Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
– Nichts ist schöner, als einen Geburtstag mit Ihnen zu
verbringen.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur finanziellen Unterstützung der Innova-
tionsoffensive durch Abschaffung der Eigen-
heimzulage
– Drucksache 15/3781 –
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Redet
a) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz-
ausschusses
– Drucksache 15/3972 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Stephan Hilsberg
Dr. Michael Meister
– Drucksache 15/3975 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Walter Schöler
Anja Hajduk
Otto Fricke
Um es ganz klar zu sagen: Unsere Regierung verdientjede Unterstützung, wenn es darum geht, mehr in Bil-dung zu investieren und weniger für Subventionen aus-zugeben. Zu der Frage, wofür das Geld bei der Bildungausgegeben werden soll, wird anschließend unsereMinisterin für Bildung und Forschung, Frau EdelgardBulmahn, das Nötige sagen. Deshalb werde ich mich andieser Stelle, obwohl ich viel dazu sagen könnte, zurück-halten. Aus berufenem Munde wird das besser gesagt.Ich will etwas zur Notwendigkeit der Senkung vonSteuersubventionen erklären. Heute ist die Situation vor zehn Jahren. Es geht nicht einfach Ausgaben des Staates zu begrenzen. Land ist ein gutes Land, das wenig Steu-ndern dasjenige Land ist ein gutes Land,anders als nochnur darum, dieNicht dasjenigeern verlangt, so
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Stephan Hilsbergdas ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zwischeneingezogenen Steuern und dafür erbrachten Leistungenaufweist.
Dieses Kriterium ist auch im europäischen und interna-tionalen Standortwettbewerb wichtig. Deshalb geht es inder Frage der Notwendigkeit der Senkung der Subven-tionen nicht einfach nur darum, Ausgaben zu senken,sondern darum, die Effizienz des Steuersystems insge-samt zu verbessern; das ist der entscheidende Punkt. Wirsind an dieser Stelle schon einen ganz erheblichenSchritt vorwärts gekommen, an manchen Stellen auchmit Unterstützung der Opposition – gar keine Frage –,auch wenn das Endergebnis ein bisschen dürftig war.Beispielsweise war das berühmte Koch/Steinbrück-Papier an manchen Stellen nicht zielgenau. Aber im-merhin ist es gelungen, einige Subventionen abzubauen.Es ist sehr gut, dass der berühmte Effekt, der noch vorfünf oder sechs Jahren beklagt wurde, nämlich dass wirEinkommensmillionäre haben, die keine Steuern zahlen,inzwischen der Vergangenheit angehört. Eine ganzeMenge Steuerschlupflöcher wurden geschlossen. Das istgut so und an dieser Stelle müssen und wollen wir wei-termachen.
Es geht jetzt also nicht darum, Geschenke zu vertei-len, sondern es geht um die Frage, wo Subventionen ge-rechtfertigt sind und wo nicht. In diesem Zusammen-hang komme ich auf die Eigenheimzulage zu sprechen.Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublikhaben wir einen ausgeglichenen Wohnraummarkt, der esnicht mehr rechtfertigt, eine solche allgemeine Eigen-heimzulage zu gewähren. In einigen Regionen haben wirsogar katastrophale Leerstände; da kommen wir mit ei-ner Eigenheimzulage überhaupt nicht weiter. In man-chen Regionen in der Bundesrepublik ist die Situationganz ohne Zweifel nach wie vor ein klein wenig ange-spannt. Aber das allgemeine Instrument einer Eigen-heimzulage ist überhaupt nicht mehr angebracht.
Natürlich haben wir es mit Besitzstandswahrern zutun; ist doch gar keine Frage. Was wäre das auch für einLobbyverband, der sich dann, wenn es darum geht, inseinem Bereich bestimmte Gelder einzusparen, nichtmelden oder organisieren würde! Das ist doch völlignormal und damit kann man auch umgehen. Es mussaber bewertet werden, ob es im allgemeinen Interesseliegt, dass so etwas gemacht wird.Von Wirtschaftsverbänden lasse ich mir ungern sagen,dass wir zu wenige Subventionen zahlen, da sie dieganze Zeit die Meinung vertreten haben, dass sich derStaat aus dem Marktgeschehen herauszuhalten habe. Ge-nau das ist doch der Punkt. Deutschland ist nicht um-sonst eines der Länder mit den höchsten Baupreisen. Siemüssen sich einfach einmal überlegen, ob die Bauwirt-schaft die Eigenheimzulage in Milliardenhöhe, wie siezurzeit gezahlt wird, nicht automatisch in ihre Kostenmit einrechnet und auf diese Art und Weise schon einmalEinnahmen hat, die sie vor niemandem und erst rechtnmadknwldrnPzpzsSzdunreddswSlülssDfwhuAC
Während Ihr Faktionsgeschäftsführer Volker Kaudernd der jetzt nicht mehr ganz so beliebte Teufel, der Mi-isterpräsident von Baden-Württemberg, noch darübereden, dass man das in eine allgemeine Steuerreforminbauen könnte, wird im Ausschuss darüber geredet,ass es vielleicht nicht falsch wäre, ein Konzept zu fin-en, in dem das Wohneigentum besser als bisher in eineteuerlich begünstigte Altersvorsorge mit eingerechnetird. Darüber könnte man auch reden.
ie müssen sich aber überlegen, was Sie eigentlich wol-en und wofür Sie es verwenden wollen. Sie sind hierberhaupt nicht sortiert.Wir werden unseren Weg gehen. Der Weg kann nurauten: besseres Preis-Leistungs-Verhältnis im Steuer-ystem insgesamt für einen Standortvorteil und für bes-ere Standortbedingungen für unsere Unternehmen ineutschland, für bei uns benötigte Arbeitsplätze sowieür eine hervorragende und sich gut entwickelnde Volks-irtschaft im europäischen Konzert.Deswegen gehen wir auch an die schwierigen Punkteeran. Wir wissen nämlich, dass es für eine gute Zukunftnseres Landes notwendig ist, heute auch schwierigeufgaben zu meistern.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile Kollegen Christian von Stetten, CDU/SU-Fraktion, das Wort.
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Herr Präsident! Auch von mir herzlichen Glück-wunsch zum Geburtstag!Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kol-lege Hilsberg, es ist doch folgendermaßen: ImDezember 2003 haben wir einen Kompromiss zwischender Regierung und der Opposition erzielt, um die Zu-kunft der Eigenheimzulage neu zu regeln. Allein die Tat-sache, dass wir uns heute, keine zehn Monate später, er-neut mit diesem Thema beschäftigen müssen, weil dieRegierung den betroffenen Bürgern gegenüber wortbrü-chig werden will, ist der Skandal und zeigt die Unzuver-lässigkeit der rot-grünen Regierung und der in ihr han-delnden Personen.
Wie war es denn? Sie von Rot-Grün wollten die Ei-genheimzulage im letzten Jahr vollständig abschaffen,um Ihre Haushaltslöcher zu stopfen. CDU/CSU undauch die FDP wollten den Schwächeren unserer Gesell-schaft weiterhin den Erwerb von Wohneigentum ermög-lichen.
Herr Tauss, dann haben wir uns auf Kürzungen in Höhevon 30 Prozent in den nächsten drei Jahren geeinigt. Ichwar von diesem Kompromiss nicht begeistert, aber eswar ein Kompromiss. Er hat den Bürgerinnen und Bür-gern eine Perspektive für die nächsten Jahre gegeben.Junge Familien haben auf diese von uns gemeinsam ge-machten Zusagen hin ihre Lebensplanungen ausgerich-tet.Und jetzt? Die Betroffenen fragen zu Recht, was dennnun gilt. Gibt es jedes Jahr wieder ein neues Theater. Siewissen, mich persönlich können Sie nicht mehr so leichtenttäuschen. Was ich bei Ihnen in zwei Jahren chaosmä-ßiger Finanzpolitik an Unredlichkeit und Fehlplanungerlebt habe, ist nicht mehr zu toppen. Heute belasten Sieaber die Bürger und auch die Mitarbeiter in den Firmen.Was können Ihnen die Mitarbeiter in den mittelständi-schen Bauunternehmungen und in den Bausparkassenüberhaupt noch glauben?
Auch fachlich liegen Sie völlig falsch. Wir brauchennicht weniger Bürger, die in ihre eigenen vier Wände in-vestieren können, sondern mehr Bürger, die in ihr Eigen-tum investieren, anstatt Miete zu zahlen. Das ist eine so-lide Alterssicherung und schützt vor dem Problem, vordem Sie immer warnen: der Altersarmut.Sie haben es bei der Einführung der so genanntenRiester-Rente oder bei der Kürzung der neulich erst er-folgten Neuregelung der Alterseinkünftebesteuerungversäumt, die Bildung von Wohneigentum ausreichendzu berücksichtigen.DslugvfwDJLH1tEMBhgWnsa
er Bundesrat hat sich bei diesem Thema eindeutig po-itioniert und fordert die Beibehaltung der Eigenheimzu-age. Übrigens setzen sich nicht nur die CDU-, CSU-nd FDP-Politiker in ihren Landesverbänden für die Ei-enheimzulage ein, vielmehr verstehen auch Ihre Leuteon der SPD den unehrenhaften Umgang mit den Betrof-enen nicht.Herr Tauss, Sie können so viel protestieren, wie Sieollen. Ich kann auch konkret werden.
azu möchte ich Ihnen keine Zitate von vor ein paarahren vorlesen, sondern nur ganz aktuelle. Der letzteandesparteitag der SPD hat am 9. Oktober 2004 inanau in Hessen stattgefunden, also vor gerade3 Tagen. Schauen wir doch einmal, Herr Finanzminis-er Eichel, was Ihr eigener Landesverband zum Themaigenheimzulage vor 13 Tagen beschlossen hat.
it Zustimmung des Präsidenten zitiere ich kurz deneschluss der SPD Hessen vom 9. Oktober 2004. Daeißt es:Der SPD-Landesparteitag Hessen befürwortet dieBeibehaltung der Eigenheimzulage.
Er lehnt die Abschaffung der Eigenheimzulage ab …
Der Landesverband unseres SPD-Finanzministers be-ründet seinen Beschluss unter anderem mit folgendenorten:Die Abschaffung der Eigenheimzulage erschwertgerade jungen Familien ... den Erwerb von Wohn-eigentum deutlich.Weiter heißt es:Der Erwerb von selbstbewohntem Wohneigentumbedeutet langfristig die Umwandlung von ansons-ten zu zahlender Miete in eigenes Vermögen.Anschließend haben die hessischen Landespolitikerachgerechnet, dies dem Finanzminister zukommen las-en und deswegen folgende Begründung in ihren Antragufgenommen – ich zitiere –:Die Eigenheimzulage deckt bei einem durchschnitt-lichen Eigenheim maximal die anfallende Mehr-wertsteuer auf die erbrachten Bauleistungen ab.
Weniger Bauleistung durch eine wegfallendeEigenheimzulage bedeutet somit Verzicht von Steu-ereinnahmen.
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Christian Freiherr von StettenDem ist nichts mehr hinzuzufügen. Wenn es Ihnennoch nicht einmal gelingt, Ihre eigenen Leute von die-sem falschen Weg zu überzeugen, dann frage ich mich,wie Sie die Dreistigkeit besitzen können, sich hier imBundestag hinzustellen, der Opposition Verweigerungvorzuwerfen
und von uns zu erwarten, dass wir Ihnen auf diesem Wegder Pleiten, Pech und Pannen bei den Finanzen folgen.So wie Sie Ihr SPD-Landesparteitag aufgefordert hat– wie mir Ihr Landesverband mitgeteilt hat, ist ein Briefan den Finanzminister diese Woche im Ministerium ein-gegangen –, kann auch ich Sie nur auffordern: ZiehenSie Ihren Antrag zurück! Wir haben einen Gegenantraggestellt.Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegin Kerstin Andreae, Frak-
tion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir haben gestern über den Nachtragshaushaltdebattiert. Wir wissen: Die Spielräume, die wir noch ha-ben, sind begrenzt und eng.
Der Haushalt enthält Ausgaben von 250 MilliardenEuro. Wir wissen, dass 70 Prozent dieser Ausgaben fürZinsen und die Renten- und Pensionskasse verwendetwerden. Das heißt, der Spardruck in Bezug auf denHaushalt ist sehr groß und unsere Spielräume sind ge-ring.Einer unserer Spielräume sind die Subventionen. DieFrage bei eingesparten Subventionen ist: Sollen sie fürdie Schuldentilgung verwendet werden oder sollen sieanderweitig eingesetzt werden? Wir haben uns dafür ent-schieden, die Mittel aus dem Abbau der Eigenheimzu-lage für die Bildung zu verwenden, und zwar aus gutemGrund.
Für Subventionen gilt Folgendes: Vernünftige Sub-ventionen sind degressiv. Irgendwann laufen sie aus undzwar dann, wenn das Ziel einer Subvention erreicht ist.
Das Ziel dieser Subvention war eine ausreichendeWohnraumversorgung. Dass dieses Ziel erreicht ist, sa-gen Ihnen alle Wissenschaftler, Gutachter und auch derStädtetag.–dmbsuBemvIDItlbtEuWEhE3wf–SwsFnbbFa
Herr Seiffert, Sie können hundertmal behaupten, dassies nicht stimmt. Natürlich stimmt es: Der Wohnungs-arkt ist gesättigt.Wenn Sie dann noch die demografische Entwicklungedenken, durch die der Bedarf langfristig noch weiterinken wird, können Sie sich heute nicht hier hinstellennd fordern, über die Eigenheimzulage weiterhin denau von Eigenheimen und die Schaffung von Wohn-igentum zu finanzieren. Der Markt ist gesättigt. Dasüssen Sie endlich einmal anerkennen.
Jetzt sagen Sie, das Ziel sei nicht nur die Schaffungon Wohneigentum, sondern auch die Altersvorsorge.ch sage Ihnen eines:
ie beste Altersvorsorge ist Bildung. Wir brauchen mehrnnovationen und mehr Bildung für eine vernünftige Al-ersvorsorge.
Natürlich hätten wir gerne einen größeren finanziel-en Spielraum; aber wir haben ihn nicht. Deswegen ha-en wir uns dafür entschieden, in die Bildung zu inves-ieren. Um diese Entscheidung geht es. Es geht um dientscheidung: Eigenheimzulage oder Bildung? Es gehtm die Entscheidung: Investition in einen gesättigtenohnungsmarkt oder in Bildung?
s geht um die Entscheidung: Beton oder Bildung? Wiraben uns für die Bildung entschieden. Wenn wir dieigenheimzulage abbauen, haben wir bis zum Jahr 2008Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Insgesamt habenir dann 6 Milliarden Euro mehr für Kinderbetreuung,ür Bildung und für Innovationen.
Genau, ich komme mit der Kinderbetreuung. Wissenie, warum ich mit der Kinderbetreuung komme? Weilir uns in Deutschland etwas leisten, was geradezu ab-urd ist. Wir leisten uns, dass junge, gut ausgebildeterauen – meist mit einem besseren Abschluss als Män-er – keinen Zugang zu hoch qualifizierten Berufen ha-en, weil wir keine flächendeckende gescheite Kinder-etreuung haben. Wir brauchen Geld, damit wir solcherauen in den Arbeitsmarkt vermitteln können.
Ich möchte Ihnen jetzt ein Zitat des Kollegen Minkelus der Debatte vom 30. September vorlesen.
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Frau Kollegin, gestatten Sie vor dem Zitat eine Zwi-
schenfrage der Kollegin Lenke?
Ja.
Sehr geehrte Frau Kollegin, glauben Sie nicht mehr
daran, dass durch die Zusammenlegung von Arbeits-
losen- und Sozialhilfe die Betreuung von Kindern unter
drei Jahren finanziert werden kann? Sie machen doch
jetzt einen neuen Finanzierungstopf auf. Sie haben eben
davon gesprochen, dass Sie die Eigenheimzulage auch
für Kinderbetreuung und für Bildung im Kindergarten
verfrühstücken wollen.
Frau Kollegin, ich habe gesagt, dass wir durch den
Abbau der Eigenheimzulage 3 Milliarden Euro bis zum
Jahr 2008 mehr für Bildung haben werden. Dann habe
ich gesagt, dass das bedeutet, dass wir für Bildung, For-
schung und Kinderbetreuung in der Summe
6 Milliarden Euro mehr haben. Natürlich glaube ich,
dass Hartz IV zur Finanzierung der Kinderbetreuung
beitragen wird.
Aber wir bleiben noch etwas bei dem Thema Kinder-
betreuung, weil mir das wirklich am Herzen liegt. Ich
sagte, dass wir den jungen, gut ausgebildeten Frauen den
Zugang zu hoch qualifizierter Arbeit verwehren. Der
Kollege Minkel – ich kenne ihn nicht persönlich –
hat in der Debatte vom 30. September zum Abbau der
Eigenheimzulage Folgendes ausgeführt:
Es geht darum, ob unsere Menschen im Eigenheim
wohnen dürfen oder auf einer Etage eines Wohn-
hauses wohnen müssen.
– Ich bin noch nicht fertig. Es wird noch viel besser:
Herr Eichel, mit dem Eigenheim fängt die Kinder-
erziehung an. Beides hat etwas miteinander zu tun.
Die Einstellung, dass Kindererziehung etwas damit zu
tun, ob man ein Haus hat, das einem selber gehört oder
nicht, ist unglaublich.
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s ist ganz klar: Die Eigenheimzulage fördert die Stadt-
lucht. Die Eigenheimzulage hilft nicht, die Wohnungs-
ngpässe in Ballungsräumen zu beseitigen. Die Eigen-
eimzulage fördert gerade diejenigen, die nicht mehr auf
iese staatliche Unterstützung angewiesen sind. Die ent-
cheidende Altersvorsorge für uns ist Bildung. Bildung
nd Wettbewerb, Bildung und Innovationen sind der ent-
cheidende Schlüssel dafür, dass wir dieses Land vo-
anbringen können. Mit der Einstellung, die ich vorhin
itiert habe, bringen wir dieses Land nicht voran.
Ich bitte Sie, die Lebenswirklichkeit anzuerkennen
nd sich in unserem Sinne zu entscheiden.
Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Carl-Ludwig Thiele,
DP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Zunächst auch von mei-er Seite herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Eineolche Sitzung ist sicherlich dazu angetan, Ihnen mög-ichst häufig zu gratulieren. Das werden die nachfolgen-en Redner wahrscheinlich auch tun.Frau Kollegin Andreae, Ihr Redebeitrag erweckt denindruck, dass das Streichen der Eigenheimzulage finan-ielle Spielräume eröffnen und in der Zukunft Ausgabenrmöglichen wird, an die derzeit nicht zu denken ist.enn man Ihren Vorstellungen folgen würde, dannönnte man mindestens dreimal so viele gute und wün-chenswerte Vorhaben benennen, die der Staat finanzie-en sollte
nd die dann mit den durch die von Ihnen gefordertetreichung der Eigenheimzulage eingesparten Mittelninanziert werden könnten. Die Eigenheimzulage ist iniesem Zusammenhang der neue Jäger 90 der neuen rot-rünen Finanzpolitik! Das vermag ich nicht ganz einzu-ehen.
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Carl-Ludwig ThieleLassen Sie mich wieder ernst werden. Gestern Nach-mittag fand im Deutschen Bundestag die erste Lesungdes Nachtragshaushalts für das laufende Jahr statt. DerHaushalt läuft aus dem Ruder. Deutschland wird diehöchste Neuverschuldung erleben, die es je gab.Zum dritten Mal in Folge hat die Koalition einen ver-fassungswidrigen Haushalt zu verantworten. Ihr Finanz-minister erklärt, dass er sich weigert, zu sparen undSparvorschläge vorzulegen.
– Dann beschweren Sie sich beim Finanzminister! Er hatsich doch so geäußert. Ich zitiere Herrn Eichel doch nur.
– Sie haben doch erklärt, Sie könnten in diesem Haushaltkeine weiteren Einsparungen vornehmen. Sie wollen dasnicht! Das Mindeste wäre, eine Haushaltssperre zu ver-hängen oder Ähnliches. Aber nicht einmal dazu sind Siein der Lage, Herr Finanzminister.
Wer so verantwortungslos mit den Staatsfinanzen um-geht, die höchste in Deutschland je erzielte Neuver-schuldung erreicht, damit die nachfolgenden Generatio-nen belastet und dann hier eine solche Shownummerabzieht, beweist, dass auch der letzte Rest Seriosität inder Finanzplanung auf der Strecke geblieben ist.
Im vergangenen Jahr haben wir im Zuge des Vorzie-hens der nächsten Stufe der Steuerreform eine Diskus-sion geführt. Auch wir von der FDP haben uns für dieKürzung von Subventionen eingesetzt. Im Zuge dieserDiskussion wurde die Eigenheimzulage grundsätzlichumgestaltet. Sie wurde um 30 Prozent gekürzt. Das istder Bereich, in dem am stärksten gekürzt wurde. DenSubventionsabbau in anderen Bereichen hat der Finanz-minister nicht einmal vorgeschlagen; er wurde von denLändern gefordert. Wir haben den Subventionsabbaumitbeschlossen.Die Rahmenbedingungen sind also bereits verändertworden. Die Änderung der Eigenheimzulage ist mit denStimmen von Rot-Grün im Dezember beschlossen wor-den. Jetzt aber erklären Sie: Dieser Beschluss kann nichtlänger gelten; die Eigenheimzulage muss komplett abge-schafft werden. Das irritiert und verunsichert die Bürgeram stärksten: In dieser Politik gibt es keine Planungs-sicherheit und Verlässlichkeit.Mit dieser Planungsunsicherheit machen Sie die Kon-junktur und das Wirtschaftswachstum kaputt und legendie Wurzeln dafür, dass Deutschland nicht in dem not-wendigen Maße vorankommt.
Auch wir von der FDP sind der Auffassung, dass eskeine Ewigkeitsgarantie für die Eigenheimzulage gebenkann.WdNjsegWPndengDhaWrUdDhJaDJWskwmDs
enn sie aber gestrichen wird, dann müssen gleichzeitigie Steuern gesenkt werden.
ur so kann sichergestellt werden, dass die Bürger undunge Familien, die ein Eigenheim erwerben wollen, die-en Wunsch verwirklichen können. Erkundigen Sie sichinmal, wie viele Familien mit Kindern in die Neubau-ebiete ziehen und warum sie Eigentum bilden wollen.
enn man die Eigenheimzulage streicht, ohne diesenersonenkreis an anderer Stelle zu entlasten, dann ist ericht mehr in der Lage, das notwendige Eigentum zu bil-en. Um diesen Zusammenhang geht es doch!Alle Ihre Vorschläge bedeuten eine simple Steuer-rhöhung, die als Subventionsabbau getarnt ist. Das leh-en wir ab. Dafür stehen wir nicht.
Was die Begriffe angeht, die Sie der Eigenheimzulageegenüberstellen, ist festzuhalten: Wir brauchen ineutschland in der Tat Bildung. Dafür stehen wir. Wiraben entsprechende Konzepte vorgelegt, die von Ihnenbgelehnt wurden.
ir brauchen in Deutschland aber auch Eigentum. Wa-um werden Bildung und Eigentum gegenübergestellt?nser Land kann sich nur dann entwickeln, wenn es Bil-ung und Eigentum gibt.
as ist doch der entscheidende Punkt.Wenn es darum geht, den Subventionsabbau anzuge-en, dann stellt sich die Frage, warum in den nächstenahren bis 2012 16 Milliarden Euro für die Steinkohleusgegeben werden. Warum soll das erforderlich sein?as ist eine Ausgabe, die vom Bundeshaushalt Jahr fürahr geleistet wird. Hier kann man doch herangehen.arum investieren Sie weiter in die Vergangenheit an-tatt in die Zukunft? Ihre Aufgabe ist es doch, in die Zu-unft zu investieren.
Wir Liberale möchten, dass in die Zukunft investiertird. Wir brauchen weniger Kohle für die Kohle, aberehr Kohle für die Bildung. Dafür werden wir werben.as ist aber mit dem simplifizierten Steuererhöhungsge-etzentwurf der Bundesregierung nicht möglich.
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Ich erteile das Wort der Bundesministerin Edelgard
Bulmahn.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Herr Präsident, auch von mir einen
ganz herzlichen Glückwunsch. Ich glaube, es wäre das
schönste Geschenk für den Herrn Bundespräsidenten
– Entschuldigung, für den Herrn Bundestagspräsiden-
ten –, wenn wir heute den Beschluss fassen würden, die
Eigenheimzulage abzuschaffen.
Wir alle – die Damen und Herren von der Opposition
genauso wie von der Regierungskoalition – stehen heute
vor der Aufgabe, zu beweisen, ob wir in der Lage sind,
die Ausgaben der öffentlichen Hand in Zeiten knapper
Kassen auf die Bereiche zu konzentrieren, die für die
Zukunft unseres Gemeinwesens von ganz besonderer
Bedeutung sind.
Von allen Parteien, von Wissenschaft und Wirtschaft
wird gefordert, mehr in Bildung und Forschung zu in-
vestieren. Darin liegt unsere Zukunft. In Deutschland in-
vestieren wir aber bisher zu wenig in Bildung und For-
schung.
Laut Statistik liegt Deutschland beim Anteil der Bil-
dungsausgaben an allen öffentlichen Ausgaben an zweit-
letzter Stelle in Europa. An zweitletzter Stelle!
Heute stehen wir alle in diesem Hohen Haus vor der Na-
gelprobe, ob wir bereit sind, dies zu verändern und dafür
Sorge zu tragen, dass unsere Kinder in den Kindergärten
und unsere Jugendlichen an den Schulen, Berufsschulen
und Hochschulen eine Zukunfts- und Lebenschance er-
halten. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.
Herr Thiele, lassen Sie mich eines ganz klar sagen: Es
geht nicht an, sich ständig zum Subventionsabbau zu be-
kennen, aber immer dann, wenn es konkret wird, Gründe
an den Haaren herbeizuziehen, die es vermeintlich recht-
fertigen, warum man sich der notwendigen Entschei-
dung für den Subventionsabbau und damit für mehr In-
vestitionen in Bildung und Forschung verweigert. Damit
machen Sie sich völlig unglaubwürdig.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
as Gleiche macht zurzeit im Übrigen die CDU-FDP-eführte Landesregierung in Niedersachsen. Dass Sieort die Investitionen in die Hochschulen um 50 Millio-en Euro kürzen, ist genau die falsche Politik. Damiterstören Sie in Niedersachsen die Zukunftsoptionen,ie wir in den Jahren zuvor sinnvoller- und richtiger-eise aufgebaut haben. Damit schaden Sie der Zukunftieses Bundeslandes, genauso wie Sie in den 90er-Jah-en der gesamten Bundesrepublik Deutschland gescha-et haben.
Die rot-grüne Bundesregierung hat dagegen seit 1998ie Mittel für Bildung und Forschung um 35 Prozent er-öht. Das ist genau der Unterschied zwischen dieser)
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Bundesministerin Edelgard BulmahnRegierung und den sie tragenden Koalitionsfraktionenauf der einen Seite und Ihrer Regierung auf der anderenSeite.
Sie reden in Sonntagsreden über die Bedeutung von Bil-dung und Forschung und haben nicht das Rückgrat undden Mut, dann auch die notwendigen Entscheidungen zutreffen. Deshalb sind Sie unglaubwürdig.
Wir haben die notwendigen Entscheidungen getroffenund haben den Mut, die Courage, dafür auch Subventio-nen zu streichen, die uns allen sicherlich lieb und teuergeworden sind. – Vielen Dank.
Wir wissen, dass die Frage, wie wir in unserem LandBeschäftigung, Wohlstand und soziale Gerechtigkeit aufDauer erhalten können, ganz eng mit der Frage ver-knüpft ist,
ob es uns gelingt, Menschen eine gute Bildung zu er-möglichen – und zwar beginnend im Kindergarten –, diefrühkindliche Betreuung auszubauen und vor allem zuverbessern, die schulische Bildung deutlich zu verbes-sern und die Forschung zu stärken. Die Frage, vor derwir stehen, ist also, ob uns dies wirklich gelingt.Es zeigt sich weltweit, in allen Ländern, dass die er-folgreichste Strategie für Wohlstand, Beschäftigung undwirtschaftliches Wachstum Investitionen in Bildungund Forschung sind. Deshalb kommt es darauf an, dasswir bereit sind, in Köpfe zu investieren und die Innova-tionsfähigkeit unserer Gesellschaft auch tatsächlich zustärken.
Wir müssen noch mehr für frühkindliche Bildung,schulische Bildung und Hochschulausbildung tun. Dasist auch von den Eltern gewollt; denn sie wissen, dasseine gute Ausbildung die beste Zukunftsinvestition undübrigens auch die beste Altersvorsorge ist. Wenn ich kei-nen Job habe, wenn ich keinen Arbeitsplatz finde, dannkann ich mir kein Haus leisten und dann kann ich mirauch alles andere nicht leisten. Deshalb ist eine gute Bil-dung eben auch die Voraussetzung für gute Beschäfti-gungschancen, für Teilhabe am Berufsleben und am ge-sellschaftlichen Leben.dkDmdsTEuBBBedgkDgbDnmpkwlitvdtBE3dhWs
Wenn Sie hier so tun, als ob die Menschen, die ihreauplanung auf die Eigenheimzulage aufgebaut haben,nttäuscht würden, dann ist das falsch. Sie verdummenie Leute. Sie wissen genauso gut wie ich, dass diejeni-en, die die Zusage haben, natürlich auch ihr Geld be-ommen.
ie Eigenheimzulage läuft aus – sie wird nicht abruptekappt –, damit genau diese Zuverlässigkeit gegebenleibt.
eshalb finde ich es auch von der Sache her einfachicht in Ordnung, wenn man so argumentiert. Da mussan sich mit den Fakten auseinander setzen.
Ich habe vorhin gesagt, dass das für uns die Nagel-robe ist. Wir müssen hier im Bundestag heute Farbe be-ennen. Das erwarten die Menschen von uns. Diese Er-artung sollten wir alle erfüllen.Vom Wegfall der Eigenheimzulage, die rund 10,4 Mil-arden Euro ausmacht und damit der größte Subven-ionstitel im Bundeshaushalt überhaupt ist, profitierenor allem die Länder. Die Länder sind es nämlich, die inen letzten Jahren – das trifft gerade für die CDU-regier-en Länder zu – nicht mehr in dem notwendigen Maß inildung und Forschung investiert haben.
s reicht eben nicht aus, dass der Bund die Mittel um5 Prozent erhöht, wenn gleichzeitig CDU-regierte Län-er ihre Haushalte kürzen und einige Länder ihre Haus-alte plafondieren.
ir müssen auf beiden Seiten erhöhen. Deshalb ist esehr wichtig, dass die Länder durch eine Streichung der
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Bundesministerin Edelgard BulmahnEigenheimzulage in Zukunft in jedem Jahr 2,5 Milliar-den Euro zur Verfügung haben werden,
die sie zum Beispiel zusätzlich für die Beschäftigungvon Lehrern einsetzen könnten.
