön. – Die Fragen 16 und 17 der Kollegin

Lenke werden schriftlich beantwortet, da sie nicht im
Saal ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung
vorgesehen.

Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Parlamentarische Staatssekretärin Karin Roth steht zur
Beantwortung bereit.

Die Fragen 18 und 19 des Kollegen Döring werden
schriftlich beantwortet.

Damit sind wir bei der Frage 20 der Kollegin Ekin
Deligöz:

Welche Informationen hat die Bundesregierung über den
Abfluss der Mittel für die Fertigstellung des vierspurigen
Ausbaus der Bahnstrecke zwischen Augsburg und München
und gibt es Informationen darüber, wann die Fertigstellung
endgültig erfolgen soll?

K
Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1601814300


Verehrte Kollegin Deligöz, ich habe eine für Sie si-
cherlich erfreuliche Antwort. Die Fertigstellungen und
Inbetriebnahmen sind wie folgt vorgesehen: für den Ab-
schnitt Augsburg–Mering bis Ende 2008, für den Ab-
schnitt Mering–Olching Ende 2010 bzw. Anfang 2011.
Der Mittelabfluss der DB Netz AG und der DB Station
& Service AG beträgt inklusive der Planungskosten bis
einschließlich November 2005 249,9 Millionen Euro.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601814400

Nachfragen zur Frage 20?

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601814500

Frau Staatssekretärin, vielen Dank für Ihre Antwort.

Ich habe eine Nachfrage. Es mag zwar sein, dass für ein
solches Ausbauvorhaben die Daten – 2008 und 2010 –
ganz gut sind, aber in Anbetracht der Tatsache, dass die
Fertigstellung damals von Herrn Waigel für 2004 ange-
kündigt wurde, ist es trotzdem zu spät. Wenn jetzt die
Trasse zwischen München und Ingolstadt in Betrieb
kommt, fallen 50 Prozent aller ICE-Verbindungen über
Augsburg aus. Über 27 000 Pendler sind davon betrof-
fen. Welche Ratschläge werden Sie vonseiten der Bun-
desregierung an die Pendler geben, wenn die Verbindung
nicht mehr gewährleistet ist?

K
Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1601814600


Eine zügige Fertigstellung ist geplant. Sie wissen,
dass die Höhe der Haushaltsmittel hierbei eine Rolle ge-
spielt hat. Die Planung und die Durchführung müssen
stringent durchgeführt werden. Wir haben schon einige
fertig gestellte Abschnitte. Wir wissen, dass das notwen-
dig ist. Deshalb bauen wir den Schienenverkehr aus.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601814700

Darf ich noch eine Nachfrage stellen?


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601814800

Ja.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601814900

Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie guten Willens sind.

Aber während die Kürzungen der Bahn auf dieser Stre-
cke, jetzt im Februar angekündigt, zum nächsten Fahr-
planwechsel kommen werden, dauert es bis zur Fertig-
stellung des Ausbaus noch ein paar Jahre. Für die
Region Schwaben ist das ein großes Desaster, weil sie so
auch wirtschaftlich abgehängt wird. Wie übernimmt die
Bundesregierung ihre Verantwortung, dieses wirtschaft-
liche Defizit, das durch den Wegfall der ICE-Verbindung
entstehen wird, wettzumachen? Ist Ihnen in der Bundes-
regierung dieses Problem bewusst und gibt es schon Ge-
genmaßnahmen?

K
Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1601815000


Es ist eine Hypothese, zu sagen, dass die Verzögerung
des Ausbaus Nachteile für die Region mit sich bringt.
Wir gehen davon aus, dass die Planungen, die vonseiten
des Bundes vorgenommen wurden, notwendig und rich-
tig waren und den dortigen Wirtschaftsraum unterstützen
und beflügeln werden. Wir denken aber nicht, dass diese
Maßnahme negative Auswirkungen auf die gesamte
Wirtschaft haben wird.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601815100

Damit sind wir bei der Frage 21 der Kollegin Ekin

Deligöz:
Welche Informationen hat die Bundesregierung bezüglich

der Berücksichtigung in der Bedarfsplanung zum Ausbau des
Schienennetzes über den Bahnstreckenausbau zwischen Ulm
und Oberstdorf, insbesondere zum geplanten Ausbau des Teil-






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsident Wolfgang Thierse
stücks von Neu-Ulm nach Memmingen, und welche finanziel-
len Mittel des Bundes sind für die Realisierung des Projekts
eingeplant?

K
Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1601815200


Der Ausbau der Strecke Ulm–Memmingen–Oberst-
dorf wurde in der Bedarfsplanung zum Ausbau des
Schienennetzes nicht berücksichtigt. Im Rahmen der Er-
arbeitung des Bundesverkehrswegeplans 2003 wurde
zum Ausbau der Strecke Ulm–Memmingen–Oberstdorf
eine gutachterliche Stellungnahme eingeholt. Diese er-
gab, dass aus Sicht des Schienengüterverkehrs und des
Schienenpersonenverkehrs für diese Strecke kein Aus-
baubedarf besteht.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601815300

Kollegin Deligöz.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601815400

Da Sie die Nachfrage, die ich vorhin gestellt habe,

nicht zufrieden stellend beantwortet haben, muss ich
darauf zurückkommen: Wenn 50 Prozent aller ICE-Ver-
bindungen, die auf einer Strecke abgewickelt werden,
gestrichen werden, aber nur durch sie die Anbindung an
die Flughäfen und Großstädte in der Region gewährleis-
tet werden kann, dann hat das wirtschaftliche Nachteile.
Um diese Feststellung treffen zu können, braucht man
keine großartigen Expertisen durchzuführen; denn das
ist schon bekannt, und zwar auch bei der Bahn.

Inwieweit wird die Bundesregierung auf die Deutsche
Bahn AG und die Bayerische Staatsregierung Einfluss
nehmen, damit Maßnahmen wie der Ausbau der Regio-
nalstrecken eingeleitet werden, durch die insbesondere
diese Region wieder gestärkt wird?

K
Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1601815500


Frau Kollegin, seit der Bahnreform sind die Länder,
hier der Freistaat Bayern, für den regionalen Verkehr
bzw. den Schienenpersonennahverkehr zuständig, nicht
die Bundesregierung.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601815600

Angesichts der Tatsache, dass CDU und CSU im

Deutschen Bundestag eine Fraktionsgemeinschaft bil-
den, frage ich Sie: Inwieweit wird die Bundesregierung
im Interesse der Förderung der regionalen Wirtschaft ih-
ren Einfluss geltend machen? Oder werden Sie hier
überhaupt nichts unternehmen?

K
Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1601815700


Was Ihre Frage hinsichtlich unseres Einflusses auf
den Freistaat Bayern betrifft, so muss ich Ihnen sagen:
Wir gehen davon aus, dass die in der Region vorhande-
nen Bedarfe und Bedürfnisse bekannt sind. Über die
Verteilung der Regionalisierungsmittel entscheidet der
Freistaat Bayern aus seiner regionalen Sicht. Dabei soll
es auch bleiben.

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601815800

Danke schön. – Die Fragen zum Geschäftsbereich des

Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Re-
aktorsicherheit – Frage 22 des Kollegen Winfried
Hermann sowie die Fragen 23 und 24 der Kollegin
Sylvia Kotting-Uhl – werden schriftlich beantwortet.

Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung.

Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekre-
tär Andreas Storm zur Verfügung. Die Fragen 25 des
Kollegen Hans-Josef Fell sowie die Fragen 26 und 27
der Kollegin Priska Hinz werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 28 der Abgeordneten Cornelia
Hirsch, Fraktion Die Linke, auf:

Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass zur-
zeit aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Haushaltsver-
handlungen keine Auszahlungen über den so genannten Ver-
bändetitel, über den unter anderem Seminare politischer
Studierendenorganisationen – Jungsozialisten, Ring Christ-
lich-Demokratischer Studenten, bei der Gewerkschaft Erzie-
hung und Wissenschaft der Bundesausschuss der Studentin-
nen und Studenten, Freier Zusammenschluss von Student/inn/-
enschaften usw. – gefördert werden, erfolgen, womit die Mög-
lichkeiten zur politischen Arbeit für die Betroffenen deutlich
eingeschränkt werden?

A
Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1601815900


Frau Kollegin, Ihre Frage beantworte ich wie folgt:
Die Bundesregierung begrüßt die Arbeit der studenti-
schen Verbände auf dem Gebiet der politischen und kul-
turellen Bildung. Im Jahr 2006 wird das Haushaltsgesetz
erst nach Beginn des Haushaltsjahres verkündet. Bis zu
diesem Zeitpunkt richtet sich die vorläufige Haushalts-
führung zur Wahrung der Budgethoheit des Parlamentes
nach Art. 111 Grundgesetz.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung
betrachtet in dieser Zeit die geltenden verfassungsmäßi-
gen Vorgaben. Danach können Ausgaben, zu denen be-
sagter Art. 111 Grundgesetz nicht ermächtigt, nur unter
Beachtung sehr enger Voraussetzungen, nämlich einem
unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnis, mit
Zustimmung des Bundesministers der Finanzen geleistet
werden.

Diese engen Voraussetzungen für die Bewilligung
von Zuwendungen sind nach Einschätzung der Bundes-
regierung im Falle der Förderung der Studentenverbände
nicht erfüllt. Im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten
wird das Bundesbildungsministerium bemüht sein, nach
In-Kraft-Treten des Haushaltsgesetzes 2006 etwaige Be-
willigungsrückstände aufzuholen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601816000

Kollegin Hirsch.


Cornelia Hirsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601816100

Ich habe eine konkrete Nachfrage zu dem, was Sie zu-

letzt gesagt haben: Zahlreiche Vertreterinnen und Vertre-
ter der genannten Organisationen haben uns ihre Be-
fürchtung mitgeteilt, dass durch die faktische Verkürzung
des Bewilligungszeitraums – die Haushaltsgesetzgebung






(A) (C)



(B) (D)


Cornelia Hirsch
ist ja noch nicht erfolgt – insgesamt weniger Mittel für
die Seminarförderung zur Verfügung stehen werden.
Wird über so etwas diskutiert bzw. wie wird damit umge-
gangen?

A
Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1601816200


Die großen, leistungsstarken Verbände in diesem Be-
reich sind bereits mit Schreiben vom 8. September 2005
darüber unterrichtet worden, dass im Haushaltsjahr 2006
diese besondere Situation besteht. Sie sind darüber hi-
naus aufgefordert worden, zu überlegen, ob langfristig
eine zeitliche Verlagerung ihrer förderfähigen Maßnah-
men möglich wäre, zum Teil in das Jahr 2005 oder in das
Jahr 2006. Im Übrigen wird sich die Situation dann erge-
ben, wenn konkret Mittel bewilligt sind, also voraus-
sichtlich im Frühsommer 2006.


Cornelia Hirsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601816300

Ich verstehe nicht, warum Sie gesagt haben, dass nur

die Finanzstarken angeschrieben sind. Gerade die fi-
nanzschwächeren Organisationen haben doch besonde-
ren Bedarf: Sie sind darauf angewiesen, ihre Seminarför-
derung, ihre politische Arbeit durch das BMBF zu
finanzieren.

A
Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1601816400


Frau Kollegin Hirsch, Sie waren in der Vergangenheit
selbst in diesem Bereich aktiv. Man kann nicht sämtliche
Verbände anschreiben. Aber die Ihnen bekannten großen
Verbände wie RCDS, Jusos, fzs oder GEW, die regelmä-
ßig von der Förderung profitieren, sind mit diesem
Schreiben vom September des Jahres 2005 informiert
worden.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601816500

Damit zur nächsten Frage der Kollegin Hirsch,

Frage 29:
Aus welchen Gründen orientiert sich nach Kenntnis der

Bundesregierung die Zuweisung der Mittel für den Hoch-
schulbau gemäß den im Koalitionsvertrag niedergeschriebe-
nen Pläne zur Föderalismusreform an den abgerufenen Mit-
teln der Jahre 2000 bis 2003?

A
Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1601816600


Frau Kollegin Hirsch, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Im Koalitionsvertrag ist auf der Basis der Vor-
schläge der Föderalismuskommission eine Folgerege-
lung für die Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau“, die
abgeschafft werden soll, vorgesehen: Ab dem 1. Januar
2007 sollen den Ländern jährliche Beträge aus dem
Haushalt des Bundes als Ausgleich für den Wegfall sei-
ner Finanzierungsanteile zustehen. Die Regelung zur
Aufteilung des daraus resultierenden Betrages unter den
Ländern beruht auf einer Verständigung zwischen den
Ländervertretern in der Föderalismuskommission: Maß-
geblich ist der Durchschnittsanteil eines jeden Landes an
den allen Ländern tatsächlich zugewiesenen Bundesmit-
teln im Zeitraum 2000 bis 2003.

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601816700

Nachfrage.


Cornelia Hirsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601816800

Von den finanzschwächeren Bundesländern wurde

Kritik an dieser Verfahrensweise geäußert, weil sie im
Zeitraum 2000 bis 2003 weniger Mittel zur Verfügung
gestellt bekommen haben und daher befürchten, dass
sich diese Diskriminierung verfestigen wird. Inwieweit
sieht die Bundesregierung hier im Zuge der geplanten
Föderalismusreform Nachbesserungsbedarf, beispiels-
weise durch Änderung des Verteilungsschlüssels – Aus-
richtung an der Studierendenzahl oder ähnlichen Punk-
ten –, und inwieweit sieht die Bundesregierung die
Notwendigkeit, diese Diskriminierung abzubauen?

A
Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1601816900


Frau Abgeordnete Hirsch, ich darf auf meine vorhe-
rige Antwort verweisen: Der Verteilungsschlüssel ist von
den Ländern in der Föderalismuskommission so vorge-
schlagen und von uns akzeptiert worden. Die Bundesre-
gierung beabsichtigt nicht, auf eine Veränderung des
Schlüssels hinzuwirken, weil dieser eine Angelegenheit
der Länder ist.


Cornelia Hirsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601817000

Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung die

Studierendenquote deutlich steigern. Inwieweit sieht sie
die Möglichkeit, nach einem Wegfall der Gemein-
schaftsaufgabe „Hochschulbau“ eine Art gesamtstaat-
liche Bildungsplanung vorzunehmen, damit die Hoch-
schulen ausreichend ausgebaut werden, um die größeren
Studierendenzahlen aufzufangen?

A
Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1601817100


Frau Abgeordnete, wenn, wie im Koalitionsvertrag
vorgesehen, die Vorschläge der Föderalismuskommis-
sion umgesetzt werden, sind investive Maßnahmen im
Bereich der Hochschulen Aufgabe der Länder. Im Übri-
gen darf ich darauf verweisen, dass die Bundesbildungs-
ministerin mit den Ministern der Länder Gespräche über
die Vorbereitung eines möglichen Hochschulpaktes 2020
führt, der genau diese Punkte zum Gegenstand hat.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601817200

Danke schön. – Die Fragen 30 und 31 werden schrift-

lich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-

desministeriums für Arbeit und Soziales. Die Fragen be-
antwortet der Parlamentarische Staatssekretär Gerd
Andres.

Ich rufe zunächst die Frage 32 der Kollegin Brigitte
Pothmer auf:

Mit welchen konkreten Ausweichreaktionen auf die ge-
plante Erhöhung der Abgaben auf Minijobs im gewerblichen
Bereich um 5 Prozent rechnet die Bundesregierung, wenn sie
unterstellt, dass durch die Erhöhung die Lohnsumme aus ge-
ringfügiger Beschäftigung um 15 Prozent sinken wird?






(A) (C)



(B) (D)

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601817300


Herr Präsident! Frau Kollegin Pothmer, wenn Sie ein-
verstanden sind, würde ich die Fragen 32 und 33 gerne
zusammen beantworten.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601817400

Ich bin einverstanden.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601817500

Dann rufe ich zusätzlich noch die Frage 33 auf:

Mit welchen Nettomehreinnahmen für den Bundeshaus-
halt durch die geplante Erhöhung der Abgaben auf Minijobs
im gewerblichen Bereich um 5 Prozent rechnet die Bundesre-
gierung, wenn nach eigenen Annahmen durch diese Erhöhung
die Lohnsumme aus geringfügiger Beschäftigung um
15 Prozent sinken wird?

Bitte schön.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601817600


Sehr verehrte Frau Kollegin, offensichtlich beziehen
Sie sich bei Ihren Fragen auf einen Arbeitsentwurf, den
das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rah-
men der Vorbereitung des Haushaltsbegleitgesetzes dem
Bundesminister der Finanzen zur Verfügung gestellt hat.
Dieser auf Arbeitsebene entwickelte Entwurf, der die
Umsetzung der von der Bundesregierung in Genshagen
beschlossenen Erhöhung der Pauschalabgaben für ge-
ringfügige Beschäftigungen im gewerblichen Bereich
von bisher 25 Prozent auf künftig 30 Prozent zum Ziel
hat, basiert auf einer Modellrechnung, wie sich die Erhö-
hung der Beiträge um 5 Prozentpunkte und der Ansatz
bestimmter Annahmen mathematisch auf die gesamte
Lohnsumme auswirken könnten, wenn man Ausweich-
reaktionen unterstellt.

Es ist nicht vorhersehbar, ob es überhaupt zu Aus-
weichreaktionen kommen wird. Die Bundesregierung
rechnet daher auch nicht mit einem Rückgang der Lohn-
summe aus den Minijobs in Höhe von 15 Prozent. Die
von Ihnen genannte Quote stellte lediglich den Wert ei-
ner beispielhaften Modellrechnung und nicht die Ein-
schätzung der Bundesregierung dar. Die Bundesregie-
rung geht, netto betrachtet, insgesamt von deutlichen
Mehreinnahmen in der Sozialversicherung durch die An-
hebung der Pauschalabgaben aus, selbst wenn es zu Aus-
weichreaktionen kommen sollte.

Diese Mehreinnahmen schaffen Spielraum für eine
Entlastung des Bundeshaushaltes, indem Zuweisungen
an die Sozialversicherung entsprechend reduziert wer-
den. Die Höhe der nach Auffassung der Bundesregie-
rung zu erwartenden Mehreinnahmen wird aktuell durch
das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Ab-
stimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen
noch geprüft. Eine Bezifferung wird im Rahmen der
Vorlage des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes
erfolgen, das nach derzeitiger Planung am 22. Februar
2006 im Bundeskabinett behandelt werden soll.

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601817700

Bitte, Sie haben Gelegenheit zu Zusatzfragen.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601817800

Geht die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass

der Herr Professor Friedrich Schneider, der auch gerne
der „Papst der Schwarzarbeit“ genannt wird, in seinem
letzten Report noch einmal darauf hingewiesen hat, dass
der Rückgang der Schwarzarbeit sowohl im Jahre 2004
als auch im Jahre 2005 mit der derzeitigen Regelung der
Minijobs zu tun hat, nicht auch davon aus, dass eine
Neuregelung zu einer erneuten Abwanderung der Inha-
ber von Minijobs in die Schwarzarbeit führen würde?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601817900


Frau Kollegin, wie ich Ihnen in meiner Antwort schon
gesagt habe: Es kann sein, es kann aber auch nicht sein.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601818000

Ja, ja.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601818100


Ich habe die Frage beantwortet. – Ich glaube, Sie wa-
ren in der vorletzten Woche auf einer ähnlichen Veran-
staltung wie ich. Dort haben diejenigen, die sich mit den
Minijobs auseinander setzen, den Verlauf dargestellt. Im
letzten Dreivierteljahr sank die Zahl der Minijobs um
etwa 500 000. Dieses Instrument wird relativ flexibel ge-
handhabt: Wenn es einen entsprechenden Bedarf gibt,
dann erhöht sich die Zahl, wenn nicht, dann geht sie wie-
der zurück.

Ich kenne die aktuellen Zahlen von Herrn Schneider
nicht. Deswegen will ich mich darauf auch nicht bezie-
hen.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601818200

Ich stelle sie Ihnen gerne zur Verfügung. – Ich frage

Sie: Warum stellen Sie eigentlich Modellrechnungen an,
wenn Sie die Ergebnisse der Modellrechnungen doch für
so beliebig halten?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601818300


Nein, ich halte sie nicht für beliebig. Ich sage: Es
kann passieren, es kann sein.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601818400

Ah, ja. Wenn der Hahn kräht auf dem – –

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601818500


Mit einer Erhöhung der Abgaben kann in bestimmten
Branchen das Sinken der Zahl der Beschäftigten einher-
gehen. Diese Branchen argumentieren auch damit, dass
das passieren würde, und sagen: Dann werden wir die
Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich reduzieren. –
Der DEHOGA und andere sagen das gegenwärtig. Ob






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Gerd Andres
sie das dann real auch tun, ist noch einmal eine ganz an-
dere Frage. Man kann das berechnen.

Sie können sich vielleicht an die Erhöhung der Tabak-
steuer erinnern.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Allerdings können wir das!)


Es wurde gesagt: Wenn man sie erhöht, dann kommt das
und das heraus. – Wenn es aber teurer wird und ganz
viele das Rauchen einstellen, dann kommt gar nichts da-
bei heraus. Man muss sich also anschauen, wie das ist.
Es ist schwierig, das vorherzusagen bzw. zu prognosti-
zieren.

Ich kann Ihnen sagen, wie das auf der Arbeitsebene
gemacht wird. Wenn Sie das genauer kennen, wissen
Sie, dass die jeweiligen Häuser mit dem Finanzminister
verhandeln, wie viel oder wie wenig eingestellt werden
muss. Wenn man von einer relativ vorsichtigen An-
nahme ausgeht, dann ist man umso freudiger überrascht,
wenn die Einnahmen höher ausfallen als das, was man
angenommen hat.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist der Hintergrund Ihrer Modellrechnung! Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär!)


