Protokoll:
15091

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 91

  • date_rangeDatum: 12. Februar 2004

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:37 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 15/91 rung: Jahreswirtschaftsbericht 2004 der Bundesregierung: Leistung, In- novation, Wachstum (Drucksache 15/2405) . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Jahresgutachten 2003/2004 des Sachverständigenrates zur Begut- achtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache 15/2000) . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Clement, Bundesminister BMWA Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . zes zur Einführung einer neuen Ein- kommensteuer und zur Abschaffung der Gewerbesteuer (Drucksache 15/2349) . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . Christine Scheel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Pinkwart FDP . . . . . . . . . . . . . . Christine Scheel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8008 B 8008 C 8008 C 8011 D 8015 D 8017 D 8034 A 8034 B 8037 A 8039 C 8041 D 8044 D 8046 C 8048 D 8049 C Deutscher B Stenografisch 91. Sitz Berlin, Donnerstag, den I n h a l Gratulation zum 60. Geburtstag des Abgeord- neten Ortwin Runde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benennung der Abgeordneten Antje Hermenau als ordentliches Mitglied und der Abgeordneten Kerstin Andreae als stellver- tretendes Mitglied in den Verwaltungsrat bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs- aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung des Tagesordnungspunktes 10 b . . Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . Tagesordnungspunkt 3: a) Unterrichtung durch die Bundesregie- F D V F L P K T 8007 A 8007 B 8007 B 8008 A 8008 A Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Reinholz, Minister (Thüringen) . . . . . 8020 D 8022 D undestag er Bericht ung 12. Februar 2004 t : ritz Kuhn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . agmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . olker Kauder CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . ritz Kuhn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . othar Binding (Heidelberg) SPD . . . . . . . . etra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . laus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Abgeord- neten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Andreas Pinkwart, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Geset- 8024 B 8025 D 8028 D 8028 D 8029 B 8030 D 8031 D Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . 8050 B 8051 A II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 Bartholomäus Kalb CDU/CSU. . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . Kerstin Andreae BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Rzepka CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: a) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Dirk Manzewski, Joachim Stünker, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD, den Abgeordne- ten Siegfried Kauder (Bad Dürrheim), Dr. Norbert Röttgen, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion der CDU/ CSU, den Abgeordneten Jerzy Montag, Volker Beck (Köln), weite- ren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN sowie den Abgeordneten Jörg van Essen, Rainer Funke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines … Strafrechtsänderungsgesetzes – § 201 a StGB ( … StrÄndG) (Drucksache 15/2466) . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll betref- fend die Verringerung von Versaue- rung, Eutrophierung und boden- nahem Ozon (Multikomponenten- Protokoll) vom 30. November 1999 im Rahmen des Übereinkommens von 1979 über weiträumige grenz- überschreitende Luftverunreinigung (Drucksache 15/2410) . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Günter Nooke, Dirk Fischer (Hamburg), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Planung und städte- bauliche Zielvorstellungen des Bun- des für den Bereich beiderseits der Spree zwischen Marschall- und Wei- dendammer Brücke vorlegen (Drucksache 15/2157) . . . . . . . . . . . . . d) Unterrichtung durch den Bundesrech- nungshof: Bemerkungen des Bundes- rechnungshofes 2003 zur Haus- halts- und Wirtschaftsführung (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung des Bundes 2002) (Drucksache 15/2020) . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Z T 8052 D 8053 D 8055 A 8055 D 8056 C 8058 D 8059 B 8059 C 8059 C 8059 D usatztagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Hans-Michael Goldmann, Jürgen Türk, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur end- gültigen Regelung über Altschulden landwirtschaftlicher Unternehmen (LandwirtschaftsEnd-Altschulden- gesetz – LwEndAltschG) (Drucksache 15/2468) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Rainer Stinner, Dirk Niebel, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Genfer Abkommen als Ausdruck zivilgesellschaftlicher Friedensinitia- tive unterstützen (Drucksache 15/2195) . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 29: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fleischhygienegesetzes, des Ge- flügelfleischhygienegesetzes und des Lebensmittel- und Bedarfsgegen- ständegesetzes und sonstiger Vor- schriften (Drucksachen 15/2293, 15/2480) . . . . b) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Seeverkehrsabkommen vom 10. Dezember 2002 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Regierung der Volksrepublik China andererseits (Drucksachen 15/2284, 15/2444) . . . . c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 17. Juli 2003 zwischen der Bun- desrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechts- hilfe in Strafsachen und die Erleich- terung seiner Anwendung (Drucksachen 15/2254, 15/2445) . . . . d) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 17. Juli 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Po- len über die Ergänzung des Euro- päischen Auslieferungsübereinkom- 8059 D 8059 D 8060 A 8060 B 8060 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 III mens vom 13. Dezember 1957 und die Erleichterung seiner Anwen- dung (Drucksachen 15/2255, 15/2446) . . . . e) Beratung der Dritten Beschlussemp- fehlung des Wahlprüfungsausschusses zu 20 gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag einge- gangenen Wahleinsprüchen (Drucksache 15/ 2400) . . . . . . . . . . . . f) – j) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses: Sammelübersichten 90, 91, 92, 93 und 94 zu Petitionen (Drucksachen 15/2449, 15/2450, 15/2451, 15/2452, 15/2453) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Über- einkommen vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vor- schriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Mon- trealer Übereinkommen) (Drucksachen 15/2285, 15/2486) . . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Harmoni- sierung des Haftungsrechts im Luft- verkehr (Drucksachen 15/2359, 15/2486) . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU: Welche Kon- sequenz zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des Bundesverfas- sungsgerichts zur nachträglichen Si- cherungsverwahrung . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) CDU/CSU Klaus Uwe Benneter SPD . . . . . . . . . . . . . . . Michaela Noll CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dorothee Mantel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Hans-Peter Kemper SPD . . . . . . . . . . . . . . . . K E N J T in Z 8060 D 8061 A 8061 C 8061 D 8062 B 8062 B 8062 C 8063 D 8066 A 8067 A 8068 A 8068 D 8069 C 8070 C 8070 C 8073 C ristina Köhler (Wiesbaden) CDU/CSU . . . rika Simm SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . orbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . oachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 5: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Erika Ober, Karin Kortmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Globale Bekämpfung von HIV/Aids intensivieren (Drucksache 15/2408) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Karin Kortmann, Ulrich Kelber, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Das Center for International Coope- ration (CIC) stärken und weiter aus- bauen (Drucksache 15/2396) . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Dagmar Schmidt (Meschede), Karin Kortmann, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Wüstenbildung wirksam be- kämpfen – Armut überwinden, Ernährung sichern, Konflikte ver- hindern (Drucksache 15/2395) . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Dr. Friedbert Pflüger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Umdenken in der Kon- gopolitik (Drucksache 15/2335) . . . . . . . . . . . . . Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Conny Mayer (Baiersbronn), Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Entwick- lungspolitik muss Bekämpfung von HIV/Aids verstärken (Drucksache 15/2465) . . . . . . . . . . . . . 8074 C 8075 C 8076 C 8077 B 8078 B 8078 C 8078 C 8078 D 8078 D IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Ulrich Heinrich, Markus Löning, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Bekämpfung von HIV/Aids zu einem Hauptanliegen in der Ent- wicklungspolitik machen (Drucksache 15/2469) . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt), Brigitte Wimmer (Karlsruhe), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Marianne Tritz, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Den Stabili- sierungsprozess in der Demo- kratischen Republik Kongo nach- haltig unterstützen (Drucksache 15/2479) . . . . . . . . . . . . . Dr. Erika Ober SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rudolf Kraus CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . Ulrich Heinrich FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Wimmer (Karlsruhe) SPD . . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . . . . . . . Ulrich Heinrich FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . . . . . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) CDU/CSU . . . Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Conny Mayer (Baiersbronn) CDU/CSU . . . Dagmar Schmidt (Meschede) SPD . . . . . . . . Christa Reichard (Dresden) CDU/CSU . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der FDP: Zulas- sung aller Kandidaten und Kandi- datinnen zu den Wahlen im Iran (Drucksache 15/2481) . . . . . . . . . . . . . Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ruprecht Polenz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . C D M H T D D F G C B A K T 8079 A 8079 A 8079 B 8081 A 8082 C 8083 D 8084 C 8085 C 8086 A 8086 B 8087 D 8089 D 8090 B 8091 B 8092 D 8093 D 8094 A 8095 B laudia Roth (Augsburg) BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . arkus Löning FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olger Haibach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heinz Riesenhuber, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Für eine neue Beteiligungskultur – Eigenka- pitalsituation von jungen Technolo- gieunternehmen durch Mobilisie- rung von Beteiligungskapital und Mitarbeiterbeteiligungen verbessern (Drucksachen 15/815, 15/2367) . . . . . r. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Heinz Riesenhuber CDU/CSU . . . . . . . . ritz Kuhn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . udrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hristoph Matschie, Parl. Staatssekretär MBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinz Riesenhuber CDU/CSU . . . . . lexander Dobrindt CDU/CSU . . . . . . . . . . arin Roth (Esslingen) SPD . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 7: a) Antrag der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Jörg Tauss, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Peter Hettlich, Volker Beck (Köln), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Deutsche und europäische Raumfahrtpolitik zukunftsorientiert gestalten (Drucksache 15/2394) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Georg Nüßlein, Katherina Reiche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Stärkung der wissen- schaftlichen Zukunfts- und wirt- schaftlichen Wettbewerbsfähigkeit des Raumfahrtstandorts Deutsch- land in Europa (Drucksache 15/2334) . . . . . . . . . . . . . c) Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- zung gemäß § 56 a der Geschäftsord- nung: Technikfolgenabschätzung – Militärische Nutzung des Weltraums 8096 C 8097 C 8098 A 8099 A 8099 B 8100 D 8103 A 8104 B 8105 D 8106 A 8107 C 8109 A 8110 B 8110 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 V und Möglichkeiten der Rüstungs- kontrolle im Weltraum – Sach- standsbericht (Drucksache 15/1371) . . . . . . . . . . . . . Swen Schulz (Spandau) SPD . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Peter Hettlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF Ruprecht Polenz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Beratung der Großen Anfrage der Ab- geordneten Günter Nooke, Bernd Neumann (Bremen), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Hans- Joachim Otto (Frankfurt), Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Wirtschaftliche und soziale Entwicklung der künst- lerischen Berufe und des Kunstbe- triebs in Deutschland (Drucksachen 15/1402, 15/2275 (neu)) Gitta Connemann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . . Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Krüger-Leißner SPD . . . . . . . . . . . Heinrich-Wilhelm Ronsöhr CDU/CSU . . . . . Tagesordnungspunkt 9: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Tierschutzbericht 2003 – Be- richt über den Stand der Entwick- lung des Tierschutzes (Drucksachen 15/723, 15/2231) . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zu dem D P U D H G G D G M B J T 8110 D 8110 D 8112 B 8114 D 8116 C 8117 C 8119 A 8120 B 8121 A 8122 A 8122 A 8123 B 8123 D 8125 B 8126 B 8127 C 8129 B 8131 A 8132 B Antrag der Abgeordneten Gitta Connemann, Peter H. Carstensen (Nordstrand), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Wirksamere Tierseuchenbekämp- fung ermöglichen (Drucksachen 15/1210, 15/2233) . . . . c) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines … Geset- zes zur Änderung des Arzneimittel- gesetzes (Drucksache 15/1494) . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Hans- Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Praxis- gerechte Novelle des Tierarzneimit- telgesetzes verbessert Tier- und Verbraucherschutz (Drucksache 15/1596) . . . . . . . . . . . . . r. Wilhelm Priesmeier SPD . . . . . . . . . . . . eter Bleser CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . lrike Höfken BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . . abriele Hiller-Ohm SPD . . . . . . . . . . . . . . . itta Connemann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . r. Wilhelm Priesmeier SPD . . . . . . . . . . . . itta Connemann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . atthias Berninger, Parl. Staatssekretär MVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ulia Klöckner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 10: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Kosten- rechts (Kostenrechtsmodernisie- rungsgesetz – KostRMoG) (Drucksachen 15/1971, 15/2487, 15/2488) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Mo- dernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungs- gesetz – KostRMoG) (Drucksache 15/2403, 15/2487, 15/2488) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8132 B 8132 C 8132 C 8132 D 8134 B 8135 C 8136 B 8137 D 8139 A 8140 C 8141 A 8141 C 8142 D 8144 C 8144 C VI Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 Tagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherhei- ten und zur Änderung des Hypothe- kenbankgesetzes und anderer Ge- setze (Drucksachen 15/1853, 15/2485) . . . . Tagesordnungspunkt 12: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Anfech- tung der Vaterschaft und das Um- gangsrecht von Bezugspersonen des Kindes (Drucksachen 15/2253, 15/....) . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit zu dem Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Rainer Brüderle, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: Mögliche Interessenüberschneidun- gen bei der Vergabe öffentlicher Mittel über die Bundesanstalt für Arbeit auf allen Ebenen nachhaltig vermeiden (Drucksachen 15/771, 15/2483) . . . . . Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: a) Antrag der Abgeordneten Verena Butalikakis, Annette Widmann-Mauz, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Früherkennung, Behandlung und Pflege bei Demenz verbessern (Drucksache 15/2336) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Hilde Mattheis, Gudrun Schaich-Walch, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Petra Selg, Irmingard Schewe-Gerigk, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Demenz früh erkennen und behan- deln – für eine Vernetzung von Strukturen, die Intensivierung von Forschung und Unterstützung von Projekten (Drucksache 15/2372) . . . . . . . . . . . . . T T T T K H D M P N A L A Z G le u g D 8145 A 8145 C 8145 D 8146 A 8147 A 8147 A agesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Konsequenzen aus Dres- dener Bombenfund ziehen (Drucksache 15/1238) . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Jürgen Türk, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Deutsch-Polnische Wirtschaftsför- derungsgesellschaft AG erhalten (Drucksache 15/817) . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Jürgen Klimke, Klaus Brähmig, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Den Fahrradtourismus in Deutschland umfassend fördern (Drucksache 15/2155) . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Klaus- Jürgen Hedrich, Dr. Friedbert Pflüger, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Venezuela un- terstützen – Freiheit der Medien und wirtschaftliche Prosperität wie- derherstellen (Drucksache 15/2389) . . . . . . . . . . . . . laus-Jürgen Hedrich CDU/CSU . . . . . . . . . ans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . arkus Löning FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 u Protokoll gegebene Rede zur Beratung der roßen Anfrage: Wirtschaftliche und sozia- Entwicklung der künstlerischen Berufe nd des Kunstbetriebs in Deutschland (Ta- esordnungspunkt 6) r. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 8147 B 8147 C 8147 D 8148 A 8148 B 8149 C 8150 D 8151 C 8152 D 8153 A 8153 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 VII Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe eines Gesetzes zur Moderni- sierung des Kostenrechts (KostRMoG) (Ta- gesordnungspunkt 10) Christoph Strässer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/CSU . . . . Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Ände- rung des Hypothekenbankgesetzes und an- derer Gesetze (Tagesordnungspunkt 11) Bernhard Brinkmann (Hildesheim) SPD . . . Marco Wanderwitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . Leo Dautzenberg CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Be- zugspersonen des Kindes (Tagesordnungs- punkt 12) Christine Lambrecht SPD . . . . . . . . . . . . . . . Ute Granold CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Michaela Noll CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Mögliche Interessenüberschneidungen bei d B n p H D M G A Z d ( V H P D A Z d n p F G S D D F B A Z d s ( J C K W D 8154 A 8155 B 8156 B 8157 C 8158 A 8159 A 8159 C 8160 C 8161 B 8161 D 8162 C 8163 D 8164 C 8165 C 8166 C 8167 A 8167 D er Vergabe öffentlicher Mittel über die undesanstalt für Arbeit auf allen Ebe- en nachhaltig vermeiden (Tagesordnungs- unkt 13) ans-Werner Bertl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . r. Hermann Kues CDU/CSU . . . . . . . . . . . arkus Kurth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erd Andres, Parl. Staatssekretär BMWA . . . nlage 7 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung er Anträge: – Früherkennung, Behandlung und Pflege bei Demenz verbessern – Demenz früh erkennen und behan- deln – für eine Vernetzung von Strukturen, die Intensivierung von Forschung und Unterstützung von Projekten Tagesordnungspunkt 14 a und b) erena Butalikakis CDU/CSU . . . . . . . . . . . ilde Mattheis SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . etra Selg BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . etlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 8 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Konsequenzen aus Dresde- er Bombenfund ziehen (Tagesordnungs- unkt 15) rank Hofmann (Volkach) SPD . . . . . . . . . . ünter Baumann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . .Frank ilke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . ritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär MI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 9 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Deutsch-Polnische Wirt- chaftsförderungsgesellschaft AG erhalten Tagesordnungspunkt 16) ürgen Türk FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hristian Müller (Zittau) SPD . . . . . . . . . . . laus Hofbauer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . erner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8168 C 8169 B 8171 C 8172 C 8173 D 8175 C 8177 C 8178 D 8179 D 8180 B 8181 C 8182 A 8182 C 8183 A 8183 D 8184 C 8185 B VIII Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Den Fahrradtourismus in Deutschland umfassend fördern (Tagesord- nungspunkt 17) Jürgen Klimke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidi Wright SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Brähmig CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Demokratie und Rechtsstaatlich- keit in Venezuela unterstützen – Freiheit der Medien und wirtschaftliche Prosperität wiederherstellen (Tagesordnungspunkt 18) Lothar Mark SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8185 D 8186 C 8188 A 8189 A 8190 B 8191 A 8191 D 8192 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8007 (A) ) (B) ) 91. Sitz Berlin, Donnerstag, den Beginn: 9.0
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    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8153 (A) ) (B) ) Kunstbetriebs in Deutschland, noch werden Perspekti- in Größenordnungen zu tun haben, geworfen, zugleich und soziale Situation der künstlerischen Berufe und des K ommunen, die mit Abwanderung und „Schrumpfung“ Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Großen Anfrage: Wirtschaft- liche und soziale Entwicklung der künstleri- schen Berufe und des Kunstbetriebs in Deutsch- land (Tagesordnungspunkt 6) Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Der Deutsche Kulturrat ist enttäuscht über die Antwort der Bundesre- gierung zur Großen Anfrage. Die Reaktion des Kultur- rats ist nur zu verständlich – gibt die Antwort doch weder einen umfassenden Überblick über die wirtschaftliche v d d n K T t P n – u g s t c g z r M s G k p f v O w r u V A t t A b m b f E u g z K z V z u d „ s Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 12.02.2004 Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.02.2004 Dr. Gehb, Jürgen CDU/CSU 12.02.2004 Hartnagel, Anke SPD 12.02.2004 Hermenau, Antje BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.02.2004 Hintze, Peter CDU/CSU 12.02.2004 Hoffmann (Chemnitz), Jelena SPD 12.02.2004 Leibrecht, Harald FDP 12.02.2004 Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 12.02.2004 Otto (Godern), Eberhard FDP 12.02.2004 Rauber, Helmut CDU/CSU 12.02.2004* Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.02.2004 Weisskirchen (Wiesloche), Gert SPD 12.02.2004 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 12.02.2004 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 12.02.2004 (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht en deutlich, wie die Bundesregierung zur Verbesserung er sozialen Lage von Künstlern und zur Bewältigung er kulturellen Probleme in den Ländern und Kommu- en beitragen kann. Wie die derzeit zur Verfügung stehenden Daten der ünstlersozialkasse belegen, befindet sich ein großer eil der in der Bundesrepublik Deutschland freiberuflich ätigen Künstlerinnen und Künstler, Publizistinnen und ublizisten in einer prekären sozialen Situation. Mit ei- em Durchschnittseinkommen von 11 144 Euro pro Jahr Frauen 9 355, Männer 12 503 Euro – liegen sie weit nter dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt der in der esetzlichen Rentenversicherung Versicherten. Im Osten ind die Einkommen noch geringer. Im Jahre 2001 be- rug das Durchschnittseinkommen der in der KSK Versi- herten in den neuen Bundesländern 17 439 DM im Ver- leich zu 22 164 DM im Bundesdurchschnitt. Das ist um Leben zu wenig. Es ist auch zu wenig, um eine aus- eichende Altersversicherung zu erreichen. So wird die ehrzahl der freiberuflichen Künstler im Alter nur eine ehr geringe Rente erhalten. Viele werden auf die soziale rundsicherung angewiesen sein. Es ist anzunehmen, dass sich die Situation in den ommenden Jahren – nicht zuletzt aufgrund der Spar- olitik in den Ländern und Kommunen – noch verschär- en wird. Die Zahl der Freiberufler dürfte sich infolge on Personalabbau im öffentlichen Kulturbereich und utsourcing von vormals in Unternehmen der Kultur- irtschaft angesiedelten Arbeiten eher erhöhen als ver- ingern. Es besteht deshalb aus Sicht der Kulturverbände nd unserer Auffassung nach weiterer Reformbedarf zur erbesserung der Einkommenssituation und sozialen bsicherung freiberuflich tätiger Künstler und Publizis- en. Die Bundesjustizministerin allein wird es nicht rich- en können – so wichtig die von der Bundesregierung in ussicht gestellten Veränderungen im Bereich des Urhe- er- und Leistungsschutzrechtes sind. Hinzukommen üssen weitere Verbesserungen in der Sozialgesetzge- ung. Das Künstlersozialversicherungsgesetz gehört zwei- ellos zu den wichtigsten kultur- und sozialpolitischen rrungenschaften der Bundesrepublik, die es zu sichern nd weiter auszubauen gilt. Bei der Fortentwicklung eht es aus Sicht der PDS vor allem darum, alle Lücken u schließen, durch die nach wie vor freischaffende ünstlerinnen und Künstler, Publizistinnen und Publi- isten aus der Sozialversicherung herausfallen, einen ersicherungsschutz für Zeiten ohne Einkommen sicher- ustellen, eine Arbeitslosenversicherung einzuführen nd eine angemessene Rentenregelung zu erreichen. Was die Situation in Ostdeutschland betrifft, so hat ie jüngst erschienene Studie der Bundeskulturstiftung Labor Ostdeutschland“ ein Schlaglicht auf die spezifi- chen Problemlagen in den östlichen Bundesländern und 8154 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) aber auch verdeutlicht, welche Chancen in der Entwick- lung der kulturellen Infrastruktur und der Kulturwirt- schaft liegen – gerade auch in solchen Problemregionen. Wir meinen: Kultur ist eine besondere Stärke des Os- tens und eine Zukunftschance für diese Region. Wir set- zen uns deshalb nachdrücklich für den Erhalt der öffent- lichen Infrastruktur und die Sicherung der so genannten „freien Szene“ in ihrer Vielgestaltigkeit ein und fordern hier auch das Engagement des Bundes zum Erhalt der kulturellen Substanz in Ostdeutschland ein. Die Stär- kung der Finanzkraft der Kommunen und ein prinzipiel- les Umsteuern in Bezug auf die Wirtschafts- und Be- schäftigungspolitik in den neuen Ländern sehen wir als Voraussetzung dafür, das kreative Potenzial zu sichern. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (KostRMoG) (Tagesordnungspunkt 10) Christoph Strässer (SPD): Was lange währt, wird endlich gut. Zehn Jahre sind vergangen – zehn Jahre, in denen die Gerichts- und Anwaltsgebühren, die Entschä- digungen für Sachverständige, Dolmetscherinnen und Dolmetscher, Übersetzerinnen und Übersetzer, ehren- amtliche Richterinnen und Richter, aber auch Zeuginnen und Zeugen nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt gehalten haben. Um die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege in Zu- kunft weiter sichern zu können, ist die Reform des Kos- ten- und Gebührenrechts daher notwendig. Eine echte Reform bedeutet aber mehr als eine bloße lineare Anhebung von Gebührensätzen. Eine Reform ist eine Neugestaltung, eine Umgestaltung, eine Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen und Voraussetzun- gen. Und genau das ist unsere Gesetzesnovelle. Wir ha- ben die Chance genutzt, eine Strukturreform auf den Weg zu bringen. Die Novelle des Kostenrechtsmoderni- sierungsgesetzes – die wir heute beschließen werden – ist modern, weil zeitgemäß. Sie fördert moderne Formen der Konfliktlösung. Sie honoriert die außergerichtliche Erledigung von Streitfällen und entlastet – ebenso wie das Justizmodernisierungsgesetz, das ich an dieser Stelle ausdrücklich erwähnen möchte – die Gerichte. Sie ist ein Stück weit dienstleistungsorientierter, wettbewerbs- orientierter, europafester und reagiert gleichzeitig so- wohl auf den Kostendruck der Länder als auch der an den Rechtsstreitigkeiten beteiligten Personen. Das Reformpaket ist – so denke ich – insgesamt sehr ausgewogen, nicht zuletzt deshalb, weil alle relevanten Gruppen an den Verhandlungen beteiligt waren. Ihnen allen sei gedankt für die teilweise überstrapazierte Ge- duld anlässlich der Dauer des Gesetzgebungsverfahrens! Es ist erfreulich, dass die Ergebnisse der Reform im Großen und Ganzen von allen Beteiligten – sei es der Anwaltschaft, der Richterschaft oder anderen – begrüßt werden. S v s V n w d l s r a n E M e s R D H f s l d g s d G s l t s S a g „ n d r Z D i A l n d R e g e c u (C (D Natürlich hätte jeder gerne an der einen oder anderen telle noch Veränderungen gesehen – zu seinen Gunsten, ersteht sich. Aber es war und ist gerade unsere Aufgabe, dafür zu orgen, dass das Reformpaket, so wie wir es in langen erhandlungen mit allen Beteiligten geschnürt haben, icht kleingeredet, zerredet oder wieder aufgeschnürt ird. Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, ie wir jetzt beraten, beherzigt genau dies. In der Stel- ungnahme des Bundesrates gab es 50 Änderungswün- che. Allein 42 Punkte betrafen Änderungen des Ge- ichtskostengesetzes. Sie bezogen sich zum größten Teil uf die Erhöhung einzelner Gebühren. Die vorgeschlage- en Änderungen hätten ein Volumen von 120 Millionen uro gehabt. Nun, es ist zwar verständlich, dass die zu erwartenden ehrausgaben der Länder durch entsprechende Mehr- innahmen an Gerichtsgebühren ausgeglichen werden ollen. Auch entsprechende Risikofaktoren bei der ückflussquote sollten nicht zulasten der Länder gehen. ie Länder stehen ohnehin schon vor einer schwierigen aushaltslage. Aber wir können es nicht verantworten, dass die Re- orm des Kostenrechts die Länderhaushalte sanieren oll. Da müssten wir alle übereinstimmen. Denn die Ver- ierer wären die Rechtsuchenden. In der Gegenäußerung er Bundesregierung heißt es daher zu Recht: „Der Zu- ang zum Recht ist ein hohes Gut eines jeden Rechts- taates und darf nicht über das unabdingbare Notwen- ige hinaus mit Kostenbelastungen erschwert werden.“ enau so ist es. Das Rechtssystem muss für die Rechtsuchenden da ein – nicht umgekehrt: Die Justiz ist keine Unterabtei- ung der Finanzminister! Daher haben wir darauf zu ach- en, dass dem moderaten Anstieg der Honorare und Ent- chädigungen für Anwälte, Dolmetscher, Übersetzer, achverständige, ehrenamtliche Richter und Zeugen uch ein nur moderater Anstieg der Gerichtsgebühren egenübersteht. Am Ende soll für die Länder eine schwarze Null“ stehen, nicht mehr und auch nicht we- iger. Wir haben uns daher im Wesentlichen auf drei Verän- erungen im Vergleich zur ersten Lesung verständigt: Erstens. Wir haben uns darauf verständigt, die Gebüh- en des einstweiligen Rechtsschutzes in erstinstanzlichen ivilverfahren von 1,0 auf 1,5 Gebühren zu erhöhen. as macht Sinn, denn der Arbeitsaufwand der Gerichte st in diesem Bereich erheblich. Im Übrigen stellt die nhebung eine Angleichung der verschiedenen gericht- ichen Verfahren dar. Insgesamt bedeutet diese Maß- ahme Mehreinnahmen von circa 17 Millionen Euro für ie Länder. Um den Bedenken der Bundesregierung echnung zu tragen, soll ein Ermäßigungstatbestand ingefügt werden. Zweitens. Die Wegstreckenentschädigung für Zeu- en wird von 0,21 Euro auf 0,25 Euro erhöht. Das ist ine Erhöhung von 19 Prozent und, wie ich finde, ausrei- hend, aber auch angemessen. Damit bleibt es bei einer nterschiedlich hohen Entschädigung für Zeugen und Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8155 (A) ) (B) ) die anderen am Verfahren Beteiligten, die mit 0,30 Euro entschädigt werden. Das neue Leitbild geht ja gerade von in der Regel hauptberuflich für die Gerichte tätigen Sachverständigen, Dolmetschern und Übersetzern aus. Die unterschiedliche Häufigkeit der Heranziehung recht- fertigt eine sachliche Differenzierung. Im Vergleich zum Vorentwurf des Gesetzes bedeutet dies Minderausgaben von etwa 6 Millionen Euro. Drittens. Um schließlich die Kosten der Gerichte im Mahnverfahren zu decken, sollen die Mindestgebühren bei Verfahren über den Antrag auf Erlass eines Mahnbe- scheides von jeweils 18 Euro auf 23 Euro und von 15 Euro auf 18 Euro in der Arbeitsgerichtsbarkeit ange- hoben werden. Hier geht man von Mehreinnahmen von in etwa 25 Millionen Euro aus. Um derzeit aber weitere Mehrbelastungen der Rechtsuchenden zu vermeiden, soll diese Änderung erst zum l. Juli 2006 in Kraft treten. Ich gehe davon aus, dass dem nun vorliegendem Ent- wurf der Bundesrat zustimmen wird. Ja, ich gehe sogar so weit, zu behaupten, dass er seine Zustimmung geben müsste. Damit wäre dann eine notwendige Reform auf den Weg gebracht, eine Reform, auf die alle zu Recht gewar- tet haben. Und wenn auch der eine oder andere Verhand- lungspartner für seine Seite gerne noch etwas mehr raus- geholt hätte: Das Gesamtpaket ist ausgewogen. Ich bin froh, dass eine Baustelle abgeräumt werden kann und das erstellte Gebäude allen nutzt. Ich danke nochmals allen Beteiligten, insbesondere auch unserer Justizministerin, für die konstruktive Zu- sammenarbeit der letzten Monate, die zu einem sehens- werten Ergebnis geführt hat. Andreas Schmidt (Mülheim) (CDU/CSU): Zur De- batte und zur Abstimmung in zweiter und dritter Lesung steht heute das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz. Es kommt in diesem Hause nicht sehr häufig vor, dass Ge- setzentwürfe von allen Fraktionen gemeinsam einge- bracht werden. Dass dies hier der Fall ist, zeigt, dass es offensichtlich für keinen politischen Standpunkt länger hinnehmbar ist, dass sich die Stagnation der Rechtsan- waltsvergütung auch weiterhin in die Zukunft fortsetzt. Dieser Gesetzentwurf ist kein Traumergebnis. Er ist ein Kompromiss, aber er ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, der längst überfällig ist. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat bei diesem Gesetzgebungsverfahren in enger Abstimmung mit BRAK und DAV den Konsens mit der Bundesregierung und den Regierungsfraktionen gesucht –, nicht, weil uns kein eigener Gesetzentwurf eingefallen wäre, nein, nur ein Konsens in diesem Parlament konnte den notwendi- gen Druck auf die Bundesregierung erzeugen, um zu verhindern, dass es – wie in der letzten Legislaturperio- de – nur bei Versprechungen und Ankündigungen einer Gesetzesnovelle bleibt. Das Plädoyer für die Reform der Rechtsanwaltsvergü- tung ist kein dumpfer Lobbyismus für die Anwaltschaft in Deutschland. Die Rechtsanwältinnen und Rechtsan- w i e w a s a E u w s c Ü M z d i ü s R r L M t 1 t D d d D l n u T T f g a n 1 S a d n s f a f B W i r j V s r g V (C (D älte sind ein wesentlicher Bestandteil der Rechtspflege n unserem demokratischen Rechtsstaat. Da wir bewusst inen Gebührenrahmen für freiberuflich tätige Rechtsan- ältinnen und Rechtsanwälte vorgeben wollen, sind wir ls Gesetzgeber aber auch in der Pflicht, dem Berufs- tand der Rechtsanwälte die Chance auf finanzielle Un- bhängigkeit für ihre berufliche Tätigkeit einzuräumen. s ist völlig inakzeptabel, dass die Rechtsanwältinnen nd Rechtsanwälte seit nunmehr zehn Jahren von der irtschaftlichen Entwicklung vollständig abgekoppelt ind. Seit zehn Jahren stagnieren die Vergütungsansprü- he für Anwälte, Sachverständige, Dolmetscher und bersetzer. In diesen zehn Jahren sind die Lohnkosten, ieten und Sachkosten drastisch gestiegen. In dieser ehnjährigen Vergütungsstagnationsphase verzeichnete ie gewerbliche Wirtschaft einen Einkommenszuwachs n Höhe von 26 Prozent. Ich finde: Mit diesem gemeinsamen Gesetzentwurf bernehmen wir auch die Verantwortung dafür, dass es ich nicht wiederholt, dass die Rechtsanwältinnen und echtsanwälte in Deutschland über einen so langen Zeit- aum von der wirtschaftlichen Entwicklung in unserem and vollständig ausgeschlossen werden. Nach seriösen odellrechnungen wird die Reform der Anwaltsvergü- ung der Anwaltschaft Mehreinnahmen in Höhe von 4 Prozent erbringen. Diese Steigerung ist vor dem Hin- ergrund der zehnjährigen Nullrunde mehr als moderat. iese Mehreinnahmen werden nicht in erster Linie urch eine lineare Erhöhung der Gebühren, sondern urch eine Strukturreform des Gebührenrechts erreicht. er anwaltliche Einsatz für außergerichtliche Streitbei- egungen wird durch das neue Gesetz künftig besser ho- oriert. Diese Strukturreform wird dem Rechtsfrieden dienen nd die Gerichte entlasten. Dieser Ansatz trägt auch der atsache Rechnung, dass bereits heute die anwaltliche ätigkeit zu 70 Prozent außerhalb der Gerichtssäle statt- indet. Der aufgrund des Einigungsvertrages bis heute ültige Gebührenabschlag Ost in Höhe von 10 Prozent uf Anwaltsgebühren und Entschädigungssätze in den euen Bundesländern wird durch diese Reform ab dem . Juni 2004 entfallen. Wir gehen damit einen weiteren chritt zur Angleichung der Lebensverhältnisse in den lten und neuen Bundesländern und setzen gleichzeitig as Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. Ja- uar 2003 um. Es ist ein Gebot der Ehrlichkeit, zuzugeben, dass die trukturellen Änderungen im Vergütungssystem dazu ühren werden, dass die Rechtsanwältinnen und Rechts- nwälte je nach Tätigkeitsschwerpunkten von der Re- orm unterschiedlich profitieren werden. Insbesondere aurechtler und Familienrechtler werden durch den egfall der Beweisgebühr negativ betroffen sein, denn n diesen Rechtsgebieten wird bei gerichtlichen Verfah- en fast immer Beweis erhoben. Diese Einbußen können edoch teilweise dadurch kompensiert werden, dass die orschrift über Ausgleich und Verrechnung der ver- chiedenen Gebühren im vorgerichtlichen und im ge- ichtlichen Verfahren geändert werden. Zu berücksichti- en ist auch, dass künftig bei jedem gerichtlichen erfahren, in dem es eine mündliche Verhandlung 8156 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) gegeben hat, immer 2,5 Gebühren anfallen werden. Die Gerichtskosten, die aus verständlichen Gründen für je- den Landesjustizminister einen Interessensschwerpunkt darstellen, werden ebenfalls nur moderat erhöht. Diese Zurückhaltung bei der Erhöhung der Gerichtskosten ist von entscheidender Bedeutung. In einem Rechtsstaat darf die Durchsetzung des Rechtes durch ein gericht- liches Verfahren nicht durch eine zu hohe Kosten- schwelle erschwert oder unmöglich gemacht werden. Ich begrüße es sehr, dass die Spitzenvertreter der Standesorganisationen der Anwaltschaft in Deutschland diesen gemeinsamen Gesetzentwurf als wichtigen Schritt in die richtige Richtung begrüßt haben. Mit der Unterstützung dieses Gesetzentwurfes sprechen wir uns alle, die Standesorganisationen der Anwaltschaft und alle Fraktionen dafür aus, dass auch in Zukunft klare ge- setzlich festgelegte Gebührenstrukturen für freiberuflich tätige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gelten sol- len. Dies ist ein wichtiges Signal an die Europäische Kommission in Brüssel, insbesondere an den Wettbe- werbskommissar Mario Monti. Ich sage dies vor einem aktuellen Hintergrund: Am letzten Montag, also vor nur vier Tagen, hat die Europäi- sche Kommission auf Initiative des Herrn Monti einen Bericht verabschiedet, in dem auch Deutschland aufge- fordert wird, die bei uns gesetzlich geregelten Gebühren- vorschriften für Freiberufler, insbesondere für Rechtsan- wälte, abzubauen und ganz abzuschaffen. Ich bin zwar überzeugter Europäer, aber diese Position des Wettbe- werbskommissars ist im Hinblick auf die Bedeutung der freien Berufe für unser Land und unsere Wirtschafts- struktur nicht akzeptabel. Die Besonderheit und das Ethos der freien Berufe gründen in dem vom Staat über- tragenen Aufgaben. Das gesetzlich geregelte Gebührenrecht für die freien Berufe, dient nicht – wie es Herr Monti unterstellt – der Marktabschottung, sondern der Sicherung geordneter Verfahren, der Qualitätssicherung und damit den Ver- braucherinteressen. Ein zentrales Element des deutschen Rechtssystems ist die Kostenerstattung durch die unter- legene Partei und die Prozesskostenhilfe für wirtschaft- lich Schwächere. Bei einer vollständigen Liberalisierung des Gebührenrechts wären diese Grundelemente unseres Rechtssystems nicht haltbar. Da die Bundesregierung diesen Gesetzentwurf aus Überzeugung mitträgt, gehe ich davon aus, dass die zuständigen Minister dieser Bun- desregierung Herrn Monti in diesem Punkt klar und deutlich widersprechen werden. Hans-Chistian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts im Justizbereich war fürwahr eine „schwierige Geburt“. Bereits in der letzten Legislaturperiode hatten wir uns viel Mühe jahrelang damit gegeben. Wir hatten es fast verabschiedet, aber dann ging es unter im Dickicht der Bedenken und Bedenkenträger aus Parteien, Bundeslän- dern und Interessengruppen. Wir machen einen neuen Anlauf. Fast alle sind sich einig und können mit dem Ergebnis leben. Die vielen Menschen, die beruflich – oder auch p R Z r d z n u A w t u v G t s t a a a a B m n D i u e E v z n h B p B D K z n m f m d z r s H d (C (D rivat als Rechtsuchende – mit Justiz zu haben. Die echtsuchenden, ihre Anwälte, die Rechtsberater, die eugen, die Sachverständigen, die Schöffen und Laien- ichter, die Justiz. Und sogar die Bundesländer, die auf ie enge Finanzlage vor allem ihrer Haushalte Rücksicht u nehmen haben. Sie haben darauf bestanden, dass sie icht drauflegen müssen. Wie trotzdem die Honorare nd Entgelte erhöht werden können, das war die große ufgabe. Seit zehn Jahren gab es keine Anpassungen mehr, ob- ohl Kosten und Gehälter sich erheblich verändert hat- en. Rechtsanwaltskollegen haben mich angesprochen nd erklärt: Wir übernehmen keine Mandate als Pflicht- erteidiger in Strafverfahren mehr. Wir können von den ebühren unsere Büros nicht mehr bezahlen. Wir legen ein Gesetzesgesamtwerk vor, das das Kos- en- und Vergütungsrecht einfacher und transparenter ge- taltet, die Gerichte entlastet und die am Verfahren Be- eiligten zeitgemäß vergütet. Bürgerinnen sollen zu ußergerichtlichen, Geld sparenden Streitbeilegungen nimiert werden; Rechtsanwälte sollen durch Gebühren- nreize motiviert werden, dies zu unterstützen. Nicht zuletzt der bisherige 10-prozentige Ostabschlag uf die Gebühren und Entschädigungssätze in den neuen undesländern wird endlich abgeschafft. Wir leisten da- it einen Beitrag zur Angleichung der Lebensverhält- isse in Ost- und Westdeutschland. Die Vergütungen für Rechtsanwälte, Sachverständige, olmetscher und Übersetzer werden maßvoll angehoben n Höhe der Kostensteigerungen seither etwa für Mieten nd Gehälter mit jährlich circa 1,4 Prozent. Damit liegen twa Honorare für Rechtsanwälte deutlich hinter dem inkommenszuwachs in der gewerblichen Wirtschaft on durchschnittlich 2,6 Prozent jährlich im Vergleichs- eitraum. Gleichzeitig vermeidet der Gesetzentwurf fi- anzielle Mehrbelastungen der Bundesländer. Das Gesetz ist das fragile Ergebnis jahrelanger Ver- andlungen von Bund und Ländern und den betroffenen erufsverbänden und Standesorganisationen, ein Kom- romiss eben. Viele haben mich in den letzten Monaten gedrängelt: itte keine weitere Verzögerung bei der Verabschiedung. as In-Kraft-Treten zum 1. Juli ist schon viel zu spät. önnt ihr nicht Teile des Gesetzes früher in Kraft set- en? Sie hatten Recht. Weiteres Hinausschieben war icht zu verantworten. Deshalb waren Änderungen nicht ehr drin. Sie hätte zu einer erneuten Verzögerung ge- ührt. Eine unerträgliche Vorstellung. Die vielen Wünsche nach weiteren Verbesserungen üssen jedenfalls im Moment leider zurückstehen, um as vorrangige Ziel der schnellen Verabschiedung nicht u gefährden. Wir haben zahlreiche Briefe mit Ände- ungsvorstellungen erhalten. Viele sind vernünftig, tat- ächlich wünschenswert oder jedenfalls überlegenswert. Nur einige Beispiele: Der Deutsche Industrie- und andelskammertag möchte zum Beispiel die Vergütung er gerichtlichen Sachverständigen noch flexibler nach Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8157 (A) ) (B) ) fortschreitenden Marktpreisen gestalten statt durch stati- sche Zuordnung von Sachgebieten zu bestimmten Hono- rargruppen. Ein Berliner Rentenberater beklagt gegenüber dem Petitionsausschuss ein Sonderopfer seines Berufsstandes durch einen drohenden Gebührenrückgang um 20 Pro- zent infolge der Neuregelung. Ein Berliner Fachanwalt für Sozialrecht weist mich auf ein drohendes „Unrecht“ hin, wenn dort sowie im verwaltungsrechtlichen Verfahren die Vorverfahrens- auf die Gebühr im Klageverfahren angerechnet wird, statt die Gebühren insgesamt anzuheben. Ein Hannoveraner Fachbuchautor regt an, die An- rechnungsregeln anwaltlicher Verfahrens- und Ge- schäftsgebühren je nach erteiltem Auftrag sowie unter- schiedliche Gebührenerhöhungen bei mehreren Auftraggebern zu harmonisieren. Der Notarausschuss im Deutschen Anwaltverein wendet sich gegen Fest- und Höchstgebühren und regt andere Wertbemessungen unter anderem bei der Bear- beitung von Eheverträgen an. Die AG Ausländer- und Asylrecht im DAV hält die Streitwertbestimmung im Asylverfahren für unzurei- chend. Die Bundespsychotherapeutenkammer fordert Gleichstellung ihrer Mitglieder mit ärztlichen Sachver- ständigen bei den Vergütungen und Auslagen für ge- richtliche Gutachten. Eine überörtliche Anwaltssozietät wendet sich gegen die geplante Abschaffung der anwaltlichen Beweisge- bühr, was sich besonders einkommensmindernd in Arzt- haftungs-, Ehescheidungs- und Bauprozessen auswirken werde. Ein Kommentator zum Zeugenentschädigungsrecht fordert höhere Reisekosten- und Auslagenerstattung in diesem Bereich. Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins hat da- rauf hingewiesen, dass die „Gebührenordnung als Gan- zes in Frage gestellt werden“ könnte und der erzielte „Kompromiß scheitern“ könnte, wollte man jetzt ein- zelne „Übelstände“ noch begradigen. Er hat Recht, wir haben in mehreren abschließenden Runden versucht, das eine oder andere doch noch aufzu- greifen und anders zu regeln. Es stellte sich schnell he- raus: Jede Fraktion hat andere Prioritäten. Die eine will für die Asylverfahren Veränderungen, die andere bei der Beweisgebühr eine Ergänzung usw. Änderungen wären mit Kosten verbunden, die Länder sind misstrauisch, der Kompromiss würde aufgeschnürt, es gäbe vielleicht eine neue Anhörung und schon wäre der Terminplan nicht mehr zu halten. Deshalb bleibt nur: Nicht mehr dran rühren, bloß nicht das Konsenspaket wieder öffnen. Meine Fraktion ist auch künftig weiter offen für alle zusätzlichen Verbesserungen, möglichst kostensparende und gerechte Ausgestaltung des Kostenrechts. Solche V f f R s s r I l r r g g m g k a t L t w e b d a G g v d L f K m N w n s a s B s n f f r S i v p z n n Z b (C (D orschläge sollten wir, auch im Lichte erster Praxiser- ahrungen mit der jetzigen Reform, sukzessive aufgrei- en, wo immer dafür Raum ist. Wir tun das Notwendige für das Funktionieren des echtsstaates. Verabschiedet wird jetzt und in Kraft ge- etzt zum l. Juli 2004. Dann sehen wir weiter: Wie hat ich was bewährt und was nicht? Rainer Funke (FDP): Das Kostenrechtsmodernisie- ungsgesetz kommt spät, aber hoffentlich nicht zu spät. ch erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass die etzte strukturelle Veränderung des anwaltlichen Kosten- echts 1986 und die letzte lineare Anpassung der Gebüh- en 1994 erfolgt ist. Die Bundesregierung hatte bereits in der letzten Le- islaturperiode angekündigt, dass ein Rechtsanwaltsver- ütungsgesetz vorgelegt werde und die damalige Justiz- inisterin hatte den Anwälten entsprechende Zusagen emacht. Zu diesem Zweck war eine Sachverständigen- ommission eingesetzt worden, um nicht nur eine line- re Erhöhung der Anwaltsgebühren, sondern auch struk- urelle Veränderungen vorzusehen. Als in der letzten egislaturperiode erkennbar wurde, dass die Bundesjus- izministerin ihre Versprechungen gegenüber der An- altschaft nicht einhalten wollte, hat die FDP-Fraktion inen eigenen Gesetzentwurf in den Bundestag einge- racht, der sich in wesentlichen Zügen auf das Ergebnis er Sachverständigenkommission bezog. Die FDP hatte uch in dieser Legislaturperiode angekündigt, diesen esetzentwurf erneut einzubringen, wenn die Bundesre- ierung erneut das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz erzögern würde. Ich danke der Bundesjustizministerin afür, dass sie im Konsens mit den Verbänden und den ändern, aber auch im Konsens mit allen Bundestags- raktionen einen verabschiedungsreifen Entwurf einer ostenrechtsmodernisierung vorgelegt hat. Kompromisse haben die Eigenschaft, dass man nicht it allem zufrieden sein kann und gegebenenfalls auch achbesserungen notwendig sind. Mir ist jedoch be- usst, dass ein Aufschnüren des Gesamtpaketes auch egative Folgen für positiv erkannte Regelungen mit ich bringen könnte. Deswegen hat die FDP-Fraktion uch in den Vorberatungen dieser Paketlösung zuge- timmt. Dabei sind wir davon ausgegangen, dass auch der undesrat dieser Lösung zustimmen wird. Die Länder ind hinsichtlich der Gerichtskosten um rund 50 Millio- en günstiger gestellt worden, als von uns ursprünglich ür angemessen und richtig gehalten wurde. Wir waren ür eine Kompensation der Belastungen durch den höhe- en Anfall der Prozesskostenhilfe und der Zeugen- und achverständigenentschädigung ausgegangen. Jetzt ist n diesem Paket eine Überkompensation für die Länder orgesehen, der wir unter dem Gesichtspunkt der Kom- romisslösungen aber, wenn auch schweren Herzens, ustimmen. Diese kritische Anmerkung machen wir icht etwa um die Länder zu ärgern, sondern weil in ei- em funktionierenden Rechtsstaat für jeden Bürger der ugang zu den Gerichten ohne zu hohe Gerichtskosten- elastung möglich sein muss. 8158 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) Hinsichtlich der Rechtsanwaltsvergütung begrüßen wir die strukturellen Veränderungen. Wir wissen, dass einige Anwälte hiervon auch negativ betroffen sind. Wir werden dies genau beobachten und, falls dies zu nicht mehr vertretbaren Belastungen führt, Änderungsvor- schläge einbringen. Alles in allem halten wir dieses Kos- tenrechtsmodernisierungsgesetz für gelungen und stim- men diesem Gesetz zu. Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: Heute ist ein guter Tag für alle, die die nötigen Reformen in un- serem Land auch für machbar halten. Gerade einmal drei Monate nach der ersten Lesung verabschiedet der Bun- destag heute den umfangreichen und sensiblen Gesetz- entwurf eines Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes. Wie bei allen großen Reformen liegen auch beim Kostenrechtsmodernisierungsgesetz intensive Diskus- sionen hinter uns. Ich nenne die Stichworte Rechts- anwaltsvergütung und künftige Bemessung der Gerichts- gebühren. In beiden Fällen haben wir mit den Ländern sowie den verschiedenen Verbänden und Interessengrup- pen intensiv um eine faire Lösung gerungen. Wir haben die verschiedenen Interessen ausbalanciert in einem Regierungsentwurf und einem wortgleich von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages einge- brachten Entwurf. Die hierbei erzielte breite Überein- stimmung hat die zügige Beratung erst möglich ge- macht. Ich möchte an dieser Stelle allen Berichterstattern für die gute und wirklich konstruktive Zusammenarbeit ganz herzlich danken. Ich möchte auch meinen Dank an die Vertreter der im Rahmen der Erarbeitung des Gesetz- entwurfs angehörten Verbände für die konstruktive Mit- arbeit wiederholen. Gleiches gilt für die engagierte Mit- arbeit der Landesjustizverwaltungen. Das Ergebnis unserer Mühe und konzentrierten An- strengung kann sich sehen lassen: Wir machen das Kos- ten- und Vergütungsrecht einfacher und transparenter, entlasten die Gerichte und vergüten die am Verfahren Beteiligten zeitgemäß. Mit dem Gesetz werden zum 1. Juli 2004 die Rege- lungen für die Gerichtskosten ebenso wie die Vergütung der Sachverständigen, die Entschädigung für Zeugen und ehrenamtliche Richter grundlegend neu gestaltet. Von der altehrwürdigen Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte werden wir Abschied nehmen. Sie wird durch ein neues, modernes Rechtsanwaltsvergütungsge- setz ersetzt. Der Ostabschlag in Höhe von derzeit 10 Prozent auf die Gebühren und Entschädigungssätze in den neuen Bundesländern wird – ebenfalls ab 1. Juli 2004 – der Vergangenheit angehören. Lassen Sie mich noch einmal die Schwerpunkte des Gesetzentwurfs zusammenfassen. Im Bereich der Ge- richtskosten sind dies: Das 1994 für bestimmte Zivilpro- zessverfahren bei den Gerichtskosten eingeführte Pau- schalgebührensystem wird auf alle Rechtszüge und auf die Verfahren aller Zweige der Gerichtsbarkeit ausge- dehnt. Die bisher zum Teil im Arbeitsgerichtsgesetz ge- r t w m m g d l s w u G t M s A i d B e S f R u g s r v s h t t M g d c k d e N g g b e m u v (C (D egelten Gerichtsgebühren werden in das Gerichtskos- engesetz übernommen. Im Rahmen des Vertretbaren ird von Wert- auf Festgebühren umgestellt werden; da- it entfallen Schwierigkeiten bei der Streitwertbestim- ung. Das neue Justizvergütungs- und -entschädigungs- esetz löst das Entschädigungsprinzip bei Sachverstän- igen, Dolmetschern und Übersetzern durch ein neues eistungsgerechtes Vergütungsmodell ab. Das neue Rechtsanwaltsvergütungsrecht sieht insbe- ondere vor: Es gibt Vereinfachung, weil erstens die Be- eisgebühr bei gleichzeitiger Erhöhung der Verfahrens- nd der Terminsgebühr wegfällt und wir zweitens die ebühren- und Auslagentatbestände in einem Vergü- ungsverzeichnis zusammenstellen. Erstmalig sind wichtige anwaltliche Tätigkeiten wie ediation, Hilfeleistung in Steuersachen und Zeugenbei- tand erfasst! Wir kommen zu einer leistungsorientierten usgestaltung, zum Beispiel für die Anwaltstätigkeiten m Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, es Bußgeldverfahrens und der Pflichtverteidigung. Wir fördern die außergerichtliche Erledigung, zum eispiel durch Umgestaltung der Vergleichsgebühr zu iner Einigungsgebühr für jede Form der vertraglichen treitbeilegung und durch Verbesserung der Vergütung ür außergerichtliche Tätigkeiten. Damit werden die echtsanwälte noch mehr motiviert, die Bürgerinnen nd Bürger im Bestreben, sich außergerichtlich zu eini- en, zu unterstützen. Die Förderung des „Schlichten, tatt richten“ wird auch die Gerichte entlasten. Wir fördern den Abschluss von Gebührenvereinba- ungen durch Verzicht auf eine gesetzliche Festlegung on Gebühren für die Beratungstätigkeit ab 1. Juli 2006. Es kommen Gebührenregelungen für den Zeugenbei- tand und die Schaffung einer Terminsgebühr für Ver- andlungen im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs. Die rund zehn Jahre unverändert gebliebenen Vergü- ungen für Rechtsanwälte passen wir der seither einge- retenen wirtschaftlichen Entwicklung an. Dabei sind ehreinnahmen der Rechtsanwälte aufgrund der gestie- enen Streitwerte bereits berücksichtigt. Auch die Erhöhung der Vergütung für Sachverstän- ige, Dolmetscher und Übersetzer trägt der wirtschaftli- hen Entwicklung Rechnung. Im Vergleich zum Ein- ommenszuwachs in der gewerblichen Wirtschaft ist abei der im Entwurf vorgesehene Einkommenszuwachs her moderat. Die Justizhaushalte der Länder werden durch die euregelungen nicht belastet, stehen doch den Mehraus- aben für Rechtsanwalts- und Sachverständigenver- ütungen deutliche Mehreinnahmen im Gerichtskosten- ereich gegenüber. Wir kommen damit einem indringlichen Wunsch der Länder nach, ohne unsere ge- einsame Verantwortung für einen für die Bürgerinnen nd Bürger bezahlbaren Rechtsschutz aus den Augen zu erlieren. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8159 (A) ) (B) ) Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfes eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Anderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze (Tagesordnungspunkt 11) Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Mit der Umsetzung der EG-Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 und der Verabschiedung des hierfür erforderlichen Gesetzentwurfs wird der Finanzplatz Deutschland ge- stärkt, sodass unser Land im europäischen Markt wettbe- werbsfähig ist und dass die Derivate und Ähnliches auch in Frankfurt handelbar sind und die Banken nicht auf Plätze wie Luxemburg und London ausweichen müssen. Der Gesetzentwurf verfolgt im Wesentlichen zwei Anliegen. Zum einen wird die genannte Richtlinie über Finanzsicherheiten in das deutsche Recht überführt, zum anderen soll das Hypothekenbankgesetz vor allem in sei- nen insolvenzrechtlichen Regelungen präzisiert werden. Die Finanzsicherheitenrichtlinie zielt darauf ab, den freien Dienstleistungs- und Kapitalverkehr im Finanz- binnenmarkt zu fördern und zur Stabilität des Finanzsys- tems in der Gemeinschaft und zur höheren Kostenwirk- samkeit des Finanzmarktes beizutragen. Damit die Geschäfte gemeinschaftsweit möglichst störungsfrei ab- gewickelt werden können, bestimmt die Richtlinie, Fi- nanzsicherheiten von bestimmten Vorschriften des natio- nalen Insolvenzrechts auszunehmen, soweit sie die effektive Verwertung einer Sicherheit behindern oder im Bankenverkehr häufig praktizierte Verfahren, wie etwa die Verrechnung gegenseitiger Positionen, infrage stellen. Im Bereich des Insolvenzrechts sieht der Gesetzentwurf deshalb vor, dass die Verwertung von Finanzsicherheiten nicht durch die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren oder durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beeinträchtigt werden darf. Weiter werden Erleichterungen bei der Pfandverwer- tung vorgesehen. So soll etwa der freihändige Verkauf erleichtert und auch eine Verwertung im Wege der An- eignung zugelassen werden. Hierzu noch folgende Feststellung: Finanzsicherheiten im Sinne des Gesetzes sind Bar- guthaben, Wertpapiere, Geldmarktinstrumente so- wie sonstige Schuldscheindarlehen einschließlich jeglicher damit im Zusammenhang stehender Rechte oder Ansprüche. Die komplette Formulierung ist im gemeinsamen Än- derungsantrag aller Fraktionen des Deutschen Bundesta- ges vom 11. Februar 2004 festgehalten. Die Änderungen des Hypothekenbankgesetzes zielen darauf ab, den inter- nationalen Kapitalmarkt auch weiterhin von der hohen Sicherheit und Qualität des deutschen Pfandbriefrechts zu überzeugen. Der Gesetzentwurf sieht hierfür Rege- lungen vor, die eine zeitgerechte Bedienung der Pfand- briefe auch in der Krise der Hypothekenbank gewähr- leisten sollen. d b f b d m F e f e s G u K s f R d g b d F z n R G B d a U s e c G w d z d n f l D s r H w i o t G b v (C (D Die Zusammenarbeit aller Fraktionen mit dem Bun- esjustizministerium und die äußerst sachbezogene De- atte in den Berichterstattergesprächen hat auch dazu ge- ührt, dass kleine und mittelständische Betriebe nicht enachteiligt werden. Das war ein besonderes Anliegen er Koalition. Ich möchte mich bei den Verantwortlichen des Justiz- inisteriums, bei den Berichterstatterkollegen aller raktionen und bei den Sachverständigen bedanken. Die rforderlichen Gespräche haben zu dem Ergebnis ge- ührt, dass dieser für den Finanzplatz Deutschland ganz ntscheidende Gesetzentwurf durch das Hohe Haus ein- timmig verabschiedet werden kann. Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Nach intensiven esprächen – auch mit Sachverständigen – konnten wir ns im federführenden Rechtsausschuss gestern im reise der Berichterstatter auf Veränderungen zum ur- prünglichen Regierungsvorschlag einigen. Der inter- raktionelle Änderungsantrag hat die Umsetzung der ichtlinie in nicht unwesentlichen Teilen deutlich verän- ert. Meine Fraktion hat von Beginn der Berichterstatter- espräche an klargemacht, dass wir nicht bereit sind, die erechtigten Einwände des Bundesrates, insbesondere ie eigentliche Umsetzung der Richtlinie im Bereich inanzsicherheiten betreffend, mit einem Federstrich ab- utun, wie dies die Bundesregierung in ihrer Stellung- ahme getan hat. Nach und nach wurde die Kritik am egierungsentwurf lauter: BGA, BDI, CDH, DIHK, DV und die Insolvenzverwalter auf der einen Seite, die anken, namentlich der BdB, auf der anderen Seite. Für ie CDU/CSU-Bundestagsfraktion stand von Beginn an ußer Frage, dass der Finanzplatz Deutschland durch die msetzung der Richtlinie keine Nachteile im europäi- chen Wettbewerb erleiden darf. Andererseits aber gilt s, den Wirtschaftsplatz Deutschland nicht zu schwä- hen. Das deutsche Insolvenzrecht ist von zwei zentralen edanken getragen, die sich in § l der Insolvenzordnung iederfinden. Erstens: „Das Insolvenzverfahren dient azu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich u befriedigen“. Zweitens. Dies soll insbesondere durch en Erhalt des Unternehmens geschehen. Entzieht man un der Masse frühzeitig weitere Teile, so steht zu be- ürchten, dass zukünftig weniger saniert und mehr zer- egt wird, und dass verstärkt in eine Richtung abfließt. as führt aber nahezu zwangsläufig zu einer Schlechter- tellung der ungesicherten Gläubiger, gerade der kleine- en Gläubiger. Die Auswirkungen auf Arbeitsplätze in andwerk und Mittelstand sind leicht vorstellbar. Eine Aussage eines sachverständigen Insolvenzver- alters blieb mir besonders im Gedächtnis: „Man kann m Falle der Insolvenz keinem Gläubiger etwas geben, hne einem anderen etwas wegzunehmen.“ Einleuch- end, da die Masse begrenzt ist. Den dahinter stehenden edanken halte ich allerdings für entscheidend: Sind wir ereit die Stellung der Banken als Gläubiger im Insol- enzfall durch die Umsetzung der Richtlinie weiter zu 8160 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) stärken, gegebenfalls zulasten der kleinen Gläubiger, zum Beispiel der Lieferanten? Die Antwort der CDU/CSU lautet: Soweit es nötig ist ja – die zwingende Richtlinienumsetzung im Interban- kenverkehr hat derartige Auswirkungen auch nicht. Be- reits heute verfügen Kreditinstitute im Insolvenzfall ob der meist umfangreichen bestellten Sicherheiten als Aus- und Absonderungsberechtigte über eine starke Position, und das ist durchaus gewollt. Das gewachsene deutsche Insolvenzrecht hat aber immer vermieden, diese Position zu einseitig überzubetonen; daran wollen wir festhalten. Zunächst war es wichtig, den Begriff der Finanzsi- cherheit klarzustellen. Zur Rechtsklarheit darf gern ein- mal ein Satz mehr Gesetzestext sein, hier mit Sicherheit an der richtigen Stelle. Der gefundene Konsens des „Teil-Opt-Out“, des teilweisen Abweichens von der Richtlinie bei deren Umsetzung, der im Übrigen auch im ersten Entwurf des BMJ in ähnlicher Form enthalten war, ist tragfähig und berücksichtigt die verschiedenen Interessen. Die Umsetzung der Maximalforderungen, auf denen leider hier und da bis zuletzt beharrt wurde, wäre ohne Zweifel volkswirtschaftlich schädlich gewe- sen. Die ins Feld geführten Behauptungen zur angebli- chen Schwächung des Finanzplatzes Deutschland bei Ausübung des „Opt-Out“ waren wenig überzeugend vor- getragen. Gerade die Tatsache, dass andererseits einige Mitgliedstaaten sogar über die Richtlinie hinausgehen, führt das enge Umsetzungsargument ad absurdum. Ich freue mich, dass die Koalition, insbesondere durch die objektive Befassung des Kollegen Montag, wie man so schön sagt, noch die Kurve gekriegt hat. Die im Ausschuss getätigten Aussagen hinsichtlich der Bun- desratsstellungnahme, insbesondere der Einlassungen des Freistaates Bayern im Verfahren, weise ich aller- dings auf das Schärfste zurück. Wenn man beispiels- weise die Presseerklärung der Bayerischen Staatsminis- terin der Justiz Frau Dr. Merk vom 8. Dezember 2003 liest, findet sich eine objektive Darstellung. Nachdem sich die Fraktionen nun in diese Richtung geeinigt ha- ben, stellt sich mir schon die Frage, weshalb gerade die SPD nun ausdrücklich betont, ich zitiere aus dem Be- richterstatterbericht – dafür sollten wir wohl noch einen anderen Terminus finden –: Es sei ein besonderes Anlie- gen der Koalition gewesen, die tragende Säule der deut- schen Wirtschaft, nämlich Handwerk und Mittelstand, nicht – wie es die Banken gefordert hätten – in die fal- sche Richtung zu leiten. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme vom 17. Oktober 2003 dazu ausgeführt, ich zitiere: „... die Richtlinie bewirkt die Privilegierung einer bestimmten Gruppe von Sicherungsgebern ... Die Begünstigung der ... Kreditwirtschaft geht jedoch notwendig zulasten anderer Wirtschaftszweige bzw. Gläubiger – etwa einfachen Handwerksbetrieben.“ Die Bundesregierung ihrerseits führt noch in ihrer Gegenäußerung darauf aus, ich zitiere: „In den Prüfbitten ... moniert der Bundesrat eine Privilegierung der Kreditwirtschaft... Die Bundesregie- rung teilt nicht die Einschätzung der Prüfbitte.“ „Heute hü, morgen hott“ könnte man sagen. Am Ende hat die Koalition ja noch den besten Weg gefunden. Das darf m W f u Ä i b S P t B b v 4 P M e t h r M t t W k t 2 m w v A z L d s I T l h Z t S g s w c S h ü d l f (C (D an auch sagen, unredlich ist allerdings die Art und eise, wie sie ihn gefunden hat. Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Auch wenn die öf- entliche Debatte zum vorliegenden Gesetzentwurf sich nter dem Stichwort „Bankenprivileg“ vor allem auf die nderungen im Insolvenzrecht konzentriert hat, möchte ch einiges zu den Änderungen im Bereich des Pfand- riefrechts sagen. Ziel dieser Änderungen war es, die herausragende tellung des Finanzplatzes Deutschland im Bereich der fandbriefe gegen die zunehmend erstarkende interna- ionale Konkurrenz zu verteidigen und auszubauen. Die edeutung der Pfandbriefe zeigt sich sofort, wenn man edenkt, dass vom Gesamtumlauf inländischer Schuld- erschreibungen am deutschen Kapitalmarkt rund 0 Prozent auf dieses Kapitalmarktinstrument entfallen. fandbriefe sind damit sowohl aufgrund der hohen arktliquidität als auch wegen ihrer hohen Sicherheit in herausragendes Merkmal des deutschen Finanzmark- es und bilden gerade für internationale Investoren eine ohe Attraktivität. Um diese Stellung zu verteidigen, war es nötig, die echtlichen Regelungen für Pfandbriefe anzupassen. Im ittelpunkt standen die folgenden Fragen: Wer verwal- et die im Hypothekenregister eingetragenen Werte? Wer rägt die Kosten der Verwaltung der Deckungsmasse? ie können Deckungswerte und Pfandbriefverbindlich- eiten auf andere, solvente Pfandbriefemittenten über- ragen werden? Mit der verpflichtend eingeführten Überdeckung von Prozent, mit der Installation eines Sachverwalters und it den Neuregelungen zur Übertragung von Deckungs- erten und Pfandbriefverbindlichkeiten durch den Sach- erwalter im Insolvenzfall wurden diese Fragen meiner nsicht nach gut und sachgerecht gelöst. Die zweipro- entige Überdeckung dient einerseits dem Ausgleich von iquiditätsschwankungen, andererseits werden mit ihr ie im Insolvenzfall entstehenden Kosten gedeckt. Die neu geschaffene Position des Sachverwalters tärkt die Position der Pfandbriefgläubiger im Falle der nsolvenz des Emittenten. Da die Pfandbriefmasse nicht eil der Insolvenzmasse ist – was übrigens in der gesetz- ichen Neufassung noch einmal deutlicher hervorge- oben wird – ist es wichtig, dass sie nicht in die uständigkeit des Insolvenzverwalters fällt, da sonst In- eressenkonflikte vorprogrammiert sind. Hier stellt der achverwalter eine sehr gute Lösung dar, da er unabhän- ig für eine schnelle Abwicklung der Deckungsmasse orgen kann. Zu diesem Zweck werden dem Sachver- alter im Insolvenzfall schnellere Möglichkeiten, De- kungswerte und Pfandbriefverbindlichkeiten auf andere pezialinstitute zu übertragen, gegeben. Der Ansatz, ierzu die Regelungen des Umwandlungsgesetzes zu bernehmen, sie aber an die Besonderheiten des Anwen- ungsbereiches anzupassen, scheint mir hier sehr gut ge- ungen. Besonders betont werden sollte, dass es in guter inter- raktioneller Zusammenarbeit gelungen ist, die Regelun- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8161 (A) ) (B) ) gen, die im ursprünglichen Gesetzentwurf nur für das Hypothekenbankengesetz geplant waren, auch auf das ÖPG und das Schiffsbankgesetz sinngemäß zu übertra- gen. Damit ist sichergestellt, dass im Insolvenzfall für alle Arten von Pfandbriefen dieselben rechtlichen Bedin- gungen gelten. Eine rechtliche Spaltung des Pfandbrief- marktes konnte so vermieden werden. Dies wird die in- ternationale Akzeptanz von Pfandbriefen sicherlich noch weiter steigern. In diesem Zusammenhang gilt es auch, die weitere Entwicklung im Rating der Emittenten öf- fentlicher Pfandbriefe im Auge zu behalten, wenn im Jahre 2005 Anstaltslast und Gewährträgerhaftung entfal- len. Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung möchte ich abschließend doch noch einmal auf den Kompromiss zu- rückkommen, der fraktionsübergreifend im Bereich der Finanzsicherheiten gefunden wurde. Kern des Problems waren die divergierenden Interessen der Banken und der anderen Unternehmen hinsichtlich der Frage, welche Vermögensbestandteile Gegenstand des Insolvenzver- fahrens sein und welche den Banken zur Sicherung ihrer Forderungen vorbehalten sein sollten. Ich bin der Auf- fassung, dass die gefundene Lösung ein zwar tragfähi- ger, aber doch stark theoretisch geprägter Kompromiss ist. Wir sollten uns ausgehend von dieser Regelung nach etwas Zeitablauf genau ansehen, wie sie sich einerseits auf den Finanzplatz Deutschland und andererseits auf die Situation der Unternehmen ausgewirkt hat. Völlig er- gebnisoffen sollten wir dann gegebenenfalls bereit sein, das Gesetz in die eine oder in die andere Richtung zu überarbeiten. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ziel der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Ra- tes über Finanzsicherheiten vom 6. Juni 2002 ist die Si- cherung des europäischen Finanzmarkts im weltweiten Wettbewerb. Dies soll unter anderem erreicht werden durch rasche und unbürokratische Verwertungsverfah- ren, um die finanzielle Stabilität der europäischen Finanzmärkte zu sichern und Dominoeffekte bei Insol- venzen im Bereich der Interbanken- und Wertpapierhan- delshäuser zu verhindern. Finanzsicherheiten der Fi- nanzinstitute sollen danach einen Schutz genießen, der sie international wettbewerbsfähig hält. Im Wesentlichen – aber genau hier liegt das Problem – berührt dieser Schutz nur den so genannten Interbankenverkehr. Mit den geschützten Finanzsicherheiten sollen eigentlich nur Bargeldbeträge auf Bankkonten, Aktien und ihnen gleich zu stellende Wertpapiere umfasst werden. Bei der nationalen Umsetzung der Richtlinie stand und steht im Mittelpunkt der fachöffentlichen Debatte, dass unter Durchbrechung des Grundsatzes des deut- schen Insolvenzrechts, wonach Gläubiger mit gleichen Rechten anteilig gleich zu behandeln sind, Finanzinsti- tute bezüglich von ihnen gehaltener Finanzsicherheiten bevorzugt werden. Die Besserstellung liegt konkret da- rin, dass diese Gläubiger ihre Sicherheiten ohne Einfluss des Insolvenzverwalters und ohne Rücksicht auf andere Gläubiger und die Insolvenzmasse verwerten können, um nicht von Insolvenzen ihrer Schuldner tangiert zu werden; jedenfalls insoweit nicht tangiert zu werden, w c n u r A i t t s a g v s M n p u i d d d W u D B s – k i u A s B d s § P A n c w m U l d g m g e d w i s (C (D ie die von ihnen gehaltenen Finanzsicherheiten rei- hen. Soweit sich die Ausnahmen von der Insolvenzord- ung auf den Verkehr der Banken und Wertpapierhäuser ntereinander beschränken, sind sie in jedem Fall ge- echtfertigt und haben keine unmittelbaren negativen uswirkungen auf die Sicherung von Unternehmen auch n der Insolvenz und auf Insolvenzverfahren, die berech- igte Forderungen der mittelständischen Wirtschaft un- ereinander gerecht schützen sollen. Die Richtlinie sieht jedoch in Art. 1 Abs. 2 Buch- tabe e die Möglichkeit vor, ihren Geltungsbereich auch uf natürliche Personen, Einzelkaufleute und Personen- esellschaften zu erstrecken, sofern sie Vertragsparteien on Banken oder Wertpapierhäusern sind. Es war im Ge- etzgebungsverfahren sehr umstritten, ob von dieser öglichkeit Gebrauch gemacht werden sollte. Im Ergeb- is haben wir uns dafür entschieden, weil alle finanz- latzstarken Länder der EU dies ebenfalls so machen nd wir eine Benachteiligung deutscher Finanzinstitute m internationalen Ranking vermeiden wollten. Aus schlichtem Unverständnis und teilweise aus urchsichtigen politischen Gründen ist diese Entschei- ung dazu benutzt worden, der Bundesregierung und en Regierungsfraktionen vorzuwerfen, „die Axt an die urzeln erfolgreicher Sanierungsverfahren“ zu legen nd die gerechte Behandlung aller Gläubiger „dem ruck der Kreditwirtschaft zu opfern“. Besonders die ayerische Staatsregierung hat sich hier der Falschdar- tellung in der Öffentlichkeit schuldig gemacht. Den wenn auch diskreten – Druck aus dem Lager der Ban- en konnte man tatsächlich spüren; die Koalition hat hm aber widerstanden. Gespräche der Berichterstatter mit Sachverständigen nd untereinander haben dazu geführt, dass in § 1 bs. 17 Satz 2 und 3 KWG in Bezug auf natürliche Per- onen, Einzelkaufleute und Personengesellschaften der egriff der Finanzsicherheiten so exakt gefasst wurde, ass Durchgriffe der Gläubiger auf Warenlager und Ma- chinenparks in der Insolvenz ausgeschlossen sind. In 1 Abs. 17 Satz 4 KWG sind in Bezug auf natürliche ersonen, Einzelkaufleute und Personengesellschaften nteile des Sicherungsgebers und Anteile an verbunde- en Unternehmen ausdrücklich als nicht zu Finanzsi- herheiten gehörend ausgeschieden worden. Schließlich urde eine ebenfalls einengende und klarstellende For- ulierung in § 130 Abs. Satz 2 InsO aufgenommen. Damit konnten wir erreichen, dass das Gesetz zur msetzung der Finanzrichtlinie der EU nunmehr von al- en Fraktionen dieses Hauses getragen wird. Ich werte ies als Zeichen, dass es im vorliegenden Gesetz gelun- en ist, die Interessen aller Wirtschaftsgruppen ange- essen zur Geltung zu bringen. Rainer Funke (FDP): Was lange währt, wird endlich ut! Das jetzt gefundene Ergebnis ist gut. Doch es war in langer, nach meinem Geschmack zu langer Weg orthin. Denn bereits der ursprüngliche Regierungsent- urf hatte die Vorgaben der Finanzsicherheitenrichtlinie n zutreffender Weise umgesetzt. Es waren weniger ubstanzielle Einwendungen, sondern vielmehr 8162 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) Missverständnisse, die in vier Berichterstattergesprächen in mühevoller Kleinarbeit ausgeräumt werden mussten. Das, was von interessierter Seite, von Insolvenzver- waltern und Industrie, gegen die Umsetzung der Finanz- sicherheitenrichtlinie angeführt wurde, war in ihr, war in dem überzeugenden Regierungsentwurf, für den ich dem Bundesministerium der Justiz danke, gar nicht angelegt: eine Ungleichbehandlung von Gläubigern – anders for- muliert – eine Privilegierung von Banken bei Unterneh- mensinsolvenzen. Die Kritiker beriefen sich auf den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger. Einen solchen Grundsatz gibt es nicht. Ihn gab es auch nie. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung haben nur die Insolvenzgläubiger. Hiervon zu unterscheiden sind die Sicherungsgläubiger. Diese haben bereits nach gelten- dem Insolvenzrecht ein Absonderungsrecht. Einschrän- kungen des Absonderungsrechts ergeben sich nur für Mobiliarsicherungsgläubiger. Hierdurch soll ein Heraus- lösen der Sicherungsgegenstände zur Unzeit verhindert werden, um Sanierungschancen nicht zu gefährden. Die- ser Gedanke kommt jedoch bei Finanzsicherheiten ge- rade nicht zum Tragen, denn diese sind entweder ver- pfändet oder im Wege der Vollübereignung bestellt. In der ganzen Diskussion konnte kein Fall glaubhaft ge- schildert werden, bei dem auch bei Finanzsicherheiten ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters zum Tra- gen gekommen wäre. Die ins Felde geführten Beispiele betrafen ganz andere Fälle. Das gilt auch für den Fall des Insolvenzverwalters eines Großhandelsunternehmens für Anglerbedarf, der seinen dramatischen Auftritt in der ZDF-Sendung „Frontal 21“ am 18. November 2003 hatte und, zwischen Angeln und Ködern stehend, die Auffassung vertrat, wäre die Finanzsicherheitenrichtlinie schon umgesetzt worden, hätte die Bank den Betrieb ausgeplündert und die Arbeitsplätze wären nicht mehr zu retten gewesen. Nein, das normale Kreditgeschäft fiel von Anfang an nicht in den Anwendungsbereich der Finanzsicherhei- tenrichtlinie. Da jedoch viele Stellen – die Bayerische Staatsregie- rung eingeschlossen – sich, um im Bild zu bleiben, vom Insolvenzverwalter ködern ließen und ihm an die Angel gingen, war viel Überzeugungsarbeit notwendig, um bei der Umsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie Fehler zu vermeiden, die zu einer entscheidenden Schwächung des Finanzplatzes Frankfurt geführt und das scheue Reh Kapital nach London oder Luxemburg vertrieben hätten. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinwei- sen, dass die Umsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie nicht der geeignete Ort ist, Änderungen im Regelinsol- venzverfahren zu erreichen, wie sie die Insolvenzver- walter wünschen. Vorrangige Ziele der Finanzsicherhei- tenrichtlinie sind und bleiben die Stärkung des Finanzplatzes, die Integration des Finanzmarktes und die Stabilisierung des Finanzsystems. Leider drohten diese Ziele bei der weiteren Diskus- sion zumindest kurzfristig aus dem Blick zu geraten. Umso erfreulicher ist es, dass nunmehr eine Lösung ge- funden werden konnte, die die durch Missverständnisse h m D t g l s t G s w A G d n g B s w s n E g s D s p w h g v f V e t v d s z n a g e S n b s a m S d a w d (C (D ervorgerufenen Bedenken durch Klarstellungen ausräu- en, ohne die Richtlinie in ihrer Substanz zu verändern. adurch ist es in letzter Minute gelungen, einen gerech- en und von allen Parteien getragenen Interessenaus- leich zu finden. Dies stärkt den Finanzplatz Deutsch- and, ohne den Unternehmensstandort Deutschland zu chwächen. In diesem Sinne wird auch die FDP-Bundes- agsfraktion dem vorliegenden Gesetz zustimmen. Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass das esetz nicht nur den europäischen Finanzplatz stärken, ondern auch das Rating von Pfandbriefen verbessern ird. Hinsichtlich der offen gebliebenen insolvenzfesten usgestaltung des Anspruchs auf Übertragung des rundpfandrechts im Falle einer Treuhand werden wir ie Bundesregierung beim Wort nehmen und zu gegebe- er Zeit an ihre Zusage, hier für eine überzeugende Re- elung zu sorgen, erinnern. Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der undesministerin der Justiz: Mit dem vorliegenden Ge- etzentwurf stärken wir den Finanzplatz Deutschland eiter. Wir setzen zum einen die Richtlinie über Finanz- icherheiten vom 6. Juni 2002 um und leisten damit ei- en wichtigen Beitrag zum Finanzbinnenmarkt in der U. Zum anderen verbessern wir im Hypothekenbank- esetz die Absicherung der Pfandbriefgläubiger bei In- olvenz der Hypothekenbank. Lassen Sie mich zunächst auf die Richtlinie eingehen. urch die Finanzsicherheitenrichtlinie soll eine gemein- chaftsweite Regelung für die Bereitstellung von Wert- apieren und Kontoguthaben als Sicherheit geschaffen erden, um dadurch zu einer weiteren Integration und öheren Kostenwirksamkeit des Finanzmarkts beizutra- en. Dies soll den freien Dienstleistungs- und Kapital- erkehr im Finanzbinnenmarkt fördern. Dafür ist es er- orderlich, dass wir die Finanzsicherheiten von solchen orschriften des Insolvenzrechts ausnehmen, die ihrer ffektiven Verwertung im Wege stehen. Diese Sicherhei- en sollen vielmehr möglichst rasch und unbürokratisch erwertet werden können.Dabei mussten wir sorgfältig arauf achten, die bewährte Architektur des Gläubiger- chutzes in unserer Insolvenzordnung zu bewahren. Wir durften und wollten uns die Arbeit an den Umset- ungsvorschriften nicht leicht machen und haben es auch icht getan. Dabei war die in einzelnen Punkten durch- us konträre Diskussion stets fair und von dem Wunsch etragen, im Interesse des Finanzplatzes Deutschland ine Regelung zu finden, die den Finanzmärkten genug pielraum gibt, um für die Zukunft offen für neue Fi- anzprodukte zu sein. Wir wollen keine Anreize bieten, estimmte Geschäfte ins Ausland zu verlagern. Anderer- eits mussten wir stets im Blick behalten, dass das wohl- ustarierte Gefüge der Insolvenzordnung nicht durch assive Eingriffe aus dem Gleichgewicht gerät. Lassen ie mich die Gelegenheit nutzen, meinen Kollegen für ie überaus sachliche Atmosphäre im Ringen um eine usgewogene Lösung zu danken. Leider bestanden in der Öffentlichkeit zunächst ge- isse Fehlvorstellungen über den Regelungsgegenstand er Richtlinie. Deshalb sollte – entgegen mancher anders Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8163 (A) ) (B) ) lautender Kommentare in der Presse – Klarheit darüber bestehen, dass es bei der Umsetzung der Richtlinie wirk- lich nur um Finanzsicherheiten geht. Wir reden also von Wertpapieren und Kontoguthaben und nicht auch von Maschinen oder Forderungen. Wertpapiere und Konto- guthaben werden nur bei ganz bestimmten Transaktio- nen als Sicherheiten eingesetzt, etwa bei Wertpapierdar- lehens- oder Wertpapierpensionsgeschäften. Solche Transaktionen werden von einem Großteil der Unterneh- men überhaupt nicht getätigt. Befindet sich ein Unter- nehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, so werden Wertpapiere und Kontoguthaben wohl als Erstes einge- setzt, um neue Liquidität zu schaffen. Ich gehe deshalb davon aus, dass im Normalfall der Insolvenz der Insol- venzverwalter überhaupt nicht mit Finanzsicherheiten konfrontiert wird. Die geplante Änderung von § 166 InsO, die eine schnelle und unbürokratische Realisierung der Finanzsi- cherheiten gewährleistet, wird deshalb im Normalfall der Insolvenzabwicklung wohl keine praktischen Aus- wirkungen haben. Ein Verwertungsrecht des Insolvenz- verwalters ist bereits nach geltendem Recht nur gegeben, wenn der Verwalter sich im Besitz des Sicherungsgegen- standes befindet. Da in Deutschland jedoch bei Wertpa- pieren meistens der Weg über eine Verpfändung oder eine Übereignung und Lieferung der Wertpapiere ge- wählt wird, besteht bereits jetzt regelmäßig kein Verwer- tungsrecht des Verwalters. Insofern konnten wir auch mit der Mehrzahl der anderen Mitgliedstaaten die Richt- linie gemäß ihrer Grundkonzeption umsetzen und muss- ten nicht von der so genannten Opt out-Lösung Ge- brauch machen. Opt-out hätte bedeutet, alle nicht dem Finanzsektor zugehörige Unternehmen von der Umset- zung der Richtlinie auszuschließen. Allerdings haben wir im Gesetzestext alles getan, um das normale Kreditgeschäft der Banken gegenüber den übrigen Unternehmen außerhalb des Normbereichs der Umsetzungsvorschriften zu halten. Die Banken als Gläu- biger sollen auch in Zukunft nicht über das durch die Richtlinie zwingend vorgegebene Maß hinaus gegenüber anderen Gläubigern bevorzugt werden. Sollten doch einmal Konstellationen auftreten, in denen das Verwer- tungsrecht des Verwalters berührt ist, so sind diese maßvollen Einschränkungen des Grundsatzes der Gläu- bigergleichbehandlung im Interesse des Finanzplatzes Deutschland hinzunehmen. Anderenfalls hätte die Ge- fahr bestanden, dass bestimmte Geschäfte künftig nur noch auf ausländischen Finanzplätzen getätigt werden. Damit hätte der deutsche Finanzplatz Schaden genom- men, ohne dass dies potenziellen Insolvenzgläubigern zum Vorteil gereicht hätte. Ich komme zum zweiten großen Komplex: Die Ände- rungen im Hypothekenbankgesetz sollen das Vertrauen in unser bewährtes Pfandbriefsystem weiter festigen. Die Position der Pfandbriefgläubiger in der Insolvenz der Hypothekenbank wird durch Regelung einiger offe- ner Fragen noch einmal deutlich gestärkt: Bereits jetzt gilt, dass die so genannte Deckungsmasse, die der Siche- rung der von der Hypothekenbank ausgegebenen Pfand- briefe dient, im Fall der Insolvenz einer Hypotheken- bank nicht in die Insolvenzmasse fällt. Offen sind aber i i w D b d g t d t z t g T g a t d d Ä Ö R s A v f e n n K a g B w t V z h s 3 d H d d (C (D nsbesondere die Folgefragen, wer die Deckungsmasse m Fall der Insolvenz verwaltet, wer die Kosten der Ver- altung bezahlt und wie eine rasche Übertragung der eckungswerte auf eine übernahmebereite Hypotheken- ank gewährleistet werden kann. Diese Fragen werden urch den Gesetzentwurf beantwortet. So wird nun klar- estellt, dass die Deckungsmasse durch einen Sachwal- er verwaltet wird, der für die geordnete Befriedigung er Pfandbriefgläubiger sorgt. Die Kosten der Verwal- ung werden durch eine sichernde Überdeckung finan- iert. Als weitere Änderung ist vorgesehen, die im Hypo- hekenregister eingetragenen Werte zusammen mit den edeckten Pfandbriefverbindlichkeiten im Wege einer eilvermögensübertragung, die der Vermögensübertra- ung nach dem Umwandlungsgesetz nachgebildet ist, uf eine andere Hypothekenbank zu übertragen. Eine vergleichbare Interessenlage wie bei den Hypo- hekenbanken besteht bei den öffentlich-rechtlichen Kre- itanstalten, die ebenfalls Pfandbriefe begeben, und bei en Schiffsbanken. Insofern ist es konsequent, wenn die nderungen des Hypothekenbankgesetzes auch in das PG und das Schiffsbankgesetz übernommen werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit den genannten egelungen zu einer weiteren Verbesserung des Wirt- chaftsstandortes Deutschland beitragen können. nlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Anfech- tung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes (Tagesord- nungspunkt 12) Christine Lambrecht (SPD): In seinem Beschluss om 9. April 2003 hat das Bundesverfassungsgericht olgende Vorschriften teilweise für verfassungswidrig rklärt: § 1600 BGB sei insoweit mit Art. 6 Abs. 2 GG icht vereinbar, als dass der leibliche, aber rechtlich icht anerkannte – also der biologische –, Vater eines indes ausnahmslos von der Anfechtung der Vaterschaft usgeschlossen ist. Das in § 1685 BGB geregelte Um- angsrecht ist nach der genannten Entscheidung des undesverfassungsgerichts mit Art. 6 Abs. 1 GG inso- eit unvereinbar, als dass der Kreis der Umgangsberech- igten den leiblichen aber rechtlich nicht anerkannten ater eines Kindes auch dann nicht mit einbezieht, wenn wischen ihm und dem Kind eine sozial-familiäre Bezie- ung besteht oder bestanden hat. Das Bundesverfas- ungsgericht hat den Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 0. April 2004 Abhilfe zu schaffen. Dieser Aufforderung wird durch den heute vorliegen- en Gesetzentwurf Rechnung getragen. Der vor diesem intergrund entstandene Gesetzentwurf, bei dem sowohl er Beschluss des Bundesverfassungsgerichts als auch ie Rechtssystematik und die Wertentscheidungen des 8164 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) Kindschaftsrechts, also das Wohl des Kindes, zu beach- ten war, sieht im Kern folgende Änderungen vor: Änderung des § 1600 BGB. Nach gültiger Rechtslage steht das Anfechtungsrecht nur dem Kind, der Mutter und dem rechtlichen Vater zu. Der rechtliche Vater eines Kindes ist nach § 1592 BGB der Mann, der zum Zeit- punkt der Geburt mit der Mutter des Kindes ver- heiratet ist, oder die Vaterschaft anerkannt hat, oder des- sen Vaterschaft gerichtlich festgestellt worden ist. Durch die Änderung des § 1600 BGB wird nunmehr auch dem leiblichen Vater die Möglichkeit eingeräumt, die Vaterschaft eines nach dem geltenden Abstam- mungsrecht legitimierten Mannes anzufechten. Zu Recht wird die Stellung von biologischen Vätern gestärkt. Vo- raussetzung für die Anfechtung des leiblichen Vaters ist, dass zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind keine sozial-familiäre Bindung besteht oder bestanden hat. Sofern eine solche Beziehung positiv festgestellt wird, ist die Anfechtung durch den leiblichen Vater aus- geschlossen. Die vom Bundesverfassungsgericht neu eingeführte Begriffskategorie „sozial-familiäre Bindung“ wird von dem Gesetzentwurf aufgegriffen. Konkret heißt es da im neuen § 1685 Abs. 2 BGB, dass dann eine so- zial-familiäre Beziehung besteht, wenn der Vater für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Weitere Voraussetzung für die Anfechtung ist, dass der anfechtende Mann an Eides statt versichert, der Mut- ter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. So soll auf der materiellrechtlichen Ebene eine Anfechtung des leiblichen Vaters „ins Blaue hinein“ ver- hindert werden. Dadurch wird neben der Prozesshäufung insbesondere vermieden, dass eine Frage des materiellen Rechts mit der Zulässigkeitsprüfung „vermengt“ wird. Dadurch, dass sich die eidesstattliche Versicherung auf die Tatsache der „Beiwohnung“ erstreckt, wird zugleich verhindert, dass ein samenspendender Dritter als „biolo- gischer“ Vater sein Anfechtungsrecht erhält. Ein weiterer wichtiger Aspekt des vorliegenden Ge- setzentwurf ist die Änderung des § 1685 BGB. Nach gültiger Rechtslage sind die umgangsberechtigten Perso- nen in § 1685 BGB einzeln aufgelistet. Der Kreis der Umgangsberechtigten bezieht derzeit den leiblichen aber rechtlich nicht anerkannten Vater eines Kindes auch dann nicht mit ein, wenn zwischen ihm und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht oder bestanden hat. Im Umgangsrecht wird nun eine Ausdehnung auf Be- zugspersonen des Kindes mit sozial-familiärer Bezie- hung vorgesehen, die auch im Hinblick auf die europäi- sche Rechtsentwicklung geboten ist. Durch diese Regelung wird es auch nicht zu einem „Umgangstouris- mus“ kommen, weil über allem das Wohl des Kindes steht und auch stehen muss. Es macht aber keinen Sinn, jetzt wieder eine Aufzählung der Personen vorzuneh- men, die vielleicht in der Realität den jeweiligen Fami- lienmodellen nicht entspricht und damit auch nicht dem Wohl des Kindes genügen kann. Was passiert, wenn die Bezugsperson, die mit dem Kind in einer sozial-familiä- ren Beziehung gelebt hat, in der Liste nicht genannt ist? Es würde dem Wohl des Kindes wohl eher schaden, w V F V s g l d e p K B g f a R k v E g d r s d R c b d b w n c r d r t l v v R t z G d s w Z z v (C (D enn zu einer Bezugsperson, die dauerhaft für das Kind erantwortung übernommen hat, – das steht hinter der ormulierung „sozial-familiäre Beziehung“, aus einer erantwortungsbeziehung kein Umgangsrecht erwach- en könnte, nur weil diese Bezugsperson nicht in ir- endeiner Liste erscheint. Hier ist es sinnvoller der Rea- ität ins Auge zu schauen und zu akzeptieren, dass es ie unterschiedlichsten Familienmodelle gibt. Bei jeder inzelnen Umgangsrechtentscheidung muss deshalb ge- rüft werden, ob der beantragte Umgang dem Wohl des indes dient, das alleine ist entscheidend. Es war auch erforderlich, diese Neuerung im § 1685 GB zu regeln. Der § 1626 BGB ist hier nicht einschlä- ig. Die Vorschrift ordnet selbst keine konkreten Rechts- olgen an. Weder ergibt sich daraus ein Recht des Kindes uf Umgang noch begründet die Vorschrift ein solches echt für die Eltern bzw. andere Bezugspersonen. Die onkreten Umgangsrechte und -pflichten ergeben sich ielmehr aus §§ 1684 ff. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird der ntscheidung des Bundesverfassungsgerichts Genüge etan, aber was viel wichtiger ist, die Gesetzeslage wird en Realitäten angepasst, was zu einer wichtigen Be- ücksichtigung der berechtigten Interessen vieler Men- chen führt. Ute Granold (CDU/CSU): Einmal mehr hat das Bun- esverfassungsgericht den Gesetzgeber aufgefordert, die echtslage mit der Verfassung in Einklang zu bringen. Heute Nachmittag haben wir uns mit der nachträgli- hen Sicherungsverwahrung von Schwerstkriminellen efasst. Jetzt geht es um Väter, genauer gesagt darum, ie Rechte biologischer oder leiblicher Väter zu stärken zw. überhaupt zu regeln. Hierzu hat die Bundesregierung einen Gesetzesent- urf vorgelegt, der – und das ist mittlerweile leider ichts Außergewöhnliches mehr – nicht nur handwerkli- he, sondern auch inhaltliche Mängel aufweist. Nach einer umfassenden Stellungnahme des Bundes- ates zu diesem Gesetzentwurf hat die Bundesregierung em Rechtsausschuss eine überarbeitete Fassung zur Be- atung vorgelegt. Ein Teil der vorgenommenen Korrek- uren haben auch unsere Zustimmung gefunden. Aber eider hat die Bundesregierung daneben Kompromiss- orschläge unterbreitet, die wir nicht mittragen können. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes om April letzten Jahres ist dem leiblichen Vater das echt einzuräumen, die rechtliche Vaterschaft anzufech- en, wenn die rechtlichen Eltern mit dem Kind keine so- iale Familie bilden, die es nach Artikel 6 Abs. 1 des rundgesetzes zu schützen gilt. Der Bundesrat hat der Regierung den richtigen Weg ahin aufgezeigt: Der leibliche Vater erklärt an Eides tatt, der Mutter während der Empfängniszeit beige- ohnt zu haben. Das Gericht hat dabei im Rahmen der ulässigkeit der Klage die eidesstattliche Versicherung u prüfen, um so auch Anfechtungen ins Blaue hinein zu ermeiden. Ob der Kläger dann tatsächlich auch der Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8165 (A) ) (B) ) leibliche Vater ist, entscheidet sich durch ein Gutachten bei der Begründetheitsprüfung. Der Entwurf der Regierung vermischt beides, ist dog- matisch systemwidrig. Dies hat aber in der Praxis nur geringe Bedeutung. Deshalb können wir darüber noch hinwegsehen. Allerdings ist die beabsichtigte Erweite- rung des umgangsberechtigten Personenkreises derart gravierend, dass diese von uns nicht mehr mitgetragen werden kann. Die Bundesregierung hat zwar auf Drän- gen des Bundesrates auf eine Ausweitung des Umgang- rechts auf alle Verwandten dritten Grades – § 1685 Abs. 1 BGB – verzichtet, jedoch in § 1685 Abs. 2 BGB den Kreis der umgangsberechtigen Personen auf sämtli- che Bezugspersonen des Kindes erstreckt, die zu ihm in einer sozial-familiären Beziehung stehen. Das geht zu weit und führt quasi zu einem Umgangstourismus. Ent- sprechend dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes soll neben den bereits in § 1685 Abs. 2 BGB Benannten lediglich noch dem leiblichen Vater ein solches Um- gangsrecht zustehen. Dem stimmen wir auch ausdrück- lich zu. Alles, was darüber hinausgeht, ist nicht nur über- flüssig, sondern auch schädlich für das Kind. Mit der Kindschaftsrechtsreform 1998 wurde ein wichtiger und richtiger Schritt vollzogen: Die Rechtstel- lung des Kindes wurde deutlich verbessert. Das Kind und mit ihm das Kindeswohl steht fortan im Mittelpunkt. Das Umgangsrecht ist als subjektives Recht des Kindes ausgestaltet. Diesbezügliche Rechte Dritter sind nicht nur eng ausgestaltet, sondern auch nachrangig. So wurde für Großeltern und Geschwister ein Um- gangsrecht eingeführt, wenn es dem Wohl des Kindes dient. Gleiches gilt für Ehegatten und frühere Ehegatten, Lebenspartner und frühere Lebenspartner eines Eltern- teils, sofern eine häusliche Gemeinschaft mit dem Kind bestand und auch für Pflegefamilien. Anderen Personen sollte ein Recht auf Umgang ausdrücklich nicht einge- räumt werden. Diesen Personen, zum Beispiel Tanten, Onkeln, Nachbarn, Lehrern, kann allerdings auch schon heute Umgang über §§ 1666, 1626 III 2 BGB gewährt werden. Diese Begrenzung von Umgangsrechten Dritter hielt man bei der Reform vor sechs Jahren auch mit Blick auf das Kindeswohl für angemessen und gerecht- fertigt. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Dies bestätigen im Übrigen nicht nur die Ergebnisse der Be- gleitforschung zur Umsetzung des Kindschaftsrechtsre- formgesetzes, sondern auch Experten, die wir in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hierzu im vergangenen Jahr angehört haben. Bei der Ausweitung des Umgangsrechts in einem Umfang, wie es jetzt beschlossen werden soll, steht zu befürchten, dass dem Kind zu wenig Zeit für sich und seine Interessen bleibt. Dieser Gefahr kann auch durch das Tatbestandsmerkmal des Kindeswohles nicht hinrei- chend Rechnung getragen werden. Nach den Erkenntnis- sen der Praxis ist bereits jetzt die Aufteilung der Zeit mit dem Kind zur Gewährung des Umgangsrechts ein schwieriger Balanceakt. Ob und wieweit dem Kindes- wohl dabei Rechnung getragen wird, lässt sich vielfach erst mittels aufwendiger Anhörungen vor dem Familien- gericht überprüfen, die ihrerseits nicht selten mit erhebli- c k V u g g R t U h k I s E k f f s w s m w g t s A B s 2 b u m g v s s d r B D s N t w e g P r s a v s s d (C (D hen Belastungen für das Kind verbunden sind. Hinzu ommt, dass in derartigen Verfahren Streitigkeiten unter erwandten auf dem Umweg über das Umgangsrecht nd letztendlich auf dem Rücken des Kindes ausgetra- en werden. Aus diesen Gründen sollte der Personenkreis der Um- angsberechtigten – ausgestattet mit einem subjektiven echt auf Umgang – eng gefasst sein. Auch die interna- ionale Entwicklung gibt keinen Anlass, den Kreis der mgangsberechtigten auszudehnen. Die Vertragsstaaten aben einen Ermessenspielraum, welchen Personen- reis sie als solchen mit familiären Bindungen ansehen. m Übrigen wird kein subjektives Recht für Personen tatuiert, die zu dem Kind familiäre Beziehungen haben. s wird lediglich geregelt, dass Umgang stattfinden ann, soweit es dem Kindeswohl dient. Die von uns be- ürworteten Regelungen entsprechen dem in vollem Um- ang. Mit der von der Regierung jetzt vorgeschlagenen, ehr umfassenden Gewährung von Umgangsrechten ird den Kindern ein Bärendienst erwiesen. Ohnehin chon durch die Trennung der Eltern belastet, sollen sie ehr denn je verplant und zum Spielball von Interessen erden, die nicht immer ihre eigenen sind. Der Gesetz- eber sollte sich in der Regelung dieses doch sehr priva- en Lebensbereiches Zurückhaltung auferlegen. Michaela Noll (CDU/CSU): Der hier zur Diskussion tehende Gesetzentwurf der Bundesregierung über die nfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von ezugspersonen des Kindes soll der Umsetzung des Be- chlusses des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. April 003 dienen. Wir alle wissen: Scheiden tut weh – zurück leiben allein erziehende Mütter, traumatisierte Männer nd die Opfer der Scheidungsdramen sind die Kinder. Es uss uns allen daher daran gelegen sein, ein befriedi- endes Ergebnis zu erzielen. Das wird uns aber mit der orliegenden Fassung nicht gelingen. Bei der Vater- chaftsanfechtung und dem Umgangsrecht des biologi- chen Vaters gibt es in der Tat dringenden Handlungsbe- arf. Dem stimmen wir zu. Die Frage des Anfechtungsrechts und des Umgangs- echts für den biologischen Vater ist nach dem Urteil des undesverfassungsgerichts nicht ausreichend geregelt. ies war jedoch der Gesetzesauftrag aus Karlsruhe. In- oweit sind die Vorgaben nicht eingehalten worden. ach dem Gesetzentwurf soll das Umgangsrecht erwei- ert werden. Doch die Bundesregierung ist in ihrem Ent- urf deutlich über die vom Bundesverfassungsgericht ntschiedene Fallgruppe der biologischen Väter hinaus- egangen. Dies ist abzulehnen. Meines Erachtens hat das ersönlichkeitsrecht des Kindes in den Augen der Regie- ung nicht die gebotene Rolle gespielt. Wo ist das eigen- tändige Besuchsrecht des Kindes? Man weiß, dass fast lle Menschen, die Besuchsrechtsprozesse anstreben, on unterschiedlichen Motiven geprägt sind. Kinder sind keine Gegenstände. Kinder sind Men- chen mit eigenen Grundrechten. Das muss in dem Ge- etz zum Ausdruck kommen. § 1685 BGB verleiht den ort genannten Personen ein eigenes subjektives Recht. 8166 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) Ein eigenes Recht des Kindes fehlt aber. Das wollen wir nicht. Wir wollen nicht weitere Besuchsberechtigte, denn diese haben kein Recht am Kind, sondern das Kind hat ein Recht auf sie. Der Alltag der Kinder ist schon voll gepackt mit Ter- minen. Während der Woche sind die Kinder in ihren schulischen Verpflichtungen eingebunden und am Wo- chenende, wenn Zeit für Freizeit bleibt, sollten die Kin- der dann den Umgangswünschen des weiten Personen- kreises genügen. Wo bleibt da die Zeit für die Interessen der Kinder? Die Erwachsenen verfügen und ordnen an, aber auf die Bedürfnisse der Sprösslinge achtet niemand. Wenn nun gefordert wird, das Umgangsrecht auch für sonstige Bezugspersonen des Kindes auszudehnen, stellt sich wirklich die Frage, wessen Bedürfnisse werden da ei- gentlich befriedigt. Geht es hier nicht viel mehr um das Anspruchsdenken der Erwachsenen, um ihre eigenen Bedürfnisse. Haben Sie überhaupt eine Vorstellung da- von, wie häufig die Besuchsregelungen nach den Wün- schen der Erwachsenen geregelt sind? Die Bedürfnisse und die Wünsche der Kinder werden oftmals nicht er- fragt oder in Betracht gezogen. Es ist auch für mich im- mer wieder erschreckend festzustellen, wie in unserem Land nach diesem Muster verfahren wird. In der Regel werden die Kinder erst gar nicht aufgefordert, sich zu der Besuchsregel zu äußern, die doch für viele sehr radi- kal in ihr Leben eingreift. Wo bleiben da die Kinder? Wenn Sie das Kindeswohl ernst nehmen, dann lassen Sie den Kindern das Recht, mitzubestimmen, mit wem sie ihre Freizeit verbringen wollen. Warum können die Erwachsenen nicht mehr Sensibi- lität für Kinder entwickeln, anstatt ihnen permanent ihre eigenen Vorstellungen aufzuzwingen. Jeder, dem das Kindeswohl am Herzen liegt, sollte die Langzeitstudie von Judith Wallerstein über Scheidungs- folgen lesen. Danach tragen die Kinder die Last, vor al- lem auch durch ein gerichtlich festgelegtes Besuchs- schema. Wenn das Umgangsrecht in der Form, wie in dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehen, erweitert wird, wird es wieder Sache der Gerichte sein, im Rahmen der Kindeswohlprüfung besondere Sorgfalt an den Tag zu legen, bei den zu erwartenden Konflikten zwischen leib- lichem Vater, Ehemann, Mutter und Kind und anderen Bezugspersonen. Man stelle sich nur einmal vor, dass alle gerade genannten Personen ihr Umgangsrecht ein- klagen würden. Auch der vom Bundesverfassungsge- richt etablierte Begriff der sozialfamiliären Beziehung erscheint noch ausfüllungsbedürftig und dürfte auch er- heblichen Streitstoff in sich bergen. Und wer wird das zum großen Teil ausbaden? Wieder die Kinder. Einzelne Punkte des Entwurfes bedürfen daher der Überprüfung; dennoch sollten wir das Vorhaben zügig anpacken, aber ohne Schnellschüsse – zum Wohle der Kinder. G s U z p s G d b s d e b s t s e n l z m v I z d s v d e b s d G d n b t d d l g l R g z p B A d m n d k a D k n (C (D Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN): Der ausnahmslose Ausschluss des biologi- chen Vaters von der Vaterschaftsanfechtung und vom mgangsrecht ist verfassungswidrig, sofern er eine so- iale Beziehungen zu seinem Kind aufgebaut und ge- flegt hat. Das stellte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil vom 9. April 2003 fest. Der vorliegende esetzentwurf dient der Umsetzung dieses Beschlusses es Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsstellung des iologischen Vaters. Wir stärken damit die rechtliche Position des biologi- chen Vaters, ohne den Schutz für die soziale Familie, in er das Kind aufwächst, aufzugeben. Die Einführung iner Anfechtungsmöglichkeit für den leiblichen Vater edeutet aber auch einen Eingriff in die Persönlichkeits- phäre von Mutter und Kind sowie des rechtlichen Va- ers. Aus diesem Grunde wurde das Recht auf Vater- chaftsanfechtung durch den biologischen Vater mit iner Hürde versehen. Vaterschaftsanfechtungen werden unmehr dann möglich sein, wenn zwischen dem recht- ichen Vater des Kindes und dem Kind selbst keine so- ial-familiäre Beziehung besteht oder bestanden hat. So- it wird klargestellt, dass dem biologischen Vater nicht orrangig die Vaterschaft eingeräumt wird, sondern die nteressen aller Beteiligten sorgfältig gegeneinander ab- uwägen sind. Zudem wurde die Position der Länder bei er Ausgestaltung der Anfechtungsberechtigung berück- ichtigt, indem der anfechtende Mann „an Eides statt“ ersichern muss, dass er der Mutter des Kindes während er Empfängniszeit beigewohnt hat. Mit dem Bezug der idesstattlichen Erklärung zur tatsächlichen Beiwohnung leibt auch weiterhin ausgeschlossen, dass ein samen- pendender Dritter ein Anfechtungsrecht erhält. Durch iese Regelung werden zum einen Anfechtungen aufs eratewohl vermieden und zum anderen der Rechtsfrie- en mit Blick auf das Kindeswohl erhalten. Gleichzeitig beinhaltet die Neuregelung im Falle ei- er erfolgreichen Anfechtung der Vaterschaft durch den iologischen Vater die Feststellung seiner leiblichen Va- erschaft. Das ist insofern von großer Bedeutung, als ass das Kind im Falle einer erfolgreichen Anfechtung er Vaterschaft durch den biologischen Vater nicht vater- os dastehen soll. Auch diesem Umstand trägt der vorlie- ende Gesetzentwurf durch eine automatische Feststel- ungswirkung des erfolgreichen Anfechtungsurteils echnung. Darüber hinaus ist es mit dem vorliegenden Entwurf elungen, das Umgangsrecht im Sinne des Kindeswohls u erweitern. Künftig sollen weitere, „sonstige“ Bezugs- ersonen des Kindes kraft bestehender sozial-familiärer eziehung ein Recht auf Umgang erhalten. Eine solche usdehnung des Umgangsrechts entspricht zum einen em Übereinkommen des Europarates über den Umgang it Kindern, das ein Umgangsrecht für Personen, die icht Eltern des Kindes sind, allein an die Kindeswohl- ienlichkeit und das Bestehen familiärer Bindungen nüpft. Zum anderen berücksichtigt der Entwurf damit uch die veränderten Lebensbedingungen der Familien. er Begriff der sozial-familiären Bindung schafft eine lare Regelung, denn er knüpft an die tatsächliche Über- ahme von Verantwortung, beruhend auf dem Bestehen Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8167 (A) ) (B) ) einer häuslichen Gemeinschaft mit dem Kind an. Das schließt sowohl den biologischen Vater als auch ehema- lige Lebensgefährten der Mutter und Stiefgeschwister ein, zu denen das Kind eine Bindung aufgebaut hat. Ein „Umgangstourismus“, den argwöhnische Stimmen bei einer Erweiterung des Umgangsrechts befürchteten, wird sich damit für die Kinder nicht ergeben. Wir brauchen ein klares gesellschaftliches Bewusst- sein dafür, dass Kinder keine Objekte sind, über die Er- wachsene beliebig verfügen können. Wir tragen die Ver- antwortung dafür, dass wir in einer Gesellschaft leben, die Kindern Rechte zugesteht, die ihre Würde respektiert und Gewalt gegen Kinder verhindert. So ist es selbstver- ständlich, dass wir in unseren zukünftigen Bemühungen, gerade im Kindschaftsrecht, den Blickwinkel des Kindes deutlich berücksichtigen. Die im Entwurf verankerten Rechte auf Umgang mit dem Kind sind ein Schritt in die richtige Richtung. Im Sinne des Kindeswohls sollten wir jedoch darüber hinaus diskutieren, inwiefern Verwand- ten dritten Grades ein Recht auf Umgang eingeräumt werden kann. Dies würde dem Sachverhalt Rechnung tragen, dass auch Tanten und Cousins, die eben nicht in häuslicher Gemeinschaft mit dem Kind gelebt haben, wichtige Bezugspersonen des Kindes sein können und die sozialen Beziehungen auch nach der Trennung im In- teresse des Kindes erhalten bleiben könnten. Sibylle Laurischk (FDP): Pater semper incertus – dies gilt heute so nicht mehr, eine eindeutige biologische Zuordnung ist heutzutage zwar möglich, macht die Sa- che aber auch nicht einfacher, wie die vorliegende The- matik zeigt. Mit diesem Gesetzentwurf wird die sich ändernde fa- milienrechtliche Realität nachvollzogen, nicht auf Initia- tive der Bundesregierung, wie die Überschrift glauben machen möchte, sondern auf Initiative des Bundesver- fassungsgerichts, das in seinem Urteil vom 9. April 2003 die Rechte der leiblichen Väter gestärkt hat. Das BVerfG wägt das Verhältnis zwischen biologischer Vaterschaft und der gelebten sozial-familiären Bindung ab und räumt der gelebten sozial-familiären Bindung eine zen- trale Bedeutung ein. Damit wird auch das Verhältnis von der Mutter zum biologischen Vater neu geordnet, was si- cher in der Praxis beobachtet werden muss, immer vor dem Hintergrund des Kindeswohles. Zum einen wird leiblichen Vätern die Möglichkeit er- öffnet, die Vaterschaft anzufechten und für sich selbst zu reklamieren auch gegen den Willen der Mutter, wenn zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind keine so- zial-familiäre Bindung besteht oder bestanden hat. Ein Einbrechen in intakte Familiensituationen ist daher we- der möglich noch gewollt, mit dem Erfordernis der Glaubhaftmachung der Vaterschaft in § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB neue Fassung, das auch durch die Abgabe ei- ner strafbewehrten eidesstattlichen Versicherung erfüllt ist, ist ein unqualifiziertes Berühmen der Vaterstellung nicht zu befürchten. Außerdem dient eine Befristung der Berechtigung zur Antragstellung auf zwei Jahre der Rechtssicherheit in dieser sensiblen abstammungsrecht- lichen Frage. Der biologische Vater hat jetzt die Mög- li g V W z r u f § t U f h d V e e t d e D d Z r E w f F n R i o d l k t l s F s b ü w w z B e W b M s J r g (C (D chkeit, in die Stellung des rechtlichen Vaters zu gelan- en, wenn der rechtliche Vater nicht die sozial-familiäre erantwortung übernimmt, er selbst aber dazu bereit ist. ie dies allerdings im Alltag umgesetzt wird, ist kritisch u beleuchten; es ist wesentlich von der Kooperationsbe- eitschaft der Eltern zum Wohle des Kindes abhängig nd daran fehlt es in vielen Fällen, wie ich aus meiner amilienrechtlichen Praxis als Anwältin weiß. Die Änderung der Umgangsberechtigung in 1685 BGB stellt ebenfalls das Kindeswohl in den Mit- elpunkt der Entscheidung darüber, wer mit dem Kind mgang pflegen darf. Kriterium ist auch hier die sozial- amiliäre Beziehung, die in der Vergangenheit bestanden aben oder andauern muss, soll der Umgang dem Kin- eswohl dienen. Die Bedürfnisse oder Verdienste von erwandten oder anderen Bezugspersonen sind nicht ntscheidend. Die weite Fassung und der Verzicht auf ine enummerative Einschränkung der Umgangsberech- igten ist aus unserer Sicht richtig, da der Maßstab für ie Umgangsbewilligung immer das Kindeswohl ist, und in Umgangstourismus daher nicht zu befürchten ist. em Wohl des Kindes beim Aufwachsen in unvollstän- igen oder Patchworkfamilien wird Rechnung getragen. entrale Entscheidungsträger hinsichtlich des Umgangs- echts für die Kinder bleiben aber die sorgeberechtigten ltern oder Elternteile, die umgangsbegehrende Ver- andtschaft oder andere Personen aus dem sozialen Um- eld müssen zur Einräumung des Umgangs durch das amiliengericht die Bedeutung für das Kindeswohl achweisen. Diese Gesetzesänderung ist nur ein Steinchen bei der enovierung des Gebäudes Familienrecht, so findet sich n dem Verfassungsgerichtsurteil ein richtungsweisendes biter dictum auf ein weiteres Erstarken der Väterrechte, as im Zusammenhang mit den gendiagnostischen Mög- ichkeiten zu ungeahnten Konfliktsituationen führen ann, ich erinnere an die Möglichkeiten der so genann- en heimlichen Gendiagnostik zur Vaterschaftsfeststel- ung, worauf der Gesetzgeber zu reagieren haben wird. Vor dem Hintergrund, dass die demographische Kata- trophe, auf die wir uns zu bewegen, nicht allein von den rauen, die nicht mehr Mutter werden, sondern in noch tärkerem Maße von Männern verursacht wird, die nicht ereit sind, Vater zu werden und Elternverantwortung zu bernehmen, ist die Stärkung der Väter, die zur Verant- ortungsübernahme bereit sind, zu begrüßen, vielleicht eist dies einen Weg aus der vaterlosen Gesellschaft um Wohle unserer Kinder. Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der undesministerin der Justiz: Auch das Familienrecht ist iner permanenten Reformdiskussion unterworfen. Der andel der Werte und Lebensentwürfe findet hier ganz esonders seinen Niederschlag. Mit dem vorliegenden Gesetz setzen wir ein weiteres al einen Gesetzgebungsauftrag des Bundesverfas- ungsgerichts um. Nachdem zum 31. Dezember letzten ahres fristgerecht eine Übergangsregelung zum Sorge- echt für nicht miteinander verheiratete Eltern in Kraft etreten ist, geht es jetzt darum, die Rechtsstellung des 8168 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) so genannten „biologischen“ Vaters zu verbessern. Als „biologischen“ oder lediglich leiblichen Vater bezeich- nen wir den Mann, der weder aufgrund bestehender Ehe, kraft eigener Anerkennung noch mittels Vaterschafts- feststellungsklage als rechtlicher Kindesvater legitimiert ist. Im Bürgerlichen Gesetzbuch werden diesem ledig- lich „biologischen“ Vater seit dem Jahre 1900 bis heute keine Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind zuer- kannt. Bereits die begriffliche Differenzierung zwischen rechtlichem, nur „biologischem“ sowie – als wäre das nicht schon kompliziert genug – auch „sozialem“ Vater verdeutlicht den Wandel gesellschaftlicher Strukturen. Die Fülle der Begrifflichkeiten führt uns die Palette fa- milienpolitischer Themen vor Augen, denen wir uns stellen müssen. Die Stärkung der Rechtsposition des leiblichen Vaters hat das Bundesverfassungsgericht im April 2003 dem Gesetzgeber aufgetragen. Das Gericht hat sowohl die Regelungen zum Umgangsrecht gemäß § 1685 des Bür- gerlichen Gesetzbuchs als auch zur Vaterschaftsanfech- tung nach § 1600 BGB insoweit für verfassungswidrig erklärt, als der „biologische“ Vater ausnahmslos von bei- den Rechten ausgeschlossen ist. Diese Ausnahmslosig- keit verstößt gegen den in Art. 6 GG verankerten Schutz der Familie und des Elternrechts. Der Gesetzgeber muss bis zum 30. April 2004 Abhilfe schaffen. Der Entwurf der Bundesregierung, über den heute be- schlossen wird, enthält einen Vorschlag zur Beseitigung dieser Verfassungswidrigkeit. Zusammen mit den Ände- rungsvorschlägen des Rechtsausschusses haben wir eine gute Grundlage, um auch mit den Ländern zu einem Konsens zu kommen. Im Einzelnen: Nach der geplanten Gesetzesänderung kann der leibliche Vater eines Kindes die Vaterschaft eines nach geltendem Abstammungsrecht als Vater legi- timierten Mannes, also des „rechtlichen“ Vaters, unter einer Voraussetzung anfechten: Zwischen dem rechtli- chen Vater und dem Kind bestand oder besteht keine sozial-familiäre Beziehung. Das Verhältnis zwischen den beiden besteht im wahrsten Sinne des Wortes nur auf dem Papier. Das rechtskräftige Anfechtungsurteil stellt die leibliche Vaterschaft des Anfechtenden fest und der leibliche Vater rückt kraft Gesetzes in die rechtliche Va- terposition ein. Zudem sollen Personen, insbesondere der leibliche Vater, zu denen das Kind eine sozial-familiäre Bezie- hung hat oder gehabt hat, ein Recht auf Umgang mit dem Kind erhalten, wenn das dem Wohl des Kindes dient. Das Kindeswohl bleibt also weiterhin oberste Richtschnur für Entscheidungen des Familiengerichts. Mit der Ausdehnung des Umgangsrechts auf „Be- zugspersonen“ des Kindes – ohne abschließende Auflis- tung dieser Personen – tragen wir nicht nur den Bedürf- nissen der Kinder Rechnung, sondern berücksichtigen auch die europäische Rechtsentwicklung: In der Recht- sprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschen rechte und in dem zur Zeichnung aufgelegten Europa- ratsübereinkommen über den Umgang mit Kindern z a g B t a m s f A 2 s A F a t t M n s s R m t Z F b t f d d i w i s g f g z b z W l s t k (C (D eichnet sich die Stärkung der Rolle der Bezugspersonen b. Weiteren, bereits jetzt absehbaren Änderungen des eltenden Umgangsrechts beugen wir damit vor. Die vom Bundesverfassungsgericht neu eingeführte egriffskategorie „sozial-familiäre Beziehung“ interpre- ieren wir mit dem Gesetzentwurf als tatsächliche Ver- ntwortungsübernahme für das Kind und unterfüttern sie it Regelbeispielen für die Rechtspraxis. Sie ist gleich- am Sinnbild für die eingangs erwähnte Fortentwicklung amiliärer Strukturen. nlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtes: Mögliche Interessenüberschneidun- gen bei der Vergabe öffentlicher Mittel über die Bundesanstalt für Arbeit auf allen Ebenen nachhaltig vermeiden (Tagesordnungspunkt 13) Hans-Werner Bertl (SPD): Irgendwann vor dem . April 2003 geschrieben, dann weggelegt und verges- en, am 11. Dezember 2003, 11. Februar 2004 und heute bend zum dritten Mal der untaugliche Versuch der DP, die Mitglieder der Selbstverwaltung der Bundes- gentur für Arbeit mit durch nichts bewiesenen Behaup- ungen zu verdächtigen, zu diskreditieren, sie der Vor- eilsnahme zu bezichtigen. Und gleichzeitig werden die itarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesagentur ge- erell als Verweigerer der notwendigen und von uns be- chlossenen Reformen beschrieben. Es ist schon tragisch, mit welch verzweifelter Verbis- enheit die FDP und ihr Arbeitsmarktexperte den eformprozess der wichtigsten Sozial- und Arbeits- arktinstitution „Bundesagentur für Arbeit“ diskredi- iert und skandalisiert. Unerträglich ist auch, dass die FDP diesem Parlament eit stiehlt und die einhellige Ablehnung aller anderen raktionen gestern im Ausschuss für Wirtschaft und Ar- eit zeigt, dass Sie ganz einsam und allein mit ihrer abs- rusen Forderung steht. Mal ist es die Auflösung, die Sie ordern, dann soll es die Abberufung eines Mitgliedes es Verwaltungsrates sein, dann fabulieren Sie über eine eutsche Arbeitslosenindustrie, die sich wie eine Krake n die Bundesagentur eingenistet haben soll, und dann ieder ist es die Intrige, die von wem und wann auch mmer gegen wen auch immer ihren Antrag legitimieren oll. Tragisch ist die pathologische Verbissenheit, die Sie egen jedes bessere Wissen zu solchen Anträgen ver- uhrt. Die im Vermittlungsverfahren beschlossenen Er- ebnisse – wie die Arbeit der Bundesagentur für Arbeit ukünftig strukturiert sein soll, wie sie in Zusammenar- eit mit den örtlichen Trägern der Sozialhilfe aktiv und ielgerichtet Hilfe aus einer Hand geben soll, wie sie den eg in Ausbildung und Arbeit, in Fortbildung und Qua- ifikation für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ge- taltet, wie sie das Problem der beruflichen Rehabilita- ion für die Betroffenen regelt und wie sie als ompetente Partnerin für die Unternehmen arbeitet, Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8169 (A) ) (B) ) zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind und aus ei- nem undurchsichtigen Gewirr sozialer Dienstleistungen ein durchschaubares und transparentes System für Wirt- schafts- und Arbeitsmarktpolitik gestaltet haben. Es ist ja noch nachvollziehbar, dass eine kleine Oppo- sitionsfraktion nach Aufmerksamkeit, nach Profilierung sucht. Aber machen Sie das doch so, dass man Sie we- nigstens ein kleines bisschen ernst nehmen kann. Sie hätten doch in den letzten Wochen des Jahres 2003 lernen können, dass es in parlamentarischen Ver- fahren auch für die Opposition eine reale Möglichkeit der Mitwirkung, ja Mitgestaltung gibt. Und genau das macht doch Parlamentarismus aus. Mitverantwortung, Mitgestaltung, selbst Konzepte einbringen, das alles anstelle von abstrusen Verdächti- gungen, das wäre für die FDP ein Sprung aus politischer Bedeutungslosigkeit gewesen und hätte aus ihrem Spre- cher vielleicht einen ernst zu nehmenden Arbeitsmarkt- experten machen können. Und sie waren doch dabei, als wir die Struktur der Selbstverwaltungsorgane neu definiert haben. Die Ver- antwortlichkeiten und Einwirkungsmöglichkeiten des Verwaltungsrates sind klar und eindeutig geregelt, und das Verhalten seiner Mitglieder auf allen drei Seiten, Ar- beitgeber, Arbeitnehmer und öffentliche Hand, gibt nicht den geringsten Verdacht der Vorteilsnahme oder Befan- genheit her, der ihren Antrag zu einem Gegenstand ernsthafter Betrachtung machen könnte. Kolleginnen und Kollegen der FDP, lassen Sie die Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit ihre Arbeit machen, fördern Sie den notwendigen Umbau und ich verspreche Ihnen, wenn Sie sich produktiv und kreativ in diesen Prozess einbringen wollen, werden Ihnen die Mit- glieder des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit mit Sicherheit zuhören und das nicht als gestohlene Zeit werten, was wir hier heute allerdings tun müssen. Wir hoffen jetzt, mit der Ablehnung Ihres Antrages zukünftig Zeit für die wirklich wichtigen Reformprozesse zu ha- ben. Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Eigentlich hatte ich erwartet, dass der Antrag, über den wir hier debattie- ren, zurückgezogen wird. Nach den sehr ausführlichen Diskussionen im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zu den Vorgängen um die Auftragsvergaben in der Bun- desagentur ist mittlerweile nun allen klar, worauf es an- kommt. Wir sollten, und da sind wir uns wohl weitgehend ei- nig, die Bundesagentur unter der neuen Führung von Herrn Weise in Ruhe die Fehler der Vergangenheit aufar- beiten lassen. Es stehen vor ihm wahrlich anspruchsvolle Aufgaben. Eine davon betrifft auch das Thema der Auf- tragsvergabe. In diesem Falle geht es aber nicht um die Auftragsvergabe an PR-Unternehmen, sondern die auf dem Weiterbildungssektor. Hier gibt es nämlich große Probleme. Der Antrag der FDP hat einen ganz bestimmten Hin- tergrund: Es wird in ihm unterstellt, bestimmte große B E s w e G g t e i T z m n k s D z s A s r c P d v b d t t s t v M a m z f a w d e d z g H d e s D b d d W e (C (D ildungsträger nähmen über den Verwaltungsrat der BA influss auf die Mittelvergabe für den Weiterbildungs- ektor, den die Bundesagentur verantwortet, und dabei äre eine Person besonders aktiv. Die FDP konstatiert ine unzulässige Interessenüberschneidung aus drei ründen: Erstens wird mit Mitgliedsgeldern umgegan- en, also mit Zwangsbeiträgen der Versicherten, zwei- ens stehen große Summen zur Debatte und drittens sind inzelne Vertreter des Verwaltungsrates in Personalunion n überregionalen Bildungsträgern tätig. Darüber muss man reden. Was notwendig ist, das ist ransparenz. Was notwendig ist, das ist auch Fingerspit- engefühl. Dort, wo es Interessenüberschneidungen gibt, uss man sich zurückzunehmen. Das gilt allerdings icht nur für die Bundesagentur für Arbeit. Darauf ommt es an. Eine „Lex XY“ als Parlament zu verab- chieden, das kann nicht die Lösung des Problems sein. er Antrag bildet allenfalls einen Randaspekt der gan- en Problematik ab. Meine Fraktion wird deshalb dem Antrag nicht zu- timmen. Den Antrag könnten wir also getrost zu den kten legen, wenn er nicht – und das war ursprünglich icher auch gar nicht so beabsichtigt – indirekt die Unge- eimtheiten und Probleme auf dem Sektor der berufli- hen Weiterbildung in den Vordergrund geschoben hätte, robleme, die durch die Art und Weise der Umsetzung er Hartz-Gesetze durch die jetzige Bundesagentur sehr irulent geworden sind. In der ersten Lesung zu diesem Antrag am 11. Dezem- er wurde meines Erachtens klar, dass es unabhängig von en im FDP-Antrag angesprochenen Interessenkonflik- en große Probleme auf dem Sektor der beruflichen Wei- erbildung gibt. Die müssen angesprochen werden. Das ind, wenn man die gegenwärtige Situation auf dem Wei- erbildungsmarkt sieht, gravierendere Probleme, als die ermeintliche Interessensüberschneidung bei einzelnen itgliedern des Verwaltungsrates. Mein Kollege Straubinger hat im Dezember Beispiele ngeführt, bei denen einem die Haare zu Berge stehen üssen. Da wurde offensichtlich tatsächlich das Geld um Fenster rausgeworfen, Geld, das an anderer Stelle ehlt. Es gibt ganz offenkundig Wildwuchs, vielleicht uch Seilschaften in der Branche. Aber mir scheint doch ichtig, festzustellen, dass die ganz überwiegende Zahl er Träger von beruflicher Weiterbildung solide, effizi- nt und ergebnisorientiert ihre Arbeit macht. Ich kenne ie Weiterbildungslandschaft in meinem Wahlkreis iemlich genau. Es bestätigt meinen Eindruck, dass sie egenwärtig schwere Zeiten durchmacht, da mit den artz-Gesetzen und deren Umsetzung durch die Bun- esagentur über Nacht ganz neue Rahmenbedingungen ntstanden sind, denen sie teilweise nicht gewachsen ind, auch nicht gewachsen sein können. Ich möchte die ebatte zu diesem Antrag deshalb nutzen, diese Pro- leme anzusprechen. Es ist wohl hier im Hause politischer Konsens, dass ie berufliche Weiterbildung ein wichtiger Aspekt bei er Eindämmung der Massenarbeitslosigkeit ist. Alle elt weiß es, wir haben auf dem Arbeitsmarkt nicht nur in Struktur-, sondern auch ein Bildungsproblem. Wir 8170 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) haben Lehrstellenbewerber, die nur rudimentär deutsch können, Schulabgänger, die kaum das kleine Einmaleins beherrschen, Arbeitslose, die nicht das geforderte Quali- fikationsniveau in ihrem Beruf oder Arbeitslose, die keine marktgerechte Ausbildung haben. Dazu kommen dann noch die Menschen, die behindert sind oder andere von ihnen nicht zu vertretende Einschränkungen haben, die also einer besonderen beruflichen Förderung bedür- fen. Der Anteil ungelernter Arbeitsloser ist signifikant höher als der von Facharbeitern. Bei den Langzeitar- beitslosen stellt sich das noch gravierender dar. Allen diesen Menschen kann der Einstieg oder auch Verbleib im Arbeitsmarkt erleichtert werden, wenn eine passgenaue Bildungsmaßnahme zur Verfügung stünde. Ich argumentiere seit Jahren mit dem „Maßanzug“, den der Arbeitslose in vielen Fällen braucht, um wieder Fuß zu fassen. Dabei habe ich natürlich in erster Linie den Langzeitarbeitslosen im Auge, der ja das eigentliche Problem für den Arbeitsmarkt darstellt. Ich denke aber, das gilt auch generell. Es stellt sich die Frage: Wer kann diesen Maßanzug liefern? Und ich antworte darauf: Der „regionale Schneider“, der die Verhältnisse vor Ort bes- tens kennt. Es gab und gibt viele Projekte in unserem Land, die diesen Grundsatz umsetzen und danach handeln. Die Er- folge sprechen für sich. Als emsländischer Abgeordneter kann ich auf meine Region in dieser Beziehung durchaus stolz sein. Das setzt allerdings voraus, dass es eine örtli- che Bildungslandschaft gibt, die einen starken regiona- len Bezug hat. Die gab es bisher. Aber gerade diese ist es, der durch die neue Ausschreibepraxis der Bundes- agentur der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Das sind meist kleinere qualifizierte Bildungsträger mit einer langen Tradition. Die neue Praxis sieht jetzt so aus: Von den Agenturen vor Ort wird der konkrete Bedarf, ausgerichtet an den re- gionalen Bedürfnissen, entwickelt. Ausgeschrieben aber wird nur in großen Losen überregional. Konkret für mei- nen Wahlkreis im Emsland sieht das dann so aus, dass beispielsweise im IT Bereich der Bedarf für einen be- stimmten Ausbildungsgang festgestellt wird, der aber an Bildungsträger nach NRW oder in die neuen Bundeslän- der vergeben wird, nur weil sie ein paar Cent billiger an- bieten können als heimische Bildungsträger. Hinzu kom- men Modalitäten der Ausschreibung, die es nur großen Trägern ermöglicht, daran teilzunehmen. Kennzeichen dieser Ausschreibungen sind: Potenzielle Bewerber ha- ben nur wenig Zeit, Angebote zu entwickeln. Die Leis- tungsbeschreibungen umfassen zum Teil über 100 Seiten mit detaillierten Vorgaben für Werkstätten. Die Leis- tungsbeschreibungen werden während der Ausschrei- bung ständig aktualisiert (definiert) und erklärt. Bei der Regionaldirektion Niedersachsen/Bremen beispiels- weise beläuft sich das bereits auf 66 Internetseiten. Kenner der Weiterbildungsszene weisen darauf hin, dass insbesondere gewerkschaftliche Weiterbildungsträ- ger von diesen Bedingungen profitieren. Diese Praxis führt letztlich zur Zerschlagung der regionalen Träger- struktur. Insbesondere kleine und vor Ort tätige Bil- dungseinrichtungen können bei dieser Art Ausschrei- b s m h h M l d W a s s n d e f b r b d p d 3 n t m t w s d l 7 s A M ü d v t a D t d W S s e b D l t r (C (D ung, bei der offensichtlich nur noch der Preis eine Rolle pielt und Qualität und Kenntnisse des lokalen Arbeits- arktes keine Bedeutung mehr haben, nicht mehr beste- en. Aber gerade diese Träger haben in der Vergangen- eit auf der Basis der Erfahrungen der laufenden aßnahmen diese weiterentwickelt und an den (regiona- en) Arbeitsmarkt angepasst. Dieser Innovationsprozess roht verloren zu gehen. Niemand wird bestreiten wollen, dass auch auf dem eiterbildungssektor Wettbewerb nicht schadet. Es gibt uch sicher den einen oder anderen Bildungsträger, des- en Maßnahmen ineffizient, also im Klartext überflüssig ind. Wettbewerb muss aber alle einschließen und darf icht von vornherein eine ganze Gruppe von Anbietern urch eine gezielte Ausschreibepraxis ausschließen bzw. ine andere bevorzugen. Nicht nur die zentralistische Ausschreibepraxis ist ragwürdig, auch inhaltlich verzichtet man auf Vorga- en, die an anderer Stelle zum Beispiel für die Zertifizie- ung von Trägern verlangt werden. Es fehlen Zielvorga- en für die Vermittlung, Anforderungen an die Qualität es Personals, Verpflichtung zur Sozialversicherungs- flichtigen Beschäftigung. Unter der Hand werden von dubiosen Anbietern Stun- ensätze pro Teilnehmer von 98 Cent in den alten und 5 Cent in den neuen Bundesländern bei Trainingsmaß- ahmen als „Angebot“ gehandelt. Der Selbstkostensatz raditioneller Träger liegt bei 3 Euro. Für solche Sum- en können sie höchstens auf der grünen Wiese vermit- eln und trainieren, nicht aber in geheizten Räumen mit enigstens einem Computer. Diese Träger konzentrieren ich vor allem auf Teilnehmer, von denen sie annehmen, ass sie leichter integrierbar sind und mit denen sie eichter die verlangte Verbleibsquote von mindestens 0 Prozent erreichen. Dies lässt sich an der Weiterbildungsstruktur inzwi- chen ablesen. Im Vergleich zum Vorjahr hat in 2003 der nteil von Langzeitarbeitslosen, Schwerbehinderten, enschen ohne vorherige Berufsausbildung und Älteren ber 50 Jahre deutlich abgenommen. Letztlich ist diese Regel auch frauenfeindlich; denn ie Verbleibsquote von Frauen liegt signifikant unter der on Männern. Es wird einer Selektion der Boden berei- et, die sich noch verschärfen wird, wenn die Bundes- gentur die Verbleibsquote auf 80 Prozent anheben wird. as wurde zwar inzwischen dementiert, jeder Beobach- er der Szene weiß aber, dass diese Anhebung bereits in er Schublade liegt. Die jetzige durchschnittliche Verbleibsquote liegt im esten bei 61,5 Prozent, im Osten nur bei 52,9 Prozent. ie lässt sich nach meiner Überzeugung nur deutlich teigern, wenn passgenauer qualifiziert wird. Ich habe ingangs schon etwas dazu gesagt. Dies schaffen am esten im regionalen Arbeitsmarkt verwurzelte Anbieter. ie Hartz-Gesetze verschieben die Priorität in der beruf- ichen Weiterbildung von langfristig angelegter Kompe- enzentwicklung hin zu kurzfristigen Wiedereingliede- ungseffekten. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8171 (A) ) (B) ) Zentrale Instrumente der Hartz-Vorschläge auf dem Feld der beruflichen Weiterbildung sind Bildungsgut- schein und Verbleibsquote. Alle Evaluationsstudien be- legen, dass der Eingliederungserfolg im Wesentlichen abhängig ist vom regionalen Arbeitsmarkt, von der an- gestrebten und verwirklichten Qualifikation, von der Teilnehmerzusammensetzung. Die inzwischen eingeführten Bildungsgutscheine ent- falten diesbezüglich leider nur eine zweifelhafte Wir- kung. Die, die der Weiterbildung am dringendsten be- dürfen, sind mit der neuen „Wahlfreiheit“ häufig überfordert. Sie können ja auch nur zwischen Trägern wählen, nicht zu den Inhalten. Statt der erhofften Trans- parenz entsteht für sie eine neue Unübersichtlichkeit. Häufig befinden sich auch infrage kommende Träger nicht in der Region. Mit dem Wegfall des Unterhaltsgel- des wird es äußerst problematisch, einen zusätzlichen Nebenwohnsitz zu finanzieren. Für die Anbieter entsteht eine Unplanbarkeit. Und auch für den Arbeitslosen, denn er weiß praktisch bis zum Beginn der Maßnahme nicht, ob sie überhaupt zustande kommt. Die hohe Zahl an verfallenen Bildungsgutscheinen belegt diese Schwierigkeiten: Von den zwischen 1. März und 30. September 2003 bundesweit ausgegebenen 147 400 Bildungsgutscheinen sind 21 400 nach abgelau- fener Gültigkeit storniert worden. Was bedeutet das alles? Es wird nur mehr unterschie- den danach, was der Einzelne weiterbildungsmäßig kos- tet, und nicht, ob durch eine aufwendigere Maßnahme erfolgreich vermittelt werden könnte. Kurzfristig spart das natürlich Geld, langfristig wird es bestimmt nicht billiger. Die berufliche Weiterbildung genießt zu Recht einen hohen Stellenwert. „Wissensgesellschaft“, „lebenslanges Lernen“ sind Stichworte für die wohl von allen Seiten des Hauses anerkannte Bedeutung der beruflichen Wei- terbildung. Dies muss sich auch am Arbeitsmarkt ange- messen widerspiegeln. Es ist klar, dass die berufliche Weiterbildung zu allererst dazu dienen muss, eine Ver- mittlung oder den Verbleib im ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Weiterbildung heißt aber auch Kompetenz- entwicklung und Kompetenzentwicklung heißt wie- derum, dass dies gegebenenfalls in Abschnitten erfolgen muss. Die Entwicklung im vergangenen Jahr lässt aber auf- horchen: Die Zahl der Neueintritte in nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch geförderte berufliche Weiterbil- dungsmaßnahmen hat sich von 456 301 im Jahre 2002 auf nur noch 246 245 im Jahr 2003 fast halbiert. Und dieser Prozess setzt sich fort. Im Bereich der Agentur Nordhorn – der umfasst das südliche und mittlere Emsland und die Grafschaft Bentheim – ist die Zahl der Weiterbildungsmaßnahmen 2003 um 35 Prozent zurückgegangen, in erster Linie zu- lasten der Problemgruppen des Arbeitsmarktes. Die Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz beträgt 3 184. Das sind Menschen, denen mit beruflichen Bildungsan- geboten geholfen werden könnte, den Einstieg noch zu schaffen. Wollen wir die mit Bildungsgutscheinen ab- s t a l w M r H l n l w l p w e F i ü Ä l t d n t f s s s t I w z d d v l t d a a d d h d g t n d a I b E B (C (D peisen? Der Personalabbau bei den Bildungsträgern be- rägt teilweise bis zu 50 Prozent. Einzelne haben bereits ufgegeben, die Existenz einer ganzen Branche ist letzt- ich bedroht. Wir müssen uns fragen, was wir politisch ollen. Betrachten wir die berufliche Weiterbildung nur als ittel, vordergründig die Arbeitslosenzahlen zu reduzie- en, oder wollen wir dieses Instrument auch nutzen als ilfe für ein gelingendes Leben? Jugendliche, die jahre- ang keine Struktur in ihrem Tagesablauf hatten, werden ur sehr schwer zurückfinden in ein geregeltes Arbeits- eben. Schreiben wir diese Menschen ab? Oder sollten ir nicht versuchen, sie über Bildungsangebote reifen zu assen? Ich weiß, das ist in Zeiten knapper Kassen eine rovozierende Frage. Uns wird sie aber einholen, wenn ir heute darauf keine Antwort finden. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Um s noch einmal vorauszuschicken: Der Antrag der FDP- raktion ist inhaltlich völlig überholt; dies ist ja gestern m Ausschuss noch einmal deutlich geworden. Er ist berholt, weil seit dem 1. Januar dieses Jahres mit den nderungen des Dritten Gesetzes für moderne Dienst- eistungen am Arbeitsmarkt die Aufgaben des Verwal- ungsrates innerhalb der Bundesagentur für Arbeit neu efiniert worden sind: Der Verwaltungsrat der BA hat un keinerlei Aufgaben in der Ausgestaltung des opera- iven Geschäfts mehr und ist auf eine reine Kontroll- unktion gegenüber dem Vorstand beschränkt. Damit ind die von der FDP-Fraktion angesprochenen Interes- enkonflikte zwischen der Gestaltung des operativen Ge- chäfts des Vorstands und den Interessen der Verwal- ungsratsmitglieder in Zukunft ausgeschlossen. Des Weiteren sehe ich den von Ihnen angesprochenen nteressenkonflikt auf Gewerkschaftsseite nicht und erte den hier vorgelegten Antrag vielmehr als einen un- ulässigen Versuch, in die Selbstverwaltung der Bun- esagentur einzugreifen. Die Absetzung eines Mitglieds es BA-Vorstandes ist nur im Falle einer groben Amts- erletzung nach § 377 Abs. 3 SGB III möglich. Diese iegt hier aber nicht vor. Frau Engelen-Kefer ist die legi- ime Vertreterin der Arbeitnehmerseite und wurde durch en vorschlagsberechtigten DGB benannt. Dies sollte uch die FDP-Fraktion im Bundestag respektieren. Ich meine, mit diesen Ausführungen ist nun wirklich lles zum Antrag der FDP gesagt und wir sollten nun azu übergehen, uns um die wirklichen Probleme mit er aktiven Arbeitsmarktpolitik zu kümmern. Der Haus- alt der BA für das Jahr 2004 sieht eine gravierende Re- uzierung des Eingliederungstitels um 18 Prozent egenüber dem Jahr 2003 vor. Bei genauerer Betrach- ung fällt zwar auf, dass es auch zu Verschiebungen in- erhalb der einzelnen Haushaltstitel gekommen ist, die iese absolute Kürzung teilweise kompensieren, sodass m Ende ein Minus von 12 Prozent zu Buche schlägt. nsgesamt stehen jedoch für Maßnahmen der aktiven Ar- eitsmarktpolitik im kommenden Jahr 1,4 Milliarden uro weniger zur Verfügung. Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen, dass ündnis 90/Die Grünen diese Schwerpunktsetzung der 8172 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) BA skeptisch betrachten. Gerade die geplanten Kürzun- gen von Leistungen für Berufsrückkehrerinnen und äl- tere Arbeitnehmer sowie ein Zusammenstreichen des JUMP-Programms werfen Fragen auf. An die Stelle des Zusammenstreichens von Haushaltstiteln setzten wir eine Geschäftspolitik, die sinnvolle Strukturen effi- zienter und gerne auch schlanker macht, aber in ihrer Substanz erhält. Als behindertenpolitischer Sprecher meiner Fraktion beobachte ich besonders aufmerksam, wie die Ge- schäftspolitik der Bundesagentur für Menschen mit Be- hinderungen in den letzten Monaten geändert wurde. Ich möchte hier nur ein paar Beispiele nennen: In einem Weisungspapier der BA an die Landesarbeitsämter wur- den diese angewiesen, durch eine ganze Reihe von Maß- nahmen die Ausgaben für Berufsbildungswerke zu drü- cken. Da sollen nun alle Berufsbildungswerke auf einen Durchschnittskostenwert gedrückt werden, ungeachtet ihrer spezifischen Ausstattung, ihrer individuellen Ange- botsstruktur und ihrer Leistungsfähigkeit. Diese Anwei- sung verkennt, dass Berufsbildungswerken eine ent- scheidende Rolle bei der Eingliederung benachteiligter Jugendlicher in das Erwerbsleben zukommt. Für viele Jugendliche ist eine individuelle Förderung in diesen Einrichtungen die einzige Möglichkeit, den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt und den dauerhaften Ausstieg aus der Sozialhilfe zu schaffen. Hinzu kommt die neue Ausschreibungspraxis: Seit Sommer 2003 werden Leistungen der aktiven Arbeits- marktpolitik von der Bundesanstalt für Arbeit zentral in ihren Leistungsmerkmalen definiert und zur Aus- schreibung freigegeben. Dazu gehören im Moment Trai- ningsmaßnahmen, Vermittlungsleistungen nach § 37 a SGB III und berufsvorbereitende Maßnahmen. In den nächsten Ausschreibungsrunden sollen alle weiteren In- strumente zu diesem Katalog hinzukommen. Langfristig ist vorgesehen, dass 75 Prozent aller Maßnahmen in ih- ren Leistungscharakteristika von der Zentrale vorgege- ben werden und dann auf Ebene der Landesarbeitsämter bzw. der neuen Regionaldirektionen ausgeschrieben werden. Nur noch 25 Prozent der Leistungen sollen auch in ihrem spezifischen Zuschnitt in der Verantwortung der örtlichen Arbeitsagenturen bleiben. Diese Praxis verkennt völlig die Bedeutung gewach- sener Strukturen: Gerade für die Integration von schwer vermittelbaren Menschen mit Behinderungen ist das Zu- sammenwirken der Akteure vor Ort unerlässlich, um erfolgreich zu sein. In der Vergangenheit konnten be- hinderte Jugendliche nur deswegen in den ersten Ar- beitsmarkt integriert werden, weil engagierte Mitarbeiter der Berufsförderungswerke vor Ort langjährige Verbin- dungen mit den lokalen Betrieben und Handwerkskam- mern aufgebaut haben und sich persönlich für die Ein- stellung ihrer Absolventen eingesetzt haben. Es ist überhaupt nicht verständlich, dass nun solche berufsvorbereitenden Maßnahmen nach den Grundsät- zen des deutschen Vergaberechts bundesweit ausge- schrieben werden sollen und dass sich die Vergabe nur noch nach dem günstigsten Angebot richten soll. Hier werden funktionierende Strukturen dem kurzfristigen K f b J d A G M u c e b h d t u T K n e W a S l s A m e s d t l w l n d m A v d z j g v d r s s n – d n r S (C (D ostendiktat geopfert, und zwar mit gravierenden lang- ristigen Folgen, deren Kosten zurzeit überhaupt nicht eachtet werden. Davon betroffen sind behinderte ugendliche mit Lern- oder Körperbehinderungen, für ie ohnehin kaum Chancen auf dem Ausbildungs- und rbeitsmarkt bestehen. Wir können eine solche eschäftspolitik nicht mittragen, mit der diese jungen enschen von der Schulbank in die Perspektivlosigkeit nd in den Sozialhilfebezug entlassen werden. Erfolgrei- hes, ganzheitliches Profiling, Fallmanagement und eine rfolgreiche Vermittlung brauchen örtliche Bezüge, ins- esondere bei Arbeitslosen mit multiplen Vermittlungs- emmnissen. Diese Ausschreibungspraxis der BA widerspricht klar em durch die rot-grüne Koalition im SGB II formulier- en Anliegen, die vorhandenen Strukturen zu erhalten nd im Interesse der Arbeitslosen zu nutzen. Es sind die räger vor Ort, die das größte Know-how und die besten ontakte haben, gerade weil sie lokal arbeiten und regio- al vernetzt sind. Wir haben uns von Anfang an dafür ingesetzt, bestehende Strukturen nicht zu zerschlagen. ir brauchen deren Erfahrung, um die neuen Jobcenter ufbauen und erfolgreich betreiben zu können. Hätten ie, Herr Niebel, einen ernst zu nehmenden Antrag stel- en wollen, hätten Sie diese Probleme aufgegriffen, an- tatt einem kläglichen Populismus mit Schlagworten wie rbeitslosenindustrie zu frönen. Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- inister für Wirtschaft und Arbeit: Wir beraten hier über inen Antrag der FDP-Fraktion, der im Dezember 2003 ehr kurzfristig in die Tagesordnung aufgenommen wor- en war. Dieser Antrag stammt, wie Sie alle der Bundes- agsdrucksache entnehmen können, vom 2. April des etzten Jahres. Der Zeitpunkt der Wiederbelebung dieses Antrags ar übrigens nicht zufällig. Im Dezember war der dama- ige Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt wegen ei- es Beratervertrages mit der Firma WMP im Zentrum er öffentlichen Kritik. Die FDP nahm dies als willkom- enen Anlass, sich mit der Auferweckung dieses Uralt- ntrages sozusagen in den Windschatten zu setzen und ersucht von da aus einmal mehr, Sand in das Getriebe er Reformbemühungen der Bundesagentur für Arbeit u streuen. Das ist ja nichts Neues. Dieses Mal hat sie die Selbstverwaltung als Zielob- ekt entdeckt und versucht, völlig grundlos Misstrauen egen das seit Jahrzehnten bewährte System der Selbst- erwaltung aufzubauen. Und da der FDP die Vertreter er Gewerkschaften schon immer ein Dorn im Auge wa- en, will sie Frau Engelen-Kefer gleichsam im Hand- treich als Mitglied der Selbstverwaltung abberufen wis- en. Das ist einfach lächerlich und das nimmt hier auch iemand ernst. Aber wenigstens scheint die FDP von ihrer bisherigen meines Erachtens im Übrigen absurden – Forderung, ie Bundesanstalt für Arbeit aufzulösen, Abstand ge- ommen zu haben. Anders kann ich es mir nicht erklä- en, dass sie zukünftig eine grundlegende Reform der elbstverwaltungsstrukturen in Angriff nehmen will. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8173 (A) ) (B) ) Mit diesem Antrag hat sich die FDP selbst ein Ar- mutszeugnis ausgestellt. Die einzig richtige Handlung wäre gewesen, diesen Antrag zurückzuziehen oder ihn dort zu belassen, wo er sich anscheinend vorher befun- den hat, nämlich in der Versenkung. Ich will nur kurz auf die bestehenden Forderungen eingehen. Die von Ihnen angesprochene Vorschrift § 16 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist in ihrer jetzigen Form ausreichend. Diese Regelung schließt ausdrücklich und ausnahmslos Personen vom Tätigwerden in einem Verwaltungsverfahren aus, bei dem die Beteiligten – zum Beispiel ein Antragsteller oder ein Geforderter – gegen Entgelt beschäftigt sind oder bei ihm als Mitglied des Vorstands, Aufsichtsrats oder eines gleichartigen Or- gans tätig sind. Bereits im März 2002 hat die Bundesanstalt einen entsprechenden Runderlass zum Abstimmungsverhalten von Mitgliedern der Selbstverwaltung herausgegeben, um dort ein besonderes Bewusstsein für dieses wichtige Thema zu schaffen. Doch dabei ist die Bundesanstalt nicht stehen geblieben. Der Bundesanstalt war bewusst, dass auch schon im Rahmen von Beratungen und Ge- sprächen ein Interessenkonflikt entstehen oder auch nur der Anschein eines solchen Konflikts erweckt werden kann, was sich wiederum negativ auf das Ansehen der Bundesanstalt auswirken könnte. Um in diesem sensi- blen Bereich das Ansehen der Bundesanstalt und der Mitglieder der Selbstverwaltung zu stärken, hat der Verwaltungsrat Ende Juni dieses Jahres eine Art „Ehren- kodex“ beschlossen. Darin wird den Selbstverwaltungs- mitgliedern nahe gelegt, die Gefahr möglicher Interes- senkonflikte und die möglichen Ansehensverluste der Bundesanstalt – wie sie insbesondere durch die parallele Mitgliedschaft in der Selbstverwaltung und in externen Gremien entstehen können – stärker als bisher zu ge- wichten. Nach individueller Prüfling des Einzelfalls ist auch die Beendigung der Mitarbeit in einem externen Gremium in Betracht zu ziehen. Eine Verpflichtung zur Beendigung der Mitarbeit in entsprechenden Gremien ist allerdings aus dem Grund nicht ausgesprochen worden, da die strikte Beachtung des § 16 SGB X grundsätzlich für ausreichend erachtet wurde. Den Verwaltungsausschüssen der damaligen Landes- arbeitsämter und Arbeitsämter hat der Verwaltungsrat im Übrigen empfohlen, entsprechende Beschlüsse zu fas- sen. So viel zu den im Antrag aufgestellten Forderungen. Sie entbehren also jeglicher Grundlage. Aber das ist noch nicht alles. Besonders beschämend ist, dass die Mitglieder der FDP überhaupt nicht am Re- formprozess der Bundesagentur interessiert sind. Wäre dies anders, wäre ihnen nämlich aufgefallen, dass bereits im letzten Jahr die Aufgaben des Verwaltungsrates auf reine Kontrollaufgaben ausgerichtet worden sind. Auch und schon aus diesem Grund geht der Antrag ins Leere. Die ihm eingeräumte Kontrolltätigkeit nimmt der Verwaltungsrat auch aktiv wahr. Das konnten wir gerade bei den Ereignissen in den letzten Tagen und Wochen s d m d B d a d S ü b d t l r u s m B k g A i s L B w m a A M m m T s k h R F e (C (D ehr gut beobachten. Die Selbstverwaltung bei der Bun- esagentur für Arbeit hat sich dabei in sicherlich proble- atischen Situationen bewährt und ist ihrer neuen Rolle urchaus gerecht geworden. Ebenfalls entgangen ist der FDP-Fraktion, dass die undesregierung die neue Rolle der Selbstverwaltung urch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen m Arbeitsmarkt fortgeschrieben hat. Die auf der Ebene es Verwaltungsrates begonnene Neustrukturierung der elbstverwaltung ist konsequent auf die untere Ebene bertragen worden. Die örtlichen Verwaltungsausschüsse ei den Agenturen für Arbeit können nicht mehr – wie as früher der Fall war – über Mittel des Eingliederungs- itels oder der freien Förderung entscheiden. Sie kontrol- ieren nur noch die Entscheidungen der Geschäftsfüh- ung. Und dazu sind sie auch mit stärkeren Informations- nd Beratungsrechten ausgestattet worden. Damit existieren die von Ihnen so überzogen darge- tellten Interessenüberschneidungen überhaupt nicht ehr. Meine Rede beenden möchte ich mit einem kleinen eispiel aus der Praxis: Seit Anfang dieses Jahres ist be- anntlich der Verwaltungsrat für die Berufung der Mit- lieder der örtlichen Verwaltungsausschüsse zuständig. uf der Sitzung des Verwaltungsrates am letzten Freitag st die Berufung einer Person in einen Verwaltungsaus- chuss abgelehnt worden. Der Grund: Diese Person war eiter eines örtlichen Bildungsträgers. An diesem eispiel wird einmal mehr deutlich, dass die Selbstver- altung ihrer neuen Rolle gerecht wird und dass die Ver- eidung von Interessenkonflikten innerhalb der Bundes- gentur ernst genommen wird. nlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Früherkennung, Behandlung und Pflege bei Demenz verbessern – Demenz früh erkennen und behandeln – für eine Vernetzung von Strukturen, die Intensi- vierung von Forschung und Unterstützung von Projekten (Tagesordnungspunkt 14 a und b) Verena Butalikakis (CDU/CSU): 1,2 Millionen enschen mit einer demenziellen Erkrankung und die itbetroffenen Familien erwarten zu Recht Hilfe. Umso ehr bedaure ich, dass ich angesichts dieser ernsthaften hematik zunächst gezwungen bin, gleich zu Beginn fal- che Behauptungen, die von der rot-grünen Regierungs- oalition hinsichtlich des Zeitablaufs in Bezug auf die eute zu behandelnden Anträge immer wieder in den aum gestellt werden, zu widerlegen. Die Wahrheit ist, dass die SPD-Fraktion den von der DP eingebrachten Antrag mit dem Schwerpunkt „Früh- rkennung und Behandlung“ bei der 1. Beratung im 8174 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) Februar 2003 abgelehnt hat. Bündnis 90/Die Grünen ha- ben Beratungsbedarf angekündigt und die CDU/CSU hat bei grundsätzlicher Zustimmung Änderungen und Er- gänzungen angemeldet. Zur abschließenden Beratung im Ausschuss für Ge- sundheit und soziale Sicherung – nach der Anhörung im Mai am 4. Juni 2003 – legte die CDU/CSU-Fraktion den angekündigten fundierten Änderungsantrag vor. Jetzt wäre eine interfraktionelle Einigung möglich gewesen. Aber die rot-grüne Regierungskoalition erklärte deut- lich, dass sie bei einer Abstimmung auch den verbesser- ten Antrag ablehnen werde und schlug vor, den Entwurf für einen interfraktionellen Antrag zu erarbeiten. Die Abstimmung wurde daraufhin ausgesetzt. Nach 5 Monaten, am 5. November 2003, und nach mehreren Nachfragen vonseiten der Opposition, ging dann der Antragsentwurf per E-Mail ein. In der CDU/ CSU-Arbeitsgruppe Gesundheit und Soziales wurde der Antrag sofort in den nächsten beiden Sitzungen am 11. November und abschließend am 25. November be- handelt. Seit Anfang Dezember war der rot-grünen Re- gierungskoalition bekannt, dass wir – wie im Übrigen auch die FDP-Fraktion – den Antrag angesichts grundle- gender Unterschiede in entscheidenden Fragen die rot- grüne Vorlage ablehnen und einen eigenen Antrag zur Verdeutlichung der Unterschiede einbringen werden. Das ist dann auch auf dem normalen parlamentarischen Weg geschehen. Die von mir dargestellten Zeitabläufe – auch die fünf Monate Verzögerung durch die Regierungskoalition – sind belegbar, weiteres Lügen in diesem Zusammenhang somit obsolet. Die betroffenen Menschen interessiert dieses von rot-grün angezettelte Ablenkungsmanöver natürlich überhaupt nicht, denn für sie kommt es auf schnelles Handeln und vor allem auf die Inhalte an. Die heute zur Beratung anstehenden Anträge greifen auf den ersten Blick gleichartige Punkte auf. Der Kol- lege Parr hatte ja schon darauf hingewiesen, dass sie weit über den Schwerpunkt im FDP-Antrag hinausge- hen. Diese Gleichartigkeit der Punkte ist nicht überra- schend, denn die Anregungen und Forderungen von Experten verschiedener Disziplinen und von Betroffe- nenvertretern sind nicht neu. Spätestens als die Sachver- ständigenkommission im April 2002 ihren 4. Alten- bericht zum Thema „Risiken, Lebensqualität und Versorgung Hochaltriger – unter besonderer Berücksich- tigung demenzieller Erkrankungen“ vorlegte, waren alle Mängel bei der Erkennung und Versorgung von De- menzkrankheiten zusammengefasst dokumentiert und alle Handlungserfordernisse konkret benannt. Auf den zweiten Blick wird somit offenbar, dass der Antrag der rot-grünen Regierungskoalition eine schal- lende Ohrfeige für die rot-grüne Bundesregierung, ins- besondere für die zuständige Ministerin, ist, denn er do- kumentiert bei der Feststellung der Ist-Situation, dass in den letzten zwei Jahren offensichtlich nichts passiert ist. Das beklagen wir als Opposition seit langem. Das kriti- sieren Ärzte, Selbsthilfegruppen, Pflegekräfte und Ex- p h e P d g u w d P B U d s E s 3 t d U v K m F v l n d d b r S M s D g w m a d n f s F b k i – T S h s F l m l (C (D erten. Für die Betroffenen ist die durch Handlungsunfä- igkeit verlorene Zeit eine Katastrophe. Wie richtig es war, dass die CDU/CSU-Fraktion ihren igenen Antrag „Früherkennung, Behandlung und flege bei Demenz verbessern“ eingebracht hat, wird auf en dritten Blick – bei differenzierter Betrachtung – end- ültig deutlich, wenn es um die Art und Weise geht, wer nd wie konkret zum Handeln aufgefordert wird. Hier ill ich zunächst drei thematische Schwerpunkte beson- ers herausgreifen: Erstens. Die Erweiterung des verrichtungsbezogenen flegebegriffs um den Hilfebedarf für die allgemeine eaufsichtigung und Betreuung in zeitlich begrenztem mfang. Bundesministerin Ulla Schmidt hatte – wie von er durch die Regierung eingesetzten Rürup-Kommis- ion gefordert – in den im Oktober 2003 vorgestellten ckpunkten zur Reform der Pflegeversicherung für die- en Hilfebedarf einen pauschalen Zeitzuschlag von 0 Minuten geplant. In der von der CDU/CSU beantrag- en Aktuellen Stunde am vorletzten Freitag „Zur Zukunft er Pflegeversicherung“ versicherten sowohl Ministerin lla Schmidt wie mehrere Abgeordnete der SPD und on Bündnis 90/Die Grünen, dass trotz Machtwort des anzlers noch in diesem Jahr Verbesserungen für De- enzerkrankte kommen werden. Meine Frage, wie die inanzierung bei der desolaten Kassenlage der Pflege- ersicherung ohne grundlegende Reform, die der Kanz- er ja verboten hatte, gesichert werden soll, wurde aber icht beantwortet. In dem heute zu beratenden Antrag er Regierungskoalition vom 16. Januar 2004 – also vor em „Kanzlermachtwort“ – heißt es: „bedarf der Pflege- egriff … mittelfristig einer Überarbeitung und Erweite- ung.“ Das Chaos dieser Aussagen bestätigt aus meiner icht die Unredlichkeit. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte bereits im ärz 2001 mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbes- erung der Leistungen in der Pflege die Versorgung von emenzkranken durch zusätzliche 30 Minuten beim all- emeinen Hilfe- und Betreuungsaufwand verbessern ollen. Die rot-grüne Regierungskoalition hatte dies da- als mit Hinweis auf den fehlenden Finanzspielraum bgelehnt. Heute fordern wir in unserem Antrag wie- erum diese Leistungsverbesserung für Demenzkranke, icht „mittelfristig“ sondern unmittelbar; und genauso ordern wir auch die notwendige Reform der Pflegever- icherung ein. Zweitens. Die Früherkennung und Behandlung im rühstadium von Demenz. Demenzerkrankungen sind isher zwar noch nicht heilbar, aber der Verlauf der Er- rankung kann – wie Studien belegen – bei Erkennung m frühen Stadium durch eine gezielte medikamentöse so genannte Antidementiva – und nichtmedikamentöse herapie – aktivierende Hilfe – verzögert werden. Die achverständigenkommission zum 4. Altenbericht stellt ierzu fest, dass es gerade gegenüber der Grundlagenfor- chung erhebliche Defizite in der anwendungsbezogenen orschung gibt. Ebenso müssen Erkenntnisse der Grund- agenforschung stärker in praxisbezogene Behandlungs- aßnahmen umgesetzt werden. Der dringende Hand- ungsbedarf in diesem Bereich wird durch zwei Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8175 (A) ) (B) ) statistische Zahlen belegt: Erkannt werden nach Exper- tenschätzungen derzeit nur circa 50 Prozent der De- menzerkrankungen in einem frühen Stadium, beim Ein- setzen einer effizienten Medikation im Frühstadium wird der Krankheitsverlauf um etwa ein Jahr verzögert. Entsprechend der dargelegten Handlungsnotwendig- keit fordern wir in unserem Antrag, verstärkt For- schungsvorhaben zu initiieren und Früherkennungs- und Frühbehandlungskonzepte zu entwickeln und zu fördern. Im Antrag der rot-grünen Regierungskoalition findet sich zu der gesamten Thematik dagegen der lapidare Satz: „Die bereits ergriffenen Initiativen … sind zügig weiterzuführen.“ Eine konkrete Aufforderung direkt an die Bundesregierung zum Handeln findet sich dagegen in diesem Antrag nur an einer Stelle – und damit sind wir beim dritten thematischen Schwerpunkt, den ich geson- dert herausstellen möchte. Drittens. Die wohnortnahen Beratungs- und Versor- gungsangebote. Die Wichtigkeit einer vielfältigen Struktur dieser Hilfeangebote vor Ort sowohl für die Erkrankten als auch besonders für die pflegenden Angehörigen ist un- umstritten. Im rot-grünen Antrag wird die Bundesregie- rung aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass Länder und Kommunen ihrer Verantwortung nachkommen und die Angebote ausbauen. Den schwarzen Peter direkt den Ländern und Kommunen zuzuschieben, bringt uns ange- sichts ihrer bekanntermaßen kastastrophalen Finanzlage keinen Schritt weiter. Der Hinweis auf das Pflegeleistungs-Ergänzungsge- setz, durch das die Kommunen finanziell stärker unter- stützt werden sollen, unterstreicht die Unredlichkeit der Regierungskoalition an diesem Punkt. „20 Millionen Euro stehen ab 1. Januar 2002 für die Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen und Versorgungskonzepte zu- sätzlich zur Verfügung, lautete damals die Ankündigung. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Während die Länder und Kommunen aus ihren leeren Kassen zusätzlich 10 Millionen Euro bereitstellen sollen, damit im Rahmen der paritätischen Finanzierung die 10 Millionen Euro der Pflegekassen eingebracht werden, strich das zuständige Ministerium genau in diesem Be- reich in den Haushaltsjahren 2002 bis 2004 insgesamt 9 Millionen Euro, wie ein Blick in den Bundeshaushalts- plan bei Kapitel 15 02, Titel 684 11 und 893 11 beweist. Das ist rot-grüne Politik: Der Bund stiehlt sich aus der Verantwortung und spart; die Länder und Kommunen sollen zahlen. Für die CDU/CSU-Fraktion ist der weitere Ausbau der wohnortnahen Angebotsstruktur verbunden mit der Forderung nach einer fairen Finanzierung unter Beteiligung des Bundes. So steht es in unserem Antrag. Mit unserem Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, endlich umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um die Früherkennung, Forschung, Prävention und Pflege im Bereich der Demenzerkrankungen voranzutreiben; denn für die im Antrag der Fraktionen von SPD und Grünen vorgebrachten Lobeshymnen auf die bereits erfolgten so g r M f u r d s o t s g s w T a l s o A i b S s k l s g I d k k g b v s 8 d g r u w D d H z z l n d e (C (D enannten Anstrengungen und Initiativen der Regie- ungskoalition ist wirklich keine Zeit mehr. Hilde Mattheis (SPD): Niemand bezweifelt, dass enschen, die an Demenz erkrankt sind, besonderer Hil- en bedürfen. Niemand bezweifelt, dass die Betreuung nd Versorgung eine besondere gesellschaftliche He- ausforderung ist. Und niemand bezweifelt, dass wir uns ieser Herausforderung in Zukunft verstärkt stellen müs- en. Jeder von uns, der in seiner Familie, im Freundes- der Bekanntenkreis Menschen begleitet hat oder beglei- et, die sich immer weiter von der Person entfernen, die ie einmal waren, kann dies in besonderer Weise bestäti- en. Der gesamte Tag wird bestimmt von den Bedürfnis- en dieser Pflegebedürftigen, der Tag läuft nicht so ab, ie wir, die wir nicht an Demenz erkrankt sind, uns den ag einteilen. Der Prozess ist oft schleichend. Was für Angehörige nfangs aussehen mag wie eine leichte Altersvergess- ichkeit kann sich rasant verschlimmern. Demente unter- cheiden dann oft nicht zwischen Tag und Nacht, haben ft einen starken Bewegungsdrang, kennen die nächsten ngehörigen nicht mehr, wollen nach Hause, obwohl sie n der Wohnung sind, in der sie seit 30 oder 40 Jahren le- en. Beim Anziehen „vergessen“ sie, was sie mit dem trumpf, der in ihrer Hand ist, tun wollten. Selbstver- tändlichkeiten werden zu unüberbrückbaren Schwierig- eiten – eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung ist erforder- ich. Demente können nicht mehr selbstständig am gesell- chaftlichen Leben teilnehmen. Auch ihre Angehörigen eraten durch den ständigen Betreuungsbedarf in soziale solation. Oft ist die extreme Belastung so groß, dass nur ie stationäre Betreuung übrigbleibt, und oft gibt es gar eine nahen Angehörigen, die die Pflege übernehmen önnten. Unser medizinischer Fortschritt macht ein immer län- eres Leben möglich. Lag vor hundert Jahren die Le- enserwartung bei nur 46 Jahren, werden wir heute sehr iel älter. 2050 wird die Lebenserwartung um weitere ieben Jahre steigen, das heißt Frauen werden im Schnitt 7 Jahre, Männer 82 Jahre alt. Mit der steigende Zahl der Hochbetagten steigt auch ie Zahl der Demenzerkrankten. Bei den über 80-Jähri- en ist heute jeder fünfte betroffen, bei den über 90-Jäh- igen jeder dritte. Bis zum Jahr 2020 wird ihre Zahl von nter 1 Million auf über 1,2 Millionen Menschen an- achsen, die an Demenz leiden. Sie werden zu zwei ritteln von ihren Angehörigen versorgt. Sie leben aller- ings mit zunehmendem Alter häufig allein in ihrem aushalt. Von den 70- bis 75-Jährigen sind es 31,8 Pro- ent, von den 75- bis 80-Jährigen sind es bereits 46 Pro- ent. Und 60,1 Prozent der über 80-Jährigen wohnen al- ein, meist unter ungünstigen Wohnbedingungen, die icht flexibel genug sind, um dem Hilfe- und Pflegebe- arf entsprechend umgestaltet zu werden. Diese demografische Entwicklung beinhaltet also ine große gesellschaftliche Herausforderung. Wir 8176 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) müssen entscheiden, wie wir mit den älteren und hoch- betagten Menschen in unserer Gesellschaft umgehen, welche Unterstützung, Beratung und Angebote wir bie- ten, um das Leben in der dritten Lebensphase so zu ge- stalten, dass ein selbstbestimmtes, menschenwürdiges Leben innerhalb und nicht nur am Rand der Gesellschaft möglich ist. Die Herausforderungen sind nicht nur erkannt, es sind bereits wichtige Schritte unternommen worden. Ich nenne zum Beispiel das Pflegeleistungs-Ergänzungsge- setz und das Gesetz über die Berufe in der Altenpflege, die unter der Regierung von Rot-Grün auf den Weg ge- bracht wurden. Trotzdem besteht weiterer Verbesserungsbedarf. Diese Einsicht besteht parteiübergreifend. Denn, das sollte damit auch klar sein, das Thema eignet sich nicht für parteipolitische Spielchen. Dafür ist die Situation der Menschen, die von Demenz betroffen sind, zu ernst. Wem es bei dem Thema allein auf eine Schlagzeile an- kommt oder wer durch Tricksereien den Eindruck ver- mitteln möchte, allein nur die Problematik zu sehen, handelt unseriös. Vor ungefähr einem Jahr gab es bereits eine Debatte zu diesem Thema in diesem Hohen Haus. Dabei wurde von allen Parteien die Wichtigkeit des Themas bekundet. Es wurde vereinbart, interfraktionell an dem Thema weiter zu arbeiten. Wir, SPD und Bünd- nis 90/Die Grünen, sollten einen ersten Antragsentwurf vorlegen. Das haben wir gemacht. Schon im letzten Jahr lag der Entwurf vor. Die FDP hat sich sofort ausgeklinkt, die Berichterstatterin der CDU signalisierte zunächst ihre Bereitschaft, Änderungsvorschläge zu unterbreiten. Dann entschloss sich die CDU, einen eigenen Antrag vorzulegen. Wenn jetzt platt behauptet wird, wir hätten den Antrag von der CDU „abgeschrieben“, entspricht das weder dem tatsächlichen Ablauf, noch ist eine solche Behauptung der Ernsthaftigkeit der Sache angemessen. Ich halte fest: Der Entwurf der Regierungskoalition war der Opposition lange bekannt. Welches sind jetzt die zentralen Forderungen unseres Antrags, des Koalitionsantrags, und welche Forderungen erhebt die CDU? Im Großen und Ganzen schließt sich die CDU dem an, was meine Kollegin von Bündnis 90/Die Grünen und ich vorgearbeitet hatten: Wir sind uns einig: In Sachen Forschung, Prävention und Unterstützung der Angehöri- gen brauchen wir Verbesserungen. In diesen Bereichen muss mehr getan werden. Wir sind uns einig, dass die bereits ergriffenen Initiativen zur Verbesserung der Früherkennung und Therapie von Demenzerkrankungen zügig weiterzuführen sind. In die Aus-, Fort- und Wei- terbildung der Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten und Pflegekräfte sollten demenzbezogene Pflichtbausteine aufgenommen werden. Wir sind uns ei- nig, dass kostenträgerübergreifende finanzielle Anreiz- strukturen geschaffen werden, um Prävention und Reha- bilitation zu fördern. Die Bevölkerung muss mithilfe von Aufklärungskampagnen mehr Informationen über das Krankheitsbild erhalten. Neben der Aufklärung muss die Enttabuisierung der Demenzkrankheiten im Mittelpunkt stehen. Wir sind uns einig, dass für pflegende Angehö- r s W h u e K c g s c b W B A m g E t M t d z e d b l u A b c b t g w e d c g d p b M d D f D t c m c t b d (C (D ige demenzkranker Menschen Informations-, Supervi- ions- und Ausbildungsangebote bereitstehen müssen. ir sind uns einig, dass Familien und pflegende Ange- örige eines Netzes abgestufter, bedürfnisorientierter nd gemeindenaher Hilfen und Versorgungsangebote inschließlich niedrigschwelliger Angebote bedürfen. Sie brauchen Tages- und Nachtpflegeeinrichtungen, urzzeitpflegeangebote und unterstützende ehrenamtli- he Hilfe. Selbsthilfeorganisationen müssen vor Ort ein- erichtet und bekannt gemacht werden. Als Alternative zum traditionellen Wohnen im Heim ind in der Pflegeversicherung und in den heimrechtli- hen Vorschriften – hier insbesondere der Heimmindest- auverordnung – neue Wohnformen wie zum Beispiel ohn- oder Hausgemeinschaften zu fördern. Wir wissen, Länder und Kommunen müssen mit ins oot, müssen ihrer Verantwortung nachkommen und die ngebote, die den Verbleib im häuslichen Umfeld er- öglichen, ausbauen. Das geht nicht ohne Geld, das eht nicht von heute auf morgen, aber alle politischen benen müssen auch wissen: Stationäre Angebote sind eurer und für die Menschen immer nur die zweitbeste öglichkeit. Wir fordern darüber hinaus – und sind bei den Punk- en, die ich schon genannt habe, auch präziser –, die von en einzelnen Bundesministerien geplanten Maßnahmen ur Verbesserung der Versorgungssituation demenziell rkrankter Menschen aufeinander abzustimmen und mit en Bundesländern eine Querschnittsarbeitsgruppe zu ilden. Die Förderung einer vergleichenden internationa- en Zusammenarbeit soll die Erstellung von Evaluations- nd Wirksamkeitsstudien erleichtern und verbessern. ls Basis für ein qualitätsgesichertes Versorgungsange- ot müssen bundeseinheitliche Pflegeleitlinien entwi- kelt werden. Eine weitere zentrale Forderung ist, dass der Pflege- egriff in der Pflegeversicherung mittelfristig überarbei- et und erweitert wird. Das wird im CDU-Antrag auch efordert. Wir sind darüber hinaus wieder viel genauer, enn es um weitere Schritte geht. Wir fordern, im Zuge ines ausführlichen, qualitätsgesicherten Assessments ie Pflegebedürftigkeit festzustellen und einen verbindli- hen Hilfe- bzw. Maßnahmenplan festzulegen. Das Be- utachtungsverfahren muss so weiterentwickelt werden, ass auch präventive, rehabilitative und aktivierende As- ekte stärker berücksichtigt werden. Pflegebedürftige rauchen einen individuell zugeschnittenen Hilfe- bzw. aßnahmenplan, da sie keine einheitliche Gruppe, son- ern Individuen mit unterschiedlichen Kompetenzen und efiziten sind. Daraus ergeben sich unterschiedliche An- orderungen an Betreuung, Pflege und Therapie. In der emenzdiagnostik und -behandlung sowie bei der Be- reuung Demenzkranker ist eine Qualitätskontrolle si- herzustellen. Die Ergebnisse dieser Qualitätskontrolle üssen der Öffentlichkeit in leicht verständlicher Spra- he zugänglich gemacht werden. Die bewertende Institu- ion sollte auch Beratungsfunktion vor Ort haben. Sofern estehende Institutionen dies nicht leisten können, ist er Aufbau neuer Strukturen erforderlich. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8177 (A) ) (B) ) Wir wollen auf die Situation der jeweiligen Einrich- tung und ihrer Bewohner bezogene Instrumente zur Per- sonalbemessung flexibel gestalten. Außerdem sind wir uns einig, dass die Gesetze zur Reform der Alten- und Krankenpflegeausbildung so umgesetzt werden müssen, dass die besonderen Belange Demenzkranker in der Aus- und Weiterbildung berücksichtigt werden. Kennt- nisse, Zusatzqualifikationen oder Spezialisierungen in den Bereichen Prävention, Rehabilitation und Palliativ- pflege sind notwendig. In Aus- und Weiterbildung sollen insbesondere solche Pflegekonzepte vermittelt werden, die die Möglichkeit der aktiven Teilhabe am täglichen Leben eröffnen. In diesen Dingen sind wir uns also größtenteils einig. Warum, fragt sich also der vernunftbegabte Mensch, wa- rum nur macht die CDU einen eigenen Antrag? Wenn das Thema nicht so bitterernst wäre, könnte man hier sa- gen, dass der CDU-Antrag zur Förderung der Demenz- kranken eine Betroffeneninitiative ist. Die CDU zeigt nämlich erstaunliche Gedächtnislücken, was ihre frühere Haltung zu Initiativen zur Verbesserung der Lebenssitua- tion von Demenzkranken betrifft. Auf alle Fälle ist die- ser Antrag der Opposition überflüssig und rein taktisch motiviert. Wie eingangs erwähnt, ist nach anfänglicher konstruktiver Mitarbeit die Opposition Ende letzten Jah- res aus dem Projekt ausgestiegen. Was unterscheidet nun also die beiden Anträge? Außer, dass im Antrag sehr unfachlich Demenz mit Alz- heimer gleichgesetzt wird, geht es auch um medikamen- töse Behandlungsmaßnahmen. Was sich hinter der gefor- derten optimalen medikamentösen Behandlung von Alzheimer im Frühstadium verbirgt, ist dasselbe, was die FDP forderte, als sie im letzten Jahr die Aufhebung der Deckelung der Behandlung von Demenzkranken ver- langt hat: Wertschöpfung auf Kosten der schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft! Niemand wird generell gegen die Verabreichung von Medikamenten sein, wenn sie den Patienten helfen. Das ist selbstverständlich. Wenn wir hier aber von Cholinesterasehemmern und Actylcholinesterasehemmern reden, empfehle ich, ein solches Präparat zu beschaffen und sich den Beipackzet- tel durchzulesen: Abdominale Beschwerden, Verwirrt- heit, verstärkter Bewegungsdrang und Gedächtnis- störungen. Das liest sich, als wollten FDP und CDU vor allem bei Alzheimerpatienten den Teufel mit dem Belze- bub austreiben. Und dabei wissen sie es eigentlich besser: In ihrer Antwort auf die Große Anfrage der SPD zum Thema „Lage der Demenzkranken in Deutschland“ hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung 1996 auf die Frage nach medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten Cholin- esterasehemmer ausdrücklich abgelehnt. Begründung: „Von einem Teil der Patienten wird das Präparat wegen Übelkeit und Erbrechen nicht vertragen. Es kann abdo- minale Beschwerden, Appetitverlust und gelegentliche vorübergehende Verwirrtheitszustände auslösen. Aus den bisherigen Untersuchungen geht zudem hervor, dass es zu Leberfunktionsstörungen führen kann.“ Der thera- peutische Nutzen für eine kleine Gruppe von Patienten wird in dieser Antwort nicht bestritten – das tun wir auch nicht. Wir müssen aber sehr darauf Acht geben, dass De- m e D T A P V r m m D g t L i i w r B Z l H r S v A w b w g B l t r A U u u s z k g t A b r g D g a l w v r (C (D enzkranke nicht zum Spielball einer einseitigen inter- ssensgeleiteten Politik werden. Natürlich wollen und werden wir die Situation der emenzkranken verbessern, wir werden alle Hilfs-, und herapiemöglichkeiten vorurteilsfrei prüfen. Aber eine ufhebung der Deckelung ist ein Signal, das kreative otenziale untergräbt. Wir brauchen eine stärkere ernetzung der Hilfsangebote, eine Förderung des eh- enamtlichen Engagements, die Verknüpfung von nicht edikamentösen und medikamentösen Behandlungsfor- en, aber wir brauchen keine einseitige Aufhebung der eckelung, die nur signalisiert, dass hemmungslos zuge- riffen werden kann. Demenzkranke brauchen insbesondere soziale Be- reuung und Ansprache, Annahme in ihrer besonderen ebenssituation, die nicht durch Sturzhelme, wie auch m CDU-Antrag gefordert, „aufgefangen“ wird, sondern nsbesondere durch menschliche Zuwendung geleistet erden kann. Das ist die gesellschaftliche Herausforde- ung, vor der wir stehen. Petra Selg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die undesregierung weiß, dass angesichts der erwarteten unahme demenzieller Erkrankungen großer Hand- ungsbedarf besteht, um unsere Gesellschaft auf diese erausforderung vorzubereiten. Deshalb ist die Bundes- egierung bereits heute auf vielen Gebieten aktiv, um die ituation demenzkranker Menschen in Deutschland zu erbessern. So beschreibt der 2002 erschienene Vierte ltenbericht der Bundesregierung die Probleme, denen ir in Zukunft gegenüberstehen werden bzw. zum Teil ereits gegenüberstehen. Außerdem zeigt er Wege auf, ie wir als Gesellschaft mit dieser Herausforderung um- ehen können. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse arbeitet das MGS an Verbesserungen hinsichtlich der Frühbehand- ung und Früherkennung von Demenz. In einem ak- uellen Forschungsprojekt des BMGS wird eine „Ge- ontopsychiatrische Handreichung für Hausärzte und llgemeinmediziner“ erarbeitet. Sie soll die Ärzte beim mgang mit demenzkranken Menschen unterstützen nd vorhandenes Wissen besser vermitteln. Weiterhin fördert das Bundesministerium für Bildung nd Forschung das „Kompetenznetz Demenzen“, in dem ich 13 universitäre, vor allem psychiatrische Zentren usammengeschlossen haben. Beteiligt sind auch Kran- enhäuser, niedergelassene Ärzte, insbesondere All- emeinmediziner, Industrieunternehmen und Patien- enorganisationen wie beispielsweise die Deutsche lzheimer Gesellschaft. Dieses Kompetenznetzwerk ar- eitet gegenwärtig an Leitlinien für Diagnostik und The- apie demenzieller Erkrankungen. Ziel ist, die Versor- ungsqualität bei Demenz deutlich zu verbessern. iesem Ziel, nämlich der Verbesserung der Versor- ungsqualität unter anderem bei Demenzkranken, dient uch die Neuregelung der Altenpflegeausbildung, die etztes Jahr in Kraft trat. Für die betroffenen demenzkranken Menschen haben ir hinsichtlich ihrer Leistungsansprüche in der Pflege- ersicherung bereits einen ersten Schritt zur Verbesse- ung der Lage getan. Am 1. Januar 2002 trat das 8178 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) Pflegeleistungsergänzungsgesetz in Kraft. Seitdem ste- hen rund 550 000 Pflegebedürftigen mit erheblichem all- gemeinen Betreuungsbedarf zusätzlich 225 Millionen Euro zur Verfügung. Die Neuregelung ermöglicht erst- mals die finanzielle Förderung zusätzlicher Versorgungs- angebote und Hilfen für demenzkranke Pflegebedürftige aus Mitteln der Pflegeversicherung. Diese Beispiele zeigen, dass wir den Handlungsbe- darf bei demenziellen Erkrankungen erkannt haben und bereits heute daran arbeiten, die Situation zu verbessern. Das kann und darf natürlich nicht heißen, dass wir bei dem bisher Erreichten stehen bleiben. Im Gegenteil: Wir werden diese Anstrengungen noch weiter vorantreiben; denn wir wissen, dass Demenz eine der großen Heraus- forderungen der Zukunft für unser Gesundheitswesen sein wird. Deshalb haben wir hier heute diesen Antrag vorge- legt. Er beschreibt die Ziele, welche die Bundesregie- rung beim Umgang mit dem Thema Demenz verfolgt. Außerdem skizziert der Antrag die Maßnahmen, die wir Schritt für Schritt ergreifen werden, um der gesellschaft- lichen Herausforderung durch Demenzerkrankungen ge- recht zu werden. Ein zentrales Ziel rot-grüner Politik ist es, die Präven- tion und Rehabilitation von Pflegebedürftigkeit zu fördern. Bezogen auf die Demenzerkrankungen heißt das: Die Krankheit muss möglichst früh erkannt und be- handelt werden. Außerdem müssen die betroffenen Men- schen möglichst stark aktiviert werden, um das Fort- schreiten der Krankheit zu verhindern. Dazu gehört, dass sie in einem Umfeld wohnen und leben können, in dem sie ihre verbliebenen Potentziale voll ausschöpfen kön- nen. In diesem Zusammenhang existieren mittlerweile zahlreiche viel versprechende Projekte zu neuen Wohn- formen, die auch von der Bundesregierung gefördert werden. Jetzt kommt es darauf an, diese Angebote in der Breite zu entwickeln. Dabei wollen wir den ambulanten Bereich stärken. Niedrigschwellige Angebote und die Einbindung von Selbsthilfegruppen sind aus unserer Sicht unerlässlich, wenn die Versorgungsqualität verbes- sert werden soll. Darüber hinaus ist es uns ein großes Anliegen, Ange- hörige von demenzkranken Menschen zu unterstützen. Sie werden durch Pflege und Betreuung oft bis an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit gefordert. Deshalb ist es wichtig, dass entlastende Ver- sorgungsangebote wie zum Beispiel Tages- oder Nacht- pflegeeinrichtungen flächendeckend verfügbar gemacht werden. Außerdem brauchen wir gerade im Pflegebe- reich bessere Informations- und Beratungsangebote. Bei diesen Fragen kann die Bundesregierung jedoch allen- falls günstige Rahmenbedingungen setzen. Für die kon- krete Umsetzung sind die Länder bzw. die Kommunen verantwortlich. Wichtig ist darüber hinaus, dass der Pflegebegriff in der Pflegeversicherung erweitert wird. Bisher konzen- triert sich die Pflegeversicherung auf die Unterstützung bei körperlichen Verrichtungen, also auf den Ausgleich von körperlichen Defiziten. Menschen, die nur kontinu- ierliche Aufsicht oder Anleitung brauchen, werden von d b M s te f g L e s c g b r a E s k P d R m d w V d R e w h n P r B d a n s m 1 u n z d t K e i m A s u g (C (D er Pflegeversicherung nicht ausreichend erfasst. Die esonderen Bedürfnisse zum Beispiel demenzkranker enschen werden folglich nicht ausreichend berück- ichtigt. Das wollen wir ändern. Deshalb ruhen wir uns nicht auf dem bisher Erreich- n aus. Bei der bevorstehenden Pflegeversicherungsre- orm werden wir weitere Schritte unternehmen, um die enannten Ziele zu erreichen. Wir werden zusätzliche eistungen unter anderem für Menschen mit Demenz inführen. Das wird dazu führen, dass circa 60 000 Men- chen erstmals Leistungen aus der sozialen Pflegeversi- herung erhalten. Zahlreiche andere werden höher ein- estuft werden als bisher. Dabei soll es jedoch nicht leiben. Mittelfristig wollen wir das Einstufungsverfah- en so verändern, dass der gesamte Unterstützungsbedarf bgebildet wird. Grundlage eines solchen ganzheitlichen instufungsverfahrens soll ein erweiterter Pflegebegriff ein. Außerdem wollen wir den ambulanten Bereich stär- en, indem wir die ambulanten Leistungssätze in der flegeversicherung spürbar anheben. Parallel dazu wer- en wir überprüfen, inwieweit bestehende gesetzliche egelungen die Entstehung neuer, innovativer Wohnfor- en gerade auch für demenzkranke Menschen behin- ern. Sollte es hier rechtliche Hindernisse geben, dann erden wir diese beseitigen. Sie sehen also: Wir arbeiten konsequent weiter an der erbesserung der Situation demenzkranker Menschen in iesem Land. Von einem Ende der Reformen kann keine ede sein. Die Pflegeversicherungsreform wird auch ine Reform für demenzkranke Menschen sein und sie ird definitiv in dieser Legislaturperiode kommen. Da- er appelliere ich an die Opposition: Verweigern Sie sich icht! Die Menschen in diesem Land brauchen keinen arteienstreit beim Thema Pflege. Für taktische Spiele- eien taugt dieses Thema nicht. Detlef Parr (FDP): Vor über einem Jahr hat die FDP- undestagsfraktion einen Antrag zum Thema Demenz in en Bundestag eingebracht. Jetzt endlich haben auch die nderen Fraktionen erkannt, dass im Sinne der betroffe- en Erkrankten und Angehörigen dringend eine Verbes- erung von Früherkennung und Behandlung von De- enz erreicht werden muss. Besser spät als nie. In Deutschland leiden schätzungsweise mehr als ,2 Millionen Menschen unter der Alzheimer Krankheit nd anderen Demenzkrankheiten. Mit steigendem Alter immt das Erkrankungsrisiko zu. Weltweit sind 5 Pro- ent der Männer und 6 Prozent der Frauen über 60 davon irekt betroffen. Über 20 Prozent der Menschen, die äl- er als 80 Jahre sind, sind allein von der Alzheimer rankheit betroffen. Die Last für unser Pflegesystem ist norm. Die Behandlung eines Patienten, der nicht mehr n der Lage ist, die Alltagsaufgaben zu bewältigen, ist it großem Aufwand und hohen Kosten verbunden. Die uswirkungen der Krankheit spüren nicht nur das Ge- undheitssystem, sondern vor allem auch die Familien nd Freunde der Betroffenen. Es ist absehbar, dass auf- rund der bekannten demographischen Entwicklung in Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8179 (A) ) (B) ) unserem Land diese Krankheiten eine zunehmende Rolle in unserer Gesellschaft spielen werden. Dabei ist man schon heute mit einfach handhabbaren und für den Patienten nicht belastenden diagnostischen Werkzeugen in der Lage, normale Leistungseinbußen des Gehirns von krankhaften Störungen zu unterschei- den. Insbesondere ist die Früherkennung der Alzheimer Krankheit heute ambulant mit einer Trefferquote von über 90 Prozent möglich. Dabei spielen als erste Anlauf- stelle für Patienten häufig die Hausärzte eine wichtige Rolle. Sie sind am ehesten in der Lage, bei langjährigen Patienten auch kleinere Veränderungen wahrzunehmen, die dann von hierauf spezialisierten Fachärzten auf ihre Ursachen hin untersucht werden müssen. Diese Früher- kennung ermöglicht individuell zugeschnittene Maßnah- men, die für den Patienten einen spürbaren Behand- lungserfolg bewirken können. In der Frühphase und der mittleren Phase kann eine kombinierte Behandlung mit Antidementiva und aktivierenden Maßnahmen im Hin- blick auf die Hirnleistung, also eine Kombination von medikamentöser und nicht medikamentöser Behand- lung, das weitere Fortschreiten der Krankheit deutlich hinauszögern. Dass dies möglichst gut gelingt, ist nicht nur für die Familie wichtig, sondern könnte auch unser Pflegesystem entlasten. Aber in Deutschland ist in naher Zukunft ein flächen- deckender Pflegepersonalmangel zu erwarten. Die pfle- gerische Versorgung der Bürger und Bürgerinnen ist ge- fährlich infrage gestellt. Personelle Engpässe, steigende Arbeitsbelastung und abnehmende Eignung der Bewer- ber werden vorausgesagt. Die Früherkennung und Frühbehandlung von De- menzkrankheiten kann helfen, diese Probleme zu ver- mindern. Wenn die Betroffenen länger in ihren Familien oder auch allein leben können, ist das mit einem deutli- chen Zuwachs an Lebensqualität bei gleichzeitiger Re- duzierung von Pflegekosten verbunden. Die Demenzfrüherkennung muss optimiert werden, um den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes die Möglichkeit zu geben, selbst etwas für ihre Gesunder- haltung zu tun, über eine frühzeitige Behandlung mög- lichst lange ein eigenständiges Leben zu führen und die eigene Lebensqualität zu verbessern. Die Forderungen der FDP sind klar, präzise und im Sinne der Demenzkranken und derjenigen, die diese Krankheit in Zukunft erleiden müssen: Wir brauchen eine Intensivierung der Versorgungs- und Ursachenfor- schung auf dem Gebiet der Demenzerkrankung. Bereits vorhandene Behandlungsansätze müssen weiter unter- sucht und die Entwicklung von Methoden zur Verhinde- rung bzw. zum Hinauszögern von Demenzerkrankungen gefördert werden. Ein flächendeckendes und qualitätsgesichertes Früh- erkennungsprogramm muss aufgebaut, etabliert und fi- nanziert werden. Validierte Früherkennungsuntersu- chungen vermeiden spätere hohe Kosten. Es ist sinnvoll für die Kassen, rechtzeitig zu investieren. Wir brauchen eine Unterstützung und Förderung nicht medikamentö- ser Behandlungsmaßnahmen für Demenzerkrankte auch i m H S W B r u tr F D ä K c D D d f b r h w e m d r m R d d s g V k A w t g B l j r r v V l b (C (D m Frühstadium. Die Rehabilitation für Demenzkranke it dem Ziel einer Verbesserung des selbstständigen andelns muss weiterentwickelt werden. Größtmögliche elbstbestimmung ist ein Kernziel unserer Bemühungen. ir müssen einen Konsens über einen evidenzbasierten ehandlungskorridor für eine Diagnosekette zur Siche- ung einer qualitätsgesicherten Demenzfrüherkennung nd -behandlung finden. Eine Verbesserung der Ausbildung im gerontopsychia- ischen Bereich und die Entwicklung entsprechender ort- und Weiterbildungsangebote für Hausärzte und auf emenzdiagnose und -behandlung spezialisierte Fach- rzte ist dringend geboten. Eine enge Verzahnung und ooperation zwischen den einzelnen Versorgungsberei- hen einschließlich der Pflegeeinrichtungen, in denen emenzkranke behandelt werden, muss geschaffen werden. ie Finanzierung der ärztlichen Leistungen außerhalb er gedeckelten Gesamtvergütung und Herausnahme der ür Vorsorge und Therapie von Demenzerkrankungen enötigten Arzneimittel aus den Richtgrößenvereinba- ungen muss sichergestellt werden. Dass diese Forderungen berechtigt sind, hat die An- örung im letzten Jahr bestätigt. Der SPD-Antrag be- eist, dass die Regierungspartei zwar die Notwendigkeit rkennt, dass wir uns um die Demenzkranken kümmern üssen, sie aber die Frage der Finanzierung der notwen- igen medikamentösen und nicht medikamentösen The- apie nicht löst. Mehr Kontrolle, Qualitätszirkel, Assess- ents sind ihre Forderungen. Kurz: Wieder einmal mehr egulierung und Bürokratie sind ihre für mich unbefrie- igenden Antworten. Die Anhörung und die Debatten im Ausschuss wer- en zeigen, wie unsere jeweiligen Anträge zu werten ind und wie wir im Sinne der Patienten und Angehöri- en zu einem Abschluss kommen, der tatsächlich eine erbesserung der Situation der Demenzkranken bewir- en kann. nlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Konsequenzen aus Dresdener Bombenfund ziehen (Tagesord- nungspunkt 15) Frank Hofmann (Volkach) (SPD): Ich frage mich, ieso man diesen Antrag überhaupt im Plenum debat- iert. Da werden Forderungen an die Bundesregierung erichtet, über die ich nur den Kopf schütteln kann: zum eispiel eine spezifizierte Gefährdungsanalyse zu erstel- en. Diese Arbeit ist das tägliche Brot jeder Polizei auf eder Ebene. Zu der Aufforderung an die Bundesregie- ung, für eine umfassende Aufklärung und Sensibilisie- ung zu sorgen, die Mitarbeit der Bevölkerung zu akti- ieren: Das gehört zum täglichen Brot von Polizei, von erantwortlichen in der Bundespolitik, in der Landespo- itik, in der Kommunalpolitik. Am 6. Juni 2003 wurde auf dem Dresdner Haupt- ahnhof eine Kofferbombe aufgefunden und entschärft. 8180 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) Am 24. Juni 2003 stellt die CDU diesen Antrag und bringt ihn in Zusammenhang damit, dass Deutschland offensichtlich Zielland von Terroristen sei. Das einzige, was zu diesem Zeitpunkt feststand, war, dass ein terro- ristischer Hintergrund nicht auszuschließen ist. Im September wurde als Täter für diese Kofferbombe ein 62-jähriger Finanz- und Immobilienmakler aus dem Vogtland verhaftet. Der Tat lag ein Erpressungsversuch gegen die Deutsche Bank zugrunde. Das alles interessiert die CDU/CSU-Fraktion aber nicht. Ihr geht es darum: Angst schüren, die Bevölke- rung verunsichern, die Bundesregierung verunglimpfen und absolute Sicherheit fordern. So tönt es aus ihren Rei- hen. Wir sagen: Abklären, analysieren, das Richtige tun. Das haben wir gemacht, das hat die Bundesregierung ge- macht. Das ist ihr täglich Brot. Der Bundesgrenzschutz hat gemäß § 27 Bundes- grenzschutzgesetz die rechtliche Möglichkeit, selbst- tätige Bildaufnahme- und Bildaufzeichnungsgeräte auf Bahnhöfen und Flughäfen einzusetzen, um Gefahren von Benutzern der Anlagen oder Einrichtungen der Ei- senbahnen des Bundes abzuwehren. Diese Möglichkeit nutzt der Bundesgrenzschutz zum Beispiel in enger Zu- sammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG. Auf nahezu allen großen Bahnhöfen befinden sich erkennbar instal- lierte Kameras. Nach dem Auffinden des Sprengsatzes auf dem Hauptbahnhof Dresden wurde die Überwa- chung der einzelnen Bahnhöfe nochmals intensiviert. Auch in Zukunft wird der Bundesgrenzschutz selbst- tätige Bildaufnahmegeräte einsetzen und die Aufnah- men, soweit zur Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung notwendig und erforderlich, auch aufzeichnen. Der Bundesgrenzschutz leistet hier gute und professi- onelle Arbeit. Ihre Forderung an die Bundesregierung ist eine verklausulierte Kritik am Bundesgrenzschutz, die jeder Grundlage entbehrt und die ich zurückweise. Die Forderung der Union an die Bundesregierung, Gefähr- dungsanalysen zu erstellen, bei risikosensiblen Orten, wie Bahnhöfen, Flughäfen und Seehäfen, Videoauf- zeichnungen zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung rund um die Uhr zu betreiben und für einen Datenaus- tausch zu sorgen, geht ins Leere. Ihr Antrag ist lediglich geeignet gewesen, um Presse- erklärungen absetzen zu können, aber völlig ungeeignet für Aktivitäten des Deutschen Bundestages und der Bun- desregierung. Ziehen Sie Ihren Antrag zurück! Günter Baumann (CDU/CSU): Am Freitag vor Pfingsten vergangenen Jahres sind Hunderte von Men- schen im Dresdener Hauptbahnhof knapp einer Katastro- phe entgangen. Auf einem Bahnsteig war ein herrenloser Koffer aufgefallen. Wie sich später herausstellte, enthielt er eine Kofferbombe mit TNT-Sprengstoff. Wäre er ge- zündet worden, hätte es ein furchtbares Blutbad gege- ben. Nur die Wachsamkeit eines Bahnangestellten und der professionelle Einsatz des Bundesgrenzschutzes hat uns davor bewahrt. g r s n s n K m u z u w V w V l D s d f d a c s k i s d h a A w c s g b j h i F d i I t Ü 4 d e a f B d p z Ü (C (D Der Bombenfund von Dresden hat uns allen deutlich emacht: Deutschland ist nicht länger nur Zuschauer ter- oristischer Greueltaten in aller Welt. Deutschland ist elbst ein Ziel terroristischer Aktivitäten. Wir sind hier icht eine Insel der Seligen, nicht abseits vom Weltge- chehen, sondern mittendrin. Dieser Einsicht in die euen Risiken müssen aber auch sicherheitspolitische onsequenzen folgen. Die CDU/CSU-Fraktion hat bereits im Juni 2003, un- ittelbar nach dem Dresdener Bombenfund, reagiert nd den heute zu beratenden Antrag eingebracht. Unsere entrale Forderung lautet, dass an allen risikosensiblen nd gefährdeten Orten mit erhöhtem Publikumsverkehr ie Flughäfen, Bahnhöfen und Seehäfen unverzüglich ideoanlagen mit Tag- und Nachtbetrieb eingerichtet erden. Die Aufzeichnungen sollen der Aufklärung und erhinderung von Straftaten dienen. Sie sind unverzüg- ich zu löschen, sobald sie nicht mehr benötigt werden. abei ist der Austausch der Daten mit Bundesgrenz- chutz und Landespolizeien zu gewährleisten. Außer- em fordern wir die Bundesregierung auf, über eine um- assende Aufklärung und Sensibilisierung die Mitarbeit er Bevölkerung zu aktivieren und eine Gefährdungs- nalyse vorzulegen. Im Zentrum unserer Forderungen steht die flächende- kende und permanente Videoüberwachung an an- chlagsrelevanten Orten. Sie hat zwei Vorteile. Erstens önnte der BGS bei Verdacht die Bänder anfordern und nnerhalb kürzester Zeit den Täter ermitteln. Wie Sie ich erinnern, nahm die Ermittlung des Täters von Dres- en damals über zwei Wochen in Anspruch. Zweitens ätte die Installierung von Videokameras aber auch eine bschreckende Wirkung – nicht nur für terroristische ktivitäten, sondern auch für kriminelle Aktivitäten jed- eder Art. Die sächsische Polizei hat mit der Überwa- hung des Bahnhofsvorplatzes in Leipzig dort inzwi- chen auch die Klein- und Drogenkriminalität völlig ebannt. Zweifellos ist dabei das Bundesdatenschutzgesetz zu eachten. Es sind allerdings in der Zwischenzeit all die- enigen Lügen gestraft worden, die von Anfang an be- aupteten, unser Antrag sei mit dem Datenschutz nicht n Übereinstimmung zu bringen. Das Gegenteil ist der all: Der Dresdener Bahnhof wird bereits seit kurzem vi- eoüberwacht. Am vergangenen Freitag hat der Bundes- nnenminister Schily gemeinsam mit dem sächsischen nnenminister Rasch die Anlage inspiziert. Beide bekräf- igten, dass eine permanente Bildaufzeichnung mit berschreibung der Bilder in einem Zeitraum von 8 Stunden rechtlich zulässig und sicherheitspolitisch ringend geboten ist. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt s, daß gerade in Dresden eben jene Sicherheitsstandards uf den Weg gebracht worden sind, die wir seit langem ordern. Und dennoch fragen wir uns – und mit uns die ürger in unserem Land –, warum es ein Dreivierteljahr auert, bis die Politik endlich Maßnahmen ergreift. Möglicherweise liegt das auch an den rechtlich kom- lizierten Befugnissen von Landespolizei, Bundespoli- ei und Bahn AG. Die Landespolizeien haben nur die berwachungskompetenz für die Bahnhofsvorplätze. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8181 (A) ) (B) ) Der BGS dagegen hat Kontrollbefugnisse in den Bahn- hofsgebäuden. Punktuell, etwa bei Bahnreisen gewaltbe- reiter Fußballfans, übt der BGS diese Befugnis schon seit langem auch mit Videokameras aus. Der Bund kann aber nicht die Installierung permanenter Videoüberwa- chungsanlagen im Bahnhofsgebäude verordnen. Denn im Gebäude gilt das Hausrecht der Deutschen Bahn AG. Wir müssen daher heute fragen, wie kooperativ sich die Deutsche Bahn AG in den vergangenen Monaten verhalten hat. Die Antwort lautet, daß die Bahn AG lange Zeit als Bremser aufgetreten ist und kategorisch die Videoüberwachung aus Datenschutzgründen abge- lehnt hat. Erst in jüngerer Zeit gibt sie zu, dass die si- cherheitspolitische Notwendigkeit der Videoüberwa- chung auch mit den Erfordernissen des Datenschutzes vereinbart werden kann. Es liegt mir aber fern, der Deutschen Bahn, die das Hausrecht in den Bahnhöfen ausübt, allein den schwar- zen Peter zuzuschieben. Schließlich ist der Bund Mehr- heitsaktionär der Deutschen Bahn. Mir scheint, dass er seinen Einfluss alles andere als optimal ausgenutzt hat. Sicherheitspolitisch haben wir wieder viel Zeit verloren. Es ist zudem äußerst unbefriedigend, wenn Innenmi- nister Schily neun Monate nach dem Dresdener Bom- benfund in einer Pressemitteilung verkündet „Videoauf- zeichnung verbessert Sicherheit auf Bahnhöfen“, er aber keinerlei Auskunft darüber gibt, ob an den großen Bahn- höfen in Deutschland von dieser Möglichkeit bereits flä- chendeckend Gebrauch gemacht wird. Dies ist ganz of- fensichtlich nicht der Fall. Bei Dresden dürfte es sich vielmehr um ein Pilotprojekt handeln. Aus diesem Grund fordert die CDU/CSU einen Be- richt über die Gefährdungslage und eine systematische Auflistung aller bereits eingeleiteten und noch einzulei- tenden Maßnahmen. In diesem Zusammenhang muß der Bundesinnenminister das Parlament auch über die Gründe der Verzögerung aufklären. Rechtlicher Art dürften diese Gründe nicht sein: Der Deutschen Bahn ist die die permanente Videoüberwachung ebenso erlaubt wie jeder Tankstelle. Die CDU/CSU-Fraktion fordert daher den Bundesin- nenminister auf, in Kooperation mit der Bahn das recht- lich Mögliche umzusetzen. Sollte sich dabei herausstel- len, daß die Verhandlungen am Unwillen der Deutschen Bahn scheitern, bliebe dem Bund nur eine Alternative: Dann müsste das Bundesgrenzschutzgesetz den Risiken unserer Zeit angepasst und der Bund zu den erforderli- chen Maßnahmen ermächtigt werden. Sollte der Innen- minister an einem besseren Bevölkerungsschutz wirklich interessiert sein, wird sich die Union ihrer staatspoliti- scher Verantwortung nicht verschließen und ihm volle Rückendeckung geben. Die Union ist die Partei des Rechtsstaates und der inneren Sicherheit. Dazu gehört für uns das Grundrecht der Bürger auf Sicherheit und Schutz vor Kriminalität und Terrorismus in allen Er- scheinungsformen. G h D w s m d f s n M S l g d t c u l w d g f w l a l d c ö o f s ü t m w m B g v f g u i r S B T O (C (D Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN): Der Bombenfund auf dem Dresdener Bahn- of hat uns vor Augen geführt: Wir sind auch in eutschland vor Anschlägen nicht sicher. Deutlich ge- orden ist allerdings auch, Videokameras verhindern olche Anschläge nicht. Es waren die wachsamen enschlichen Augen, die den verdächtigen Koffer ent- eckten. Die CDU kommt heute mit einem Antrag, der Dinge ordert, die längst gemacht werden oder die sich zwar chön anhören, aber nicht mehr Sicherheit bringen. Ih- en ist offensichtlich jedes Ereignis recht, schärfere aßnahmen zu fordern. Mit Ihren Anträgen produzieren ie hier am laufenden Band Scheinsicherheit. In Wirk- ichkeit geht es Ihnen um nichts anderes als um die ei- ene Profilierung. Nehmen Sie einmal zur Kenntnis, was bereits Stan- ard ist: Es gibt bereits eine ständige Bewertung der ak- uellen Gefährdungssituation mit allen beteiligten Si- herheitsbehörden. Die technischen Voraussetzungen, m die Bilddaten aller Kameras an den gesetzlich er- aubten Orten aufzuzeichnen, sind bereits geschaffen orden. Diese Bilddaten werden bereits anlassbezogen en Länderpolizeien zur Strafverfolgung zur Verfügung estellt. Wenn Sie sich einmal die Mühe machten, sich zu in- ormieren, dann könnten Sie vielleicht einsehen, dass ir solche Anträge der Union nicht brauchen. Sie steh- en uns die Zeit und sie halten uns von sinnvoller Arbeit b. Ich komme jetzt noch einmal zu Ihrem Lieb- ingsthema, die Videoüberwachung. In Bund und Län- ern boomt derzeit die Ausdehnung der Videoüberwa- hung. An allen möglichen und unmöglichen Orten im ffentlichen Raum werden Kameras installiert – meist hne Sinn und Verstand, meist ohne Konzept. Auf der ersten internationalen Konferenz des Center or Criminological Research in Sheffield im Januar die- es Jahres wurden die Forschungsergebnisse zur Video- berwachung in England vorgestellt. Sie sind ernüch- ernd und ich wünsche mir auch hier in Deutschland ehr wissenschaftliche Untersuchungen zur Videoüber- achung. Die Forschung kommt zu dem Ergebnis: Eine Kamera acht nur Sinn, wenn hinter ihr auch ein sachkundiger eamter sitzt, der angemessen und situationsgerecht rea- ieren kann. Kameras machen nur an ganz bestimmten, orsichtig ausgewählten Orten Sinn, wenn sie in ein um- assendes Sicherheitskonzept integriert sind. „Technolo- ie als Lösung“ heißt in vielen Fällen: Viel Geld wird nsinnig ausgegeben, der Zweck wird nicht erfüllt. Über das Thema Sicherheit in Seehäfen werden wir ntensiv zu reden haben. Es ist viel komplexer als in Ih- em Antrag angesprochen. Hier ist es nicht mit ein paar piegelstrichen getan. Ich kann Ihnen versichern, die undesregierung arbeitet auch intensiv an diesem hema. Wir brauchen auch hier keine Nachhilfe von der pposition. 8182 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) Dr. Max Stadler (FDP): Der heute zu beratende An- trag der CDU/CSU befasst sich mit dem Bombenfund im Dresdener Hauptbahnhof an Pfingsten 2002. Es wird ge- fordert, die Sicherheit auf Bahnhöfen zu verbessern und insgesamt die Videoüberwachung gefährdeter öffentli- cher Plätze auszuweiten. Glücklicherweise wurde der Koffer mit Sprengstoff in Dresden noch rechtzeitig ge- funden, bevor eine Katastrophe eingetreten ist. Es stellt sich allerdings die Frage, ob mit einer besseren Video- überwachung dieser Vorfall tatsächlich hätte verhindert werden können. Dies müsste erst einmal näher unter- sucht werden. Unabhängig davon hat die FDP-Bundestagsfraktion zur Videoüberwachung öffentlicher Plätze stets nicht etwa eine grundsätzlich ablehnende Position vertreten, sondern schon immer eine differenzierte Meinung ge- habt. Bahnhöfe wie der Dresdener Hauptbahnhof gehö- ren ohne Zweifel zu den besonders gefährdeten Objek- ten. Dies gilt sowohl in Bezug auf Anschläge als auch hinsichtlich sonstiger Kriminalität wie zum Beispiel Ta- schendiebstähle. Deshalb ist die Videoüberwachung sol- cher Bahnhöfe längst Alltagspraxis. Das Bundesdaten- schutzgesetz regelt in ausreichender Weise Zulässigkeit und Modalitäten. Eine Gesetzesänderung ist nicht erfor- derlich. Ebenso ist beispielsweise die Überwachung von U-Bahnhöfen längst eine Routinemaßnahme und trägt zur Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls der Bürgerinnen und Bürger und der objektiven Sicherheit bei. Umgekehrt muss aber wesentlich sensibler, als dies im Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Aus- druck kommt, auch über die Grenzen von Videoüberwa- chungen in einem Rechtsstaat nachgedacht werden. Die FDP hat daher stets eine flächendeckende Videoüberwa- chung abgelehnt. Ein übertriebener Einsatz dieser Tech- nik ist für uns in einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht vorstellbar. Zudem stellen sich auch praktische Probleme. In einer Anhörung des Innenausschusses aus der letzten Legisla- turperiode hat sich eindeutig gezeigt, dass als Ergebnis von Videoüberwachungen häufig nur die Verlagerung von Kriminalität auf andere Tatorte stattfindet. Gerade ein Modellversuch in Bayern, dessen CSU-geführte Staatsregierung sehr auf die Ausdehnung der Videoüber- wachung setzt, hat in Regensburg keine besonders guten praktischen Erfahrungen gebracht. Deshalb ist es der richtige Weg, diejenigen öffentli- chen Plätze, bei denen wegen einer besonderen Gefähr- dungslage oder wegen einer besonderen Häufung von Straftaten eine Videoüberwachung in Betracht kommt, sehr sorgfältig auszuwählen. Selbstverständlich sind hin- sichtlich der Datenspeicherung und Datenverwertung die hohen Schutzstandards des deutschen Datenschutzrech- tes zu beachten. Insgesamt gilt aber: Die Videoüberwachung ist in manchen Fällen eine nützliche ergänzende polizeiliche Maßnahme. Noch besser als der Einsatz von Technik ist aber die persönliche Präsenz von Polizeibeamten an Ge- fährdungs- und Kriminalitätsschwerpunkten. d i f m n h u h d c f k S p z v u d S a D n L v z H s u s d w S f g m a w B B g f s e v m V d h B h d (C (D Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- esminister des Innern: Die Sicherheit der Bevölkerung, nsbesondere an exponierten Orten wie Bahnhöfen, ist ür die Bundesregierung von hoher Bedeutung. Im Rah- en der bundespolizeilichen Zuständigkeit haben wir icht erst seit dem Fund der Bombe auf dem Hauptbahn- of Dresden vielfältige Anstrengungen unternommen, m mögliche Gefahren abzuwehren oder zu verhindern. Noch vor dem Fund der Bombe auf dem Hauptbahn- of Dresden hat der Bundesgrenzschutz gemeinsam mit er Konzernsicherheit der DB AG ein Verfahren entwi- kelt, das zusätzlich auch die Angestellten der DB AG ür dieses Thema sensibilisiert und ein gemeinsames und lar strukturiertes Verfahren zur Behandlung derartiger ituationen vorgibt. Der Videoüberwachung kommt im Rahmen der bahn- olizeilichen Arbeit des BGS eine besondere Bedeutung u. Sie ist ein wichtiges Unterstützungsinstrument prä- entiver und ermittlungstaktischer Arbeit. Beamtinnen nd Beamte des BGS sind bereits seit 1998 im Rahmen es Sicherheitskonzepts „Sauberkeit – Sicherheit – ervice“ der DB AG in den so genannten 3-S-Zentralen n Großbahnhöfen zur Videoüberwachung eingesetzt. Nach dem Fund der Bombe auf dem Hauptbahnhof resden im Juni 2003 hat der BGS verschiedene Maß- ahmen in enger Abstimmung mit den Polizeien der änder sowie der DB AG intensiviert. Dazu gehören erbesserte Verfahrensabsprachen mit den Landespoli- eien, vor allem aber der Einsatz moderner Technik. ierdurch können mögliche Gefahren, zum Beispiel bei prengstoffverdächtigen Gegenständen, eher erkannt und mgehend abgewehrt werden. Dazu gehört auch eine tändige Bewertung der aktuellen Gefährdungssituation urch alle beteiligten Sicherheitsbehörden. Die Kamerabilder, die in den 3-S-Zentralen auflaufen, erden rund um die Uhr für den BGS aufgezeichnet. elbstverständlich werden diese Bilder, sofern sie nicht ür polizeiliche Ermittlungen benötigt werden, wieder elöscht. Die Aufzeichnungen helfen dem BGS, ver- eintliche oder tatsächliche Gefahrensituationen, aber uch Straftaten schnellstmöglich aufzuklären. Mittler- eile kann der BGS nicht nur auf nahezu allen großen ahnhöfen, sondern auch auf zahlreichen kleineren ahnhöfen und Haltepunkten auf solche Aufzeichnun- en zurückgreifen. Auch dies ist ein weiteres Beispiel ür die gute und partnerschaftliche Zusammenarbeit zwi- chen der DB AG und dem BGS. Der Landespolizei wird darüber hinaus anlassbezogen ntsprechendes Datenmaterial, insbesondere zur Straf- erfolgung, zur Verfügung gestellt. Herr Minister Schily hat sich am 6. Februar 2004 ge- einsam mit seinem Amtskollegen aus Sachsen und ertretern der DB AG vor Ort in Dresden ein Bild von er Leistungsfähigkeit der Videoüberwachung auf Bahn- öfen machen können. Sie können sicher sein, dass der GS mit diesem technischen Hilfsmittel einen sehr ho- en Sicherheitsstandard setzt. Die in dem Antrag der CDU/CSU aufgestellten For- erungen gehen ins Leere. Auf den Verkehrsflughäfen Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8183 (A) ) (B) ) findet Videoüberwachung in den Bereichen, für die das Bundesministerium des Innern im Rahmen der Luftsi- cherheit Verantwortung trägt, schon lange statt. Auch die Forderungen zur Erstellung von Gefährdungsanalysen, der Gewährleistung eines Datenaustausches und einer regelmäßigen Information der Bevölkerung über aktu- elle Erkenntnisse sind überholt. Für die Forderung nach Videoüberwachung in den Seehäfen ist die Bundesregie- rung hingegen der falsche Adressat. Sie können versichert sein, dass sowohl der Bundes- innenminister selbst als auch die Sicherheitsbehörden des Bundes alle Anstrengungen unternehmen, um unse- rer Bevölkerung den größtmöglichen Schutz zu gewäh- ren. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Deutsch-Polnische Wirtschaftsförderungsgesellschaft AG erhalten (Tagesordnungspunkt 16) Jürgen Türk (FDP): Aus Sicht der Wirtschaft, bei- spielsweise eines bedeutenden Arbeitgebers in Branden- burg, der Raffinerie in Schwedt, ist es ein völlig falsches Signal zum falschen Zeitpunkt, die Deutsch-polnische Wirtschaftsförderungsgesellschaft AG, kurz TWG, Ende dieses Jahres zu liquidieren. Der Geschäftsführer der Raffinerie hat dies dem brandenburgischen Wirtschafts- minister auch schwarz auf weiß mitgeteilt. Ergebnis: Keine Reaktion. Die TWG, die von den Ländern Brandenburg, Berlin, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sowie der Bun- desregierung und Polen finanziert wird, hat seit ihrer Gründung 1994 rund 9 400 mittelständische Unterneh- men in ihren grenzüberschreitenden Vorhaben unter- stützt. Sie hat zahlreiche Ex- und Importgeschäfte, gewerbliche Kooperationen sowie Joint Ventures vermit- telt, ferner hunderte Kooperationsreisen, Unternehmer- reisen und Informationsveranstaltungen durchgeführt. Sie betreibt zudem ein viel genutztes Internetportal für deutsche Unternehmer über den Wirtschaftsstandort Po- len. Jetzt meinen einige Kritiker, die vor allem in den no- torisch klammen und wirtschaftlich nicht eben erfolg- reich agierenden Ländern Brandenburg und Berlin sitzen, dass dies alles nicht mehr nötig sei, weil Polen bald Teil der EU sei, weil in letzter Zeit nicht mehr ganz so viele Joint Ventures zustande gekommen seien wie in den Anfangsjahren der TWG und weil sich neue Institu- tionen der deutsch-polnischen Wirtschaftsförderung in Brandenburg und Berlin etabliert haben. Dass im Vorfeld der Osterweiterung die Zahl der Rat und Hilfe suchenden Firmen bei der TWG beständig ge- stiegen ist – statt durchschnittlich 100 Unternehmen pro Monat melden sich derzeit rund 140 Unternehmen –, ignorieren sie. Ebenso können oder wollen sie nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Ursache für die geringere Zahl an zustande gekommenen Joint Ventures in der re- z D g r s g t H l w s b s z M d B z b s d d d z 3 d m d t s w w r h d s E h l u 6 a s n t E r l U A a (C (D essiven wirtschaftlichen Entwicklung in Polen und eutschland liegt. Was die ins Feld geführten neuen Institutionen an- eht, so sind sie noch nicht einmal ansatzweise so erfah- en und schlagkräftig wie die TWG und greifen häufig ogar auf deren Unterstützung zurück. Weder honoriert noch anerkannt wird zudem das An- ebot der TWG, künftig einen erheblichen Teil ihrer Mit- el selbst zu erwirtschaften und dadurch ab 2005 mit der älfte der bisherigen Fördermittel auskommen zu wol- en. Während Brandenburg und Berlin einerseits für frag- ürdige Investitionen viele Millionen Euro in den Sand etzen, stellen sie sich andererseits bei vergleichsweise escheidenen 70 000 Euro pro Jahr, die nachweislich für ie einen Mehrwert bringen, quer. Das ist nicht nachvoll- iehbar. Ich halte es für sehr bedauerlich, dass sich die Länder ecklenburg-Vorpommern und Sachsen sowie die Bun- esregierung aufgrund der Verweigerungshaltung von randenburg und Berlin ebenfalls aus der Finanzierung urückziehen wollen, womit das Ende der Gesellschaft esiegelt sein dürfte – wenn nicht noch ein Wunder ge- chieht, auf das, wie mir bekannt ist, auch Kollegen bei er SPD hoffen. Das Wunder könnte zum Beispiel darin bestehen, ass Brandenburg und Berlin doch noch einlenken, oder arin, dass sich die Bundesregierung nicht hinter den ahlungsunwilligen Ländern versteckt und die 07 000 Euro, die sie für die TWG ohnehin bereits für ie Haushalte 2005 und 2006 eingeplant hat, locker- acht. Auf diese Weise würde sie auch verhindern, dass ie polnische Regierung, die die einzige binational be- riebene und unterhaltene Wirtschaftsförderungsgesell- chaft gern fortgeführt sähe, vor den Kopf gestoßen ird. Und das dürfte im Zeichen der Erweiterung nun ahrlich kein gutes Signal sein. Aus allen diesen Gründen bitte ich Sie darum, unse- em Antrag zuzustimmen. Christian Müller (Zittau) (SPD): Jenseits der Be- andlung des vorliegenden Antrags steht außer Zweifel, ass die TWG in den zurückliegenden zehn Jahren, also eit ihrer Gründung, sehr erfolgreich war. Dies wird im ingangsteil des Antrags zu Recht gewürdigt. Darüber inausreichende positive Referenzen seitens der regiona- en Kammern und einzelner Unternehmer sind bekannt nd sollen hiermit erwähnt werden. Derzeit nehmen mit 8 Prozent des gesamten Aufkommens die Anfragen aus nderen, also den Nicht-Aktionärsländern der Gesell- chaft zu, während die aus den ostdeutschen Ländern icht abnehmen. Darin spiegelt sich das zunehmende In- eresse am polnischen Markt und an der bevorstehenden rweiterung der EU wider. Dabei erstrecken sich die Be- atungsleistungen der TWG nicht nur auf das wirtschaft- iche Umfeld, sondern auch auf zu beachtende kulturelle nterschiede, die für ein erfolgreiches geschäftliches gieren nicht unwesentlich sind. Also gäbe es, gerade uch wegen der EU-Erweiterung, genügend gute 8184 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) Gründe, dieses mittelstandsfreundliche und vergleichs- weise billige Instrument einer gezielten Beratung für ei- nen interessanten Markt beizubehalten. Dies setzt allerdings voraus, dass die Anteilseigner dazu auch bereit sind. Auf polnischer Seite scheint dies grundsätzlich der Fall zu sein. Der polnische Staat hält 50 Prozent der Anteile an der Gesellschaft und hat wohl angeboten, seinen Anteil an der Finanzierung auch über das Jahr 2004 hinaus beizubringen. Demgegenüber stellt sich die Situation auf der deutschen Seite, schon wegen der Zusammensetzung der Anteilseigner und der Finan- zierungsstruktur, anders dar. Anteilseigner sind die Bun- desländer Brandenburg mit 24,69 Prozent, Berlin mit 24,69 Prozent, Mecklenburg-Vorpommern mit 0,31 Pro- zent und Sachsen mit 0,31 Prozent. Der Bund hatte, ob- wohl er nicht an der Gesellschaft beteiligt ist, bei deren Gründung im Sinne einer Vorbeitrittshilfe bis 2004 eine degressive und befristete Mitfinanzierung zur Verfügung gestellt – 32 Prozent, 2003 und 2004 je 307 000 Euro – und war prinzipiell offen für eine Fortsetzung. Leider sind die Anteilseigner, offenbar aufgrund ver- änderter eigener Prioritäten, zu der Auffassung gelangt, Ende 2004 ihrerseits die Finanzierung der Gesellschaft einzustellen. Bereits am 9. Januar haben sie im Auf- sichtsrat der TWG einen Kompromissvorschlag zur Re- duzierung der Länderanteile auf jeweils 70 000 Euro bei Verlängerung des Zuwendungszeitraumes um zwei Jahre abgelehnt und dies am 5. Februar nochmals bekräftigt. Nach den Vorstellungen der Anteilseigner soll die TWG künftig bei Ausschreibungen für Projekte berücksichtigt werden. Damit solle insgesamt eine Umstellung der TWG auf Projektfinanzierung erfolgen. Der vorliegende FDP-Antrag fordert demgegenüber, der Bund möge ab 2005 den gesamten deutschen Anteil an der Finanzierung der Gesellschaft in Höhe von 950 000 Euro übernehmen und die Finanzierung der TWG bis 2010 bei Erhöhung der eigenen Einnahmen auf 20 Prozent des Gesamtfinanzierungsbedarfs sichern. Dies ist angesichts der klaren, allerdings bedauerli- chen Position der deutschen Anteilseigner nicht mög- lich. Der Bund hatte immer zu Recht darauf hingewie- sen, dass er bei einem Ausstieg der Länder aus der Finanzierung der TWG nicht an deren Stelle treten würde. Angesichts der mittelständischen Interessen hinsicht- lich des polnischen Marktes ist die entstandene Situation tatsächlich zu bedauern, aber eindeutig auf die nicht vor- handene Bereitschaft zur Finanzierung – 70 000 Euro – sollten auch bei einem engen Landeshaushalt für den ei- genen Mittelstand ausgegeben werden können – der vier deutschen Gesellschafter der TWG zurückzuführen. In- sofern kann der Antrag der FDP-Fraktion nur abgelehnt werden. Gewarnt seien diejenigen in der Opposition, die ange- sichts dieses Sachverhalts in die Versuchung geraten könnten, ein „Versagen der Bundesregierung“ zu kon- struieren und eine Belastung des deutsch-polnischen Verhältnisses herbeizureden. Dies wäre unverantwort- lich. Der Wirtschaftsminister hat den Sachverhalt in ei- n i h 7 b i F A I r d n w G a h L s F w g B b w g s b m m T s A D v m B s O g m k H W i b m s V b d d M c O (C (D em Antwortschreiben an seinen zuständigen Kollegen n Warschau erläutert. Damit ist die nötige Klarheit vor- anden. Klaus Hofbauer (CDU/CSU): Heute sind es noch 8 Tage bis zur Osterweiterung der Europäischen Union zw. Einigung Europas. Für Deutschland und für Europa st dies ein historischer Schritt, der zur Sicherung von rieden und Freiheit beiträgt. Die EU-Erweiterung hat uswirkungen auf alle Bereiche unserer Gesellschaft. nsbesondere der Wirtschaft bietet dieser Prozess zahl- eiche Chancen. Neue Märkte können erschlossen wer- en, Kooperations- und Handelspartner sind zu gewin- en und Joint Ventures sollen verstärkt abgeschlossen erden. Die EU-Erweiterung birgt aber auch Risiken. erade kleine und mittelständische Unternehmen, vor llem in den Grenzregionen zu den Beitrittsländern, ste- en vor großen Herausforderungen. Das anhaltende ohn- und Wohlstandsgefälle zu den neuen Mitglied- taaten schafft einen erheblichen Konkurrenzdruck. Das ördergefalle von Ost nach West wird die schwierige irtschaftliche Situation verschärfen. In den brisanten Bereichen der Arbeitnehmerfreizü- igkeit und der Dienstleistungsfreiheit wurden mit den eitrittsstaaten Übergangsfristen vereinbart. Sie können is zu sieben Jahren gelten. Ob diese voll ausgeschöpft erden, ist heute noch nicht abzusehen. Solche Regelun- en dürfen jedoch nicht zur Folge haben, dass ein Zu- ammenführen der Arbeitsmärkte behindert oder sogar lockiert wird. Die jetzt vereinbarten Übergangsfristen üssen genutzt werden, das Verbinden der Arbeits- ärkte zu gestalten. Wir alle kennen den Druck aus schechien und Polen, aber auch aus der Wirtschaft, die olche Regelungen nicht wünscht. Das Lohn- und Wohlstandsgefälle wird auch nach blauf der Fristen nicht vollständig überwunden sein. ie Unternehmen müssen sich auf die EU-Erweiterung orbereiten, soweit dies bis jetzt nicht geschehen ist. Die ittelständischen Unternehmen, vorwiegend aus dem ereich des Handwerks in den Grenzregionen, sind be- onders gefordert. Die Markterschließung in Richtung sten stellt viele Betriebe vor enorme Herausforderun- en. Neue Vertriebswege, andere gesetzliche Bestim- ungen und vor allem die Sprachbarriere sind gerade für leine und mittelständische Unternehmen erhebliche indernisse. Einrichtungen wie die Deutsch-Polnische irtschaftsförderungsgesellschaft geben den Betrieben n diesem Prozess entscheidende Hilfestellungen. Diese Gesellschaft kann in den letzten Jahren auf eine eachtliche Erfolgsbilanz verweisen. 9 300 Unterneh- en, Institutionen und Kommunen haben bei der Gesell- chaft Rat und Unterstützung gefunden. Sie hat 180 Joint entures befördert und war an 170 Kooperationsverein- arungen beteiligt. Mehr als 1 000 Arbeitsplätze konnten adurch geschaffen bzw. gesichert werden. Das Leistungsangebot der Gesellschaft ist auf die Be- ürfnisse der Unternehmen zugeschnitten, um ihnen den arkteinstieg im Nachbarland zu erleichtern: Zweispra- hige, branchenspezialisierte Mitarbeiter sind direkt vor rt. Die Mitarbeiter sind mit den polnischen Standorten, Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8185 (A) ) (B) ) Marktbedingungen und den polnischen Gesetzen bestens vertraut. Die Gesellschaft verfügt über bewährte Kon- takte zu den polnischen Behörden und Einrichtungen. Nicht zuletzt kennt die Gesellschaft auch die Marketing- konzepte, die in Polen am besten greifen. Sie hilft beson- ders kleinen und mittleren Unternehmen, den Marktein- stieg im jeweiligen Nachbarland zu bewältigen. Die Gesellschaft betreut ihre Kunden individuell, erarbeitet für jeden einen konkreten Maßnahmeplan und hilft bei dessen Umsetzung. Die wichtige Aufgabe ist mit dem l. Mai 2004 nicht beendet, sondern muss sogar verstärkt fortgesetzt werden. Einrichtungen wie die Deutsch-Polnische Wirt- schaftsförderungsgesellschaft sind auch aus einem ande- ren Grund dringend notwendig. Ich habe vor einigen Monaten in meinem Wahlkreis in Ostbayern eine Um- frage zur EU-Erweiterung durchgeführt. Über 1 300 Per- sonen haben sich daran beteiligt. 57 Prozent der Be- fragten stehen der Osterweiterung eher pessimistisch gegenüber. 60 Prozent sehen sie eher als Risiko und die Mehrzahl der Befragten sieht beim Arbeitsmarkt und bei der Wirtschaft den größten Handlungsbedarf. Besonde- res Augenmerk verdient, dass 72 Prozent aller Befrag- ten, die Informationen über die EU-Osterweiterung als nicht ausreichend empfinden. Diese Ängste müssen durch gezielte Informationskampagnen abgebaut wer- den. Die Deutsch-Polnische Wirtschaftsförderungsgesell- schaft ist eine Einrichtung, die aktiv zum Erfolg der Osterweiterung beiträgt. Das Zusammenwachsen der Wirtschaft und der Arbeitsmärkte, gerade in den Grenz- regionen, kann durch sie entscheidend gefördert werden. Die CDU/CSU-Fraktion sieht in dem vorliegenden An- trag eine wichtige Initiative, die in der Ausschussbera- tung näher erörtert werden sollte. Die Gesellschaft unterstützt vorwiegend mittelständi- sche Unternehmen, die Herausforderungen und Chancen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Unter- nehmen zu bewältigen. Dies ist ein wichtiger Beitrag, die Erweiterung mit Leben zu erfüllen. Die Aufgaben- stellung endet nicht zum 1. Mai 2004. Ihre Arbeit muss sogar verstärkt fortgesetzt werden. Dazu müssen wir die Voraussetzungen schaffen. Deshalb unterstützt die CDU/CSU-Fraktion den An- trag der FDP. Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Uns allen ist bewusst, dass ein wichtiger Bereich in der Entwicklung der deutsch-polnischen Kontakte die grenzüberschreitende wirtschaftliche Kooperation ist. Mit der Schaffung der Deutsch-Polnischen Wirtschafts- förderungsgesellschaft AG (TWG) vor ziemlich genau zehn Jahren wurde ein wichtiger Schritt in diese Rich- tung getan. Aktionäre der Gesellschaft auf deutscher Seite sind die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Meck- lenburg-Vorpommern und Sachsen. Der Bund ist nicht Gesellschafter; dies ist bei der Gründung bewusst festge- legt worden. Trotzdem hat er sich finanziell mit rund ei- nem Drittel der Mittel an der TWG beteiligt. m A u s W T u k n B w f z c J B e h v A A j a G I r a a F S t s n s e p d s n W i d b g d T d g B V l w (C (D Die TWG hat in den vergangenen Jahren Unterneh- en informiert und beraten, Kontakte vermittelt sowie ktivitäten begleitet. Darüber hinaus hat sie sich etwa m potenzielle Investoren bemüht, Ausstellungen, Mes- en, Schulungen und Konferenzen veranstaltet sowie in irtschaftsförderungsinstitutionen mitgewirkt. Die WG hat somit sicher auch einen Beitrag dafür geleistet, m den Beitritt Polens zur EU vorzubereiten. Spätestens seit Frühjahr 2002 ist allen Beteiligten lar, dass mit dem Beitritt Polens zur EU die institutio- elle Förderung der Gesellschaft durch die beteiligten undesländer und den Bund enden wird. Schon damals urde der Vorstand aufgefordert, Alternativen zur Fort- ührung der TWG auch ohne institutionelle Förderung u entwickeln. Die Länder haben mehrfach unterstri- hen, dass sie ihre bisherige Förderung mit Ablauf des ahres 2004 einstellen werden. Erst daraufhin hat der und entschieden, seinerseits die Finanzierung ebenfalls inzustellen. Seitens des Bundes hat es bereits in der Vergangen- eit neben der institutionellen Förderung die Förderung on Projekten gegeben. Dies soll fortgesetzt werden. uch die Länder haben angeboten, die TWG bei der usschreibung von Projekten zu beteiligen. Diese Pro- ektfördermaßnahmen dienen auch dem Wettbewerb mit nderen privaten Dienstleistern. Schon allein aus diesem runde ist der Antrag der FDP so nicht nachvollziehbar. m Übrigen sei daran erinnert, dass die Wirtschaftsförde- ung vorrangig Sache der Länder ist. Dies ist natürlich uch der FDP bekannt. Wir jedenfalls sehen keine Ver- nlassung, diesem Antrag zuzustimmen. Trotzdem hoffen wir, dass auch ohne institutionelle örderung eine Weiterexistenz der TWG möglich ist. eitens des deutschen Vorstandsvertreters wird dies un- er bestimmten Umständen jedenfalls nicht ausgeschlos- en. Wir würden es begrüßen, wenn sich dafür in den ächsten Wochen und Monaten eine konsensuale Lö- ung finden würde. Hierfür könnte sicher auch die FDP inen Beitrag leisten, indem sie ihre Kontakte nutzt, um rivates Kapital zu mobilisieren und damit den Anteil er Eigeneinnahmen der TWG auf eine solide Basis zu tellen. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- ister für Wirtschaft und Arbeit: „Die Deutsch-Polnische irtschaftsförderungsgesellschaft AG, TWG, leistet seit hrer Gründung im Jahr 1994 einen wichtigen Beitrag für ie grenzüberschreitende wirtschaftliche Zusammenar- eit und damit für die EU-Osterweiterung.“ Dieser zusammenfassenden Feststellung im vorlie- enden Antrag der FDP-Fraktion kann ich für die Bun- esregierung durchaus zustimmen. Die Ergebnisse der WG rechtfertigen die finanziellen Mittel, die die Bun- esregierung seit 1994 für diese Arbeit zur Verfügung estellt hat. Mit dieser finanziellen Unterstützung hat die undesregierung ihren Beitrag dazu geleistet, dass in der orbeitrittsphase diese insbesondere für kleine und mitt- ere Unternehmen wichtige Arbeit überhaupt geleistet erden konnte. 8186 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) Die Frage ist also nicht, ob die Bundesregierung hier eine sinnvolle Finanzierungshilfe geleistet hat. Hier sind wir uns ja einig. Zu erörtern haben wir heute, ob es – wie im Antrag der FDP gefordert –, Aufgabe der Bundesre- gierung ist, bis 2010 den gesamten deutschen Anteil für eine weitere institutioneile Finanzierung dieser Einrich- tung zu übernehmen. Über dieses Ansinnen der FDP- Fraktion kann ich mich nur wundern. Ich darf Sie erinnern: Die TWG wurde 1994 als Ge- meinschaftsunternehmen zur Wirtschaftsförderung mit dem regionalen Schwerpunkt in der deutsch-polnischen Grenzregion gegründet. Gründungsgesellschafter waren der polnische Staat und die Bundesländer Berlin, Bran- denburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Der Bund ist bewusst nicht Mitgesellschafter geworden, hat aber dieses Projekt der regionalen Wirtschaftsförderung der Länder mit einer Anschubfinanzierung unterstützt. Von Anfang an bestand zwischen allen Beteiligten Einvernehmen, dass eine institutioneile Finanzierung nur befristet möglich ist. Die deutsche und polnische Seite haben im Jahr 2001 in einem Notenwechsel festge- legt, dass sie sechs Monate vor dem EU-Beitritt Polens eine Vereinbarung über die Art und Weise der Beendi- gung oder Umwandlung der TWG schließen werden. Im Frühjahr 2002 hat der Aufsichtsrat eingehend die Zukunft der TWG erörtert. Seitdem ist allen Beteiligten bewusst, dass mit dem Beitritt Polens zur EU die institu- tionelle Förderung der Gesellschaft durch die vier betei- ligten Bundesländer und den Bund enden wird. Nach- dem sich die Bundesländer entschieden haben, ihre Finanzierung Ende 2004 zu beenden, wird der Bund sei- nerseits die weitere anteilige Finanzierung einstellen. Eine Übernahme des Finanzierungsanteils der Länder durch den Bund scheidet aus. Ich sehe keinen Grund, der dies rechtfertigen würde. Kooperationswillige Unternehmen finden heute ein breites, oftmals mit EU- und Landesmitteln gefördertes Beratungsnetz in den Grenzregionen. Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Euro-Info-Cen- tren, die vier Euroregionen an der deutsch-polnischen Grenze und eine Vielzahl anderer regionaler Institutio- nen, aber auch private Beratungsunternehmen sind zu- nehmend auf dem Gebiet der grenzübergreifenden Wirt- schaftskooperation mit Polen tätig. Dabei setzen die Grenzländer mehr und mehr auf die bilaterale Zusam- menarbeit mit den benachbarten polnischen Regionen: In Brandenburg wird unter der Dachmarke „2win-eine Region, doppelter Vorteil“ das Konzept der länderüber- greifenden Wirtschaftskooperation durch eine eigens da- für eingerichtete Koordinierungsstelle bei der Zukunfts- agentur BB in Frankfurt an der Oder vermarktet; Mecklenburg-Vorpommern fördert das Haus der Wirt- schaft in Stettin; Sachsen hat zur Stärkung der unterneh- merischen Tätigkeit in den Grenzgebieten die „Stiftung für Innovation und Arbeit Sachsen“ gegründet und in Berlin bietet die BAO Berlin International GmbH ko- operationswilligen Unternehmen ein umfassendes Ser- viceangebot. Um das noch einmal zu unterstreichen: Der Rückzug von Ländern und Bund aus der institutionellen Finanzie- r d c W t s g F t b t r v d d A b m s K n d d h D E E w w r b g r F K r 2 (C (D ung der TWG bedeutet nicht automatisch das Aus für ie Gesellschaft. Es ist in dieser Situation vielmehr Sa- he des Vorstands und Aufsichtsrates, ein Konzept zur eiterfuhrung der TWG ab 2005 ohne deutsche institu- ionelle Förderung zu verabschieden. Die betroffenen deutschen Bundesländer als Mitge- ellschafter haben ihre Bereitschaft geäußert, an einer esellschaftsrechtlichen Lösung mitzuwirken, die eine ortsetzung der Tätigkeit der TWG ermöglicht. Sie bie- en an, die TWG bei Ausschreibungen von Projekten zu erücksichtigen und damit ihren Beitrag zu einem Wei- erbestand der Gesellschaft zu leisten. Der Bund hat be- eits in der Vergangenheit Projektaufträge an die TWG ergeben. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den Beratungen mit er polnischen Seite eine einvernehmliche Lösung fin- en, die die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt. nlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Den Fahrradtouris- mus in Deutschland umfassend fördern (Tages- ordnungspunkt 17) Jürgen Klimke (CDU/CSU): Oh wie liebe ich mein Fahrrad Warum, das weiß ich nicht genau Meinem Fahrrad werd’ ich treu sein Im Gegensatz zu meiner Frau Niemals werd’ ich es verlassen Niemals werd’ ich von ihm geh’n Denn wir fliegen wie auf Wolken Weil wir uns so gut versteh’n Ganz so extrem wie die Popgruppe „Die Prinzen“ ha- en wir von der Union es nicht mit dem Fahrrad. Und it der Untreue schon gar nicht. Aber wir schenken die- em Verkehrsmittel deutlich mehr Zuneigung als die ollegen und Kolleginnen von SPD und sogar die Grü- en. Und das basiert nicht auf einer kurzfristigen Lei- enschaft, sondern einer Vielzahl von Gründen: Wer mit em Fahrrad unterwegs ist, tut etwas für seine Gesund- eit. Er baut zudem eine enge Beziehung zur Natur auf. as führt Mensch und Natur zusammen und stärkt die insicht, dass Umweltschutz notwendig und lohnend ist. in weiterer wichtiger Punkt ist die Förderung des Rad- anderns. Diese Form des Tourismus ist nicht nur um- eltfreundlich, sondern stellt zugleich einen wichtigen egionalen Wirtschaftsfaktor dar, der erhalten und ausge- aut werden muss. Kurz auf den Punkt gebracht lauten unsere Beweg- ründe also: Rad fahren dient der Gesundheit, Rad fah- en nützt der Umwelt, Rad fahren und insbesondere ahrradtourismus bringen die deutsche Wirtschaft voran. Und extra für Sie, liebe rot-grünen Kolleginnen und ollegen, damit Sie sehen, dass in Deutschland trotz Ih- er Politik noch was wächst, ein paar Zahlen: Im Jahr 002 haben mehr als zwei Millionen Menschen Urlaub Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8187 (A) ) (B) ) mit dem Rad gemacht, was ein Plus von 12 Prozent ge- genüber dem Vorjahr bedeutet. Damit ist der Fahrradtou- rismus nicht nur ein wichtiger, sondern auch ein wach- sender Wirtschaftsbereich in Deutschland mit großem Wachstumspotenzial. Angesichts der Perspektiven und Chancen, die sich der deutschen Wirtschaft durch das Ausschöpfen des Po- tenzials des Fahrradtourismus eröffnen, muss Deutsch- land noch fahrradfreundlicher werden. Nun höre ich geistig schon den Widerspruch der Re- gierungskoalition: Ja, wir stärken doch den Fahrradtou- rismus, wo wir nur können – schauen Sie sich doch nur unseren schönen „nationalen Radverkehrsplan“ an! Ja, liebe Kollegen, aber das war’s auch schon. Eine Recher- che bringt es an den Tag: In den letzen Jahren war das Ihre einzige Initiative in Sachen Rad. Wir sehen: Fahr- radpolitisch ist bei Ihnen schon lange die Kette abgelau- fen! Um den Fahrradtourismus in Deutschland zu fördern, müssen wir das Rad nicht neu erfinden. Deutlich verbes- sern müssen wir aber die Rahmenbedingungen. Dazu gehören: Erstens. Verlässliche Angaben. Zweitens. Aus- gebaute Verkehrswege. Drittens. Innovative Verkehrs- sicherheit. Viertens. Kooperation mit der Deutschen Bahn AG. Aber schon beim ersten Punkt hapert es. So verfügt die Bundesregierung weder über Erkenntnisse über den prozentualen Anteil des Fahrradtourismus am gesamten deutschen Tourismus, noch kann sie Zahlen über die An- zahl der Übernachtungen von Radtouristen in Deutsch- land vorlegen. Bei solchen Defiziten im Forschungs- und Statistikbereich kann der Fahrradtourismus in Deutschland gar nicht zielgerichtet gefördert werden. Diese Lücken müssen in Zusammenarbeit mit der Tou- rismuswirtschaft, wie beispielsweise der Forschungsge- meinschaft Urlaub und Reisen oder dem Tourismusbaro- meter des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes, geschlossen werden, damit wir gezielter und effektiver fördern können. Schließlich fährt Jan Ulrich die Tour de France auch nicht mit verbundenen Augen. Bei den Verkehrswegen müssen vor allem der zusam- menhängende Ausbau überregionaler Radwege und die Wegweisung der Routen vorangebracht werden. Dabei ist die Anbindung an die europäischen Routen – ich erin- nere nur an das EuroVeloNetz – zu berücksichtigen. So- lange aber der Verkehrsminister über die Maut stolpert, ist hier wohl nichts zu machen, befürchte ich. Wenn wir schon bei den Problemzonen der Regierung sind: Verbesserungsbedarf besteht auch bei der Fahrrad- mitnahme durch die Deutsche Bahn AG. Denn trotz wachsendem Fahrradtourismus ist die Fahrradmitnahme im Fernverkehr der DB AG zwischen 1998 und 2002 um über 40 Prozent zurückgegangen. Wir müssen mit der DB zusammen Lösungsvorschläge erarbeiten, wie der Rückgang bei der Fahrradbeförderung gestoppt werden kann. Hier muss endlich Schluss sein mit selbstherrli- chen und vor allem falschen Entscheidungen gegenüber dem Kunden. Die Regierung als Hauptaktionär ist gera- dezu verpflichtet, ihren Einfluss bei Herr Mehdorn gel- t e d u v K C A d F A B B z r d u d n d F w F F w R b e c u n l g w F h D t e s F a M e z u h V s r E N s (C (D end zu machen. Und wenn wir schon dabei sind, noch in paar zusätzliche Überlegungen: Setzen Sie sich bei er Bahn für eine Fahrradmitnahme in ICE-Zügen ein, m die Erreichbarkeit deutscher Ferienregionen im Fern- erkehr für Radtouristen deutlich zu verbessern. Wer kritisiert, der muss auch mal loben: Das gute onzept der 2002 in drei deutschen Städten eingeführten allbikes der DB AG sollten wir unterstützen und die usbreitung dieses Konzepts in weiteren Städten för- ern. Zur Entwicklung eines umfassenden Angebotes für ahrradtouristen zählt auch das bequeme und sichere bstellen der Fahrräder. Dadurch leisten wir auch einen eitrag zur Eindämmung des Fahrraddiebstahls. Bauliche Maßnahmen an Fahrradabstellplätzen wie oxen eignen sich hier ebenso wie eine bessere Kenn- eichnung der Fahrräder beispielsweise durch Codie- ung. Dies hätte auch den zusätzlichen Effekt, dass hier- urch der Kauf und Gebrauch hochwertiger Fahrräder nterstützt würden, da die Codierung die Identifizierung er Fahrrad-Eigentümer erleichtert. Endlich mal eine In- ovation, die kein Luftschloss ist. Mein Damen und Herren, alle drei Jahre kaufen sich ie Deutschen – rein statistisch – ein Auto. Aber ein ahrrad muss ein Leben lang halten. Das ist schon ein enig schizophren, oder? Denn auch im wirtschaftlichen Bereich bietet das ahrrad erhebliche Arbeitsmarktpotenziale, nicht nur bei ahrradproduktion und -handel und im Reparaturge- erbe, sondern auch bei Folgeprodukten wie spezieller adfahrerkleidung bis hin zu völlig neuen Serviceange- oten. Neue Arbeitsplätze können im Servicebereich ntstehen, zum Beispiel bei Fahrradstationen mit Bewa- hung, Vermietung, Kleinreparaturen, Zubehörhandel nd Information. Das Fahrrad ist nicht, wie häufig ange- ommen, ein „Low-Tech-Produkt“, sondern muss erheb- ichen Anforderungen bei möglichst geringem Gewicht erecht werden: Das bedeutet, dass die technische Ent- icklung des Fahrrades – unter anderem bei innovativen ederungs-, Licht- und Bremssystemen, aber auch schon insichtlich des Designs – längst nicht abgeschlossen ist. er Gesamtumsatz des deutschen Fahrradhandels be- rägt gegenwärtig rund acht Milliarden DM pro Jahr und s gibt 6 800 Fachhandelsbetriebe mit rund 50 000 Be- chäftigten sowie mehr als 4 000 Ausbildungsplätzen. ahrradförderung ist angesichts dieser Zahlen immer uch vor allem eine aktive Mittelstandsförderung. Neben diesen doch recht einfach zu realisierenden aßnahmen ist es in meinen Augen weitaus schwieriger, in fahrradfreundlicheres Klima im Verkehrsgeschehen u schaffen, das ein Miteinander der Verkehrsteilnehmer nd die gegenseitige Rücksichtnahme erleichtert. Leider aben wir es in diesem Bereich mit einer schleichenden errohung zu tun. Kein Tag ohne Horrormeldung. Ein innvoller Ansatz wäre die Ausgestaltung eines Rechts- ahmens, der regelkonformes Verhalten fördert. Positive rfahrungen mit der Verkehrssicherheitsphilosophie von achbarländern – zum Beispiel Niederlande, Dänemark – ollten hier einfließen. 8188 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) Deutschland ist fahrradtouristisch ein interessantes Ziel für Gäste aus dem Ausland. In den Nachbarländern wie zum Beispiel den Niederlanden und Dänemark be- steht ein großes Interesse, Deutschland mit dem Fahrrad zu erkunden. Sogar die Nachfrage aus Übersee steigt Jahr für Jahr. Mit attraktiven Angeboten gewinnen wir ein interessiertes, junges, ausländisches Publikum für den Urlaub in Deutschland. Mit unserem Antrag wollen wir diese Entwicklung fördern. Übrigens liegen wir mit unserer Forderung, den Fahrradtourismus zu fördern, gar nicht so weit auseinander, wenn ich Ihren Antrag „Fahr- Rad – für ein fahrradfreundliches Deutschland“ aus 2001 mit unserer Initiative vergleiche. Daher bitte ich Sie um Unterstützung für unseren An- trag. Bei einer Ablehnung ist es doch ziemlich offen- sichtlich, dass es Ihnen nicht um die Sache, sondern ein- fach nur um die Ablehnung eines Oppositionsantrages geht. Deshalb noch einmal mein Appell an Sie: Unter- stützen Sie unseren Antrag, damit der Fahrradtourismus in Deutschland nicht auf dem Schlauch steht. Annette Faße (SPD): Ich freue mich, dass die Da- men und Herren von der Opposition jetzt endlich auch den Fahrradtourismus entdeckt haben! Hätten sie aller- dings die Antwort der Bundesregierung auf ihre Anfrage vom Oktober vergangenen Jahres auch gelesen, hätten sie dem Bundestag diesen Antrag ersparen können. Hier wird lediglich Bekanntes wiederholt und bereits Umge- setzes gefordert! Offensichtlich wollten Sie auch einmal etwas für Ihre umweltbewussten Wähler tun! Seit Jahren ist es Ziel der SPD-Fraktion, Deutschland fahrradfreundlicher zu gestalten. Bereits vor zwei Jahren hat die Bundesregierung den Nationalen Radverkehrs- plan 2002 bis 2012 herausgegeben, um die Chancen des Fahrradverkehrs im Rahmen einer integrierten Verkehrs- politik auszubauen. Es ist sowohl der SPD-Fraktion als auch der Bundesregierung bekannt, dass sich der Fahrradtourismus in Deutschland bereits seit Beginn der 80er-Jahre in ländlichen Regionen zu einem wichtigen Wirtschaftszweig mit einem jährlichen Umsatz von 5 Milliarden Euro entwickelt hat. Nach dem Ergebnis der Reiseanalyse von 2003 haben im Jahr 2002 mehr als 2 Millionen Menschen Urlaub mit dem Rad gemacht. Das ist gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von über 12 Prozent! Knapp die Hälfte der Fahrradtouristen ver- brachte ihren Urlaub in Deutschland. Bekannt ist eben- falls, dass es hier noch ein ausbaufähiges Potenzial gibt. Was sagen Sie uns also Neues? Erstens, dass Radfah- ren gesund ist – wie auch eine aktuelle Studie des Robert Koch-Instituts beweist – vielen Dank für diese beachtenswerte Information! –, und zweitens, dass das Fahrrad das umweltfreundlichste Verkehrsmittel ist. Auch das wussten wir doch wohl schon! Wenn man Ihren Antrag liest, kommt einem schon der Verdacht, dass alle bisherigen Maßnahmen zur Förde- rung des Fahrradtourismus an der Opposition vorbeige- gangen sind. Zumindest stellen Sie ja fest, dass es „eine erfreuliche Entwicklung der letzten Jahre“ gibt und dass die Antwort der Bundesregierung auf Ihre Anfrage die „ h E b f e a d t d f f W b f g D r s r i z s B V g M B ß R d u B f U d B h e g a m g te t m z z o H (C (D Bundeskompetenz in diesem Bereich unterstrichen“ at. Immerhin! Sehen wir uns jetzt einen Teil Ihrer Forderungen im inzelnen an: Der Fahrradtourismus soll in bestehenden Umfragen erücksichtigt werden: das geschieht bereits durch Um- ragen des Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen . V. Die Voraussagen für die nächsten drei Jahre weisen uf eine Steigerung von 42,3 Prozent hin! Sie fordern, Erhebungen zu den von Radtouristen auf em Weg zu ihrem Urlaubsziel genutzten Verkehrsmit- eln durchzuführen. Befragungsergebnisse hierzu gibt es urchaus, diese können allerdings aufgrund von Mehr- achnennungen und unterschiedlichen Verkehrsträgern ür Hin- und Rückreisen nur bedingt aussagekräftig sein. as sollen Aussagen hierzu auch an weiterer Erkenntnis ringen? Das erklären Sie uns leider nicht. Gleiches gilt ür Ihre Forderung nach Erhebungsparametern, die zei- en sollen, wie hoch der Anteil des Fahrradtourismus am eutschlandtourismus ist. Für die Steigerung des Fahr- adtourismus in Deutschland ist nicht die Datenlage ent- cheidend! Der Ausbau des Bundesradroutennetzes geschieht be- eits und wird seit 2002 mit jährlich 100 Millionen Euro n einem gesondert eingerichteten Haushaltstitel finan- iert. Weitere 10 Millionen Euro jährlich sind zweckbe- timmt für den Bau von Radwegen auf Betriebswegen an undeswasserstraßen. Der Nationale Radverkehrsplan NRVP enthält eine ielzahl von Maßnahmen und Handlungsempfehlungen, egliedert nach Handlungsfeld, Maßnahme, Akteure und engengerüst. Im Rahmen des föderativen Aufbaus der undesrepublik Deutschland und der verfassungsgemä- en Rechtsordnung liegt die Hauptverantwortung des adverkehrs bei Ländern und Kommunen. Eine Reihe er Forderungen aus Ihrem Antrag sind somit schlicht nd einfach überflüssig, weil sich die Mitglieder des und-Länder-Arbeitskreises „Fahrradverkehr“ bereits in ünf Unterarbeitskreisen intensiv um die Begleitung und msetzung des NRVP kümmern. Die Fahrradmitnahme in ICE-Zügen ist ein Thema, as die SPD-Fraktion in zahlreichen Gesprächen mit der ahn angesprochen hat. Letztendlich handelt die DB AG ier aber als privatrechtlich organisiertes Unternehmen igenverantwortlich. Die DB AG bietet aber in allen Zü- en des Fernverkehrs eine Mitnahme von Fahrrädern an, ußerdem Verschickung von Fahrrädern und Fahrradver- ietung sowie Call-Bikes. Sie sehen, hier ist schon eine anze Menge erreicht worden! Und wir stehen hier wei- rhin in intensiven Gesprächen. Lassen Sie mich zum Schluss noch weitere bereits ge- roffene Maßnahmen zur Förderung des Fahrradtouris- us erwähnen: Im Haushaltsplan für dieses Jahr sind für Maßnahmen ur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplanes, wie um Beispiel die Durchführung von Fachkonferenzen der gezielte Öffentlichkeitsarbeit Mittel bis zu einer öhe von 2 Millionen Euro eingestellt. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8189 (A) ) (B) ) Im Jahr 2002 wurden für die Durchführung des bundesweiten Fahrradwettbewerbs „Best for bike“ 30 000 Euro bereitgestellt, ab 2003 werden jährlich 50 000 Euro dafür zur Verfügung stehen. Das zuständige Referat des Bundesverkehrsministeri- ums wurde ab diesem Frühjahr mit einer Mitarbeiterin verstärkt, die sich schwerpunktmäßig mit der Koordinie- rung der Umsetzung des NRVP befasst. Das begrüßen wir ausdrücklich! Für die Umsetzung des NRVP soll ein Fahrradportal als Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesverkehrs- ministeriums eingerichtet werden. Das Fahrradportal in- formiert über Planungs- und Rechtsvorschriften, For- schungsergebnisse, Fachliteratur, gute Beispiele und Ähnliches und dient als Arbeitsplattform für den Bund- Länder-Arbeitskreis „Fahrradverkehr“ und seine Unter- arbeitskreise sowie für die Fahrradbeauftragten auf Län- derebene und kommunaler Ebene. Die Installation kann nach Freigabe der Haushaltsmittel durch das Parlament erfolgen. Die Damen und Herren von der Opposition wollen den Fahrradtourismus in Deutschland umfassend fördern und haben leider nicht erkannt, dass das bereits ge- schieht! Ein überflüssiger Antrag mehr! Heidi Wright (SPD): Der vorliegende Antrag, der heute beraten und dann an den Fachausschuss überwie- sen wird, zielt darauf ab, dass Deutschland noch fahrrad- freundlicher werden soll. Die umwelt-, verkehrs-, ge- sundheits- und tourismuspolitische Bedeutung des Fahrrads soll noch stärker hervorgehoben werden. Ganz grundsätzlich stimme ich hier natürlich zu. Doch bei näherem Blick auf den 16 Punkte umfassen- den Forderungskatalog wird schnell deutlich, dass der größte Teil der Forderungen längst Gegenstand der rot- grünen Radverkehrspolitik ist. Einige Maßnahmen sind von der Bundesregierung, von den Ländern oder Kom- munen teilweise bereits realisiert, einige befinden sich in der aktiven Planungsphase. Lassen Sie mich zunächst einmal feststellen: Es gibt keineswegs einen Stillstand bei der Umsetzung des Nati- onalen Radverkehrsplans 2002 bis 2012 (NRVP) – ganz im Gegenteil: Die rot-grüne Verkehrspolitik hat einiges auf die Beine gestellt und kann handfeste Erfolge benen- nen. Von zentraler Bedeutung ist zunächst die Tatsache, dass seit 2002 ein gesondert eingerichteter Haushaltstitel mit 100 Millionen Euro pro Jahr – vorher waren es nur 50 Millionen Euro gewesen – zur Finanzierung von Rad- wegen an Bundesstraßen zur Verfügung steht. Weitere 10 Millionen Euro pro Jahr sind zweckbestimmt für den Bau von Radwegen auf Betriebswegen an Bundeswas- serstraßen. Ein weiterer Erfolg ist, dass es uns trotz angespannter Haushaltslage gelungen ist, für den Haushalt 2004 Fi- nanzmittel in Höhe von 2 Millionen Euro aus dem Rad- wegebautitel für nicht investive Maßnahmen zur Umset- zung des NRVP zur Verfügung zu stellen. Darüber freue i M t g Ü k z g v v E m n 1 h R G v Z s d d D t z z F d e s t k d v z v n a a h S ( k f h s Z v m d d k t (C (D ch mich besonders, denn mit diesen nicht investiven itteln leistet die Bundesregierung einen weiteren Bei- rag für eine effiziente Umsetzung des NRVP. Bevor ich auf einzelne Forderungen des Antrages ein- ehe, will ich nochmals konkretisieren, an welchen berlegungen und Fragen wir uns als rot-grüne Ver- ehrspolitiker bei der Umsetzung des NRVP vorrangig u orientieren haben. Diese sind: Werden mit der jeweili- en Maßnahme die Rahmenbedingungen für den Rad- erkehr und den Radtourismus insgesamt und umfassend erbessert? Werden die Chancen und damit auch die ntwicklungspotenziale, die der Fahrradverkehr im Rah- en einer integrierten Verkehrspolitik bietet, optimal ge- utzt? Vor diesem Hintergrund möchte ich zunächst aus dem 6 Punkte umfassenden Forderungskatalog einen Punkt erausgreifen, der mir schon lange am Herzen liegt: die admitnahme im DB-Fernverkehr. Dies aus zweierlei ründen: Einerseits halte ich die Radmitnahme im Fern- erkehr für eine wichtige Voraussetzung dafür, dass alle ielgebiete in Deutschland, insbesondere auch touristi- che, von Radtouristen erreicht werden können. Ohne ieses Angebot ist der Radtourismus gefährdet. Zum an- eren sehe ich gerade bei der Frage Radmitnahme im B-Fernverkehr Klärungsbedarf zwischen den beteilig- en Akteuren und erheblichen Handlungsbedarf. Das Gute vorab: Wie aktuell von der DB Rent GmbH u hören ist, hat der Vorstand der DB AG auf seiner Sit- ung im Dezember 2003 die Entwicklung eines neuen ahrradkonzeptes beschlossen; die Einzelheiten sind in er Abstimmung und interessieren uns brennend. Die Argumentationsweise der DB AG entspricht der ines privatrechtlich organisierten Unternehmens, das ich von (betriebs-)wirtschaftlichen Gesichtspunkten lei- en lässt: Die Fahrradmitnahme im Hochgeschwindig- eitsverkehr lasse sich nicht wirtschaftlich realisieren, a Umsteigezeiten verlängert würden und das Vorhalten on Fahrradabstellplätzen Kapazitäten binde, die dann ulasten der Fahrgastbeförderung gingen. Das Bundes- erkehrsministerium als Dialogpartner führt an, es könne icht in Planung und Durchführung der Leistungs- ngebote eingreifen und demzufolge auf die DB AG uch nicht Einfluss nehmen. Dem halte ich Zahlen entgegen, die die Bahn selbst at erheben lassen – und ich beziehe mich hier auf ein chreiben des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs ADFC) vom 20. August 2003: Diese Zahlen weisen lar aus, dass in der Vergangenheit die Bahn davon pro- itiert hat, dass gerade der Fahrradtourismus anhaltend öhere Wachstumsraten aufweist als alle anderen Reise- parten; in 2002 erneut ein Plus von 12,7 Prozent. Die ahlen weisen aus, dass Fahrrad fahrende Bahnkunden iel öfter den Zug benutzen als andere Personen und da- it zu den besonders treuen Kunden gehören. Es braucht eine baldige und eine kluge Entscheidung er DB AG, die den Fahrradtourismus stärkt. Ich werde eshalb die weitere Entwicklung forcieren und den Ab- lärungsprozess zwischen den beteiligten Akteuren kri- isch begleiten. 8190 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) Noch ein paar Anmerkungen zu den Forderungen 13 und 14 des Antrages: Die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und die Verwaltungsvorschriften der StVO sollen zu- gunsten eines noch sichereren und attraktiveren Fahrrad- verkehrs überarbeitet werden; ein entsprechender Refe- rentenentwurf des Bundesverkehrsministeriums ist erarbeitet. Der Bund-Länder-Arbeitskreis Fahrradver- kehr wird Anfang dieses Jahres in die Beratungen miteinbezogen werden, nachdem der zuständige Bund- Länder-Fachausschuss für den Straßenverkehr und die Verkehrspolizei der Länder sich auf voraussichtlich im Bundesrat mehrheitsfähige Vorschläge zu einigen sehr streitig diskutierten Detailregelungen verständigt haben. Gut, dass wir jetzt die Koordinierungsstelle im Bundes- ministerium haben – also, los jetzt. Auch diese Sache darf nicht weiter verschleppt werden. Ein Wort noch zu einer erfreulichen Entwicklung beim Versicherungsschutz der Radfahrerinnen und Rad- fahrer: Die fünfte Autoversicherungs-Direktive der EU zur Haftpflichtversicherung sieht vor, dass künftig Ver- letzungen von Radfahrern bei Unfällen mit Kraftfahr- zeugen grundsätzlich von der Haftpflichtversicherung der Autofahrer abgesichert werden, und zwar unabhän- gig von der Schuldfrage. Diese Regelung bringt mehr Rechtssicherheit für die Radfahrer, sie wird die Schadensregulierung vereinfa- chen und das allgemeine Gesundheits- und Sozialversi- cherungssystem entlasten. Der Bundesverkehrsminister ist nun gefordert, die Umsetzung der Regelung in Deutschland vorzunehmen – und somit eine weitere For- derung aus dem NRVP zu erfüllen. Klaus Brähmig (CDU/CSU): Dass die CDU/CSU- Bundestagsfraktion heute einen Antrag mit dem Titel „Den Fahrradtourismus in Deutschland umfassend för- dern“ in den Deutschen Bundestag einbringt, zeigt eines sehr deutlich: Die rot-grüne Bundesregierung versäumt es nach wie vor, zentrale Probleme des Fahrradtourismus in Deutschland endlich tatkräftig anzupacken. Mit dem Nationalen Radverkehrswegeplan aus dem Jahr 2002 wollte die Regierung zwar Handlungskompe- tenz beweisen, scheitert aber eklatant bei der praktischen Umsetzung. Sie verfügt weder über strategische Planun- gen noch kann sie konkrete Arbeitspläne präsentieren. Weiterhin ist es völlig inakzeptabel, dass wesentliche Fragen der Verantwortung und Finanzierung den Län- dern und Kommunen zugewiesen werden. Der Bund muss hier seiner Aufgabe gerecht werden, den Ausbau des Bundesradroutennetzes voranzutreiben und regio- nale und touristische Belange zu koordinieren. Insbeson- dere bei der Aufgabe der Beschilderung versagt der Bund; denn er stellt hierfür keine Finanzmittel zur Verfü- gung. Auch hier gilt das bewährte rot-grüne Motto: Die vollmundigen Versprechungen übernimmt der Bund, die Länder und Kommunen dürfen die Finanzierung sicher- stellen. Neben dem Ausbau des Radwegenetzes ist es die tou- ristische Vermarktung des Projektes „Fahrradtourismus in Deutschland“, die einen wichtigen Ansatzpunkt für ein fahrradfreundliches Land darstellt. Die Bundesregie- r s d e d G F D te z s n o r f r d G T A a S a d d v K F m A B c O a A n w p d p u n r a li z s k li e g n Z d s (C (D ung preist hier zu Recht den Angebotskatalog der Deut- chen Zentrale für Tourismus „Deutschland per Rad ent- ecken“ und lobt die weltweite Verbreitung mittels einer nglischsprachigen Fassung. Dabei verschweigt sie aber, ass die DZT die finanzielle Unterstützung für dieses emeinschaftsprojekt mit dem Allgemeinen Deutschen ahrrad-Club im Jahr 2004 um 10 Prozent kürzen will. ie Fortführung des gesamten Projektes ist damit exis- nziell gefährdet. Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, diesen finan- iellen Engpass schnell zu beheben. Wir werden bei die- er Forderung nicht locker lassen, denn am Geld liegt es icht. Es wäre genug Geld für die DZT und das Stand- rtmarketing vorhanden. Leider setzt die Bundesregie- ung das Geld allerdings falsch ein. Anstatt teilweise ragwürdige Beraterverträge abzuschließen und mit teu- en Werbekampagnen die Korrektur der selbstverschul- eten Imageschäden zu betreiben, sollten durch die enerierung zusätzlicher Kaufkraft Arbeitsplätze im ourismus gesichert bzw. neu geschaffen werden. Die kquisition von kaufkräftigen Touristen muss endlich ls aktive Wirtschaftsförderung verstanden werden. chon Henry Ford hat gewusst: Enten legen ihre Eier in ller Stille. Hühner gackern dabei wie verrückt. Was ist ie Folge? Alle Welt isst Hühnereier. Voraussetzung für en Erfolg des Fahrradtourismus ist also neben einer ernünftigen Infrastruktur die Anfangsinvestition, um unden auf das Produkt aufmerksam zu machen. Ein Beispiel aus dem Freistaat Sachsen zeigt, dass der ahrradtourismus ein hohes Potenzial für die Gastrono- ie- und Beherbergungsunternehmen entwickeln kann. llein im sächsischen Teil des Elberadweges, zwischen ad Schandau in meinem Wahlkreis und Torgau, setzten irca 70 000 Radtouristen in der Zeit zwischen April und ktober 2003 rund 28 Millionen Euro um. An diesen Zahlen kann man erkennen, dass ein gut ufbereitetes Branchennetzwerk zum Erfolg beiträgt. uf dem Elberadweg werden neben Hotel- und Gastro- omie auch Fahrradhersteller, Händler und Reparatur- erkstätten in die Vermarktungsstrategie integriert. Der otenzielle Besucher erhält auf einen Blick alle notwen- igen Informationen für seinen Fahrradurlaub. Diesem ositiven Beispiel sollten auch andere Regionen folgen, m dieses attraktive Segment des Deutschlandtourismus och weiter zu stärken. Gerade wegen der bevorstehenden EU-Osterweite- ung ist es auch notwendig, dass die Bundesregierung uf die EU-Kommission einwirkt, Finanzmittel zur Rea- sierung eines europäischen Radfernwegenetzes bereit- ustellen. Die transeuropäischen Verkehrsnetze dürfen ich nicht allein auf den Ausbau von Straße und Schiene onzentrieren, sondern müssen auch das umweltfreund- che und gesundheitsfördernde Verkehrsmittel Fahrrad inbeziehen. Analog zum Verkehrswegeplanungsbeschleunigungs- esetz sollten wir ernsthaft darüber nachdenken, ob wir icht ein Fahrradwegebeschleunigungsgesetz brauchen. urzeit ist es nämlich vielfach ein Problem, die vorhan- enen Finanzmittel schnell in konkrete Baupläne umzu- etzen. Beispielsweise hapert es aufgrund der finanziel- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8191 (A) ) (B) ) len Situation einiger Kommunen daran, bestehende Lücken im nationalen Radwegenetz schließen zu kön- nen. Ich hoffe, dass wir in den vor uns liegenden Aus- schussberatungen gemeinsam für die Förderung des Fahrradtourismus in Deutschland und Europa in die Pe- dale treten. Ideologische Auseinandersetzungen sind an dieser Stelle nicht angebracht. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn vor 20 Jahren ein Antrag gestellt worden wäre, über Fahrradtourismus in Deutschland im Deutschen Bundestag zu debattieren, dann hätte wohl die Mehrheit in und außerhalb des Hohen Hauses gesagt: „Jetzt spin- nen sie, diese Grünen-Ökos!“ Heute kommt ein solcher Antrag von der CDU/CSU. Mein augenzwinkerndes Kompliment an die Antragstel- lerinnen und Antragsteller, denn Sie haben endlich – we- nigstens verbal und vielleicht auch nur kurz – das Steuer weggelegt und den Fahrradlenker entdeckt. Jetzt freuen sich endlich auch mal alle Fraktionen über die beeindru- ckende Erfolgsgeschichte des Radtourismus in den letz- ten Jahren. Die Zeiten haben sich verändert: Radfahren und Rad- tourismus sind keine Exotenthemen mehr, sondern das Rad ist quasi ein boomender „Volkssport“ geworden. Die Reiseanalyse des Allgemeinen Deutschen Fahrrad- Clubs (ADFC) für das Jahr 2002 belegt diesen Wachs- tumstrend in Zahlen. Bei den Radreisen in Deutschland verbrachten mehr als 2 Millionen Menschen ihren Ur- laub auf dem Fahrradsattel – das ist eine zweistellige Zu- wachsrate von knapp 13 Prozent im Vergleich zum Vor- jahr. Für jeden zweiten Urlauber gehört das Radfahren zur Urlaubsaktivität dazu. Die Zukunftsaussichten sind gut, denn Radurlaub wächst kontinuierlich weiter. Über 11 Prozent der Bürgerinnen und Bürger planen nach ADFC-Angaben in nächster Zeit „ziemlich sicher“ eine Radreise. Damit zeigt sich, dass mit dem Fahrradtourismus ein stabiles Marktsegment entstanden ist. Die Zuwachsraten für die Beherbergungsbetriebe mit dem bekannten Na- men „Bett & Bike“ sind enorm. Längst setzen kleine Gasthöfe und Hotels auf Einzelradler, Familienurlaub oder auch auf die organisierte Radlergruppe. Von 1995 bis zum Jahr 2003 hat sich die Zahl der fahrradfreundli- chen Beherbergungsbetriebe mehr als verfünfzehnfacht! Es ist beeindruckend, dass die Radlerinnen und Radler nicht nur Deutschland entdecken, sondern dass umge- kehrt auch gilt: Deutschland entdeckt die Radfahrerin- nen und Radfahrer. Die Bundesregierung bestätigt diese positive Ent- wicklung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU, und auch die heutigen Antragsteller verwei- sen auf die vom ADFC vorgelegten Umfragen. Diese Er- folgsgeschichte ist maßgeblich mitgestaltet worden durch einen verstärkten Ausbau der Radinfrastruktur in Deutschland in letzter Zeit. Wir haben im Jahr 2002 die Mittel für den Radwegebau an Bundesstraßen auf 100 Millionen Euro verdoppelt. Weitere 10 Millionen E v a b D e D k s l b g d l b i a v N ü d m n L w L s e z d m p c m B u d W t w E s e g d e N E w g e n g z L (C (D uro sind für den Radwegebau an Bundeswasserstraßen orgesehen. Wir haben dieses hohe Niveau übrigens uch in der jetzigen Phase knapper finanzieller Mittel eibehalten. Wir wollen als Regierungskoalition da weitermachen. enn wir wissen, dass Radverkehr und Radtourismus ine deutschlandweit bessere Radinfrastruktur brauchen. azu haben wir im Jahr 2002 den Nationalen Radver- ehrsplan erarbeitet, mit dem wir uns auch selbst politi- che Vorgaben bis zum Jahr 2012 für ein fahrradfreund- iches Deutschland machen. Denn Fahrradtourismus oomt besonders dort, wo es durchgängige Verbindun- en zum Beispiel entlang größerer Flüsse gibt. Es darf in er Frage eines überregionalen Radverkehrsnetzes nicht änger eine kleinkarierte und unkoordinierte Politik ge- en. Für diesen übergreifenden Teil der Verkehrspolitik st daher auch der Bund in der Pflicht, es müssen aber uch andere staatliche Ebenen mitziehen. So sollten sich iele Bundesländer an der guten Radverkehrspolitik in ordrhein-Westfalen ein Beispiel nehmen. Wir müssen Klarheit bekommen über den Ausbau des berregionalen Fahrradnetzes. Ich halte dies auch vor em Hintergrund des touristischen Zusammenwachsens it unseren Nachbarländern für unverzichtbar. So kön- en auch Randregionen attraktiver werden. In unserem and müssen die auf regionaler Ebene bestehenden Rad- ege besser vernetzt werden, und es müssen ärgerliche ücken endlich geschlossen werden. Vielfach ist die Be- childerung nach wie vor verbesserungsbedürftig. Es ist in offenes Geheimnis, dass wir mit der ständigen Redu- ierung der Radmitnahmemöglichkeiten im Fernverkehr er Deutschen Bahn nicht einverstanden sind. Die Rad- itnahme im IC-Zug ist zwar erlaubt, aber ziemlich un- raktisch. Die Interregio-Züge sind weitgehend gestri- hen worden. Im ICE ist leider keine Radmitnahme öglich. Die Unternehmensvorstände der Deutschen ahn müssen endlich verstehen, dass Radfahrerinnen nd Radfahrer nicht nur am Urlaubsort treue Bahnkun- en sein wollen, sondern auch bei An- und Abreise. enn die Deutsche Bahn in dieser Frage an ihrer restrik- iven Politik festhält, wird sie nicht nur für sich selbst ein ichtiges Kundenpotenzial vergraulen, sondern auch die ntwicklung des Radtourismus in Deutschland insge- amt beeinträchtigen. Der Radtourismus ist unter ökologischen Aspekten ine vernünftige Form des Tourismus. Er ist auch wichti- er Teil eines nachhaltigen Tourismus. Es freut mich, ass immer mehr Menschen sagen können: Er ist auch in gutes Geschäft geworden. Denn damit ist auch ein achweis erbracht, dass die belächelten, ehemaligen xoten von einst heute als seriöse Experten anerkannt erden können. In diesem Sinne verstehe ich den vorlie- enden Antrag als Ermunterung und Unterstützung, den rfolgreichen Weg der letzten Jahre fortzusetzen. Ernst Burgbacher (FDP): Die Ausgangslage für ei- en erfolgreichen Fahrradtourismus in unserem Land ist ut. Deutschland bietet geeignete klimatische Vorausset- ungen für den Fahrradtourismus. Welcher Radler hätte ust und Laune, unter sengender Sonne und in brütender 8192 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) ) (B) ) Hitze etliche Kilometer abzustrampeln? – Ich nicht! Hier ist Deutschland mit seinen eher gemäßigten Temperatu- ren begünstigt. Hinzu kommt das reizvolle landschaftli- che und kulturelle Angebot, das sich dem Radtouristen, aber nicht nur diesem, erschließt. Ich jedenfalls genieße Radtouren durch verschiedene deutsche Regionen im- mer ganz besonders. Der Radtourismus trägt insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Gebieten zu einer Verbesserung der Infrastruktur bei und kommt diesen Regionen wirt- schaftlich zugute. Radler, egal ob auf Tagestouren oder auf mehrtägigen oder gar mehrwöchigen Touren, kehren in einem Gasthaus oder Restaurant ein, brauchen Über- nachtungsmöglichkeiten und kaufen Dinge des täglichen Bedarfs. Mehr als 2 Millionen Menschen haben im Jahr 2002 Urlaub mit dem Rad gemacht, knapp die Hälfte da- von in Deutschland. Ein ausbaufähiges Potenzial ist vor- handen. Für die nächsten Jahre werden weitere deutliche Zuwachsraten prognostiziert. Daher ist es wichtig, den Fahrradtourismus in Deutschland zu fördern. Allerdings warne ich davor, dort regulieren zu wollen, wo die Verantwortung bei den Ländern und Kommunen liegt. Ich trete in und außerhalb der Föderalismuskommission von Bundestag und Bun- desrat, deren Mitglied ich bin, für eine klare Kompetenz- trennung zwischen Bund und Ländern und die strikte Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips ein. Deshalb halte ich den Punkt vier des Unionsantrags, den Ausbau des Bundesradroutennetzes voranzutreiben und hier regionale und touristische Belange zu koordi- nieren, für ungeeignet. Dies gehört – bis auf Radwege an Bundesstraßen – nicht in Bundeskompetenz. Tourismus allgemein und die Förderung des Radverkehrs im Beson- deren sind Sache der Länder und Kommunen. Was die Beschilderung von Radwegen angeht, so verweise ich auf die Ergebnisse der von der FDP-Fraktion beantrag- ten Anhörung im Tourismusausschuss zur touristischen Beschilderung. Wir müssen ein System für die touristi- sche Beschilderung entwickeln, in das auch die Beschil- derung von Radwegen einbezogen wird. Zu den anderen Punkten des Antrags: Die FDP-Bun- destagsfraktion unterstützt die Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung des Segments Radtourismus bei Umfragen und statistischen Erhebungen, um auf diese Weise mehr und verlässliches Zahlenmaterial über Umfang und Bedeutung des Fahrradtourismus zu gewin- nen. Wichtig ist auch, dass von den zuständigen Touris- musorganisationen stimmige Angebotspakete für Rad- touristen geschnürt und professionell vermarktet werden. Denn obwohl noch immer die Mehrzahl der Radtouristen ihre Touren selbst organisiert, wächst die Nachfrage nach „maßgeschneiderten Pauschalangebo- ten“. Hier bieten sich Chancen, dieser Nachfrage zu ent- sprechen und neue Kunden zu gewinnen. Die Vernetzung der Verkehrsträger halte ich ebenfalls für wichtig. Wir alle kennen die berechtigten Klagen über die Probleme bei der Fahrradmitnahme im ICE. Hier muss sich die Bahn bewegen. Es müsste meines Er- achtens im Interesse der DB liegen, Kunden zu gewin- n s r g g s w n d h e A r j p K e t D A „ s p d E n n d t r e p u g D S d M S – w g (C (D en, nicht noch weitere zu verlieren. Ferienregionen ollten gerade auch per Bahn erreichbar sein. Bei Punkt 13, in dem es um die Schaffung eines fahr- adfreundlichen Klimas im Verkehrsgeschehen und die egenseitige Rücksichtnahme der Verkehrsteilnehmer eht – ohne Zweifel ein sehr wichtiger Aspekt ange- ichts der Verkehrsunfallstatistiken –, interessiert mich, ie die Union sich dies konkret vorstellt. Welche Maß- ahmen sollen hier ergriffen werden? Was die Forderung nach einer Codierung aller Fahrrä- er und die Unterstützung des Kaufs und Gebrauchs ochwertiger Fahrräder angeht, um den Raddiebstahl inzudämmen, so sage ich hier ganz klar: Das ist nicht ufgabe der Politik und das soll es auch nicht sein. Fahr- adkauf und -nutzung sind eine Sache des Marktes. Ob emand ein hochwertiges codiertes Fahrrad oder ein reisgünstigeres, nicht codiertes Rad kauft, sollte jedem äufer selbst überlassen bleiben. Von diesen Einzelpunkten einmal abgesehen gilt, wie ingangs bereits gesagt, dass die FDP-Bundestagsfrak- ion den Antrag zur Förderung des Fahrradtourismus in eutschland im Grundsatz begrüßt und unterstützt. nlage 11 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: „Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Venezuela unterstützen – Freiheit der Medien und wirtschaftliche Pros- perität wiederherstellen“ (Tagesordnungs- punkt 18) Lothar Mark (SPD): Der hier zu beratende Antrag Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Venezuela unter- tützen – Freiheit der Medien und wirtschaftliche Pros- erität wiederherstellen“ findet nicht die Zustimmung er SPD-Bundestagsfraktion. Dies hat folgende Gründe: Der Antrag weist unseres rachtens erhebliche Mängel auf, denn er lässt von sei- em Grundtenor her wesentliche Aspekte der venezola- ischen Krise außer Acht. In seiner Konzentration auf ie Freiheit der Medien und die wirtschaftliche Prosperi- ät Venezuelas greift er unserer Ansicht nach zu kurz. Entsprechend eindimensional sind die daraus resultie- enden Schlussfolgerungen. Sie zeugen zudem von einer inseitigen Haltung zugunsten der venezolanischen Op- osition. Damit beteiligen Sie sich, liebe Kolleginnen nd Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, kräftig am leichen Spiel, das Venezuela seit Monaten paralysiert. urch ein solches parteiisches Verhalten unterstützen ie die dort herrschende Polarisierung noch. Sie nehmen abei in Kauf, dass Deutschland seine Rolle als ehrlicher akler und damit seine Einflussmöglichkeiten aufs piel setzt. Die Krise in Venezuela hat nicht erst 1998 mit der demokratischen – Wahl von Hugo Chávez begonnen, ie der Antrag richtig bemerkt. Als allgemein anerkannt ilt, dass das Scheitern der paktierten Elitendemokratie Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 8193 (A) ) (B) ) zu Beginn der 90er-Jahre die tiefer liegende Ursache der heutigen Krise ist, die sich in einem hohen Maß an poli- tischer und sozialer Gewalt und dem Glaubwürdigkeits- verlust der tragenden politischen Institutionen, vor allem der Parteien und dem Parlament manifestiert. Das derzeitige politische Tauziehen zwischen der Re- gierung und der Oppositionsbewegung hat das Land po- larisiert und das staatliche und wirtschaftliche Gefüge ausgehöhlt. Ein Plebiszit kann in dieser Situation zwar die Mehrheitsverhältnisse ändern, nicht aber die Patt- situation zwischen beiden Kräften aufheben. Die Grund- lage für eine Rekonsolidierung des Staates liegt daher unserer Auffassung nach in einer dauerhaften demokrati- schen Konsensfindung, was mit der ebenso heterogenen wie konzeptionslosen venezolanischen Opposition nicht ohne weiteres ersichtlich ist. Führen wir uns einmal vor Augen, um welche politi- schen Kräfte es sich hier handelt und welche zweifelhaf- ten Meriten sie sich bislang im Dienste einer konstrukti- ven Lösungsfindung erworben haben. Einziger gemeinsamer Nenner dieser ein breites politisches Spek- trum abdeckenden Bewegung ist die Absetzung der rechtmäßig gewählten Regierung bzw. des Präsidenten. Der Staatsstreich vom April 2002, der antidemokratische Bruch der verfassungsmäßigen Ordnung, sowie das un- verantwortliche Vorgehen bei der Ausrufung des Gene- ralstreiks im Dezember 2002 zeugen nicht gerade von dem verantwortungsvollen Handeln einer demokratisch gesinnten Opposition, so wie es der vorliegende Antrag annimmt. Zur Beurteilung der Situation der Medienfreiheit in Venezuela muss man dies und noch einige weitere Fakten im Hinterkopf behalten, die im Antrag nicht genannt wer- den: Die venezolanischen Massenmedien haben sich längst zu einem entscheidenden Macht- und Mobilisie- rungsfaktor mit enormem Einfluss auf die öffentliche Meinung entwickelt. Sie sind in einem Ausmaß selbst zum politischen Akteur geworden, das für unsere Verhält- nisse schwer vorstellbar ist. Vier der fünf landesweit aus- strahlenden TV-Sender sind privat und de facto von der Opposition dominiert. Sie sind damit ebenso sehr „Agita- tionsinstrument“, wie dies zweifellos der staatliche Kanal für die Regierung ist. Bei meiner letzten Reise nach Ve- nezuela konnte ich mich selbst vom weitreichenden Ein- fluss der privaten Sender überzeugen, als mir deren Di- rektoren unverblümt sagten, dass die privaten Medien einen Gegenkandidaten für mögliche Präsidentschafts- wahlen aufbauen würden, wenn die Opposition dazu wei- terhin nicht im Stande sei. Ähnlich sehe man es mit dem Wahlprogramm der Opposition. Die Medien bieten also ein genaues Abbild der ex- trem gespaltenen venezolanischen Gesellschaft. Sie sind einer der wichtigsten Austragungsorte, an dem sich die Auseinandersetzung zwischen Chavisten und der Oppo- sition abspielt. Beide Seiten kämpfen offensichtlich mit harten Bandagen; dies ist nicht schön zu reden, aber eben auch nicht einseitig der Regierung anzulasten. Im Antrag wird weiterhin zu Recht die wirtschaftlich desolate Situation Venezuelas aufgezeigt. In der Tat hat die venezolanische Wirtschaft nicht erst durch den Ge- n s l V O r A s t r f a A c n k d z A d s Ä d k k d m w is o n s g n M g e s z f r w w w f V b e e w g s d i g (C (D eralstreik im Dezember 2002, aber durch diesen we- entlich beschleunigt, eine besorgniserregende Entwick- ung genommen. Insofern muss auch hier wieder die erantwortung beider Seiten benannt werden, denn die pposition hat diese wirtschaftlichen Schäden durch ih- en Streikaufruf billigend in Kauf genommen. Die im ntrag kritisierten Maßnahmen zur Kontrolle des Devi- enabflusses, die Präsident Chávez nach dem zweimona- igen Streik der Opposition verordnet hat, sollen im Üb- igen offiziellen Angaben zu Folge gelockert werden. Es ist richtig, dass an Präsident Chávez’ Regierungs- ührung in vielen Punkten Kritik zu üben ist. Anstatt ber ausschließlich mit objektiv belegbaren Daten und rgumenten zu arbeiten, spielt der Antrag mit ungesi- herten Erkenntnissen und beteiligt sich an Spekulatio- en, wie zum Beispiel über die spionageverdächtigen ubanischen Ärzte. Diese wurden im Rahmen eines von er Regierung ins Leben gerufenen Sozialprogramms ur Verbesserung der medizinischen Versorgung in den rmenvierteln eingesetzt. In die Kritik gekommen ist as Programm in Venezuela vor allem durch die Be- chäftigung kubanischer und nicht venezolanischer rzte. Für den Verdacht, es handele sich um Geheim- ienstmitarbeiter, der aus venezolanischen Oppositions- reisen lanciert wurde, gibt es meines Wissens bisher einerlei Beweise. Vielmehr scheint es, als solle hier mit dem Schüren er Angst vor dem Abgleiten Venezuelas in den Sozialis- us/Kommunismus die Regierung Chávez diskreditiert erden, was ebenso unberechtigt wie unverantwortlich t. Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang eine Be- bachtung im internationalen Kontext: Das Schüren ei- er Eskalation der Auseinandersetzungen bzw. die De- tabilisierung Venezuelas aus wirtschaftlichen und eopolitischen Gesichtspunkten scheint im Interesse ei- iger Länder zu liegen, die sich nicht im zu erwartenden aß für eine konstruktive Lösung des Konflikts enga- ieren. Wie sonst wäre zum Beispiel die vorschnelle An- rkennung der nach dem Putsch gegen Chávez einge- etzten Carmona-Regierung durch die USA und Spanien u erklären? Trotz kritischer Haltung zum „Bolivarianischen Re- ormprojekt“ Chávez’, das in der Tat bislang eine ge- inge Ergebnisorientierung in Bezug auf die drängenden irtschaftlichen und sozialen Probleme Venezuelas auf- eist, scheint es mir vorrangig, einen rechtmäßig ge- ählten Präsidenten anzuerkennen. Ebenso hat die neue, ünfte venezolanische Verfassung – bei aller Kritik an erfahrensfehlern und Verweisen auf die geringe Wahl- eteiligung – im Megawahljahr 2000 die Zustimmung iner Mehrheit der Bevölkerung erhalten. Diese Wahl- ntscheidungen müssen von allen Parteien akzeptiert erden und jeglichem Lösungsansatz des Konflikts zu- runde liegen. Insofern sollte das Hinwirken auf einen demokrati- chen Minimalkonsens alle politischen Kräfte des Lan- es einschließen und von einem echten, glaubwürdigen nternationalen Engagement zur Einbindung Venezuelas etragen werden. Die Forderung des Antrags nach einem 8194 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 (A) (C) (B) ) aktiveren politischen Krisenmanagement in Koordina- tion mit der OAS und dem Carter-Center ist somit sehr zu begrüßen. Den sozio-ökonomischen Ursachen des Konfliktes und seinen das gesamtgesellschaftliche Gefüge betref- fenden Auswirkungen sollte dabei aber stärker Rech- nung getragen werden, als im Antrag formuliert. Für die SPD-Fraktion ergeben sich folgende Schwer- punkte: Einer sowohl politischen wie auch wirtschaftli- chen Isolierung Venezuelas muss unbedingt entgegenge- wirkt werden. Bestehende Initiativen zur Einbindung von Venezuela in das internationale System begrüßen wir. Insbesondere die wirtschaftliche Einbindung des Landes in die existierenden südamerikanischen Integra- tionssysteme halten wir für wichtig. Wir begrüßen – wie zurzeit beantragt – eine Aufnahme Venezuelas als asso- ziiertes Mitglied in einem von neuer Dynamik gekenn- zeichneten Mercosur. Hervorzuheben ist auch eine stär- kere Zusammenarbeit mit dem großen Nachbarn im Süden, Brasilien, wie sie im jüngsten Abkommen von Wandel der politischen Kultur abzielen können. Die po- litischen Stiftungen leisten hier schon sehr gute Arbeit, die noch ausgebaut werden könnte. Ob allerdings die einseitige Einmischung der KAS in Caracas dienlich ist, bleibt mehr als fragwürdig. Wir müssen ein großes Interesse daran haben, dass dem Legitimationsverlust des politischen Systems in der Bevölkerung entgegengewirkt wird. Das Beispiel Vene- zuelas hat aufgrund seiner als Maßstab für andere Län- der der Region geltenden demokratischen Tradition und Stabilität eine große Ausstrahlung in den Andenraum hi- nein und auf Gesamtlateinamerika. Das schwierige Verhältnis zu Kolumbien aufgrund des oft geäußerten Vorwurfs der fehlenden Unterstüt- zung beim Anti-Terrorkampf bzw. der Unterstützung von Guerillatruppen auf venezolanischem Gebiet zeigt die regionale Dimension der Problematik. Wer die geo- graphische Situation dort kennt, weiß allerdings auch, dass diese Grenzen nicht 100 Prozent kontrollierbar sind. Recife zwischen beiden Staaten für den Erdölsektor ver- einbart wurde. Diese Initiativen zeigen, dass Venezuela handlungsfähig ist, sich stärker in den südamerikani- schen Markt einbringen wird und wecken die Hoffnung auf – zumindest mittel- bis langfristig – stabilisierende Wirkung. Von deutscher bzw. europäischer Seite aus sollten die Bemühungen um eine Wiederbelebung der wirtschaftli- chen Beziehungen im Vordergrund stehen. Deutsche Un- ternehmen haben sich in Reaktion auf die Entwicklun- gen in Venezuela vergleichsweise zurückhaltend verhalten. Einige Schlaglichter, wie beispielsweise das Engagement von Siemens im Nahverkehrsbereich in Maracaibo, hellen das Dunkel etwas auf, müssten aber weitere Aktivitäten auch von KMU nach sich ziehen. Ein weiterer Schwerpunkt sollte bei der Zusammenar- beit im Bereich der Heranbildung von Humankapital so- wie der Vorstellung von wirtschafts- und sozialpoliti- schen Initiativen liegen, die bei der Entwicklung von eigenen Erfahrungen in Venezuela nützen und auf einen z t m n s a r n z f b s n v r L u s sellschaft mbH, Amsterdamer Str. 19 (D Abschließend würde ich mir insgesamt eine differen- iertere Herangehensweise an die Diskussion um die ak- uellen Entwicklungen in Venezuela wünschen. Wir üssen uns mit der Tatsache auseinandersetzen, dass eopopulistische Politikprofile in Lateinamerika insge- amt an Bedeutung gewinnen, was unter anderem auch n bestimmten historischen und gesellschaftlichen Vo- aussetzungen in der Region liegt. Wir sollten uns zu- ächst fragen, welche internen und externen Faktoren ur Erosion traditioneller repräsentativer Politiksysteme ühren, bevor wir versuchen, einfache Antworten zu ge- en. Im Fall Venezuelas scheint es besonders schwer, zwi- chen Schwarz und Weiß auch noch Grautöne wahrzu- ehmen. Aber gerade hier ist es besonders wichtig. Der orliegende Antrag versucht nicht, sich diesen Schattie- ungen anzunähern und kann daher keine differenzierten ösungsansätze entwickeln. Aus diesem Grund ist er für ns eine nicht akzeptable Betrachtung der venezolani- chen Realität. 91, 1 2, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344 91. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2004 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1509100000