Wie wollen Sie eigentlich den Eltern in ganz Deutsch-land gegenüber rechtfertigen, dass Sie nicht bereit sind,die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zum Beispiel dieBeschäftigung von rund 30 000 Lehrerinnen und Leh-rern allein im Jahr 2008 ermöglichen würden?
Das müssen Sie rechtfertigen! Wie wollen Sie rechtferti-gen, dass Sie den Kommunen 900 Millionen Euro ver-weigern, die sie dringend für Investitionen in diefrühkindliche Betreuung, für Investitionen in die Kinder-gärten und für den Ausbau der Schulen brauchen?
Wie wollen Sie das eigentlich inhaltlich begründen?
Kurz gesagt: Wenn wir nicht den Mut haben, denSchritt zu wagen, die finanziellen Ressourcen, die durchdie Abschaffung der Eigenheimzulage frei werden, zurVerfügung zu stellen – ich bestreite überhaupt nicht, dassdas Mut erfordert –, dann handeln wir nicht verantwort-lich. Deshalb werden wir diesen Mut aufbringen. Ichwerde gleich sehen, ob auch Sie diesen Mut zeigen.
Frau Ministerin, kommen Sie bitte zum Ende.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:
Ja.
Ich will es zum Schluss noch einmal zugespitzt for-
mulieren: Wenn wir diesen Mut nicht haben und nicht in
Bildung und Forschung investieren, dann können wir
morgen auch keine Häuser mehr bauen. Deshalb ent-
scheiden wir heute über eine Frage der Zukunft. Da baue
ich auf die Vernunft.
Vielen Dank.
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ch frage mich doch, warum Sie das, was Sie hier ange-prochen haben, nicht schon sehr viel eher auf den Wegebracht haben.Sie reden hier immer wieder über die Zukunft der jun-en Generation usw. Gestern ist der Nachtragshaushalteraten worden. Herr Bundesfinanzminister, dieses Jahrst wahrscheinlich eine Nettoneuverschuldung von über0 Milliarden Euro nötig. Was Sie hier betreiben, das istoch weder nachhaltig
och im Sinne der jungen Menschen. So geht es auf je-en Fall nicht.
Der erneute Versuch der Bundesregierung, die Eigen-eimzulage abzuschaffen, ist ein weiterer Beleg für dienberechenbarkeit dieser Bundesregierung.
ie hatten bereits im Haushaltsbegleitgesetz 2004 die Ab-chaffung der Eigenheimzulage vorgesehen. Das geschahamals zugegebenermaßen allerdings noch unter dem Ge-ichtspunkt der Haushaltskonsolidierung. Der Vermitt-ungsausschuss hat dann bekanntermaßen im Dezem-er 2003 eine Kürzung um 30 Prozent empfohlen. Das istom Bundestag und vom Bundesrat so beschlossen wor-en. Damit wurde Anfang 2004 die Eigenheimförderunguch im Hinblick auf eine Neuausrichtung unter bau-,amilien- und haushaltspolitischen Gesichtspunkten re-ormiert.
Die Bundesbürger hätten eigentlich davon ausgehenönnen, dass damit endlich wieder – zumindest bis
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Stefan Müller
2006 – Klarheit und Berechenbarkeit der Förderbe-dingungen geschaffen worden sind. Man muss jetztfeststellen: Das ist einmal mehr ein Trugschluss und vonBerechenbarkeit kann überhaupt keine Rede sein. Wurdedie Abschaffung noch vor einem Jahr mit dem Stopfenvon Haushaltslöchern begründet, soll sie jetzt der Förde-rung von Bildung und Forschung dienen.
Was stimmt denn nun: Haushaltskonsolidierung, Innova-tionsförderung oder Subventionsabbau? Ich frage mich,wie oft Sie die Eigenheimzulage noch heranziehen wol-len. Mehr als einmal ausgeben können Sie sie dochnicht.
Die Bundesregierung begründet ihre Vorstöße zur Ab-schaffung der Eigenheimzulage immer damit, dass dieseZulage nicht mehr zielführend sei, weil die Wohnraum-versorgung in Deutschland ohnehin schon so gut wienie zuvor sei; wegen der demographischen Entwicklungwerde der Bedarf an Wohnraum ohnehin abnehmen usw.Aber es waren doch genau diese Beweggründe, warumwir im Vermittlungsauschuss, in diesem Parlament undim Bundesrat der Umstrukturierung der Eigenheimför-derung zugestimmt haben. Es waren doch genau dieseGründe, die zur Neuausrichtung der Förderbedingungenab dem Jahr 2004 geführt haben.Sie werden doch nicht bestreiten, meine Damen undHerren von Rot-Grün – –
– Daran, dass Sie es bestreiten, Herr Tauss, habe ich kei-nen Zweifel. Aber hören Sie vielleicht zunächst einmalzu! – Sie werden doch nicht bestreiten, dass Deutschlandbeim Wohnungsneubau in Europa immer noch Schluss-licht ist: Mit 2,8 neu gebauten Wohnungen je 1 000 Ein-wohner liegt die Bundesrepublik am Ende aller europäi-schen Länder. Lediglich Schweden und die Slowakeiweisen eine niedrigere Quote auf. Mit knapp 41 Prozentrangiert Deutschland bei der Eigenheimquote am unte-ren Ende der europäischen Länder.Wer die Eigenheimförderung aufgibt, entzieht einerganzen Branche die Lebensgrundlage. Er gefährdet Ar-beitsplätze und die individuelle Altersvorsorge.Wer die Eigenheimförderung aufgibt, ohne an andererStelle für finanzielle Entlastung zu sorgen, verhindert,dass Menschen mit durchschnittlichem Einkommen pri-vates Wohneigentum erwerben können.
Die Eigenheimzulage ist heute ein ganz wesentlicherBaustein einer privaten Altersvorsorge. Wenn ein Bau-williger heute um ein Darlehen nachsucht, ist die Ka-pitaldienstfähigkeit nun einmal von entscheidender Be-deutung. Für diese wiederum ist die Eigenheimzulageoftmals ein unverzichtbarer Bestandteil.
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Ich erteile das Wort Kollegin Gesine Lötzsch.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Wir wissen doch alle: Dieses Gesetz wird den Bun-esrat nicht so verlassen, wie es der Bundestag heute be-chließt. Darum halte ich es für sinnvoll, heute überögliche Veränderungen zu diskutieren. Wir als PDStimmen einer Veränderung, nicht aber einer Abschaf-ung der Eigenheimzulage zu. Wir schlagen eine Kon-entration der Eigenheimförderung auf Familien mit
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Dr. Gesine LötzschKindern vor. Wir wollen eine stärker nach dem Einkom-men und dem regionalen Bedarf differenzierte Förde-rung. So brauchen zum Beispiel junge Familien mit ge-ringem Einkommen ein attraktives Angebot, um inMecklenburg-Vorpommern zu bleiben.
Wenn die Eigenheimzulage abgesenkt wird, dannmuss es einen finanziellen Ausgleich für die Förderungdes Stadtumbaus, für die soziale Wohnraumförderungund die Genossenschaftsförderung geben.
Städte müssen ihre Funktion als Zentren des wirtschaftli-chen, sozialen und urbanen Lebens erhalten und aus-bauen können. Das ist natürlich auch wichtig, um Bau-handwerk, Bau- und Wohnungswirtschaft als stabileWirtschaftsfaktoren in Kommunen und Regionen zu er-halten, und dient dem Erhalt von Arbeitsplätzen.Meine Damen und Herren, um kommunale und ge-nossenschaftliche Wohnungsunternehmen vor der Insol-venz zu retten, fordern wir die Tilgung der Altschul-den.
Das Mindeste jedoch wäre, die Zinszahlungen auf abge-rissenen bzw. langfristig leer stehenden Wohnraum zuerlassen. Das Programm „Soziale Stadt“ muss fortge-setzt und noch besser mit den Förderbereichen Wirt-schaftsansiedlung und Beschäftigungsförderung vernetztwerden.Die Behauptung des Gesetzentwurfs, dass die Eigen-heimzulage die steuerliche Einzelsubvention mit demhöchsten Volumen im Bundeshaushalt sei, ist, wie ichfinde, doch einem Blick durch eine sehr stark rot-grüngefärbte Brille geschuldet.
Wenn Sie sich den Haushalt genau anschauen, stellen Siefest, dass die höchsten Subventionen für Beschaffungenbei internationalen Rüstungskonzernen, insbeson-dere für Auslandseinsätze, erfolgen. Meine KolleginPetra Pau hat Ihnen das ja bereits gestern in der Debatteüber den Jahresabrüstungsbericht ganz genau vorgerech-net. Wenn im nächsten Jahr die Ausgaben für denEurofighter 2000 um weitere 130 Millionen Euro auf1,25 Milliarden Euro, für Unterstützungshubschrauberauf 350 Millionen Euro und für den NATO-Hubschrau-ber 90 auf 440 Millionen Euro angehoben werdensollen, so würde ein Verzicht auf diese zusätzlichen Rüs-tungsausgaben den Kapitalstock für eine wirkliche Inno-vationsoffensive, für Bildung, Forschung und Entwick-lung bedeuten. Ich finde, dort sollte zuallererst angefasstwerden, Frau Ministerin Bulmahn.Zum Abschluss natürlich auch von mir, Herr Präsi-dent, die besten Glückwünsche zu Ihrem heutigen Ge-burtstag!
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Selbstverständlich sind wir uns auch einig, dass eineöglichkeit, eine Chance, aus diesem Dilemma heraus-ukommen, die Überprüfung von Subventionen ist.
benso sind wir uns einig, dass – das wird zumindesteiner abstreiten können – die Eigenheimzulage trotz derürzung mit immerhin noch 6 Milliarden Euro eine derrößten Subventionen ist.Wir sind uns auch einig, dass wir dringend notwen-ige Zukunftsinvestitionen noch stärker finanzierenüssen als bisher. Dazu gehören – trotz all der Anstren-ungen der vergangenen Jahre – Bildung und For-chung. Das bereits Getane wird für die Zukunft nichtusreichen. Hier werden wir einen Schwerpunkt setzenüssen.Ebenso werden wir – das sage ich als Wohnungspoli-iker – angesichts der demographischen Entwicklungehr für die Städtebauförderung, den Stadtumbau in Ostnd West und die Weiterentwicklung und Fortführunges Programms „Soziale Stadt“ tun müssen.
Da geht es uns wie jedem Bürger und jeder Bürgerinuch: Wenn wir in diese Zukunftsaufgaben kein zusätz-iches Geld investieren können, dann bleibt uns nur einesbrig, nämlich die Umschichtung. Das Positive, dieufstockung, wird meist gern erwähnt. Dazu gehört aberuch das Negative, dass nämlich die Mittel irgendwoeggenommen werden müssen. Ich bin, auch als Woh-ungspolitiker, davon überzeugt, dass die Eigenheimzu-age durchaus geeignet ist, um in die beiden genanntenichtungen – Städtebauförderung und vor allem Bildungnd Forschung – Mittel umzuschichten.
Bei all den Bekenntnissen, die Sie in den Bundestags-ebatten zur Eigenheimzulage ablegen, bei all Ihremintreten für den Erhalt der Eigenheimzulage wissen Sieanz genau, dass auch die Union die Eigenheimzulageur Disposition stellt. Noch am 15. September hat Frau
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Wolfgang SpanierMerkel – ich will Herrn Merz heute einmal nicht zitie-ren – im Rundfunk Berlin-Brandenburg ausdrücklich er-klärt: Wir werden dem Steuerzahler die Eigenheimzu-lage nehmen, dafür werden wir ihm Steuersenkungengeben.Aber wenn Sie bei der Eigenheimzulage so viel Wertauf die Schwellenhaushalte legen, die Familien mit Kin-dern, dann müssen Sie auch sehen, wie deren Steuerbe-lastung derzeit aussieht und wie wenig ihnen das vonHerrn Merz und Frau Merkel entwickelte Steuerreform-paket an zusätzlicher Entlastung bringt. Sie wollen mitder Abschaffung der Eigenheimzulage die Senkung desSpitzensteuersatzes von 42 auf 36 Prozent finanzieren.Dann müssen Sie das aber auch offen hier sagen.
Interessant an dem Beitrag von Herrn von Stettenfand ich, dass er auf die Einbeziehung der Wohneigen-tumsförderung in die Riester-Rente verwiesen hat.
Das ist ein interessanter Gedanke; das will ich gerne ein-räumen. Aber Sie stellen sich doch wohl nicht vor, sozu-sagen eine Doppelförderung anzustreben: einerseits dieEigenheimzulage und andererseits obendrauf noch dieFörderung über die Riester-Rente. Das kann angesichtsder Finanzsituation der öffentlichen Hand wohl niemandwollen. Wenn Sie das wollen, müssen Sie es deutlich sa-gen. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wirdie Verzahnung mit der geförderten privaten Altersvor-sorge überdenken und vorbereiten wollen.Manchmal habe ich den Eindruck, die Debatte überdie Eigenheimzulage wird hochstilisiert zu einer De-batte, ob wir für oder gegen das Wohneigentum sind.
– Ich bin Abgeordneter aus Ostwestfalen, HerrMichelbach. Bei uns hat das selbst genutzte Wohneigen-tum einen ganz hohen Stellenwert.
Wir haben eine Eigentumsquote von weit über50 Prozent. Es ist auch gut so, dass bei uns der Fachar-beiter sein Häuschen bauen konnte.
– Ihre Zwischenrufe sind manchmal wirklich abenteuer-lich. In der letzten Sitzungswoche haben Sie mir vorge-worfen, dass ich keine Krawatte tragen würde. Ich habemich heute um Besserung bemüht. Aber jetzt unterstel-len Sie mir, wir wollten dem Facharbeiter das HäuschenwtmasMdgsIwfeDDgdDsdkDgSwlS
Es ist richtig: Die Chance, dass der Bundesrat zustim-en wird, ist sehr skeptisch einzuschätzen. Ich denkeber, dass Sie sich Gedanken über die Alternativen, bei-pielsweise im Rahmen der Riester-Rente, machen.öglicherweise gibt es in einem Vermittlungsverfahrenoch die Chance, sich auf sinnvolle Alternativen zu eini-en. Da ist die Opposition gefordert.Es wurde heute vielfach sehr pauschal von „Kohletatt Bildung“ oder „Beton statt Bildung“ gesprochen.ch glaube, das bringt uns in der Sache überhaupt nichteiter. Das selbst genutzte Wohneigentum – in Ostwest-alen nennen wir es die Quadratmeterrente – ist natürlichin Stück Altersvorsorge.
as ist unbestritten.
ie Konsequenz darf aber nicht sein, dass wir an der Ei-enheimzulage festhalten müssen. Das ist der entschei-ende Unterschied.
In Bezug auf junge Familien müssen wir aufpassen.enn jeder, der von der Sache etwas versteht, weiß: Werein Eigenheim oder seine Eigentumswohnung nururch Einrechnen der Eigenheimzulage finanzierenann, der geht natürlich ein gewaltiges Risiko ein.
ie Eigenheimzulage kann nur das Sahnehäubchen – an-esichts des Finanzvolumens müsste man sagen: dieahnehaube – obendrauf sein. Ich glaube, darüber sindir uns einig.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Ja, Herr Präsident. – Ich wünsche mir, dass wir end-ich über die Sache diskutieren. Das sture Festhalten amtatus quo bringt uns überhaupt nicht weiter.Herzlichen Dank.
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Ich erteile das Wort Kollegen Klaus Minkel, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
bitte um Nachsicht, dass sich meine Rede nur sehr wenig
als Geburtstagsansprache eignet.
Ich habe vier Beweisstücke mitgebracht, von denen kein
einziges die Regierungskoalition erfreuen wird.
Bei der Abschaffung der Eigenheimzulage geht es Ih-
nen doch nur darum, an frisches Geld zu gelangen. Denn
Sie sind pleite.
Ihre wahre Auffassung zur Eigenheimzulage hat der
Bundeskanzler unmittelbar vor der Wahl mit wohlge-
setzten Worten dargelegt. Ich darf das kurz vortragen:
Jährlich erfüllen sich rund 700 000 Haushalte mit
dem Erwerb einer eigenen Wohnung einen Her-
zenswunsch. Vielen, insbesondere kinderreichen
Familien, wäre dies ohne Eigenheimzulage nicht
möglich. Das wissen wir und deshalb ist und bleibt
die Eigenheimzulage das entscheidende Mittel zur
Förderung von Wohneigentum.
So Ihr Kanzler vor der Wahl. Wie Sie sich jetzt nach der
Wahl verhalten, zeigt doch nur, dass ein Kanzlerwort
null und nichtig ist. Es ist nichts wert.
Wenn Sie heute die Abschaffung der Eigenheimzu-
lage beschließen, dann vollenden Sie einen Wahlbetrug.
Dies ist ein besonders großer Betrug an der jungen Ge-
neration.
Nach Rente, Krankenversicherung und Staatsverschul-
dung wird die junge Generation einem weiteren Schnee-
ballsystem ausgesetzt, nach dem Motto: Die Letzten bei-
ßen die Hunde. Junge Familien bekommen die
Förderung, wenn es nach Ihnen geht, nicht mehr. Aber
sie haben in einer Zeit, in der sie selbst Hilfe bräuchten,
noch für viele Jahre die alten Verbindlichkeiten aus vo-
rangegangenen Zusagen zu finanzieren.
Das ist unsozial, das ist ungerecht, das ist schäbig.
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der schauen Sie sich die Professoren mit ihren bemoos-
en Häuptern an! Auch die sind doch nicht auf die Eigen-
eimzulage angewiesen.
Herr Tauss, ich persönlich empfinde es als höchst an-
echtbar, wenn diejenigen, die im Trockenen sind, die
abenichtse davon abhalten wollen, selbst zu Eigentum
nd zu Besitz zu gelangen.
uch das ist unanständig.
Wenn man schon den Worten des Kanzlers nicht
rauen kann, so ist auch die Unterschrift des Kanzlers
ull und nichtig.
Kollege Minkel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Spanier?
Herr Spanier, im Anschluss an meine Rede sehrerne.
Herr Spanier, dann verzichte ich auf Ihre Zwischen-rage.Ich komme zu einem weiteren Beweisstück. Ich habeinen Vertrag mitgebracht, der zwischen dem Bundes-anzler auf der einen Seite und der IG BAU und denerbänden der Bauwirtschaft auf der anderen Seite abge-chlossen worden ist. Dort widmet sich ein ganzes Kapi-el dem privaten Wohneigentum und der Förderungurch die Eigenheimzulage. Auch diese Unterschrift desanzlers hat sich im Nachhinein als null und nichtig er-iesen. Sie ist nichts wert.
In diesen Tagen berührt uns alle das Schicksal derrbeiter von Opel oder das der Verkäuferinnen beiarstadt. Aber ich rufe in Erinnerung, dass draußen imande in der Bauwirtschaft und im Bauhandwerk tag-äglich solche Fälle stattfinden. Über das Jahr haben
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Klaus Minkel10 Prozent der deutschen Bauarbeiter, nicht zuletzt dankIhrer Politik, ihren Arbeitsplatz verloren. Man kann einegleiche Anzahl im Bauhandwerk hinzurechnen. Wir soll-ten uns nicht nur für die Arbeiter bei Opel und die Ver-käuferinnen bei Karstadt interessieren. Auch die Bauar-beiter und die Bauhandwerker haben einen Anspruchdarauf, dass man sich um ihre Nöte kümmert
und dass der Kanzler Zusagen, die er abgegeben hat,auch einhält.Ein weiteres Beweisstück – deshalb ist der Finanzmi-nister heute so schweigsam;
ich muss quasi für den Finanzminister in Geschäftsfüh-rung ohne Auftrag sprechen – ist der Beschluss der hes-sischen SPD,
die Eigenheimzulage beizubehalten. Das erinnert ganzfatal an den Chef eines Quacksalberunternehmens, HerrEichel, der seine Ware anpreist, während die Belegschaftdurch die Lande zieht und überall vor dem Produktwarnt.
So kann man eigentlich nur ein Pleiteunternehmen füh-ren.
Herr Präsident, nun muss ich um Nachsicht
für den recht rüden Sprachgebrauch der Genossen vonHessen-Süd bitten, der Ihnen, Herr Eichel, bekannt ist.So lädt man dort inzwischen auf Plakaten – jetzt kommtdieses Wort – zu Kotztagen ein und verteilt Kotztüten.Man verteilt diese Kotztüten, weil man die Politik, diehier in Berlin betrieben wird, zum Rückwärtsfrüh-stücken empfindet.Sie haben die Parole ausgegeben: Bildung statt Beton.Man könnte es besser formulieren: Bildung statt Stein-kohleförderung. Oder: Bildung statt dieser Bundesregie-rung.Vielen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem
Kollegen Wolfgang Spanier, SPD-Fraktion.
Herr Minkel, ich weiß aus eigener langjähriger Erfah-rung: Wenn man, wie Sie, polemisiert, kriegt man dafürBeifall, aber natürlich nur in den eigenen Reihen.ZUfvftfdDdAwdSDlSgimwZmdtdfdpDmibmgDgghE
ur Sache haben Sie verdammt wenig gesagt.
nd was Sie zur Sache gesagt haben, war auch nochalsch. Ich will Ihnen das gern belegen. Sie haben hierorhin den Eindruck erweckt, dass wir mit der Abschaf-ung der Eigenheimzulage die Finanzierung des Eigen-ums, wie sie bisher erfolgt ist, in irgendeiner Weise ge-ährden, und haben an die Wand gemalt, dass wir damitie Häuslebauer in große Schwierigkeiten bringen.iese Darstellung ist völlig falsch.
Wenn wir die Eigenheimzulage abschaffen, dann be-eutet das, dass vom kommenden Jahr an keine neuennträge gestellt werden können. Aber selbstverständlichird die Eigenheimzulage, so wie es vereinbart ist, füriejenigen, die sie jetzt in Anspruch nehmen, bis zumchluss weiter gewährt.
as haben Sie vorhin anders, zumindest missverständ-ich dargestellt.Ein Zweites. Ich habe nicht so ganz verstanden, wasie mit dem Hinweis auf die Direktoren der Bundesbankemeint haben. Aber ich kann mich sehr wohl daran er-nnern, dass Sie in Ihrem Wahlprogramm die Einkom-ensgrenzen bei der Eigenheimzulage ganz abschaffenollten; Sie wollten aus Gründen der Bedürftigkeit dieseulage auch noch den Einkommensmillionären zukom-en lassen. Daran möchte ich Sie erinnern.
Wenn Sie hier in glühenden, geradezu herzzerreißen-en Worten die jetzige Form der Eigenheimzulage ver-eidigen, dann kann ich Sie immer nur daran erinnern,ass Ihre Fraktion in ihrem Steuerkonzept die Abschaf-ung der Eigenheimzulage fordert. Wie passt das dennazu, dass Sie hier in bewegenden Worten die familien-olitische Bedeutung der Eigenheimförderung preisen?as passt doch hinten und vorn überhaupt nicht zusam-en.
Ich weiß nicht, wen es beeindruckt hat, dass Sie hierrgendwelche Zitate aus früheren Zeiten angeführt ha-en. Sie selbst haben vor knapp einem Jahr mit uns ge-einsam dafür gesorgt, dass das Finanzvolumen der Ei-enheimzulage um 30 Prozent gekürzt wurde.
as haben Sie vor einem Jahr sicherlich völlig andersesehen und hier im Bundestag auch völlig anders dar-estellt. Man kann angesichts der schwierigen Haus-altslage seine Positionen ändern, ja, man muss es sogar.s ist notwendig, Prioritäten anders zu setzen.
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Wolfgang SpanierFrau Bulmahn hat Recht: Dazu gehört manchmal Mut;da muss man manchmal über seinen eigenen Schattenspringen. Tun Sie das endlich,
damit wir mit der sachlichen Diskussion anfangen kön-nen!Das wollte ich, Herr Präsident – mit Verlaub –, hiereinmal gesagt haben. Ich bin gespannt, was HerrnMinkel jetzt noch einfällt.
Herr Kollege Minkel, Sie haben das Wort zur Erwide-
rung.
Kollege Spanier, mir fällt natürlich immer etwas ein.
Was die Behandlung junger Familien betrifft, so haben
Sie wirklich nicht zugehört oder Sie haben es nicht ver-
standen, obwohl ich es in einer früheren Rede schon ein-
mal vorgetragen habe. Sie verursachen folgendes Di-
lemma: Im Falle des Wegfalls der Förderung zum
1. Januar 2005 werden ab diesem Zeitpunkt keine neuen
Förderfälle mehr angenommen. Unsere jungen Familien
erhalten dann keine Förderung mehr.
Dieselben jungen Familien müssen aber für einen Zeit-
raum von rund zehn Jahren die Förderung der bereits be-
willigten Fälle mit ihren Steuerzahlungen mitfinanzie-
ren.
Das ist ein Schneeballsystem. Das empfinde nicht nur
ich als grobes Unrecht.
– Ihre Reaktion beweist mir, dass meine Botschaft jetzt
bei Ihnen angekommen ist.
Herr Spanier, Sie haben noch weitere Punkte ange-
sprochen. Ich möchte Ihnen keine Antwort schuldig blei-
ben. Die B-Länder haben dem Kompromiss im Bundes-
rat über die Einkommensgrenzen zugestimmt. Damit ist
es auch für die Union verbindlich, dass die Einkom-
mensgrenzen abgesenkt werden können. Insofern ver-
stehe ich nicht, dass Sie hier alte Geschichten aufwär-
men.
Die Entwicklung ist inzwischen fortgeschritten. Sie kön-
nen dieser Tatsache entnehmen, dass es der Union nicht
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Doch, darum geht es und um nichts anderes. Bei der
KW-Maut war das genauso.
Die Union verfolgt ein völlig anderes Konzept.
ir wollen die Steuern allgemein und nachhaltig senken
nd die Eigenheimförderung synchron dazu abbauen. Es
leibt aber auch dann ein Problem übrig, das gelöst wer-
en muss: Die wirklich einkommenschwachen Familien,
ie von einer Steuerreform nur begrenzt Vorteile haben,
eil sie ohnehin nur wenig Steuern zahlen, müssen auch
ünftig in irgendeiner Form gefördert werden.
Sie haben die im letzten Jahr vorgenommene Kürzung
ngesprochen. Den Wohnungsbaupolitikern wäre es lie-
er gewesen, wenn die Kürzung statt 30 Prozent nur
2 Prozent betragen hätte, sie sich dann aber auch auf
lle anderen Subventionen bezogen hätte. Diese Kür-
ung war Teil eines Kuhhandels im Bundesrat, durch
en unter anderem die Bausparprämie erhalten werden
onnte, die Sie zu 100 Prozent abschaffen wollten. Das
ar der tiefere Grund, warum sich die Union zu einer
ürzung um 30 Prozent bereit gefunden hat, obwohl uns
iese Kürzung sehr weh tut.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Bevor wir zur Abstimmung kommen, erteile ich Kol-egin Franziska Eichstädt-Bohlig das Wort zur Abgabeiner Erklärung zur Abstimmung gemäß § 31 der Ge-chäftsordnung.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnennd Kollegen! Ich stimme dem Gesetz zu. Ich werbeuch sehr engagiert für die Abschaffung der Eigenheim-ulage, weil sie angesichts der Tatsache, dass unser Ge-einwesen 1,3 Billionen Euro Schulden abzutragen hat,eder wohnungspolitisch noch vermögenspolitisch nochamilienpolitisch wirklich sinnvoll und notwendig ist.
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Franziska Eichstädt-BohligIn Richtung der Koalition möchte ich aber sehr deut-lich sagen, dass ich mich gegen den Ausspruch „Bildungstatt Beton“ mit Entschiedenheit wehre. Es geht hiernämlich sehr wohl auch um baupolitische Belange. Inso-fern ist es mir sehr wichtig, dass das, was in der Koali-tion im vorigen Jahr und in den HaushaltsberatungenKonsens war, wieder ins Bewusstsein gerückt und künf-tig wieder in inhaltlicher Unterstützung zum Ausdruckkommt: Es war Konsens, dass 25 Prozent der eingespar-ten Eigenheimzulage – dieses Geld wird dank der Ver-nunft des Bundesrats hoffentlich bald freigegeben – indie Städtebauförderung, in Stadtumbauprogramme undin das Programm „Soziale Stadt“ fließen. Der KollegeSpanier hat das vorhin angedeutet. Angesichts des de-mographischen Wandels und der Situation in unseren In-nenstädten und dicht bewohnten Stadtteilen brauchenwir nämlich sehr viele Anpassungsinvestitionen. Dafürmöchte ich hier deutlich werben. Die Forderung nach ei-ner Abschaffung der Eigenheimzulage soll keine Aus-sage gegen Innovation und Forschung – ich weiß, wirbrauchen auch sie – sein. Außerdem brauchen wir einenSchuldenabbau. Ich bitte, in Zukunft auch diesen Aspektin die Diskussion und in das Handeln einzubeziehen.Danke schön.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur finanziel-
len Unterstützung der Innovationsoffensive durch Ab-
schaffung der Eigenheimzulage, Drucksachen 15/3781
und 15/3821. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/3972, den Ge-
setzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den
Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen
die Stimmen des übrigen Hauses angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ge-
setzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist wiederum mit den Stimmen von SPD und Bünd-
nis 90/Die Grünen gegen die Stimmen des übrigen Hau-
ses angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas
Strobl , weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU
Gemeinsames Zentrum zur Terrorismus-
bekämpfung schaffen
– Drucksache 15/3805 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
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ie sich in etwa 24 Gruppen organisiert haben. Welcheefahr von diesem Potenzial ausgeht, kann man aucharan erkennen, bei wie vielen Attentaten leider immerieder Spuren auch nach Deutschland führen: bei dennschlägen vom 11. September, bei den Anschlägen aufali, auf Djerba, in Madrid sowie bei den Anschlägenuf das Musicaltheater in Moskau.Wir müssen uns schon fragen: Woher kommt es, dassich offensichtlich Attentäter oder ihre Unterstützer innserem Land aufhalten können oder nicht als gefährlichrkannt werden? Woher kommt es, dass man kaum iner Lage ist, gegen diese Personengruppen richtig vorzu-ehen? Wir müssen uns auch fragen: Haben wir allesotwendige getan? Haben wir die Sicherheitsbehördenn die Lage versetzt, den Kampf gegen diese Gruppenühren und bestehen zu können?Wenn ich mir die Bilanz unseres Innenministers – erann heute leider nicht hier sein – anschaue, dann habech meine Zweifel, ob er alles Notwendige getan hat.
ch will das an konkreten Beispielen deutlich machen:ie beiden von Minister Schily mit großem Pomp ange-ündigten Prozesse gegen Motassadeq und Abdelghanizoudi, Mitunterstützer der Täter um Mohammed Atta,ind kläglich gescheitert. Der Deutschsyrer Darkazanliauch er bewegte sich im Umfeld der Attentäter umtta – konnte sich mehrere Jahre hier in Deutschlandufhalten, ohne dass die Bundesbehörden in der Lagearen, ihm etwas nachzuweisen. Spanien – sehr vieleiter weg – kann das offensichtlich. Nur wegen des eu-opäischen Haftbefehls sind wir jetzt wenigstens davonefreit, dass sich eine solche Person bei uns in Deutsch-and aufhält. Denken Sie an die Informationspanne beimslamistenkongress: In Stuttgart wurden die Erkennt-isse gewonnen, sie wurden nach Berlin transportiert,ber dort blieben sie unbeachtet und Minister Schily hatehr oder weniger zufällig von dritter Seite erfahren, dassier in Deutschland ein Islamistenkongress geplant war.Oder nehmen wir die lasche Visaerteilungspraxises Ministeriums von Außenminister Fischer,
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Clemens Binningerdie dazu geführt hat, dass Schleusungen nach Deutsch-land in noch nie gekanntem Ausmaß möglich waren unddass sogar – das ist besonders bitter – tschetschenischeTerroristen, bei denen später Bezüge zum Attentat aufdas Musicaltheater in Moskau erkennbar wurden, sich inDeutschland aufhalten konnten. Das sind nur die gravie-rendsten Beispiele.Dazu passen die mangelhaften Fortschritte bei derEinführung biometrischer Merkmale in Pässen, die ver-spätete Einführung des Digitalfunks bei der Polizei
und keinerlei Maßnahmen zur Verbesserung der Sicher-heitsarchitektur.Ich muss sagen: Wenn das die Bilanz dieses Innenmi-nisters für die letzten zwei Jahre ist, dann ist das keineBilanz, dann sind das Pleiten und er sollte keine Sicher-heitspolitik machen, sondern zum Konkursrichter gehen.
