Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Der in der 142. Sitzung überwiesene Gesetzentwurf
der Bundesregierung zur Vereinfachung der Verwal-
tungsverfahren im Sozialrecht auf Drucksache 15/4228
soll nachträglich noch dem Ausschuss für Wirtschaft
und Arbeit zur Mitberatung überwiesen werden. Sind
Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Wider-
spruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 7 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur
Unterstützung der Überwachungsmission
AMIS der Afrikanischen Union in Dar-
fur/Sudan auf Grundlage der Resolutionen
1556 und 1564 (2004) des Sicherheitsra-
tes der Vereinten Nationen vom 30. Juli 2004
und 18. September 2004
– Drucksachen 15/4227, 15/4257 –
Berichterstattung:
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Redet
Abgeordnete Gert Weisskirchen
Joachim Hörster
Dr. Ludger Volmer
Harald Leibrecht
Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
– Drucksache 15/4259 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Alexander Bonde
Lothar Mark
Herbert Frankenhauser
Dietrich Austermann
Jürgen Koppelin
Über die Beschlussempfehlung werden wir
mentlich abstimmen.
er Darfurkonflikt gefährdet sowohl die bereits ausge-
andelten Ergebnisse des gesamtsudanesischen Frie-
ext
densprozesses als auch die Stabilität des Sudan und der
gesamten Region. Es liegt in unserem Interesse, die Fä-
higkeit der Afrikanischen Union zur Durchführung der
Mission AMIS, der African Union Mission in Sudan, zu
unterstützen. Ihr Ziel ist die Überwachung des Waffen-
stillstandsabkommens vom 8. April 2004, die Unterstüt-
zung von vertrauensbildenden Maßnahmen und die Ver-
besserung der Sicherheitslage, die immer noch durch
gegenseitige Übergriffe, Misshandlungen der Zivilbe-
völkerung und Plünderungen von Konvois der Hilfsor-
ganisationen gekennzeichnet ist. Es geht jetzt darum, die
Operation AMIS personell und materiell zu unterstützen,
damit die Afrikanische Union in Darfur wirksamer als
bisher handeln kann.
i der SPD und dem BÜNDNIS 90/
NEN sowie des Abg. Ulrich
DP])
später na-
)
)
Die Bundeswehr wird also, wenn Sie zustimmen
– wir hatten am Montag vertrauensvolle Unterredungen
in den Ausschüssen aufgrund der Nachfragen, die am
letzten Donnerstag und letzten Freitag aufgetaucht
sind –, afrikanische, voraussichtlich tansanische, Kon-
tingente in den Sudan transportieren und die Durchfüh-
rung der Überwachungsmission mit Lufttransporten in
das Einsatzgebiet unterstützen.
Vorgesehen ist der Einsatz von drei Transall-Trans-
portflugzeugen, die mit entsprechenden Selbstschutzan-
lagen ausgerüstet sind. Maximal werden 200 Soldaten
einschließlich Unterstützungs-, Sanitäts- und Siche-
rungskräften zum Einsatz kommen. Für den Fall eines
Angriffs auf ein deutsches Transportflugzeug auf suda-
nesischem Boden ist beabsichtigt, eine Sicherungskom-
ponente an Bord der Luftfahrzeuge mitzuführen, um
Flugzeug und Besatzung bei Bedarf sichern zu können.
Die Stationierung der Soldaten in Darfur ist nicht vor-
gesehen. Ihre zeitweilige Präsenz im Land ist direkt mit
dem Lufttransport verknüpft. Dieser wird der Afrikani-
schen Union grundsätzlich durch die Europäische Union
zur weiteren Abstimmung mit der sudanesischen Regie-
rung angezeigt. Ein Flug- bzw. Überfluggenehmigungs-
verfahren wird zentral von der Afrikanischen Union mit
diplomatischer Note von der sudanesischen Regierung
erbeten. Dieses Verfahren hat sich in der Vergangenheit
bewährt und es ist sichergestellt, dass es auch bei diesem
Einsatz Anwendung findet.
Das Mandat für den deutschen Einsatz soll mit Ihrer
Zustimmung auf sechs Monate begrenzt werden. Damit
wäre eine ausreichende Flexibilität für den Fall gegeben,
dass sich der bis Ende Februar 2005 geplante Aufwuchs
der Mission verzögern sollte. Damit hätten wir unseren
Beitrag zur Unterstützung von AMIS und zur Arbeitsfä-
higkeit dieser Operation geleistet. Deutschland und die
Staaten der Europäischen Union wollen AMIS nicht er-
setzen; aber wir wollen durch unseren Beitrag dem star-
ken politischen Willen der Afrikanischen Union, die Zü-
gel in der Hand zu behalten und selbst tätig zu werden,
Rechnung tragen.
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Ich erteile Kollegen Andreas Schockenhoff, CDU/
SU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
DU/CSU-Fraktion wird dem Antrag der Bundesregie-
ung zum Einsatz deutscher Streitkräfte zur Unterstüt-
ung der AMIS-Mission zustimmen. Wir haben im Mai
ieses Jahres in einem interfraktionellen Antrag den
ölkermord, die Vertreibungen und die massiven Men-
chenrechtsverletzungen in Darfur angeprangert. Wir ha-
en gemeinsam vor einer humanitären Katastrophe
it dem Einsetzen der Regenzeit gewarnt. Heute müssen
ir feststellen, dass diese humanitäre Katastrophe unter
en Augen der Weltöffentlichkeit eingetreten ist, und
war auch deshalb, weil die Vereinten Nationen nicht
andlungsfähig waren.
In der UN-Vollversammlung haben afrikanische Staa-
en Resolutionen verhindert, die massive Menschen-
echtsverletzungen im Sudan und in Simbabwe verurteilt
ätten. Sie bezeichneten die vorgeschlagenen Resolu-
ionstexte – wörtlich – als „konfrontativ“ und „in keiner
eise geeignet, die Staaten Afrikas zur Kooperation zu
ewegen“. Solange afrikanische Regierungen die Kritik
n massiven Menschenrechtsverletzungen und einer ras-
istischen Politik in anderen afrikanischen Ländern als
iskriminierung ihres Kontinents zurückweisen, wird
ich die Misere Afrikas noch weiter verschärfen.
Im UN-Sicherheitsrat haben die USA eine Resolution
orgelegt, die den Druck auf die sudanesische Regierung
erstärkt und Sanktionen androht, falls sie ihr Verhalten
n Darfur nicht ändert. Zweimal mussten die USA ihren
esolutionsentwurf umschreiben und am Ende die Sank-
ionsandrohungen fallen lassen, bevor sich China und
ussland statt eines Vetos wenigstens zu einer Enthal-
ung durchringen konnten. China ist der größte Investor
n der sudanesischen Ölindustrie; Russland und Weiß-
ussland sind die größten Waffenlieferanten des Sudans.
ie „taz“ berichtet über diesen diplomatischen Eiertanz,
urch den die Menschen in Darfur im Stich gelassen
urden, zu Recht unter der Überschrift „Völkerrecht
richt Menschenrecht“.
Wir fordern die Bundesregierung auf, in ihrer stillen
elefondiplomatie gegenüber dem russischen Präsiden-
en und der chinesischen Führung, aber auch bei den
erhandlungen über die Reform der Vereinten Nationen
icht nur die Erweiterung des Sicherheitsrats, sondern
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13613
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Dr. Andreas Schockenhoff
auch vor allem die Handlungsfähigkeit des Sicher-
heitsrats in fundamentalen Menschenrechtsfragen zur
Sprache zu bringen.
Die Afrikanische Union hat sich bei ihrer Gründung
vor zweieinhalb Jahren vorgenommen, bei Völkermord
und inneren Konflikten afrikanischer Staaten nicht weg-
zusehen, sondern einzugreifen. Wir begrüßen das Frie-
densengagement der Afrikanischen Union in Darfur als
einen ersten ernsthaften Testfall. Wir müssen die Trup-
pen stellenden Staaten in Afrika logistisch und finanziell
unterstützen, weil ein Scheitern ihrer Mission die AU
schwächen würde und weil wir afrikanische Krisen nur
in sehr begrenztem Maße von außen beheben können.
Der Generalsekretär des Rates und Hohe Vertreter für
die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU,
Solana, hat eine koordinierte Unterstützung der AU
durch die Europäische Union gefordert. Deutsche Offi-
ziere aus dem EU-Militärstab sind bereits nach Addis
Abeba entsandt, um die Afrikanische Union zu beraten.
Gestern hat die EU die Bosnienmission übernommen.
Sie wird damit zu einem auch militärisch handlungsfähi-
gen internationalen Akteur. Deshalb hätten wir es lieber
gesehen, wenn sich die Bundesregierung für eine ESVP-
Mission in Darfur eingesetzt und den Transport tansani-
scher Truppen im Rahmen eines europäischen Angebots
zugesagt hätte.
Vielleicht hätten sich dann auch die Irritationen zwischen
dem sudanesischen Außenministerium und dem deut-
schen Botschafter in Khartoum vermeiden lassen, deret-
wegen wir die Entscheidung des Bundestages auf heute
verschieben mussten. Der sudanesische Staatsminister
hat der Bundesregierung unterstellt, die Rebellenorgani-
sation in Darfur zu unterstützen. Statt diese Kritik bilate-
ral zurückzuweisen, hätte die Chance bestanden, im Rah-
men einer europäischen Sudanpolitik zu handeln.
Ich will in diesem Zusammenhang auch darauf hin-
weisen, dass die Bundesregierung im Auswärtigen Aus-
schuss erklärt hat, der Darfureinsatz der Bundeswehr
werde aus Mitteln der EU-Friedensfazilität für Afrika fi-
nanziert. Der Antrag, der uns heute zur Abstimmung
vorgelegt wird, sieht allerdings eine Finanzierung mit
Mitteln aus dem Einzelplan 14 des Bundeshaushaltes
vor.
Trotz dieser kritischen Anmerkungen ist es richtig,
deutsche Soldaten zum Transport von Truppen der Afri-
kanischen Union nach Darfur zu entsenden. Ohne eine
Lösung des Darfurkonflikts ist keine dauerhafte Befrie-
dung des gesamten Sudans möglich. Staatssekretär
Kolbow hat zu Recht darauf hingewiesen. Ein Zerfall
des flächenmäßig größten Staates in Afrika würde eine
der weltweit schlimmsten humanitären Krisen weiter
verschärfen und einen neuen Rückzugsraum für den in-
ternationalen Terrorismus schaffen. Deswegen liegt die
Überwachungsmission der Afrikanischen Union im
deutschen Interesse. Der Beitrag der Bundeswehr zum
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Ich erteile das Wort Kollegen Ulrich Heinrich, FDP-
raktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
en! Als Entwicklungspolitiker begrüße ich den Antrag
er Bundesregierung ausdrücklich. Nachdem die Fragen
eines Kollegen Hoyer letzte Woche zufriedenstellend
eantwortet wurden, wird die FDP-Fraktion diesem An-
rag zustimmen.
Was sich derzeit in Darfur abspielt, ist mit das
chlimmste, was man sich vorstellen kann. Als ich im
ommer dieses Jahres die Darfurregion bereist habe, um
ir einen Überblick über die Lage zu verschaffen, habe
ch den Umständen entsprechend einigermaßen gesittete
erhältnisse vorgefunden. Aber nun müssen wir erleben,
ass sich die Situation laufend verschlechtert. Die
egierung in Khartoum hat alle ihre Zusagen nicht ein-
ehalten. Wir sind ständig vertröstet worden, während
ich die Situation immer weiter verschlechtert. Die
ombardierungen gehen weiter. Lager werden zwangs-
eräumt. Die mühsam errichtete Infrastruktur – Versor-
ung mit Wasser und Nahrungsmitteln; dafür hat CARE
esorgt – wurde mit dem Bulldozer radikal zerstört.
etztendlich wurden sämtliche Friedensversprechungen
ebrochen, bevor die Tinte, mit der die Unterschriften
eleistet worden waren, trocken war. Die Weltgemein-
chaft kann hier nicht länger zusehen. Es wäre ein Skan-
al, wenn wir, die Bundesrepublik Deutschland, nicht al-
es unternähmen, um die Situation dort zu verbessern.
Ich möchte die Bundesregierung hier ausdrücklich
afür loben, dass sie im UN-Sicherheitsrat massiven
ruck gemacht hat, um die Resolutionen überhaupt zu-
tande zu bringen. Nach langem Hin und Her wurden
etztendlich drei Resolutionen verabschiedet. Es kann
icht sein – diese Meinung vertrete ich seit langem –,
ass die EU selbst dort Missionen durchführt; vielmehr
üssen wir die AU unterstützen und sie in die Lage ver-
etzen, die notwendigen Maßnahmen mithilfe der AMIS
urchzuführen.
Afrika muss lernen, seine Probleme mit eigener Kraft
u lösen. Darfur wird die Nagelprobe sein. Wir werden
ehen, wie sich die afrikanischen Staaten in dieser Mis-
ion verhalten und welchen Beitrag sie leisten.
Afrika braucht unsere Unterstützung. Wir wollen mit
em heutigen Beschluss das klare Signal geben, dass
ir, die Bundesrepublik Deutschland, im Rahmen der
uropäischen Sicherheitspolitik unseren Beitrag leisten
13614 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
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Ulrich Heinrich
wollen. Aber es ist äußerst wichtig, dass neben dieser
Überwachungsmission bewaffnete Schutztruppen zur Si-
cherheit von humanitären Hilfeleistungen und zum
Schutz der Zivilbevölkerung vor Ort präsent sind.
Das Mandat gibt das zwar her; aber es kann bezwei-
felt werden, ob die geplanten zusätzlichen 2 300 Militärs
ausreichen werden. Wer die Größe dieses Gebietes kennt
– die Region Darfur ist etwa so groß wie Frankreich –,
der kann sich vorstellen, welche unglaublichen Leistun-
gen dort vollbracht werden müssen. Wenn die Gewalt in
diesem Land gestoppt werden soll, dann wird die AU die
militärischen Kräfte sicherlich aufstocken müssen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Blick in die
Zukunft werfen.
Kollege Heinrich, kommen Sie bitte zum Ende. Sie
haben Ihre Redezeit schon weit überschritten.
Um Darfur dauerhaft befrieden zu können, wird die
Marginalisierung dieser Region aufgehoben werden
müssen. Im Entwurf des Nord-Süd-Vertrages ist die
Beteiligung der Südregion festgelegt. Nötig ist eine ent-
sprechende Behandlung der Region Darfur. Anderenfalls
wird es dort wohl nie zur Ruhe kommen. Ich hoffe, dass
die Regierung in Khartoum einsichtig ist und das Signal,
das von der AU, aber auch von der Weltgemeinschaft
ausgeht, versteht.
Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort Staatsministerin Kerstin Müller.
Ke
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben
heute über das Mandat zur Entsendung von Transportka-
pazitäten der Bundeswehr für die AU-Mission in Darfur
zu entscheiden. Wie schon gesagt wurde, ist die Lage in
Darfur leider auch nach den vielen Anstrengungen, die
die internationale Gemeinschaft dort unternommen hat,
sehr dramatisch. Mehr als 1,6 Millionen Menschen sind
in Darfur auf der Flucht, über 200 000 haben sich in den
Tschad geflüchtet. Seit März dieses Jahres sind bis zu
70 000 Menschen ums Leben gekommen. Die Kämpfe
gehen weiter, und zwar trotz der Vereinbarungen der
Konfliktparteien in Abuja. Beide Seiten – ich sage das
sehr deutlich –, die Rebellenorganisationen und die su-
danesische Regierung, brechen immer noch den verein-
barten Waffenstillstand. Es sind wieder einmal die Men-
schen, es ist die Zivilbevölkerung, die massiver Gewalt
ausgesetzt sind und zwischen die Fronten dieses Kon-
flikts geraten.
Selbst Hilfsorganisationen, auch deutsche, sind in
den vergangenen Wochen angegriffen worden. Ich
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Die sudanesische Regierung und die Rebellenorgani-
ationen müssen endlich die Gewalt beenden. Die suda-
esische Regierung hat die Verantwortung, die Zivilbe-
ölkerung zu schützen. Sie muss die Gewalt beenden
nd die Janjaweed-Milizen entwaffnen. Auch die Re-
ellenorganisationen müssen ihre Angriffe auf Zivilisten
nd auf humanitäre Organisationen sofort einstellen. Ich
ppelliere noch einmal an beide Seiten, ähnlich wie im
ord-Süd-Konflikt endlich nach einer politischen Lö-
ung zu suchen und die Verhandlungen in Abuja fortzu-
etzen. Auf dem Weg des Krieges, mit dem Mittel der
ewalt wird es nicht zu einer Lösung des Konflikts
ommen.
Vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Situa-
ion in Darfur kommt den Bemühungen der Afrikani-
chen Union eine ganz besondere Bedeutung zu. In sei-
en Resolutionen hat der Sicherheitsrat der Vereinten
ationen die Überwachungsmission der Afrikanischen
nion ausdrücklich mandatiert. Um es noch einmal glas-
lar zu sagen: Dieser Mission hat auch die sudanesische
egierung zugestimmt. Noch am Dienstag hat der suda-
esische Außenminister die zu langsam erfolgende Auf-
tockung der Mission beklagt. Herr Schockenhoff, von
rritationen kann also keine Rede sein, abgesehen davon,
ass der sudanesischen Regierung die klare Haltung der
undesregierung angesichts der massiven Menschen-
echtsverletzungen in Sudan nicht besonders gut gefällt.
Auch Kofi Annan hat in Nairobi noch einmal aus-
rücklich an die internationale Gemeinschaft appelliert,
ie AU bei ihrer Mission zu unterstützen. Der Präsident
er AU-Kommission Konaré hat mir gegenüber gesagt,
r sehe das Engagement der AU in Darfur gar als eine
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13615
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Staatsministerin Kerstin Müller
ganz zentrale Bewährungsprobe für die Afrikanische
Union an.
Deshalb ist klar: Es gilt für diese Mission „African
ownership“, das heißt, die Afrikanische Union wird
diese Mission in Eigenverantwortung durchführen. Je
mehr der Wille zu einer politischen Lösung aus der Re-
gion selbst kommt, desto erfolgversprechender ist,
glaube ich, eine solche Mission.
Allerdings ist für mich auch klar: Wir müssen alles
dafür tun, dass diese Bewährungsprobe erfolgreich ver-
läuft. Die Aufstockung der AU-Mission ist angelaufen.
Sie verfügt derzeit über circa 800 Mann. In den kom-
menden Wochen und Monaten soll die Mission auf bis
zu 3 320 Mann aufgestockt werden. Die Monitore der
AMIS-II-Mission sollen künftig nicht mehr nur den
Waffenstillstand überwachen; sie sollen auch Zivilisten
schützen, die unmittelbar bedroht sind.
Allerdings steht die Afrikanische Union vor enormen
organisatorischen und logistischen Herausforderungen,
die sie aus eigener Kraft nicht meistern kann. Deshalb
braucht sie unsere Unterstützung. Neben der Finanzie-
rung der Mission durch die EU-Friedensfazilität in Höhe
von 92 Millionen Euro hat die AU die internationale Ge-
meinschaft um logistische Unterstützung gebeten.
Die Bereitstellung von Transportkapazitäten der Bun-
deswehr wäre, glaube ich, ein besonders sichtbarer Bei-
trag unserer Unterstützung für das Gelingen der Mission.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben hier alle
gemeinsam im Mai dieses Jahres einen Antrag zur Lö-
sung der Darfurkrise verabschiedet. In diesem Antrag
wird die Bundesregierung zur Unterstützung der Frie-
densbemühungen der AU aufgefordert. Genau das wol-
len wir jetzt tun. Ich würde mich daher sehr freuen, wenn
unser Antrag auf Bereitstellung von Transportkapazitä-
ten die breite Unterstützung dieses Hauses finden würde
und wir damit einen kleinen, aber notwendigen Beitrag
zum Gelingen der AU-Mission in Darfur leisten würden.
Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegin Gesine Lötzsch.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Das Morden, das Vertreiben und das Vergewaltigen
von Tausenden unschuldiger Menschen im Sudan ist un-
erträglich und muss nach 21 Jahren Bürgerkrieg endlich
beendet werden. Was bietet uns die Bundesregierung
aber als Lösung für diesen schrecklichen Konflikt an?
Ich will nur einige Widersprüche benennen, die nicht ge-
klärt sind, die aber geklärt sein müssen, bevor der Bun-
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Es gibt aber aus der Sicht der PDS einen weiteren ge-
ichtigen Grund, das Mandat abzulehnen: Das sind die
aten des Rüstungsexportberichts. Dem Bericht zu-
olge wurden im Jahr 2003 Ausfuhrgenehmigungen für
eutsche Rüstungsgüter im Wert von fast 5 Milliarden
uro erteilt. Jeder friedliebende Mensch fragt sich doch
n Anbetracht dieser Zahl, ob das Friedensengagement
er Bundesregierung auch wirklich ehrlich gemeint ist.
ch habe nach dem Lesen des Rüstungsexportberichts
rnsthafte Zweifel und frage mich bei jedem Auslands-
insatz, ob es sich hier um eine Friedensmission oder um
ine robuste Form der Markterschließung für weitere
üstungsexporte handelt.
13616 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Dr. Gesine Lötzsch
Die PDS lehnt das Bundeswehrmandat aus den ge-
nannten Gründen ab.
Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Bundesministerin Heidemarie
Wieczorek-Zeul.
Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Die
internationale Gemeinschaft darf keine doppelten Stan-
dards benutzen. Wir dürfen nicht zusehen, wie ethnische
Vertreibung stattfindet. Diese darf es nirgendwo, auch
nicht in Afrika, geben.
Ihnen, Frau Lötzsch, und anderen, die Zweifel haben,
sage ich: Wir beteiligen uns an diesem Einsatz in Darfur,
weil anders Menschenleben nicht geschützt und gerettet
werden können und weil wir nicht zusehen und zulassen
dürfen, dass vor unseren Augen das stattfindet, was die
renommierte International Crisis Group einen Völker-
mord in Zeitlupe nennt. Deshalb ist es wichtig, dass wir
den Mördern das Handwerk legen und dass wir alle dazu
beitragen, dass Hilfe zur Verfügung gestellt wird.
Es ist gesagt worden, warum sich die Situation so dra-
matisch gestaltet. 1,8 Millionen Menschen sind auf der
Flucht vor den Milizen und dem Militär der eigenen Re-
gierung. – Wenn ich darf, würde ich auch die Kollegen
da hinten, die sich offenbar über andere Fragen unterhal-
ten, bitten, zuzuhören. Das Thema ist, glaube ich, so
wichtig, dass wir uns alle damit beschäftigen sollten.
– Ich bin ja auch Abgeordnete.
– Es war auch keine Kritik. Ich glaube, jeder hat verstan-
den, was ich gesagt habe; das war völlig in Ordnung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mittlerweile ist die
Vergewaltigung von Mädchen und Frauen ein systemati-
sches Mittel der perversen Kriegsführung geworden. An
eine sichere Rückkehr der Flüchtlinge ist ohne militäri-
schen Schutz nicht zu denken. Ihre Dörfer sind zerstört
und die Gefahr, wieder in die Hände der Milizen zu fal-
len, ist groß. Die Regierung in Khartoum hat – es ist ge-
sagt worden – bisher kaum oder gar keine wirksamen
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frika ist unser Nachbarkontinent. Wir sind in Afrika
in hoch anerkannter Partner. Die Probleme, die in
frika nicht gelöst werden können, fallen auch auf uns
urück.
Deshalb bitte ich Sie sehr herzlich, heute eine Ent-
cheidung – ich habe den Eindruck, dass sie von allen
raktionen getragen wird – für Humanität, für Nachbar-
chaftlichkeit und auch für wohlverstandenes Eigeninte-
esse zu treffen. Ich bitte Sie um ein überzeugendes Vo-
um.
Zum Schluss noch ein Wort zu einem Thema, das sehr
ng damit verbunden ist. Um dauerhaft Frieden im Sudan
arantieren zu können, muss die Regierung in Khartoum
eutlichere Signale erhalten, dass die internationale Ge-
einschaft keine Ausweichmanöver mehr dulden wird.
uch auf die Rebellen muss Druck ausgeübt werden, da-
it sie sich zu einem Schweigen der Waffen bekennen
nd dieses auch einhalten. Solch ein deutliches Signal an
lle Seiten wäre ein umfassendes UN-Waffenembargo.
ir dürfen nicht zulassen, dass sich, nachdem es ein
affenembargo der Europäischen Union gibt,
icht auch die Vereinten Nationen, die sich in dieser
rage bislang nicht geäußert und entschieden haben, in
iesem Sinne verhalten. Die Staaten, die sich bisher aus
urchsichtigen Gründen gegen eine schärfere UN-Reso-
ution gestellt haben, müssen ihre Haltung ändern. Die
affenexporte in den Sudan nehmen pro Jahr um fast
0 Prozent zu. Das ist ein Skandal. Öl- und Waffenge-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13617
)
)
Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
schäfte über Leichen hinweg darf die Weltgemeinschaft
nicht hinnehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
In der Haushaltsdebatte zum Etat des Bundesentwick-
lungsministeriums hat mich der Kollege Ruck gefragt,
wie es beim Sudan mit der Entwicklungszusammenar-
beit aussieht. Ich sage an dieser Stelle: Solange Spreng-
bomben auf Hütten geworfen werden und solange Mili-
zen im Verbund mit regulärem Militär Strohdächer
anzünden, Frauen vergewaltigen, Männer töten, Men-
schen zu Sklaven machen und Brunnen vergiften, so
lange gibt es keine Entwicklungszusammenarbeit und
keine Entschuldung. Mit mir nicht! Ich hoffe, dass alle in
diesem Hause diese sehr klare Aussage unterstützen.
Mordenden Milizen und Militärs muss ihr finsteres
Handwerk gelegt werden. Heute müssen wir ein Zeichen
setzen, damit das Vertrauen der Menschen in Darfur in
die Solidarität der internationalen Gemeinschaft nicht
enttäuscht wird. Für Darfur gilt – Frau Lötzsch, es wäre
gut, wenn auch Sie das gelernt hätten –: Ohne Friedens-
truppen wird es dort keinen Frieden geben.
Ich danke Ihnen sehr herzlich.
Ich erteile das Wort Kollegen Egon Jüttner, CDU/
CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
ren! Der Konflikt im Sudan ist mittlerweile zur größten
humanitären Katastrophe auf dem afrikanischen Konti-
nent geworden. Trotz zahlreicher Versprechungen der
sudanesischen Regierung hat sich die Menschenrechtssi-
tuation im Westsudan, in der Provinz Dafur, nicht ver-
bessert, sondern dramatisch verschlechtert.
Sudanesisches Militär geht brutal gegen Flüchtlinge
vor. Unter Einsatz von Tränengas und Schusswaffen wur-
den erst kürzlich 20 000 Flüchtlinge in Darfur umgesie-
delt. Humanitäre Nothilfe wird durch arabische Milizen
massiv behindert. Zwischen regierungsnahen Milizen
und Rebellen brachen erneut heftige Kämpfe aus. Vor
einer Woche hat das Welternährungsprogramm der Ver-
einten Nationen aufgrund der Kämpfe seine Hilfe im
nördlichen Darfur vorübergehend ausgesetzt. 300 000 Ver-
triebene sind jetzt ohne Nahrungsmittelhilfe.
Humanitäre Organisationen und UNO-Delegierte ha-
ben bereits vor mehr als einem Jahr vor einem Genozid
in Darfur gewarnt. Dennoch kam es weder zu einem in-
ternationalen Waffen- oder Ölembargo noch zu anderen
wirksamen Sanktionen gegen den Sudan. China, der
größte Investor in Sudans Ölindustrie, hat aus rein wirt-
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Auch unseren afrikanischen Freunden müssen wir
lar sagen: Dass sie eine deutliche UN-Resolution zu
en Menschenrechtsverletzungen in Darfur verhindert
aben, ist das falsche Signal an ein menschenverachten-
es Regime.
Für die Sicherheitslage in Darfur ist die Beobachter-
ission der Afrikanischen Union von zentraler Bedeu-
ung. Deshalb begrüßen wir es, dass die Afrikanische
nion die Anzahl ihrer Soldaten deutlich aufstocken
ill. Denn bei dieser Mission geht es nicht nur um die
berwachung des Waffenstillstandes, sondern auch um
en Schutz der Zivilbevölkerung vor Bedrohung. Des-
alb muss dieser Beschluss so schnell wie möglich um-
esetzt werden. Bei der Umsetzung wird die Bundes-
ehr mit der Durchführung von Truppentransporten
inen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der humanitä-
en Situation leisten. Allerdings sollten wir uns darüber
m Klaren sein, dass mit diesem Einsatz die Bundeswehr
ie Grenze dessen erreicht, was sie in Afrika leisten
ann.
Die Überwachungsmission in Darfur wird zur ersten
roßen Bewährungsprobe für die Afrikanische Union.
hne internationale Unterstützung bei der Logistik und
inanzierung kann sie diese Bewährungsprobe jedoch
icht bestehen. Wenn die Afrikanische Union, was wir
lle wollen, künftig mehr Verantwortung übernehmen
oll, dann muss sie auch handlungsfähig sein. Ihre Hand-
ungsfähigkeit kann sie jetzt durch einen Erfolg in Dar-
ur unter Beweis stellen; denn es ist höchste Zeit, dass
ie Afrikaner ihre Probleme endlich selbst lösen.
Eine erfolgreiche Überwachungsmission kann zu-
ächst die Versorgung der Menschen in Form von Not-
ilfe gewährleisten. Mittelfristig sollte es aber nicht nur
m die Schaffung humanitärer Korridore gehen. Erfor-
erlich sind ebenso entwicklungspolitische Maßnahmen
uch friedensbildender Art. Sie müssen in die Nothilfe
ntegriert werden und zum Aufbau des Landes beitragen.
Angesichts der uns mit großer Sorge erfüllenden
enschenrechts- und Sicherheitslage in Darfur appel-
iere ich an die sudanesische Regierung, die arabischen
ilizen zu entwaffnen, die Zivilbevölkerung vor weite-
en Menschenrechtsverletzungen zu schützen, den inter-
ationalen Hilfsorganisationen uneingeschränkten Zu-
ang nach Darfur zu gewähren und den herrschenden
ustand der Straflosigkeit zu beenden.
13618 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
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Dr. Egon Jüttner
Die Menschen in Darfur brauchen dringend Frieden.
Deshalb stimmen wir dem Antrag der Bundesregierung
auf Unterstützung der Überwachungsmission zu.
Ich danke Ihnen.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Druck-
sache 15/4257 zu dem Antrag der Bundesregierung zum
Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstüt-
zung der Überwachungsmission AMIS der Afrikani-
schen Union. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf
Drucksache 15/4227 anzunehmen. Es ist namentliche
Abstimmung verlangt. Zu dieser namentlichen Abstim-
mung liegen mir zwei Erklärungen vor, und zwar von
den Kollegen Wolfgang Börnsen und Jürgen
Koppelin.1)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, bei der
Stimmabgabe sorgfältig darauf zu achten, dass die
Stimmkarten, die Sie verwenden, Ihren Namen tragen.
Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer,
die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind alle Plätze
eingenommen? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die
Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist offensichtlich
nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der
Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung
wird Ihnen später bekannt gegeben.2)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie herz-
lich, Platz zu nehmen, damit wir die Beratungen fortset-
zen können und wir allen Rednern Gelegenheit geben zu
sprechen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Werner Hoyer, Harald Leibrecht, Rainer
Funke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Zukunft für Tschetschenien
– Drucksache 15/3955 –
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion
der FDP neun Minuten erhalten soll. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Werner Hoyer das Wort.
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1) Anlagen 2 und 3
2) Seite 13621
Uns geht es bei dieser Debatte aber vor allem darum,
ine neue, eine besonnene und konsistente Russlandpoli-
ik der Bundesregierung einzufordern. Gute Beziehun-
en und eine möglichst enge Zusammenarbeit mit
ussland sind und bleiben für die Europäische Union,
ber ganz besonders für uns Deutsche ein herausragend
ichtiges Ziel. Damit aus dieser Zusammenarbeit aber
ine wirkliche Partnerschaft werden kann, muss Russ-
and auf dem Weg zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit
nd Marktwirtschaft, also auf dem in den 90er-Jahren
ingeschlagenen Reformkurs weiter voranschreiten, ge-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13619
)
)
Dr. Werner Hoyer
nauer gesagt, muss es dorthin zurückkehren, denn die
gegenwärtige Entwicklung gibt Anlass zu größter Sorge.
Präsident Putin hat mit seiner gelenkten Demokratie
eine neue Regierungsform etabliert und ein Paradoxon
zur Leitlinie gemacht: Lenkung und Demokratie. Mit
diesem Zusammenhang habe ich allerdings einige
Schwierigkeiten. Putins Politik ist nicht auf Reformen,
Demokratisierung und Rechtstaatlichkeit ausgerichtet,
sondern auf Stabilität, Machterhalt und die Bewahrung
und Wiederherstellung russischer Größe. Es gibt in
Russland kaum noch unabhängige elektronische Me-
dien. Die Justiz ist nicht mehr unabhängig und es gibt
keine – zumindest keine effektive – zivile Kontrolle über
die Sicherheitsorgane.
Darüber sind sich übrigens alle einig: die Russlandex-
perten in Deutschland, in Europa und in den Vereinigten
Staaten. Nur die deutsche Russlandpolitik sieht das of-
fensichtlich anders. Bundeskanzler Schröder hat den rus-
sischen Präsidenten im deutschen Fernsehen vor zehn
Tagen als „lupenreinen Demokraten“ öffentlich geadelt.
Er sprach von seinem Grundvertrauen darauf, dass Putin
Russland zu einer ordentlichen Demokratie machen
wolle. Was Putin anstrebt, ist allerdings keine ordentli-
che, sondern eine geordnete, eben eine gelenkte Demo-
kratie. Damit bremst und behindert er die Demokratisie-
rung, statt sie zu befördern.
Bei seinem Treffen mit Präsident Putin in Sotschi im
Sommer dieses Jahres ging der Bundeskanzler noch wei-
ter. Er testierte keine empfindliche Störung der Wahlen
in Tschetschenien und stellte dem Präsidenten für dessen
Tschetschenienpolitik damit sogar eine Art demokrati-
sches Gütesiegel aus. Die OSZE-Wahlbeobachtermis-
sion hat das ebenso wie die Sprecherin der EU-Kommis-
sion völlig anders gesehen und von weder freien noch
fairen Wahlen gesprochen. In dem heute vorliegenden
Antrag, zu dem auch Sie sich hier bekennen sollten, wer-
den die Wahlen als das bezeichnet, was sie wirklich wa-
ren: eine Farce.
Der Bundeskanzler bestätigt seinem Freund Wladimir
Putin auch im Hinblick auf den Jukos/Chodorkowski-
Prozess ausdrücklich, mit rechtsstaatlichen Mitteln vor-
zugehen. Das wiederum sieht der Koordinator für die
deutsch-russischen Beziehungen, der wirkliche Russ-
landkenner Erler, ganz anders. Er spricht von Zweifeln
an der russischen Rechtspraxis und Zweifeln an der Sou-
veränität von Präsident Putin im Umgang mit potenziel-
len Rivalen und Konkurrenten. Das sieht auch meine
Kollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als Be-
richterstatterin der Parlamentarischen Versammlung des
Europarates so.
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nsonsten, Herr Kollege Erler, ist das schon ein Pro-
lem. Im Laufe meiner bisherigen parlamentarischen
ätigkeit habe ich noch nie zu dem Instrument gegriffen,
inen Antrag einer anderen Partei zu übernehmen und
inzubringen. Ich hatte allerdings die große Sorge, dass
ieser Antrag, den ich für sehr gut halte, von der Frak-
ion Bündnis 90/Die Grünen nicht in den Deutschen
undestag eingebracht wird, weil dann der Widerspruch
ur Russlandpolitik der Bundesregierung deutlich wer-
en würde.
eswegen mögen Sie mir dieses Stilmittel verzeihen.
Ich denke, das Wichtigste ist, dass der Deutsche Bun-
estag, der in der Russlandpolitik nach meiner Auffas-
ung weiter ist als die Bundesregierung – das zeigen
uch viele Initiativen von Kolleginnen und Kollegen –,
n dieser Frage eine Position vertreten kann, durch die
ie Bundesregierung zum Jagen gebracht wird. Herr
ollege, wir haben doch am Beispiel der Chinapolitik
13620 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
(C)
)
Dr. Werner Hoyer
und des Waffenembargos gesehen, wie der Deutsche
Bundestag durch seine Positionierung auch in der Bun-
schaft kommt. Dafür müssen wir die Reformen und die
Reformer in Russland unterstützen. Wir dürfen Russland
desregierung Bewegung ausgelöst hat.
Genauso sollten wir das auch bei der Russland- und der
Tschetschenienpolitik machen; denn über die Ziele kön-
nen wir uns sehr schnell verständigen. Wir geben Ihnen
mit diesem Antrag die Gelegenheit, sich zu dem zu be-
kennen, was Bündnis 90/Die Grünen – wie ich finde,
sehr wortgewaltig und gut durchformuliert – auf ihrem
Parteitag beschlossen haben.
Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler ist mit
Präsident Putin befreundet. Ich kritisiere das überhaupt
nicht, im Gegenteil: Gerade das deutsch-russische Ver-
hältnis braucht auch eine persönliche, eine emotionale
Dimension. Russland hat gegenüber dem Westen seit je-
her ambivalente Empfindungen: Oft hat es sich abge-
lehnt gefühlt, nicht hinreichend wahrgenommen in der
Größe und Bedeutung seiner Kultur, in seinem menschli-
chen Reichtum, ja in seiner Würde. Da ist russisch-deut-
sche Freundschaft ein gutes Gegenmittel. Wie oft ist
Bundeskanzler Helmut Kohl von denen, die uns heute
regieren, dafür kritisiert worden, dass er eine Freund-
schaft zu Präsident Jelzin gepflegt hat! Das ist als „Sau-
nabekanntschaft“ abqualifiziert worden. Ich frage mich
bisweilen, ob das größte Wunder in den russisch-deut-
schen Beziehungen des letzten Jahrzehnts, der friedliche,
völlig problemlose und würdige Abzug der russischen
Streitkräfte aus Ostdeutschland, ohne diese Freundschaft
möglich gewesen wäre.
Ob der jetzige Bundeskanzler mit Präsident Putin im
Hinblick auf die Ukraine seine Freundschaft erstmals
tatsächlich einbringen kann, ist noch abzuwarten. Ich
muss es nach den Ergebnissen der gestrigen Gespräche
von Präsident Kutschma in Moskau leider eher bezwei-
feln. Jedenfalls darf diese Freundschaft nicht den Blick
auf die Realität in Russland und auf die Politik des
Kremls verklären, sie darf nicht zur alleinigen Leitlinie
der deutschen Russlandpolitik werden. Eine solche
Freundschaft muss belastbar sein.
Gute freundschaftliche Beziehungen und eine enge
Zusammenarbeit mit Russland sind wichtig; darüber
sind wir uns einig. Die lange Geschichte der Beziehun-
gen ist immer durch Schwanken zwischen Extremen ge-
prägt gewesen. Dieses Schwanken zwischen Extremen
gilt es jetzt durch eine wirkliche Partnerschaft abzulö-
sen. Eine wirkliche Partnerschaft kann es nur mit einem
Russland geben, mit dem eine Wertepartnerschaft be-
steht, die auch gelebt wird. Wir können und sollten alles
daransetzen, dass es zu einer solchen echten Partner-
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Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Robert Hochbaum
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
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r. Egon Jüttner
artholomäus Kalb
teffen Kampeter
mgard Karwatzki
ernhard Kaster
olker Kauder
erlinde Kaupa
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ürgen Klimke
ulia Klöckner
ristina Köhler
anfred Kolbe
orbert Königshofen
artmut Koschyk
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udolf Kraus
ichael Kretschmer
ünther Krichbaum
ünter Krings
r. Martina Krogmann
r. Hermann Kues
erner Kuhn
r. Karl A. Lamers
r. Norbert Lammert
elmut Lamp
arbara Lanzinger
arl-Josef Laumann
era Lengsfeld
erner Lensing
eter Letzgus
rsula Lietz
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duard Lintner
atricia Lips
r. Michael Luther
orothee Mantel
rwin Marschewski
tephan Mayer
r. Conny Mayer
r. Martin Mayer
olfgang Meckelburg
r. Michael Meister
r. Angela Merkel
riedrich Merz
oris Meyer
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laus Minkel
arlene Mortler
r. Gerd Müller
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ernward Müller
ildegard Müller
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r. Georg Nüßlein
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r. Peter Paziorek
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r. Friedbert Pflüger
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r. Klaus Rose
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r. Christian Ruck
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r. Hans-Peter Uhl
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vielmehr soll der Tschetschen
sches innenpolitisches Manöv
Mich erschreckt dieses Manöve
s wir auf dem Gebiet der
tionen hinweg daran ar-
n Not und für die Opfer
en einzusetzen.
a sitzt der Bundes-
eigene Meinung!)
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entlichkeit ist dadurch nicht zu
erden die existenzielle Not d
chenien weiterhin zum Ausga
achen.
täuschen. Wir jedenfalls
er Menschen in Tschet-
ngspunkt unserer Politik
eisskirchen [Wies-
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nschen wieder eine Per-
en zu ermöglichen, muss
haben, hier Kritik an der
betreiben. Wenn Sie das
ch eine Debatte zur deut-
achen wir doch ge-
und um Tschetschenien auseinander zu setzen, solche effekthascherische Politik. Die informierte Öf-
FDP
Dr. Karl Addicks
Daniel Bahr
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Horst Friedrich
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Sibylle Laurischk
Ina Lenke
Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
Eberhard Otto
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Andreas Pinkwart
Dr. Rainer Stinner
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Nun erteile ich dem Kollegen Rudolf Bindig, SPD-
Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Der Vorgang um den Antrag, den wir hier diskutieren
und der den Titel „Zukunft für Tschetschenien“ trägt, ist
schon bemerkenswert. Die FDP reicht dem Deutschen
Bundestag einen Text ein, der wortgleich einer Entschlie-
ßung des letzten Parteitages von Bündnis 90/Die Grünen
entspricht.
Als Antragsteller sind die Namen vieler Mitglieder der
FDP-Fraktion aufgeführt.
Dass sich die FDP in einer so wichtigen Frage den
Feststellungen und Wertungen der Grünen voll an-
schließt, erstaunt etwas, ist letztlich aber ihre Sache.
Politisch hat das Vorgehen der FDP für mich allerdings
einen mehr als faden Beigeschmack.
Absicht der FDP ist es nämlich offensichtlich nicht, sich
ernsthaft mit den Problemen und Nöten der Menschen in
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ie Tatsache, dass die FDP einen Antrag der Grünen
inreicht, um damit ein innenpolitisches Spiel zu treiben,
it dem Ziel, herauszufinden, ob man nicht da oder dort
ielleicht unterschiedliche Einschätzungen von Abge-
rdneten der Grünen, der SPD und der Bundesregierung
zw. dem Bundeskanzler bloßlegen kann, stellt meiner
einung nach einen Niedergang der menschenrechtli-
hen und außenpolitischen Seriosität der FDP dar.
a wir bei diesem Spiel nicht mitspielen wollen, sage
ch gleich: Wir wollen diesen Antrag zur weiteren Bera-
ung an die Ausschüsse überweisen. Das beantrage ich
iermit zugleich für die SPD-Fraktion.
Die verzweifelte Lage der Menschen in Tschetsche-
ien, die Leiden der Opfer, aber auch der schwere Dienst
er Sicherheitskräfte und Soldaten, die häufig auch nur
pfer in dieser Kriegsmaschinerie sind, verbieten eine
13624 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Rudolf Bindig
und schreiben Sie nicht „Zukunft für Tschetschenien“
über Ihren Antrag.
Der andauernde Konflikt in Tschetschenien ist die
offene Wunde in der Politik der Russischen Föderation
und eine Tragödie für die Menschen in Tschetschenien
und den angrenzenden Regionen im Kaukasus. Auch
wenn zurzeit andere politische Ereignisse die Schlagzei-
len beherrschen, so ist die politische und menschenrecht-
liche Lage in der Republik Tschetschenien doch weit da-
von entfernt, sich zu normalisieren oder bereits normal
zu sein. Fast täglich kommt es zu neuen Anschlägen und
Gewaltaktionen.
Am 10. Dezember ist der Tag der Menschenrechte. Es
ist daher angebracht, dass wir den Konflikt in Tschet-
schenien aus der Sicht der dort lebenden Menschen mit
ihren alltäglichen Nöten und Ängsten sehen und ihretwe-
gen die politischen Anstrengungen intensivieren, um den
Konflikt einzudämmen und die Lage der Menschen zu
verbessern. Voraussetzungen dafür sind, die Ursachen
des Konflikts zu analysieren und die Verursacher der
Tragödie klar zu benennen.
Schwerste Menschenrechtsverletzungen und straf-
rechtliche Akte werden von allen Konfliktbeteiligten
begangen. Unmissverständlich zu verurteilen sind Ter-
rorakte wie der Anschlag auf zwei Flugzeuge, die
abstürzten, das Selbstmordattentat in der Nähe einer
U-Bahn-Station in Moskau, die Geiselnahme von Hun-
derten unschuldiger Kinder und ihrer Familienangehöri-
gen in Beslan und das schreckliche Blutbad, welches die
Geiselnahme beendete. Für derartige Angriffe auf un-
schuldige Zivilisten kann es keine Entschuldigung ge-
ben.
Unmissverständlich zu verurteilen sind auch alle übri-
gen Morde, welche durch illegal bewaffnete Gruppen in
Tschetschenien, Inguschetien, Ossetien und Dagestan
stattgefunden haben und stattfinden.
Schwere Verbrechen an der Zivilbevölkerung werden
aber auch von den unterschiedlichen föderalen und pro-
russisch-tschetschenischen Sicherheitskräften während
ihrer Sonderoperationen in der Republik Tschetschenien
sowie in zunehmendem Maße in benachbarten Regionen
begangen. Die Liste der Menschenrechtsverletzungen ist
lang: Morde, Verschwindenlassen von Personen, Folter,
Geiselnahme, Vergewaltigung und willkürliche Inhaftie-
rung.
Diese Spirale der Gewalt aus terroristischen Akten il-
legal bewaffneter Gruppierungen einerseits und Gewalt-
aktionen der russischen Sicherheitskräfte andererseits
muss unterbrochen und umgekehrt werden. Ohne ein
Ende der Gewalt und ohne Bestrafung der Täter kann es
keine nachhaltige politische Lösung geben.
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iese Organisationen leisten eine hervorragende Arbeit.
udem gilt es nicht, diejenigen zu kritisieren, die Men-
chenrechtsverletzungen aufdecken und dokumentieren,
ondern diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die
enschenrechtsverletzungen begehen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13625
)
)
Rudolf Bindig
Gemeinsam sollten wir deshalb die Regierung der
Russischen Föderation erneut nachdrücklich dazu auf-
fordern, gegen die Menschenrechtsverletzungen durch
ihre eigenen Sicherheitskräfte einzuschreiten und das
Klima der Straflosigkeit in der Republik Tschetschenien
zu beenden. Damit Letzteres tatsächlich geschieht, ist
ein klares politisches Zeichen von höchster politischer
Ebene in Russland erforderlich, also von Präsident Putin
selbst. Er muss anordnen – er muss diese Anordnung mit
seiner Autorität versehen –, dass alle Sicherheits- und
Strafverfolgungsbeamten bei der Ausübung ihrer Pflich-
ten jederzeit die Menschenrechte wahren.
Er muss anordnen, dass sich alle ergriffenen oder ge-
planten Antiterrormaßnahmen im Einklang mit den
Menschenrechts- und Völkerrechtsnormen befinden.
Diese Auffassung sollten wir alle gemeinsam als Abge-
ordnete in Gesprächen und Kontakten mit Abgeordneten
in der Russischen Föderation sowie im Gespräch mit
russischen Regierungsmitgliedern vertreten.
– Ich weiß, dass auch der Bundeskanzler dies tut. Ich
finde es richtig, dass er zwischen einer Politik der Kon-
takte und der Gespräche, die versucht, Einfluss zu neh-
men, und einer Mikrofondiplomatie oder gar Megafon-
diplomatie, bei der man bestimmte Dinge nur nach
außen proklamiert und innen nichts erreichen kann, un-
terscheidet. Es muss die Möglichkeit gegeben sein, die
Probleme in Tschetschenien in Gesprächen direkt anzu-
sprechen.