– Bitte sehr. Das war kein Problem, Frau Kollegin.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601818600

Eine Nachfrage dazu vom Kollegen Kolb.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1601818700

Herr Staatssekretär, ich möchte Sie gerne fragen, ob

Ihnen Fälle bekannt sind, bei denen der Preis einer Ware
oder Dienstleistung erhöht wurde und sich infolge dieser
Preiserhöhung die Nachfrage nach dieser Ware oder
Dienstleistung erhöht hat. Das könnte für das Hohe Haus
anschaulich sein.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601818800


Solche Fälle sind mir bekannt, Herr Kolb.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Gut!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601818900

Damit sind wir bei der Frage 34 der Kollegin Petra

Pau:
Beabsichtigt die Bundesregierung, im Laufe dieser Legis-

laturperiode dem Parlament den Entwurf eines Gesetzes zum
Schutz von Arbeitnehmerdaten zuzuleiten?

Kollege Staatssekretär, bitte sehr.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601819000


Frau Kollegin Pau, nach Auffassung der Bundesregie-
rung ist es sinnvoll, vor einer nationalen Kodifikation
die Überlegungen der Europäischen Kommission für ei-
nen Gemeinschaftsrahmen zum Schutz der Arbeitneh-
merdaten abzuwarten. Diesen Punkt hat auch der Deutsche
Bundestag in seiner Entschließung zum 19. Tätigkeits-
bericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz ge-
sehen, indem er auf die Überlegungen der Kommission
für einen solchen Gemeinschaftsrahmen hingewiesen
hat. Dies ist in der Bundestagsdrucksache 15/4597 nach-
zulesen. Die Sachlage ist insoweit unverändert.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601819100

Bitte schön, Kollegin Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601819200

Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Ihnen ist

genau wie allen anderen Mitgliedern des Hohen Hauses
sicherlich bekannt, dass ein Arbeitnehmerdatenschutz-
gesetz seit 1986 aussteht und dies seitdem in Entschlie-
ßungen des Deutschen Bundestages an die wechselnden
Bundesregierungen regelmäßig gefordert wird. Deshalb
interessiert mich der von der Bundesregierung in Aus-
sicht genommene Zeitrahmen. Wann, denken Sie, wer-
den wir in der Bundesrepublik ein Arbeitnehmerdaten-
schutzgesetz haben?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601819300


Ich kann Ihnen nicht sagen, wann wir ein solches Ge-
setz haben werden. Wenn ich das könnte, ginge es mir
wahrscheinlich viel besser. Ich kann nur das wiederho-
len, was ich Ihnen eben schon geantwortet habe: Wir
warten auf das, was die Europäische Kommission dazu
machen wird. Die Bundesregierung hält weiterhin an
dem Vorhaben, ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz zu
machen, fest. Dies wird nicht aufgegeben. Aber wir wol-
len doch sehen, was dazu auf europäischer Ebene pas-
siert. Das hatte ich Ihnen in meiner Antwort schon mit-
geteilt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601819400

Es tut mir Leid, dass es Ihnen offensichtlich nicht so

gut geht, wie es sein sollte.

Mich interessiert dann noch, ob die Bundesregierung
beabsichtigt, auf europäischer Ebene initiativ zu werden,
um diesen Prozess vielleicht zu inspirieren oder gar zu
beschleunigen, damit wir auch national weiterkommen.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601819500


Wir haben Erfahrungen damit, wie bestimmte Dinge
beschleunigt werden können. Wir haben in Brüssel unser
Interesse bekundet. Wir werden das gerne wieder tun.
Aber, wie gesagt, wir wollen gerne abwarten, was die
Kommission dazu für Vorstellungen hat. Diese soll sie
erst einmal vorlegen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601819600

Damit kommen wir zu der Frage 35 des Kollegen

Kolb:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Verbandes

der Angestellten-Krankenkassen und des Verbandes der Ar-
beiterersatzkassen aus dem Schreiben vom 6. Januar 2006 an
die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
und die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung aus






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsident Wolfgang Thierse
dem Schreiben vom 12. August 2005, dass es sich bei der am
drittletzten Bankarbeitstag jedes Monats zu erbringenden Bei-
tragsschuld nicht um einen bloßen Abschlag handelt, sondern
die zu erbringende Leistungsschuld der endgültigen Beitrags-
schuld nahezu entsprechen soll?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601819700


Herr Kollege Kolb, die Frage 35 – das gilt auch für
die Frage 36 – könnte ich so, wie sie gestellt ist, schlicht
mit Ja beantworten. Ich will aber meine Antwort doch
ein bisschen ausführlicher formulieren.

In der gesetzlichen Regelung zur Neuordnung der
Fälligkeit der Gesamtsozialversicherungsbeiträge wird
ausdrücklich von der voraussichtlichen Beitragsschuld
gesprochen, nicht von einer Abschlagsregelung. Von da-
her teilt die Bundesregierung in vollem Umfang die Auf-
fassung der Spitzenverbände der Sozialversicherung,
dass die voraussichtliche Beitragsschuld in der Weise zu
ermitteln ist, dass der im Folgemonat fällige Restbeitrag
so gering wie möglich ausfällt. Dabei können Arbeitge-
ber allerdings nur verpflichtet werden, Daten zu berück-
sichtigen, die ihnen zum Zeitpunkt der Ermittlung der
voraussichtlichen Beitragsschuld bekannt sind.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601819800

Kollege Kolb.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1601819900

Herr Staatssekretär, das trifft aber für eine Reihe der

von mir in Frage 36 genannten Aspekte zu. Die Zahl der
Kalendertage und Mitarbeiter variiert. Beitragssatzände-
rungen der Einzugsstellen, das heißt der verschiedenen
Krankenkassen, sind auch bekannt. Im Ergebnis läuft
das darauf hinaus, dass ein Unternehmen faktisch eine
eigene Lohn- und Gehaltsabrechnung zur Ermittlung der
voraussichtlichen Beitragsschuld durchführen muss.
Stimmen Sie mir in dieser Einschätzung zu?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601820000


Nein.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601820100

Nächste Nachfrage.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1601820200

Wenn es keiner eigenständigen Lohn- und Gehalts-

überschlagsrechnung bedarf, dann möchte ich gerne wis-
sen, Herr Staatssekretär, wie ein Unternehmen sonst das
Kunststück zustande bringen soll, die voraussichtlich be-
stehende Beitragsschuld abzuschätzen.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601820300


Herr Abgeordneter Kolb, die Bundesregierung hat be-
wusst darauf gedrungen, dass es jedem Unternehmen
möglich sein muss, eine Vorausberechnung nach den in-
dividuellen Gegebenheiten des jeweiligen Unterneh-
mens vorzunehmen. Dadurch wird es möglich, dass die
Berechnungsläufe für die voraussichtliche Beitrags-
schuld mit den Abrechnungsläufen für die Lohnabrech-
nung des vergangenen Monats zusammengefasst werden
können. Dazu ist es notwendig, einmalig in den Entgelt-
unterlagen die Faktoren zu dokumentieren, mit denen
die voraussichtliche Beitragsschuld jeweils errechnet
wird.

Wird ein solches Verfahren zusammen mit der gesetz-
lichen Erleichterung, dass nur noch einmal im Monat ein
Beitragsnachweis abzugeben ist, eingesetzt, ist mit kei-
nem nennenswerten Mehraufwand zu rechnen. Es ist
doch klar, dass von der Zahl der Beschäftigten auszuge-
hen ist. Änderungen hinsichtlich der Zahl der Beschäf-
tigten haben schließlich weitere Auswirkungen. Auch
Einmalzahlungen und Beitragssatzänderungen bei den
Sozialkassen ziehen Änderungen nach sich. Das sind im
Wesentlichen die zu berücksichtigenden Punkte.

Es gibt sehr viele Unternehmen – darin werden Sie
mir sicherlich zustimmen, Herr Kolb –, in denen die
Zahl der Beschäftigten konstant ist. Beitragssatzände-
rungen erfolgen häufig zum Jahreswechsel. Auch wird
das Weihnachtsgeld bzw. die Jahresabschlussprämie
– wie auch immer Sie es nennen wollen; sofern es über-
haupt noch gezahlt wird – nicht einmal im Juni und ein-
mal im Mai fällig; auch dies ist absehbar. Insofern
glaube ich, dass sich das Verfahren administrativ bewäl-
tigen lässt, auch ohne ein zusätzliches Abrechnungsbüro
zu eröffnen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601820400

Damit kommen wir zu Frage 36 des Abgeordneten

Kolb:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Spitzen-

organisationen der Sozialversicherung und der Verbände der
Angestellten-Krankenkassen und der Arbeiterersatzkassen,
wie sie sich aus den in Frage 35 genannten Schreiben ergibt,
dass daher für die Berechnung des Beitragssolls am drittletz-
ten Bankarbeitstag jedes Monats für den letzten Entgeltab-
rechnungszeitraum die jeweils im letzten Monat eingetretenen
Änderungen in der Zahl der Beschäftigten, der Arbeitstage
bzw. Arbeitsstunden sowie der einschlägigen Entgeltermitt-
lungsgrundlagen und Beitragssätze aktualisiert werden müs-
sen und daher alle Vorgehensweisen mit dem Gesetz vereinbar
sind, die diesem Anliegen gerecht werden?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601820500


Herr Kolb, die Bundesregierung teilt die Aussage der
Spitzenverbände der Sozialversicherung vom 6. Januar
2006, dass alle Vorgehensweisen mit dem Gesetz verein-
bar und von den Ausführungen des gemeinsamen Rund-
schreibens getragen sind, die darauf abzielen, eine mög-
lichst genaue Vorausberechnung der Beitragsschuld zu
erreichen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601820600

Kollege Kolb.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1601820700

Herr Staatssekretär, sind Ihnen die Äußerungen Ihres

Kollegen Schauerte aus dem Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie bekannt, der darauf verwie-
sen hat, dass man, um eine weitgehend einfache Hand-






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Heinrich L. Kolb
habung der Beitragsberechnung zu ermöglichen, eine
Beitragsschuld in Höhe des Vormonats anmelden und
abführen könne? Eine solche Praxis müsste der von Ih-
nen hier gegebenen Antwort zufolge eigentlich unzuläs-
sig sein.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601820800


Die Überlegungen von Herrn Kollegen Schauerte
sind mir bekannt. Wir haben darüber auch korrespon-
diert.

In der Sozialversicherung gilt nicht das Zuflussprin-
zip, sondern das Entstehungsprinzip bezogen auf den je-
weiligen Monat. Insofern stellen wir ausdrücklich fest,
dass zwar auf die Lohn- und Gehaltsabrechnung oder auf
die Unterlagen des Vormonats Bezug genommen werden
kann, aber mögliche Änderungen berücksichtigt werden
müssen. Auch muss das in dem Monat realisiert werden,
in dem die Sozialversicherungsbeiträge fällig werden.
Insofern unterscheidet sich das Sozialrecht leider von
anderen Rechtsgebieten.

Ich habe, wie gesagt, mit Herrn Schauerte sowohl
über das Thema gesprochen als auch mit ihm korrespon-
diert. Ich stelle Ihnen die Unterlagen gerne zur Verfü-
gung, wenn Sie möchten.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1601820900

Das würde mich sehr interessieren.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601821000


Das mache ich gern.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1601821100

Ich würde gerne noch eine zweite Zusatzfrage stellen.

Wenn ich die Antworten auf die beiden Fragen und die
Zusatzfragen resümiere, dann stelle ich fest – ich bitte
Sie um Ihre Einschätzung, ob das zutrifft –, dass die
Bundesregierung gegenüber dem Rundschreiben des
VdAK, das auch im Namen aller anderen relevanten Trä-
ger der gesetzlichen Krankenversicherung verfasst
wurde, keinen Handlungsbedarf sieht und dass nicht ge-
plant ist, eine Initiative zu ergreifen, wie sie von dem
Kollegen Schauerte angedacht wurde. Können Sie das
bestätigen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1601821200


Das kann ich so bestätigen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601821300

Danke schön. – Dann kommen wir zum Geschäftsbe-

reich des Auswärtigen Amtes. Die Fragen beantwortet
Staatsminister Gernot Erler.

Ich rufe zunächst die Frage 37 des Kollegen Addicks
auf:

Wie begründet und bewertet die Bundesregierung, dass die
Beiträge der Bundesrepublik Deutschland an UNICEF, das
Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, in der Verantwor-
tung des Auswärtigen Amts liegen, also im Einzelplan 05 des
Bundeshaushalts geregelt werden, obwohl die Aufgaben von
UNICEF als Entwicklungsorganisation in den Bereich der
Entwicklungszusammenarbeit fallen und somit in dem
Einzelplan 23 geregelt werden müssten?


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601821400

Herr Kollege Addicks, in der Arbeit von UNICEF flie-

ßen menschenrechtliche, humanitäre und entwicklungs-
politische Gesichtspunkte zusammen. Die institutionelle
Zuständigkeit des für die internationale Menschenrechts-
politik sowie die humanitäre Hilfe zuständigen Auswär-
tigen Amtes für UNICEF ist daher gegenwärtig in der
Bundesregierung trotz des auch entwicklungspolitischen
Charakters der Arbeit von UNICEF unstrittig. Insbeson-
dere findet eine enge Abstimmung zwischen dem AA
und dem BMZ statt, sofern Aspekte mit entwicklungs-
politischem Bezug berührt sind. Der freiwillige Regel-
beitrag erfolgt aus dem Einzelplan 05 – Auswärtiges
Amt – und zweckgebundene entwicklungspolitische
Beiträge erfolgen aus dem Einzelplan 21, Bundesminis-
terium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601821500

Bitte schön, Kollege Dr. Addicks.


Dr. Karl Addicks (FDP):
Rede ID: ID1601821600

Danke sehr, Herr Staatssekretär. – Teilen Sie bzw. die

Bundesregierung meine Besorgnis, dass es dem Ansehen
Deutschlands in der Welt schadet, dass wir uns, was die
Beiträge zu UNICEF betrifft, auf einem beschämenden
16. Rang befinden, und dies vor dem Hintergrund, dass
wir uns normalerweise bei den Beiträgen zu solchen Or-
ganisationen auf Platz drei oder vier befinden?


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601821700

Herr Kollege Addicks, Sie haben Recht, wenn Sie

darauf hinweisen, dass sich die Regelbeiträge in den
letzten Jahren eher reduziert haben. Der Regelbeitrag lag
2005 etwas unter 5 Millionen Euro, genau bei 4,75 Mil-
lionen Euro. Damit belegt Deutschland in der Tat keinen
sehr prominenten Platz in der Reihenfolge der Länder,
die Regelbeiträge leisten. Aber der Gesamtbeitrag, der
geleistet wird, setzt sich aus verschiedenen Komponen-
ten zusammen. Dazu gehört auch der Beitrag, der vom
nationalen Komitee von UNICEF geleistet wird. Hier
sieht die Sache völlig anders aus. Dieser jährliche Bei-
trag ist sehr hoch. Er lag 2005 bei 172 Millionen Euro.
Damit belegen wir im internationalen Vergleich nach Ja-
pan den zweiten Platz. Wenn man den Regelbeitrag und
das, was das nationale Komitee – insbesondere durch
viele Spenden, die aus der Öffentlichkeit kommen – leis-
tet, zusammennimmt, dann stellt man fest, dass wir auf
einen sehr anerkennenswerten Beitrag zu UNICEF kom-
men.


Dr. Karl Addicks (FDP):
Rede ID: ID1601821800

Danke.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601821900

Damit kommen wir zu Frage 38 des Kollegen

Dr. Addicks:
Sieht sich die Bundesregierung veranlasst, diesen Sach-

verhalt in absehbarer Zeit zu ändern?

Herr Erler, bitte.


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601822000

Herr Kollege Addicks, aus den schon genannten

Gründen gibt es derzeit keine Absicht, die Zuständigkeit
zu verändern.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601822100

Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Addicks.


Dr. Karl Addicks (FDP):
Rede ID: ID1601822200

Danke, Herr Präsident. – Nun werden die deutschen

Beiträge zu UNICEF immerhin auf die ODA-Quote an-
gerechnet. Diese Quote bezieht sich im Wesentlichen auf
Mittel aus dem Einzelplan 23. Wäre es vor diesem Hin-
tergrund nicht folgerichtig, wenn auch die Beiträge zu
UNICEF aus dem Einzelplan 23 und nicht aus dem
Einzelplan 05 kämen?


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601822300

Das wäre in der Tat folgerichtig. Auf jeden Fall lassen

wir uns diese Beiträge gerne auf die ODA-Quote anrech-
nen; denn wir verfolgen – international und von der EU
unterstützt – die ehrgeizige Zielsetzung, die ODA-Quote
heraufzusetzen. Der Grund dafür, dass eine Änderung
der Zuständigkeit nicht vorgenommen wurde, liegt in ei-
ner Veränderung der Aufgabenstellung von UNICEF.
Wir beobachten, dass sich die Arbeit von UNICEF in
den letzten Jahren zunehmend auf die rechtliche Stellung
von Kindern konzentriert hat. Es gibt zwar nach wie vor
sozusagen bedürfnisorientierte Arbeiten. Aber vor allen
Dingen nach der Kinderrechtskonvention von 1990 und
dem Weltkindergipfel von 2002 müssen wir feststellen,
dass der Hauptschwerpunkt der Tätigkeit von UNICEF
auf der rechtlichen Stellung von Kindern liegt. Das
rechtfertigt weiterhin die Zuständigkeit des Auswärtigen
Amtes.


Dr. Karl Addicks (FDP):
Rede ID: ID1601822400

Vielen Dank.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601822500

Damit kommen wir zu Frage 39 des Kollegen Volker

Beck:
Wie bewertet die Bundesregierung die Arbeit der bisheri-

gen Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung im
Auswärtigen Amt seit der Einrichtung dieser Funktion und
wann soll ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Tom
Koenigs in dieser Funktion die Arbeit aufnehmen?

Herr Erler, bitte.


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601822600

Herr Kollege Beck, die Beauftragten der Bundes-

regierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre
Hilfe im Auswärtigen Amt haben seit Schaffung des
Amtes einen anerkannten Beitrag zur Menschenrechts-
politik der Bundesregierung geleistet. Die Position des
Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechts-
politik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt sollte
mit einer Persönlichkeit besetzt werden, die dieses Amt
optimal ausfüllt. Die Bundesregierung führt daher ent-
sprechende Konsultationen mit dem Ziel einer möglichst
schnellen Nachbesetzung dieses wichtigen Amtes.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601822700

Kollege Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601822800

Darf ich nachfragen? – Ich hatte danach gefragt, wann

dieses vakante Amt endlich besetzt wird. Ich meine, dass
es dem Ansehen dieses Amtes nicht dient, wenn man
wochenlang in der Presse über parteipolitisches Scha-
chern um dieses Amt liest. Bislang ist keine Besetzung
vorgenommen worden. Ich würde gerne wissen, wann
Sie damit rechnen, dass das Amt spätestens besetzt ist.


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601822900

Wir sind überhaupt nicht daran interessiert, dass

durch öffentliche Äußerungen oder Diskussionen in der
Öffentlichkeit das Amt, dessen Inhaber eine wertvolle
Arbeit leisten, beschädigt wird. Wir müssen eine sorgfäl-
tige Auswahl treffen. Es gebietet die Achtung vor der
Bedeutung des Amtes, dass hier keine große Eile an den
Tag gelegt, sondern eine sehr sorgfältige Auswahl ge-
troffen wird. Wir sind zwar intensiv auf der Suche, ich
kann Ihnen aber im Augenblick nicht sagen, zu welchem
Zeitpunkt diese Suche abgeschlossen sein wird.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601823000

Müssen wir also damit rechnen, dass das Auswärtige

Amt in diesem Jahr ohne eine Besetzung dieses Amtes
wird arbeiten müssen, oder können Sie sagen, ob eine
Vorentscheidung nach dem Parteibuch gefallen ist? In
der Zeitung liest man, es müsse zwingend jemand von
der Union sein. Überraschen Sie mich und sagen Sie mir,
dass es nicht jemand von der Union ist!


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601823100

Herr Kollege Beck, ich teile Ihre pessimistische

Prognose nicht, dass wir noch sehr lange ohne eine Be-
setzung dieses Amtes arbeiten werden. Ganz im Gegen-
teil: Wir sind auf einem guten Weg. Sie werden verste-
hen, dass ich jetzt hier keine personalpolitischen
Angaben zu dieser Frage machen kann.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können aber einen Monat nennen! Das ist keine personalpolitische Angabe!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601823200

Eine Nachfrage zu diesem Thema von Kollegin Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601823300

Danke schön, Herr Präsident. – Ich habe eine inhaltli-

che Nachfrage. Nun haben uns wie auch die europäische
Öffentlichkeit in den letzten Wochen, wenn nicht gar






(A) (C)



(B) (D)


Petra Pau
Monaten, Menschenrechtsfragen bzw. die Aufklärung
von schweren Vorwürfen zu Menschenrechtsverletzun-
gen auf oder über dem Territorium der Bundesrepublik
beschäftigt. Hat sich denn Herr Koenigs an der Aufklä-
rungsoffensive der Bundesregierung, die nächste Woche
in einen Bericht sowohl an den Europaratssonderermitt-
ler als auch in einen Bericht an den Bundestag münden
soll, beteiligt und können Sie die Frage des Kollegen
Beck nach der Bewertung der Qualität der Arbeit des
Menschenrechtsbeauftragten anhand dieser Aufklärung
und seiner Beteiligung daran beantworten?


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601823400

Frau Kollegin Pau, Sie wissen, dass die Arbeit von

Tom Koenigs beendet ist.


(Petra Pau [DIE LINKE]: Ich gehe davon aus, dass er bis gestern gearbeitet hat!)


