Gesamtes Protokol
Einen schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kol-legen! Die Sitzung ist eröffnet.Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutigeTagesordnung um eine vereinbarte Debatte zur humani-tären und menschenrechtlichen Situation und interna-tionalen Verantwortung im westlichen Sudan sowie umden interfraktionellen Antrag auf Drucksache 15/3197zu erweitern. Für die Beratung sind 90 Minuten vorgese-hen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinenWiderspruch. Dann ist so beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:Beratung des Antrags der BundesregierungFortsetzung der deutschen Beteiligung an derInternationalen Sicherheitspräsenz im Ko-sovo zur Gewährleistung eines sicheren Umfel-des für die Flüchtlingsrückkehr und zur mili-tärischen Absicherung der Friedensregelungfür das Kosovo auf der Grundlage der Resolu-tion 1244 des Sicherheitsrats der Ver-einten Nationen vom 10. Juni 1999 und desMilitärisch-Technischen Abkommens zwi-schen der Internationalen Sicherheitspräsenz
und den Regierungen der Bundesre-
DfwÜbOsBzSNslOrpdRedetpublik Jugoslawien und der Republik Serbienvom 9. Juni 1999– Drucksache 15/3175 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
InnenausschussRechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOInterfraktionell ist vereinbart, dass an dieser Stellekeine Aussprache hierzu erfolgen soll. – Ich sehe, Siesind damit einverstanden.Wir kommen damit gleich zur Überweisfraktionell wird Überweisung des An
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9974 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. Mai 2004
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st das Verfahren, die Zugehörigkeit zum Rentenversi-herungsträger ganz von der Branche und der Regionoszulösen, wirklich sinnvoll? Sind Ihrerseits andere Zu-rdnungssysteme geprüft worden, beispielsweise eineufteilung nach Branchen, nach Regionen oder meinet-alben auch nach Betriebsgrößen? Warum hat man sichür diese Methode entschieden und nicht für eine der Al-ernativen, die auch denkbar sind?Ich möchte eine weitere Frage anschließen. Der VDR,er Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, sollit der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ver-chmolzen werden. Durch die bisherige Struktur war si-hergestellt, dass es zwei kompetente Stellen im Renten-ersicherungssystem gibt, die auch eine gute fachlicheolitikberatung durchführen. Wer vorsieht, diese beidentellen sozusagen zu einem monolithischen Block zuerschmelzen, dem müsste doch daran gelegen sein, fürie Zukunft eine zweite unabhängige und kompetentetimme zu gewinnen. Ich nenne als Stichwort nur die Si-herung der Qualität der Politikberatung. Daraus leitetich meine Frage ab: Wäre es nicht sinnvoll, darüber
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Gerald Weiß
nachzudenken, den Alterssicherungsrat, den die En-quete-Kommission „Demographischer Wandel“ vorge-schlagen hat, als eine solche zweite unabhängigeStimme zur Sicherung der Qualität der Politikberatungzu etablieren?Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit undSoziale Sicherung:Herr Kollege Weiß, wir haben über viele Zuordnungs-kriterien beraten. Jedes Zuordnungskriterium ist immerauch ein Zufallskriterium. Sie haben gerade geschildert,dass das neue Verfahren, nach dem zu einem Regional-träger oder Bundesträger zugeordnet wird, dazu führenkann, dass es innerhalb einer Familie verschiedene Zu-ordnungen gibt. Ein solches Problem wäre bei einerbranchenspezifischen Zuordnung aber genauso gegeben,weil Ehepartner bzw. Eltern und ihre Kinder in Deutsch-land in der Regel nicht in der gleichen Branche tätigsind.Wir haben alle Verfahren durchgespielt. Das war einsehr langer Prozess, auch nach der Einigung vor einemJahr. Dabei gab es eine enge Abstimmung mit den Be-troffenen in den Landesversicherungsanstalten, aberauch auf Bundesebene und mit den Ländern. Wir sind zuder Auffassung gekommen, dass die Zuordnung nach ei-ner Versicherungsnummer das einfachste Kriterium ist,weil sie im Laufe des Berufslebens und auch währenddes Leistungsbezuges keinem Wechsel unterliegt.Für diejenigen, die heute Leistungen beziehen, ändertsich nichts. Das gilt auch für diejenigen, die über60 Jahre alt sind. Aber auch für die heutigen Beitrags-zahlerinnen und Beitragszahler wird sich wenig ändern.Durch die Neuregelung wird es aber vor allen Dingen fürdie Neuzugänge Vereinfachungen geben, weil die Unter-scheidung nach Arbeitern und Angestellten – auch einZufallskriterium, das sich im Laufe des Lebens ändernkann, womit eine Änderung der Zuordnung zum Renten-versicherungsträger verbunden ist – wegfällt. Man wirdzukünftig zum Beispiel der Deutschen Rentenversiche-rung Nord – wir gehen ja davon aus, dass Mecklenburg-Vorpommern zukünftig dazu gehören wird – oder ebender Bundesebene zugeordnet. Es gibt kein Verfahren, dasnicht dem Zufall unterliegt. Wir sind der Meinung, dassder bürokratische Aufwand beim Verfahren der Zuord-nung nach einer Versicherungsnummer am geringstenist, weil sich diese im Laufe des Erwerbslebens bzw.während des Leistungsbezugs nicht mehr ändert. Bran-chenspezifische Kriterien, regionale Kriterien oder an-dere Kriterien dagegen können sich ändern und müsstenimmer wieder angepasst werden.Zu Ihrer zweiten Frage: Im Verlauf der Diskussionenzu einer Organisationsreform wurde immer wieder ge-fordert, die Verwaltungsstruktur zu verschlanken. Zumanderen wurde immer wieder gesagt, dass wir, wenn allebestehenden Strukturen aufrechterhalten bleiben und ausvier bundesweiten Trägern zwei gemacht werden – da-durch würden wir zu mehr Synergieeffekten und effekti-veren Strukturen kommen –, ein Kontrollgremiumbräuchten. Ich weiß auch, dass ein Alterssicherungratgefordert wird.MirdkbwShdsäuneaazwhFWwwtwtresnzewAWzhhBvwegtjpfr
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Herr Straubinger, Sie haben Ihre drei Fragen bereitsestellt.
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Es ist zu begrüßen, dass bei der Einigung zwischen
dem Bundeskanzler und den Bundesländern zur Organi-
sationsreform der gesetzlichen Rentenversicherung das
Ziel formuliert worden ist, Wirtschaftlichkeit und Effi-
zienz zu verbessern und Synergieeffekte zu nutzen. Es
ist auch zu begrüßen, dass mit dem Einsparvolumen von
350 Millionen Euro eine Richtung zur Entlastung der
Beitragszahler eingeschlagen wird. Ich frage mich aber,
ob man in diesem Zusammenhang auch in Erwägung ge-
zogen hat, statt der vorgesehenen Erhaltung von zwei
Institutionen – nämlich der BfA, der Bundesversiche-
rungsanstalt für Angestellte, zusammen mit dem VDR
und den Sonderversicherungsträgern – nur eine Institu-
tion zu behalten bzw. in einem zweiten Schritt eine Be-
schränkung auf eine Institution vorzunehmen.
Des Weiteren ist es meines Erachtens im Zusammen-
hang mit dem Einsparvolumen von entscheidender Be-
deutung, wie die Fusions- und Kooperationsvorhaben
der Landesversicherungsanstalten verlaufen. In diesem
Zusammenhang bitte ich Sie um eine Beurteilung der
bisherigen Bestrebungen und Diskussionen um die Fu-
sions- und Kooperationsbemühungen der verschiedenen
Landesversicherungsanstalten. Glauben Sie, dass wir da-
bei auf einem guten Weg sind und das Einsparziel errei-
chen werden?
Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:
Zu Ihrer zweiten Frage, danach, wie die Fusionen ver-
laufen: Es gibt Bestrebungen, die Landesversicherungs-
anstalten von Berlin und Brandenburg zu fusionieren.
Des Weiteren gibt es – das habe ich eben bereits er-
wähnt – Bemühungen zur Schaffung eines Nordver-
bunds, mit dem Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-
Holstein und Hamburg einen gemeinsamen Weg gehen
wollen. Von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
wird Interesse an der Bildung einer mitteldeutschen Ren-
tenversicherung geäußert. Das sind die Bestrebungen,
die bisher bekannt sind.
– Bayern hat sich bisher dazu nicht geäußert. Allein das
würde schon eine Reduzierung von bisher 22 auf
16 LVAen bedeuten. Ihre Frage nach den Zusammen-
schlüssen stellt sich wahrscheinlich eher im Zusammen-
hang mit der Zusammenarbeit und den veränderten Or-
ganisationsbedingungen. Wenn die ersten Fusionen
vollzogen sind und wenn man im Benchmarkingprozess
sieht, dass effizientere Strukturen entstehen, dann wird
das sicherlich eine Fusionswelle auslösen. Wir wollen ja
einen Wettbewerb um gute Angebote und Wirtschaft-
lichkeit.
Des Weiteren haben Sie, Herr Bahr, danach gefragt,
warum es zukünftig zwei Rentenversicherungsträger auf
Bundesebene geben wird, warum also die vorhandenen
Rentenversicherungsträger nicht zu einer Rentenversi-
cherungsanstalt Bund zusammengeführt werden. Dazu
kann ich Ihnen Folgendes sagen: Ihnen ist sicherlich die
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Danke schön, Frau Ministerin. – Wir beenden damit
aus Zeitgründen die Befragung der Bundesregierung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Fragestunde
– Drucksache 15/3157 –
Wir kommen zuerst zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beant-
wortung der Fragen steht der Staatssekretär Wolf-
Michael Catenhusen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 der Abgeordneten Gitta Conne-
mann auf:
Trifft es nach Auffassung der Bundesregierung zu, dass
nach dem geplanten Berufsausbildungssicherungsgesetz die-
jenigen Ausbildungsbetriebe, deren Auszubildende aufgrund
überdurchschnittlicher Leistungen vorzeitig zur Abschluss-
prüfung zugelassen werden, wodurch die entsprechenden
Lehrstellen in diesen Betrieben dann bis zu einem halben Jahr
nicht besetzt sein würden, eine Ausbildungsplatzabgabe zah-
len müssten, und wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund die
sich daraus ergebende Situation der Betriebe und ihrer Auszu-
bildenden?
Bitte, Herr Staatssekretär Catenhusen.
Wo
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete Connemann, eine pauschale Ant-
wort auf die von Ihnen gestellte Frage ist nicht möglich,
da eine Vielzahl von Faktoren für die Abgabepflicht ei-
nes Arbeitgebers maßgeblich ist. Zur Finanzierung der
nach dem Gesetzentwurf vorgesehenen Förderungsmaß-
nahmen – Stichwort Ausbildungsplatzumlagefinanzie-
rung – wird im Falle der Auslösung der gesetzlichen
Wirkungen durch die Bundesregierung, wie es in § 3 des
Gesetzentwurfs vorgesehen ist, eine Berufsausbildungs-
sicherungsabgabe von grundsätzlich allen öffentlichen
und privaten Arbeitgebern erhoben.
Von der Abgabepflicht sind kraft Gesetzes insbeson-
dere Arbeitgeber befreit, deren individuelle Ausbil-
dungsquote die notwendige Quote von 7 Prozent im Be-
zugsjahr erreicht oder überschritten hat, sowie
Arbeitgeber mit im Bezugsjahr durchschnittlich zehn
oder weniger sozialversicherungspflichtig Beschäftig-
ten.