Wenn einem nichts mehr einfällt wie Herrn Schily of-fensichtlich, wenn man keine Erfolge vorweisen kann,dann schreit man nach Zentralisierung und Weisungs-recht. Herr Schily möchte gern, dass die Bundesbehör-den weisungsbefugt sind, und er möchte am liebsten al-les beim Bund zentralisieren. Damit geht er daseigentliche Problem nicht an. Das Problem besteht nichtdarin, dass wir bei den 37 Sicherheitsbehörden, die sichmit dem Terrorismus befassen, eine dezentrale und föde-rale Struktur haben. Ganz im Gegenteil: Das Problembesteht darin, dass die Informationsweitergabe und die-analyse zu schleppend, zu langsam und zu bürokratischerfolgen. Erkenntnisse über Terrorismus kann man nichtin Zentralen, in Mammutbehörden in Berlin oder Kölngewinnen,
Erkenntnisse über den Terrorismus gewinnen Sie nur vorOrt. Deshalb ist der Ansatz von Herrn Schily – Zentrali-sierung und Weisungsrecht – rundweg abzulehnen.
Wenn man wirklich etwas tun wollte, um den Kampfgegen den Terrorismus zu verbessern, dann müsste mansich mit Praktikern unterhalten. Die Praktiker – egal obvom BKA, einem LKA oder von den Nachrichtendiens-ten – würden einem sagen, was zu tun wäre. Nur, Minis-ter Schily unterhält sich ja nicht mehr mit Praktikern. Erdenkt lieber in ganz großen Linien, die meistens imNichts enden, gelegentlich in Nordafrika. Wenn man mitden Chefs der süddeutschen Verfassungsschutzbehördenspricht, sagen alle übereinstimmend: Das größte Pro-blem besteht darin, dass es nicht gelingt, die Informatio-nen der Sicherheitsbehörden zu bündeln, aktuell auszu-werten, kompetent auszuwerten, Lagebilder zu erstellenund damit auch Maßnahmen in die Wege zu leiten.
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lle 37 Behörden können dann ihr gesamtes Wissen undhre Informationen direkt einbringen: im gleichen Ge-äude, in der gleichen Organisationseinheit, Schreibtischn Schreibtisch. Nur dann werden wir in der Lage sein,agebilder zu erstellen, zeitnah und tagesaktuell dafüru sorgen, dass Informationen ausgetauscht werden kön-en und dass alle 37 Behörden in Deutschland über dieageentwicklung Bescheid wissen und die richtigenaßnahmen ergreifen können. Dann wird es zu solchenleiten, wie sie Herr Schily zu verantworten hat, nichtehr kommen. Eine so strukturierte Behörde – umleich einen Einwand der FDP aufzugreifen – macht da-enschutzrechtlich keine Probleme.
s ist lösbar, weil jede Behörde nur ihren eigenen Daten-estand einbringt, der Austausch durch die unmittelbareähe aber jederzeit gewährleistet ist. Diese Behörde solluch keine Ermittlungskompetenz erhalten. Durch dieezentralen Strukturen, die es heute gibt und die sich be-ährt haben, wird vor Ort ermittelt und Erkenntnisseerden dort gewonnen.
Wir brauchen ein solches „Gemeinsames Zentrum“,eil wir sonst nicht in der Lage sein werden, Kontroll-ruck gegenüber der islamistischen Szene aufzubauennd ihr Entdeckungsrisiko zu erhöhen. Machen wir unsoch nichts vor: Diese Gruppierungen lassen sich nichton Strafandrohungen und rationalen Argumenten be-influssen. Diese Gruppierungen lassen sich bestenfalls
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Clemens Binningerdadurch beeindrucken, dass sie damit rechnen müssen,dass jeder Schritt, den sie in Deutschland machen, kon-trolliert und überwacht wird, dass wir alles erfahren, wasgeplant wird, und dass wir alle Reisebewegungen undAktivitäten kennen. Es muss für die Islamisten ungemüt-lich in Deutschland werden. Das muss unser Ziel sein.
Mit unserem Vorschlag zu einem „GemeinsamenZentrum“ – das sage ich auch an die Vorsitzende des In-nenausschusses, Frau Kollegin Sonntag-Wolgast – be-wegen wir uns nicht im theoretischen, luftleeren Raum.Wir haben uns dabei an eine Organisation angelehnt, diees seit fünf Jahren gibt, nämlich an das gemeinsameZentrum in Kehl. Ich gestehe zu, dass die dortige Ziel-richtung nicht der Terrorismus ist. Dort arbeiten aberdeutsche und französische Polizei sowie deutscher undfranzösischer Zoll nach dem gleichen Prinzip in einerOrganisationseinheit, unter einem Dach, Schreibtisch anSchreibtisch zusammen. Die PCs sind natürlich mitei-nander vernetzt; alles ist hochmodern. Dadurch ist sie inLage, jeder beteiligten Behörde innerhalb kürzester Zeitalle Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie ermit-telt nicht, aber sie wertet aus, erstellt Lagebilder, initiiertMaßnahmen und sorgt für einen Informationsgleich-stand.
Dieses Prinzip wollen wir auf das „Gemeinsame Zen-trum Terrorismusbekämpfung“ übertragen, damit alle,Bund und Länder, nicht nur im Wege von Erlassen oderDienstanweisungen am Informationsgeschehen teilha-ben, sondern sich konkret mit Personal einbringen müs-sen. Insofern besteht meine Kritik auch darin, dass dasInformation Board, das es im Moment gibt, und die Er-höhung der Anzahl turnusmäßiger Besprechungen zwarkleine Schrittchen in diese Richtung sein mögen, aber imEndeffekt nur Hilfskonstruktionen sind.
Nur dann, wenn es eine Organisation dauerhaft und nichtnur turnusmäßig gibt, in der jeden Tag Experten zusam-menarbeiten, werden Sie Erfolg haben.
Alles andere ist eher konfus oder sind Hilfskonstruktio-nen; es ist eher Learning by doing. Ich muss bei diesemInnenminister leider das Gefühl haben, dass er eherLearning by doing betreibt. Er kann keine Erfolge vor-weisen
und verschließt sich konzeptionell richtigen Dingen.Deshalb machen wir diesen Vorschlag.
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ch glaube, das Gleiche müssen wir in Deutschland auchür die Sicherheit unseres Landes tun. Sie sollte es unsert sein, diesen Schritt zu gehen. Deshalb werben wiro dringend dafür.
Ein wichtiger Baustein dieses gemeinsamen Zen-ums wird natürlich eine gemeinsame Datenbank überie konkrete Zielgruppe, die Islamisten, sein. Deshalberben wir auch dafür, dass Sie den Antrag von Nieder-achsen unterstützen. Wir werden insgesamt scheitern,enn Sie sich an dieser Stelle verweigern und kein „Ge-einsames Zentrum“ errichten wollen. Ich erinnereoch einmal an das, was die Chefs der Nachrichten-ienste gesagt haben: Nur, wenn uns das gelingt, werdenir Erfolg haben. Wenn uns das nicht gelingt, werdenir scheitern.Meine Bitte an die rot-grüne Koalition ist einfach:rüfen Sie unseren Vorschlag vorurteilsfrei. Ich weiß ausielen Vorgesprächen, dass Sie nicht grundsätzlich abge-eigt sind. Es geht nicht um parteipolitische Interessen,
s geht um die Sicherheit dieses Landes und seiner Men-chen. Sie sollte Ihnen das wert sein.Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staats-
ekretär Fritz Rudolf Körper.
F
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herrinninger, den Beginn Ihrer Rede kann ich nur wie folgtommentieren: Das war eine platte Kritik, wie ich sieon Ihnen nicht erwartet habe.
as war eine Beleidigung der Sicherheitsbehörden ineutschland, die bei der Bekämpfung des Terrorismusine hervorragende Arbeit leisten.
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Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper
– Lieber Herr Koschyk, ich habe immer wieder den Ein-druck, dass Sie es nicht gut abhaben können, dass dieseBundesregierung einen hervorragenden und erfolgrei-chen Bundesinnenminister hat.
Das scheint Ihnen täglich weh zu tun. Ich finde, das istnicht angemessen. Vielmehr sollten Sie sich darüberfreuen.
– Herr Koschyk, schauen Sie sich doch einmal an, wiedie Rede von Herrn Binninger angelegt war.
– Nein, der Beginn war nicht sachlich. – Beispielsweiseläuft eine hohe Anzahl von Ermittlungsverfahren, diewir bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismuseingeleitet haben, und zwar von Bund und Ländern. Wirkönnen stolz darauf sein, diese Verfahren erfolgreich be-endet zu haben. Das ist ein Zeichen dafür, wie gut dieArbeit funktioniert.Zu Ihrer Kritik muss ich Ihnen sagen: Leider hinkenSie auch mit Ihren Vorstellungen, die Sie in Ihrem An-trag in sehr vager Art und Weise niedergeschrieben ha-ben, hinterher.
Ich sage Ihnen auch, warum.
Das Bundesinnenministerium hat längst über die Ein-richtung eines polizeilichen und nachrichtendienstlichenAnalysezentrums in Berlin-Treptow entschieden.
Mit der Einrichtung der beiden Analysezentren wird dasvorhandene Analysepotenzial im Bereich des islamisti-schen Terrorismus personell und räumlich konzentriert,um unter Achtung – das ist mir sehr wichtig – des Tren-nungsgebotes einen noch schnelleren und intensiverenInformationsaustausch zu ermöglichen.Entsprechende konzeptionelle Planungen über dieVerlegung von Organisationseinheiten dieser Behörden,den Personaleinsatz, Aufgaben und Organisationsstruk-tur der beiden Analysezentren sind weit gediehen undwerden in Kürze abgeschlossen. Ich sage sogar: Ich er-warte auf der Grundlage der mir vorliegenden Planungeneine Arbeitsaufnahme der Analysezentren in den nächs-ten Monaten.VustzLDdPzuds–SzhsDgngSaPvTAbdubg
oraussichtlich 100 Mitarbeiter des Bundeskriminalamtesnd circa zehn Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfas-ungsschutz werden dann ihre Arbeit aufnehmen.
Die Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes, wei-erer Sicherheitsbehörden des Bundes – jetzt komme ichu Ihren Zwischenrufen – sowie die Einbindung deränder sind vorgesehen.
aher wird auch die kommende Innenministerkonferenzas Prozedere der Länderbeteiligung erörtern. Dieserunkt ist wichtig, weil vonseiten einiger Bundesländeru den Themen „Stärkung des Informationsaustausches“nd „Schaffung von Analysezentren“ zwar ständig For-erungen formuliert werden, aber entsprechende prakti-che Schritte ausbleiben. Das ist keine Haltung.
Ich glaube, Sie stammen aus diesem Land.
Wir müssen sorgfältig und überlegt vorgehen. Diechaffung der Analysezentren wird nach meiner Über-eugung die Qualität der Zusammenarbeit der Sicher-eitsbehörden in Deutschland weiter erheblich verbes-ern.
ie Schaffung neuer Organisationsstrukturen, die im Er-ebnis zu einer Vermischung von polizeilichen undachrichtendienstlichen Befugnissen führen, würde da-egen der Sache eher schaden als nützen. Das müssenie sich anhören.Genau diese durch das Trennungsgebot
us guten Gründen geschaffene Abgrenzung zwischenolizei- und Nachrichtendiensten wird aber durch dason der Opposition geforderte gemeinsame Zentrumerrorismusbekämpfung offensichtlich ignoriert. In derntragsbegründung wird hierzu ausgeführt, zum Aufga-enspektrum des gemeinsamen Zentrums gehörten auchie „Mitwirkung bei der Koordination von Einsätzennd Überwachungsmaßnahmen“ und die „Unterstützungei polizeilichen und nachrichtendienstlichen Ermittlun-en“.
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Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf KörperAbgesehen von der problematischen organisatori-schen Zusammenlegung von Polizei- und Nachrichten-diensten in einem gemeinsamen Zentrum
scheint mir auch bei den Befugnissen kaum noch eineAbgrenzung möglich oder auch nur gewollt. Bei allemVerständnis für den guten Willen, meine Damen undHerren von der Opposition: Es ist nicht ausreichend gutüberlegt, was Sie hier aufgeschrieben haben.Das Bundesinnenministerium lehnt gemeinsame Leit-oder Koordinierungsstellen für gemeinsame Einsätzevon Polizei und Verfassungsschutz ab.
Stattdessen werden wir den Informationsaustausch unddie projektbezogene Zusammenarbeit in den bestehen-den Informations- und Analyseboards ausbauen. DieseBoards haben sich als effiziente Plattformen für die Zu-sammenarbeit erwiesen.
Das ist der richtige Weg.Ein weiterer Punkt in der Begründung des Opposi-tionsantrags ist schlichtweg falsch. So wird bemängelt,es gebe kein „gemeinsames, für alle Sicherheitsbehördenverfügbares, aussagekräftiges und aktuelles Lagebild“.Das Gegenteil ist richtig. Das Bundeskriminalamt er-stellt kontinuierlich seit Jahren sehr detaillierte Gefähr-dungslagebilder. Dabei werden alle Erkenntnisse derSicherheitsbehörden einbezogen.
Die entsprechenden Berichte werden allen zuständigenBehörden, auch den Ländern, zur Verfügung gestellt.Schaffen Sie also kein Problem, wo kein Problem ist.Zum verbesserten Informationsmanagement, daswir durch die Einrichtung der Analysezentren ermögli-chen, gehört eine Unterstützung der Analysezentrendurch gemeinsame Dateien. Die Informationssammlung,der Informationsaustausch und die gemeinsame Infor-mationsauswertung sind die drei entscheidenden ele-mentaren Eckpunkte eines effizienten Informations-managements. Wir wollen und wir werden alleMöglichkeiten eines verbesserten Datenaustausches zwi-schen den Sicherheitsbehörden ausschöpfen, wo diesnotwendig ist, um die Arbeit der Sicherheitsbehörden zuerleichtern und ihre Effizienz weiter zu erhöhen.
Auch hier sind die Planungen und Entwürfe bereitsweit fortgeschritten. Unter Federführung des Bundes-innenministeriumslSAkitrnwTeugtÜnhZIimDtloddtssd
äuft bereits ein intensiver Abstimmungsprozess mit denicherheitsbehörden, bei dem auch die Länder über einerbeitsgruppe des Arbeitskreises II der Innenminister-onferenz eingebunden sind. Sie sehen, wir haben allesm Griff.
Schönen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Max Stadler, FDP-Frak-
ion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Die Grundlinie der FDP ist selbstverständlich dieje-ige, dass der Staat alles Notwendige tun und alle not-endigen Vorkehrungen treffen muss, um denerrorismus so effektiv wie möglich zu bekämpfen, dassr sich dabei aber selbstverständlich im rechtsstaatlichennd grundgesetzlichen Rahmen bewegen muss. Ichlaube, da sind wir alle in diesem Haus einig.
Deshalb gehen wir an das Problem, das mit dem An-rag der CDU/CSU aufgeworfen wird, mit folgendenberlegungen heran: Erstens. Wir brauchen natürlich ei-en besseren Informationsfluss zwischen den Sicher-eitsbehörden.
weitens. Wir brauchen eine bessere Auswertung vonnformationen und drittens eine bessere Koordinierungm Handeln.
So gesehen nähern wir uns Ihrem Vorschlag eines ge-einsamen Lagezentrums durchaus mit Sympathie.Aber es sind auch zwei kritische Fragen zu stellen.
ie erste Frage – das werden wir in den Ausschussbera-ungen mit Praktikern gemeinsam zu erörtern haben –autet: Ist es wirklich notwendig, eine neue Behördeder eine neue Struktur zu schaffen? Wie steht es mitem Informationsfluss innerhalb der bestehenden Behör-en? Wir alle haben beim NPD-Verbotsverfahren dieraurige Erfahrung gemacht, dass innerhalb der Verfas-ungsschutzbehörden und zwischen dem Verfassungs-chutz und beispielsweise dem Bundesinnenministeriumer Informationsfluss nicht gewährleistet war.
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Dr. Max Stadler
Die rechte Hand wusste nicht, was die linke tat. Das wareine der Hauptursachen für das Scheitern dieses Verfah-rens. Bevor neue Behördenstrukturen geschaffen wer-den, muss also zunächst einmal der Informationsaus-tausch zwischen den bestehenden Behörden verbessertwerden.
Nächste Frage: Ist das, was in dem CDU/CSU-Antraggefordert wird, nicht ohnehin längst Aufgabe des Bun-deskriminalamtes?
Jedenfalls ist dies gesetzlich bereits so geregelt. Gegebe-nenfalls muss die gesetzliche Regelung nun zur Anwen-dung kommen.Eine weitere Frage: Gibt es nicht längst die Lagebe-sprechung im Kanzleramt mit den Geheimdienstchefsunter dem Geheimdienstkoordinator Ernst Uhrlau, der inder Fachwelt und darüber hinaus hohes Ansehen ge-nießt, weil er dieser Aufgabe ausgezeichnet gerechtwird?Bei alledem stellt sich in der Tat die Frage, ob manwirklich eine neue Behörde braucht. Wir werden derSchaffung einer neuen Behörde nur dann zustimmen,wenn sie uns von den Praktikern als zwingend dargelegtwird.
Im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von derCDU/CSU und der Regierungskoalition, greift die Ideeeines gemeinsamen Lagezentrums von Bund und Län-dern auch in Überlegungen ein, die eigentlich Gegen-stand der Beratungen der Föderalismuskommissionhätten sein sollen.
Dort ist aber nichts zu diesem Thema eingebracht wor-den, auch nicht von der Bundesregierung im Zusammen-hang mit polizeilichen Aufgaben.
Das ist in der Tat ein Manko.Ich komme jetzt zu einer Frage, die mir wichtiger istals die organisatorischen Probleme; denn diese könnenwir in den Griff bekommen. Seit dem 14. April 1949,also seit 55 Jahren, gilt in der Bundesrepublik Deutsch-land der bewährte Grundsatz: Die Polizei darf keine Ge-heimdienstkompetenzen bekommen; die Geheimdienstedürfen keine polizeilichen Kompetenzen bekommen.Dabei handelt es sich um den allseits bekannten und be-whGKGfAsTadFBGdstrwftkbZDghdfslwwWvShSfhh
Es geht schließlich nicht um Organisationsfragen,ondern um die Wahrung von Grundrechten. Wir müss-en im Plenum keine langen Debatten mehr darüber füh-en, wann der große Lauschangriff zulässig ist und unterelchen Voraussetzungen Telefonüberwachungen statt-inden können, wenn sowieso jede Behörde ohne Beach-ung dieser Voraussetzungen jede Information erhaltenönnte.Deswegen ist es der richtige Weg, das Trennungsge-ot aufrechtzuerhalten. Aber es ist durch die Pflicht zurusammenarbeit zu ergänzen.
ie entsprechenden Regelungen existieren längst. Dieesetzlichen Bestimmungen sind längst von diesem Ho-en Hause geschaffen worden. Sie müssen nur noch inie Tat umgesetzt werden. Die Behörden sollen die In-ormationen bekommen, durch die sie in die Lage ver-etzt werden, den Terrorismus zu bekämpfen. Aber wiregen Wert darauf, dass dabei die traditionellen und be-ährten Bestimmungen des Grundgesetzes beibehaltenerden.Vielen Dank.
Nachträglich erteile ich dem Kollegen Binninger das
ort zu einer Kurzintervention. Ich hatte dies vorhin
ergessen. Er will damit auf die Ausführungen von
taatssekretär Körper eingehen.
Herr Präsident, vielen Dank für diese Gelegen-eit. – Herr Staatssekretär Körper, im Fußball gibt es denpruch „Knapp daneben ist auch vorbei“. Das gilt auchür Ihre Rede. Sie haben mir vorgeworfen, die Sicher-eitsbehörden beleidigt zu haben. Dazu sage ich: Ichabe nicht die Sicherheitsbehörden, sondern den
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Clemens BinningerBundesinnenminister kritisiert. Das ist bestenfalls Ma-jestätsbeleidigung. Aber die ist nicht mehr strafbar. Dasist der erste Punkt.
Zweiter Punkt. Sie haben gesagt – an dieser Stellewird es ärgerlich –, der Bund richte bereits ein Lagezen-trum ein und wir seien der Entwicklung wieder einmalhinterher. Ich habe mich gestern noch einmal bei Bun-des- und Landesbehörden informiert und muss Ihnen sa-gen: Das, was Sie in Treptow einrichten, betrifft zweivon 37 Behörden. Die anderen Behörden beteiligen sichpersonell nicht. Die Verbindung besteht lediglich imAushängen von Telefonadressen und Namen der An-sprechpartner. Das ist doch nicht professionell, wenn esum den Kampf gegen den Terrorismus geht. Da muss ichdoch sehr bitten! Sie machen noch nicht einmal im An-satz das, was notwendig wäre.Dritter Punkt. Herr Körper, Sie sprechen genauso wieder Kollege Stadler ständig von einem verfassungsrecht-lich normierten Trennungsgebot. Man muss Art. 87Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes – diesen kennen auchwir – schon sehr weit und mit sehr viel Fantasie ausle-gen, um zu diesem Schluss zu kommen. Aber das ist si-cherlich nicht zwingend. Dabei wollen wir das Tren-nungsgebot gar nicht aufheben. Es geht vielmehr um dieZweitverwertung von Daten und das Bündeln von Wis-sen, weil wir sonst – das sagen die Praktiker, mit denenSie offensichtlich nicht reden – nicht in der Lage sind,den Terrorismus erfolgreich zu bekämpfen.
Herr Staatssekretär Körper, wollen Sie die Gelegen-
heit zur Erwiderung nutzen? – Bitte schön.
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Herr Binninger, wenn Sie sich an uns gewendet hät-
ten, hätten Sie genaue und gute Informationen darüber
bekommen, was wir in Treptow einrichten.
Das, was wir machen, ist auf jeden Fall der richtige Weg.
Ich habe bereits skizziert, wie das Analysezentrum bzw.
die Analysezentren aufgebaut werden.
Zu Ihrem Hinweis auf die Länder sage ich Ihnen:
Wir, der Bund, haben noch nicht – das wird auch nicht so
schnell kommen – die Personalhoheit. Diese liegt bei
den Ländern, wenn es um den Aufbau dieser Zentren
geht. Selbstverständlich wird auch hier dafür Sorge ge-
tragen, die Länder und insbesondere die Landesbehör-
den möglichst weitgehend einzubinden; denn es ist
wichtig, dass wir nicht nur auf der Ebene des Bundes,
beispielsweise von Bundesamt für Verfassungsschutz
und Bundeskriminalamt, sondern auch auf der Ebene
von Bund und Ländern, beispielsweise von Bundeskri-
minalamt und Landeskriminalämtern, tätig werden. Aber
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Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Herr Präsi-ent!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wärenteressant, wenn der Herr Kollege Binninger einmal dieamen der Fachleute outen würde, mit denen er angeb-ich in so gutem Kontakt steht.
ch weiß nicht – ich gehe allerdings davon aus –, ob dieundestagsfraktion der CDU/CSU die Möglichkeit hat,ich die Protokolle über die Sitzungen der Innenminis-erkonferenz einmal näher anzuschauen.
Herr Kollege Koschyk, wenn das so selbstverständlichst, dann sollten wir jetzt etwas Transparenz in diese De-atte bringen.Über die Vorschläge des niedersächsischen Innen-inisters Uwe Schünemann und des bayerischen Innen-inisters Günther Beckstein ist in der Facharbeitsgruppeer Innenministerkonferenz diskutiert worden und sieind dort verworfen worden.
ie Innenminister sind ausdrücklich gebeten worden,ie gemeinsamen Ergebnisse der Facharbeitsgruppe dernnenministerkonferenz umzusetzen. Zu dem Bild, dashre Bundestagsfraktion momentan bietet, kann ich nuragen: Sie übernehmen in keiner Weise bundespolitischeerantwortung, sondern die Außenseiterposition zweiernnenminister, die sich mit ihren Vorschlägen auf der In-enministerkonferenz nicht durchsetzen konnten.
ch halte das, was das BMI macht, für völlig richtig,ämlich die Vorschläge der Innenministerkonferenz kon-equent umzusetzen.
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Silke Stokar von NeufornHerr Kollege Stadler, wir richten gerade kein Lage-zentrum ein. Bei einem Lagezentrum ginge es darum,operative Maßnahmen zu koordinieren. Wir richten einInformations- und Analysezentrum ein, das sich exaktan das hält, was BKA, BND und Innenministerkonferenzvorgeschlagen haben. Wir richten gerade keine zentrali-sierte Mammutbehörde ein, wie Herr Binninger das nocheinmal gefordert hat, weil wir eben die Erfahrung ge-macht haben: Dezentral im Rahmen der eigenen Aufga-ben und Strukturen zu arbeiten ist der Weg zum Erfolg indiesem Bereich.
Lassen Sie mich auch etwas zu dem Vorschlag vonUwe Schünemann sagen,
also zu der so genannten Islamistendatei. So wie Siesich das vorstellen, mit den Zahlen, mit denen Sie da ar-beiten – 30 000 Islamisten in Deutschland –, schaffenSie nichts anderes als Datenmüll.
Das sind keine effizienten Dateien; da haben Sie einfachkeine Ahnung. Wir brauchen Projektdateien, bezogenauf einzelne Ermittlungskomplexe, und Analysedateien.Solche Dateien werden wir einrichten, und zwar unterBeachtung des Trennungsgebots und unter Beachtungweiterer verfassungsrechtlicher Grenzen.Lassen Sie mich auch hierzu einen Hinweis geben. Essind nicht Grüne, die diese Grenzen setzen. Es ist derWissenschaftliche Dienst des Bundestages,
der in einem Gutachten sehr genau dargelegt hat, in wel-chen Grenzen das Trennungsgebot hierbei seine Gültig-keit hat.
Das gilt auch im Zusammenhang mit dem Information-Board. Es gibt sogar eine Verpflichtung zur Weitergabevon Informationen. Genau diese Arbeit, die Arbeit inProjekt- und Analysedateien, werden wir weiter optimie-ren.Es ist eine naive Vorstellung, die Herr Binningerübernommen hat, wenn er sagt: Der internationale Terro-rismus wird an der Basis bekämpft.
Uwe Schünemann ist der Auffassung, dass der interna-tionale Terrorismus am besten durch die Polizeiinspek-tion Cloppenburg in Niedersachsen bekämpft wird.
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arüber sollten wir uns im Innenausschuss unterhalten.Danke schön.
Ich erteile das Wort Kollegen Stephan Mayer, CDU/
SU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
olleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Wenn ich mir die
ed
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Keine Panik auf der „Titanic“.an denkt: Irgendwie machen wir das Boot schon flott,uch wenn uns das Wasser bis zum Hals steht.Die Nonchalance, mit der der Herr Staatssekretär undie Frau Kollegin Stokar von Neuforn dieses Thema be-andeln, lässt vollkommen außer Betracht, dass der Ter-orismus, insbesondere der Terrorismus, der auf dem is-amistischen Extremismus basiert, für die pluralistischeestliche Welt eine der größten Gefährdungen darstellt.r ist eine epochale Bedrohung, dem durch eine völligekrupel- und Hemmungslosigkeit bei der Tatausführungit der bewussten Tötung und Verletzung unschuldiger
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Stephan Mayer
Menschen und durch genaueste strategische Vorberei-tungen eine bisher unbekannte Dimension zukommt.Nach den menschenverachtenden Anschlägen vom11. September 2001 in New York und in Washington so-wie am 11. März dieses Jahres in Madrid können poten-zielle Ziele von Terroranschlägen alle Staaten Europas,ja, alle Staaten der westlichen Welt sein. Gott sei Danksind wir in Deutschland von derartig schrecklichen An-schlägen bisher verschont geblieben.
Aber auch Deutschland war und bleibt Teil des Gefah-renraums. Deutsche Staatsbürger waren bereits Opfervon schrecklichen Anschlägen. Ich erinnere nur an diefurchtbaren Vorkommnisse auf der Urlaubsinsel Djerba.Mit dem Wissen, dass Deutschland bereits Rückzugs-und Vorbereitungsraum für schlimmste terroristischeAnschläge war und dass der internationale Terror spätes-tens nach den schrecklichen Anschlägen am 11. Märzdieses Jahres in Madrid auch in Europa angekommen ist,müssen entsprechende Voraussetzungen geschaffen wer-den, um dem Terrorismus bereits im Vorfeld Einhalt zugebieten.