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Sitzung ist eröffnet.
Der Kollege Ortwin Runde feiert heute seinen

60. Geburtstag. Ich gratuliere ihm im Namen des Hauses
herzlich und wünsche alles Gute.


(Beifall)

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat mitge-

teilt, dass die Kollegin Christine Scheel als ordentliches
Mitglied aus dem Verwaltungsrat bei der Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht ausscheidet. Als Nach-
folgerin wird die Kollegin Antje Hermenau, die bisher
stellvertretendes Mitglied war, vorgeschlagen. Neues
stellvertretendes Mitglied soll die Kollegin Kerstin
Andreae werden. Sind Sie damit einverstanden? – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann sind die Kollegin Antje
Hermenau als ordentliches und die Kollegin Kerstin
Andreae als stellvertretendes Mitglied für den Verwal-
tungsrat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf-
sicht vorgeschlagen.

Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene
Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufge-
führten Punkte zu erweitern:

ZP 1 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren

Redet

(Ergänzung zu TOP 28)

a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Hans-Michael

Goldmann, Jürgen Türk, Dr. Christel Happach-Kasan, weite-
ren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur endgültigen Regelung über Alt-

(LandwirtschaftsEnd-Altschuldengesetz – LwEndAltschG)

– Drucksache 15/2468 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. R
Dirk Niebel, Daniel Bahr (Münster), weiterer
und der Fraktion der FDP: Genfer Abkommen
zivilgesellschaftlicher Friedensinitiative unter
– Drucksache 15/2195 –

(C (D ung 12. Februar 2004 0 Uhr Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe ZP 2 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU: Welche Konsequenz zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur nachträglichen Sicherungsverwahrung? ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Conny Mayer (Baiersbronn)

terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Entwick-
lungspolitik muss Bekämpfung von HIV/Aids verstärken
– Drucksache 15/2465 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrich Heinrich,
Markus Löning, Dr. Guido Westerwelle, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der FDP: Bekämpfung von HIV/Aids zu
einem Hauptanliegen in der Entwicklungspolitik machen
– Drucksache 15/2469 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

ext
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe


(Ingolstadt)

terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge-
ordneten Marianne Tritz, Claudia Roth (Augsburg), Volker
Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Den Stabilisierungspro-
zess in der Demokratischen Republik Kongo nachhaltig
unterstützen
– Drucksache 15/2479 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

es Antrags der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU,
NISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: Zulas-
Kandidaten und Kandidatinnen zu den Wahlen

che 15/2481 –
ainer Stinner,
Abgeordneter
als Ausdruck
stützen

ZP 6 Beratung d
des BÜND
sung aller
im Iran
– Drucksa






(A) )



(B) )


Präsident Wolfgang Thierse

Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, soweit

erforderlich, abgewichen werden.
Sodann sollen die Tagesordnungspunkte 6 und 8 ge-

tauscht sowie der Tagesordnungspunkt 10 b – Handels-
registergebühren-Neuordnungsgesetz – abgesetzt wer-
den.

Außerdem mache ich auf nachträgliche Überweisun-
gen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:

Der in der 87. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätz-
lich dem Finanzausschuss zur Mitberatung überwiesen
werden.

Gesetzentwurf über den Handel mit Berechtigun-

(Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz – TEHG)

– Drucksache 15/2328 –
überwiesen:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Der in der 88. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zur
Mitberatung überwiesen werden.

Antrag der Abgeordneten Claudia Nolte,
Dr. Friedbert Pflüger, Dr. Wolfgang Bötsch, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/
CSU: Den Weg zur Einheit und Demokratisie-
rung in Moldau unterstützen
– Drucksache 15/1987 –
überwiesen:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? –
Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf:
a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-

regierung
Jahreswirtschaftsbericht 2004 der Bundes-
regierung
Leistung, Innovation, Wachstum
– Drucksache 15/2405 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

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(C (D Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss b)

gierung
Jahresgutachten 2003/2004 des Sachverständi-
genrates zur Begutachtung der gesamtwirt-
schaftlichen Entwicklung
– Drucksache 15/2000 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
ie Aussprache zwei Stunden vorgesehen. – Ich höre
einen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundes-
inister Wolfgang Clement das Wort.
Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft

nd Arbeit:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Die wichtigste Botschaft des Jahreswirtschafts-
erichts klingt zwar sehr einfach, ist aber sehr wichtig:
as vor uns liegende Jahr wird besser als das hinter uns
iegende.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)


er Horizont reißt auf. Ich vermute, in wenigen Mona-
en werden wir und auch Sie, meine Damen und Herren
on der Opposition, anders über unser Land diskutieren
ls in den vergangenen Monaten und Jahren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ielleicht werden wir in einigen Monaten sogar mit et-
as mehr Selbstbewusstsein als heute feststellen, dass
ir in Deutschland die Kraft zum Turnaround gefunden
aben. Das ist außerordentlich wichtig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ch sage Ihnen: Dann wird die Zeit des Mitmachens
ommen und die Miesmacher werden gehen. Das ist die
hase, auf die wir uns freuen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dem möchte ich gleich zu Anfang etwas hinzufügen,
as mich freut und was vermutlich – jedenfalls hoffe ich
as – viele freut: In der letzten Nacht bzw. heute Morgen
st eine Einigung in der baden-württembergischen






(A) )



(B) )


Bundesminister Wolfgang Clement

Metallindustrie zustande gekommen. Ich freue mich
über diese Einigung von Herzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte Ihnen auch sagen, warum mich das so freut:
Durch die überraschend rasche Einigung dürfte die
Streikgefahr gebannt sein. Das ist für unser Land in der
gegenwärtigen Phase wichtig. Es wurde eine Einigung
über einen Tarifabschluss erzielt, der 26 Monate gelten
wird und – wenn man genau nachrechnet – Lohnerhö-
hungen von gut 2 Prozent vorsieht. Das heißt: Diese Ta-
rifeinigung gibt allen Beteiligten Planbarkeit und Kalku-
lierbarkeit.

Es ist ein Abschluss, der Flexibilität ermöglicht in
Form einer betrieblichen Option, nämlich durch eine
Vereinbarung zwischen Unternehmensleitung und Be-
triebsrat. In Zukunft ist es für sechs Monate möglich,
dass nicht mehr nur 18 Prozent der Belegschaft, sondern
50 Prozent der Belegschaft auf die 40-Stunden-Woche
gehen, wenn – es ist etwas komplizierter formuliert – die
Auftragslage in dem jeweiligen Unternehmen das erfor-
dert.

Zugleich ist eine zweite Form einer tarifvertraglichen
Option eröffnet, nämlich über den Beschäftigungssiche-
rungstarifvertrag der Metallindustrie entsprechende Re-
gelungen treffen zu können.

Meine Damen und Herren, ich betrachte diese Eini-
gung als einen echten Fortschritt der Metalltarifparteien.
Sie ist eine Innovation der tariflichen Politik; ich be-
grüße sie deshalb ganz besonders.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese Einigung ist auch ein hervorragender Beweis,
dass die Konsensfähigkeit in unserem Land doch noch
vorhanden ist, und ein Beweis für die Bereitschaft der
IG Metall und der Arbeitnehmer, auf die berechtigten
Erwartungen der Wirtschaft zu mehr Flexibilität einzu-
gehen. In diesem Fall war es die Bereitschaft der Arbeit-
nehmer und der IG Metall in Baden-Württemberg; aber
ich gehe davon aus, dass diese Einigung, wie die
IG Metall es nennt, Pilotfunktion für die Abschlüsse in
der gesamten Bundesrepublik hat. Ich denke und hoffe,
dass diese Tarifvereinbarung ein Vorbild für die anderen
Tarifbezirke der Metall- und Elektroindustrie sein wird.
Damit wäre die Streikgefahr in der Metallindustrie dann
endgültig gebannt.

Diese Einigung ist ebenso eine Bestätigung für das
Vertrauen, das wir in die Tarifvertragsparteien gesetzt
haben und setzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie können sich verständigen. Es bestätigt sich, was wir
immer wieder gesagt haben und was auf diesem Feld,
aber auch auf anderen Feldern gilt – ich sage das zu
Ihnen, Herr Kollege Merz, aber auch zu anderen bei
Ihnen –: Einigungen aus freien Stücken sind immer bes-

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(C (D er als gesetzliche Regelungen, im tariflichen Bereich rst recht! ch betrachte dies als eine Bestätigung des Weges, den er Bundeskanzler eingeschlagen hat und den wir mit hm eingeschlagen haben. Für mich ist das ein glänzener Einstieg der Tarifvertragsparteien der Metallindusrie – glänzend und insbesondere überraschend. Es ist in glänzender Einstieg in dieses Jahr, das ein Jahr der irtschaftlichen Erholung werden soll und werden muss, in Jahr des wirtschaftlichen Wiederaufstiegs für eutschland. Das können wir schaffen. Dazu bietet dieer Tarifvertrag eine weitere Voraussetzung. Meine Damen und Herren, der Aufschwung, den wir ür dieses Jahr erwarten, kommt zunächst einmal im chlepptau der Weltkonjunktur, die vor allem von den SA und von China getragen wird. Der Welthandel wird n diesem Jahr um 7 bis 8 Prozent wachsen, damit dopelt so stark wie im letzten Jahr. Davon wird auch die eutsche Wirtschaft profitieren; sie ist stark bei Ausrüsungsund bei Investitionsgütern, die am Beginn eines ufschwungs immer besonders gefragt sind. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist – ent egen dem, was vielfach verbreitet wird, auch von Teien dieses Hauses, aber nicht nur, sondern auch weit daüber hinaus – so gut wie seit langem nicht mehr. Die uftragsbücher der deutschen Unternehmen sind, geneell gesprochen, wieder gut gefüllt. ie Produktion im verarbeitenden Gewerbe zieht wieder n. Das Geschäftsklima bessert sich schon seit Monaten: ngeachtet des hohen Eurokurses liegt der Ifo-Gechäftsklimaindex auf dem höchsten Stand der verganenen drei Jahre. Auch im Ausland setzen wieder mehr Investoren auf nser Land: In den ersten drei Quartalen 2003 flossen 4,3 Milliarden Euro mehr Direktinvestitionen nach eutschland herein als aus Deutschland herausgingen. m gesamten Jahr 2002 betrug dieser Saldo nur ,9 Milliarden Euro. 2001 war er sogar negativ. Dagegen ind wir jetzt deutlich im Plus. All das zeigt: Die Invesoren im Ausland – wie vermutlich und hoffentlich auch ie Menschen im Inland – fassen wieder Vertrauen in en Standort Deutschland. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD)


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was?)


Die strukturellen Reformen der Bundesregierung
aben die Voraussetzungen verbessert, dass der in Gang
ekommene Aufschwung eine gute Basis hat. Vor die-
em Hintergrund ist es mir unbegreiflich, meine Damen
nd Herren – ich sage das ganz offen –, wie jemand
eute davon reden kann, die Wirtschaftspolitik der Bun-
esregierung sei gescheitert.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und bei der FDP)







(A) )



(B) )


Bundesminister Wolfgang Clement

Sie wird vielmehr bestätigt, von den in- und ausländi-
schen Experten genauso wie von den Fakten, die wir in
Deutschland und darüber hinaus feststellen können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben es Ihnen schon oft genug gesagt – es mag
Ihnen nicht passen –: Die Zeiten ändern sich: Der An-
stieg kommt langsam, aber er kommt. Daran werden Sie
sich gewöhnen müssen. Alles in allem erwarten wir ein
Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von real 1,5 bis
2 Prozent, spitz gerechnet von 1,7 Prozent.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Aber nicht zum Besseren!)


Das ist dann deutlich mehr als in den drei Jahren zuvor
und mehr als das Durchschnittswachstum der 90er-Jahre,
trotz des Booms durch die Einheit zu Beginn und des
vermeintlichen Technologiebooms am Ende des vergan-
genen Jahrzehnts. Die rote Wachstumslaterne, die wir in
Europa getragen haben, sind wir los, und das trotz diver-
ser Sonderlasten, die wir in Deutschland durch den Auf-
bau Ost und durch die relativ hohen Realzinsen in der
Europäischen Währungsunion zu tragen haben.

Meine Damen und Herren, ich will nicht verschwei-
gen, dass es, wie bei jeder Projektion, natürlich auch bei
dieser Risiken gibt. Insgesamt stimmen aber eigentlich
alle Fachleute mit uns überein, dass im Vergleich zum
Vorjahr die Chancen deutlich größer sind als die Risiken.
Die Lage am Arbeitsmarkt wird sich in diesem Jahr ver-
bessern, der wirkliche Durchbruch steht allerdings erst
2005 bevor. Zumindest wird der seit langem anhaltende
Beschäftigungsabbau allmählich zum Stillstand kom-
men. In der zweiten Jahreshälfte wird die Zahl der Er-
werbstätigen wieder zunehmen, wenngleich sie im Jah-
resdurchschnitt annähernd auf dem Vorjahresniveau
verharren dürfte.

Die Arbeitslosenzahl wird weiter sinken. Das ist ein
Ergebnis unserer Arbeitsmarktreformen. 250 000 Men-
schen haben sich in Deutschland im vergangenen Jahr
aus der Arbeitslosigkeit heraus selbstständig gemacht,
insgesamt waren es 500 000 Menschen. Aufgrund dieser
und anderer Reformen wird die Arbeitslosenzahl weiter
sinken. Ab Sommer wird sie sich aber auch im Zuge der
konjunkturellen Belebung verringern. Wir rechnen im
Jahresdurchschnitt 2004 mit einem Absinken der Arbeits-
losenzahl im Jahresdurchschnitt um 100 000. Meine
Hoffnung ist, dass wir im Spätsommer endlich die 4-Mil-
lionen-Marke berühren und sie vielleicht sogar unter-
schreiten können.

Die Entwicklung, die wir absehen können, lässt kei-
nen Zweifel: Der von uns eingeschlagene Kurs stimmt.
Das Potenzial für Wachstum und Wohlstand ist vorhan-
den. Unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit ist al-
len Herausforderungen zum Trotz hoch. Anders als in
den USA, die ich um ihre Wachstumsraten gelegentlich
beneide, führen wir den Turnaround nicht durch exorbi-
tante Überschuldung mit hohen langfristigen Risiken
herbei


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(C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)


ziehen Sie nur einmal einen Vergleich mit den USA! –,
ondern durch eine verantwortungsvolle Nutzung der
pielräume, die konjunkturell gegeben sind, und durch
ie gleichzeitig eingeleiteten Strukturreformen auf
em Arbeitsmarkt und in den Sozialsystemen, die ver-
retbar waren und sind.
Ich füge hinzu: Dieses Potenzial dürfen wir nicht ver-

pielen. Wir haben den Weg der Strukturreformen einge-
chlagen und müssen ihn jetzt konsequent weitergehen,
o wie es im Jahreswirtschaftsbericht beschrieben ist.
ie Reformen im Rahmen der Agenda 2010 sind nicht
eendet. Der Umbau der sozialen Sicherungssysteme,
nd zwar europafähig, demokratiefest und sicher hin-
ichtlich der Globalisierung, ist noch in vollem Gange.
Dabei gilt es, die wirtschaftlichen Risiken im Auge zu

ehalten, die ein hohes Maß an Verantwortung und Be-
onnenheit erfordern.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was heißt das für die Ausbildungsplatzabgabe?)


um einen muss der Wechselkurs, also das Verhältnis
es Dollar zum Euro, in einem vernünftigen und für die
esamtwirtschaft verträglichen Korridor gehalten wer-
en. Es geht nicht an, dass die Eurozone die Lasten der
otwendigen und überfälligen Anpassung des Dollar
eltweit alleine trägt,


(Beifall bei der SPD)

ährend zum Beispiel die japanische Notenbank den
ruck auf den Yen zumindest teilweise kompensiert. Ich
egrüße deshalb die Erklärungen der G-7-Finanzminis-
r von Boca Raton, die die Verantwortung auch des
ernöstlichen Wirtschaftsraumes hervorheben. Wichtig
t natürlich, dass zu gegebener Zeit den Worten auch
aten folgen.
Zweitens. Die Lohnstückkosten müssen auch weiter-

in moderat bleiben. Die Tarifpolitik muss die im Zuge
er Erweiterung der Europäischen Union immer schärfer
erdende Kostensituation am Standort Deutschland
urch erhöhte und zusätzliche Flexibilität ausgleichen.
azu gibt es keine Alternative. Aus diesem Grund ist es
mso wichtiger, dass es bei den Tarifverhandlungen in
er Metallbranche zu einer Einigung kommt.
Drittens. Wenn man über Risiken spricht, dann muss

enjenigen, die in der Wirtschaft und in der Politik Ver-
ntwortung tragen, klar sein, dass auch sie ihren Beitrag
isten müssen, damit sich der beginnende Aufschwung
ahn brechen kann. Ja, es geht auch darum, psycholo-
isch die Weichen für einen lang anhaltenden Auf-
chwung zu stellen, durch den ab 2004/2005 auch die
estgefressene Langzeitarbeitslosigkeit gesenkt wird. Es
eht in Deutschland um berechtigte Zuversicht statt um
anges Zuwarten, Nörgeln und Nölen. Wir müssen end-
ch die Kraft zum Aufschwung finden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Bundesminister Wolfgang Clement

Wir haben schon einiges erreicht. Insbesondere ist es

gelungen, in der Steuerpolitik ein international wettbe-
werbsfähiges Einkommensteuerrecht zu entwickeln.
Mit einer volkswirtschaftlichen Steuerquote von jetzt
20,9 Prozent liegen wir international im unteren Bereich.
Noch 1995 waren es 23,1 Prozent. Steuervereinfachun-
gen haben deshalb jetzt Vorrang vor vielleicht wünsch-
baren, aber nicht finanzierbaren weiteren Steuersatzsen-
kungen, deren Gegenfinanzierung in der Luft hinge. Es
geht jetzt um verlässliche Rahmenbedingungen.


(Beifall bei der SPD)

Offene und flexible Arbeits-, Güter- und Dienstleis-

tungsmärkte sind genauso wie Klarheit und Verlässlich-
keit im Hinblick auf die Finanzierung der sozialen Si-
cherung zentrale Voraussetzungen für eine höhere
Beschäftigungsdynamik und für das Einschwenken auf
einen dauerhaft höheren Wachstumspfad. Deswegen
müssen die Reformen gemäß der Agenda 2010 fortge-
führt werden. Angesichts der Herausforderungen, mit
denen wir es zu tun haben – Abbau der Arbeitslosigkeit,
Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, Er-
weiterung der Europäischen Union, Aufbau Ost in
Deutschland und demographische Entwicklung –, kön-
nen und werden wir uns keinen Reformstopp leisten.
Ansonsten würden wir kein höheres Potenzialwachstum
der deutschen Wirtschaft erreichen, also ein Wachstum
ohne inflationäre Verspannungen. Aber dieses Ziel ver-
folgen wir. Deshalb muss auch der Prozess der Absen-
kung der Lohnnebenkosten weitergeführt werden. Wir
verfolgen weiterhin das Ziel, die Quote der Sozialversi-
cherungsbeiträge in überschaubarer Zeit auf 40 Prozent
des beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelts zu senken.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Da müssen Sie aber noch ein bisschen arbeiten!)


Zum höheren Wachstum der Produktivität tragen vor
allem Investitionen in Bildung und Wissenschaft bei.
Wir setzen auf das Wissen und die Kompetenz der Men-
schen und auf die Innovationskraft der Unternehmen.
Das sind unsere wichtigsten Ressourcen. Derzeit geben
Staat und Wirtschaft in Deutschland – die öffentlichen
Hände und die Wirtschaft tun das gemeinsam – zusam-
men etwa 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für For-
schung und Entwicklung aus. Gemeinsam mit den ande-
ren Ländern der Europäischen Union wollen wir diese
Quote bis zum Jahr 2010 auf 3 Prozent erhöhen. Das ist
eine große Herausforderung und erfordert ein enges Zu-
sammenwirken aller verantwortlichen Gruppen in Wirt-
schaft, Wissenschaft und Politik und aller öffentlichen
Hände. Das ist das Kernstück der Initiative „Partner für
Innovationen“, die der Bundeskanzler auf den Weg ge-
bracht hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mir ist in diesem Zusammenhang ein Hinweis beson-
ders wichtig: Aus meiner Sicht reden wir bei Innovatio-
nen nicht allein und nicht einmal in erster Linie über
neue Produkte und neue Technologien, sondern wir re-
den über Menschen, Köpfe, Können und Qualifikatio-
nen. Deshalb reden wir auch über Motivation, Leiden-

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(C (D chaft, Begeisterung und die Lust, Neues auszuprobieren nd zu wagen und dabei auch Verantwortung zu überehmen. Das kann die Politik nicht allein schaffen. Sie ann das aber anstoßen und voranbringen, indem sie beipielsweise den Generationen, die nach uns kommen nd die zu den am besten qualifizierten Generationen in er Geschichte Deutschlands gehören, mehr materielle nd administrative Freiräume für das Denken, Forschen nd Kreieren sowie für das Gründen von Unternehmen ibt. Eigenverantwortung und Eigeninitiative sind weentliche Antriebskräfte für die wirtschaftliche Dynaik, die wir jetzt entfachen müssen und auch können. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir wollen und wir müssen Deutschland in einem
elt- und gesamtwirtschaftlichen Umfeld, das sich im-
er günstiger darstellt, auf dem Wachstumspfad weiter
ach vorne in die Weltspitze bringen, wohin es auch ge-
ört. Das ist neben anderem die wichtigste Vorausset-
ung dafür, dass wir die viel zu hohe Arbeitslosigkeit
ndlich überwinden können. Das ist der Schlüssel zur
ösung vieler Probleme in unserem Land. Ich sage – so
teht es auch im Jahreswirtschaftsbericht –: Wir sind
ndlich wieder auf dem Weg voran. Meine Bitte und
eine Einladung ist: Gehen Sie mit auf diesem Weg für
ie Bundesrepublik Deutschland!
Ich danke Ihnen sehr.


(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1509100100

Ich erteile das Wort Kollegen Friedrich Merz, CDU/
SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1509100200

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en! Diese Rede des Bundeswirtschaftsministers war er-
ennbar in erster Linie nicht an die deutsche Öffentlich-
eit, sondern an die eigene Fraktion und Partei gerichtet,


(Hubertus Heil [SPD]: Oberlehrer! – Gegenruf des Abg. Michael Glos [CDU/CSU]: Was haben Sie gegen Lehrer?)


ie ganz offensichtlich immer größere Schwierigkeiten
aben, dem Kurs des Bundeswirtschafts- und -arbeits-
inisters zu folgen.
Herr Clement, wenn Sie in Ihrer Rede von Innovatio-

en sprechen – wer will Ihnen da widersprechen? – und
ies mit dem Appell zu Lust und Leidenschaft verbin-
en, dann ist das wirklich bemerkenswert; denn auch das
ichtet sich an Ihre eigene Bundestagsfraktion und bei
eitem nicht an die deutsche Wirtschaft. Diese ist weiter
ls große Teile Ihrer Fraktion. Das wissen Sie und das
onnte man auch heute Morgen in Ihrem Beitrag sehr
eutlich spüren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )



(B) )


Friedrich Merz

Nun ist in der Bundesregierung niemand so sehr zum

Optimismus geradezu verurteilt wie der Bundeswirt-
schaftsminister. Sie müssen sagen – das gehört zu Ihrer
Aufgabe –, dass es gute Perspektiven und Chancen gibt.


(Zuruf von der SPD: Zahlen lesen!)

– Zahlen lesen, das wollen wir gerne tun, Frau Kollegin.
Lassen Sie uns doch einfach vergleichen, was der Bun-
deswirtschaftsminister im letzten Jahr zu ungefähr dieser
Zeit von diesem Pult aus über die Entwicklung des
Jahres 2003 erklärt hat. Ich habe heute Morgen übrigens
einige Versatzstücke wiedergefunden; das ist ja an sich
nicht zu kritisieren.

Wie war die Situation im letzten Jahr, als Sie zum ers-
ten Mal den Jahreswirtschaftsbericht – richtigerweise
unterfiel er wieder Ihrer Zuständigkeit – vertreten haben,
und wie ist das Jahr 2003 zu Ende gegangen? Sie haben
ziemlich genau zu dieser Zeit im letzten Jahr vorausge-
sagt: Das Tal der Tränen ist durchschritten. Es wird im
Jahr 2003 wieder ein stabiles wirtschaftliches Wachs-
tum geben. Die Bundesregierung erwartet 1 Prozent. Ich
persönlich – so haben Sie es dem Sinne nach gesagt –
könnte mir sogar vorstellen, dass es ein bisschen mehr
als 1 Prozent Wachstum geben wird. – Am Ende des
Jahres 2003 lag das Wachstum bei minus 0,1 Prozent.
Das ist die Bilanz des Jahres 2003; ich habe Ihnen die
Zahlen vorgetragen, Frau Kollegin.

Sie sind in der Einschätzung der Lage zu optimistisch
gewesen. Das war ein Stück Täuschung und auch ein
Stück Selbsttäuschung über die Bedingungen für einen
möglichen wirtschaftlichen Aufschwung in Deutsch-
land. Leider haben Sie auch heute Morgen wieder diesen
Zweckoptimismus vertreten.

Ich will Ihnen etwas zur Lage auf dem Arbeitsmarkt
sagen. Nicht nur die Wachstumslücke zu anderen Län-
dern in der Europäischen Union wird größer. Deutsch-
land fällt weiter zurück. Es ist wahr: Wir werden im
Jahr 2004 wahrscheinlich die rote Laterne abgeben.
Aber wir sind weit davon entfernt, auch nur den Durch-
schnitt der Wachstumsraten der übrigen Mitgliedstaaten
der Europäischen Union zu erreichen. Dies schlägt sich
auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland nieder. Sie, meine
Damen und Herren von der rot-grünen Koalition, haben
in der Arbeitsmarktpolitik im Grunde genommen nur die
Statistik bereinigt. Tatsächlich ist die Arbeitslosigkeit im
Jahr 2003 – saisonbereinigt ohnehin, aber in fast jedem
Monat auch ohne die Saisonbereinigung – ständig weiter
gestiegen.

Hier auf der Regierungsbank sitzt ein Bundeskanzler
– erkennbar angeschlagen –, der irgendwann einmal er-
klärt hat, er wolle sich jederzeit daran messen lassen,
dass die Arbeitslosigkeit unter 3,5 Millionen absinkt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dann machen wir das heute einmal. Die Arbeitslosigkeit
in Deutschland liegt bei 4,6 Millionen. Über den Jahres-
wechsel haben wir es auch saisonbereinigt mit einer
Steigerung der Arbeitslosigkeit zu tun. Die strukturelle
Arbeitslosigkeit verfestigt sich. Sie sind von dem Ziel,
das Sie sich selbst gesetzt haben – von der Halbierung

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(C (D er Arbeitslosigkeit, die Sie auch angekündigt haben, ill ich gar nicht sprechen; reden wir nur über die ,5 Millionen –, weit entfernt. (Hubertus Heil [SPD]: Das war Kohl! Hören Sie mal hin!)


Entschuldigung, es war doch Bestandteil Ihres Regie-
ungsprogramms, die Arbeitslosigkeit zu halbieren. Sie
aren es doch, die angekündigt haben, mit den Hartz-
esetzen könne die Arbeitslosigkeit in Deutschland in
bsehbarer Zeit halbiert werden. Davon will ich aber gar
icht sprechen. Reden wir darüber, was der Bundeskanz-
r immer wieder gesagt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

r selbst wolle sich nicht erst bei der Wahl, sondern je-
erzeit daran messen lassen, dass die Arbeitslosigkeit in
eutschland auf unter 3,5 Millionen absinkt. Wir sind in
er gesamten Regierungszeit von Rot-Grün von diesem
iel weiter denn je entfernt. Das ist die traurige Wahrheit
m heutigen Tag zum Jahreswirtschaftsbericht dieser
undesregierung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nun sind Sie in der Tat veranlasst – das will ich zuge-
tehen –, bei der Arbeitslosenstatistik einige Korrekturen
orzunehmen, sodass sie international vergleichbar wird.
as will ich nicht kritisieren. Das ist so in Ordnung. Das
üssen Sie tun, damit die Arbeitslosenstatistik mit den
rbeitslosenstatistiken anderer Länder, die der Internati-
nalen Arbeitsorganisation angehören, vergleichbar
ird. Das ist richtig.
Nun lassen Sie uns einen Blick auf die Beschäftig-

enzahlen werfen. Die Beschäftigtenzahlen sind nach
einer Überzeugung ohnehin aussagekräftiger bezüg-
ch der Frage, ob eine Industrienation oder eine Volks-
irtschaft in der Lage ist, zusätzliche Beschäftigung zu
enerieren oder nicht. Wir haben es, seitdem Sie in der
egierungsverantwortung sind, mit einer kontinuierli-
hen Abnahme der Beschäftigtenzahlen in Deutschland
u tun. Wir haben gegenwärtig gerade noch 27 Millionen
ozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Deutsch-
nd. Das ist für ein Volk von 82 Millionen Einwohnern
u wenig. Sie werden auch die sozialen Sicherungssys-
eme mit dieser abnehmenden Zahl der sozialversiche-
ungspflichtig Beschäftigten in Deutschland nicht auf-
echterhalten können. Da liegt die eigentliche Ursache
uch für die Krise unserer sozialen Sicherungssysteme.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

arüber haben Sie, Herr Clement, heute Morgen leider
aum ein Wort verloren.
Sie haben darauf hingewiesen, es gebe eine sehr er-
utigende Zahl von Unternehmensgründungen. Es ist
ahr: Es gibt Unternehmensgründungen. Aber die Bun-
esagentur für Arbeit bzw. das Institut für Arbeitsmarkt-
nd Berufsforschung, das der Bundesagentur für Arbeit
ngeschlossen ist, hat vor einigen Tagen eine höchst auf-
chlussreiche Statistik über die Unternehmensgründun-
en in Deutschland veröffentlicht. Wir hatten in den






(A) )



(B) )


Friedrich Merz

90er-Jahren bis zum Regierungswechsel 1998 über lange
Jahre kontinuierlich über 500 000 Unternehmensgrün-
dungen pro Jahr. Das war auch in der zweiten Hälfte der
90er-Jahre der Fall. Auch im Jahr des Regierungswech-
sels, 1998, lag die Zahl der Unternehmensgründungen in
Deutschland deutlich über 500 000.

Im Jahre 2003 – das ist das Jahr, in dem Sie Ihre In-
strumente erstmalig eingesetzt haben, insbesondere die
so genannte Ich-AG – ist die Zahl der Unternehmens-
gründungen auf 450 000 zurückgegangen. Mehr als die
Hälfte dieser 450 000 Unternehmensgründungen sind
staatlich gefördert gewesen. Früher lag der Anteil der
geförderten Unternehmen bei etwa 100 000 bei einer
Gesamtzahl von 500 000. Mittlerweile ist mehr als die
Hälfte der Unternehmensgründungen staatlich gefördert.
Von 452 000 Unternehmensgründungen im Jahre 2003
sind fast 250 000 staatlich gefördert gewesen.

Herr Clement, an diesem Beispiel sehen Sie: Entwe-
der gibt es bei den so genannten Ich-AGs und allen
Instrumenten, die Sie geschaffen haben, gehörige Mit-
nahmeeffekte, die in der Gesamtbilanz der Unterneh-
mensgründungen zu keiner Besserung geführt haben,
oder aber, was noch schlimmer wäre, der Markt der Un-
ternehmensgründungen bricht weiter zusammen und
mittlerweile ist mehr als die Hälfte der Unternehmens-
gründungen von staatlicher Unterstützung abhängig. Das
ist eine dramatische Entwicklung.

Gleichzeitig haben Sie auch wegen der Wirt-
schaftspolitik der Bundesregierung – ich will nicht sa-
gen: nur – zu verantworten, dass wir im Jahr 2003 über
40 000 Insolvenzen in Deutschland gehabt haben. Da-
mit wird die dramatische Lage der Volkswirtschaft der
Bundesrepublik Deutschland mit einem Schlag sichtbar.
Da nützt es überhaupt nichts, dass Sie sich hierhin stel-
len und über Innovation, Lust und Leidenschaft reden
und alle diejenigen, die kritische Anmerkungen machen,
in die Ecke der Mäkler und der Meckerer stellen. Wir ha-
ben es unverändert mit einer strukturellen Krise der
deutschen Volkswirtschaft zu tun. Diese strukturelle
Krise der deutschen Volkswirtschaft hat unverändert et-
was mit der Regierungspolitik von Rot und Grün zu tun.
Das ist die Wahrheit, der Sie nicht ausweichen können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Nun beklagt sich nicht nur jeder von uns – zu Recht –,

dass die Arbeitslosigkeit steigt, die Beschäftigung sinkt
und die Unternehmensinsolvenzen ein bedrohliches Maß
erreicht haben; wir alle sind auch über die Lage auf den
Ausbildungsmärkten zutiefst besorgt. Es ist in der Tat in
Deutschland Jahr für Jahr schwierig für junge Men-
schen, Ausbildungsplätze zu finden. Natürlich hat die
Zahl der Ausbildungsplätze etwas damit zu tun, wie groß
die Zahl der Unternehmen in Deutschland ist. Wenn die
Zahl der Insolvenzen steigt, dann nimmt naturgemäß
auch die Zahl der Ausbildungsplätze ab. Glauben Sie
denn im Ernst, meine Damen und Herren von der sozial-
demokratischen Partei – ich frage auch die grünen Kolle-
gen; Herr Kuhn, Sie werden gleich reden, vielleicht kön-
nen Sie dazu etwas sagen –, dass Sie die Lage bei den
Ausbildungsstellen in dieser Republik um ein Jota ver-
bessern, wenn Sie Ihren Plan in die Wirklichkeit umset-

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(C (D en, in Kürze eine Ausbildungsplatzabgabe in Deutschand gesetzlich vorzuschreiben? Was geht in Ihren öpfen eigentlich vor? Haben Sie die Realität völlig aus den Augen verlo en? Sehen Sie nicht, was in den Betrieben los ist (Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie wissen nicht, was in den Köpfen der jungen Leute los ist!)

nd welche Anstrengungen seitens der Betriebe unter-
ommen werden, zum Teil auch über den Bedarf hinaus
uszubilden und qualifizierte Bewerber für offene Aus-
ildungsstellen zu finden? Glaubt irgendjemand von Ih-
en im Ernst, dieses Problem mit einer Ausbildungs-
latzabgabe lösen zu können?
Sie verschärfen vielmehr das Problem auf den Ausbil-

ungsmärkten und verstaatlichen auf diesem Wege
chrittweise die berufliche Bildung in Deutschland. Mit
em, was Sie vorhaben, machen Sie die Ausbildungs-
ärkte kaputt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn sich der Bundeskanzler schon nicht selber äu-

ert, dann hätte ich zumindest von Ihnen, Herr Clement,
rwartet, dass Sie in Ihrer Rede zum Jahreswirtschafts-
ericht 2004 auch im Angesicht der eigenen Bundestags-
raktion noch einmal so deutlich und klar darauf hinwei-
en, wie Sie es schon an anderer Stelle getan haben, dass
ie Ihr persönliches Schicksal damit verbinden, dass
eine Ausbildungsplatzabgabe eingeführt wird.


(Widerspruch bei der SPD – Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


enn Sie sind zu Recht gegen diese Abgabe. Dabei kön-
en Sie sich auf unsere Unterstützung verlassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Bundeskanzler, Sie sehen so fröhlich aus. Wel-

he Meinung vertreten Sie zu diesem Thema? Bei wem
iegt eigentlich die Richtlinienkompetenz für die Politik
n Deutschland? Ist sie jetzt von der Regierungsbank zur
PD-Bundestagsfraktion übergegangen?
Wenn Sie dieses Thema auf die Tagesordnung setzen,

ann unterstützen wir den Bundeskanzler und den Bun-
eswirtschaftsminister dabei, die Einführung dieses In-
truments in Deutschland zu verhindern. Sie können sich
ei dieser Politik fest auf uns verlassen, Herr Clement.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich schließe mich in diesem Zusammenhang – jeden-

alls im Grundsatz – ausdrücklich Ihren Äußerungen aus
er vergangenen Nacht zum Thema Tarifabschluss in
er Metallindustrie an. Es ist in der Tat zu begrüßen,
ass es gelungen ist, einen Streik in der Metallindustrie
bzuwenden und dass ein kleiner Schritt in die richtige
ichtung erfolgt ist, auch Tarifverträge für die Möglich-
eit zu öffnen, auf betrieblicher Ebene längere Arbeits-
eiten zu vereinbaren.
Ich unterstütze diesen Weg und die Tarifvertragspar-

eien haben gezeigt, dass sie ihn wenigstens mit kleinen
chritten beschreiten können. Ich fürchte aber, dass nach






(A) )



(B) )


Friedrich Merz

den in dem Tarifvertrag getroffenen Vereinbarungen län-
gere Arbeitszeiten für die unteren und mittleren Lohn-
gruppen in den Betrieben ohne zusätzlichen Lohnaus-
gleich nicht möglich sind und dass die schleichende
Aushöhlung bei den Arbeitsplätzen der mittleren und un-
teren Einkommensgruppen weiter voranschreitet. Denn
das eigentliche Problem sind nicht die gut qualifizierten
Beschäftigten und deren Arbeitszeiten. Sie arbeiten oh-
nehin längst stillschweigend und zum Teil auch durch
die Gewerkschaften geduldet weit über die normale Ar-
beitszeit hinaus.

Entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit von
Arbeitsplätzen in Deutschland ist vielmehr, dass auch
und gerade einfache Arbeitnehmer die Chance bekom-
men, für den gleichen Lohn mehr zu arbeiten und da-
durch ihre Arbeitsplätze vor der zunehmenden Konkur-
renz aus Osteuropa zu retten.

Lassen Sie mich eines klarstellen: Die Nettoeinkom-
men der Arbeitnehmer in Deutschland sind in den ver-
gangenen Jahren nicht gewachsen; sie sind eher zu nied-
rig als zu hoch.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber die Bruttoarbeitskosten sind gerade in der Metall-
industrie für die Betriebe zu hoch. Deswegen muss es
eine Möglichkeit geben, die Wettbewerbsfähigkeit von
Arbeitsplätzen insbesondere – aber nicht nur – gegen-
über der osteuropäischen Konkurrenz zu stärken. Das ist
nicht durch Lohndrückerei zu schaffen – das wird nie-
mand von uns befürworten –, aber es ist durch längere
Arbeitszeiten und eine höhere Produktivität möglich.
Deswegen bleibt der Tarifabschluss an dieser Stelle lei-
der hinter dem zurück, was insbesondere für die mittle-
ren und unteren Einkommensgruppen in den Belegschaf-
ten hätte erwartet werden können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Auffällig an der Rede des Bundeswirtschaftsministers
ist vor allem, worüber er nicht spricht. Lassen Sie mich
zwei Themen ansprechen, die der zuständige Minister in
einer so wichtigen Rede in einer so wichtigen Debatte
praktisch mit keinem Wort berücksichtigt hat. Sie haben
das Thema Aufbau Ost einzig und allein in dem Kon-
text erwähnt, Herr Clement, dass durch den Aufbau Ost
zusätzliche Probleme im Zusammenhang mit dem Ver-
brauch des Bruttosozialprodukts bestehen und dass wir
trotz der Probleme beim Aufbau Ost die rote Laterne ab-
geben.

Niemand von uns will bestreiten – der Wirtschaftsmi-
nister des Freistaates Thüringen wird noch zu diesem
Thema sprechen –, dass ein anhaltender Transferbedarf
in den neuen Bundesländern besteht. Aber ist das ernst-
haft alles, was Ihnen zum Thema Aufbau Ost einfällt,
nämlich der Hinweis, dass Deutschland trotz seiner Pro-
bleme die rote Laterne beim Wachstum abgibt? Wir hät-
ten von Ihnen erwartet, dass Sie dazu etwas mehr sagen.
Die Wachstumsschere zwischen Ost und West öffnet
sich wieder. Die Wachstumsraten in den neuen Bundes-
ländern sind geringer als die in den alten Bundesländern.

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(C (D s gibt zwar nach wie vor jemanden, der sich Beauftrager des Bundeskanzlers für den Aufbau Ost nennt. ber dieser hat es noch nicht einmal nötig, an der heutien Debatte teilzunehmen. (Ludwig Stiegler [SPD]: Da drüben sitzt er! Augen auf, Sir! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie sind doch mit Blindheit geschlagen! Mit Ignoranz und Blindheit! Unglaublich, diese Überheblichkeit!)


(Zurufe von der CDU/CSU: Wer ist das?)


Wo ist er? Ich sehe ihn noch immer nicht. Wenn er da
ein sollte, dann bitte ich um Entschuldigung.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Erst gucken, dann reden!)


Wir sind uns aber darüber einig, dass in einer Debatte
ber die wirtschaftliche Lage Deutschlands mehr als nur
as gesagt werden muss, dass das ein Problem sei.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie sind das Problem!)


o liegen die Chancen für den Aufbau Ost und insbe-
ondere im Zuge der Osterweiterung vom 1. Mai 2004
n? Zu diesem Zeitpunkt wird die Europäische Union
ehn neue Mitgliedstaaten bekommen. Herr Bundeswirt-
chaftsminister, Sie haben kaum ein Wort darüber verlo-
en. Wo liegen die Chancen und die Herausforderungen?
as Lohngefälle zwischen Ost und West wird wahr-
cheinlich zunehmen. So wird das Lohngefälle zwischen
randenburg und Breslau möglicherweise 7 : 1 betragen.
elche Antwort gibt die Wirtschaftspolitik auf diese He-

ausforderung? – Bedauerlicherweise haben Sie darüber
ein Wort verloren.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hubertus Heil [SPD]: Von Ihnen auch nicht! Was haben Sie denn jetzt zum Thema Aufbau Ost gesagt?)


Ich habe gesagt, dass Sie auch über die Chancen etwa
m Zusammenhang mit der Osterweiterung der Europäi-
chen Union sprechen müssen. Dann können wir auch
ber Standortbedingungen diskutieren.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Reden Sie einmal mit einem Miesmacher über Chancen!)


an kann doch wohl erwarten, dass der Bundeswirt-
chaftsminister dazu mehr als nur das sagt, das sei ein
roblem. Ich glaube, das erwarten wir alle zu Recht von
hm.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ein weiteres großes Thema, das die deutsche Wirt-

chaft beschäftigt wie kaum ein anderes, ist die Energie-
olitik. Herr Bundeswirtschaftsminister, warum haben
ie in Ihrer Rede heute Morgen kein Wort darüber ge-
agt, dass es ein zunehmendes Problem ist, dass die deut-
che Wirtschaft mit Energiekosten belastet ist, die konti-
uierlich steigen, und dass der deutschen Wirtschaft alle
ettbewerbsvorteile, die durch die Liberalisierung der
nergiemärkte in der Europäischen Union hätten entste-
en können, durch höhere administrative Preise sowie






(A) )



(B) )


Friedrich Merz

durch Steuern und Abgaben, die auf den Faktor Energie
erhoben werden, genommen werden? Warum haben Sie
ebenfalls kein Wort zu dem gesagt, was Ihr Kollege im
Kabinett, der Bundesumweltminister, gegenwärtig im
Bereich des Emissionshandels in Deutschland macht?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Probleme, die hier auf die deutsche Wirtschaft

zukommen, dürfen wir nicht unterschätzen; denn das,
was jetzt geplant ist, geht weit über das hinaus, was die
Europäische Union von der Bundesrepublik Deutschland
verlangt. Der Emissionshandel ist beschlossen. Ich weiß
zwar, dass Sie anders als Ihr Kollege im Kabinett über
die Tatsache denken, dass nur eine solch geringe Zahl
von Zertifikaten ausgegeben werden soll, dass sämtliche
Vorleistungen, die die deutsche Wirtschaft in den letzten
Jahren bei der Energieeinsparung erbracht hat, praktisch
nicht anerkannt werden, und dass in Zukunft zusätzliche
Belastungen auf die deutschen Unternehmen durch den
Emissionshandel und insbesondere durch die Zertifikate
zukommen. Aber es wäre gut gewesen, wenn Sie heute
Morgen wenigstens einen Satz dazu gesagt und darauf
hingewiesen hätten, dass hier nicht das Kind mit dem
Bade ausgeschüttet werden darf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Abschließend möchte ich noch Folgendes sagen: Herr

Clement, Sie haben ziemlich genau vor einem Jahr, Ende
Februar 2003, eine große Initiative zur Entbürokrati-
sierung auf den Weg gebracht, die auch unsere Zustim-
mung gefunden hat. Sie haben diese Initiative – bei der
Wortwahl ist die Regierung nie ohne Fantasie gewesen –
„Masterplan Entbürokratisierung“ genannt. Was ist ei-
gentlich aus dem Masterplan Entbürokratisierung ge-
worden? Warum haben Sie das, was Sie mit so großem
Pomp angekündigt haben, heute Morgen nicht noch ein-
mal vertreten und eine Zwischenbilanz vorgelegt? Ich
sage Ihnen, was ich vermute, warum Sie das nicht getan
haben: Sie können gar keine Zwischenbilanz über die im
letzten Jahr angekündigte Initiative zur Entbürokratisie-
rung vorlegen. Ich möchte Ihnen – ich habe mir das von
einigen Kollegen auch der SPD, die dabei waren, berich-
ten lassen – ein Beispiel nennen. Gestern hat es im Ver-
kehrsausschuss des Bundestages eine Anhörung zur Ver-
kehrsinfrastruktur gegeben. Unter anderem hat der
Vorstandsvorsitzende der Flughafen Frankfurt AG dort
berichtet, wie die Wirklichkeit der Bürokratie in
Deutschland aussieht.


(Hubertus Heil [SPD]: Sagen Sie mal was zur Handwerksordnung!)


Airbus Industrie will ein neues, großes europäisches – es
ist sehr erfolgreich – Flugzeug bauen, den A380. Dieses
Flugzeug ist nun früher fertig als die dafür vorgesehene
Wartungshalle auf dem Frankfurter Flughafen. Gegen
diese Wartungshalle, eine schlichte Wartungshalle
– meine Damen und Herren, ich will Ihnen einfach ein-
mal die Lebenswirklichkeit in Bezug auf Bürokratie in
Deutschland schildern –,


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Reden Sie doch mal mit Herrn Koch darüber!)


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(C (D ind 40 000 Einwendungen erhoben worden. Damit iese 40 000 Einwendungen erörtert werden können, usste für 2,5 Millionen Euro eine neue Halle auf dem elände der Flughafengesellschaft gebaut werden – nur ür eine einzige Erörterung, die da stattfindet! In dieser iesigen Halle mit über 1 000 Plätzen sitzen jetzt 30 Anälte, die sich gegen die Flughafengesellschaft, gegen ie Errichtung dieser neuen Wartungshalle für den A380 enden. 2,5 Millionen Euro nur für eine Erörterung, eine Damen und Herren! Es wird Zeit, dass wir uns inmal über das Thema Verbandsklage und über die Exesse, die hier stattfinden, unterhalten. Der Bundeswirtschaftsminister müsste dies zum Ge enstand seiner Entbürokratisierungsoffensive machen nd ein Jahr, nachdem sie gestartet worden ist, wenigsens eine Zwischenbilanz vortragen. Herr Clement, wir prechen Ihnen den guten Willen nicht ab, wir bestreiten uch nicht, dass Sie manches auf den Weg gebracht haen, was richtig gewesen ist, was überfällig und notwenig gewesen ist, ber Sie werden genauso wie der Bundeskanzler selbst n den nächsten Wochen und Monaten erleben, dass Sie it Ihrer Politik an dieser Bundestagsfraktion zunehend scheitern, dass Sie dort zunehmend auf Grund lauen, dass Sie dort zunehmend auf Widerstände von deen stoßen, die nicht mehr bereit sind, den Weg von eformen, Innovation, Lust und Leidenschaft, wie Sie es ier gesagt haben, fortzusetzen. Deswegen wäre es gut, enn nicht nur der Kanzler vom Vorsitz der SPD zuückträte. (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Ludwig Stiegler [SPD]: Sehr gütig!)


ür das Land und für Wachstum und Beschäftigung wäre
s das Allerbeste, wenn die Bundesregierung so schnell
ie möglich gehen würde, meine Damen und Herren.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1509100300

Ich erteile Kollegen Werner Schulz, Fraktion Bünd-

is 90/Die Grünen, das Wort.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Jetzt kommt der Griesgram Ost!)

Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege
erz, die politische Substanz Ihrer Rede passt auf jeden
ierdeckel.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)


ch hatte zunächst noch die zarte Hoffnung, dass der
ptimismus, der im Jahreswirtschaftsbericht der Bun-
esregierung zum Ausdruck kommt, den alle For-
chungsinstitute und viele Branchen teilen, der auch im






(A) )



(B) )


Werner Schulz (Berlin)


Ifo-Geschäftsklima-Index, im Konjunkturbarometer
vom „Handelsblatt“, in den wichtigsten Indikatoren zum
Ausdruck kommt, von Ihnen mitgetragen wird. Aber
was wir von Ihnen zu hören bekamen, war dieses sauer-
ländische Mantra der Miesepeterei und nichts anders.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU)


Ich kann das nur unter „MMM“ abbuchen. Die drei
Buchstaben standen früher für – manche, zum Beispiel
Angela Merkel, werden sich erinnern – „Messe der
Meister von morgen“. Heute steht es für die „Merz-
Merkel-Methode“, dieses Mitmachen, um mies zu ma-
chen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Herr Schulz!)


Es gab doch nicht eine Entscheidung im vergangenen
Jahr, nicht einen Reformprozess, an dem die Union nicht
beteiligt gewesen wäre. Ich will von den Bremsspuren
gar nicht reden, die Sie dabei hinterlassen haben, bei-
spielsweise bei der Steuersenkung, beim Subventions-
abbau.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wo ist eigentlich Horst Seehofer geblieben, der
zweite Gründungsvater oder Geburtshelfer der Gesund-
heitsreform? Er ist genau in dem Moment abgetaucht,
als die „Bild“-Zeitung ihre Attacken gegen die von ihm
mit eingeführte Praxisgebühr begonnen hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Von dem Moment an war plötzlich nichts mehr von ihm
zu hören, von dem mutigen Kämpfer für die Bürgerver-
sicherung. Er sollte sich nicht verdünnen.


(Michael Glos [CDU/CSU]: „Verdünnisieren“ heißt das!)


Nehmen wir nur einmal die Zauberformel: Flexibili-
sierung beim Kündigungsschutz. Das haben Sie einge-
bracht und das rechnen Sie sich zu Recht an. Wenn ich
das aber zu der hohen Arbeitslosigkeit ins Verhältnis
setze, die Sie zu Recht beklagt haben, dann muss ich sa-
gen: Auch hier ist die schnelle Lösung nicht in Sicht. Ich
halte es für gefährlich, wenn von Ihnen diese Instant-
Mentalität genährt wird: Wenn man etwas einrührt, be-
kommt man sofort die Lösung. Dann erwecken Sie auch
noch den Eindruck, dass Sie eine viel, viel bessere All-
Unions-Lösung zu bieten hätten.

Im Grunde genommen gibt es momentan in keinem
einzigen politischen Sachbereich eine Übereinstimmung
zwischen CDU und CSU. Unter diesen Umständen for-
dern Sie Neuwahlen oder den Rücktritt des Bundeskanz-
lers. Was Sie da tun, ist abenteuerlich, kühn und unver-
antwortlich gegenüber unserem Land.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die christlich-demokratische Konsensoffenbarung
verweist jetzt auf den 7. März. Das klingt wie der siebte

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(C (D ersuch von Friedrich Merz, endlich die Widersprüche n Einklang zu bringen. (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


ch bin sehr gespannt, wie Sie all die Ungereimtheiten
Stufenmodell oder linear-progressiver Tarif; Mehr-
ertsteuererhöhung, ja oder nein; Subventionsabbau
der, wie von Bayern gefordert, Erhaltung der Entfer-
ungspauschale, die Stichworte „Kreditfinanzierung“
nd „Kopfpauschale“ – zusammenbringen.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Da braucht man einen großen Bierdeckel!)


Ich hoffe nur, dass Sie bei der radikalen Steuerver-
infachung, die Sie planen, auch den Willen zeigen,
iese Initiative durch den Bundesrat zu bringen; denn
as wird entscheidend sein. Hoffentlich wärmen Sie hier
icht nur ein Wahlkampfthema auf, obwohl Sie an der
ösung der Probleme überhaupt nicht interessiert sind.
ir sind bereit, die Steuervereinfachung mit Ihnen ge-
einsam vorzunehmen, und zwar so, wie wir die Steuer-
eform im letzten Jahr beschlossen haben. Machen Sie
ich also keine Sorge um das Reformtempo! Wir haben
ngefangen, den Reformstau aufzulösen, und wir lassen
a nicht locker.
Trotz meiner Kritik an manchen Details und trotz der
ritik, die geübt worden ist: Diese Reformen sind eine
hance für unser Land. Die Gewerkschaften haben in
er vergangenen Nacht einen großen Beitrag dazu ge-
eistet, die Beschäftigung in Deutschland zu sichern bzw.
en betrieblichen Bündnissen für Arbeit ein ganzes
tück näher zu kommen. Jetzt sind auch die Unterneh-
en gefordert. Wenn man sich anschaut, was die Bun-
esregierung geleistet hat – Einschnitte im Sozialsystem;
ockerung des Kündigungsschutzes; Steuersenkungen –,
ann erkennt man: Das alles entspricht Forderungen aus
em Arbeitgeberlager.
Jetzt müssen die Arbeitgeber ihrem Namen aber auch

erecht werden und Arbeit geben, also Leute einstellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

as wird die Menschen in unserem Land motivieren und
s wird deutlich machen, dass sich diese Reformen loh-
en, weil klar wird, wofür sie durchgeführt werden. Die
otivation in der Bevölkerung wird steigen und man
ird diese Einschnitte ertragen können, weil man sieht:
nterm Strich bringt das etwas Positives.
Die eingeleiteten Maßnahmen können natürlich nur

er Anfang sein. Das Jahr der Innovationen ist ange-
prochen worden. Wir verstehen unter Innovationen
icht nur den technischen Fortschritt oder technische
euerungen, Produkt- oder Verfahrensinnovationen. Es
eht eben auch um soziale, um kulturelle, um geistige
nd um gesellschaftliche Veränderungen; denn die Glo-
alisierung, die demographische Entwicklung zwingen
ns, das Verhältnis von individueller Selbstverantwor-
ung und organisierter Solidarität neu zu bestimmen. Die
oziale Gerechtigkeit selbst ist eine Innovationsaufgabe,
n der Umverteilung, Chancengleichheit, Generationen-






(A) )



(B) )


Werner Schulz (Berlin)


gerechtigkeit und Gender Mainstreaming zusammen-
kommen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Motto unserer Reformen heißt „Fordern und För-

dern“. Dieses Prinzip muss aber für alle gelten, nicht nur
für einen Teil oder für eine Gruppe in der Gesellschaft.
Die soziale Ausgewogenheit ist die Voraussetzung, um
eine breite Akzeptanz dieser Reformen zu erreichen. Das
heißt beispielsweise, dass man solche heißen Eisen wie
Vermögensteuer, Erbschaftsteuer oder Ausbildungsplatz-
umlage anfassen muss. Viel wichtiger, als nur festzustel-
len, was in den Betrieben vor sich geht, ist, herauszube-
kommen, was in den Köpfen der jungen Leute, die keine
Ausbildung bekommen, vor sich geht. Wir müssen dieses
Problem vernünftig lösen. Diese Lösung sieht keine Ab-
gabe, sondern eine Umlage vor, durch die diejenigen Be-
triebe belohnt werden, die ausbilden. Diejenigen Be-
triebe, die sich der verantwortlichen Aufgabe der
Ausbildung verweigern, sollen diese Umlage finanzieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das ist der Sinn der Ausbildungsplatzumlage.
Ich sage ganz klar: Das Paradefeld der Innovation ist

eine verbesserte Bildung in der Breite und in der Spitze.
Die hohe Arbeitslosigkeit ist nicht nur ein Vermittlungs-
oder ein Strukturproblem; vielmehr zeigen sich die Defi-
zite, über die wir seit der Veröffentlichung der PISA-Stu-
die diskutieren, auch auf dem Arbeitsmarkt: Ein Drittel
der Arbeitslosen ist schlecht qualifiziert, hat keine Qua-
lifikation oder ist nicht mehr zeitgemäß qualifiziert. Dort
heißt „lebenslanges Lernen“ nicht nur persönliche Be-
reitschaft und nicht nur, dass der Staat Angebote zur Ver-
fügung stellt, sondern auch, dass die Unternehmer ge-
fordert sind, für die betriebliche Weiterbildung, für
Qualifikation zu sorgen. Die zweite Chance, von der wir
immer wieder reden, muss auch eine zweite Möglichkeit
zur Berufsausbildung enthalten. Das muss nicht nur in
unseren Köpfen, sondern auch in der Wirtschaft ankom-
men.

Ich will auf die wichtigste Herausforderung des
21. Jahrhunderts eingehen: den ökologischen Aufbruch,
das ökologische Umdenken, das Erneuern unserer Pro-
duktions- und Lebensweise, das Leitbild einer ökolo-
gisch-sozialen Marktwirtschaft. Wir wissen doch alle,
dass die ökologischen und sozialen Folgekosten unserer
Wirtschaftsweise die Wohlfahrtsgewinne längst überstei-
gen. Wenn man den Klimawechsel und seine Vorboten,
die ab und zu ins Bewusstsein dringen, betrachtet, dann
weiß man, was hier auf uns zukommt.