Die Höhe des von einem abgabepflichtigen Arbeitge-
ber zu entrichtenden Abgabebetrages ergibt sich aus § 11
des Gesetzentwurfs. Sie hängt von der bereinigten An-
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ntscheidend ist, ob in demselben Jahr ein neuer Auszu-
ildender eingestellt wird. Falls ja, würde sich mögli-
herweise eine Anrechenbarkeit dieses Zeitraums im
inblick auf die Höhe der Ausbildungsplatzabgabe erge-
en. Ich sage ganz deutlich: Dieses Problem könnte in
er Praxis auftreten, wenn ein Arbeitgeber im Falle einer
bsehbaren vorzeitigen Beendigung eines Ausbildungs-
erhältnisses die Möglichkeit hat, zu gegebener Zeit eine
eubesetzung vorzunehmen.
Man muss zwei Dinge gegenüberstellen – wenn Sie
iese Frage aufwerfen, dann denken Sie auch daran –:
er Arbeitgeber spart erhebliche Kosten ein, wenn ein
uszubildender seine Ausbildung frühzeitig abschließt;
leichzeitig hätte er im Rahmen der Ausbildungsplatzab-
abe möglicherweise einen kleineren Teil der eingespar-
en Kosten zu entrichten.
Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ich wollte gar keine pauschalentwort, sondern eine konkrete Antwort auf eine sehronkrete Frage.
Die Verkürzung der Lehrzeit wegen überdurchschnitt-icher Leistung des Auszubildenden beträgt regelmäßig
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9980 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. Mai 2004
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Gitta Connemannsechs Monate. Es geht genau um diesen Zeitraum. IhrenWorten entnehme ich jetzt, dass der ausbildende Arbeit-geber für diese sechs Monate eine Ausbildungsplatz-abgabe durchaus entrichten müsste, wenn es die Ge-samtsituation seines Betriebes nicht anders zulässt. DieVoraussetzung für die Verkürzung einer solchen Lehrzeitist die Zustimmung des Ausbilders. Aus welchem Grundsollte er diese geben, wenn zwar der Auszubildende da-von profitiert, er selbst aber im Ergebnis keine Ausbil-dungsleistung mehr erhält und sogar noch eine Ausbil-dungsplatzabgabe zahlen muss?W
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich weise Sie darauf hin, dass die Ausbildungsplatz-
abgabe, die gezahlt würde, nicht diejenigen Kosten um-
fasst, die dem Arbeitgeber bei einer Weiterführung des
Ausbildungsverhältnisses insgesamt entstehen würden.
Das heißt, die Ausbildungsplatzabgabe umfasst nur ei-
nen Teil der gesamten Ausbildungskosten. Wie Sie wis-
sen, umfassen sie nämlich nicht nur die Ausbildungsver-
gütung. Das kann Ihnen jeder Arbeitgeber erklären. In
diesem Sinne sage ich: Jawohl, der von Ihnen beschrie-
bene Fall kann eintreten; für den Arbeitgeber ist aber
nicht die Frage: „Bezahle ich die Ausbildungsplatzab-
gabe oder nicht?“ entscheidend; vielmehr wird er eine
Gesamtbilanz ziehen, die die ihm durch die Weiterfüh-
rung des Ausbildungsverhältnisses entstehenden Kosten
berücksichtigt und diese der Ausbildungsplatzabgabe
gegenüberstellt. Unter dem Strich wird sich für ihn be-
triebswirtschaftlich ergeben, dass die Ausbildungsplatz-
abgabe keinesfalls mit der Höhe der Gesamtkosten der
Weiterführung des Ausbildungsverhältnisses vergleich-
bar sein wird.
Ich weise ein weiteres Mal darauf hin, dass der Aus-
bilder in dem einen Fall für diese Zeit eine Leistung des
Auszubildenden erhalten würde.
Was Sie pauschal und abstrakt beschreiben, wirkt sich
in meinem Wahlkreis so aus, dass die Ausbilder einer
Klasse von Hotelfachschülern gesagt haben, eine Ver-
kürzung der Lehrzeit komme nicht mehr in Betracht,
weil damit nicht unerhebliche Kosten verbunden seien.
Meine weitere Frage: Ist es vor diesem Hintergrund
nicht kontraproduktiv, Betriebe für eine sehr gute Aus-
bildungsleistung – damit der Auszubildende früher in die
Prüfung gehen kann, muss er überdurchschnittliche
Leistungen bringen, die natürlich von den Betrieben be-
wirkt worden sind – auch noch mit Sanktionen zu bele-
gen?
W
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ihre Frage unterstellt, dass der Betrieb, der ein Aus-
bildungsverhältnis aufgrund der hervorragenden Leis-
tung des jungen Menschen früher beenden könnte, mit
der Weiterbeschäftigung des Auszubildenden einen rea-
len Gewinn erzielen könnte. Eine solche Rechnung
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
– Nein.
Meine Damen und Herren, derjenige, der im Folge-
jahr die Frage zu beantworten hat, welche Ausbildungs-
quote er hat und ob er damit seinen Ausbildungsver-
pflichtungen gerecht wird, muss für seinen speziellen
Fall eine Bilanz ziehen. Die Kostenfaktoren dieser Bi-
lanz können im Einzelfall leicht beurteilt werden. Es ist
nur schwierig, jetzt eine abstrakte Diskussion über alle
denkbaren Einzelfälle zu führen.
Das Wort zur Nachfrage hat jetzt der Abgeordnete
Uwe Schummer.
Hält die Bundesregierung es für zielführend, dass mit
dem von Ihnen soeben geschilderten Berechnungsver-
fahren offenkundig schlechte Ausbilder, die für die Aus-
bildung längere Zeit als vorgesehen brauchen, bevorzugt
werden, während gute Ausbilder, die zu einer Verkür-
zung der Ausbildungszeit beitragen können, offenkundig
benachteiligt werden? Dient vor dem Hintergrund der
50 Arbeitsgesetze mit etwa 220 Schwellenwerten, die
wir derzeit haben, ein neues Arbeitsgesetz zur Ausbil-
dungsplatzabgabe der auch von der Bundesregierung ge-
forderten Vereinfachung und besseren Durchschaubar-
keit des Arbeitsrechtes?
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie sprechen ein Manko an, das es ja nicht erst seit
dem rot-grünen Regierungsantritt gibt. Das ist gar keine
Frage.
Ich möchte zu Ihrer Frage Folgendes anmerken: Die-
jenigen, die ihre Auszubildenden länger ausbilden, zum
Teil drei oder dreieinhalb Jahre, sind ja nicht die
schlechteren Ausbilder, sondern sie kümmern sich um
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Nein, Sie haben leider nur eine Frage. Also: Wer die
rage schriftlich gestellt hat, hat zwei Nachfragen, alle
nderen eine.
Jetzt kommt der Kollege Koppelin.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitar-
eiter hat das Ministerium für Bildung und Forschung
nd wie viele Auszubildende hat es?
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir haben eine Ausbildungsquote von über 8 Prozent.
eshalb sehen wir die Diskussion über die Verantwor-
ung öffentlicher Arbeitgeber in unserem Ministerium
elassen.
Wir haben etwa 900.
Jetzt eine Nachfrage des Kollegen Kretschmer.
Herr Staatssekretär, zunächst einmal vielen Dank da-ür, dass Sie anders als Ihre Kollegen, als andere Staats-ekretäre und auch anders als die Ministerin deutlich ge-acht haben, dass die Kosten für den Arbeitgeber vonroßer Bedeutung sind. Wir hoffen, dass Sie unserenorschlag, die Ausbildungsvergütungen in einigen Be-eichen abzusenken, unterstützen und dementsprechendn Ihr Haus hineinwirken. Bei durchschnittlich 630 Euroro Monat in Deutschland ist das schon ein wichtigerunkt.Außerdem möchte ich Sie gerne fragen, ob für den Ein-elfall, den die Kollegin Connemann hier stellvertretend
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Michael Kretschmerfür andere Fälle geschildert hat, eine Sonderregelung ge-funden wird – eine ganze Reihe von Betrieben, die nichtausbilden dürfen, werden ja auch berücksichtigt –, obdas auf unsere Initiative in dieser Fragestunde im Geset-zesvorhaben berücksichtigt wird. Hier geht es ja um einwichtiges Problem: Während wir über Verkürzung derAusbildungszeiten reden, besteht die Gefahr, wie wir ge-rade gehört haben, dass durch das entsprechende Gesetzgerade das Gegenteil erreicht wird.Ich möchte auch noch einmal auf das eingehen, wasHerr Koppelin gesagt hat und anmerken, dass die8 Prozent, von denen Sie sprechen, nicht für Ihr Haus al-leine gelten, sondern nur unter Einbeziehung aller nach-gelagerten Einrichtungen wie des Bundesinstituts fürBerufsbildung erreicht werden. Wir sollten da dochschon bei der Wahrheit bleiben.W
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das können wir gerne noch einmal im Detail nachlie-
fern. Ich hüte mich jetzt vor Festlegungen, weil unser
Geschäftsbereich sehr groß ist. So zählen zum Beispiel
zu ihm auch Forschungseinrichtungen. Sie wissen, dass
bei uns wie in anderen Bereichen des öffentlichen Diens-
tes die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zu-
grunde gelegt werden und die Beamten nicht einbezogen
werden. Die Diskussion darüber kennen Sie. Ich gehe
davon aus, dass wir in unserem Ministerium die Ausbil-
dungsquote erreichen; aber das liefere ich Ihnen gerne
schriftlich nach.
Zu dem anderen Punkt, den Sie angesprochen haben.
Es macht doch keinen Sinn, zu behaupten, es gebe mit
der Erhebung der Ausbildungsplatzabgabe keine
Schwierigkeiten. Diesen steht aber ein gesellschaftspoli-
tisches Problem gegenüber. Deshalb müssen wir abwä-
gen: Können wir in Extremfällen, wenn die Wirtschaft
ihrer Verantwortung nicht nachkommt, wie es in den
letzten Jahren geschehen ist, auf ein solidarisches Umla-
gesystem verzichten? Dabei besteht immer das Problem,
dass bestimmte Grundanforderungen auf Einzelfälle an-
gewandt werden müssen. Dass das nicht in jedem Ein-
zelfall zu einer Ideallösung führt, ist die eine Sache.
Es gibt aber auch eine andere Seite. Es gibt dem-
nächst auch die zweijährige Berufsausbildung. Die Un-
ternehmen, die nach einer zweijährigen Ausbildung
einen Abschluss ermöglichen, haben einen entsprechend
geringeren Aufwand und nach Abschluss der Ausbil-
dung in der Zeit danach auch keine Kosten, es sei denn,
sie stellen einen neuen jungen Menschen ein. Wenn ein
Ausbildungsverhältnis beendet und nicht durch ein ande-
res ersetzt wird, kann nicht individuell bewertet werden,
aus welchen Gründen das Ausbildungsverhältnis geen-
det hat.