Er hat bis zum letzten Moment seiner Beschäftigung alle
seine Aufgaben zur vollen Zufriedenheit der Bundes-
regierung erfüllt und damit zu dem hohen Ansehen die-
ses Amtes wesentlich beigetragen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601823500

Die Frage 40 wird schriftlich beantwortet. Ich rufe

Frage 41 des Kollegen Paul Schäfer auf:
Welche Gründe sprechen nach Auffassung der Bundes-

regierung gegen einen UN-geführten Einsatz zur Sicherung
der Parlamentswahlen in der Demokratischen Republik
Kongo?


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601823600

Herr Kollege Schäfer, zum Mandat des Sicherheits-

rats der Vereinten Nationen für die VN-Operation in der
Demokratischen Republik Kongo, MONUC, gehört die
Aufgabe, für ein sicheres Umfeld für die Parlaments-
und Präsidentschaftswahlen zu sorgen. Der Leiter des
Department for Peacekeeping Operations der Vereinten
Nationen, Jean-Marie Guéhenno, hat Ende 2005 die EU-
Ratspräsidentschaft schriftlich um EU-Unterstützung für
MONUC während des Wahlzeitraums gebeten. In sei-
nem Schreiben brachte er die Sorge der Vereinten Natio-
nen zum Ausdruck, dass es bei den Parlaments- und Prä-
sidentschaftswahlen zu neuerlichen Ausbrüchen von
Gewalt kommen könnte, die weder MONUC noch die
kongolesischen Streitkräfte und Polizeikräfte eindäm-
men könnten. Eine Deterrent Force, die, falls nötig, wäh-
rend der Wahlen in die Demokratische Republik Kongo
verlegt werden könnte, solle die Reaktionsfähigkeit von
MONUC stärken.

Diese Einschätzung wurde seitens der Vereinten Na-
tionen in New York wie seitens MONUC in Kinshasa
gegenüber den beiden Erkundungsmissionen des EU-
Ratssekretariats bestätigt, als diese dort in der vorver-
gangenen Woche sondierende Gespräche führten. Die
Bundesregierung nimmt diese Einschätzung ernst.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1601823700

Kollege Schäfer, bitte.

Paul Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601823800

Herr Staatsminister, lieber Kollege Erler, trifft es denn

zu, dass in der Vergangenheit eine Aufstockung bzw.
eine Verstärkung von MONUC im Rahmen der Verein-
ten Nationen blockiert wurde, und befinden sich eventu-
ell EU-Mitgliedsländer unter denen, die das blockiert ha-
ben?


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601823900

Herr Kollege Schäfer, ich bitte Sie, zur Kenntnis zu

nehmen, dass MONUC mit einer Gesamtstärke von
16 700 Mann im Augenblick in der ganzen Geschichte
des Peacekeepings die umfangreichste und auch die kos-
tenträchtigste Mission ist, sodass man hier keinesfalls
von einer Verweigerung irgendeiner Seite bei der Bereit-
stellung der notwendigen Mittel und Kräfte sprechen
kann.

Das Problem ist ganz anders gelagert: MONUC ist
schwerpunktmäßig im Ostteil des Landes aktiv; dort sind
nämlich 15 000 der 16 700 Kräfte stationiert. Dement-
sprechend ist die Hauptstadt Kinshasa in der entschei-
denden Phase der Wahlkämpfe, was das internationale
Peacekeeping angeht, zu schwach abgesichert.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt)


Die Ängste des Beauftragten der UN bestehen darin,
dass die Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen
– das sind der amtierende Präsident Kabila und zwei sei-
ner Stellvertreter, die auch über bewaffnete Einheiten
verfügen – das Wahlergebnis vielleicht nicht anerken-
nen, was den ganzen Friedensprozess, der am 30. Juni zu
einem Abschluss kommen kann, gefährden könnte. Das
ist der Hintergrund der Nachfrage an die EU, ob im Rah-
men der ESVP vorübergehend eine zusätzliche Siche-
rung dieses Wahlprozesses stattfinden kann.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601824000

Ihre zweite Zusatzfrage.


Paul Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601824100

Danke, Frau Präsidentin. – Lieber Kollege Erler, wäre

in den Augen der Bundesregierung eine vorübergehende
Aufstockung der UNO-geführten MONUC eine realisti-
sche Option, um den Wahlprozess zu stabilisieren?


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601824200

Das könnte überhaupt nur dann in Betracht gezogen

werden, wenn die Vereinten Nationen darum bitten wür-
den. Aber es ist nicht irgendeine andere Organisation,
sondern das Department for Peacekeeping Operations
der Vereinten Nationen, das sich mit dem Brief vom
27. Dezember von Jean-Marie Guéhenno an die EU ge-
wandt hat und etwas ganz anderes wollte.

Hintergrund ist sicherlich, dass man hofft, dass die
Autorität der EU und die Verfügung der EU über schnell
einsetzbare Kräfte tatsächlich eine entmutigende Wir-
kung auf eventuelle Störer dieses Wahlprozesses aus-
üben; Guéhenno nennt das eine Deterrent Force. Die
MONUC – sie ist ausreichend stark vertreten; ich habe
Zahlen genannt – ist genau dazu nicht in der Lage.






(A) (C)



(B) (D)


Gernot Erler
Insofern gibt es gute Gründe dafür, dass die Nachfrage
eben nicht auf eine Erweiterung der MONUC zielt, son-
dern auf eine vorübergehende Zurverfügungstellung ei-
ner Deterrent Force durch einen anderen Organisator, in
diesem Fall durch die EU.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601824300

Ich rufe die Frage 42 des Kollegen Schäfer auf:

Welche besonderen militärischen Gründe sprechen für
eine Beteiligung der Bundeswehr an einem Militäreinsatz zur
Sicherung der Parlamentswahlen der Demokratischen Repu-
blik Kongo?


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601824400

Herr Kollege Schäfer, in den Brüsseler Gremien wird

derzeit die Frage eines militärischen Einsatzes im Rah-
men der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungs-
politik, ESVP – ich habe es gerade angesprochen –, zur
Unterstützung von MONUC bei den Wahlen in der De-
mokratischen Republik Kongo behandelt. Eine Entschei-
dung darüber ist noch nicht getroffen worden. Gestern
hat das Politische und Sicherheitspolitische Komitee der
EU, PSK, darüber beraten. Dabei hat es beschlossen, den
EU-Militärausschuss als das zuständige militärische
Gremium der EU zu beauftragen, einen Ratschlag auf
der Basis des vorgelegten Optionenpapiers zu geben.
Dieser Ratschlag wird die weitere Entscheidungsfindung
der EU prägen.

Sollte ein ESVP-Einsatz nach umfassender Abwä-
gung, wozu neben der Einschätzung der Lage in der De-
mokratischen Republik Kongo auch das in der europäi-
schen Sicherheitsstrategie niedergelegte Bekenntnis der
EU zur Stärkung der Vereinten Nationen gehört, be-
schlossen werden, wäre es ein Gebot europäischer Soli-
darität, die Verantwortung und die Kosten auf mehrere
Mitgliedstaaten zu verteilen. Das ist die Auffassung der
Bundesregierung.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601824500

Ihre Zusatzfrage.


Paul Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601824600

Danke. – Sie haben das Kriterium „europäische Soli-

darität“ genannt. Welche anderen Kriterien müssten Ih-
rer Meinung nach erfüllt sein, um einen Einsatz der Bun-
deswehr als zwingend und unabweisbar erscheinen zu
lassen?


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601824700

Herr Kollege Schäfer, ich möchte noch einmal beto-

nen, dass wir mitten in einem Klärungs- und Entschei-
dungsprozess sind. Ich wiederhole ausdrücklich: Es gibt
noch keine Entscheidung dieser Art. Wichtig sind Klä-
rungen der Rahmenbedingungen. Zum Beispiel wäre es
wichtig, zu wissen: Wie verhält sich eigentlich die am-
tierende Regierung, der so genannte Espace présidentiel,
also der Präsident des Kongo und seine Stellvertreter, zu
diesem Vorschlag der Vereinten Nationen? Ist man be-
reit, eine solche Mission zu akzeptieren? Es sind noch
wichtige Fragen der Sicherheit vor Ort zu klären: Wie ist
eigentlich das Gefährdungspotenzial einzuschätzen? Es
ist auch wichtig, zu wissen und zu klären: Was sollen
denn die eigentlichen Aufgaben sein? In dem Optionen-
papier, das gestern Grundlage der Beratung des PSK
war, sind sieben verschiedene Einsatzmöglichkeiten ge-
nannt, aber zum Teil noch nicht klar definiert. All diese
Dinge soll jetzt das Sicherheitskomitee der EU dort klä-
ren, um dann die Mitgliedstaaten zu beraten bzw. ihnen
eine Empfehlung zu geben.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601824800

Ihre zweite Zusatzfrage.


Paul Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601824900

Habe ich Sie richtig verstanden, dass nach Meinung

der Bundesregierung eine Zustimmung der kongolesi-
schen Regierung für eine eventuelle EU-Militärmission
unverzichtbar ist? Bislang hörte man nur, Präsident
Kabila habe aus der Zeitung erfahren, dass so etwas dis-
kutiert wird.


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601825000

Dies ist ein Zustand, den wir schon überwunden ha-

ben. Das heißt, es hat Kontakte gegeben und es hat von
der Präsidentschaft Äußerungen gegeben, die schon we-
sentlich freundlicher waren. Besonders freundlich hat
sich der Außenminister geäußert. Auch hat ein Telefon-
gespräch zwischen Javier Solana und dem kongolesi-
schen Präsidenten stattgefunden. Aber es ist schon sehr
wünschenswert, dazu eine noch deutlichere Äußerung
des Präsidenten zu haben; denn in der Regel ist es natür-
lich eine wichtige Basis, zu wissen, ob man bei einer sol-
chen Maßnahme – um es einmal unwissenschaftlich aus-
zudrücken – erwünscht ist oder nicht. Dabei ist natürlich
klar, dass in dieser Region – das ist eine Region, in der
seit 1994 Krieg bzw. Bürgerkrieg geherrscht hat, und
zwar mit einer unvorstellbaren Zahl von Opfern, näm-
lich von 3,8 Millionen Menschen – allein durch Initia-
tiven aus der Region heraus ein solcher Friedensprozess
nicht hätte in Gang gebracht werden können. Für uns ist
es, wie gesagt, sehr wünschenswert, wenigstens eine
klare Antwort auf diese Frage zu bekommen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601825100

Ich rufe die Frage 43 der Kollegin Dagdelen auf:

Ist der Bundesregierung bekannt, dass der in der Nacht
zum 31. Januar 2006 nach Togo abgeschobene togoische Op-
positionelle A. M. direkt nach seiner Ankunft am Flughafen
in Lomé von der Polizei festgehalten und bedroht wurde und
sich später einer Inhaftierung durch vermutlich zivile Milizen

(Pressemitteilung der Internationalen Kampagne gegen die Diktatur in Togo und anderen Afrikanischen Ländern vom 5. Februar 2006)

tet die Bundesregierung diese Inhaftierungsversuche in Bezug
auf die Sicherheit des Betroffenen?


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601825200

Frau Kollegin Dagdelen, der Bundesregierung sind

die Behauptungen in der Pressemeldung, die Sie ange-
sprochen haben, bekannt. Das Innenministerium des
Landes Mecklenburg-Vorpommern ist an das Auswär-
tige Amt mit der Bitte herangetreten, in Amtshilfe den
vorgetragenen Behauptungen nachzugehen.






(A) (C)



(B) (D)


Staatsminister Gernot Erler
Die Prüfung des Sachverhalts dauert derzeit noch an.
Bislang liegen folgende Erkenntnisse vor:

Die Rückführung von Herrn M. wurde der Botschaft
Lomé am 26. Januar 2006 für den 31. Januar 2006 ange-
kündigt. Eine Unterstützung durch die Auslandsvertre-
tung wurde nicht erbeten.

Der Leiter der Einreisestelle, also der Chef d’Immi-
gration, am Flughafen Lomé wurde von der Botschaft
Lomé über die Ankunft informiert. Er ist für die Rou-
tinebefragung der rückgeführten Personen zuständig.
Falls Schwierigkeiten bei der Rückführung auftreten, in-
formiert er die Botschaft umgehend telefonisch. Im
Fall M. berichtete er von keinen Problemen.

Die Botschaft hat am 9. Februar 2006 den Leiter der
Einreisestelle persönlich zu den Umständen der Rück-
führung von Herrn M. befragt. Er zeigte sich über die er-
hobenen Vorwürfe erstaunt.

Bestätigt durch das in Kopie vorgelegte und von
Herrn M. unterzeichnete Befragungsprotokoll hat die
Botschaft folgende Auskünfte erhalten:

Es seien Herrn M. keinerlei Fragen hinsichtlich seiner
politischen Aktivitäten im Ausland gestellt worden.
Ebenfalls habe er keine polizeilichen Meldeauflagen er-
halten. Herr M. sei am 31. Januar 2006 um 21 Uhr in die
Obhut seines Cousins entlassen worden. Dieser sei am
Flughafen persönlich anwesend gewesen und habe eine
schriftliche Bestätigung abgegeben, dass er den Rückge-
führten bei sich aufnehme.

Nach Angaben des Leiters der Reisestelle waren wäh-
rend des Aufenthalts von Herrn M. am Flughafen keine
Vertreter von Menschenrechtsorganisationen anwesend.
Erst nach Abschluss der Befragung von Herrn M. sei ein
Mitglied der Ligue Togolaise des Droits de l’Homme er-
schienen, um sich nach ihm zu erkundigen. Ob er
Herrn M. außerhalb des Flughafens noch angetroffen
habe, sei ungewiss.

Die Botschaft Lomé ist mit der weiteren Sachver-
haltsaufklärung beauftragt.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601825300

Haben Sie eine Zusatzfrage?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1601825400

Herr Staatsminister, es scheint, dass da widersprüchli-

che Angaben bzw. Aussagen gemacht werden. Es gibt
zig Presseerklärungen von Menschenrechtsorganisatio-
nen, auch der Menschenrechtsorganisation aus Togo,
dass es bereits in der kurzen Zeit, nachdem A. M. nach
Togo abgeschoben worden war, zwei Versuche gab, ihn
zu inhaftieren. Der erste Versuch, der am Flughafen sel-
ber stattgefunden hat, konnte durch die Anwesenheit von
Menschenrechtlern verhindert werden; der zweite Ver-
such, den frühmorgens zivile Milizen vor seiner Haustür
unternahmen, schlug deshalb fehl, weil er sich bereits
auf der Flucht befand. Mich würde als Erstes interessie-
ren, wie die Bundesregierung und das Auswärtige Amt
die Glaubwürdigkeit einer offiziellen Stelle aus Togo be-
sonders im Hinblick auf die Menschenrechtsverletzun-
gen, die dort unter dem jetzigen Regime immer noch
stattfinden, einschätzen.


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601825500

Frau Kollegin, ich hatte gesagt, dass ich in meiner

Antwort eine Art Zwischenbilanz der bisherigen Nach-
forschungen gezogen habe. Natürlich haben auch wir ge-
sehen, dass diese in Widerspruch zu den Angaben und
Erklärungen von Menschenrechtsorganisationen, die
auch wir kennen, steht. Dieser Widerspruch ist aller-
dings nur sehr schwer aufzuklären, wenn uns Doku-
mente vorgelegt werden, die von Herrn M. und seinem
Cousin, der ihn abgeholt hat, gegengezeichnet worden
sind. In der Tat gestehe ich, dass hier noch weiterer Klä-
rungsbedarf besteht. Naturgemäß kann die Botschaft
durch Befragung des Flughafenpersonals und der zustän-
digen Stellen nicht ermitteln, was später geschehen ist.
Das ist klar. Deswegen habe ich Ihnen auch gesagt, dass
weitere Ermittlungen über den Sachstand erfolgen wer-
den. Die Botschaft Lomé ist damit beauftragt.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601825600

Zweite Zusatzfrage?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1601825700

Ja, die habe ich. – Es gibt auf der Homepage von der

Flüchtlingsorganisation Pro Asyl eine Pressemitteilung
vom 8. Februar, in der konstatiert wird, dass es in dem
relativ kleinen Togo sehr schwierig bzw. kaum möglich
ist, sich der Überwachung durch das Regime zu entzie-
hen. Vor diesem Hintergrund möchte ich gerne wissen,
wie hoch die Bundesregierung die Wahrscheinlichkeit
einschätzt, dass abgeschobene togolesische Flüchtlinge
von Sicherheitskräften nicht inhaftiert werden bzw. ihr
Leben nicht gefährdet ist.


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601825800

Die Bundesregierung kann sich natürlich nur nach

den Erfahrungen richten, die sie bisher gemacht hat. Ich
hatte Ihnen schon in der Fragestunde vom 18. Januar
mitgeteilt, dass uns Meldungen, in denen im Einzelfall
belegt wird, dass so ein Vorgehen, wie Sie es eben be-
schrieben haben, gegenüber zurückgekehrten Asylbe-
werbern erfolgt ist, nicht vorliegen. Auf diese Erkenntnis
muss sich natürlich die Bundesregierung stützen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601825900

Eine Zusatzfrage der Kollegin Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601826000

Herr Staatsminister, vor dem Hintergrund der Debatte

vom 18. Januar, auf die Sie ja selbst hier schon verwie-
sen haben, der darauffolgenden Auseinandersetzung und
Ihrer Feststellung, dass zumindest in diesem Einzelfall
Aufklärungsbedarf besteht, frage ich: Sieht die Bundes-
regierung eventuell die Notwendigkeit, den derzeitigen
aktuellen Lagebericht, der innenpolitischen Entschei-
dungen Deutschlands zugrunde liegt, zu überarbeiten
bzw. die Botschaft mit der Prüfung zu beauftragen, in-
wieweit dieser Lagebericht noch den Tatsachen ent-
spricht und dessen Informationen für die Behörden der
Bundesrepublik Entscheidungsgrundlage sein können?






(A) (C)



(B) (D)


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601826100

Frau Kollegin Pau, ich kann Ihnen dazu sagen, dass

wir eine routinemäßige Überarbeitung dieser Berichte,
die ja für alle Asylentscheidungen wichtig sind, vorneh-
men. In der Tat ist der Lagebericht zu Togo gerade in
Überarbeitung. Sollten sich die Berichte bestätigen, die
uns im Fall M. erreichen, dann würde natürlich dieser
Fall in eine Fortschreibung dieses Lageberichtes einge-
hen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601826200

Ich rufe die Frage 44 der Kollegin Dagdelen auf:

Sieht die Bundesregierung die Einschätzung von Flücht-
lings- und Menschenrechtsorganisationen bestätigt, dass bei
einer Abschiebung nach Togo das Leben abgelehnter Asylbe-
werber bedroht ist, und beabsichtigt die Bundesregierung, der
Aufforderung von Amnesty International vom 20. Juli 2005
zu folgen, sich dafür einzusetzen, dass Asylsuchende nicht zur
Rückkehr nach Togo gezwungen werden, wenn sie dort
schwere Menschenrechtsverletzungen zu befürchten haben?


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601826300

Frau Kollegin Dagdelen, aufgrund der Ereignisse im

Zusammenhang mit der Wahl im April hat Amnesty In-
ternational mit seiner Stellungnahme vom 20. Juli 2005
die internationale Gemeinschaft dazu aufgerufen – jetzt
zitiere ich wörtlich –,

darauf zu achten, dass Asylsuchende nicht zur
Rückkehr nach Togo gezwungen werden, wenn sie
dort schwere Menschenrechtsverletzungen zu be-
fürchten haben, und sicher zu stellen, dass Asylbe-
gehren … gründlich und unparteiisch geprüft wer-
den. Amnesty International ermahnt die
ausländischen, vor allem die europäischen Regie-
rungen, Asylanträge im Zusammenhang mit der
Menschenrechtslage in Togo zu prüfen.

Diesen an die internationale Gemeinschaft ge-
richteten Forderungen entspricht das Asylverfahren in
Deutschland. Auch bei dem Herkunftsland Togo prüft
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in jedem
Einzelfall individuell, ob dem Asylbewerber bei seiner
Rückkehr tatsächlich asylrelevante Gefahren oder sons-
tige Gefahren drohen, die einen Anspruch auf subsidiä-
ren Schutz begründen. Ist das der Fall, wird Asyl bzw.
Abschiebeschutz gewährt. Die zuständigen Länderbe-
hörden prüfen darüber hinaus vor einer Abschiebung, ob
im Einzelfall Abschiebungshindernisse bestehen, die
sich nicht auf drohende Gefahren im Heimatstaat bezie-
hen, zum Beispiel gesundheitliche Probleme.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601826400

Ihre Zusatzfrage, bitte.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1601826500

Auch hier danke ich. – Ich möchte an die Frage mei-

ner Kollegin Pau anknüpfen. Wie Sie wissen, ist im ver-
gangenen Monat in Mecklenburg-Vorpommern aufgrund
des öffentlichen Drucks ein Abschiebestopp verhängt
worden, der auch in diesem Monat noch andauert. Es ist
begrüßenswert, dass der SPD-Fraktionsvorsitzende,
Struck, sich in der Weise geäußert hat, dass der Lagebe-
richt des Auswärtigen Amtes aktualisiert werden müsse.
Meine Frage richtet sich auf die Eilbedürftigkeit des La-
geberichts. Sie sagen selber, aktuell werde an diesem La-
gebericht gearbeitet. Mich interessiert: Bis wann beab-
sichtigen die Bundesregierung und das Auswärtige Amt,
den Lagebericht vorzulegen?