Angesichts der sinkenden Wachstumsraten stellt sich
immer stärker die Frage, ob das Bruttoinlandsprodukt
überhaupt ein geeigneter Maßstab für die Ermittlung des
Wohlstandes sein kann. Oder lässt sich die Binnennach-
frage in einer schrumpfenden und älter werdenden Be-
völkerung wirklich kontinuierlich erhöhen? Das sind
doch Fragen, die wir in der Zukunft beantworten müs-
sen. Wir müssen doch den Konsum viel stärker von der
quantitativen zur qualitativen Seite, also zu mehr Wert-
haltigkeit, umsteuern. Die ökologische Modernisierung,

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(C (D lso eine Ressourcen schonende Entwicklung auf den eg zu bringen, ist eine nachhaltige Aufgabe und bietet este Chancen für unsere Volkswirtschaft, Wettbewerbsorteile zu erringen. Die Ökosteuer hat gezeigt, wie viel ns das nützt, was man auf diese Weise bewirken kann. llen Unkenrufen und Horrorszenarien, die bezüglich er Situation an den Tankstellen an die Wand gemalt orden sind, zum Trotz ist die deutsche Automobilinustrie Spitze. Die Hightech-Autos mit niedrigem Spriterbrauch sind ein Renner. Damit hat sich VW den chiesischen Absatzmarkt erschlossen. Nehmen wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz: Das at im Grunde genommen viele neue Arbeitsplätze gechaffen und gibt uns bei der enormen Aufgabe, die in en nächsten 20 bis 30 Jahren ansteht, nämlich bei der Ereuerung oder Ersetzung der Hälfte unserer Kraftwerksnlagen, die Möglichkeit, zu einem anderen Energiemix it verstärkter Nutzung von regenerativer Energie, zu raionellerer Energieanwendung und zu Energieeinsparung u kommen. Damit können wir der modernste Energietandort der Welt werden, der dann seine Technik und ein Know-how verkaufen kann. Wir sollten uns doch icht von Arnold Schwarzenegger schlagen lassen, der as Ziel ausgegeben hat, dass in Kalifornien ein Drittel er Energie durch Solarstrom erzeugt werden soll. Wir ind doch selbst auf dem besten Weg. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


och liegen wir vor den USA. Diese Position, die wir
urch unser 100 000-Dächer-Programm und vieles an-
ere mehr erreicht haben, sollten wir nicht gefährden.
Nachdem hier der Emissionshandel angesprochen
orden ist, möchte ich hierzu abschließend sagen: Mit
em Emissionshandel haben wir der Wirtschaft ein
arktwirtschaftliches Instrument in die Hände gegeben,
amit sie selbst entscheiden kann, wie sie das selbst ge-
teckte Ziel der CO2-Reduzierung erreichen will. Werier von Öko-Stalinismus redet, Kollege Glos, der weiß
eder, was Ökologie ist, noch, was Stalinismus war.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1509100400

Ich erteile das Wort Kollegen Rainer Brüderle, FDP-

raktion.

(Hubertus Heil [SPD]: Das Niveau sinkt, ge nau wie das Rednerpult!)


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1509100500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-

ege Weltökonom Schulz, wenn die Rede von Herrn
erz auf einen Bierdeckel passte, dann passt Ihre auf
ine Briefmarke.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Eckart von Klaeden [CDU/CSU])


Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion hatte
eute eigentlich eine Regierungserklärung des Bundes-
anzlers erwartet. Der „Spiegel“ titelt: „Der halbierte






(A) )



(B) )


Rainer Brüderle

Kanzler“. Das Sagen in der Partei und in der Fraktion
haben jetzt andere. Wir wollen Klarheit über den Regie-
rungskurs. Die Menschen im Land haben ein Recht da-
rauf, zu erfahren, wie es in Deutschland weitergeht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Offenbar heißt das SPD-Programm jetzt: Ausbildungs-
platzabgabe statt Bürokratieabbau, Erbschaftsteuererhö-
hung statt Steuersenkung, Bürgerversicherung statt Ei-
genverantwortung. Offensichtlich ist die Regierung
Schröder/Clement jetzt Erfüllungsgehilfe sozialdemo-
kratischer Rückwärtsrollen.


(Hubertus Heil [SPD]: Büttenrede! Tata, tata, tata!)


– Sie sollten die Sache lieber viel ernster nehmen. Das
„Tata“ bringen Ihnen, Herr Heil, mit Ihrem tollen welt-
ökonomischen Werdegang noch viele bei.


(Beifall bei der FDP – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von Ihnen kann man doch nichts ernst nehmen, Herr Brüderle! Sie sind der spaßpolitische Sprecher der FDP!)


Zu alledem will der Bundeskanzler vor dem Parla-
ment nichts erklären; zu alledem haben Sie, Herr
Clement, nichts gesagt; zu alledem steht auch nichts im
Jahreswirtschaftsbericht. Sie reden lautstark von Moder-
nisierungskurs, doch Sie kämpfen im luftleeren Raum.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Zeit ist vorüber!)


Die „FAZ“ schreibt: „Minister ohne Zukunft“. Die
Flucht der Vernünftigen aus der SPD-Spitze geht weiter.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 3 Prozent haben Sie noch in Hamburg!)


Ihre Rückzugsüberlegungen sind offensichtlicher Beleg
dafür, dass Sie nicht mehr daran glauben, dass Sie die
Wende mit Ihren Veränderungen hinbekommen. Den
Kurs bestimmen jetzt wieder die Betonköpfe.


(Beifall bei der FDP)

In der Theorie des Jahreswirtschaftsberichts heißt es:
Der Schlüssel für mehr Wachstum und Beschäfti-
gung liegt daher in strukturellen Reformen und
gesamtwirtschaftlichen Bedingungen, die starke
Anreize und Impulse für Innovationen und Investi-
tionen geben, ohne die Preisstabilität zu gefährden.

So weit, so nett. Sie formulieren auch hehre Ziele:
Staatsquote unter 40 Prozent, Sozialversicherungsbei-
träge ebenfalls unter 40 Prozent, Vollbeschäftigung bis
2010. Bei 6 bis 7 Millionen echten Arbeitlosen im Land
ist es schon eine sehr mutige, vollmundige Ankündi-
gung, bis 2010 Vollbeschäftigung erreichen zu wollen.

Aber das Erstaunlichste ist: Umsetzungsvorschläge
finden sich im Jahreswirtschaftsbericht so gut wie keine.
Wie Sie das umsetzen wollen, bleibt Ihr Geheimnis.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Ein wirtschaftspolitisches Gesamtkonzept vermag ich eim besten Willen nicht zu erkennen. Nicht einmal purenelemente notwendiger Reformen sind in der Reierungspolitik erkennbar. Im Gegenteil, der Bundesanzler – Entschuldigung, der Parteivorsitzende – in spe, ranz Müntefering, verkündet eine Reformpause nach em Motto: keine Hektik. Den Stabilitätspakt hat Hans ichel längst auf dem Altar seiner Haushaltslöcher geopert. ie Rentner werden am 1. April mit realen Kürzungen efoppt. Die Reform der Pflegeversicherung wird getoppt. Die Gesundheitsreform ist gefloppt. Gefoppt, getoppt, gefloppt – das ist das grüne-rote Chaos der Soialpolitik. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Franz Müntefering [SPD]: Herr Schwätzerle!)


Die Lohnnebenkosten verbleiben bei über 42 Prozent
nd verhindern, dass neue Arbeitsplätze entstehen. Nach
em Sachverständigengutachten liegt das Wachstums-
otenzial, also die mittelfristigen Wachstumsmöglich-
eiten, nur noch bei etwa 1,5 Prozent. Die Bundesbank
pricht von 1 Prozent. Ich zitiere den Sachverständigen-
at:

Konjunkturelle Belebungstendenzen bleiben in ei-
nem solchen Umfeld … abhängig vom Ausmaß der
Erholung in anderen Wirtschaftsräumen und sind
insofern labil.

as heißt im Klartext: Das Miniwachstum, das wir er-
arten können, wird von der Weltkonjunktur geliehen,
rün-Rot gibt sich mit den Brosamen der Weltwirtschaft
ufrieden, weil sie selbst nichts Richtiges mehr geba-
ken bekommen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Probleme der deutschen Volkswirtschaft sind
eitgehend hausgemacht. Wir können am Beispiel Ja-
ans studieren, was die Folgen sind, wenn man Struktur-
robleme nicht löst: jahrelang praktisch kein nennens-
ertes Wachstum; zehn Jahre der Stagnation und
eflation liegen hinter Japan.
Das entscheidende Signal müsste darin liegen, dass

er Staat sich zurückzieht. Wir haben eine Staatsquote
on fast 50 Prozent, exakt 48,6 Prozent. Deshalb wird
ermann Otto Solms nachher für die FDP-Fraktion mit
inem ausformulierten Gesetzesantrag konkret darle-
en, wie wir die Steuerreform in Deutschland umsetzen
önnen, wie wir vorankommen können, wie wir endlich
ie Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum schaf-
en können. Das ist der richtige Weg, um voranzukom-
en.


(Beifall bei der FDP)

Ich kann Herrn Kollegen Merz eigentlich nur sagen:

timmen Sie mit uns! Ihre Kopie hat in den eigenen Rei-
en offensichtlich keine Chance. Sie haben heute die
elegenheit, dem Original zuzustimmen. So könnte aus






(A) )



(B) )


Rainer Brüderle

Friedrich Merz vielleicht doch noch Friedrich der Große
werden.


(Beifall bei der FDP – Lachen bei der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Das war aber eine sehr müde Einschätzung!)


Der Jahreswirtschaftsbericht atmet interventionisti-
schen Geist. Aber in einer Marktwirtschaft soll der Staat
nicht lenken, sondern ordnen, den Rahmen setzen. Der
Staat hätte noch genug damit zu tun, einen vernünftigen
Rahmen zu setzen. Doch Sie wollen den Staat als Planer,
Lenker und Angreifer. Bei Ihnen sollen staatlich be-
stellte Innovationsräte Zukunftsfelder festlegen.


(Widerspruch bei der SPD)

– Sie haben ja tolle Leute berufen, die gerade im Zusam-
menhang mit der LKW-Maut belegt haben, wie fähig sie
sind.

Doch der Wettbewerb bleibt das entscheidende Entde-
ckungsverfahren. Bei Ihnen sollen dem Kartellamt durch
Megafusionen und Ministererlaubnisse die Zähne gezo-
gen werden; aber Wettbewerb ist das beste Instrument
der Entmachtung. Wettbewerb sorgt für Dynamik und
Veränderung.

Besonders fatal ist Ihr interventionistischer Ansatz
beim Pressefusionsrecht.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Dort wollen Sie Strukturkrisenkartelle, egal welcher
Größe, erlauben. Sie wollen quasi in der Presseland-
schaft einen GWB-freien Raum schaffen. Meinungsfrei-
heit und -vielfalt sind offenbar für Sie nicht wichtig.
Eine weitere Pressekonzentration kann Freiheiten und
Demokratie auch gefährden.


(Beifall bei der FDP)

Doch für freiheitliche Ansätze ist bei Grün-Rot kein

Platz. Anstatt mit einer maßvollen und vernünftigen
Politik zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, sieht Ihr
Begriff von Freiheit so aus: hinter jeder Putzfrau am
liebsten ein Polizeibeamter und Herr Eichel als der neue
Blockwart der Nation, als haushaltspolitischer Spanner.


(Beifall bei der FDP)

Im Jahreswirtschaftsbericht wird über die so genannte

nachhaltige Energiepolitik fabuliert. Eine Energiepoli-
tik muss, wenn sie erfolgreich sein will, technologieof-
fen sein. Aber auch hier wollen Sie planen und lenken.
Man sieht es am aktuellen Streit zwischen Herrn
Clement und Herrn Trittin in Sachen Emissionshandel.
Der Emissionshandel nach der Art von Trittin wird kein
Nullsummenspiel für die deutsche Wirtschaft werden.
Im letzten Jahr hatten wir 20 Prozent höhere Strom-
kosten in Deutschland. Den Kurs der Verteuerung der
Energie setzen Sie fort; denn mit der so genannten Ener-
giewende werden die Weichen für höhere Energiekos-
tenbelastungen in Deutschland gestellt, was zulasten der
Arbeitsplätze geht.

Der Atomausstieg ist für mich ein dunkles Kapitel
energiepolitischer Planwirtschaft.

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(C (D (Widerspruch der Abg. Monika Griefahn [SPD])


eute wird noch immer ein Drittel des Stroms aus Kern-
nergie gewonnen. Sie wollen diesen Strom durch
trom aus erneuerbaren Energien ersetzen, indem Sie die
ernenergie verbieten und Windräder subventionieren.
och für jede Kilowattstunde Windstrom muss eine Ki-
owattstunde Atomstrom oder Kohlestrom vorgehalten
erden. Wenn wir sie selbst nicht vorhalten, tun es an-
ere in Frankreich oder in Osteuropa. Aber auf jeden
all gefährden wir die Versorgungssicherheit in
eutschland.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


as wissen auch Herr Clement und der Kanzler. Der
anzler schickt deshalb seinen Lieblingsgewerkschafter,
errn Schmoldt, vor, der anfängt, Atomstrom in
eutschland wieder hoffähig zu machen.
Nach dem Motto „daheim aussteigen, auswärts ein-

teigen“ will der Bundeskanzler die Hanauer Brennele-
entefabrik nach China exportieren. Die Bundesregie-
ung teilte uns auf Anfrage mit, die Anlage sei sicher.
on den Grünen hört man dazu kein Wort. Ihnen genügt
s offenbar, wenn die Anlage grün angestrichen wird.
as ist Frau Sagers Beitrag zur Innovationsdebatte.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Seien wir doch ehrlich: Ohne Kernenergie kippt der
eutsche Energiemix und wir werden extrem importab-
ängig. Das nutzt unserem Wirtschaftsstandort sicher-
ich nicht. Sie betreiben eine lupenreine grüne und rote
lientelpolitik: Windkraft und Steinkohle werden mit
illiardensubventionen in Deutschland hochgepäppelt.
s ist doch ein Stück aus dem Tollhaus, Herr Heil, wenn
er Kanzler seinem früheren Wirtschaftsminister Müller,
er bei der Ruhrkohle AG, einer Tochter von Eon und
uhrgas – nach deren Fusion haben diese einen Markt-
nteil von 85 Prozent –, Vorstandsvorsitzender geworden
st, 16 Milliarden Euro Subventionen nach Gutsherrenart
usagt. Wir reden alle über Subventionsabbau, aber
ier werden 16 Milliarden Euro zusätzliche Subventio-
en genehmigt. Das ist rote Kumpelwirtschaft übelster
rt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich zitiere aus den Reihen der Grünen:
Angesichts der fehlenden Mittel in den Bereichen
Bildungs-, Forschungs- und Innovationspolitik ist
es nicht zu rechtfertigen, einen dauerhaften Stein-
kohlesockel zu finanzieren.

as haben einige Ihrer grünen Kollegen formuliert. Aber
ichts geschieht. Sie kleben wie Pattex an Ihren Stühlen.
ückgrat und Ordnungspolitik waren noch nie grüne
tärken. Sie stehen für Unordnungspolitik.


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Rainer Brüderle

Wir wollen einmal über den Arbeitsmarkt reden.

Wir sind immer froh, wenn es keinen Streik gibt.

(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: FDP – 3 Prozent in Hamburg!)

Aber die Chance, Herr Kuhn, wirklich etwas für mehr
Beschäftigung zu tun, hat das Tarifkartell versäumt.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es!)

Sie haben zwar eine Einigung mit kleinen Öffnungsklau-
seln gefunden, aber sie hatten nicht die Kraft, die Grund-
voraussetzungen für betriebliche Bündnisse für Arbeit
ohne Genehmigung des Tarifkartells zu schaffen. Des-
halb muss es der Gesetzgeber tun.

Wir fordern erneut: Wenn sich 75 Prozent der Mitar-
beiter in freier und geheimer Entscheidung für eigene
Regelungen aussprechen – es sind nämlich ihr Job und
ihre Lebensperspektiven –, dann müssen sie das Recht
haben, ohne Genehmigung der Kartellbrüder diese Ent-
scheidung treffen zu können. Das ist die richtige Wei-
chenstellung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich darf dezent darauf hinweisen, dass man in Hol-
land die Kraft gehabt hat, für zwei Jahre Nullrunden zu
vereinbaren. Wir müssen über Arbeitszeiten sprechen,
um die Voraussetzung zu schaffen, den 6 Millionen Ar-
beitslosen, die draußen stehen, den Einstieg in den Ar-
beitsmarkt zu ermöglichen. Dazu hat das Tarifkartell
nicht die Kraft gehabt. Das zeigt mir, dass man die Zei-
chen der Zeit offensichtlich immer noch nicht erkannt
hat.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Als Dank für die Gewerkschaften und als Valium für

die Regierungsparteien gibt es jetzt die Ausbildungs-
platzabgabe. Die Ausbildungsplatzabgabe ist die Pra-
xisgebühr für den deutschen Mittelstand: Sie ist teuer,
bürokratisch und bringt nichts.


(Beifall bei der FDP)

Im Jahreswirtschaftsbericht wird eine Kampagne für
Ausbildungsplätze beschrieben, aber, Herr Clement, ich
lese keine Zeile über eine Ausbildungsplatzabgabe. Sie
sprachen noch vor kurzem von der Gefahr, dass über die
Ausbildungsplatzabgabe eine Verstaatlichung der Be-
rufsausbildung herbeigeführt wird. Aber dazu schweigen
Sie in diesem Bericht.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Weil er weiß, dass nichts verstaatlicht wird!)


Offensichtlich ist dieses Lieblingsprojekt des neuen
Parteivorsitzenden als Beruhigungspille für die Partei
notwendig. Am Dienstag wollten Sie zumindest als Par-
teivize die Flinte ins Korn werfen. Offensichtlich haben
Sie Zweifel am Reformwillen und an der Reformfähig-
keit Ihrer Partei. Sie sagen immer wieder wie der Bun-
deskanzler: Erst das Land und dann die Partei! – Sie
werden in der nächsten Zeit viel Gelegenheit haben, zu
beweisen, dass Ihnen das Land wichtiger ist als die Par-
tei, nämlich durch mutige Veränderungen. Mit dem, was

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(C (D ie in Ihrem Jahreswirtschaftsbericht beschreiben, weren Sie es mit Sicherheit nicht schaffen. ur zu sagen: „Wir wollen in sechs Jahren Vollbeschäftiung haben“, ohne zu fragen, welcher Weg dafür eingechlagen werden muss, damit kommen wir nicht weiter. Der Jahreswirtschaftsbericht ist ein Bericht der Ideen osigkeit und der Kraftlosigkeit. Wir brauchen aber Vernderungsbereitschaft; statt festgefahrener Kartelle brauhen wir die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Neue Wege mit Brüderle? Ich lach mich schief!)


(Beifall des Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU])


Herr Kuhn, Sie als grünes Alibi zementieren alles. Ich
reue mich schon auf Ihre weltpolitischen Ausführun-
en.

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1509100600

Kollege Brüderle, Sie müssen bitte zum Ende kom-
en.

Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1509100700

Herr Präsident, ich bin bei meinen letzten Sätzen. –
err Kuhn möchte ja gerne Außenminister werden. Des-
alb flüchtet er in die Weltökonomie.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1509100800

Kollege Brüderle, Sie haben in Ihrer Rede die Formu-

ierung „Blockwart der Nation“ verwandt. Ich möchte
ie ermahnen und daran erinnern, dass wir bestimmte
ssoziationen an die schlimmste Zeit der deutschen Ge-
chichte in Bezug auf Personen dieses Hauses vermeiden
ollten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich erteile nunmehr das Wort dem Kollegen Ludwig
tiegler, SPD-Fraktion.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Wo bleibt Münte?)



Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1509100900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss

unächst dem Kollegen Schulz widersprechen. Er hat die
auerländer im Allgemeinen mit einem negativen Touch
erbunden. Ich sage Ihnen: Wenn ein Sauerländer sauer-
öpfisch ist, sind nicht alle Sauerländer es. Unser Sauer-
änder ist in Ordnung.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Hier hat jeder seinen eigenen!)


Dass dieser andere Sauerländer sauer ist und sich jetzt
ufgrund der Doppelspitze sogar Sorgen über die Hand-
ungsfähigkeit des Bundeskanzlers macht, ist in seiner






(A) )



(B) )


Ludwig Stiegler

eigenen Biografie begründet. Er war in einer Doppel-
spitze und ist nach kurzer Zeit im Handtäschchen von
Frau Merkel verschwunden. Dass er nichts von Doppel-
spitzen hält, ist völlig klar. Aber unser Sauerländer ist in
Ordnung.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Merz hat versucht, das alte Rezept anzuwenden.
Wenn Sie seine Reden von vor einem Jahr nachlesen,
dann geht es Ihnen wie mit dem Lungenhaschee: Habe
ich es schon gegessen oder soll ich es noch essen?


(Heiterkeit bei der SPD)

Das ist die alte Methode: nur anklagen und Rezepte an-
mahnen, aber selber keine vorschlagen.

Jetzt versuchen Sie noch, uns zu spalten, uns unserem
Wirtschaftsminister zu entfremden. Meine Güte, da müs-
sen Sie schon früher aufstehen, um damit Erfolg zu ha-
ben! Wir sind stolz, dass Wolfgang Clement der deut-
schen Wirtschaft wieder Mut zum Aufschwung gegeben
hat, während Sie Trübsal geblasen haben. Das ist der
Unterschied zwischen Ihnen und uns.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Was ist mit der Arbeitsplatzabgabe?)


– Lieber Kollege Ernst Hinsken, dass eure Fraktion ge-
wohnt ist, Edmund Stoiber zu sagen: „Du bist der
Größte, Schönste und Beste“, und ihr euch nie mit euren
Ministern angelegt habt oder anlegt, ist euer Problem.
Dass sich eine selbstbewusste Fraktion auch einmal an
einem so starken Minister reibt, ist klar. Aber Reibung
ist eine alternative Energiequelle. Da entsteht nämlich
Wärme.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: Das ist ja eine Büttenrede!)


Lassen Sie also diesen Versuch der Spaltung! Wir
werden mit Wolfgang Clement rau und herzlich zusam-
menarbeiten. Entscheidend ist, dass er das Symbol für
den Aufschwung in Deutschland geworden ist, während
Sie das Symbol der Miesmacher, Unker und Klager sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Kommen wir noch einmal auf den Herrn Merz zu
sprechen. Er hat letztes Jahr den Untergang beschworen.
Wolfgang Clement hat gesagt: Im Jahresverlauf wird es
einen Aufschwung geben. Wer hat denn nun Recht be-
halten? Wolfgang Clement hat damals auf die Entwick-
lung im Irak hingewiesen und deutlich gemacht, dass es
langsamer gehen wird, dass wir aber im Laufe des Jahres
wieder dynamische Kräfte haben werden.

Ich verstehe ja, dass es Sie zur Verzweiflung bringt,
dass der Ifo-Geschäftsklimaindex neun Monate hinter-
einander nach oben zeigt. Sie möchten, dass er in die
Hölle zeigt, damit Sie mit Ihren Untergangsgesängen
Gehör finden. Aber Sie sind nicht auf der Höhe der Zeit,
meine Damen und Herren.

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(C (D (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)


Am allerdreistesten wird es, wenn ein Unionspolitiker
s wagt, über den Arbeitsmarkt zu reden. Sie haben
Millionen Arbeitslose prophezeit, Sie falsche Prophe-
en. Schauen Sie sich die wahre Entwicklung an und
ergleichen Sie sie mit der Geschichte: Die höchste
rbeitslosigkeit in den Monaten Januar und Februar
ab es unter der Regierung von CDU/CSU und FDP. Da-
ei mischte Herr Brüderle schon mit. Sie hatten die
öchste Arbeitslosigkeit, die wir immer unterboten ha-
en,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


hne dass wir Wahlkampf-ABM eingesetzt hätten, wie
ie es damals getan haben. Von Ihnen kann man in Sa-
hen Arbeitsmarkt weiß Gott nichts lernen.
Von Ihnen kann man auch im Hinblick auf Beschäf-

igtenzahlen wenig lernen. Sie haben einfach Behaup-
ungen über die Zahl der Beschäftigten aufgestellt.
esser wäre es, wenn Sie die Güte hätten, die Gesamt-
ahl der Erwerbstätigen in Deutschland während Ihrer
egierungszeit mit der in unserer Zeit zu vergleichen.
ann sähen Sie, dass es in Ihrer Zeit zumeist 37 Millio-
en und weniger waren, zu unserer Zeit jedoch immer
ehr als 38 Millionen. Jetzt ist zwar eine Ergänzung
urch die Selbstständigen zu verzeichnen. Aber Sie for-
ern doch selbst immer die Kultur der Selbstständigkeit.
aher sollten Sie Herrn Clement danken, dass wir Men-
chen zur Selbstständigkeit ermutigt haben, und dies
icht als Mitnahmeeffekt denunzieren. Wir müssen alles
un, damit diese Menschen, die sich selbstständig ma-
hen, also für sich und andere einen Arbeitsplatz schaf-
en, unterstützt, beraten und gefördert werden, damit sie
ls Selbstständige Erfolg haben. Das ist unser Auftrag.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, Sie haben die Insolvenzen
ngesprochen. Die Analyse von Creditreform zeigt, dass
5 Prozent der Insolvenzen hausgemacht sind, also ein
roblem der jeweiligen Unternehmer sind. Schönwetter-
apitäne können bei boomender Konjunktur erfolgreich
ein. Wir haben aber ein erhebliches Qualitätsproblem.
aran müssen wir arbeiten; es muss qualifiziert werden.
inzu kommt, dass in Ihrer Regierungszeit alle Steuer-
erater die Unternehmen dazu verführt haben, ihre Ei-
enkapitalquote durch Entnahmen und Schütt-aus-hol-
urück-Verfahren so gering wie möglich werden zu las-
en. Heute haben sie Angst vor den Ratings. Die Unter-
ehmen müssen wieder lernen, aus eigener Kraft, aber
uch mithilfe von Partnern Eigenkapital aufzunehmen,
amit sie selbstständig bleiben. Das wäre hilfreich, wenn
an Insolvenzen verhindern will, nicht aber eine allge-
eine Anklage von Rot-Grün.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ihre Ausreden, was die Ausbildungsplatzsituation
ngeht, haben wir lange genug gehört. Zehn Jahre hieß






(A) )



(B) )


Ludwig Stiegler

es, die Wirtschaft werde es schon schaffen. Aber sie hat
es trotz aller Bemühungen, die wir anerkennen und för-
dern und deren Fortgang wir wünschen, nicht geschafft.
Im Bewusstsein der Verpflichtung gegenüber den Men-
schen sagen wir: Kein junger Mensch darf die Schule
ohne Ausbildung verlassen. Wir dürfen nicht verlorene
Jahrgänge und Menschen in Warteschleifen zulassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In Zukunft werden wir wieder einen Facharbeitermangel
beklagen. Deshalb werden wir eine verträgliche Rege-
lung finden, die dafür sorgt, dass die Menschen Ausbil-
dung bekommen. Die Wirtschaft ist und bleibt in der
Verantwortung. Sie ist ihr nicht gerecht geworden; da-
rum werden wir ein Stück weit nachhelfen. Niemand
wird glücklicher sein als wir, wenn es die Umlage nicht
braucht.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Die Pleite gegangenen Betriebe können nicht mehr ausbilden!)


Meine Damen und Herren, Ihre Angriffe auf das
Tarifvertragsrecht – das gilt auch für Herrn Brüderle –
zeigen, dass Sie in Wahrheit eine andere Gesellschaft
wollen. Wir wollen eine solidarische Leistungsgesell-
schaft. Sie hingegen wollen eine kalte liberale Marktge-
sellschaft durchsetzen, die die Arbeitnehmer um ihren
Schutz bringt. Da werden wir Ihnen nicht folgen. Wir
werden den Menschen erklären, dass die Gesellschaft,
die Sie wollen, keine warme, sondern eine kalte Gesell-
schaft ist, die wir alle miteinander vermeiden müssen.
Die Tarifpartner haben bewiesen, dass sie Interessen
austarieren können, während Sie die Arbeitnehmerseite
entwaffnen und zum Objekt des Handelns machen wol-
len. Wir sind für gleiche Augenhöhe und für Koopera-
tion. Dabei wird es auch bleiben.

Es wird noch schlimmer: Die CSU und Teile von
CDU und FDP sind auf dem Programm von Professor
Sinn gelandet und wollen die Stundenlöhne in Deutsch-
land um 30 Prozent senken. Meine Damen und Herren,
wir haben mit den Hartz-Gesetzen dafür gesorgt, dass
auch die unteren Einkommensgruppen besetzt werden,
indem eine Kombination von Staats- und Markteinkom-
men angeboten wird. Aber eine generelle Stunden-
lohnsenkung um 30 Prozent, die Professor Sinn, Ihr
Hauptratgeber und -einflüsterer fordert, kann nicht unser
Ziel sein.

Wir stellen dagegen: Wir wollen Hochlohnland blei-
ben. Wie der Betriebsratsvorsitzende von Porsche gesagt
hat: Es kann nicht sein, dass die Manager nach amerika-
nischen Maßstäben und die Arbeitnehmer nach chinesi-
schen Maßstäben bezahlt werden. Das passt nicht zu-
sammen. Deshalb kämpfen wir für eine solidarische
Leistungsgesellschaft, die mit Augenmaß an die Pro-
bleme herangeht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, die Daten dieses Jahres
sind gut. Wenn Sie in Ihrer Regierungszeit die Preisstei-
gerungsraten gehabt hätten, die wir vorlegen können,

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(C (D ann hätten Sie Dankfeste und große Kundgebungen eranstaltet. Wir haben Preisstabilität wie nie zuvor. Die insen sind so niedrig wie nie zuvor und bieten gute Inestitionsbedingungen. Die Banken haben sich aus ihrer rise herausgearbeitet. Viele große Unternehmen haben hre Bilanzprobleme bereinigt und können wieder aktiv erden. Mit den neuen Kreditprogrammen der KfWittelstandsbank können wir dem Mittelstand helfen. ie Rahmenbedingungen sind so gut wie lange nicht ehr. Deshalb kommt es darauf an, jetzt nicht in Mieseetrigkeit zu verharren, sondern nach vorn zu schauen. Wir warnen übrigens auch und gerade die CSU davor, en Aufschwung zu fordern, aber in Bayern durch die aushaltspolitik ein halbes Prozent Wachstum zu verichten. Das ist Ihre Situation. Manchmal könnte man einen, Sie wollten diesen Aufschwung nicht, weil dann hre Klagegrundlage wegfiele. Meine Damen und Herren, es ist beklagt worden, dass er Aufbau Ost nicht angesprochen worden sei. Herr erz verfährt nach dem Grundsatz: Kinder, recherchiert icht so viel; es hetzt sich dann so schlecht. – Schauen ie sich einmal den Jahreswirtschaftsbericht an! Dann ehen Sie, dass Manfred Stolpe und Wolfgang Clement em Aufbau Ost die notwendige Aufmerksamkeit schenen. Wir werden dafür sorgen, dass die Investitionen in en neuen Ländern vorankommen. Wir werden auch daür sorgen, dass die Infrastruktur weiter ausgebaut wird. Herr Brüderle, es ist wirklich ungehörig, dem armen tolpe die Maut-Probleme in die Schuhe zu schieben, enn zwei Topunternehmen, die an Sie spenden, so rässlich versagt haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


alten Sie sich bitte schön an Daimler-Chrysler und an
ie Telekom, statt hier einen Unschuldigen anzuklagen!
Meine Damen und Herren, es ist unverkennbar: Am
nfang dieses Jahres zeigt die Stimmung nach oben. Sie
üssen den Keller und Ihre Tieflage verlassen. Bewegen
ie sich mit nach oben! Dann wird auch dieses Land vo-
ankommen. Wenn Sie nicht mitgehen, dann lassen wir
ie halt im Sumpf zurück.
Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1509101000

Ich erteile das Wort dem Thüringer Minister für Wirt-

chaft, Arbeit und Infrastruktur, Jürgen Reinholz.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1509101100

Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

nd Herren! Wer meint, dass mit dem vor Weihnachten
etzten Jahres verabschiedeten Reformpaket das Erfor-
erliche getan sei, der irrt. Schlimmer noch: Er wird den
rfordernissen, denen sich unser Land zu stellen hat,
icht gerecht.






(A) )



(B) )


Jürgen Reinholz, Minister (Thüringen)



(Klaus Brandner [SPD]: Wer hat denn das behauptet? Das ist ja etwas ganz Neues, was Sie uns jetzt erzählen wollen! Auf welchem Mond sind Sie denn?)


Nach den nicht enden wollenden Diskussionen ist allen-
falls der Einstieg in die dringend notwendigen Struktur-
reformen gelungen. Denn mit der Einigung im Vermitt-
lungsausschuss war nur ein erster Schritt getan, nicht
weniger, aber leider auch nicht mehr.

Jetzt kommt es darauf an, den eingeschlagenen Re-
formweg konsequent weiterzugehen, nicht hektisch,
aber ganz sicher schnell, konsequent, ohne Rücksicht auf
diffuse Befindlichkeiten und Stimmungen und keines-
falls mit der schon in der Vergangenheit gescheiterten
Politik der ruhigen Hand. Gerade aus Sicht der neuen
Länder ist es zwingend erforderlich, dass der Reform-
prozess fortgesetzt wird.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das passt aber nicht, was Sie da jetzt sagen!)


Nur wenn wir die Standortbedingungen in ganz Deutsch-
land verbessern, werden wir im internationalen Wettbe-
werb bestehen können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, jedermann muss klar sein:

Ohne einen erfolgreichen Aufbau Ost gibt es in unse-
rem Land keinen Aufschwung. Daher halte ich Äußerun-
gen, nach denen die wesentliche Reformarbeit erst ein-
mal getan sei, für äußerst fatal. Es ist doch offenkundig,
dass bei der Umsetzung der grundlegenden Reformen,
durch die sowohl die Rentenversicherung als auch die
Kranken- und Pflegeversicherung auf eine dauerhaft fi-
nanzierbare Grundlage gestellt werden müssen, keine
Zeit zu verlieren ist. Das sind wir allein schon den Le-
bensperspektiven künftiger Generationen schuldig. Glei-
ches gilt für die Neugestaltung der Einkommensbesteue-
rung, die mehr Transparenz und eine Vereinfachung des
Steuerrechts mit sich bringen muss.

Diese Themen müssen wir jetzt anpacken, wenn wir
in Deutschland aus eigener Kraft endlich wieder höhere
Wachstumsraten und mehr Beschäftigung erreichen wol-
len. Voraussetzung dafür ist, dass der wirtschaftliche
Aufholprozess in den neuen Ländern endlich wieder an
Fahrt gewinnt. Nichts liegt mir ferner, als die Erfolge
beim wirtschaftlichen Aufbau der neuen Länder kleinzu-
reden. In der Tat sind die Fortschritte beim Ausbau der
Infrastruktur nicht zu übersehen. Auch die Entwicklung
im verarbeitenden Gewerbe bleibt erfreulich. Im vergan-
genen Jahr ist die Bruttowertschöpfung dieses Wirt-
schaftszweiges in den ostdeutschen Flächenländern trotz
schlechter Konjunktur um real 5,7 Prozent gestiegen. In
Thüringen betrug der Zuwachs sogar 8 Prozent.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Durch die dynamische Industrieentwicklung stehen
Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt im Länderver-
gleich auch beim Wachstum des Bruttoinlandsproduktes
an der Spitze. Wenn aber die Bundesregierung im Jah-
resbericht zum Stand der deutschen Einheit von einer
– ich zitiere – „insgesamt zufrieden stellenden Entwick-

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(C (D ung der ostdeutschen Wirtschaft“ spricht, halte ich das ngesichts der rückläufigen Beschäftigungszahlen für icht besonders angemessen. Das spricht eher für fortchreitenden Realitätsverlust. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Klaus Brandner [SPD]: Das trifft doch gar nicht mehr zu! Das wissen Sie doch!)


Die politischen Schwerpunkte, die zur weiteren Un-
erstützung des Aufbaus Ost gesetzt werden müssen,
ind uns allen klar. Wir müssen den Ausbau der Infra-
truktur, insbesondere der Verkehrsverbindungen, mit
oher Intensität fortsetzen, gewerbliche Investitionen,
or allem in überregional ausgerichteten Unternehmen,
eiter wirksam fördern, in Bildung, Forschung und
echnologie investieren und die Wettbewerbsfähigkeit
or allem der kleinen und mittleren Unternehmen durch
assgenaue Förderangebote stärken.
Dabei geht es nicht darum, neue Wunderwaffen zu er-

inden. Auch geht es nicht um die Frage, ob der Aufbau
st „Chefsache“ ist. Diese Verbalakrobatik allein hat bis
eute niemandem geholfen. Beim Aufbau Ost geht es
m Wahrhaftigkeit, Vertrauensschutz und um Taten statt
orte.


(Klaus Brandner [SPD]: Blühende Landschaften!)


lle Räder, an denen wir drehen müssen, sind längst er-
unden. Die entsprechenden Themen stehen seit Jahr und
ag auf der Agenda. Hier geht es zum Beispiel um den
eiteren Ausbau der Infrastruktur.


(Klaus Brandner [SPD]: Ja, mehr ABM!)

n der Realisierung der im Bundesverkehrswegeplan als
ordringlich eingestuften Vorhaben darf nicht herumge-
eutelt und sie darf nicht immer wieder verschoben wer-
en. Das gilt insbesondere für die noch nicht abgeschlos-
enen Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“.


(Siegfried Scheffler [SPD]: Das ist ja wohl ein Witz!)


Ich kann zum Beispiel nicht verstehen, dass die
urchführung eines für die Anbindung des mitteldeut-
chen Wirtschaftsraums so wichtigen Projekts wie der
CE-Strecke Nürnberg-Erfurt-Leipzig je nach Kas-
enlage mal zugesagt und mal zur Disposition gestellt
ird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

as muss unbedingt aufhören. Auch erinnere ich daran,
ass das Baurecht auf wesentlichen Teilen der Strecke
m Jahr 2005 erlischt. Entscheidend ist auch, dass in den
euen Ländern eine schnelle Planung von Infrastruktur-
orhaben möglich bleibt. Ich appelliere deshalb an Sie,
eine Damen und Herren, die vom Bundesrat im
rühjahr vergangenen Jahres beschlossenen Gesetzes-
nitiativen zur Verlängerung des Verkehrswegeplanungs-
eschleunigungsgesetzes und zur entsprechenden Ände-
ung des Bundesnaturschutzgesetzes als unumgänglich
u begreifen und endlich auch zu verabschieden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)







(A) )



(B) )


Jürgen Reinholz, Minister (Thüringen)


Wir brauchen auch Planungssicherheit für die Inves-

toren. Ich begrüße es daher sehr, dass Bund und Länder
sich auf die Fortführung des wichtigen Instrumentes der
Investitionszulage verständigt haben. Auch das muss
schnell verbindlich werden, ehe die Unternehmen ihre
Investitionen wieder abblasen oder gar auf die lange
Bank schieben.

Wirklich katastrophal für die neuen Länder wäre aber,
wenn bei der Fortführung der EU-Strukturpolitik eine
europäische Relativitätstheorie zugrunde gelegt würde.
Der wirtschaftliche Entwicklungsstand der neuen Länder
ändert sich nun wirklich nicht in der Nacht zum 1. Mai.
Sie brauchen wirksame Fördermöglichkeiten auch für
die Jahre nach 2006. Sie müssen Ziel-1-Gebiet bleiben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ebenso muss bei der Gestaltung der Rahmenbedin-
gungen unverrückbares Ziel sein, die Wettbewerbsfähig-
keit der ostdeutschen Wirtschaft zu stärken und sie nicht
durch falsche Weichenstellungen zu beeinträchtigen.
Aktuell muss daher zum Beispiel bei der Novellierung
des Erneuerbare-Energien-Gesetzes eine Lösung gefun-
den werden, bei der sich die entstehenden zusätzlichen
Kosten auf alle – ich betone: alle – Stromverbraucher
verteilen. Die Netznutzungsentgelte liegen in Ost-
deutschland schon heute um bis zu 50 Prozent höher als
im Bundesdurchschnitt. Wie soll eine weitere einseitige
Belastung der Strompreise in den neuen Bundesländern
verkraftet werden?

Bei den Grundlagen für den Handel mit Emissions-
rechten müssen die in Ostdeutschland seit der Wieder-
vereinigung erreichten CO2-Reduzierungen berück-sichtigt werden. Wir haben die Emissionen in den 90er-
Jahren bereits um 98 Prozent reduziert. Das kann doch
heute nicht Schnee von gestern sein!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Aufbau Ost bleibt eine Aufgabe, bei der alle

staatlichen Ebenen an einem Strang ziehen müssen, vor
allen Dingen in eine Richtung. Der gesamtstaatliche Re-
formprozess und der Aufbau Ost haben nämlich eines
gemeinsam: Wir sind noch keineswegs am Ziel. Wir
müssen den begonnenen Weg entschlossen fortsetzen
und dürfen weder aus Halbherzigkeit pausieren noch vor
heiligen Kühen stehen bleiben oder plötzlich Angst vor
der eigenen Courage zeigen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1509101200

Ich erteile dem Kollegen Fritz Kuhn von der Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509101300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Wenn man die Botschaft des heute Nacht
erzielten Tarifabschlusses im Südwesten richtig deutet,
dann heißt sie doch: Die Wirtschaft will, die Gewerk-
schaften wollen, alle am Wirtschaftsgeschehen Beteilig-

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(C (D en sind interessiert daran, dass in der Wirtschaft wieder ehr investiert wird. Deswegen haben sie einen verünftigen Tarifabschluss vereinbart. Herr Merz, nachdem ich Ihre Rede gehört habe, sage ch an die Union gerichtet: Jetzt spätestens ist die Stunde ekommen, in der Union und FDP aufhören müssen, zu ersuchen, den Standort Deutschland schlechtzureden, ie sie es in ihren Jammerarien der letzten Jahre getan aben. Angesichts der positiven Stimmung derzeit haben ie eine Verantwortung, aus der Sie nicht mehr herausommen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU)


Ich will Ihnen an verschiedenen Beispielen aufzeigen,
as Sie mit Ihren Reden in Bezug auf das Investitions-
eschehen anrichten. Was Sie, Herr Merz, zur Energie-
olitik und insbesondere zu den Emissionszertifikaten
esagt haben, war nicht gerade von Sachkenntnis ge-
rübt. Wir wollen, dass die Wirtschaft mit den Emis-
ionszertifikaten ihrer Selbstverpflichtung nach dem
arktwirtschaftlich besten Weg nachkommt. Da gibt es
in Problem, das ich Ihnen einmal schildern will – Sie
önnen das heute auch im „Tagesspiegel“ nachlesen –:
ie Wirtschaft hat von 2000 bis 2002 15 Millionen Ton-
en CO2 zusätzlich emittiert, obwohl sie Selbstverpflich-ung eingegangen ist, für den Zeitraum von 2000 bis
005 20 Millionen Tonnen weniger auszustoßen. Genau
arin besteht das Problem: Das Geschrei, dass der BDI
etzt veranstaltet, kommt ausschließlich daher, dass die
irtschaft ihrer Selbstverpflichtung bisher nicht einmal

m Ansatz nachgekommen ist. Es ist aber doch legitim,
on demjenigen, der eine Selbstverpflichtung eingeht, zu
erlangen, dass diese auch erfüllt wird. Nicht mehr und
icht weniger tun wir.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Herr Merz, wir von den Grünen sind der Überzeu-
ung, dass die Reformen der Agenda und somit die Mo-
ernisierung Deutschlands weitergeführt werden müs-
en. Ein Revisionismus in Bezug auf die Agenda hat
einen Sinn. Wir müssen Deutschland modernisieren.
ür uns ist aber auch das Thema soziale Gerechtigkeit
lementarer Bestandteil bei der Modernisierung. Hier
ibt es deutliche Unterschiede zwischen Rot-Grün und
chwarz-Gelb.
Das Thema Praxisgebühr wäre heute nicht auf dem

isch, wenn Sie bereit gewesen wären – das richtet sich
n die Adresse der Union –, mehr Wettbewerb im Ge-
undheitswesen zuzulassen. Hier liegen die Effizienz-
eserven. Dadurch, dass sie nicht genutzt werden, wer-
en die Kosten nach oben getrieben. Sie von der CDU/
SU und von der FDP waren nicht zu mehr bereit, weil
ie die Lobbys des Gesundheitssystems vertreten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wer hat das denn erfunden? Das ist ja irre! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Fritz Kuhn

Wenn wir diese Aufgabe angegangen hätten, dann wäre
die Praxisgebühr nicht notwendig gewesen. Deswegen
sage ich: Bei der Modernisierung in Deutschland muss
auch das Themenfeld soziale Gerechtigkeit einbezogen
werden. Ich bin für Wettbewerb im Gesundheitssystem
und für eine Bürgerversicherung.

Frau Merkel, die von Ihnen vorgeschlagene Kopf-
prämie, sei sie mehrwertsteuerfinanziert, wie Herr Merz
rät, sei sie kreditfinanziert, wie Sie raten, stellt keine so-
ziale Modernisierung dar, sondern sozialen Kahlschlag.
Das Ergebnis wäre, dass die kleinen Leute auch noch
den Sozialausgleich finanzieren sollen, den das komi-
sche Merz-Modell vorsieht. So haben wir nicht gewettet!
Das, was Sie machen, ist keine Modernisierung, sondern
eine Reise in die Vergangenheit!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Da Sie die Stimmung bei den kleinen Leuten anfa-
chen, möchte ich etwas dazu sagen. Was müssen sich die
Menschen, die zusätzliche Belastungen zu tragen haben,
zum Beispiel wenn sie zum Arzt gehen, nur denken,
wenn sie in den Medien Berichte über Vorgänge in der
Wirtschaft sehen! Es wird gezeigt, wie zum Beispiel ein
Herr Ackermann und andere in einem Prozess trium-
phieren, obwohl sie mehr als Hundert Millionen Euro
leichtfertig dafür ausgegeben haben, dass Konzerne ka-
puttgemacht werden, und nicht dafür, dass die Wirtschaft
aufgebaut wird.

Wenn die Menschen mit ansehen müssen, wie zum
Beispiel Daimler-Chrysler und die Telekom bei Toll
Collect auf der ganzen Linie versagt haben, dann müs-
sen sie sich wirklich komisch vorkommen. Auch darüber
muss im Deutschen Bundestag gesprochen werden. Herr
Verkehrsminister, ich sage Ihnen klipp und klar: Das An-
gebot von Toll Collect, das jetzt auf dem Tisch liegt,
halte ich persönlich für sittenwidrig. Es weist das Muster
auf: Wir sind es nicht gewesen, die Risiken sollen poli-
tisch abgesichert werden. Ich bin der Meinung, dass wir
schnell und konsequent aus diesem Vertrag heraus müs-
sen. Es liegt ein klares Versagen eines Teils der Wirt-
schaft vor. Wir müssen Ross und Reiter nennen, wenn
etwas schief geht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An die CDU möchte ich klar appellieren: Herr Merz

und Frau Merkel, ziehen Sie Ihre Mogelpackungen zu-
rück, die Sie andauernd präsentieren. Herr Merz, Sie ha-
ben sich für Ihren Vorschlag einer Steuerreform feiern
lassen, bei deren Umsetzung 10 Milliarden Euro fehlen
würden. Sie haben keinen vernünftigen Vorschlag unter-
breitet, wie Sie diese Summe finanzieren wollen. Frau
Merkel unterstützt das so genannte Kopfprämienmodell,
bei dessen Umsetzung 20 Milliarden Euro fehlen wür-
den. Ihnen fällt nichts besseres ein, als dies über Mehr-
wertsteuererhöhung und über Schulden zu finanzieren.
Ihr Vorgehen kann man wie folgt vergleichen: Sie halten
den Leuten eine Wurst hin, müssen sie aber wieder zu-
rückziehen, weil Sie sie nicht bezahlen können. Dann
behaupten Sie aber, die Bundesregierung sei schuld, dass
es keine Wurst gebe. Die Politik, die Sie machen, ist un-

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(C (D eriös. Sie schüren Erwartungen, die Sie nicht erfüllen önnen. Es geschieht Ihnen ganz recht, dass Sie in der nion nun einen solchen Streit haben, weil Sie nicht ichtig gerechnet haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Frau Merkel, was ist eigentlich aus den Ankündigun-
en in Ihrer Mutrede im Oktober des letzten Jahres ge-
orden? Das sollten Sie sich einmal fragen. Sie haben
amals heftig auf den Putz gehauen und wollten die
roße Reformerin und Modernisiererin in Deutschland
ein. Inzwischen zaudern und schweigen Sie, ducken
ich, sehen weg und wollen verschieben. Sie sagen im-
er, die Regierung sei es gewesen. Nein, Sie sind unfä-
ig, ein Reformkonzept für dieses Land vorzulegen!
eswegen begnügen Sie sich mit billiger Kritik an der
egierung. Die Stimmung in diesem Hause macht aber
eutlich, dass Sie damit nicht durchkommen werden.
ir werden die Wählerinnen und Wähler überzeugen,
ass Sie nur Pseudoalternativen auf den Tisch legen und
amit nichts für die Wirtschaft und für die Bekämpfung
er Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland
un.
Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1509101400

Ich erteile Kollegin Dagmar Wöhrl, CDU/CSU-Frak-

ion, das Wort.

Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1509101500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

ieber Herr Kuhn, ich glaube, auch durch Schreien wer-
en Ihre Worte in diesem Haus nicht wahr.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der „Tagesspiegel“ hat vor einigen Tagen formuliert:
ie ungefähr richtige Politik, handwerklich miserabel
emacht und dazu noch schlecht erzählt. – Wenn ich ehr-
ich bin, muss ich sagen, dass ich das noch als eine nette
ntertreibung empfinde.
Erzählen können Sie, Herr Minister, hier gut. Das
issen wir aufgrund vieler Erfahrungen. Wenn man sich
en Jahreswirtschaftsbericht des letzten Jahres und das,
as Sie in ihm alles haben verlauten lassen, ansieht
Wachstumsdynamik beschleunigen, Arbeitsmarkt-
trukturen flexibler gestalten, soziale Sicherungssysteme
ukunftsfest machen, Konsolidierung der Haushalte vor-
ntreiben –,


(Ludwig Stiegler [SPD]: Alles geschehen!)

ann fragt man sich, was aus diesen ganzen Verspre-
hungen geworden ist.
Was ist mit der Wachstumsdynamik? 2001 betrug

as Wirtschaftswachstum schwache 0,8 Prozent. Im
ahre 2002 waren es noch schwächere 0,2 Prozent.
echnet man die statistischen Arbeitstageeffekte heraus,
ann werden wir in diesem Jahr an der Null-Komma-






(A) )



(B) )


Dagmar Wöhrl

Grenze ankommen. Sie müssen auch sehen: Die ersten
Wirtschaftsinstitute revidieren ihre Prognosen inzwi-
schen nach unten.

Nehmen wir den flexiblen Arbeitsmarkt: Es hat sich
weder beim Betriebsverfassungsgesetz noch beim Tarif-
vertragsgesetz etwas getan. Gemäß der Statistik haben
wir immer noch 4,3 Millionen Arbeitslose.


(Dirk Niebel [FDP]: 4,6! – Ludwig Stiegler [SPD]: 5 Millionen habt ihr vorausgesagt!)


Wenn es Ihre Änderungen in der Statistik nicht gegeben
hätte, dann sähen die Schreckensmeldungen bei weitem
noch schlimmer aus als jetzt.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Das ist doch glatt geschwindelt! Das macht 0,1 Prozent aus!)


Viel wichtiger ist, dass wir uns die Beschäftigtenzahl
anschauen. Diese weist eine sinkende Tendenz auf. Al-
lein im letzten Jahr verringerte sich die Beschäftigten-
zahl um 400 000. Auch laut Ihrem Jahreswirtschaftsbe-
richt wird sie in diesem Jahr noch niedriger ausfallen.

Was haben Sie noch versprochen? Ich nenne die zu-
kunftsfesten sozialen Sicherungssysteme. Was liegt
vor? Da ist zunächst das Defizit in der Pflegeversiche-
rung. Allein hier belief sich der Minusbetrag im letzten
Jahr auf 700 Millionen Euro. Daneben gab es bei der
Rente kurzfristig Nullrunden und an die Bundesagentur
für Arbeit wurde ein Milliardenzuschuss geleistet, der
nicht eingeplant war. Im Gesundheitswesen sehen wir
ein Umsetzungschaos, und versprochene Beitragssen-
kungen werden nicht durchgeführt. Bei den Sozialkassen
gibt es ein einziges Desaster.

Herr Kuhn, ich komme zur Praxisgebühr. Sie schei-
nen bei der Regierungserklärung Ihres Kanzlers nicht
genau zugehört zu haben. Er hat in seiner Regierungser-
klärung am 14. März 2003 als Erster von der Praxisge-
bühr gesprochen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ludwig Stiegler [SPD]: Und Sie von 10 Prozent Selbstbeteiligung!)


Dann sprechen Sie auch noch von Haushaltskonsoli-
dierung. Es ist eine Farce und Unverschämtheit, 90 Mil-
liarden Euro an neuen Schulden als Haushaltskonsolidie-
rung zu bezeichnen. Die Verletzung des Stabilitätspaktes
ist bei Ihnen inzwischen doch zur Routine geworden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Minister, Sie können mir wirklich glauben: Ob-

wohl ich Oppositionspolitikerin bin, macht es mir keine
Freude, dies alles aufzuzählen. Wir auf der rechten Seite
des Hauses sind nämlich nicht nur Oppositionspolitiker,
sondern auch Bürger dieses Landes. Wir haben Kinder,
Freunde und Bekannte, die ebenfalls von Ihrer Misswirt-
schaft betroffen sind. Daher freut es mich wenig, dass
Sie von der aktuellen Entwicklung in Ihrer Partei weiter
geschwächt worden sind.

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(C (D Wir alle wissen doch eines: Wir befinden uns in sehr chwierigen Wirtschaftszeiten. Deshalb brauchen wir eien starken Wirtschaftsminister, der sich gegen Bremser, lockierer und Bedenkenträger durchsetzen kann. (Beifall des Abg. Dr. Rainer Wend [SPD] – Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Haben wir doch! – Ludwig Stiegler [SPD]: Da müssen Sie einmal genau hinschauen! Sie brauchen eine stärkere Brille!)


ir brauchen einen Minister, der hier nicht nur unange-
ehme Wahrheiten sagt – das tun Sie ja –, sondern der
uch eine konsistente Politik gestaltet und den seine Par-
i auch eine konsistente Politik gestalten lässt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

as ist bei Ihnen leider nicht der Fall.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Bei „lässt“ liegt der Hase im Pfeffer! – Ludwig Stiegler [SPD]: Sie müssen bei der Wahrheit bleiben! Sie haben einen Knick in der Optik und Wahrnehmungsstörungen! – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man sollte bei der Wahrheit bleiben!)


eswegen ist der heute vorgelegte Jahreswirtschaftsbe-
icht eine Farce. Er ist ein Ritual ohne jegliche Substanz.
ir waren so froh, dass die Grundsatzabteilung endlich
ieder ins Wirtschaftsministerium zurückverlagert
urde; Sie bestimmen die Wirtschaftspolitik aber nicht
ehr.
Das beste Beispiel für Ihr parteiinternes Scheitern ist

ie Ausbildungsplatzabgabe. Sie stehen für Freiwillig-
eit; das wissen wir doch. Aber Sie können sich auch
ier nicht durchsetzen. Die Realität in der Regierung
ieht leider ganz anders aus. Dass Herr Müntefering als
arteivorsitzender in spe quasi Ihr Vorgesetzter ist, muss
ie wirklich tief getroffen haben. Der Gesetzentwurf für
ie Ausbildungsplatzabgabe kommt. Mit der Freiwillig-
eit ist jetzt Schluss. Stattdessen kommt nun wieder
taatszwang pur. Das einzig Positive daran ist, dass Sie
uf dem Sonderparteitag damit Stimmung machen kön-
en.
Es stellt sich die Frage: Welche ist denn in diesem

piel Ihre Rolle, Herr Minister? Welchen Part spielen
ie hier überhaupt? Nehmen wir doch als Beispiel den
missionshandel; er ist heute schon öfter angesprochen
orden. Dieses Gesetz hat immens weit reichende Fol-
en für unsere Wirtschaft. Es ist bezeichnend, dass Ihnen
ieses Thema im Wirtschaftsausschuss bis jetzt kein
ort wert gewesen ist. Ich habe zu diesem wichtigen
irtschaftspolitischen Thema um eine Stellungnahme
ebeten: Die Auswirkungen des Emissionshandels auf
ie Wirtschaftspolitik.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Das hat doch Ihr Obmann so entschieden, Frau Wöhrl!)


Lassen Sie mich ausreden, Herr Wend. – Die Stellung-
ahme ist gekommen. Sie bestand aus einer mageren
reiviertel Seite. Auch hier, Herr Minister Clement, kön-
en Sie sich gegen Herrn Trittin nicht durchsetzen.






(A) )



(B) )


Dagmar Wöhrl

Herr Trittin missbraucht den Emissionshandel, um ei-

nen strukturpolitischen Steuermechanismus auf den Weg
zu bringen.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen bei der Wahrheit bleiben!)


Ihm ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer
Unternehmen vollkommen egal. Er versucht, seine grüne
Ideologiepolitik in die Industrie hineinzutragen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Auch hier, Herr Minister Clement, haben Sie die rote
Karte bekommen. Daher dürfen Sie nicht auf das Spiel-
feld.

Herr Kuhn, was Sie gerade im Zusammenhang mit
der Selbstverpflichtung der Wirtschaft gesagt haben,
muss Ihnen doch wehtun. Dabei hat man gemerkt, dass
Sie mit diesem Thema nicht vertraut sind.


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Verpflichtung lautet, den Ausstoß der Emissionen
bis 2012 um 21 Prozent zu senken. Bis heute hat es die
Wirtschaft aufgrund einer Selbstverpflichtung – ich sage
das noch einmal: Selbstverpflichtung – geschafft, den
Ausstoß der Emissionen um 19 Prozent zu senken.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir unseren Freunden im Osten zu verdanken!)


Wir würden das Ziel im internationalen Vergleich auch
ohne den Emissionshandel erreichen; da können Sie si-
cher sein.

Der Vorstandschef von Vattenfall hat zu Recht seine
Sorge geäußert, dass durch die grün-rote Regulierungs-
wut besonders in Ostdeutschland Tausende von Arbeits-
plätzen in der Braunkohleindustrie vernichtet werden.
Das ist nicht Aufbau Ost; was hier betrieben wird, ist
vielmehr Abbau Ost.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Brüderle [FDP])


Wie wollen Sie denn diese wichtigen und notwendi-
gen Reformen in Gang bringen, wenn Ihr zukünftiger
Parteichef erklärt: „Mehr für den Staat, weniger für den
Konsum“? Ein anderes Beispiel: Der Bürger soll dem
Staat das geben, was der Staat braucht. – So kann man
ein Land nicht nach vorne bringen. Sie wissen genau,
dass in der Wirtschaft gilt: Stillstand bedeutet Rück-
schritt. Bei Ihnen jedoch heißt es momentan: „Vorwärts,
Genossen, es geht wieder zurück“ – nichts anderes.

Wir müssen die Wachstumskräfte stärken; das wis-
sen auch Sie. Der Mittelstand ist für die Wirtschaftspoli-
tik wichtig; auch das wissen Sie. Sie kennen auch die
Analyse der Bundesbank vom letzten Oktober. Darin
wird festgestellt, dass sich der gesamte Mittelstand in
Deutschland in einer Abwärtsbewegung befindet. Allein
die Bruttojahresergebnisse sind in den letzten drei Jahren

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(C (D m 15 Prozent geschrumpft. Wir wissen, dass die ökonoische Katastrophe noch schlimmer gewesen wäre, enn uns nicht die Exportwirtschaft davor bewahrt ätte. Unser Außenhandel zeigt uns, wie anfällig und ie abhängig wir inzwischen von der Weltwirtschaft georden sind. Dies beweist, dass die Spaltung zwischen innenund außenwirtschaftlichen Kräften immer gröer wird. Das ist eine fatale Entwicklung unserer Wirtchaftspolitik. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Brüderle [FDP])


Das Thema Osterweiterung war Ihnen nur eine
urze Erwähnung wert. Wir wissen, dass sie nicht nur
isiken, sondern auch Chancen birgt. Wir versuchen, auf
iese Chancen immer wieder hinzuweisen. Aber es muss
or allen Dingen auch den kleineren Firmen möglich
ein, die Potenziale zu nutzen. Das heißt, sie müssen gut
orbereitet sein und faire Wettbewerbsbedingungen vor-
inden. Sie aber haben bei der GA-Förderung eine bei-
piellose Salamitaktik an den Tag gelegt; einmal hin,
inmal her. Man weiß überhaupt nicht mehr, wie es in
hrer Wirtschaftspolitik zukünftig mit der regionalen
örderpolitik bestellt sein wird. All das zeigt, dass es in
iesem Zusammenhang an allen Ecken und Enden ha-
ert.
Nehmen wir die Steuerbelastung. Ab Mai werden

änder der EU beitreten, deren Steuerlast bei weitem ge-
inger ist als unsere: Litauen und Zypern 15 Prozent,
ettland 19 Prozent. Andere Länder planen Senkungen
er Steuerlast: Polen von 27 Prozent auf 19 Prozent, die
lowakei von 25 Prozent auf 19 Prozent, die Tschechi-
che Republik von 31 Prozent auf 24 Prozent ab dem
ahr 2006.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Dann kann man in Zypern ins Krankenhaus gehen!)


In diesem Hause muss man doch handeln. Man kann
ich doch nicht zurücklehnen und sagen: Jetzt warten wir
rst einmal ab, was überhaupt auf uns zukommt.
Im abgelaufenen Jahr sind die Gewinne der deutschen
esellschaften mit 40 Prozent belastet worden. Das ist
er zweithöchste Wert. Nur marginal höher ist die Belas-
ung in Japan mit 40,9 Prozent. Kein Land in Europa
reift stärker auf die Unternehmensgewinne zu als
eutschland.
Schauen Sie sich die zukünftigen Weichenstellungen

n. Müntefering will mehr für den Staat. Wir wollen
ehr Freiheit. Müntefering sagt: Bloß keine Hektik bei
en Reformen. Wir sagen: 2004 darf kein verlorenes
ahr für Deutschland werden. Da zeigt sich, wo wir in
ukunft ansetzen müssen.
Ihnen, Herr Bundeswirtschaftsminister, muss zukünf-

ig eine Schlüsselrolle zukommen. Wer soll denn Ihre
raktion überhaupt auf notwendige Änderungen einstel-
en, wenn nicht Sie? Schröder kann es nicht. Herr
üntefering will es nicht. Wir sehen genau, dass er eine
orliebe für Zwangsabgaben hat. Tarifverträge sind für
hn sakrosankt. So können wir erahnen, wo es in den
ächsten Jahren unter Ihrer Regierung langgehen wird.






(A) )



(B) )


Dagmar Wöhrl

Wir brauchen mehr private Initiative. Wir müssen

den Menschen mehr zutrauen, anstatt mehr staatlichen
Dirigismus zu entwickeln. Public-Private-Partnership
wird ein ganz wichtiges Thema in der Zukunft werden.
Wir brauchen endlich gesunde Staatsfinanzen. Darum
müssen wir uns bemühen und wir dürfen nicht immer
wieder in neue Schulden flüchten. Wir müssen endlich
für neue Arbeitsplätze sorgen, anstatt die Erwerbslosen
aus der Statistik zu streichen.

Was passiert jetzt? Die Neiddiskussion ist neu aufge-
blüht. Sie ist aberwitzig. Der linke Flügel der SPD freut
sich jetzt schon auf die Erbschaftsteuererhöhung, die
eingebracht werden soll, obwohl jeder Ökonom sagt,
dass allein ein Drittel der Erbschaftsteuer für Verwal-
tungsausgaben verwendet werden muss. Sie wissen ge-
nau, dass durch eine Erbschaftsteuererhöhung Kapital
aus dem Land getrieben wird. Ich frage mich schon: Ist
es in der momentanen Situation sinnvoll, Betriebsüber-
gaben durch höhere Erbschaftsteuern noch mehr zu er-
schweren? Viel wichtiger wäre es, die Erben, die sich be-
reit erklären, unternehmerisch tätig zu sein, zu entlasten,
ihnen die Erbschaftsteuer zu stunden und nach zehn Jah-
ren zu erlassen. Dann haben sie viel mehr für die Volks-
wirtschaft und die Sicherung der Arbeitsplätze getan, als
wenn sie einmalig Erbschaftsteuer zahlen, die vom auf-
geblähten Staat wahrscheinlich nur verfrühstückt wird.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)

Lieber Herr Clement, ich weiß, dass Sie uns auch in

dieser Sache zustimmen. Aber Sie werden sich auch hier
bei Ihren eigenen Leuten nicht durchsetzen können.

Ich habe sehr bedauert, dass außer dem Schlagwort
„Innovation“, das in Ihrem Bericht vorkommt, keine
konkreten Aussagen zu Bildung gekommen sind. Genau
darin liegen doch die Grundlagen für die Aufwärtsent-
wicklung unseres Staates. Die „Financial Times“ hat
diese Woche getitelt: „Das Land der Dichter, Denker und
Erfinder hat abgewirtschaftet. Weil unser Bildungssys-
tem verrottet, verschleudern wir unsere wichtigste Res-
source: die Klugheit unserer Kinder.“


(Wolfgang Clement, Bundesminister: Das müssen Sie in Bayern vortragen, gnädige Frau!)


Recht hat sie. 10 Prozent eines Jahrgangs verlassen in-
zwischen die Schulen ohne jeglichen Abschluss. Inzwi-
schen haben wir 4 Millionen Mitbürger, die nicht lesen
und nicht schreiben können. Das kann man sich über-
haupt nicht vorstellen.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: 200 davon sitzen im Parlament, hat man den Eindruck!)


Es gibt viele Kindergärten, in denen 90 Prozent der Kin-
der kein Wort Deutsch sprechen. Wie soll denn da die In-
tegration stattfinden? Es ist zu wenig, nur das Jahr der
Innovation auszurufen, wenn unsere Schüler nur Platz
21 von 32 Plätzen im internationalen Bildungsranking
belegen.

Ich habe bei Ihnen auch jeglichen konstruktiven Bei-
trag zum Thema Eliteuniversitäten vermisst. Das ist ein
sehr wichtiges Wirtschaftsthema, das angegangen wer-

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(C (D en muss. Wir kennen Ihre Forderungen nicht. Fordern ie mehr Freiheit und mehr Eigenverantwortung der einelnen Hochschulen? Auch in dieser Frage herrscht wieer das berühmte Schweigen im Walde. (Ludwig Stiegler [SPD]: Wo bleibt der Beifall?)


Ich möchte Sie zum Schluss noch auf zwei Schlag-
orte hinweisen, Herr Clement. Sie haben den Jahres-
irtschaftsbericht 2003 unter das Motto „Allianz der Er-
euerung“ gestellt. In diesem Jahr heißt die Devise
Partner für Innovation“.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Warum seid ihr so still? – Dr. Uwe Küster [SPD]: Hat sie irgendetwas Schlimmes gemacht? Das macht mich neugierig! Was hat sie getan?)


Wenn Sie es auch zukünftig nicht schaffen, sich
urchzusetzen, und von Ihrem Parteichef ausgebremst
erden, kann ich Ihnen nur einen Rat geben: Seien Sie
in Partner für Innovation, wie Sie es im Jahreswirt-
chaftsbericht formuliert haben! Räumen Sie gemeinsam
it dem Kanzler Ihren Platz und machen Sie damit Platz
ür eine Allianz der Erneuerung.
Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1509101600

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen
auder das Wort.

Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1509101700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

nd Kollegen! Herr Kollege Kuhn hat in seiner Rede
ersucht, den Eindruck zu erwecken, dass die Praxisge-
ühr eine Erfindung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
ewesen sei. Ich zitiere mit Genehmigung des Herrn
räsidenten aus der Rede des Bundeskanzlers vom
4. März 2003:

Gerade weil Eigenverantwortung gestärkt werden
muss, sollten wir – ich komme jetzt zu den Instru-
menten – Instrumente wie differenzierte Praxisge-
bühren und Selbstbehalte nutzen.

Der Begriff „Praxisgebühr“ stammt also von Herrn
undeskanzler. Davon sollten Sie nicht ablenken, Herr
uhn, wenn wir fair miteinander umgehen wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1509101800

Kollege Kuhn, wollen Sie darauf reagieren?

Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509101900

Vielen Dank, dass Sie kurz auf das Thema eingegan-

en sind, Herr Kauder. Aus dem in dem Zitat erwähnten
egriff „differenzierte Praxisgebühr“ ergibt sich un-
chwer, dass es in diesem Zusammenhang um ein diffe-
enziertes Modell, aber keineswegs um eine Praxisge-
ühr beim Hausarzt ging.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Fritz Kuhn

Ich wollte Sie aber – das war der Sinn meiner Äuße-

rungen – an etwas anderes erinnern. In den konkreten
Gesprächen, als die Gesundheitsreform in vielen Näch-
ten diskutiert und vereinbart wurde, war durchaus klar,
dass entsprechende Maßnahmen zugunsten eines stärke-
ren Wettbewerbs im Gesundheitssystem zu einer Kos-
tensenkung führen würden, sodass eine Praxisgebühr
nicht notwendig wäre.

Für die Zukunft ist völlig klar, Herr Kauder: Bei der
nächsten Reform im Gesundheitswesen – ob Kopfprä-
mie oder Bürgerversicherung – kommen wir um einen
effektiven Wettbewerb in unserem Gesundheitswesen
nicht herum. Ich verstehe nicht, dass diejenigen, die sich
immer wieder für einen liberalen Wettbewerb ausspre-
chen, die Hauptblockierer sind, wenn es um den echten
Wettbewerb verschiedener Leistungsanbieter geht.

Das ist der Sinn meiner Ausführungen. Ich finde es
großartig, wie die FDP und die Union in diesem Hause
immer wieder die Lobbys des alten Gesundheitssystems
verteidigen, gerade so, als seien sie von ihnen abhängig
und hätten den Kopf nicht frei für einen echten Wettbe-
werb.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1509102000

Ich erteile dem Kollegen Lothar Binding, SPD-Frak-

tion, das Wort.

(Dieter Grasedieck [SPD]: Lothar, erkläre das dem Brüderle nachher privat!)


Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1509102100

Das kann ich ja nachher einmal probieren. – Sehr ge-

ehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister Clement hat vorhin festgestellt, dass das
vor uns liegende Jahr besser werde als das vergangene
Jahr. Ich glaube, wo der Minister Recht hat, hat er Recht.


(Beifall bei der SPD)

Dieser Satz gilt meines Erachtens in einem viel tiefe-

ren Sinne, als er sich durch ein Jahresgutachten ergeben
kann. Denn er beruht auf Strukturkomponenten, die bei
nur kurzfristiger Betrachtung einzelner Parameter nicht
erkennbar sind.

Die Lasten für die Zukunft bestimmen sich aus
verschiedenen Parametern, zum Beispiel aus den Staats-
schulden, aber auch aus den künftigen Leistungsansprü-
chen. Daraus ergibt sich sozusagen eine Tragfähigkeits-
lücke, die es genauer in den Blick zu nehmen gilt. Man
muss sich den historischen Verlauf genauer anschauen,
um zu erkennen, wo wir heute stehen.