Ich weiß, dass zum Beispiel der deutsche Außenmi-
nister, wenn er mit dem russischen Außenminister zu-
sammenkommt, in ganz intensiver Weise die Situation
anspricht und darüber diskutiert. Ich glaube, solch eine
Vorgehensweise ist besser, als den Antrag einer anderen
Partei zum Gegenstand eines eigenen Antrages im Deut-
schen Bundestag zu machen und damit nur innenpoliti-
sche Spiele zu betreiben. Wir können und wollen dies je-
denfalls nicht akzeptieren; wir können und wollen dabei
nicht mitmachen.
Ich erteile Kollegen Friedbert Pflüger, CDU/CSU-
Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wenn wir über Tschetschenien reden, dann müs-
sen wir zunächst auch über die furchtbare Geiselnahme
in Beslan reden, wo tschetschenische Terroristen die
vielleicht grausamste Geiselnahme in der Geschichte
durchgeführt haben. Wir führen uns die Bilder vor Au-
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Wenn es aber wahr ist, dass dieser Konflikt islamisiert
worden ist – ich glaube, das liegt auf der Hand und ist
spätestens seit 1996 der Fall –, und wenn es wahr ist,
dass dieser Konflikt eine internationale Dimension hat,
dann kann Herr Putin diesen Konflikt nicht mehr als rein
russische Angelegenheit bezeichnen. Wenn der Konflikt
eine internationale Dimension bekommt, dann liegt es in
unserem Interesse, zu wissen, wie man den Terrorismus
dort bekämpft.
Diesbezüglich läuft in Tschetschenien wirklich vieles
in eine furchtbare, falsche Richtung. Natürlich muss man
hart gegen Terroristen vorgehen, aber doch nicht gegen
das ganze tschetschenische Volk. Im Augenblick wird
aber alles in einen Topf geworfen. Von russischer Seite
wird nicht mehr zwischen dem nationalistischen Wider-
stand, den Islamisten und dem tschetschenischen Volk
unterschieden. Es gibt keinen Spielraum für Verhandlun-
gen, keinen Spielraum für internationale Vermittlungen.
Die Russen haben vor dem Hintergrund ihres riesigen
Reiches Sorge, dass Separationsbewegungen Schule
machen könnten. Wir wollen ganz deutlich sagen, dass
niemand ein Interesse an einer Destabilisierung der Rus-
sischen Föderation haben kann. Wer sich das ethnische
Geflecht, die vielen Völker, die im Nord- und Südkauka-
sus leben, diesen bunten Teppich von unterschiedlichen
Völkern und Religionen, die dort zusammenleben, an-
sieht, der kann nur sagen: Dagegen sind die Probleme,
die es auf dem Balkan gibt, ein Klacks.
Der Separatismus der Tschetschenen kann bei uns
keine Unterstützung finden; denn er würde zu weiteren
großen Problemen führen. Die Tschetschenen müssen
bei uns aber sehr wohl offene Ohren finden, wenn sie sa-
gen: Wir wollen im Rahmen der Russischen Föderation
unsere Rechte und mehr Autonomie. – Dann müssen wir
sie anhören und unterstützen. Diese Unterstützung dür-
fen wir nicht den Islamisten überlassen.
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uf dem Parteitag der Grünen – das wurde in den Antrag
er FDP übernommen – wurde gesagt: Die Wahl war
ine Farce. Die Europäische Union, wir alle haben das
esagt. Der Bundeskanzler sollte nicht das genaue Ge-
enteil sagen.
Ich finde es legitim, dass die FDP das aufgreift. Da-
urch wird deutlich, dass hier mit zwei Zungen gespro-
hen wird: Der Bundeskanzler macht Realpolitik und die
rünen gehen an die Basis und sagen: Schaut, wir ma-
hen Menschenrechtspolitik. – Das geht nicht zusam-
en. Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie ma-
hen wollen.
Es geht nicht um Innenpolitik. Es geht um die Klärung
er Positionen.
ollege Bindig, Sie haben Recht: Es muss ein Zusam-
enspiel zwischen einem lautstark und klar artikulieren-
en Parlament und einer auf stille Diplomatie setzenden
egierung geben. Aber stille Diplomatie darf kein Alibi
ür Nichtstun werden. Das ist der Verdacht, den wir in
iesem Fall haben.
Es läuft falsch in Tschetschenien. Es gibt ein sehr ein-
rucksvolles Buch von Anna Politkovskaja – ich werde
ie nächste Woche in Moskau sehen –
it dem Titel „Tschetschenien – die Wahrheit über den
rieg“. Dort heißt es über einen tschetschenischen Fa-
ilienvater:
Issa … geriet … in ein solches Konzentrationslager
„Filtrationslager“ nennt man dort die Gefangenenlager –
am Rande von Chottuni. Sie drückten ihre Zigaret-
ten auf seinem Körper aus, rissen ihm die Nägel
von den Fingern, ließen wassergefüllte Pepsi-Cola-
Flaschen auf seine Nieren klatschen. … Offiziere
niedriger Dienstgrade, die die kollektiven Verhöre
durchführten, lachten den Tschetschenen ins Ge-
sicht, sie hätten knackige Hintern, und vergewaltig-
ten sie. Mit den Worten: „Weil uns eure Weiber
nicht ranlassen.“
ie Tschetschenen mussten eine furchtbare Tortur über
ich ergehen lassen. Rache dafür zu nehmen – so sagen
ugenzeugen – würde das gesamte Ziel ihres weiteren
ebens sein.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13627
)
)
Dr. Friedbert Pflüger
Die Frage ist, ob die unvorstellbare Härte, mit der
Moskau dort vorgeht
– das hat auch Herr Bindig in seinem Bericht festgestellt –,
nicht zu immer mehr Terrorismus führt. Ich glaube, diese
Frage müssen wir stellen. Wir stellen sie nicht, um Herrn
Putin in eine Ecke zu stellen oder um die Russische Fö-
rderation zu destabilisieren, sondern um bei der Lösung
dieses schlimmen Konfliktes zu helfen. Das hat mit In-
nenpolitik nichts zu tun,
sondern es geht um Klärung, Herr Kollege Bindig.
Herr Schröder sagt angesichts einer solchen Sachlage in
der „Süddeutschen Zeitung“, Putins Politik sei der rich-
tige Weg und der vom russischen Präsidenten einge-
schlagene Kurs führe zu innerer und äußerer Sicherheit
und werde von ihm solidarisch mitgetragen. Kollegin
Nickels von den Grünen sagt dazu, Schröders Interview
sei gut gemeint und schlecht gemacht gewesen.
Die Kollegin Katrin Göring-Eckardt kritisiert Putin mit
den Worten, die Politik der unerbittlichen Härte werde
keine Lösung bringen.
Ich würde dem Außenminister raten, sich vielleicht
ein bisschen stärker in die Russlandpolitik einzumischen
und
das nicht alles Herrn Schröder zu überlassen und – ich
sage noch einmal: Es geht nicht darum, Putin in eine
Ecke zu stellen – ein offenes Wort unter Freunden zu
sprechen. Sie sind sehr schnell, wenn es ein offenes Wort
gegenüber Amerika zu sagen gilt. Dann verweigern Sie
sich bitte auch nicht, wenn es um ein offenes Wort ge-
genüber Russland geht.
Bei der Stiftung Wissenschaft und Politik gibt es ei-
nen angesehenen Wissenschaftler, Dr. Uwe Halbach. Er
hat neulich in einem kleinen Kreis bei Herrn Schäuble
einen Vortrag gehalten und die Zahl der Toten in Rela-
tion gesetzt. Tschetschenien hat ungefähr eine Bevölke-
rung von 1 Million Menschen. Nach sehr konservativen
Schätzungen sind 100 000 Zivilisten bei den Tschetsche-
nienkriegen seit 1994 ums Leben gekommen. Wenn man
das auf den Irak umrechnet, dann würde das bedeuten,
dass 2,5 Millionen Menschen im Irak gestorben wären.
Ich habe von der Friedensbewegung und unseren frie-
densbewegten Intellektuellen, die so „mutig“ auf die
Straße gegangen sind, um gegen den Irakkrieg zu de-
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Ich komme zum Schluss. Wir müssen jetzt Putin das
ngebot machen, mit dem Europarat und der OSZE an
inem runden Tisch den Versuch zu unternehmen, neben
er Härte gegen Terroristen, die auch wir befürworten,
en anderen die Hand zu geben und vielleicht doch zu
berlegen, ob man nicht Verhandlungspartner auf tschet-
chenischer Seite braucht. Ist Maschadow wirklich das
leiche wie Bassajew? Ist der separatistische Wider-
tand wirklich das Gleiche wie der islamistische? Müss-
en wir hier nicht zusammen – noch einmal: nicht, um
utin in die Ecke zu stellen, sondern um ihm zu helfen –
arangehen, mit internationaler Unterstützung diesen
onflikt zu einer besseren Lösung zu führen? Das ist un-
er Plädoyer.
Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Winfried Nachtwei,
raktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge-
tatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung. Die FDP
at einen guten Antrag zur Zukunft Tschetscheniens
orgelegt,
llerdings unter fragwürdigen Umständen.
r ist – darauf ist schon hingewiesen worden – wort-
leich mit dem Beschluss des Parteitags der Bündnisgrü-
en in Kiel Anfang Oktober. Im bürgerlichen Leben
ennt man solche Textübernahmen ohne Quellenangabe
eistigen Diebstahl.
Ich will mich aber nicht an der Form festhalten, son-
ern komme jetzt zum Inhalt. Vor drei Monaten erschüt-
erten die Geiselmorde von Beslan und die Sprengung
weier Passagierflugzeuge die Menschen in Russland
nd Europa. Diese Morde waren neue Höhepunkte einer
ürchterlichen Terrorserie gegen Zivilisten und brachten
ine neue Entgrenzung von Gewalt. Solche Taten sind
urch absolut nichts zu rechtfertigen. Mit solchen Ver-
rechern verbietet sich jeder Dialog.
13628 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Winfried Nachtwei
Das Massenverbrechen von Beslan lenkte den Blick
der Weltöffentlichkeit wieder für wenige Wochen auf
den Gewaltkonflikt in Tschetschenien. Er dauert in-
zwischen seit Ende des 18. Jahrhunderts an und vor zehn
Jahren – nämlich am 11. Dezember 1994 – eskalierte er
erneut in den so genannten ersten Tschetschenienkrieg
mit dem Einmarsch der russischen Truppen. Seit 1999
fielen diesem Krieg in diesem kleinen Land – es ist ge-
rade halb so groß wie die Schweiz – mehr als
100 000 Menschen zum Opfer. Mit 80 Prozent der Dör-
fer und Städte Tschetscheniens wurde zugleich die
Grundlage der tschetschenischen Gesellschaft zerstört.
Der enthemmte Gewaltkonflikt ist durch schwerwie-
gende Menschenrechtsverletzungen aufseiten föderaler
und prorussischer so genannter Sicherheitskräfte einer-
seits und von brutalen Angriffen verschiedener bewaff-
neter tschetschenischer Gruppen und Terroristen ande-
rerseits gekennzeichnet.
Es wurde schon darauf hingewiesen: Am Anfang die-
ses Tschetschenienkrieges spielten der extreme Islamis-
mus und Terrorismus fast keine Rolle. Aber die Art der
Kriegsführung fachte offensichtlich das Feuer des isla-
mistischen Terrorismus an. Heutzutage muss man davon
sprechen, dass Tschetschenien ein strategischer An-
griffspunkt für den islamistischen Terrorismus ist.
Allerdings bleibt es weiterhin falsch, den Tschetsche-
nienkonflikt auf einen äußeren Angriff durch islamisti-
sche Terroristen zu reduzieren.
Es bleibt dabei, dass er erhebliche innere Ursachen hat.
Die Bundesrepublik und die Europäische Union ha-
ben ein eminentes Interesse an der Eindämmung des
Tschetschenienkonflikts, und zwar erstens wegen unse-
rer menschenrechtspolitischen Glaubwürdigkeit, zwei-
tens wegen unserer strategischen Partnerschaft mit Russ-
land und drittens, weil wir uns solche Brutstätten für
internationalen Terrorismus nicht leisten können.
Wir müssen nüchtern feststellen: Niemand hat für den
Tschetschenienkonflikt eine Lösung parat. Dazu sind die
Verfeindungen und Verwundungen zu tief und die Ge-
waltinteressen zu stark. Zu sehr haben sich die verschie-
denen Beteiligten in fürchterliche Sackgassen verrannt.
Trotzdem sind meiner Ansicht nach Ansatzpunkte für
eine notwendige und viel beschworene politische
Lösung erkennbar.
Erstens. Terrorismusbekämpfung muss Menschen-
rechte und humanitäres Kriegsvölkerrecht einhalten. Al-
les andere wirkt terrorismusfördernd. Die totale Feind-
wahrnehmung beider Seiten muss durchbrochen werden.
Auf russischer Seite muss den Tschetschenen gegenüber
zwischen Separatisten und wirklichen Terroristen unter-
schieden werden.
Zugelassen werden müssen unabhängige Dritte, etwa
Menschenrechtsverteidiger und OSZE-Beobachter, ge-
nauso wie demokratische Legitimität anstelle fernge-
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Ich erteile das Wort Kollegin Melanie Oßwald, CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sieb-
en und achten Klassen der Staatlichen Internationalen
chule Berlin haben vor kurzem die Hintergründe der
ragödie von Beslan durchgenommen. Krönender Höhe-
unkt war eine Simulation der UNO, bei der die Schüler
n die Rolle von Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates
chlüpfen mussten. Streng nach den Regeln und den Ge-
flogenheiten der UNO sollten sie eine realistische Lö-
ungsstrategie für den Tschetschenienkonflikt entwerfen.
ine Klasse befürwortete am Ende ihrer Sicherheitsrats-
itzung die völlige Unabhängigkeit Tschetscheniens bei
leichzeitig weit reichenden Antiterrorgarantien der
euen tschetschenischen Regierung. Die anderen drei
lassen kamen zu dem Schluss, dass ein Verbleib
schetscheniens in der Russischen Föderation bei größt-
öglicher innenpolitischer Selbstständigkeit die realis-
ischste Lösungsmöglichkeit für diesen schwer lösbaren
onflikt sein dürfte. Da kann man nur staunen: Siebt-
nd Achtklässler entwickeln Lösungsvorschläge! Aber
nsere Bundesregierung hat anscheinend keinen Lö-
ungsvorschlag in der Tasche, den Schröder seinem Bu-
enfreund Putin überreichen könnte.
Im Gegensatz zur offiziellen Schmusekurspolitik se-
en – Gott sei Dank – andere wie zum Beispiel die Grü-
en durchaus Anlass zur Kritik an der russischen Politik.
ine Änderung des Regierungskurses bewirkt dies aber
eider nicht. Im Gegenteil: Unser Bundeskanzler be-
auptet – ich möchte das wiederholen –, Putin sei ein lu-
enreiner Demokrat. Ich frage mich, ob wir nun viele
ussagen so ironisch sehen müssen wie diese. Es ist
ringender denn je, dass wir eingreifen und Russland in
ieser fast ausweglosen Situation helfen, um eine politi-
che und vor allem demokratische Lösung zu finden.
Die Ankündigung Putins, der Kampf gegen den inter-
ationalen Terrorismus erfordere eine Erneuerung der
esamten Politik für den Nordkaukasus, ist richtig. Die-
er Vorschlag geht aber leider in die falsche Richtung.
mmer deutlicher wird, dass es in diesem Konflikt nur
och Verlierer geben wird. Islamistische Kräfte unterlau-
en zunehmend die sezessionistischen Unabhängigkeits-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13629
)
)
Melanie Oßwald
bestrebungen der Tschetschenen zugunsten eigener
Ziele. Moskau darf einerseits keine Islamisierung seiner
südlichen Territorien zulassen und andererseits die Re-
gion nicht ohne geordnete Verhältnisse verlassen. Dies
ist ohne internationale Hilfe schlichtweg unmöglich. Die
Verweigerung der Unabhängigkeit und die fortgesetzte
Brutalität der russischen Truppen gegenüber der Bevöl-
kerung schüren eher das Abdriften der kaukasischen
Moslems in das radikale Lager der Islamisten. Das sind
Islamisten, die keine Hemmungen haben, Gewalt in die
ganze Welt zu tragen.
Die unschuldige Zivilbevölkerung Tschetscheniens
leidet – das ist heute bereits erwähnt worden – seit mehr
als zehn Jahren entsetzliche Qualen. Sie verliert jede
Hoffnung auf eine gute Zukunft und das Vertrauen in
Rechtsstaatlichkeit.
Aufrüsten statt verhandeln, das ist eher die Taktik
Putins im Tschetschenienkrieg. Seine Militärs kennen
bei ihrem Feldzug keine Kompromisse. Die eigentlichen
Ursachen des Konfliktes werden aber leider kaum ange-
sprochen, zum Beispiel die desolate wirtschaftliche und
soziale Lage im gesamten Kaukasus und insbesondere in
dieser Region. Es wird nichts getan, um zum Beispiel
die Bildungseinrichtungen wieder aufzubauen. Seit zehn
Jahren gehen die Kinder dort nicht mehr in die Schule.
Sie nehmen dafür an dem Kriegsgeschehen regen Anteil.
Es bedarf keiner großen Fantasie, sich die Situation
der Frauen, Männer und Kinder vorzustellen, deren Le-
bensgrundlagen seit fast einer Generation systematisch
zerstört werden und deren Väter, Brüder und Söhne vor
ihren Augen verschleppt, misshandelt oder getötet wer-
den. Die internationale Gemeinschaft ist aufgefordert,
dem Konflikt eine noch größere Aufmerksamkeit zu
schenken. Dies ist bis heute leider versäumt worden.
Die deutsche Regierung muss ihr wiederholt erklärtes
Menschenrechtsengagement – sie und auch mein Kol-
lege Bindig stellen es immer gern heraus; leider stehen
nicht alle dahinter – endlich ernst nehmen.
Sie muss beim russischen Präsidenten darauf dringen,
die Menschenrechtssituation in seinem Land spürbar zu
verbessern. Was Menschenrechte angeht, darf es nicht
nur um PR oder um Macht gehen. Allein seit Jahresbe-
ginn kamen in Tschetschenien mehrere hundert Zivilper-
sonen ums Leben. Meist waren Sicherheitsdienste oder
Streitkräfte für diese Todesopfer verantwortlich.
Allein in dem Viertel des Landes, das als halbwegs si-
cher gilt – auch „Memorial“ darf dort regelmäßig doku-
mentieren –, kamen nur in diesem Jahr ums Leben:
83 tschetschenische Angehörige von Polizei und Armee,
acht Verwaltungsbeamte und 23 Rebellen. Es gab 294 Ent-
führungen. 146 Entführungsopfer wurden wieder freige-
lassen, 20 tot aufgefunden; die anderen 128 werden ver-
misst. Wie ich bereits gesagt habe, gilt dies nur für das
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lles andere ist feige und hat mit politischer Verantwor-
ung nichts zu tun.
Meine Damen und Herren von der Koalition, die heu-
ige Debatte zeigt: Eigentlich sind wir uns einig, dass es
o nicht weitergehen kann. Ich finde es darum umso be-
auerlicher, dass Sie es nicht geschafft haben, den ange-
ündigten Antrag in die heutige Debatte einzubringen.
as wäre eher politisches Handeln gewesen, als heute
ur zu reden. Ich sehe die rot-grüne Russlandpolitik da-
it als gescheitert an.
Ich erteile das Wort Kollegin Gesine Lötzsch.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
en! Wir als Abgeordnete der PDS begrüßen die Initia-
ive der FDP, die Situation in Tschetschenien auf die Ta-
esordnung des Bundestages zu setzen.
Ebenso wie in der Debatte am Mittwoch stelle ich die
rage: Was sind eigentlich die Ziele deutscher Außenpo-
itik? Bereits in der Debatte über die Situation in der
kraine ist immer wieder die Frage aufgeworfen wor-
en, wie Bundeskanzler Schröder seine demonstrativ en-
en Beziehungen zum russischen Präsidenten Putin
utzt, um auf dessen Politik einen gewissen Einfluss zu
ehmen.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich finde es
ut und richtig, dass sich die Bundesregierung um gute
eziehungen zu Russland bemüht. Russland ist vom
esten lange genug gedemütigt worden. Der Bundes-
anzler ist zu der Auffassung gekommen, dass die De-
ütigung Russlands ein Irrweg und eine politische Sack-
asse ist. Das können wir als PDS nur unterstützen.
Andererseits kritisieren wir die Zurückhaltung der
undesregierung in der Tschetschenienfrage. Gegen das
schetschenische Volk wird bereits zum vierten Mal ein
usrottungskrieg geführt. Der vierte Krieg begann im
13630 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Dr. Gesine Lötzsch
September 1999 unter Putin. Er ist bis heute nicht been-
det. Putin setzt weiterhin auf Staatsterror und bewirkt
damit eine Steigerung des Gegenterrors.
Trauriger Höhepunkt war das tödliche Attentat auf
Präsident Kadyrow. In der Person Kadyrow lässt sich
das ganze tragische Schicksal Tschetscheniens nacher-
zählen. Kadyrow war ursprünglich der oberste muslimi-
sche Geistliche Tschetscheniens. Unter dem ersten Präsi-
denten Dudajew hatte er zum Heiligen Krieg gegen die
Russen aufgerufen. Später wurde er zur Marionette des
Kremls, gehasst und verachtet vom tschetschenischen
Volk und schließlich ermordet.
Im September wurden wir alle ohnmächtige Zeugen
der Geiselnahme in Beslan. Opfer waren Kinder, die ge-
rade noch freudig in die Schule gegangen waren. Nach
dem wenigen, was wir heute wissen, waren die Täter
nicht Tschetschenen, sondern Inguschen, die Opfer
nicht Russen, sondern Osseten. Die Inguschen sind mit
den Tschetschenen ethnisch und sprachlich nah ver-
wandt und wurden im Februar 1944 gleichzeitig mit die-
sen nach Mittelasien deportiert. Für diese Deportation
rekrutierten Stalins Geheimdienste Hilfstruppen. Zu die-
sen Hilfstruppen gehörten auch Osseten, westliche
Nachbarn der Inguschen.
Warum gehe ich so detailliert darauf ein? Wir müssen
uns darüber im Klaren sein, dass die Konflikte weit in
die Vergangenheit reichen. Es geht nicht nur um Tschet-
schenien, sondern um den gesamten Nordkaukasus. Die
Verhältnisse sind kompliziert – das leugnet niemand –,
aber trotzdem können wir von der Bundesregierung er-
warten, dass sie sich mit dieser komplizierten Situation
entsprechend auseinander setzt.
Wir als PDS sind nicht länger bereit, eine Arbeitsteilung
zu akzeptieren, die da heißt: Schröder ist für die guten
Beziehungen zu Putin zuständig und Fischer redet über
die Menschenrechte.
Wir sollten für Tschetschenien die gleichen Maßstäbe
wie für die Ukraine anlegen. Freiheit, Frieden und Men-
schenrechte sind keine abstrakten Forderungen. Ein Weg
zu Frieden, Freiheit und Menschenrechten wird man für
Tschetschenien und den gesamten Kaukasus nur finden
können, wenn man sich mit der Geschichte – nicht nur
der letzten zehn Jahre – auseinander setzt. – Herr Fischer
wird noch sprechen; er braucht nicht dazwischenzuru-
fen.
Die Bundesregierung ist gefordert, vom Kreml diplo-
matisch, aber konsequent die Achtung des Rechts auf
Selbstbestimmung auch der Tschetschenen einzufordern.
Diese Aufgabe ist schwierig, aber lösbar.
Vielen Dank.
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Der Antrag der FDP zum Thema Tschetschenien ent-
ält viele Passagen, denen zugestimmt werden kann.
ber dieser Antrag enthält auch Formulierungen, die
esser unterblieben wären. Dazu gehört zum Beispiel ein
olch verquaster Satz wie:
Die Terroristen haben die zivilisatorischen und
menschlichen Mindeststandards in nicht vorstellba-
rer Weise unterschritten, …
ass die FDP die Ermordung von Schulkindern und ih-
en Eltern in den Kontext einer Formulierung wie „Un-
erschreiten von Mindeststandards“ stellt, ist nicht ak-
eptabel.
Dass Sie den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ab-
eschrieben haben, Herr Hoyer, ist keine Entschuldi-
ung dafür. Sie von der FDP sind es, die diesen Text in
en Deutschen Bundestag eingebracht haben. Deshalb
üssen Sie ihn auch verantworten.
Sie schreiben in Ihrem Antrag:
Der Terroranschlag von Beslan ist durch nichts zu
rechtfertigen.
as ist richtig. Es muss klar sein, dass es in der Beurtei-
ung von Terror nur konsequente Ablehnung und keine
elativierenden Betrachtungsweisen gibt. Die von der
ommission zur Reform der Vereinten Nationen soeben
instimmig angenommene Terrorismusdefinition ist,
eine ich, ein Fortschritt für die internationale Politik.
Wir können uns bei der Bekämpfung von internatio-
alen Terroristen keine Zweideutigkeiten erlauben. Des-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13631
)
)
Johannes Pflug
wegen begrüßt die SPD-Bundestagsfraktion – wie Sie es
auch tun – die politische Unterstützung, die die Bundes-
regierung der russischen Regierung beim Kampf gegen
den tschetschenischen und den internationalen Terroris-
mus zuteil werden lässt.
Der Deutsche Bundestag begrüßt insbesondere die
Aussagen der gemeinsamen Erklärung von Bundes-
kanzler Gerhard Schröder und dem russischen Präsident
Wladimir Putin, die anlässlich des Terroranschlags von
Beslan erarbeitet und am 9. September veröffentlicht
wurde. Darin heißt es unter anderem:
Deutschland und Russland verurteilen alle Akte
und Formen des Terrorismus, ungeachtet der zu-
grunde liegenden Motivation … Beide Länder wer-
den verstärkt zusammenarbeiten, um der globalen
Herausforderung durch den Terrorismus und seinen
Ursachen noch wirksamer entgegentreten zu kön-
nen.
Von besonderem Interesse ist eine Passage in dem
FDP-Antrag – oder soll ich sagen: in dem Grünen-An-
trag? –, die sich mit der Natur und den Zielen des tschet-
schenischen und des internationalen Terrorismus befasst.
Es heißt darin:
Der islamistische Terrorismus, der sich als Netz-
werk um den Kern von El Qaida organisiert hat,
versucht systematisch, die Südgrenze der GUS-Re-
gion zu zersetzen. Nachdem die Terrorgruppen Af-
ghanistan als Basis weitgehend verloren haben, bie-
tet der ungelöste und unkontrolliert eskalierte
Konflikt in Tschetschenien nun einen neuen An-
griffspunkt.
Von hier aus wollen Islamisten die gesamte Kauka-
sus-Region … destabilisieren. Ziel scheint nicht nur
die ideologische Herrschaft zu sein, sondern die
politische Schwächung von Gesellschaften und
Staaten, um im entstandenen Chaos machtpolitisch
Zugriff auf strategische Rohstoffe in Arabien und
Zentralasien zu erlangen, den Westen zu erpressen
und einen allgemeinen Krieg der Kulturen zu pro-
vozieren.
Einmal abgesehen davon, dass dies nur ein Teilaspekt
sehr komplexer Zusammenhänge und historischer Ent-
wicklungen in Tschetschenien ist, ist festzuhalten, dass
Vorschläge wie zum Beispiel der, die Staatengemein-
schaft müsse „Russland und die tschetschenische Gesell-
schaft vom Weg einer friedlichen Konfliktlösung“ über-
zeugen, nicht weiterhelfen. Wie soll denn die
Staatengemeinschaft Terrorgruppen, die Chaos produ-
zieren, um ihre Machtansprüche durchzusetzen, von ei-
ner friedlichen Konfliktlösung überzeugen?
Der Satz „Der Deutsche Bundestag fordert die Men-
schen in Tschetschenien … auf, offen für politische Lö-
sungen zu sein“ ist zwar ein gut gemeinter Ratschlag,
aber hilft natürlich auch nicht weiter.
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artner für eine politische Lösung des Konflikts wird es
rst geben, wenn die Spirale von Gewalt und Menschen-
echtsverletzungen angehalten wird und die Menschen in
schetschenien durch Lösung der Flüchtlingsprobleme
nd einen tatsächlichen Wiederaufbau eine lebenswerte
ukunftsperspektive erhalten.
Da wir gerade in diesen Tagen hochsensibilisiert auf
ie Ukraine blicken und dort verstärktes Engagement der
uropäischen Union erwarten, sollten wir ebenso mit
lick auf Tschetschenien von der Europäischen Union
ordern, dass sie gemeinsam mit der russischen Regie-
ung die Möglichkeiten zu einer umfassenden Strategie
er Stabilisierung und Vertrauensbildung in der Kauka-
usregion, also so etwas Ähnliches wie einen Stabili-
ätspakt Kaukasus, auslotet. Die Ausrichtung muss so-
ohl auf die sieben russischen Föderationssubjekte im
ordkaukasus als auch auf die südkaukasischen Repu-
liken Georgien, Armenien und Aserbaidschan mit ihren
efährlichen und ungelösten Regionalkonflikten erfol-
en. Anderswo gemachte Erfahrungen mit Strategien zur
tabilisierung von Regionen sollten von der EU genutzt
erden.
Russland sollte trotz seiner ablehnenden Haltung ge-
enüber jeglicher internationaler Einmischung nicht
bersehen, dass sich das Tschetschenienproblem allmäh-
ich zu einem Flächenbrand ausbreiten könnte und die
ilfsbereitschaft und Solidarität der internationalen Völ-
ergemeinschaft dann schnell nachlässt. Das erleben wir
n Afghanistan, im Irak, im Sudan, im Kongo usw.
Im Süden Russlands herrscht ein Bürgerkrieg. Kriege
ind eine besondere Bedrohung für die Menschenrechte.
uf die Frage, wie man auf zivilisierte Weise schwer be-
affnete und gewaltbereite Terroristen bekämpfen kann,
at man in Tschetschenien noch keine befriedigende
ntwort gefunden. Dennoch bestehen wir darauf, dass
ei dem notwendigen Kampf gegen den Terrorismus die
erhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt und die Rechte
er Zivilbevölkerung geschützt werden müssen.
Ich erteile das Wort Bundesminister Joseph Fischer.
13632 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bedauer-
licherweise führen wir hier eine zweigeteilte Debatte,
nämlich einmal eine innenpolitische über die Frage un-
serer Beziehungen zu Russland und zum anderen darü-
ber – das ist, wie ich meine, die wesentlich wichtigere –,
wie die Tragödie in Tschetschenien beendet werden
könnte. Dazu habe ich leider wenig gehört.
Lassen Sie mich mit dem ersten Teil der Debatte, dem
innenpolitischen Teil, beginnen. Es ist noch gar nicht so
lange her, dass Präsident Putin in Berlin war und hier im
Hause gesprochen hat. Ich habe bei dem Treffen sehr
sorgfältig zugehört. Vieles von dem, was hier angemahnt
wird, hätte dabei direkt vorgetragen werden können. Ich
habe aber wenig Diesbezügliches gehört. Außerdem gab
es während des Bundestagswahlkampfes – die Situation
war damals schon sehr schlimm – Reisen von Kanzler-
kandidaten nach Russland. Ich habe in der Auswertung
der Presseberichte wenig darüber gelesen, dass entspre-
chende Vorstellungen dort vorgetragen worden wären.
Darüber hinaus kann ich mich an den Besuch meines ge-
schätzten Kollegen, des früheren Außenministers Iwanow,
im Auswärtigen Ausschuss erinnern. Ich saß die ganze
Zeit dabei. Schon damals wäre all das vorzutragen gewe-
sen; aber es ist nicht vorgetragen worden.
Ich selbst war das letzte Mal am 12. Februar dieses
Jahres in Moskau. Ich habe mir jetzt die Agenturmel-
dungen heraussuchen lassen, acht Stück. Ich will nur
eine davon zitieren, nämlich Reuters:
Fischer legt deutsche Bedenken gegen Tschetsche-
nienpolitik dar
Bundesaußenminister Joschka Fischer hat bei der
russischen Regierung die deutschen Vorbehalte ge-
gen das Vorgehen Russlands in Tschetschenien un-
terstrichen – im direkten Gespräch mit Putin und
der russischen Delegation. „Wir haben intensiv
über die Entwicklung in Tschetschenien gespro-
chen“, sagte Fischer am Donnerstag nach einem
Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir
Putin in Moskau. „Ich habe unsere Besorgnis darge-
stellt, die Frage der Beachtung der Menschenrechte,
der Transparenz, die Frage der inneren Demokratie-
entwicklung.“ Der russische Außenminister Igor
Iwanow sagte bei einer gemeinsamen Pressekonfe-
renz mit Fischer, es sei kein Geheimnis, dass es
Meinungsverschiedenheiten zu Tschetschenien, der
Freiheit der russischen Medien und der Demokratie
in Russland gebe. Fischer und Iwanow betonten, sie
hätten in einem sehr offenen Gespräch diese Mei-
nungsverschiedenheiten ebenso besprochen wie
zahlreiche Themen, in denen Übereinstimmung
zwischen beiden Ländern bestehe.
Ich könnte Ihnen jetzt auch noch die anderen Zitate
vorlegen, meine Damen und Herren.
– Angesichts dieser Meldung müssten Sie Ihren Vorwurf
eigentlich zurücknehmen. Sie sagten, Fischer würde zu
all dem nahezu schweigen. Jetzt weichen Sie nicht auf
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as Sie tun, ist kurzsichtig und schlechte Oppositions-
olitik.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Pflüger?
Bitte, Kollege Pflüger.
Herr Bundesminister, Ihre Äußerungen, die in den
genturmeldungen wiedergegeben worden sind, sind
ns natürlich bekannt.
rotzdem möchte ich Sie fragen: Finden Sie es richtig,
ass der Bundeskanzler – im Gegensatz zur EU – die
ahlen in Tschetschenien als akzeptabel bezeichnet hat?
Herr Kollege Pflüger, wir, auch der Bundeskanzler,
aben diesbezüglich eine klare Haltung eingenommen.
ch weiß, dass er gerade in den Gesprächen mit Präsident
utin all die Punkte, auf die ich eben eingegangen bin,
räzise angesprochen hat.
Sie müssen die Antwort schon mir überlassen. – Des-
alb kann ich Ihnen an diesem Punkt nur sagen: Es ist
ehr kurzsichtig, was Sie hier betreiben; denn Sie lenken
ur von dem Widerspruch ab, den es bei Ihnen gibt.
ch weiß, dass es in der Politik oft schwer ist, Dilemmata
uzugeben.
Was für ein „Eiertanz“ denn? Verehrter Kollege, wenn
ie zu der Frage, wie Russland einzubinden ist, nichts
agen können und es dann als „Eiertanz“ bezeichnen,
enn ich auf dieses Dilemma hinweise, zeigt das doch
ur, in welchen Horizonten Sie tatsächlich denken.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13633
)
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Bundesminister Joseph Fischer
Kollege Pflüger – Sie können sich ruhig setzen –
– ich habe die Frage beantwortet –, den entscheidenden
Punkt haben Sie doch im ersten Teil Ihrer Rede ange-
sprochen – ich bedaure sehr, dass Sie das nicht weiter
ausgeführt haben –, nämlich in welche Richtung sich
Russland entwickelt und wie wir unsere Politik gestalten
müssen. Selbstverständlich ist die Tragödie in Tschet-
schenien dabei von zentraler Bedeutung. Sie haben zu
Recht diesen furchtbaren, grauenhaften Terrorismus an-
gesprochen: die Tatsache, dass die Unterdrückung der
Unabhängigkeitsbestrebungen in Tschetschenien dazu
geführt hat, dass es zunehmend zum Rekrutierungsfeld
des internationalen Dschihad-Terrorismus wird, und an-
dererseits die Konsequenzen, die das für die Entwick-
lung der russischen Demokratie insgesamt haben kann.
Angesichts der Entwicklung müssen wir klar zu unse-
ren Grundsätzen stehen. Wir haben immer die Grund-
sätze unserer Tschetschenienpolitik verfolgt, indem wir
zum einen auf eine politische Lösung des Konflikts ge-
drängt – ich komme gleich auf Elemente dazu zu spre-
chen – und zum anderen klar gemacht haben, dass die
territoriale Integrität Russlands beibehalten werden
muss. Eine weitere Auflösung der Russischen Födera-
tion birgt Konsequenzen, über die sich die wenigsten
Gedanken machen. Diejenigen, die dies so schlankweg
mit Unabhängigkeit gleichsetzen
– das habe ich Ihnen doch nicht vorgeworfen; wir müs-
sen uns in dieser Frage, in der Konsens besteht, ja nicht
streiten –, bedenken nicht, was das an weiterer Gewalt
und Instabilität mit sich bringen kann.
Herr Kollege Pflüger, auf meiner Reise in den Süd-
kaukasus vor einigen Monaten habe ich mit den Außen-
ministern und den Staatspräsidenten von Aserbaidschan,
Armenien und Georgien auch über die Tschetschenien-
frage diskutiert. In diesen Gesprächen habe ich zwei Fra-
gen gestellt. Erstens habe ich gefragt, wie man diesen
Konflikt und die Mentalität, die in Tschetschenien da-
hintersteckt, erklären kann. Ich sage ganz offen, dass ich
keine befriedigende Antwort erhalten habe. Meine Ge-
sprächspartner haben mir selbst gesagt, dass sie mir
keine Antwort auf diese Frage geben können. Zweitens
habe ich gefragt, was zu tun ist und wie sich dieser Kon-
flikt lösen lässt. Darauf habe ich sehr widersprüchliche
Antworten erhalten.
Auf unsere berechtigte Kritik kommt von der russi-
schen Seite sofort die Frage: Was schlagt ihr denn vor?
Wenn wir den Namen Maschadow erwähnen und fra-
gen, ob es keine Möglichkeit gibt, einen politischen Pro-
zess mit Maschadow zu beginnen, dann folgt prompt die
Antwort: Mit Terroristen werden wir dies nicht tun; er
hat zu viel Blut an den Händen. Außerdem wird darauf
verwiesen, dass es auch in der Phase zwischen dem ers-
ten Tschetschenienkrieg unter Jelzin und dem zweiten
Tschetschenienkrieg nicht funktioniert hat. Wir können
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as wissen Sie nur zu gut. Das ist das Dilemma, das ich
u beschreiben versuche und über das wir nicht einfach
inwegdiskutieren dürfen.
Ich sage doch gar nicht, dass Sie das tun. Ich habe nur
esagt, dass wir das nicht dürfen.
Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Zusammen-
ang ist die Frage: Kann es gelingen – wenn man einen
artner findet –, einen langfristigen Waffenstillstand auf
er Grundlage der territorialen Integrität der Russischen
öderation zu erreichen? Ich warne davor, die These von
er Internationalisierung einfach in den Raum zu stellen.
enn das Problem mit einem möglichen Stabilitätspakt
ür den Gesamtkaukasus ist: Weder die südlichen Repu-
liken, die ihre Unabhängigkeit bewahren wollen und
ie ihre Besorgnis äußern, noch Russland, das auf seine
erritoriale Integrität achtet, werden diesen Pakt akzep-
ieren.
Den Ansatz, die Verhältnisse mit friedlichen Instru-
enten zu verbessern, um den Prozess in Gang zu set-
en, halte ich für richtig. Aber dieser Ansatz wird an den
ngsten und an den Widersprüchen in der Kaukasusre-
ion sozusagen hängen bleiben. Wir sollten nicht mei-
en, wir könnten den Stabilitätsansatz, wie wir ihn auf
em Balkan entwickelt haben, so einfach auf diese Re-
ion übertragen.
Wir müssen in dieser Situation auch verstehen, wie
ussland die Entwicklung im südlichen und im nördli-
hen Kaukasus sieht. Gestatten Sie mir, dass ich einige
emerkungen zu diesem Punkt mache. Ich mache mir
icht die Position Russlands zu Eigen, aber ich sage,
ass man die russische Seite verstehen muss. Es ist das
rauma des Abstiegs einer Supermacht, die sich einst
uf dem Niveau der Vereinigten Staaten befunden hat.
s ist – ohne jeden Zweifel – das Trauma der territoria-
en Desintegration. Das spielt bei der Ukrainepolitik
es russischen Präsidenten und der russischen Regie-
ung, aber auch bei der Haltung der russischen Öffent-
ichkeit eine ganz entscheidende Rolle.
Bei allem Verständnis für die Situation Russlands ist
eines Erachtens aber auch klar, dass eine erfolgreiche
odernisierung Russlands ohne den Übergang zu einer
odernen Marktwirtschaft, zu einer modernen Zivilge-
ellschaft, zu einer Teilung der Macht innerhalb der un-
erschiedlichen Institutionen sowie ohne eine Festlegung
uf demokratische Grundprinzipien – wir begreifen das
ls Freiheit in der Gesellschaft und in der Wirtschaft –
13634 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Bundesminister Joseph Fischer
nicht funktionieren kann. Ich bin der festen Überzeu-
gung, dass eine Erneuerung Russlands letzten Endes da-
von abhängt, ob Russland ein aktiver Faktor in einer
wissensgetriebenen, globalisierten Wirtschaft werden
kann. Eine solche wissensgetriebene, globalisierte Wirt-
schaft lässt sich nur mit freien Individuen, also mit freien
Bürgerinnen und Bürgern erfolgreich organisieren.
Herr Minister, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Ich komme zum Ende.
Meine Damen und Herren, es ist es wert, einmal aus-
führlich im Plenum oder im Ausschuss über die Russ-
landpolitik zu diskutieren.
Im Hinblick auf die Tragödie in Tschetschenien ste-
hen wir zu unseren Grundsätzen. Ich meine, dass dabei
– ohne dass das eine Einmischung bedeutet – die OSZE
und ihre Beobachtermission, aber auch der Europarat
eine wichtige Rolle des Aufeinanderzuführens spielen
könnten. Moskau zu überzeugen ist alles andere als ein-
fach; das sage ich hier in aller Klarheit. Dennoch werden
wir nicht ruhen, weil wir der Überzeugung sind, dass der
Tschetschenienkonflikt jenseits der großen humanitären
Tragödie ein gewaltiges Destabilisierungspotenzial hat.
Wir werden an unseren Grundsätzen festhalten und wei-
ter eine klare Sprache pflegen. Wir sind unseren Grund-
sätzen verpflichtet. Wenn diese aufgerufen sind, dann
werden wir zu unseren Grundsätzen stehen; das hat die
Bundesregierung immer wieder bewiesen. Aber wir
müssen auch die ganze Komplexität des Problems be-
greifen. Glauben Sie mir, die Entwicklung im Irak und
an anderen Orten macht die Argumentation gegenüber
der russischen Seite nicht unbedingt einfacher.
Insofern verstehe ich die Nöte der Opposition auf der
einen Seite; ich will mich darüber nicht beschweren.
Aber auf der anderen Seite ist es dieses Thema wirklich
wert, vertieft und jenseits dieser innenpolitischen Spiele-
reien diskutiert und positiv vorangebracht zu werden.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Christoph
Bergner, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Als ich den Antrag, von dessen Herkunft ich erst nach-
träglich erfahren habe, gelesen habe, hat mich die dort
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Ein zweiter Kommentar scheint mir ebenfalls wichtig
u sein. Wir sprechen wirklich über eine Tragödie. Der
onflikt hat tragische Wurzeln – das ist schon mehrfach
ngesprochen worden –, die in die Zeit der zaristischen
olonisation und in die Zeit der stalinschen Deportatio-
en zurückreichen. Er hat aber auch tragische Wurzeln
m Wesen des tschetschenischen Volkes selber. Die Re-
ierung Maschadow ist nach dem Friedensabkommen,
as mit Lebed geschlossen worden war, erkennbar ge-
cheitert. Sie ist auch deswegen gescheitert, weil in die-
er Region ein Clandenken noch so stark vorherrscht,
ass es offenkundig extrem schwierig ist, Institutionen
er Staatlichkeit eigenverantwortlich zu etablieren. Auch
ies sollten wir im Blick haben, wenn wir über diesen
onflikt reden.
Angesichts einer solchen Lageeinschätzung plädiere
ch dafür, dass wir in unserem vergleichsweise behüteten
itteleuropa uns nicht mit altklugen Ratschlägen oder
it besserwisserischen Urteilen über die Situation äu-
ern;
ber ich kann uns angesichts der Dramatik auch nicht
mpfehlen, dass die Repräsentanten der deutschen Poli-
ik mit gespaltener Zunge sprechen. Dies scheint mir
indestens ebenso wichtig zu sein.
In diesem Zusammenhang, Herr Minister Fischer,
ürde ich gern die FDP vor dem Vorwurf der innenpoli-
ischen Spielerei in Schutz nehmen,
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13635
)
)
Dr. Christoph Bergner
denn wenn dieser Antrag zu einem Klärungsprozess in-
nerhalb der Bundesregierung führt,
welche Positionen man denn nun gegenüber Russland in
Sachen Tschetschenien vertreten will, dann halte ich dies
für einen wichtigen und notwendigen Beitrag.
Ebenso halte ich es für wichtig, ja für unverzichtbar,
dass wir den Dialog mit Russland nicht nur als einen
Dialog hinter verschlossenen Türen nach dem Vorbild
bismarckscher Diplomatie führen. Die Politik der Euro-
päischen Union, die auf eine strategische Partner-
schaft setzt, wird doch nur dann glaubwürdig, wenn wir
einen Dialog der Zivilgesellschaften unterstellen. Zu
diesem Dialog gehört in punkto Tschetschenien sehr vie-
les, was zumindest mir bisher viel zu sehr verdrängt
wurde.
Dass einer der heute meistgefürchteten, gefährlichs-
ten Terroristen, Schamil Bassajew, noch Anfang der
90er-Jahre im Abchasienkonflikt für russische Interessen
gegen georgische Truppen gekämpft hat, macht doch
eine Diskussion über den Zusammenhang zwischen
tschetschenischem Terrorismus und seiner Vorge-
schichte notwendig.
Wenn russische Truppen – übrigens in einem sehr en-
gen Zusammenhang zur ersten Wahl Wladimir Putins
zum Präsidenten; dies war sogar ein Argument für seine
Wahl – mit großer Härte und mit dem Ziel eines Unter-
werfungsfriedens in Tschetschenien agieren, so müssen
wir uns nicht wundern, dass sie den Widerstand in die
asymmetrische Kriegführung treiben und es jetzt terro-
ristische Strukturen gibt, von denen wir zu Recht fürch-
ten, dass sie sich dem Netzwerk des islamistischen Ter-
rorismus anschließen.
Es gibt also viel Raum für offene Diskussionen –
nicht besserwisserisch, aber offen und nicht beschränkt
auf Diplomatie hinter verschlossenen Türen. Wenn die
heutige Debatte und der aus einem Parteitagsbeschluss
abgeleitete FDP-Antrag einen Beitrag dazu leisten, so
erachte ich dies für wichtig und notwendig. Gleichwohl
halte ich es nicht für richtig, über diesen Antrag sofort
hier im Plenum abzustimmen, denn im Hinblick auf das
Problem erkenne ich an dem Parteitagsbeschluss der
Grünen noch zu viele Mängel.
Weil die Lampe aufleuchtet, will ich nur noch zwei
Stichworte nennen. Wir werden mehr Nachdenklichkeit
investieren müssen, als wir in diesem Antrag finden,
wenn wir die Frage beantworten wollen, was Deutsch-
land und die EU zur Lösung des Tschetschenienkonflik-
tes beitragen können.
Hinsichtlich eines zweiten Punktes will ich durchaus
die Sichtweise des Bundesaußenministers unterstützen.
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zum Antrag der Fraktion der FDP auf
rucksache 15/3955 mit dem Titel „Zukunft für Tschet-
chenien“. Mir ist gerade mitgeteilt worden, dass die
DP nach der Debatte auf die sofortige Abstimmung
erzichtet, sodass wir gemeinsam davon ausgehen kön-
en, dass Überweisung beantragt ist. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. An welche Ausschüsse
oll überwiesen werden?
Sind Sie damit einverstanden? – Dann ist so beschlos-
en.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:
– Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes über die parlamentarische Beteiligung bei
der Entscheidung über den Einsatz bewaffne-
– Drucksache 15/2742 –
– Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Jörg van Essen, Rainer Funke, Günther
Friedrich Nolting, weiteren Abgeordneten und
der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs ei-
nes Gesetzes zur Mitwirkung des Deutschen
Bundestages bei Auslandseinsätzen der Bun-
deswehr
– Drucksache 15/1985 –
13636 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts-
ordnung
– Drucksache 15/4264 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Dieter Wiefelspütz
Ronald Pofalla
Volker Beck
Jörg van Essen
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Widerspruch höre
ich nicht. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
der Abgeordnete Gernot Erler.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In der Bundesrepublik Deutschland hat das Parlament
bei Entscheidungen über Auslandseinsätze eine beson-
dere Verantwortung. Das ist anders als in anderen Län-
der. Diese Besonderheit findet in diesem Haus breite Zu-
stimmung. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz will und
wird diese besondere Verantwortung stärken und kon-
kretisieren.