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601826600

Ich hatte hier schon dazu gesagt, dass im Augenblick

die Überarbeitung dieses Lageberichtes im Gange ist.
Das erfolgt nach einem bestimmten Turnus. Wenn ich
Ihr Anliegen richtig verstanden habe, müssten Sie daran
interessiert sein, dass erst der Fall M. geklärt wird, damit
er noch in diesen Lagebericht eingehen kann. Insofern
wäre vielleicht eine vorschnelle Fortschreibung des La-
geberichts gar nicht so zielführend.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601826700

Haben Sie eine zweite Zusatzfrage?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1601826800

Ja. – Ich hoffe sehr, Herr Erler, dass Sie mein Anlie-

gen richtig verstanden haben. Es geht mir nämlich nicht
nur um die über 300 von Abschiebung bedrohten Men-
schen in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch um
die in den anderen Bundesländern. Mich würde interes-
sieren, ob es wahrscheinlich ist, dass der Lagebericht bis
zur Innenministerkonferenz am 4. und 5. Mai vorliegt,
sodass andere Bundesländer ebenfalls einen Abschie-
bestopp erlassen könnten.


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1601826900

Es ist die Absicht des Auswärtigen Amtes, bei der

Fortschreibung des Lageberichtes möglichst noch
aktuelle Informationen einfließen zu lassen. Insofern
gibt es hier einen Zusammenhang mit der Klärung dieses
Falls, die, wie ich Ihnen geschildert habe, im Gange ist.
Wenn eine rechtzeitige Klärung erfolgt, müsste der Zeit-
plan einhaltbar sein. Wie Sie wissen, ist es dann Angele-
genheit der Bundesländer, ihre Schlüsse aus dem neuen
Lagebericht zu ziehen und unter Umständen über einen
Abschiebestopp zu entscheiden.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601827000

Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des

Auswärtigen Amtes. Herr Staatsminister, ich danke Ih-
nen für die Beantwortung der Fragen.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Herr Karl Diller zur
Verfügung.

Ich rufe die Frage 45 der Abgeordneten Dr. Dagmar
Enkelmann auf:

Wie bewertet die Bundesregierung, dass trotz steigenden
Investitionsbedarfs der Kommunen – so rechnet die Banken-
gruppe KfW mit einem Schulsanierungsbedarf von
60 Milliarden Euro bis 2009 – laut den jüngsten Angaben der

(Bericht „Kommunalfinanzen 2004 bis 2006“)

Bund und Ländern an die Kommunen von 8 Milliarden Euro
in 2004 auf 7,5 Milliarden Euro in 2006 zurückgehen, und






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um die In-
vestitionszuweisungen seitens des Bundes und der Länder an
die Kommunen wieder anzuheben?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1601827100


Frau Kollegin Dr. Enkelmann, ich möchte aufgrund
der in Ihrer Frage enthaltenen Formulierung „die Investi-
tionszuweisungen seitens des Bundes … an die Kommu-
nen wieder anzuheben“ vorausschicken, dass es keine
direkte Zuweisung von Mitteln des Bundes an die Kom-
munen gibt. Das ist verfassungsrechtlich gar nicht mög-
lich.

Insbesondere durch die Maßnahmen bei der Gewer-
besteuer und die Entlastung im Rahmen von Hartz IV
hat die Bundesregierung die Voraussetzung geschaffen,
die Investitionsfähigkeit der kommunalen Ebene zu fes-
tigen und wieder zu verbessern. Durch die verbesserte
Gewinnsituation der Unternehmen, aber insbesondere
durch unsere gesetzlichen Änderungen bei der Gewerbe-
steuer und bei der Abführung der Gewerbesteuerumlage
durch die Kommunen an die Länder und den Bund, gibt
es eine sehr erfreuliche Entwicklung, die ich Ihnen in Er-
innerung rufen möchte. In den neuen Bundesländern be-
trug das Nettogewerbesteueraufkommen im Jahre 2003
1,54 Milliarden Euro. Im nächsten Jahr wird es auf
2,586 Milliarden Euro geschätzt, mithin 75 Prozent
mehr.

Die erfolgreiche Trendwende kommt im Übrigen
auch im jüngsten Bericht des Deutschen Städtetages zur
Investitionsentwicklung bei den Kommunen zum Aus-
druck, in dem für das Jahr 2006 eine leichte Belebung
der kommunalen Investitionen in den alten Bundeslän-
dern erwartet wird. Diese Zahlen ebenso wie die zu den
Investitionszuweisungen stellen für das Jahr 2005 eine
Schätzung und für das Jahr 2006 eine Prognose der kom-
munalen Spitzenverbände dar. Sie sind deshalb zurück-
haltend zu bewerten.

Wie gesagt: Direkte Zuweisungen von Mitteln an die
Kommunen durch den Bund gibt es nicht. Die Einnah-
men der Kommunen aus Investitionszuweisungen kom-
men ausschließlich von den Ländern bzw. sie fließen ih-
nen über die Länder zu. Der Bund ist beispielsweise im
Rahmen der Bundesergänzungszuweisungen und im
Falle der neuen Bundesländer im Rahmen der Sonderbe-
darfs-Bundesergänzungszuweisungen engagiert. Auf die
Höhe und Verwendung dieser Mittel hat der Bund aber
keinen Einfluss.

Die Bundesregierung wird auch weiterhin eine Viel-
zahl von Investitionsprogrammen fortführen, von denen
die Gemeinden in besonderem Maße profitieren. Ich
nenne in diesem Zusammenhang die Gemeinschaftsauf-
gaben, die Fortsetzung unseres Ganztagsschulpro-
gramms sowie die KfW-Programme. Wenn der Haushalt
2006 in Kraft getreten ist, Frau Dr. Enkelmann, wird der
KfW beispielsweise durch das neu aufgelegte CO2-Pro-
gramm ermöglicht werden, stark zinsverbilligte Kredite
an die Kommunen für die energetische Gebäudesanie-
rung zu vergeben. Wir setzen auch die Städtebauförde-
rung fort. Dazu findet sich im Übrigen im Koalitionsver-
trag ein klares Bekenntnis.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601827200

Ihre Zusatzfrage, bitte.


Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601827300

Wegen des enormen Investitionsbedarfs der Kommu-

nen, der beispielsweise im Bereich der Schulen bei über
60 Milliarden Euro liegt, möchte ich fragen: Ist die Bun-
desregierung angesichts der offensichtlich geplanten zu-
sätzlichen Steuereinnahmen, die für die nächsten Jahre
mit etwa 80 Milliarden Euro beziffert werden, bereit, die
Kommunen in höherem Maße als bisher an diesen Ein-
nahmen beispielsweise durch ein kommunales Investi-
tionsprogramm zu beteiligen?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1601827400


Frau Dr. Enkelmann, das Thema Schulbausanierung
wird von den Bundesländern entsprechend den landesge-
setzlichen Bestimmungen höchst unterschiedlich gere-
gelt. Ob und in welchem Umfange die Länder dafür Zu-
schüsse geben, ist von Land zu Land verschieden.

Ich will außerdem darauf aufmerksam machen, dass
von den gesetzlichen Maßnahmen, die die Bundesregie-
rung bereits beschlossen hat – beispielsweise der Ab-
schaffung der Eigenheimzulage –, auch die Kommunen
profitieren. Denn es gibt einen Mehrertrag bei der Lohn-
und Einkommensteuer. Die Kommunen haben einen An-
teil in Höhe von 15 Prozent an dem Mehraufkommen
originär; die Länder haben einen Anteil in Höhe von
42,5 Prozent an dem Mehraufkommen originär. Da die-
ses Mehraufkommen in die kommunale Verbundmasse
des jeweiligen Landes eingeht und in Höhe des Verbund-
satzes an die Kommunen weitergeleitet wird, profitieren
je nach Höhe dieses Satzes auch die Gemeinden. Den
Kommunen kommen dadurch zusätzlich rund 8 Prozent
des Gesamtertrages zugute. Der kommunale Anteil wird
also bei etwa 23 bis 24 Prozent – das ist von Bundesland
zu Bundesland je nach Verbundsatz unterschiedlich –
liegen.

Was die Bundesregierung tun kann, tun wir. Wir sor-
gen dafür, dass es einen fairen Anteil der Kommunen an
den perspektivisch geschätzten Steuermehreinnahmen
gibt.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601827500

Ihre zweite Zusatzfrage.


Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601827600

Trotz allem ist das nach wie vor für die Kommunen

zu wenig. Aber darüber wollen wir jetzt nicht reden.

Sie haben unter anderem das Ganztagsschulpro-
gramm angesprochen. Nun beklagt die Bundesregierung
ab und zu, dass die Mittel für dieses Programm nicht in
dem Maße abgerufen werden, wie es mit Blick auf die
Schulen notwendig wäre. Was will die Bundesregierung
tun, um die Lage der Länder bei der Kofinanzierung zu






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Dagmar Enkelmann
verbessern – man könnte beispielsweise den Anteil der
Kommunen an der Kofinanzierung senken –, damit ein
Zugriff auf die Mittel dieses Programms erfolgen kann?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1601827700


Nach meinem Eindruck besteht das Problem weniger
in dem fehlenden Interesse bzw. Desinteresse seitens der
Kommunen, sondern eher in dem fehlenden Interesse
bzw. Desinteresse der Länder. Ich kann Ihnen berichten,
dass mein Bundesland, Rheinland-Pfalz, den Gemeinden
die Möglichkeit bietet, von diesem Bundesprogramm
massiv zu profitieren. Allein in meinem Wahlkreis Trier
beispielsweise werden zurzeit Bundesmittel in Höhe von
mehr als 11 Millionen Euro in entsprechende Projekte
investiert. Das ist eine Frage, die sich an das jeweilige
Bundesland richtet.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das sieht in Brandenburg ganz anders aus!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601827800

Frau Kollegin, Sie hatten bereits zwei Zusatzfragen.

Ich rufe die Frage 46 von Frau Dr. Enkelmann auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die laut den jüngsten


(Bericht „Kommunalfinanzen 2004 bis 2006“)

2004 auf 36,60 Milliarden Euro ansteigenden Ausgaben der
Kommunen für soziale Leistungen, und was will die Bundes-
regierung tun, um die Städte, Gemeinden und Landkreise hier
zu entlasten?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1601827900


Frau Kollegin Dr. Enkelmann, die in der Gemein-
schaftsprognose der kommunalen Spitzenverbände dar-
gestellten Ausgaben für soziale Leistungen – dies betrifft
die Jahre 2004, 2005 und 2006 – sind nicht miteinander
vergleichbar. Mit Hartz IV wurden die Kommunen näm-
lich ab dem Jahre 2005 einerseits um die Sozialhilfeaus-
gaben für Erwerbsfähige entlastet. Andererseits tragen
sie nun die Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose,
wobei ihnen aber der Bund 29,1 Prozent der Kosten er-
stattet. Dazu kommen bei den Ländern die durch
Hartz IV eingesparten Wohngeldausgaben in Höhe von
2,1 Milliarden Euro, die diese Länder jeweils an ihre
Kommunen weiterzugeben haben. Dadurch stehen den
durch die Unterkunftskosten gestiegenen kommunalen
Sozialausgaben höhere kommunale Einnahmen gegen-
über. Das muss man zusammen sehen.

Fairerweise sagt dies auch der Deutsche Städtetag
selbst – ich zitiere ihn –:

Ihre Höhe ist aber mit dem Vorjahr nicht vergleich-
bar, da sich bei den Einnahmen der Kommunen
auch die Bundesbeteiligung an den Unterkunftskos-
ten niederschlägt.

Durch Festhalten an der Beteiligungsquote des Bun-
des von 29,1 Prozent nicht nur für das Jahr 2005, son-
dern auch für das Jahr 2006 werden die Kommunen im
Übrigen nach Überzeugung der Bundesregierung – Kol-
lege Andres und ich können ein Lied davon singen – ent-
gegen der in Ihrer Frage enthaltenen Intention sogar um
mehr als die ihnen zugesagten 2,5 Milliarden Euro ent-
lastet. Wir schätzen: Sie bekommen zusätzlich 1,3 Mil-
liarden Euro zu den 2,5 Milliarden, die ihnen zugesagt
worden sind.

Frau Kollegin, ich füge aber hinzu: Die Bundesregie-
rung ist bereit, Landes- und Kommunalhaushalte zu
entlasten, wenn sie durch die Umsetzung bundesgesetz-
licher Regelungen belastet werden. In all den Program-
men, die wir schon vor dem Jahreswechsel auf den Weg
gebracht haben – und noch bringen werden –, achten wir
immer darauf, dass nicht nur die Bundesseite entlastet
wird, sondern auch die Länder und die Kommunen
parallel dazu eine Entlastung erhalten. Wir werden beim
Abbau von Standards und Bürokratiekosten vorangehen.
Die Länder haben zugesagt, dem Bund entsprechende
Vorschläge vorzulegen, die wir umzusetzen bereit sind.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601828000

Ihre Zusatzfrage, bitte.


Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601828100

Die erste Frage: Wie bewertet die Bundesregierung

die Tatsache, dass die Kommunen durch Hartz IV unter
anderem zusätzlich mit den Kosten für die Obdachlosen-
betreuung, die Schuldnerberatung, Suchtberatung usw.
belastet werden?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1601828200


All das ist in die Gespräche mit den kommunalen
Spitzenverbänden, die vor der Einführung von Hartz IV
stattgefunden haben, mit einbezogen worden und hat sei-
nen Niederschlag im Rechenwerk gefunden.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601828300

Nun Ihre zweite Zusatzfrage.


Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601828400

Ist die Bundesregierung angesichts Ihrer Erklärung,

dass der Bund bereit ist, für zusätzliche Kosten, die auf-
grund der Umsetzung von Bundesgesetzen entstehen,
eine Entlastung vorzusehen, bereit, im Grundgesetz eine
Klausel im Sinne des Konnexitätsprinzips aufzunehmen,
das heißt, im Grundgesetz zu sichern, dass Kosten, die
Kommunen und Ländern durch die Umsetzung von Bun-
desgesetzen zusätzlich entstehen, entsprechend finan-
ziell ausgeglichen werden?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1601828500


Verehrte Frau Kollegin, ich hatte darauf hingewiesen,
dass die Gesetze, die wir vorbereiten, nicht ausschließ-
lich im Bundesinteresse liegen, was die finanziellen
Auswirkungen angeht, sondern auch im Interesse der
Länder und der Kommunen. Sie werden entsprechend
ihrem Anteil an den Steuereinnahmen davon profitieren.

Zu Ihrer zweiten Frage. In jedem Gesetzentwurf, den
der Bundestag berät und beschließt, gibt es einen Teil,
der sich mit den Kosten befasst. Darin gibt es eine Auf-






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Karl Diller
stellung darüber, in welchem Umfang die Kommunen
eventuell belastet oder entlastet werden. Es ist immer am
Gesetzgeber, also an Ihnen, darauf zu achten, dass die
Kommunen nicht über Gebühr belastet werden.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601828600

Herr Staatssekretär, es gibt noch eine Zusatzfrage der

Kollegin Bluhm.


Heidrun Bluhm (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601828700

Herr Kollege, Sie haben in Ihren Ausführungen zum

Ausdruck gebracht, dass die Bundesregierung für die
Jahre 2005 und 2006 den Bundesanteil an den Kosten
der Unterkunft auf 29,1 Prozent jährlich festgelegt hat.
Die kommunalen Spitzenverbände haben sich zwar auf
diesen Kompromiss mit der Bundesregierung eingelas-
sen, sind aber nach wie vor der Auffassung, dass der
Kostenausgleich durch die Sozialhilfe, wie versprochen,
nicht stattgefunden hat und dass der Bundesanteil im
Durchschnitt 34,4 Prozent hätte betragen müssen, um
diesem Erfordernis Rechnung zu tragen. Meine Frage:
Hat die Bundesregierung schon eine Vorstellung dazu,
wie der Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft ab
dem Jahr 2007 gestaltet werden soll, um den von den
kommunalen Spitzenverbänden bezifferten Anstieg der
kommunalen Ausgaben für soziale Leistungen von
32 auf 36,6 Milliarden Euro zu kompensieren?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1601828800


Verehrte Frau Kollegin, wir haben während der Ent-
wicklung der Hartz-Gesetzgebung mit den kommunalen
Spitzenverbänden viele Stunden um die Frage gerungen,
wie wir alles festzurren können. Auf Drängen der kom-
munalen Spitzenverbände wurde dem Gesetz ein An-
hang zugefügt. In diesem Anhang sind alle Parameter
aufgeführt, die in das Rechenwerk eingehen sollen, um
die Belastung bzw. Entlastung zu ermitteln.

Das BMWA hat in der letzten Wahlperiode aufgrund
des Rechenwerks entsprechend der Anlage zu diesem
Gesetz festgestellt, dass man eigentlich einen deutlich
niedrigeren Satz als gerechtfertigt ansehen müsste. Das
ist von den Kommunen bestritten worden; ich kenne
aber kein Rechenwerk der Kommunen, das das Gegen-
teil beweist. Deswegen ist in den Gesprächen mit den
kommunalen Spitzenverbänden, um die sich Bundes-
minister Müntefering persönlich sehr bemüht hat, keine
Einigung zustande gekommen. Die Kommunen haben
darauf beharrt, unser Rechenwerk stimme nicht und ihr
Rechenwerk – das sie aber nicht im Detail aufgeschlüs-
selt vorlegen wollten – sei richtig. Ich hatte den Ein-
druck, dass die kommunalen Spitzenverbände am
Schluss der Gespräche, als wir gesagt haben, dass keine
Rückzahlung der Beträge des Jahres 2005 erfolgt und es
für das Jahr 2006 zu dieser Einigung kommt, erleichtert
waren. Lassen Sie mich das einmal deutlich festhalten.

Zum Zweiten. Wir werden noch in diesem Jahr festle-
gen – das wird das Parlament noch beschäftigen, weil
dies Niederschlag in einem Gesetz finden muss –, wie
die Kosten der Unterkunft künftig geregelt werden. Dies
bedarf aber noch sorgfältiger Beratungen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601828900

Die Frage 47 des Kollegen Hermann und die Frage 48

des Kollegen Fell werden schriftlich beantwortet.

Dann kommen wir zur Frage 49 des Kollegen Volker
Beck:

Wie erklärt sich die Zusage des Bundesministeriums der
Finanzen, dass trotz der angespannten Haushaltslage dem
Bundesministerium für Arbeit und Soziales „19 neue Stellen

(Rundschreiben des Personalrats des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales 01/2005 vom 8. Dezember 2005)

cher haushaltsrechtlichen Grundlage beruht sie?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1601829000


Herr Kollege Beck, das Bundesministerium der Fi-
nanzen hat auf Grundlage von § 13 Abs. 1 Satz 2 des
Haushaltsgesetzes 2005 in den Abschluss von 19 Ar-
beitsverträgen des neu gegründeten Bundesministeriums
für Arbeit und Soziales eingewilligt, damit der Leitungs-
bereich des neuen Ministeriums arbeitsfähig werden
konnte. Mit dieser Einstellungsermächtigung wurde aber
noch keine Entscheidung über neue Stellen getroffen.
Diese Entscheidung bleibt dem Parlament vorbehalten.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601829100

Ihre Zusatzfrage, bitte.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601829200

Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine

Ausweitung der Stellen zur Erledigung der üblichen Auf-
gaben der Bundesregierung angesichts der gegenwärtig
angespannten Haushaltslage unangemessen wäre? Plant
sie, diese 19 Stellen gegebenenfalls anderweitig zu er-
wirtschaften, und können Sie mir sagen, um was für Stel-
len es im Einzelnen geht?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1601829300


Herr Kollege Beck, wie Sie selber wissen, ist das alte
Wirtschafts- und Arbeitsministerium 2003 neu konzi-
piert worden und wurde in der neuen Wahlperiode erneut
anders zusammengesetzt. Deswegen ist dieser Mehrbe-
darf an Stellen vorhanden. Diesem Bedarf wird so Rech-
nung getragen, dass von den 19 Stellen 14 auf Dauer be-
willigt und auf die Fusionsrendite angerechnet werden.
Fünf der neuen Stellen sollen mit kw-Vermerken verse-
hen werden.

Sie haben nach der Wertigkeit der Stellen gefragt: Im
Bereich der A-Besoldung sind es neun Stellen, im Be-
reich der B-Besoldung fünf Stellen, im Bereich der An-
gestellten drei Stellen und im Bereich der Arbeiter zwei
Stellen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601829400

Ihre weitere Zusatzfrage, bitte.






(A) (C)



(B) (D)


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601829500

Wie erklären Sie sich den zusätzlichen Bedarf – wenn

man die kw-Stellen einmal außer Acht lässt – an 14 Stel-
len angesichts dessen, dass nicht die Arbeit der Bundes-
regierung zugenommen hat, sondern nur – was den
Steuerzahler ebenfalls schon belastet – die Zahl der Bun-
desministerien zugenommen hat? Halten Sie es nicht für
angemessen, diese Stellen zu erwirtschaften? Denn zu-
sätzliche Arbeit gibt es nicht. Man muss zusehen, dass
man sich umorganisiert. So würde das auch ein Unter-
nehmen machen, das eine Umstrukturierung vornimmt
und dabei nicht mehr Aufträge und nicht mehr Einnah-
men hat und weiterhin die gleichen Aufgaben zu bewäl-
tigen hat.

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1601829600


Herr Kollege Beck, Sie wissen, dass die Entwicklung
der Personalkosten eine Erfolgsgeschichte der Bundesre-
gierung ist, auch der früheren Bundesregierung – wir ha-
ben es erreicht, dass die Personalkosten seit 1994 relativ
konstant geblieben sind, obwohl es dazwischen Tarif-
steigerungen gab, obwohl dazwischen die Dienstalters-
sprünge in der A-Besoldung zu Buche schlugen –, und
zwar deswegen, weil wir seit 1994 jedes Jahr 1,5 Prozent
aller Stellen streichen und die Mittel plafondiert sind. Es
kommt also für ein Haus nicht nur darauf an, dass es
Stellen hat, sondern auch darauf, dass es das Geld dafür
hat, die Stellen zu besetzen. Ich habe Ihnen deutlich ge-
macht, dass wir einen Teil der Stellen mit Einsparaufla-
gen bzw. mit kw-Vermerken versehen haben.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war die alte Regierung!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601829700

Herr Kollege, Sie hatten zwei Zusatzfragen.