Wir alle wissen, dass das durchschnittliche Wachs-
tum in den 70er-Jahren bei 2,8 Prozent, in den 80er-Jah-
ren bei 2,3 Prozent und in den 90er-Jahren bei 1,6 Pro-
zent lag. Vor dem Hintergrund des Niedergangs der
Wachstumsraten möchte ich die Analyse eines CDU-
Kollegen, die die Situation von 1998 beschreibt, als Bei-
spiel nehmen – ich möchte die Vergangenheit nicht allzu
lange bemühen –, um deutlich zu machen, wie Analysen

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(C (D rstellt werden. Danach gab es damals in wesentlichen olitischen Bereichen „einen positiven Trend. Die emeinden verzeichneten hohe Überschüsse. Die Areitslosigkeit ging drastisch zurück. Die Energiepreise ntwickelten sich positiv. Die gesamtstaatliche Verschulung lag bei etwa einem Drittel.“ Der CDU-Kollege, der iese Analyse erstellt hat, hat sich anschließend gewunert, warum er kein zukunftsfähiges Modell zustande geracht hat. Jetzt, einige Jahre später, gibt es zwei ernst zu nehende Alternativen. Der erste Ansatz zur Lösung unseer Probleme stammt von der Bierdeckelfraktion. Natürich kann man sich vorstellen, dass man zukünftig seine teuererklärung auf einem Blatt Papier abgibt, das so iel Platz bietet wie ein Bierdeckel. Aber das ist nur öglich, wenn man entsprechend viele Bierdeckel immt. Wer dieser Fraktion angehört, wird niemals eine eriöse Steuerpolitik machen können. Jeder, der sich das erz-Modell genauer anschaut, wird sofort feststellen, ass das in volkswirtschaftlicher Hinsicht zu kurz geprungen ist; denn dieses Modell ist erstens mit Belasungen – je nachdem, wie man rechnet – in Höhe von 0 Milliarden bis 40 Milliarden Euro verbunden, die gechickterweise über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer inanziert werden sollen. Zweitens werden die Auswirungen auf den Wirtschaftskreislauf nicht zu Ende geacht. Wie kann man gleichzeitig die Mehrwertsteuer rhöhen und davon sprechen, dass man die Binnennachrage ankurbeln wolle? Dieser Widerspruch wird von erz nicht aufgelöst, ganz abgesehen davon, dass in seiem Modell die Integration der Unternehmensteuern öllig ungeklärt bleibt. Das birgt natürlich große Gefahen. m dies sozialpolitisch zu bewerten, sollte man sich orstellen – hier möchte ich auf das eingehen, was mein ollege Bernd Scheelen gesagt hat –, was es bedeutet, enn eine Krankenschwester die Steuern des Chefarztes u zahlen hat. Es ist klar, dass dies kein Modell für die ukunft ist. Alle Fachleute haben sich an den Kopf geasst, als sie dieses Modell näher untersucht haben. Vorhin wurde im Zusammenhang mit Steuern auch on Insolvenzen gesprochen. Vielleicht sollte man hier benfalls in die Geschichte zurückgehen. Ein Betrieb, er 1995 beispielsweise von einem Dachdeckermeister egründet wurde mit der Aussicht, dass die Entwicklung es Baugewerbes sehr positiv verlaufen wird, zählte daals als Betriebsgründung. Jetzt hat aber jeder gemerkt, ass in den 90er-Jahren die Mittel, die nach den Förderebietsgesetzen gewährt wurden, und die Subventionen m Baugewerbe zum Fenster hinausgeworfen wurden nd dass das Baugewerbe seit 1995 im Niedergang beriffen ist. Was macht nun dieser Handwerker, der sich ber viele Jahre von Kleinauftrag zu Kleinauftrag geretet hat? Er geht jetzt natürlich in Konkurs. Wer hat chuld daran? Angeblich nicht die langfristig fehl angegte Politik der 90er-Jahre, sondern die aktuelle Steuerolitik der jetzigen Bundesregierung, die die Steuern zuunsten des Handwerks gesenkt hat. Lothar Binding Wir werden den Referenzwert des EU-Stabilitätsund Wachstumspaktes sicherlich noch einmal überschreiten. Das ist nur eine kurzfristige Entwicklung. Aber es gibt zwei historisch bedeutsame, von Eichel, Clement und Schröder angelegte Strukturveränderungen, die langfristig zu einem Umbau unserer Volkswirtschaft führen werden, nämlich zu einem Übergang von einer reinen angebotsoder nachfrageorientierten Politik zu einem Kombimodell einer gesamtwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsund Finanzpolitik. Das ist eine Integration des SPDund des CDU/CSU-Modells. Darüber hinaus gibt es eine sehr viel weiter gehende Überwindung von zwei Grundmodellen, die uns in der Vergangenheit große Probleme bereitet haben, nämlich des Keynesianismus und des Monetarismus. Ich glaube, dass wir – möglicherweise nicht in ein, zwei Jahren, wohl aber in größeren Zeiträumen – erkennen werden, welche tief liegende Erkenntnis wir der aktuellen Politik zu verdanken haben, die Hans Eichel mit dem Einsatz der automatischen Stabilisatoren beschreibt. Das stellt unsere Sozialsysteme, unser Wirtschaftssystem und unsere Steuerpolitik für die Zukunft auf eine gute Basis, sodass wir einzelnen Fehlentwicklungen in der weltweiten Finanzund Wirtschaftspolitik sehr gut die Stirn bieten können. Dennoch wagt Herr Merz zu fragen: Wo ist eigentlich ein Modell? Ich erkenne in diesem Bericht überhaupt kein Modell für die Zukunft. – Ich kann das kurz zusammenfassen: Herr Merz, lesen Sie nur einmal die Seite 10 des Jahreswirtschaftsberichts 2004! Dort steht eine ganze Liste konkreter Maßnahmen. – Ja, Lesen ist nicht jedermanns Stärke, insbesondere wenn es gilt, mehr zu lesen, als auf einen Bierdeckel passt. Inhalte des Reformprozesses der Agenda 2010 sind unter anderem die Senkung von Steuern und die Sicherung der Sozialsysteme. Das ist ein Weg, den wir schweren Herzens gehen. Ihre Bedeutung, auch für die Leute, die wenig Einkommen haben, wird mit Sicherheit noch erkannt werden. Man wird erkennen, dass sie ein System der sozialen Sicherung, angelegt auf Jahrzehnte, beschreibt. Es geht um den Umbau der Arbeitsverwaltung und die Sanierung der Altersvorsorge – hier fließen Erkenntnisse ein, die man durchaus auch schon vor 20 Jahren hätte gewinnen können –: Die Riester-Rente ist der Schritt 1; die nachgelagerte Besteuerung ist der Schritt 2 und die noch zu planende Reform bei der Pflege ist der Schritt 3. Hieran kann man, denke ich, erkennen, wie zukunftsfähig das Modell der jetzigen Regierung eigentlich ist. Da braucht man noch nicht einmal etwas schönzureden. Jeder erkennt, dass dies keine Politik ist, die auf einen Wahltag bezogen ist. Wir muten den Leuten ja nicht ohne Grund schweren Herzens etwas zu, was wir ihnen eigentlich gar nicht zumuten wollen, aber die Spätfolgen einer Politik, die 20 Jahre versäumt hat, bestimmte Strukturen anzugreifen, müssen wir heute angehen. Langfristig wird auch der so genannte kleine Mann erkennen, dass wir das zu seinem Schutz machen. Wer einmal genauer darauf schaut, wie die konkurrierenden S w d c B w m P M s v P d e m b a S W r G R d d w B s S n d d z 1 (C (D teuermodelle, die jetzt vorgetragen werden, wirken, ird sehr wohl erkennen, dass wir dafür eintreten, dass ie breiten Schultern mehr tragen müssen als die schwahen. Jeder wird auch merken, dass das Modell von Herrn rüderle „Zurück ins Private“ nicht funktioniert. Ich ill an einem Beispiel deutlich machen, was ich damit eine. Wenn sich der Staat zurückzieht und etwas den rivaten überlässt, dann könnte es wie folgt aussehen: an gibt Toll Collect einen Auftrag. Die Firma verpricht eine Technologie, kann sie aber nicht liefern. Sie ereinbart Zeitpläne, kann sie aber nicht einhalten. Die rojektplanung ist absolut dilettantisch. – So gut hätte as auch der Staat gekonnt. (Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





(A) )


(B) )


(Zuruf des Abg. Ludwig Stiegler [SPD])


(Beifall bei der SPD)


Von daher ist Ihre Lösung keine Lösung. Das wäre
ine Fehlentwicklung hin ins Private und hin zum Egois-
us des Einzelnen, den wir hinlänglich kennen. Deshalb
raucht eine vernünftige Sozialpolitik andere Parameter
ls die, die Sie vorgeschlagen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509102200

Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau.

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1509102300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Jahreswirtschaftsbericht … unterstreicht, dass
die bisher umgesetzten Reformmaßnahmen der
Agenda 2010 … gute Grundlage und Triebfeder für
den nachhaltigen Aufschwung sind.

o weit das Selbstlob, das die SPD-Fraktion auf ihre
ebsite gesetzt hat.
Ein Blick ins Leben zeigt allerdings etwas ganz ande-

es, allemal aus Sicht der inzwischen vielen Agenda-
eschädigten im Land.
Ich war in den letzten Tagen im Saarland und in
heinland-Pfalz unterwegs. Dort wurde ich immer wie-
er aufgefordert: Sagen Sie im Bundestag, was wir von
en so genannten Reformen halten, nämlich nichts! – Ich
urde von Arbeitslosen, von Jungen, von Alten und von
ürgermeistern darum gebeten; die Leute wissen, wovon
ie sprechen, und haben für die Personalwechsel im
PD-Vorstand nur ein müdes Lächeln übrig.
Deshalb wiederhole ich: Solange Rot-Grün den Kurs

icht ändert, so lange bleibt Ihre Agenda 2010 ein La-
enhüter.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Das Hauptproblem, auch für die Sozialsysteme, ist
ie anhaltend hohe Massenarbeitslosigkeit. Sie hat in-
wischen fast das Endzeitniveau der CDU/CSU-Ära
997/1998 erreicht. Ich betone das, damit die Opposition






(A) )



(B) )


Petra Pau

zur Rechten heute Vormittag nicht allzu vergesslich da-
herredet.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Der Kardinalfehler von Rot-Grün ist aber: Sie wieder-
holen die Fehler von CDU/CSU und FDP auf höherer
Stufe; Sie entlasten die Vermögenden weiter und belas-
ten die Schwachen. Dann behaupten Sie noch, das sei al-
les gerecht und alternativlos. Genau das ist es aber nicht.
Deshalb hat die PDS Ihrer Agenda 2010 eine „Agenda
sozial“ entgegengesetzt.

Der Minister hat heute für 2004 ein Wirtschafts-
wachstum von bis zu 2 Prozent prophezeit. Sie hoffen
auf die Weltkonjunktur und darauf, dass Ihre Steuer-
reform Impulse setzt. All das wird aber an der Arbeits-
losigkeit und an der Finanzschwäche der Städte und
Kommunen nichts ändern. Selbst der neue Chef der
Bundesagentur für Arbeit musste in diesen Tagen einge-
stehen, dass der Umbau der Agentur an der Arbeitslosig-
keit ganz wenig ändern wird. Ich meine, zumindest das
spricht für Herrn Weise; denn auch aus diesem Hause
hörten wir schon Wundertöne über den angeblichen
Segen der Agenda 2010. Für die Bundesagentur nach
Gerster gilt aber dasselbe wie für die SPD nach
Schröder: Ein neuer Chef kann ganz schnell alt ausse-
hen, wenn er am falschen Konzept festhält.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Ich habe in der vergangenen Woche unter anderem
die Jobbörse in Pirmasens besucht. Nach allem, was
mir berichtet wurde, arbeitet sie mit Erfolg. Es gibt eine
gute Vermittlungsquote, es gibt gute Kontakte zur ein-
heimischen Wirtschaft und vor allem gibt es gute Mit-
arbeiter sowohl im Sozialamt als auch in der Bundes-
agentur und in der Jobbörse selbst. Zwei Tage später lese
ich, die Jobbörse sei in Gefahr, weil die Bundesagentur
für Arbeit sie nicht mehr wie bisher unterstütze, nicht
mehr unterstützen dürfe. Das sind nämlich die Auswir-
kungen Ihrer Reformen.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Sie bekämpfen nicht die Arbeitslosigkeit, sondern Sie
bekämpfen die Arbeitslosen. Das können Sie gegenüber
keinem, der von der Agenda betroffen ist, schönreden.

Die Bundesrepublik hat auch 2003 einen erheblichen
Exportüberschuss erwirtschaftet. Das Hauptdilemma
– das wissen Sie alle – besteht auf dem Binnenmarkt.
Das bestätigt übrigens auch das DIW in seinem aktuellen
Gutachten. Gerade auf dem Binnenmarkt wirkt aber Ihre
Agenda 2010 negativ. Das zusätzliche Geld, das Sie mit
der Steuerreform versprachen, ziehen Sie den Menschen
durch höhere Gebühren aus der Tasche, und zwar viel
schneller als es hineinkommt.

Die Kommunen, die investieren sollten, können es
nicht, weil sie pleite sind. Ganze Regionen werden ein-
fach ihrem Schicksal überlassen, als wären sie für Rot-
Grün weiße Flecken auf der Landkarte. Die PDS im

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(C (D undestag fordert seit langem eine bessere Finanzaustattung der Kommunen, gerade zur Schaffung von Areitsplätzen, Investitionsund Förderprogramme für leine und mittlere Unternehmen und ein öffentliches Inestitionsprogramm speziell für die neuen Länder. Das ollen Sie nicht und das können Sie umso weniger umetzen, wenn Sie sich mit der CDU/CSU einen fatalen ettlauf um noch niedrigere Steuern liefern. Zum Schluss noch eine Bemerkung: Ich habe in den etzten Tagen viel Post bekommen; oftmals beschweren ich Bürger aus den alten Bundesländern, dass die „PDS m Bundestag“ so viel über die neuen Bundesländer reet. Ihnen stehe in den alten Ländern schließlich auch as Wasser bis zum Halse. – Das wissen wir wohl. Allerings muss es wenigstens noch eine Partei geben, die ich besonders der Belange des Ostens annimmt, insbeondere nachdem ich im Jahreswirtschaftsbericht 2004 iesbezüglich fast keine Lösungen gefunden habe und uch die Stimmen der Kolleginnen und Kollegen aus em Osten hier heute vermissen musste. Leider hat auch erner Schulz nur die Agenda 2010 schöngeredet, antatt sich zum Beispiel der besonderen Belange der osteutschen Länder anzunehmen. Danke schön. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509102400

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Klaus
randner, SPD-Fraktion.


Klaus Brandner (SPD):
Rede ID: ID1509102500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-

innen und Kollegen! Die heutige Debatte zum Jahres-
irtschaftsbericht 2004 zeigt, unter welch starkem Rea-
itätsverlust die Opposition leidet.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


m letzten Jahr hat sie eine Schlusslichtdebatte geführt.
err Hinsken hatte seinen Auftritt mit der schönen La-
erne. Heute geht es um die zusätzlichen Arbeitstage. Im
ern geht es darum, dass Sie die Vertrauenskrise auf-
echterhalten, immer nur herumnörgeln, mäkeln und al-
es kleinreden wollen. Das ist Wirklichkeitsverweige-
ung. Das schadet unserem Land.


(Beifall bei der SPD)

Unsere liebe Kollegin Wöhrl hat dazu eben einen

eutlichen Beitrag geleistet. Sie sagte, es mache ihr
eine Freude, immer herumnörgeln zu müssen. Ganz
laubwürdig war das nicht. Sie könnten sich diese
reude ganz schnell verschaffen, wenn Sie einfach zur
enntnis nehmen würden, welche Verbesserungen es in
iesem Land gegeben hat und weiterhin geben wird.
ielleicht würde es dazu beitragen, dass Sie freudiger in
ie Zukunft schauen, wenn Sie Ihre Haltung, die Wirk-
ichkeit nicht wahrzunehmen, aufgeben und nüchtern an-
rkennen, was sich durch den Reformprozess getan hat.






(A) )



(B) )


Klaus Brandner


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Das wird ganz spannend!)


Nun möchte ich ein Stichwort aufgreifen, das Herr
Kauder hier noch einmal angesprochen hat, nämlich die
Praxisgebühr. Er hat völlig richtig aus der Rede des
Kanzlers vom 14. März zitiert, in der der Kanzler von ei-
ner differenzierten Praxisgebühr gesprochen hat.


(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

Das Modell der Sozialdemokraten und der Grünen sah
vor, dem Hausarzt eine Lotsenfunktion zukommen zu
lassen und für Besuche bei ihm keine Praxisgebühr zu
erheben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie aber haben im Gesetzgebungsverfahren dafür ge-
sorgt, dass auch dort die Praxisgebühr gezahlt werden
muss. Machen Sie sich jetzt keinen schlanken Fuß. Ste-
hen Sie zu Ihrer Verantwortung.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Feigling!)

Alles andere trägt dazu bei, dass die Glaubwürdigkeit
der Politik in unserer Gesellschaft leidet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zur Erfolgsstory dieses Landes hat auch die funktio-
nierende Tarifautonomie beigetragen, die die Opposi-
tion geschlossen zerstören will. Eine eindeutige Bestäti-
gung dafür, dass die Tarifautonomie funktioniert, ist der
jetzt gerade in Baden-Württemberg zustande gekom-
mene Tarifabschluss. Indirekt wird damit auch die Posi-
tion, die wir im Vermittlungsausschuss eingenommen
haben, unterstützt. Ich finde, es ist wichtig, dass wir hier
klarstellen: Die Tarifvertragsparteien selbst lösen die
Probleme und stellen sich selbst den Fragen und Heraus-
forderungen. Der erreichte Abschluss ist wirtschaftspoli-
tisch vernünftig. Er verbindet Flexibilität und Sicherheit:
Flexibilität für die Unternehmen, indem sie die Arbeits-
zeit in größerem Umfang flexibler bestimmen können,
und Sicherheit für die Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer in diesem Lande, da sie sich auf die Tarifver-
träge verlassen können. Das ist eine wichtige Botschaft,
meine sehr verehrten Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Verunsicherung schafft kein Vertrauen, drückt die
Stimmung und sorgt damit dafür, dass kein konjunktur-
politisches Aufbruchssignal entsteht. Mit dem Tarif-
vertrag wird die Binnennachfrage gestärkt werden. Ge-
nau solch ein konjunkturpolitisches Aufbruchssignal
brauchen wir. Das unterstützt unseren Wachstums- und
Konsolidierungsprozess. Insofern sind wir froh, dass im
Zuge dieses Tarifvertrages auf der einen Seite der private
Verbrauch wieder zunehmen wird, auf der anderen Seite
die Unternehmen aber nicht überfordert werden. In der
Tat ist der Tarifabschluss so maßvoll, dass er durch Pro-
duktivitäts- und Preissteigerungen allemal finanziert

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(C (D erden kann. Insofern ist er ein gutes Signal für unser and. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gut ist auch, dass durch eine Laufzeit von 26 Mona-
en Planungssicherheit erreicht worden ist. Insgesamt
esehen wird auch dieses Tarifergebnis, das in freien
erhandlungen erzielt worden ist, mit dazu beitragen,
ass es in Deutschland aufwärts geht und der Wachs-
umskurs gestärkt wird. Somit ist es nicht richtig, diesen
bschluss nur als einen kleinen Schritt darzustellen, wie
s Herr Merz getan hat, und den einzigen Erfolg darin zu
ehen, dass dauerhaft Arbeit ohne Bezahlung möglich
ird. Alles, was in diese Richtung geht, halten wir für
inen Irrweg; den werden wir Sozialdemokraten nicht
nterstützen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Tarifabschluss ist ein Beispiel dafür, dass die
onjunkturaussichten besser werden. Die Wachstums-
ussichten für dieses Jahr sind schon positiv: laut Jah-
eswirtschaftsbericht 1,5 bis 2 Prozent Wachstum. Ich
enke, dies ist realistisch, da man sich mit dieser Grö-
enordnung eher am unteren Ende bewegen dürfte. Das
aben wir alle ja auch heute wieder erfahren; denn das
achsende Vertrauen seitens der Wirtschaft schlägt sich
Umfragen und Erhebungen nieder. So ist der Ifo-Ge-
chäftsklimaindex neunmal hintereinander gestiegen.
ber auch die harten Indikatoren wie die Auftragsein-
änge und die Industrieproduktion, die für uns wichtig
ind, zeigen nach oben; so sind die Ausrüstungsinvesti-
onen in den letzten Monaten um mehr als 4 Prozent ge-
tiegen. Zudem konnte zum Ende des Jahres ein Rekord-
ert beim Export in die Euro-Länder erzielt werden,
bwohl aufgrund des Wechselkursverhältnisses ein
ückgang des Exports in die USA zu verzeichnen ist.
as zeigt, dass die deutsche Exportwirtschaft, die ein
tarkes Standbein unserer Konjunktur darstellt, absolut
ettbewerbsfähig ist.


(Beifall bei der SPD)

Der Arbeitsmarkt, meine sehr verehrten Damen und
erren, ist schon früher in Bewegung geraten. Wir alle
issen, dass es im letzten Jahr kein Wachstum gab.
rotzdem werden im Jahresdurchschnitt 100 000 Ar-
eitslose weniger zu verzeichnen sein. Die Jugend-
rbeitslosigkeit liegt sogar um 7 Prozent unter dem Vor-
hreswert. In den neuen Ländern ist der Vorjahresstand
ogar insgesamt unterschritten worden. Das hätte der
ehr geehrte Herr Minister aus Thüringen wissen müs-
en.
Daran zeigt sich, dass auch mit harten Fakten belegt
erden kann, dass wir durch unsere Politik nach vorne
ommen. Kohl hatte den neuen Ländern blühende Land-
chaften versprochen. Er hat sie getäuscht, wie wir heute
issen. Er hat die Menschen mit ABM getäuscht und er
at die Sozialkassen geplündert. Damit hat er das Ver-
rauen in die Politik zerstört und so auch die Grundlagen
ür die Wachstumsschwäche in den vergangenen Jahren






(A) )



(B) )


Klaus Brandner

geschaffen. Das muss an dieser Stelle noch einmal ganz
deutlich gesagt werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mit unserem Reformprozess, der Agenda 2010, ha-
ben wir kurzfristig Impulse für die Konjunkturerholung
gesetzt. Darüber hinaus müssen eine mittelfristige Kon-
solidierung der Staatsfinanzen und langfristige Struktur-
reformen für nachhaltiges Wirtschaftswachstum sorgen.
Wir senken mit unseren Arbeitsmarktreformen die Be-
schäftigungsschwelle, zum Beispiel dadurch, dass durch
Ich-AGs, Personal-Service-Agenturen, aber auch durch
Minijobs bessere Anreize zur Arbeitsaufnahme organi-
siert werden. Auch eine effizientere Arbeitsvermittlung
und die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und
Sozialhilfe werden einen Beitrag zur Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit leisten.

Effizientere Märkte sind natürlich auch durch die No-
velle zur Handwerksordnung zu erreichen. Ich habe
mich heute wieder sehr gewundert, als Herr Brüderle ein
Plädoyer für den Wettbewerb abgegeben hat:


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ausgerechnet der Brüderle!)


Der Wettbewerb sorge für Dynamik, er sei ein wichtiges
Element. Wo aber saßen die Bremser? Die FDP und die
CDU/CSU haben den Prozess der Novellierung der
Handwerksordnung massivst behindert. Unserem nach-
haltigen Wirken ist es zu verdanken, dass es eine ver-
nünftige Handwerksordnungsnovelle gibt, die für
Wachstumsimpulse in diesem Land sorgen wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Wir haben sie noch einigermaßen vernünftig gestaltet, Herr Brandner!)


Auch der Anstieg der Lohnnebenkosten ist im Rah-
men der Sozialreformen ein wichtiges Thema. Dabei set-
zen wir auf mehr Wettbewerb, nicht in erster Linie auf
Leistungskürzung. Das müssen die Menschen in diesem
Lande wissen. Es sollen nicht einfach Leistungen he-
rausgeschnitten oder gekürzt werden, sondern der Wett-
bewerb muss für günstigere Angebote, für qualitativ bes-
sere Angebote genutzt werden. Auch dabei haben wir
leider erleben müssen: Die Opposition sitzt im Bremser-
häuschen. Sie hält Sonntagsreden für mehr Wettbewerb,
aber wenn es dann ernst wird, schützt sie Apotheker,
Ärzte und die Pharmaindustrie und ist nicht bereit, einen
fairen Wettbewerb zuzulassen.

Für uns steht fest, meine Damen und Herren: Die Re-
formen müssen weitergehen. Sie werden in unverminder-
ter Geschwindigkeit weitergehen, aber sozial ausgewogen
unter dem Gesichtspunkt, Innovation und Gerechtigkeit in
ein entsprechendes Verhältnis zu bringen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Unsere Leitlinie lautet: fördern und fordern. Das

Fördern steht bei uns ganz obenan, es steht dem Fordern
zuvor. Ihre politische Leitlinie lautet leider: fordern und
mehr Druck. Damit entsteht keine Modernisierung,

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(C (D eine inhaltliche Verbesserung. Wir wollen mehr Eigenerantwortung, wir wollen eine Modernisierung des Soialstaates und nicht einen Abbau des Sozialstaates. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es gab schon Zwischenrufe, in denen unterstellt
urde, die durch uns vorgenommenen Veränderungen
ätten zum Beispiel für den Arbeitsmarkt rein statisti-
che Bedeutung.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Es ist auch so!)


ie Empörung von Herrn Laumann bezüglich der An-
assung der Arbeitsmarktstatistik an internationale
tandards ist groß. „Ein Laumann ersten Ranges“ titelt
ie „Berliner Zeitung“ am 6. Februar 2004. Sie zitiert
n mit gewichtigen Aussprüchen wie „Manipulation“
nd „Skandal ersten Ranges“. In der Tat wollen wir die
rbeitsmarktstatistik an internationale Standards anpas-
en; denn wir sind es leid, dass Deutschland durch die
pposition im internationalen Bereich schlechtgeredet
ird.


(Beifall bei der SPD – Lachen bei der FDP)

ir wollen uns international messen lassen. Wir sind im
ternationalen Vergleich eben nicht schlecht, sondern
ut und wir werden noch besser werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich klar sagen: Wenn Herr Fuchtel for-

ert, dass die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe
nd Sozialhilfe auf 2006 verschoben werden soll, dann
eigt er auch damit wieder deutlich, dass er in der Tat
icht will, dass eine wichtige Reform durchgeführt wird,
ie zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation beiträgt,
ie dazu beiträgt, dass es Fallmanager, eine systemati-
che Arbeitsvermittlung, Jobcenter und Hilfen aus einer
and geben wird, sondern dass dies alles den Arbeitslo-
en in diesem Land verweigert wird, dass man hin-
immt, dass die Arbeitslosigkeit länger verwaltet wird.
as ist mit den Sozialdemokraten und den Grünen nicht
u machen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist völlig klar, dass die ersten positiven Ergebnisse
orliegen. Fördern und fordern zahlt sich aus: Es gibt
eispielsweise 250 000 mehr Existenzgründer. Die Wie-
ereingliederung, bessere Hilfen und individuelle Be-
euung durch Fallmanager stehen im Vordergrund. Das
t ein ganz wichtiges Signal.
Ich will an dieser Stelle auch sagen, dass wir zu unse-

em Wort stehen, die Kommunen auch tatsächlich um
,5 Milliarden Euro zu entlasten. Wir wissen, dass die
ommunen in unserem Land wichtige Investitionsleis-
ngen übernehmen. Deshalb werden wir im Ergebnis
uch sicherstellen, dass die tatsächliche Entlastung bei
en Kommunen ankommt. Darauf können die Kommu-
en vertrauen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Klaus Brandner

„Leistung, Innovation, Wachstum“ ist die Losung

des Jahreswirtschaftsberichts 2004. Deutschland ist auf
einem guten Weg. Blockieren Sie diesen Weg nicht!
Räumen Sie die Steine aus dem Weg! Sorgen Sie mit da-
für, dass das Land nicht weiter schlechtgeredet wird! Wir
sollten vielmehr gemeinsam die Konjunktur ankurbeln.
Sie haben allen Grund, dabei Ihren Beitrag zu leisten.
Dann wird es auch gelingen, die Arbeitslosigkeit deut-
lich zurückzuführen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509102600

Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf

den Drucksachen 15/2405 und 15/2000 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Andreas Pinkwart,
Carl-Ludwig Thiele, weiteren Abgeordneten und
der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs ei-
nes Gesetzes zur Einführung einer neuen Ein-
kommensteuer und zur Abschaffung der Ge-
werbesteuer
– Drucksache 15/2349 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen, wobei
die FDP zwölf Minuten erhalten soll. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Dr. Hermann Otto Solms, FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1509102700

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Wir begehen heute den 200. Todestag des großen
Freiheits- und Aufklärungsphilosophen Immanuel

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(C (D ant. Diese Debatte ist eine gute Gelegenheit, an ihn zu rinnern. Ich möchte ihn zitieren. Er hat in seiner „Metaphysik er Sitten“ gesagt: Nur solche Prinzipien, die diesem wechselseitigen, gesetzlich geschützten Respekt der Freien nicht gefährden, dürfen allgemeine Gültigkeit beanspruchen. as will er damit sagen? Er will damit sagen, dass wir or den Freiheitsrechten der Bürger Respekt haben üssen und nur solche Regeln aufstellen dürfen, die iese Freiheitsrechte und die eigenverantwortlichen andlungsmöglichkeiten respektieren. Haben wir das mit unserer Gesetzgebung getan? Ich laube, wir haben die Bürger eher entmündigt, sie zu ntertanen von Staat und Bürokratie gemacht und sie in hren eigenen Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt. edenfalls gilt das für das Steuerrecht. Wer sich das deutsche Steuerrecht, den deutschen teuerdschungel, anschaut, der glaubt, wir seien verrückt eworden. Es ist ein absurdes System, das keiner mehr ersteht und an dem selbst die Experten verzweifeln. Die teuerberater wissen nicht mehr, wie sie ihre Mandanten eraten sollen; die Verwaltung weiß nicht, wie sie das teuerrecht anwenden soll. Das Chaos ist allgemein. Der ürger entzieht sich diesem System. Steuerhinterzieung und Steuerverkürzung werden in Deutschland als avaliersdelikte angesehen. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Der kategorische Imperativ gilt aber auch für die Wahrheit!)


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!)


(Beifall bei der FDP)


Natürlich gilt er für die Wahrheit. Über die Wahrheit
ede ich doch jetzt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


er Bürger entzieht sich durch Schwarzarbeit, durch Ka-
italflucht, durch Investitionen im Ausland und durch
omplizierte Arrangements, mit denen man Steuern ver-
eiden kann.
Dieses Steuerrecht ist nicht reformierbar. Es muss ab-

eschafft werden. Wir müssen ein völlig neues, einfa-
hes und bürgerfreundliches Steuerrecht dagegenstel-
en. Das ist unsere Aufgabe.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es muss endlich Schluss sein mit der Ankündigung
on Steuersenkungen, die in Wirklichkeit immer zu
teuererhöhungen geführt haben. Es muss endlich
chluss sein mit der angeblichen Steuervereinfachung,
ie zu immer mehr Verkomplizierungen geführt hat. Es
uss Schluss sein mit den laufenden Forderungen nach
euen Steuererhöhungen und nach Einführung neuer
teuerarten. Gerade in den letzten Wochen konnten wir






(A) )



(B) )


Dr. Hermann Otto Solms

von Forderungen nach der Anhebung der Mehrwert-
steuer, der Wiedereinführung der Vermögensteuer und
der Anhebung der Erbschaftsteuer lesen; alles Forderun-
gen, wie sie gerade von den Grünen erhoben worden
sind.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht die Mehrwertsteuer! Irgendwie bringen Sie etwas durcheinander, Herr Dr. Solms!)


Was sagt denn der Bürger dazu? Der Bürger sagt: Ich
glaube denen sowieso nicht. Ich weiß, dass die mir nur
in die Tasche greifen wollen.

Dies geht so nicht mehr. Dagegen können Sie nur ein
einfaches, für jedermann verständliches Steuerrecht stel-
len. Das schlagen wir Ihnen heute vor. Um es Ihnen mit
Ihrer Kritik nicht zu einfach zu machen, sage ich Ihnen:
Wir haben uns strikt an die Grundprinzipien unseres
Grundgesetzes, unserer Verfassung, gehalten und ver-
sucht, diese in dem Einkommensteuerentwurf, den wir
Ihnen vorgelegt haben, zu verwirklichen.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wäre ja schlimm, wenn es nicht so wäre, dass man die Verfassung einhält!)


Fangen wir mit dem Demokratieprinzip gemäß
Art. 20 Grundgesetz an. Es ist doch selbstverständlich,
dass der Bürger ein Gesetz, welches er befolgen soll, zu-
nächst einmal verstehen können muss.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ergibt sich doch eindeutig aus dem Demokratieprin-
zip.

Deswegen schlagen wir einen transparenten Stufen-
tarif vor. Es wird immer gefragt: Warum ein Stufentarif?
Technisch ist es egal, ob Sie einen linear-progressiven
Tarif oder einen Stufentarif haben. Aber es geht um die
Verständlichkeit. Der Bürger soll seine Steuerbelastung
mit einfachen Mitteln selbst ausrechnen können. Das
kann er bei einem Stufentarif, nicht aber bei einem For-
meltarif.

Das Rechtsstaatsprinzip in unserer Verfassung – das
ist ebenfalls in Art. 20 Grundgesetz verankert – fordert
Vertrauensschutz. Herr Bundesminister Eichel, wie ha-
ben Sie es mit dem Vertrauensschutz gehalten? Der Bun-
desfinanzhof hat ja gerade die Verlängerung der Speku-
lationsfrist bei Immobilienverkäufen als eine nicht
verfassungsgemäße Rückwirkung bezeichnet.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist laufend so!)


Die Präsidentin des Bundesfinanzhofes hat ausdrücklich
gesagt, der Gesetzgeber hätte erkennen können, dass wir
es mit dem Verfassungsverbot der Rückwirkung ernst
meinen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das gilt natürlich genauso – Herr Bundesfinanzminis-
ter, dafür sind nicht Sie zuständig; das haben die

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(C (D esundheitspolitiker veranlasst – für die Eingriffe im inblick auf die Betriebsrenten und die Direktversicheungen. (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Genau das Gleiche!)


ier ist in lang bestehende Altersversorgungsplanungen
er Bürger eingegriffen worden. Darauf konnten sie sich
icht vorbereiten und damit konnten sie nicht rechnen.
as ist ein enteignungsgleicher Tatbestand und evident
erfassungswidrig. Diese Regelung wird keinen Bestand
aben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Für uns heißt das auch, dass die Verwaltung in Zu-
unft keine Nichtanwendungserlasse mehr herausgeben
arf. Die höchstrichterliche Rechtsprechung muss
echtskraft haben. Nur der Gesetzgeber ist befugt, dies
u ändern.
Meine Damen und Herren, der Gleichheitsgrundsatz
Art. 3 Grundgesetz besagt ganz eindeutig, dass glei-
he Sachverhalte gleich behandelt werden müssen. Das
ührt doch zwingend dazu, dass die unterschiedliche Be-
teuerung nach unterschiedlichen Einkunftsarten auf-
egeben werden muss. Wer den Gleichheitsgrundsatz
rnst nimmt, muss sämtliche Lenkungsnormen und Aus-
ahmen im Steuerrecht beseitigen. Nur dann bekommen
ie ein einfacheres und gerechtes Steuerrecht zustande.
eswegen brauchen wir ein Steuergesetz, das auf einen
inheitlichen Einkommensbegriff abstellt und in dem die
inkünfte nur nach der Höhe unterschiedlich belastet
nd alle anderen Dinge außen vor gelassen werden. Es
eht nicht, dass sich die Politik über das Steuerrecht in
ie privaten oder wirtschaftlichen Entscheidungen der
ürger einmischt. Das muss endlich beendet werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Deswegen gehen wir in unserem Entwurf strikt von

er Neutralität des Steuerrechtes aus. Die Besteuerung
uss unabhängig davon erfolgen, aus welcher Quelle
as Einkommen stammt, für welche Zwecke es verwen-
et wird oder in welcher Rechtsform es erwirtschaftet
ird.
Es gibt andere Vorschläge wie den des Sachverständi-

enrates: eine duale Besteuerung, die zu einer Begüns-
gung der Kapitaleinkünfte führt. Das ist zwar ein inte-
essanter Vorschlag; aber er wird dem Prinzip der
leichheit der Besteuerung und dem Neutralitätsprinzip
icht gerecht. Deswegen haben wir ihn verworfen.
Die Steuererklärung muss einfach sein und ohne gro-

en Zeit- und Kostenaufwand erstellt werden können.
Deswegen mündet unser Steuerkonzept in ein einsei-

ges, einfaches Steuererklärungsformular, das selbstver-
tändlich auch elektronisch an das Finanzamt geliefert
erden kann. Eine Seite, so einfach ist es. Wir haben es
ielfach ausprobieren lassen. Innerhalb einer halben






(A) )



(B) )


Dr. Hermann Otto Solms

Stunde hat es jeder bewältigt, dem ich das Formular vor-
gelegt habe.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Bundesminister Eichel, ich zeige es Ihnen auch.

(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Er bekommt eine Kopie!)

Selbstverständlich müssen Sie Ihre Daten vorher gesam-
melt haben. Im Übrigen ist die blau-gelbe Färbung rein
zufällig.


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wie errechnet sich der Eintrag in der 17. Zeile? Das habe ich jetzt nicht verstanden!)


Art. 14, der Eigentumsartikel, schreibt zwingend vor,
dass Sie keine übermäßige Besteuerung durchführen
dürfen. Dabei darf man nicht nur auf die direkten Steu-
ern achten. Uns wird vorgeworfen, ein Steuersatz von
35 Prozent sei zu niedrig; die Bezieher höherer Einkom-
men würden zu niedrig besteuert. Sie müssen natürlich
sehen, dass wir neben den direkten Steuern auch noch
indirekte Steuern haben. Diese sowie vielfältige Sozial-
abgaben führen dazu, dass wir in Deutschland die bei
weitem höchste Abgabenquote aller Industriestaaten ha-
ben.


(Hans Eichel, Bundesminister: Falsch!)

Deswegen muss sie bei den leistungsdämpfenden direk-
ten Steuern korrigiert werden.


(Beifall der Abg. Birgit Homburger [FDP])

Aus Art. 14 ergibt sich auch, dass Sie keine Doppel-

besteuerung zulassen dürfen. Dies bedeutet, dass eine
Vermögensteuer auf keinen Fall wieder eingeführt wer-
den darf, weil das Vermögen, das Sparkapital der Bürger,
längst schon mehrfach besteuert worden ist.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das gilt auch für eine potenzielle Erhöhung der Erb-
schaftsteuer.

Schließlich führt uns der Schutz von Ehe und Familie
dazu, dass wir in unserem Stufentarif das Ehegatten-
splitting durch Verdoppelung der Einkommensgrenzen
bei den Stufen beibehalten und auch den Kindern einen
Freibetrag in der Höhe des Grundfreibetrags jedes Er-
wachsenen gewähren.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Erst dadurch kommen wir zu einer adäquaten Berück-
sichtigung der Kinder im Steuerrecht. Im Ergebnis
werden Ehepaare mit zwei Kindern erst ab einem Jahres-
einkommen von 37 000 Euro überhaupt Einkommen-
steuer zu zahlen haben. Deswegen kann von sozialer
Schieflage überhaupt keine Rede sein.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch bei unserem Gesetz auch so! Was ist denn los?)


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(C (D er normale Arbeitnehmer mit zwei Kindern und einem urchschnittseinkommen bleibt also von einer Einkomensbesteuerung völlig frei. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Ist schon Realität! – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Sagen Sie, wie es heute ist, damit man den Vergleich hat! Sonst ist es eine Nullnummer!)


Heute ist die Besteuerung sehr viel höher.
Meine Damen und Herren, nun sage ich noch etwas

ur Finanzierung. Uns ist vielfach vorgeworfen worden,
nsere Vorschläge seien unsolide und in Anbetracht der
aushaltslage nicht finanzierbar. Genau das Gegenteil
t der Fall: Eine solche Steuerreform muss mit einer
teuerentlastung verbunden sein, weil sonst die Bürger,
ie bisherige Vorteile verlieren, die Zeche bezahlen
üssten. Aus einer solchen Steuerreform sollen aber alle
inen Vorteil haben. Darüber hinaus sind nur durch eine
ntlastung Wachstumsimpulse auszulösen, die wir brau-
hen, um unsere Wirtschaft zu dynamisieren und Ar-
eitslose in Arbeit und Brot zu bringen.


(Beifall bei der FDP)

adurch machen wir aus Sozialhilfe- und Arbeitslosen-
eldempfängern wieder Steuer- und Beitragszahler. Nur
enn Sie das erreichen, wird es Ihnen auch gelingen,
err Bundesfinanzminister, die Haushalte zu sanieren.
hne eine Dynamik der Wirtschaft und ohne einen Be-
chäftigungseffekt wird Ihnen dies nicht gelingen und
hne Steuersenkung erreichen Sie diesen Effekt nicht.
eswegen ist eine solche Nettoentlastung zwingend ge-
oten.
Im Übrigen – das sage ich nur nebenbei – haben Be-

echnungen ergeben, dass in den gut fünf Jahren der rot-
rünen Regierung Belastungswirkungen und Entlas-
ngswirkungen saldiert zu einer Mehrbelastung der
teuerbürger bzw. der Steuersubjekte insgesamt in Höhe
on 8 bis 10 Milliarden Euro geführt haben. Dies
chließt die dritte Stufe der Steuerreform von Rot-Grün
ereits ein. Wenn wir nach unserem Vorschlag zu einer
teuerentlastung von 15 Milliarden Euro kommen, dann
eutralisieren wir zunächst einmal den Zugriff der rot-
rünen Regierung auf die Steuersäckel der Bürger. Da-
über hinaus bleibt nur eine Nettoentlastung von 6 bis
Milliarden Euro übrig. Wenn dies nicht zu verantwor-
n sein sollte, dann möchte ich wissen, was Sie sich
och leisten wollen.
Meine Damen und Herren, dies ist ein Angebot an

lle Parteien, sich an dieser Diskussion zu beteiligen.

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Machen wir!)


ir können dies nicht alleine durchsetzen. Die rot-grüne
undestagsmehrheit kann ihre Reform nicht alleine
urchsetzen, weil es im Bundesrat eine andere Mehrheit
ibt. Wir sind aufeinander angewiesen. Ich fordere Sie
uf, sich an einem solchen konstruktiven Reformprozess
u beteiligen.
Natürlich kann man immer über Einzelheiten reden.
as muss so sein. Aber das Grundkonzept einer Ein-






(A) )



(B) )


Dr. Hermann Otto Solms

kommensteuer, die sich strikt an den Prinzipien unserer
Verfassung orientiert, kann auf keinen Fall aufgegeben
werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deswegen sage ich Ihnen, Herr Bundesfinanzminis-
ter, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss mit
Immanuel Kant: Haben Sie den Mut, sich Ihres eigenen
Verstandes zu bedienen!


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Mit Kant wird es auch nicht besser! So eine dünne Suppe, die Sie angerührt haben!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509102800

Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Hans

Eichel.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Hans, jetzt die Kritik der reinen Vernunft!)



Hans Eichel (SPD):
Rede ID: ID1509102900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Natürlich haben wir den Mut, uns unseres eige-
nen Verstandes zu bedienen – auch über Ihren liberalen
Verstand hinweg, Herr Solms. Darauf will ich gleich
kommen. Zuallererst begrüße ich aber die unpolemische
Art, mit der Sie Ihr Konzept hier vorgetragen haben.

Verehrter Herr Merz, man kann einen Gesetzentwurf
vorlegen. Sogar die FDP, eine kleine Fraktion in diesem
Hause, kann das. Sie stellt nur einen einzigen Finanzmi-
nister in Deutschland, nämlich Herrn Professor Paqué in
Sachsen-Anhalt. Umso mehr müsste es doch der Union,
dieser großen Partei, möglich sein, einen Gesetzentwurf
vorzulegen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der CDU/CSU – Zurufe von der CDU/CSU: Ja, und Ihnen erst!)


– Unser Gesetz steht längst im Gesetzblatt, Herr Merz. –
Parteifreunde von Ihnen leiten so leistungsfähige Fi-
nanzministerien wie die von Bayern und Baden-
Württemberg. Haben Sie den Mut, auch einen Gesetz-
entwurf auf den Tisch zu legen! Dann kommen wir wie-
der ein kleines Stückchen weiter.

Herr Solms, nun wollen wir gucken, was in Ihrem
Konzept steht und was nicht darin steht. Ich will mit den
aus meiner Sicht diskussionswürdigen Punkten anfangen
und im zweiten Teil die kritikwürdigen Dinge anspre-
chen.

Diskussionwürdig ist in der Tat der Abbau von Steu-
ervergünstigungen. Er freut jeden Finanzminister. Jede
Vergünstigung, jede Ausnahme von der allgemeinen Be-
steuerung animiert unsere 70 000 Steuerberater in
Deutschland und auch die Bürger dazu, sie sich zunutze
zu machen, um die Steuerlast zu senken. Ich rede jetzt

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(C (D ur von dem, was rechtens ist, und nicht von dem, was icht rechtens ist. Ich kritisiere das gar nicht; die Kritik at sich an den Gesetzgeber zu richten. Was das bedeutet, haben wir beim Thema Sonntags-, eiertagsund Nachtzuschläge gesehen. Plötzlich – es at Jahrzehnte gedauert; das hat mich wirklich gewunert – kam ein Fußballverein auf die Idee, dass man auch ie Millionengehälter von Fußballern darunter subsuieren könnte. Ich nehme dieses Beispiel, weil es für ns Sozialdemokraten ein sensibles ist; wir wollen nicht da haben Sie Recht – diejenigen den Abbau von Verünstigungen bezahlen lassen, die kleine Einkommen aben und davon betroffen sind. Deswegen ist eine eihe von flankierenden Maßnahmen zu treffen. Songe die Tarifvertragsparteien, deren Sache es wäre, das Tarifverträgen zu regeln, dazu nicht bereit sind, weren wir den Krankenschwestern die Vergünstigung nicht egnehmen, wenn damit verbunden wäre, dass sie mehr teuern zahlen müssten. Das kann nicht sein. amit sind wir zum ersten Mal an dem Punkt, dass wir ber die soziale Frage der Verteilungswirkung unserer teuergesetzgebung reden müssen. Aber zunächst einal ist Ihr Konzept grundsätzlich richtig. Ein Hinweis an Herrn Merz: Es ist relativ einfach, ein eues Einkommensteuerrecht zu schaffen. Herr Solms, ie wissen so gut wie ich: Das neue Recht ist zunächst as alte ohne die Vergünstigungen; dann ist der Tariferlauf zu wählen. Das Schöne ist: Wer ein ganz neues inkommensteuergesetz schreibt, muss nicht explizit saen, welche Vergünstigungen er abschafft. Das einzige, as Sie explizit erwähnen, ist der Wegfall der Vergünstiungen für Arbeitnehmer. ber ich unterstelle einmal, dass Sie – über diesen Punkt uss ja geredet werden – auch eine Verbreiterung der emessungsgrundlage für Betriebe meinen. Wie wollen ie denn Bewirtungskosten bzw. Spesen behandeln? Wie ollen Sie denn bei Betriebsjubiläen verfahren? Wie ollen Sie denn mit Dienstwagen umgehen? Weil ich eiß, wie Sie sich bei entsprechenden Vorschlägen meierseits verhalten haben, frage ich Sie: Was wollen Sie irklich? Sagen Sie den verschiedenen Lobbygruppen hier liegt ja die Ursache der Zerstörung des Steuerechts –, dass Sie all die bisherigen Regelungen nicht ehr wollen? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD)


(Joachim Poß [SPD]: So ist es!)


der sagen Sie nur den Arbeitnehmern, die Sie sowieso
icht wählen, dass Sie ihnen ihre Vergünstigungen weg-
ehmen? Das zu sagen gehört zur Redlichkeit dieser De-
atte.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, wir wollen und müssen
ine solche Debatte sehr redlich führen. Trotz aller
chwierigkeiten, die bestehen, sage ich Ihnen: Die






(A) )



(B) )


Bundesminister Hans Eichel

Abschaffung von Steuervergünstigungen wird jeden
Finanzminister freuen. Denn alle Finanzminister – ganz
egal welcher Coleur –, die den Versuch unternommen
haben, solche Ausnahmetatbestände zu reduzieren, ha-
ben sich – ich weiß, wovon ich rede – auf vielfältige
Weise blutige Nasen geholt.

Deswegen, sehr verehrter Herr Merz, liegt es nun an
Ihnen, einen entsprechenden Versuch zu starten und ei-
nen Entwurf vorzulegen. Ich habe das schon dreimal ge-
macht bzw. war daran beteiligt. Der erste Versuch war
das Steuerentlastungsgesetz vom Frühjahr 1999. Das
konnten wir noch durchsetzen. Damit haben wir – gegen
den wütenden Protest der rechten Seite dieses Hauses –
70 Steuerausnahmetatbestände entweder ganz beseitigt
oder eingeschränkt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dieses Gesetz konnten wir nur verabschieden, weil wir
im Bundesrat noch eine Mehrheit hatten. Meine Stimme
als hessischer Ministerpräsident, der, was Sie kritisiert
haben, die Wahl schon verloren hatte, war damals mit
ausschlaggebend.


(Joachim Poß [SPD]: Ja!)

Damals gab es bei jeder einzelnen Vergünstigung, die
wir gestrichen oder eingeschränkt haben, wütenden Pro-
test.


(Joachim Poß [SPD]: So ist es! Steuererhöhungsgesetz!)


Der zweite Versuch war das Gesetz zum Abbau von
Steuervergünstigungen, das uns wahlpolitisch sehr ge-
schadet hat. Darin stand beispielsweise auch – das regis-
triere ich im FDP-Konzept positiv und hoffe, Sie bleiben
dabei –, wie wir mit den Ausnahmen bei der Mehrwert-
steuer umgehen. Wir wollten mit dem Abbau von Ver-
günstigungen bei der Mehrwertsteuer endlich Ernst
machen. Auf europäischer Ebene wehre ich mich ent-
schieden dagegen – in diesem Punkt auch gegen unsere
französischen Freunde und zunächst einmal nur gemein-
sam mit meinem dänischen Kollegen –, dass wir die
Mehrwertsteuer genauso zerstören, wie wir es mit der
Einkommensteuer durch zig Ausnahmetatbestände getan
haben, die durch Lobbys durchgesetzt werden konnten
und Mehrheiten gefunden haben. Dagegen wehre ich
mich ganz entschieden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sollten uns mit Blick auf die Zukunft einig sein,
dass keiner von uns versucht, neue Steuervergünstigun-
gen einzuführen. Wenn wir – was ja nicht verkehrt sein
muss – an der einen oder anderen Stelle auch einmal eine
Subvention gewähren, dann sollte sie auf der Ausgaben-
seite nur noch eine Finanzhilfe darstellen, die direkt
nachgewiesen werden muss, sodass ich jährlich überprü-
fen kann, ob sie etwas bringt oder ob sie gestrichen wer-
den sollte. Aber, sehr verehrter Herr Merz, dann kann es
nicht sein, dass Ihre Seite – in dieser Frage war es übri-
gens insbesondere der bayerische Ministerpräsident – im
Vermittlungsausschuss erklärt, dass im Bereich der

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(C (D andwirtschaft nicht nur keine einzige Steuervergünstiung beseitigt werde, ondern dass auch keine einzige Finanzhilfe eingechränkt werde; ansonsten sei die Veranstaltung zu nde. Das ist noch im Dezember letzten Jahres passiert. aher muss ich mich schon fragen, wie glaubwürdig hre Ankündigungen, das Steuersystem radikal zu verinfachen und die Steuersubventionen abzubauen, sind. as kann ja wohl nicht sein. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Zurufe von der SPD: Aha! – Hört! Hört!)


Das dritte Mal haben wir diesen Versuch mit dem
aushalt 2004 unternommen. Das Ergebnis kennen wir
us dem Vermittlungsausschuss. Ich will ausdrücklich
nerkennen, dass wir einen Schritt vorangekommen
ind. Aber ebenso ausdrücklich sage ich: Das abstrakte
onzept von Herrn Merz lag ja schon vor und war auf
em Bundesparteitag der CDU unter großem Beifall be-
chlossen worden. Aber Ihr Verhalten im Vermittlungs-
usschuss hatte damit nichts zu tun. Sonst hätten wir ei-
en großen Schritt weiter sein können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


as gilt auch für die FDP.
Meine Damen und Herren, damals habe ich gesagt:

m Vermittlungsverfahren wird entschieden, wie gut die
lattform ist, die wir zimmern, damit wir bei der Verein-
achung des Steuerrechts vorankommen. In dieser Frage
ind Sie viel hasenfüßiger gewesen als wir. Denn das,
as ich vorgeschlagen habe, ist nur zu einem Teil ver-
irklicht worden. Hier könnten wir schon einen großen
chritt weiter sein. Wenn ich dann noch ein Jahr weiter
urückdenke, und zwar an das Gesetz zum Abbau von
teuervergünstigungen, könnten wir auch schon ein gro-
es Stück weiter sein.
Positiv – ich sage das ausdrücklich – ist der Schritt

ei der Besteuerung von Alterseinkünften. Ich will
azu auch ein Wort sagen, weil wir gegenwärtig eine Art
on Kampagne in diesem Lande erleben. Diesmal hat
er „Spiegel“ angefangen, dann erst kam die „Bild“-Zei-
ng hinterher; es ist ja manchmal sehr unterschiedlich.
ie „Süddeutsche Zeitung“ hat es dagegen präzise auf
en Punkt gebracht. Bei den Betriebsrenten ändert sich
teuerlich überhaupt nichts. Das Einzige, was insgesamt
ei den Renten passiert – was in Ihrem Konzept auch
teht; wozu das Verfassungsgericht uns verpflichtet
at –, ist, dass wir ganz vorsichtig, nach und nach, auf
er einen Seite die Renten in dieselbe Besteuerung he-
einführen, die für jeden Arbeitnehmer gilt. Das wird im
ahre 2040 vollendet sein; heute sind die Freibeträge für
ie Rente aus gutem Grund mehr als doppelt so hoch wie
ei jedem normalen Arbeitnehmer. Auf der anderen
eite stellen wir – wesentlich schneller, nämlich bis
025 – die Vorsorgeaufwendungen der Arbeitnehmer
on der Steuer frei.
Daraus wird uns ein Einnahmeausfall erwachsen – bis

025; erst danach wird er langsam zurückgehen –, der






(A) )



(B) )


Bundesminister Hans Eichel

mir noch ziemliche Sorgen macht; ich komme darauf
gleich zurück. Das Alterseinkünftegesetz ist also ein Ge-
setz zur Verminderung der Steuerlast in diesem Lande.
Die öffentliche Debatte nimmt hingegen geradezu psy-
chopathische Züge an.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wenn die Bürger mehr Steuern zahlen müssen,
regt sie das schon auf!)

Wir werden uns fragen müssen – das geht übrigens an
alle, ganz egal wer regiert –, ob in einem solchen Klima
massiv veröffentlichter Meinung die notwendigen Ver-
änderungsprozesse noch zu vollenden sind. Denn wir
müssen die Staatsfinanzen, die sozialen Sicherungssys-
teme sanieren. Das geht überhaupt nicht anders. Das
geht auch nicht – auch darauf komme ich gleich noch zu-
rück –, ohne dass ich jemandem etwas wegnehme. Ich
kann kein 86-Milliarden-Euro-Loch von vergangenem
Jahr und kein 70-Milliarden-Euro-Loch in diesem Jahr
schließen, ohne dass ich irgendwem etwas wegnehme.
Wenn das nicht klar ist und wenn dann solche Kam-
pagnen entfacht werden, muss man sich in der Tat fra-
gen, ob wir die Kraft haben, das alles durchzustehen, ob
dieses Land reformfähig ist. Das ist eine Frage nicht nur
an die Politik, sondern auch an sehr viele andere.


(Beifall bei der SPD – Elke Wülfing [CDU/ CSU]: Wenn das demnächst nicht mehr möglich ist, dann haben wir das Herrn Müntefering zu verdanken!)


Das zur positiven Seite. Da haben wir zurzeit offenbar
auch keinen Streit; ich würde es auch begrüßen, wenn
das so bliebe.

Damit komme ich zu den kritikwürdigen Elementen.
Zunächst einmal, verehrter Herr Solms: Das mit dem
Grundgesetz klingt gut. Auf der Basis stehen wir alle. Es
lässt allerdings ein paar Interpretationen zu und ist bei
Ihnen selbst nicht widerspruchsfrei. Wenn Sie behaup-
ten, dass alle Erträge, gleich welcher Herkunft, gleich
besteuert werden müssen, dann dürfen Sie eine Abgel-
tungsteuer auf Zinserträge in Ihr System nicht ein-
bauen. Das wäre ein Widerspruch zu Ihrem eigenen Ar-
gument. Dieser Widerspruch in Ihrer eigenen
Argumentation lässt dann die Diskussion um die Dual-
Income-Tax zu.


(Widerspruch bei der FDP)

– Natürlich. Deswegen sage ich: Es geht nicht an, wenn
Herr Solms sagt, alle Einkünfte, egal woher, seien bei
der Einkommensteuer gleich zu behandeln, und er selbst
tut es nicht. Auf mehr habe ich nicht hingewiesen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509103000

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Solms?


Hans Eichel (SPD):
Rede ID: ID1509103100

Gern.

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(C (D Herr Bundesminister, wegen der Kürze der Redezeit onnte ich auf diesen Punkt nicht eingehen. Wären Sie itte bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Abgelungsteuer nach unserem System für die Masse der Areitnehmer nicht zu einer ungerechten Besteuerung ührt? Wir schlagen ja vor, 25 Prozent auf Zinseinkünfte u erheben. Nach unserem Tarif erreicht der allein steende Arbeitnehmer einen Durchschnittssatz von 5 Prozent erst ab einem Jahreseinkommen von etwa 0 000 Euro. Das ist mehr, als die Arbeitnehmer in der egel verdienen. Herr Solms, das finde ich spannend. Halten wir einal fest: Auf der einen Seite bezahlen diejenigen, die em Spitzensteuersatz von 35 Prozent unterliegen, an er Stelle weniger. Auf der anderen Seite müssen diejeigen, die einem niedrigeren Steuersatz als den 25 Proent unterliegen und keine Veranlagungsoption machen, ehr auf ihre Zinserträge zahlen. Das ist der Sachveralt. Das heißt doch aber nichts anderes, als dass Sie an ieser Stelle im Widerspruch zu Ihrem eigenen Grundatz stehen, nämlich dass alle Einkommen gleich zu beteuern sind. Eben das tun Sie nicht. Auf mehr wollte ich etzt gar nicht hinweisen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1509103200
Hans Eichel (SPD):
Rede ID: ID1509103300

Aber, verehrter Herr Kollege Solms, jetzt komme ich
u der Verteilungswirkung. Das ist schon ein Problem.
amit Sie das Ziel erreichen können, dass alle entlastet
erden, müssten Sie akzeptieren – Sie haben hier einge-
äumt, dass Sie das tun –, dass ein großes Loch auf der
innahmeseite entsteht.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Ein kleines!)

20 Milliarden Euro ist 1 Prozent vom Bruttoin-
andsprodukt. Ich finde, das ist in der Tat ein sehr gro-
es Loch. Das würde übrigens dazu führen, dass wir
as 3-Prozent-Kriterium weiterhin nicht erfüllen könn-
en. Das kann angesichts unserer Verpflichtungen auf
uropäischer Ebene so nun wirklich nicht gehen.
Sehr verehrter Herr Solms, wie würde eigentlich die

erteilungswirkung aussehen? Die Wirkung wäre, dass
ei den unteren Einkommen eine Steuererhöhung statt-
inden würde. Ich habe Beispiele ausrechnen lassen.
ehmen wir zum Beispiel einen allein stehenden Arbeit-
ehmer mit einem Jahreseinkommen von 15 000 Euro,
er zum Arbeitsort eine Entfernung von 20 Kilometern
urücklegen muss. Für ihn fällt die Entfernungspau-
chale nun weg, sodass er 44 Euro mehr bezahlen muss.
ie sagen, das sei nicht viel. Richtig. Aber die Entlas-
ung eines Ledigen mit einem Jahreseinkommen von
00 000 Euro beträgt dagegen 5 700 Euro bzw. 17 Pro-
ent. Die Entlastung steigt bei den höheren Einkommen
rozentual an und verharrt ab einem bestimmten Betrag.
Noch ein Wort am Rande zum Wegfall der Entfer-

ungspauschale. Man sollte noch einmal darüber nach-
enken, ob ein Wegfall nicht ein verfassungsrechtliches
isiko birgt. Ich sehe es eher wie die CSU. Ich glaube,






(A) )



(B) )


Bundesminister Hans Eichel

dass das verfassungsrechtlich nicht geht. Man kann die
Entfernungspauschale der Höhe nach einschränken – das
haben wir vorgeschlagen –, kann sie aber wahrscheinlich
nicht ganz streichen. Das sei nun aber dahingestellt.

Zu der Verteilungswirkung haben wir also eine ganz
unterschiedliche politische Position. Nach Ihren Vorstel-
lungen gilt: Je höher das Einkommen, desto höher ist
nicht nur die tatsächliche Entlastung – das ergibt sich aus
einer progressiven Einkommensteuer –, sondern desto
höher ist auch die prozentuale Entlastung. Eine solche
Steuerpolitik möchte ich nicht machen. Eher würde ich
es umgekehrt machen, sehr geehrter Herr Solms.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Elke Wülfing [CDU/CSU]: Sie müssen auch einmal über den Tellerrand hinausschauen!)


Sie sprechen dauernd von einem Eingangssteuersatz
von 15 Prozent. Diesen haben wir im Gesetz vorgese-
hen; er gilt ab dem nächsten Jahr.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie hätten gerne einen Spitzensteuersatz von 35 Prozent.
Wir sehen ab nächstem Jahr einen Spitzensteuersatz von
42 Prozent vor. Mit anderen Worten: Bei einem Aufbau
eines Steuertarifs nach Ihren Vorstellungen würde im Er-
gebnis bei den unteren Einkommen auf längere Frist
keine Entlastung erfolgen. Im Gegenteil: Durch den Ab-
bau aller Vergünstigungen würde es eher zu einer Belas-
tung führen. Aber je höher das Einkommen wäre, desto
höher wäre die Entlastung. Sehr verehrter Herr Solms,
ein solcher Tarif ist nicht nach unserer Vorstellung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre ungerecht!)


Sie haben hier im Hause auch schon ganz anders ar-
gumentiert. Ich bin nicht der Meinung, dass eine Absen-
kung des Spitzensteuersatzes auch dann noch Priorität
hat, wenn er 42 Prozent beträgt; sie ergibt sich auch
nicht aus einem internationalen Vergleich.

Ich frage Sie allen Ernstes: Sind Sie wirklich der Mei-
nung, dass schon Einkommen ab 40 000 Euro – das ist der
Jahresverdienst eines gut verdienenden Facharbeiters –
mit dem Spitzensteuersatz besteuert werden sollen? Oder
sollten wir nicht eher, wenn wir Geld hätten, an eine Ver-
schiebung denken und den Spitzensteuersatz lieber etwas
höher ansetzen und ihn dafür wesentlich später beginnen
lassen? Eine solche Steuergesetzgebung wäre viel leis-
tungsfördernder als die, die Sie vorsehen. Bei dieser wird
nämlich schon dem Facharbeiter bescheinigt, er sei mit
seinem letzten Euro bereits in der Spitzengruppe. Alle
Personen mit höheren Gehältern zahlen, bis hin zu Herrn
Esser, das Gleiche. Herr Solms, das halte ich nicht für ge-
recht, um das in aller Klarheit zu sagen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Bei unserem Modell gilt der Spitzensteuersatz nicht
schon bei 40 000 Euro, sondern erst wesentlich später.

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(C (D b nächstem Jahr gelten die 42 Prozent erst ab etwas ber 52 000 Euro. So viel zur Verteilungswirkung. Ich komme nun auf Ihren Stufentarif zu sprechen. ch spreche, so wie Herr Faltlhauser, von einem Stufenag. Jedermann kann das heute auf seinem Laptop oder einem PC ausrechnen. Das lernen heute schon die Kiner in der Grundschule. (Lachen bei der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Nur das Finanzministerium nicht!)


err Solms, auch Sie wissen doch, dass es um einen rein
ptischen Trick geht. Keiner kann die höheren Belastun-
en, die mit dem Stufentarif, im Gegensatz zum linear-
rogressiven Tarif, in bestimmten Bereichen verbunden
ind, schnell beziffern. Gleichzeitig können die öffentli-
hen Haushalte die Einnahmeausfälle, die sich alleine
us dem Stufentarif ergeben, nicht verkraften. Für ein
olches Modell werden Sie keinen Finanzminister und
eine Freunde in Ihren eigenen Reihen finden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich komme zur Finanzierung. Sie können nichts ande-

es – das machen Sie, damit Ihr Konzept ein bisschen at-
raktiver wird; das verstehe ich –, als den Menschen
teuersenkungen zu versprechen. Das, was Sie mit Ihrer
erteilungswirkung bewirken, können Sie nur dadurch
bfedern, dass Sie einen riesigen Einnahmeausfall hin-
ehmen. Das geht angesichts der gegenwärtigen Situa-
ion nicht. Die Steuerquote in Deutschland ist die nied-
igste der Mitgliedsländer der Europäischen Union und
ogar der Beitrittsländer. Zurzeit sind der slowakische
inisterpräsident und der slowakische Finanzminister
ier im Lande. Angesichts dessen wurde in den Nach-
ichten diskutiert, wie dort das Steuersystem aussieht.
Wir haben ein anderes System. Darüber will ich nicht

eden. Die Slowakei ist das einzige Land, dessen Steuer-
uote minimal unter unserer liegt. Die Flatrate liegt dort
ei 19 Prozent. Während wir eine Steuerquote von
0,5 Prozent haben, hat sie 19,2 Prozent. Das muss man
ich einmal vor Augen führen: In allen anderen Ländern
ebenan, zum Beispiel in Tschechien, liegt sie darüber.
as gilt auch für die kombinierte Steuer- und Abgaben-
uote.
Ich halte also fest: Die niedrigste Steuerquote in der

uropäischen Union hat Deutschland. Mit anderen Wor-
en: Auch beim internationalen Vergleich stellt man fest,
ass weitere Ausfälle bei den Steuereinnahmen zurzeit
icht unser Thema sein können. Wer das Thema ernst-
aft angehen will, der muss weiterschauen und die
teuer- und Abgabenquote betrachten. Herr Solms,
hre Aussage, nach der wir mit dieser ganz oben liegen,
ar übrigens falsch. Im europäischen Vergleich liegen
ir hier sogar unterhalb der Mitte. Belgien, Dänemark,
innland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Norwegen,
sterreich, Schweden und Tschechien haben beispiels-
eise eine höhere Steuer- und Abgabenquote als wir.
ieran liegt es also auch nicht.
Man muss über die Lösung der Probleme in der

truktur nachdenken. Ich warne aber davor, zu schnell






(A) )



(B)


Bundesminister Hans Eichel

von der Steuerfinanzierung der sozialen Sicherungssys-
teme, also dieser Art der Senkung der Lohnnebenkosten
zu reden, weil wir dadurch zu schnell über die notwendi-
gen Reformmaßnahmen in den Systemen hinweggehen
würden. Ich glaube aber, es ist völlig unvermeidlich,
dass sich auch diese Frage stellen wird.

Reden wir über unsere europäischen Verpflichtungen.
Wir haben uns im Stabilitäts- und Wachstumspakt ver-
pflichtet


(Zuruf von der CDU/CSU: Ihn einzuhalten!)

– sehr richtig –, zu einem ausgeglichenen Haushalt zu
kommen. Das ist noch nicht einmal die aktuelle Frage.
Das heißt, bis wir das erreicht haben, müssen wir jedes
Jahr 0,5 Prozent des strukturellen Defizits zurückfahren.
Das sind 10 Milliarden Euro für den Gesamtstaat. Be-
denken Sie, dass das bis weit über das Jahr 2007 hinaus-
geht! Hinzu kommen dann noch die Kosten für die Er-
weiterung der Europäischen Union. Ich bin übrigens für
die Unterstützung dankbar, die ich in dieser Frage für die
Position der Bundesregierung gestern im Europaaus-
schuss erhalten habe.

Somit könnten wir das durch Ihre Steuerreform ent-
stehende Einnahmeloch – 20 Milliarden Euro pro Jahr –
in den nächsten Jahren finanziell überhaupt nicht ver-
kraften. Dies wäre auch mit keiner europäischen Ver-
pflichtung vereinbar.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Damit komme ich zur Frage, wo die Prioritäten der
Finanzpolitik liegen. Diese liegen nicht bei der Steuer-
quote, sondern sie liegen bei der Steuerstruktur. Wir wol-
len Vorschläge zur Kapitalertragsbesteuerung vorlegen.
Diese müssen und werden umfangreicher sein als Ihre.
Wir müssen nicht nur den Weg zu einem ausgeglichenen
Haushalt, sondern auch zu einem Überschusshaushalt
gehen, damit der Haushalt auch über den Konjunkturzy-
klus ausgeglichen ist. Das würden wir mit Ihren Vor-
schlägen lange nicht erreichen. Wir müssen auch Geld
für das haben, was wir in Europa die Qualität des Bud-
gets und in Deutschland die Zukunftsaufgaben nennen.
In der Tat müssen die Ausgaben für Bildung, Forschung,
Entwicklung, Kinderbetreuung und Innovation gestei-
gert werden. Auch darauf kommt es an. Auch das ist eine
Aufgabe der Finanzpolitik. Ohne das werden wir die Zu-
kunft nicht gewinnen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Dann gehen Sie mal in die Steinkohle hinein!)


Deswegen sagen wir Ja zu einer Debatte, die zu einem
vereinfachten Steuerrecht führt, und Nein zu einer De-
batte, die zu weiteren Einnahmeausfällen und sozialen
Ungerechtigkeiten führt. Das sage ich für die Regie-
rungskoalition ganz ausdrücklich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das wäre nämlich das Ergebnis Ihres Konzeptes. Verein-
fachung ist ein wichtiges Element.