Meine Fraktion sieht im Parlamentsvorbehalt einen
Teil einer politischen Kultur der Zurückhaltung beim
Einsatz bewaffneter Kräfte im Ausland.
Wir fühlen uns in dieser Frage durch die Erfahrungen
der letzten Jahre bestätigt. Die rot-grüne Bundesregie-
rung hat deshalb ein Gesamtkonzept für vorausschau-
ende Friedenspolitik, Krisenprävention und Frie-
denskonsolidierung entwickelt. Dass heute fast alle der
mehr als 7 000 deutschen Soldaten, die im Ausland tätig
sind, an Missionen zur Friedenskonsolidierung teilneh-
men, ist kein Zufall. Wenn wir heute Morgen den Be-
schluss gefasst haben, 200 Soldaten an einer Friedens-
mission in Darfur zu beteiligen, passt das genau in dieses
Konzept.
Hinter allen deutschen Einsätzen steht nicht nur eine
wohl erwogene Entscheidung der Bundesregierung, son-
dern auch eine sehr sorgfältige Abwägung aller Bundes-
tagsabgeordneten. Das soll auch so bleiben.
Ich selbst habe bei der Vorbereitung dieses Gesetzent-
wurfs eine koordinierende Funktion wahrgenommen und
kann sagen: Bisher war es wirklich selten der Fall, dass
wir uns so gründlich mit einem Gesetzentwurf beschäf-
tigt haben. Auch ist es nicht sehr häufig der Fall gewe-
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Wir haben uns bei der Vorbereitung dieses Gesetzent-
urfes Zeit genommen. Am 17. Juni dieses Jahres haben
ir im Rahmen einer Anhörung auch die Expertise von
ußen genutzt und dabei Anregungen bekommen und
ertungen erfahren.
Ich möchte hier ausdrücklich sagen: Ich habe Respekt
or dem Gesetzentwurf der Kollegen von der FDP.
rotzdem ist es nicht zu einem gemeinsamen Gesetzent-
urf gekommen. Es gab nämlich einen wichtigen Unter-
chied: Die Liberalen haben die Einsetzung eines Aus-
chusses für besondere Auslandseinsätze für richtig
ehalten. Dafür gibt es nachvollziehbare Argumente.
ns war es aber wichtig, dass jeder einzelne Abgeord-
ete des Deutschen Bundestages weiterhin eine Verant-
ortung für Auslandseinsätze hat. Das ist für uns der
ern des Parlamentsvorbehalts. Deswegen konnten wir
ns nicht verständigen. Wenn man sich die Gesetzent-
ürfe genauer ansieht, wird man allerdings feststellen,
ass wir uns in der Sache näher sind, als es die Vorlage
onkurrierender Gesetzentwürfe suggeriert.
Dieses Gesetz wurde, nachdem wir den Entwurf vor-
elegt hatten, auch in der Öffentlichkeit kritisch betrach-
et und begleitet. Das ist zu begrüßen. Es gibt bis heute,
brigens auch in meiner eigenen Fraktion, Kolleginnen
nd Kollegen, bei denen noch Zweifel übrig geblieben
ind. Ich bin der festen Überzeugung, dass es uns in der
raxis, in der Anwendung dieses Gesetz gelingen wird,
u zeigen, dass diese Zweifel nicht berechtigt sind. Ich
ill hier noch einmal drei Punkte kurz herausgreifen:
Selbstverständlich – das ist der erste Punkt – werden
ir darauf achten, dass bei den humanitären Hilfs-
iensten und Hilfsleistungen durch die Bundeswehr im
usland, bei denen Waffen lediglich zur Selbstverteidi-
ung mitgeführt werden, kein Übergang in irgendeine
ndere Form von Mission, die in die Nähe eines bewaff-
eten Einsatz es gerät, möglich sein wird. Wir haben da-
it bei den bisherigen Auslandseinsätzen der Bundes-
ehr eine Menge Erfahrung gesammelt. Das Parlament
at jedes Recht, falls eine solche Gefahr sichtbar wird,
as zum Gegenstand der parlamentarischen Beratungen
u machen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13637
)
)
Gernot Erler
Der zweite Punkt betrifft Einsätze von geringer Be-
deutung, zum Beispiel im Falle der Vorausentsendung
einer Beobachtergruppe oder wenn einzelne Soldaten in
Friedensmissionen der Vereinten Nationen oder anderer
internationaler Organisationen eingesetzt werden sollen
oder ein Austausch vereinbart wird. Auch die Entschei-
dung über solche Einsätze von geringer Bedeutung
bleibt unter dem Parlamentsvorbehalt. Das vereinfachte
Zustimmungsverfahren ist auch ein Zustimmungsver-
fahren; das möchte ich ausdrücklich betonen.
Es soll nur verhindern, dass die Kompliziertheit des um-
fassenden Verfahrens zu einem Hemmschuh wird, wenn
es bei völlig unstreitigen Missionen darum geht, zwei,
drei uniformierte Kräfte in eine Friedensmission zu schi-
cken, Spezialisten, die dort gebraucht werden; in dem
Fall könnte das gewöhnliche Verfahren hemmend wir-
ken, weil es zu kompliziert ist.
Der dritte Punkt betrifft die Verlängerung von Ein-
sätzen nach dem vereinfachten Zustimmungsverfahren.
Diese wird nur dann überhaupt stattfinden, wenn die
Bundesregierung von einem vollständigen Konsens im
Deutschen Bundestag ausgehen kann und dafür auch
entsprechende Hinweise hat. Auch in dem Fall wird es
dabei bleiben, dass jede Fraktion das Recht hat, doch
eine Behandlung im Plenum des Deutschen Bundestages
zu verlangen, ebenso jede beliebige Gruppe, die mindes-
tens 5 Prozent aller Abgeordneten des Deutschen Bun-
destages ausmacht. Das heißt, auch bei der Verlängerung
gehen wir überhaupt kein Risiko einer irgendwie gearte-
ten Einschränkung des Parlamentsvorbehalts ein. Das
hatten wir nicht im Sinn. Aber es bedeutet ja nicht unbe-
dingt eine Stärkung des Parlamentsvorbehalts, wenn alle
vorher schon wissen, dass wir völligen Konsens über die
Verlängerung, die Fortführung der Mission bei unverän-
dertem Einsatz haben werden. Dann brauchen wir nicht
das komplette Verfahren. In einem solchen Fall macht es
Sinn, von dem vereinfachten Verfahren Gebrauch zu ma-
chen.
Ich komme zum Abschluss: Liebe Kolleginnen und
Kollegen, das Parlamentsbeteiligungsgesetz stärkt die
Rechte des Bundestages.
Es regelt sie im Detail. Wir folgen damit einer Anre-
gung, die das Bundesverfassungsgericht dem Deutschen
Bundestag schon vor zehn Jahren gegeben hat. Ich bin
froh, dass wir heute hierbei zu einem Abschluss kom-
men. Wir bleiben bei unserer Grundsatzentscheidung für
ein Parlamentsheer. Wir tun das im Rahmen unserer
Kultur der Zurückhaltung bei internationalen Ein-
sätzen; das möchte ich noch einmal ausdrücklich beto-
nen. Insofern kann ich nur sagen: Dieses Gesetz, das wir
wirklich sehr gründlich vorbereitet haben und bei dem
wir wechselseitig viel voneinander gelernt haben, ver-
dient die breite Zustimmung dieses Hauses.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Christian
chmidt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
nd Kollegen! Wir beraten heute über die verfahrensmä-
ige und inhaltliche Ausgestaltung eines wichtigen Par-
amentsrechts, nämlich des Zustimmungsvorbehalts
es Deutschen Bundestages für Auslandseinsätze der
undeswehr.
Das in seinen Grundzügen durch das Bundesverfas-
ungsgericht, wie bereits angesprochen, 1994 bestätigte
echt gibt dem Hohen Hause eine wichtige Mitverant-
ortung bei Entscheidungen für die Sicherheit und die
ußenpolitische Handlungsfähigkeit unseres Landes.
eswegen war es gut, dass sich alle Fraktionen in tief
reifenden Erörterungen bemüht haben, ein einvernehm-
iches Gesetz zustande zu bringen. Für die der Bedeu-
ung der Materie angemessene Beratung danke ich des-
egen den beteiligten Kolleginnen und Kollegen aus
llen Fraktionen.
Dass es nicht gelungen ist, zu einem gemeinsamen
esetzentwurf zu kommen, zeigt aber auch, dass der
pannungsbogen zwischen Parlamentsrecht einerseits
nd außen- und sicherheitspolitischer Verlässlichkeit an-
ererseits unterschiedlich bewertet wird. Die CDU/
SU-Fraktion stimmt beiden Gesetzentwürfen nicht zu.
ies heißt aber nicht, dass wir die gefundenen Regelun-
en für falsch halten.
ir sind jedoch der Ansicht, dass sie nicht ausreichen.
ie stellen eine Festschreibung der Parlamentspraxis dar,
ie wir in den letzten zehn Jahren gefunden haben. Zu-
em wird in beiden Gesetzentwürfen richtigerweise da-
on ausgegangen, dass der Deutsche Bundestag ein
ückholrecht bei bereits begonnenen Einsätzen hat.
ir wollen aber eine umfassendere Regelung für vorher-
ehbare Einsatzrisiken und Einsatzszenarien der Zu-
unft und werden uns deswegen in einiger Zeit wohl
ieder in diesem Kreise treffen, um über die Fortent-
icklung dieser Gesetzgebung zu beraten.
Ich hoffe, dass auch im Folgenden Übereinstimmung
esteht: Die Zustimmung des Deutschen Bundestages
ntbindet die Bundesregierung nicht von ihrer Pflicht,
as Ob und das Wie des Einsatzes zu verantworten. Der
eutsche Bundestag eignet sich nicht zum Feldherrn. Er
erleiht den Entscheidungen der Bundesregierung
ine demokratische Legitimation. Allerdings geht
hne eine Entscheidung des Bundestages nichts. Ent-
cheidungen über Auslandseinsätze der Bundeswehr
erden vom Deutschen Bundestag grundsätzlich durch
orherige konstitutive, das heißt, verfassungsmäßige Zu-
timmung getroffen. Damit haben wir mehr Einfluss als
ie meisten anderen Parlamente. Dieser Einfluss ist aber
13638 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
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Christian Schmidt
kein Selbstzweck. Einerseits verschafft er den Einsätzen
der Bundeswehr die genannte starke demokratische Le-
gitimation, andererseits nimmt er uns als Parlament in
die Verantwortung, außenpolitische Verlässlichkeit zu
beachten. Insoweit ähnelt er mehr der Ratifizierung völ-
kerrechtlicher Verträge, bei der die internationalen Be-
züge auch immer zu beachten sind.
Darüber hinaus muss der Bundestag aufgrund der Dy-
namik, die in solchen Einsätzen steckt, das zitierte Rück-
holrecht haben. Wenn sich in einem Einsatzgebiet die
Lage so verändert, dass eine Fortsetzung nicht mehr in
unserem Interesse oder nicht mehr verantwortbar er-
scheint, dann muss die Möglichkeit bestehen, dass der
Bundestag handelt. Allerdings liegt die Verantwortung
dafür schon allein aufgrund der umfassenderen Einschät-
zungsmöglichkeiten der jeweiligen Lage auch hier zuerst
bei der Bundesregierung. Diese Einschätzungs- bzw.
Handlungsmöglichkeit der Bundesregierung korres-
pondiert mit einem nachhaltigen Informationsan-
spruch des Parlaments und einer Informationspflicht
der Bundesregierung.
Um bei schutz- und geheimhaltungsbedürftigen Sach-
verhalten eine Information sicherzustellen, halten wir
den Vorschlag im Grundsatz für richtig, ein entsprechen-
des Gremium zu schaffen, das Adressat dieser Informa-
tion im formellen Bereich sein kann. Das Letztentschei-
dungsrecht muss allerdings beim Plenum verbleiben. Ich
denke, dass das Informationsgremium von großer Be-
deutung ist und dass wir den hier gefundenen Ansatz-
punkt noch weiterentwickeln müssen.
Einsätze mit erkennbar geringer Bedeutung sollten
die konstitutive Zustimmung des Bundestages in erleich-
terter Form durch ein Gesetz erhalten. Hierzu sind einige
gute Ansätze zu finden. Wenn ein Einsatz verlängert
wird und das Mandat dabei keine grundlegende Erweite-
rung erfährt, dann sollte der Bundestag nur dann damit
befasst werden, wenn dies der Wunsch einer Fraktion ist.
Auch insoweit besteht Einvernehmen.
Unterschiedliche Auffassungen bestehen hinsichtlich
des Verfahrens der Parlamentsbeteiligung bei den so ge-
nannten integrierten Verbänden.
Dies ist für uns eine sehr zentrale Frage. In einem Parla-
mentsbeteiligungsgesetz hätte als wesentlicher Punkt be-
rücksichtigt werden müssen, dass das Parlament gerade
im Bereich der internationalen Verpflichtungen seine
Entscheidung an derart vielen Faktoren orientieren
muss, dass im Sinne – das wiederhole ich – der außenpo-
litischen Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit unseres
Landes – diesen Terminus hat auch das Bundesverfas-
sungsgericht gebraucht – eine frühzeitige grundsätzliche
Klärung notwendig und angezeigt ist.
Wenn man bereit ist, gemeinsame Verbände aufzu-
stellen, muss man sich schon zu diesem Zeitpunkt
grundsätzlich darüber einigen, für welche Einsätze diese
Einheiten genutzt werden dürfen.
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Christian Schmidt
Ungeklärt bleibt auch die Frage einer Klarstellung in
der Verfassung. Wir haben darüber im Zusammenhang
mit dem Gesetz über den Auslandseinsatz nicht intensiv
diskutiert. Aber auch das kommt auf uns zu. Art. 87 a
des Grundgesetzes schreibt uns vor, dass die Bundes-
wehr nur zur Verteidigung und in ausdrücklich zugelas-
senen Fällen einzusetzen ist.
Es reicht natürlich nicht aus, Herr Wiefelspütz, wenn der
Bundesverteidigungsminister erklärt, dass die Freiheit
auch am Hindukusch verteidigt werden muss, sodass
dies auch ein Verteidigungsfall ist. Vielmehr muss man
sich diesem Problem wirklich widmen.
Ich bin sehr zurückhaltend mit Forderungen nach ei-
ner Änderung oder Ergänzung der Verfassung. Aber über
diese Frage müssen wir uns trotzdem intensiv unterhal-
ten.
– Das ist interessant. Ich entsinne mich aus der Zeit vor
dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem
Jahre 1994 daran, dass damals aus Ihrer Fraktion ganz
andere Töne zu hören waren.
Wir gehen bei der Beantwortung der Frage, was notwen-
digerweise zu tun ist, doch sehr nüchtern vom Prinzip
der Zurückhaltung aus.
Wir werden diesen Gesetzentwürfen aus den genann-
ten Gründen nicht zustimmen können. Sie geben Sicher-
heit für das Verfahren, lösen aber die Probleme der Zu-
kunft nicht. Wir sind aber nicht am Ende aller Tage, wir
werden uns wiedersehen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Volker Beck.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ti-
tel dieses Gesetzes – Parlamentsbeteiligungsgesetz – ist
eigentlich Ausdruck von Tiefstapelei. Er müsste eigent-
lich „Parlamentsentscheidungsgesetz“ lauten; denn von
einer bloßen Beteiligung des Parlaments an der Entsen-
dung deutscher Soldaten in bewaffnete Auslandseinsätze
kann auf Grundlage dieses Gesetzes wahrlich keine
Rede sein. Es bleibt dabei: Der Deutsche Bundestag ist
die entscheidende Instanz, die jedem dieser Einsätze erst
grünes Licht geben muss. Geschieht dies nicht, gibt es
keinen solchen Auslandseinsatz,
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ei dem deutsche Soldatinnen und Soldaten in bewaff-
ete Unternehmungen einbezogen sind. Ausnahmen
erden ausdrücklich nicht geduldet. Ich finde, das ist
ichtig so.
Die Koalition stärkt mit diesem Gesetz nicht nur die
echte des Parlaments. Wir schaffen auch – das ist ganz
ntscheidend – die für die Soldatinnen und Soldaten er-
orderliche Rechtssicherheit und stärken vor allem die
ultilaterale Handlungsbereitschaft Deutschlands.
ch finde, die Soldatinnen und Soldaten haben einen An-
pruch darauf, dass nicht nur die Regierung hinter einem
insatz steht, sondern dass auch die Mehrheit des Parla-
ents ihren Einsatz, bei dem sie ihr Leben riskieren, un-
erstützt, dass sie also einen legitimierten Auftrag haben.
abei sollten wir bleiben. Das war eine der Leitideen für
iesen Gesetzentwurf.
Unser Gesetz stärkt die Bundeswehr als Parla-
entsheer. Sie wird nicht zum Ausschussheer, wie dies
eispielsweise die FDP mit ihrem Entsendeausschuss
orschlägt.
as würde partiell zu Einsätzen führen – das wurde ge-
ade angesprochen –, die eben nicht vom Plenum des
eutschen Bundestages legitimiert sind, sondern von ei-
em kleinen Klub der verschworenen Herren. Womög-
ich würde sogar – Sie wollen ja auch geheime Einsätze
ulassen – unter Geheimhaltungspflicht hier beschlos-
en, dass die Soldatinnen und Soldaten in eine bewaff-
ete Auseinandersetzung geschickt werden. In den USA
ibt es solche geheim geführten Einsätze, sozusagen ge-
eime Kriege, beispielsweise in Südamerika.
ort weiß der amerikanische Kongress nicht, was die ei-
ene Armee im Ausland tut.
as halten wir nicht für richtig.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber
994 nahe gelegt, für bewaffnete Auslandseinsätze der
undeswehr konkrete und detaillierte Regelungen zu
reffen. Rot-Grün hat diese Empfehlung aus Karlsruhe
ufgegriffen
nd umgesetzt. Aber nicht nur das: Wir gestalten den
ntscheidungsbereich des Karlsruher Urteils und schöp-
en diesen umfassend parlamentsfreundlich aus.
13640 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
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Volker Beck
Die zweitgrößte Fraktion hier im Hause, die CDU/
CSU, hat sich anders als die FDP, die sich mit einem ei-
genen Gesetzentwurf an der Debatte beteiligt hat,
nicht die Mühe gemacht, ihre Überlegungen zu konsoli-
dieren. Sie stellen keine Änderungsanträge. Ich kenne
von Ihnen eigentlich nur den Vorentwurf zu einem Eck-
punktepapier. Weiter sind Ihre Überlegungen nicht ge-
diehen, weil es zu diesem schwierigen Thema auch bei
Ihnen interne Auseinandersetzungen gegeben hat.
Das soll man hier nicht verschweigen. Ich bin mir nicht
sicher, ob alle Mitglieder Ihrer Fraktion Ihre entschie-
dene Kritik an bestimmten Punkten teilen, Herr Schmidt.
Bei aller Konstruktivität, Herr Pofalla und Herr
Schmidt, im Ausschuss sollten wir die Differenzen, die
wir hatten und die dazu geführt haben, dass wir keinen
gemeinsamen Gesetzentwurf eingebracht haben, nicht
verdecken; denn die Öffentlichkeit hat einen Anspruch
darauf, zu verstehen, was uns in dieser Debatte bewegt
hat.
Ich verstehe nicht ganz, dass hier einerseits weitge-
hende Vorschläge gemacht, diese andererseits aber nicht
in Anträge umgesetzt werden. Herr Schmidt, Sie schla-
gen in Ihrem Entwurf eines Eckpunktepapiers vor, dass
wir bei bewaffneten Einsätzen der Bundeswehr im Rah-
men der NATO und der Europäischen Union die Zu-
stimmungspflicht des Bundestages vollständig aufhe-
ben. Das heißt, mit der Ratifizierung dieser Verträge
sollen wir quasi einen Persilschein für internationale
Einsätze ausstellen. Ich finde, unsere Soldatinnen und
Soldaten haben bei solchen Einsätzen und bei Einsätzen
in integrierten Verbänden mehr Rückhalt im Deutschen
Bundestag verdient. Deshalb lehne ich diesen Vorschlag
ganz eindeutig ab.
Sie schütteln hier mit dem Kopf, meine Kolleginnen
und Kollegen von der Opposition. Deshalb will ich Ih-
nen mit Erlaubnis der Präsidentin aus der „Süddeutschen
Zeitung“ einige Zeilen vorlesen, die Ihre Position sehr
prägnant zusammenfassen:
Die Union will hier die Entscheidung über den
Truppeneinsatz dem NATO-Rat überlassen. Dafür
besteht kein Anlass. Deutschland bleibt verlässli-
cher Partner, auch wenn sich der Bundestag das
Recht vorbehält, über jeden Einsatz zu befinden.
Die Erfahrung zeigt, dass Militärmissionen nicht
über Nacht beschlossen werden. Es bleibt genug
Zeit, den Bundestag zu befassen. Entscheidungen
womöglich über Leben und Tod bedürfen der öf-
fentlichen Debatte und sollten nicht in einer Minis-
terrunde fallen.
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ch finde, die „Süddeutsche Zeitung“ hat Recht. Das un-
ermauert unsere Argumentation.
Über bewaffnete Einsätze, über die Beteiligung
eutschlands an einem Kriegseinsatz entscheidet in
eutschland das gewählte Parlament und Blankoschecks
n Form von Ratifizierungsurkunden wird es mit dieser
oalition nicht geben.
Die FDP hat einen eigenen Vorschlag gemacht. Ich
telle fest: In Bezug auf viele Elemente weisen unser Ge-
etzentwurf und Ihr Gesetzentwurf Schnittmengen auf.
ber eine entscheidende Differenz muss man doch he-
ausarbeiten: Sie wollen ein Sondergremium für ge-
eime Kriegseinsätze schaffen. Damit würde ein Tor
ür etwas geöffnet, was wir doch gerade nicht wollen
nd was sich mit einem umfassenden Parlamentsvor-
ehalt nicht verträgt. Geheime Kriegseinsätze, die nur
inem ausgewählten Kreis bekannt sind, darf es nicht ge-
en. Unser Gesetzentwurf bietet dagegen ein flexibles
nstrumentarium, das der gesamten Bandbreite von
enkbaren bewaffneten Einsätzen und vor allem auch
em Parlamentsvorbehalt gerecht wird.
Wir stärken das Parlament über den Status quo hi-
aus. In der verfassungsrechtlichen Literatur gibt es ei-
en Streit darüber, ob der Bundestag zum Beispiel ein
ückholrecht hat. Wir klären das jetzt gesetzlich ganz
lar. Wenn sich der Charakter eines Einsatzes verändert,
enn das Parlament zu einer neuen Auffassung gelangt,
ann kann das Parlament sagen: Wir beenden diesen
insatz. Dieser entscheidende Punkt weist, wie ich
inde, nach vorn.
Sie, Herr Schmidt, haben in Bezug auf die integrier-
en Verbände angemerkt, dass man innerhalb von zwei
agen einen Einsatz herbeiführen müsste. Ich kann mir
iese Konstellation nur bei Fällen vorstellen, bei denen
s sich um Gefahr im Verzug handelt, wo es ganz kon-
ret darum geht, Menschenleben zu retten. Für diese Si-
uation haben wir eine Möglichkeit geschaffen. Es wäre
a auch verrückt, wenn wir zusehen müssten und das
otwendige nicht getan werden könnte. Hier vertrauen
ir der Bundesregierung. Die Bundesregierung wird
interher das Parlament informieren und wir werden das
m Nachgang legitimieren. Die Bundesregierung ist also
andlungsfähig.
Hinsichtlich der Fälle, bei denen es sich nicht um Ge-
ahr in Verzug handelt, bei denen es vielmehr um eine
ichtige militärische Operation geht, kann ich mir gar
icht vorstellen – das höre ich auch von unseren Vertei-
igungspolitikern und den Militärs –, dass das ohne Vor-
ereitung in den internationalen Gremien oder ohne mi-
itärische Vorbereitung der Bundeswehr überhaupt
emacht werden kann. Eine Konstellation, dass der Bun-
estag nicht rechtzeitig einbezogen werden könnte, dass
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13641
)
)
Volker Beck
wir in einem solchen Fall nicht zusammentreten und
über einen Einsatz beschließen könnten, kann ich mir
nicht vorstellen. Ich halte dieses Fallbeispiel für künst-
lich und konstruiert.
Wir sorgen dafür, dass die Bundesregierung in Zu-
kunft öfters die Bereitschaft Deutschlands anbieten
kann, bei Kleinsteinsätzen mitzuwirken, weil wir auf-
grund des vereinfachten Verfahrens flexibler geworden
sind. Aber bei gefährlichen und politisch womöglich
streitigen Einsätzen müssen wir uns weiterhin im Ple-
num treffen und uns als Abgeordnete zu unserer Verant-
wortung für das, was die Bundeswehr im Ausland leisten
soll, bekennen. Ich finde, das ist die richtige Entschei-
dung. Dabei wird es in der Zukunft auch sicherlich blei-
ben, Herr Schmidt.
Das Wort hat jetzt der Kollege van Essen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die heutige Debatte ist ein Beispiel dafür, dass auch aus
der Opposition heraus Dinge angestoßen und gestaltet
werden können.
Bereits in der letzten Legislaturperiode hatte die FDP
den Anstoß gegeben, über dieses Thema im Deutschen
Bundestag zu debattieren und zu einer Lösung zu kom-
men. Ich bin sehr froh, dass wir als kleinste Fraktion als
Erste einen vollständigen Gesetzentwurf dazu haben
vorlegen können.
Uns ist das Thema deshalb wichtig, weil sich die FDP im-
mer besonders intensiv mit der Frage Recht und Einsatz
von Militär und Parlament und Einsatz von Militär aus-
einander gesetzt hat. Die Entscheidung des Bundesver-
fassungsgerichts von 1994, auf der alles, über das wir
hier debattieren, fußt, ist damals ebenfalls von der FDP
angestoßen worden. Ich erinnere daran, dass die Ent-
scheidung über den AWACS-Einsatz über der Türkei, für
den wir die Zustimmung des Bundestags für erforderlich
gehalten haben, von uns an das Bundesverfassungsge-
richt herangetragen worden ist, weil es für uns eine klare
Maxime gibt: Der Bundestag muss, wann immer es mög-
lich ist, die Zustimmung zu Auslandseinsätzen geben.
Ich denke, dass die bisherige Debatte gezeigt hat, dass
es für die Beteiligung des Deutschen Bundestages an den
Auslandseinsätzen gute und wichtige Gründe gibt. Wer
sich die Praxis anschaut, stellt fest, dass nahezu immer
die Befassung des Deutschen Bundestages dazu geführt
hat, dass die Bundesregierung Klarstellungen vorneh-
men musste, egal wer die Bundesregierung gestellt hat.
Das war zu den Zeiten der Fall, als wir sie gestellt haben,
genauso wie jetzt. Es hat Präzisierungen zugunsten der
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Deshalb, Herr Erler, bin ich Ihnen ganz außerordent-
ich dankbar, dass Sie deutlich gemacht haben, dass alle,
ie sich an der Diskussion beteiligt haben, von einem
edanken geprägt waren: die Parlamentsbeteiligung
uszubauen und zu stärken.
Bei denen, die sich an der Diskussion beteiligt hatten,
ar es so. Sie haben nicht umsonst den Kollegen ge-
ankt und sie namentlich aufgeführt. Ich war froh darü-
er, dass es so war.
Trotzdem gibt es Unterschiede zwischen dem Ent-
urf der Koalition und dem Entwurf der FDP. Ein we-
entlicher Unterschied ist schon angesprochen worden.
uf den würde ich gerne eingehen: Es handelt sich um
nseren Vorschlag zur Einrichtung eines besonderen
usschusses Herr Beck, es ist ein völlig absurder Vor-
urf, dass damit die Beteiligung des Deutschen Bundes-
ages ausgehebelt werden soll.
ch will das an einem Beispiel deutlich machen. Diejeni-
en, die etwas länger im Deutschen Bundestag sind, er-
nnern sich daran, dass die Bundesregierung sehr schnell
ber die Befreiung von Geiseln in Tirana in Albanien
ntscheiden musste.
ie hat damals ohne Zustimmung des Bundestages ge-
andelt, aber die Obleute unterrichtet. Was hätte eigent-
ich dagegen gesprochen, dass wir einen formalisierten
usschuss dazu gebracht hätten, sich mit dieser Frage zu
efassen und damit auch die parlamentarische Beteili-
ung sicherzustellen? Von daher ist dieser Ausschuss für
ns ein Mittel, in den Fällen, in denen besonders
chnelle Entscheidungen notwendig sind und in denen
ich die Bundesregierung auf das Bundesverfassungsge-
icht stützen könnte, die formalisierte Beteiligung des
arlaments sicherzustellen. Das wäre also eine Auswei-
ung gegenüber dem jetzigen Zustand.
Ich denke, dass auch bei einem zweiten Punkt die
berlegungen richtig sind. Mich hat nicht gewundert,
ass der stellvertretende Generalinspekteur in der Anhö-
ung sehr viel Sympathie für unsere Überlegungen geäu-
ert hat.
13642 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Jörg van Essen
– Der Minister auch; im Übrigen auch der Bundesaußen-
minister.
Denn es wird auch in Zukunft geheime Einsätze ge-
ben, Herr Beck, auch wenn Sie das verneinen.
Es wird solche Einsätze geben und es wird sie geben
müssen. Wenn wir uns als Bundestag an den Einsatzent-
scheidungen beteiligen, dann müssen wir auch zur
Kenntnis nehmen, dass der Schutz des Lebens der Solda-
ten bei besonders riskanten Einsätzen manchmal die Ge-
heimhaltung einer Operation notwendig macht. Dass es
sehr schnell zu einer solchen Situation kommen kann,
haben wir erlebt, als die Geiseln in der Sahara entführt
wurden.
Seinerzeit hätten wir nicht vorher im Deutschen Bundes-
tag eine Diskussion darüber führen können, wer wie und
unter welchen Kautelen die Befreiung der Geiseln vor-
nehmen würde, wenn die algerische Regierung ihre Zu-
stimmung gegeben hätte. Die Bundesregierung hatte
sich schon darum bemüht.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Ströbele?
Ja, gerne.
Herr Kollege van Essen, Ihr Vorschlag, einen Aus-
schuss für besondere Einsätze zu bilden, hat den Man-
gel, dass sich das Plenum des Bundestages dann grund-
sätzlich nicht mehr mit diesen Einsätzen befassen muss.
Meinen Sie nicht, dass damit die Entscheidung durch das
Plenum umgangen würde? Darin besteht der Unter-
schied zwischen diesem Fall und dem Einsatz in Tirana
oder anderen Einsätzen, bei denen zwar zunächst eine
eilbedürftige Entscheidung erforderlich sein mag, sich
aber nach unserem Gesetzentwurf der Bundestag in je-
dem Fall damit befassen und im Plenum darüber ent-
scheiden muss.
Herr Kollege Ströbele, Sie haben offensichtlich unse-
ren Gesetzentwurf nicht gelesen. Denn daraus geht her-
vor, dass der Vorgang in die Zuständigkeit des gesamten
Bundestages fällt, sobald die Geheimhaltungsbedürftig-
keit nicht mehr besteht. Insofern wird das Plenum nicht
ausgeschlossen.
Im Übrigen kann der Deutsche Bundestag die Sache
jederzeit an sich ziehen, wenn er dies für richtig hält.
Von daher werden die verfassungsrechtlichen Vorga-
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olche Äußerungen finde ich empörend und sie werden
er Verantwortung, die wir als Abgeordnete gegenüber
en Soldaten haben, in keiner Weise gerecht.
Unsere Vorschläge werden gerade auch von militäri-
cher Seite unterstützt. Deshalb bin ich der Auffassung,
ass wir mit unserem Gesetzentwurf auf dem richtigen
eg sind.
Frau Präsidentin, ich komme damit zum Schluss. Es
esteht in vielen Punkten Übereinstimmung zwischen
ns und der Koalition. In einem Punkt gibt es zwar einen
esentlichen Unterschied, aber ich denke, dass wir einen
esetzentwurf verabschieden werden, der die Rechte
nd die Verantwortung des Bundestages stärkt. Deshalb
alte ich das für einen guten Tag für das Parlament, zu-
al wir das Ganze selbst erarbeitet haben.
Der Abgeordnete Ströbele hat das Wort zu einer
urzintervention.
Herr Kollege van Essen, ich stelle klar: Den Satz, den
ie mir in den Mund gelegt haben, habe ich nie gesagt.
as war auch nicht meine Meinung. Als Kanonier der
eserve kümmere ich mich selbstverständlich um die
oldaten und um ihr Schicksal.
Herr Kollege Ströbele, ich stelle fest, dass wir beide
rtilleristen sind.
ber damit endet die Gemeinsamkeit auch schon.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13643
)
)
Jörg van Essen
Ich bleibe bei meiner vorhin geäußerten Behauptung;
denn Ihre Bemerkung hat mich damals sehr berührt. Ich
finde nämlich, dass wir als Abgeordnete des Deutschen
Bundestages insbesondere gegenüber den Soldaten, die
sehr schwierige Missionen auszuführen haben – das sind
beispielsweise die Soldaten des Kommandos Spezial-
kräfte –, Verantwortung haben. Ich bin aber dankbar,
dass Sie heute jedenfalls klar machen, dass Sie die Posi-
tion, die Sie damals mir gegenüber vertreten haben, nicht
aufrechterhalten. Insofern war Ihre Intervention sicher-
lich hilfreich.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Dieter
Wiefelspütz.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Deutsche Bundestag hat heute Vormittag zum
43. Mal seine Zustimmung zu einem Auslandseinsatz
deutscher Streitkräfte erklärt. Wir blicken inzwischen
auf eine gut zehnjährige Staatspraxis bei den Auslands-
einsätzen bewaffneter deutscher Streitkräfte zurück. Es
ist angesichts dessen an der Zeit, der Empfehlung des
Bundesverfassungsgerichtes Folge zu leisten und ein
Verfahrensgesetz zur Formalisierung der Entschei-
dungsprozesse, die die Beteiligungsrechte des Deut-
schen Bundestages betreffen, zu verabschieden.
Es ist der Bundesrepublik Deutschland gut bekom-
men, dass die äußerst schwer wiegende Entscheidung,
ob bewaffnete deutsche Streitkräfte im Ausland einge-
setzt werden, von der Bundesregierung und vom Parla-
ment verantwortet werden muss. Das ist in anderen Län-
dern anders. In Deutschland gibt es aber seit der
Streitkräfteentscheidung des Bundesverfassungsgerich-
tes vom 12. Juli 1994 die allseits respektierte Lage, dass
der Deutsche Bundestag einem Auslandseinsatz deut-
scher Streitkräfte konstitutiv zustimmen muss.
Das Parlamentsbeteiligungsgesetz, das wir heute ver-
abschieden, ist ein Verfahrensgesetz. Das sollte immer
bedacht werden. Man kann von diesem Gesetz nichts
verlangen, was es nicht zu leisten imstande ist. Die ent-
scheidende Frage, ob Bundesregierung und Parlament es
für richtig halten, Soldaten im Ausland einzusetzen, be-
antwortet dieses Gesetz nicht. Diese Entscheidung müs-
sen wir selber, und zwar jeder für sich, treffen. Das ist
eine ethische und außenpolitische Entscheidung, die mit
dem Parlamentsbeteiligungsgesetz überhaupt nichts zu
tun hat. Dieses Gesetz regelt das Verfahren. Das ist
wichtig genug. Deswegen macht es Sinn, auch über Ein-
zelheiten zu reden. Ich finde, die Hauptbotschaft muss
sein: Mit dem Parlamentsbeteiligungsgesetz sorgen wir
für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit – das ist kein
geringer Wert –,
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nd zwar für alle Beteiligten, für die Verfassungsorgane,
icht zuletzt auch für die Soldatinnen und Soldaten so-
ie für die Öffentlichkeit.
Die Verantwortung für die Entsendung von Soldaten
ns Ausland gemeinsam zu schultern ist eigentlich eine
rrungenschaft unserer politischen Kultur in Deutsch-
and von hohem Wert. Dies sollten wir nicht infrage stel-
en. Bei manchen Ansätzen, die in den Debatten skizziert
erden, habe ich den Eindruck, dass eine militärfachli-
he Rationalität absolut gesetzt wird. Ich persönlich sage
hnen sehr deutlich: Ich wünsche mir, dass sich der Bun-
estag trotz aller Überredungskünste niemals einer ver-
eintlichen militärischen Funktionalität und Rationalität
nterordnet.
Ich bin der Auffassung, dass es uns allen gut ansteht,
ass der Deutsche Bundestag seine Meinung zu militäri-
chen Einsätzen äußert und letztlich konstitutiv mitver-
ntwortet, ob Auslandseinsätze stattfinden oder nicht.
eswegen rate ich zu großer Vorsicht, wenn es um Inte-
rationsprozesse in der NATO oder in anderen Institutio-
en geht. Die wichtige Errungenschaft des Parlaments-
orbehalts darf nicht ohne weiteres infrage gestellt oder
emindert werden. Ich rate uns dazu, die Erfahrungen,
ie wir in den vergangenen zehn Jahren gesammelt ha-
en, auszuwerten. Das Gesetz, das wir Ihnen heute vor-
tellen, ist die Summe dieser Erfahrungen.
Wir kommen zu dem Schluss: Das Ganze hat sich be-
ährt. Das schreiben wir jetzt fest, wenn auch nicht für
ie Ewigkeit. Natürlich wird dieses Gesetz eines Tages
ovelliert werden. Aber mit Blick auf die Gegenwart
age ich vor dem Hintergrund unseres Erfahrungshori-
onts: Wir haben eine gute Lösung gefunden. Auf Ein-
elheiten werde ich noch eingehen.
An die Adresse der Union gerichtet, sage ich – das
ill ich Ihnen nicht ersparen –: Ich empfinde es als einen
einlich-blamablen Vorgang, dass Sie nicht die Kraft ha-
en, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen.
ie FDP hat sich mit einem respektablen Gesetzentwurf
eteiligt. Wir werden diesem Gesetzentwurf zwar nicht
ustimmen; aber wir bezeugen ihm unseren Respekt. Sie
chauen zu und haben zu der ganzen Veranstaltung keine
einung. Das will ich Ihnen einmal gesagt haben.
13644 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Dr. Dieter Wiefelspütz
Ich finde es eigentlich peinlich, dass Sie im zentralen
Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik nicht hand-
lungs- und gestaltungsfähig sind.
– Herr Pofalla, Sie wissen doch, dass das blamabel ist.
Reden Sie sich doch da nicht heraus! Ich werde sonst
immer leidenschaftlicher.
Es ist peinlich, dass Ihnen so etwas passiert. Das ist
eine blamable Veranstaltung. Sie werden Ihrem Auftrag,
in dem wichtigen Bereich der Außenpolitik eigene Vor-
schläge und ein eigenes Profil zu entwickeln, nicht ge-
recht. Sie haben diffuse, sehr unklare Meinungen.
Auf jeden Fall sind Sie nicht handlungsfähig. Es kommt
letztlich nicht auf Sie an – da haben Sie natürlich
Recht –; denn die Koalition ist auch auf diesem Feld
selbstverständlich sehr wohl handlungsfähig.
Vor dem Hintergrund einiger Bedenken, die es auch
in den eigenen Reihen gibt, will ich noch einmal darauf
hinweisen, dass das Parlamentsbeteiligungsgesetz nach
meiner festen Überzeugung die Parlamentsrechte nach-
haltig stärkt.
Die Definitionsmacht in Bezug auf alle wichtigen
Fragen liegt bei uns, beim Parlament, und nicht bei je-
mandem anders. Jeder – ich betone: jeder – militärische
Einsatz im Ausland bedarf der Zustimmung des Deut-
schen Bundestages. Das hätte man unter Umständen
auch anders regeln können. Wir haben uns für die parla-
mentsfreundliche Variante entschieden.
Die Informationsrechte des Parlamentes, die Informa-
tionsrechte eines jeden einzelnen Parlamentariers sind
gestärkt worden. Das war in der Vergangenheit – auch
unter sozialdemokratischen Verteidigungsministern –
nicht immer so ganz unproblematisch. Wir haben die
Rechte des Parlaments auf diesem Sektor gestärkt.
Ihre und unser aller Entscheidung hängt nämlich in der
Tat davon ab, dass wir vom Anfang bis zum Ende eines
militärischen Einsatzes gut, intensiv und umfassend in-
formiert sind. Das ist in unserem Gesetzentwurf festge-
schrieben.
Wir haben das umstrittene Rückholrecht in das
Gesetz aufgenommen. Ich freue mich darüber, dass in
dieser Frage inzwischen eine breite Mehrheit – sie ist
fraktionsübergreifend, sie reicht also bis in die Union hi-
nein – im Deutschen Bundestag besteht.
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ber es gibt hier in der Tat eine erfreuliche Mehrheits-
uffassung.
Ich will hervorheben, dass das Plenum Herr des Ver-
ahrens bleibt, auch bei einem vereinfachten Zustim-
ungsverfahren. Bereits 5 vom Hundert der Mitglieder
es Deutschen Bundestages können – auch im verein-
achten Zustimmungsverfahren – eine erneute Be-
chlussfassung des Parlaments herbeiführen. Das heißt,
ir haben großen Wert darauf gelegt, dass das Parlament
ie letzte Entscheidungsgewalt hat und dass dabei kein
inzelner Parlamentarier übersehen wird.
Ich möchte zum Schluss kommen. Ich möchte hervor-
eben, dass das Parlamentsbeteiligungsgesetz vom Pri-
at der Politik geprägt ist. Der Deutsche Bundestag
ntscheidet darüber, ob ein Auslandseinsatz rechtmäßig
st oder nicht. Daran wollen wir nicht rütteln. Wir schrei-
en eine bewährte Praxis fest. Der konstitutive Parla-
entsvorbehalt ist ein wichtiger Bestandteil der politi-
chen Kultur in Deutschland. Mit diesem Gesetz festigen
ir ihn weiter.
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Eckart von
laeden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-
en! Herr Wiefelspütz, in Ihrem Beitrag war meines Er-
chtens entschieden zu viel Eigenlob.
as der Volksmund über Eigenlob sagt, dürfte auch Ih-
en bekannt sein. Es ist eine ganze Menge an Weihrauch
erströmt worden.
Wenn Sie fragen, warum wir keinen Gesetzentwurf
orlegen, antworte ich: Auf Blumen, wie Sie sie am
rab des Entwurfs der FDP abgelegt haben, können wir
irklich herzlich gern verzichten.
Meine Damen und Herren, Sie sprechen davon, Sie
ätten die Parlamentsrechte gestärkt und ausgeweitet.
ch will jetzt gar nicht bewerten, ob eine solche Auswei-
ung oder – vermeintliche – Stärkung der Parlaments-
echte im Sinne einer stärkeren Einbindung des Bundes-
ages vor einer Entscheidung über einen Einsatz
atsächlich auf eine Stärkung hinausliefe, aber Tatsache
st: Der Entwurf, der heute angenommen werden soll,
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13645
)
)
Eckart von Klaeden
stellt eine solche Stärkung nicht dar. Sie versuchen
lediglich, wie ich finde, mehr schlecht als recht, die bis-
herige Praxis in ein Gesetz zu gießen, das dem derzeiti-
gen Zustand entspricht, aber nicht auf die Zukunft und
auf das ausgerichtet ist, was an möglichen und notwen-
digen Entscheidungen auf uns zukommen wird. Ich
werde dazu gleich noch etwas sagen, wenn es um die
Frage der integrierten Verbände, aber insbesondere auch
um die Frage der anderen Kombattanten geht.
Lassen Sie mich zunächst einmal sagen, dass ich mit
dem, was wir bisher an parlamentarischer Praxis, an
Kontrolle der Einsätze der Bundeswehr im Parlament
geübt haben, nicht in jedem Fall einverstanden bin. Ich
will an die erste Abstimmung zu Enduring Freedom
erinnern, die mit einer Vertrauensfrage des Bundeskanz-
lers verbunden war. Einige in der Fraktion der Grünen
sind der Auffassung gewesen – der Kollege Ströbele war
einer von denen –, dass dieser Einsatz falsch ist. Man ist
aber zu der Ansicht gekommen, dass man dem Einsatz
trotzdem zustimmen muss, weil die Vertrauensfrage ge-
stellt worden ist. Das hat dazu geführt, dass innerhalb
der Fraktion der Grünen zur Frage des Bundeswehrein-
satzes, zur Frage der Gefährdung des Lebens unserer
Soldaten gelost worden ist. Es ist gelost worden, wer da-
für stimmt und wer dagegen stimmen darf.
– Doch! Die Kollegin Steffi Lemke hat hier damals aus-
geführt,
man habe sich nicht einigen können,
man habe eine Mehrheit zustande bekommen wollen und
dann sei gelost worden;
einige hätten danach dagegen stimmen dürfen und an-
dere hätten dafür gestimmt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Ströbele?
Gern. Bitte.
Bitte.
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Herr Kollege, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu neh-
en, dass Sie soeben die Unwahrheit gesagt haben? We-
er hat die Kollegin Lemke so etwas irgendwann ir-
endwo gesagt, schon gar nicht hier im Hause,
och entspricht das den Tatsachen. – Im Gegensatz zu
hnen war ich dabei.
s ist nicht gelost worden, zu keinem Zeitpunkt. Es ist
icht einmal ernsthaft überlegt worden, ob gelost werden
ann. Das ist eine bösartige Unterstellung, die nicht da-
urch richtiger wird, dass das in der Presse gestanden
at, offenbar in der Ihnen nahe stehenden, die Sie in
iese Richtung falsch informiert hat.
Herr Kollege Ströbele, ich bleibe bei dem, was ich ge-
agt habe. Das ist hier im Hause festgestellt worden. Die
ollegin Lemke hat für das Verfahren, das Sie gewählt
aben, auch noch einen besonders hohen Anspruch für
ich reklamiert
nd hat sich gegen die entsprechende Kritik aus unseren
eihen gewehrt.
Ich bleibe dabei: Wenn man der Ansicht ist, dass ein
undeswehreinsatz falsch ist, und wenn man der An-
icht ist, dass er das Leben unserer Soldaten gefährdet,
arf man auch dann, wenn die Vertrauensfrage gestellt
st, nicht dafür stimmen und über welches Verfahren
uch immer eine Mehrheit herstellen, Herr Kollege
tröbele. Das ist jedenfalls nicht vereinbar mit dem
eihrauch und dem Eigenlob in Bezug auf Ihren Ge-
etzentwurf.
Ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Ich finde,
ass wir eine ganze Menge zu lernen haben, was die
arlamentarische Kontrolle der Bundeswehreinsätze
ngeht. Damit wende ich mich insbesondere an die SPD-
raktion; ich will den Kollegen Nachtwei von den Grü-
en dabei ausdrücklich ausnehmen.
Es ist ein Trauerspiel gewesen, was im Zusammen-
ang mit den März-Unruhen im Kosovo abgelaufen ist.
a ist uns vom Verteidigungsministerium über Monate
itgeteilt worden, dass dieser Einsatz erfolgreich gewe-
en ist. Dann hat es Presseberichterstattung gegeben, die
uf das genaue Gegenteil hingewiesen hat. Daraufhin hat
s aus der SPD zunächst einmal die Feststellung gege-
en, die Presseberichterstattung habe nicht zur Notwen-
igkeit der Auseinandersetzung darüber im Ausschuss
eführt. Nachtigall, ich hör’ dir trappsen! Bevor über-
aupt der Minister den Bericht abgegeben hat, hat man
ür die umfangreiche Information gedankt. Man hat
13646 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Eckart von Klaeden
gesagt, es sei alles aufgeklärt, bevor man überhaupt über
die Angelegenheit gesprochen hatte.
Ich habe im Verteidigungsausschuss zum Beispiel da-
rum gebeten, dass zur Frage der Zuständigkeit der deut-
schen Soldaten endlich einmal eine schriftliche Stellung-
nahme abgegeben wird. Sie liegt bis heute nicht vor. Ich
habe darum gebeten, dass der NATO-Bericht, in dem die
Ergebnisse der Untersuchung über die Vorfälle im
Kosovo im März festgehalten sind, den Abgeordneten
zur Verfügung gestellt wird. Er ist nach Auskunft von
General Kujat nicht klassifiziert. Dieser Bericht ist uns
bis heute nicht vorgelegt worden. Das hat doch mit einer
vernünftigen Kontrolle durch das Parlament und einer
seriösen Information des Parlaments über Einsätze
nichts zu tun.