Die Fragen 50 und 51 der Kollegin Bellmann sowie
die Fragen 52 und 53 des Kollegen Rainder Steenblock
werden schriftlich beantwortet.

Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des
Bundesministeriums der Finanzen. Herr Staatssekretär,
herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen.

Damit sind wir auch am Ende der Fragestunde.

Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

auf Verlangen der Fraktion der LINKEN

Zu den von der Bundesregierung geplanten
Kürzungen bei Hartz IV zulasten junger Er-
wachsener

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Kollegin Elke Reinke, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Elke Reinke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601829800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich hätte mir gewünscht, dass ein solcher Antrag für eine
Aktuelle Stunde von allen Oppositionsfraktionen ge-
meinsam gestellt worden wäre. Hartz IV bewegt noch
immer sehr viele Menschen – und das zu Recht. Ich war
doch sehr erstaunt, dass die Fraktionen von Union und
SPD quasi über Nacht diesen Änderungsantrag einge-
bracht haben. Wollen Sie das Parlament möglichst
schnell und unbemerkt über die Hartz-IV-Verschlechte-
rungen abstimmen lassen?


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Haben Sie die Koalitionsvereinbarung gelesen?)


Wollen Sie damit den gesellschaftlichen Debatten und
öffentlichen Protesten ausweichen? Ich kann Ihnen nur
empfehlen, die Menschen auf der Straße ernst zu neh-
men. Demokratie darf nicht an den Wahlurnen aufhören.


(Beifall bei der LINKEN)


Auch Sachverständige haben bei der letzten Anhö-
rung des Ausschusses für Arbeit und Soziales verfas-
sungsrechtliche Bedenken geäußert.

In dem von Ihnen vorgelegten Änderungsantrag sieht
das Ministerium von Herrn Müntefering Kürzungen in
Höhe von 600 Milliarden Euro zulasten junger Erwerbs-
loser und ihrer Familien vor.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das ist ordentlich!)


Erinnern Sie sich: Junge Menschen sind in der Bundes-
republik mit 18 Jahren volljährig. Wir verlangen von ih-
nen Eigenverantwortung und sie haften rechtlich für ihr
Handeln. Nicht die jungen Erwerbslosen sind für diese
teure Arbeitsmarktreform ohne Wirkung verantwortlich,
sondern die politischen und wirtschaftlichen Entschei-
dungsträger.


(Beifall bei der LINKEN)


In der Begründung des Änderungsantrags wird argu-
mentiert, die Kürzungen der Regelleistungen seien zu-
mutbar, weil Jugendliche unverzüglich in Arbeit, Aus-
bildung oder Arbeitsgelegenheiten vermittelt werden
sollten. In der Realität sieht das aber leider anders aus.
Die Vermittlungsversprechen werden nicht eingelöst.
Jährlich bekommen circa 100 000 Jugendliche keinen
Ausbildungsplatz.

Im bisherigen SGB II wurde wenigstens die Eigen-
ständigkeit der jungen Erwachsenen mit einer abge-
schlossen Berufsausbildung anerkannt.

Jetzt beseitigen Sie noch die letzten Reste des För-
derns.

Wenn Sie meinen, ich argumentiere einseitig, dann
empfehle ich Ihnen, die „Frankfurter Rundschau“ von
gestern zu lesen. Dort wurde die Situation junger Men-
schen in der Bundesrepublik treffend zusammengefasst:

Sie dürfen wählen. Sie dürfen Kredite aufnehmen
… Sie dürfen, nein müssen, notfalls Krieg führen.
Nur aus dem heimischen Kinderzimmer ausziehen,
dürfen sie nicht – jedenfalls nicht, sofern sie ar-
beitslos sind.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) (C)



(B) (D)


Elke Reinke
Was sollen diese jungen Menschen machen, damit sie
vom Amt das Recht zugesprochen bekommen, in einem
eigenen Haushalt für sich selber Verantwortung zu über-
nehmen?


(Manfred Grund [CDU/CSU]: So viel Sozialismus gab es nicht einmal in der DDR!)


Die Zustimmung für einen Auszug erfolgt nur, wenn
schwerwiegende soziale Gründe vorliegen. Wie viel Ge-
walt oder Alkoholkonsum in der Familie reicht aus, um
das Recht auf eine eigene Wohnung zu haben? Können
die Angestellten in den Agenturen für Arbeit das ange-
messen entscheiden? Ich meine, sie sind schon jetzt
überfordert. Die Erfahrung von vielen Hartz-IV-Betrof-
fenen zeigt: Ermessungsspielräume werden selten zu ih-
ren Gunsten ausgelegt. Frau Ministerin von der Leyen
sprach von Kindern, die auf der Schattenseite des Le-
bens geboren werden. Mit diesem Antrag sorgen Sie da-
für, dass ein großer Teil dieser Kinder sie nie verlassen
kann.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie nehmen ihnen mit Ihrem Änderungsantrag die Mög-
lichkeit, mit einem selbstständigen Leben auf unterstem
Niveau zu beginnen. Das jetzige Arbeitslosengeld II
reicht nicht für eine Existenzsicherung und das Recht auf
eine gesellschaftliche Teilhabe. Das muss ich Ihnen
nicht noch einmal vorrechnen. Gerade jungen Menschen
darf man nicht noch 69 Euro wegnehmen. Wir fordern
eine armutsfeste Grundsicherung als individuelles
Recht.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Thema „arbeitsscheue Jugendliche“ lässt sich
hervorragend an Stammtischen besprechen. Wer diese
Zwangsmaßnahmen begrüßt, der sollte sich überlegen,
woher das Ministerium von Herrn Müntefering den Rest
der 3 Milliarden Euro Etatkürzungen nimmt. Bisher
müssen nur junge Arbeitslosengeld-II-Empfänger unter
25 Jahren mit Leistungskürzungen rechnen, wenn sie
Arbeitsangebote nicht annehmen. Der Deutsche Indus-
trie- und Handelskammertag fordert unter anderem diese
Sanktionen für alle Langzeitarbeitslosen, sollten sie An-
gebote für Arbeit, für die ihnen 3 Euro Stundenlohn ge-
zahlt werden, ablehnen.

Herr Minister, werden Sie, um die geplanten Kürzun-
gen durchführen zu können, auf die Vorschläge des
DIHK zurückgreifen? Ich als Abgeordnete kann den
Bürgerinnen und Bürgern nur empfehlen, diese Debatte
sehr aufmerksam zu verfolgen und ihre demokratischen
Rechte wahrzunehmen, bevor es zu spät ist.

Ich danke.


(Beifall bei der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Können Sie auch was zur Sache sagen?)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601829900

Das Wort hat nun der Kollege Stefan Müller, CDU/

CSU-Fraktion.

Stefan Müller (CSU):
Rede ID: ID1601830000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Kollegin Reinke, über Ihre Aufregung muss ich
mich schon ein bisschen wundern. Sie haben gesagt, wir
hätten unsere Änderungsanträge quasi über Nacht einge-
bracht.


(Elke Reinke [DIE LINKE]: Ja, das haben Sie ja auch!)


– Ja, ja.

Erstens empfehle ich Ihnen einen Blick in die Koali-
tionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und SPD, die
auch Ihnen zugänglich ist. Auf Seite 27 sind genau die
Vorschläge genannt, die wir in der letzten Woche in das
Parlament eingebracht haben.

Zweitens empfehle ich Ihnen, sich die Sitzung des
Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom
18. Januar dieses Jahres zu vergegenwärtigen, in der
Herr Bundesminister Franz Müntefering sein Ar-
beitsprogramm mündlich vorgetragen hat. Auch in der
schriftlichen Ausarbeitung, die damals ebenfalls vorge-
legt worden ist, findet sich auf Seite 12 der Hinweis auf
unsere Änderungsanträge.

In der letzten Woche haben wir unsere Anträge in den
Ausschuss für Arbeit und Soziales, der federführend ist,
eingebracht. Am vergangenen Montag haben wir eine
Anhörung zu diesem Themenbereich durchgeführt.
Heute früh fand im zuständigen Ausschuss die abschlie-
ßende Beratung statt. Am Freitag dieser Woche wird es
im Plenum des Deutschen Bundestages zur zweiten und
dritten Lesung des Gesetzentwurfs kommen. Es hätte
also genügend Möglichkeiten für eine Aussprache gege-
ben. Der heutigen Aktuellen Stunde hätte es jedenfalls
nicht bedurft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Elke Reinke [DIE LINKE]: Für Sie vielleicht nicht! Für uns schon!)


Angesichts des Verlaufs dieses Gesetzgebungsverfah-
ren und angesichts der verschiedenen Möglichkeiten zur
Aussprache, die es gegeben hätte, sage ich noch einmal:
Diese Aktuelle Stunde ist völlig überflüssig. Ihnen geht
es überhaupt nicht um eine sachliche Diskussion – denn
es hätte genügend Diskussionsmöglichkeiten gegeben –,
sondern Sie betreiben pure Polemik, weil Sie sich davon
Vorteile bei den anstehenden Landtagswahlen erhoffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch auch mal was zur Sache!)


Ich verstehe gar nicht, dass Sie sich über Hartz IV so
sehr aufregen. Denn wäre Hartz IV in der letzten Legis-
laturperiode nicht auf den Weg gebracht worden, würden
Sie heute nicht hier sitzen, meine lieben Kolleginnen
und Kollegen von den Linken.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Lachen bei der LINKEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Na, sehen Sie! Stefan Müller Dann hatte Hartz IV ja auch für die Linken wenigstens ein paar Vorteile!)





(A) (C)


(B) (D)


Nun zur Sache.


(Anhaltende Zurufe von der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601830100

Darf ich Sie bitten, dem Redner zuzuhören?


(Zuruf von der LINKEN: Das ist schwierig!)



Stefan Müller (CSU):
Rede ID: ID1601830200

Im Wesentlichen geht es jetzt um zweierlei:

Erstens. Wir wollen die Gleichbehandlung von min-
derjährigen Kindern bzw. Jugendlichen und volljährigen
Jugendlichen in einer Familie. Diesen Schritt halten wir
für vertretbar; denn diese Differenzierung im Gesetz ist
nicht einsichtig.

Zweitens. Ein 18- bis 25-Jähriger, der zu Hause aus-
zieht, bekommt gegenwärtig nicht nur Arbeitslosen-
geld II, sondern es werden auch die ihm entstehenden
Kosten für Miete und Heizung und für die Erstausstat-
tung seiner Wohnung übernommen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist unglaublich! So etwas gibt es vielleicht im Sozialismus!)


Ursprünglich hat man beabsichtigt, durch diese Rege-
lung Hilfebedürftige zu unterstützen, die aus bestimmten
Gründen nicht mehr zu Hause wohnen können, zum Bei-
spiel weil sie an einem anderen Ort eine Arbeits- oder
Ausbildungsstelle angenommen haben. Darüber hinaus
hatte man Jugendliche im Blick, die aus verschiedenen
sozialen Gründen nicht mehr bei ihrer Familie leben
konnten.

Nach Einführung dieser Regelungen mussten wir
feststellen, dass sie massiv in Anspruch genommen wur-
den, und zwar auch von solchen Personen, angesichts
deren Situation man sich schon die Frage stellen musste,
ob sie tatsächlich hilfebedürftig sind; aus der massiven
Inanspruchnahme dieser Regelungen resultieren im
Übrigen auch die hohen Kostensteigerungen in diesem
Bereich. Nun wollen wir verhindern, dass Bedarfsge-
meinschaften in Zukunft nur gegründet werden, um
Arbeitslosengeld II und andere staatliche Transferleis-
tungen in größerem Umfang in Anspruch nehmen zu
können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, es
handelt sich lediglich um die Wiederherstellung der
Rechtslage vor Hartz IV. Denn es gab schon früher die
Regelung, dass der kommunale Träger bzw. der Sozial-
hilfeträger zustimmen musste. Letztendlich stellen wir
nur diesen Rechtszustand wieder her; denn er hat sich
seinerzeit bewährt. Auch das ist eine Erkenntnis aus
Hartz IV.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Da Sie immer von Gerechtigkeit und persönlicher
Entfaltung sprechen, will ich Ihnen folgenden Fall schil-
dern: Was sagen Sie einem jungen Berufstätigen, der
eine Ausbildungs- bzw. Arbeitsstelle hat und sein eige-
nes Geld verdient, der aber zu viel verdient, um noch zu-
sätzlich staatliche Hilfeleistungen in Anspruch nehmen
zu können, und der eine eigene Wohnung haben möchte,
aber nicht genug Geld hat, um sie selber zu finanzieren?
Wie sieht es hier mit freier Entfaltung aus? Warum muss
die Solidargemeinschaft in dem einen Fall die Kosten für
die Wohnung übernehmen, in dem anderen Fall aber
nicht? Ist das Ihr Verständnis von sozialer Gerechtigkeit?
Meines jedenfalls ist es nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der LINKEN: Wir brauchen einen Mindestlohn!)


Für manch einen jungen Menschen unter 25 Jahren
mag es zwar eine Zumutung sein, noch bei seinen Eltern
zu wohnen. Aber es ist nicht unzumutbar, wenn wir ver-
langen, dass ein junger Hilfebedürftiger noch bei seinen
Eltern wohnt.

Ich will festhalten: Es wird auch in Zukunft die Mög-
lichkeit geben, dass ein junger Mensch von zu Hause
auszieht: wenn er eine Ausbildungsstelle an einem ande-
ren Ort antritt oder wenn es schwer wiegende soziale
Gründe gibt; Sie haben ja davon gesprochen. Dann muss
der kommunale Träger seine Zustimmung geben – und
das wird er, wenn diese Gründe vorliegen: weil er es
nach dem Wortlaut des Gesetzes muss.

Ich bin der Meinung, wir sollten, anstatt die Zeit mit
solchen Aktuellen Stunden zu verplempern,


(Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN)


ernsthaft darüber diskutieren, wie wir die Beschäfti-
gungsmöglichkeiten für junge Menschen verbessern
können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir sollten darüber reden, wie wir die jungen Menschen
in Lohn und Brot bekommen,


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Dann tun Sie das doch endlich!)


wie sie eine Arbeitsstelle oder eine Ausbildungsstelle
bekommen; dann brauchen wir über staatliche Fürsorge
und die Zustimmung kommunaler Träger nicht zu reden.
Stattdessen sprechen wir hier über irgendwelche The-
men, die Sie aus purer Polemik aufbringen; jede Woche
versuchen Sie mit einer Aktuellen Stunde irgendein
Thema aufzubauschen. Ich würde mir wünschen, dass
wir die Zeit effizienter nutzen. Aber wenn nicht, dann
könnten wir wenigstens über andere, interessante The-
men sprechen: Wir könnten zum Beispiel eine Aktuelle
Stunde zu den Vorkommnissen in Ihrer Fraktion machen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601830300

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.


Stefan Müller (CSU):
Rede ID: ID1601830400

Mich würde zum Beispiel eine Aktuelle Stunde zu

den Vorkommnissen in den letzten Tagen in Ihrer Frak-
tion interessieren –






(A) (C)



(B) (D)


Stefan Müller (Erlangen)


(Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN)


die Allgemeinheit mit Sicherheit auch.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601830500

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Heinrich Kolb,

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1601830600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Bei der Umsetzung der Arbeitsmarktreformen zu
Hartz IV wurden von Rot-Grün, mit Duldung der Union,
gravierende handwerkliche Fehler gemacht. Diese hand-
werklichen Fehler sind eine, wenn auch zugegebenerma-
ßen nicht die einzige Erklärung dafür, dass statt der vo-
rausberechneten 14 Milliarden Euro im ersten Jahr der
Anwendung von Hartz IV rund 26 Milliarden Euro auf
der Ausgabenseite gebunden wurden.

Gleich als diese Fehler erkennbar wurden, wurde der
Ruf nach Korrekturen laut. Das galt insbesondere für die
zahlreichen Fälle, dass Hilfebedürftige unter 25 Jahren
mit Unterstützung der Träger einen eigenen Hausstand
gegründet haben. Dafür, dass so etwas tatsächlich statt-
gefunden hat, haben wir in der Anhörung am Anfang
dieser Woche Belege geliefert bekommen. Unter den
2,8 Millionen Bedarfsgemeinschaften, die Leistungen
nach SGB II beziehen, sind rund 2,2 Millionen Einper-
sonenbedarfsgemeinschaften, was 78 Prozent entspricht.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt doch keine verlässlichen Zahlen, Herr Dr. Kolb!)


Der Vertreter der Bundesagentur hat bei uns unter Beru-
fung auf Stellungnahmen und Aussagen der Arbeitsge-
meinschaften sehr offen von Fehlanreizen gesprochen.
Er sagte wörtlich: Diese Fehlanreize entsprechen für
mich auch fast der Lebenswirklichkeit. Wenn ein junger
Mensch die Möglichkeit hat, zulasten der Allgemeinheit
aus dem elterlichen Haushalt auszuziehen, und seine
Haushaltsgründung auch noch von der Allgemeinheit fi-
nanziert wird, dann wird das wahrscheinlich von vielen
in Anspruch genommen worden sein.

Das heißt für uns: Es gibt Missbrauch. Die FPD-Bun-
destagsfraktion unterstützt die Zielsetzung, diesen Miss-
brauch zurückzuführen, nachdrücklich.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es geht also darum, Fehlanreize auszuräumen. Es kann
nicht sein, dass, wie nach der bestehenden Rechtslage
möglich, unter 25-Jährige relativ wahllos die elterliche
Bedarfsgemeinschaft verlassen, eine eigene Bedarfsge-
meinschaft gründen und für Unterkunft und Heizung zu-
sätzlich zu ihrem Arbeitslosengeld II Ansprüche geltend
machen können. Wir begrüßen daher im Grundsatz die
vorgesehene Einbeziehung arbeitsloser Jugendlicher un-
ter 25 Jahren in die elterliche Bedarfsgemeinschaft und
auch die vorgesehene Beschränkung, dass unter 25-Jäh-
rige nur noch im Ausnahmefall aus der elterlichen Woh-
nung ausziehen und eine geförderte Bedarfsgemein-
schaft gründen können.

Allerdings haben wir in diesem Zusammenhang ei-
nige Bedenken: Erstens. Es kann nach unserer Auffas-
sung nicht so sein, dass zum Stichtag – dem 17. Februar
2006 – vorhandene Bedarfsgemeinschaften einen wei-
testgehenden Bestandsschutz genießen und diese Ände-
rungen nur für neu einzurichtende Einpersonenbedarfs-
gemeinschaften gelten sollen. Wir sind vielmehr der
Auffassung, dass im Rahmen der alle sechs Monate
stattfindenden Überprüfungen der Anspruchsvorausset-
zungen dort, wo es möglich und sinnvoll ist – es wird
nicht überall möglich und sinnvoll sein –, auf die Rück-
eingliederung in die familiäre Bedarfsgemeinschaft ge-
drungen wird; wenn erforderlich – auch mit Blick auf
bestehende Mietverträge – auch mit Toleranzfristen.
Aber der Grundsatz muss klar sein. Ansonsten käme es
zu einer dauerhaften Belohnung der Findigen. Das darf
nicht sein. Denn wie wollen Sie einem Sozialhilfeemp-
fänger klar machen, dass er seine Wohnung wegen Fehl-
belegung räumen soll, wenn ein unter 25-Jähriger auf
Dauer in einer solchen leben darf? Hier gibt es aus unse-
rer Sicht Handlungsbedarf.


(Beifall bei der FDP)


Zweitens. Die vorgesehene Genehmigungsregelung,
wonach der Betroffene aus schwer wiegenden sozialen
Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines
Elternteils verwiesen werden kann, wird in der Verwal-
tungspraxis sehr schwer zu handhaben sein und die
Mitarbeiter der Bundesagentur und der Arbeitsgemein-
schaften erneut vor Probleme stellen. Das gilt auch dann,
wenn, wie wir heute im Ausschuss gehört haben, darauf
verwiesen wird, dass die verwendeten unbestimmten
Rechtsbegriffe durch die Rechtsprechung der Sozialge-
richte, zum Beispiel zum Sozialhilferecht, ausgeformt
seien.

Es bleibt das Problem, dass die Mitarbeiter in der
Agentur und in den Arbeitsgemeinschaften die vorge-
brachten Gründe nachprüfen müssen, wofür sie aber
nicht ausgebildet sind. Bei der ohnehin bereits bestehen-
den hohen Arbeitsbelastung der Mitarbeiter werden auch
wohl kaum die Möglichkeit und die Zeit gegeben sein,
hier entsprechende Nachschulungen vorzunehmen. Im
Ergebnis würde hier eine Prozessflut ausgelöst werden.
Dem Ziel, Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, dient
man damit auf jeden Fall nicht.

Das dritte Problem, das wir ansprechen, ist der Zeit-
punkt des In-Kraft-Tretens der neuen Regelung. Bei der
Frage, ob das bereits am 1. Juli 2006 oder erst am
1. Januar 2007 möglich ist, ist die Kakophonie in den
Reihen der Koalition komplett.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Keine Beleidigung!)


Die Union will wohl ein schnelles In-Kraft-Treten. Herr
Müntefering, die Sprecherin des Bundesarbeitsministe-
riums hat gestern erklärt, das Gesetz könne erst zum
1. Januar 2007 umgesetzt werden; früher sei die Umset-
zung nicht möglich.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Heinrich L. Kolb
Da auch die Bundesagentur darauf hinweist, dass
Umgehungslösungen bezüglich der nicht anwendbaren
Software in diesem Fall wohl nicht möglich sein werden,
kann man hier nur sehr deutlich vor zu viel Optimismus
warnen. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder
erlebt, dass man sehr optimistisch an Dinge herangegan-
gen ist und dass die Verfahren in der Praxis dann nicht
sauber durchgeführt werden konnten. Das alles klingt für
uns nicht sonderlich ermutigend.