Aus diesem Grund fordert die CDU/CSU-Fraktiondie Schaffung eines gemeinsamen Zentrums zur Terro-rismusbekämpfung. Ich möchte an dieser Stelle beto-nen: Es geht nicht um die Schaffung einer Mammutbe-hörde, ganz im Gegenteil.
Es geht um eine schlanke Behörde, die mit Spezialistenperfekt ausgestattet ist und höchst professionell arbeitet.Ich möchte des Weiteren erwähnen, dass die von unserhobene Forderung bereits mit allen CDU- bzw. CSU-geführten Bundesländern abgestimmt ist, also auch imBundesrat eine Mehrheit finden würde.
Wir können und dürfen uns nicht zurücklehnen unddarauf vertrauen, dass in Deutschland schon nichts pas-sieren wird. Deshalb sind alle staatlichen Ebenen aufge-fordert, alles nur Menschenmögliche zu tun, dass derTerrorismus in Deutschland keine Basis hat und dass alleterroristischen Aktivitäten bereits im Keim erstickt wer-den, wenngleich man sich natürlich auch vor Augen füh-ren muss, dass es die totale Sicherheit leider Gottes nuneinmal nicht gibt.
Die größte strukturelle Schwachstelle bei der Terro-rismusbekämpfung in Deutschland ist dabei neben denLücken im materiellen Recht – sie sind nach der Verab-schiedung des Zuwanderungsgesetzes auf erheblichenDruck der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zwar nichtmehr so groß, aber dennoch vorhanden; ich erinnere nuran die Sicherungshaft; sie fehlt nach wie vor noch – istdantMakInnzEobuDwßGtsrzgdhsügdtiublsdSbstgffne
ie haben bereits im Oktober 2002 eine besondere Auf-auorganisation zur Aufklärung krimineller islamisti-cher Strukturen, AKIS, eingerichtet. Diese Organisa-ionseinheiten haben sich bewährt und als äußerstewinnbringend erwiesen.Der große Unterschied bei der Terrorismusbekämp-ung im Gegensatz zur sonstigen Kriminalitätsbekämp-ung ist: Wir können uns in diesem Bereich keine Pan-en und Fehltritte erlauben; denn wenn ein Anschlag erstinmal passiert ist, sind die Folgen katastrophal und
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Stephan Mayer
wahrscheinlich unabsehbar. Die betroffenen Bürgerin-nen und Bürger in Deutschland werden kein Verständnisdafür aufbringen, wenn wir hätten handeln können, aberes nicht getan haben.
Wir dürfen nicht warten, bis aus „Schläfern“ Täter wer-den. Der Vorteil eines gemeinsamen Zentrums für Terro-rismusbekämpfung liegt darin, im Vorfeld die Informa-tionen, Erkenntnisse und Bewertungen zu bündeln, damitsich auf Terrorismusbekämpfung spezialisierte Fach-kräfte zügig, ohne zeitliche Verzögerung und umfassendein realistisches Lagebild machen können und damit si-chergestellt ist, dass auf aktuelle Gefährdungslagenschnell und zuverlässig reagiert werden kann. Zügigesund schnelles Handeln setzt ferner voraus, dass ein La-gezentrum rund um die Uhr eingerichtet ist, was bei-spielsweise ein Landesamt für Verfassungsschutz in ei-nem kleinen Bundesland gar nicht leisten kann.Sicherlich werden sich bei der Forderung nach einemgemeinsamen Zentrum für Terrorismusbekämpfungschnell die Gralshüter des Trennungsgebotes und desDatenschutzes auf den Plan gerufen fühlen.
Ich möchte dazu nur in aller Kürze sagen, dass es sehrstreitig ist, ob das Trennungsgebot in der Verfassungnormiert ist. Da gehen die Meinungen der Rechtsgelehr-ten auseinander. Sie kennen ja den Spruch: zwei Juris-ten – drei Meinungen. Das Trennungsgebot, das nur his-torisch bedingt ist – das möchte ich noch einmal beto-nen –, sollte also hierfür keinen Hinderungsgrund dar-stellen. Zum Datenschutz möchte ich sagen: Daten-schutz in allen Ehren, aber übertriebener Datenschutzmuss hinter einer effizienten und Erfolg versprechendenTerrorismusbekämpfung zurückstehen; denn nicht nurdas Recht auf informationelle Selbstbestimmung istgrundgesetzlich geschützt, es gibt auch das Grundrechtauf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Dies überwiegt meines Erachtens in der unmittelbarenAbwägung.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchtezum Schluss kommen. Die Einrichtung eines gemeinsa-men Zentrums für Terrorismusbekämpfung wird wederdie Verfassungsschutzbehörden noch die Polizei schwä-chen, sondern sie – ganz im Gegenteil – stärken und imKampf gegen den Terrorismus schlagkräftiger machen.In diesem Sinne appelliere ich an Sie, gemeinsam mituns beim Kampf gegen den Terrorismus an einem Strangzu ziehen und unserem Antrag zuzustimmen.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort Kollegen Frank Hofmann, SPD-
Fraktion.
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Herr Strobl, Sie wissen genau, dass ich erst am Anfangeiner Rede bin, aber behaupten schon, das wäre meininziger Kritikpunkt. Es ist doch lächerlich, was Sie hierachen.
s sprechen auch außenpolitische Gründe dafür, eher mitem Begriff des internationalen Terrorismus zu arbeiten.as erlaubt meiner Meinung nach bessere Differenzie-ung und verhindert ein Scheuklappendenken.Mit Blick auf den Anhang des Antrages, der, wennch es richtig sehe, den Gesetzesantrag des Landes Nie-ersachsen enthält, frage ich mich, weshalb Sie dieemeinsame Datei beim BfV einrichten wollen. Dieegründung der Niedersachsen lautet, dort habe manielfältige Erfahrungen mit gemeinsamen Dateien undit dem Schutz von Nachrichtenzugängen. Ich meine,ie Staatsschutzabteilung des Bundeskriminalamtes ar-eitet nicht anders. Warum gibt man diese Aufgabe dannicht in die Zuständigkeit der Polizei, also des Bundes-riminalamtes? Die Aufgabe des Verfassungsschutzes isteobachtung, die Aufgabe der Polizei ist Bekämpfungm Sinne von Verfolgung und Verhütung. Bei der Polizeiind die Handlungszwänge am größten. Zudem geht dieuropäische und internationale Einbindung über die na-ionalen Polizeibehörden, in diesem Falle also über dasundeskriminalamt. Wir alle wissen: Die internationaleusammenarbeit wird zunehmend wichtiger. Auch wir,ie Mitglieder des Innenausschusses, fordern einen euro-äischen Informationsverbund. Last but not least: Derchwerpunkt liegt hier beim Terrorismus, nicht beimxtremismus. Folglich gibt es viele vernünftige Gründe,ie gemeinsame Datei beim BKA einzurichten.Steckt also eher der Gedanke dahinter: Wenn manchon etwas zentral machen muss, dann meinetwegenonstwo, aber nicht beim Bundeskriminalamt? Im An-rag der CDU/CSU-Fraktion ist nur noch davon dieede, dass der Bund diese Datei einrichten will.
ehr geehrte Damen und Herren von der CDU/CSU-Op-osition, was wollen Sie nun? Zu Ende gedacht habenie das nicht.Ein zweiter Punkt. Nach dem erklärten Willen deriedersächsischen Regierung soll die Datei Misch-estände enthalten: Volltext auf der einen Seite, auf der
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Frank Hofmann
anderen Seite dort, wo das aus Gründen des Quellen-schutzes nicht möglich ist, nur Aktenfundstellen. Mirscheint, auch das ist nicht zu Ende gedacht. Sie müssen,um Maßnahmen ergreifen zu können, sowieso in die Ak-ten schauen und können nicht allein mit den Dateien ar-beiten. Deswegen geben auch datenschutzrechtlicheÜberlegungen der Indexdatei den Vorzug. Auch da soll-ten Sie zu Ende denken.Zum Dritten bitte ich zu überlegen, ob Sie die gegen-seitige Information immer so weit treiben wollen, dassjeweils alle unterrichtet werden müssen. Ich meine, beisensiblen Daten sollte man besser stufenweise vorgehenund zum Beispiel das jeweilige Landeskriminalamt mitder Prüfung beauftragen, ob Polizeibehörden in ihremLand unterrichtet werden sollen und welche das sein sol-len.Jetzt zu Ihrem eigentlichen Antrag. Als Schwach-punkte machen Sie einen mangelnden Informationsaus-tausch und eine unzureichende Koordination der einzel-nen Maßnahmen aus. Sie haben alle gemerkt, wie sichHerr Binninger aufgepumpt und den Bundesinnenminis-ter persönlich dafür verantwortlich gemacht hat.
Weshalb müssen Sie eigentlich alles schlechtreden?Die Sicherheitsbehörden sind ständig auf dem Weg derOptimierung. Gerade die Polizei und die anderen Sicher-heitsbehörden haben es sich zur Aufgabe gemacht, sichdurch Umstrukturierung der Aufbau- und Ablauforgani-sation und durch Zusammenarbeitsregeln auf die jeweili-gen Erfordernisse der Sicherheitslagen einzustellen.Man ist hier immer auf dem Weg und nie am Ende undstets abhängig von der Kriminalitätsentwicklung.
Es gibt auf allen Seiten das permanente Gefühl der In-formationsunterversorgung. Sie tragen mit Ihrem Antragund mit Ihrer Rede, Herr Binninger, ohne Not und durchfalsche Darstellung eine Mitschuld an dieser „gefühlten“Situation.
Grundsätzlich ist Deutschland bereits jetzt gut gerüstet.
Das heißt aber nicht, dass man nichts verbessern könnte.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,den Vorwurf, es gebe kein gemeinsames aktuelles La-gebild, kann ich auf den Sicherheitsbehörden nicht sit-zen lassen.
Das weisen wir entschieden zurück.EsdHhzEwzTlNhmdCSanvIbunbmAndndsargln
s gibt ein tägliches Lagebild beim polizeilichen Staats-chutz, es gibt wöchentliche Lagebilder, es gibt Gefähr-ungslagebilder über den islamistischen Terrorismus.err Binninger, wenn Sie sagen, wie Sie es vorhin getanaben, „So ein Lagebild mache ich Ihnen auch“, danneigt das Ihre Überheblichkeit.
s ist grob fahrlässig, solche falschen Informationen,ie Sie sie bringen, in einen Antrag aufzunehmen undu verbreiten.
Ihr Antrag zielt im Kern darauf ab, das Gebot derrennung zwischen den Diensten und der Polizei aufzu-ösen.
achdem ich jetzt Herrn Binninger und Herrn Mayer ge-ört habe, kann ich nur sagen: Sie sollten sich abstim-en. Aber das können Sie nicht. Sie liefern ein Beispielafür, wie es im Moment zwischen der CDU und derSU, zwischen Merkel und Stoiber aussieht.
ie können sich nicht einmal in diesen kleinen Dingenbsprechen.Die Auflösung des Trennungsgebotes wird es mit unsicht geben. Wir zielen darauf ab, die Arbeitsprozesse zuerbessern, statt neue Schnittstellen zu schaffen, einennformationsverbund unter Beachtung des Trennungsge-otes herzustellen
nd die Kooperation zu stärken, statt neue Organisatio-en zu schaffen. Ich sage Ihnen: Das, was Sie als Aufga-enspektrum eines gemeinsamen Zentrums zur Terroris-usbekämpfung beschreiben, muss in großen Teilen inngriff genommen werden, ohne dass wir das Tren-ungsgebot, wie Sie es wollen, schleifen.Ihre größte Sorge scheint zu sein: Wie umgehe ich es,as Bundeskriminalamt mit den notwendigen Befug-issen auszustatten? Lieber nehmen Sie eine Verletzunges Trennungsgebotes in Kauf,
tatt dem BKA das benötigte rechtliche Instrumentariumn die Hand zu geben.Ihr Vorschlag eines gemeinsamen Zentrums zur Ter-orismusbekämpfung ist zudem rein innenpolitisch aus-erichtet und hier nicht ausgereift. Völlig außer Achtassen Sie eine Einbindung in die europäische und inter-ationale Terrorismusbekämpfung.
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Frank Hofmann
Was Sie hier abliefern, ist ein Torso, aber kein Konzept.
Sie klagen, der Austausch von Informationen überGefährder, Bedrohungen und neue Entwicklungen sei zubürokratisch, zu langsam und zu selektiv. Wer legt dennfest, wer als Gefährder einzustufen ist? Das Bundeskri-minalamt? Nein!
Warum nicht? Weil das BKA keine Zuständigkeit für dieGefahrenabwehr und keine Befugnisse hat. Polizei seiLändersache; das Hohelied von der föderalen Struktur,die sich bewährt habe; das Totschlagsargument „Wirwollen kein deutsches FBI“: Da wird von interessierterSeite gekeult und gekeilt. Die Landesfürsten, die mal imgrößeren, mal im kleineren Chor singen, wie wichtig ih-nen die Sicherheit sei, versagen, wenn es um umfas-sende, den Aufgaben entsprechende polizeiliche Befug-nisse für das Bundeskriminalamt geht.Was jedes Bundesland seinem Landeskriminalamt anBefugnissen gibt, um seine Aufgaben zu bewältigen,kann man dem Bundeskriminalamt doch nicht vorenthal-ten. Tatsache ist: Jeder Polizeibeamte eines Bundeslan-des hat zur Verbrechensbekämpfung mehr Befugnisseals ein Polizeibeamter des Bundeskriminalamtes. Natür-lich hat auch der Polizeibeamte in einem LKA Befug-nisse der Gefahrenabwehr und nicht nur der Strafverfol-gung. Das Bundeskriminalamt dagegen mit seinerumfassenden Verantwortung als Dreh- und Angelpunktder internationalen Verbrechensbekämpfung muss dieseKriminalitätsform wie ein Einarmiger bekämpfen. Daskann doch nicht Ihr Wille sein.Wer hier Vergleiche mit dem FBI anstellt, redet dum-mes Zeug. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz,Klaus Buß aus Schleswig-Holstein, hat Ende Septemberdieses Jahres in einem Interview mit dem Deutschland-funk ausgeführt:Der internationale Terrorismus ist eine so schwereBedrohung unseres Landes, dass wir über dieseHürde springen sollten und dem Bundeskriminal-amt diese Möglichkeiten ähnlich wie den Landes-kriminalämtern auf ihrer Zuständigkeitsebene ein-räumen sollten.Ich sage Ihnen: Springen Sie mit!
Die AG Kripo hat im April dieses Jahres festgestellt,dass die dem Bundeskriminalamt zugewiesenen Befug-nisse nicht in jedem Fall ausreichen, um die dringend ge-botenen Verdichtungen von Sachverhalten, die auf eineGefahr durch terroristische Aktivitäten hindeuten, vor-zunehmen. Sie sehen: Unter den Fachleuten herrscht hiergroße Übereinstimmung.SrDlfeCglmDfvsFfhnrmrd
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 15/3805 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Änderung des Gesetzes zur Einord-
nung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetz-
buch
– Drucksache 15/3673 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Gesundheit und Soziale Sicherung
– Drucksache 15/3977 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Rolf Stöckel
Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der
DP vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist
ür die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich
öre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
er dem Kollegen Franz Thönnes für die Bundesregie-
ung das Wort.
F
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Die Bundesregierung begrüßt den Gesetzentwurfer Koalitionsfraktionen zur Änderung des Gesetzes zur
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Parl. Staatssekretär Franz ThönnesEinordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetz-buch, weil mit zwei sehr wesentlichen Änderungen desursprünglichen Gesetzentwurfs Erleichterungen für dieMenschen im Land geschaffen werden, insbesondere fürdiejenigen, die Sozialhilfe beziehen.Wir haben in diesem Haus gemeinsam eine Gesund-heitsreform verabschiedet, die mehr Eigenverantwor-tung gewährleisten soll, durch die die Beiträge gesenktwerden sollen und die mehr Qualität ins Gesundheitswe-sen bringt. Wir haben aber auch gesagt: Die Sozialhilfe-berechtigten sollen in die Krankenversicherung, in diePflegeversicherung und in die Rentenversicherung ein-bezogen werden. Vor dem Hintergrund ist auch deutlichgesagt worden, dass es für Sozialhilfeempfänger keinegenerelle Befreiung von Zuzahlungen geben soll.Gleichwohl hat man sich darauf verständigt, Belas-tungsobergrenzen einzuziehen: 1 Prozent des Einkom-mens für Menschen mit chronischen Erkrankungen und2 Prozent des Einkommens für alle anderen. Bei den So-zialhilfeberechtigten wurde anstelle des Einkommensdie Sozialhilfe als Grundlage genommen.Dies bedeutet, dass für Menschen, die in Heimen le-ben und überwiegend chronisch krank sind, eine maxi-male monatliche Belastung von gut 3 Euro vorgesehenwar. Wir alle hielten das für vertretbar, haben dann aberAnfang des Jahres bei der Umsetzung festgestellt, dassnicht alle Kassen und Sozialhilfeträger so flexibel wa-ren, die tatsächliche monatliche Belastung der Betroffe-nen auf 3 Euro zu begrenzen. Vielmehr sind durch Zu-zahlungen Belastungen in Höhe von 20, 30 oder auch40 Euro angefallen. Damit war gleich im ersten Monatdie Belastungsgrenze überschritten und die Grenze zurZuzahlungsbefreiung erreicht. Es war nicht verträglich,dass von einem Barbetrag in Höhe von 88 Euro 40 Eurofür Gesundheitsleistungen bezahlt werden müssen.Um dies für die Zukunft auszuschließen, sind in demvorliegenden Gesetzentwurf Regelungen vorgesehen,die gewährleisten, dass beim Übergang vom Jahr 2004zum Jahr 2005 für die Sozialhilfeträger und die Kassendie Verpflichtung besteht, sofort ab dem ersten Monatdie Betroffenen von der Zuzahlung freizustellen unddiese Beträge als Darlehen zu gewähren. Ich glaube,dass über diesen Weg die guten Beispiele, die wir beimletzten Jahreswechsel bei der AOK Rheinland und derAOK Rheinland-Pfalz erlebt haben, bundesweit Praxiswerden. Damit werden nicht zu verantwortende Belas-tungen im ersten bzw. zweiten Monat eines Jahres ver-mieden. Dies ist etwas, was mit dazu beiträgt, dass dieGesundheitsreform noch mehr Akzeptanz findet, wie dasauch schon in anderen Bereichen der Fall ist.Der zweite wichtige Punkt betrifft den Zusatzbarbe-trag. Nach dem Sozialhilferecht können Menschen, diein Heimen leben und mit einem Teil ihres Einkommensdazu beitragen, die Kosten zu decken, neben ihrem Bar-betrag, dem so genannten Taschengeld, das sich in derGrößenordnung von circa 88 Euro bewegt, noch einmaleinen maximalen Zusatzbarbetrag in Höhe von 44 Eurobekommen, mit dem anerkannt werden soll, dass sieselbst dazu beitragen, ihre Kosten im Heim zu decken.E1sklawtdewszfBotmrmHbBvzbesgjihwdwnmsdrbwgdgjCe
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Das Wort hat jetzt die Kollegin Verena Butalikakis
von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir be-schäftigen uns heute mit Änderungen an einem Gesetz,das erst am 1. Januar 2005 in Kraft treten wird. Wir be-handeln ein wichtiges Recht, das Sozialhilferecht. Da ei-nige Kolleginnen und Kollegen von der SPD und demBündnis 90/Die Grünen in den Beratungen in den letztenWochen – wie ich gerade festgestellt habe, trifft das auchauf den Staatssekretär zu – offensichtlich Erinnerungs-lücken haben, will ich ganz kurz auf die Vorgeschichtedieses Gesetzes eingehen.Vor genau einem Jahr, im Oktober 2003, beschlossdie rot-grüne Regierungsmehrheit im Bundestag in zwei-ter und dritter Lesung das nach ihren Vorstellungen ge-änderte Bundessozialhilfegesetz, das neue SGB XII.Rot-Grün beschloss damals ein Gesetz, obwohl in dervorangegangenen öffentlichen Anhörung der Entwurfauf verheerende Weise verrissen worden war und die Ex-perten viele Punkte bemängelt hatten.
Der Bundesrat hat das Gesetz dann abgelehnt; so lan-dete der Entwurf für das neue Sozialgesetzbuch XII miteiner Anzahl weiterer Gesetze und Gesetzesentwürfe zurBeratung im Vermittlungsausschuss. Dort konnten durchgemeinsame Bemühungen etliche von den Fachleutenbenannte Mängel behoben werden, außerdem wurden in-haltliche Korrekturen angebracht. Die gesetzestechni-sche Umsetzung oblag dem Bundesministerium für Ge-sundheit und Soziale Sicherung. Das Ergebnis war einvon allen Seiten getragener Kompromiss. Am 19. De-zember 2003 wurde das Sozialgesetzbuch XII als neuesSozialhilferecht von allen Fraktionen im Bundestag be-schlossen und fand die Zustimmung des Bundesrates.Nun sollte es nicht üblich sein, dass man ein beschlos-senes Gesetz bereits vor seinem In-Kraft-Treten ändert.Aber es kann durchaus sinnvoll sein, wenn man erkannteUnzulänglichkeiten korrigieren will. Eine solche Fehler-korrektur sah das zunächst von den rot-grünen Regie-rungsfraktionen am 3. September in den Bundestag ein-gvswlHssgsmtidÄetddllKAgD4dlSODgsbvRssmrduNsagdJe
abei handelt es sich um einen Betrag von höchstens4 Euro im Monat.Diesen kleinen Betrag hatte Rot-Grün – nicht etwaer Vermittlungsausschuss – für 2005 gestrichen, näm-ich im Entwurf der Regierungskoalition zum SGB XII.ie erinnern sich, das war der „schlechte“ Entwurf vomktober des letzten Jahres, der korrigiert werden musste.ort wurde der Zusatzbarbetrag gestrichen. In der Be-ründung dazu heißt es: Der nicht bedarfsbezogene Zu-atzbarbetrag zum Barbetrag entfällt, um eine Ungleich-ehandlung von Leistungsberechtigen in und außerhalbon Einrichtungen zu beenden. Diese Forderung vonot-Grün hatte im Vermittlungsausschussverfahren Be-tand.Angesichts der zahlreichen Proteste, die uns wahr-cheinlich alle erreicht haben, und natürlich zeitgleichit der Endphase des Kommunalwahlkampfes in Nord-hein-Westfalen wollten sich SPD und Grüne als Retteres Zusatzbarbetrags aufspielen
nd verfielen auf eine Stichtagsregelung, die bedeutet:ur derjenige, der am 31. Dezember 2004 einen An-pruch auf den Zusatzbarbetrag hat, erhält diesen Betraguch weiterhin unbegrenzt.An die Menschen und ihre Gefühle wird dabei nichtedacht. Auch die Darstellung des Staatssekretärs gingarauf nicht ein. Wie fühlt man sich denn, wenn man imanuar 2005 in eine stationäre Einrichtung kommt, dasigene Einkommen für die Unterbringung einsetzen
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Verena Butalikakismuss und dann erfährt, dass man nie mehr als das Ta-schengeld in Höhe von 88 Euro bekommen wird, wäh-rend Mitbewohner, die etwas länger – vielleicht nur ei-nen Monat, nämlich seit Dezember 2004 – in dieserEinrichtung leben, auf unbegrenzte Zeit über den Zu-satzbarbetrag verfügen können?
Man fühlt sich doch ungerecht behandelt.
In der am 30. September 2004 durchgeführten öffent-lichen Anhörung wurde diese Regelung von Rot-Grünvon den Sachverständigen einhellig abgelehnt. Die Re-gelung führe zu einer nicht zu rechtfertigenden Un-gleichbehandlung der Heimbewohner, die insbesonderein Behindertenwohnheimen über Jahrzehnte anhaltenwürde, so lautete das Fazit der Experten.Auch die pauschale Aussage, der stationäre Bereichwerde mit dieser Regelung generell gegenüber dem am-bulanten Bereich besser gestellt, hält nach Meinung vonFachleuten einer Überprüfung nicht stand; denn im am-bulanten Bereich – Herr Staatssekretär, Sie haben ver-gessen, das zu erwähnen – wird ab einer gewissen Ein-kommenshöhe ebenfalls ein Teil des Einkommensfreigestellt.Für die CDU/CSU-Fraktion wird mit dem Zusatzbar-betrag der eigenverantwortlichen Vorsorge der Men-schen für das Alter Rechnung getragen. Wir meinen:Eigenvorsorge muss sich lohnen,
gerade angesichts der massiven Senkungen, die es durchRot-Grün in der gesetzlichen Rentenversicherung gibt.Deshalb unterstützen wir den Vorschlag von Experten,den Zusatzbarbetrag – rechtssystematisch richtig als Ein-kommensfreibetrag – auch in das SGB XII aufzuneh-men.Wei
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es geht hiernicht um eine juristische Diskussion, deshalb bitte keineScheingefechte an dieser Stelle. Wir können gern eineandere Gesetzesstelle finden, in der der Zusatzbarbetragfestgelegt werden kann. Die entscheidende Frage für unsist nämlich nicht, wie, sondern dass der Zusatzbarbetragauf Dauer erhalten bleibt.
Ein weiterer wichtiger Punkt im Änderungsgesetz istdie Definition des notwendigen Lebensunterhalts inEinrichtungen. Unbestritten muss hier die Formulierungim beschlossenen Gesetz geändert werden. Bei der Um-setzung wurde jedoch die mangelnde rot-grüne Gesetz-gebungskompetenz deutlich; denn eingebracht wurde einVorschlag, der von allen Sachverständigen in der schongenannten Anhörung als völlig untauglich beschriebenwurde. Daraufhin wurde wieder ein Änderungsantragvon Rot-Grün eingebracht. Jetzt sind Sie zu einer Lö-sgpIfgLWnbVeALgeGHabfdddwrdgdhBrnbvgbDsghÄeSÄnsDBB
Als letzten Punkt möchte ich das Verfahren zum Än-erungsgesetz selbst aufgreifen. Der Staatssekretär haterade begrüßt, dass die rot-grüne Regierungskoalitionieses Änderungsgesetz in den Bundestag eingebrachtat. Vorausgegangen ist aber etwas ganz anderes: Dasundesministerium für Gesundheit und Soziale Siche-ung hat bereits im Frühsommer viele aufgefordert, denotwendigen Änderungsbedarf zum Sozialgesetz-uch XII zu benennen. Es kamen dann Rückmeldungenon den Ländern, den örtlichen und überörtlichen Trä-ern der Sozialhilfe, von den kommunalen Spitzenver-änden, den Wohlfahrtsverbänden und vielen anderen.as Bundesministerium hat alle Änderungswünsche ge-ammelt und einen Teil davon ausgewählt; die zugrundeelegten Kriterien sind leider unbekannt. Entschiedenat sich das Ministerium dann für circa 15 notwendigenderungen. Diese 15 Änderungen wurden aber nichttwa in einen Regierungsentwurf zur Änderung desGB XII eingebracht. Vielmehr hat das BMGS diesenderungen in den Entwurf eines anderen Gesetzes,ämlich des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes, ge-chrieben.
ieses Verwaltungsvereinfachungsgesetz beschloss dieundesregierung dann am 1. September. Nun ist es zureratung im Bundesrat. Zwei Tage später, also am
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Verena Butalikakis3. September, bekamen wir hier im Bundestag den Ent-wurf eines Änderungsgesetzes zum SGB XII von derrot-grünen Regierungskoalition auf den Tisch gelegt.
Heute wird nun dieses Änderungsgesetz hier beschlos-sen und an den Bundesrat weitergeleitet. Der Gesetzent-wurf jedoch, der derzeit im Bundesrat ist, also der Ent-wurf mit den 15 Änderungen, kommt wahrscheinlichEnde Oktober zur ersten Lesung zu uns in den Bundes-tag.
Meine Damen und Herren, dies ist wie eine politischeSatire. Ich glaube nicht, dass man das den Bürgerinnenund Bürger in unserem Land erklären kann.
Deshalb zum Schluss: Wir werden den rot-grünenÄnderungsentwurf ablehnen. Die CDU/CSU-Fraktionhat mit vier Änderungsanträgen ihre Alternativen aufge-zeigt. Wir glauben, dass es notwendig und richtig ist, einÄnderungsgesetz zum Sozialgesetzbuch XII einzubrin-gen, damit sowohl für die Bürgerinnen und Bürger alsauch für die Anwendung in der Praxis ein schlüssigesGesetz vorliegt. Ich befürchte nur, mit Rot-Grün ist dasnicht zu erreichen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Markus Kurth vom
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Liebe Frau Butalikakis, ich glaube, die einzelnen Verfah-rensschritte dürften den Besucherinnen und Besuchernauf der Tribüne in der Tat nur schwer klar zu machensein. Wichtig ist aber, was am Ende herauskommt, wel-che Veränderungen wir vornehmen. Hier sind die Geset-zesänderungen im Sozialhilferecht durchaus ein Beispielfür eine lernende Gesetzgebung. Wir machen die Zuzah-lungen für Heimbewohner praxistauglich – woher dieZuzahlungen kommen, wissen wir ja –, indem wir dieBeteiligung an den Unterkunftskosten im Heim vereinfa-chen: durch die Vereinheitlichung und die Anlehnung andie Grundsicherung, durch die Schaffung eines Ermes-sensspielraums für die Sozialhilfeträger und nicht zuletztdurch die Übergangsregelung für den Zusatzbarbetragder Heimbewohner.Bevor ich einige zusätzliche inhaltliche Anmerkun-gen mache, Frau Butalikakis: Ich finde, Sie machen essich zu einfach, Sie machen sich einen schlanken Fuß– und das ist nicht in Ordnung –, wenn Sie jetzt sagen,Sie wollen einen Einkommensfreibetrag einführen unddas verstetigen. Es ist ja nicht so, dass Sie das in den16 Jahren Ihrer Regierungszeit nicht hätten tun können.Wir müssen uns auch die Positionen der unionsregiertenBmksWBmVdaknsc–rrdvssinDhsbÄsthkrdwUazIlnshLaatcfns
as ist natürlich prima.Sie machen sich dabei einen schlanken Fuß. Es gehtier nicht darum, sozialpolitische Wunschlisten zu verle-en; das würde ich auch gerne tun; dann wäre ich nochis heute Nachmittag beschäftigt. Man müsste Ihremnderungsvorschlag eigentlich glatt zustimmen, um zuehen, was dann damit im Bundesrat passiert.Ich will mich auf den so genannten Investitionsbe-rag beschränken. Die Wohlfahrtsverbände haben daraufingewiesen, dass die Beteiligung an den Unterkunfts-osten in den Heimen zu unbilligen Härten bei Ehepaa-en führen kann, bei denen ein Partner im Heim lebt under andere noch in der gemeinsam genutzten Wohnung,enn zukünftig die so genannten Hotelkosten, also dienterbringungskosten im Heim, anders als bisher stärkeruf das Einkommen – etwa eine Rente – desjenigen, deru Hause lebt, angerechnet werden.Der zweite Kritikpunkt war, dass man gesagt hat, dienvestitionskosten in den Heimen sind sehr unterschied-ich, obwohl im Prinzip die Bedingungen für die Bewoh-erinnen und Bewohner gleich sind. Da freue ich michehr, dass es in Abstimmung mit den Trägern der Sozial-ilfe gelungen ist, hier eine eindeutige und praktikableösung zu finden. Die Höhe der Wohnkosten wird jetztn die Grundsicherungsleistungen angelehnt, das heißtlso, die durchschnittlichen Mietkosten der Sozialhilfe-räger sind die Grundlage. Dadurch wird mehr Rechtssi-herheit und Planungssicherheit für diejenigen geschaf-en, die in Zukunft unter diese Regelung fallen.Frau Butalikakis, ich glaube nicht, dass man mit so ei-er Regelung in einen Bereich kommt, in dem die tat-ächlichen Unterbringungskosten stark differieren.