Erst langatmig über Anträge zu beraten, sich aber, nach-
dem sie beschlossen wurden, den Schneid bei der parla-
mentarischen Kontrolle abkaufen zu lassen, ist doch
wirklich nicht vernünftig.
Auf die Frage der integrierten Verbände wird Kol-
lege Polenz in seinem Beitrag noch eingehen. Das
Hauptproblem liegt meiner Meinung nach darin, dass
eine konstitutive Zustimmung im Rahmen Ihres Geset-
zes nicht im Nachhinein erfolgen kann. Dadurch unter-
liegt der Einsatz dieser Verbände immer der Gefahr des
Opt-out Deutschlands. Das wird gerade diejenigen, de-
nen Sie immer wieder vorwerfen, dass sie zu unilatera-
lem Handeln neigen, umso stärker motivieren, unilateral
vorzugehen. Wer möchte, dass die internationalen Orga-
nisationen wie EU und NATO gestärkt werden und eine
Konsultation unter Bündnispartnern stattfindet, der darf
nicht durch ein kompliziertes und nicht kompatibles Ent-
scheidungsverfahren, das vor jedem Einsatz eine Parla-
mentsbeteiligung verlangt, die Entscheidungsfindung in
diesen Gremien erschweren. Das Problem Ihres Antrags
liegt eben gerade darin, dass auf diesen Punkt nicht ein-
gegangen wird. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt ist, dass Sie zum Einsatz anderer
Kombattanten kein Wort verlieren. Der Innenminister
hat jetzt vorgeschlagen, den BGS im Ausland einzuset-
zen. Sie, Herr Kollege Wiefelspütz, haben das für eine
besonders originelle und kluge Idee gehalten. Wenn
BGS-Beamte im Ausland eingesetzt werden und Uni-
form tragen, dann muss auch eine Parlamentsbeteiligung
stattfinden. Hier darf kein Umgehungstatbestand ge-
schaffen werden.
Sie hätten also in einem Parlamentsbeteiligungsgesetz,
wenn Sie schon über diese Frage nachdenken, auch die
Möglichkeit schaffen müssen, dass der Bundestag zu
solchen Einsätzen Stellung nimmt bzw. ihnen zustimmt.
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ichtig ist auch, dass der BGS nicht militärisch einge-
etzt werden darf und niemand darüber nachdenkt – ich
chon gar nicht –, das in Zukunft zu ändern. Polizei ist
olizei und bleibt Polizei.
Ich bitte Sie auch, zur Kenntnis zu nehmen, dass es
ür Polizeieinsätze keinen konstitutiven Parlamentsvor-
ehalt gibt. Vielleicht könnten Sie dazu ja noch einmal
tellung nehmen. Ich sehe da keinen Dissens zwischen
ns. Ich weiß nur, dass für Bundeswehreinsätze im Aus-
and der Zustimmungsvorbehalt des Parlaments gilt,
ährend für BGS-Einsätze im Ausland kein Zustim-
ungsvorbehalt des Parlaments existiert, und dass heute
chon sowohl Bundeswehr als auch BGS im Ausland
ingesetzt werden. Sie haben völlig Recht, dass vor die-
em Hintergrund keine Umgehungstatbestände geschaf-
en werden dürfen; dabei würde es sich um einen Miss-
rauch handeln. Es wird aber niemals dazu kommen,
ass für Polizeieinsätze im Ausland ein konstitutiver
arlamentsvorbehalt eingeführt wird. Diesen gibt es
eute nicht und diesen wird es auch in Zukunft nicht ge-
en.
Herr Kollege Wiefelspütz, beschäftigen Sie sich ein-
al mit den Aufgaben, die nach den Verteidigungspoli-
ischen Richtlinien des Bundesverteidigungsministers
ie Stabilisierungskräfte der Bundeswehr im Ausland-
einsatz wahrnehmen sollen. Sie werden dann feststel-
en, dass dazu nicht nur militärische Einsätze gehören,
ondern auch die Wahrnehmung von Polizeiaufgaben. In
er sich daran anschließenden Diskussion zwischen dem
nnenminister und möglicherweise auch dem Verteidi-
ungsminister und Ihnen ging es, wenn ich es richtig
erstanden habe, darum, dass Aufgaben, die sonst von
tabilisierungskräften wahrgenommen würden, in Zu-
unft möglicherweise von BGS-Einheiten wahrgenom-
en werden sollen,
eil diese von ihrer Ausbildung her dafür geeigneter
ind.
Ich bin nicht dagegen, dass man darüber nachdenkt.
enn aber die Beamten aus BGS-Einheiten, die anstelle
on Bundeswehreinheiten eingesetzt werden, im Aus-
and Uniform tragen, dann sind sie völkerrechtlich gese-
en Kombattanten und damit auch Soldaten. Ich habe
ie Sorge, dass hier ein Umgehungstatbestand geschaf-
en wird, wenn man, weil man in bestimmten Fällen die
arlamentarische Diskussion scheut, statt der Stabilisie-
ungskräfte, die die Aufgabe wahrnehmen könnten,
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13647
)
)
Eckart von Klaeden
BGS-Einheiten ins Ausland schickt. Man muss also,
wenn man diese Überlegung für so bedeutend erachtet,
wie Sie sie hier dargestellt haben, auch für andere Kom-
battanten im Ausland eine entsprechende Regelung im
Gesetz verankern.
Gestatten Sie auch eine Zwischenfrage des Kollegen
Arnold?
Ja.
Herr Kollege, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu neh-
men, dass es in Wirklichkeit nicht so kompliziert ist?
Auslöser dieser Debatte war etwas ganz anderes, näm-
lich dass wir erkennen, dass die Bundeswehr im Augen-
blick in hohem Maß polizeiliche Aufgaben im Ausland
übernimmt, und zwar deshalb, weil es nicht ausreichend
Polizeikräfte gibt, um diese Aufgaben zu erfüllen. Könn-
ten Sie erkennen, dass es möglicherweise sinnvoll ist,
darüber zu debattieren, ob es nicht die klügere Lösung
wäre, zu organisieren, dass die Polizei Polizeiaufgaben
wahrnimmt, wo diese jetzt von der Bundeswehr wahrge-
nommen werden, und die Bundeswehr weiterhin Bun-
deswehraufgaben, wo es welche gibt?
Herr Kollege Arnold, wenn Sie mir zugehört haben,
dann haben Sie festgestellt, dass ich diese Diskussion
durchaus als sinnvoll bezeichnet habe.
– Selbstverständlich verstehe ich das. Sie verstehen es
nicht! Ich rate Ihnen, einmal die Verteidigungspoliti-
schen Richtlinien Ihres Ministers zu lesen und sich mit
der Funktion von Stabilisierungskräften zu beschäftigen.
In die Funktion von Stabilisierungskräften fällt selbst-
verständlich, in einem Land, in dem staatliche Autorität
aufgebaut werden soll, Polizeiaufgaben mit wahrzuneh-
men. Das ist auch die selbstverständliche Aufgabe einer
Armee. Schon die Legionen des Augustus haben Polizei-
aufgaben wahrgenommen: Sie haben den Verkehr gere-
gelt, Evakuierungen vorgenommen, Straßen gebaut. Das
ist normales militärisches Handwerk. Da kann man nicht
differenzieren und sagen, die Armee sei nur zum Kämp-
fen da und nicht dazu, bestimmte – wie Sie es bezeich-
nen – polizeiliche Aufgaben wahrzunehmen. Bei uns im
Inland werden solche Aufgaben natürlich von der Polizei
wahrgenommen, aber bei einem Auslandseinsatz gehört
das zu den Aufgaben der Soldaten. Dass man im Aus-
land auch die Zusammenarbeit mit den Landespolizeien
oder dem BGS suchen kann, steht natürlich völlig außer
Frage.
Meine Aussage ist doch nur: Wenn es zu einer stärke-
ren derartigen Kooperation kommen soll – was ich für
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Herr Kollege Schmidt, das war eine sehr wohlwol-
ende Interpretation der Äußerungen des Kollegen
rnold. In Wirklichkeit sind sie, wie ich finde, gar nicht
u verstehen gewesen.
ber vielen Dank für diesen Versuch. Auch Herr Arnold
ollte sich eigentlich dafür bedanken, dass Sie die Dinge
n dieser Weise klargestellt haben.
Wenn es um die Frage der Parlamentsbeteiligung geht,
ie es auch das Verfassungsgericht formuliert hat, dann
ollten wir uns als Parlament auf das Ob der Einsätze
onzentrieren und das Wie und die Modalitäten der poli-
ischen Führung überlassen, um hinterher, falls etwas
chief geht, die Möglichkeit zu haben, zu kontrollieren,
13648 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Eckart von Klaeden
und nicht durch einen entsprechenden Beschluss gebun-
den zu sein. Die Modalitäten des Einsatzes können wir
als Parlamentarier doch sowieso nicht bis ins Detail be-
stimmen. Sie werden aber von der Regierung immer wie-
der in den Vorschlägen formuliert. Ich halte es gerade im
Sinne unserer Soldaten für vernünftiger, dass wir uns um
das Ob der Einsätze kümmern, um die politische Impli-
kation, und nicht um das Wie, sodass wir uns hinterher,
wenn etwas schief gegangen ist, wie zum Beispiel im
März im Kosovo, auf die Kontrolle konzentrieren und
auf diese Weise die notwendigen Sorgfaltsmaßstäbe
schaffen können, die bei der nächsten Einsatzvorberei-
tung Beachtung finden können.
Dazu gehört allerdings auch, dass die Regierungs-
koalition und insbesondere die SPD die Bereitschaft
haben, Vorgänge tatsächlich zu kontrollieren und auch
einmal zu kritisieren, dass uns vom Bundesverteidi-
gungsministerium über Monate hinweg nicht die Wahr-
heit gesagt worden ist.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Petra Pau.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir diskutieren heute abschließend über das so genannte
Parlamentsbeteiligungsgesetz. Schon der Name grenzt
an Etikettenschwindel.
„Entsendegesetz“ trifft das Anliegen besser.
Schließlich geht es darum, die Bundeswehr möglichst
problemlos weltweit entsenden zu können und das Parla-
ment dabei so wenig wie möglich beteiligen zu müssen.
Blitzeinsätze des Militärs im Äußeren und „Light“-De-
mokratie im Inneren – das ist des Pudels Kern.
Die PDS im Bundestag lehnt beides entschieden ab.
Ich bezweifele übrigens heftig, dass das vorliegende
Gesetz grundgesetzkonform ist. Noch enthält die deut-
sche Verfassung eine Friedenspflicht. Noch hat die
höchste Volksvertretung über Auslandseinsätze der Bun-
deswehr zu entscheiden. Das gebietet das Grundgesetz.
Der vorliegende Entwurf von Rot-Grün aber bricht mit
beiden Grundsätzen: mit der Pflicht zum Frieden und mit
dem Recht des Bundestages.
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Das Entsendegesetz dient einer beschleunigten Mili-
arisierung der Außenpolitik. Es folgt einer Anregung
er USA. Es dient den Wünschen der NATO und soll die
ilitärische Interventionskraft der EU stärken. Das Ge-
etz wird – davon gehe ich aus – wie gewünscht funktio-
ieren. Wird die Bundeswehr künftig in Marsch gesetzt,
ann muss der Bundestag der Regierung de facto das
isstrauen aussprechen, um den Einsatz zu beenden.
Auch das Ausmaß eines Auslandseinsatzes obliegt
icht mehr einer Abwägung im Bundestag. Er kann im
achhinein nur noch Ja oder Nein sagen. Damit entzieht
ich der Bundestag jedem Pro und Kontra. Er unterwirft
ich den Entscheidungen einer Regierung, die er eigent-
ich nach allen Regeln der Demokratie beauftragen und
ontrollieren soll.
r behindert außerdem eine gesellschaftliche Debatte,
nstatt sie anzuregen.
Damit bin ich bei der eigentlichen und schrecklichen
otschaft, die Sie heute beschließen wollen. Der Bun-
estag entmündigt sich selbst,
eil er dem Militär im Weg steht, weil die höchste deut-
che Volksvertretung der NATO und der Bundeswehr
ur Last fällt. Ich hätte nie gedacht, dass es einmal so
eit kommt, noch dazu auf Antrag von SPD und
ündnis 90/Die Grünen. Die PDS im Bundestag lehnt
as ab – konkret und grundsätzlich.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hans-Peter
artels.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13649
)
)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir haben in diesem Hause schon oft über die
neuen Anforderungen an unsere Bundeswehr diskutiert.
Wir haben darüber gesprochen, wie sich das sicherheits-
politische Umfeld nach 1989 und auch nach dem
11. September 2001 gewandelt hat und welchen neuen
Bedrohungen und Einsatzrealitäten wir uns heute gegen-
übersehen.
Die Transformation der Bundeswehr – das heißt:
die Ausrichtung unserer Streitkräfte auf die heute und
zukünftig wahrscheinlichsten Einsätze – ist unsere Ant-
wort auf die veränderten Bedingungen. Über das neue
Konzept und über Peter Strucks Hindukusch-Doktrin
gibt es im Grundsatz keinen Streit. Das ist eine gute Ba-
sis, auf der wir hier im Parlament gemeinsam arbeiten.
Das Gesetz, über das wir heute beraten, bringt zum
Ausdruck, wie viel sich geändert hat und dass wir als
Gesetzgeber mit dieser Entwicklung Schritt halten müs-
sen. In den Zeiten des Kalten Krieges stellten sich jeden-
falls die Fragen, die wir jetzt regeln, nicht. Der bewaff-
nete Konflikt, für den die Bundeswehr damals
vorgesehen war, wäre der dritte Weltkrieg gewesen, ge-
führt in der Mitte Europas. Da hätten sich die Fragen
nach Vorauskommandos und Einsätzen geringer Intensi-
tät gar nicht gestellt. Es ging damals immer um den
Worst Case, um die höchste Intensität.
Es spricht für dieses Parlament und das Verhältnis der
demokratischen Parteien untereinander, dass wir auch
ohne spezielle gesetzliche Grundlage seit nunmehr zehn
Jahren über Auslandseinsätze beschließen – und dies in
den allermeisten Fällen mit einer sehr breiten Mehrheit.
Trotz gelegentlicher politischer Differenzen bei der Be-
wertung einzelner Einsätze stand seit 1994 nie mehr das
parlamentarische Beteiligungsverfahren selbst im Zen-
trum der Diskussion. Dass wir hier im Bundestag über
die Teilnahme deutscher Soldaten an internationalen
Einsätzen abstimmen, ist mehr als nur die pflichtschul-
dige Erfüllung einer Vorgabe unseres Verfassungsge-
richts. Der Parlamentsvorbehalt ist zu einem Grund-
pfeiler unseres Verständnisses vom Charakter der
Bundeswehr geworden. Sie ist eine Parlamentsarmee.
Die Debatten über viele Einsätze haben gezeigt, dass
wir uns der großen Verantwortung bewusst sind, die
mit der Beteiligung deutscher Streitkräfte an internatio-
nalen Missionen verbunden ist. Wir dürfen es uns nicht
leicht machen und wir machen es uns nicht leicht; da-
rüber besteht wohl fast Einigkeit in diesem Hause.
Weil das so ist, hätte ich mir gewünscht, dass wir
heute über einen Gesetzentwurf aller Fraktionen ent-
scheiden können. Dazu ist es nicht gekommen. Uns liegt
neben unserem Koalitionsentwurf auch ein FDP-Gesetz-
entwurf vor. Die Union hat das alles zwar kommentiert
und kritisiert. Auf einen eigenen Entwurf hat sie aller-
dings verzichtet. Vielleicht wurden von den Kollegen
Schäuble, Schmidt und Pofalla zu viele unterschiedliche
Linien vertreten. Da Sie nicht in der Verantwortung ste-
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ie Rechte des Parlaments bleiben voll gewahrt. Wir
leiben beim bisherigen Verfahren. Die Parlamentspra-
is der vergangenen Jahre stand für das Gesetz Pate.
iese Praxis hat aber auch gezeigt, wo noch Entschei-
ungsabläufe verbessert werden können. In einigen Fäl-
en, zum Beispiel bei Einsätzen geringer Intensität oder
ei der Verlängerung unstrittiger Mandate, wird es künf-
ig die Möglichkeit geben, ein vereinfachtes Zustim-
ungsverfahren anzuwenden. Die Zustimmung gilt in
iesen Fällen als erteilt, wenn nicht eine Fraktion inner-
alb bestimmter Fristen die Befassung des Bundestages
erlangt.
Das Gesetz enthält zudem eine Legaldefinition des
insatzes bewaffneter Streitkräfte. Es wird klarge-
tellt, dass vorbereitende Maßnahmen und Planungen
ie bisher Sache der Exekutive sind. Ebenso werden
ein humanitäre Hilfeleistungen der Bundeswehr, auch
enn die eingesetzten Soldaten zum Selbstschutz Waf-
en tragen, nicht dem Parlament zur Abstimmung vorge-
egt.
Schließlich verankern wir im Gesetz ein Rückhol-
echt des Parlaments. In der Begründung heißt es nüch-
ern, aber sehr richtig, diese Vorschrift beende „die bis-
er bestehende Unsicherheit, ob der Deutsche Bundestag
ie einmal getroffene Entsendeentscheidung aus eige-
em Recht wieder rückgängig machen kann oder nicht“.
ie Inanspruchnahme des Rechts, eine gegebene Zu-
timmung zu widerrufen, wird wahrscheinlich die ganz
roße Ausnahme bleiben. Es ist trotzdem wichtig. Nicht
ur das vereinfachte Verfahren gewinnt dadurch an Ak-
eptanz, dass wir als Parlament wissen, dass wir notfalls
in Ende des Einsatzes erzwingen können. Das Rückhol-
echt hat auch Bedeutung für andere Fälle.
In der vergangenen Woche haben wir mit großer
ehrheit der Beteiligung der Bundeswehr an der nun
U-geführten Operation Althea in Bosnien-Herzego-
ina zugestimmt. Im Antrag der Bundesregierung heißt
13650 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Dr. Hans-Peter Bartels
es, dass unsere Soldaten eingesetzt werden können, so-
lange ein Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Na-
tionen und ein entsprechender Beschluss der EU bzw.
des NATO-Rates sowie die konstitutive Zustimmung des
Bundestages vorliegen. Im Gegensatz zu den meisten
anderen Mandaten gibt es aber keine ausdrückliche zeit-
liche Befristung. Die Operation Althea wird uns also
nicht in regelmäßigen Abständen beschäftigen, weil eine
weitere Verlängerung um ein halbes oder ein ganzes Jahr
ansteht. Das war auch schon bei der NATO-geführten
Vorgängermission so. Wenn wir als Bundestag aber ein
solches zeitlich unbefristetes Mandat erteilen, hat es eine
gewisse innere Logik, dass wir auch das Recht haben
müssen, gegebenenfalls die Zustimmung zu widerrufen.
Insgesamt haben wir, wie ich glaube, das richtige
Maß gefunden. Dort, wo es notwendig ist, haben wir
rechtliche Klarstellungen und Anpassungen vorgenom-
men. Aber wir haben uns im Wesentlichen auf die be-
währten Abläufe gestützt und sie lediglich mit einem
festeren rechtlichen Unterbau versehen.
Weshalb nun die FDP die Notwendigkeit sieht, zu-
sätzlich ein spezielles Sondergremium zu schaffen, ist
mir immer noch etwas unklar. Geheimhaltungsbedürf-
tige Einsätze – das wurde schon angesprochen – werden
bisweilen als Begründung genannt. Aber welche Aus-
landseinsätze sollen das sein? Den Kosovo, Bosnien, Af-
ghanistan oder den Sudan können sie wohl nicht betref-
fen. Geht es um Evakuierungsaktionen? Es ist doch klar,
dass diese nicht vor Beginn der Operation in aller Öf-
fentlichkeit diskutiert werden können. Für diese Fälle
brauchen wir keinen neuen Ausschuss und überhaupt
keine vorherige formale Befassung des Parlaments,
siehe § 5 unseres Gesetzentwurfs.
Beispiele für übrige Einsätze haben wir von Ihnen nicht
gehört.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir hier geheime Ein-
sätze beschließen müssten, sofern es nicht um die
schnelle Rettung von Menschenleben gehen sollte, also
etwa um Evakuierungen.
– Nein, es gibt keine Notwendigkeit, etwas, das wir
lange vorbereiten können, geheim zu halten. Abgesehen
davon glauben Sie doch auch nicht, dass es dann geheim
bleibt.
Wenn etwas geheim zu halten ist, dann haben wir im
Übrigen die Möglichkeit, im geheim tagenden Verteidi-
gungs- und Auswärtigen Ausschuss unsere Fragen be-
antwortet zu bekommen und die Erörterungen anzustel-
len, die Sie möglicherweise im Auge haben.
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ch erkenne nicht, dass wir dafür ein gesondertes Gre-
ium brauchen.
Lassen Sie mich noch etwas zum Thema Geschwin-
igkeit anmerken. Bisweilen wird vermutet, unsere Pra-
is des Parlamentsvorbehalts sei zu langwierig und ver-
ögere im Ernstfall Einsätze etwa von NATO Response
orces oder EU Battle Groups. Das ist ein zäher Aber-
laube, gegen den sich auch empirisch argumentieren
ässt: Wenn eine schnelle Entscheidung erforderlich war,
ann waren wir immer sehr schnell. In dringenden Fäl-
en erfolgte die konstitutive Zustimmung des Bundesta-
es noch am Tag des Kabinettsbeschlusses. Ob hingegen
ie internationalen Abstimmungsprozesse oder die Bera-
ungen im großen NATO-Rat immer so schnell gehen
erden, sei dahingestellt. Ich habe da meine Zweifel.
Mit unserem Parlamentsbeteiligungsgesetz schaffen
ir in einem wichtigen Bereich Klarheit und Rechtssi-
herheit – für uns, aber auch für die Soldaten. Ich bin si-
her: Das Gesetz wird sich in der Praxis bewähren.
Schönen Dank.
Jetzt hat als Letzter in der Debatte der Abgeordnete
uprecht Polenz das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Ge-
etz, das die Koalition heute vorlegt, schreibt das bishe-
ige Verfahren fest und macht es vielleicht etwas prakti-
abler, gibt aber keinerlei Antwort auf Fragen, die aus
ukünftig absehbaren Entwicklungen resultieren, und
ird deshalb in Kürze überholt sein. Es ist absehbar,
ass wir auf die Notwendigkeit schneller und tragfähiger
ntscheidungen über die Beteiligung deutscher Kontin-
ente am bündnisgemeinsamen Einsatz reagieren müs-
en. Dies steht in einem Spannungsverhältnis zur demo-
ratisch-parlamentarischen Legitimation.
Herr Kollege Weisskirchen, wenn wir gemeinsam da-
an festhalten wollen, dass multilaterales Handeln
rundsatz deutscher Außenpolitik ist
nd dass wir in Zukunft mehr Integration unserer Streit-
räfte in Europa brauchen, weil das angesichts knapper
assen der einzige Weg ist, unsere Fähigkeiten in
uropa zu erhöhen, dann müssen wir auch hinsichtlich
er Parlamentsbeteiligung über die Folgen nachdenken.
as haben Sie nicht getan.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13651
)
)
Ruprecht Polenz
Das Europa der EU gibt 60 Prozent des US-Budgets
für Verteidigung aus. Wir haben sogar 600 000 Soldaten
mehr als die Amerikaner, aber die Fähigkeiten bleiben
bekanntermaßen deutlich hinter denen der Amerikaner
zurück.
Angesichts knapper Kassen können wir hier nur einen
Ausgleich finden, wenn wir in Europa mehr gemeinsam
machen.
Der erste Schritt zu mehr Gemeinsamkeit wird der eu-
ropäische Lufttransport sein. Weitere Schritte müssen
folgen.
Dieses Mehr an vertiefter militärischer Integration ist
nur möglich, wenn man sich aufeinander verlassen kann
und wenn die Entscheidung, ob man sich beteiligt oder
nicht, diese vertiefte militärische Integration nicht in-
frage stellt.
Damit geht zwangsläufig ein Verzicht auf bestimmte
Handlungsoptionen einher.
Wenn Sie sich vor dieser Frage drücken, werden Sie der
Sache nicht gerecht. Das hat auch etwas mit bestimmten
Formen von Souveränitätsverzicht, den man in der
Zukunft leisten muss, und damit zu tun, dass das auch
Folgen für die Art und Weise der demokratischen Legiti-
mation hat. Auf diese Frage geben Sie in Ihrem Gesetz-
entwurf keine Antwort.
– Kollege Weisskirchen, das Kernelement der vertieften
Integration ist die NATO Response Force. Das ist das
Schlüsselprojekt der Allianz. Deutschland hat dieser
Einrichtung in Prag zugestimmt. Ihre Besonderheit liegt
darin, dass die NATO Response Force weltweit inner-
halb von fünf bis 30 Tagen einsetzbar sein soll
und ein breites Aufgabenspektrum – von Peacekeeping
bis zu Kampf- und Antiterroreinsätzen – abdecken soll.
Die NATO Response Force ist keine stehende Streit-
macht, sondern sie besteht aus Verbänden, die von den
Mitgliedstaaten nach einem Rotationsmodell bereitge-
stellt werden. Die Einheiten der Bundeswehr – so ist es
vorgesehen – sollen in jeden Zyklus entsprechend dem
tatsächlichem Gewicht und der beabsichtigten künftigen
Rolle Deutschlands in der NATO eingebunden sein.
Ab Oktober 2006 soll das ganze Unternehmen voll ein-
satzfähig sein.
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eil der NATO-Einsatzbefehl für die NRF-Truppen in-
erhalb weniger Tage erfolgen kann. Die erfolgreiche
usführung eines solchen Befehls hängt nämlich von
er Bereitschaft aller Nationen ab, die zugesagten Fähig-
eiten für solche Einsätze bereitzustellen.
enn die deutschen Kräfte nicht mit hinreichender Ver-
ässlichkeit bereitstehen, dann besteht die Gefahr, dass
an, weil die NATO Response Force insgesamt nicht
insetzbar ist, in eine Koalition der Willigen ausweicht,
as wir alle nicht wollen.
Jetzt müssen Sie sich Folgendes vor Augen halten:
ie Entscheidung über die NATO Response Force – sie
oll innerhalb von drei bis 50 Tagen einsetzbar sein – ist
on großer Eilbedürftigkeit geprägt. Das Zustimmungs-
erfahren innerhalb der NATO erfolgt – auch wenn sich
ollege Beck das nicht vorstellen kann – innerhalb we-
iger Tage. Wenn ausgearbeitete Eventualpläne vorlie-
en, geht das sehr zügig. Natürlich dauert das Verfahren
er Parlamentsbeteiligung deutlich länger. Das ist etwa
ann der Fall, Kollege Wiefelspütz, wenn es einen Dis-
ens gibt. Aber das mag im Geschäftsordnungsaus-
chuss, der bei den Beratungen die Federführung hatte,
icht ins Gewicht gefallen sein. Sie haben wahrschein-
ich gedacht: In den Parlamentsferien kann es keine
rise geben; denn sonst hätten Sie die Antworten, die
ie vorschlagen, so nicht geben können.
Die Übertragung der Befehlsbefugnis kann erst nach
er Zustimmung des Parlaments erfolgen. Also müssen
ir zu anderen Lösungen kommen.
Sie sagen – dadurch beruhigen Sie diejenigen, die in
hren eigenen Reihen diese Fragen gestellt haben –: Es
ibt die Regelung „Gefahr im Verzug“. Man muss al-
erdings wissen, dass die Regelung „Gefahr im Verzug“
uch in Ihrem Gesetzentwurf als Ausnahmeregelung for-
uliert ist.
ie bezieht sich auf die absolute Ausnahme. So definiert
ie auch der juristische Terminus.
Das Problem dabei ist: Wenn Sie die Regelung „Ge-
ahr im Verzug“ als generelle Anwendungsregelung für
en Einsatz der NRF vorsehen
zw. wenn die NRF ihrem Zweck entsprechend – sie soll
chnell eingesetzt werden – eingesetzt wird, dann nutzen
ie systematisch die für Ausnahmefälle bestimmte Re-
elung „Gefahr im Verzug“. Damit widersprechen Sie
13652 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Ruprecht Polenz
den Intentionen des Bundesverfassungsgerichts, das ein
solches Vorgehen nur als Ausnahme vorgesehen hat.
Für Sie ist „Gefahr im Verzug“ sozusagen die Regeler-
mächtigung für NRF-Einsätze. Das ist allerdings verfas-
sungsrechtlich nicht zulässig.
Ein Zweites, Herr Nachtwei: In keinem Fall abge-
deckt durch eine Gefahr-im-Verzug-Regelung ist eine
rasche Entscheidung über den Einsatz der NATO
Response Force dann, wenn das zwar aus politischen
Gründen angezeigt und wünschenswert sein mag, aber
aus militärischer Sicht zweifelsfrei keine Gefahr im Ver-
zug vorliegt. Dann können Sie in keinem Fall auf diese
Regelung zurückgreifen; gerade bei Krisenprävention
oder Diplomatieunterstützung – beides ebenfalls Aufga-
ben der NATO Response Force – können solche Situa-
tionen eintreten.
Das Gesetz wird also im Hinblick auf die künftige In-
tegration und auf das Kernelement künftiger NATO-
Strategien den Anforderungen erkennbar nicht gerecht.
Es wäre besser gewesen, Sie hätten sich etwas mehr Zeit
gelassen und sich mit uns über diese Fragen intensiver
ausgetauscht.
Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den
Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen
eingebrachten Entwurf eines Parlamentsbeteiligungsge-
setzes, Drucksache 15/2742.
Es liegen verschiedene persönliche Erklärungen nach
§ 31 unserer Geschäftsordnung vor, und zwar der Abge-
ordneten Röspel, Berg, Brase und anderer – insgesamt
von 18 Abgeordneten der SPD – sowie der Abgeordne-
ten Rita Streb-Hesse, die wir damit zu Protokoll neh-
men.1)
Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 15/4264, den Gesetzent-
wurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
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1) Anlagen 4 und 5
Abstimmung über den von der Fraktion der FDP ein-
ebrachten Entwurf eines Auslandseinsätzemitwir-
ungsgesetzes, Drucksache 15/1985. Unter Nr. 2 seiner
eschlussempfehlung auf Drucksache 15/4264 emp-
iehlt der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
eschäftsordnung, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich
itte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wol-
en, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthal-
ungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Bera-
ung mit den Stimmen des ganzen Hauses gegen die
timmen der FDP abgelehnt worden. Damit entfällt nach
nserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:
– Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten
Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher
Vorschriften
– Drucksache 15/3280 –
– Zweite und dritte Beratung des von den Frak-
tionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines
Dritten Gesetzes zur Änderung eisenbahn-
rechtlicher Vorschriften
– Drucksache 15/2743 –
a)Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-
sen
– Drucksache 15/4419 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Eduard Lintner
– Drucksache 15/4427 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Bartholomäus Kalb
Gunter Weißgerber
Franziska Eichstädt-Bohlig
Jürgen Koppelin
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13653
)
)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten
Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher
Vorschriften
– Drucksachen 15/3932, 15/4235 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
– Drucksache 15/4420 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Eduard Lintner
Zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Ent-
wurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung eisenbahn-
rechtlicher Vorschriften liegt ein Entschließungsantrag
der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
die Abgeordnete Karin Rehbock-Zureich.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Deutsch-
land ist mit seiner Lage mitten in Europa Transitland
Nummer eins und Verkehrsdrehscheibe. Diese geogra-
phische Lage verursacht, dass unser Schienenetz zentral
für Europa ist. Deshalb benötigen wir dringend die na-
tionale Umsetzung des Richtlinienentwurfes der EU.
Im Bereich der Liberalisierung brauchen wir uns den-
noch nicht zu verstecken. Obwohl wir bei der Umset-
zung hinterherhinken, wurde vonseiten der Kommission
festgestellt – es gibt übrigens eine Studie der IBM und
der Humboldt-Universität, die das Gleiche aussagt –,
dass Deutschland bezogen auf den Netzzugang und die
Liberalisierung des Netzes Vorbild für seine Nachbarn
ist. Die Novelle ist ein wichtiger Schritt.
Es wird uns immer wieder gesagt, dass wir dem Bei-
spiel Englands folgen sollten. Bei unseren politischen
Entscheidungen sollten wir den Rat, der uns allen dort
gegeben wurde, beherzigen. England macht zurzeit
nichts anderes, als die Fehler beim ersten Schritt vor
zehn Jahren mit großem Aufwand zu beheben.
Eines haben wir bei unserem Besuch in England gelernt:
Es kommt darauf an, alle Veränderungen im Eisenbahn-
wesen im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Eisenbahnverkehrsunternehmen Schritt für Schritt vor-
zunehmen und nicht übers Knie zu brechen.
Die Richtlinien 2001/12/EG bis 2001/14/EG werden
mit diesem Gesetz umgesetzt. Gleichzeitig ist die Inter-
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Mit Ihren heute vorliegenden Anträgen möchten Sie
ie Struktur verändern. Gestern haben Sie Gutachten auf
en Weg gebracht, in denen die unterschiedlichen Mög-
ichkeiten überprüft werden. Dabei geht es auch um die
öglichkeit der Bildung einer Finanzholding, die Sie
ereits heute nach dem AEG gerne hätten, sowie um die
berprüfung einer Trennung von Netz und Betrieb. Da-
eben sollen unterschiedliche Lösungen – ich nenne das
igentums- und das Vertragsmodell – erarbeitet werden.
ch muss mich fragen, ob es Ihnen wirklich darum geht,
iese Möglichkeiten ernsthaft und seriös abzuklären,
der ob es Ihnen vielleicht um etwas ganz anderes geht.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der im Allgemeinen Ei-
enbahngesetz enthalten ist, war die Vorschrift, verschie-
ene Verkehrssparten von der Infrastruktur funktional zu
rennen. Zusammen mit der Kommission haben wir im
undestag darüber diskutiert. Hier ist deutlich gewor-
en, dass die Gründung einer Holding, die wir vorge-
ehen haben, mit einer eigenständigen Bilanz- und
13654 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Karin Rehbock-Zureich
Rechnungslegung, der Trennung der Aufsichtsratsman-
date und der Vorgabe einer eigenständigen Entscheidung
über das Netz eine gute Lösung ist. Insofern ist dieses
Gesetz EU-konform.
– Das wird die Zukunft zeigen, Herr Friedrich.
Ich möchte noch auf weitere Punkte eingehen, die wir
als Koalitionsfraktionen zusätzlich in dieses Gesetz auf-
genommen haben. Es war uns sehr wichtig, die Weichen
gegen eine Schrumpfbahn zu stellen. Dabei geht es uns
um den Erhalt der Infrastruktur. Das heißt, Kapazitäts-
abbau und Stilllegungen werden verhindert. Bei Über-
nahmen wird sich die Preisfindung nach dem Ertrags-
wert richten. Es wird aber auch die Möglichkeit der
Pacht für diejenigen erleichtert werden, die ein Interesse
an der Nutzung der Netze haben. Dabei ist bei Pacht-
lösungen zu beachten, dass in Zukunft keine Rückzah-
lung der getätigten Investitionsmittel notwendig ist, so-
lange der entsprechende Teil der Strecke in Betrieb ist.
Das war für alle Mitwettbewerber ein ganz wichtiger
Punkt.
Wir haben ebenfalls dafür gesorgt, dass die Stellung
der Kommunen verbessert wird. Da viele wie auch ich
aus der Kommunalpolitik kommen, kennen wir alle die
Situation, dass oft mitten in den Städten nicht mehr ge-
nutzte Grundstücke der Bahn brachliegen und langsam
verfallen. An sich wäre es notwendig, diese anderweitig
zu nutzen; aber die Verhandlungen mit der DB AG und
ihren Immobilienabteilungen waren bisher zäh und
schwierig. Es wird jedoch in Zukunft möglich sein, dass
Städte und Gemeinden ein eigenes Antragsrecht erhal-
ten, um zu gewährleisten, dass diese Flächen umgewid-
met und einer anderen Nutzung zugeführt werden, wenn
sie für die Eisenbahn nicht mehr notwendig sind. Diese
Regelung haben wir im Sinne der Städte und Gemeinden
auf den Weg gebracht.
Bei unseren Überlegungen haben wir auch immer die
Kunden im Blick gehabt. Die Kunden haben Anspruch
auf Informationen über alle Unternehmen, die die
Schiene nutzen. Diese Informationen sollen nicht nur auf
Anzeigetafeln in Bahnhöfen oder im Kursbuch zugäng-
lich sein, sondern überall muss eine übergreifende Infor-
mation möglich sein. Dies haben wir mit diesem Gesetz
ebenfalls auf den Weg gebracht.
Frau Kollegin, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit.
Damit haben wir einerseits die notwendigen und
wichtigen Voraussetzungen zur Umsetzung der europäi-
schen Richtlinie geschaffen und andererseits für die Ge-
meinden und die Kunden Verbesserungen erreicht.
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ehen Sie Schritt für Schritt mit uns diesen richtigen
eg!
ch möchte Sie einladen, unseren Gesetzentwurf zu un-
erstützen.
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich lade Sie gleichzeitig ein, im gemeinsamen Inte-
esse für mehr Wettbewerb auf der Schiene und damit
ür mehr Nutzer zu sorgen. Daher fordere ich Sie im
inne von mehr Verkehr auf der Schiene auf, unserem
esetzentwurf zuzustimmen.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Eduard Lintner.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Frau Rehbock-Zureich, Sie haben hier eigent-
ich nur die Vorstellung wiederholt, die Sie schon im
usschuss immer wieder geboten haben.
ie versuchen, Ihren Entwurf durch eine nebulöse und
ür Sie günstige Interpretation der europarechtlichen
orschriften zu retten. Nehmen Sie mir es nicht übel: Ih-
er Hausaufgabe, die Ihnen – und uns allen – das Paket
isenbahnrechtlicher Vorschriften der EU aufgibt, näm-
ich mit dieser Gesetzesnovellierung für einen diskrimi-
ierungsfreien Netzzugang für konkurrierende Be-
reiber von Schienenverkehr in den Mitgliedstaaten
er Europäischen Union zu sorgen, werden Sie nicht ge-
echt.
Dabei – das entspricht auch der Logik der vor
ehn Jahren gemeinsam auf den Weg gebrachten Bahn-
eform – müssten Sie eigentlich, um den Erfolg dieser
ahnreform nicht zu gefährden, ein Interesse daran ha-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13655
)
)
Eduard Lintner
ben, für möglichst viel Unabhängigkeit und Selbststän-
digkeit bei der Trassenzugangsentscheidung zu sorgen.
Anliegen der Bahnreform damals war und ist es auch
nach wie vor, für Zuwachs im Personen- und Güterver-
kehr zu sorgen. Wir waren uns immer einig, dass dieser
Zuwachs nur über einen fairen Wettbewerb realisiert
werden kann, der allein in der Lage ist, die Betreiber zu
einem qualitativ verbesserten Angebot auf der Schiene
und einer marktgerechten Gestaltung zu zwingen.
Das britische Beispiel, das Sie so abgetan haben, ist
hier sehr informativ. Dort hat man zugegebenermaßen
zunächst eine falsche Konstruktion gewählt. Aber jetzt,
nach der Korrektur dieser Fehlkonstruktion, ist nicht
wegzureden, Frau Rehbock-Zureich – das haben Sie
wohlweislich nicht erwähnt –, dass sich in Großbritan-
nien ein Zuwachs im Personenverkehr um über
30 Prozent
und beim Güterverkehr von 45 Prozent eingestellt hat.
Das sind traumhafte Ergebnisse,
besonders wenn man diese Zahlen mit unseren mickri-
gen Ergebnissen vergleicht. Wir haben also wirklich al-
len Grund, uns dieses Beispiel genauer anzuschauen.
Im Übrigen haben Sie sich, Frau Kollegin Rehbock-
Zureich, die Entscheidungsfindung auch mit Blick auf
die ganze Prozedur sehr einfach gemacht. Sie wissen so
gut wie ich, dass sehr viele Gutachter, und zwar hoch
kompetente, wissenschaftlich ausgewiesene Gutachter,
innerhalb und außerhalb des Parlaments gehört worden
sind und diese im Ergebnis – das habe ich selten erlebt –
fast alle – jedenfalls soweit sie echt unabhängig waren –
die Auffassung vertreten haben, dass Ihr Gesetzentwurf
nicht der Vorgabe der europarechtlichen Vorschriften
entspricht.
Wenn ich mich an den Wissenschaftlern orientiere,
die höchste Autorität genießen, kann ich nur sagen:
Nach deren Überzeugung – und dem können wir eigent-
lich nur zustimmen – gibt es für die Umsetzung eigent-
lich nur zwei Wege, die ohne Einschränkung als europa-
rechtskonform bezeichnet werden können, nämlich
entweder die konsequente Trennung von Netz und Be-
trieb – das heißt im konkreten deutschen Fall die Aus-
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iesen Weg wollen aber weder Sie noch die DB gehen –
der die Errichtung einer rechtlich, organisatorisch und
ersonell eigenständigen Trassenagentur, die über den
ugang zum Netz und die dafür zu erhebenden Entgelte
ntscheidet. Aber nicht einmal darauf wollen Sie sich
inlassen.
Sie haben uns nun eine halbherzige, kosmetische und
ebulöse Regelung vorgesetzt, mit der Sie meinen sich
us den Vorgaben des Europarechts stehlen zu können.
ie werden aber mit Sicherheit dann eingeholt werden,
enn die ganze Materie beim Europäischen Gerichtshof
andet und der Ihnen dann genau das sagen wird, was wir
hnen heute schon voraussagen.
Im Übrigen hoffen wir immer noch darauf, dass Sie
ich dieser Gefahr richtig bewusst werden – ich habe
ämlich den Eindruck, dass Sie das Ganze gar nicht rich-
ig und ernsthaft zur Kenntnis nehmen – und dass Sie
ich vielleicht doch noch dazu bereit finden, bei den Be-
atungen im Bundesrat und bei dem sich dann mögli-
herweise anschließenden Vermittlungsverfahren zu ei-
er europarechtskonformen Regelung zu kommen.
nsoweit appelliere ich sogar an Sie. Möglicherweise
ommen Sie doch noch zur Vernunft.
Es hat angesichts dieser Gesamtbewertung wenig
inn, sich mit den Details Ihres Gesetzentwurfes zu be-
assen. Dennoch will ich einige Bemerkungen dazu ma-
hen.
Die Bundesregierung tut so, als könne die Trassen-
gentur, die beim Eisenbahnbundesamt eingerichtet
erden soll, tatsächlich unabhängig und unbeeinflusst
on den Interessen der DB AG entscheiden. Wenn
ie die heutige Presse lesen, erfahren Sie, dass Herr
ehdorn ein weiteres Kuckucksei in das Nest Ihrer
ahnpolitik gelegt hat.
r will sogar noch hinter die Vorgaben der Bahnreform
urück und will die Netz AG mit der Holding sozusagen
erschmelzen. Der zuständige Vorstand der Holding
äre dann zugleich der Vorstandsvorsitzende der
etz AG. Eine engere personelle Verzahnung kann es
igentlich nicht geben. Wie soll es diesem Herrn, der
orstand der Holding und Vorstandsvorsitzender der
etz AG ist und unter dessen Ägide die Trassenagentur
u entscheiden hat, möglich sein, beide Funktionen un-
eeinflusst voneinander auszuüben? Die eine Hand be-
ommt doch mit, was die andere tut bzw. tun soll.
13656 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Eduard Lintner
Die Umorganisation, die sich da andeutet, wird uns noch
sehr beschäftigen müssen. Sie kann nämlich nicht den
Vorgaben der Bahnreform entsprechen.
Auch Herr Mehdorn hat sich an diese Vorgaben zu hal-
ten.
Ich will auch noch auf Folgendes hinweisen: Sie wa-
ren ja noch nicht einmal in der Lage – obwohl Sie uns
über lange Zeit im Ausschuss in dieser Frage zuge-
stimmt haben –, diese so genannten Doppelmandate zu
verbieten. Selbst das findet sich in Ihrem Gesetzentwurf
nicht. Daran wird ja schon deutlich, dass Sie gar nicht
den Willen haben, die Trassenagentur so auszugestalten,
dass sie sich gegenüber der Holding durchsetzen und un-
abhängig entscheiden kann.
Ein weiteres Beispiel. Wir waren uns doch ziemlich
einig darüber, die Anregung der Wissenschaftler aufzu-
greifen und die Monopolkommission damit zu beauftra-
gen, alle zwei Jahre ein Gutachten über das Ergebnis der
Arbeit der Trassenagentur zu erstellen.
Auch das haben Sie nicht aufgegriffen, einfach weil Sie
Angst davor haben, es könnte Ihnen alle zwei Jahre be-
stätigt werden, dass Ihre Konstruktion nichts taugt und
den Vorgaben des Europarechts nicht genügt.
Oder nehmen Sie den Netzbeirat. Die Anregung, ei-
nen solchen Beirat einzurichten, haben Sie zwar aufge-
griffen; aber er hat gerade einmal die Funktion einer
Schülermitverwaltung.
Er kann zwar der Hausleitung Vorschläge unterbreiten.
Ob sie sich dann aber überhaupt damit befassen muss, ist
nicht geregelt. Diesen Netzbeirat könnte man also ge-
nauso gut weglassen. Ein ernsthafter Manager wird sich
der Mitarbeit in diesem Beirat vielleicht sogar verwei-
gern.
Was mir aber sehr Leid tut, ist die Tatsache, dass Sie
sich, indem Sie sich einer unabhängigen Trassenagentur
verweigern, der Chance begeben, dass die DB AG in den
nächsten Jahren nachweist, dass diese Konstruktion sehr
wohl tragfähig ist und auf diese Art und Weise die Ziel-
setzung der Vorgaben des Europarechts verwirklicht
werden kann. Es könnte sich nämlich herausstellen, dass
Netzverwaltung und Entgeltgestaltung tatsächlich un-
abhängig vom Betrieb sein können. Dann hätten wir die
leidige Diskussion darüber, ob es eine Trennung von
Netz und Betrieb oder einen Verbund von beiden geben
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as ist der Maßstab, und nicht, ob sich andere Länder in
er Europäischen Union möglicherweise schlechter ver-
alten als wir.
er Maßstab ist nicht Frankreich, sondern die EU-Richt-
inie. Der werden Sie mit diesem Gesetzentwurf nicht
erecht. Ich muss Ihnen leider sagen: Wenn es nach einer
ntsprechenden Entscheidung des EuGH zu einem De-
aster kommt, weil das ganze Gebäude in sich zusam-
enfällt, dann haben Sie das zu verantworten.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Albert Schmidt, Bünd-
is 90/Die Grünen.
Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE
RÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
ebatte heute entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie.
ährend wir hier am heutigen Tag über unabhängigen
ettbewerb auf der Schiene und über Maßnahmen zur
nabhängigstellung insbesondere der Netzentscheidun-
en von der Holding debattieren und beschließen,
ind gleichzeitig die Zeitungen voll von Überlegungen
nd sogar Plänen im Bahntower, genau das Gegenteil zu
achen.
er Vorstand der Holding, also des Konzerns, soll direkt
n die einzelnen Unteraktiengesellschaften, sofern sie
berhaupt noch Bestand haben, hineinregieren.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13657
)
)
Albert Schmidt
Das wäre – ich will das hier so deutlich sagen – nicht nur
gegen das Deutsche-Bahn-Gründungsgesetz, nach dem
die Ausgründung von mindestens vier Aktiengesell-
schaften vorgeschrieben ist, sondern es wäre faktisch
auch das Gegenteil des Prinzips der Entherrschung, das
die Europäische Union in der Richtlinie vorgeschrieben
hat.
Ich will Ihnen dokumentieren, dass ich mich nicht auf
Zeitungsartikel beziehe. In dem Mitarbeiterbrief, den
der Vorstandsvorsitzende in diesen Tagen an die Kolle-
ginnen und Kollegen geschrieben hat, wird wörtlich for-
muliert:
… wollen wir mit Personenverkehr, Transport und
Logistik sowie mit Infrastruktur drei Bereiche
– ich sage: nur noch drei Bereiche –
bilden, die künftig direkt von den zuständigen Kol-
legen aus dem Holdingvorstand heraus gesteuert
werden.
So steht es in einem Schreiben – nicht in der Zeitung –
an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Über diese
neue Konstruktion ist jedenfalls mit den Verkehrspoliti-
kern des Deutschen Bundestages bis heute nicht mit ei-
ner einzigen Silbe diskutiert bzw. beraten worden. Des-
halb kann ich nur sagen: Wer glaubt, diesen Weg ohne
uns gehen zu können, der täuscht sich genauso wie bei
einem überstürzten Börsengang.