Schließlich warnen wir auch noch vor Missbrauchs-
tatbeständen, die sich aus der Zusicherung nach § 22
Abs. 2 a des Entwurfs ergeben könnten. Hier gibt es ein
großes Interesse der abgebenden Träger, einen Umzugs-
kostenzuschuss zu gewähren. Ich sage: Wenn sich der
Arbeitslose an seinem neuen Wohnort wohl fühlt, dann
wird es nur sehr schwer möglich sein, einen Rückumzug
auf den Weg zu bringen. Das hätte für die verschiedenen
Träger aber dauerhafte Folgen in der einen und in der an-
deren Weise.

Insgesamt stellen sich hier also viele Fragen. Wir sind
aber bereit, an dem grundsätzlichen Ziel der Korrektur
der Fehlanreize mitzuwirken.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601830700

Für die Bundesregierung hat nun der Herr Bundesmi-

nister Franz Müntefering das Wort.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und
Soziales:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn man ein großes Gesetzgebungswerk wie die
Schaffung der Grundsicherung in Bewegung setzt, dann
ist ganz klar, dass man beobachtet, was daraus wird, und
dass man dann auch Konsequenzen daraus zieht und
Veränderungen vornimmt, wenn sich dies als nötig er-
weist.

Das tun wir. Ich gehe davon aus, dass wir am Freitag
dieser Woche das SGB-II-Änderungsgesetz im Deut-
schen Bundestag beschließen werden. Es gibt einige
Punkte darin, die ich ansprechen möchte.

Punkt 1 des Gesetzes ist eine Mehrausgabe. Es geht
dort um die Anhebung der im Osten zu zahlenden ALG-
II-Beträge auf das Westniveau. Das steht darin. Das tritt
zum 1. Juli dieses Jahres in Kraft. Dadurch entstehen in
diesem Jahr Kosten in Höhe von 220 Millionen Euro. Im
nächsten Jahr gilt das dann voll.

Nun bin ich ganz gespannt, was Sie am Freitag tun
werden, ob Sie dem Gesetz zustimmen oder nicht; denn
ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie diese Anhebung
des Betrages vom Ostniveau auf das Westniveau nicht
wollen. Ehe man sich hier also derart zu Wort meldet,
sollte man sich überlegen, welcher Zusammenhang da
eigentlich besteht. Wir warten also gespannt darauf, was
am Freitag passiert und wie Sie sich dabei verhalten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es gibt aber auch andere Punkte, bei denen wir versu-
chen müssen, einzusparen. Die Erfahrung des
Jahres 2005 war, dass die Bestimmungen des Gesetzes
gedehnt worden sind. Ich gebrauche ausdrücklich nicht
das Wort „missbraucht“; denn das, was da passiert ist,
war nach dem Gesetz möglich. Wir als Gesetzgeber
müssen sagen, dass wir uns da korrigieren und darauf
achten müssen, dass die entstehenden Kosten nicht über
Gebühr über das Ziel hinausschießen.

Was waren die Probleme? Es haben sich neue Be-
darfsgemeinschaften gebildet, und zwar in erheblichem
Maße durch die ganz jungen Menschen, die 18-, 19- und
20-Jährigen, die aus ihrem elterlichen Verbund ausgezo-
gen und in eine eigene Wohnung gezogen sind. Damit
waren sie eine eigene Bedarfsgemeinschaft und erhielten
100 Prozent ALG II. Auch die Einrichtung für ihre Woh-
nung wurde in hohem Maße bezuschusst und dazu wer-
den natürlich auch die Wohnkosten finanziert.

Es hat sich herausgestellt, dass dies eine große
Gruppe ist und dass an dieser Stelle eine Menge Kosten
entstanden sind, die wir nicht gewollt haben. So war das
nicht gemeint. Das kann auch nicht im Sinne des Erfin-
ders sein; denn die Kosten, die dort entstehen, müssen
natürlich von den Steuerzahlern insgesamt getragen wer-
den. Diese Situation nehmen wir auf, um sie zu korrigie-
ren.

Wir haben im Verlauf des Jahres auch festgestellt: Die
Tatsache, dass jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jah-
ren, die zu Hause wohnen bleiben, 100 Prozent statt
80 Prozent des Regelsatzes gezahlt wird, ist mit deren
Situation nicht vereinbar; denn in einer Familie gibt es
keine doppelten Haushaltskosten. Deshalb können an
dieser Stelle Korrekturen stattfinden.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wenn man das so macht, wird man im Jahr der vollen
Wirksamkeit 500 bis 600 Millionen Euro sparen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wann kann es denn losgehen?)


Es wird dann so sein, dass die Bedarfsgemeinschaften,
die sich durch Umzug bilden, nur noch möglich sind,
wenn es dafür gute Gründe gibt. Das kann die Notwen-
digkeit sein, in eine andere Stadt umzuziehen. Das kön-
nen aber auch schwerwiegende soziale Gründe sein,
etwa Verwerfungen in der Familie, die zwangsläufig
dazu führen, dass der junge Mensch auszieht. Das hat es
im Bereich der Sozialhilfe schon gegeben. Diese Ent-
scheidungen muss man vor Ort individuell treffen. Sol-
che Ausnahmesituationen gibt es. Aber es darf eben
nicht mehr die Regel sein, dass 18- oder 19-Jährige von
zu Hause ausziehen, sich eine eigene Wohnung nehmen
und die Kosten dafür von der Gemeinschaft aller getra-
gen werden, wie wir das im Jahre 2005 erlebt haben.

Es gibt also diese Regel und es gibt Ausnahmen von
dieser Regel. Es wird auch in Zukunft so sein, dass die-
jenigen, die im elterlichen Verbund wohnen bleiben,
nicht 100 Prozent, sondern 80 Prozent des ALG II be-
kommen.






(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Franz Müntefering
Die Frage ist: Wann wird das umgesetzt? Aufgrund
von technischen Problemen hat die BA mitgeteilt, dass
dies vernünftigerweise erst zum 1. Januar des nächsten
Jahres umgesetzt werden könne. Dies hat sich auch in
den Zeitungsmeldungen vom heutigen Tag niederge-
schlagen. Aber darüber kann man ganz offen sprechen.

Wir in der Koalition haben heute im Ausschuss ent-
schieden: Wir wollen diese Regelung ab dem 1. Juli um-
setzen. Mit der Zustimmung des Deutschen Bundestages
am Freitag wollen wir der Agentur signalisieren, Druck
zu machen und sich zu beeilen, da die Umsetzung dieser
Regelung nicht unnötig lange dauern soll. Ich glaube,
dass diese Entscheidung vertretbar und richtig ist. Nun
muss man versuchen, diese Regelung ab dem 1. Juli um-
zusetzen. Dies kann auch dadurch geschehen, dass man
sich überlegt, mit welcher anderen Methode als nur mit
der vorhandenen Technik diese Dinge umgesetzt werden
können. Wir wollen, dass dies so schnell wie möglich
realisiert wird.

Wichtig ist – da stehe ich im Widerspruch zu dem,
was Herr Kolb von der FDP gesagt hat –: Diejenigen, die
auf legale Weise eine Bedarfsgemeinschaft gegründet
haben und in eine eigene Wohnung gezogen sind, wer-
den wir dort lassen. Es macht überhaupt keinen Sinn, so
zu tun, als ob diese Menschen diese Regelung miss-
braucht hätten. Das Gesetz bot diese Möglichkeiten.
Dies wird korrigiert. Aber die jungen Menschen, die be-
reits eine eigene Wohnung haben, werden in ihrer Be-
darfsgemeinschaft bleiben können.

Man kann sich hier viele Tausend Einzelfälle vorstel-
len. Darüber haben wir in den letzten Tagen in allen
Fraktionen hinreichend diskutiert. Einen Teil dieser Ein-
zelfälle wird man vor Ort zu klären haben. Die große
Menge derer, die bereits in einer eigenen Bedarfsge-
meinschaft leben, wird da bleiben. Aber in der Zukunft
wird das anders gehandhabt werden. Ich glaube, es ist
vernünftig, hier etwas zu ändern.

Ich will abschließend sagen: Mindestens so wichtig
wie das Thema, das wir hier jetzt behandeln, ist, dass wir
die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, noch konzen-
trierter und energischer dafür einsetzen, den jungen
Menschen eine Chance zu geben, in Ausbildung, Quali-
fizierung oder Beschäftigung zu kommen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir in der Koalition haben uns vorgenommen, zu er-
reichen, dass junge Menschen maximal drei Monate ar-
beitslos sind und dass sie in den Argen oder in den optie-
renden Gemeinden so intensiv betreut werden, dass sie
innerhalb dieser drei Monate Ausbildung, Qualifizierung
oder Beschäftigung finden. Wenn man das erreicht, be-
antwortet das übrigens auch einen Großteil der Frage:
Was passiert mit denen, die arbeitslos sind, und wie wird
deren Lebensweg aussehen? Es ist nicht gut, wenn wir
als Staat jungen Menschen Arbeitslosengeld-II-Karrie-
ren finanzieren, sondern es ist besser, wenn wir das Geld
dafür einsetzen, diesen Menschen eine Chance zu geben,
in den Arbeitsmarkt zu kommen.

Die Dauer der Arbeitslosigkeit junger Menschen be-
trägt zurzeit in Deutschland im Schnitt 4,4 Monate – da-
mit sich auch da das eine oder andere Gerücht ein biss-
chen relativiert. Im europäischen Vergleich stehen wir so
schlecht nicht da. Deutsche Jugendliche in der Alters-
klasse zwischen 18 und 25 Jahren sind im Schnitt
4,4 Monate arbeitslos. Das muss an vielen Stellen besser
werden – das wissen wir –, aber ich sage Ihnen: Das
Geld, das wir einsparen wollen, geht den Jugendlichen
nicht verloren. Wir werden es dafür einsetzen, diesen Ju-
gendlichen noch stärker als bisher zu helfen, um in ver-
nünftiger Weise Qualifizierung, Ausbildung und letztlich
eine Arbeit zu bekommen. Insofern bin ich ganz sicher:
Das, was wir machen, ist ein vernünftiger Weg in die
richtige Richtung.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601830800

Ich erteile das Wort der Kollegin Brigitte Pothmer,

Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601830900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Müntefering, dass jetzt auch ein sozialdemokratischer
Arbeitsminister junge ALG-II-Empfänger zumindest als
potenzielle Schmarotzer ansieht


(Andrea Nahles [SPD]: Das hat er doch nicht gesagt! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Popanzpolitische Sprecherin! Was soll denn das? – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Dummes Zeug!)


und damit relativ umstandslos an die Töne des nord-
rhein-westfälischen Sozialministers Karl-Josef Laumann
anknüpft, finde ich enttäuschend.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Letzterer hat schon im Herbst vergangenen Jahres
festgestellt – das sage ich an die CDU/CSU gewandt –,
es gehe nicht an, dass ganze Schulklassen eigene Woh-
nungen anmelden, um Anspruch auf ALG II zu bekom-
men.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Genau so ist es! Gucken Sie sich doch mal um, was im Land los ist!)


– Das ist Ihre Auffassung; so betrachten Sie diese jungen
Leute. – In der Grobfassung dieser Rede wird dann von
Missbrauch geredet. Für die Feinnervigen – dazu gehö-
ren sicherlich Sie, Herr Müntefering – wird dann davon
gesprochen, dass die große Koalition die Familie als
Verantwortungsgemeinschaft stärken will.

Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass
sich die vorgesehenen Änderungen nicht auf Kinder be-
ziehen. Es geht dabei um junge Staatsbürger, von denen
wir auch ziemlich viel verlangen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie sind volljährig. Sie müssen die Wehrpflicht ableis-
ten. Sie sind voll geschäftsfähig. Sie sind straffähig und
– auch daran will ich Sie erinnern – sie haben Gott sei






(A) (C)



(B) (D)


Brigitte Pothmer
Dank das Wahlrecht. Diese jungen Leute sollen sich jetzt
wieder in die Haushalte ihrer Eltern einfügen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt doch gar nicht!)


Ich will gar nicht leugnen, dass auch wir einen gewis-
sen Handlungsbedarf sehen.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Also doch! – Dr. Uwe Küster [SPD]: So viel dummes Zeug auf einem Haufen! Aus einem Mund!)


Wenn junge Leute im Haushalt ihrer Eltern leben, bin
ich ebenfalls der Auffassung, dass die Generalkosten
nicht mehrfach anfallen und anders aufgeteilt werden
können wie bei anderen Erwachsenen auch.


(Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)


Aber dann frage ich Sie: Warum bekommen diese
jungen Leute unter 25 nicht wie andere Erwachsene auch
90 Prozent der Regelleistung? Es gibt schließlich nicht
mehr den Haushaltsvorstand, der 100 Prozent bekommt,
während alle anderen 80 Prozent bekommen. Das
SGB II sieht eine gleichberechtigte Behandlung vor. Das
bedeutet dann eben auch 90 Prozent der Regelsätze für
beide Partner. Das sollte dann auch für unter 25-Jährige
gelten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Laumann, den ich bereits zitiert habe, hat von ei-
ner Auszugslawine gesprochen, die angeblich unter den
18- bis 25-Jährigen stattgefunden hat. Das ist gefühltes
Wissen. Das möchte ich ausdrücklich festhalten. Belast-
bare Daten gibt es dafür nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Die Landratsämter sagen etwas anderes!)


Im Gegenteil: Es gibt deutliche Indizien für eine Ent-
wicklung in die umgekehrte Richtung.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Sprechen Sie mal mit einer Arbeitsagentur vor Ort!)


In Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der Bedarfsgemein-
schaften, in denen nur eine Person lebt, vom Februar bis
zum September 2005 um 0,2 Prozent zurückgegangen.


(Andrea Nahles [SPD]: Sie ist aber bei den Jugendlichen gestiegen!)


Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen:
Es ist nicht das politische Ziel der Grünen, 18-Jährigen
aus Steuermitteln ihre erste eigene Bude zu finanzieren,
wenn dazu keine Notwendigkeit besteht. Das ist auch
nicht unser Ziel.

Aber die von Ihnen in dem Gesetzentwurf vorgesehe-
nen Korrekturen widersprechen jeder Vernunft. Denn
nach Ihren Vorstellungen müssen junge Menschen nicht
nur ihren Erstauszug genehmigen lassen; vielmehr müs-
sen sie in der Folge jeden Umzug genehmigen lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der SPD)


Stellen Sie sich einmal vor, ein junger Mensch aus
den neuen Bundesländern zieht nach Stuttgart, weil er
dort einen Arbeitsplatz gefunden hat. Wenn er diesen
wieder verliert und sich deshalb eine billigere Wohnung
suchen will, dann braucht er dafür wieder eine Genehmi-
gung. Dann hat der kommunale Träger erneut das Recht,
ihm die eigene Bedarfsgemeinschaft zu verweigern. Das
bedeutet eine Rückabwicklung zum Einchecken in das
Hotel Mama. Vielleicht hat das Hotel Mama aber in der
Zwischenzeit längst dichtgemacht, weil sich die Eltern
bereits auf die neue Situation eingestellt haben und eine
kleinere Wohnung genommen haben.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Reden Sie doch noch ein bisschen lauter!)


Das, was Sie hier machen, stärkt in keiner Weise die
Verantwortungsgemeinschaft. Sie überfordern die Fami-
lie als Solidargemeinschaft.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Das vertreibt die jungen Leute eher aus den Haushalten
der Eltern, also genau von dort, wo Sie sie halten wollen.
Das, was Sie hier anzetteln wollen, nenne ich eine Stu-
benhockerkampagne. Sie wollen eine Renaissance der
Heimschläfer einleiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)


Um Ihr Vorhaben sollte man ein großes Schild hängen,
auf dem steht: Ins Leben eintreten verboten; Eltern haf-
ten für ihre Kinder!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Uwe Küster [SPD]: Heute ist doch noch nicht Rosenmontag! Die Rede hätten Sie besser woanders üben sollen! – Weiterer Zuruf von der SPD: So ein Unsinn!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601831000

Frau Kollegin, kommen Sie allmählich zum Schluss.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601831100

Ich komme zum Schluss.

Herr Müntefering, das Versprechen, jungen Men-
schen umgehend einen Ausbildungs- oder einen Arbeits-
platz anzubieten, ist nicht eingelöst worden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist das Kernproblem; dieses sollten Sie lösen. Aber
Sie zetteln hier Scheindebatten an, die niemandem nut-
zen, auch nicht den Jugendlichen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601831200

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1601831300

Ich danke Ihnen.






(A) (C)



(B) (D)


Brigitte Pothmer

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Kein gescheites Wort!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601831400

Ich erteile das Wort der Kollegin Gitta Connemann,

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1601831500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Beim

Zuhören der Rede der Kollegin Pothmer – man konnte ja
nicht weghören –


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


fiel mir ein Satz unseres ehemaligen Bundeskanzlers
Konrad Adenauer ein, der einmal sagte: „Wir leben alle
unter demselben Himmel, aber wir haben nicht alle den-
selben Horizont.“


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Jedenfalls habe ich die Rede von Herrn Bundesminister
Müntefering vollkommen anders verstanden, Frau
Pothmer. Man kann aber auch mit dem Bonmot eines
Schriftstellers sagen, dass häufig diejenigen, die laut
schreien, heiser sind, wenn sie bekennen müssen. Ich
glaube, auch darum geht es heute.

Frau Pothmer, im Gegensatz zu Ihnen kann ich bestä-
tigen, was der Bundesminister gesagt hat. Ich lebe in ei-
nem ländlichen Raum. Bei uns waren bislang gemein-
same Haushalte die Regel. Aber im letzten Jahr ist auch
bei uns die Zahl der Singlehaushalte schlagartig explo-
diert. Es war, als hätte die ganze Welt auf einmal die
Freuden des Alleinlebens entdeckt. Das betraf vor allem
die Haushalte, die ALG II beziehen. Nicht nur im Land-
kreis Leer – aus diesem komme ich und dort habe ich
mich informiert; das hätte Ihnen sicherlich ebenfalls gut
angestanden –


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


stieg ihre Zahl um mehr als 40 Prozent. Vielmehr war
landauf, landab die Geschichte von der wundersamen
Vermehrung der Bedarfsgemeinschaften zu hören.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wohl wahr!)


Da waren nicht nur die nicht ehelichen Lebensgemein-
schaften, in denen zwar die Liebe nicht endete, die aber
seltsamerweise ihre gemeinsamen Haushalte auflösten.
Vielmehr gab es auch Jugendliche, die ihre Sachen pack-
ten, und zwar auf Kosten der Allgemeinheit. Das ist gut
so, Frau Kollegin, wenn es um die Eingliederung in den
Arbeitsmarkt geht. Das ist gut so, wenn das Familienle-
ben zu Hause unerträglich ist. In diesen Fällen ist der
Staat, ist die Allgemeinheit gefordert, den betroffenen
Jugendlichen zu helfen; denn sie sind dann hilfsbedürf-
tig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Das war bislang der Fall und das wird weiterhin so
sein. Auch zukünftig übernimmt die Allgemeinheit die
Kosten der Unterkunft, wenn ein Grund für einen Erst-
wohnungsbezug vorliegt. Aber zukünftig muss die Ar-
beitsgemeinschaft oder die optierende Kommune vorher
zustimmen. Die jungen Arbeitslosen, die bei den Eltern
wohnen bleiben, erhalten nur noch 80 Prozent der Regel-
leistung. Das ist leicht zu berechnen; denn die Kosten ei-
ner gemeinsamen Wohnung sind nun einmal nicht so
hoch wie die mehrerer Haushalte.

Die Gegner dieser Pläne hatten ihr Urteil schnell ge-
fällt. Wenn man im Internet chattet, dann stellt man fest,
dass dort die Rede vom Aushungern junger Hartz-IV-
Empfänger sowie von Jugendlichen zweiter Klasse ist.
Meine Damen und Herren von der Linken, das ist aus
meiner Sicht Pathos pur. Große Worte, aber ohne jede
Substanz!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Frau Pothmer, Sie hätten sich ebenso wie ich mir die
Mühe machen sollen, sich vor Ort zu informieren. In den
Ämtern hätten Sie gehört, dass es auch Mitnahmeeffekte
gibt. Beispielsweise kursieren an den Gymnasien in mei-
nem Landkreis inzwischen Formulare mit dem Titel
„Das Recht auf eine kostenfreie Bude“. Diese Formulare
werden bei den Ämtern vorgelegt. Sie hätten gehört,
dass der Abschluss von Mietverträgen in Familien auf
einmal Konjunktur hat. Da wird schon einmal die Einlie-
gerwohnung von den Eltern an die Kinder vermietet. Die
Versuche der Kommunen, auf die Unterhaltsverpflich-
tung der Eltern hinzuweisen, scheitern spätestens vor
Gericht. Es gilt die Überleitung: Der Staat soll doch ver-
suchen, sich die Miete bei den Eltern zu holen. Deshalb
wünschen sich zum Beispiel die Landkreise in meinem
Wahlkreis die beabsichtigte Gesetzesänderung, sorgt sie
doch auch für Klarheit bei den Sozialgerichten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Das Angebot zum Alleinwohnen auf Kosten der Steu-
erzahler findet reißenden Absatz, allerdings mit uner-
wünschten Nebeneffekten. Die Kosten explodieren.
Aber es geht um mehr als Geld. Es geht hier auch um die
Frage, was sich der Sozialstaat noch leisten kann und
soll.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Welche Gymnasiasten bekommen denn Arbeitslosengeld II, Frau Kollegin?)