In diesem Sinne halte ich – auch in Würdigung Ihrer
Argumente – unter den Gesichtspunkten der Belastung
und der Gleichbehandlung von Unternehmen eine Lö-
sung für vertretbar, nach der die Unternehmen nach
Beendigung eines Ausbildungsverhältnisses dieses Aus-
bildungsverhältnis nicht mehr etwa im Sinne einer Ent-
lastung angerechnet bekommen. Man muss in der Politik
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Danke schön. – Es gibt keine weiteren Zusatzfragen.
Dann danke ich Ihnen, Herr Staatsminister.
Die Fragen 5 und 6 des Abgeordneten Hartmut
Koschyk aus dem Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums des Innern, die Frage 7 der Abgeordneten Sibylle
Laurischk aus dem Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums der Justiz sowie die Fragen 8 der Abgeordneten
Sibylle Laurischk und 9 des Abgeordneten Jens Spahn
aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
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und zweitens die Zurückweisung begründen. Nach mei-
nem Kenntnisstand hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau
im vergangenen Jahr mehrere Zehntausend Existenzsi-
cherungsdarlehen an eben solche kleinen mittelständi-
schen Unternehmen vergeben, um deren Existenz zu si-
chern. Existenzgründungsdarlehen sind etwas anderes,
davon spreche ich jetzt nicht; hier geht es um Existenzsi-
cherungsdarlehen. Die genauen Zahlen kann ich Ihnen
gern noch schriftlich nachreichen.
Um die Summe der Mittelständler und um die vielen
einzelnen Mittelständler kümmert sich die Bundesregie-
rung selbstverständlich mit den Möglichkeiten, die ihr
zur Verfügung stehen, so zum Beispiel über die Kredit-
anstalt für Wiederaufbau. Das will ich deutlich sagen,
um den häufig wiederholten Vorwurf an die Bundesre-
gierung, der – wie Sie selber sagen – provokativ geäu-
ßert wird, in aller Form zurückzuweisen.
Im Übrigen weise ich darauf hin, dass es für die priva-
ten Kundenbeziehungen der Abwicklungsbank, der
Schmidt-Bank, nicht eine Übergangsfrist von lediglich
drei Wochen gegeben hat. Nach meinem Kenntnisstand
sind die Kunden der Abwicklungsbank zum 1. Januar
2004 darüber unterrichtet worden, dass die Einschrän-
kung der Geschäftstätigkeit ab 1. Juni des Jahres 2004
stattfinden soll. Das wären dann fünf Monate.
Ich kann nicht beurteilen, ob einzelne dieser Mittel-
ständler in der Zwischenzeit zum Beispiel einen Exis-
tenzsicherungskredit bei der Kreditanstalt für Wieder-
aufbau beantragt haben. Ich vermag auch im Einzelnen
nicht zu beurteilen, was die Staatsregierung in Bayern
zum Beispiel in Form eines Zur-Verfügung-Stellens von
Landesbürgschaften unternommen hat. Diese können ge-
genüber Geschäftsbanken selbstverständlich abgegeben
werden. Sollte es sich um Kredite handeln, die nicht dau-
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9988 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. Mai 2004
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Wir haben beispielsweise geprüft, ob die Größe der
usgeschriebenen Lose im vorgesehenen Umfang auf-
echterhalten werden kann. Ich verrate kein Geheimnis,
enn ich Ihnen jetzt sage, dass die Größe der Lose mög-
icherweise revidiert wird.
Herr Kollege Goldmann.
Herr Staatssekretär, ich bin überrascht zu hören, dass
ie die massive Kritik des Kolpingwerkes nicht kennen;
chließlich sind von der Vergabepraxis ganze Regionen
etroffen. Es gibt im Norden, zum Beispiel in der Stadt
aderborn, ein Unternehmen, das eng mit dieser Stadt
erbunden ist; Sie werden es vielleicht kennen.
Ich möchte zur Frage des Kollegen Schummer nach-
ragen: Wie schnell wollen Sie reagieren? In der Region,
us der ich komme, gibt es die allergrößten Befürchtun-
en, dass die Konzepte, die sich dort bewährt haben, in
ukunft nicht mehr funktionieren werden, weil es den
nternehmen, die sich an die Rahmenbedingungen hal-
en, nicht mehr möglich ist, an diesem Markt teilzuneh-
en. Sie haben eben gesagt, dass Sie sich bemühen,
orrekturen vorzunehmen. Ich frage Sie deshalb: Was
st unternommen worden? Wann wird man zu Ergebnis-
en kommen? Das Problem besteht schließlich nicht erst
eit heute, sondern ist schon seit Monaten bekannt.
R
Herr Kollege, angesichts des Vorhalts, den Sie ge-acht haben, möchte ich hier betonen, dass mir die Kri-ik sehr wohl bekannt ist. Ich wusste nur nicht, dass sieom Kolpingwerk kommt. Wir haben dieses Thema so-ar schon in der Fragestunde erörtert. Ich war anwesend;ie Kritik ist mir also sehr wohl geläufig.Natürlich kenne ich die Stadt Paderborn. Sehen Sie esir aber bitte nach, dass ich mich mit den regionalenegebenheiten und der Institution, die Sie angesprochenaben, nicht genauestens auskenne. Ein genauer Ein-lick in die Gegebenheiten der gesamten Bundesrepu-lik fehlt mir.Ich weiß aber, dass es diese Kritik gibt, und habechon gesagt, dass wir sie ernst nehmen. Es gibt von miricht nur die Zusage, dass wir die Größe der Loserüfen, wir haben vielmehr schon darüber nachgedacht
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. Mai 2004 9989
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Parl. Staatssekretär Rezzo Schlauch– damit verrate ich kein Geheimnis –, die Größe derLose, die einen unmittelbaren Einfluss auf die gewach-senen örtlichen Strukturen hat, zu revidieren, weil vieleInstitutionen nicht mehr zum Zuge gekommen sind, dasie die Antragstellung aufgrund der Größe der Lose nichtmehr bewältigen konnten.
Zu Frage 16 gibt keine weiteren Fragen.
Die Frage 17 soll schriftlich beantwortet werden.
Damit kommen wir zu Frage 18 der Kollegin Petra
Pau:
Wie hat sich der Rüstungsexport der Bundesrepublik
Deutschland nach Israel seit 1999 entwickelt?
Herr Staatssekretär, bitte.
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Sehr geehrte Frau Kollegin Pau, ich beantworte Ihre
Frage wie folgt: Die Zahlen zu den Rüstungsexporten
der Bundesrepublik Deutschland nach Israel für die
Jahre 1999 bis 2002 sind den Rüstungsexportberichten
der Bundesregierung an den Bundestag für diese Jahre
zu entnehmen. Ich möchte die Genehmigungswerte für
diese Jahre in diesem Zusammenhang aber benennen: Im
Jahre 1999 betrugen sie 244 Millionen Euro, im Jahre
2000 177 Millionen Euro, im Jahre 2001 36,5 Millionen
Euro und im Jahre 2002 160 Millionen Euro. Die vorläu-
figen Genehmigungswerte für 2003 belaufen sich auf
circa 131,6 Millionen Euro. Die endgültige Mitteilung
erfolgt im Rüstungsexportbericht 2003.
Zusatzfrage? – Kollegin Pau.
Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ich
wüsste gern, wie Sie sich die ungeheuren Sprünge in der
Entwicklung der Rüstungsexporte nach Israel erklären,
zum Beispiel zwischen den Jahren 2001 und 2002.
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Aus meiner Sicht kann nicht von ungeheuren Sprün-
gen die Rede sein. Sie sehen, dass die Exporte im Jahre
1999 244 Millionen Euro betrugen. Es gibt einen
Sprung, nämlich zwischen 2000 mit 177 Millionen Euro
und 2001 mit 36,5 Millionen Euro. 2002 waren sie wie-
der auf einem ähnlich hohen Niveau wie vorher, wobei
die Tendenz gegenüber den Jahren 1999 und 2000 ab-
nehmend war. Es gibt also einen Sprung, aber keine
Sprünge.
Es ist klar – das wissen Sie auch –, dass gemäß den
entsprechenden Richtlinien und anhand der vorliegenden
Anträge genehmigt wird. Wenn allerdings eine geringere
Zahl von Anträgen vorliegt, wie das möglicherweise
2001 der Fall war, dann wird das durchschnittliche Volu-
men nicht erreicht.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
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– Es werden dann keine neuen Ausbildungsplätze ge-
schaffen; aber die begonnene Ausbildung wird natürlich
abgeschlossen.
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Okay, herzlichen Dank.
Dann rufe ich auch Frage 29 der Kollegin Dr. Maria
lachsbarth auf:
Welche Konsequenzen erwachsen nach Einschätzung der
Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit
– ökologische, ökonomische und soziale Aspekte – aus dieser
Entwicklung?