Zur Sache selbst, die uns heute beschäftigt: Das Ge-
setz, das heute zur Abstimmung vorliegt, ist ein gutes
Gesetz. Ich will Ihnen sagen, warum. Mit diesen Be-
schlüssen, die wir heute fassen, werden die Signale auf
Grün gestellt. Das ist im Prinzip immer gut.
In diesem Fall ist es besonders gut, weil Grün hier heißt:
mehr und fairer Wettbewerb auf Deutschlands Schienen-
netz.
Mit diesen neuen Spielregeln, die wir heute beschließen,
beginnt ein neues Zeitalter des Wettbewerbs auf der
Schiene, weil nämlich jetzt eine stabile Rechtsgrundlage
da ist, die für jedermann und für jedes Verkehrsunterneh-
men einklagbar ist. Das ist der eigentliche Fortschritt des
Gesetzes, das wir heute vorlegen.
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ie – das schreibt der Gesetzentwurf vor – auch im Netz-
orstand zum Gegenstand der Beratungen gemacht wer-
en müssen. Entscheidend ist vor allem, dass die Tras-
enagentur als Aufsichtsbehörde mit am Tisch sitzt.
ieser Schiedsrichter wird jede Beschwerde sehr genau
rüfen. Er erfährt sozusagen in Echtzeit davon. Das ist
ichtig und notwendig, um einen fairen Wettbewerb zu
arantieren.
Die verbesserten Regelungen für die Stilllegung
ind bereits angesprochen worden. Künftig sind Rück-
aumaßnahmen – auch kleinere – genehmigungspflich-
ig, damit nicht einfach Kapazitäten von einem Monopo-
isten vernichtet werden, die somit nicht mehr von
nderen genutzt werden können.
Der Ertragswert als Richtschnur künftiger Preisbe-
echnungen bei der Übergabe von Trassen, sei es auf-
rund von Pacht oder Kauf, wurde bereits angesprochen.
uch das stellt einen Fortschritt dar. Das gilt auch für die
erbesserte Stellung der Gemeinden, die in Zukunft an-
ragsberechtigt sind, um bei der Freistellung von Grund-
tücken von Bahnbetriebszwecken keine langwierigen
erfahren durchlaufen zu müssen. Das alles sind Verbes-
erungen.
Für die Fahrgäste ist es interessant und wichtig, dass
ahrplaninformationen künftig unternehmensüber-
reifend veröffentlicht werden müssen. Die Fahrgäste
13658 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Albert Schmidt
erhalten damit einen Anspruch auf uneingeschränkte In-
formationen über alle Anschlusszüge, auch die der Kon-
kurrenz. Der Connex-Streit gehört damit der Vergangen-
heit an. Das ist eine klare Ansage, die heute für die
Fahrgäste des Schienensystems insgesamt von Bedeu-
tung ist.
Die Trassenpreise – auch das war uns wichtig – sind
künftig nach oben gedeckelt. Es soll keine überhöhten
Monopolgewinne geben, sondern maximal die Deckung
der Vollkosten plus eine angemessene Rendite. Auch
müssen – gerade für Newcomer – Züge zu Grenzkosten
ermöglicht werden.
Abschließend bleibt die Frage zu klären – zumindest
für meine Fraktion ist sie noch offen –, ob all das von
mir dargestellte Positive ausreicht, um eine vollständige
Übereinstimmung mit dem europäischen Wettbewerbs-
und Eisenbahnrecht zu erzielen, und ob nicht mehr
Kompetenzen für die Trassenagentur, insbesondere
für eine Trassenagentur, die in der Frage der Trassenver-
gabe oder Trassenpreise nicht nur eine Überwachungs-
funktion wahrnimmt, sondern auch selbst entscheidet,
notwendig sind, um die europäischen Bestimmungen
rechtskonform umzusetzen. Diese Frage wird in den
nächsten Wochen und Monaten zu klären sein, sei es im
Bundesrat, sei es durch ein anzustrengendes Vermitt-
lungsverfahren oder auch durch die Kommission selbst.
Ich teile die Auffassung, die der Kollege Lintner ver-
treten hat: Je stärker die Trassenagentur ausgestaltet
wird,
desto glaubhafter können wir die These untermauern,
dass es trotz einer integrierten Konzernstruktur – die wir
vorläufig behalten; sie steht nicht zur Diskussion – faire
Spielregeln gibt, die Diskriminierungen nicht nur ver-
hindern, sondern Diskriminierungspotenziale qua Kon-
struktion strukturell sogar ausschließen. Diese Chance
ist noch nicht, zumindest nicht vollständig, umgesetzt
worden. Trotzdem ist der Gesetzentwurf gut. Ich bitte
Sie deshalb um Ihre Zustimmung. Er ist, wie schon ge-
sagt wurde, aufwärts kompatibel.
Das Wort hat nun der Kollege Horst Friedrich für die
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit
dem Eisenbahngesetzeswerk, das der Bundesrat hoffent-
lich stoppen wird, würde Deutschland in der Umsetzung
der EU-Richtlinien einen bedenklichen Sonderweg ge-
hen.
Das richtet sich besonders gegen die SPD, liebe Frau
Kollegin Rehbock-Zureich. Sie wollen nämlich weder
die große Trennung von Netz und Betrieb, wie sie von
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ber Sie glauben bis heute an das Märchen von der Sa-
ierung der Bahn, obwohl wir Ihnen seit längerer Zeit
as Gegenteil beweisen. Hätte es eines größeren Bewei-
es bedurft als die jetzige Revision der eigenen Zahlen
urch den Bahnvorstand und die Verlängerung bis 2009?
Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, wäh-
end Sie hier ein Gesetz beschließen, von dem Sie glau-
en – das verkünden Sie jedenfalls –, es diene der Un-
bhängigkeit des Netzes und der Sicherung der
iskriminierungsfreiheit, führt der Bahnchef alle Bemü-
ungen ad absurdum, indem er die Konzernstrukturen
ochmals umbaut, um die Holding weiter zu stärken.
ährend Sie noch immer glauben, dass Chinese Walls
unktionieren, schreibt der Bahnvorstand – ich zitiere
us dem Mitarbeiterbrief vom 2. Dezember 2004 –:
… wollen wir mit Personenverkehr, Transport und
Logistik sowie mit Infrastruktur drei Bereiche bil-
den, die künftig direkt von den zuständigen Kolle-
gen aus dem Holdingvorstand heraus gesteuert wer-
den.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13659
)
)
Horst Friedrich
„Aus dem Holdingvorstand heraus“, das ist das Ent-
scheidende; darum geht es.
Aber Sie glauben – wie Kindergartenkinder an den
Weihnachtsmann – noch immer, dass im Bereich Infra-
struktur zukünftig die Interessen der Wettbewerber
gleichberechtigt neben denen der Konzerntöchter be-
rücksichtigt werden. Das ist ungefähr so, als ob man
glaubte, dass Ostern und Weihnachten auf einen Tag fal-
len. Das kann doch wohl nicht die Realität sein.
Sie wissen, dass es – Gott sei Dank – auch innerhalb
der SPD andere Überlegungen gibt. Der Verkehrsminis-
ter von Nordrhein-Westfalen, Herr Kollege Horstmann,
hat im September dieses Jahres einen mehrseitigen Brief
an den Bahnvorstand geschrieben. Unter anderem steht
dort der völlig richtige Satz:
Die Entstehungsgeschichte und der Wortlaut des
Bahngründungsgesetzes zeigen aber, dass der
DB AG in ihrer heutigen Erscheinung keineswegs
ein monolithischer Endstatus zugebilligt wurde.
Das ist eigentlich die Ausgangsbasis der Diskussion, die
Sie aber nach wie vor – aus meiner Sicht: völlig zu Un-
recht – ablehnen. Das ist Ihre Entscheidungssituation.
Herr Kollege Friedrich, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Ferlemann?
Ja.
Bitte, Herr Ferlemann.
Herr Kollege Friedrich, Sie beklagen meiner Ansicht
nach vollkommen zu Recht, dass die Konzentration der
Macht bei der Holding und die Entmachtung der einzel-
nen Teilgesellschaften im Grunde genommen den Geset-
zen zur Bahnreform widersprechen. Teilen Sie meine
Auffassung, dass dies nicht nur formal ein Fehler ist,
sondern auch in der Sache völlig fehlgeht?
Herr Kollege Ferlemann, Sie haben völlig Recht. Ich
stimme Ihnen ausdrücklich zu. Vielen Dank für Ihre
Frage.
Ich möchte die Auswirkungen an einem konkreten
Beispiel zeigen.
Das beste Beispiel ist eigentlich die Bahnpreisre-
form, „die Revolution im Fernverkehr“, wie es so schön
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as neue Preissystem hat das Gegenteil von dem er-
eicht – Herr Kollege Schmidt, das werden Sie nicht
eugnen –,
as es eigentlich erreichen sollte. Das Schlimme daran
st: Die Fachleute im Fernverkehr, die sich dagegen ge-
ehrt haben, wurden versetzt, in den Ruhestand ge-
chickt oder mundtot gemacht. Die Beschlüsse wurden
n der Konzernspitze gefasst, wo man von den eigentli-
hen Bedürfnissen weit entfernt ist.
Genau so wird es weitergehen. Wer sich weigert, die
raxisnähe der einzelnen Gesellschaften zu akzeptieren,
er muss damit rechnen, dass es Fehlentscheidungen
ibt.
Ich möchte noch einmal aus dem Brief von Herrn
orstmann zitieren:
So stoßen die auf Landesebene für den SPNV zu-
ständigen Aufgabenträger schon heute auf DB-
Unternehmen, die – je nach deren Finanzinteresse
im Einzelfall – entweder als unabhängige Konzern-
töchter oder als DB-Konzerninteressen wahrende
Unternehmen auftreten. Dieses chamäleonhafte
Verhalten gefährdet zurzeit ein nordrhein-westfäli-
sches Projekt der Fußballweltmeisterschaft; ich be-
nenne es hier nur als ein Beispiel, um die Nachteile
des Konstrukts eines privatisierten DB-Konzerns
mit gegenwärtigem Zuschnitt zu verdeutlichen.
iebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, wenn
ie uns schon nicht glauben, dann glauben Sie vielleicht
hren eigenen Verkehrsministern. Sie wissen hoffentlich,
ovon sie reden. Dieses Gesetz wird mit großer Wahr-
cheinlichkeit vom Bundesrat abgelehnt werden und wir
ehen uns im Vermittlungsausschuss wieder. Vielleicht
eigen Sie dann etwas mehr Vernunft, was die Umset-
ung der EU-Regelungen angeht.
Herzlichen Dank.
Für die Bundesregierung spricht nun die Parlamenta-
ische Staatssekretärin Angelika Mertens.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
laube, ein kurzer historischer Rückblick, was die Eisen-
ahnpakete angeht, lohnt sich.
13660 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Parl. Staatssekretärin Angelika Mertens
Begonnen hat es mit dem Untätigkeitsurteil des EuGH
1985. Das zeigt auch, dass die Staaten kein besonderes
Interesse daran hatten, diesen Bereich zu regeln. Daraus
folgte dann die Richtlinie 91/440/EWG mit den vier Ele-
menten: Unabhängigkeit der Eisenbahn vom Staat, rech-
nerische Trennung Fahrweg/Betrieb, Netzzugangsrechte,
Entschuldung.
Deutschland ist im Zuge der Bahnreform hinsichtlich
der Liberalisierung des öffentlichen Eisenbahnverkehrs-
marktes deutlich über die Forderungen dieser Richtlinie
hinausgegangen. Im Zuge der zweiten AEG-Novelle, die
am 1. Juli 2002 in Kraft getreten ist, werden die Kompe-
tenzen und das Instrumentarium des Eisenbahn-Bundes-
amtes deutlich erweitert.
Mit der dritten und vierten Novelle befinden wir uns
sozusagen auf der Mittelstrecke. Es ist noch lange nichts
vollendet. Wir befinden uns gewissermaßen mittendrin.
Die europäische Entwicklung ist von folgenden
Eckpunkten geprägt: einerseits Liberalisierung ein-
schließlich Regulierung, andererseits Harmonisierung
und Interoperabilität. Beide Punkte bedingen einander.
Eine Angleichung der technischen Anforderungen und
die Regelung der Verantwortlichkeiten der Beteiligten
im Eisenbahnsektor sind eine unabdingbare Vorausset-
zung für die Marktöffnung.
Die angestrebte Interoperabilität ist nur dann von
Nutzen, wenn die Eisenbahnverkehrsmärkte parallel ge-
öffnet werden. Eine Liberalisierung des Eisenbahnver-
kehrsmarktes erfordert eine starke, sektorenspezifische
Aufsicht über den Netzzugang, wodurch Zugangshinder-
nisse aller Art erkannt und effektiv beseitigt werden kön-
nen. Das ist durch die Trassenagentur beim – nicht im –
EBA hervorragend gewährleistet.
Frau Mertens, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Abgeordneten Lintner?
An
Aus ganz persönlichen Zeitgründen möchte ich keine
Zwischenfrage zulassen.
Herr Lintner, es tut mir Leid. Ein anderes Mal beant-
worte ich Ihre Frage gerne.
Die beiden Gesetzentwürfe sind schon gewürdigt und
auch kritisiert worden. Ich muss das hier nicht wieder-
holen. Wir haben lange Zeit darüber diskutiert und ge-
stritten. Es ist sicherlich das gute Recht derjenigen, die
eine andere Bahn oder andere Bahnen wollen, das an
dieser Stelle einzubringen.
Ich sage deutlich: Es war vor allen Dingen eine natio-
nale Schlacht, die hier geschlagen wurde. Ich hatte auch
das Gefühl, dass der europäische Aspekt hier überhaupt
nicht mehr wahrgenommen wird. Zeitweise hatte man
das Gefühl, man befinde sich in Deutschland sozusagen
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ch glaube, dass ein bisschen Fairness, übrigens auch ge-
enüber der Bahnreform, nicht hätte schaden können.
Ich möchte einfach noch einmal den Versuch unter-
ehmen, das übergeordnete Ziel des Dritten und des
ierten Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher
orschriften und der so genannten Eisenbahnpakete zu
ürdigen:
Die Schiene spielt für die Sicherung der Mobilität
er Menschen in Europa nach wie vor eine besondere
olle. Die Bundesregierung hat sich ausdrücklich zu ei-
er nachhaltig wirksamen Stärkung des Verkehrsträgers
chiene bekannt und führt somit die Bahnreform auch
onsequent fort.
Die zunehmenden Abhängigkeiten und Verflechtun-
en der Verkehrspolitik werden bei allen anderen Ver-
ehrsträgern automatisch unterstellt; bei der Schiene ist
s zugegebenermaßen etwas komplizierter. Aber ich
rage mich, warum um alles in der Welt in der Diskus-
ion so getan wird, als handele es sich hierbei um eine
rt Modelleisenbahn, die immer nur im Kreis fährt.
Für Marktanteile und Zukunftschancen von Verkehrs-
rägern sind zukünftig die Bedingungen des europäi-
chen Verkehrsmarkts wesentlich wichtiger als natio-
ale Bezugsrahmen. Wir haben gemeinsam das
eißbuch „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010“
egrüßt, vor allem deshalb, weil darin Initiativen zum
traßenverkehr aufgezeigt werden, zum Beispiel die von
er Kommission verfolgte Strategie zur Schaffung eines
ntegrierten europäischen Eisenbahnraums.
Wir haben in Deutschland mit der Bahnreform den
rundstein für mehr Wettbewerb im Eisenbahnmarkt
elegt. Wir verfügen im europäischen Vergleich über die
ntsprechenden Erfahrungen. Damit haben wir auch
xzellente Voraussetzungen dafür, um auf diesem Gebiet
rfolgreich zu sein – mit unserem eigenen Unternehmen,
ber auch mit anderen deutschen Unternehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den
etzten Monaten eine sehr deutsche Debatte geführt,
ämlich darüber, ob das Modell der integrierten Bahn
nd die Holdingstruktur der DB mit den EU-Vorgaben in
inklang stehen. Wir sagen: Ja. Dieses Modell wider-
pricht nicht der Forderung nach Öffnung für den Wett-
ewerb auf der Schiene, weil Wettbewerb nicht zwin-
end die institutionelle Trennung voraussetzt und der
iskriminierungsfreie Zugang zur Infrastruktur auch
urch alternative Regulierungslösungen gewährleistet
erden kann. Ich sage auch deshalb „eine deutsche De-
atte“, weil wir immer die Neigung haben, die Theorie
öher zu bewerten als die Praxis. Für das, was heute
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13661
)
)
Parl. Staatssekretärin Angelika Mertens
beim Netzzugang schon täglich praktiziert wird, brau-
chen wir uns in Europa nun wahrlich nicht zu verste-
cken.
Ein Netzbetreiber ist immer ein Monopolist, egal
wie er konstruiert ist. Der Lokführer kann eben nicht
entscheiden, einmal eine andere Strecke zu fahren oder
gerade einmal eine Pause zu machen.
Der LKW-Fahrer kann darüber entscheiden; der Lokfüh-
rer kann es nicht. Insofern ist der Netzbetreiber, wie ge-
sagt, egal wem er gehört oder wie er konstruiert ist, im-
mer ein Monopolist.
Ein Netzbetreiber wird immer eine Entscheidung da-
rüber treffen müssen, welche Verkehre er bevorzugt.
Wenn man sich in Europa umschaut, dann stellt man
fest, dass vor allem die Systemverkehre bevorzugt wer-
den. Ich kenne kein Land, das die Systemverkehre letzt-
lich nicht gegenüber den Bedarfsverkehren bevorzugt;
denn sonst – das weiß eigentlich jeder, der ein bisschen
von der Bahn versteht – kann man einen Fahrplan sozu-
sagen knicken. Übrigens können Reichsbahner ein Lied
davon singen, wie so etwas gemacht wird. Die meistge-
hassten Leute bei der Reichsbahn in den 50er- und viel-
leicht auch noch in den 60er-Jahren waren, glaube ich,
die russischen Dispatcher, die nämlich mit ihren Be-
darfsverkehren täglich das Chaos produzieren konnten;
kein Fahrplan konnte dann eingehalten werden.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie ganz herz-
lich bitten, den beiden Gesetzentwürfen zuzustimmen,
damit wir die europäischen Vorgaben auch auf dieser
Ebene erfüllen.
Herzlichen Dank.
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Enak Ferlemann, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wie ich und viele andere auch vernommen ha-
ben, war das wohl Ihre letzte Rede zur Eisenbahnpolitik,
Frau Staatssekretärin. So war sie denn auch.
Worum geht es in der Eisenbahnpolitik? Eigentlich
geht es allen Fraktionen darum, dass wir mehr Verkehr
von der Straße auf die Schiene bringen. Das ist das hehre
Ziel, dem wir uns alle stellen wollen. Die Europäische
Union regelt das auf europäischer Ebene, indem sie Vor-
gaben macht. Sie sagt: Mehr Verkehr kommt nur durch
mehr Wettbewerb auf den Verkehrsträger Schiene, weil
es überall staatliche Monopolstrukturen gibt, die derzeit
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ur so bekommen Sie auch wirklich echten Wettbewerb
uf die Schiene.
13662 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Enak Ferlemann
Sie haben einige Nachbesserungen vorgenommen;
das hat die Kollegin Rehbock-Zureich hier schon er-
wähnt. Dabei handelt es sich zugegebenermaßen um
Verbesserungen, aber die eigentliche Kernaufgabe, näm-
lich eine EU-konforme Trassenagentur zu errichten,
haben Sie nicht gelöst. Dieses Ziel haben Sie eindeutig
verfehlt. Nicht einmal die Minimallösung für eine Unab-
hängigkeit, wie sie die EU verlangt, erreichen Sie mit
diesem Gesetz. Diese Agentur beim EBA anzusiedeln,
ist eine Idee – das soll jetzt kein Vorwurf an das EBA
sein –, die überhaupt nicht trägt. Sie hatten keinen Mut
zum großen Wurf, warum auch immer. Man kann da nur
Vermutungen anstellen. Mutig wäre es gewesen, das jet-
zige Strukturmodell über Bord zu werfen.
Vor diesem Hintergrund finde ich es schon erstaun-
lich, dass der Kollege Schmidt im Ausschuss wie auch
heute hier inhaltlich eine hervorragende Rede gehalten
hat, die ich ohne weiteres unterschreiben kann.
– Das macht er nicht immer, bei vielen Themen nicht,
aber hier bin ich mit ihm einer Meinung. Ich verstehe
nur nicht, Herr Kollege Schmidt, wieso Sie, wenn Sie
denn dieser Auffassung sind, die ich und auch meine
Fraktion teilen, einem so fatalen Gesetzentwurf zustim-
men können. Das macht keinen Sinn.
Wenn es so ist, wie Sie sagen – ich teile das –, dann dür-
fen Sie diesem Gesetzentwurf heute nicht zustimmen.
Sie haben sich aber, verehrter Herr Kollege, selber
eine hervorragende Brücke gebaut, indem Sie im Fach-
ausschuss die Kollegen der CDU/CSU- und der FDP-
Fraktion gebeten haben, auf die B-Länder einzuwirken,
ein Vermittlungsverfahren anzustreben, damit das, was
Sie für richtig halten und was auch wir für richtig halten,
über den Umweg der gut regierten CDU- und CSU-ge-
führten Bundesländer zu einer vernünftigen Regelung
führt,
wodurch dieses verheerend falsche Gesetz dann so korri-
giert wird, dass es EU-konform wird.
Das haben Sie von uns verlangt. Ich sage Ihnen zu: Wir
werden alles daransetzen, diesem Wunsch, den Sie indi-
rekt geäußert haben, nachzukommen und ihn zu erfüllen.
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst
ber den von der Bundesregierung eingebrachten Ent-
urf eines Dritten Gesetzes zur Änderung eisenbahn-
echtlicher Vorschriften auf der Drucksache 15/3280.
er Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
mpfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf
rucksache 15/4419, den Gesetzentwurf in der Aus-
chussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
em Gesetzentwurf in dieser Fassung zustimmen wol-
en, um ihr Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer
nthält sich der Stimme? – Damit ist der Gesetzentwurf
n zweiter Beratung mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf in der gerade vereinbarten Fassung zu-
timmen wollen, sich von den Plätzen zu erheben. – Wer
timmt dagegen? – Möchte sich jemand der Stimme ent-
alten? – Damit ist der Gesetzentwurf mit der gleichen
ehrheit der Koalition gegen die Stimmen der Opposi-
ion angenommen.
Wir stimmen nun über den von der Bundesregierung
ingebrachten Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Ände-
ung eisenbahnrechtlicher Vorschriften auf den Drucksa-
hen – –
Ich habe hier Unterlagen teilweise doppelt, was, wenn
ir auch die Beschlussfassung doppelt herbeiführen, die
ültigkeit sicher nicht beeinträchtigt.
Wir stimmen nun über den Entschließungsantrag der
raktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache
5/4434 ab. Wer stimmt für diesen Entschließungsan-
rag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
ntschließungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf der vor-
in genannten Drucksache 15/4419 empfiehlt der Aus-
chuss, den von den Fraktionen der SPD und des Bünd-
isses 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13663
)
)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Dritten Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher
Vorschriften auf Drucksache 15/2743 für erledigt zu er-
klären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? –
Diese Beschlussempfehlung ist einmütig angenommen.
Wir stimmen jetzt über den von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Ände-
rung eisenbahnrechtlicher Vorschriften auf den Drucksa-
chen 15/3932 und 15/4235 ab. Der Ausschuss für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen empfiehlt unter Nr. 1
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/4420,
den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzuneh-
men. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in die-
ser Fassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der
Gesetzentwurf in zweiter Beratung gegen die Stimmen
der FDP angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der
Gesetzentwurf mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 15/4420 empfiehlt der Ausschuss, eine Entschlie-
ßung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussemp-
fehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der
Stimme? – Damit ist die Beschlussempfehlung mehr-
heitlich angenommen.
Hat irgendjemand den Eindruck, dass irgendein zur
Beschlussfassung empfohlenes Gesetz oder irgendein
Entschließungsantrag nicht zur Abstimmung gestellt
worden ist?
– Das ist offenkundig nicht der Fall. Dann ist dieser Ta-
gesordnungspunkt erledigt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 sowie den Zu-
satzpunkt 8 auf:
23 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Michael Fuchs, Wolfgang Bosbach, Hartmut
Koschyk, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU
Bürokratische Hemmnisse beseitigen – Bes-
sere Rahmenbedingungen für Arbeit in
Deutschland
– Drucksache 15/4156 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
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Niebel, Rainer Brüderle, Daniel Bahr ,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Reform des Kündigungsschutzgesetzes – Ab-
schaffung von Hemmnissen für die Einstellung
neuer Mitarbeiter
– Drucksache 15/3724 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Rechtsausschuss
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
c) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Dirk Niebel, Daniel Bahr , Rainer
Brüderle, weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Lockerung des Verbots wiederholter
Befristungen
– Drucksache 15/2804 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wirtschaft und Arbeit
– Drucksache 15/3990 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Anette Kramme
P 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk
Niebel, Rainer Brüderle, Dr. Karl Addicks, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Keine Sperrfrist bei Abschluss eines Abwick-
lungsvertrags nach arbeitgeberseitiger be-
triebsbedingter Kündigung
– Drucksache 15/4407 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Rechtsausschuss
Die Fraktionen haben sich auf eine Debattenzeit von
0 Minuten verständigt. – Dazu höre ich keinen Wider-
pruch. Dann ist es so vereinbart.
Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst das
ort dem Kollegen Michael Fuchs für die CDU/CSU-
raktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Bun-
eskanzler hat in seinen Regierungserklärungen immer
ieder mit vielen blumigen Worten davon gesprochen,
ass Bürokratie abgebaut werden soll und dass unnötiger
ürokratismus in Deutschland verschwinden soll. Nach-
em er sechs Jahre an der Regierung ist, fragen wir uns
atürlich, was in dieser Zeit passiert ist.
13664 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Dr. Michael Fuchs
Passiert ist eigentlich nichts. Mir jedenfalls ist nichts Be-
sonderes aufgefallen. Wenn Sie heute Unternehmen fra-
gen, dann können Sie feststellen, dass so gut wie gar
nichts passiert ist.
Gestern gab es die erste Lesung eines Gesetzes, in
dem Vorschläge aus den Regionen zusammengefasst
wurden. Von diesen über 1 000 Vorschlägen aus drei
Testregionen wurden neun umgesetzt. Das sind noch
nicht einmal 9 Promille. Angesichts dieses Promillean-
teils muss man sagen: Das ist wirklich nicht berau-
schend.
Heute wird in den Zeitungen berichtet, dass Sie ein
neues Antidiskriminierungsgesetz auf den Weg bringen
wollen. Dieses Gesetz kompensiert natürlich den Abbau
von dem bisschen Bürokratie, der durch das gestern in
erster Lesung beratene Gesetz erbracht werden soll. In
Wirklichkeit wollen Sie doch keinen Bürokratieabbau.
Sie wollen weiter mehr Staat. Herr Müntefering hat vor
zwei Jahren kurz vor Weihnachten gesagt: Dem Staat
mehr Geld und den Bürgern weniger. Ihre Kollegin Vogt
hat vor kurzem gesagt, dass man sich nicht so stark an
den Bürokratieabbau heranwagen wolle; denn wir wür-
den einen starken Staat brauchen. Den Etatismus, den
Sie nach wie vor pflegen, sieht man an Ihrer gesamten
Gesetzgebung. Ich halte das für ausgesprochen falsch.
Ich möchte aus einem Brief des BDI an den Wirt-
schaftsminister, Ihren Gesetzentwurf betreffend, zitie-
ren:
Allerdings möchte ich nicht verhehlen, dass wir uns
von den von dem BMWA erarbeiteten Maßnahmen
mehr versprochen hatten. Das vorliegende Artikel-
gesetz enthält zwar den einen oder anderen Ansatz
zum Bürokratieabbau. Der große Wurf ist aber be-
dauerlicherweise nicht zu verzeichnen. Dieses Arti-
kelgesetz schafft keine merkliche Reduzierung von
Bürokratie.
Genau da müssen wir ansetzen. Alle anderen Wirt-
schaftsverbände, ob ASU oder DIHK, haben sich in glei-
cher Weise geäußert.
Es wurden insgesamt 102 Projekte durchgeführt, von
denen nach zwei Jahren gerade einmal 17 abgeschlossen
sind. Clement hat angekündigt, dass bis zum Ende des
Jahres 40 Prozent abgeschlossen sein sollen. Ich bin ein-
mal gespannt, wie Sie es schaffen wollen, bis zum Ende
des Jahres 23 weitere Projekte abzuschließen. Ich bin
zwar ein unverbesserlicher Optimist. Aber ich habe
meine Zweifel, ob Ihre Fähigkeiten ausreichen, dieses
Ziel zu erreichen.
Sie haben kein Konzept; Sie haben keine Richtung. Sie
wissen nicht genau, was Sie wollen. Im Wesentlichen
wollen Sie aber mehr Staat.
Wir haben bereits vor langer Zeit einen ersten Antrag
zu diesem Thema eingebracht. Wir hatten eine Anhö-
rung dazu. Sämtliche Wirtschaftsverbände haben uns be-
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ber, verehrte Frau Kollegin, das hat uns bis jetzt keinen
entimeter weitergebracht.
Sie sollten einmal sehen, dass am Frankfurter Flugha-
en mittlerweile mehr Papier verbraucht worden ist, als
ie neue Landebahn in Zukunft lang sein wird. Denn es
ibt mittlerweile 60 Aktenordner mit 17 500 Textseiten,
90 Pläne und Karten sowie 34 Gutachten. Das ist ein
eitrag zur Beschäftigung der Papierindustrie, aber nicht
u einem Investitionsprojekt, wie wir es in Deutschland
rauchen würden.
in Investitionsvolumen von mehr als 3,5 Milliarden
uro liegt brach, weil andauernd mit Verbandsklagen
ersucht wird, solche Projekte kaputtzumachen.
Oder nehmen wir das Verkehrswegeplanungsbe-
chleunigungsgesetz. Ich habe letzte Woche an der
aushaltsdebatte teilgenommen und habe mir gedacht:
er Bundeswirtschaftsminister hat ja vollkommen
echt. Er hat gesagt – deswegen bitten wir Sie, unserem
ntrag zuzustimmen –, dass er möchte, dass das
undesverkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz –
in tolles Wort! – auf ganz Deutschland ausgedehnt
ird, und zwar für immer. Was macht Ihre Fraktion? Sie
erlängern die Geltungsdauer dieses Gesetzes für die
euen Bundesländer gerade einmal um ein Jahr und sa-
en obendrein, das sei zum letzten Mal erfolgt. – So
ommen wir in diesem Lande nie weiter.
ir bitten Sie daher darum, wenigstens hier mitzuma-
hen.
Im Arbeitsrecht kann man viele, viele Dinge kritisie-
en; das sollte man auch. Wir haben allein in Deutsch-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13665
)
)
Dr. Michael Fuchs
land mehr als 160 verschiedene Schwellenwerte. Das
kann nicht richtig sein; das kann kein Unternehmer mehr
auseinander halten. Denn so viele Schwellenwerte für so
unterschiedliche Tatbestände sind einfach Unsinn. Das
muss vereinfacht werden. Ich denke, darüber sollten wir
alle uns im Klaren sein.
Eins gehört für mich auch dazu: Gerade in einer Zeit,
wo wir um jeden Arbeitsplatz für Azubis kämpfen müs-
sen, sollten wir die Azubis aus der Schwellenwertbe-
rechnung generell herausnehmen. Ich halte das für sinn-
voll; denn es kann nicht sein, dass Azubis nicht
eingestellt werden, weil bei Erreichen des Schwellen-
wertes ein Unternehmen einen zusätzlichen Betriebsrat
stellen müsste. Das darf nicht der Fall sein. Hier geht es
darum, dass wir Arbeitsplätze für junge Leute schaffen.
Das ist für mich eines der wichtigsten gesellschaftspoli-
tischen Probleme.
Wenn wir nicht bereit sind, grundsätzlich Dinge zu
verändern – dazu gehört für mich auch der zuletzt ge-
nannte Punkt –, dann werden wir auf dem Sektor Büro-
kratieabbau keinen Zentimeter weiterkommen. Lassen
Sie uns deswegen bitte gemeinsam noch einmal über das
Subsidiaritätsprinzip sprechen! Subsidiarität – wir alle
führen das ständig in unseren Sonntagsreden an – bedeu-
tet: Die kleinste Einheit soll es machen. Nur wenn wir
bereit sind, dies grundsätzlich anzugehen, werden wir in
der Lage sein, die Bürokratie in Deutschland wirklich
abzubauen. Ich möchte, dass hier etwas geschieht; denn
die deutsche Wirtschaft wird durch die Bürokratie mit
46 Milliarden Euro pro Jahr belastet.
Aufgabe dieses Parlamentes ist es, dafür zu sorgen,
dass diese Belastungen endlich zurückgeführt werden.
Helfen Sie bitte mit! Stimmen Sie unserem Antrag zu!
Ich erteile das Wort dem Kollegen Walter Hoffmann,
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Kollege Fuchs, ich möchte Ihnen in einem
Punkt ganz entschieden widersprechen:
Sie haben gesagt, wir wollten keinen Bürokratieabbau.
Das ist im wahrsten Sinne des Wortes eine falsche Be-
hauptung. Sie können sagen, dass wir vielleicht nicht ge-
nug machen – das haben Sie ja geäußert – und dass die
Schwerpunkte nicht richtig gesetzt sind. Aber von der
Zielsetzung lassen wir uns nicht abbringen. Diese Pro-
blematik haben wir von Beginn dieser Legislaturperiode
an angepackt.
Sie haben selber erwähnt, dass wir gestern eine Fülle
von gesetzlichen Regelungen beschlossen haben. Darin
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llerdings möchte ich hier nicht mehr ständig Dinge
iederholen, die in der Substanz nichts Neues mehr
ringen,
us meiner Sicht zum Teil bereits erledigt sind
nd die nicht dem Abbau von Bürokratie dienen,
ondern in vielen Bereichen eine Verschlechterung der
ituation zur Folge hätten.
Ich wähle ein Beispiel aus dem Themenbereich
rbeitsrecht – meine Kollegin wird dies nachher si-
herlich noch ausführlicher ansprechen –, weil Sie dies
ngeführt haben. Ihre Position dazu kenne ich: Das vor-
andene Arbeitsrecht blockiere die Einstellung von Per-
onen. Vor wenigen Tagen wurde eine umfangreiche
tudie des IAB veröffentlicht. Darin hat man meines
issens zum ersten Mal den Zusammenhang zwischen
ündigungsschutz und Einstellung untersucht. Dazu hat
an 50 000 Menschen in den Betrieben befragt und ge-
rüft, ob der bei uns vorhandene Kündigungsschutz eine
instellungsbremse darstellt. Dabei ist kein Zusammen-
ang plausibel nachgewiesen worden.
Deshalb sollten wir nicht auf jedes Pferd aufspringen,
as auf die Galopprennbahn geführt wird; vielmehr soll-
en wir genau prüfen, welche Vorschrift sinnvoll, richtig
nd notwendig ist, wie sie verbessert, entschlackt und
öglicherweise organisatorisch anders angepackt
13666 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Walter Hoffmann
werden kann. Wenn der Abbau von Bürokratie auf diese
Weise in Angriff genommen wird, dann haben Sie uns
dabei an Ihrer Seite.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Niebel?
Ja, natürlich.
Herr Kollege, Sie haben gerade die IAB-Studie zur
Wirkung des Kündigungsschutzes auf die Einstellungen
angesprochen. In dieser Studie wurde bekanntlich die
Veränderung des Einstellungsverhaltens nach der Ände-
rung des Kündigungsschutzgesetzes 1996 untersucht, in
deren Rahmen der Schwellenwert von fünf auf zehn Ar-
beitnehmer angehoben wurde. Ebenso wurden die Aus-
wirkungen der Absenkung des Schwellenwertes von
zehn auf fünf Arbeitnehmer nach der Regierungsüber-
nahme von Rot-Grün untersucht. Die Studie ergab, dass
aufgrund dessen keine signifikante Änderung festzustel-
len sei.
Ist Ihnen bekannt, dass ein Autor der Studie medien-
öffentlich auf die Frage, wie es denn bei anderen
Schwellenwerten von 50 oder 20 Arbeitnehmern gewe-
sen wäre, geantwortet hat, dass unter diesen Umständen
das Einstellungsverhalten deutlich verändert gewesen
sein könnte, weil eine derartige Veränderung des
Schwellenwertes tatsächlich die Einstellungsbarriere
aufgehoben hätte?
Herr Niebel, es ist richtig, dass der von Ihnen ange-
sprochene Autor die genannte Position vertreten hat – in
diesem Zusammenhang stimme ich Ihnen ausdrücklich
zu –, aber er hat eine Hypothese aufgestellt, die in dem
konkreten Fall nicht nachgewiesen wurde.
Vielleicht verbindet er damit auch eine Hoffnung. Von
daher ist das auch keine seriöse Aussage, sondern eher
Wunschdenken eines Autors,
der hier einen Zusammenhang konstruiert, der zunächst
einmal empirisch nachgewiesen werden müsste.
Herr Fuchs, ich will noch einmal auf zwei Punkte ein-
gehen, die Sie hier genannt haben. Das Verbandsklage-
recht ist ein schwieriges Thema, bei dem ich nichts von
populistischen Aktivitäten halte. Mir ist sehr wohl be-
kannt, dass die Planungsprozesse sehr lange bzw. zu
lange dauern und dass wir hart daran arbeiten müssen,
sie zu verkürzen; auch das ist kein Thema. Ich komme
aus Südhessen und weiß, was im Zusammenhang mit der
neuen Halle am Frankfurter Flughafen geschehen ist.
Dabei kann einem wirklich angst und bange werden.
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as Verbandsklagerecht dient auch zum Schutz von Be-
angen der Allgemeinheit; das ist unumstritten. Es greift
uch in solchen Fällen, in denen nicht mit der Klage ei-
es individuell Betroffenen zu rechnen ist. Das Ver-
andsklagerecht dient in vielen Fällen auch dazu, eine
ündelung von Klagen zu Massenverfahren zu erleich-
ern. Damit trägt es zur Entbürokratisierung und zur Ent-
astung der Gerichte bei. Es ist also nicht unbedingt ein
ortschritt – wir würden ihn allerdings begrüßen –, das
erbandsklagerecht abzuschaffen oder zumindest einzu-
chränken. Vielmehr muss man es meiner Auffassung
ach im konkreten Fall sehr differenziert bewerten.
Lassen Sie mich noch einen zweiten Punkt anspre-
hen, den Sie erwähnt haben: das Verkehrswegepla-
ungsbeschleunigungsgesetz. – Mein Gott, was für ein
ort! –
ie fordern in Ihrem Antrag die Verlängerung der Gel-
ungsdauer dieses Gesetzes, das aus dem Jahre 1991
tammt. Diesen Antrag haben Sie schon im Herbst letz-
en Jahres gestellt. Er wurde von uns abgelehnt, weil sein
nhalt schon damals überholt war.
Am 25. November dieses Jahres – das haben Sie
elbst angesprochen – haben wir die Geltungsdauer die-
es Gesetz um ein Jahr verlängert. Wir haben sie aber
icht deshalb nur um ein Jahr verlängert, weil wir nicht
utig genug gewesen wären, sie sofort um mehrere
ahre zu verlängern, sondern deshalb, weil zurzeit an
ckpunkten gearbeitet wird, durch die das gesamte Plan-
eststellungsverfahren beschleunigt werden soll. Paral-
el dazu gibt es Abstimmungsprozesse mit den Ländern,
or allem mit den Verkehrsministern der Länder, die sich
m Oktober dieses Jahres getroffen haben. Diese Eck-
unkte sollen meines Wissens im Frühjahr nächsten Jah-
es in konkreten Regelungen zur Beschleunigung des
lanfeststellungsverfahrens münden.
Da Ihre Redezeit, wie Ihnen möglicherweise entgan-
en ist, inzwischen überschritten ist, kann ich nicht zur
erlängerung derselben Zusatzfragen zulassen.
Darf ich wenigstens einen Abschiedssatz sagen?
Mit Vergnügen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13667
)
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Meine Damen, meine Herren, ich möchte kurz und in
wenigen Sätzen eine persönliche Erfahrung schildern.
Sie hatten von einem Abschlusssatz gesprochen, den
Sie jetzt zu multiplizieren androhen.
Ich mache aus meinem Abschlusssatz ein oder zwei
Nebensätze, wenn Sie erlauben. – Ich persönlich bin der
Auffassung, dass wir die beschlossenen Gesetze umset-
zen sollten; denn wenn ich zum Beispiel mit Unterneh-
mern spreche, fällt mir immer wieder auf: Sie beklagen
sich darüber, dass es zu viel Bürokratie gibt, dass ihnen
die beschlossenen Gesetze kaum bekannt sind und dass
sie nicht umgesetzt werden. Daher meine ich: Es gibt
keinen Mangel an Beschlussfassung, sondern einen kon-
kreten Mangel an der operativen Umsetzung unserer
Maßnahmen. Hier sollten wir den entscheidenden
Schwerpunkt setzen.
Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Dirk Niebel für die
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich bin froh, dass ich meinen Flieger umgebucht
habe; denn dieses Thema ist wichtig. Gestern haben wir
die aktuellen Arbeitslosenzahlen erfahren. Die Zahl der
Arbeitslosen steigt weiterhin. Wir haben die Ausführun-
gen des Verwaltungsratsvorsitzenden der Bundesagentur
für Arbeit gehört und die hektische Reaktion der Herren
Müntefering und Clement vernommen. Die Tatsache,
dass die Bundesagentur für Arbeit mit den Aufgaben, die
Rot-Grün ihr zugewiesen hat, schlichtweg überfordert
ist, zeigt, dass hier in ein Wespennest gestochen worden
ist.
Manchmal frage ich mich, wie die Diskussion über
die Arbeitsmarktpolitik in diesem Land eigentlich ver-
läuft. Da wird von Hartz I bis Hartz IV und von der
Agenda 2010 geredet und so getan, als würde dadurch
das Problem der Massenarbeitslosigkeit bewältigt.
Das ist mitnichten der Fall. Im besten Falle – allerdings
wirklich nur im allerbesten Fall – werden dadurch Ar-
beitsplätze in der Bundesagentur für Arbeit geschaffen.
Um das Problem der Massenarbeitslosigkeit zu be-
wältigen, müssen wir die Rahmenbedingungen verän-
dern. Nur dann können Arbeitsplätze erhalten bzw. ge-
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ber weil Sie sich diese Reformpause nun einmal ver-
rdnet haben, müssen wir versuchen, wenigstens die
röbsten bürokratischen Fehler rückgängig zu machen,
ie Sie begangen haben.
Daher hat die FDP-Fraktion drei Anträge in den Bun-
estag eingebracht, die wir in der heutigen Debatte bera-
en. Im ersten geht es um die Aufhebung des Verbotes
iederholter Befristungen. Wissen Sie eigentlich, was
ie mit diesem Gesetz gemacht haben? Das bedeutet in
er Konsequenz: Wenn ein Studierender in Heidelberg
ls Hilfskraft in der Unibibliothek arbeitet, dann wird er
eitlebens beim Land Baden-Württemberg – das ist näm-
ich der Arbeitgeber – nicht mehr sachgrundlos befristet
eschäftigt werden können, weil er ein Recht hat, sich
uf eine Dauerstelle einzuklagen. Ich erkenne an, dass
ie Kettenbefristungen verhindern wollen. Aber dann
olgen Sie unserem Vorschlag, ein Verbot wiederholter
eschäftigung vor Ablauf von drei Monaten einzufüh-
en. Nach drei Monaten muss man die Möglichkeit ha-
en, wieder hereinzukommen. Das schafft Arbeitsmög-
ichkeiten, übrigens auch für Ältere, die irgendwann in
rauer Vorzeit bei demselben Betrieb auch nur einen ein-
igen Tag befristet beschäftigt waren.
Ein zweiter Punkt, der eigentlich jedem eingängig
ein müsste: Sorgen Sie dafür, dass bei Abwicklungsver-
rägen bei der Bundesagentur für Arbeit keine Sperr-
eiten verhängt werden. Sie haben das Arbeitsrecht so
ürokratisch gestaltet, dass Abwicklungsverträge bei be-
riebsbedingten Kündigungen die einzige Möglichkeit
ind, sich ohne einen Prozess vor dem Arbeitsgericht
ütlich zu einigen, wie man sich voneinander trennt.
enn jetzt durch die Bundesagentur für Arbeit Sperr-
eiten verhängt werden, wie das der Fall ist, bedeutet das
och, dass man bei einer betriebsbedingten Kündigung,
ie nicht von vornherein als unwirksam erkannt wird,
um Arbeitsgericht geht und dort einen Vergleich
chließt – dann gibt es keine Sperrzeit. Das Ergebnis ist
as gleiche wie beim Abwicklungsvertrag, bloß mit viel
ehr Bürokratie, mit viel mehr Folgekosten für die Ar-
eitnehmer und die Arbeitgeber: Die Kosten der Pro-
esse vor dem Arbeitsgericht werden hälftig aufgeteilt.
nd wir haben dadurch viel mehr Rechtsunsicherheit,
eil man als Arbeitgeber bis zu dem Moment, wo ein
ergleich oder ein Urteil vorliegt, nie weiß, ob man den
rbeitnehmer weiterhin beschäftigen und ihm rückwir-
end das Gehalt zahlen muss.
Das sind alles Kleinigkeiten, obwohl es viel richtiger
äre – damit komme ich zu unserem dritten und letzten
ntrag –, das Kündigungsschutzgesetz insgesamt zu
erändern. Denn es ist tatsächlich so, Kollege
offmann, dass das besondere Kündigungsschutzgesetz
13668 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Dirk Niebel
ein Einstellungshemmnis ist. Wenn wir den Schwellen-
wert für seine Geltung bei 50 Arbeitnehmern setzen, wie
wir es vorschlagen, dann beseitigen wir diese Einstel-
lungsbarriere. Sie können sich das nicht nur in Ländern
wie Neuseeland oder Australien oder Holland an-
schauen, sondern auch in dem viel geliebten Dänemark,
bei dessen Sozialpolitik das Herz eines jeden Sozialde-
mokraten höher schlägt: Hier gibt es fast keinen Kündi-
gungsschutz, viel weniger, als wir vorschlagen.
Herr Kollege!
Ich komme zum letzten Satz, Herr Präsident. – In die-
sen Ländern gibt es auch mehr Entlassungen, aber es
gibt bei kleinsten wirtschaftlichen Verbesserungen auch
mehr Einstellungen, also mehr Chancen, sich selbst den
Lebensunterhalt zu finanzieren. Wir haben unter Ihrer
Regierung wenn überhaupt nur kleinste Chancen für das
Wachstum der Wirtschaft, sodass wir jedes Potenzial
ausnutzen müssen. Springen Sie über Ihren eigenen
Schatten und unterstützen Sie wenigstens, wenn Sie
schon nicht weiterreformieren wollen, diese kleinen, we-
sentlichen, notwendigen Änderungen!
Vielen Dank.
Ich erteile der Kollegin Thea Dückert, Bündnis 90/
Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben
gerade von Herrn Niebel gehört, dass wir eine „Reform-
pause“ machten. Herr Niebel, ich glaube, Sie sind der
Einzige hier im Saal und auch im Lande, der so etwas
diagnostizieren würde.
Ich erinnere nur an Ihre Kollegen, die sich allwöchent-
lich darüber beklagen, dass wir zu viele Gesetzentwürfe
einbringen, dass wir Gesetzentwürfe zu schnell einbrin-
gen; das ist doch Ihr Problem.
Nein, meine Damen und Herren, das wirkliche Problem
ist doch, dass es bei der Opposition Tabula rasa gibt,
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err Fuchs, ich weiß nicht, ob Ihnen entgangen ist, dass
ine Ausbildungsplatzabgabe nicht existiert.
ir haben einen Ausbildungspakt abgeschlossen – mit
er Drohung einer Ausbildungsplatzumlage; das ist et-
as ganz anderes.
ir haben der Wirtschaft Beine gemacht und sie dazu
ebracht, mit uns den Ausbildungspakt abzuschließen,
ür den heute eine erste Zwischenbilanz vorgestellt
urde.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
uchs?
itte sehr.