Ist es die Aufgabe der Solidargemeinschaft, den Start
in ein eigenständiges Leben zu finanzieren? Werden
Volljährige, die bei ihren Eltern wohnen, zu Erwachse-
nen zweiter Klasse? Wohl kaum. Der staatlich finan-
zierte Auszug von zu Hause ist kein Menschen- oder
Bürgerrecht. Es geht hier übrigens auch um Fragen der
Gerechtigkeit. Ist es gerecht, wenn Jugendliche, die
nicht arbeiten, genauso viel erhalten wie Jugendliche in
der Ausbildung? Der ALG-II-Satz von 345 Euro liegt
über dem, was in vielen Ausbildungsberufen verdient
wird. Ein Bauzeichner in Ostfriesland bekommt im ers-
ten Lehrjahr 311,88 Euro, eine Floristin 321 Euro. Wer
ist denn jetzt der Jugendliche zweiter Klasse, meine






(A) (C)



(B) (D)


Gitta Connemann
Damen und Herren von der Linken? Keiner mehr als der
andere. Das Signal ist für beide verheerend, sowohl für
den jugendlichen Arbeitslosen als auch für den Auszu-
bildenden, nämlich dass sich Arbeit nicht mehr lohnt.

Ist es gerecht, dass die ursprünglich gedachte Unter-
stützung inzwischen zum Blankoscheck geworden ist,
der von den einen ausgegeben, aber von den anderen ge-
zahlt werden muss? Ich spreche hier von vielen Millio-
nen Normalverdienern. Ich selbst habe eine Lehre als
Einzelhandelsverkäuferin gemacht. Nach dem aktuellen
Tarifvertrag beträgt das Monatsgehalt einer Vollzeitver-
käuferin in Sachsen-Anhalt nach sieben Berufsjahren
1 987 Euro Brutto. Meine früheren Kolleginnen stehen
dafür bei Wind und Wetter auf und arbeiten. Ist es ge-
recht, dass die Eigenständigkeit junger Menschen staat-
lich finanziert wird und nicht mehr von der Familie?


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie würden gerne früher aufstehen und arbeiten gehen! Was ist das für eine Unterstellung?)


Hier geht es nicht um die Frage der Emanzipation
junger Menschen, sondern auch um die Frage der Entso-
lidarisierung von Familien.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wenn Sie meinen, Eltern könne man nicht zumuten, für
ihren 20-jährigen Sohn aufzukommen, dann haben Sie
aus meiner Sicht ein ganz merkwürdiges Verständnis
von einer solidarischen Gesellschaft.

Am Ende dieser Aktuellen Stunde bleibt für mich ein
schaler Beigeschmack.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es kommen noch ein paar Beiträge!)


Denn Ihre fragwürdige Fähigkeit – sowohl bei der Lin-
ken als auch leider bei der Kollegin von den Grünen –,
größte Worte zu machen, hilft allenfalls Ihnen bei Land-
tagswahlen, aber nicht den Betroffenen. Ich bitte Sie: Pa-
thos eignet sich nur für das Theater, aber nicht für das
Plenum.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601831600

Das Wort hat nun der Kollege Jörn Wunderlich, Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1601831700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich bin froh, dass ich nicht mehr in Ostfries-
land lebe, wo es so schlimm ist.

Zwangsfamilie. Wir alle in diesem Hohen Haus spre-
chen uns gegen Zwangsehen bzw. Zwangverheiratungen
aus und Sie wollen durch die Novellierung des Gesetzes
für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt durch
die Hintertür wieder Zwangsfamilien einführen. Sieht so
die Förderung von Familie aus?

(Beifall bei der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So ein Quatsch! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Wunderling!)


– Hören Sie mir einmal zu! Es wird noch besser.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Es kann nicht besser werden!)


Die Ausdehnung der Bedarfsgemeinschaft auf die un-
ter 25-Jährigen und die Einschränkungen beim Erst-
wohnbezug sind völlig überzogen. Das sagt übrigens
auch der DGB. Ich weiß nicht, wer von Ihnen bei der
Expertenanhörung war. Ich war dabei und habe sie mir
angehört. Es wird seitens der Regierung von ständigem
und massivem Missbrauch dieser Altersgruppe gespro-
chen und mit Zahlen herumgeworfen. Woher kommen
diese Zahlen? Diese Zahlen gibt es überhaupt nicht. In
der Expertenrunde ist gesagt worden, dass es keine be-
legbaren Zahlen gibt. Ich war bei den Arbeitsgemein-
schaften bei mir zu Hause im Kreis. Auch dort ist gesagt
worden: Wir haben keine Zahlen. – Es gibt keine Hin-
weise auf Missbrauch durch diese Altersgruppe. Das ist
erstunken und erlogen.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben als hehres Ziel benannt, junge Arbeitslose
unter 25 keine drei Monate in der Arbeitslosigkeit zu be-
lassen. Daran sollten Sie arbeiten; das ist das Ziel. Sie
sollten die Betroffenen aber nicht weiter schröpfen und
bluten lassen.

Von der Schaffung von Arbeitsplätzen wird hier über-
haupt nicht mehr gesprochen. Es geht doch nur um die
Verwaltung von Arbeitslosen bei gleichzeitiger Kosten-
dämpfung. Bestes Beispiel ist die Senkung der Bemes-
sungsgrundlage für die Beitragsberechnung der Renten
von ALG-II-Empfängern. Wenn seitens der CDU festge-
stellt wird – ich zitiere –, „dass die Kosten so explodiert
sind, dass gehandelt werden muss“, dann ist es endlich
an der Zeit, zuzugeben, dass die Berechnungen zur
Hartz-Gesetzgebung verfehlt waren. Aber diese Größe
fehlt der Koalition.

Wie gehabt, sollen diese Fehler auf dem Rücken der
Betroffenen ausgeglichen werden, und das durch weitere
Eingriffe in Bürgerrechte.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Welches Bürgerrecht?)


Das heißt, es kommt wieder zu Leistungsbeschneidun-
gen, Verdrängungseffekten und Repressionen. Aber was
kümmert das unseren Arbeitsminister?

In diesem Zusammenhang möchte ich einmal an das
Godesberger Programm erinnern, in welchem es unter
anderem heißt – ich zitiere –:

Die Sozialisten erstreben eine Gesellschaft, in der
jeder Mensch seine Persönlichkeit in Freiheit ent-
falten und als dienendes Glied der Gemeinschaft
verantwortlich am politischen, wirtschaftlichen und
kulturellen Leben der Menschheit mitwirken kann.


(Rolf Stöckel [SPD]: Richtig! Da steht nichts über Transferleistungen!)







(A) (C)



(B) (D)


Jörn Wunderlich
Noch im Berliner Programm von 1989 heißt es:

Die Sozialdemokratie führt die Tradition der demo-
kratischen Volksbewegungen des neunzehnten
Jahrhunderts fort und will daher beides: Demokra-
tie und Sozialismus,

– hört! –

Selbstbestimmung der Menschen in Politik und Ar-
beitswelt.


(Beifall bei der LINKEN – Rolf Stöckel [SPD]: Ja, keine Diktatur der Arbeit! Demokratie und Arbeit!)


Zurück zum SGB II. Aus meiner Sicht will die Koali-
tion das SGB II nur aus fiskalpolitischen Erwägungen
ändern. Lebenslagen von Betroffenen werden überhaupt
nicht berücksichtigt.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)


Hier wird doch wieder nach dem Motto verfahren: Rech-
net sich das überhaupt? Eine solche Politik ist weder kin-
der- noch familienfreundlich; sie kann es nicht sein. Das
habe ich bereits Anfang Dezember in diesem Hause an
diesem Pult gesagt und dazu stehe ich noch immer.


(Gerd Andres [SPD]: Donnerwetter!)


Dass es auch andere Stimmen dazu gibt, vornehmlich
die der Arbeitgeberverbände, wundert mich gar nicht.
Vorrangig scheinen sie von dieser Änderung keine Vor-
teile zu haben. Denkt man aber einmal weiter und ver-
liert man die Gesamtzusammenhänge nicht aus den Au-
gen, stellt man schnell fest, dass sich alles zu einem
bestimmten Bild zusammenfügt: Wenn junge Menschen
ohne Chance auf einen sozialversicherungspflichtigen
Arbeitsplatz finanziell so weit drangsaliert werden, dass
sie auch bereit sind, im Niedriglohnsektor zu arbeiten,
dann entlastet dies letztlich die Statistik der BA.


(Gerd Andres [SPD]: Aha, jetzt haben Sie es erkannt!)


Und: Die Arbeitgeber stehen nicht mehr so sehr unter
dem Erfolgsdruck – Sie waren dabei, als all diese Pro-
gramme aufgelegt wurden –, ihrem nicht eingelösten
Versprechen aus dem Bündnis für Arbeit nachzukom-
men, die Arbeitslosenzahlen zu senken. Im Gegenteil:
Die Arbeitgeber werden in die Lage versetzt, die Löhne
noch weiter zu drücken.

In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage – ich
warte wirklich auf eine Antwort –: Wann kommt endlich
der Vorschlag der Regierung, die Senioren ab 65 oder
demnächst ab 67 wieder in die Haushalte der Kinder zu
integrieren, natürlich unter Anrechnung der Einkommen
der Familie auf die Rente?


(Beifall bei der LINKEN)


Das spart Renten und Wohnkosten, schafft gegebenen-
falls auch kostenlose Kinderbetreuung.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das sind aber lange fünf Minuten!)

Das Modell des Mehrgenerationenhauses hat sich dann
automatisch erledigt.

Der Kollege Dobrindt hat hier am 10. Februar erklärt
– Zitat –, „dass junge Menschen mehr Freiheit und
Selbstbestimmung brauchen“.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Da hat er Recht!)


– Da hat er Recht –. Das ist hoffentlich nicht so zu ver-
stehen, dass junge Menschen ab 18 wählen dürfen oder
als Soldaten ins Ausland geschickt werden können.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Es lebe der Sozialstaat!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601831800

Ich erteile das Wort der Kollegin Angelika Krüger-

Leißner, SPD-Fraktion.


Angelika Krüger-Leißner (SPD):
Rede ID: ID1601831900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich muss daran erinnern, dass wir die Frage,
wie wir Jugendliche unter 25 künftig fördern werden, in
ein Paket der Änderungen an Hartz IV eingebettet ha-
ben. Manche vergessen das. Ich bin froh, dass der Minis-
ter zu Beginn seiner Rede gesagt hat: Es ist ein sehr po-
sitives Gesetz – das hat überhaupt nichts mit Kürzungen
zu tun –, zum Beispiel für die Menschen in Ostdeutsch-
land. Die jetzt vollzogene Angleichung des Arbeitslo-
sengeldes in Ost und West ist ein Gewinn, auch für die
jungen Leute.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Da frage ich mich: Wie können hier einige allein von
Kürzungen reden?

Die Frage der Förderung junger Menschen ist ein zen-
traler Punkt der Sozialreform. Gerade durch die Zusam-
menlegung des Fürsorgesystems haben wir für alle Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auch für die jungen
Leute, bessere Chancen erreicht, auf den Arbeitsmarkt
zu kommen. Wir haben die Grundsicherung eingeführt.
Alles das dürfen wir nicht vergessen. Wir sind im
14. Monat der Umsetzung eines sehr weit reichenden
Gesetzes, das vielleicht sogar ein Jahrzehnt braucht, um
seine volle Wirkung zu entfalten. Wir stecken noch in
den Kinderschuhen. Es hat sich gezeigt, dass es Fehlent-
wicklungen gibt und dass wir gewünschte Effekte nicht
erreichen können. Also ist es doch nur richtig, wenn wir
rechtzeitig darangehen, das zu ändern.

Ich will auch noch einmal an Folgendes erinnern: Wir
haben schon im Herbst darüber diskutiert. Das ist über-
haupt kein neues Thema.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ja und?)







(A) (C)



(B) (D)


Angelika Krüger-Leißner
Dieses Thema war in den Kommunen gegenwärtig.
Wenn Sie in eine Arge oder in eine Optionskommune
gegangen sind, haben Sie gehört, welche Veränderungen
sich da ergeben haben und dass die Kosten enorm gestie-
gen sind.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Welche Fehlsteuerungen da sind!)


– Ja.

Aus diesem Grunde sind wir an die Analyse gegan-
gen, haben diesen Änderungsvorschlag eingebracht und
handeln auch. Wir korrigieren die Fehlentwicklung,
ohne dabei Härten zu schaffen.

Was die bisherige Regelung für junge Erwachsene un-
ter 25 Jahre angeht, so haben wir eine Situation geschaf-
fen, die in hohem Maße Mitnahmeeffekte zur Folge hat
– meine Vorrednerin aus der Union hat dazu gesprochen –,
übrigens in Ost und West; hierbei gibt es keine Unter-
schiede.

Falsch ist meiner Meinung nach, von Missbrauch zu
reden. Das tun wir auch überhaupt nicht.


(Widerspruch der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE])


Das war ganz legal. Die Regelungen sind von den jun-
gen Leuten genutzt worden. Aber das Nutzen der Mög-
lichkeiten des SGB II hat hohe Kosten für die Allge-
meinheit mit sich gebracht. Die Gelder dafür sollten aus
meiner Sicht für andere Dinge zur Verfügung stehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Für mich ist es wichtiger, dass wir Ausbildung und
Integration in den Arbeitsmarkt fördern. Das ist die
Hauptaufgabe. Ich habe die Sorge, dass wir dieses Ziel
nicht erreichen, wenn wir die vorgesehene Änderung
nicht vornehmen. Wir sind auf dem Weg, das Ziel zu er-
reichen, innerhalb von drei Monaten Jugendlichen ein
Angebot zu machen und sie in den Arbeitsmarkt zu inte-
grieren. Aber wir haben es noch nicht erreicht. Mit der
Umsteuerung sind wir auf einem besseren Weg.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Was die Förderung junger Menschen betrifft, müssen
wir wie in jedem anderen Politikbereich ganz selbstver-
ständlich sagen: Wir müssen Prioritäten setzen. Wir kön-
nen zwar alles wünschen – wir haben hier auch die
Wunschpartei –, aber wir können nicht alles leisten. Ich
möchte, dass wir denjenigen helfen, die Hilfe brauchen,
die bedürftig sind.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Sie sollen unsere Unterstützung bekommen. Das ge-
währleistet die vorgesehene Regelung.

Dass der Schritt notwendig ist, zeigt der Blick auf die
Zahlen. Wir können hier nicht von Einzelfällen spre-
chen. Wir haben festgestellt, dass 58 Prozent der Be-
darfsgemeinschaften Einpersonenhaushalte sind. Der
Anstieg der Zahl dieser Haushalte ist wesentlich gravie-
render als der der Zahl der Mehrpersonenhaushalte. Das
lässt die Kosten natürlich explodieren. Wenn wir da
nicht eingreifen, setzen wir weiterhin Geld ineffektiv ein
und werden dieser Entwicklung nicht Einhalt gebieten
können.

Den Kritikern der vorgesehenen Regelung kann ich
nur sagen: Gehen Sie vor Ort!


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Richtig! Genau!)


Gehen Sie in die Verwaltungen, in die Optionskommu-
nen, in die Argen! Wenn Sie mit den Leuten dort reden,
werden Sie von denen die Erwartung hören, dass wir ge-
gensteuern. Sie wollen das. Auch die öffentliche Debatte
läuft so. Die Menschen verstehen Ihr Anliegen über-
haupt nicht. Wahrscheinlich sind Sie so weit weg von
der Lebenswirklichkeit, dass Sie das nicht mehr wahr-
nehmen können.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich glaube auch, dass wir den Mitarbeitern vor Ort
vertrauen können. Sie haben bisher sehr sachgerecht ent-
schieden. Sie haben Erfahrungen im Umgang mit dem
Sozialrecht. Ich glaube, dass wir mit der Regelung, die
wir vorsehen, um Härtefälle auszuschließen, also mit der
Stichtagsregelung, in der Zukunft vernünftig umgehen
können. Klar ist: Es wird keine Zwangsräumung geben.
Es wird keinen Zwangsumzug geben. Die jungen Leute,
die einen eigenen Hausstand gegründet haben, werden
ihn auch behalten können. Bei künftigen Härtefällen
wird es wie in jedem anderen Sozialfall zu einer Einzel-
fallentscheidung kommen. Es wird nach wie vor junge
Leute geben, die aufgrund einer solchen Entscheidung
einen eigenen Hausstand gründen, in eine eigene Woh-
nung umziehen und 100 Prozent des Regelsatzes erhal-
ten.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601832000

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.


Angelika Krüger-Leißner (SPD):
Rede ID: ID1601832100

Ja. – Und das gilt einheitlich in Ost und West. Das

wollte ich zum Schluss nur noch einmal sagen. Das ist
nämlich eigentlich der wichtigste Punkt in unserem Ge-
setz.

Ich denke, wenn wir zukünftig jungen Menschen
echte Chancen geben wollen – darauf sollten wir uns
konzentrieren –, dann müssen wir effektiver in Ausbil-
dungsmöglichkeiten und Maßnahmen zur Integration in
den Arbeitsmarkt investieren. Das ist zukunftsorientiert.

Danke.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601832200

Das Wort hat nun der Kollege Karl Schiewerling,

CDU/CSU-Fraktion.






(A) (C)



(B) (D)


Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1601832300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die

Leistungen des SGB II sind eine Grundsicherung, nicht
mehr und nicht weniger. Sie wollen Menschen fördern
und fordern, nicht mehr und nicht weniger. Davon sind
auch junge Menschen betroffen. Wir gehen davon aus,
dass an diejenigen Kinder, die bereits vor Vollendung
des 18. Lebensjahres im Haushalt ihrer Eltern gelebt ha-
ben, nicht plötzlich mit Vollendung des 18. Lebensjahres
höhere Ansprüche von ihren Eltern gestellt werden, in-
dem sie an den Generalkosten des Haushaltes, beispiels-
weise für Miete, Versicherung und Haushaltsgeräte, be-
teiligt werden. Deswegen wollen wir ihre Ansprüche auf
80 Prozent der Regelleistungen reduzieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, man darf – das ist vorhin
schon angeklungen – den Regelsatz nicht isoliert be-
trachten, sondern muss die Gesamtheit der Hilfen sehen,
die der Staat jungen Menschen gewährt. Dazu zählen
zum Beispiel Integrationshilfen wie berufsvorbereitende
Bildung, Möglichkeiten zum Erwerb von Einstiegsquali-
fikationen usw. Wir wollen, dass junge Menschen in
Ausbildung und dann in Arbeit kommen. Dass die Ein-
gliederungsmaßnahmen fruchten, belegt übrigens auch
die Zahl arbeitsloser jungen Menschen. Diese ist näm-
lich gesunken. Nachdem der statistische Sondereffekt
durch Hartz IV ihre Zahl in den ersten Monaten des letz-
ten Jahres noch um etwa 74 000 hat ansteigen lassen, er-
leben wir nun durch bessere Betreuung und verstärkten
Einsatz von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen einen
Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit. Damit bekommen
mehr junge Menschen eine Perspektive.

Was ist denn im Übrigen daran so schlimm, wenn
junge Menschen bis zu ihrem 25. Lebensjahr bei ihren
Eltern leben, vor allem dann, wenn der unter 25-Jährige
nicht für sich selbst sorgen kann? Gerade dann muss die
Familie einspringen. Die Familie muss sich ihrer sozia-
len Verantwortung für sich selbst und für die eigenen Fa-
milienmitglieder bewusst sein. Dieser selbstverständli-
che Grundsatz muss in der Praxis auch gelebt werden. Es
gilt: Erst die Familie und dann der Staat.

Allerdings haben Familien dann, wenn sie ihre Auf-
gaben nicht alleine bewältigen können, ein Anrecht auf
Unterstützung.


(Zuruf von der SPD: So ist es!)


Das geschieht auch auf Basis der Regelungen im SGB II.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir kommen nicht weiter, wenn bei jedem Konflikt nach
dem Staat gerufen wird. Konflikte zwischen Eltern und
jungen Erwachsenen sind das Normalste der Welt. Ich
kenne keine Familie, in der es keine Reibereien und
Auseinandersetzungen gibt und in der sich die Heran-
wachsenden nicht auf diesem Weg profilieren. Es gehört
nun einmal zu einem Miteinander, dass der Sohnemann
die Musik des Vaters ertragen muss und im Gegenzug
die Eltern die neueste CD von 50 Cent oder von Eminem
– oder wie sie auch immer heißen – schon einmal in vol-
ler Lautstärke ertragen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Stimmung! Mal ein bisschen vorsingen!)


– Als Familienvater ist man ja nicht ganz aus der Welt. –
Das ist noch lange kein Grund, eine eigene Bedarfsge-
meinschaft zu beantragen. Es kann nicht sein, dass junge
Menschen bei den Leistungsträgern erscheinen und den
Anspruch auf eine eigene Wohnung geltend machen, nur
weil seit ein paar Tagen dicke Luft im Elternhaus
herrscht. Der Automatismus dieses Anspruchsdenkens
muss gestoppt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir wissen, dass es im SGB II Ausnahmen von die-
sem Grundsatz geben muss. Diese haben wir ausdrück-
lich im § 22 Abs. 2 a so geregelt. Wir verschließen ja
nicht die Aufgaben vor außergewöhnlichen Konfliktla-
gen in Familien. Wenn junge Erwachsene aus Schutz-
gründen aus dem Elternhaus heraus müssen, sei es
wegen häuslicher Gewalt, Missbrauch oder Drogenab-
hängigkeit, dann kommt der Staat auch weiterhin seiner
Fürsorgepflicht nach.