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Frage 28 beantworte ich wie folgt: Die Bundesregie-ung verfügt auf der Grundlage der Außenhandelsstatis-ik über konkrete Angaben über den Im- und Export vonbfällen nach Abfallarten und Staaten ab demahr 2001. Hiernach ergeben sich für die drei wichtigs-en Importgebiete von Kunststoffabfällen in Asien fürie Jahre 2001 und 2002 folgende Mengenströme: Chinan 2001 26 920 Tonnen, in 2002 51 423 Tonnen; Hong-ong 111 906 Tonnen im Jahr 2001, im Jahr 200206 144 Tonnen; nach Indien sind in 2001 7 419 Tonnenxportiert worden, in 2002 waren es 8 453 Tonnen.In den Jahren 2001 und 2002 sind insgesamt47 474 bzw. 167 427 Tonnen Kunststoffabfälle nachsien exportiert worden. Der Anteil der drei oben ge-annten Gebiete hieran beträgt etwa 99 Prozent. Gemes-en an der Gesamtmenge der exportierten Kunststoff-bfälle in den Jahren 2001 und 2002 in Höhe von31 000 Tonnen bzw. 363 000 Tonnen liegt der Anteiler drei wichtigsten asiatischen Abnehmergebiete bei4 bzw. 46 Prozent.Mit Abstand am bedeutendsten für den Export vonunststoffabfällen nach Asien sind die Polyethylen-bfälle gefolgt von Abfällen aus Polypropylen bzw. PET.er Export von Kunststoffabfällen nach Indien ist bisuf PET genehmigungspflichtig. Für die Verbringung
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. Mai 2004 9995
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Parl. Staatssekretärin Margareta Wolfvon Kunststoffabfällen in die Volksrepublik China ein-schließlich Hongkong gibt es keine Beschränkungen.Allerdings schreibt die Volksrepublik China eine Vorab-inspektion vor, die von einem in Deutschland ansässigenund von der Volksrepublik China autorisierten Unterneh-men durchgeführt wird.Frage 29 beantworte ich wie folgt: Zur Schätzung derKonsequenzen, die aus der zu beobachtenden Verlage-rung des Kunststoffrecyclings von Europa nach Asien– hier sei noch einmal die Volksrepublik China ge-nannt – erwachsen, sind aus Nachhaltigkeitssicht vor al-lem zwei Fragen von Interesse:Erstens. Welche Produkte werden aus den Kunststoff-abfällen gewonnen? Das Recycling von Kunststoffabfäl-len entlastet die Umwelt in dem Maße, wie die hierbeigewonnenen Produkte zu einer Substitution von Primär-rohstoffen und damit zu einer Vermeidung der hiermitverbundenen Umweltbelastungen beitragen.Die entsprechenden Bedingungen in Ostasien werdenwie folgt eingeschätzt:a) Da die Wertstoffe in Ostasien in höherem Maßevon Hand sortiert werden, dürfte die Verwertungsquote,das heißt der Anteil der Kunststoffabfälle, die tatsächlichstofflich verwertet werden, höher sein als in Europa.b) Nach den vorliegenden Informationen werden ausden recycelten Kunststoffabfällen vor allem Textilfasernhergestellt. Die durch die Substitution von Primärroh-stoffen erzielte potenzielle Umweltentlastung liegt in ei-ner ähnlichen Größenordnung wie bei einem Recyclingzu PET-Flaschen. Das Recycling zu Textilfasern ist so-mit nach unserer Meinung grundsätzlich als hochwertigeinzuschätzen.Was für Sie in diesem Kontext auch von Interesse seindürfte, ist die Frage: Unter welchen Bedingungen erfolgtdas Recycling der Kunststoffe? Der Bundesregierungliegen keine repräsentativen Angaben darüber vor, unterwelchen Arbeits- und Umweltbedingungen das Kunst-stoffrecycling in Ostasien durchgeführt wird. Es deutetjedoch vieles darauf hin, dass diese Bedingungen unterden europäischen Standards liegen, und zwar sowohl be-züglich der gesundheitlichen und Sicherheitsbedingun-gen am Arbeitsplatz als auch bezüglich der Emissionenund der Einbringung von Schadstoffen in die Umwelt.Die Umweltbelastungen, die sich aus dem Transport derKunststoffabfälle nach Ostasien ergeben, sind gegenüberden oben angesprochenen Aspekten als geringfügig ein-zuschätzen.Letzte Bemerkung. Eine umfassende Bewertung derVerlagerung des Kunststoffrecyclings von Europa nachAsien unter Nachhaltigkeitsaspekten hängt vor allemvon den Umwelt- und Arbeitsbedingungen in dem jewei-ligen Importland ab. Hierzu liegen uns allerdings keinerepräsentativen Angaben vor, sodass ich diese Frage lei-der nicht abschließend beantworten kann. Aber wir tei-len Ihnen gern jederzeit unsere Erkenntnisse hierzu mit,zumal ich die Frage wirklich sehr spannend finde.sBZBsmhnfsbUztmhKwmdfhEmhdbdInEdmIk
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Wir haben deshalb auf allen politischen Ebenen ver-sucht, Druck zu machen und die sudanesische Regierungzum Einlenken zu bewegen. Ich habe mich entschlossen,unmittelbar nach meinem Aufenthalt im Tschad nachNew York zu fliegen und dem Sicherheitsrat von derLage dort vor Ort zu berichten. Wir haben gedrängt, dieDarfurkrise sowohl auf dem G-8-Außenministertreffenals auch beim Rat der EU-Außenminister zum Thema zumachen. Letztere haben am 17. Mai einen sehr deutli-chen Beschluss gefasst.Die internationale Gemeinschaft war lange uneins, in-wieweit der Darfurkonflikt hochrangig thematisiert undin internationale Gremien, zum Beispiel die EU oder dieUN, eingebracht werden sollte. Es gab auch viele kriti-sche Stimmen, die vor einer Gefährdung des gesamtsu-danesischen Friedensprozesses, der in den letzten Mo-naten im kenianischen Naivasha gute Fortschrittegemacht hat, warnten. Die Bundesregierung ist aller-dings früh zu der Überzeugung gelangt, dass der gesamt-sudanesische Friedensprozess nur dann Aussicht auf Er-folg hat, wenn auch die Konfliktherde in Regionen,deren Interessen im Friedensprozess nicht berücksichtigtsind, einbezogen werden. Dazu gehört eben auch der es-kalierte Darfurkonflikt. Ich bin der Auffassung, dass esim Sudan keinen nachhaltigen Frieden geben wird – daskann man sich jedenfalls nur schwer vorstellen –, wennnicht gleichzeitig der Darfurkonflikt gelöst wird, undzwar sowohl die humanitäre Krise als auch die politischeKrise, die dahinter steht.Herr Minister Fischer und ich haben seit Mai 2003 invielen bilateralen Gesprächen mit der sudanesischen Re-gierung auf eine Lösung der Darfurkrise gedrängt. Esgeht uns vor allem darum, dass der Darfurkonflikt im Si-cherheitsrat behandelt wird. Diesbezüglich musste beivielen Mitgliedstaaten erhebliche Überzeugungsarbeitgeleistet werden, bis wir dieses Thema am 2. April die-ses Jahres auf die Tagesordnung des Sicherheitsrates set-zen konnten. Am 14. April wurde erneut über die Lageberaten. Am Montag fand auf unsere Initiative hin einTreffen der Mitglieder des Sicherheitsrates mit Vertre-tern von Nichtregierungsorganisationen zum ThemaDarfur statt.Ich begrüße insbesondere, dass in der vergangenenNacht endlich eine deutliche Erklärung des Sicherheits-rates verabschiedet werden konnte. Sie verurteilt dieGewalt in Darfur und fordert die sudanesische Regie-rung auf, den internationalen Hilfsorganisationen freienZugang zu gewähren und ihre Zusagen einzuhalten. Dasist ein sehr wichtiger Schritt. Ich hoffe, es werden wei-tere folgen, wenn es nicht gelingt, diese Krise zu deeska-lieren.
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Abschließend will ich sagen, dass es sehr viele Bemü-hungen gegeben hat. Man kann sicherlich davon spre-chen, dass wir in gewisser Weise treibende Kraft sind.Entscheidend ist, ob es gelingt, die Menschen zu versor-gen. Ich hoffe, dass es noch nicht zu spät ist. Wir könnennoch handeln und tun das auch.Allerdings sage ich auch sehr deutlich: Wenn es nichtgelingt, einen freien Zugang für die Hilfsorganisationenzu erreichen, wenn die sudanesische Regierung ihre Zu-sagen nicht einhält und wenn in zwei bis drei Wocheneine Hungerkatastrophe droht, dann muss die internatio-nale Gemeinschaft, wie es Kofi Annan bereits am7. April in seiner Rede anlässlich des Gedenkens an denVölkermord in Ruanda gesagt hat, weitere Schritte er-greifen, um diese drohende Katastrophe zu verhindern.Wir alle hoffen, dass wir diese Katastrophe verhindernkönnen. Wenn sie aber droht, müssen wir handeln.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Egon Jüttner von der CDU/
CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-ren! Der Sudan ist einer der ärmsten und der am höchs-ten verschuldeten Staaten der Welt. Circa 90 Prozent derBevölkerung leben an oder unterhalb der Armutsgrenze.Das Land leidet unter dem längsten Bürgerkrieg aufdem Kontinent. Bislang hat dieser Krieg mehr als2 Millionen Menschen das Leben gekostet. Die Zahl derGetöteten und Vertriebenen ist die höchste seit demZweiten Weltkrieg. Mit rund 5 Millionen ist der Sudandas Land mit der weltweit höchsten Zahl an Binnenver-triebenen.Trotz zahlreicher Versprechungen der sudanesischenRegierung hat sich die Menschenrechtssituation imwestlichen Sudan, nämlich in der Provinz Darfur, dras-tisch verschlechtert. Schon seit Monaten bekämpfen dortarabische Milizen, bekannt als Janjaweed, die schwarz-afrikanische Bevölkerung, die sie foltern und töten undderen Häuser sie niederbrennen, offenbar mit Duldungund Unterstützung der sudanesischen Regierung. Über-griffe auf Flüchtlinge, Vergewaltigungen von Frauen undMädchen, Entführungen von Kindern und Plünderungensind ebenfalls an der Tagesordnung.Augenzeugen berichten, dass sogar ganze Dörfer nie-dergebrannt und Nahrungsmittel vernichtet werden so-wN3wuevMrßnepmadvsKgrsHgniv2p2ssSSKMsbmdtrRdEgrvk„ndJmnA
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Anstatt Menschenrechtsverletzungen klar beim Namenzu nennen und die betroffenen Staaten auf Einhaltungder von ihnen selbst unterzeichneten internationalenMenschenrechtsabkommen zu verpflichten, wird hiervon afrikanischer Seite falsch verstandene Solidarität ge-übt.
Nicht nur Simbabwe, sondern auch der Sudan ist jetztzur Nadelprobe für Afrikas Bekenntnis zur Einhaltungder Menschenrechte, zu Rechtsstaatlichkeit und Demo-kratie geworden.
Wenn die Grundsätze und Prinzipien der NEPAD in eini-gen afrikanischen Ländern weiterhin mit Füßen getretenwerden, dann stellt sich die Frage, wie die weitere Zu-sammenarbeit zwischen Europa und Afrika gestaltetwerden soll. Länder wie Südafrika dürfen zu denschwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen im Su-dan oder in Simbabwe nicht einfach schweigen. DieAfrikanische Union steht hier in der Verantwortung unddie afrikanischen Staaten selbst sind gefordert, ihreStimme zu erheben und auch zu handeln.Die zivilisierte Welt kann die fortdauernden massivenMenschenrechtsverletzungen im Sudan nicht länger hin-nehmen. Es darf hier kein weiteres Ruanda geben. DieVölkergemeinschaft darf nicht ein zweites Mal versagen.Jetzt ist die internationale Gemeinschaft gefordert, diesudanesische Regierung unmissverständlich aufzufor-dern, die Gewalt in Darfur zu beenden. Die deutscheBundesregierung ist aufgefordert, sich mit ihrem ganzenpolitischen Gewicht bei der internationalen Gemein-schaft für ein geschlossenes Handeln einzusetzen. Siemuss im Weltsicherheitsrat und gegenüber der Organi-sation Afrikanischer Staaten Druck machen. Nurdurch eine gemeinsame und eindeutige Verurteilungkann der Druck auf die sudanesische Regierung erhöhtwMdddwfddlVUdnVigdnvZtRlstMtümeWwUKmeirUimsh„SVh
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Es ist bereits gesagt worden, dass die Gefahr besteht,dass etwa 350 000 Menschen während der Regenzeitnicht mehr erreicht werden können. Es ist jetzt schonschwierig, sie in manchen Regionen mit Transportmit-teln zu erreichen. Ich habe mir die Landkarte des Welter-nährungsprogramms daraufhin angesehen: Es gibtRegionen, die dann einfach nicht mehr zugänglich sind.Es geht also darum, schnell zu handeln.Es ist gut, dass sich alle Fraktionen des DeutschenBundestages heute auf einen Antrag geeinigt haben undmit dem Beschluss über diesen Antrag deutlich machen:Der Deutsche Bundestag sendet an die sudanesische Re-gierung das klare und unmissverständliche Signal: Las-sen Sie die Helferinnen und Helfer ins Land! Tragen Siedazu bei, dass der Waffenstillstand endlich eingehaltenwird! Tragen Sie dazu bei, dass den Vertreibungen unddem Gräuel ein Ende gemacht wird! Tragen Sie dazubei, dass die Menschen in ihre Heimatregionen zurück-kehren können! Das sagen wir als Bundestag insgesamtan die Adresse der sudanesischen Regierung.