Frau Kollegin, ist Ihnen entgangen, dass das Gesetz
ur Ausbildungsförderung, welches eine Ausbildungs-
latzabgabe vorsieht, nur ruht und dass es in diesem Ho-
en Haus von heute auf morgen mit Kanzlermehrheit be-
chlossen werden kann, sodass es immer noch als
amoklesschwert über der Wirtschaft hängt?
as ist Ihnen wahrscheinlich entgangen. Ist Ihnen nicht
ekannt, dass sich das Gesetz noch im parlamentari-
chen Verfahren befindet?
Lieber Herr Kollege Fuchs, es mag sein, dass Ihnen
ntgangen ist, dass Sie permanent über eine Ausbil-
ungsplatzabgabe – ein Instrument, das wir niemals ent-
ickelt haben – schwadroniert und uns etwas unterstellt
aben. Sie haben Recht, dass wir über eine Ausbildungs-
latzumlage diskutiert und sie entwickelt haben. Dabei
atten wir das zentrale Ziel, die Ausbildungssituation
er Jugendlichen in diesem Lande zu verbessern, weil
ie unhaltbar ist.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13669
)
)
Dr. Thea Dückert
Wir haben jetzt einen Ausbildungspakt und keine
Ausbildungsplatzabgabe. Heute wurde die Zwischenbi-
lanz dieses Ausbildungspaktes vorgestellt. Wir können
feststellen, dass er gewirkt hat. Zum Beispiel bilden jetzt
25 000 Betriebe mehr aus. Ich bedauere es allerdings
sehr, dass immer noch 17 500 Jugendliche eine Ausbil-
dungsstelle suchen. Das ist schlecht. Daneben gibt es
noch einige in der Warteschleife. Auch das ist schlecht.
Bezogen auf Ihre Frage muss ich aber feststellen, dass
der Ausbildungspakt Bewegung gebracht hat. Das ist
auch ein Erfolg der Debatte, die wir über die Ausbil-
dungsplatzumlage geführt haben. Insgesamt befinden
wir uns zwar auf einem guten Weg, für die Jugendlichen
ist die Situation im Moment aber noch nicht gut genug.
Ich will damit sagen, dass Sie etwas streichen wollen,
was nicht existiert, nämlich eine Ausbildungsplatzab-
gabe als materielle Entbürokratisierung. Ich glaube, das
beweist den immateriellen Gehalt Ihres Antrages. Man
könnte ihn als eine Art Nichts oder wehendes Vakuum
bezeichnen.
Sie schlagen in Ihrem Antrag materielle Entbürokrati-
sierungen vor. In einem ersten Punkt sprachen Sie eben
darüber, dass das Verbandsklagerecht abgeschafft wer-
den muss. Ich möchte nicht pingelig sein, Sie aber doch
darauf hinweisen, dass es unter anderem im EU-Recht
explizite Vorgaben gibt und dass sich die Bundesrepu-
blik Deutschland beispielsweise im Rahmen der Aarhus-
Konvention verpflichtet hat, Verbandsklagerechte einzu-
räumen.
Um den zweiten Punkt geht es mir hier viel eher.
Beim Verbandsklagerecht für Verbraucherschutzver-
bände geht es zum Beispiel um den unlauteren Wettbe-
werb. Einzelne sind nicht stark genug, sich wehren zu
können. Verbände können sich gegen die schwarzen
Schafe in diesem Bereich zur Wehr setzen. Herr Fuchs,
ich sage Ihnen: Das ist symptomatisch. Egal ob es sich
ums Arbeitsrecht oder andere Rechte handelt, bei Ihren
Anträgen geht es immer darum, Schutzrechte abzu-
bauen.
Das hat mit Entbürokratisierung überhaupt nichts zu tun.
Das sind Schutzrechte für die Menschen und ist gelten-
des Recht. Ich bin froh, dass wir die Verbraucherinnen
und Verbraucher im Hinblick auf den Verbraucherschutz
gegenüber dem Gesamtmarkt endlich stärken können.
Darum geht es in diesem Fall.
Ihr Antrag ist sozusagen ein Warenhaus älterer Vor-
schläge. Sie schlagen vor, mit der Heraufsetzung von
Schwellenwerten zu entbürokratisieren. Ich will nur ein
Beispiel nennen. Wenn man genau hinschaut, erkennt
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ir wollen, dass die jungen Menschen in den Betrieben
n den demokratischen Mitgestaltungsprozess eingebun-
en werden; denn es geht um ihre Rechte. Das ist ein
ichtiger Punkt.
Sie wollen beim Teilzeitgesetz die Schwellenwerte
eraufsetzen und werden auf Ihrem Parteitag in der kom-
enden Woche verkünden, dass Sie die Vereinbarkeit
on Familie und Beruf unterstützen. Damit wird deut-
ich, dass Sie hier eine Verdummung der Bevölkerung
etreiben. Teilzeitarbeit für Frauen zur Vereinbarung
on Familie und Beruf ist ein ganz wichtiger Baustein in
eutschland.
ir liegen im europäischen Vergleich noch nicht weit
enug vorne. Heute können 88 Prozent der Betriebe
ach diesem Gesetz keine Teilzeitarbeit anbieten und Sie
ollen diese Schwellenwerte auch noch heraufsetzen.
ein, ich sage Ihnen: Der Abbau von Wahlmöglichkei-
en und Rechten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
ern ist mit uns nicht zu machen.
Wie ich sehe, Herr Präsident, muss ich zum Schluss
ommen. Das will ich dieses Mal freiwillig tun, wenn-
leich es noch viel zu sagen gäbe. Ich möchte Ihnen nur
it auf den Weg geben – das ist mein Rat für Ihren Par-
eitag –: Führen Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen
n der Union einmal eine ehrliche Debatte über dieses
hema.
ch bin froh, dass es bei Ihnen eine ganze Reihe Kolle-
en gibt, die diese Politik des Abbaus von Arbeitneh-
errechten nicht mitmachen. Aber sie finden leider kein
ehör, sondern dürfen nur hin und wieder eine Presse-
itteilung herausgeben. Dabei bleibt es. Leute wie
eehofer müssen in der CSU sogar gehen. Das ist
chade.
13670 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Dr. Thea Dückert
Führen Sie innerhalb der Union eine Debatte und
kommen Sie nicht wieder mit solch merkwürdigen An-
trägen, wie sie hier vorliegen.
Danke.
Nächster Redner ist der Kollege Stephan Mayer,
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kolle-
ginnen! Sehr geehrte Kollegen! Seit November 2002
versucht Bundeswirtschaftsminister Clement verzwei-
felt, den groß angekündigten Masterplan Bürokratieab-
bau mit Inhalt zu füllen. Die Bilanz ist leider Gottes
mehr als dürftig. Ihr Masterplan Bürokratieabbau hat
sich vielmehr als Desasterplan herausgestellt.
So schreibt der „Focus“
in seiner letzten Ausgabe beispielsweise – ich zitiere –:
Doch der Entfesselungskünstler verhedderte sich,
Clements Bilanz bis heute ist mager …
In den drei ausgewählten Testregionen haben Sie zu-
nächst einmal über 1 000 Deregulierungsvorschläge ge-
sammelt – das ist eine beachtliche Zahl –, aber von den
1 000 Vorschlägen haben Sie nur ganze 29 Vorhaben für
wert befunden, im Bundeskabinett beraten und umge-
setzt zu werden. Das Schizophrene ist überdies, dass die
drei Regionen, denen Sie zunächst das Label Innova-
tionsregion verpasst haben, bis heute zwar testen woll-
ten, aber nicht testen durften. Sie haben diese Regionen
mit großem Tamtam als bürokratiefreie Regionen ange-
priesen, aber letztendlich ist die Bilanz mehr als bedau-
erlich.
Wenn man nun einen Blick auf die Website des Bun-
desministeriums für Wirtschaft und Arbeit wirft, stellt
man fest, dass Sie dort vollmundig den Start einer zwei-
ten Runde mit Testregionen verkünden. Glauben Sie
denn wirklich, dass sich in Deutschland noch eine Re-
gion freiwillig zur Testregion küren lassen will, nach-
dem Sie mit den bisherigen Testregionen so stiefmütter-
lich und dilettantisch umgegangen sind? Dies ist ein
beredtes Beispiel dafür, wie Rot-Grün das Vertrauen von
Bürgern, Kommunen und eben auch Regionen fahrlässig
verspielt.
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ies hat in verräterischer Art und Weise signifikant ge-
eigt, wie Sie dazu stehen und wie Ihre Herangehens-
eise beim Bürokratieabbau ist.
an müsse nur mit Zwang, Dirigismus und Sanktionen
eagieren, damit die Wirtschaft so agiere, wie man wolle.
ie Herangehensweise von der Union ist eine vollkom-
en andere. Wir setzen auf Eigeninitiative.
ir setzen auf die Initialzündung, die dadurch entsteht,
ass man der Wirtschaft mehr Spielräume lässt, statt wie
ie auf Kontrolle und Dirigismus zu setzen.
Wir haben einen ersten Antrag mit dem Titel „Freiheit
agen – Bürokratie abbauen“ eingebracht. Damit haben
ir Ihnen einen methodischen Werkzeugkasten in die
and gegeben, wie man den Bürokratieabbau langfristig
rfolgreich umsetzen kann. Dieser erste Antrag wird
etzt durch einen zweiten unterstützt, in dem wir einige
anz konkrete Vorschläge machen. Sie wären gut bera-
en, diese aufzugreifen.
Erster Vorschlag. Verstecken Sie diese Ausbildungs-
wangsabgabe nicht nur einfach in der Schublade, in der
ie momentan liegt, sondern werfen Sie sie in den Pa-
iereimer.
ch möchte noch einmal in aller Deutlichkeit darauf hin-
eisen: Die Ausbildungszwangsabgabe ist nicht vom
isch. Sie hängt nach wie vor als Damoklesschwert über
er Wirtschaft und kann jederzeit, wenn die Wirtschaft
icht so pariert, wie Sie das wollen – Stichwort: der
irtschaft Beine machen –, wieder herausgeholt wer-
en.
Zweiter Vorschlag. Vergessen Sie die geplante Ein-
ichtung des Bürokratiemonsters Bundesanstalt für Im-
obilienaufgaben, die allein 6 000 Mitarbeiter umfassen
ürde.
Nun ganz konkret zu einigen unserer Vorschläge: Die
etrieblichen Doppelprüfungen, die in vielen Unter-
ehmen stattfinden, sind ein Wahnsinn. Ich möchte Ih-
en dazu ein konkretes Beispiel aus meinem Wahlkreis
ringen. Ein Bäckermeister ist innerhalb kurzer Zeit von
ehreren Behörden besucht worden. Die erste Behörde
at ihn gelobt, weil er seine Backstube mit großen, glat-
en Fliesen ausgelegt hat.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13671
)
)
Stephan Mayer
Kurze Zeit später kam ein Vertreter einer zweiten Be-
hörde und hat genau dies mit dem Hinweis kritisiert,
beim nächsten Mal müsste er kleinere, gerillte Fliesen
anbringen, um die Rutschgefahr zu beseitigen.
Die unterschiedlichen Behörden stellen beispiels-
weise auch verschiedene Anforderungen an das Anbrin-
gen von Feuerlöschern. Das ist ein Wahnsinn und wird
vor allem vom Mittelstand als absolut überflüssig erach-
tet.
Beispiel Statistikwesen. Wir fordern: Wer die Statistik
in Auftrag gibt, soll auch dafür bezahlen.
Das Bundesverkehrswegeplanungsbeschleuni-
gungsgesetz – nächstes Beispiel – hat sich in den neuen
Bundesländern bewährt, war erfolgreich und sollte des-
halb nicht nur über das eine jetzt beschlossene Jahr hi-
naus verlängert werden, sondern auch in ganz Deutsch-
land gelten. Ein weiteres konkretes Beispiel dazu aus
meinem Wahlkreis betrifft die A94, Herr Hoffmann. Sie
ist eine wichtige Verkehrsader für die südostoberbayeri-
sche Region und wird seit sage und schreibe 1970 ge-
plant, also seit 34 Jahren. Das verstehen die Bürger vor
Ort nicht.
Wir brauchen schneller wirkende Instrumentarien, wir
brauchen gesetzgeberische Maßnahmen, um die Verfah-
rensdauer von Großinvestitionsmaßnahmen entspre-
chend zu verkürzen.
Beispiel Verbandsklagerecht: Herr Hoffmann, ich
gebe Ihnen nicht Recht, wenn Sie sagen, das Verbands-
klagerecht sei erforderlich, um den Interessen der Öffent-
lichkeit bei Großinvestitionsmaßnahmen zur Geltung zu
verhelfen. Dem Interesse der Öffentlichkeit wird dadurch
Rechnung getragen, dass bei Großinvestitionsmaßnah-
men zahlreiche Träger öffentlicher Belange – viele sagen
sogar: zu viele – beteiligt werden. Aber was ist das Ver-
bandsklagerecht in der heutigen Form tatsächlich?
Es dient der Vertretung von Partikularinteressen. Glau-
ben Sie, dass der NABU letztendlich die Interessen der
Öffentlichkeit vertritt? Er vertritt reine Partikularinteres-
sen.
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Alle Tage wieder prasseln Ihre Anträge auf den Bun-
estag nieder.
hre Anträge sind aber nicht lustig wie mein kleiner
reund. Es ist vielmehr so, dass selbst der Schneemann
rostbeulen ob der Kälte Ihrer Forderungen bekommen
ürde. Sie sind mittlerweile in Ihrer Politik nur noch
art, zynisch und ohne menschliches Antlitz.
Sie haben sich gemeinschaftlich darauf geeinigt, dass
er Kündigungsschutz geändert werden darf. Natürlich
ibt es Differenzierungen. Die Union fordert, dass der
ündigungsschutz ab 20 Arbeitnehmer gelten soll. Die
DP muss natürlich ihrem guten Ruf gerecht werden und
agt: 20, das reicht nicht aus, wir müssen auf 50 hochge-
en.
eine Damen und Herren, sind Sie sich darüber im Kla-
en, wie viele Arbeitnehmer Sie damit vom Schutz aus-
ehmen? Bei der CDU/CSU ist es so: 90 Prozent der
13672 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Anette Kramme
Betriebe unterliegen dem Kündigungsschutz nicht mehr;
28 Prozent der Arbeitnehmer wären nicht mehr ge-
schützt. Herr Niebel von der FDP, jetzt hören Sie genau
zu: Bei Ihrem Vorschlag würden 94 Prozent der Betriebe
und 42 Prozent der Arbeitnehmer herausfallen.
Ihr Vorgehen ist schlichtweg rechtsbrecherisch. Sie han-
deln rechtswidrig.
Betrachten Sie an dieser Stelle einmal die Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts zur Kleinbetriebs-
klausel. Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich ge-
macht, dass nur dann von einem einheitlichen Gesetz
abgewichen werden kann, wenn ein besonderer Grund
hierfür vorliegt. Bei der Kleinbetriebsklausel ist der Hin-
tergrund ganz einfach: Es sind die persönlichen Kon-
takte zwischen dem Betriebsinhaber einerseits und den
Arbeitnehmern andererseits, die es gestatten, hiervon ab-
zuweichen.
Aber Ihre Forderungen, meine Damen und Herren
von der Opposition, sind nicht nur rechtswidrig, sie sind
schlichtweg wirtschaftlich unsinnig. Es gibt keinen Zu-
sammenhang zwischen dem Kündigungsschutzge-
setz und der Arbeitslosigkeit als solcher.
Ich will an dieser Stelle vier Studien zitieren. Zu-
nächst die Studie von Zachert und Schramm von der
Universität Hamburg aus dem Jahre 2004:
Vier Fünftel der 22 Personalverantwortlichen gaben
an, dass das Kündigungsschutzgesetz für ihren
Betrieb kein Einstellungshindernis darstelle, eine
unmaßgebliche Rolle spiele oder sogar völlig irrele-
vant sei.
Friedrich und Hägele in einer Auftragsarbeit, die Sie
zu Ihren Regierungszeiten über das damalige Kündi-
gungsschutzgesetz veranlasst haben:
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die erhofften Be-
schäftigungswirkungen noch nicht eingetreten sind,
sondern sogar Beschäftigung abgebaut wurde.... Al-
lerdings warnen die Befragungsergebnisse vor
übertriebener Hoffnung bezüglich der Beschäfti-
gungswirksamkeit.
OECD-Beschäftigungsausblick von 1999:
Was die Effekte des Beschäftigungsschutzes auf die
Arbeitsmarktergebnisse betrifft, so stehen die Er-
gebnisse dieser Analyse in qualitativer Hinsicht
vielfach im Einklang mit den Ergebnissen früherer
Untersuchungen. Sie erhärten in der Tat die
Schlussfolgerung, dass die Rigidität der Beschäf-
tigungsschutzbedingungen praktisch nur einen ge-
ringen bzw. gar keinen Effekt auf das globale
Niveau der Arbeitslosigkeit hat.
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Meine Damen und Herren von der Opposition, für Sie
ind Arbeitnehmer Handelsware, nichts anderes.
ie behandeln sie wie ein Handy oder ein Auto, das ge-
auft wird. Und dann wundern Sie sich, dass diese Be-
andlung auch volkswirtschaftliche Auswirkungen hat.
ie soll ein solcher Arbeitnehmer, der immer unter der
uchtel des Arbeitgebers und der Fuchtel der willkürli-
hen Kündigung steht, eine Identifikation mit seinem
nternehmen entwickeln?
uch noch etwas anderes ist wichtig: Wie soll er Kauf-
ereitschaft entwickeln, wie soll er einen Kredit für ein
uto aufnehmen, wenn er nicht weiß, was morgen mit
einem Arbeitsplatz sein wird?
Meine Damen und Herren von der FDP, Ihre einzigar-
ig dynamische Partei muss natürlich weitere Vorschläge
um Kündigungsschutz machen.
er Kündigungsschutz soll demzufolge nur dann gelten,
enn ein Arbeitnehmer mehr als vier Jahre in einem Be-
ieb beschäftigt ist.
er Arbeitnehmer soll bei der Einstellung eine Option
wischen Kündigungsschutz und materiellem Nachteils-
usgleich haben.
Meine Damen und Herren von der Dagobert-Duck-
artei, insbesondere der Kollege Niebel schreibt sich
eine vermeintliche Redekunst auf die Fahnen.
u einer guten Rede gehört deren Verständlichkeit. Ich
chlage daher vor, dass Sie Ihre Anträge künftig einfa-
her formulieren, und gestatte mir, an dieser Stelle eine
ormulierungshilfe zu reichen.
Mit der Formulierungshilfe müssen Sie sich jetzt aber
ehr beeilen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13673
)
)
Die Bundesregierung wird aufgefordert, das gesamte
Arbeitsrecht abzuschaffen – das fasst Ihre Politik als
FDP zusammen.
Meine Damen und Herren der Opposition, ich hoffe,
dass Sie Ihre Anträge jedem Betrieb dieses Landes und
jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin aushän-
digen.
Ich bin mir sicher, dass das eintreten wird, was in der
„Berliner Zeitung“ gestanden hat. Die Kunst, sich um
Kopf und Kragen zu reden,
versteht in der Bundesrepublik Deutschland, abgesehen
von Guido Westerwelle, derzeit niemand so gut wie
Angela Merkel.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 15/4156, 15/3724 und 15/4407 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent-
wurf der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/2804 zur
Lockerung des Verbots wiederholter Befristungen. Der
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit empfiehlt in seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/3990, den Ge-
setzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der
Stimme? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung
mehrheitlich abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Ge-
schäftsordnung die weitere Beratung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Neuregelung der präventiven Telekommu-
nikations- und Postüberwachung durch das
Zollkriminalamt
– Drucksachen 15/3931, 15/4237 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses
– Drucksache 15/4416 –
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Herr Staatssekretär, ich bin hingerissen. Ich bestätige,
dass das so ist, und würde mir wünschen, dass es in Zu-
kunft so bleibt.
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Worüber reden wir eigentlich? Wir reden über das
riegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschafts-
esetz. Die Diskussion zu dem Gesetzentwurf, über den
ir heute abstimmen werden, begann im Jahr 1989. Ein
eutsches Unternehmen hatte unter Umgehung eines
mbargos eine Giftgasfabrik nach Libyen geliefert. Das
ntsetzen darüber war groß. Dabei geht es um Straftaten,
ie gut und gerne Freiheitsstrafen zwischen drei und fünf
ahren nach sich ziehen können. So etwas können weder
in deutscher Staat noch andere friedfertige Staaten zu-
assen.
Völker wollen und müssen in Frieden leben. Die Be-
iehungen zwischen den Völkern werden gestört, wenn
olchen Fällen nicht massiv Einhalt geboten wird. Aus
iesem Grund ist ein Gesetz erarbeitet und verabschiedet
orden, das dem Zoll die Möglichkeit bieten sollte,
icht erst dann, wenn Verdachtsmomente aufgetreten
ind, sondern bereits in der Planungsphase Telefonüber-
achungen – wie es damals noch hieß – und Postüber-
achungen durchzuführen.
Das Gesetz wurde im Jahr 1992 erlassen. Heute reden
ir über die sechste Befristung dieses Gesetzes. Das
eine ich nicht als Vorwurf gegenüber den Verantwortli-
hen; es zeigt vielmehr das Ringen vor dem Hinter-
rund, dass mit der Post- und Telekommunikationsüber-
achung Grundrechte Dritter und im Bereich der
lanungsphase auch solcher Bürger, die in strafrechtlich
elevanter Hinsicht möglicherweise nichts damit zu tun
aben, berührt werden. Insofern ist es kein Wunder, dass
as Gesetzgebungsverfahren in den Bereichen, in denen
s um Telefon- und Postüberwachung geht, von vielen
ntscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beglei-
et ist.
Nun steht zur Diskussion, dass das Bundesverfas-
ungsgericht die § § 39 bis 41 des Außenwirtschaftsge-
etzes für verfassungswidrig hält und dass am selben
ag eine Entscheidung des Senats zum großen
auschangriff ergangen ist. Für Außenstehende ist es
berraschend, dass, obwohl derselbe Senat über die bei-
en Themen entschieden hat, in keiner der beiden Ent-
cheidungen auf die jeweils andere Bezug genommen
ird.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13675
)
)
Siegfried Kauder
Trotzdem müssen wir uns mit der Frage beschäftigen,
ob die Grundsätze, die im Zusammenhang mit dem gro-
ßen Lauschangriff entwickelt worden sind, nicht auch
den Bereich des Außenwirtschaftsgesetzes betreffen.
Dabei handelt es sich um ein Dilemma, an dem wir noch
arbeiten müssen. Die § 39 bis 41 des Außenwirtschafts-
gesetzes sind bis zum Jahresende befristet. In dieser kur-
zen Zeit können wir diskussionswürdige verfassungs-
rechtliche Themen kaum mehr in der notwendigen Ruhe
diskutieren.
Deswegen sind wir zu einem anderen Ergebnis ge-
kommen: Man sollte die Argumentation am Wortlaut der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausrich-
ten. Das Bundesverfassungsgericht hat die § 39 bis 41
des Außenwirtschaftsgesetzes nur unter dem Gesichts-
punkt für verfassungswidrig erklärt, dass es an der Nor-
menklarheit und Normenbestimmtheit fehle.
Es waren zu langgliedrige Verweisungsketten vom
AWG über das Kriegswaffenkontrollgesetz bis hin zu
Rechtsverordnungen. Mit dem vorliegenden Gesetzent-
wurf wird meines Erachtens mit der notwendigen Klar-
heit versucht, diesen Mangel zu beseitigen. Deswegen ist
eine Verlängerung der gesetzlichen Ausführungsfrist ge-
rechtfertigt, allerdings nicht um zwei oder drei Jahre,
sondern nur bis zum Ende des Jahres 2005.
Über die Frage, ob die Rechtsgrundsätze, die das
Bundesverfassungsgericht zum großen Lauschangriff
erarbeitet hat, überhaupt auf die Telekommunikations-
und Postüberwachung anwendbar sind, sollte man mit
sehr großer Zurückhaltung diskutieren; denn es sind un-
terschiedliche Grundrechte berührt. Es geht zum einen
um Grundrechte betreffend den persönlichen Lebensbe-
reich und zum anderen um das Post- und Fernmeldege-
heimnis. Dort, wo es um den persönlichen Lebensbe-
reich geht, ist der Grundrechtsschutz wesentlich weiter
ausgestaltet. Hier gibt es einen so genannten qualifizier-
ten Gesetzesvorbehalt, während es bei der Telekommu-
nikations- und Postüberwachung nur um einen einfachen
Gesetzesvorbehalt geht. Es ist also Vorsicht geboten,
wenn man das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
zum großen Lauschangriff eins zu eins auf die Regelun-
gen betreffend die Telekommunikations- und Postüber-
wachung übertragen will.
Das Gesetz, das wir heute verabschieden, hat trotz-
dem in einem entscheidenden Bereich eine Schwäche.
Es lässt die Überwachung auch Drittbetroffener zu, die
nach der so genannten IMEI-Gerätenummer aussor-
tiert werden. Jeder, der den Akku aus seinem Handy
nimmt, sieht auf der Rückseite des Gehäuses die aufge-
druckte IMEI-Gerätenummer. Der Außenstehende
meint, dass diese Nummer genauso einmalig und sicher
wie die Fahrgestellnummer eines Fahrzeuges ist. Dem
ist aber nicht so. Die IMEI-Gerätenummer kann elektro-
nisch verändert werden und wird vom Gerätehersteller
nicht nur für ein bestimmtes Gerät herausgegeben, wes-
wegen es Fälle geben kann, in denen die gleiche Num-
mer mehrfach vergeben worden ist. Es ist also absolute
Vorsicht geboten.
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13676 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Das Wort hat nun der Kollege Christian Ströbele,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Mit der Neuregelung der Telekommunikationsüberwa-
chung – dabei geht es nicht nur um die Überwachung
von Telefon und Post – durch das Zollkriminalamt schaf-
fen wir ein verfassungswidriges Gesetz ab. Wir beschlie-
ßen ein verfassungsgemäßes Gesetz, das an einem ande-
ren Ort angesiedelt ist.
§ 39 ff. AWG sind – darauf ist schon hingewiesen
worden – vom Bundesverfassungsgericht im März für
verfassungswidrig erklärt worden. Wir kommen den
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, die in des-
sen Beschluss enthalten, in vollem Umfang nach. Das
muss man einmal ganz klar sagen.
Herr Kollege Funke, Sie werfen uns vor, auch dieses
Gesetz sei verfassungswidrig. Sie haben aber keinen ein-
zigen Punkt in diesem Gesetzentwurf gefunden, mit dem
dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht
Rechnung getragen würde. Wir haben alles berücksich-
tigt; deshalb ist dieses Gesetz verfassungsgemäß.
Sie waren es, die vor zwölf Jahren ein Gesetz ge-
schaffen haben – 1998 haben Sie es uns hinterlassen –,
das für verfassungswidrig erklärt worden ist. Daher
wehre ich mich entschieden dagegen, dass Sie nun uns
darüber belehren wollen, wie ein verfassungsgemäßes
Gesetz in diesem Bereich aussieht.
Wir haben mit dieser Neuformulierung gezeigt, dass wir
allen Petita des Bundesverfassungsgerichts folgen und
sie alle berücksichtigen.
Was dieses Gesetz auszeichnet, ist nicht nur, dass es
verfassungsgemäß ist, sondern auch, dass es die Bürge-
rinnen und Bürger, zumindest die Juristen, verstehen
können. Noch der Gesetzentwurf, über den wir hier in
erster Lesung beraten haben, war wiederum so kompli-
ziert und mit so vielen Verweisen versehen, dass selbst
Juristen – ich bin auch einer – und andere in diesem
Hause ihn nach mehrmaligem Lesen nicht verstanden
haben. Es war unklar, in welchen Fällen – das ist für die
Bürgerinnen und Bürger das Entscheidende –, das Tele-
fon abgehört und die Post kontrolliert werden darf und in
welchen Fällen nicht.
Wir haben es mit einer, wie ich finde, einmaligen Ak-
tion geschafft, dafür zu sorgen, dass dieses Gesetz, vor
allen Dingen in Bezug auf die Befugnisnorm, so schlank
und übersichtlich geworden ist, dass man, wenn man es
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13677
)
)
Das Wort hat der Kollege Rainer Funke, FDP-Frak-
tion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-
lege Ströbele, ich gebe Ihnen natürlich darin Recht, dass
der Gesetzentwurf, so wie er in den Bundestag einge-
bracht worden ist, die verfassungsrechtlichen Anforde-
rungen nicht erfüllt hat und sehr verbesserungsbedürftig
gewesen ist, weil es erneut an der Normenklarheit ge-
fehlt hat.
Wir haben in letzter Minute mit den Formulierungs-
hilfen der Bundesregierung sicherlich Verbesserungen
herbeiführen können, aber im Ergebnis kommt der Ent-
wurf trotz dieser Verbesserungen in einem zentralen
Punkt der Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts
nicht nach. Das Bundesverfassungsgericht hat in sei-
nem Beschluss deutlich darauf hingewiesen, dass bei der
Neuregelung die Grundsätze zu beachten sind, die der
Senat in seinem Urteil zur akustischen Wohnraum-
überwachung niedergelegt hat. Damit sind insbeson-
dere die Grundsätze zur Menschenwürde und zum Kern-
bereich privater Lebensgestaltung gemeint. Hierzu fin-
det sich auch in der jetzt vorliegenden Fassung des
Gesetzentwurfs keine einzige Aussage.
Bei den im Zollfahndungsdienstgesetz enthaltenen
Eingriffsbefugnissen geht es um präventive Maßnah-
men, bei denen es an einem abgeschlossenen oder in
Verwirklichung begriffenen strafbaren Handeln fehlt.
Nach den Worten des Gerichts besteht daher ein erhebli-
ches Risiko, dass die Überwachungsmaßnahmen an
ein Verhalten anknüpfen, das sich im Nachhinein als
strafrechtlich irrelevant erweist.
Die FDP ist sich bewusst, dass es sich bei den Straf-
taten nach dem Außenwirtschaftsgesetz im Zusam-
menhang mit der Lieferung von Gütern und Technologie
zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen um be-
sonders schwerwiegende Straftaten handelt. Befugnisse
des Zollkriminalamtes zur Verhinderung dieser Strafta-
ten sind daher – darüber sind wir uns völlig einig – drin-
gend geboten. Gesetzliche Ermächtigungsvorschriften
für präventive Überwachungsmaßnahmen müssen je-
doch in besonderer Weise rechtsstaatlich und verfas-
sungsrechtlich einwandfrei ausgestaltet sein. Da die
Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf von jeglichen
den Kernbereich schützenden Regelungen absieht, ist
der Gesetzentwurf zweifelsohne mit einem hohen ver-
fassungsrechtlichen Risiko verbunden.
Das sehen Sie doch genauso; denn sonst würden Sie die
Befristung bis zum 31. Dezember 2005 gar nicht vorneh-
men. Sie sehen sich jetzt nur unter dem Druck, dass eine
Zeit lang kein vernünftiges Gesetz da ist, dazu gezwun-
gen, Ihre verfassungsrechtlichen Bedenken zurückzu-
stellen, und rechtfertigen sich damit, dass dieses Gesetz
im Jahre 2005 erneut überprüft werden soll. Ich bin ge-
spannt, was bei dieser Überprüfung am Ende nächsten
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Das Wort hat zum Schluss dieses Tagesordnungs-
unkts der Kollege Joachim Stünker, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Neu-
egelung, die wir heute Nachmittag hier verabschieden,
iefern wir, wie ich meine, einen guten Beweis für die in
iesem Fall wirklich fraktionsübergreifende sachliche
usammenarbeit im Rechtsausschuss. Wir liefern auch
inen Beweis dafür, dass wir dort über Fraktionsgrenzen
inweg sehr problemorientiert und streng am Rechts-
taatgedanken ausgerichtet zusammenarbeiten können.
ch bedanke mich dafür ausdrücklich, insbesondere bei
en Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Frak-
ion, aber auch bei den Kollegen von der Fraktion der
rünen.
Wir mussten hier in kürzester Zeit eine Lösung fin-
en, wie wir einerseits den Schutz ganz überragender
emeinschaftsgüter – es könnte um das Leben von
illionen von Menschen gehen – gewährleisten können
nd andererseits individuelle Freiheitsrechte wie das
echt auf informelle Selbstbestimmung des Einzelnen
erfassungskonform wahren können. Es war sicher nicht
mmer ganz einfach, diese beiden Pole zusammenzufüh-
en.
Das Bundesverfassungsgericht hatte uns mit seiner
ntscheidung vom 3. März abverlangt, die gesetzlichen
nforderungen an die Anordnung einer Telefonüberwa-
hungsmaßnahme im präventiven, also im polizeirechtli-
hen Bereich nicht niederschwelliger anzusetzen als im
trafprozessrechtlichen Bereich. Es hat daher – darauf
urde schon hingewiesen – die Vorschriften, die unter
hrer Federführung, Herr Kollege Funke, im Jahre 1992
ns Außenwirtschaftsgesetz geschrieben worden sind,
n wesentlichen Bereichen für verfassungswidrig erklärt.
ber – der Kollege Kauder hat darauf hingewiesen – das
igentliche Petitum dieser Entscheidung war, für Norm-
larheit für den Normadressaten zu sorgen. Mit dem
ehlen dieser Klarheit hat sich das Gericht eingehend
eschäftigt.
Ich meine, man darf diese gesetzliche Regelung auch
icht gering schätzen. Wenn wir nicht in dieser kurzen
eit bis zum 31. Dezember dieses Jahres zu einer Neure-
elung gekommen wären, Herr Kollege Funke, dann
äre eine Präventionslücke entstanden. Ich möchte nicht
issen, was in der öffentlichen Diskussion dazu gesagt
orden wäre, wenn die Bundesrepublik Deutschland ei-
en Beweis dafür abgeliefert hätte, dass sie nicht in der
age ist, auf nationalstaatlicher Ebene polizeirechtliche
chutzmechanismen dafür zu schaffen, dass keine
13678 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Joachim Stünker
gefährlichen Massenvernichtungswaffen oder Chemika-
lien, die in ihrem Zusammenwirken als Massenvernich-
tungswaffen verwendet werden können, exportiert
werden.
Von daher, Herr Kollege Funke, machen Sie sich ein
Stück weit als Liberaler – entschuldigen Sie, wenn ich
das so sage; Sie wissen, dass ich Sie persönlich sehr
schätze – einen schlanken Fuß, wenn Sie in diesem Fall
sagen, Sie machen da nicht mit, weil eine Frage, die
nach einem ganz anderen Urteil des Gerichtes noch of-
fen war, in diesem Gesetz Ihrer Meinung nach nicht be-
friedigend geregelt wird. Ich sage Ihnen ebenso wie die
Kollegen Kauder und Ströbele ganz deutlich: Wir neh-
men für uns in Anspruch und gehen davon aus, dass wir
hier eine verfassungskonforme Regelung gefunden ha-
ben. Eine Entscheidung über die Frage, ob das so ist
oder nicht, hat letzten Endes nur das Gericht zu treffen.
Sie sind 1992 ja auch davon ausgegangen, dass Ihre Re-
gelungen verfassungskonform gewesen sind. Ich kann
mir nicht vorstellen, dass Sie damals anderer Meinung
gewesen sind, Herr Kollege Funke.
Lassen Sie mich deshalb noch einmal ganz kurz zu-
sammenfassen, was die wesentlichen Verbesserungen
sind, die wir vorgenommen haben: Wir haben mit der
Neuregelung einen hinreichenden Rechtsschutz für
sämtliche Betroffenen sichergestellt. Anlass, Zweck
und Grenzen des Eingriffs sind in der Ermächtigung be-
reichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt wor-
den. Die Ermächtigung lässt erkennen, bei welchen An-
lässen und unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten
zu einer Überwachung führen kann. Der Normbefehl ist
für den Adressaten erkennbar konkret definiert, und die
Behörden, an die Überwachungserkenntnisse weiter
übermittelt werden dürfen, sind im Text des Gesetzes si-
cher definiert. Es ist sichergestellt, dass der Übermitt-
lungszweck mit dem ursprünglichen Eingriffszweck
wertungsmäßig übereinstimmt. Außerdem haben wir die
Regelung geschaffen, dass ein Gericht die Verwertbar-
keit der gewonnenen Informationen überprüfen kann.
Wir haben die Anforderungen an die gerichtliche Kon-
trolle wesentlich restriktiver gefasst, als das im alten
Recht der Fall gewesen ist.
Ich denke, wir können deshalb heute Nachmittag mit
gutem Gewissen dieser Neuregelung zustimmen. Wir
geben damit den Ermittlungsbehörden das Instrumenta-
rium, das sie brauchen; denn wir wissen, dass Telefon-
überwachung kriminologisch eines der ganz wesent-
lichen Ermittlungsinstrumente ist. Mit der erneut gefun-
denen Befristung nehmen wir aber auch uns selber in die
Pflicht, hier weiterzuarbeiten und weitere Feinarbeit zu
leisten, um in diesem sensiblen Bereich der Grundge-
setzartikel 1 und 2 – Schutz der Persönlichkeitsrechte –
und 10 – Post- und Fernmeldegeheimnis – im Ergebnis
sattelfeste rechtsstaatliche Lösungen zu finden.
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
esregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Neurege-
ung der präventiven Telekommunikations- und Post-
berwachung durch das Zollkriminalamt, Drucksachen
5/3931 und 15/4237. Der Rechtsausschuss empfiehlt in
einer Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/4416,
en Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzuneh-
en. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Abgeordne-
en Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau auf Drucksache
5/4448 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt
ür diesen Änderungsantrag? – Das wird nicht reichen.
er stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Ände-
ungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
usschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
hen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
esetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit großer
ehrheit angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
er stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-
ntwurf ist mit der Mehrheit der Stimmen der Mitglieder
es Bundestages angenommen.
Wir kommen nun zum Entschließungsantrag der
raktion der FDP auf Drucksache 15/4435. Wer stimmt
ür diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dage-
en? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsantrag ist
ehrheitlich abgelehnt.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 25 a und 25 b
uf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtli-
chen Schutz biotechnologischer Erfindungen
– Drucksache 15/1709 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses
– Drucksache 15/4417 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Christoph Strässer
Dr. Norbert Röttgen
Jerzy Montag
Sibylle Laurischk
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13679
)
)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Rechtsausschusses
– zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Für ein modernes Biopatentrecht
– zu dem Antrag der Abgeordneten Helmut
Heiderich, Dr. Norbert Röttgen, Dr. Maria
Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU
Die europäische Biopatentrichtlinie von
1998 umsetzen
– zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer
Funke, Ulrike Flach, Daniel Bahr ,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP
Rechtssicherheit für biotechnologische Er-
findungen durch schnelle Umsetzung der
Biopatentrichtlinie
– Drucksachen 15/2657, 15/1024 , 15/1219,
15/4417 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Christoph Strässer
Dr. Norbert Röttgen
Jerzy Montag
Sibylle Laurischk
Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Um-
setzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz bio-
technologischer Erfindungen liegt ein Änderungsantrag
der FDP-Fraktion vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Dazu
höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos-
sen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst der Bundesministerin Brigitte Zypries.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Ihnen liegt der Entwurf eines Geset-
zes zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen
Schutz biotechnologischer Erfindungen vor. Was sich so
lapidar anhört, ist eine der wichtigsten Regelungen für
den Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland.
Denn wir müssen, um den Lebensstandard unserer Ge-
sellschaft zu sichern, unsere Anstrengungen auf die
Märkte der Zukunft konzentrieren. Dazu gehört die
Bio- und Gentechnologie.
Wir wollen die hier bestehenden Chancen nutzen.
Dazu brauchen wir auch ein leistungsfähiges Biopatent-
recht. Das hat die Europäische Union erkannt. Sie hat
eine Richtlinie verabschiedet, die wir jetzt mit diesem
Gesetz umsetzen; zu spät, wie wir alle wissen, das will
ich gar nicht beschönigen. Sie war bis zum 30. Juli 2000
in nationales Recht umzusetzen. Darüber hat es im Deut-
schen Bundestag lange Diskussionen gegeben. Ich bin
froh, dass diese Diskussionen jetzt beendet werden
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Die Diskussion um das Biopatentrecht ist mit der Ver-
bschiedung des heutigen Gesetzes nicht zu Ende. Die
rundsätzliche Frage, was aus dem Patentrecht werden
oll, wird ebenso wie die mehr spezielle Frage, wie die
ituation beim Biopatentrecht ist, seit längerem in der
ffentlichkeit sehr kontrovers diskutiert. Dies ist hin-
ichtlich der Biopatentrechts nur allzu verständlich; denn
chließlich bringt die Biotechnologie neben großen
hancen auch sehr schwierige ethische Fragestellungen
it sich. Auf der einen Seite gibt es große Hoffnungen
uf medizinischen Fortschritt. Auf der anderen Seite gibt
s die Sorge, dass der Homunkulus irgendwann aus der
lasche kommt und nicht mehr einzufangen ist. Die Wi-
ersprüche zu den ethischen Grundwerten unserer Ge-
ellschaft werden also immer wieder deutlich.
Ich glaube aber, dass gerade die Skeptiker die Reich-
eite des Patentrechts in diesem Zusammenhang deut-
ich überschätzen. Denn Schwerpunkt im Patentrecht ist,
ass dem Erfinder ein Schutzrecht für seine schöpferi-
che Leistung gegeben wird, mehr eben aber nicht. Es ist
eine Erlaubnis damit verbunden, das Patent zu nutzen
nd damit in einer bestimmten Art und Weise umgehen
u können. Das Patentrecht regelt nämlich nicht – darauf
uss man immer wieder hinweisen –, was Forschern er-
aubt und was ihnen verboten ist. Das richtet sich nach
en jeweils einschlägigen Fachgesetzen, wie zum Bei-
piel dem Embryonenschutzgesetz. Die Debatte darüber,
as wir eigentlich dürfen, sollte man also sinnvoller-
eise von der Debatte über die Reichweite eines Paten-
es abtrennen, weil die Frage, was erforscht werden darf,
orgelagert ist.
Die zum Teil sehr emotionale Kritik an der Biopatent-
ichtlinie ist deshalb weitgehend unberechtigt. Das
chlagwort „Kein Patent auf Leben“ ist zwar griffig,
ber irreführend. Denn es gibt kein Patent auf Leben. Pa-
entiert werden vielmehr Ideen des Erfinders, die sich
um Beispiel in einem bestimmten technischen Verfah-
en oder in einem neuen Stoff niederschlagen. Das Le-
en selbst ist natürlich sehr viel mehr als eine patentier-
are chemische Substanz.
13680 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Bundesministerin Brigitte Zypries
Die Richtlinie will auch kein neues Patentrecht schaf-
fen. Ihr Ziel war es, das geltende Patentrecht im Bereich
der Biotechnologie EU-weit zu harmonisieren und zu
verbessern. Sie stellt auch unter dem Blickwinkel der
Ethik eine Verbesserung gegenüber der bisherigen
Rechtslage dar, weil sie die Grenzen der Patentierbar-
keit klarer umschreibt. Die Richtlinie weitet das Patent-
recht also nicht aus, sondern schränkt es ein, auch und
gerade aus ethischen Gründen. Indem die Richtlinie die
bestehenden allgemeinen Patentverbote konkretisiert,
bringt sie eine zusätzliche bioethische Sensibilität in un-
ser Patentrecht.
Ich habe vorhin schon gesagt, dass die Debatte über
das Patentrecht mit der Verabschiedung dieses Gesetzes
nicht abgeschlossen sein wird. Denn die technischen
Entwicklungen auf diesem Gebiet zwingen uns alle,
weiter zu diskutieren und die bestehenden Regelungen
immer wieder zu überprüfen. Deutschland wird diesen
Diskussionsprozess innerhalb der Europäischen Union
vorantreiben. Die Richtlinie war, so meinen wir, ein
Fortschritt. Aber sie kann nicht der Weisheit letzter
Schluss bleiben. Deshalb werden wir die Aufforderung
aus dem Antrag der Koalitionsfraktionen, dass sich die
Bundesregierung EU-weit für eine Verbesserung einset-
zen möge, sehr ernst nehmen. Darauf können Sie sich
verlassen.
Heute geht es aber erst einmal darum, den notwendi-
gen ersten Schritt zu tun und für die Umsetzung der
Richtlinie zu sorgen. Solange wir sie nicht umgesetzt
und uns damit vertragstreu und europatreu verhalten ha-
ben, wird es auch keine Diskussion auf europäischer
Ebene über Veränderungen geben. Diese Erfahrung
mussten wir schon auf anderen Gebieten machen.
In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung zu die-
sem Gesetzentwurf.
Das Wort hat der Kollege Dr. Norbert Röttgen, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese
Debatte und der Gesetzentwurf, über den wir heute bera-
ten, drehen sich um den Schutz von Erfindungen auf
dem Gebiet der Biotechnologie. Dieses Thema wirft ein
ganzes Bündel von grundsätzlichen und bedeutenden
Fragestellungen auf. Das ist ein Bündel von morali-
schen, rechtlichen, wirtschaftlichen und forschungspoli-
tischen Fragen. Dieser Komplexität müssen wir gerecht
werden.
Ich glaube, dass der vorliegende Gesetzentwurf den
Anforderungen gerecht wird. Es geht insbesondere um
die moralische Frage des Schutzes vor Patentierung. Es
geht darum, zu regeln, dass der menschliche Körper in
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enn diese Bedeutung fordert von der Politik eine be-
ondere Verantwortung; das kann gar nicht bestritten
erden. Wenn die Bedeutung so fundamental ist – das
st ja Konsens; das haben Sie festgestellt; auch ich habe
s gerade festgestellt; die Zurufe bestätigen es –, dann
edeutet dies eine besondere Verantwortung der Politik
n diesem Bereich.
Ich bedanke mich für diesen Zuspruch.
Darum müssten Sie meiner weiteren Feststellung zu-
timmen, nämlich der Schlussfolgerung daraus: dass die
undesregierung dieser Verantwortung nicht gerecht
eworden ist. Das kann gar nicht bestritten werden.
Das ist keine Polemik; das ist Logik, Herr Kollege. –
enn wenn die Bedeutung so ist, dann hätte es zwingend
rfolgen müssen, dass Sie die nötige Umsetzung in den
etzten sechs Jahren erreicht hätten. Wenn es so ist, dann
ätten Sie nicht einfach den Zeitraum von sechs Jahren
erstreichen lassen können, sondern hätten schon seit
echs Jahren die Möglichkeit gehabt, die nötigen Ant-
orten zu geben, die wir heute geben. Sechs Jahre lang
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13681
)
)
Dr. Norbert Röttgen
haben Sie dies nicht getan; sechs Jahre lang haben Sie
die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für Forscher, für
Bürger, für Menschen, die sich moralisch für dieses
Thema interessieren, nicht hergestellt. Das ist Ihre Ver-
antwortung und Ihr Versagen. Daran besteht kein Zwei-
fel; das kann nicht bestritten werden.
Es sind nicht nur diese sechs Jahre, in denen Sie der
Bedeutung dieses Themas nicht gerecht wurden, ins
Land gegangen. Über vier Jahre lang hatte es die Bun-
desregierung zudem zu verantworten, dass die Bundes-
republik Deutschland ihre Pflichten als Mitgliedstaat
der Europäischen Union verletzt hat.
– Nicht „na, na!“. Das ist der Tatbestand, Herr Kollege.
Sie können diesen Tatbestand schlicht nicht bestreiten
oder Sie ignorieren die Wirklichkeit. Sie verletzen über
vier Jahre sehenden Auges die Pflichten, die die Bundes-
republik Deutschland auf einem wichtigen Gebiet, wie
wir alle anerkennen, eingegangen ist. Wenn es kein Ver-
sagen der Politik ist, wenn man pflichtwidrig handelt,
dann weiß ich nicht, was noch als Versagen der Politik
bezeichnet werden kann.
Frau Justizministerin, was sollen eigentlich die Bür-
ger denken, von denen der Staat Rechtsgehorsam erwar-
tet? Ordnungswidrigkeiten werden belangt. Wenn sich
der Bürger rechtswidrig verhält, führt dies zu Sanktio-
nen. Das Wesen des Staates ist es, dass er Recht kreiert
und Recht durchsetzt. Der Staat verstrickt sich in einen
immensen Widerspruch, wenn er selber die von ihm
übernommenen Rechtspflichten zum Schaden der Bür-
ger und zu seinem eigenen Schaden verletzt. Es torpe-
diert die Glaubwürdigkeit des Staates, wenn er die
Pflichten, die er selber eingeht, anschließend nicht er-
füllt. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen,
meine Damen und Herren.