Wir haben im Gesetzentwurf die Entscheidung über
den Auszug von unter 25-Jährigen, die in einer Bedarfs-
gemeinschaft mit ihren Eltern nach SGB II leben, den
kommunalen Stellen und Arbeitsgemeinschaften zuge-
wiesen. Dabei werden die Jugendämter einbezogen.
Diese werden im Rahmen der Gesetze die Rechte der
jungen Menschen schützen.

Natürlich wollen wir, dass junge Menschen mobil
sind. Wer in Kiel mit seinen Eltern in einer Bedarfsge-
meinschaft wohnt und einen Ausbildungsplatz in Kon-
stanz bekommt, der wird unterstützt; das steht doch
überhaupt nicht infrage.

Ich halte es für notwendig, einen ganz wesentlichen
Punkt in den Blick zu nehmen, nämlich die Frage: Hat
sich eigentlich etwas verschlechtert? Wir haben im
SGB XII die Regelung, dass diejenigen, die mit ihren El-
tern zusammenleben und einen Anspruch auf Sozialhilfe
haben, einen Satz von etwa 238 Euro bekommen. Der
abgesenkte Satz im SGB II beträgt 276 Euro. Das sind,
wenn ich das richtig sehe, knapp 40 Euro mehr als das,
was das SGB XII an Sozialhilfe vorsieht. Ich kann da
keine Verschlechterung erkennen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich bitte Sie sehr herzlich, den Blick auch darauf zu
richten, wer das bezahlen muss. Hier sind eindeutige und
gute Beispiele genannt worden. Wir müssen daran den-
ken, dass die Erzieherin und die Krankenschwester ge-
nauso wie der Arzt und alle anderen, die im Erwerbsle-
ben stehen, über Steuern die Beiträge finanzieren
müssen, die wir als Transferleistungen an andere weiter-
geben.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(B) (D)


Karl Richard Schiewerling
Ich halte es für notwendig, das in den Blick zu nehmen
und dafür zu sorgen, dass auch in dieser Hinsicht soziale
Gerechtigkeit herrscht.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601832400

Ich erteile das Wort dem Kollegen Gregor Amann,

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Gregor Amann (SPD):
Rede ID: ID1601832500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kollegen von der Linkspartei, Sie zeich-
nen ein Zerrbild der Realität. Wir Sozialdemokraten
– und ich vermute, dass ich hier auch für unseren Koali-
tionspartner sprechen kann – wollen, dass alle volljähri-
gen Menschen frei entscheiden können, ob sie bei ihren
Eltern wohnen bleiben oder in eine eigene Wohnung zie-
hen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)


Aber die Voraussetzung für eine eigene Wohnung ist
doch, dass man über ein ausreichendes Einkommen ver-
fügt, um sich diese leisten zu können.


(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)


Deswegen muss unser oberstes Ziel sein, allen Men-
schen dieses Einkommen zu verschaffen, und zwar in-
dem wir Arbeitslosigkeit, speziell Jugendarbeitslosig-
keit, abbauen. Das muss für uns Priorität haben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Diese Koalition tut auch einiges dafür. In der Aktuel-
len Stunde bleibt mir nicht die Zeit, Ihnen das Investi-
tionsprogramm, das wir in Genshagen beschlossen haben
und über das 25 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt
werden, im Einzelnen vorzustellen. Sie können im Koa-
litionsvertrag nachlesen, welche Maßnahmen wir für die
nächsten Monate zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit
vorgesehen haben. Unser Ziel ist es – der Herr Bundes-
minister hat bereits darauf hingewiesen –, dass kein jun-
ger Erwachsener länger als drei Monate ohne Arbeit
oder Ausbildung bleibt. Das ist das Ziel unserer Arbeits-
marktreformen – nicht Gängelei, wie Sie unterstellen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn uns dies gelingt, ist jedem eine freie Entscheidung
möglich, wo und wie er wohnt. Deshalb sollten wir alle
Kräfte und Ressourcen darauf konzentrieren.

Ein verantwortungsvoller Umgang mit Steuergeldern
bedeutet nicht die Garantie einer eigenen Wohnung ab
dem 18. Geburtstag. Ich glaube, hier hat Ihnen die Droge
des Populismus die Sinne vernebelt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sie wollen die Menschen glauben machen, dass man je-
den Euro zweimal ausgeben kann und anschließend noch
ein drittes Mal.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dem Versuch ist die SPD noch nie erlegen!)


Mit dieser Mathematik kann man Volkswirtschaften in
den Ruin treiben; aber es lässt sich keine verantwor-
tungsvolle Arbeitsmarktpolitik machen. Unser Ziel ist
es, Menschen aus der Sackgasse von Sozialhilfe und Ar-
beitslosigkeit herauszuführen, damit jeder selbstbe-
stimmt leben kann. Das ist nicht nur richtig, sondern
auch sozial gerecht. Das ist vor allem wichtiger, als an
den Symptomen des Einkommensmangels herumzudok-
tern.

Ich glaube, es ist zumutbar, wenn junge Erwachsene
ohne eigenes Einkommen, die bis zum 18. Geburtstag
bei ihren Eltern gelebt haben, vorübergehend weiterhin
dort wohnen müssen, wenn wir alles dafür tun, dass sie
so schnell wie möglich in Brot und Arbeit kommen. Das
ist das Ziel unserer Politik.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601832600

Jetzt hat der Kollege Peter Weiß, CDU/CSU-Fraktion,

das Wort.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1601832700

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Ich finde es geradezu unglaublich, wie Linke und
Grüne gemeinsam hier verkehrte Welt spielen und den
Sozialstaat schlichtweg auf den Kopf stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Das erzählen Sie mal den Betroffenen!)


Fakt ist: In Deutschland kann jeder junge Mensch, der
volljährig ist, von zu Hause ausziehen, eine eigene Woh-
nung beziehen und einen eigenen Hausstand gründen.
Bis zum Jahre 2005 wäre keiner der vielen Jugendlichen,
die dies mit Recht gemacht haben, auf die Idee gekom-
men, dass ihm der Staat die Wohnung finanzieren müsse.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Genau!)


Selbst in der alten DDR, der Sie von der PDS so sehr
hinterhertrauern, wäre kein Jugendlicher auf die Idee ge-
kommen, dass ihm der Staat die Wohnung bezahlen
müsse, wenn er von zu Hause auszieht.


(Zuruf von der LINKEN: Es gab ja auch keine Wohnungen dafür, mein Guter! – Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


– Gott sei Dank sprechen Sie es auch noch wahrheitsge-
mäß aus.


(Zuruf von der FDP: So kann man das Problem auch lösen!)


Weil das mit der Finanzierung der eigenen Wohnung
so eine Sache ist, bleiben viele Jugendliche auch nach
ihrem 18. Geburtstag zu Hause wohnen: viele Tausende
Auszubildende, Studenten und junge Berufstätige, die
sich noch keine eigene Wohnung leisten können. Jetzt
frage ich: Warum soll ausgerechnet der arbeitslose Ju-
gendliche im Gegensatz zu den vielen anderen Tausend






(A) (C)



(B) (D)


Peter Weiß (Emmendingen)

Jugendlichen nach Ihrer Auffassung einen Rechtsan-
spruch darauf haben, dass ihm der Staat eine Wohnung
kostenlos zur Verfügung stellt? Wer die Dinge so ver-
dreht, der handelt nicht solidarisch, sondern entsolidari-
siert diese Gesellschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Man muss einmal daran erinnern: Die Leistungen
nach dem Sozialgesetzbuch II werden aus Steuermitteln
finanziert. Diese Steuern müssen die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer von ihrem sauer verdienten Lohn an
den Staat abzweigen. Deshalb sind wir Abgeordnete auf-
gerufen, mit diesen Geldern sorgsamst umzugehen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Warum lasst ihr das dann weiterlaufen?)


Ich muss auch prinzipiell daran erinnern: Sozialstaat
bedeutet, dass wir mit staatlichen Mitteln dem helfen,
der sich nicht selber helfen kann, aber nicht dem, der das
Geld gar nicht braucht.


(Beifall des Abg. Rolf Stöckel [SPD])


Deswegen besagt die gesetzliche Regelung, die wir ha-
ben und mit diesem Gesetz fortschreiben: Wenn ein jun-
ger Mensch, der bislang arbeitslos ist, einen Job oder
eine Ausbildungsstelle findet oder wenn es, wie es im
Gesetz heißt, „zur Eingliederung in die Arbeitswelt“ not-
wendig ist, dann zahlt ihm der Staat die Wohnung. Wenn
der junge Mensch – auch das steht im Gesetz – „aus
schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Woh-
nung der Eltern ... verwiesen werden kann“, dann zahlt
der Staat ihm die Wohnung. Ich finde, das ist ein großzü-
giges Angebot. Aber da, wo gar keine Notwendigkeit für
einen Auszug von zu Hause besteht, da kann es keinen
Hilfeanspruch an den Staat geben.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Es ist gefragt worden, warum wir das Gesetz über-
haupt ändern. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich
weiß nicht, mit welcher Aufmerksamkeit Sie das, was
bei Ihnen im Wahlkreis passiert, verfolgen. Die Städte
und Landkreise, die für die Finanzierung der Wohnungs-
kosten von ALG-II-Empfängern zuständig sind, haben
sich geradezu mit einem Hilferuf an uns, den Bundesge-
setzgeber, gewandt,


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es! – Zuruf von der SPD: Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen!)


endlich zu handeln.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Warum handelt ihr nicht konsequent? Ihr lasst es doch einfach weiterlaufen! Nur für die Zukunft ändert ihr!)


Sie mussten nämlich im vergangenen Jahr feststellen,
dass junge Leute, die früher nie auf die Idee gekommen
wären, von zu Hause auszuziehen, nur deswegen scha-
renweise ausziehen, weil sie mit dem Verweis auf das
SGB II die Finanzierung ihrer Wohnung vom Staat ver-
langen können.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Genau! – Zuruf von der LINKEN: Das ist gelogen!)


Man muss in diesem Zusammenhang an Folgendes
erinnern: Das Sozialgesetzbuch II wurde gemacht, damit
Langzeitarbeitslose eine Grundsicherung fürs Leben und
eine Chance auf Wiedereingliederung ins Arbeitsleben
erhalten. Es wurde aber nicht gemacht, um eine Aus-
zugswelle noch nicht verdienender Jugendlicher auszu-
lösen. Deshalb ist es dringend geboten, durch eine
Gesetzesänderung das eigentliche sozial- und arbeits-
marktpolitische Ziel des Sozialgesetzbuches II wieder-
herzustellen


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber richtig!)


und dafür zur sorgen, dass das Geld nicht für andere
Dinge ausgegeben wird.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Warum macht ihr es nur halbherzig? Sagen Sie mal dazu etwas!)


Meine Damen und Herren von der Linken, der PDS,


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: SED geht auch!)


und von den Grünen, wer so argumentiert wie Sie heute
Nachmittag, betreibt nichts anderes als linkspopulisti-
sche Stimmungsmache.


(Zuruf von der LINKEN: Das ist ja eine richtige Pointe!)


Er redet nicht vom Sozialstaat. In Wahrheit führen Ihre
Argumente dazu, dass Sie sich zum Totengräber des
Sozialstaates machen. Dies wollen wir mit einer Geset-
zesänderung verhindern.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601832800

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Wolfgang

Grotthaus, SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU])



Wolfgang Grotthaus (SPD):
Rede ID: ID1601832900

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Ich möchte der PDS bzw. den Linken bestäti-
gen: Ja, mit dem geplanten Gesetz wird der bisherige
Besitzstand eingeschränkt. Besser gesagt: Es wird eine
Rückführung einer nicht gewollten Entwicklung stattfin-
den.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)


Diese nicht gewollte Entwicklung ist schon von einigen
Kolleginnen und Kollegen dargestellt worden.

Ich bin doch erstaunt darüber, dass Sie von Basisnähe
sprechen. Sie scheinen nicht in den Arbeitsgemeinschaf-






(A) (C)



(B) (D)


Wolfgang Grotthaus
ten vor Ort, in den Arbeitsagenturen, den Jobcentern
oder wo auch immer gewesen zu sein. Informieren Sie
sich! Dann werden Sie von dort zu hören bekommen,
dass die Zahl der Bedarfsgemeinschaften explosionsartig
gestiegen ist. Wir haben das Empfinden, dass Sie bei
diesem Beispiel den Sozialstaat retten wollen. Er wird
hier bestimmt nicht zu retten sein. Wir sehen vielmehr
die Notwendigkeit, dass dieser Gesetzentwurf tatsäch-
lich zu einem Gesetz wird.

Wie war die Situation bisher? Unabhängig davon, ob
junge Menschen unter 25 Jahre zu Hause oder in einem
eigenen Haushalt wohnten, bekamen sie 100 Prozent der
Regelleistung nach Hartz IV. Dies hatte zur Folge, dass
eine beträchtliche Anzahl junger Leute aus dem Eltern-
haus auszog und einen eigenen Hausstand gründete und
dass vom Staat die Ersteinrichtung der Wohnung, die
Miete und die Hilfe zum Lebensunterhalt finanziert wur-
den, und dies – ich sage das bewusst – unabhängig vom
finanziellen Status der Eltern. Tatsächlich ist es – das
will ich noch einmal betonen – zu einer explosionsarti-
gen Vermehrung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften
gekommen. Ich habe das Empfinden, dass Sie nach dem
Motto handeln: Was nicht sein darf, kann nicht sein.
Aber die Zahlen sprechen für sich.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Die Zahlen möchte ich sehen!)


– Machen Sie sich in Ihrem Wahlkreis sachverständig!


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Habe ich! Da ist aber genau das Gegenteil herausgekommen!)


Dann könnten wir die Zahlen einmal miteinander ver-
gleichen.

Wie gesagt, man kann der Auffassung sein, dass der
Staat diese Kosten zur Selbstverwirklichung junger
Menschen zu tragen hat. Wir sind aber nicht dieser Auf-
fassung. Die persönlichen Lebenswünsche sind nicht
vom Steuerzahler zu bezahlen. Der Steuerzahler hat viel-
mehr nur dann einzugreifen, wenn tatsächlich Not be-
steht, wenn Hilfe notwendig ist und die Gesellschaft in
dieser Situation auch helfen kann. Denn alle Mittel, die
bisher in diesem Zusammenhang aufzubringen waren,
sind Steuergelder. Das muss man auch denjenigen Men-
schen gegenüber vertreten, die einen Job haben, einen
Beruf ausüben, teilweise nur mit 800 Euro nach Hause
kommen und sich dann wundern. An anderer Stelle aber
werden mit der Finanzierung der Miete, der Ersteinrich-
tung der Wohnung und dem ALG-II-Geld Leistungen er-
bracht, die fast so hoch sind wie der Verdienst einer Ver-
käuferin. Ob das sozial gerecht ist, darüber sollten Sie
aus meiner Sicht einmal nachdenken.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


In diesem Fall ist meines Erachtens die Familie gefor-
dert, wenn es möglich ist. Ich bin sehr erstaunt darüber,
wie man mit dem Begriff „Solidarität“ umgeht und die
Familie dabei ausklammert.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Wohl wahr!)

Die erste Form der Solidargemeinschaft ist die Familie.


(Zurufe von der CDU/CSU: Richtig!)


Es geht insgesamt um Hilfeleistungen für Personen, die
nicht aus eigener Kraft in der Lage sind, ihren Unterhalt
zu erwirtschaften. Ich sage noch einmal: Da ist Solidari-
tät gefragt, und zwar Solidarität von allen: vom Staat
dort, wo die Familie aus unterschiedlichen Gründen
nicht helfen kann, und von der Familie dann, wenn Hilfe
tatsächlich möglich ist.

Aus diesem Grund schränken wir das Recht des Erst-
bezugs einer Wohnung für junge Menschen unter 25 ein.
Dies bedeutet, Frau Kollegin Pothmer: Unter 25-Jährige,
die bis zum Stichtag 17. Februar aus dem Elternhaus
ausgezogen sind, werden nicht gezwungen, in das El-
ternhaus zurückzukehren. Ich bin sehr erstaunt darüber,
Frau Kollegin Pothmer, dass Sie heute im Ausschuss
drei- bis viermal nachgefragt haben,


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, weil der Text nicht eindeutig ist!)


der Staatssekretär Ihnen das drei- bis viermal dargestellt
hat und Sie hier wiederum eine verkehrte Behauptung
aufstellen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es wird keiner gezwungen, auszuziehen. Sie sollten den
Text noch einmal lesen. Wir erläutern ihn Ihnen auch im
Detail.

Zu den Ausnahmeregelungen ist schon Stellung bezo-
gen worden. Festzuhalten bleibt, dass dieses Gesetz
nicht unsozial ist. Es sichert den Besitzstand derjenigen,
die schon einen eigenen Hausstand gegründet haben,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Warum eigentlich?)


und gewährt weiterhin denjenigen Hilfe, die hilfsbedürf-
tig sind. In diesem Fall besteht aber die Notwendigkeit
– das ist auch gut und richtig so –, die Zustimmung der
kommunalen Träger einzuholen.

Ich darf festhalten: Bei Hartz IV geht es um die Inte-
gration von jungen Menschen in den Beruf und nicht um
die Alimentierung von Wünschenswertem außerhalb des
Berufes.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601833000

Als letzter Redner in der Aktuellen Stunde hat nun

das Wort der Kollege Rolf Stöckel, SPD-Fraktion.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es ist schon alles gesagt, aber nicht vom Kollegen Stöckel!)



Rolf Stöckel (SPD):
Rede ID: ID1601833100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In der Tat sind viele Argumente genannt worden. Des-
wegen möchte ich mich darauf besinnen, was eigentlich
der wesentliche Beitrag der Zusammenlegung von Ar-
beitslosenhilfe und Sozialhilfe im SGB II für jugendli-
che Arbeitslose war. Noch vor 13 Monaten galt für einen






(A) (C)



(B) (D)


Rolf Stöckel

jugendlichen Arbeitslosen, der nach der Schule – auch
ohne Schulabschluss – arbeitslos war und nach dem
SGB III keine Ansprüche hatte, dass er weder einen An-
spruch auf eine erhöhte Leistung hatte, wenn ein Auszug
nicht finanzierbar war, noch einen Anspruch auf Ver-
mittlung oder Qualifizierung. Die Programme, die es
gab, basierten mehr oder weniger auf Freiwilligkeit.
Hunderttausende Jugendliche erhalten nun durch das
SGB II Leistungs- und Vermittlungsansprüche. Die Tat-
sache, dass Jugendliche unter 25 Jahren nach drei Mona-
ten – wenn die Umsetzung des Gesetzes vor Ort rund
läuft – einen Rechtsanspruch auf Qualifizierung, das
Nachholen eines Schulabschlusses, eine Berufsausbil-
dung oder eine Beschäftigung haben, kann als Fortschritt
für die Jugendlichen bezeichnet werden.

Sie diskutieren hier über die Höhe von Transferleis-
tungen, darüber, ob es einen individuellen, staatlich ga-
rantierten Rechtsanspruch auf Armutsvermeidung gibt.
Ich finde, da wird in der Tat ein unterschiedliches Ver-
ständnis von Sozialstaat, aber auch von Solidarität bei

aber bekommen. Andererseits wollen Sie den Sozialstaat
lange leben lassen. Das ist ein Widerspruch in sich, liebe
Kolleginnen und Kollegen,


(Zuruf von der LINKEN: Das ist doch kein Widerspruch!)


und hat mit linker Politik wirklich nichts zu tun. Das hat
weder etwas mit der Kenntnisnahme der Realität zu tun
noch mit der Emanzipation und der Förderung der freien
Entfaltung von Jugendlichen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hat sich doch gelohnt, zuzuhören, Herr Kollege!)


Dies geschieht nämlich durch eine ordentliche Förde-
rung im Elementarbereich, durch eine umfassende Bil-
dung an weiterführenden Schulen, durch Berufsausbil-
dung oder durch ein Studium. Dies ist wesentlich, nicht
die Frage, ob jemand 80 oder 100 Prozent des Regelsat-
zes bekommt. Das hat mit freier Entfaltung nichts zu
tun – und auch nicht mit einem linken Anspruch.
den linken Parteien deutlich. Wir könnten natürlich den
Anspruch aufgeben, an erster Stelle zu prüfen – das ist
seit 1962 bei der Sozialhilfe so und das war auch bei der
ergänzenden Sozialhilfe zur Arbeitslosenhilfe so –, ob
jemand aus eigener Kraft dazu beitragen kann, sich zu-
mindest zum Teil selbst zu helfen, und an zweiter Stelle
zu prüfen, ob Unterhaltsverpflichtungen von Eltern ge-
genüber ihren Kindern bzw. von Kindern gegenüber ih-
ren Eltern bestehen. Wir können natürlich auch darüber
diskutieren, ob wir eine Unterstützung ab dem
18. Lebensjahr ganz abschaffen. Dann müssen Sie aber
einmal erklären, wie Sie etwa Rechtsansprüche wie das
einkommensunabhängige BAföG oder Berufsbildungs-
beihilfen finanzieren wollen. Sie sprechen in diesem
Zusammenhang die Wiedereinführung der Vermögen-
steuer an und sagen, das könnten die Unternehmen be-
zahlen.


(Zuruf von der LINKEN: Genau!)


Je höher die Lohnnebenkosten und die Steuern werden,
desto mehr Bedarfsfälle und Bedürftige werden Sie dann

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist Populismus, wenn auch vor dem Hintergrund der
Landtagswahl in Sachsen-Anhalt – das ist schon gesagt
worden – ein verständlicher. Sagen Sie dann aber, dass
Sie eine Transferleistungsgewerkschaft sind, und verges-
sen Sie Ihren gesellschaftspolitischen Anspruch auf
Emanzipation, Aufklärung und soziale Gerechtigkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1601833200

Wir sind damit am Ende der Aktuellen Stunde und

auch am Schluss der heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 16. Februar 2006,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.