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Markus Kurth
Es ist eine Näherung. Man muss immer abwägen zwi-schen einer Einzelfallregelung und einer pauschalen Re-gelung. Unsere Regelung führt zu mehr Planungssicher-heit.In der Konstellation, dass ein Ehepartner im Heimlebt, der andere zu Hause ist und höhere Auslagen fürden Partner hat, haben wir dafür gesorgt, dass eine Rege-lung aus dem Bundessozialhilfegesetz übernommenwird, die dem einzelnen Sozialhilfeträger einen zusätzli-chen Ermessensspielraum verschafft. Ich appelliere andie Sozialhilfeträger, diesen Ermessensspielraum in Här-tefällen auch in Anspruch zu nehmen, also dafür zu sor-gen, dass die zusätzliche Belastung des zu Hause blei-benden Ehepartners nicht dazu führt, dass auch ereventuell noch ins Heim muss. Denn dann werden dieKosten für die öffentliche Hand insgesamt höher und dasist auch mit entsprechenden Beschädigungen der Le-bensqualität der Betroffenen verbunden, die sich auf ihreSituation eingestellt haben. Ich denke, hier können dieSozialhilfeträger ihrer Verantwortung vor Ort gerechtwerden. Wir haben als Bundesgesetzgeber die Voraus-setzungen dafür geschaffen.Noch einmal: Mit diesen drei angesprochenen undhier diskutierten Regelungen haben wir ein gutes Bei-spiel für eine lernende Gesetzgebung. Sie sollten uns da-bei eigentlich unterstützen und zustimmen.
Zu einer Kurzintervention erteile ich der Kollegin
Butalikakis das Wort.
Herr Kurth, der Begriff „schlanker Fuß“ hat mich na-
türlich animiert, mich noch einmal zu Wort zu melden.
Sie haben in Ihren Ausführungen so getan, als ob wir
einen neuen Freibetrag einführen wollen. Das wollen
wir nicht. Ich hatte gehofft, das sehr deutlich gemacht zu
haben. Wir reden über den Zusatzbarbetrag, den jeder
Heimbewohner derzeit nach dem Bundessozialhilfege-
setz erhält. Wir wollen, dass dieser Zusatzbarbetrag auch
im neuen Sozialgesetzbuch XII festgeschrieben wird. Es
geht also nicht um einen neuen Tatbestand bzw. einen
neuen Betrag.
Wir sind den Experten gefolgt und haben gesagt, dass
man ihn wie andere Regelungen im Übrigen auch – bei-
spielsweise dann, wenn es um die Freistellung beim Ar-
beitseinkommen geht – sinnvollerweise als einen Ein-
kommensfreistellungsbetrag im Gesetz festschreiben
sollte. Ich hatte in meiner Rede auch sehr deutlich ge-
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Herr Kurth zur Erwiderung, bitte.
Ich bin gespannt, ob Sie Ihre Länderregierungen dazu
ringen. Das erwarte ich mit Spannung.
Zunächst einmal: Nicht jede Heimbewohnerin und je-
er Heimbewohner hat den Zusatzbarbetrag erhalten.
ch glaube, das muss man zur Klarstellung für die Zuhö-
erinnen und Zuhörer hier noch einmal sagen. Das hing
a vom Einkommen ab. Nur diejenigen, die über einen
elativ hohen eigenen Renten- oder Einkommensanteil
erfügten, haben ihn erhalten. Die meisten haben ihn
icht bekommen. Ich wiederhole auch noch einmal das,
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Diejenigen, die im ambulanten Bereich versorgturden, also zu Hause waren, haben ihn überhaupt nichtrhalten.Indem Sie den so genannten Zusatzbarbetrag in eineninkommensfreibetrag umwidmen, entsteht von derechtsform her natürlich schon eine neue Leistung. Dasst von der Systematik des Gesetzes her so nicht vorgese-en. Bei einer bedürftigkeitsabhängigen Leistung ist einusatzbarbetrag von der Systematik her nicht vorgese-en. Die Sozialhilfe richtet sich nach dem Bedarf.
an muss das den 2,4 Milliarden Euro, die jährlich anilfe zur Pflege anfallen und die von den Steuerzahlerin-en und Steuerzahlern aufgebracht werden, einmal ge-enüberstellen und schauen, ob ein Zusatzbarbetrag voriesem Hintergrund und bei dieser Konstellation nochine Berechtigung hat.
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Markus KurthEs wäre sicherlich sinnvoll und würde viel mehr brin-gen, im nächsten Jahr eine Reform der Pflegeversiche-rung anzugehen. Zum Beispiel sollten die Leistungen fürDemenzkranke aufgenommen werden. Außerdem solltedieser ganze Bereich dynamisiert werden. Dadurchkönnten wir für die betroffenen Bewohnerinnen und Be-wohner der Heime in der Regel viel mehr tun als überden Zusatzbarbetrag.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Heinrich Kolb von
der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fürdiesen Tagesordnungspunkt wurde nur eine sehr kurzeDebattenzeit angesetzt, sodass ich nur eine sehr kurzeRedezeit habe. Deswegen will ich mich auf drei Punktekonzentrieren, die für die FDP-Fraktion notwendigenSchlussfolgerungen aus der Anhörung sind und die sieals Entschließungsantrag heute vorlegt.Erstens. Alle Politiker reden sonntags über Bürokra-tieabbau. Nur die FDP handelt aber auch den Rest derWoche danach.
Die Darlehensregelungen, die Sie, liebe Kolleginnen undKollegen von der Koalition, als Vorschlag zur Abwick-lung der Zuzahlung von sozialhilfebedürftigen Heim-bewohnern vorlegen, ist jedenfalls ein sehr beredtes Bei-spiel dafür, warum in Deutschland alles so furchtbarkompliziert ist. Hier tobt sich rot-grüne Regulierungswutwieder einmal nach Herzenslust aus. Herr KollegeKurth, Sie sollten sich schämen, diese Regelung als pra-xistauglich zu bezeichnen. Sie ist schlichtweg ungeeig-net.Die Fakten sind: Nach Angaben des AOK-Bundes-verbandes gibt es bundesweit circa 232 800 sozialhilfe-berechtigte Heimbewohner in vollstationären Einrich-tungen. Diese Personen sind fast alle anerkanntchronisch krank, haben also eine Belastungsgrenze von1 Prozent. Das heißt, bei rund 36 Euro jährlich ist dieZuzahlungsgrenze erreicht. Den somit geschätzt etwa8,4 Millionen Euro möglichen Einnahmen stehen die er-heblichen Aufwendungen bei den Krankenkassen undbetroffenen Leistungsempfängern, bei Heimen und/oderSozialhilfeträgern gegenüber, zum Beispiel sich jährlichwiederholende Prüfungen von Einkommenssituationenund der geleisteten Zuzahlungen, Prüfung des Chroni-kerstatus, Verrechnung zwischen den Akteuren.Besonders problematisch ist, dass dieser Aufwandjährlich immer wieder aufs Neue entsteht. Aus Sicht derFDP gibt es daher nur eine richtige Lösung, nämlich dieAbschaffung der Zuzahlungspflicht für sozialhilfebe-dTGstbslwtDmgdefvm–GlttdwldmfdGSGlStnankvlgDd
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Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
erteile ich das Wort dem Kollegen Rolf Stöckel von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! FrauButalikakis, richtig ist, dass dieses Änderungsgesetz not-wendig ist, weil der Vermittlungsausschuss das In-Kraft-Treten der Neuregelungen des SGB XII um sechs Mo-nate verschoben hat. Uns zu unterstellen, dass wir Ände-rungen vorlegen müssten, weil der Gesetzentwurf mitder heißen Nadel gestrickt sei, und so die üblichen Kli-schees vom rot-grünen Chaos wieder aufzuwärmen, isteinfach nur Show und wird der Sache nicht gerecht.Es ist sinnvoll – das ist zwischenzeitlich in der Praxisangemahnt worden –, einen bundeseinheitlichen Maß-stab für den notwendigen Lebensunterhalt in statio-nären Einrichtungen zu schaffen. Ich glaube, den Be-darf entsprechend der Grundsicherung im Alter und beiErwerbsminderung zu definieren ist aus Gründen derVerwaltungsvereinfachung einfach die beste und gerech-tere Lösung. Darin waren sich die Experten einig, so-wohl die Sozialhilfeträger als auch die Bundesarbeitsge-meinschaft der Freien Wohlfahrtspflege.Bisher gab es im Bundesgebiet und den Ländernselbst als Investitionsbeitrag unterschiedliche Kostenan-teile von 2 bis 24 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche.Ihr Vorschlag, dass die Länder durch RechtsverordnungPauschalen festsetzen können, wäre nicht nur aufwendi-ger, sondern würde den unterschiedlichen lokalen Märk-ten und Trägersituationen nicht gerecht und es wäre da-durch zu 16 unterschiedlichen Regelungen gekommen.Wir sind auch den Hinweisen – das hat der KollegeKurth bereits angesprochen – der Experten in der Anhö-rung hinsichtlich der Ehepartner gefolgt,
die gezwungen sind, aufgrund der stationären Pflege ei-nes Partners in zwei Haushalten zu leben. Die Unter-haltsfreistellung des BSHG wurde in das neueSGB übernommen. Ich glaube, wir sind uns einig, dassdas eine sinnvolle Regelung ist.Einigkeit, Frau Butalikakis und Herr Kolb, herrschte ei-gentlich auch auf allen Seiten darüber, dass der Zusatz-barbetrag zum Taschengeld für sozialhilfeberechtigteHeimbewohner systemwidrig ist. Das hätte zu der Zeit,als Sie an der Regierung waren, geändert werden kön-nen. Es gab bereits 1974 von Ihnen den Vorschlag, einenEinkommensfreibetrag für Rentnerinnen und Rentneroder für Behinderte mit einem entsprechenden Einkom-men zu schaffen. Ich habe 15 Jahre während Ihrer Regie-rungszeit in einem Sozialamt gearbeitet. Ich frage mich,warum Sie es nicht im Bundesrat und im Bundestag ge-schafft haben, diese Regelung einzuführen. Ich bin ge-nauso wie der Kollege Kurth gespannt, wie Sie und dieunionsgeführten Länder das den Kommunen vor demHintergrund der Kostensteigerung von 9,7 Prozent fürHkgmeBnmÜnzSkscfsbbSvaleErdscddrtüdhtpu„hS
Ich bin der Meinung, dass die Regelung, dass wir dieozialhilfeträger – die sind dafür zuständig – bundesweiterpflichten, die Zuzahlungen der Heimbewohner
ufgrund des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes dar-ehensweise über ein Jahr sozialverträglich zu strecken,inen Sinn ergibt.Es geht Ihnen im Grunde nicht um die Betroffenen.s geht Ihnen eigentlich um die OTC-Produkte und da-um, dass Ihre Klientel, nämlich die Unternehmen, dieiese verkaufen, ein Einfallstor bekommen, damit sietaatlich garantierte Gewinne mit Sozialhilfemitteln ma-hen können. Darum geht es. Ich bin der Meinung, dassas im Gegensatz zu sämtlichen bisherigen Positionener FDP im Sozialhilferecht steht.Die begrenzten Zuzahlungen, auch von Sozialhilfebe-echtigten, sind für ein wirtschaftliches Gesundheitssys-em und auch mit Blick auf die Geringverdiener und dieberall vorhandene Neigung zur Mitnahme auf Kostener Betroffenen sachlich und sozial gerechtfertigt. Des-alb stehen wir auch dazu. Der Lebensunterhalt der Be-roffenen wird mit der Sozialhilfereform besser ange-asst und gesichert. Die Verwaltung wird vereinfacht
nd die Hilfen zur Selbsthilfe werden wie der Grundsatzambulant vor stationär“ gestärkt. Dazu haben Sie über-aupt nichts gesagt.
ie sehen vor lauter Bäumen den Wald nicht.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 133. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Oktober 2004 12187
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Rolf StöckelDeswegen unterstützen Sie, liebe Kolleginnen undKollegen, unseren Gesetzentwurf, damit mit diesem Än-derungsgesetz der Weg für eine notwendige und umfas-sende Reform des Sozialhilferechts zum 1. Januar 2005frei gemacht wird.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von denFraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grüneneingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Geset-zes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozial-gesetzbuch, Drucksache 15/3673. Der Ausschuss für Ge-sundheit und Soziale Sicherung empfiehlt in seinerBeschlussempfehlung auf Drucksache 15/3977, den Ge-setzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ichbitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-schussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzei-chen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetz-entwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmender Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurfist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen dieStimmen der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion ange-nommen.Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent-schließungsantrag der Fraktion der FDP auf Druck-sache 15/3996. Wer stimmt für diesen Entschließungsan-trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – DerEntschließungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen derKoalitionsfraktionen und den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion bei Zustimmung der FDP-Fraktion.Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 sowie Zusatzpunkt 9auf:22 Beratung des Antrags der AbgeordnetenReinhold Hemker, Dr. Sascha Raabe, Dr. HertaDäubler-Gmelin und der Fraktion der SPD sowieder Abgeordneten Ulrike Höfken, Thilo Hoppe,Volker Beck , weiterer Abgeordneter undder Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-NENErnährung als Menschenrecht– Drucksache 15/3956 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaft
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungZP 9 Beratung des Antrags der AbgeordnetenBernhard Schulte-Drüggelte, Peter H. CarstensenAgbnsraVrWowUsKKWtHalamcUnrzezrdrm
, Dr. Christian Ruck, weiterer Abge-
Das in der Geschichte der Vereinten Nationen bisherinmalige Instrument ist in einen umfassenden Entwurfur Hungerbekämpfung integriert, dessen menschen-echtliches Instrumentarium es den Betroffenen erlaubt,ie Erfüllung der politischen Verpflichtungen vor Ge-icht einzuklagen. Mit solchen und weiteren Maßnah-en werden praktische Wege aufgezeigt, wie das Recht
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Bundesministerin Renate Künastauf Nahrung schrittweise für alle Menschen verwirklichtwerden kann.Ich freue mich, dass das Bundesverbraucherministe-rium – nachdem der Bundestag die erforderlichen Mittelzur Verfügung gestellt hat – die Möglichkeit hatte, die-sen Prozess mit zu initiieren und finanziell zu unterstüt-zen. Es waren ein starker politischer Wille und auch Be-harrlichkeit notwendig, um die Leitlinien zu erarbeiten.Auch die G-77-Staaten und der Vorsitzende der zwi-schenstaatlichen Arbeitsgruppe, der iranische FAO-Bot-schafter, haben bemerkenswerte Beiträge geleistet. Andieser Stelle möchte ich mich besonders bei dem Gene-raldirektor der FAO, Herrn Diouf, bedanken, den wir üb-rigens heute in diesem Haus begrüßen dürfen. Er sitztzusammen mit Herta Däubler-Gmelin auf der Tribüne.Herzlich willkommen!
Ich möchte ebenfalls herausstellen, dass NGOs, zumBeispiel die Menschenrechtsorganisation FIAN Interna-tional, einen großen Teil der Arbeit geleistet haben, ge-nauso wie viele Abgeordnete dieses Hauses, die diesenProzess begleitet haben, sowie Mitarbeiterinnen undMitarbeiter meines Hauses, der UN, des AuswärtigenAmtes und der GTZ.Die Leitlinien sind etwas Besonderes. Sie haben näm-lich das Potenzial, den Teufelskreis aus Hunger und Ar-mut aufzubrechen und im Zusammenhang mit bestimm-ten Regierungsformen und -maßnahmen und eineranderen Verteilung des Profits innerhalb eines Landesdafür Sorge zu tragen, dass Armut bekämpft wird unddass die betroffenen Menschen Zugang zu Wasser, Land,Saatgut und Bildung haben und sich Perspektiven erar-beiten können. Bevor im kommenden November die of-fizielle Verkündung erfolgt, wissen wir schon jetzt – dasist der nächste Schritt –, dass es darum geht, das Rechtauf Nahrung in den einzelnen Ländern durchzusetzenund dafür Sorge zu tragen, dass internationale Organisa-tionen in dieses Konzept eingebunden werden. Deutsch-land wird diesen Prozess nach Kräften weiter unterstüt-zen.Vor zwei Tagen haben wir hier in Berlin die dritteKonferenz „Politik gegen Hunger“ eröffnet. Nachdemwir im letzten Jahr über Nahrungsmittelhilfen geredethaben, geht es in diesem Jahr um die WTO-Verhandlun-gen in Genf. Auch die WTO-Verhandlungen müssensich an ihrem Erfolg bei der strukturellen Hungerbe-kämpfung messen lassen. Es darf nicht einfach nur umLiberalisierung gehen nach dem Motto: Der Stärkste,also derjenige, der am meisten exportiert, wird gewin-nen. Vielmehr muss man sich fragen, ob das den Hun-gernden, den Landlosen und den Arbeitslosen weltweithilft und ihren Zugang zu Finanzmitteln erleichtert. Des-halb muss die WTO einen makroökonomischen Rahmenschaffen, der gerade den Menschen im ländlichen RaumPerspektiven gibt.
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ei einer solchen Reform müssen wir sowohl die Situa-ion der Menschen in den Produzentenländern als auchie Arbeitsplätze bei uns im ländlichen Raum im Blickehalten. Die Aufgabe wird sein, diese Reform so intelli-ent und kreativ zu machen, dass die Menschen sowohln den Produzentenländern als auch bei uns nach einerbergangsphase eine Zukunft haben.Mit den Leitlinien zum Recht auf Nahrung haben wirinen Schritt nach vorne gemacht. Jetzt geht es darum,iese Leitlinien umzusetzen und bei der WTO aktiv zuerden. Jeder Mensch hat das Recht auf ausreichendend gesunde Nahrung. Wir stehen zwar erst am Anfang,ber ich freue mich, dass die hier Anwesenden auch inukunft an der Erreichung dieses Zieles arbeiten wollen.
Als nächster Redner hat das Wort der Kollege
ernhard Schulte-Drüggelte von der CDU/CSU-Frak-
ion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-en! Stellen Sie sich einmal eine Tageszeitung im Jahre015 vor. Die Schlagzeile wird wahrscheinlich lauten:as Ziel der Vereinten Nationen wurde verfehlt; einealbierung der Zahl der Hungernden bis zum Jahre 2015urde nicht erreicht. Im Fließtext könnte man lesen:chon auf einer Konferenz in Berlin im Oktober 2004urde vorausgesagt, dass man dieses Ziel verfehlenird, wenn nicht gehandelt wird und wenn die Agrar-irtschaft in den Entwicklungsländern nicht gestärktird. Wir wollen nicht bis 2150 warten, wie es der Ge-eraldirektor der FAO, Dr. Jacques Diouf, heute Morgenn einem Gespräch gesagt hat. Auch ich freue mich sehr,ass Jacques Diouf die heutige Debatte von der Tribüneus mitverfolgt.
Die Leitlinien zu einem Recht auf Nahrung und derktionsplan 2015 sind wichtige Ziele. Die Regierungener Entwicklungsländer werden sich künftig an der Ein-altung dieser Leitlinien messen lassen müssen. Dasroblem ist jedoch, dass die Maßnahmen ihre volle Wir-
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Bernhard Schulte-Drüggeltekung kaum entfalten können, wenn sie nicht mit einerkohärenten Entwicklungspolitik der Industrieländer ein-hergehen.Die deutsche Entwicklungspolitik ist insofern keinVorbild. Die Entwicklungshilfe betrug 2003 gerade ein-mal 0,28 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nach ei-nem EU-Beschluss soll sie 2006 schon 0,33 Prozent be-tragen. Die Bundesrepublik hält ihre Verpflichtungennicht ein, wenn sie die gegenwärtige Politik fortsetzt.Die Bundesregierung leistet auf diese Weise keinenglaubwürdigen Beitrag zur Verwirklichung der Millenni-umsziele.
Derzeit sind über 800 Millionen Menschen unterer-nährt, davon sind 180 Millionen Kinder. Wie wir heuteMorgen noch einmal eindringlich gehört haben, sterben14 000 Kinder am Tag an Unterernährung. Diese Zahlmuss uns doch erschrecken und zum Umdenken bewe-gen.Die Hauptproblemregionen sind Südasien und Afrikasüdlich der Sahara. Rund 70 Prozent dieser Menschenleben auf dem Lande; da bestätige ich die Aussage derMinisterin.
– Bitte, Frau Wolff.
Herr Kollege, Sie haben die Frage, ob Sie die Zwi-
schenfrage zulassen, schon beantwortet.
Entschuldigung.
Das macht nichts.
Bitte schön, Frau Wolff.
Herr Kollege Schulte-Drüggelte, Sie reden so voll-
mundig davon, dass die Bundesregierung ihrem Ziel
nicht gerecht werden kann. Wir alle hier im Saal wissen
doch, dass sich die Erreichung der Ziele vorrangig im
Bereich der Agrarpolitik entscheidet. Ich nenne bloß ein
Beispiel: Zuckermarktordnung. Darf ich davon ausge-
hen, dass Ihre Fraktion bereit sein wird, mit Blick auf die
WTO insofern entscheidende positive Schritte mitzuge-
hen?
Ich habe gerade die Daten genannt, wie sie im Haus-halt abzulesen sind. Welche Vorstellungen die Regierunghat, ist eine Seite; was sie tatsächlich tut – das ist Fakt;dSddbfgwbslhsfhWBPephSmnsrlduwGzDsIkidNggaE–sab
ieser Weg erfordert verstärkt Investitionen und An-trengungen in angewandter Agrarforschung und in dernnovationsentwicklung. In diesem Land sollte die Dis-ussion daher möglichst sachgerecht und nicht nur aufdeologischer Basis geführt werden.
Als wesentliche Ursachen für die Schwierigkeiten inen Entwicklungsländern gelten neben Instabilität undaturkatastrophen – Frau Ministerin, Sie sprachenerade gutes Regierungshandeln an – schlechtes Re-ierungshandeln. Wir wissen ja – um es noch einmalnzusprechen –, dass ein solches Verhalten nicht aufntwicklungsländer beschränkt ist.
Ja.Zudem sollte es ein Ziel europäischer Handelspolitikein, dass die fortschreitende Liberalisierung der Welt-grarmärkte auch den Entwicklungsländern Vorteileringt, ohne das europäische Agrarmodell zu gefährden.
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Bernhard Schulte-DrüggelteDie Agrarwirtschaft in den Entwicklungsländern brauchtjedoch ausreichende Unterstützung, um am internationa-len Handel erfolgreich teilnehmen zu können. Siebraucht einen fairen Wettbewerb.Wie wir auf der jetzt in Berlin stattfindenden Tagunggehört haben, fördert der Handel Produktivitätssteige-rungen. Produktivitätssteigerungen fördern das Wachs-tum. Wachstum steigert das Einkommen und reduziertHunger und Armut. Das heißt, die Bundesregierungmuss der Agrarentwicklungshilfe insgesamt einen deut-lich höheren Stellenwert beimessen.
Das Motto lautet: Agrarforschung bei der Entwicklungs-zusammenarbeit verstärken und globale Verantwortungfür die Welternährung übernehmen.Ich darf noch einmal Jacques Diouf zitieren:Eine Welt mit weniger Armut und weniger Hungerist auch eine stabilere Welt mit mehr Frieden.Wir tragen auch Verantwortung, wenn wir nicht han-deln.Danke.
Das Wort hat jetzt der Kollege Reinhold Hemker von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Zunächst einmal möchte auch ich meinen Dank all den-jenigen aussprechen, die an der Erarbeitung der Leitli-nien zum Recht auf Nahrung mitgewirkt haben;Dr. Diouf ist namentlich schon genannt worden. FrauMinisterin, ich richte meinen Dank aber auch an diejeni-gen, die insbesondere auf deutscher Seite ihren Beitraggeleistet haben, nicht nur finanziell, sondern über mitt-lerweile zwei Jahre auch inhaltlich. Wir können nun frohsein, dass uns seit etwa vier Wochen das Ergebnis vor-liegt. Herzlichen Dank!
Die dieser Debatte vorausgegangene Ausschusssit-zung heute Morgen hat noch einmal deutlich gemacht,wie komplex die jeweiligen Wechselwirkungen zwi-schen Handelsliberalisierung und Ernährungssiche-rung ist. Die Bedeutung von Infrastruktur – ich denke andie Verteilung von Produktionsmitteln in den jeweiligenLändern und weltweit, an Dünger und an den Zugang zuWasser, Stichwort Produktionssteigerung – wird uns –das ist zumindest mir und den Teilnehmern der Sitzungvor dem Hintergrund der Ausführungen von Dr. Dioufklar geworden – in den nächsten Jahren immer wiederneu beschäftigen. Auch für diese Ausführungen sage ichan dieser Stelle herzlichen Dank.deRrnLlu2dwaWtluSraZltLmuHsmnEVsswrMdnbgAlmgwpHmBßn„bssAA
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Sozialstandards werden verweigert. Es wird verlangt,dass der Mutterschutz weltweit berücksichtigt wird, aberin vielen Ländern – im Übrigen auch in den von mir ge-nannten freien Produktionszonen – werden schwangereFrauen sofort entlassen. Das ist ein weiterer Skandal.Das Verbot des Sprühens von hochgiftigen Pestizidenwird zwar als notwendig erachtet, aber es kommt weiter-hB3duNSRrfwbsvzndvdjAdhSjFwmtsGsAsuKpsbbbz
Als nächster Redner hat der Kollege Hans-Michael
oldmann von der FDP-Fraktion das Wort.
Ich wollte eigentlich mehr auf das Miteinander zuprechen kommen, als über Agrardiesel reden. Übergrardiesel reden wir dann, wenn das Thema Agrardie-el ansteht. Jetzt geht es um Welternährungsproblemend deshalb reden wir auch darüber.Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Ich finde es gut, dass wir uns heute in einemarlamentarischen Einstieg über diese Dinge austau-chen. Die Kollegen, die hier schon geredet haben, ha-en ihre intensiven Kenntnisse und die Qualität, die sieei diesem Thema zu bieten haben, zum Ausdruck ge-racht. Ich habe großen Respekt vor dem, was die ein-elnen Redner hier ausgeführt haben.
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Hans-Michael GoldmannIch glaube, dass wir uns bei diesem Thema an keinerStelle auseinander dividieren sollten, sondern ernst ma-chen sollten mit unserem politischen Willen, das Rechtauf Nahrung für die Menschen zu realisieren, die vonden Welternährungsproblemen betroffen sind.Wir haben eine generelle Pflicht; ich glaube, die bei-den Anträge bringen das zum Ausdruck. Ich muss ehr-lich sagen: Nachdem ich den CDU/CSU-Antrag gelesenhatte, sah ich für meine Fraktion keinen Bedarf mehr füreinen eigenen Antrag. Es ist ein exzellenter Antrag, derdie Bereiche abdeckt, die hier zu diskutieren sind. Wirwerden das im Ausschuss tun und dann die richtigenSchlüsse ziehen.Richtig ist: Für viele Menschen ist die Ernährungssi-tuation höchst dramatisch. Aber wir dürfen nicht nur einSchreckensszenario aufzeigen, sondern wir müssen auchdie vielen Chancen erkennen. Dazu muss der eine oderandere – ich werde es auf jeden Fall tun – seinen Infor-mationsstand verbessern. Als wir in Rom bei der FAOwaren, war ich von der Leistungsfähigkeit der Mitarbei-ter und von der Aussagekraft der Materialien, die uns andie Hand gegeben wurden, sehr beeindruckt.So dramatisch die Situation auch ist, so gut ist diePerspektive, wenn man das macht, was notwendig ist.Wir haben große Chancen, dem Hunger in der Welt aktivzu begegnen, wenn wir die richtigen Weichenstellungenvornehmen. Die Zuckermarktreform ist ein Baustein.Aber es geht um viel mehr. Es geht im Grunde genom-men darum, in allen Bereichen das Miteinander zu stär-ken und das „Fördern und Fordern“ umzusetzen. Wirmüssen auf der Grundlage der Erkenntnisse der FAOkonkret handeln, damit die Hilfe wirksam wird. Ichglaube, in diesem Punkt sind wir uns einig.Ich war sehr beeindruckt, als ich feststellte, dass ausdiesem gesamten Komplex auch Chancen für Bereicheentstehen, die wir immer wieder kritisch hinterfragen.Die Weltbevölkerung und damit der Lebensmittelbedarfwachsen auch in den nächsten Jahren. Wir können abergroße Schritte unternehmen, damit mehr Lebensmittelbereitgestellt werden. Wir müssen durch Anreize undwirtschaftliche Hilfe zunächst dafür sorgen, dass diejeni-gen, die kein Geld haben, in die Lage versetzt werden,sich etwas zu kaufen. Wir müssen die Eigenkräfte derMenschen stärken und den betreffenden Ländern denMarktzugang ermöglichen. Da heißt es demnächst:Butter bei die Fische. Das weiß jeder von uns, der sichmit dem Thema Zuckermarktreform beschäftigt.Wir müssen aber auch die Angebotsproblematik imAuge haben. Die Erträge müssen gesteigert werden. Wirmüssen damit aufhören, die intensive Landwirtschaftzu diskriminieren.