Laut Amnesty International ist es nämlich keines-wegs so, dass die sudanesische Regierung in der Regionkeine Kontrolle mehr hätte. Sie ist vielmehr offensicht-lich aktiv an Gräueltaten und Menschenrechtsverletzun-gen beteiligt. Das zeigt wieder, dass es die Schwächstentrifft, nämlich Frauen und Kinder. Die Regierung inKhartoum muss sich vorwerfen lassen, dass sie ethnischmotivierte Vertreibungsaktionen, Massenmorde undMDddslwsadDcddtMamoEgwdlbtbaefpWdDmgwHSfwgmErazRwM
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Ethnische Vertreibungen dürfen, wo auch immer siegeschehen, nie mehr hingenommen werden; das habenwir für Europa gesagt. Sie dürfen auch in Afrika nichthingenommen werden. Ebenso darf die Taktik der ver-brannten Erde nicht aufgehen. Unser Ziel ist es, den ausdem Sudan Vertriebenen die Wiederkehr in ihr Land zuermöglichen; darum geht es.Wir werden alles tun, damit die internationalenHilfsorganisationen ungehindert und ohne Verzögerungin die Region Darfur kommen können, dass die Flücht-linge zurückkehren können, dass die regierungsnahenJanjaweed-Milizen entwaffnet werden und dass das Waf-fenstillstandsabkommen eingehalten und internationalüberwacht wird. Wir setzen uns als Bundesregierungebenfalls dafür ein – das haben wir auch auf europäi-scher Ebene durchgesetzt –, dass die Mittel, die die EUfür die so genannte Afrikanische Friedensfazilität bereit-stellt, so schnell wie möglich für den Einsatz afrikani-scher Friedenstruppen zur Verfügung gestellt werden.Denn die Afrikanische Union hat ihre eigene Verant-wortung immer wieder selbst betont. Es ist wichtig, dasses diese afrikanischen Friedenstruppen gibt und dass dieEuropäische Union ihre Finanzierung unmittelbar si-cherstellt. Dazu hat sie sich auch verpflichtet.Die Bundesregierung hat bisher 5 Millionen Euro fürdie Flüchtlingshilfe zur Verfügung gestellt. Den Um-fang dieser Hilfe werden wir – auch das sage ich an die-ser Stelle – ausweiten bzw. ausweiten müssen. Durch un-sere Unterstützung des Welternährungsprogramms undder Welthungerhilfe tragen wir dazu bei, dassNahrungsmittelhilfe zu den Flüchtlingen gebrachtwird; zum Teil ist sie zwar im Land, aber der Zugang zuden Flüchtlingen wird erschwert. Genauso wichtig ist es,dafür zu sorgen, dass die Menschen Zugang zu sauberemWasser bekommen; denn viele Kinder sterben, weil sieverschmutztes Wasser trinken. Wenn jetzt Möglichkeitendes Zugangs und der Hilfe bestehen, dann ist das eineder wichtigsten Voraussetzungen, um sicherzustellen,dass nicht weiterhin Kinder an verdorbenem Wassersterben.An dieser Stelle möchte ich den Ärzten ohne Gren-zen danken, die mit ihren Helfern und Helferinnen denMenschen dieser Region in dieser schwierigen Situationbeistehen. Wir tragen dazu bei, dass ihre wertvolle Ar-beit unterstützt wird und ihnen in großem Umfang Zu-gang in das Land ermöglicht wird, wenn sie ihren Ein-satz dort weiterhin ausüben wollen.ÜuNdGFdLhdzKsgdEaimfVRmrgubsSdtedgflHvDdsdI
Auch wir im Deutschen Bundestag führen Debatten.ch habe schon am 6. Mai, als wir über Afrikapolitik
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Ulrich Heinrichdiskutiert haben, einen Antrag der FDP mit eingebrachtund darum gebeten, dass wir einen gemeinsamen Antragerarbeiten sollten. Um ein Haar wäre das nicht gesche-hen. Alles war recht kurzfristig und wir hatten eigentlichkaum Möglichkeiten, intensiv mitzuarbeiten. Ich möchtedamit die Qualität des Antrages nicht schmälern, aberich möchte sagen, dass 20 Tage, die seit dem 6. Mai ver-gangen sind, eigentlich genug Zeit gewesen wären, unszusammensetzen und gemeinsam einen Antrag zu for-mulieren.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wie ist dieSituation im Sudan insgesamt? Das eine, FrauWieczorek-Zeul, hängt natürlich auch mit dem anderenzusammen, es ist untrennbar damit verbunden. Seit1983, seit über 20 Jahren, schwelt der Nord-Süd-Kon-flikt zwischen arabisch-islamisch geprägten Stämmenim Norden und dem schwarzafrikanisch-christlichen Sü-den. Dieser lange Konflikt hat über 2 Millionen Tote ge-fordert und 4 Millionen Flüchtlinge hervorgebracht. DerKampf um Wasser, um Ressourcen, um Öl, um Land istin diesem Staat über zwanzig Jahre lang unerbittlich ge-führt worden.Am heutigen Tag scheint die Unterzeichnung einesRahmenabkommens möglich, das Voraussetzung für eindarauf folgendes Friedensabkommen sein kann; daswäre sehr zu begrüßen. Ich hoffe, dass sie so weit kom-men. Die bisherigen Berichte sind noch immer gespalte-ner Meinung. Nach einer Übergangszeit von sechs Jah-ren soll nach diesem Rahmenabkommen einReferendum über einen eigenen Südstaat erfolgen. Wirhalten es für eine kluge Entscheidung, nicht jetzt sofortdie Dinge endgültig regeln zu wollen, sondern dem Su-dan eine Übergangszeit einzuräumen.Beobachter gehen davon aus, dass erst nach einer um-fassenden Friedensabkommensregelung wirklich Besse-rung für die betroffenen Menschen in der Region eintre-ten kann. Parallel zu dieser Lösung des Nord-Süd-Konfliktes stehen wir heute hier und diskutieren über dieunhaltbaren Zustände in der Region Darfur. Wie imNord-Süd-Konflikt deutlich geworden ist, möchten dieMenschen auch in der Region Darfur an den Ressourcendes Landes teilhaben. Deshalb gibt es dort eine Rebel-lenbewegung, die sich nicht vertreiben lassen will, dienicht mit dem einverstanden ist, was von Khartoum auserfolgt. Während bei der Regelung des Konfliktes zwi-schen dem Norden und dem Süden ein Fortschritt zu er-kennen ist, ist die Darfurregion noch immer in Bewe-gung. Der Beginn war vor etwa anderthalb bis zweiJahren, als die schwarzafrikanischen Bevölkerungsteileden Kampf mit den arabischen Milizen aufgenommenhaben.Seit Februar 2003 sind etwa 30 000 Menschen umsLeben gekommen, etwa 1,2 Millionen Menschen sindauf der Flucht. Gewalt, Vertreibung und Menschen-rechtsverletzungen sind – das unterstreiche ich noch ein-mal – an der Tagesordnung. Eine humanitäre Katastro-phe droht; das ist bereits sehr deutlich zum Ausdruckgekommen. Doch die Regierung in Khartoum schautzu. Und nicht nur das: Sie unterstützt die arabischenMdgowtdESRDFeDnsUihEdVeVZsZWdmmwiiDwtlBMVlmrgasOBD
ie sudanesische Regierung spielt ein doppeltes Spiel:riedensverhandlungen auf der einen und härtestes undrbarmungsloses Vorgehen gegenüber den Rebellen inarfur auf der anderen Seite.Wir diskutieren heute natürlich auch über die Maß-ahmen, die so dringend notwendig sind. In diesem Zu-ammenhang wurde bereits die Rolle der Afrikanischennion angesprochen. Die Afrikanische Union hat es erstn diesen Tagen geschafft, sich einen eigenen Sicher-eitsrat zu geben und hat erst in diesen Tagen über dientsendung von Friedensmissionen in Konfliktgebieteiskutiert und hinsichtlich militärischer Intervention beiölkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeitine Veranlassung ausgesprochen. Wenn die AU ihreerantwortung überhaupt wahrnimmt – ich habe meineweifel; die Vergangenheit hat gezeigt, dass sie nicht be-onders aktiv war –, so wird dies sicherlich noch einigeeit in Anspruch nehmen.Ich glaube deshalb nicht, dass wir in den nächstenochen und Monaten vonseiten der AU eine Strategieer aktiven Konfliktlösung erwarten können, obwohl ichir das wünschen würde. Ich möchte nicht, dass Sieich falsch verstehen, aber realistischerweise müssenir davon ausgehen, dass die AU dazu nicht in der Lagest. Ich weiß auch nicht, ob sie schon in der Lage dazust, die Waffenstillstandsabkommen zu kontrollieren.azu hatte sie sich bereit erklärt. Wir werden sehen, in-ieweit sie ihre Rolle übernehmen kann. Für die sofor-ige humanitäre Hilfe, für die Versorgung der Flücht-inge in den Lagern im Tschad, für die Versorgung derevölkerung im Westen des Sudans mit Lebensmitteln,edikamenten und allem, was sie braucht, und für dieorbereitung einer gefahrlosen Rückkehr der Flücht-inge in ihre Dörfer wird deshalb die internationale Ge-einschaft gebraucht.In diesem Zusammenhang möchte ich einen besonde-en Dank an die Hilfsorganisationen wie die Welthun-erhilfe, Brot für die Welt oder Ärzte ohne Grenzen undn all die anderen aussprechen, die vor Ort sind und ver-uchen, die dringend notwendige Arbeit zu erledigen.bwohl sie daran gehindert werden, lassen sie in ihrememühen nicht nach. Ihnen gebührt unser besondererank.