Sie haben jahrelang Ihre Pflichten verletzt, aber nicht
wegen der Komplexität des Themas oder wegen der
Richtlinie, sondern einzig und allein wegen der Uneinig-
keit in der Koalition, die zum Schaden des Landes
nicht in der Lage war, diese Anforderung umzusetzen.
Sie nehmen sozusagen das Land und die Interessen der
Bürger als Geisel Ihrer politischen Uneinigkeit.
Sie haben moralisch verwerflich gehandelt.
Nach Jahren der Untätigkeit – wir haben gerade Akti-
vitätsankündigungen gehört – kam dann endlich der Ent-
wurf aus dem Bundesjustizministerium.
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as war sein Inhalt? Frau Zypries, die Bundesjustizmi-
isterin, hat die Richtlinie einfach abgeschrieben. Jahre-
ang passiert gar nichts; die Bundesrepublik wird vor
em Europäischen Gerichtshof verklagt. Was macht die
inisterin? Sie schreibt einfach die Richtlinie ab.
Es ist eine wahnsinnig kreative, führungsstarke Leis-
ung, die Richtlinie schlicht abzuschreiben. Was hätte
ie Umsetzung einer solchen Regelung bewirkt? Sie
ätte erneut die politische Schwäche der Koalition doku-
entiert. Alle wichtigen Fragen wären offen geblieben.
icht eine einzige Frage – jedenfalls nicht die Kernfra-
en, die sich auf diesem Gebiet stellen – wäre durch Ihre
ins-zu-eins-Umsetzung beantwortet worden; alles wäre
ffen geblieben. Dies hätte bedeutet, dass über Jahre hi-
aus Rechtsunsicherheit bestanden hätte, die von Ihnen
u verantworten gewesen wäre. So haben Sie es gewollt.
ußerdem wäre dies eine Verlagerung der Entschei-
ungshoheit gewesen.
Es stellt sich doch die Frage, wer eigentlich über die
oralischen, die wirtschafts- und forschungsrechtspoli-
ischen Fragen entscheidet.
ir waren immer der Auffassung, dass hierüber die Po-
itik, der Deutsche Bundestag als Repräsentant des deut-
chen Volkes entscheiden muss. Das ist völlig richtig.
enn es aber nach dem Entwurf von Frau Zypries ge-
angen wäre, hätten wir hier gar nichts entschieden;
tattdessen hätten die Gerichte entschieden. Das ist der
alsche Ort für politische Entscheidungen. Darum hat
nser Antrag dies thematisiert und kritisiert.
Nun ist es endlich so weit: Der Gesetzentwurf liegt
or. Wir haben ihn verändert. Er ist nicht inhaltsgleich
it dem Entwurf, den die Bundesjustizministerin einge-
racht hat. Er hat im Parlament substanzielle Verände-
ungen erfahren;
ies begrüßen wir. Deshalb sind wir da; auch das be-
rüße ich. Der Gesetzentwurf beinhaltet nun nach jahre-
angen Verzögerungen und jahrelanger Untätigkeit in
einen entscheidenden Teilen die Aspekte, die wir als
DU/CSU immer befürwortet und gefordert haben.
uch andere, auch die Grünen haben sich für Verände-
ungen eingesetzt. Wir waren diesbezüglich immer einer
einung. Bei der SPD war es nicht so klar erkennbar.
ie Bundesregierung jedenfalls hat eine völlig andere
osition. Jetzt liegt ein Gesetzentwurf vor, der inhaltlich
em entspricht, was wir immer gefordert haben. Wir hät-
en das Gleiche schon Jahre früher haben können; das
äre zum Vorteil unseres Landes gewesen. Es handelt
ich also gewissermaßen formal um einen Gesetzentwurf
13682 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Dr. Norbert Röttgen
der Bundesregierung. Inhaltlich ist es der Gesetzentwurf
von CDU/CSU und auch von Teilen der Grünen,
die ermöglicht haben, dass es zu diesem Entwurf gekom-
men ist. Das ist überhaupt keine Frage.
Noch in der letzten Woche hat es an einer ganz ent-
scheidenden Stelle eine substanzielle Veränderung gege-
ben. Frau Zypries hat es eben auch selber gesagt. Sie war
dafür, einen uneingeschränkten Patentschutz einzuräu-
men, so wie das bei Chemikalien, bei Stoffpatenten an-
derer Art, bei physikalischen Patenten der Fall ist. Damit
wäre der Besonderheit des menschlichen Genoms
eben nicht Rechnung getragen worden. Es ist überein-
stimmende Auffassung, dass wir gerade im Hinblick auf
die Reichweite des Patentschutzes den Besonderheiten
des menschlichen Genoms Rechnung tragen müssen, in-
dem wir den Patentschutz darauf beschränken, was Ge-
genstand der Erfindung ist. Eine Überbelohnung muss
sowohl aus Erwägungen hinsichtlich der Gerechtigkeit
als auch aus forschungspolitischen Erwägungen unter-
bleiben. Das hätte der Entwurf der Regierung nicht ge-
währleistet.
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Ich komme zum Ende, weil ich die wesentlichen
Punkte vorgetragen habe.
Nein, weil Ihre Redezeit zu Ende ist.
Dass wir jetzt einen guten Gesetzentwurf haben, ist
dem Parlament zu danken. Das ist eine Leistung des Par-
laments, die es in überfraktioneller Arbeit vollbracht hat.
Die Bundesregierung hat auf diesem entscheidenden Ge-
biet versagt; insofern ist es gut, dass es das Parlament
gibt, das an dieser Stelle korrigiert hat. Dazu gratuliere
ich uns.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Reinhard Loske, Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Jenseits des wortreichen Lamentos von Norbert Röttgen
stelle ich fest: Die CDU/CSU-Fraktion stimmt unserem
Gesetzentwurf zu und das ist gut so.
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An der Stoffpatentierung von Genen wird umfassende
esellschaftliche Kritik geäußert, die sich aus den ver-
chiedensten Quellen speist. Da gibt es zum einen den
ehr fundamentalen ethischen Kritikpunkt, dass es
rundsätzlich keine Patente auf Leben geben darf und
ass es sich bei einem Genom um ein gemeinsames Erbe
er Menschheit handelt, das allen gehört und deshalb
icht privatisiert werden darf. Diese Position ist in der
ergangenheit vor allen Dingen von den Kirchen, aber
uch von Organisationen wie „Kein Patent auf Leben“
der „Greenpeace“ vertreten worden. Wir finden: zu
echt.
Da ist zum anderen die Sorge, dass es zu Biomonopo-
en kommt und dass dadurch große Konzerne ihre Preise
ür Medikamente, Therapien oder pflanzliches Saatgut
n die Höhe treiben könnten. Dieser Kritikpunkt ist im-
er wieder von den Krankenkassen, der Bundesärzte-
ammer oder dem Bauernverband vorgetragen worden.
ir finden: zu Recht.
Da ist die Sorge, dass sich großzügige Stoffpatente
uf Gene forschungsfeindlich auswirken könnten, weil
ie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon ab-
alten, an bereits patentierten Genen zu forschen. Diese
osition hat übrigens auch einmal die Deutsche For-
chungsgemeinschaft vertreten. Jetzt hat sie sie aller-
ings gemeinsam mit dem VCI verändert. Ich jedenfalls
laube, dass auch diese Sorge, die von vielen Wissen-
chaftlerinnen und Wissenschaftlern vorgetragen wird,
achvollziehbar ist.
Last but not least wird darauf hingewiesen, dass eine
u großzügige und zu umfassende Biopatentierung im
ord-Süd-Verhältnis zu dem führen könnte, was man
emeinhin als Biopiraterie bezeichnet: dass sich große
onzerne die genetische Vielfalt in den Entwicklungs-
ändern aneignen könnten.
Diese verschiedenen Quellen der Kritik können wir
achvollziehen. Viele dieser Kritikpunkte teilen wir.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13683
)
)
Dr. Reinhard Loske
Deswegen haben wir immer für eine Doppelstrategie
plädiert: Auf der einen Seite soll die unvermeidliche
Umsetzung der Biopatentrichtlinie in nationales Recht
– die Ministerin hat darauf hingewiesen, dass wir natür-
lich EU-rechtstreu sind – unter Ausschöpfung vorhande-
ner Handlungsspielräume erfolgen. Auf der anderen
Seite setzen wir uns dafür ein, dass die Biopatentrichtli-
nie in Brüssel überarbeitet wird mit dem Ziel, dass sie
auf der Höhe der Zeit ist; denn sie ist und bleibt das ei-
gentliche Problem. Im Rahmen unserer nationalen Ge-
setzgebung können wir den Sinn und Charakter der EU-
Patentrichtlinie, wie sie heute ausgestaltet ist – ich sage:
leider –, nicht außer Kraft setzen.
Ziel muss es sein, ein EU-weit einheitliches Biopa-
tentrecht zu schaffen, das – darauf hat Kollege Röttgen
zu Recht hingewiesen – Erfindungen belohnt und Über-
privilegierungen ausschließt
– in diesem Spannungsfeld bewegen wir uns –, das für
ein fairen Interessenausgleich sorgt und sicherstellt, dass
die internationalen Verträge zur biologischen Vielfalt
und zur biologischen Sicherheit umgesetzt werden.
Deswegen behandeln wir heute zweierlei: zum einen
unseren Gesetzentwurf, den wir – darauf komme ich
gleich noch kurz zu sprechen – unter Ausschöpfung un-
serer Handlungsmöglichkeiten gestaltet haben, zum an-
deren unseren Antrag, in dem wir die Bundesregierung
auffordern, sich in Brüssel dafür einzusetzen, dass die
Biopatentrichtlinie den Erfordernissen unserer Zeit an-
gepasst wird. Wir wissen natürlich, dass die Kommis-
sion das alleinige Initiativrecht hat. Aber ich glaube:
Wenn insgesamt fünf Mitgliedstaaten die Möglichkeit
ergreifen, ihre Gestaltungsspielräume auszuschöpfen,
dann signalisiert das der Kommission, dass es hier Ver-
änderungsbedarf gibt.
Nun zu unserem Gesetzentwurf. Was uns sehr wichtig
ist und in der Tat keine Eins-zu-eins-Umsetzung dar-
stellt, ist Folgendes: Wir haben in § 1 des Gesetzent-
wurfs geschrieben, dass der Stoffschutz auf menschli-
che Gene deutlich eingeschränkt wird. Das war eine
gemeinsame Position von vielen Kolleginnen und Kolle-
gen. Es ist in der Tat gut, dass diese Formulierung in den
Gesetzentwurf aufgenommen wurde. Im Begründungs-
teil des Gesetzentwurfes stellen wir klar, dass wir davon
ausgehen, dass es in Zukunft auch bei tierischen und
pflanzlichen Genen keinen umfassenden Stoffschutz
mehr gibt, weil die bloße Sequenzierung mithilfe von
Maschinen bzw. Technik keine erfinderische Leistung
mehr ist. Wo ist das Erfinderische daran? Wir haben im
Gesetzentwurf noch einmal klargestellt, dass Keimzellen
grundsätzlich nicht patentierungsfähig sind. Wir haben
in den Ausschussberatungen präzisiert, dass auch biolo-
gische Verfahren nicht patentierbar sind. Wir haben für
die Landwirtschaft Regelungen zum Züchterprivileg und
zum Sortenschutz getroffen. Wir haben in dem Gesetz-
entwurf auch einen Herkunftsnachweis vorgesehen
– auch das ist durch die ursprüngliche Richtlinie nicht
vorgegeben –: Wenn bekannt ist, woher das biologische
Material kommt, dann muss dies bekannt gegeben wer-
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Das Wort hat die Kollegin Sibylle Laurischk, FDP-
raktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist
aum zu glauben: Über vier Jahre, nachdem die Frist zur
msetzung der Biopatentrichtlinie abgelaufen ist, wird
er Bundestag heute die Umsetzung der Richtlinie in
eutsches Recht beschließen.
Wunder dauern etwas länger. – Erst Ende Oktober die-
es Jahres hat der Europäische Gerichtshof Deutschland
egen der Nichtumsetzung der Richtlinie verurteilt; der
undesregierung wurden hohe Strafen angedroht. Der
pruch der Richter hat Wirkung gezeigt. Dass die Um-
etzung der Richtlinie in nationales Recht endlich ge-
ingt, müsste eigentlich ein Grund zur Freude sein. Aus
icht der FDP-Bundestagsfraktion ist das leider nicht der
all.
Der Gesetzentwurf, den die Bundesregierung im ver-
angenen Jahr vorgelegt hat, sah eine Eins-zu-eins-
msetzung der Richtlinie vor. Eine Eins-zu-eins-
msetzung bedeutet die Erteilung eines Stoffpatentes
uf die DNA-Sequenz ohne Beschränkung auf die
onkrete Anwendung. Dessen ungeachtet hat sich die
oalition in den letzten Wochen auf eine Einschränkung
eim Stoffschutz geeinigt. Nun soll der Stoffschutz auf
ie im Patentanspruch beschriebene konkrete Anwen-
ung beschränkt werden. Leider konnten Sie, Frau
inisterin, sich mit Ihren ersten Vorstellungen in der
oalition nicht durchsetzen. Die allgemeine Meinung
13684 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Sibylle Laurischk
der Fachjuristen und Patentrechtler trat leider in den
Hintergrund. Dies ist aus Sicht der FDP-Bundestagsfrak-
tion sehr bedauerlich.
Die Anhörung, die der Rechtsausschuss im September
zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung durchführte,
ergab ein eindeutiges Bild: Die überwiegende Mehrheit
der Sachverständigen hat sich für eine Eins-zu-eins-Um-
setzung ausgesprochen.
Die Entscheidung der Koalition wird erhebliche Aus-
wirkungen auf den Forschungsstandort Deutschland
haben. Insgesamt hat Rot-Grün im Jahr der Innovation
eine erschreckende Bilanz:
In der Stammzellenforschung, in der Grünen Gentechnik
und jetzt auch im Bereich der biotechnologischen Erfin-
dungen entwickelt sich Deutschland immer mehr zum
Schlusslicht in Europa.
– Dann sprechen Sie einmal mit Vertretern der
Forschung und mit denjenigen, die in Deutschland wirt-
schaftlich arbeiten müssen. – Die hoch entwickelte deut-
sche Volkswirtschaft, meine Damen und Herren insbe-
sondere von den Sozialdemokraten, ist auf ständige
Innovation angewiesen.
Dazu stimmen die gesetzlichen Rahmenbedingungen lei-
der nicht mehr. Gerade für die Vertreter von kleinen, mit-
telständischen Unternehmen und so genannten Start-ups
wird der Kompromiss der Koalition erhebliche Konse-
quenzen haben. Ein umfassend gesichertes Patent auf ihr
geistiges Eigentum ist oft ihr einziges Kapital, mit dem
sie auf dem Markt bestehen können. Es ist daher falsch,
zu behaupten, ein umfassender Patentschutz schütze ein-
seitig die Interessen großer Konzerne. In der Begrün-
dung des Gesetzentwurfes heißt es – ich zitiere –:
Dieser „absolute“ Stoffschutz ist notwendig, nicht
zuletzt im Interesse eines effektiven Innovations-
schutzes.
Dies soll nun aber nicht mehr gelten.
Es entspricht bereits heute der internationalen
Rechtspraxis, dass der Stoffschutz im Biotechnolo-
giebereich umfassend gewährleistet wird.
Diese Aussage ist dem Antrag der FDP-Fraktion mit
dem Titel „Rechtssicherheit für biotechnologische Erfin-
dungen durch schnelle Umsetzung der Biopatentrichtli-
nie“ wortwörtlich zu entnehmen. Das Europäische Pa-
tentamt orientiert sich seit Jahren eng an der Richtlinie.
In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung heißt es
weiter: Ziel der Richtlinie sei es, gemeinschaftsweit har-
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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
amen und Herren! Als ich 1999 das erste Mal in Be-
ührung mit der Biopatentrichtlinie kam – ich war erst
eit einigen Monaten Mitglied des Bundestages –, war
ch als Biologe doch sehr erstaunt, dass man Gene erfin-
en kann und dass das patentierbar ist. Bis dahin war ich
avon ausgegangen, dass sie im Menschen vorhanden
ind und höchstens entdeckt werden können. Es stellte
ich mir die Frage, ob man sie erfinden und ein Patent
afür erhalten kann.
Ich habe mich von den Juristen schnell belehren las-
en, dass es relativ üblich und auch Bestandteil der
echtsprechung ist, Naturstoffe patentieren lassen zu
önnen, wenn sie aus der Natur isoliert werden. Diesen
ernprozess habe ich hinter mir. Auf der anderen Seite
aben die Naturwissenschaftler und Mediziner, die an
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13685
)
)
René Röspel
der Diskussion beteiligt waren, den Juristen mitunter er-
klären müssen, dass menschliche Gene, also das
menschliche Erbgut, keine normalen Naturstoffe sind
und dass sie eben nicht ohne weiteres patentiert werden
können, wie das zum Beispiel in der Richtlinie der Euro-
päischen Union steht.
Es war ein sehr interessanter und langer Diskussions-
prozess. Ich glaube, alle Seiten haben dazugelernt. Die-
ser Prozess war auch notwendig. Das Problem der Richt-
linie, die 1998 verabschiedet worden ist und eigentlich
schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auf dem aktuellen
Stand der Wissenschaft und Technik war – Reinhard
Loske hat es gesagt –, war nämlich, dass man ein Gen,
welches man mit einer Funktion beschrieb, für alle An-
wendungen und Funktionen, die mit diesem Gen zusam-
menhingen, patentieren lassen konnte. Das heißt, jeman-
dem, der ein Gen patentieren ließ, wurden gleichzeitig
auch alle Anwendungen und Funktionen geschützt.
Dabei war es egal, ob er sie genannt oder nicht genannt
hat und ob er sie gekannt bzw. geahnt hat oder nicht. Das
kann aus unserer Sicht nicht richtig sein, weil es nicht
zur Leistung desjenigen gehört, der das Patent erhält,
und weil es alle anderen, die andere Funktionen dieses
einen Gens untersuchen, in ihrer Forschung stört und be-
hindert, wodurch Probleme für sie geschaffen werden.
Das ist das Kernproblem dieser Richtlinie, über das
wir in der letzten Legislaturperiode nicht nur in der rot-
grünen Koalition und in der Enquete-Kommission, son-
dern auch mit vielen Verbänden außerhalb des Parlamen-
tes sehr intensiv diskutiert haben: mit den Kirchen, die
das sehr kritisch sahen und sehen, mit Misereor, mit den
Forschern, die daran beteiligt waren und sind, mit
Greenpeace, mit Krankenkassen und mit den Kranken-
hausverbänden. Diese sagen: Wenn ihr diesen umfassen-
den Stoffschutz erteilt, dann, so befürchten wir, werden
Monopole dazu führen, dass zum Beispiel Medikamente,
Therapie- und Diagnostikverfahren viel teurer werden.
Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass sich zum Bei-
spiel die Kosten für eine Brustkrebsuntersuchung wegen
der Patentproblematik verdreifacht haben.
Wir haben fünf Jahre lang sehr intensiv diskutiert. Ich
glaube, es war eine sinnvolle und notwendige Diskus-
sion,
an deren Ende ein guter Kompromiss steht. Er ist nicht
das, was ich für nötig erachte, aber es ist mehr, als ich
noch vor Wochen und Monaten für möglich gehalten
habe. Schließlich müssen wir berücksichtigen, was wir
in nationales Recht umsetzen können und was uns die
europäische Richtlinie vorschreibt. Insofern ist es ein
guter Kompromiss, weil wir den Stoffschutz beschrän-
ken. Es soll nur noch das patentiert werden können, was
als Anwendung genannt wird, nicht mehr das, was nicht
genannt worden ist. Wir haben in Deutschland das
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schauen Sie bitte in die Protokolle, auch wenn es eine
bliche Ausnahme in der Enquete-Kommission gab –,
ann hätten wir heute in unserem Gesetzentwurf nicht
ie vernünftige und sinnvolle Formulierung, die von vie-
n mitgetragen wird.
An die FDP gewandt: Sie haben gesagt, wir hätten
ünf Jahre gebraucht, um eine juristisch einwandfreie
ormulierung zu finden. Ich frage mich, warum Sie fünf
ahre lang nichts anderes gemacht haben, als eine Eins-
u-eins-Umsetzung zu fordern. Es war daher erstaunlich,
ass Sie am letzten Mittwoch vor der Ausschusssitzung
inen Formulierungsvorschlag zu einem Teilpunkt ge-
acht haben.
Herr Kollege, Sie haben Ihre Redezeit überschritten.
Sie haben lange genug Zeit gehabt. Wir haben eine
ernünftige Lösung gefunden. Deutschland hat seine
ufgaben gemacht. Jetzt ist wieder Europa an der Reihe.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Helmut Heiderich, CDU/
SU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen!
ndlich haben sich die Fraktionen von SPD und Grünen
ach jahrelangen Streitereien auf die Verabschiedung der
o genannten Biopatentrichtlinie geeinigt. Die Behaup-
ung von Kollegen Röspel, dies sei die Leistung der
oalition, geht völlig fehl. Sie als Regierung haben bis
or zwei Wochen jahrelang auf der Eins-zu-eins-Umset-
ung bestanden. In der Koalition haben Sie sich ständig
estritten, weil Sie immer wieder den falschen Ratge-
ern Ihr Ohr geliehen haben.
Herr Kollege Röspel, spätestens seit der Entschei-
ung des Europäischen Gerichtshofes von 2001 auf-
rund der Klage von Italien und den Niederlanden war
13686 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Helmut Heiderich
doch völlig klar, dass am Ende der Debatte nichts ande-
res als ein Stoffpatent stehen würde. Dass Sie sich dies-
mal am Schluss nicht wie am vergangenen Freitag bei
der Verabschiedung des Gentechnikgesetzes den emotio-
nalen Ratgebern angeschlossen haben, ist gut für unser
Land. Aber deswegen sollten Sie sich nun nicht zum Er-
finder dieser Lösung machen.
Sie haben nur das vollzogen, was Ihnen andere vor an-
derthalb Jahren vorgelegt haben.
Meine verehrten Kollegen von Rot-Grün, wir haben
in unserem Antrag sehr genau beschrieben – das können
Sie dort nachlesen –, welche Lösung wir vorschlagen.
Wir haben diese Lösung schon vor anderthalb Jahren
hier im Parlament präsentiert. Ich will sie einmal schlag-
wortartig darstellen. Wir haben gesagt – das ist auch un-
sere jetzige Auffassung –: Stoffschutz: ja; Überbeloh-
nung: nein. Diese Lösung bedeutet, dass Forscher und
Unternehmer einen unanfechtbaren Patentschutz für ihre
Erfindungen brauchen. Das ist einfach unumgänglich,
weil nur so – das wissen Sie genauso wie wir – die
hohen Investitionskosten für eine Produktentwicklung
gesichert werden können.
Wenn heute für die Entwicklung eines einzigen Medi-
kaments 500 Millionen Euro benötigt werden, dann ist
der volle Patentschutz dafür eine zwingende Vorausset-
zung. Verfahrenspatente oder ähnliche Vorschläge, die
Sie jahrelang präsentiert haben, reichen nicht, weil sonst
kein Investor mehr das Entwicklungsrisiko eingehen
wird. Damit widerlegt sich auch das Argument, das eben
wieder genannt worden ist, durch Patentierung würden
Medikamente teurer, verehrter Kollege Loske.
Vielmehr ist der Umkehrschluss richtig: Ohne eine
verlässliche Patentierung würden moderne Medikamente
erst gar nicht entwickelt und damit den Patienten zu
deren Heilung auch nicht zur Verfügung stehen. In
Deutschland haben wir heute bereits immerhin mehr als
100 Produkte aus gentechnischer Herstellung. Also
brauchen wir die Patentierung und sollten nicht ständig
so tun, als wäre dieses Problem anderweitig lösbar.
Andererseits, Herr Kollege Tauss, ist der Wissens-
stand über das menschliche Genom heute ein anderer
als 1998. Damals hätte sich sicherlich niemand träumen
lassen, dass unsere persönliche genetische Ausstattung
inzwischen auf drei Stellen hinter dem Komma genau,
also zu 99,999 Prozent, entschlüsselt ist und dass von
den ursprünglich einmal perspektivisch genannten
100 000 Genen, die man dem Menschen sozusagen als
Krönung der Schöpfung zurechnete, gerade einmal
22 000 übrig geblieben sind.
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as ist ganz konkret der Inhalt unseres Antrags und der
iegt diesem Hause immerhin seit anderthalb Jahren vor.
enn Sie sich etwas mehr beeilt und sich diesem Vor-
chlag angeschlossen hätten, wäre die Verabschiedung
es Biopatentrechtes schon über die Bühne gegangen.
Herr Kollege Loske, ich kann verstehen, wenn es Ih-
en etwas Mühe macht, unserer vorauseilenden Arbeit
u folgen, aber dass diese Arbeit richtig und gut war,
ollten Sie anerkennen. Das wäre das Mindeste, was Sie
un können.
rlauben Sie mir, an dieser Stelle zu den Einwendungen
er FDP Stellung zu nehmen, die Forschung würde da-
urch behindert.
ch glaube, genau das Gegenteil ist der Fall. Würden wir
ie zu weit gehenden Ansprüche zulassen, die als so ge-
annte Vorratspatente oder auch strategische Patente
ezeichnet werden, dann wäre doch kaum noch ein Wis-
enschaftler oder Unternehmer bereit, in dem schon ab-
esteckten Claim noch initiativ zu werden und dort for-
chend weiterzuarbeiten.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Wodarg?
Selbstverständlich.
Herr Heiderich, ich habe eine Frage. Sie haben davon
esprochen, dass Gene multifunktional seien und dass
ie gefundene Regelung deshalb gut sei. Wir haben hier
mmer über das menschliche Genom gesprochen. Kön-
en Sie mir darin zustimmen, dass auch pflanzliche
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13687
)
)
Dr. Wolfgang Wodarg
Gene multifunktional sind? Welche Konsequenz sollte
man Ihrer Meinung nach daraus ziehen?
Zum einen kann ich Ihnen an dieser Stelle nicht voll
zustimmen, weil die Forschung auf diesem Gebiet noch
nicht so weit ist.
Zum anderen – das ist vorhin schon gesagt worden –
ist es auch aus ethischer Sicht ein Unterschied, ob man
über das menschliche Genom oder über das Genom einer
Pflanze spricht.
Wir haben immer gesagt – das können Sie auch in unse-
rem Antrag nachlesen –, dass wir aus dieser ethischen
Überlegung heraus der Auffassung sind, dass wir die
Reichweitenbeschränkung beim menschlichen Genom
vertreten können, nicht aber bei Pflanzen und in anderen
Bereichen. Dem entsprechend sieht auch unser Vor-
schlag aus. Dass Sie ihm gefolgt sind, zeigt, dass Sie
letztendlich zu denselben Erkenntnissen gekommen
sind.
Die „FAZ“ hat kürzlich sehr anschaulich eine Analo-
gie mit der Goldgräberzeit hergestellt: Findet jemand
eine Goldader und kann deren Existenz nachweisen, so
soll er für deren Umfeld ein Schutzrecht erhalten, aber
nicht gleich einen Anspruch auf eine ganze Region oder
gar ein ganzes Land. Ich glaube, dieses Beispiel macht
deutlich, worum es bei der Begrenzung der Reichweite
geht. Ich glaube, sie behindert die Forschung nicht. Sie
gibt im Gegenteil den Anreiz, auch die noch unerforsch-
ten Gebiete unverzüglich in Angriff zu nehmen und dort
weiter zu forschen.
Meine Damen und Herren, wir haben eben schon ge-
sagt: Wir freuen uns, dass wir zu dieser gemeinsamen
Lösung gekommen sind. Wir hätten sie längst haben
können, wenn Sie uns früher gefolgt wären.
Wir wollen aber noch einmal deutlich machen – das
hat Herr Wodarg angesprochen –, dass mit der heutigen
Entscheidung zum ersten Mal ethisch-moralische
Grundsätze ins Patentrecht aufgenommen werden, das
eigentlich ein reines Wirtschaftsrecht ist; das sollte man
nicht übersehen. Vorschriften etwa zum Schutz von Em-
bryonen und zum Schutz der menschlichen Identität
werden nun konkret im Patentrecht verankert. Das ist,
glaube ich, ein ganz wesentlicher Fortschritt gegenüber
dem, was wir bisher im Patentrecht hatten. Dieses Er-
gebnis hätte es durchaus verdient, dass wir schneller zu
ihm gekommen wären.
Dass die Patentrichtlinie auf europäischer Ebene fort-
entwickelt werden muss, ist selbstverständlich. Die Wis-
senschaft schreitet fort. Es gibt völlig neue Gebiete der
Wissenschaft. Ich denke hier nur an die Stammzellfor-
schung, an davon abgeleitete Therapien und an spätere
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u einem Zeitpunkt, als diese, wie Kollege Loske richtig
esagt hat, schon überhaupt nicht mehr in Übereinstim-
ung mit den konkreten Entwicklungen in der Technik
owie in der ethischen, rechtlichen und patentrechtlichen
orschung zu bringen war – war der eigentliche Geburts-
ehler,
it dem wir jetzt über Jahre zu tun hatten. Das war ein
reignis Ihrer Regierungstätigkeit. Ich möchte das, wenn
ir über Urheberschaft reden, noch einmal deutlich er-
ähnen.
Das Zweite sage ich in Richtung FDP. Ich glaube, hier
ird einfach ignoriert, was wir in unseren Diskussionen
n den letzten fünf, sechs Jahren nachvollzogen haben
nd was jetzt – ich sage: endlich – in einen konkreten
esetzentwurf mündet.
13688 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Christoph Strässer
Es geht nämlich um die Frage, wie das Patentrecht und
insbesondere das europäische Patentrecht auszugestalten
und zu organisieren ist.
Sie haben über die Anhörung geredet. Sie müssten
die Mehrheit der Sachverständigen, die dort geredet ha-
ben, so wie wir verstanden haben:
In der aktuellen Patentrechtspraxis ist es ohnehin ausge-
sprochen selten, dass noch Stoffschutz gewährt wird.
Das gilt für Stoffe aller Art, aber insbesondere für bio-
technologische Erfindungen. Das haben sowohl die
Richter des Patentrechts und die Patentanwälte als auch
der anwesende BGH-Richter sehr deutlich bestätigt. Wir
vollziehen nach, was in der patentrechtlichen Praxis seit
langem üblich ist. Deshalb ist es völlig falsch, zu sagen,
wir machten hier ein neues Patentrecht und schränkten
Patente ein. Vielmehr schaffen wir eine konsequente und
rechtsstaatlich saubere Lösung für die Gerichte, die hier
schon anders entscheiden, als es nach dem deutschen Pa-
tentrecht möglich ist. Deshalb ist das eine gute Rege-
lung.
Lassen Sie mich dazu eine Ergänzung machen. Ich
denke, dass man die Positionen an dieser Stelle wirklich
klarstellen muss.
Ich will die Frage der Entwicklung und der Beschrei-
bung von Funktionen natürlicher und menschlicher Gene
nicht wiederholen. Die zentrale Frage ist, wie der Stoff-
schutz organisiert werden soll. Konkrete Formulierun-
gen haben Sie übrigens nicht vorgelegt. Es ist zwar
schön, Entschließungsanträge zu schreiben; aber als es
ans Eingemachte ging – das gilt auch für die erste Le-
sung –, haben Sie sich nicht wirklich an dieser Diskus-
sion beteiligt.
Sie vergießen jetzt Krokodilstränen. Das, was wir ge-
macht haben, ist das konkrete Ergebnis einer ganz kon-
kreten Politik. Darüber sollten wir uns jetzt streiten.
– Auf dem Markt sind Sie; das ist richtig. Die Frage ist
nur, wessen Interessen Sie vertreten. Das müssen wir
nicht weiter thematisieren. Das ist ganz klar.
Es gibt einen Punkt, über den wir uns in Zukunft strei-
ten werden und streiten müssen – deshalb ist auch Ihre
Kritik leider nicht berechtigt –, den wir hier nicht regeln
konnten, den wir aber regeln müssen. Es geht um die
Frage des Nebeneinanders von Patenten, die nach
deutschem Patentrecht beantragt werden, und den Paten-
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
esregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Umset-
ung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotech-
ologischer Erfindungen auf Drucksache 15/1709. Dazu
iegen uns Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung
on den Kollegen Dr. Hermann Scheer, Ernst Kranz,
r. Wolfgang Wodarg sowie 25 MdBs des Bündnis-
es 90/Die Grünen vor.1)
Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a sei-
er Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/4417, den
esetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Es
iegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf
rucksache 15/4436 vor, über den wir zuerst abstim-
en. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer
timmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsan-
rag ist mit den Stimmen der Koalition und der CDU/
SU gegen die Stimmen der FDP abgelehnt.
Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
er Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-
eichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ge-
etzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stim-
en der Koalition und der CDU/CSU gegen die
timmen der FDP angenommen.
Anlage 9
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13689
)
)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist
damit in dritter Beratung mit demselben Stimmergebnis
wie in zweiter Beratung angenommen.
Tagesordnungspunkt 25 b: Wir setzen die Abstim-
mungen über die Beschlussempfehlung des Rechts-
ausschusses auf Drucksache 15/4417 fort. Der Aus-
schuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschluss-
empfehlung die Annahme des Antrags der Fraktionen
der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf
Drucksache 15/2657 mit dem Titel „Für ein modernes
Biopatentrecht“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Ge-
genstimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen.
Unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung emp-
fiehlt der Rechtsausschuss die Ablehnung des Antrags
der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/1024
mit dem Titel „Die europäische Biopatentrichtlinie
von 1998 umsetzen“. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Ich wiederhole die Abstimmung: Unter Buchstabe c
seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Rechtsaus-
schuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 15/1024 . Wer stimmt
für die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen der Koalition und der
FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.
– Herr Kollege Ramsauer.
Frau Präsidentin, das eben Geschehene veranlasst
mich zu der Frage, was an der Abstimmung, die wir zu-
nächst durchgeführt haben, so fehlerhaft gewesen sein
soll, dass eine Wiederholung erforderlich war. Das Ab-
stimmungsverhalten der SPD war eindeutig.
Die Klarheit der Abstimmung war nicht gegeben. Es
war unübersichtlich, Herr Kollege Ramsauer.
Wir setzen die Abstimmungen fort. Schließlich emp-
fiehlt der Ausschuss unter Buchstabe d seiner Beschluss-
empfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der
FDP auf Drucksache 15/1219 mit dem Titel „Rechtssi-
cherheit für biotechnologische Erfindungen durch
schnelle Umsetzung der Biopatentrichtlinie“. Wer
stimmt für die Beschlussempfehlung des Ausschusses? –
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tionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung dienst- und arbeits-
rechtlicher Vorschriften im Hochschulbereich
– Drucksache 15/4132 –
– Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs ei-
nes Gesetzes zur Änderung dienst- und
arbeitsrechtlicher Vorschriften im Hoch-
schulbereich
– Drucksachen 15/4229, 15/4299 –
– Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Freigabe der Personalstruktur an Hoch-
– Drucksache 15/3924 –
aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Bildung, Forschung und Tech-
nikfolgenabschätzung
– Drucksache 15/4418 –
Berichterstattung:
Abgordnete Ulrike Flach
Ute Berg
Thomas Rachel
Grietje Bettin
– Drucksachen 15/4428, 15/4429 –
Berichterstattung:
Abgordnete Carsten Schneider
Klaus-Peter Willsch
Anna Lührmann
Jürgen Koppelin
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung
– zu dem Antrag der Abgeordneten Katherina
Reiche, Thomas Rachel, Dr. Maria Böhmer,
13690 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU
Flexiblere Personalstrukturen bei Drittmit-
telprojekten im Hochschulbereich schaffen
– zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach,
Cornelia Pieper, Dr. Karl Addicks, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Befristungen von Beschäftigungsverhältnis-
sen im Hochschulbereich flexibilisieren
– Drucksachen 15/4131, 15/4151, 15/4418 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Ulrike Flach
Ute Berg
Thomas Rachel
Grietje Bettin
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Ute Berg, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundes-
regierung und der Koalitionsfraktionen, den wir heute
verabschieden wollen, schaffen wir Rechtssicherheit für
die Hochschulen und die Wissenschaftlerinnen und Wis-
senschaftler. Das ist notwendig geworden, nachdem das
Bundesverfassungsgericht im Juli mit seiner Entschei-
dung zur Juniorprofessur auch das neue Befristungsrecht
außer Kraft gesetzt hat.
Die Regelungen für befristete Arbeitsverträge
der fünften HRG-Novelle haben wir – übrigens
nach Abstimmung mit den Wissenschaftsministerinnen
und -ministern der Länder – in modifizierter Form in den
neuen Gesetzentwurf übernommen.
Der Bundesrat hat daher am vergangenen Freitag keine
Einwände gegen den Gesetzentwurf erhoben.
In meiner Rede am 12. November habe ich sehr stark
auf die Juniorprofessur Bezug genommen und die Chan-
cen dargestellt, die sich daraus für den wissenschaftli-
chen Nachwuchs und den Wissenschaftsstandort
Deutschland ergeben. Heute gehe ich stärker auf die
Zeitvertragsregelungen ein. Dabei handelt es sich zwar
auf den ersten Blick um eine sehr trockene Materie, die
aber ebenso existenzielle Auswirkungen für die betroffe-
nen Menschen und die Wissenschaftseinrichtungen in
Deutschland hat.
Ich will an dieser Stelle noch einmal deutlich machen,
vor welchem Problem wir in der Praxis stehen. Viele
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Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Bergner? – Herr Kollege Bergner, ich weise
ber darauf hin, dass es schon sehr spät ist, dass es noch
iele Tagesordnungspunkte gibt und dass es Mitarbeite-
innen und Mitarbeiter in diesem Hause gibt, die irgend-
ann einmal in das wohlverdiente Wochenende gehen
ollen.
Bitte, Frau Berg.
Frau Präsidentin, ich bitte Sie, mir die Zeit, die ich da-
urch verloren habe, gutzuschreiben; das wäre nett.
Wie gesagt, der Wissenschaftsrat spricht sich explizit
egen das aus, was Sie in Ihrem Antrag als Ergänzung
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13691
)
)
Ute Berg
vorschlagen. Wir wollen wie der Wissenschaftsrat statt-
dessen das Kündigungsrecht wissenschaftsspezifisch er-
weitern. Die Hürden für eine betriebsbedingte Kündi-
gung sollen herabgesetzt und der dauerhafte Wegfall
von Drittmitteln soll als Kündigungsgrund anerkannt
werden. Wir wollen damit erreichen, dass Wissenschafts-
einrichtungen in Zukunft nicht mehr davor zurückschre-
cken, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach
der Qualifizierungsphase unbefristet einzustellen. Da-
mit bieten wir den betroffenen Menschen eine verlässli-
che Zukunftsperspektive.
Die Neuregelung des Kündigungsschutzes muss aber
durch eine Reform des BAT flankiert werden. Der steht
einer solchen Neuregelung derzeit entgegen. Das heißt,
dass § 53 des Bundesangestelltentarifs, der besagt, dass
nach 15 Jahren im öffentlichen Dienst die Unkündbarkeit
eintritt, aufgehoben werden muss. Nun laufen zurzeit,
wie Sie wissen, Verhandlungen über eine grundlegende
Reform des BAT. Wir alle sollten als Bundesbildungspo-
litikerinnen und -politiker dafür kämpfen, dass die Län-
der wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren und
die Tarifverhandlungen nicht weiter boykottieren.
Bund, Länder, Wissenschaftseinrichtungen und die Inte-
ressenvertretungen der Beschäftigten müssen ein massi-
ves Interesse daran haben, dass die Verhandlungen
erfolgreich abgeschlossen werden. Solange diese Ver-
handlungen nicht abgeschlossen sind, können wir keine
gesetzlichen Änderungen beschließen; denn das würde
als Eingriff in die Tarifautonomie gewertet. Ein entspre-
chender Beschluss kann also zum jetzigen Zeitpunkt
nicht getroffen werden, weil er rechtlich nicht haltbar
wäre.
Beide Aspekte des Änderungsvorschlags zur Weiter-
beschäftigung der Wissenschaftler – der tarifliche und
der gesetzliche – müssen in Einklang gebracht werden.
Um genügend zeitlichen Spielraum dafür zu bekommen,
haben wir im neuen Gesetz die Übergangsphase für
das Zeitvertragsrecht bis 2008 erweitert. Bis dahin
können die betroffenen Wissenschaftler weiterhin sach-
grundlos befristet angestellt werden und bis dahin wer-
den wir eine dauerhafte Lösung für die betroffenen Men-
schen erreicht haben.
Ich bin sicher, dass Sie sich der Logik meiner Argu-
mentation nicht verschließen konnten und nun unserem
Gesetzentwurf sowie dem Antrag der Koalitionsfraktio-
nen zustimmen werden. Folgerichtig müssen Sie dann
natürlich die Anträge von CDU/CSU und FDP sowie
den Gesetzentwurf des Bundesrates ablehnen. Dafür be-
danke ich mich schon im Voraus sehr herzlich.
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Ich kann Ihnen allerdings nicht ersparen, Sie darauf
inzuweisen, dass Sie einer anderen Gruppe die Schaf-
ung eines angemessenen Rahmens schuldig bleiben:
en Drittmittelwissenschaftlern. Auf der Internetseite
ww.maintainbrains.de stellen junge Wissenschaftlerin-
en und Wissenschaftler ihre Initiative „Wir wollen for-
chen – in Deutschland“ vor. Auf dieser Internetseite
ind Zuschriften von Betroffenen zu finden. In diesen
uschriften werden nicht nur die Probleme der Nach-
uchswissenschaftler behandelt, sondern auch die
robleme derer, die – weil moderne Wissenschaft
rojektmittelbezogen ist – ihre Arbeit auf der Basis von
rojektmitteln ausführen.
13692 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Dr. Christoph Bergner
Der sachliche Grund für eine Befristung im Nach-
wuchsbereich auf zwölf oder 15 Jahre ist durchaus sinn-
voll; denn es geht um das Erreichen einer Qualifikation.
Dafür sollte man keine unendlichen Zeiträume vorgeben.
Die pauschale Übertragung dieser Befristung auf den
Drittmittelbereich ist dagegen völlig unangemessen und
führt zu ausgesprochenen Fehlsteuerungen. Ich verweise
nur auf die Proteste auf der erwähnten Internetseite und
auf zahlreiche Leserbriefe in überregionalen Zeitungen.
Das Ganze ist ein unmittelbares Ergebnis der
fünften HRG-Novelle.
Auch wenn wir der Modifikation der fünften HRG-
Novelle zustimmen, müssen wir darauf aufmerksam ma-
chen: Es wird zu wenig korrigiert. Wir bleiben einem
wichtigen Sektor unserer Wissenschaft in Bezug auf
seine Entwicklung eine angemessene Antwort schuldig.
Moderne Wissenschaft bedeutet projektmittelbezogene
Forschung und projektmittelbezogene Forschung bedeu-
tet Mittelvergabe im Wettbewerb. Zeitlich befristete Pro-
jektmittel bedürfen eines Rechtsrahmens, damit perso-
nal- und arbeitsrechtliche Verhältnisse geklärt sind.
– Herr Kollege Tauss, sprechen Sie doch einmal mit den
Betroffenen.
Für sie ist das kein Problem. Sie finden es besser, auf ei-
ner befristeten Drittmittelstelle zu sitzen und in Deutsch-
land zu forschen, als aufgrund einer fehlenden Regelung
im Hochschulrahmengesetz – das ist das eigentliche Pro-
blem – ins Ausland verwiesen zu werden.
Ich entnehme der Rede der Kollegin Berg, dass Einig-
keit über das Vorhandensein dieses Problems besteht.
Unser Lösungsansatz sieht die Angabe eines sachlichen
Grundes für die Verlängerung der Befristigung von
Drittmittelstellen vor. Das Ganze könnte über die Ein-
führung eines § 57 b im Hochschulrahmengesetz gere-
gelt werden. Sie lehnen unseren entsprechenden Antrag
ab. Das ist nicht zu verstehen.
– Nein, Herr Kollege Tauss.
Der von Ihnen vorgeschlagene Weg ist rechtlich sehr
viel fragwürdiger und sehr viel problematischer. Das,
was wir vorschlagen, ist konform mit der EU-Richtlinie.
Die EU-Richtlinie gibt eine Mindestfrist von 15 Jahren
vor; gleichzeitig wird in ihr die Angabe eines sachlichen
Grundes zur Verlängerung befristeter Arbeitsverhält-
nisse gefordert. Die Angabe eines solchen sachlichen
Grundes wollen wir in einem § 57 b des Hochschulrah-
mengesetzes regeln. Damit würden wir uns konform mit
der EU-Richtlinie verhalten.
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Das ist genau der Punkt. Sie wollen ein unbefristetes
rbeitsverhältnis und gleichzeitig einen neuen Kündi-
ungsgrund für den Fall des Auslaufens von Drittmit-
ln.
Herr Kollege, ich muss Sie trotz allem an die Redezeit
rinnern.
Frau Präsidentin, noch zwei Sätze. – Ich möchte den
anzler einer Universität sehen, der sich auf ein solches
nternehmen einlässt!
Ich möchte aber noch ein Zweites sagen. Jeder Ar-
eitsrichter wird die Frage stellen: Gibt es nicht noch an-
ere Drittmittelprojekte, mit denen die Stelle dann finan-
iert werden kann? – Man kommt aber zu einer den
elangen von Wissenschaft nicht adäquaten Zuteilung
on Personalressourcen,
Herr Kollege Bergner!
wenn man den Beschäftigten von einer Drittmittel-
telle, für die er eine Qualifikation hat,
Herr Kollege Bergner!
auf eine andere Drittmittelstelle setzt, für die er keine
ualifikation hat. Ihr Weg ist der falsche Weg. Sie haben
inen großen Fehler gemacht, indem Sie unserem Vor-
chlag nicht zugestimmt haben.
Schönen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Grietje Bettin, Bündnis 90/
ie Grünen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13693
)
)
Frau Präsidentin! Meine liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Heute stehen wir vor der Wiederherstellung der
Rechtssicherheit für unsere jungen Nachwuchswissen-
schaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler. Die
Rechtsgrundlage für die Juniorprofessur und die für be-
fristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft wird wieder-
hergestellt. Um diese Rechtssicherheit zu bekommen,
haben wir aus grüner Sicht eine Kröte geschluckt. Gern
hätten wir diese Novelle für Verbesserungen an der
Zwölfjahresregel genutzt. Jetzt soll diese Regel nahezu
unverändert im Gesetz stehen bleiben. Zustimmen kön-
nen wir dem Gesetzentwurf aber trotzdem, weil wir
gleichzeitig eine Entschließung vorlegen, erfreulicher-
weise zusammen mit der FDP. Darin finden wir unsere
grünen Ziele sachlich und juristisch gut begründet aufge-
nommen und dargestellt:
Erstens. Wir streben eine Weiterentwicklung des wis-
senschaftsspezifischen Befristungs- und Kündigungs-
rechts an, die die notwendige Flexibilität und Rechtssi-
cherheit für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
sowie für Institutionen gleichermaßen schafft.
Zweitens. Wir fordern gemeinsam die Einführung ei-
nes eigenen Tarifs für Forschung und Lehre, und zwar
gemeinsam mit den Tarifpartnern. Die Ausgestaltung der
Arbeits- und Qualifikationsbedingungen sowie die Be-
fristungs- und Kündigungsregelungen sollen damit weit-
gehend in die Hände der Tarifpartner überführt werden.
Beides wollen wir im Laufe des nächsten Jahres ange-
hen.
Die Neuregelung, die wir heute verabschieden, setzt
eine Übergangsfrist bis Februar 2008. So lange können
und wollen wir die Wissenschaftlerinnen und Wissen-
schaftler aber nicht warten lassen. Sie brauchen Sicher-
heit für ihre Lebensplanung. Deswegen muss die Neure-
gelung bis Ende 2006 stehen, liebe Kolleginnen und
Kollegen.
Die Änderungen, die ich eben beschrieben habe, wä-
ren schon heute möglich gewesen, wenn die unionsge-
führten Länder nicht die Taktiererei vor die Sachent-
scheidung gestellt hätten.
Hätten wir uns sofort nach dem Urteil des Bundesver-
fassungsgerichts zusammengesetzt, wie Frau Ministerin
Bulmahn vorgeschlagen hatte, hätten wir gut und gern
gemeinsam eine Weiterentwicklung auf den Weg brin-
gen können; das zeigen auch die Anträge der Unions-
fraktion und der FDP-Fraktion zu diesem Thema.
– Tja.