Intensive Landwirtschaft, die Grüne Gentechnik, inten-sive Formen der sachgerechten Düngung, kluge Bewäs-serung und Einsatz von moderner Technik werden dazubeitragen, die Erträge zu steigern. Wir müssen die Er-träge steigern, weil die Weltbevölkerung wächst. Dieeine oder andere Fläche muss möglicherweise noch zu-sAsscivGtdueLhpKgtkdnHouSdafssSWWwdsdO
Natürlich ist gutes Regierungshandeln dafür einerundvoraussetzung. Aber auch wir können etwas dafürun, indem wir zum Beispiel die Grüne Gentechnik füriesen Bereich als Chance begreifen. Wir sollten sie innserem hoch qualifizierten Land erproben und weiter-ntwickeln. Aus diesen Erkenntnissen heraus könnenösungen erarbeitet werden, die den Betroffenen vor Ortelfen.Wir sollten uns darin einig sein, dass nicht alles ka-uttgemacht und zerstört werden darf. Wir müssen dieräfte bündeln, um diesem Problem insgesamt zu be-egnen. In diesem Sinne werden wir die Ausschussbera-ungen begleiten. Ich hoffe, dass wir da ein Stück weiter-ommen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Marlene Mortler von
er CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Ge-eraldirektor Diouf! Meine sehr geehrten Damen underren! Jede Gesellschaft, ob in den Industrienationender in den Entwicklungsländern, wäre ohne die Arbeitnd den Einsatz ihrer Bäuerinnen und Bauern ein ganzestück ärmer. Es gibt wohl keine andere Berufsgruppe,ie so stark vom Wetter, vom Markt und von der Politikbhängig ist. Deshalb brauchen alle Bauern auf der Weltaire Rahmenbedingungen statt idyllischer Scheinkulis-en.
Was nutzen Bilder von strahlenden Ökobauern, wieie bei der Ministerreise in China präsentiert wurden?ie helfen nicht, den Hunger in der Welt zu bekämpfen.enn ich weiß, dass die Ressourcen Ackerland undasser begrenzt vorhanden sind, wenn ich weiß, wieichtig die eigene Wirtschaft und die Landwirtschaft füren Lebensstandard und die Lebensqualität im Landind, brauche ich andere Lösungsansätze.
Hungerkrisen sind komplex. Aber Tatsache ist, dassie Zahl der hungernden Menschen auf der Welt steigt.b Naturkatastrophen, Armut, weit verbreitete Krank-
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Marlene Mortlerheiten oder die angesprochenen menschengemachtenUrsachen wie Krieg, Misswirtschaft und politische Fehl-entscheidungen korrupter und diktatorischer Regime, siesprechen eine deutliche Sprache. Traurige Beispiele derjüngsten Zeit sind Sudan, Haiti und Simbabwe.Eine Gegenüberstellung von Getreideernte und Ge-treidebedarf der von der Hungersnot 2002/2003 amstärksten betroffenen Staaten verdeutlicht dies: In Sim-babwe wurden in diesem Jahr 2 Millionen Tonnen Ge-treide geerntet. Theoretisch benötigt die eigene Bevölke-rung nur 500 000 Tonnen Getreide. Trotzdem hungertendort die Menschen, weil das Getreide sie nie erreicht hat.Vor diesem Hintergrund können und müssen die imSeptember verabschiedeten Leitlinien der FAO zur Hun-gerbekämpfung mit ihrer Forderung nach einem gutenRegierungshandeln an Bedeutung gewinnen. DieseSelbstverpflichtungen, die mehr als 120 Länder unter-schrieben haben, richten sich an die jeweiligen Regie-rungen und machen deutlich, wo als Erstes die Verant-wortung bei der Hungerbekämpfung liegt. Nur inLändern mit ausreichenden rechtsstaatlichen und markt-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kann die interna-tionale Staatengemeinschaft bei der Sicherung der Er-nährung wirklich und nachhaltig helfen. Dies geschiehtsicherlich immer wieder kurzfristig durch Nahrungsmit-telhilfe. Aber langfristig muss in den hungergefährdetenLändern die Steigerung der Nahrungsmittelproduktionim Vordergrund stehen.Leistungsfähige landwirtschaftliche Produktions-systeme, die die Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllen,müssen weiterentwickelt werden. Hier gibt es verschie-dene Mittel, die zum Ziel führen. Aber auch ich unter-stütze die Aussage von Herrn Hemker, der deutlich ge-macht hat, wie wichtig es ist, dass sich die Menschen vorOrt aus eigener Kraft helfen
oder dass wir beim Aufbau kleiner landwirtschaftlicherEinheiten unterstützend mitwirken.Vor allem aber sollten die Ergebnisse der modernenAgrarforschung genutzt werden, wie wir in unseremAntrag – Stichwort: Biotechnologie – fordern. Im Ge-gensatz dazu steht der Antrag der Regierungskoalition,über den – ich zitiere Bundesminister Schily: „Ein sol-cher Unfug rettet keinen einzigen Erdenbürger vor demHungertod“ – in Ihren Reihen wohl sehr unterschiedlichdiskutiert wird. Ein zweiter Satz von ihm lautete: Ichverstehe manchmal wirklich nicht mehr, was wir hier ei-gentlich machen. – Das lasse ich einmal so im Raumestehen.Die immer größer werdende Schere zwischen Armund Reich wird auch der vorliegende Antrag nichtschließen. Ich stehe voll hinter Aussagen des Weltbau-ernverbandes, der sagt: Wenn man Hunger und Armutauf der Welt beseitigen will, muss man mit denjenigenreden und zusammenarbeiten und diejenigen stärken, dieNahrungsmittel produzieren. Ich füge hinzu: Das sinddnruKWNZlswhdWwFAeGAdbkmweenhHDfsrZDads
Ich begrüße die Aussage von Frau Künast, die gesternnd heute gesagt hat: Deutschland wird die treibenderaft bei der Zuckermarktreform sein.
ir sollten uns nach wie vor vor Augen halten, dass dieutznießer einer ungezügelten Liberalisierung wenigeucker produzierende Familien in Brasilien sind. Feuda-istische Strukturen und großflächige Plantagenwirt-chaften haben dazu geführt, dass Brasilien bereits dereltgrößte Zuckerexporteur ist. Niedrige Löhne, weitge-end rechtlose Landarbeiter und eine massive Belastunger Umwelt konnten dazu führen, dass Brasilien alseltzuckerlieferant einen ungehemmten Verdrängungs-ettbewerb betreiben konnte.Ich begrüße ausdrücklich die weitere Aussage vonrau Ministerin, die gesagt hat: Wir müssen auch auf dierbeitsplätze in unserem Land schauen. Auch das ist jaine wichtige Forderung der Gewerkschaft Nahrung-enuss-Gaststätten. Die zentrale Forderung in unseremntrag lautet ja, dass die fortschreitende Liberalisierunger Weltagrarmärkte so gestaltet werden sollte, dass sieesonders den ärmsten Entwicklungsländern zuguteommt, dass andererseits unser europäisches Agrar-odell mit seinen hohen Standards in Bezug auf Um-elt-, Tier- und Verbraucherschutz nicht gefährdet wird.
Die Zukunft war früher auch besser, hat Karl Valentininmal gesagt. Aus Sicht der Entwicklungsländer wäreine Entwicklung, wenn sie in der von mir beschriebe-en Richtung verlaufen würde, eine Katastrophe. Des-alb gibt es keine Alternative zu verantwortungsvollemandeln.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage aufrucksache 15/3956 wie folgt zu überweisen: zur feder-ührenden Beratung an den Ausschuss für Verbraucher-chutz, Ernährung und Landwirtschaft und zur Mitbe-atung an den Ausschuss für wirtschaftlicheusammenarbeit und Entwicklung. Die Vorlage aufrucksache 15/3940 soll an die in der Tagesordnungufgeführten Ausschüsse überwiesen werden. Gibt esazu weitere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dannind die Überweisungen so beschlossen.
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsIch rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Sicherung vonWerkunternehmeransprüchen und zur ver-besserten Durchsetzung von Forderungen
– Drucksache 15/3594 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenMir liegen widersprüchliche Informationen dazu vor,ob die Reden zu Protokoll genommen werden sollenoder ob sie gehalten werden sollen.
Jeder, der sprechen will und als Redner gemeldet ist,kann natürlich sprechen.Als erstem Redner gebe ich dem Kollegen DirkManzewski von der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirdebattieren heute über einen Gesetzentwurf des Bundes-rates, den Entwurf eines so genannten Forderungssiche-rungsgesetzes. Ziel dieses Gesetzes soll es sein, berech-tigte Forderungen von Handwerkern schneller undleichter zu sichern. So löblich ich persönlich dieses An-liegen des Bundesrates finde, so deutlich muss ich aller-dings auch sagen, dass ich erhebliche Bedenken habe, obmit diesem Gesetzesentwurf das damit verbundene Zieltatsächlich erreicht wird. Es ist ja nun nicht das ersteMal, dass wir uns hier über diese Thematik unterhalten.Ich erinnere daran, dass wir vor nicht allzu langer Zeitdas so genannte Gesetz zur Beschleunigung fälligerZahlungen beschlossen haben. Man muss ehrlicher-weise eingestehen – das war auch das Ergebnis derBund-Länder-Arbeitsgruppe „Verbesserung der Zah-lungsmoral“, die daraufhin eingesetzt worden ist –, dasses eben nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat. Wirwaren uns allerdings darin einig – wenn ich einmal vonder Fertigstellungsbescheinigung absehe –, dass die Er-wartungen ohnehin nicht so hoch waren. Es hat auchnoch weitere Gesetzesentwürfe gegeben. Frau Voßhoff,ich erinnere an das von der Union vorgeschlagene Bau-vertragsgesetz, das damals im Grunde genommen schonan seinem ersten Paragraphen scheiterte, in dem es hieß,dass dieses Gesetz nur für Gewerke an einem Bau geltensolle. Relativ schnell wurde allerdings deutlich, dass alldiejenigen Handwerker nicht berücksichtigt wurden, dieGewerke für einen Bau liefern. Sie erinnern sich auch,dass der gesamte Einfamilienhausbau von den Regelun-gen ausgeschlossen werden sollte. Die Handwerker rea-gierten dementsprechend wütend, weil sie an dieses Ge-setz ganz andere Erwartungen hatten. Damals hieß dieprozessuale Wunderwaffe Vorabentscheidung; die Bau-handwerkersicherungshypothek sollte abgeschafft wer-den. Auch das Gesetz zur Sicherung von Bauforderun-gen sollte – bis auf die Vorschriften, die ins BGBübernommen werden sollten – aufgehoben werden. Siewerden sich sicher daran erinnern.AcwsdrebetgkwirnGdsslzdsknlGZadgkFrswdRdskdnkSuqteMduw
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Als nächste Rednerin hat die Kollegin Andrea
oßhoff von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!nsbesondere Ihre letzten Worte, Herr Manzewski, habenich sehr erfreut. Ihre Anregung, dass wir uns unabhän-ig von diesem Gesetzentwurf mit der Frage beschäfti-en sollten, ob wir vielleicht ein individuelles Bauver-ragsrecht gebrauchen könnten, kann ich nur begrüßen.azu komme ich aber noch.Dass wir uns heute wieder einmal mit dem ThemaSicherung von Werklohnforderungen“, bekannt auchnter der Überschrift „Bekämpfung mangelnder Zah-ungswilligkeit insbesondere im Bauhandwerk“, in die-em Hohen Hause befassen müssen, war eigentlich zurwarten. Mit der Gesetzesinitiative des Bundesrates fürin Forderungssicherungsgesetz steht also wieder einmalie Frage nach Änderungen des Werkvertragsrechts aufer Tagesordnung des Bundestages.Dies hätte nicht sein müssen, wenn Sie, meine Damennd Herren von Rot-Grün, in dieser Frage bereits imahre 1999 konsequenter gehandelt hätten. Alarmierturch eine insbesondere Ende der 90er-Jahre stetig stei-ende Zahl an Handwerkerinsolvenzen speziell im Bau-ereich, deren Ursache nachweislich oftmals hohe For-erungsaußenstände waren, hat die CDU/CSU-Fraktionm Jahr 1999, also bereits vor fünf Jahren, mit dem Ge-etzentwurf zur Verbesserung der Durchsetzung vonorderungen der Bauhandwerker und erneut imahr 2002 gesetzgeberischen Handlungsbedarf ange-ahnt.Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, habeneinerzeit unter dem politischen Druck unseres damali-en Gesetzentwurfes, aber wohl auch auf Druck vielerandwerksverbände, also mehr getrieben als überzeugt,as Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen inen Bundestag eingebracht und mit Ihrer Mehrheiturchgesetzt. Dieses Gesetz ist bekanntermaßen seitem Jahr 2000 in Kraft. Mit einigen, in der Wirkung lei-er nur minimalen Stellschrauben im Werkvertragsrechtlaubten Sie sich einer lästigen Pflicht entledigen zu
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Andrea Astrid Voßhoffkönnen. Ergebnis ist: Sie haben etwas getan, ohne vielbewirkt zu haben.Herr Manzewski, Sie verwandten heute im Zusam-menhang mit der Fertigstellungsbescheinigung zu Rechtden Begriff „Ungetüm“. Das war es von Anfang an. Sieerinnern sich vielleicht auch noch an die damalige Anhö-rung, in der schon darauf hingewiesen wurde, dass sie sonicht praktikabel ist. Sie haben dieses Instrument mitvielen Vorschusslorbeeren versehen. Dieses Konstruktsollte ein prozessualer Hebel sein, um dem Handwerkereinen Zahlungsanspruch schneller zuzusprechen. Heutesind wir uns in diesem Hause offenbar einig, dass diesesInstrument wirkungslos geblieben ist. Man kann auchsagen: Es war ein Flop.Im damaligen Beratungs- und Anhörungsverfahrenhaben Sie sich auch hinsichtlich anderer Punkte als rela-tiv beratungsresistent erwiesen, meine Damen und Her-ren von Rot-Grün, und viele Vorschläge abgelehnt, diesich im Übrigen heute im Bundesratsentwurf wiederfin-den, weil Sie wohl erkannt haben, dass sie an vielen Stel-len positiv und wirkungsvoll sein können. Sie sind invielen Punkten deckungsgleich mit unseren Forderun-gen, die wir in die vorhin erwähnten Gesetze eingebrachthaben.Wir hatten bereits in unserem Entwurf eines Forde-rungssicherungsgesetzes aus dem Jahr 2002 Korrek-tur-, Verbesserungs- und Ergänzungsvorschläge zu IhremGesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen gemacht.Sie haben sie damals nicht übernommen. Sicherlich ent-hielt auch unser Gesetzentwurf strittige Themenfelder.Sie haben einige erwähnt. Das ist immer so, wenn manjuristisches Neuland betritt. Das ist außerordentlichschwierig.
Mit dem Instrument der vorläufigen Zahlungsanord-nung soll jetzt eine Rechtsschutzlücke bei Prozessen, diedurch eine umfangreiche Beweislage langwierig sind,geschlossen werden, wie es übrigens auch das Vorab-urteil wollte.In der Pressemitteilung der Justizministerin Zypriessteht zur vorläufigen Zahlungsanordnung zudem etwasanderes, als Sie hier vorgetragen haben, HerrManzewski. Die Bundesregierung ist offenbar jetzt end-lich zu der Erkenntnis gelangt, dass gehandelt werdenmuss und dass das Gesetz zur Beschleunigung fälligerZahlungen nicht das gebracht hat, was man sich davonversprochen hat.
Auch die vom Bundesrat jetzt geforderte erleichterteAusgestaltung von Abschlagszahlungen sowie die Mo-dernisierung des Gesetzes zur Sicherung von Bauforde-rungen und die weiteren Maßnahmen zur besserenDurchsetzung titulierter Forderungen begrüßen wir demGrunde nach, haben wir sie doch – ich sagte es bereits –in unserem Entwurf eines Forderungssicherungsgesetzesbereits gefordert. Insofern ist der Bundesratsentwurf eingzJwJeDkvasvZni–sEmdbazcsDmlwgadsfnMasatdkwtBeGbe
er eine oder andere Mammut- oder Schachtelsatz, denan beim Studium des Entwurfes las, aber auch Formu-ierungen wie „verdiente Vergütung“ in § 648 a des Ent-urfes bergen Interpretationsprobleme und schaffen ge-ebenenfalls neue Rechtsunsicherheiten. Ich sage diesuch im Lichte der Diskussion, die wir bei der Sitzunges Rechtsausschusses in Bonn aus Anlass des Deut-chen Juristentages mit Herrn Professor Kirchhof ge-ührt haben.Ich würde mich im Übrigen auch freuen – insofernehme ich Ihre Schlussworte dankend auf, Herranzewski –, wenn wir uns einmal mit der Grundfrageuseinander setzen würden, ob das Werkvertragsrecht ineiner Grundstruktur den Besonderheiten des Baurechtsusreichend Rechnung trägt. Wir wissen, dass die Ver-ragsgestaltung im Bereich des Bauvertrages außeror-entlich komplex ist; er gehört zu den so genanntenomplexen Langzeitverträgen. Wir fragen uns immerieder: Reichen die Instrumente des Werkvertragsrech-es für die spezifische Form des Bauvertrages aus? Dieesonderheit des Werkvertragsrechtes liegt – auch wenns an einer Stelle durch die Änderungen durch dasesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen durch-rochen wurde – immer noch darin, dass es nicht nurine große Typenvielfalt von Werkvertragsgestaltungen
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Andrea Astrid Voßhoffunter einem Dach vereint, sondern dass es wegen dergroßen Vorleistungspflicht ein hohes Risiko für denWerkunternehmer beinhaltet.Auch der unzweifelhafte Vorzug der Abstraktheit derNormen des Werkvertragsrechts hat wegen der auffälli-gen Besonderheiten des Baurechts ein mehr als beacht-liches Ausmaß an Richterrecht in den vergangenen Jah-ren ausgelöst. Ferner stellt sich die Frage, ob die VOB,die ja eigentlich für die speziellen Belange der öffentli-chen Hand gedacht war, nicht zunehmend die Funktioneines Ersatzrechtes übernommen hat.
– Das muss man nicht kritisieren; aber man kann es ein-mal thematisieren. In seiner rechtlichen Grundstrukturhebt das Werkvertragsrecht doch im Wesentlichen aufden einmaligen, punktuellen Leistungsaustausch ab. DerBauvertrag aber gehört zu den komplexen Langzeitver-trägen – ich sagte es – mit einer Vielzahl von Änderun-gen und zusätzlichen Leistungen: Kaum ein Bauwerkwird so ausgeführt, wie es ursprünglich geplant bzw. be-stellt war. Sind wir deshalb nicht vielleicht aufgefordert,in den anstehenden Ausschussberatungen nicht nur dieDetails dieses Entwurfes zu beraten, sondern nochmalsder Grundfrage nachzugehen, ob der Gesetzgeber dasBauvertragsrecht nicht innerhalb des BGB auf geeigne-tere gesetzliche Grundlagen stellen sollte? Ist JustitiasWaagschale bei der – zwar durch die Übernahme derAbschlagszahlungsregelung aus der VOB durchbroche-nen, aber im Kern immer noch bestehenden – Pflicht desUnternehmers zu hohen Vorleistungen noch im Gleich-gewicht? Ich stelle diese Frage weniger im Hinblick aufdas Verhältnis des privaten Häuslebauers zu seinem Bau-unternehmer, eher mit Blick auf das Verhältnis eines Ge-neralunternehmers zu seinem Subunternehmer. Ist esdem Vertrauen in den Rechtsstaat dienlich, wenn vieleHandwerker den Eindruck haben, dass dieser Rechts-staat ihnen das Recht verweigert und den Schuldnern ge-stattet, sich hinter Vorschriften zu verstecken?In der Rechtsgeschichte des Werkvertragsrechtes ge-hen Bestrebungen in dieser Frage bis in das Jahr 1909zurück, wie durch das damals zwar unvollständige, aberheute noch geltende Gesetz über die Sicherung von Bau-forderungen deutlich wird. Die Bundesregierung hat inihrer Stellungnahme zum Bundesratsentwurf darauf hin-gewiesen, dass die Bund-Länder-Arbeitsgruppe beab-sichtigt, sich auch weiterhin mit der Überprüfung desBauvertragsrechtes – auch unter Verbraucherschutzge-sichtspunkten – befassen zu wollen. Ich würde mir wün-schen, meine Damen und Herren Kollegen, dass wir indiesem Hause das Thema ebenso aufnehmen und esnicht allein der Länder-Bund-Arbeitsgruppe überlassen.Mir erscheint eine Befassung des Parlaments – konkret:des Rechtsausschusses – mit diesem Thema geboten undsinnvoll.Ich darf an dieser Stelle abschließend der Bund-Län-der-Arbeitsgruppe für ihre bisherige Arbeit in der Frageder Verbesserung der Sicherung von Bauforderungendanken. Mein Dank gilt insbesondere aber auch denLändern Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Bran-denburg, die dieses Thema im Interesse unserer kleinenupdBlGdpsarnpgnvmbaGnvcwdmzrpsaddwbBmNulawdpb
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12198 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 133. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Oktober 2004
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Das Wort hat der Kollege Rainer Funke von der FDP-
raktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vierein-alb Jahre nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Be-chleunigung fälliger Zahlungen müssen wir feststellen,ass die von der Bundesregierung damals mit dem Ge-etz angestrebten Ziele nicht erreicht wurden. Uns liegteute der Entwurf des Forderungssicherungsgesetzesun schon zum zweiten Mal vor, nachdem wir ihn in deretzten Legislaturperiode – wohlgemerkt aus gutemrund, Frau Kollegin Voßhoff – gegen die Wand habenahren lassen, indem wir uns mit diesem unfertigen Ge-etzentwurf nicht befasst haben.Werkunternehmer – auch das muss man allerdingseststellen –, insbesondere die der Baubranche, leidenoch immer unter Forderungsausfällen. Die Bemühun-en zur Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedin-ungen zur Durchsetzung von Forderungen und zur Stär-ung der Zahlungsmoral können wir zwar vor allem iminblick auf die bisherigen unzureichenden Reformener Bundesregierung begrüßen. Die angeschlagene undmmer schlechter werdende wirtschaftliche Lage der Un-ernehmen, insbesondere in der Bauwirtschaft, mussber gestützt und aufgefangen werden.
Im Handwerk führen – darauf hat die Bundesjustizmi-isterin zu Recht hingewiesen – die Forderungsausfälleogar dazu, dass zwei von drei Insolvenzen unter ande-em auf die mangelnde Zahlungsmoral ihrer Kunden zu-ückzuführen sind. Der vorliegende Gesetzentwurfrfüllt aber nicht die Voraussetzungen, um diesen Tatbe-tand zu beseitigen. Herr Kollege Montag und Herr Kol-ege Manzewski haben eben schon ausführlich daraufingewiesen, welche Bedenken gegen diesen Gesetzent-urf vorliegen. Wir haben ebenfalls große Zweifel aniesem Gesetzentwurf, auch wenn die Bundesjustiz-inisterin den Gesetzentwurf des Bundesrates lobt.Ich glaube, dass zunächst einmal die Bundesländerelber aufgerufen sind, den unhaltbaren Zuständen beien Gerichten durch bessere Personalausstattung
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 133. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Oktober 2004 12199
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Rainer Funkeund durch bessere Besoldung der Sachverständigen ent-gegenzutreten, um so zu schnelleren Verfahren zu kom-men. Damit wäre auch der Bauwirtschaft geholfen.Den Bauhandwerkern ist das eine oder andere Recht,das sie heute schon haben, nicht hinreichend bekannt.Dazu bedarf es aber keines neuen Gesetzes, sonderndazu bedarf es der Aufklärung durch die jeweiligen Lan-desregierungen
und es bedarf der Aufklärung durch die Handwerker-schaft selbst oder durch die Bauindustrie. Wir haben ge-nügend gesetzliche Möglichkeiten, hier Abhilfe zuschaffen. Also: mehr Eigenhilfe, anstatt immer gleichnach dem Gesetzgeber zu rufen!Wir werden uns dieses Gesetz des Bundesrates genauansehen. Wir werden sehr kräftig nacharbeiten müssen,wenn wir dieses Gesetz überhaupt passieren lassen. DieFrage eines großen Werkvertragsrechts ist zwar eine sehrambitionierte Angelegenheit, ich glaube aber, dass wirjetzt zwei Jahre Zeit haben, das noch ins Werk zu setzen.Wenn alle mitarbeiten, Herr Manzewski, Herr Montagund Frau Voßhoff, dann können wir es schaffen.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär
Hartenbach.
A
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undliebe Kollegen! Ich darf zunächst einmal auch meinerEnttäuschung darüber Ausdruck verleihen, dass keinVertreter der hoch gelobten Länder Sachsen und Sach-sen-Anhalt und wie sie alle heißen mögen heute hier ist.
Es genügt nicht – das sage ich für dieBundesregierung –, dass man ein solches Gesetz imBundesrat einbringt, man muss es auch dort, wo es ver-abschiedet wird, vorstellen.Bestimmt weiß jeder von Ihnen, liebe Kolleginnenund Kollegen, von Handwerkern zu berichten, denentrotz gar nicht schlechter Auftragslage das Geld ausgeht,bei denen „Feuer unterm Dach“ ist. Immer wieder ist da-bei die Klage über die schlechte Zahlungsmoral derKunden zu hören. Ich verstehe das gut, muss aber an die-ser Stelle auch in Ihre Richtung, verehrte Frau KolleginVoßhoff, eines betonen: In der Praxis hat sich gezeigt,dass die Schwierigkeiten handwerklicher Betriebe imKern gerade nicht auf eine Unzulänglichkeit der zivil-rechtlichen Vorschriften zurückzuführen sind. Eine wirk-ldhmrDsad„ALkbvFsddVtdghZkfAePhmdGendBddztmldddTtS
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Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 15/3594 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
andere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.
Ich rufe die Zusatzpunkte 10 a und b auf:
a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Zweiten
Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zum
diagnoseorientierten Fallpauschalensystem
für Krankenhäuser und zur Änderung ande-
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– Drucksache 15/3672 –
– Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten
Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zum
diagnoseorientierten Fallpauschalensystem
für Krankenhäuser und zur Änderung ande-
– Drucksache 15/3919 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Gesundheit und Soziale Sicherung
– Drucksache 15/3974 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Hans Georg Faust
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Gesundheit und So-
ziale Sicherung zu dem Antrag
der Abgeordneten Dr. Hans Georg Faust, Horst
Seehofer, Andreas Storm, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU
Versorgungssicherheit für Patientinnen und
Patienten durch sachgerechte Fallpauschalen
– Drucksachen 15/3450, 15/3974 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Hans Georg Faust
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich sehe
einen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
ie Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-
erk.
M
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ür die Krankenhäuser in Deutschland bricht eine neueeit an. Künftig werden die Leistungen nicht mehr nachen Liegezeiten der Patientinnen und Patienten abge-echnet. Die Vergütung richtet sich vielmehr nach Fall-auschalen, die eine leistungsorientierte Vergütung er-öglichen.Wir haben das neue Vergütungssystem als lernendesystem geplant. Die ersten Erfahrungen im Zusammen-ang mit der Umstellung spiegeln sich zwar im Budgetoch nicht wider, aber wir hatten von Anfang an vorge-ehen – das ist zugunsten von Effizienzgewinnen imrankenhausbereich notwendig –, dass die Umstellunges Systems in Etappen erfolgen muss.
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Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-MerkDie Umsetzung unseres Vorhabens steht jetzt an. Fürdie Krankenhäuser bedeutet das einen großen Umbruch.Sie braucht ihre Zeit und muss mit der nötigen Sorgfaltvollzogen werden. Gerade deshalb haben wir auf dievonseiten der Krankenhausträger vorgebrachten Beden-ken reagiert und in dem Entwurf eines Zweiten Fall-pauschalenänderungsgesetzes vorgesehen, dass denKrankenhäusern mehr Zeit für die Umstellung auf Fall-pauschalen bleibt. Wir wollen die Übergangsphase umein Jahr verlängern.Ein Teil der Krankenhäuser hat die Zeichen der Zeiterkannt. Diese Krankenhäuser haben den Wandel bereitsvollzogen und machen positive Erfahrungen mit demneuen Vergütungssystem. Sie gehören zu den Gewinnernder Reform. Ich möchte ihre Anstrengungen ausdrück-lich loben und den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern, für die die Umstellung eine große Herausforderungist, meine Anerkennung aussprechen.
Für einen anderen Teil der Krankenhäuser ist die Um-setzung mit Schwierigkeiten verbunden. Dazu gehöreninsbesondere solche Krankenhäuser, die Leistungen derMaximalversorgung anbieten, also zum Beispiel Leis-tungen der Intensivmedizin bei Verbrennungen oder derOnkologie, die mit besonders hohen Kosten verbundensind. Diese Krankenhäuser fordern eine längere Über-gangsphase. Mit unserem Gesetzentwurf haben wir aufihre Sorgen reagiert. Und können das Gesetzgebungsver-fahren heute abschließen.Wie verhält sich aber die größte Oppositionsfraktion?Sie verhält sich wie immer in den letzten Wochen in derGesundheitspolitik. Es gibt eine tiefe Kluft sowohl in-nerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion als auch zwi-schen der Unionsfraktion im Bundestag und den unions-geführten Ländern. Während Sie einen Antrageinbringen, der darauf abzielt, die ganze Umstellungs-phase um ein Jahr zu verkürzen, fordern die unionsge-führten Länder eine Verlängerung dieser Phase.
Was gilt denn nun in Ihrer Gesundheitspolitik? Wir ha-ben dagegen eine klare Richtung eingeschlagen und sindgesprächsbereit. Wir haben mit den SPD-geführten Län-dern mögliche Einigungslinien vorbesprochen.Bei Ihnen geht es dagegen noch um die grundsätzli-che Auseinandersetzung. Bis vor kurzem haben Sie Fall-pauschalen vollständig abgelehnt. Ich bin sehr froh, dasssich der Kollege Dr. Faust auch öffentlich für die Fall-pauschalen stark gemacht hat, wie man lesen konnte. Ichglaube, dass Sie in diesem Punkt einen ganz entschei-denden Lernfortschritt erzielt haben.Wir fordern von Ihnen auf der einen Seite Klarheit inden Positionen und auf der anderen Seite die Bereit-schaft zur Einigung im Vermittlungsverfahren, das be-reits angekündigt worden ist. Eines ist klar: Sollten wiruns nicht einigen, dann wäre das in der Tat eine schwereLast für die Krankenhäuser. Deswegen appelliere ich andr–inlZbbedVbtewbfvrgUwFdTpDghFHelrez
Herr Kollege Zöller, da Sie im Moment mit dem Streitn Ihrer eigenen Fraktion so beschäftigt sind, sehe ich Ih-en diesen Zuruf nach. Bei uns halten Konsense relativange. Die jetzt gefundene Regelung betreffend denahnersatz, die wir gegen Sie durchsetzen mussten, ha-en wir beispielsweise schon immer vertreten.
Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen: Wir glau-en, dass die vorhandenen Bedenken mit dem Gesetz-ntwurf ein Stück weit entkräftet werden. Wir wissen,ass eine Einigung mit den Ländern in den anstehendenerhandlungen relativ nahe ist.Ich möchte aber auch sagen, wo ich noch Handlungs-edarf sehe. Wir müssen etwas zur Verbesserung der Si-uation der Kinderkrankenhäuser tun. Hier müssen wirbenfalls über Einigungsmöglichkeiten reden, genausoie bei den Kappungsgrenzen. Wir sind zwar gesprächs-ereit. Aber wir werden das, was Sie in Ihrem Antragordern, auf keinen Fall mittragen. Sie wollen die Uni-ersitätsklinika herausnehmen und im Prinzip alle ande-en Krankenhäuser, die ebenfalls spezialisierte Leistun-en anbieten, nicht berücksichtigen. Das würde zu neuerngerechtigkeit führen. Das will niemand. Interessanter-eise halten selbst die unionsgeführten Länder dieseorderung nicht mehr aufrecht.
Sorgen Sie dafür, dass klar wird, wohin die Union iner Gesundheitspolitik will, und zwar nicht nur beimhema Fallpauschalen, sondern auch beim Thema Kopf-auschale. Auch hier befinden Sie sich ja noch in deriskussion. Immer wenn der Begriff „Pauschale“ fällt,ibt es Wirrwarr in Ihren Reihen. Sorgen Sie für Klar-eit! Wir sind einigungsbereit.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Hans Georg
aust.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Früher bekamin Krankenhaus für jeden Tag, den ein Patient im Bettag, das gleiche Geld. Da konnte es schon einmal passie-en, dass jemand erst am Montag statt schon am Freitagntlassen wurde, weil das dem Krankenhaus natürlichusätzliche Einnahmen gebracht hat. Aus meiner Zeit als
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Dr. Hans Georg FaustAssistenzarzt kann ich mich daran noch gut erinnern.Das war für die Krankenhäuser gut, aber für das finan-zielle Fundament des Gesundheitswesens schlecht. Werso etwas nicht wollte, musste sich ein neues Finanzie-rungsinstrument überlegen. Das Instrument waren da-mals die Fallpauschalen.Fallpauschalen sind richtig.
Weil das so ist, haben die CDU/CSU und die FDP 1992die Fallpauschalen eingeführt.
Sie haben die Fallpauschalen allerdings mit anderen Ver-gütungsformen kombiniert.
Fallpauschalen sind für mehr Konstellationen richtig,als wir 1992 dachten. Deswegen sprechen wir uns füreine sinnvolle Weiterentwicklung des Fallpauschalen-systems aus.
Fallpauschalen sind aber auch heute nicht für alles rich-tig.
Weil das so ist und Sie, meine Damen und Herren vonRot-Grün, das erst in einem schmerzlichen Erkenntnis-prozess lernen wollen, sitzen wir heute schon wieder zu-sammen und diskutieren nun über ein Zweites Fallpau-schalenänderungsgesetz.Das Ganze hat drei entscheidende Webfehler:Der erste ist ganz grundsätzlicher Natur. Sie habenuns, den Krankenhäusern, den Patienten, den Ärzten undauch wohl sich selbst nicht klar gemacht, zu welchemZweck, mit welchem Ziel Sie das umfassende Fallpau-schalensystem einführen wollen. Bauen Sie ein Klassifi-kationssystem für Patienten in ein Preissystem um,
damit ein Markt, ein Pseudomarkt, ein Wettbewerb, einVerdrängungsdruck unter den Krankenhäusern entsteht?Ist das der Grund? Soll damit die Verweildauer im Kran-kenhaus verkürzt werden? Sollen Betten abgebaut wer-den? Sollen Krankenhäuser geschlossen werden? SollenKonkurrenz, Kooperation, Konzentration oder Konkursbeschleunigt werden? Soll die Transparenz bei den Leis-tungen zur Erhöhung der Planungssicherheit für die Län-der verbessert werden? Oder stehen am Ende, wann auchimmer, feste, harte Preise, auf die sich ein Krankenhauseinstellen muss? Was sind das dann für Preise: Fest-preise, Höchstpreise, Richtpreise? Alle diese Fragen sindnicht beantwortet. Damit gibt es keine Planungssicher-heit und wir basteln am Zweiten Fallpauschalenände-rungsgesetz.–Tst–lRsdmcsrgcwvwasdbmLsggsmFzSerD
Ich würde gern weiterreden, meine Herren. – Markwain hat die Situation einmal treffend wie folgt be-chrieben: Als sie das Ziel aus den Augen verloren hat-en, verdoppelten sie ihre Anstrengungen.
Aber nicht vor dem Abgrund.Der zweite Webfehler ist die Zeitschiene. Liebe Kol-eginnen und Kollegen von Rot-Grün, Sie sind an deregierung. Sie haben sich damals – ebenfalls gegen un-ere Vorstellungen – für die Einführung eines umfassen-en Fallpauschalensystems in einer Dreistufenlösungit einem Konvergenzende, das heißt für eine Anglei-hung für alle in einem Bundesland, im Jahr 2007 ent-chieden. Darauf haben sich die Krankenhäuser einge-ichtet. Die schnellen und innovativen haben sich daraufut eingerichtet. Die anderen haben abgewartet, blo-kiert, keine Daten geliefert. Das war vorherzusehen,urde aber trotzdem forsch angegangen.Ich erinnere mich noch an viele Gespräche, in denenon Ihrer Seite gesagt wurde, es müsse Druck erzeugterden, und zwar Druck auf Veränderungen, welcheuch immer das sein mögen: Effizienzsteigerung, Res-ourceneinsparung usw. Ein verschwommenes Bild ista im Fadenkreuz. Ohne ein Ziel kann man aber nicht ar-eiten.
Das merken Sie jetzt. Die deutschen Krankenhäusererken es auch schmerzvoll. Die Kommunen und dieänder sowie die Verbände und alle anderen, die Interes-en haben, melden in dieser unübersichtlichen Gemen-elage ihre Forderungen an. „Verlängerung der Konver-enzphase“ und „Veränderung des Einstiegswinkels“ind die Schlagworte.Zum dritten Webfehler. Dabei geht es um das Instru-entarium. Statt unserem Vorschlag zu folgen und dasallpauschalensystem da, wo es sinnvoll ist, zügig ein-uführen und den Rest außen vor zu lassen, versuchenie, mit einer Verlängerung der Einführungsphase undinem schonenderen Einstieg die Probleme zu kaschie-en und zu entschärfen.
Ich kenne die Vorschläge, die unterbreitet werden.abei wird der Fortschritt zur Schnecke. Sie tun das in
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 133. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Oktober 2004 12203
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Dr. Hans Georg Faustder Hoffnung, dass Sie so viel Zeit gewinnen, dass ver-besserte Kalkulation den Aufprall auf die Wirklichkeitfür die Krankenhäuser überlebbar macht. Damit verprel-len Sie all die Krankenhäuser, die sich seinerzeit auf Ihrepolitischen Aussagen verlassen haben, die sich schnellumgestellt haben und die im Wettbewerb leistungsfähigsind. Mit anderen Worten: Da die Politik nicht für dienötige Planungssicherheit sorgt, werden sie jetzt wiederenttäuscht.
– Sie kennen doch unseren Antrag. Ich kann daraus nocheinmal zitieren.Was Sie vorhaben, ist mit der CDU/CSU-Bundestags-fraktion nicht zu machen. Ein dauerndes Nachbessernführt nur dazu, dass wir die Lösung der Probleme aufden Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. Ich sehe schondas Dritte und Vierte Fallpauschalenänderungsgesetzkommen. Das gilt aber nicht nur für mich, sondern auchfür alle anderen, die an ihre besonderen Interessenlagendenken: Landkreise und Städte, die privaten Träger, dieUniversitätskliniken, die kirchlichen Einrichtungen unddie Länder. Alle haben unterschiedliche Interessen; allebewerten die von Ihnen ins Spiel gebrachten Werkzeugeunterschiedlich; alle basteln die Komponenten inzwi-schen unterschiedlich zusammen und führen, wenn siekönnen, sogar neue Instrumente ein, die den auch vonIhnen – das konzediere ich Ihnen gerne – gefordertenFortschritt so lähmen, dass am Ende herzlich wenig pas-siert. Das werden wir alle gemeinsam erleben.Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhausmöchte ich ausdrücklich in Schutz nehmen.
Bei den Kalkulationen für den neuen Fallpauschalen-katalog 2005 hat es Bemerkenswertes geleistet. Es hatdas System mit ebendiesen Kalkulationen und den auchvon uns begrüßten Ausgliederungen und Anpassungenentscheidend optimiert. Auch in den nächsten Jahrensind solche Veränderungen in der Tat zu erwarten.Sosehr sich dieses Institut auch anstrengt: Der Ent-wicklungsweg ist von den Rahmenbedingungen vorge-zeichnet, unter denen das Institut arbeiten muss. DieserRahmen ist durch die bisherigen rot-grünen Gesetzes-vorgaben und die Folgen aus dem Zweiten Fallpauscha-lenänderungsgesetz – wenn dieser Gesetzentwurf dennso verabschiedet wird – einfach schief.Wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, werden die-sem Gesetz nicht zustimmen. Wir betonen noch einmal,dass ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess unterZuhilfenahme der verbesserten Kalkulationen und derAusgliederung der nicht sachgerecht abgebildeten Leis-tungen mit anderen Vergütungen der bessere Weg wäre.
Der vorliegende Gesetzentwurf hat weitere schwer-wiegende Mängel: Mehrmengen von Leistungen mit ho-hem Sachkostenanteil können nur sehr schwer – ich sagenBdHKkbtkgmhzüdsrddAAKvmbgktEhgsWWg–whenHs
Das werden wir noch sehen, Herr Schmidt. – Ichürde mich freuen, wenn ich danach noch aktiv Gesund-eitspolitik machen kann. Für heute stellt sich die aktu-lle Situation des Krankenhauses im Harz, in dem ichoch hin und wieder arbeiten darf, so dar, wie Heinricheine seine eigene nach einer Brockenbesteigung be-chrieben hat:Müde Beine,spitze Steinesaure Weine,Aussicht keine.Heinrich Heine
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12204 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 133. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Oktober 2004
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Es passiert immer freitagmittags, dass Gedichte kom-
men. – Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Petra Selg.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In IhrerRede hat sich ja vieles super gereimt, aber ihre Logik hatsich mir nicht ganz erschlossen.An diesem Zweiten Fallpauschalenänderungsgesetzhaben ja bisher eigentlich alle Beteiligten ziemlich kon-struktiv und, wie ich denke, sachorientiert gearbeitet.Beim Prozess der Umstellung auf die DRGs war dasweitgehend genauso der Fall. Ich denke, auch das sollteman einmal positiv anmerken. Wir gehen davon aus, lie-ber Herr Faust, dass die sachorientierte Diskussionskul-tur auch bei den Verhandlungen mit den Ländern in dennächsten Wochen vorherrscht. Ich sehe diesen ziemlichpositiv entgegen und hoffe, Sie von der Opposition wer-den sich so einbringen, dass wir zügig zu einem Konsenskommen; denn nichts brauchen die Krankenhäuser der-zeit mehr als Planungssicherheit.Es liegt in der Natur der Sache, dass es bei einem sowichtigen Thema Kontroversen gibt. In der Anhörunghaben sich zwei Punkte herauskristallisiert, bei denenSchwierigkeiten bestehen: So geht es bei der Ausgestal-tung der Konvergenzphase um die Frage, ob das Sys-tem schon reif genug ist, einen so schnellen Umstieg zubewältigen. Wir haben allerdings immer gesagt, dass wirdas Fallpauschalensystem als ein lernendes System anse-hen. Ein hundertprozentiges Funktionieren wird es mitSicherheit nie geben. Man darf aber nicht immer nur da-rauf abheben, was alles nicht geht, sondern muss wirk-lich auch einmal sagen, was geht. Da haben sich, wie ichglaube, in den letzten Wochen Entwicklungen ergeben,die zeigen, dass man auf einem guten Weg ist.Der im vorliegenden Gesetzentwurf enthaltene Vor-schlag, die Konvergenzphase von drei auf vier Jahre zuverlängern und die Konvergenzschritte entsprechend an-zupassen, ist deshalb sehr vernünftig. Unser Eindruckist, dass man den Anpassungsdruck der Häuser dadurcherheblich mindert. Ich glaube auch, dass dadurch wederder Einstieg ins System infrage gestellt wird noch dasssich die vollständige Umstellung zu sehr verzögert.Jetzt haben der Bundesrat – daran waren viele unions-geführte Länder beteiligt – und die Deutsche Kranken-hausgesellschaft deutlich gemacht, dass sie eine Verlän-gerung der Konvergenzphase auf fünf Jahre sowie dieEinführung einer Kappungsgrenze für notwendig halten.Es gibt diesbezüglich also anscheinend noch Diskus-sionsbedarf innerhalb von CDU/CSU. Sie von der Unionfordern – darauf sind Sie nicht eingegangen, Herr Faust –in Ihrem heute ebenfalls vorliegenden Antrag, die Kon-vergenzphase bei drei Jahren zu belassen. Jetzt frage ichmich schon, an wem dieser dritte Webfehler, von dem Siegesprochen haben, liegt. An uns liegt es mit Sicherheitnicht. Einigen Sie sich also erst einmal mit Ihren Partei-freunden in den Ländern, die angeblich ganz andererMeinung sind als Sie.–tiwdnAvOvlganbbekjnSkPretddsrliAbtdfedwn–adzSfue
Wir werden das Ziel auch erreichen. – Sie sind jetztufgefordert, zügig zu einem Kompromiss zu kommen,enn nichts ist schlimmer als Unsicherheit, wie Sie sieurzeit unter die Bevölkerung streuen. Wir brauchen iminne der Krankenhäuser Planungssicherheit. Darumordere ich Sie auf: Setzen Sie sich zügig an den Tischnd kommen Sie zu einer Einigung! Dann sind wir aufinem guten Weg.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 133. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Oktober 2004 12205
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Heinrich Kolb.
Aber sicher! – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Die FDP hat die Einführung diagnoseori-
entierter Fallpauschalen im Grundsatz immer begrüßt.
Allerdings war uns auch immer klar, dass man ein sol-
ches System sorgfältig implementieren muss. Deswegen
wäre uns eine schrittweise Weiterentwicklung der Fall-
pauschalen lieber gewesen als die Komplettumstellung,
die die Bundesregierung jetzt vorgenommen hat. Aber
die Entscheidung ist getroffen und es ist müßig, darüber
zu reden. Jetzt kommt es darauf an, die Rahmenbedin-
gungen so zu schaffen, dass die Krankenhäuser, die für
die medizinische Versorgung notwendig sind, erhalten
bleiben, und die Anreize so zu setzen, dass die Behand-
lungseffizienz gesteigert wird.
Zweitens. Die Anhörung hat ergeben, dass noch lange
nicht alle DRGs das Kosten-Leistungs-Geschehen kor-
rekt abbilden können. Das ist zum einen auf die man-
gelnde Datenlage zurückzuführen. Es besteht die Hoff-
nung, dass dieses Problem jetzt durch die vorgesehene
Refinanzierung gelöst werden kann. Zum Teil ist es aber
auch darauf zurückzuführen, dass – das hat der Kollege
Faust schon angesprochen – sich bestimmte Leistungen
gar nicht oder nur sehr schwer in einer Pauschale abbil-
den lassen. Das trifft zum Beispiel auf die Rheumatolo-
gie, die Palliativmedizin, die Onkologie, die Behandlung
seltener Krankheiten und Spezialleistungen der Hoch-
schulmedizin zu. Problematisch wird es immer dann,
wenn die Behandlung eine hohe Variabilität aufweist.
Dem muss durch spezifische Regelungen Rechnung ge-
tragen werden. Das kann ein Fallpauschalensystem, Herr
Vorsitzender, nur um den Preis einer hohen Unübersicht-
lichkeit leisten.
Drittens. Der Gesetzentwurf sieht eine Verlängerung
der Konvergenzphase vor. Allerdings halten wir diese
Verlängerung vor dem Hintergrund der noch bestehen-
den Unsicherheiten für nicht ausreichend. Auch im Hin-
blick darauf, dass die Krankenhäuser zurzeit nicht nur
mit der Umsetzung der Fallpauschalen zu kämpfen ha-
ben, sondern sich auch mit einer Vielzahl von anderen
Regelungen herumschlagen müssen – ich nenne hier als
Beispiele nur die integrierte Versorgung und die Di-
sease-Management-Programme –, reicht dieses eine Jahr
in unseren Augen nicht aus.
Vierter Punkt. Wir brauchen eine Kappungsgrenze,
die dafür sorgt, dass sich die Verluste von Krankenhäu-
sern bei der Umstellung unterhalb einer klar definierten
Obergrenze halten.
Ich denke, niemandem ist damit gedient, Herr Kollege
Dreßen, wenn die Krankenhäuser, die für die Versorgung
der Bevölkerung benötigt werden, aufgeben müssen,
weil sie in der Kürze der Zeit den notwendigen Anpas-
sungsprozess nicht vollziehen können.
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ie gehen der Marktwirtschaft aus dem Weg, wenn Sieeiterhin auf Budgets basierte Lösungen herbeiführenollen.
as macht Angst für die Zukunft. Es ist das Gegenteilon dem, was wir brauchen, nämlich verlässliche Daten
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12206 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 133. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Oktober 2004
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Horst Schmidbauer
hinsichtlich der Zeiträume für Krankenhäuser, damit siediese schwierige Umstellung schaffen.
Wir liegen mit unserem Vorschlag exakt in der Mitte.Den Langsamläufern unter den Krankenhäusern kom-men wir entgegen, indem wir die Konvergenzphase umein Jahr verlängern. Aber dann muss es wirklich funktio-nieren.Ich hatte eigentlich gedacht, dass die Zeit der Be-denkenträger und der Kleingeister, die so empfindlichauf diese Umstellung reagiert haben, vorbei ist. Ich warheute aber sehr erstaunt, als ich an den Ausführungenvon Herrn Dr. Faust erkennen konnte, dass diese Zeitnoch nicht überwunden ist.Im Gegenteil: Man versucht jetzt, eine neue Legendezu stricken. Wir wehren uns mit allem Nachdruck dage-gen. Denn es steht nirgendwo im Gesetz und es ist durchkeinerlei Äußerung belegbar, dass wir von einer hundert-prozentigen Fallpauschalenregelung gesprochen oder siebeabsichtigt haben.
Ich sage Ihnen: Unterlassen Sie in Zukunft solche Unter-stellungen! Wir sind nie in Richtung einer hundertpro-zentigen Fallpauschalenregelung gegangen.
Wir haben vielmehr gesagt: Was durch Fallpauschalenabzubilden ist, wird mit Fallpauschalen kalkuliert, undzwar nach deutscher Krankenhauskultur. Die deutscheKrankenhauskultur wird sich in einem deutschen Fall-pauschalensystem wiederfinden und nichts anderes.
Wir müssen akzeptieren, dass es sich um ein lernen-des System handelt. Das heißt, wir stülpen den Kranken-häusern nichts über. Wir nehmen vielmehr auf, was beiden Krankenhäusern läuft.
Es gibt bei uns kein Dogma. Da wir für ein lernendesSystem sind, ist unser Ziel, dass bei der Abbildung vonKrankheitsverläufen und bei der Erstattung der Behand-lungskosten ausdifferenziert und nicht ausgegliedertwird. Der entscheidende Punkt ist also, dass wir für eineAusdifferenzierung sind. Wo es keine exakte Abbil-dung gibt und wo ein falscher Preis herauskommenkönnte, muss es eine Ausdifferenzierung geben. Aberman darf nicht einfach sagen, dass man diesen Teil bes-ser ausgliedern sollte. Das würde dem Aspekt, den ichgerade genannt habe, nicht Rechnung tragen.
Herrn Dr. Faust kann ich nur empfehlen, dass er ein-mal in den Katalog 2005 hineinschaut. Dieses ganze Ge-rede, das wir heute gehört haben, würde dann verstum-men, weil der Katalog 2005 genau aufzeigt, dass wir aufA–hehrLbwnddmlggbVhpzdnddrlgVknmkmsKZvAbswagdAcb
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 133. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Oktober 2004 12207
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Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den
Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen
eingebrachten Entwurf eines Fallpauschalenänderungs-
gesetzes. Der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Si-
cherung empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschluss-
empfehlung, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,
um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltun-
gen? – Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koa-
litionsfraktionen gegen die Stimmen der CDU/CSU und
der FDP in zweiter Beratung angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Sie dürfen sich erheben, wenn
Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. – Gegen-
stimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit
den Stimmen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grü-
nen gegen die Stimmen der CDU/CSU und FDP in drit-
ter Lesung angenommen.
Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp-
fiehlt der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Siche-
rung, den Entwurf eines Fallpauschalenänderungsgeset-
zes der Bundesregierung auf Drucksache 15/3919 für
erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Be-
schlussempfehlung ist angenommen worden.
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all.
Dann kann ich jetzt die Aussprache für die beiden
inzigen gemeldeten Redner eröffnen. – Zunächst ein-
al der Abgeordnete Hans-Ulrich Krüger.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!nde des Jahres 2003 gab es in Deutschland mehr als2 Millionen Lebensversicherungsverträge mit Beiträ-en von über 65 Milliarden Euro. Es gab mehr alsMillionen Vollversicherungsverträge in der Kranken-ersicherung mit Beiträgen von über 21 Milliarden Euro.as ist ein Zeichen dafür, wie wichtig diese Form derorsorge ist, wenn man sich für das Alter eine finan-ielle Absicherung aufbauen will bzw. wenn man sichei Erkrankung einen wirksamen Schutz verschaffenill. Es ist ferner ein Zeichen dafür, wie wichtig dieseranche für den Finanzplatz Deutschland im Allgemei-en ist.Aber – daran besteht kein Zweifel – all diese circa00 Millionen Verträge besitzen zurzeit keinen ausrei-henden Schutz gegen eine Insolvenz des Versiche-ungsunternehmens. Gerade die Entwicklung der letztenahre – ich erinnere nur an die Erfahrungen beim Zusam-enbruch der Mannheimer Lebensversicherungs AG – Anlage 2
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Dr. Hans-Ulrich Krügerhat gezeigt, wie unsicher einzelne Mitglieder dieserBranche sein können. Zwar gibt es in dieser Brancheauch die freiwillig ins Leben gerufenen GesellschaftenProtektor bzw. Medicator, die nicht selber am Marktauftreten, aber bestehende Versicherungsverträge über-nehmen sollen, damit Kunden von Not leidenden Versi-cherungen einen Schutz erhalten. Im Falle einer Unter-nehmensschieflage stößt diese Selbstverpflichtung derVersicherungswirtschaft jedoch an ihre Grenzen.Wir haben daher gehandelt und werden heute eineÄnderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes beschlie-ßen, eine gute und richtige Änderung.
Diese Änderung ist im Wesentlichen auf drei Säulen auf-gebaut: Das ist erstens die Einführung einer Sicherungs-einrichtung, zweitens sind das Änderungen im Bereichder Rückversicherungsaufsicht und drittens ist das dieNormierung von Kontroll- und Eingriffsbefugnissen derBaFin gegenüber Holdinggesellschaften bzw. Erwerberneiner wesentlichen Beteiligung.Im Einzelnen bedeutet das: Alle in Deutschland an-sässigen Lebensversicherer werden Mitglied eines vorfi-nanzierten Sicherungsfonds. Damit wird sichergestellt,dass sich a) alle Unternehmen solidarisch beteiligenmüssen und b) im Schadensfall die Mittel so schnell wiemöglich mobilisiert werden können. Sollte eine Insol-venz erfolgen – was niemand will –, kann die BaFin alleVersicherungsverträge auf den Fonds übertragen, derdann die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellt unddie Verträge letztlich auf ein anderes Versicherungsun-ternehmen überträgt.Die Summe der Jahresbeiträge aller dem Sicherungs-fonds angehörigen Assekuranzunternehmen beträgt0,2 Promille, bis eine Höhe von 1 Promille der versiche-rungstechnischen Nettorückstellung erreicht ist. Dasheißt, dass die Gesamtheit der deutschen Lebensversiche-rer circa 500 Millionen Euro in diesen Sicherungsfondseinzahlt, damit die Interessen des Verbraucherschutzes ge-wahrt bleiben können. Die Höhe des individuellen Jahres-beitrages jedes Lebensversicherungsunternehmens – dasist ein wichtiges Detail dieses Gesetzes – wird jährlichneu ermittelt und am Risikoprofil des Unternehmensausgerichtet. Das heißt: Solide wirtschaftende Unterneh-men zahlen geringere Beiträge als Unternehmen, die ris-kanter vorgehen.
Somit erreichen wir einen positiven Nebeneffekt: DieBemühungen der Versicherer um ein effektives Risiko-und Kapitalmanagement werden verstärkt und jeder Ver-sicherer weiß, wo er im Vergleich zu seinen Mitbewer-bern steht. Das kann nur im Sinne aller Versicherten undletztlich auch aller Versicherer sein.
Zusätzlich zu diesem Fonds werden bei den Lebens-versicherern gegebenenfalls Sonderbeiträge erhobenwerden, dann nämlich, wenn die vorhandenen Mittel desFonds, 500 Millionen Euro, wider Erwarten nicht ausrei-chend sein sollten. Hierfür ist im Gesetzentwurf ein wei-tsdbisMaazcRaHebdaFrsIrg1kvilbKcwsukiwggudfkidrebcmB
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Ferner wird die Eingriffsbefugnis der BaFin, der Bun-desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, gegenüberHoldinggesellschaften und Inhabern einer wesentli-chen Beteiligung an einem Versicherungsunternehmenerweitert. Ziel ist die bessere Bekämpfung bei Umge-hung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen. Hier istunter anderem aufgrund der Genesis des Gesetzes zu be-achten, dass eine Rechnungslegung jedes Holdingsunter-nehmens gegenüber der Aufsichtsbehörde nicht erfolgenmuss, auch wenn dies die Arbeit der BaFin erleichterthätte. Hierauf ist auch im Lichte der Sachverständigen-anhörung verzichtet worden, um Kosten bei den betrof-fenen Unternehmen zu vermeiden. Der Kritik, einen zuhohen Bürokratieaufwand zu betreiben, wird damit derWind aus den Segeln genommen.Der Forderung hingegen, Zwischenholdings von derAufsicht auszunehmen, wird eine klare Absicht erteilt.Kein Konzern in Deutschland wird von irgendjemandemgezwungen, Zwischenholdings zu gründen. Machen dieKonzerne hingegen von dieser Konstruktion Gebrauch,so muss selbstverständlich die Möglichkeit einer ver-nünftigen Aufsicht gegeben sein. Diese hat nunmehr dieBaFin in ihren Händen.Bei der vorgesehenen Verschärfung der Eingriffsmög-lichkeiten gegenüber Personen, die eine wesentliche Be-teiligung an einem Versicherungsunternehmen erworbenhaben, hat die Aufsichtsbehörde ferner die Befugnis, denErwerb einer wesentlichen Beteiligung unter bestimmtenUmständen – gedacht ist hier insbesondere an den Wil-len, ein Unternehmen zu zerschlagen – zu untersagen.Ein Beispiel: Ein Investor erwirbt ein angeschlagenesVersicherungsunternehmen und will dieses zu seinemVorteil und zulasten der Versicherungsnehmer zerschla-gen. Das machen wir nicht mit. Wir haben mit diesemGesetzentwurf einen Riegel davor geschoben.Sehr geehrte Damen und Herren, das Vertrauen in dieVersicherungswirtschaft wird mit diesem Gesetzentwurfgeschützt. Wir bauen weiter darauf auf. Derjenige, dereinen Großteil seiner Lebensplanung einer privaten Le-bensversicherung anvertraut, derjenige, der sich einerprivaten Krankenversicherung anvertraut, genießt durchdiesen Gesetzentwurf Schutz und Vertrauen auf den Be-stand seiner Verträge auch im Alter.Unsicherheiten durch mögliche Insolvenzen oderwirtschaftliche Schieflagen haben wir sachgerecht, an-gemessen und in einem für alle Beteiligten verträglichenMaße geregelt. Der Verbraucherschutz und der Finanz-markt Deutschland werden durch diese Regelung weitergestärkt. Ich danke daher auch meinen Kolleginnen undKollegen von der Opposition für ihre konstruktive Mit-anFNvndtwdddpvzguK3tumtdgdsgPdrAzvgnhowdumn
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Klaus-Peter
losbach.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ach langer, intensiver und auch kontroverser Diskussionerabschieden wir heute gemeinsam mit allen Fraktio-en des Deutschen Bundestages Änderungen betreffendie Aufsicht über Versicherungen und Versicherungsun-ernehmen. Diese gemeinsame Position ist möglich ge-orden, weil an dem ursprünglichen Regierungsentwurfeutliche Änderungen vorgenommen wurden und auchie Vorschläge der Opposition dazu geführt haben, dasser Gesetzentwurf deutlich an Qualität gewonnen hat.