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Ulrich HeinrichUnser gemeinsamer Antrag enthält die Forderung,den Druck auf die Regierung aufrechtzuerhalten und so-gar noch weiter zu erhöhen. Darin sind wir völlig einerMeinung. Trotzdem müssen wir uns heute auch Gedan-ken darüber machen, was zu tun ist, wenn das zu nichtsführt. Wenn die Menschenrechtsverletzungen nicht ge-stoppt werden und die Versorgung der Flüchtlinge nichtgewährleistet werden kann, dann muss aktiv eingegriffenwerden. Wir dürfen uns von Khartoum nicht an der Naseherumführen lassen.Herr Präsident, ich sehe das Zeichen. Lassen Sie michbitte noch ein paar Sätze sagen. – Dass sich der UN-Si-cherheitsrat heute zu einer sofortigen Entsendung inter-nationaler Beobachter in den Westen Sudans ausgespro-chen hat, ist gut, es reicht aber nicht aus. UnsereErfahrungen aus dem Kongo zeigen, dass wir, wenn wirin solchen Situationen erfolgreich sein wollen, auch einrobustes Mandat benötigen. Vergewaltigungen und dasAbbrennen von Dörfern verhindern Sie nicht mit Beo-bachtermissionen. Hier müssen Sie aktiv hineingehen.Deshalb lautet unsere Forderung letztendlich: Wenn wirhier nicht weiterkommen, dann müssen wir UN-Truppenmit einem robusten Mandat dorthin schicken. Über-legungen darüber stellen wir schon heute an.Ich unterstreiche es noch einmal: Wir dürfen es nichtzulassen, dass hier weiterhin gemordet, geplündert undMenschen gequält werden. Das kann und darf nicht zu-gelassen werden. Deshalb muss hier im entscheidendenAugenblick mit einem robusten Mandat hineingegangenwerden.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Hans Büttner von der SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Ich glaube, jeden von uns berührt es, wenn wir feststel-len, dass in bestimmten Gebieten dieser Welt Menschengefoltert, ermordet und getötet werden. Überall auf die-ser Welt – auch das gehört zur Realität –, wo es Krieggibt, gibt es auch massive Menschenrechtsverletzungen,Mord, Totschlag, Folterungen und Vergewaltigungen.Das entschuldigt diese Tatsache nicht; es ist nur eineganz realistische Feststellung.Kollege Jüttner und Kollege Heinrich haben daraufhingewiesen: In diesem Land Sudan, das etwa die acht-fache Größe von Deutschland hat, gibt es seit 1956Krieg – unterbrochen nur durch elf Jahre zwischen 1972und 1983. In diesem Land herrscht seit dieser Zeit einBürgerkrieg mit all seinen schrecklichen Folgen.Wenn wir jetzt darüber reden, wie wir handeln wollenund dazu beitragen können, einen solchen Bürgerkriegzu beenden, dann täten wir bei aller Emotionalität, dieauch ich habe, gut daran, ganz realistisch mit unserenForderungen und Möglichkeiten umgehen.–1sTgglkewwgainrnV2–BubtewzssseHedwddtuSkmDScliDdNa
Kollegin Nickels, ich sage Ihnen: Im Irak stehen50 000 Soldaten und ich sehe nicht, dass dort inzwi-chen Frieden ist und dass es dort keinen Mord, keinenotschlag, keine Erschießungen, keine Vergewaltigun-en usw. mehr gibt.Ich sage das deswegen, weil ich glaube, dass es nichtenügt, sich einfach nur aufzuregen. Man muss ganz rea-istisch und ehrlich sagen, was wir wo und wie was tunönnen. Ich will darauf noch eingehen und auch nochinmal hinweisen.Hier wird ein Vergleich mit Ruanda hergestellt. Das,as derzeit in Darfur geschieht, ist ebenso schrecklichie die Massenmorde in Ruanda. Es gibt aber einenanz entscheidenden Unterschied: 1992, als es in Ru-nda noch keine Kriegsverbrechen gab, hat die SPD hier diesem Bundestag den Antrag gestellt, die damals be-eitstehenden Truppen der Afrikanischen Union zu fi-anzieren und in dieses Land zu schicken, um solcheerbrechen zu verhindern. Es ging um einen Beitrag von0 Millionen DM.
Natürlich gab es die OAU. – Es gab dort damals dieereitschaft verschiedener Länder – Kollege Schusternd Kollege Tappe waren kurz vorher dort unten und ha-en diese Information mitgebracht –, bewaffnete Einhei-n mit insgesamt 5 000 Mann bereitzustellen. Dasurde damals abgelehnt. Heute besteht der Unterschiedu damals darin, dass diese Bundesregierung es durchge-etzt hat, dass nicht nur sie, sondern auch die Europäi-che Union sofort die erforderlichen Mittel bereitstellt,obald die AU ihre Truppen, die sie in petto hat, dorthinntsenden kann.Dass dies im Moment nicht möglich ist – vor diesemintergrund widersprechen wir uns mit unserem Antragin bisschen –, hat mehrere Gründe. Ein Grund ist, dassie sudanesische Regierung allein, auch wenn sie esollte, nicht für Frieden im Darfur sorgen kann. Dassie Regierung des Sudan jede Gelegenheit wahrnimmt,en Bürgerkrieg für sich zu nutzen, ist ebenso wahr; dasn allerdings auch die Rebellen, die einen Aufstand imüden des Sudan angefangen haben; in einem Bürger-rieg gibt es nicht nur Gute und Böse, auch das gehörtit dazu.
ie Regierung in Khartoum ist allein nicht in der Lage,icherheit zu schaffen, um Hilfslieferungen in ausrei-hendem Maße zu gewährleisten. Das ist ein Faktum.Deswegen müssen wir die Regierung drängen, end-ch eine robuste Friedensmacht der AU zuzulassen.iese Forderung muss an die Regierung gestellt werden,amit sich die afrikanischen Einheiten, die in Südafrika,amibia und anderen Staaten bereit stehen, schnellstensuf den Weg dorthin machen können. Was sie brauchen,
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10004 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. Mai 2004
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Hans Büttner
ist die logistische Unterstützung für den Transport, um inden nächsten Tagen so schnell wie möglich dorthin zugelangen. Nur dann ist sichergestellt, dass dieser Bürger-krieg eingedämmt werden kann, damit die Menschenvernünftig versorgt werden und langfristig friedlich le-ben können. Diese Schritte muss man gehen. Ich findedeshalb, dass dieser Antrag im Prinzip völlig richtig ist.Allerdings sage ich ganz klar: Wenn man eine breiter an-gelegte Ursachenforschung betriebe, würde dies ehereine dauerhafte Lösung ermöglichen.Hinsichtlich der konkreten Maßnahmen bitte ich da-rum, dass wir etwas ehrlicher zu uns selbst sind. Es istvöllig richtig – das möchte ich unterstreichen –, dassnicht nur für den Sudan, sondern auch für die anderenbeteiligten Länder ein Waffenembargo gelten soll. Aberwie lange reden wir schon darüber, um dann festzustel-len, dass trotzdem Waffen in diesen Kontinent geliefertwerden, egal ob wir ein Embargo fordern oder nicht?Die Staaten, die in der Lage wären, die Einhaltung diesesEmbargos zu kontrollieren, sind bis heute nicht bereit,ihre technischen Möglichkeiten zur Verfügung zu stel-len, um zu überwachen, ob Flugzeuge in den entspre-chenden Gebieten landen. Das ist der entscheidendePunkt. All das wissen wir und darüber reden wir auch inden Ausschüssen und anderswo ständig.Ich bitte die Bundesregierung, ihr Gewicht in dieWaagschale zu werfen, damit die Einhaltung eines sol-chen Embargos durch die Technik der USA und andererStaaten, etwa in Form von Satelliten, unterstützt wird.Das ist die entscheidende Frage. Ob wir nun eine Reso-lution dazu fassen oder nicht, ist eher zweitrangig.
Herr Kollege Büttner, erlauben Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Fischer?
Ja, gerne.
Herr Kollege Büttner, vor dem Hintergrund Ihrer Dar-
stellung der Möglichkeiten der Regierung in Khartoum
frage ich Sie, ob Ihnen bekannt ist, dass die Milizen im
West-Sudan nachweislich von der Regierung finanziert
und massiv unterstützt werden?
Herr Fischer, das ist mir bekannt. Ich wollte die Re-
gierung nicht in Schutz nehmen. Mir ist auch bekannt,
dass dieser Bürgerkrieg im Sudan in Darfur ausgebro-
chen ist, nachdem der Friedensprozess zwischen Nord
und Süd in Gang gekommen ist. Dort kam es zu den ers-
ten Aufständen, weil es sich herumgesprochen hatte,
dass man die Marginalisierung am besten überwinden
kann, wenn man zur Waffe greift. Dieses Faktum wird in
der ganzen Region sichtbar. Meine Bitte ist deshalb:
Wenn ich Lösungen herbeiführen will, dann kann ich
mich nicht nur auf eine Konfliktpartei konzentrieren,
sondern ich muss auch die anderen auffordern, an der
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as will ich damit sagen? Es ist manchmal wirkungs-
oller, Menschenrechte nicht durch Resolutionen und
roße Erklärungen, zu denen wir selbst nur wenig beitra-
en können, durchsetzen zu wollen, sondern unsere Poli-
ik durch permanente Gespräche und Kontakte durchzu-
etzen und im Dialog unsere Überzeugungen zu
ermitteln.
Ein letzter Satz noch zu Ihnen, Herr Kollege
einrich. Sie haben Zweifel, ob die AU in der Lage ist,
ort etwas zu tun. Ich sage Ihnen: Dort, wo sich die AU
n den letzten Jahren stärker eingebracht hat – auch im
ongo –, war sie erfolgreicher als wir zum Teil in Jahr-
ehnten vorher. Woran es im Moment scheitert, ist die
ereitstellung der logistischen und technischen Mittel.
ir sollten uns mehr darauf konzentrieren, als zu spinti-
ieren. Zu glauben, wir könnten in Regionen wie diese
00 000 oder mehr westliche Soldaten oder europäische
inheiten schicken, ist doch eine Illusion. Wir sollten
icht den Eindruck erwecken, als könnten wir in dieser
ichtung helfen.
Herr Kollege Büttner, erlauben Sie eine Zwischen-
rage der Kollegin Nickels?
Bitte.
Bitte schön, Frau Nickels.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. Mai 2004 10005
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Herr Kollege Büttner, stimmen Sie mit mir überein,
dass uns vonseiten der afrikanischen Staatengemein-
schaft – ich gebe zu, oft nicht zu Unrecht – vorgeworfen
wird, dass wir in der westlichen Staatengemeinschaft
Menschenleben in unserem Lebenskreis sehr hoch schät-
zen und ein einziges Menschenleben sehr beklagen, aber
sehr oft wegsehen, wenn Tausende in Afrika sterben?
Speziell der sudanesischen Regierung werden von der
internationalen Staatengemeinschaft und zahlreichen
Hilfsorganisationen massenhaft Hilfsangebote gemacht.
Die Hilfsorganisationen sitzen vor Darfur auf 1 000 Ton-
nen Lebensmitteln. Unser Menschenrechtsausschuss war
gerade dort. Diese Regierung finassiert, taktiert, lügt und
spielt die Fakten herunter. Wieso versuchen Sie jetzt,
diese Regierung zu entschuldigen? Wieso schieben Sie
uns, dem Westen, die Schuld zu und sagen, wir würden
zu sehr die Menschenrechte einfordern? Wir wollen ver-
hindern, dass mit Beginn der Regenzeit Hunderttausende
afrikanischer Muslime sterben müssen, nur weil diese
Regierung nicht bereit ist, das taktische Spiel aufzuge-
ben und die Hilfe zuzulassen.
Kollegin Nickels, ich habe Ihnen weder etwas vorge-
worfen, noch habe ich die sudanesische Regierung in
Schutz genommen. Ich habe nur gesagt: Wenn man Lö-
sungen in Zeiten eines Bürgerkrieges, der in diesem
Land seit mehr als 30 Jahren herrscht, herbeiführen will,
dann erreicht man diese nicht dadurch, dass man sich nur
auf eine Kriegspartei konzentriert und die andere außen
vor lässt. Das ist der Punkt. Wenn ich einen Krieg been-
den will, muss ich auf beide Parteien gleichermaßen ein-
wirken, nicht nur auf eine. Das ist mein Hinweis auf-
grund des gesunden Menschenverstandes und aus den
Erfahrungen der Geschichte heraus gewesen.
Zum Zweiten: Es geht in der Tat darum, möglichst
schnell Hilfslieferungen dorthin kommen zu lassen.
Aber dabei stellt sich die Frage: Wenn auf der einen
Seite argumentiert wird, man könne keine Hilfslieferun-
gen zulassen, weil dort die Sicherheitslage noch nicht
gewährleistet ist – –
– Hören Sie erst einmal zu! Ich sage das deshalb, weil
gestern in dem Bericht über das Flüchtlingslager im
Tschad von der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“
argumentiert wurde, dass die 6 000 Flüchtlinge, die sich
zehn Kilometer von der Grenze entfernt aufhalten, nicht
versorgt werden können, weil sie sich innerhalb einer
60-Kilometer-Sicherheitszone befinden, die im Tschad
liegt. Wenn selbst im Tschad die Sicherheitslage nicht
gewährleistet ist, wie wollen Sie dann sicherstellen, dass
dies im Darfur der Fall ist? Sie müssen erst einmal dafür
sorgen, dass dort Organisationen tätig werden und die
Menschen wieder sicher leben können.