Leider gibt es allerdings beunruhigende Neuigkeiten
aus der Förderalismuskommission. Derzeit sieht es näm-
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esonders prekär dabei ist: Die Länder müssen nach
em bisherigen Stand keine einheitlichen Regelungen
ereinbaren. Das entspricht dem Entwurf, den der Bun-
esrat diesem Parlament zur Abstimmung vorgelegt hat.
ieber Herr Frankenberg, damit ist Ihre Beteuerung, Sie
ollten den Verhandlungen in der Förderalismuskom-
ission nicht vorgreifen, wohl hinfällig. Ihr Entwurf un-
ermauert, dass es Ihnen nicht um die Sachentscheidung
eht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fürchte die Fol-
en, die sich aus der Verlagerung dieser Kompetenz er-
eben können. Die Konsequenz wäre die Preisgabe der
undeseinheitlichkeit von Qualifikationswegen und
ersonalkategorien. Um zu verdeutlichen, was das
ieße, wiederhole ich: Vor Einführung der bundesein-
eitlichen Regelung, wie sie im Rahmengesetz steht, gab
s im damaligen Westdeutschland an den Hochschulen
und 70 verschiedene Personalkategorien. Das wäre un-
erer Einschätzung nach aber noch nicht das
chlimmste.
Diese 70 Personalkategorien bezogen sich immerhin
uf die klaren Qualifikationsschritte Hochschulab-
chluss, Promotion und Habilitation. Wenn wir aber
uch bei diesen Qualifizierungsschritten den Weg zurück
n die Kleinstaaterei wählen, geraten wir schnell in eine
ituation, wie sie für Lehramtsstudierende seit jeher är-
erliche Realität ist:
hr Abschluss wird nicht überall in Deutschland aner-
annt. Es liegt in der Willkür der Länder, ob im Einzel-
all eine Anerkennung ausgesprochen wird oder nicht.
ine solche Entwicklung bei den Abschlüssen von wis-
enschaftlichen Qualifikationsschritten wäre in höchs-
em Maß schlecht für die Mobilität der Wissenschaftle-
innen und Wissenschaftler innerhalb Deutschlands und
amit natürlich auch für unser Bestehen im weltweiten
ettbewerb um die klügsten Köpfe.
Gerade deshalb kann ich den Antrag, der ja von Ihrer
andesregierung, Herr Frankenberg, in den Bundesrat
ingebracht wurde, nicht verstehen. Natürlich werden
ie jetzt sagen, die Länder werden das untereinander ko-
rdinieren. Vielleicht geschieht das. Damit wären aber
inmal mehr die Parlamente faktisch von der Debatte
usgeschlossen. Stattdessen würde beispielsweise die
andesregierung in Sachsen darüber mitbestimmen, was
n Schleswig-Holstein zu gelten hat. Ich habe damit
das tut mir Leid – ein grundsätzliches Problem. Ihre
orstellung von Föderalismus ist, dass die Regierungen
13694 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Grietje Bettin
die Sachen ausdealen und die Parlamente nur noch abni-
cken sollen, ohne selbst gestalten zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als Grüne set-
zen uns dafür ein, zum einen die Parlamente an wichti-
gen politischen Diskussionen von Anfang an zu beteili-
gen und zum anderen die Mobilitätschancen von
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in ganz
Deutschland aufrechtzuerhalten. Dafür muss der Bund
die Zuständigkeit für das Dienstrecht an Hochschulen
behalten. Um das zu erreichen, sollten wir aus fachpoliti-
scher Sicht gemeinsam an einem Strang ziehen.
Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Ulrike Flach, FDP-Frak-
tion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Die Regierungskoalition hat uns heute eine Re-
paraturnovelle vorgelegt, die notwendig wurde – darüber
haben wir eben bereits ausführlich gesprochen –, weil
das Bundesverfassungsgericht die 5. HRG-Novelle ge-
kippt hat. Ich will an dieser Stelle für die FDP sehr klar
und deutlich sagen: Wir werden dieser Reparatur zustim-
men, weil wir Sicherheit für die Betroffenen wollen und
weil wir die Juniorprofessur für richtig, für zukunftswei-
send und für notwendig erachten. Wir werden dieser No-
velle zustimmen, auch wenn wir uns mehr Flexibilität
für die aus Drittmitteln finanzierten Stellen wissen-
schaftlicher Mitarbeiter, genau wie es Herr Bergner eben
angeführt hat, und mehr Flexibilität im Bereich der Stu-
dierenden gewünscht hätten.
Ich möchte die Gelegenheit nicht verstreichen lassen,
auf drei Punkte hinzuweisen, die über das, was wir heute
besprechen, hinausgehen:
Erstens. Die finanzielle Situation der deutschen
Hochschulen ist kritisch. Das Missverhältnis zwischen
Drittmitteleinwerbung und Stellen an Hochschulen ist
eklatant. Wir freuen uns natürlich, dass Mittel aus der
Wirtschaft eingeworben werden, wir kritisieren aber auf
das Schärfste, Herr Professor Frankenberg – ich bitte Sie
sehr, das mitzunehmen –, dass die Bundesländer die
Stellenzahl an Hochschulen zum Teil drastisch zusam-
menstreichen. Es besteht aktuell die Gefahr, dass die Ju-
niorprofessuren finanziell unzureichend ausgestattet
werden.
Zweitens. Erhebliche Probleme werden auf die
Juniorprofessur auch aufgrund des sich abzeichnenden
Ergebnisses der Föderalismuskommission zukommen.
Wir haben zurzeit circa 1 000 Juniorprofessoren, wir
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Drittens. Ihre Reparaturnovelle bringt uns leider auch
einen Schritt weiter bei der Schaffung eines Wissen-
chaftstarifvertrages.
rau Berg, Sie wissen, dass Sie auf die Unterstützung
er FDP zählen können. Wir hoffen sehr, dass ein sol-
her endlich einmal kommen wird.
Meine Damen und Herren, dieses wird heute, wenn
ch das richtig einschätze, was Frau Bettin eben zu den
rgebnissen der Föderalismuskommission gesagt hat,
ie letzte HRG-Novelle sein, die wir hier zusammen dis-
utieren.
ch bedaure dies für die FDP. Wir waren die Einzigen,
ie ein wirklich verschlanktes HRG vorgelegt haben.
ch hätte mich gefreut, wenn auch Frau Bulmahn das ge-
an hätte, wie sie es immer versprochen hat. Das hätte
ielleicht die Verhandlungen mit den Ländern erleichtert.
Wir befinden uns also jetzt in der Situation, dass wir
ine Bildungsministerin haben, die Gefahr läuft, nur
och Dekorationscharakter zu haben oder zur reinen
orschungsministerin zu verkommen.
Das „verkommen“ nehme ich zurück.
ch glaube, die Zeit für die deutschen Hochschulen wird
rotz Juniorprofessur nicht leichter werden.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13695
)
)
Das Wort hat die Bundesministerin für Bildung und
Forschung, Edelgard Bulmahn.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-
ginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über eine
Novelle, die notwendig geworden ist, nachdem die
5. HRG-Novelle im Juli dieses Jahres durch das Bundes-
verfassungsgerichtsurteil insgesamt für nichtig erklärt
wurde. Die Entscheidung war umstritten; das zeigt das
Minderheitenvotum. Das nützt aber den Betroffenen
überhaupt nichts. Deshalb haben wir diese Novelle sehr
schnell erarbeitet und vorgelegt.
Um, Herr Bergner, einem kollektiven Gedächtnisver-
lust vorzubeugen, erinnere ich daran, dass das, was wir
in der 5. HRG-Novelle niedergelegt hatten, dem klaren
Votum des Wissenschaftsrats entsprach. Im Wissen-
schaftsrat sind alle Länder und Wissenschaftsorganisa-
tionen vertreten – nur so viel zur Auffrischung Ihres Ge-
dächtnisses.
Mit der jetzt vorliegenden Novelle schaffen wir wie-
der Rechtssicherheit, sowohl für die Juniorprofessorin-
nen und Juniorprofessoren als auch für die befristeten
Beschäftigungsverhältnisse. Wir mussten so schnell rea-
gieren, weil die Länder, die die Juniorprofessur jetzt in
ihre Landesgesetzgebung aufnehmen wollten, praktisch
keine bundesrechtliche Grundlage mehr hatten. Das trifft
im Übrigen auch für das Land Baden-Württemberg zu.
Deshalb habe ich, gemeinsam mit den Wissenschaftsmi-
nistern und -ministerinnen der Länder, sehr schnell die
Eckpunkte erarbeitet und den Gesetzentwurf hier vorge-
legt. Ich will mich ausdrücklich bei allen Beteiligten für
die konstruktive Mitwirkung bedanken, durch die das so
schnell möglich war.
Unser Ziel war, dass – ich denke, das wird uns gelin-
gen – zum Anfang des nächsten Jahres wieder für alle
Beteiligten Rechtssicherheit hergestellt ist.
Ich denke, das ist sowohl im Interesse der jungen Wis-
senschaftlerinnen und Wissenschaftler wie auch im Inte-
resse der Hochschulen und Forschungseinrichtungen
notwendig und wichtig.
Wir sind uns alle einig – das will ich deutlich unter-
streichen –, dass die Juniorprofessur ein wichtiger Karri-
ereweg für junge Wissenschaftlerinnen und Wissen-
schaftler ist. Das zeigt sich im Übrigen auch an der
großen Zahl der jungen Wissenschaftler, die sich um die
Juniorprofessur bewerben.
Besonders freut mich, dass sehr viele junge Wissen-
schaftlerinnen von dieser Möglichkeit Gebrauch ma-
chen.
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enn wir den nicht haben, können wir auch durch noch
o sinnvolle gesetzliche Regelungen nichts ändern.
Ich habe deswegen die ausdrückliche Bitte an die
änder – mehr kann ich ja nicht tun –, aber auch an alle
bgeordneten, ihren Beitrag dazu zu leisten, dass wir ei-
en solchen Tarifvertrag bekommen. Denn wenn die
änder nicht mit im Boot sitzen, können wir zwar etwas
ür die außeruniversitäre Forschung auf den Weg brin-
en, aber nichts für die Universitäten tun, wo die meisten
etroffenen arbeiten.
Mein dringlicher Appell an die Länder ist, dass sie
itmachen. Sonst kann die jetzige Situation nicht verän-
ert werden. Ich halte, was bekannt ist, einen Wissen-
chaftstarifvertrag oder zumindest ein Fenster im BAT,
it dem genau diese Möglichkeit geschaffen werden
ann, für zwingend erforderlich.
13696 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Bundesministerin Edelgard Bulmahn
Die Bundesregierung unterstützt das Votum des Wis-
senschaftsrates. Um es einmal klar zu sagen: Was wir von
jedem mittelständischen Unternehmen verlangen, muss
man auch von einer Universität mit mehreren tausend Be-
schäftigten verlangen können. Da gibt es übrigens keinen
Dissens zwischen Bund und Ländern. Wir müssen und
wir wollen diesen Weg gemeinsam gehen. Diese Aufgabe
wird von allen sehr wohl erkannt. Ich hoffe, dass wir in
Kürze erste Fortschritte sehen werden, Frau Flach.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich mit
der klaren Aussage schließen, dass Deutschland insge-
samt innovationsfähiger und international wettbewerbs-
fähiger werden muss. Dazu gehört auch, dass wir mehr
Mittel in die Hochschulen investieren. Die Bundesregie-
rung tut das. Sie hat die entsprechenden Mittel um
23 Prozent erhöht.
Ich will allerdings als Reaktion auf Ihre Beiträge hier
sagen: Wir müssen auch den Mut und das Rückgrat ha-
ben, in den öffentlichen Haushalten umzuschichten.
Das ist keine theoretische Diskussion. Wir diskutieren
über eine ganz wesentliche Umschichtung, mit der wir
jedes Jahr 6 Milliarden Euro zusätzlich für Wissenschaft
und Bildung mobilisieren können.
Ich kann es einfach nicht verstehen – das sage ich an die
Adresse der CDU/CSU –, warum Sie sich dieser not-
wendigen Einsicht verschließen.
Das Geld wird nicht à la Sterntaler in unseren Schoß fal-
len.
Wir müssen schon den Mut und die Courage haben,
diese Entscheidung zu treffen. Deshalb mein Appell:
Machen Sie einmal Ernst damit und bestehen Sie die Na-
gelprobe!
Das liegt in unserem gemeinsamen Interesse.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Minister für Wissenschaft, For-
schung und Kunst des Landes Baden-Württemberg, Herr
Professor Dr. Frankenberg.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf je-
en Fall habe ich nicht Herrn Tauss gewählt,
nd dieses zum Wohl unseres Landes.
Internationale Hochschulrankings wie das der Jiao
ong University in Schanghai oder von „Times Higher
ducation Supplement“ zeigen, dass unter den ersten
0 Hochschulen in der Welt höchstens eine deutsche ist.
ie sind diese Hochschulen verfasst? Sie sind eigentlich
berhaupt nicht staatlich reglementiert. Sie unterliegen
uch keinem Rahmenrecht, was ihre Personalstruktur
ngeht. Es gibt für sie auch kein Dienstrecht, das lan-
esweit vorgegeben ist. Sie haben vielmehr ihr eigenes
ienstrecht und ihr eigenes Personalrecht.
In diesen Ländern gibt es zwischen den Hochschulen
uch eine höhere Mobilität, als es in Deutschland mit
einer hohen Reglementierungsdichte der Fall ist. Nicht
eglementierung schafft Mobilität, sondern Attraktivi-
ätsunterschiede, auch im Personal- und Dienstrecht.
iese Freiheit müssen wir unseren Hochschulen geben,
amit sie in ihren Strukturen in der Welt konkurrenzfä-
ig werden.
uch müssen sie volle Freiheit, was das Personalrecht
ngeht, haben.
Wir haben eine gute Möglichkeit, eine solche Dezen-
ralisierung in Bezug auf das Personalrecht zu schaffen
nd individuellere Personalrechte der Hochschulen zu
erfassen. Diese Möglichkeit ist durch Art. 125 a Abs. 2
es Grundgesetzes gegeben. Demnach kann der Bund
en Ländern Regelungsfreiheit im Bereich der Personal-
truktur geben. Genau das wollen wir mit unserer Bun-
esratsinitiative erreichen.
Diese Freiheit wollen wir an die Hochschulen mög-
ichst weitergeben.
So weit wie möglich, Frau Flach.
ies sind die internationalen Standards.
Herr Tauss, wenn Sie die Rankings gelesen haben,
ann können Sie nicht sagen, dass wir in Baden-
ürttemberg eine schlechte Hochschullandschaft haben.
Sie müssen doch auf Ihr Land stolz sein.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13697
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Minister Dr. Peter Frankenberg
Wettbewerb ist nur möglich, indem wir Unterschiede
zulassen, es Unterschiede von Land zu Land und von
Hochschule zu Hochschule gibt und sich die Länder über
die notwendigen Mindeststandards verständigen.
Diese Freiheit der Institutionen bzw. der Hochschulen
sollte auch Leitlinie für die Föderalismuskommission
sein.
Pläne, die Hochschulzulassung, die Abschlüsse oder gar
die Qualitätssicherung in eine konkurrierende Zustän-
digkeit des Bundes zu überführen, sind der Errichtung
einer wettbewerblichen und leistungsfähigen Hochschul-
landschaft nicht gerade förderlich.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Burgbacher?
Ja, bitte.
Sie haben die Föderalismuskommission angespro-
chen. Ist Ihnen bekannt, dass die FDP dort einen Antrag
gestellt hat, die Autonomie der Hochschulen im Grund-
gesetz festzuschreiben, der leider von allen anderen Par-
teien dort abgelehnt wurde?
Mir ist der Antrag bekannt. Meine persönliche Mei-
nung ist: Wir sollten in diese Richtung gehen. Wenn die
Autonomie verfassungsmäßig verankert werden könnte,
wäre das sicherlich für unsere Hochschulen kein Negati-
vum.
Wenn die konkurrierende Gesetzgebung so käme, wie
es der Bund in der Föderalismuskommission fordert,
dann hätte er eine Detailregelungskompetenz. Er könnte,
was die Zulassung betrifft, im Grunde genommen ein
Bundeshochschulgesetz schaffen, das die modernen Zu-
lassungsrechte der Länder wieder abschafft. Er könnte
Bundesevaluationsbehörden schaffen und eine Bundes-
zulassungsanstalt einrichten. Dann hätten wir kein wett-
bewerbliches und kein leistungsfähiges Hochschulsys-
tem mehr, sondern ein überreglementiertes, das
überhaupt nicht mehr in der Lage wäre, deutsche Hoch-
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Junioren werden in Baden-Württemberg nie diskrimi-
iert, Herr Tauss.
Die Regelungen sind auch deshalb zustande gekom-
en, weil wir uns als Länder – Frau Bettin, anders als
ie es vermutet haben – sofort nach dem Urteil des Bun-
esverfassungsgerichts mit dem Bund zusammengesetzt
aben, um zu sehen, wie wir auf diesem Wege zu einer
invernehmlichen Regelung kommen, damit eine gesetz-
iche Regelung nicht wieder in die Grauzone verfas-
ungsrechtlicher Fragwürdigkeit gerät.
Das jetzige Gesetz ermöglicht eine Öffnung für Län-
erregelungen, etwa in den Personalkategorien. Es ver-
essert die Möglichkeiten für Länderregelungen, etwa in
er Zweiphasigkeit der Juniorprofessur und in den Ein-
tellungsvoraussetzungen. Ich darf besonders meinem
ollegen Professor Zöllner aus Rheinland-Pfalz, der die
-Seite koordiniert, danken, dass wir insgesamt zu die-
er konstruktiven Lösung finden konnten.
Der Gesetzentwurf ist eine akzeptable Lösung. Der
angel ist kommentiert und diskutiert worden, nämlich:
s fehlt eine Regelung für die Drittmittelbeschäftigten
enseits der Zwölfjahresgrenze. Wir müssen die Über-
angsfrist bis 2008 nutzen, um wissenschaftsverträgli-
he und wissenschaftsadäquate Regelungen für die Dritt-
ittelbeschäftigten zu finden. Das ist einer der großen
tandortnachteile, die wir gegenüber dem Ausland ha-
en.
Das rasche Handeln war notwendig. Es ist jetzt auch
otwendig, dass dieses Gesetz möglichst bis zum Beginn
es nächsten Jahres in Kraft tritt – um der Rechtssicher-
eit der Beschäftigten willen, aber auch um der Rechts-
icherheit der Hochschulen und der Länder willen.
Dieser Gesetzentwurf ist keine Entscheidung über die
ukunft des Hochschulrahmengesetzes. Dieser Ansicht
13698 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Minister Dr. Peter Frankenberg
ist auch die Bundesregierung in ihren Ausführungen. Sie
bekundet ihre Bereitschaft, das HRG insgesamt auf den
Prüfstand zu stellen.
Die aktuellen Probleme, die durch das gesetzgebe-
rische Fiasko der Bundesregierung mit der 5. HRG-No-
velle ausgelöst worden sind, werden durch diese Novelle
vernünftig gelöst. Aber zur nachhaltigen Lösung der Zu-
kunftsprobleme unserer Hochschulen, zur größeren und
notwendigen institutionellen Freiheit unserer Hochschu-
len müssen sehr viel mutigere Schritte gegangen werden,
als wir sie bis jetzt gegangen sind.
Perikles sagte:
Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.
Von diesem Mut haben wir in Bezug auf die Hochschul-
landschaft noch viel zu wenig.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den
Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen
eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung dienst- und ar-
beitsrechtlicher Vorschriften im Hochschulbereich, Druck-
sache 15/4132. Der Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung empfiehlt unter Nr. 1 seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/4418, den Ge-
setzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen, um das Handzeichen. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen des gan-
zen Hauses angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen, sich zu erheben. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist damit in dritter Beratung angenommen.
Unter Nr. 6 seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 15/4418 empfiehlt der Ausschuss für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung, eine Ent-
schließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? –
Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koali-
tion und der FDP bei Enthaltung der CDU/CSU ange-
nommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung zu dem von der Bundesregierung einge-
brachten Gesetzentwurf zur Änderung dienst- und ar-
beitsrechtlicher Vorschriften im Hochschulbereich,
Drucksachen 15/4229 und 15/4299. Der Ausschuss für
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 15/4418, den Gesetzentwurf für erledigt zu
erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss-
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Lassen Sie mich zum Thema zurückkommen. Meine
Damen und Herren, wenn unsere Entwicklungspolitik
erfolgreich gewesen ist, müssen wir das anerkennen.
Dann müssen wir unsere klassische Entwicklungspolitik
mit Ländern, in denen das der Fall war, einstellen. Das
ist im Wesentlichen Inhalt unseres Antrags. Es geht um
zwei Länder, Indien und China, die in den letzten Jahren
in zwei Bereichen sehr erfolgreich gewesen sind: Erstens
haben sie es geschafft, ihre Wirtschaft sehr gut zu entwi-
ckeln und hohe Wachstumsraten zu erzielen. Zweitens
haben sie es geschafft, den Anteil der absolut Armen in
ihren Bevölkerungen deutlich zu reduzieren.
Auch der Zusammenhang zwischen diesen beiden
Tatsachen ist klar und deutlich: Nur der, der es schafft,
Wohlstand zu generieren und die Wirtschaft zu entwi-
ckeln, ist auch in der Lage, Armut zu bekämpfen. In In-
dien wurde in den letzten Jahren ein durchschnittliches
Wachstum von circa 8 Prozent pro Jahr erzielt. Diese
Entwicklung wurde Mitte der 90er-Jahre mit den Wirt-
schaftsreformen des jetzigen Premierministers eingelei-
tet. Es ist den Indern gelungen, den Anteil der absolut
Armen in ihrer Bevölkerung auf 25 Prozent zu reduzie-
ren. Das ist eine erhebliche Leistung, wenn man be-
denkt, dass noch vor circa 30 Jahren über 60 Prozent,
fast zwei Drittel, der Inder unterhalb der Armutsgrenze
gelebt haben.
Auch in China ist es gelungen, den Anteil der absolut
Armen auf circa ein Zehntel der Bevölkerung zu redu-
zieren.
Dagegen kann man einwenden, dass das immer noch
Hunderte von Millionen Menschen sind; das ist ganz
ohne Zweifel richtig. Allerdings sind wir uns in diesem
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enn neben den industriellen Wachstumskernen und In-
ovationspolen haben Indien und China ausgedehnte
rmutsräume, in denen 50 Prozent der Armen dieser
elt leben. Wir müssen diese Länder daher in ihren ei-
enen Reformprozessen unterstützen und so zur Armuts-
ekämpfung beitragen; ich habe Sie hoffentlich richtig
erstanden, dass wir hierüber einen Konsens haben.
In den vergangenen Jahren gingen diese Bemühungen
ug um Zug mit mehr Eigenverantwortung und auch
it mehr Eigenleistung der Partnerländer einher; also
uch hier rennen Sie offene Türen ein.
aßnahmen der direkten Armutsbekämpfung wurden in
hina bereits 1999 beendet. Die internationale Geberge-
einschaft hatte diese Maßnahmen erfolgreich genutzt,
m China für eine aktivere und modernere Politik der
rmutsbekämpfung zu gewinnen. Heute stehen andere
hemen und Schwerpunkte im Vordergrund der Koope-
ation mit China. Hierfür einige Beispiele: Die Progno-
en zur Ausbreitung von HIV/Aids in Indien und China
ind extrem besorgniserregend und von globaler Bedeu-
ung. Daher ist ein EZ-Engagement in beiden Ländern
rforderlich.
Das gilt im Übrigen auch für Epidemien wie SARS,
olio, Lepra und TBC. Mit der Zusage im Bereich der
esundheitsförderung und der Bekämpfung von HIV
nd Aids in China in Höhe von 166 Millionen Euro
20 Millionen Euro davon stehen allein für Sonderpro-
ramme in Bezug auf die Bekämpfung von HIV/Aids
ur Verfügung – haben wir deutliche Signale gesetzt.
Als G-8-Mitglied haben wir uns für ein aktives Mit-
irken an der Ausrottung von Polio verpflichtet. Einer
nserer Schwerpunkte setzt in Indien an. Indien hat hier
ine Beispielfunktion für die angrenzenden Länder. Die
ür die Jahre 2001 bis 2004 gemachten Zusagen in Höhe
on 80 Millionen Euro für die Bekämpfung von Polio
nd HIV/Aids werden Sie sicherlich nicht zurückziehen
ollen.
Lieber Herr Kollege Löning, ich werde hier nicht um-
inkommen, mir die Bemerkung zu erlauben, dass ich
ich gewundert habe, dass der Bereich Aids/HIV und
ie Seuchen, die ich angesprochen habe, in Ihrem Antrag
berhaupt keine Rolle spielen, obwohl Sie hier sonst im-
er zu denen gehören, die am stärksten Kritik üben und
agen, dass wir uns zu wenig darum kümmern.
ch sehe hier gewisse Widersprüchlichkeiten und im
runde auch eine Fehlorientierung, die Sie mit Ihrem
uf einen sehr begrenzten Bereich abzielenden Antrag
um Ausdruck bringen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13701
)
)
Detlef Dzembritzki
In der Entwicklungszusammenarbeit gerade mit die-
sen Ländern sollte zum Beispiel auch die gesellschafts-
politische Förderung von Frauen einen Schwerpunkt
bilden. Wer sich etwas intensiver mit den gesellschaftli-
chen Problemen beschäftigt – Ein-Kind-Familie mit al-
len Folgen und Konsequenzen, Rolle der Frau, Rolle der
Familie –, wird mir zustimmen, dass wir uns um diesen
wesentlichen Bereich weiterhin kümmern sollten, um
insbesondere eine Entwicklung zu fördern und im gesell-
schaftspolitischen Bereich einen Beitrag dazu zu leisten,
die Rolle und die Position der Frauen zu stärken.
Meine Damen und Herren, je mehr die Menschen in
Indien und China aus der Armut herausgeholt werden
und je mehr die Menschen dort beginnen können, sich
selbst zu erhalten und sich ihren Gesundheitsbedürfnis-
sen in persönlicher Verantwortung zu widmen, umso
mehr wird in diesen Ländern zum Beispiel auch der Be-
darf an Ressourcen und Energie steigen. Ich will Ih-
nen aus dem Energiebereich einige Zahlen nennen: Für
die nächsten Jahrzehnte plant allein China zusätzliche
Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 350 000 Me-
gawatt. Das ist das Dreieinhalbfache der Menge, die wir
in der Bundesrepublik im Augenblick jährlich verbrau-
chen.
– Okay, ich bedanke mich für den abendlichen Zwi-
schenruf, der den wissenschaftlichen Wert dieser De-
batte sicherlich unterstreicht. Herr Kollege Ramsauer,
ich denke aber, dass zum Ausdruck kommt, dass wir auf-
grund dieses erhöhten Energieverbrauchs und aufgrund
der mangelnden Wirkungsgrade der dortigen Kohle-
kraftwerke gut beraten sind, zum Beispiel mit fachli-
chem Know-how dazu beizutragen, eine Effizienzsteige-
rung dieser Kraftwerke und eine Reduzierung von CO2– das ist durch die Entwicklungszusammenarbeit ja be-
reits erfolgreich geschehen – zu erreichen.
Das ist auch im Interesse Europas und Deutschlands.
Wenn man sich all das, was mit dem Kioto-Protokoll
zusammenhängt, anschaut, dann wird, klar, dass die Ent-
wicklung beider Länder von zentraler Bedeutung ist. Die
lange und vertrauensbildende entwicklungs- und um-
weltpolitische Kooperation und der daran anknüpfende
Politikdialog haben einen maßgeblichen Anteil an der
Bereitschaft beider Länder, die absehbaren Emissions-
steigerungen durch mehr Energieeffizienz und durch die
Nutzung regenerativer Energien zu drosseln. Ich denke,
dass hieran deutlich wird, dass in der Zusammenarbeit
und in der Vertrauensbildung die entscheidenden Aufga-
benfelder liegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, das Vor-
gehen der klassischen Industrienationen nach dem Prin-
zip, erst reich zu werden und später sauber zu machen,
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eswegen – Herr Kollege Tauss, ich sehe das genauso
ie Sie – sind wir darauf angewiesen, diese vernünftige
rbeit fortzusetzen.
Man muss auch darauf hinweisen, dass wesentliche
eile der finanziellen Mittel der Entwicklungshilfe, die
ür Indien und China zur Verfügung gestellt werden,
arktmittel sind. Von den 1,4 Milliarden Euro, die im
ereich der Energieeffizienz für beide Länder zur Verfü-
ung gestellt werden, sind 700 Millionen Euro Kredit-
ittel. Hieran sieht man die wachsende Eigenkraft der
änder. Ich denke, da rennen Sie offene Türen ein.
Angesichts dieses Marktes habe ich persönlich über-
aupt keine Schwierigkeiten und Probleme damit, dass
ich aus einer fairen Zusammenarbeit auch Chancen und
öglichkeiten für die deutsche Wirtschaft ergeben. Wir
ind eine exportorientierte Industrienation und stehen in
lobaler Konkurrenz. Wenn also aus diesen Ländern
ufträge nach Deutschland gehen, so ist das zum Teil
uch die Dividende einer vertrauensvollen Entwick-
ungszusammenarbeit. Aus diesem Grunde werde ich
ich immer dafür einsetzen, dass wir hier unsere Arbeit
ortsetzen.
China und Indien analysieren sehr konkret, in wel-
hen Bereichen die Entwicklungszusammenarbeit mit
eutschland komparative Vorteile bietet, und nutzen
ie Erfahrungen, die sie mit uns machen, um ihre eige-
en für die Entwicklung dieser riesigen Länder notwen-
igen Reformmaßnahmen voranzutreiben. Genau das ist
ie Art, wie Entwicklungszusammenarbeit – nicht Ent-
icklungshilfe – heutzutage funktionieren sollte.
Anders als die FDP bewertet die internationale Ge-
ergemeinschaft die Chancen und Risiken der Zusam-
enarbeit mit Indien und China so wie die Bundesregie-
ung. Weltbank, Asiatische Entwicklungsbank und
eispielsweise auch Großbritannien streben vor diesem
intergrund an, die Entwicklungszusammenarbeit mit
hina auf hohem Niveau zu halten und die Entwick-
ungszusammenarbeit mit Indien – das gilt jedenfalls für
roßbritannien – signifikant zu erhöhen.
ort hat man erkannt, dass die Entwicklungszusammen-
rbeit ein wichtiger Bestandteil einer vertrauensvollen
usammenarbeit ist und der enge Politikdialog den Aus-
ausch gerade auch in sensiblen Bereichen wie Friedens-
icherung und Menschenrechtsfragen ermöglicht.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.
13702 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Aus diesem Grund sind wir gut beraten, in der ent-
wicklungspolitischen Kooperation mit diesen Ländern
einen Baustein in der Strategie für friedliche Entwick-
lung zu sehen, die auch im Interesse unseres Kontinentes
ist.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Sibylle Pfeiffer, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die hier noch ausharren! Lieber Kollege Dzembritzki,
ich widerspreche Ihnen immer sehr ungern; das wissen
Sie. Sie haben gesagt: Diese Diskussion können wir uns
sparen. – Ich glaube überhaupt nicht, dass wir uns das
sparen können.
– Schon gar nicht zu diesem Zeitpunkt. Ich hoffe, dass
Phoenix noch auf Sendung ist. – Unsere steuerzahlenden
Bürger haben ein Recht darauf, zu wissen: Was machen
Entwicklungspolitiker mit dem Geld? Wir müssen sie
alle davon überzeugen, dass wir mit den staatlichen Mit-
teln sehr sorgfältig umgehen und dass wir uns sehr gut
überlegen, wofür wir Geld ausgeben, wo wir etwas un-
terstützen und was wichtig ist.
Wenn sich schon Frau Kolonko von der „FAZ“ – das
war am Dienstag – mit diesem Thema auseinander setzt,
dann ist es richtig, dass wir darüber auch im Bundestag
diskutieren. Deshalb, Kollege Löning, bin ich sehr froh,
dass Sie diesen Antrag eingebracht haben. Es wurde
höchste Zeit, dass wir uns dieses Themas annehmen.
Was wir hier aber tun, ist, uns in Einzelheiten zu zer-
fleddern. Wir müssen uns erst einmal überlegen: Was
wollen wir eigentlich? Was heißt es, Entwicklungshilfe
zu betreiben? Was bedeutet es, Entwicklungszusammen-
arbeit mit Entwicklungsländern, aber auch mit Schwel-
lenländern, wie zum Beispiel China und Indien, zu be-
treiben?
Ich habe einmal auf die Internetseite des BMZ ge-
schaut und dort Folgendes gefunden:
Eine Welt ohne Armut, Furcht und ökologische
Zerstörung – Entwicklungspolitik hat das Ziel, die-
sem Ideal ein Stück näher zu kommen. Sie fördert
Demokratie und Frieden, wirtschaftliches Wachs-
tum und eine gerechtere Verteilung der Erträge,
Chancengleichheit, den Schutz der Umwelt und die
Sicherung der natürlichen Ressourcen.
So das BMZ.
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Kommt doch gleich.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13703
)
)
Sibylle Pfeiffer
Auch um die Bildungs-, Gesundheits- und sozialen
Sicherungssysteme ist es in beiden Ländern nicht gut be-
stellt. Ich nenne hier nur die Themen Armut und staatli-
che Rente. Wir alle wissen, wovon wir reden.
Ich bin fest davon überzeugt, dass sowohl China als
auch Indien nach wie vor unsere Unterstützung brau-
chen. Es fragt sich bloß, in welcher Art und Weise. Ist
die Infrastruktur, die wir aufgebaut haben, richtig? Sind
die Strukturveränderungen, die wir mit unserer Entwick-
lungszusammenarbeit in Gang gesetzt haben, richtig?
Ich denke, gute Ansätze sind vorhanden.
Es wäre nicht richtig, vorhandene Infrastrukturen
durch das BMZ und seine Durchführungsorganisationen
einfach zu ignorieren. Ich glaube, wir haben das Recht
und vor allem die Pflicht, sie zu nutzen, sofern sie vor-
handen sind.
Ich gestehe – ich denke, man hört das aus meiner
Rede heraus –: Ich persönlich bin mit meinen Überle-
gungen, wie die Entwicklungszusammenarbeit – so sie
geleistet wird – anders und damit auch sinnvoller und
richtiger eingesetzt werden kann, noch nicht am Ende.
Ich gestehe, dass diese Diskussion auch in unserer
Arbeitsgemeinschaft noch nicht beendet ist. Gehen Sie
aber davon aus, lieber Herr Kollege Löning, dass ich Ih-
rem Antrag sehr viel Sympathie entgegenbringe. Ich
glaube jedoch, er ist nicht ganz durchdacht. Verbunden
mit dem Eingeständnis, dass das Thema auch auf unserer
Seite noch nicht ganz durchdacht ist, freue ich mich auf
die Diskussionen in der Arbeitsgemeinschaft und im
Ausschuss. Auch nachdem ich Ihre Rede gehört habe,
Herr Kollege Löning, denke ich, dass wir zu einem guten
Ergebnis kommen werden. Es gibt noch viele Fragezei-
chen im Hinblick auf die Entwicklungszusammenarbeit
mit den Ländern China und Indien, aber auch mit
Schwellenländern überhaupt. Das ist ein großes Thema.
Wir werden die Fragen des Wie und Wo gemeinsam dis-
kutieren.
Danke schön.
Nächster Redner ist der Kollege Thilo Hoppe, Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich auf Ih-
ren ersten Satz, Herr Löning, eingehen. Die grüne Frak-
tion hält selbstverständlich die Aufrechterhaltung des
Waffenembargos für absolut notwendig, egal was andere
Redner dazu sagen.
Kommen wir jetzt zum Thema der Debatte. Obwohl
er FDP-Antrag in seinem lyrischen Teil, in der Situa-
ionsanalyse, viel Richtiges sagt, können wir den Forde-
ungsteil aus einem ganz einfachen Grund nicht unter-
tützen: Die Hauptforderung, Deutschland solle sich in
hina und in Indien aus der Armutsbekämpfung verab-
chieden – in zwei Ländern, in denen trotz aller positi-
en Statistiken noch immer mehr als 50 Prozent aller ex-
rem Armen dieser Welt leben –, ist für uns nicht
innehmbar.
Herr Löning, ich stimme Ihnen zu, dass wir in Indien
nd China nicht mit den gleichen EZ-Instrumenten wie
eispielsweise in Mosambik präsent sein müssen. Die
bleute waren im August letzten Jahres in Indien und
aben an der Evaluierung von zwei Projekten mitge-
irkt. Wir konnten sie beobachten. In der Tat sind uns
weifel gekommen, ob es sinnvoll ist, Indien bei der
ermarktung verbilligter Kondome finanziell zu unter-
tützen.
Ich gebe Ihnen Recht: Die indische Regierung muss
tärker an ihre eigene Verantwortung erinnert werden.
ie muss mehr Geld in die Basisgesundheitsdienste
tecken und deutlich mehr Geld in die Entwicklung länd-
icher Räume als in die Raumfahrt und in die Rüstung
nvestieren. Aber unter der neuen indischen Regierung
st eine Trendwende eingeleitet worden.
Mit der Vermarktung verbilligter Kondome habe ich
in Beispiel zitiert, das man hinterfragen kann. Wir ha-
en aber auch sehr positive Ansätze gefunden, die sehr
innvoll sind, zum Beispiel die Unterstützung Indiens im
ahmen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit
urch Beratung beim Aufbau einer solidarischen Kran-
enversicherung.
as ist Armutsbekämpfung par excellence, und zwar mit
nstrumenten, die zu den Ankerländern passen.
Ich kann Ihnen zustimmen, dass Leistungen, die wir
m Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit in China
nd Indien erbringen, nicht gratis sein müssen. Aber das
ind sie heute schon nicht.
Die deutsche bilaterale EZ mit Indien und China ba-
iert auf Konzepten, die der Bedeutung der hier zur De-
atte stehenden Ankerländer gerecht werden. Dies gilt
or allem – das hat der Vorredner, Dzembritzki, schon
esagt – für die Rolle und Bedeutung dieser beiden Län-
er für den weltweiten Klima- und Ressourcenschutz.
ies ist nicht Umweltschutz allein, sondern hat sehr viel
it Armutsbekämpfung zu tun.
Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung
lobale Umweltveränderungen – WBGU – hat gerade
orgestern ein Gutachten mit dem Titel „Armutsbe-
ämpfung durch Umweltpolitik“ herausgebracht. Der
13704 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
)
)
Thilo Hoppe
Tenor ist: Globale Armutsbekämpfung setzt globale
Umweltpolitik voraus.
Von Klimakatastrophen sind Entwicklungsländer in
ganz besonderem Maße betroffen. Vor allem sie müssen
für die Umweltsünden des Nordens teuer bezahlen. Des-
halb gilt es, gemeinsam zu handeln und durch eine enga-
gierte Umweltpolitik die Umsetzung der Millenniums-
ziele zu unterstützen. Mit anderen Worten: Wenn es uns
nicht gelingt, die wirtschaftliche Entwicklung in China
und Indien von Ressourcenverbrauch und parallel stei-
gender Umweltbelastung zu entkoppeln, dann öffnen wir
nicht nur im engen Sinne des Wortes Tür und Tor für die
Verwüstung Chinas. Vielmehr werden dann Millionen
von Bangladeschern in den Fluten der ansteigenden
Meere untergehen.
Gerade im Umweltbereich gilt es, sich besonders zu
engagieren – nicht nur um die umweltrelevanten Millen-
niumsziele der Energie- und Wasserversorgung zu errei-
chen, sondern auch um etwas für den Klimaschutz und
für nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu tun. Genau
dies macht die Bundesregierung, indem sie diese An-
sätze in der EZ mit China und Indien ganz besonders un-
terstreicht und sie auf Platz eins setzt.
In beiden Ländern ist die Entkopplung von Wirt-
schaftswachstum und Anstieg des Energieverbrauchs
die große Herausforderung. Die Schonung natürlicher
Ressourcen zahlt sich konkret aus – umso mehr, je stär-
ker die staatlichen Rahmenbedingungen hierauf ausge-
richtet sind und umweltgerechtes Verhalten zum Beispiel
durch die Staffelung von Nutzungsgebühren und andere
marktwirtschaftliche Instrumente belohnt wird. Gerade
in diesem ordnungspolitischen Bereich – bei der Frage,
wie eine Mischung von Ordnungsrecht und marktwirt-
schaftlichen Instrumenten in die gebotene Balance ge-
bracht werden kann – hat Deutschland einiges an Bera-
tungsleistung anzubieten.
Im Rahmen der globalen Zukunftssicherung sind
China und Indien unverzichtbare Partner, um eine Trend-
wende beim Weltproblem Armut und eine Wende im
globalen Umweltverbrauch zu erzielen.
Darüber hinaus besitzen sie als regionale Schwerpunkt-
länder so etwas wie eine Lokomotivfunktion. Wie be-
reits gesagt: Angesichts der wirtschaftlichen Leistungs-
fähigkeit Indiens und Chinas kann bei der FZ durchaus
daran gedacht werden, den Zuschussanteil zu reduzieren.
Auch für andere EZ-Dienstleistungen können die För-
deranteile gesenkt und deshalb auch höhere Rechnungen
ausgestellt werden. Wir stimmen Ihnen zu, dass da eini-
ges auf den Prüfstand muss.
Herr Kollege Hoppe, schauen Sie bitte auf die Uhr!
Ich komme zum Schluss. Umweltschutz und Armuts-
bekämpfung sollten das überwölbende Ziel bleiben.
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Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Erich
ritz, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine Damen und Herren! Herr Hoppe, ich bin Ihnen
ankbar, dass Sie wenigstens ein Wort zum Verhalten
es Bundeskanzlers in China gesagt haben. Diese ekla-
ante Missachtung des Parlaments muss angesprochen
erden. Dieses Verhalten war insbesondere bei einem
taatsbesuch nicht richtig. Es ist nicht das erste Mal,
ass der Bundeskanzler in dieser Weise mit dem Parla-
ent umgeht. Deshalb muss in der nächsten Sitzungs-
oche darüber ausführlich gesprochen werden.
Zu diesem FDP-Antrag: Die FDP stellt die richtigen
ragen. Fragen ist gut, denn – das wissen wir – derje-
ige, der nicht fragt, bleibt dumm.
ich stört aber ein wenig, dass China und Indien in
inem Antrag abgehandelt werden; denn zu unterschied-
ich sind die Herausforderungen, die Situationen, die
ntwicklungsmöglichkeiten und die Bedürfnisse dieser
eiden Länder. Wenn Sie gefragt hätten, wie wir in der
ntwicklungszusammenarbeit mit Schwellenländern
mgehen sollen, dann hätte man eine allgemeine Diskus-
ion führen können, in der es um Kategorien, Größen-
rdnungen usw. gegangen wäre.
Die beiden gehören dazu, aber warum eigentlich nur
ie beiden? Beide haben eine gewisse Größe,
ie haben eine große Bevölkerung, sie haben ausgezeich-
ete Wachstumsraten und sie öffnen sich dem Markt,
enn auch in unterschiedlichem Maße. Warum aber nen-
en Sie nicht auch Brasilien oder Südafrika?
ei diesen Ländern könnte man dieselben Fragen stel-
en.
Auf den ersten Blick ist die Frage, die die FDP stellt,
inleuchtend, vor allen Dingen deshalb, weil Japan diese
rage gerade beantwortet und die Notwendigkeit der
eiteren Entwicklungszusammenarbeit mit China ver-
eint hat. Ich will nicht alles wiederholen, was hier
chon gesagt worden ist. Ich will klar machen, dass es
berhaupt nicht darum gehen kann, die Entwicklungszu-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004 13705
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Erich G. Fritz
sammenarbeit und alle Projekte von einem Tag auf den
anderen einzustellen; denn wenn man sich die Entwick-
lung in beiden Ländern anschaut, dann stellt man fest,
dass der wirtschaftliche Erfolg längst nicht dazu führt,
dass die grundlegenden Probleme eines Entwicklungs-
landes in Kürze verschwinden könnten. Das schaffen die
Länder nicht aus eigener Anstrengung.
Dabei geht es nicht nur um Geld, sondern vor allem
um die Bedürfnisse nach Qualifizierung, Beratung, Zu-
sammenarbeit, Technologietransfer und um das Verbrei-
ten von Know-how, um den Menschen Perspektiven zu
geben.
Das geht weit über die konkrete Zusammenarbeit hinaus
und wirkt sich auf die Entwicklung der Demokratie und
die Veränderung gesellschaftlicher Strukturen aus. Das
betrifft auch das Bewusstsein, dass es die eigene Auf-
gabe ist, sich um die Entwicklung von Sozialsystemen
zu kümmern und dafür zu sorgen, dass die Armen nicht
achtlos am Rande bleiben.
Angesichts der Disparitäten, die in China zwischen
den sich schnell entwickelnden Küstenregionen und dem
Binnenland neu entstehen, und angesichts der Verwer-
fungen in den armen Regionen, die auch ethnische Wur-
zeln haben, muss man sich überlegen, ob man vielleicht
eine Neukonzentration bzw. eine Neujustierung in die-
sem Bereich braucht. Das heißt aber nicht, dass wir die
Entwicklungszusammenarbeit aufgeben dürfen. Wir
wissen, dass dann, wenn bestimmte Regionen zu kurz
kommen oder wenn das wirtschaftliche Niveau gegen-
über dem ursprünglichen Zustand sinkt, ein Gewaltpo-
tenzial entstehen und schnell Brüche in einer Entwick-
lung auftreten können, die scheinbar kontinuierlich
bergauf geht. Diese Brüche kann man oft nicht mehr
kontrollieren. Für solche Gefährdungen braucht man das
Instrument der Entwicklungszusammenarbeit.
Deshalb ist die Diskussion richtig.
Auch die Frage, ob die Mittel richtig eingesetzt sind,
muss gestellt werden. Überprüft werden muss auch im-
mer wieder, inwiefern sich für uns Vorteile aus der Ent-
wicklungszusammenarbeit – der SPD-Kollege hat be-
reits die Wirkung als Türöffner für die Wirtschaft
angesprochen – ergeben. Darin gebe ich Ihnen völlig
Recht.
Wir als Union halten einen ganzheitlichen Ansatz bei
der Entwicklungsarbeit für notwendig. Dieser Ansatz
– den übrigens auch die EU-Kommission in einem kürz-
lich gefassten Beschluss erneut bestätigt hat – sieht vor,
dass die zwischen der EU und Indien vereinbarte Part-
nerschaft fortgeführt wird. Sie umfasst folgende Maß-
nahmen: die Zusammenarbeit bei der Konfliktpräven-
tion, Terrorismusbekämpfung und Nichtverbreitung von
Massenvernichtungswaffen, die Stärkung der wirtschaft-
lichen Partnerschaft durch einen politischen Dialog, die
Zusammenarbeit bei der Entwicklungspolitik im Sinne
der Millenniumsziele – diese dürfen wir ebenfalls nicht
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1)
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 15/3823 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überwei-
ungen so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Fortentwicklung der Berufsaufsicht über
Abschlussprüfer in der Wirtschaftsprüferord-
– Drucksache 15/3983 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wirtschaft und Arbeit
– Drucksache 15/4410 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Thea Dückert
Die Redner Christian Lange, Dr. Rolf Bietmann,
erner Schulz und Rainer Funke haben ihre Reden zu
rotokoll gegeben1).
Wir kommen deshalb zur Abstimmung über diesen
esetzentwurf. Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
mpfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
rucksache 15/4410, den Gesetzentwurf in der Aus-
chussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
em Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
ollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? –
nthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
eratung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenom-
en.
Dritte Beratung
nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
egenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
st mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
Anlage 10
13706 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Freitag, den 3. Dezember 2004
(C)
(D)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN und der FDP eingebrachten Entwurfs eines
Neunten Gesetzes zur Änderung des Parteien-
gesetzes
– Drucksache 15/4246 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses
– Drucksachen 15/4404, 15/4438 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Dieter Wiefelspütz
Hartmut Koschyk
Volker Beck
Dr. Max Stadler
Die Redner Inge Wettig-Danielmeier, Hartmut
Koschyk, Hans-Christian Ströbele und Jörg van Essen
haben ihre Reden zu Protokoll gegeben1).
Wir kommen deshalb zur Abstimmung über den von
den Fraktionen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen
und der FDP eingebrachten Gesetzentwurf. Der Innen-
ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung, den
Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen,
Drucksachen 15/4404 und 15/4438. Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-
men wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? –
Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenom-
men.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist damit in dritter Beratung mit den Stimmen des ganzen
Hauses angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 15. Dezember 2004, 13 Uhr,
ein.
Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen, allen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch unseren
Besucherinnen und Besuchern auf der Tribüne ein schö-
nes Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.