Worum geht es? Es geht um die Sicherstellung derrivaten langfristig angelegten Altersversorgung der Be-ölkerung und des privaten Krankenversicherungsschut-es. Konkret – diese Zahlen hat Herr Dr. Krüger bereitsenannt – geht es um über 90 Millionen private Lebens-nd Rentenversicherungen, um 8 Millionen privaterankenvollversicherungsverträge sowie zusätzlich um9 Millionen Krankenzusatzversicherungen. Diese Ver-räge sollen im Falle der Insolvenz eines Versicherungs-nternehmens geschützt und gerettet werden.Es ist wichtig, dass wir heute in einer Phase der allge-einen Unsicherheit durch dieses Gesetz ein Stück Ver-rauen schaffen können; denn die Lebensversicherungen,ie Rentenversicherungen und die Krankenversicherun-en sind wichtige Bausteine der Lebensplanung eines je-en Menschen und somit von ungeheurer Bedeutung.Man kann heute sagen, dass die Versicherungswirt-chaft in weiser Vorausschau gehandelt hat, als sie vorut zwei Jahren die beiden Auffanggesellschaften – dierotektor AG für den Lebensversicherungsbereich undie Medicator AG für den Bereich der Krankenversiche-ungen – gegründet hat. Schon ein Jahr, nachdem dieseuffanggesellschaften gegründet worden sind, kam esum ersten Insolvenzfall mit der Mannheimer Lebens-ersicherung. Sicherlich kam in der Branche keineroße Begeisterung auf, als immerhin etwa 200 Millio-en Euro bereitgestellt werden mussten, um diese Mann-eimer Lebensversicherung aufzufangen.Wir sollten aber nicht vergessen: Dieser Fall wurdehne gesetzliche Grundlage gelöst; denn die Branchear bereit, sich dieses Themas anzunehmen. Sie hatteie Notwendigkeit erkannt, dass sichere Altersvorsorgend garantierte Krankheitsversorgung zentrale Qualitäts-erkmale ihres eigenen Angebots sind und sich der fi-anzielle Einsatz und das damit gewonnene Vertrauen
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Klaus-Peter Flosbachder Kunden für die gesamte Branche entsprechend be-zahlt machen.Die Erfahrungen mit der ersten Insolvenz, der Mann-heimer Lebensversicherung, haben aber auch uns allendie Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage aufge-zeigt. Es kann jedoch nicht sein – so ist auch die Positionder Opposition –, dass die Versicherungsunternehmenderart in die Haftung genommen werden, dass durch dieInsolvenz eines oder mehrerer Unternehmen die gesamteBranche in eine Schieflage gerät oder die Versicherungs-nehmer, also die Kunden der gesunden Unternehmen,letztendlich dafür zahlen müssen, dass andere große Ri-siken eingehen.In diesem Punkt haben wir uns von den Regierungs-parteien unterschieden, haben uns letztendlich aber auchgeeinigt. In einer ersten Stufe wurde zunächst einerechtliche Grundlage geschaffen. Die Probleme zwi-schen dem Insolvenzrecht und dem Aufsichtsrecht wur-den beseitigt: Jetzt kann eine Bestandsübertragung derVerträge angeordnet werden, ein Sonderbeauftragterkann eingesetzt werden und die so genannten Dienstleis-tungsverträge können auch von externen Unternehmenübernommen werden.In einer zweiten Stufe musste eine finanzielleGrundlage geschaffen werden. Nun muss man wissen,dass die Insolvenz eines Versicherungsunternehmenskein Liquiditätsproblem des Augenblicks ist. Es ist alsonicht so, dass das Versicherungsunternehmen nicht inder Lage wäre, die Krankenversicherungsleistungen zuzahlen oder die Auszahlungen von Lebensversicherun-gen vorzunehmen. Wir können das am Beispiel derMannheimer Lebensversicherung sehr deutlich sehen:Die Insolvenz dieser Gesellschaft ist darauf zurückzu-führen, dass sie in der Boomzeit der Aktien bis an dieäußerste Grenze der Anlagemöglichkeiten gegangen ist,also bis an 35 Prozent. Sie hat Aktien zu hohen Preisengekauft, zu Höchstpreisen, im falschen Moment. Nachdem Absturz im Jahre 2000 mussten diese Aktien in denfolgenden Jahren neu bewertet werden. Es geht hier alsoum eine bilanzielle Unterdeckung langfristiger Verbind-lichkeiten; das ist der Unterschied. Ich will es andersausdrücken: Es ist eine Momentaufnahme und es gehtum den vorübergehenden Ausgleich der Unterdeckungder den Versicherten langfristig zugesagten Leistungen.Das Ziel ist und bleibt für alle, die Verträge fortzuführen.Darauf musste die Finanzierung abgestimmt werden.Jetzt zahlen die Lebensversicherungsgesellschaften ineinem ersten Schritt 500 Millionen Euro in einen Siche-rungsfonds ein. Dieses Geld bleibt allerdings – das ist inder Diskussion ein sehr wichtiger Punkt gewesen – ge-bundenes Vermögen der Versicherungsgesellschaften, esist also eine Kapitalanlage, es ist eine Beteiligung. Wa-rum ist das so wichtig? Wenn das Geld nicht für denErnstfall gebraucht wird, wenn also keine Insolvenz ein-tritt, stehen die Erträge aus dieser Kapitalanlage zu über90 Prozent den Versicherten zu, also den Versicherungs-nehmern, den Kunden. Gerade um die Überschüsse fin-det ja der Wettbewerb der deutschen Versicherungswirt-schaft statt. Der Sachverständige der Bundesanstalt fürFAIncAbmeshgnvznrghR5nnhSthdmrddhKlgbvmssnbasdtkkvdsFd
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Mit seinen durch die Lärmwirkungsforschung über-olten Grenzwerten wird das Fluglärmgesetz dem Schutz-nteresse der Anwohner schon lange nicht mehr gerecht.ie Grenzwerte sind so veraltet, dass sie beispielsweise
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Michael Kaucham Flughafen meiner Heimatstadt Dortmund auf derStartbahn gerade noch erreicht werden. Eine Moderni-sierung des Gesetzes ist also überfällig. Doch wasmacht diese Bundesregierung?
Seit dem Jahr 2000 versprechen Sie den Anwohnernin den Einflugschneisen in wunderbaren Vereinbarungenein modernes Fluglärmgesetz. Aber bisher – das mussich erneut feststellen – gibt es keinen Gesetzentwurf imDeutschen Bundestag.
Nun wurde zum zweiten Mal – die Staatssekretärin ist jada – ein Referentenentwurf des Umweltministeriumsvorgelegt. Aber er steckt wie schon der erste Entwurf inder Abstimmung zwischen den Ministerien. Die Bundes-regierung ist in diesem Bereich heillos zerstritten.
Der Staatssekretär des Finanzministeriums ist schon ge-gangen; das ist wahrscheinlich Absicht.
Ich fordere die Koalition auf, im Interesse der Anwohnerund der Flughäfen: Kommen Sie bei diesem Gesetz end-lich zu einer Einigung!
Was steht in dem Referentenentwurf des Umweltmi-nisteriums?
Knapp gesagt: Es soll beim Lärmschutz zu einer Klas-sengesellschaft kommen.
An neuen und auszubauenden Flughäfen gibt es schonbei niedrigeren Grenzwerten Schallschutzmaßnahmenals an bestehenden.
Anwohner an Militärflughäfen – jetzt hören Sie gut zu –sollen erst bei Grenzwerten geschützt werden, die dieLärmwirkungsforschung einhellig als gesundheitsge-fährdend ablehnt.Der Grund dafür – das ist die einzige überzeugendeErklärung – ist, dass hier der Bund die Maßnahmen, dieer beschließt, bezahlen muss, während bei normalen Ver-kehrsflughäfen die Gemeinden, die Länder oder Privatebezahlen müssen. Hier macht sich der Bund wieder ein-mal einen schlanken Fuß: Immer wenn es an die eigeneTasche geht, ist man mit dem Fortschritt plötzlich zu-rückhaltend.wkkWfdBzRALhSguzrnebwRvfHHSdaAund
Für die Gesundheit der Anwohner ist es aber egal,er den Lärm verursacht. Deshalb sage ich Ihnen ganzlar: Für die FDP-Fraktion wird es beim Lärmschutzeine Bürger erster, zweiter oder dritter Klasse geben.
ir haben in unserem Antrag die liberalen Eckpunkteür ein modernes Fluglärmgesetz formuliert. Wir fordernen hier nicht anwesenden Minister Trittin auf, demundestag endlich einen entsprechenden Gesetzentwurfuzuleiten und nicht nur nett mit den Verbänden übereferentenentwürfe zu sprechen.
Die FDP steht für einen fairen und angemessenenusgleich zwischen den Interessen der Anwohner, deruftfahrtgesellschaften und der Flughafenbetreiber. Des-alb fordern wir, dass die Grenzwerte dem aktuellentand der Lärmwirkungsforschung entsprechen, dass esleiche Grenzwerte für bestehende, neue, auszubauendend militärische Flughäfen gibt, dass eine Nachtschutz-one für all diese Flughäfen vorgesehen wird, dass wirealistische Berechnungsmethoden und nicht die so ge-annte „100 zu 100“-Regelung zugrunde legen und dasss schließlich keine Ausnahmeregelungen zum Bauver-ot in der Schutzzone 1 geben darf.
Das sind die Kriterien, an denen sich ein Gesetzent-urf, der den Namen wert ist, messen lassen muss. Dereferentenentwurf des Bundesumweltministeriums iston diesen Kriterien leider immer noch viel zu weit ent-ernt.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Winfried
ermann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP,ie haben Recht: Wir brauchen dringend eine Novellees Fluglärmgesetzes. Das sagen inzwischen übrigenslle.
ber wenn es Ernst wird, wenn die Umsetzung anstehtnd es um Geld geht, dann hat man ziemlich viele Geg-er: die Eigentümer, die Flugwirtschaft, zum Teil auchie Länder, sogar die eigenen Länder.
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Winfried HermannAuf der Seite der Wirtschaftsinteressen steht meistensdie FDP. Ich freue mich außerordentlich, dass Sie sichexplizit nicht auf die Seite der Wirtschaft gestellt haben,
sondern gesagt haben, dass Sie einen ambitionierten Ent-wurf wollen. Wir freuen uns, wenn Sie uns da unterstüt-zen.Meine Damen und Herren von der FDP, wir haben in-zwischen gehandelt. Sie haben zu Recht festgestellt, dasses mühsam vorangeht. Aufgrund der zahlreichen Gegnergeht es tatsächlich mühsam voran, aber es gibt den Refe-rentenentwurf, der nicht einfach so mit den Verbänden„beschwätzt“ worden ist, wie Sie gesagt haben; vielmehrhandelte es sich um eine ordentliche Verbändeanhö-rung. Wie Sie wissen, gab es auf der einen Seite starkenDruck von der Wirtschaft, der der Gesetzentwurf viel zuweit ging, auf der anderen Seite von den Umweltverbän-den, denen der Gesetzentwurf nicht weit genug ging. Ichkann nur sagen: Ein Gesetzgeber ist gut beraten, wenn erzwischen diesen beiden Interessen die Balance findet.Das ist die Aufgabe des Fluglärmgesetzes.Ich meine, der Entwurf des Umweltministeriumssucht diese Balance. Wir wollen aufgrund der For-schungsergebnisse den Lärmschutz für die Menschenaus gesundheitlichen Gründen klar verbessern. Wir wol-len die Siedlungsplanung einschränken. Es soll nichtmehr möglich sein, dass man direkt an die Flughäfen he-ranbaut. Wir wollen, dass sich zivile und militärischeFlughäfen an der Finanzierung beteiligen.
Der Anwendungsbereich wird erweitert werden. Essind nicht nur die großen Flughäfen, sondern alle Flug-häfen und Landeplätze, die über 25 000 Starts und Lan-dungen pro Jahr haben. Wir wollen auch, dass diesmalder militärische Fluglärm einbezogen wird. Es war einKampf mit dem Verteidigungsministerium auszufechten,aber die Koalition hat sich darauf verständigt, den Mili-tärlärm ebenfalls in das Gesetz aufzunehmen.Wir werden strengere Grenzwerte einführen. Wirwerden Nachtschutzzonen einführen und wir werden dasMessverfahren modernisieren, ganz wie Sie es in IhremAntrag gefordert haben. Wir werden Baubeschränkun-gen in dieses Gesetz aufnehmen, damit die Kommunennicht zulassen, dass an die Flughäfen herangebaut wird,und sich dann anschließend die Anwohner darüber be-klagen, dass es dort laut ist. Das soll verhindert werden.Kommen wir nun zum spannenden Teil, den Kosten.Teile der Flugwirtschaft sagen, dass das alles nicht be-zahlbar sei. Seriöse Berechnungen des Umweltbundes-amtes gehen davon aus, dass für Schallschutzmaßnah-men ungefähr 500 Millionen Euro vom zivilenFlugverkehr und etwa 100 Millionen bis 200 MillionenEuro vom militärischen Flugverkehr aufgebracht werdenmüssen. Wenn man bedenkt, dass die Summe auf10 Jahre gestreckt wird, ist das absolut zumutbar, undzwar sowohl für den Verteidigungsminister, für den beieEdkddhngszLBwdNsaKtzLRsmlbuddhUgudlvod
Jetzt komme ich zu einem Bereich, den Sie nicht an-esprochen haben. Sie haben ganz auf den Fluglärm-chutz im Fluglärmgesetz abgehoben. Wir sind über-eugt, dass das nur eine Baustelle zur Bekämpfung desärms ist. Eine weitere ist die EU-Richtlinie überetriebsbeschränkungen. Dort wird von einem ausge-ogenen Ansatz angesprochen. Das heißt, es geht aucharum, ob wir die Möglichkeit eröffnen, in Deutschlandachtflugverbote einzuführen, oder darum, dass wir be-timmte Flugzeugtypen verbieten. Das ist mittels einesusgewogenen Ansatzes machbar.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Kauch?
Wenn ich meinen Satz ausgesprochen habe, ja.
Wir wollen auch freiwillige Verfahren wie das Media-
ionsverfahren, das etwa in Frankfurt erfolgreich prakti-
iert wird. So etwas wollen wir zur Reduzierung des
ärms gerne befördern.
Herr Hermann, wenn Sie die Umsetzung der EU-
ichtlinie zu Betriebseinschränkungen an Flughäfen an-
prechen und diese für so bedeutsam halten, können Sie
ir dann erklären, warum die Bundesrepublik Deutsch-
and diese Richtlinie nicht innerhalb der gesetzten Frist
is 2003 umgesetzt hat?
Das kann ich Ihnen erklären. Es gibt dazu in der Tatnterschiedliche Meinungen, auch innerhalb der Bun-esregierung. Das Verkehrsministerium ist der Meinung,ass die Umsetzung in deutsches Recht schon weitge-end abgeschlossen ist, während Ökologen wie auch dasmweltministerium meinen, dass die Richtlinie weitereht als das deutsche Recht nach derzeitigem Stand. Siemfasst zum Beispiel Nachtflugregelungen, die es imeutschen Recht in dieser Form noch nicht gibt.Wir werden uns bemühen. Wir werden aber des Flug-ärms nicht Herr werden, wenn wir ein Fluglärmgesetzerabschieden, das nur auf passiven Schallschutz setzt,hne gleichzeitig ein Gesetz zur aktiven Beschränkunges Fluglärms auf den Weg zu bringen.
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Winfried Hermann
– Ich entnehme Ihrer Frage, dass wir mit der breiten Un-terstützung der Opposition rechnen können. Dafür dankeich Ihnen.
Lassen Sie mich noch einen letzten Punkt ansprechen.Es gibt einen gewissen Harmonisierungsbedarf. Dashaben Sie in Ihrem Antrag auch festgestellt. Zurzeitstimmen die Messverfahren der Umgebungslärmrichtli-nie einerseits und des Fluglärmgesetzes andererseitsnoch nicht eins zu eins überein. Wir werden vermutlichin einem parlamentarischen Verfahren prüfen müssen,inwieweit die Messverfahren zusammenpassen.Abschließend fasse ich zusammen: Um endlich zu ei-ner Lösung zu kommen, müssen wir einen fairen Kom-promiss zwischen den Interessen der Wirtschaft und derAnwohner hinsichtlich der Gesundheit und des Lärm-schutzes finden. Flugverkehr ist in Deutschland aufDauer nur dann möglich, wenn wir einen solchen Kom-promiss erzielen.Ich appelliere nochmals an die Flugwirtschaft und anall diejenigen, die eventuell gegen ein solches Gesetzopponieren wollen: Wir brauchen dieses Gesetz, wennder Flugverkehr in Deutschland auf Dauer Akzeptanzfinden soll.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Franz Obermeier.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Der FDP-Antrag zeigt uns vor allem eines: Die Bundes-regierung ist Ankündigungsweltmeister im Umwelt-schutz.
Ob es um die Endlagerung von radioaktivem Abfall gehtoder um Fluglärm: In Wahrheit geschieht nichts.
Eben konnten wir verfolgen, wie Herr Hermann in epi-scher Breite geschildert hat, was alles getan werdenmüsste. In Wahrheit aber geschieht, wie gesagt, nichts.Aus der Umgebung des Flughafens München ist mireine Reihe von Schicksalen von Menschen bekannt, dievor zwei bzw. sechs Jahren den Grünen ihre Stimme ge-geben haben in der Hoffnung, dass endlich etwas ge-schieht.TJedMnZdwItFapWhfkbdadndownüARWldjnmutbnhtSb
atsächlich aber ist nichts passiert. Bereits vor gut zweiahren hat Ihre frühere Staatssekretärin Gila Altmann beiiner Veranstaltung der Grünen in Freising angekündigt,ass die Menschen in der Umgebung des Flughafensünchen von der Novelle des Fluglärmgesetzes keineennenswerten Verbesserungen gegenüber dem heutigenustand zu erwarten haben.Wer geglaubt haben mag, dass sich das grüne Elementer Koalition wenigstens zum Segen der Umwelt aus-irken würde, sieht sich maßlos getäuscht.
m Jahr 1998 wurde uns von Herrn Bundesumweltminis-er Trittin und anderen vollmundig die Novellierung desluglärmgesetzes versprochen. Seit Mai 2000 kann manuf der Internetseite des Bundesumweltministeriums einaar Eckpunkte als Ankündigungsbaustelle nachlesen.ir warten seit sage und schreibe sechs Jahren, aber biseute gibt es noch nicht einmal einen abgestimmten Re-erentenentwurf.
Das Bundesumweltministerium und das Bundesver-ehrsministerium liegen – wie auch Herr Hermann ebenestätigt hat – im Streit. Von der Bundesregierung ist inieser Angelegenheit nichts zu erwarten.Wenn Sie wider Erwarten noch dieses Jahr einenbgestimmten Referentenentwurf zustande bringen wür-en, Herr Hermann, wäre das für mich wie ein Weih-achtsgeschenk. Unterdessen findet nämlich rund umie Flughäfen weiterhin eine mehr oder weniger unge-rdnete Siedlungsentwicklung statt. Manche Gemeindeneisen immer noch zu viele Baugebiete in Flughafen-ähe aus. Bauwillige lassen sich guten Glaubens dazuberreden, dort ihr Eigenheim zu errichten.
ngesichts der problematischen Immobilienlage in deregion ist das verständlich. Die Menschen denken:enn die Kommune das empfiehlt, dann kann es sicher-ich nicht so schlimm werden. Später dann – angesichtser prognostizierten Entwicklung der Flughäfen ist dasa verständlich – ist der Fluglärm so stark, dass ein ver-ünftiges Wohnen in den betroffenen Gegenden nichtehr angebracht erscheint.Wir brauchen eine vernünftige Siedlungssteuerungnd eine vernünftige Schutzgebietsfestsetzung. Lärmbe-roffene Bürger müssen für jeden Einzelfall die Gerichteemühen. Wer das Risiko scheut, krank ist oder zu we-ig Geld hat, der hat aufgrund Ihrer Politik das Nachse-en. Es geht aber auch um Planungssicherheit für Inves-itionsentscheidungen, Wirtschaftsansiedlungen und diechaffung von Arbeitsplätzen; denn wir stehen im glo-alen und europäischen Wettbewerb. Man kann es nicht
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Franz Obermeieroft genug sagen: Rund 750 000 Beschäftigte sind direktoder indirekt vom Luftverkehr abhängig. In absehbarerZeit ist die Schaffung von weiteren 100 000 Arbeitsplät-zen denkbar. Am Flughafen München lässt sich die Ent-wicklung gut ablesen. Mit jeder Million, um die die Zahlder Flugpassagiere steigt, nimmt auch die Anzahl derArbeitsplätze zu. Dies ist im Übrigen völlig unstrittig.Ihr Kollege Bruckmann hat erst vor kurzem diese Zahlenbestätigt. Dafür müssen wir aber unsere Rolle in derMitte Europas flugverkehrsmäßig voll annehmen. In derZeit von Karstadt und Opel wird wohl niemand mehrsolche Aussichten leichtfertig aufs Spiel setzen.Kurzum: Der jetzige Schwebezustand ist unerträglich.Fakt ist: Hier und heute gilt noch immer das Fluglärmge-setz von 1971 mit völlig überholten Werten, mit Werten,die weder das heutige Verkehrsaufkommen noch dietechnischen Möglichkeiten und auch nicht die gesund-heitlichen Aspekte der Lärmbelastungen nach unseremderzeitigen Kenntnisstand berücksichtigen. Der Flugver-kehr wird sich nach den Prognosen bis 2015 mit hoherWahrscheinlichkeit verdoppeln. Da tröstet es wenig,wenn die Gerichte über die Jahre mit ihren Entscheidun-gen zu etwas zeitgemäßerem Umgang mit der Fluglärm-problematik beigetragen haben. Das ist sozusagen einZustand permanenter Nothilfe. Es ist nicht Aufgabe derRichter, überholte Gesetze oder eklatante Gesetzeslü-cken jahrzehntelang mit Rechtsprechung zu stopfen.
Es ist vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, allgemeingültige Regeln mit der notwendigen Klarheit aufzustel-len, beispielsweise in Form von Gesetzen. Es ist auch lo-benswert und schön, wenn manche FlughafenbetreiberEntgegenkommen zeigen und passiven Schallschutz fi-nanzieren oder sich sonst Gedanken über die Minimie-rung der Schallbeeinträchtigungen machen. Aber in die-sen Genuss kommt nicht jeder Lärmbetroffene, der esnötig hat.Der Kern ist doch: Wir können uns nicht länger umeine grundsätzliche Abwägung herumdrücken. Wir müs-sen einen angemessenen Ausgleich zwischen Klima-schutz, internationaler Wettbewerbsfähigkeit und An-wohnerinteressen finden. Das ist keine leichte Aufgabe;das gebe ich gerne zu. Aber Sie müssen doch endlicheinmal anfangen, meine Damen und Herren auf der Re-gierungsbank. Das ist Ihre Arbeit. Dafür sind Sie ge-wählt worden, gerade Sie, verehrte Kolleginnen undKollegen von der grünen Front. Wir von der Union sindgerne bereit, unseren Teil dazu beizutragen.
Legen Sie uns einmal etwas Vernünftiges vor! Dannkönnen wir mit Ihnen sprechen.Damit nichts offen bleibt, möchte ich Ihnen noch einpaar Dinge mit auf den Weg geben. Beginnen Sie mitden vorliegenden Erkenntnissen der Lärmwirkungsfor-schung! Hinzu kommt noch die höchstrichterlicheRtzWrhAdNfedpsWbwDmatBrRsaDsHFssannaäGsIAnDkDu
ollte den tatsächlichen Verhältnissen des Flugbetriebsngepasst werden.
as leuchtet doch sicherlich ein. Es müsste auch den rei-efreudigen Regierungsmitgliedern einleuchten. Dererr Bundesumweltminister ist heute nicht hier, aber dierau Staatssekretärin ist hier. Ich weiß nicht, ob sie aucho reisefreudig ist wie ihr Minister. Angesichts der Rei-efreudigkeit des Ministers jedenfalls wäre es sicherlichngebracht, ein wenig schneller zu vernünftigen Ergeb-issen zu kommen.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wiratürlich einheitliche Messmethoden und Standardsuf europäischer und internationaler Ebene brauchen,hnliche Methoden, wie sie für Straßen-, Schienen- undewerbelärm bereits zur Anwendung kommen. Dascheint mir außerordentlich wichtig zu sein. Vom fairennteressenausgleich zwischen Flughafenbetreibern undnwohnern war schon mehrfach die Rede.Eines möchte ich noch sagen; das kann ich Ihnenicht ersparen. Ich stelle fest, dass sich bei sämtlicheniskussionen über Infrastrukturmaßnahmen im Ver-ehrsbereich eine Gruppe in der Bundesrepublikeutschland besonders hervortut. Das sind die Grünennd ihre Anhänger vor Ort.
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Franz Obermeier
Ganz egal, was wir diskutieren, ob wir Schienenverkehr,S-Bahn oder den Transrapid diskutieren – die Grünensind immer dagegen.
Wir haben bei uns am Flughafen vor einigen Jahren eineschöne Sache diskutieren können.
Die Grünen haben die Behauptung aufgestellt, der Flug-hafen sei übererschlossen. Jetzt haben wir zwei S-Bahn-Linien, eine erweiterte Autobahn und es reicht immernoch nicht. Trotzdem wehren sich die Grünen gegen al-les, was in Richtung Fortschritt im Verkehrsbereich geht.Die Bürgerinnen und Bürger vor Ort erkennen dieseszwielichtige Spiel natürlich sehr gut.
Sie zeigen bei verschiedensten Veranstaltungen auch,was man von einer derart scheinheiligen Politik zu hal-ten hat.
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zum Antragselbst sagen.
Selbstverständlich schließt sich die CDU/CSU-Bundes-tagsfraktion dem flehentlichen Wunsch der Kolleginnenund Kollegen aus der FDP-Bundestagsfraktion voll undganz an, der da schlicht und einfach lautet: Bitte legenSie jetzt so schnell wie möglich einen vernünftigen Ge-setzentwurf zur Novellierung des geltenden Fluglärmge-setzes vor.
Das parlamentarische Beratungsverfahren – das wird lei-der oft vergessen – ist eigentlich dazu da, im gemeinsa-men Ringen die bestmögliche Lösung zu erzielen. Wirstehen jederzeit für Gespräche bereit. Wir stehen sozusa-gen vor dem Ring und warten auf Ihre Signale.Herzlichen Dank.
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ch bin auch sehr optimistisch, dass wir uns demnächstn dieser Stelle wiedertreffen und über die Novelle desluglärmgesetzes sprechen,
umal Sie über den Referentenentwurf,
en es an und für sich noch gar nicht gibt, schon so gutnformiert sind. Ich denke, Sie teilen meine Auffassungazu.
Auch wir wissen, dass Lärm inzwischen zu den gra-ierendsten Umweltproblemen in unserem hoch tech-ologisierten und dicht besiedelten Land gehört. Auchir wissen, dass durch Lärm verursachte Gesundheits-eeinträchtigungen, zum Beispiel Schwerhörigkeit,chlafstörungen und Stresserscheinungen, die Menschenn erheblichem Maße belasten. Das Hauptproblem istier nun einmal Verkehrslärm und vor allen Dingenluglärm. Neueste Umfragen besagen, dass sich circain Drittel der Bevölkerung durch Fluglärm belästigtühlt.Man muss natürlich auch feststellen, dass der Luft-erkehr in Deutschland inzwischen ein bedeutendererkehrsträger geworden ist. Ich denke, das wissen Sie,iebe Kollegen und Kolleginnen, die Sie nachher sicher-ich wieder ins Flugzeug steigen und nach Hause fliegen,m besten. Das Flugzeug gehört heute zu den wichtigs-en Transportmitteln im Güter- und Personenverkehr.er Luftverkehr und die Luftverkehrswirtschaft ver-eichnen rasant zunehmende Leistungen. Die Branchest zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor in Deutschlandeworden. Aber man muss natürlich klar sagen: Mit die-em Aufwärtstrend gehen höhere Belastungen der Um-elt einher.Richtig ist – das ist heute schon von allen angespro-hen worden –, dass das Fluglärmgesetz von 1971 nichtehr den aktuellen Erkenntnissen der Lärmwirkungs-orschung entspricht. Ich verstehe aber gar nicht Ihreufregung darüber, dass bisher noch keine Novelle zumluglärmgesetz vorliegt. Ich kann mich erinnern, dass
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Petra BierwirthSie hier eine ganze Reihe von Jahren Regierungsverant-wortung getragen haben. Mir ist nicht bekannt, dass inIhren Reihen dieses Problem zum damaligen Zeitpunktdiskutiert worden ist.
Wir nehmen diese Entwicklungen sehr ernst und disku-tieren schon darüber. Wie ich schon gesagt habe, werdenwir demnächst über einen konkreten Vorschlag gemein-sam sprechen können.Das Fluglärmgesetz von 1971 entfaltet kaum nochWirkungen, da die Lärmschutzzonen oftmals kaumüber das Flughafengelände hinausreichen. Das hat natür-lich auch mit der Entwicklung leiserer Flugzeuge zu tun,durch die der durchschnittliche Lärmpegel, von dem dieGröße der Lärmzone abhängt, niedriger ist. Für die Men-schen aber, deren Wahrnehmung vom tatsächlich beste-henden Pegel bestimmt wird, ist der Fluglärm mit seinerbesonderen Ausbreitungsdynamik nach wie vor einesehr große Belastung.
Eine gesetzliche Anpassung an die heutigen Erforder-nisse ist aus unserer Sicht dringend erforderlich.Mit der Neufassung des Fluglärmgesetzes soll derAnspruch der Flughafenanwohner auf effektiven Lärm-schutz gestärkt werden. Dazu gehört unter anderem– auch das ist heute schon angesprochen worden – einevorausschauende Siedlungsplanung in lärmbelastetenBereichen um den Flughafen herum, um zukünftig auchLärmkonflikten besser vorbeugen zu können.
Eine Novelle sollte auch eine Ausweitung des An-wendungsbereiches auf weitere Flugplätze vorsehen.Hiermit ist eine Gleichbehandlung materiell vergleich-barer Fluglärmsituationen zu erreichen. Außerdem sindwir der Auffassung, dass auch Flugplätze der Bundes-wehr in die Reichweite einer Novelle zum Fluglärmge-setz einbezogen werden sollen.Auch dem Schutz der Nachtruhe müssen wir mit deranstehenden Novellierung besondere Bedeutung beimes-sen. Zum Beispiel kann die Ausweisung von Nacht-schutzzonen den Anforderungen gerecht werden. Unseraller Ziel muss es sein, gesundheitlich bedenkliche Stö-rungen der Nachtruhe zu verhindern.
In Deutschland als modernem, technisch hoch ent-wickeltem Land wird das Angebot einer nachhaltigenMgsurdagdadddhDfvspZH
Vielen Dank, auch für die kurze und knappe Rede, beier Sie uns allen sogar noch ein bisschen Zeit geschenktaben.Ich schließe damit die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufrucksache 15/2862 an die in der Tagesordnung aufge-ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisungo beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 sowie Zusatz-unkt 11 auf:27 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-brachten Entwurfs eines Gesetzes über das In-verkehrbringen, die Rücknahme und die um-weltverträgliche Entsorgung von Elektro- und
– Drucksache 15/3930 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
InnenausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten BirgitHomburger, Angelika Brunkhorst, MichaelKauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder FDPVerwertung von Elektronik-Altgeräten ökolo-gisch sachgerecht und unbürokratisch gestal-ten– Drucksache 15/3950 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
InnenausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHier haben die Abgeordneten Bollmann, Wittlich undomburger sowie der Bundesminister Trittin gebeten,
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12218 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 133. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Oktober 2004
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Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmerihre Reden zu Protokoll geben zu dürfen.1) Sind Sie da-mit einverstanden? – Dann verfahren wir so.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen aufDrucksachen 15/3930 und 15/3950 an die in der Tages-ordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibtes dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht derFall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-ordnung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-destages auf Mittwoch, den 27. Oktober 2004, 13 Uhr,ein.Die Sitzung ist geschlossen.