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Irmgard KarwatzkiBüttner, angesichts der Not und des Leids der Bevölke-rung im Sudan und aufgrund unserer Reise und der Er-fahrungen, die wir dort machen mussten, verstehe ich,gelinde gesagt, Ihr In-Schutz-Nehmen der sudanesischenRegierung nicht.
Ich bin empört und gleichzeitig schockiert, weil ich Sieeigentlich als einen Entwicklungspolitiker kannte, dersich sonst anders geäußert hat.Seit wenigen, doch zugleich viel zu vielen Wochenschockieren uns Meldungen über die unerträglichen undunhaltbaren Gräueltaten im West-Sudan. Immerhin ist derSudan – wir hörten es bereits – mit 2,5 Millionen Qua-dratkilometern das flächenmäßig größte Land Afrikas.Wie konnte bloß in einer Welt, die nicht nur als globali-siert gilt, sondern auch durch Kommunikationsmittel in-ternational vernetzt ist, erneut ein solch brutaler Bürger-krieg geschehen? Schließlich ist es – das ist wiederholtgesagt worden – gerade zehn Jahre her, dass die Welt fas-sungslos vor den Massengräbern von Ruanda stand.Manchmal scheint es heute wieder so, als würde weg-geschaut. Allerdings haben Sie Recht damit, Herr Kol-lege Heinrich, dass gerade die öffentlich-rechtlichen Me-dien in letzter Zeit die Bevölkerung sehr gut undinformativ aufgeklärt haben. Auch dafür möchte ichmich bedanken.Ich möchte aber auch nicht verhehlen, dass weder wir,die Abgeordneten dieses Parlaments, noch die Regie-rung weggeschaut haben. Vielmehr haben wir es auf unsgenommen, an den Ort des Schreckens zu gehen undhinzuschauen, und wir haben Hilfen ermöglicht.Es ist – ich formuliere vorsichtig – scheinbar so, dassim Auftrag der sudanesischen Regierung arabischstäm-mige Janjaweed-Milizen mit brutaler Gewalt gegen dieRevolte schwarzafrikanischer Rebellenbewegungen vor-gehen. Die Milizen sind für schwerste Menschenrechts-verletzungen an der Zivilbevölkerung verantwortlich zumachen. Dabei stellen Massenhinrichtungen, Vergewal-tigungen, das Niederbrennen von Dörfern und Städtensowie Plünderungen, die von den sudanesischen Regie-rungstruppen überwacht werden, nur die gravierendstenAusschreitungen dar, von denen wir gehört haben. DieMilizen ziehen eine Politik der verbrannten Erde demdirekten Kampf mit bewaffneten Gegnern vor.Mit diesen Methoden sollen seit August 2003 ethni-sche Gruppen aus weiten, seit langem von ihnen be-wohnten Landstrichen – den fruchtbarsten zumal – ver-trieben werden. Man kann dem FDP-Politiker undunserem früheren Kollegen Gerhart Baum nur beipflich-ten, wenn er die offenbar systematisch ausgeführtenMassaker als Völkermord bezeichnet.Wie konnte so lange das Elend im größten Land desSchwarzen Kontinents ein weißer Fleck im allgemeinenBewusstsein sein? – Nun haben wir schon gehört, dasses vielleicht nicht so „interessant“ ist wie manches an-dere. Zynisch ausgedrückt, bietet Darfur nicht einmaleSedslaFmgEStus5GridsMwgSfabinguaDswinkeLnWdMngssrhmjesF
Man muss vielleicht auch noch anmerken: Anders alsährend der Hungersnöte in Äthiopien und Somalia be-egnet man im Sudan nicht Menschen, die an wandelndekelette erinnern. Die Flüchtlingsfrauen aus Darfur sindarbenfroh gekleidet. Die Männer strahlen eine Würdeus, welche durch Hunger und Armut noch nicht – ichetone: noch nicht – gebrochen ist. Allerdings deuten die den Nasenlöchern der Kinder herumkriechenden Flie-en sowie die mit Plastikfetzen behängten Dornbüsche,nter denen sich ganze Familienstämme versammeln,uf die Katastrophe hin. Viele Flüchtlinge leiden anurchfall, doch Latrinen gibt es so gut wie keine.Zu der katastrophalen Regenzeit ist schon einiges ge-agt worden. Wir haben an einem Tag erleben müssen,ie ein Wolkenbruch über uns herniederging. Wenn man Deutschland sagt: „Es schüttet aus Kübeln“, dannann ich im Hinblick auf den Wolkenbruch, den wir dortrlebt haben, nur sagen: Dort werden ganze LKW-adungen ausgeschüttet. Man kann es eigentlich garicht beschreiben! Umso mehr konnte ich nach diesemolkenbruch verstehen, dass die vielen Helfer währender Regenzeit nicht mehr in der Lage sein werden, dieenschen mit ihren Hilfslieferungen zu erreichen.Ich begrüße es sehr, dass wir heute einen interfraktio-ellen Antrag beschließen. Ich finde, dass die Forderun-en, die wir an unsere Regierung stellen, ausgewogenind. Ich wünsche den Regierungsmitgliedern, die anwe-end sind, und darüber hinaus natürlich auch den ande-en, dass sie bei der Durchsetzung der Dinge, die wirier heute beschließen, viel Erfolg haben werden.Allergrößte Eile ist geboten. Wir haben keine Zeitehr, lange Verhandlungen zu führen; vielmehr geht estzt darum, dass das, was wir heute beschließen, umge-etzt wird. Ich habe gehört, dass für die sudanesischenlüchtlinge im Tschad ab dem heutigen Mittwoch eine
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. Mai 2004 10007
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Irmgard KarwatzkiLuftbrücke eingerichtet werden soll. Das erste Flug-zeug soll in Dänemark starten, ein weiteres morgen inPakistan. Aus Deutschland werden am 31. Mai mehrereLastwagen, Wasserbehälter und Generatoren erwartet.Unterm Strich könnte man sagen: Es gibt zarte Ansätze;die Lage ist ernst und dennoch nicht ganz hoffnungslos.Ich möchte den vielen Helfern der Nichtregierungsor-ganisationen und den Kirchen mit ihren internationalenWerken danken. Ohne sie wäre praktische Nächstenliebenicht möglich. Die Verbände der freien Wohlfahrtspflegehaben erneut um Hilfe gebeten. Ich bitte Sie alle, insbe-sondere die Damen und Herren, die in Deutschland anden Fernsehschirmen sitzen, diesen Aufrufen zu folgen.Es lohnt sich. Es geht um praktisches, einfaches Leben.Und Leben ist immer lebenswert.Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Christa Nickels vom
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich habenoch die Gedenkreden vom 7. April im Ohr. In diesenReden wurde von der westlichen Staatengemeinschaftbis hin zu Kofi Annan – zu Recht durchaus sehr selbst-kritisch – zugestanden, dass nicht nur die afrikanischeStaatengemeinschaft, sondern auch die Weltgemein-schaft schrecklich versagt hat, wodurch über 1 MillionMenschen gestorben ist.Ich finde es gut, dass wir daraus die Lehren ziehenwollen, dass wir eben nicht mehr wegsehen, dass wirgenau hinsehen und dass wir uns damit beschäftigen.Unsere Regierung und auch der Deutsche Bundestag tundas seit langem, nämlich seit dem letzten Jahr, KollegeJüttner.Der Menschenrechtsausschuss hat Anfang Januareine Reise nach Sudan geplant, speziell in die RegionDarfur. Wir haben zusammen mit der sudanesischen Re-gierung ein sehr ausgefeiltes Programm erarbeitet. Wirhatten Visa, also Einreisegenehmigungen, bis einen Tag,bevor wir die Reise begannen. Dann wurde uns erklärt,die offiziellen Gesprächspartner hätten anderes zu tun.Wir haben darauf bestanden, auch ohne das Zustande-kommen von Gesprächen mit Offiziellen einzureisen.Auf dem Flughafen wurden uns die Visa entzogen. Wirsind sitzen geblieben, weil wir finden, dass man mindes-tens sitzen bleiben muss, wenn man eine Regierung dazubringen will, dass sie ihren eigenen Menschen Schutz,Hilfe und das nackte Überleben sichert.
Ich habe in dieser Debatte ähnlich offen den Dialoggesucht. Ich war mir nicht sicher, ob diese Regierungvielleicht nicht mehr Herrin der Lage ist und ob nichtganz andere, militärische Kräfte, Sicherheitskräfte, dasSagen haben. Wenn das aber so ist, muss eine Regierungdie internationale Staatengemeinschaft oder die Afrika-nzFeEodwswzriedSsztvmHakkfsgWaRzEhmackfBNZltwessgIrmhmg
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10008 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. Mai 2004
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Das Wort hat der Kollege Christian Ruck von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle,glaube ich, haben in den letzten Tagen und Wochen mitdem Sudan ein trauriges Wechselbad der Gefühle erlebt.Zuerst hat man sich darüber freuen können, dass derüber 20-jährige Konflikt zwischen Nord und Süd, derden Sudan gespalten hat, durch die Vermittlung derAmerikaner und Kenias dem Ende entgegengehenkönnte. Es konnten wichtige Streitpunkte geklärt wer-den, über die man sich 20 Jahre lang nicht hat einig wer-den können. Das hat uns alle mit Hoffnung erfüllt. Nunist die Freude über das mögliche Zustandekommen einesFriedens purem Entsetzen gewichen. Ich glaube, dasswir alle ziemlich entsetzt vor dem Trümmerhaufen die-ser Hoffnungen stehen.Es ist nicht die erste Katastrophe, sondern es ist eineweitere Katastrophe in einer Kette von afrikanischenKatastrophen: von Ruanda über Liberia, Sierra Leone,Somalia, Kongo, Simbabwe bis hin zum Sudan jetzt. Na-türlich unterstützen wir mit Nachdruck alle Maßnahmenund Forderungen – das haben auch die Vorredner aus derUnion schon deutlich gemacht –, die geeignet sind, denbedrängten Menschen in Darfur schnell zu Hilfe zu kom-msalmIfgfSWmkuTAnbkuwdDtcgFdsbwKbPBmümcdDfaLDe
Wir sind, wie gesagt, auch bereit, ganz konkretechritte mitzutragen. Darüber, Frau Ministerinieczorek-Zeul, herrscht in diesem Hause Einverneh-en. Wir müssen aber schon fragen, ob wirklich alleonkreten Schritte in der Vergangenheit effizient warennd welche Lehren wir aus unseren Erfahrungen mitragödien wie der in Ruanda bzw. aus der Operationrtemis, die einerseits ein Erfolg, aber andererseits auchicht so perfekt war, dass es darüber keinen Diskussions-edarf gäbe, gerade auch in Bezug auf den Sudan ziehenönnen. Ich war 1993 kurz vor dem Genozid in Ruandand kam zusammen mit Werner Schuster zurück. Icheiß noch ganz genau, wer wie diskutiert hat und waser damalige UN-Generalsekretär gesagt hat.
a hat sich eine Tragödie ereignet, weil auch wir in wei-en Teilen nicht bereit waren, den Kopf für entspre-hende Maßnahmen hinzuhalten.Ich glaube, dass wir inzwischen international weiter-ekommen sind, aber ich habe es trotzdem für einenehler gehalten, dass man an den Spitzen des BMZ undes AA zu einem Zeitpunkt über einen Einsatz im Sudanpekuliert, an dem wir in letzter Konsequenz genau wieei Artemis nicht in der Lage sind, konkret zu helfen,eil wir nach wie vor keine effizienten europäischenrisenreaktionsstreitkräfte mit deutscher Beteiligung ha-en, die so etwas machen könnten. Das ist der ersteunkt.Zweitens sollten wir uns gut überlegen, ob sich dieundeswehr noch einmal an einer Alibiaktion wie Arte-is beteiligen sollte. Oder war nur an eine Trocken-bung in einem Stab in Brüssel gedacht? Ich glaube, hierüssen wir konsequent sein: Wir müssen die entspre-henden Voraussetzungen geschaffen haben, bevor wiranach rufen.
as gilt insbesondere – das sage ich mit aller Vorsicht –ür einen Einsatz in einem Land wie dem Sudan.Es gibt, wie ich glaube, kaum ein so wichtiges unduch für unsere Sicherheit so bedeutendes afrikanischesand, von dem wir in Wirklichkeit so wenig wissen.eswegen halte ich es – das sage ich ganz ehrlich – fürinen Fehler, dass die Präsenz unserer Nachrichten-
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Dr. Christian Ruckdienste in Afrika so zusammengeschrumpft wurde, dasssie für Afrika vollständig von den Erkenntnissen andererNachrichtendienste abhängig sind. Ich halte es auch füreinen Fehler, dass wir aus vielen unserer Botschaften inAfrika die Militärattachés abgezogen haben. Ich halte esauch für einen Fehler, dass wir das Goethe-Institut inKhartoum geschlossen haben und seine Bücher öffent-lich verscherbelt wurden. Ich halte es im Übrigen auchfür traurig, dass die einst so berühmte Afrikakompetenzder Berliner Hochschulen langsam zurückgefahrenwurde.
Herr Kollege Ruck, erlauben Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Ströbele?
Bitte.
Herr Ströbele, bitte schön.
Herr Kollege, wie kommen Sie zu der Behauptung,
dass die Nachrichtendienste der Bundesrepublik
Deutschland für Berichte aus Afrika auf Informationen
anderer Dienste angewiesen seien?
Ich komme zu der Behauptung, Herr Kollege
Ströbele, weil sie sich auf Aussagen unserer Nachrich-
tendienste selbst stützt. Ich darf Sie einfach dazu auffor-
dern, die Nachrichtendienste, mit denen wir reden – die
werden ja auch wohl mit Ihnen reden –,
dasselbe zu fragen. Ich bin sicher, dass Sie – zumindest
unter vier Augen – dieselbe Antwort erhalten werden.
Bitte schön.
Herr Kollege Ruck, ich habe gerade an der Reise ei-
ner Delegation des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung in die Demokratische
Republik Kongo teilgenommen. Dort war ich auf einem
Empfang, den die deutsche Botschaft ausgerichtet hat.
Bei diesem Empfang habe ich originäre Vertreter und In-
formanten des Bundesnachrichtendienstes getroffen.
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Ja, Frau Kortmann; es ist aber ein Unterschied, ob wiron Katastrophe zu Katastrophe in Afrika diskutierender ob wir uns vor den Augen der Öffentlichkeit Zeitür eine grundsätzliche Diskussion über die richtigefrikapolitik und die Chancen, die dieser Kontinent hat,ehmen. Wir sollten eine solche Debatte wirklich nochinmal ins Auge fassen.
Wir haben schon öfter zum Ausdruck gebracht, dassie rot-grüne Afrikapolitik aus unserer Sicht mit gefähr-ichen Widersprüchen verbunden ist, Stichwort: Ruanda.elbst die Grünen haben in ihrem Länderratspapier vorwei Wochen festgestellt, dass es keine Afrikapolitikibt.
Aber ich möchte noch etwas anderes ansprechen, wasch für wichtig halte; es wurde heute schon erwähnt. Wirordern unter dem Stichwort NEPAD völlig zu Rechtine Verpflichtung der afrikanischen Staaten, sich eigen-erantwortlich um Frieden, die Achtung der Menschen-echte und die Entwicklung ihres eigenen Kontinents zuemühen. Wenn ich sehe, dass die Arabische Liga beihrem Treffen vor wenigen Tagen in Tunis den Sudan
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Dr. Christian Ruckwegen seiner brutalen Menschenrechtsverletzungen mitkeinem Wort kritisiert hat, bin ich tief enttäuscht; so gehtes vermutlich auch anderen. Dasselbe gilt für die Afri-kanische Union: Was hat sie denn bisher in politischerHinsicht unternommen – verbal oder sogar konkret –,um im Sudan etwas Positives auf die Reihe zu bekom-men?
Ich bin der Meinung, dass wir dies den afrikanischenPolitikern ebenso wenig durchgehen lassen dürfen wiedas Ignorieren des skandalösen Handelns in Simbabwe.Wir müssen unseren afrikanischen Partnern sagen, dasswir von ihnen, wenn sie von uns Hilfe erwarten, eigenepolitische Anstrengungen einfordern.Lassen Sie mich zu dem vorliegenden Antrag nocheine Bemerkung machen. Was fehlt und woran wir den-ken müssen, ist der transatlantische Dialog. Die Ameri-kaner spielen im Sudan eine ganz entscheidende Rolle,und zwar mehr, als allgemein bekannt ist.
Deshalb sollten alle, die in diesem Antrag genannt sind,versuchen, mit den Amerikanern eine gemeinsame Liniezu finden; denn sonst wird sich nichts bewegen. Daskann man bedauern oder auch nicht. Aber es ist ein Fak-tum.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Jawohl.
Wir stimmen dem Antrag zur Hilfe im Sudan, um
eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, mit Über-
zeugung zu. Die Menschen im Sudan brauchen Frieden.
Vor allem diejenigen, die dafür sorgen können, dass es
Frieden gibt, brauchen ein unmissverständliches Signal.
Dieses Signal sollte der Deutsche Bundestag geschlos-
sen geben.
Das Wort hat der Kollege Rudolf Bindig von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Diejenigen, die vor mir gesprochen haben, haben bereitsdie Zahlen, Daten und Fakten zur Beschreibung der Not-lage in Darfur genannt. Sie haben die Menschenrechts-verletzungen beschrieben und über die humanitäre Kata-strophe für die Flüchtlinge berichtet. Ich möchte einigePunkte herausarbeiten, von denen ich meine, dass sie fürdiesen Konflikt, aber auch darüber hinaus von Bedeu-tung sein können.cliSmtisnZ–KÄdMtKbSseMObwAsdamzsIaBsmBEskegegmf
Einige haben hier völlig zu Recht gesagt, dass dieufmerksamkeit in den Medien in den letzten vier bisechs Wochen gestiegen ist. Ich sage, Gott sei Dank,ass es diese Aufmerksamkeit jetzt gibt, zwar sehr spät,ber hoffentlich noch nicht zu spät.Der zweite Punkt. Wie perzipieren eigentlich Gre-ien der UN, die für die Verhinderung von Katastrophenuständig sind, solche Katastrophen? Ich nenne insbe-ondere die UN-Menschenrechtskommission.
n der UN-Menschenrechtskommission wurde neulichuch über die Situation im Sudan beraten. Es lag derericht des amtierenden UN-Hochkommissars für Men-chenrechte, Bertrand Ramcharan, vor, in dem doku-entiert wird, wie die Lage wirklich ist. Er hat in seinemericht die Vertreibungen und die Völkermord ähnlichenntwicklungen, die sich abzeichneten, realistisch be-chrieben. Doch was macht die UN-Menschenrechts-ommission? Sie bringt leider nicht mehr die Kraft auf,ine entsprechende Entschließung auf den Weg zu brin-en.Die westliche Gruppe, die Europäer zusammen mitinigen anderen Ländern, haben eine Entschließung ein-ebracht. Aber dann schafft man es nicht, zu einer ge-einsamen Entschließung zu kommen, sondern allen-alls zu einem Chairman Statement, weil die Regierung
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Rudolf Bindigim Sudan gesagt hat: Wir sind bereit, Beobachter in un-ser Land zu lassen. – Ich sehe sehr wohl, dass der Sinnder Arbeit in solchen Kommissionen nicht nur die An-klage sein kann. Aber es muss doch wohl möglich sein,die reale Lage zu beschreiben, um darauf aufbauendhandeln zu können.
Der dritte Punkt betrifft die Frage, wie eigentlich dieRegierung dieses Landes mit diesen Konflikten undProblemen umgeht. Ist es denn nicht vorderste und ersteAufgabe der Regierung eines Staates, die eigene Bevöl-kerung von Angst und Not zu befreien, sie zu schützen?
Was erlebt man? Eine Regierung will teils mit der eige-nen Armee, teils mit bewaffneten Milizen ihren Einflussin einer Region stärken und lässt zu, dass die eigene Be-völkerung bombardiert und außer Landes getriebenwird. Ich bin nicht bereit, dafür erklärende und entschul-digende Worte zu suchen.
Das möchte ich für die SPD-Fraktion klarstellen.Wie die Regierung des Sudan teilweise mit den Men-schen umgeht, konnten wir in einem der Flüchtlingsla-ger sehen: Im Camp für interne Vertriebene in Shekan,ganz in der Nähe von Khartoum, leben über 20 000 Men-schen ohne ausreichende Wasserversorgung
– ja, dorthin fahren nur Wagen mit Wasser –, ohne Elek-trizität und ohne medizinische Versorgung. Das gehörtdoch zu den elementarsten Grundbedürfnissen einesMenschen.Hier ist die Regierung in die Pflicht zu nehmen, inter-nationale Hilfe zu akzeptieren. Ich verweise auf dieganze Bürokratie und die vielen Hindernisse. Da will dieinternationale Gemeinschaft Hilfsgüter in diese Regionliefern und die Regierung dort sagt: Ihr bekommt keineEinreisegenehmigung. Ihr dürft das nicht verteilen. Daist noch dieses bürokratische Problem zu lösen und jeneAbgabe zu machen. – Manchmal hat man das Gefühl,dass die Werte, die in der Menschenrechtserklärung nie-dergelegt worden sind und die uns umtreiben, dort über-sehen, überhaupt nicht so empfunden oder aber von die-ser Regierung zynisch mit Füßen getreten werden.Der nächste Punkt betrifft die Frage, was wir darauspolitisch lernen können und welche Anstrengungen undBemühungen wir unternehmen können. Ich kann sagen:Wir haben uns bemüht. Das gilt ausdrücklich für unsereRegierung, für die Entwicklungsministerin, für dieStaatsministerin im Auswärtigen Amt und für den Au-ßenminister. Es ist im Wesentlichen Deutschland gewe-scWnlesBddDfdsdvmaükKvlnvdVdmuhwVOdspttGdmgWkAbü
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10012 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 110. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. Mai 2004
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timmt für den Antrag auf Drucksache 15/3197? – Ge-
enstimmen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist einstim-
ig angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Donnerstag, den 27. Mai 2004,
.30 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.