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(C (D Was haben wir in diesem Jahr zu tun? Unsere Steuereform liegt in Gesetzesform vor. Die nächste Stufe ommt. Sie hätte schon zum 1. Januar dieses Jahres ommen können, wenn Sie sowohl bei der Steuersenung als auch beim Subventionsabbau ein bisschen muiger gewesen wären. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die Verabschiedung des Alterseinkünftegesetzes steht
uf der Steueragenda für dieses Jahr. Ich hoffe, dies wird
urch uns gemeinsam geschehen.
Auch die Kapitalertragsbesteuerung und die europäi-

che Zinsrichtlinie sind Themen dieses Jahres. Gemein-
am mit den Ländern haben wir darüber hinaus Gott sei
ank mit dem Abbau von Vorschriften begonnen.
Auch das Außensteuerrecht ist ein zentrales Thema.

s ist zwar nicht sehr publikumswirksam, in diesem Jahr
ber sehr wichtig.
Schließlich nenne ich die Vereinfachung der Steuer-

rklärung sowohl für die Arbeitnehmer als auch für alle
nderen.
An diesen Dingen ist zu arbeiten. Da werden wir auch

orankommen. Das wird sich zeigen.
Sehr verehrter Herr Solms, ich bedanke mich für eine

npolemische und sachliche Debatte. Ich würde mich
reuen, wenn wir bei der Vereinfachung vorankommen
ürden. Aber bitte, wir haben unsere Kriterien genannt:
eine weiteren Einnahmeausfälle und die Beachtung der
ozialen Gerechtigkeit. Dann müssen wir aber auch den
ut haben, den Menschen deutlich zu machen, was das
eißt. Es geht nicht an, die Regierung immer vorangehen
u lassen, sie dann jedes Mal zu verleumden und am
nde zu sagen: Wir wollen alles einfacher gestalten.
uch Sie müssen den Mut aufbringen, Ross und Reiter
u nennen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


as erwarte ich insbesondere von Herrn Merz. Auf einer
olchen Basis lässt sich eine vernünftige Diskussion füh-
en.
Ich bedanke mich sehr herzlich dafür, dass Sie mir so

ang und geduldig zugehört haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509103400

Das Wort hat der Kollege Michael Meister, CDU/
SU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Michael Meister (CDU):
Rede ID: ID1509103500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Es ist erfreulich: Niemand in der Debatte be-
treitet, dass das deutsche Steuerrecht dringend verein-
acht werden muss. Dieses Ziel wird glücklicherweise
on niemandem mehr in diesem Hause infrage gestellt.
)






(A) )



(B) )


Dr. Michael Meister

Bürger und Unternehmen beklagen zu Recht die zahlrei-
chen Ausnahmeregelungen und die hohen Steuersätze
im deutschen Steuerrecht sowie die Hektik und den Ak-
tionismus, den wir in der Steuergesetzgebung gegenwär-
tig verspüren. Es werden Eingriffe in bereits bestehende
Lebenssachverhalte vorgenommen, so genannte Rück-
wirkungen. Lieber Herr Bundesfinanzminister Eichel,
die von mir beschriebenen Probleme haben massive ne-
gative ökonomische Auswirkungen auf unser Land.
Dies müssen wir in der Debatte zur Kenntnis nehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nicht nur die Bürger verstehen nicht mehr, wie unser
Steuerrecht aufgebaut ist, auch die Finanzverwaltungen
haben ein riesiges Problem, die Steuergesetze anzuwen-
den. Nehmen wir einmal das Thema Zinsen bzw. Kapi-
talertragsbesteuerung. Dort besteht dringender Hand-
lungsbedarf, den auch das Verfassungsgericht anmahnt.
Nehmen wir das Thema Spekulationsgewinne. Auch
dort wird deutlich, dass nicht nach Recht und Gesetz be-
steuert wird und daher Handlungsbedarf gegeben ist. Die
Finanzverwaltung ist nicht in der Lage, die heutige Ge-
setzgebung umzusetzen. Ich will einen dritten Bereich
ansprechen. Ich glaube, auch die Gerichtsbarkeit leidet
unter dem, was heute in Gesetzen steht. So nimmt die
Anzahl der Klagen gegen Steuergesetze permanent zu,
und zwar sowohl in der deutschen Gerichtsbarkeit als
auch auf europäischer Ebene.

Wenn wir darin übereinstimmen, dass das deutsche
Steuerrecht dringend vereinfacht werden muss, dann
muss eine grundlegende Steuerstrukturreform vorge-
legt werden. Darüber sind wir uns einig, daher würde ich
mich sehr freuen, wenn die Bundesregierung – hier in
Person des Bundesfinanzministers – einen Gesetzent-
wurf zur tatsächlichen Vereinfachung, besseren Transpa-
renz und Vertrauensbildung im deutschen Steuerrecht
vorlegen würde. Willensbekundungen reichen hier nicht,
Herr Bundesfinanzminister.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In dieser Diskussion steht für uns – damit komme ich

zum Punkt Finanzierung – nicht das Thema Entlastung
im Vordergrund, sondern für uns sind Transparenz, Ein-
fachheit und Vertrauensbildung in der Steuergesetzge-
bung maßgebend. Es ist vollkommen richtig – darin
stimme ich Ihnen zu –: Diese müssen wir in eine ver-
nünftige Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik und So-
zialgesetzgebung einbetten, weil wir nur mit einer ent-
sprechenden Finanzpolitik zu dem notwendigen Schub
in der Wirtschaft beitragen und unsere Ziele vernünftig
umsetzen können. Lieber Herr Bundesfinanzminister,
wenn Sie den Handlungsbedarf für eine Strukturreform
erkennen, dann frage ich: Warum handeln Sie nicht? Wo
bleibt der Gesetzentwurf dieser Bundesregierung zur
Vereinfachung des deutschen Steuerrechts?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nun haben Sie zu Recht darauf hingewiesen, dass Sie
in den vergangenen Jahren an dieser Stelle relativ viel
Aktivismus entwickelt haben.


(Walter Schöler [SPD]: Das ist Geschwätz!)


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(C (D ie haben allein im letzten Jahr sieben Steuergesetze orgelegt, die wir im Deutschen Bundestag beraten haen. Aber Ihre Leitlinie bei der Steuergesetzgebung war eider nicht Vereinfachung, sondern das Stopfen von aushaltslöchern. Darauf haben Sie bisher Ihre Steuerolitik ausgerichtet. (Elke Wülfing [CDU/CSU]: So ist das! Reine Abzocke!)


Jetzt komme ich zu dem von Ihnen angesprochenen
teuervergünstigungsabbaugesetz, das für die Menschen
n Deutschland eine Mehrbelastung in Höhe von 17 Mil-
iarden Euro bedeutet hätte. Der entscheidende Unter-
chied ist: Wir wollen – darin sind wir uns in der Opposi-
ion einig –, dass das Steuermehraufkommen durch die
erbreiterung der Bemessungsgrundlage den Menschen
ber eine Tarifentlastung zurückgegeben wird. Ihre Poli-
ik jedoch ist es, die Bemessungsgrundlage zu erweitern,
amit Steuern zu erhöhen, den Tarif aber nicht zu senken.
ie Opposition will eine Steuerstrukturreform mit einer
reiten Bemessungsgrundlage und niedrigen Tarifen. Sie
ingegen reden ständig darüber, die Bemessungsgrund-
age zu erweitern und den Tarif nicht abzusenken. Das
ber gehört für uns zusammen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben das Haushaltsbegleitgesetz 2004 ange-

prochen. Auch dort – das muss ich Ihnen sagen – haben
ie diesen Grundsatz nicht eingehalten. Sie haben wie-
er geplant, die Bemessungsgrundlage zu verbreitern,
nd haben dies den Menschen als Steuerentlastung ver-
auft. Sie haben angekündigt, in Deutschland würden
teuern gesenkt, aber ab dem 1. Januar 2005 werden die
uswirkungen Ihrer Gesetze zu massiven Steuermehrbe-
astungen führen. Wir müssen, wenn wir um Vertrauen
erben, endlich aufhören, auf die Pakete, die wir schi-
ken, die falschen Etiketten zu kleben.


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Alterseinkünfte! Zwangsbesteuerung!)


ir müssen ehrlich sein. Das, was wir ankündigen, müs-
en wir auch tun. Wir dürfen nicht das Gegenteil von
em einpacken, was auf der Liste steht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verkehrte Welt!)


Ich glaube, wir waren im Jahr 1997 in der Steuerde-
atte in Deutschland, was die Vereinfachung und Trans-
arenz betrifft, bedeutend weiter, als wir es heute sind.
ir hatten nämlich hier im Deutschen Bundestag bereits
ie so genannten Petersberger Steuervorschläge be-
chlossen. Es gab einen Beschluss des Deutschen Bun-
estages zur Steuervereinfachung mit einer breiten Be-
essungsgrundlage, wenigen Ausnahmen und niedrigen
teuersätzen. Warum ist er nicht Realität in Deutschland
eworden, sondern ein Beschluss des Bundestages ge-
lieben? – Weil Sie von der SPD mit Ihrem Vorsitzenden
skar Lafontaine damals im Bundesrat aus machttakti-
chen Gründen


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Schröder war auch dabei!)







(A) )



(B) )


Dr. Michael Meister

ein einfaches, transparentes Steuersystem in Deutsch-
land blockiert haben. Das ist die Ursache, warum wir da-
mals nicht weitergekommen sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn man die Entwicklung der letzten Jahre an-

schaut, dann muss man feststellen, dass Ihr Bundeskanz-
ler im vergangenen Jahr angekündigt hat, er wolle im
Bereich der von mir vorhin angesprochenen Kapitaler-
tragsbesteuerung eine Steueramnestie einführen und er
wolle eine Neuregelung über die Abgeltungsteuer bei
den Kapitaleinkünften. Was haben Sie gemacht? – Sie
haben Vorschläge zur Steueramnestie vorgelegt. Die ha-
ben wir im Dezember beschlossen. Sie haben bis heute
aber keine Regelung zur Kapitalertragsbesteuerung vor-
gelegt. Warum haben Sie keine Regelung vorgelegt? –
Weil die Fraktion der SPD sie blockiert. Diese Fraktion
will nicht, dass Kapital günstiger als Arbeit besteuert
wird. Deshalb sind Sie nicht handlungsfähig. Sie sind
gelähmt. Sie haben nicht die Rückendeckung Ihrer eige-
nen Fraktion und Koalition. Deshalb bleibt es bei An-
kündigungen und es kommt nicht zu tatsächlichen Ver-
einfachungen des Steuerrechts und der Lösung der
Probleme.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie kennen Ihren eigenen Vorschlag nicht!)


– Liebe Frau Scheel, die Vorschläge zur Kapitalertrags-
besteuerung erwarten wir mit großer Spannung. Wir
warten auch vor dem Hintergrund der Amnestie darauf,
was Sie zur Erbschaftsteuer sagen. Frau Simonis hat
heute Morgen im Frühstücksfernsehen gesagt, die Erb-
schaftsteuer müsse dringend erhöht werden.


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Exakt!)

Wir sind auch gespannt, was Sie zur Vermögensteuer sa-
gen. Sie glauben doch nicht, dass jemand von der Am-
nestie Gebrauch machen wird, wenn Sie die Erhöhung
der Erbschaftsteuer, die Wiederbelebung der Vermögen-
steuer und eine offene Kapitalertragsteuer in den Raum
stellen.

Das, was Sie in den vergangenen fünf Jahren in der
Steuerpolitik geleistet haben, ist ein Rückschritt. Sie sind
weit hinter die Petersberger Beschlüsse von 1997 zu-
rückgefallen. Deshalb sind wir von der Union der Mei-
nung, dass wir uns in der Steuerpolitik wieder in die
richtige Richtung bewegen müssen. Dies bedeutet ein-
heitliche Grundfreibeträge für alle Menschen in
Deutschland, gleich welchen Alters. Ein Freibetrag von
8 000 Euro soll auch für Kinder gelten. Wir sind der
Meinung, dass, wenn wir zu dem Stufentarif von
Friedrich Merz übergehen, jeder auf seinem Bierdeckel
seine Steuerlast ausrechnen kann.

Gehen Sie einmal von einer vierköpfigen Familie aus,
die aus den Eltern und zwei Kindern besteht und die ein
Jahreseinkommen in Höhe von 40 000 Euro hat, wobei
nur ein Erwerbstätiger in der Familie ist. Dann können
Sie relativ leicht mit dem Stufentarif die Steuerlast be-
rechnen. 8 Prozent auf 7 000 Euro sind dann steuer-

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(C (D flichtig, wenn man die Freibeträge und den Grundfreietrag vom Einkommen abzieht. Die Steuerlast beträgt ann 840 Euro. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wo kommen denn die 8 Prozent her?)


Ich habe eben 12 Prozent ausgerechnet, Herr Binding.
ie sind Mathematiker, Sie können das schnell nachvoll-
iehen. Stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind.
Das ist eine riesige Leistung, auch in der Familien-

olitik. Unser Ansatz des Ehegattensplittings, die
rundfreibeträge und der Stufentarif sind ein riesiges
lus für Familien in Deutschland. Sie reden darüber, wir
ollen es tun. Wir machen Steuerpolitik für Familien in
iesem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Nun behaupten Sie, wir hätten ein Problem mit den
usnahmetatbeständen, die wir beseitigen wollen.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie auch!)


ir diskutieren über die Pendlerpauschale. Die haben
ie schon angesprochen. Wir wollen die Ausnahmetat-
estände lückenlos streichen, weil wir sonst das Ziel
ines einfachen Steuerrechts in Deutschland nicht errei-
hen werden. Wir sind aber auch der Meinung, dass man
ufwendungen anerkennen muss. Deshalb sollten Sie
inmal einen Blick in unser Konzept werfen. Dort ist ein
rbeitnehmerpauschalbetrag von 1 000 Euro vorgese-
en, der diese Aufwendungen pauschaliert erfasst und
nzuerkennen versucht. Wir können darüber diskutieren,
b die Höhe richtig gewählt ist, aber die Anerkennung
er Aufwendungen ist der richtige Ansatz.


(Zuruf von der SPD: Einfach, aber nicht gerecht!)


Wenn wir tatsächlich die Basis eines völlig reformier-
en Einkommensteuerrechts mit niedrigen Steuersätzen
nd einer breiten Bemessungsgrundlage geschaffen ha-
en – um diese Frage geht es schließlich –, dann können
ir darauf aufbauend eine vernünftige Gemeinde-
inanzreform angehen.


(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Wann kommt die denn?)


Das müssen Sie beantworten, Herr Spiller. Sie sind
och mit der Gemeindefinanzreform gescheitert. Es war
och Ihre Vorlage, deren Umsetzung Sie nicht zustande
ebracht haben. Nicht die Opposition, sondern Sie sind
n der Verantwortung.


(Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Unglaublich!)


Wir sind der Meinung, dass wir den Umdenkungspro-
ess, der am 19. Dezember eingesetzt hat, nutzen müs-
en, um die Kommunen in Deutschland an einem Pro-
ess der Verstetigung ihrer Einnahmen zu beteiligen,
ndem wir ein Drei-Säulen-Modell schaffen und eine se-
iöse Beteiligung der Kommunen an der Einkommen-,
örperschaft- und Umsatzsteuer und damit an der wirt-
chaftlichen Entwicklung in unserem Land ermöglichen.






(A) )



(B) )


Dr. Michael Meister

Dies wollen wir gemeinsam mit den Kommunen errei-
chen.

Wenn wir hier nicht nur Sonntagsreden halten wollen,
Herr Poß, dann müssen wir endlich dem Rückschritt in
der Steuerpolitik, den Sie in den vergangenen fünf Jah-
ren bewirkt haben, ein Ende bereiten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Wir brauchen an dieser Stelle einen Politikwechsel.

(Joachim Poß [SPD]: Den werden Sie noch kriegen!)

Das Steuerrecht darf nicht mehr der Fiskalpolitik unter-
liegen; es muss vielmehr dem Prinzip „niedriger, einfa-
cher und gerechter“ folgen.

Das Einkommensteuerrecht muss zudem – darin bin
ich mit Herrn Solms einig – komplett neu verfasst wer-
den. Ein Herumdoktern an dem bestehenden Recht wird
uns nicht weiterhelfen. Notwendig ist der Entwurf eines
neuen Einkommensteuerrechts.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, Sie können davon ausge-

hen, dass sich die Union mit einer eigenen parlamentari-
schen Initiative an dieser Debatte beteiligen wird.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Prosatext!)


Wir sagen Ihnen zu, Herr Solms, diesen Diskussionspro-
zess konstruktiv zu begleiten. Wir sind bereit, mit Ihnen
in den Gremien über ein einfacheres, gerechteres und
transparenteres Steuerrecht zu diskutieren.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Ich will allerdings auf einige Untiefen hinweisen. Ich

glaube, es ist richtig, dass Sie in § 1 Ihres Gesetzent-
wurfs und damit an vorderster Stelle das Prinzip der
Leistungsfähigkeit verankert haben. Es bedarf aller-
dings einer Erklärung, warum ein angestellter und ein
selbstständig tätiger Handwerker unterschiedlich behan-
delt werden sollen. Der eine kann seine Aufwendungen
in vollem Umfang absetzen; der andere kann dies nicht.
Wenn wir uns zu dem Prinzip der Leistungsfähigkeit be-
kennen – Sie bekennen sich in Ihrem Gesetzentwurf
dazu und auch wir sind dafür –, dann sollten wir dieses
Prinzip auch konsequent umsetzen.

Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen.
Sie haben das Thema Kapitalerträge und Dual Income
Tax angesprochen. Ich glaube, wenn wir ehrlich sind,
muss auch an dieser Stelle das Prinzip der Leistungsfä-
higkeit eingehalten werden.


(Joachim Poß [SPD]: Sie sind doch nicht ehrlich! Sie haben doch vorhin glatt gelogen!)


Danach sind alle Markteinkommen steuerlich gleich zu
behandeln. Was die Realisierung dieses Prinzips angeht,
besteht, glaube ich, noch Diskussionsbedarf.

Ein weiterer Punkt ist die Gewinnermittlung bei Un-
ternehmen. In der Frage, wie man an die Gewinnermitt-

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(C (D ng herangeht, gibt es unterschiedliche Einschätzungen. ie FDP befürwortet ein Modell, das die Wahl zwischen andelsbilanz und internationalen Rechnungsstandards ulässt. Ich glaube, bei der Gewinnermittlungsmethode t auch zu berücksichtigen, was diese Standards bedeun. Sie verfolgen nämlich unterschiedliche Ziele, und war zum einen eine Zahlungsbemessungsfunktion und um anderen eine Informationsfunktion. Ob wir klug beaten sind, eine optionale Regelung als steuerrechtliche asis zu schaffen, steht für mich infrage. Ich verweise in iesem Zusammenhang auf das Gutachten von Herrn rofessor Herzig, in dem er deutlich gemacht hat, dass ie Anwendung von IAS, das heißt von internationalen echnungslegungsgrundsätzen, in Bezug auf das Steuerecht durchaus verfassungsrechtliche Implikationen aufeisen kann. Insofern ist es fraglich, ob wir mit einer olchen Regelung gut beraten sind. Ich möchte abschließend festhalten, dass trotz der be tehenden Untiefen, über die wir sicherlich im parlamenrischen Verfahren im Finanzausschuss diskutieren könen, der Grundsatz, die Bemessungsgrundlage zu erbreitern und gleichzeitig die Steuersätze zu senken, ichtig ist. Wir setzen uns gemeinsam mit der FDP für iesen Grundsatz ein. Ich halte es für dringend notwenig, dass der riesige Apparat, den Sie mit dem Finanzmiisterium und seinen mehreren tausend Mitarbeitern zur erfügung haben, lieber Herr Spiller, in diesem Zusamenhang Vorleistungen bringt. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Sie verwechseln Parlament und Regierung!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


arauf warten wir.
Wir kommen in Kürze – am 1. Mai – in eine Situa-

on, in der wir einer riesigen Konkurrenz ausgesetzt sein
erden. Ich frage mich, ob Ihnen dann nicht das Lächeln
elativ schnell vergehen wird, wenn plötzlich die Steuer-
asis auf legale Weise erodiert, und ob es reicht, wenn
er Herr Bundeskanzler von unpatriotischem Verhalten
pricht, oder ob wir nicht unsere Verantwortung als Ge-
etzgeber wahrnehmen sollten. Ich bin der Meinung, wir
ollten nicht nur Sonntagsreden halten, sondern unsere
erantwortung wahrnehmen.
Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509103600

Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Scheel,
ündnis 90/Die Grünen.


Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509103700

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Herr
r. Meister, wenn man das Wort „Wahrheit“ so oft in
en Mund nimmt, wie Sie das gerade getan haben, dann
ann ich nur bitten: Bleiben Sie auch bei der Wahrheit!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)







(A) )



(B) )


Christine Scheel

Zwischen dem, was Sie im Hinblick auf den Subven-
tionsabbau gesagt haben, und dem, was Sie im Dezem-
ber letzten Jahres im Vermittlungsverfahren getan haben,
liegen jedenfalls Welten. Jedes Mal, wenn es konkret ge-
worden ist, hat die Union nicht Subventionsabbau betrie-
ben, sondern begründet, warum einzelne Subventionen
beibehalten werden müssten. Das ist die Wahrheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie haben gesagt, dass wir das, was wir ankündigten,
auch umsetzen müssten. In diesem Zusammenhang kann
ich nur darauf hinweisen, dass Sie im letzten Jahr eben-
falls angekündigt haben, das Steuerrecht zu vereinfachen
und Subventionen abzubauen. Wenn man Subventionen
abbaut, dann führt das zumindest teilweise auch zu Ver-
einfachungen im Steuerrecht. Aber genau das haben Sie
im Vermittlungsverfahren nicht mitgetragen, weil Sie
wussten, dass Sie noch Spielraum für Ihren eigenen Ge-
setzentwurf benötigen werden. Es ging Ihnen also nicht
um das Interesse der Bürgerinnen und Bürger sowie um
wirkliche Vereinfachungen, sondern nur um parteipoliti-
sches Kalkül. Das ist der andere Teil der Wahrheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Herr Dr. Solms, wenn Sie den 200. Todestag von Im-
manuel Kant ansprechen und hier die Freiheit beschwö-
ren – das tun Sie immer sehr gerne; die Begriffe „Wett-
bewerb“ und „Freiheit“ haben Sie bislang in jeder Rede
verwendet, die ich kenne –, dann frage ich Sie, wie sich
die FDP verhält, wenn es konkret wird. Was geschieht
denn, wenn Vorschläge auf den Tisch kommen? Was ha-
ben Sie gemacht, als wir den Apotheken den Internet-
handel ermöglichen wollten? Was ist los gewesen, als
wir die Handwerksordnung ändern wollten? Wie ist es
denn um Ihre Liberalität bestellt, wenn es um eine Öff-
nung im Bereich der Rechtsberatung geht, die bislang
den Anwälten vorbehalten ist? – Jedes Mal, wenn es
konkret wird, betreiben Sie Klientelpolitik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich finde es gut – das sage ich ganz offen –, dass Sie
einen Steuergesetzentwurf vorgelegt haben. Wir werden
uns mit Ihrem Gesetzentwurf im weiteren parlamentari-
schen Verfahren auseinander setzen und sehen, welche
Fragen noch offen sind und wo gemeinsame Möglich-
keiten liegen. Mich überrascht aber, dass Sie ein neues
Modell verfechten, das – davon haben Sie immer ge-
sprochen – zu einem radikalen Subventionsabbau führen
soll, obwohl Sie im letzten Jahr Anträge auf Erhalt der
Eigenheimzulage und auf Anhebung der Subventionen
für Schifffahrtsbetriebe eingebracht haben. Das passt
wirklich nicht zusammen, Herr Dr. Solms. Sie sollten
einmal darüber nachdenken, ob Sie nicht ein beträchtli-
ches Glaubwürdigkeitsproblem haben. Ich glaube,
dass Sie eines haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D Interessant ist auch, dass in den Bundesländern, in deen die FDP mitregiert – ich denke an Rheinland-Pfalz, aden-Württemberg und Sachsen-Anhalt –, die Subvenionen permanent angehoben worden sind. Ausgerechnet err Brüderle, der Obersubventionsabbauer, war derjeige, der in Rheinland-Pfalz dafür gesorgt hat, dass die örderung des Weinbaus an Steillagen von 1 500 DM uf 5 000 DM angehoben worden ist. Jedes Mal, wenn s konkret wird, wollen Sie Subventionen eher anheben ls abbauen. Auch das ist ein Teil der Wahrheit, dem Sie ich stellen müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


ie verstricken sich permanent in Widersprüche. Das
erden wir auch aufdecken, Herr Dr. Solms.


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Was ist mit der Steinkohle?)


Wer hat denn die Verträge abgeschlossen? Das war
och Ihre Regierung, nicht wir. Wer hat denn damals die
tahlindustrie gefördert? Sie waren doch 29 Jahre an der
egierung beteiligt. Sie haben doch alle Verträge abge-
chlossen und Subventionen auf breiter Basis aufgebaut,
ie wir jetzt mühsam versuchen abzubauen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


ir leiden heute darunter, dass Sie jahrelang dafür ge-
orgt haben, dass alles nach oben geswitcht ist. Dass es
m die Staatsfinanzen heute so schlecht bestellt ist, ist
eider auch Ihr Verdienst.
Zu Ihrem Gesetzentwurf: Ich möchte gerne wissen,
ie Sie sich vorstellen, wie wir die zu erwartenden Steu-
rausfälle, die in der Endstufe 15 Milliarden bis 20 Mil-
iarden Euro ausmachen werden, gegenfinanzieren sol-
en. Sie wissen ganz genau, dass die Steuerausfälle in
er Übergangsphase noch wesentlich höher sein würden.
uf der einen Seite fordern Sie hier immer mehr Geld
ür Bildung, mehr Geld für Forschung und die Einhal-
ung der Maastricht-Kriterien und auf der anderen Seite
ollen Sie Steuerausfälle produzieren. Das hat mit dem,
as Sie ansonsten fordern, überhaupt nichts mehr zu tun.
ie suggerieren den Leuten nur: Vereinfachung. Es fällt
ber doch kein Manna vom Himmel! Woher soll es kom-
en? Sie müssen doch Finanzierungswege aufzeigen!
Maastricht“ ist für Sie anscheinend ein Fremdwort. Sie
tellen sich nicht dem, was notwendig ist. Sie entziehen
ich völlig der Notwendigkeit der Gegenfinanzierung
nd glauben, dass die Leute darauf hereinfallen. Die
eute sind doch nicht blöd. Sie wissen doch ganz genau,
ass es nichts mehr zu verschenken und zu verteilen
ibt, sondern dass wir versuchen müssen, eine vernünf-
ige Wirtschafts- und Finanzpolitik hinzubekommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie wollen die Gewerbesteuer abschaffen und die
usfälle, die den Kommunen entstehen – den Kommu-
en fehlen ja dann Einnahmen in Höhe von rund 20 Mil-
arden Euro –, über einen höheren Umsatzsteueranteil der
ommunen und über eine Beteiligung der Kommunen am






(A) )



(B) )


Christine Scheel

Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer
kompensieren. Damit schneiden Sie nur ein Stück aus
dem gesamten Steuerkuchen heraus und verteilen das
woandershin, sagen aber nicht, wie die Länder und der
Bund mit dem Einnahmeausfall in Höhe von 20 Milliar-
den Euro klarkommen sollen.


(Joachim Poß [SPD]: So ist es! – Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: 15!)


Sie schichten einfach nur um. Das ist, finde ich, nicht in
Ordnung. Das kann man so nicht machen, Herr
Dr. Solms.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Herr Merz von der CDU ist da wenigstens ehrlich. Er
sagt: Wenn uns irgendwo etwas fehlt, dann machen wir
eine Mehrwertsteuererhöhung.


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Kündigen Sie die Mehrwertsteuererhöhung jetzt an? Ist das in der Koalition abgesprochen?)


Sie ist auch bei Ihnen irgendwo im Hinterkopf. Alle Mo-
delle, die vorgelegt worden sind, ob es nun Ihr Modell ist
oder ob es das Modell von Professor Kirchhof ist, bei
dem in der Übergangsphase auch hohe Steuerausfälle
entstehen, oder ob es der Prosatext von der Union ist
– etwas anderes gibt es bislang ja nicht –, haben ein Pro-
blem. Die CDU/CSU kann keinen Gesetzentwurf vorle-
gen, weil sie sich niemals auf einen Text einigen kann.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Einstimmiger Parteitagsbeschluss!)


Der Punkt ist: Die CDU/CSU kann keinen Gesetzent-
wurf vorlegen, nicht deshalb, weil es nicht möglich
wäre, sondern deshalb, weil sie sich nicht einigen kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Man muss fragen: Was ist denn nun mit der Finanzie-
rung? Ich halte es für völlig falsch, dass Sie in einer Zeit,
in der es – wir haben heute Morgen darüber debattiert –
mit der Wirtschaft mal wieder ein Stück aufwärts geht,


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ordentlich!)


in der wir sagen können „Klasse, das Pflänzlein wächst;
wir müssen es betreuen, damit es weiter wächst, was ja
im Interesse aller Beteiligten richtig ist“,


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Mit der Ausbildungsplatzabgabe beispielsweise!)


Vorschläge machen, bei denen Sie Steuererhöhungen im
Hinterkopf haben. Das ist schädlich für die Konjunktur.
Das haben Sie uns immer vorgeworfen. Jetzt machen Sie
solche Vorschläge selbst. Das ist unsolide und für die
Zukunft, wirtschaftspolitisch gesehen, nicht gut. Deswe-
gen werden wir uns mit Ihren Vorschlägen, Herr
Dr. Solms, sehr genau auseinander setzen. Ich bin einmal
gespannt, wie Sie die Fragen beantworten werden, wenn
es konkret wird. Da geht es auch um Unternehmensbe-

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(C (D teuerung im weitesten Sinne; der Minister hat es angeprochen. Uns geht es darum, dass wir die Wirtschaft am Ende tärken. Wir wollen den Leuten nicht nur mit einer schöen Überschrift suggerieren, dass jetzt irgendwie etwas anz Tolles kommt, und am Ende ist der Schaden groß nd das Geflenne geht los. Das wollen wir nicht, sondern ir wollen eine vernünftige Wirtschaftsund Finanzpotik machen. (Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das hätten Sie schon Jahre machen können! – Zuruf von der FDP: Wer regiert hier eigentlich?)


ir beteiligen uns an Vereinfachungsvorschlägen! Wir
ind für Vereinfachung immer offen. Das können wir
uch gern gemeinsam machen, aber nicht so, wie Sie das
tzt vorschlagen, nicht in dieser Form.
Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509103800

Das Wort hat der Kollege Hans Michelbach, CDU/
SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1509103900

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

egen! Es darf keinen Zweifel daran geben, dass eine
teuerstrukturreform mit Vereinfachungen in Deutsch-
and dringend notwendig ist, damit das Steuerrecht ein-
acher und gerechter wird, damit Leistung wieder mehr
elohnt wird, damit wieder mehr Investitionen möglich
erden, damit unsere Betriebe wieder wettbewerbsfähi-
er werden und damit letztlich unsere gesamte Volks-
irtschaft wieder zu ihrer alten Stärke zurückfindet. Es
ohnt sich, für die Erfüllung dieser Aufgaben intensiv
nd konstruktiv zu arbeiten.
Für mich ist es aber Drückebergerei, wenn sich ein

inanzminister einem Reformbedarf geradezu verwei-
ert – wir haben es erlebt –, indem er selbst keinen Ge-
etzentwurf vorlegt.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Geschichtsklitterung, was Sie da machen!)


err Eichel, warum moderieren Sie nur?

(Horst Schild [SPD]: Tragen Sie doch einmal das CSU-Modell vor!)

ie fabulieren über diskussionswürdige und kritikwür-
ige Elemente. Ein Bundesfinanzminister hat doch – da-
um geht es – einen Wählerauftrag; deswegen müsste er
n dieser Frage handeln.
Herr Eichel hat mit der Steuerquote argumentiert.
araus ersehen wir doch, dass es Handlungsbedarf gibt:


(Joachim Poß [SPD]: Das müssen gerade Sie sagen nach Ihrem Verhalten im Vermittlungsausschuss! Das ist unglaublich!)







(A) )



(B) )


Hans Michelbach

Ein gerechtes und einfaches Steuersystem muss eine
breite Bemessungsgrundlage haben, damit keine Sonder-
tatbestände entstehen. Zu sagen: „Wir haben eine nied-
rige Steuerquote; Schluss, aus, Ende!“, das ist doch völ-
lig falsch und widersprüchlich.

Das Steuerrecht umfasst mittlerweile mehr als
100 originäre Steuergesetze. Daneben gibt es eine nicht
bezifferbare Anzahl von Gesetzen, die neben ihrem au-
ßersteuerlichen Inhalt steuerliche Vorschriften enthalten.
Hinzu kommen 96 000 Verwaltungsvorschriften und al-
lein 5 000 BMF-Schreiben zur näheren Auslegung die-
ser Gesetze.


(Horst Schild [SPD]: Das machen Sie jetzt auf einem Bierdeckel!)


Das Einkommensteuergesetz umfasst gegenwärtig nicht
weniger als 182 Paragraphen. Es gibt immer wieder neue
Rekorde: Das Altersvermögensgesetz, Stichwort Riester-
Rente, hat einen Zuwachs von 21 Paragraphen im Ein-
kommensteuerrecht mit sich gebracht. Daran sieht man:
In dieser Form kann es nicht weitergehen; es muss zu ei-
ner konstruktiven, neuen Steuerstrukturreform kommen,
und zwar möglichst schnell, weil unsere Betriebe und un-
sere Arbeitsplätze – letzten Endes wir alle – aufgrund von
Wachstumseinbrüchen, aufgrund einer geringeren volks-
wirtschaftlichen Dynamik und wegen der fehlenden Re-
formfähigkeit Schaden erleiden.

Der Kollege Merz von der CDU, Herr Professor
Faltlhauser von der CSU und Professor Kirchhof haben
gut vergleichbare Steuerkonzepte vorgelegt. Mittler-
weile hat auch die FDP einen entsprechenden Gesetzent-
wurf eingebracht. Nur die Bundesregierung, die in dieser
Angelegenheit eigentlich federführend sein sollte, hat
nichts vorgelegt. Dazu kann man nur sagen: Standortver-
besserung – Fehlanzeige! Das macht die Reform-
unfähigkeit von Rot-Grün deutlich. Nach den bisheri-
gen Reden von Herrn Eichel gilt anscheinend wieder das
alte Motto: Umverteilen, bremsen und blockieren. Darin
hat man sich in der Vergangenheit geübt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn man nur mit sich selbst beschäftigt ist, kann
man natürlich keine Reformfähigkeit beweisen. Reform-
unfähigkeit ist genau das, was unser Land nicht braucht.
Nirgendwo wird der Reformwirrwarr der Koalition
sichtbarer als in der Steuerpolitik. Ich möchte einmal ei-
nige Beispiele aufzeigen.

Der Bundeskanzler verspricht großspurig mehr Inno-
vationen, mehr Wachstum und mehr Beschäftigung.
Gleichzeitig will Herr Müntefering aber eine Ausbil-
dungsabgabe, eine Erbschaftsteuererhöhung und die
Wiedereinführung der Vermögensteuer.


(Joachim Poß [SPD]: Wo steht das? Sie haben sicherlich die Quelle!)


Das passt nicht zusammen. Das ist Wachstums- und In-
novationsvernichtung. Herr Poß, vielleicht kommt Ihnen
ein solcher Linksruck entgegen.

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(C (D Herr Clement kündigt stärkere Förderungen des Wirtchaftsstandortes an. Gleichzeitig will Herr Eichel eine leistungshemmende – Substanzbesteuerung in das teuerrecht einfügen, zum Beispiel durch die Revitaliierung der Gewerbesteuer. Gott sei Dank haben wir das erhindert. Das wäre nämlich ein Kahlschlag für den irtschaftsstandort. Ich erinnere auch an das – dieser im Vermittlungsver ahren erzielte Kompromiss ist eigentlich eine Zumuung –, was mit der Gesellschafterfremdfinanzierung assiert ist: Zinsen sind als Kosten der Betriebe nicht ehr abzugsfähig. Das kostet Arbeitsplätze. Ihre Steuerolitik, meine Damen und Herren, ist in sich widerprüchlich; das kann in der Zukunft nicht mehr so bleien, weil wir alle die Zeche dafür bezahlen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Hermann Otto Solms [FDP])


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ehe Herr Eichel jetzt sofort wieder auf die Vertei-
ungswirkungen abhebt, muss man deutlich machen,
ass eine radikale Steuerreform natürlich letzten Endes
ine Nettoentlastung für alle Bürgerinnen und Bürger
it sich bringen muss. Wer sofort wieder eine Neidkam-
agne bezüglich der Lage von Arbeitnehmern und Ar-
eitgebern anfängt, wird das deutsche Steuerrecht nie
ntrümpeln können. Er wird nämlich immer auf der je-
eils falschen Seite stehen. Der Grundsatz muss viel-
ehr lauten: Sozial ist, was Arbeitsplätze schafft. Hier-
ür brauchen wir eine Nettoentlastung für alle, die
infach nur über eine Steuerstrukturreform erreicht wer-
en kann. Immer wieder Neid in der Gesellschaft schü-
en ist der völlig falsche Weg.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es braucht einen entschlossenen Reformkurs. Die Re-

ormunfähigkeit ist der Dieb unserer Zukunft. Wer nur
uf einen Aufschwung von außen wartet, kommt unver-
ehens ins Abseits, insbesondere dann, wenn sich auf-
rund der EU-Osterweiterung der Wettbewerb in unse-
em Land verschärfen wird.
Es ist natürlich ein Unding, wenn der Staat heute von

er Summe aller Bruttoeinkommen, die in Deutschland
erdient werden, bereits mehr als die Hälfte, nämlich ge-
au 57 Prozent, für seine Zwecke absorbiert. Ich hebe
ierbei natürlich auf die Gesamtbelastung ab; es ist nicht
ur die Steuerquote zu betrachten. In Bezug auf die
esamtbelastung liegen wir auf dem letzten Platz in
er Europäischen Union.


(Hans Eichel, Bundesminister: Unsinn! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wenn du noch einmal rufst, kriegst du eine Rüge!)


as ist die Wahrheit. Darin liegt letzten Endes auch ein
rund, warum nicht mehr Arbeitsplätze entstehen.
Lassen Sie mich auf die Steuerreformkonzepte von
DU/CSU und FDP eingehen. Man könnte jetzt ein ech-
es Benchmarking bezüglich der Effekte auf Wachstum
nd Beschäftigung machen. Ein Wettbewerb um die bes-
ere Reform des Steuerrechtes ist ein Hoffnungsträger






(A) )



(B) )


Hans Michelbach

für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Zwischen
CDU und CSU wird es im März zu einer Einigung kom-
men. Dann wird ein klares Konzept vorgelegt werden,


(Joachim Poß [SPD]: Welches Konzept denn? – Jörg-Otto Spiller [SPD]: Geheimkonzept!)


das viele Gemeinsamkeiten mit dem Gesetzentwurf der
FDP aufweist. Wir werden dann sehen, was die Bundes-
regierung und die Koalitionsfraktionen dazu sagen wer-
den.

Die zielführenden Gemeinsamkeiten lauten: radikale
Vereinfachung und Senkung der Steuersätze, völlige
Neufassung des Einkommensteuergesetzes, grundsätzli-
che Orientierung am Prinzip der Besteuerung nach der
Leistungsfähigkeit, lückenlose Erfassung und Besteue-
rung des Markteinkommens und Erhaltung des Netto-
prinzips, Berücksichtigung des Familienstandes, rechts-
formneutrale Unternehmensbesteuerung, einheitliche
Besteuerung der Kapitaleinkünfte


(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])


und – was auch wichtig ist – Abschaffung der Gewerbe-
steuer. Das sind eindeutige Gemeinsamkeiten, die auf-
zeigen, von welcher Seite verlässliche Reformen für die
Steuerpolitik in Deutschland kommen: CDU/CSU und
FDP. Das muss hier deutlich gesagt werden, meine Da-
men und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Ute Kumpf [SPD]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)


Natürlich gibt es auch unterschiedliche Vorstellungen:
So ist ein Kompromiss zwischen Verfechtern des
Stufentarifs und Verfechtern des linear-progressiven
Tarifs nötig. Dass das BMF Schwierigkeiten mit dem
linear-progressiven Tarif hat, wird schon an dessen Inter-
netseite deutlich. Hier steht kein funktionierendes Re-
chenmodul zur Verfügung, mit dem die Leute ausrech-
nen könnten, was ihnen letztendlich abgenommen wird.
Vor diesem Hintergrund bietet sich der Stufentarif an,
der wesentlich einfacher und leichter zu kommunizieren
ist. Die CDU/CSU wird in dieser Frage auch Kompro-
missfähigkeit zeigen. Die Steuerschuld ist dann zwar auf
einem Bierdeckel auszurechnen, aber für die Steuer-
erklärung wird schon eine Seite nötig sein; das hat der
Kollege Solms ja hier auch dargestellt.

Mir ist es noch wichtig darzustellen, dass neben der
Tariffrage auch die Frage der so genannten kalten Pro-
gression in der Diskussion eine Rolle spielen muss. Wir
müssen auch über einen „Tarif auf Rädern“ zur Bekämp-
fung der so genannten kalten Progression diskutieren.
Durch eine regelmäßige Anpassung der Einkommens-
grenzen müssen wir letzten Endes der allgemeinen Preis-
entwicklung Rechnung tragen.

Das gilt auch für das Existenzminimum. Der persönli-
che Grundfreibetrag von circa 8 000 Euro ist insbeson-
dere vor dem Hintergrund verfassungsrechtlicher Vorga-
ben richtig und notwendig. Zum Ausgleich der so
genannten kalten Progression sollte aber auch der
Grundfreibetrag – ebenso wie alle anderen Freibe-

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(C (D räge – in regelmäßigen Abständen der Preisentwickung angepasst werden. Wir haben das Problem, dass es reibeträge gibt, die 20 Jahre oder länger nicht mehr anepasst wurden. Das ist Betrug am Steuerzahler. (Joachim Poß [SPD]: Welche Betrüger waren das denn?)


ei den Freibeträgen, die vor 20 Jahren entstanden sind,
uss berücksichtigt werden, dass sich im Laufe der Zeit
iniges verändert hat. Allein das ist ein Argument für
ine neue Steuerreform.
Auch bei den Einkunftsarten haben wir eine Ge-
einsamkeit. Eine Abkehr von der steuerlichen Tren-
ung in sieben Einkunftsarten ist zu begrüßen. Denn die
nterscheidung zwischen Einkünften aus Gewerbe-
etrieb, Land- und Forstwirtschaft und freiberuflicher
ätigkeit ist nur historisch bedingt und führt zu einer un-
ötigen Verkomplizierung. Hier liegt ein echter Verein-
achungsgewinn.
Ebenso haben wir Gemeinsamkeiten bei der Verlust-

echnung, den steuerfreien Einnahmen, den Veräuße-
ungsgewinnen, der Besteuerung von Vorsorgeaufwen-
ungen und den Kapitaleinkünften. Es ist notwendig,
ass wir den Kommunen durch den Wegfall der Gewer-
esteuer und eine Beteiligung an der Körperschaft-, Ein-
ommen- und Umsatzsteuer eine neue Chance eröffnen.
uch bei der Erbschaftsteuer müssen wir einen Weg fin-
en. Die Erbschaftsteuer gehört mit in ein zielführendes
eformpaket, weil wir unsere Betriebe erhalten müssen;
ir dürfen sie nicht immer mehr besteuern und dadurch
ernichten.
Darum geht es, meine Damen und Herren. Dagegen

st alles, was vom Bundesfinanzminister hier gesagt
urde, nur ein alter Ladenhüter, den unsere Bürger nicht
ehr sehen wollen. Sie können es einfach nicht; deshalb
eben Sie den Wählerauftrag zurück! Deutschland
raucht eine neue Steuerpolitik, damit es aufwärts geht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509104000

Der Kollege Pinkwart hat sich bei der Rede der Kolle-

in Scheel zu einer Kurzintervention gemeldet. Ich habe
as übersehen. Herr Kollege Pinkwart, ich gebe Ihnen
etzt das Wort.


Prof. Dr. Andreas Pinkwart (FDP):
Rede ID: ID1509104100

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Scheel, es ist

igentlich sehr bedauerlich, dass Sie sich als Vorsitzende
es Finanzausschusses vergleichsweise unsachlich
wenn ich das als Mitglied des Finanzausschusses so
agen darf – zu dem vorliegenden Gesetzentwurf geäu-
ert haben. Sie haben meine Fraktion in drei Punkten
ehr massiv angesprochen und dazu möchte ich hier
tellung nehmen.
Erstens haben Sie von der Blockade von Steuerre-

ormen gesprochen. Ich möchte Sie noch einmal aus-
rücklich darauf hinweisen, dass Sie es mit Ihren von
ot-Grün geführten Landesregierungen waren, die unter






(A) )



(B) )


Dr. Andreas Pinkwart

Federführung von Herrn Lafontaine 1997 eine der
grundlegenden Steuerreformen verhindert haben,


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war vor sechs Jahren!)


die schon jetzt einen Tarif von 15 bis 39 Prozent ge-
bracht hätte. Dafür tragen Sie Mitverantwortung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie haben das Land Rheinland-Pfalz angesprochen.

Das Land Rheinland-Pfalz war es, das die Steuerreform,
die Sie mit eingebracht haben, dank der FDP im Bundes-
rat möglich gemacht hat, was zeigt, dass gerade die FDP
jedem vernünftigen Versuch, in Sachen Steuervereinfa-
chung, Steuerklarheit und niedrigere Steuern in Deutsch-
land weiterzukommen, den Weg ebnet, egal von welcher
Fraktion, von welcher Partei Vorschläge kommen. Wich-
tig ist, dass das Ziel stimmt.

Die FDP hat – das möchte ich hier ausdrücklich beto-
nen – auch im Vermittlungsverfahren im Dezember letz-
ten Jahres dazu beigetragen,


(Joachim Poß [SPD]: Hätten Sie doch eine Rede gehalten! Warum hat der Solms Ihnen keine Redezeit gegeben?)


dass es zu vernünftigen Ergebnissen gekommen ist.
Auch das hätte von Ihnen hier angesprochen werden
müssen.

Im Übrigen haben Sie deutlich gemacht, dass wir in
Anbetracht der konjunkturellen Rahmenbedingungen
keine Steuererhöhungen brauchen, vor allen Dingen im
Unternehmenssektor nicht. Deswegen war es so wichtig,
dass es im Vermittlungsverfahren gelungen ist, die von
Ihnen, Frau Scheel, maßgeblich mitzuverantwortende
Erhöhung der Gewerbesteuer für die mittelständische
Wirtschaft abzulehnen.

Sie haben in einem zweiten Punkt über die Steinkoh-
lesubventionen gesprochen. Es ist tatsächlich richtig:
Dank des Handelns der FDP zu ihrer Regierungszeit ist
es möglich geworden, dass die Steinkohlesubventionen
jetzt einen degressiven Verlauf nehmen.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat sie aufgebaut?)


Das ist, wie gesagt, erst durch uns möglich geworden.

(Beifall bei der FDP – Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wirklich sehr witzig!)


Es war Ihr damaliger Fraktionsvorsitzender Joschka
Fischer, der mit Herrn Lafontaine die Demonstrationen
in Bonn angeführt hat und gegen einen Abbau der Stein-
kohlesubventionen zu Felde gezogen ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Frau Scheel, jetzt hat Ihre Fraktion die einmalige his-

torische Chance, dazu beizutragen, dass die Steinkohle-
subventionen nicht noch weiter verlängert werden. Das
könnten Sie im Deutschen Bundestag und ebenfalls in
Nordrhein-Westfalen, wo Sie mitregieren, durchsetzen.

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(C (D arum tun Sie nicht das, was Sie hier von anderen einordern? (Joachim Poß [SPD]: Er hat eine vorbereitete Rede als Kurzintervention!)


Frau Scheel, Sie haben drittens die Klientelpolitik
ngesprochen.


(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Sie haben eine Zeile ausgelassen!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509104200

Herr Kollege, Sie haben nur drei Minuten Redezeit.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart (FDP):
Rede ID: ID1509104300

Das ist meine letzte Bemerkung. – Sie haben in die-

em Zusammenhang das Land Rheinland-Pfalz genannt.
ch bitte Sie herzlich, doch einmal mit Ihrer Kollegin aus
ordrhein-Westfalen, Frau Höhn, zu sprechen. Dort
önnte man viele Klientelprogramme der Grünen kür-
en. Stattdessen wird dort eine weitere Steuer, die Was-
ersteuer, eingeführt, um Klientelprogramme am Lau-
en zu halten.


(Beifall bei der FDP)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509104400

Frau Kollegin Scheel, bitte.

Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509104500

Herr Professor Pinkwart, die Blockade, von der ich

esprochen habe, hat sich auf ganz konkrete Sachver-
alte hinsichtlich des Vermittlungsverfahrens im Dezem-
er bezogen. Der Gesetzentwurf von Rot-Grün, den wir
m Deutschen Bundestag verabschiedet hatten, fand im
undesrat keine Zustimmung. Deshalb haben wir im
ermittlungsverfahren mühsam versucht, die Subven-
ionen, die wir vorher teilweise zu 100 Prozent streichen
ollten, wenigstens um 50 Prozent zu streichen. Aber
uch das war Ihnen schon zu viel. Genau das ist das Pro-
lem gewesen.
Sie sprechen immer die Petersberger Beschlüsse an.

ch möchte darauf hinweisen, dass diese Beschlüsse ei-
en Eingangssteuersatz von 15 Prozent und einen Spit-
ensteuersatz von 39 Prozent vorsahen. Unser Gesetz
ieht einen Steuertarif – er tritt nächstes Jahr in Kraft;
enn es nach uns gegangen wäre, dann gäbe es diesen
arif schon dieses Jahr, aber das haben Sie nicht mitge-
ragen – mit einem Eingangssteuersatz von 15 Prozent
nd einem Spitzensteuersatz von 42 Prozent vor.


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Sieben Jahre verloren!)


ch frage Sie: Ist es wirklich so tragisch, einen Spitzen-
teuersatz von 42 Prozent ab einem Einkommen von
und 52 000 Euro zu haben? Wäre es für die Wirtschaft
irklich besser, wenn der Spitzensteuersatz in der von
hnen vorgeschlagenen Höhe schon ab einem Einkom-
en von 40 000 Euro greifen würde? Ich glaube, das,
as wir vorgeschlagen haben, ist im Hinblick auf die
eistungsfähigkeit auf alle Fälle der bessere Weg.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)







(A) )



(B) )


Christine Scheel

Zweiter Punkt. Wenn das, was Sie da machen, so gut

ist – Sie haben Ihre Regierungsbeteiligungen, auch die in
Rheinland-Pfalz, angesprochen –, dann muss ich fragen:
Warum reicht das Land Rheinland-Pfalz den Gesetzent-
wurf der FDP eigentlich nicht im Bundesrat ein? Wa-
rum reicht Baden-Württemberg den Gesetzentwurf der
FDP nicht im Bundesrat ein? Sie tun es nicht, weil diese
Länder wissen, dass die Finanzierung nicht steht, und
weil sie wissen, welche finanziellen Probleme auf sie zu-
kommen. Was Sie hier über die Zustimmung zu Ihrem
Gesetz sagen, ist Prosa. Schauen Sie zu, dass Ihre Lan-
desregierungen im Bundesrat eine Mehrheit für Ihren
Gesetzentwurf bekommen! Ich kenne allerdings kein
einziges Bundesland, das den Gesetzentwurf der FDP
unterstützt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dritter Punkt. Ich möchte kurz noch etwas zur Stein-
kohle sagen. Es ist schon toll, Herr Professor Pinkwart:
Erst schrauben Sie die Subventionen auf ein hohes Ni-
veau und dann sind Sie auf einen Vertrag stolz, mit dem
sie ein bisschen abgebaut werden.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir haben damals gekürzt!)


Wer die Subventionen hochgeschraubt hat – ich habe
schon gesagt: Sie haben 29 Jahre mitregiert –, war die
FDP. Ich muss sagen, dass es nicht besonders mutig ist,
eine Subvention, die man hochgeschraubt hat, ein Stück
zurückzufahren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509104600

Nächster Redner ist der Kollege Joachim Poß, SPD-

Fraktion.


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1509104700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir

sollten jetzt von der Propaganda wieder in die Wirklich-
keit dieses Landes eintauchen


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Das muss gerade der Poß sagen!)


und sollten nicht versuchen, die Bürgerinnen und Bürger
systematisch zu täuschen, wie das in den Beiträgen der
Opposition geschehen ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Michelbach, wenn Sie von Betrügereien am
Steuerbürger sprechen, dann müssen Sie auch erwähnen,
dass zu Ihrer Regierungszeit das Verfassungsgericht
mehrfach geurteilt hat,


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben Petersberg blockiert!)


dass Sie den Steuerbürgern, den Erwachsenen und den
Kindern, das steuerfreie Existenzminimum vorenthal-

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(C (D en haben. Wir haben in der Opposition Druck gemacht, ass das steuerfreie Existenzminimum angehoben wird. (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Blockiert haben Sie den Petersberg-Entwurf!)


Hören Sie zu! Sie können nicht durch Schreien die
akten übertünchen. – Zu Ihrer Regierungszeit hatten
ir einen Grundfreibetrag unter 13 000 DM. Wir haben
tzt einen Grundfreibetrag von 7 664 Euro. Das ist die
irklichkeit; das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben ebenso wie die FDP getäuscht. Das hat die
DP, haben dieser famose Herr Solms und diejenigen,
ie jetzt das große Wort führen – Herr Pinkwart war zu
ieser Zeit noch nicht im Bundestag –, genauso mit zu
ertreten.
Sie wollen jetzt folgende Arbeitsteilung: Sie zeigen

er Bevölkerung die schönen neuen Steuertarife und die
olitische Schwerstarbeit der Finanzierung soll die
oalition machen. Auf diese Arbeitsteilung lassen wir
ns nun wahrlich nicht ein; das haben wir nicht nötig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Oberunfug ist das! – Elke Wülfing [CDU/CSU]: Wenn Sie Ihre Arbeit wenigstens machen würden, dann wäre es nicht so schlimm!)


Wir haben eine Erfolgsstory vorzuweisen. Wir entlas-
n die Bürgerinnen und Bürger um 60 Milliarden Euro.
as steuerfreie Existenzminimum habe ich ja schon
rwähnt. Zudem haben wir im nächsten Jahr einen
ingangssteuersatz von 15 Prozent. Zu Ihrer Verant-
ortungszeit betrug er 25,9 Prozent. Sie haben die Bür-
erinnen und Bürger leistungsfeindlich hoch besteuert.
ir haben das Umgekehrte gemacht.


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Petersberg!)

ei uns lohnt sich Leistung wieder. Das ist die Wahrheit
nd nichts anderes.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Durch Blockade haben Sie das gemacht! Blockade von Petersberg!)


Das sind die Fakten, meine Damen und Herren. Sie
achen Propaganda. Wenn ich manchmal sehe, wie Herr
esterwelle im Fernsehen über die Steuerpolitik redet,
ann kommt es mir vor, als spräche ein Blinder über
arbe. Es ist erschreckend, auf welchem Niveau sich die
olitische Auseinandersetzung abspielt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben zudem den Spitzensteuersatz von 53 auf
2 Prozent heruntergebracht.
Es gab in diesem Zusammenhang im letzten Dezem-

er ein Vermittlungsverfahren. Einige von Ihnen hier






(A) )



(B) )


Joachim Poß

waren Zeugen, zum Beispiel Herr Michelbach und Herr
Meister, der jetzt leider nicht mehr anwesend sein kann.
Wer hat beim Abbau von Steuersubventionen ge-
bremst? Die CDU und die CSU noch schlimmer.

Herr Michelbach, ich verstehe gar nicht, dass Sie jetzt
dem Herrn Stoiber so in den Rücken fallen, indem Sie
das FDP-Konzept bzw. die CDU-Vorstellungen loben.
Herr Stoiber und Herr Faltlhauser haben deutlich ge-
macht, was sie davon halten. Herr Faltlhauser hat schrift-
lich gefordert: Weg mit dem Stufentarif! Er hat einen le-
senswerten Artikel darüber verfasst. Herr Faltlhauser hat
gesagt, dass diese Vorstellungen nicht mit einem sozia-
len Rechtsstaat vereinbar seien und dass die Besteuerung
nach der wirtschaftlichen Leistungskraft ausgehöhlt
werde. Warum sagen Sie das nicht im Namen der CSU
im Deutschen Bundestag? Das wäre doch erwähnens-
wert gewesen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509104800

Herr Kollege Poß, ich will Ihnen einmal die Gelegen-

heit geben, Luft zu holen. Der Herr Kollege Westerwelle
möchte eine Zwischenfrage stellen.


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1509104900

Aber gerne.

Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1509105000

Herr Kollege, zunächst einmal meinen kollegialen

Respekt dafür, dass Sie fünf Minuten sprechen können,
ohne einmal einzuatmen.


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1509105100

Langes Training.

Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1509105200

Das sollte über die Parteigrenzen hinweg hohe Aner-

kennung genießen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Da Sie augenscheinlich, wie Sie in Ihrer Rede zum

Ausdruck bringen, meine Fernsehauftritte genauestens
verfolgen –


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1509105300

Gelegentlich.

Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1509105400

– das unterstütze ich –


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


und da Sie, wie Sie es gerade getan haben, das Niveau
unserer steuerpolitischen Beiträge bestreiten, möchte ich
Sie fragen: Ist Ihnen bekannt, dass immerhin der Präsi-
dent des Deutschen Industrie- und Handelskammer-
tages am heutigen Tage in der „Neuen Osnabrücker Zei-

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(C (D ung“ alle Parteien aufgefordert hat, sich dem Entwurf ines Gesetzes für ein vereinfachtes Steuerrecht der reien Demokraten anzuschließen? (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Oh!)


Es ist übrigens spannend, dass Sie nach der Agenda-
010-Diskussion schon bei dem Wort „Deutscher Indus-
rie- und Handelskammertag“ so reagieren. Sehr bemer-
enswert!


(Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)

Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der

räsident einer der am höchsten angesehenen Institutio-
en, die wir in Deutschland in der Wirtschaftspolitik ha-
en, erklärt hat, endlich einmal lege eine Partei einen
ntwurf vor, der ein einfaches und verständliches Steu-
rrecht wolle?


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1509105500

Herr Kollege Westerwelle, sind Sie denn bereit, dem

ublikum hier zu sagen, dass dieser Präsident FDP-Mit-
lied ist, und halten Sie angesichts dieses Umstandes
iese Aussage für verwunderlich?


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


as war typisch für Sie, was die Ernsthaftigkeit Ihrer
eiträge hier in diesem Parlament angeht. Mehr braucht
an dazu nicht zu sagen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509105600

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischen-

rage des Kollegen Westerwelle?


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1509105700

Ja, natürlich.


Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1509105800

Sind Sie denn bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass

iele vernünftige Leute in Deutschland FDP-Mitglied
ind?


(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)



Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1509105900

Herr Kollege Westerwelle, das ist eine Überzeugung,

ie Sie Gott sei Dank mit nicht so vielen Menschen in
ieser Republik teilen.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Wir haben so viele Mitglieder, wie ihr letztes Jahr verloren habt!)


Wir wissen ja auch um unsere Schwierigkeiten und
ollen nichts schönreden, Herr Kollege Solms.


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Das gibt die Sache auch nicht her, dass man da schönredet!)







(A) )



(B) )


Joachim Poß

Aber wir wollen doch einmal zu den Fakten kommen.

Wenn der Kollege Meister sagt, wir hätten verhindert,
dass die Kommunen weiter entlastet werden, dann war
dies eine glatte Lüge. Alle, die im Vermittlungsaus-
schuss dabei waren, wissen, dass Sie unseren Gewerbe-
steuerentwurf unterminiert haben. Wäre es nach uns ge-
gangen, wäre die Gewerbesteuer weiter gefestigt
worden. Die Kollegin Scheel hat Ihnen zu Recht vorge-
worfen, dass Sie überhaupt keine Antwort für die Kom-
munen haben. Sie machen kommunalfeindliche Politik,
meine Damen und Herren von CDU/CSU und FDP.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Das ist doch Unsinn!)


– Das ist die Wahrheit.

(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Wer hat denn die Kommunen belastet? Wer war das denn? Quatsch!)


Jetzt habe ich einige Klarstellungen vorgenommen,
was hier Realität und was Propaganda ist. Ich hoffe, dass
dies auch einmal beachtet wird. Allerdings muss man Ih-
nen zugestehen, dass Sie die Bürgerinnen und Bürger
mit beträchtlichem Geschick hinter die Fichte führen.

Nun komme ich zum Gesetzentwurf der FDP. Dazu
sagte der bayerische Ministerpräsident am 2. Februar
wörtlich:


(Er) besteht nur aus Grundsätzen, damit kann die

Steuerverwaltung nicht arbeiten.

Herr Michelbach, warum haben Sie hier nicht vorgetra-
gen, was er zu dieser Gesetzesvorlage gesagt hat? Herr
Stoiber hat Recht; denn eine radikale Steuervereinfa-
chung ist viel komplizierter, als viele Steuervereinfa-
chungsfanatiker uns glauben machen wollen. Sie haben
einen interessanten Paragraphen in Ihrem Entwurf. Ich
zitiere einmal § 4:

Anrufungsauskunft
Das zuständige Finanzamt … hat auf Anfrage eines
Steuerbürgers darüber Auskunft zu geben, wie in
seinem Fall die Vorschriften dieses Gesetzes anzu-
wenden sind.

So viel zur Klarheit Ihres Gesetzentwurfes und zur Qua-
lität Ihrer Arbeit.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Den Maßstab, den Herr Stoiber an das FDP-Konzept
gelegt hat, sollte man nicht nur an diesen Entwurf – hier
gebe ich Herrn Westerwelle Recht –, sondern auch an
andere Reformkonzepte legen, die unter der Überschrift
„Einfaches und überschaubares Steuersystem“ derzeit
diskutiert werden. Das Steuerrecht zu vereinfachen ist
das angebliche Ziel aller Entwürfe, die unter dieser
Überschrift kreisen. Das wirkliche, verschleierte Ziel all
dieser Konzepte ist jedoch eine Umverteilung der Steu-
erlast von oben nach unten. Dazu hat Herr Eichel Ihnen
eben ein Beispiel geliefert. Mit gewissen Abstrichen gilt
dies selbst für das bekannte CSU-Modell. Aber wir wer-
den einmal sehen, was nach dem 7. März von dem CDU-

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(C (D odell oder dem CSU-Modell übrig geblieben sein ird. Wir sind gespannt, ja, richtig närrisch auf diesen . März. Vor allem interessiert uns, wie aussagefähig die DU/CSU an diesem Tage sein wird. Ich sage es schon an dieser Stelle ganz deutlich und anz ruhig: Für eine unsoziale Steuerumverteilung sind ozialdemokraten nicht zu haben. Dies ändert sich auch icht. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Das ist ja immer die gleiche Neidkampagne!)


er nach einem einfachen und durchschaubaren Ein-
ommensteuerrecht ruft, dem werden wir immer wieder
wei Fragen vorhalten: Wer soll das bezahlen? Wie se-
en die Umverteilungswirkungen aus? Zu diesen Fragen
esteht auch Grund und Anlass. Wenn sich die Vertreter
ieser Besteuerungsmodelle dann auch einmal zu der Fi-
anzierung äußern, dann erst wird deutlich, wie sie sich
hr Gesamtkonzept wirklich vorstellen: Finanzierung
ber eine Erhöhung der Mehrwertsteuer – Herr Merz ist
n den letzten Tagen diesbezüglich erfrischend offen ge-
esen – oder über eine höhere Staatsverschuldung. Das
st die Konsequenz, die aber den Steuerbürgerinnen und
bürgern auch gesagt werden muss.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509106000

Herr Kollege Poß, gestatten Sie eine Zwischenfrage

es Kollegen Kalb?


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1509106100

Ja, gerne.


Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1509106200

Herr Kollege Dr. Poß – –


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1509106300

Ich bin kein Doktor, aber es schmeichelt mir, dass Sie
ich so ansprechen.


Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1509106400

Herr Kollege Poß, würden Sie mir bestätigen, dass
eine Erinnerung nicht trügt, dass Sie nach der Vorstel-
ung des CSU-Konzeptes sinngemäß gesagt haben, die-
es Konzept sei zumindest eine vernünftige Gesprächs-
rundlage?


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1509106500

Ich habe dazu gesagt, dass von den vorhandenen Kon-

epten das CSU-Konzept sicherlich dasjenige sei, auf
essen Grundlage man noch am ehesten miteinander re-
en könnte. Daran habe ich keine Abstriche zu machen;
ies habe ich vorhin auch so ähnlich zum Ausdruck ge-
racht. Ich habe nur festgestellt, dass Herr Michelbach
ie CSU-Vorstellungen hier in seiner Rede verschwiegen


(Zuruf von der SPD: Verschleiert!)

der verschleiert hat.






(A) )



(B) )


Joachim Poß


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Würden Sie bestätigen, dass der Kollege Michelbach nicht Sprecher der bayerischen Staatskanzlei ist?)


– Auch dies kann ich Ihnen bestätigen. Aber gerade bei
einer so straff geführten Kaderpartei wie der CSU erwar-
tet man doch eine Sprachregelung, die dazu führt, dass
sich Herr Michelbach dem anschließt, was Herr Stoiber
sagt.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Elke Wülfing [CDU/CSU]: Das muss die SPD gerade sagen!)


Die Grundfragen sind also: Wer soll das bezahlen?
Wie sehen die Umverteilungswirkungen aus? Solange
Sie diese Fragen nicht beantworten, täuschen Sie die
Bürgerinnen und Bürger. Wir machen diese Täuschung
nicht mit, meine Damen und Herren.


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Ihr macht nicht nur nicht mit, ihr macht überhaupt nichts!)


Die Einkommensteuer ist das Instrument, mit dem
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit am besten erfasst
werden kann. Nach diesem Prinzip der Leistungsfähig-
keit muss auch Umverteilung erfolgen. Mit den von uns
bislang beschlossenen Steuersenkungen ist der Spiel-
raum des finanziell Machbaren ausgeschöpft. Was wir an
finanziellem Spielraum noch haben, müssen wir einset-
zen, um die wirklichen Schwächen des Standortes zu be-
kämpfen. Wir haben Innovationsschwächen; um sie zu
beseitigen, brauchen Bund und Länder Geld. Dafür müs-
sen wir das Geld ausgeben. Das ist die Alternative, die
wir deutlich machen wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zur Gerechtigkeitsfrage. Natürlich schmerzen die
SPD die Umfragezahlen und die Debatte, die wir aushal-
ten müssen. Das ist doch gar keine Frage. Aber, Herr
Michelbach, wir haben durchgesetzt, dass Einkom-
mensmillionäre wieder Einkommensteuer zahlen. In der
Zeit Ihrer Regierungsverantwortung in den 90er-Jahren
– da haben wir einschlägige Zahlen – war das kaum noch
der Fall. Sie hatten solche Gestaltungsmodelle, dass sie
sich der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leis-
tungsfähigkeit entziehen konnten. Wir haben in den letz-
ten Jahren wesentlich mehr Steuergerechtigkeit durchge-
setzt. Das gilt für die Grünen und für die SPD. Darauf
sind wir stolz.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Alle geflüchtet!)


Steuerliche Gerechtigkeit und die Berücksichtigung
der Finanzierbarkeit von Konzepten sind zwingende
Leitlinien jeder Steuerreform. Daran muss sich jedes
Modell messen lassen.

Es ist zudem irrational, im Zentrum der wirtschafts-
politischen Diskussion eine Steuerdebatte zu führen. Die

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(C (D olkswirtschaftliche Steuerquote – der Herr Minister hat esagt: 20,7 oder 20,9 Prozent – ist nicht unser Problem. ir haben andere Schwächen. (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Genügend! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das Schlimmste an dieser Bundesregierung ist ihre Schwäche!)


arauf sollten wir uns konzentrieren. Die Steuerfrage ist
ngesichts der historisch niedrigen Steuerquote in
eutschland überhaupt nicht relevant, wenn es um mehr
achstum und Beschäftigung geht. Herr Michelbach,
usätzliche Steuerentlastungen würden bedeuten, dass
ichtige öffentliche Mittel für mehr Innovation und
achstum fehlen würden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das wird auch durch die Wiederholung nicht richtiger!)

Das muss sich einmal setzen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Setzen! Sechs!)

Auch die Zahlen müssen sich setzen. Das FDP-
onzept kommt im ersten Jahr auf Steuerminder-
innahmen von 20,3 Milliarden Euro, im Jahr der vol-
en Wirksamkeit sogar auf fast 30 Milliarden Euro. Al-
ein diese Zahlen verdeutlichen: Hier sind Fantasten am
erk, die den Bürgern eine Welt vorgaukeln wollen, die
it der finanzpolitischen Wirklichkeit nichts zu tun hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Wer hat denn das gerechnet?)


Frau Merkel hat den CDU-Parteitag mit dem hochge-
ubelten Drei- oder Vierstufentarif getäuscht. Das sind
arife ohne Substanz. Tarife aufs Papier zu malen fällt
ns allen nicht schwer. Das verlangt keine große Kreati-
ität. Aber das gegenzufinanzieren ist in der Tat die
chwierigkeit.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509106600

Herr Kollege Poß, gestatten Sie eine Zwischenfrage

es Kollegen Solms?


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1509106700

Ja, natürlich.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1509106800

Herr Kollege Poß, mich würde interessieren, wie Sie

uf solche Zahlen kommen. Es gibt bis jetzt keine
bschließenden Berechnungen. Der Herr Bundesfinanz-
inister hat mir gerade selber gesagt, dass das Bundes-
inanzministerium in Zusammenarbeit mit den Landesfi-
anzministerien dabei ist, die verschiedenen Vorschläge
u berechnen.


(Hans Eichel, Bundesminister: 20 Milliarden Euro!)


Er hat „20 Milliarden Euro“ gesagt; Sie redeten eben
on 30 Milliarden Euro. Das ist ein gewaltiger Unter-
chied.






(A) )



(B) )



Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1509106900

Ja, im Jahr der vollen Wirksamkeit.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1509107000

Ich habe die Information, dass das bayerische Finanz-

ministerium bei dem FDP-Entwurf auf 14,5 Milliarden
Euro gekommen sei. Auch das kann ich nicht bestätigen.
Wir haben selbst gesagt: Die Entlastung wird etwa zwi-
schen 15 und 20 Milliarden Euro liegen. Es gibt über-
haupt keinen Grund dafür, dass Sie jetzt die Beträge in
die Höhe treiben.


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1509107100

Die Berechnungen des Finanzministeriums, die mir

bekannt sind, gehen bei Ihrem Konzept – ich wiederhole
das – im ersten Jahr von Steuermindereinnahmen von
20,3 Milliarden Euro aus, im Jahr der vollen Wirksam-
keit von fast 30 Milliarden Euro. Das sind die Zahlen,
die mir bekannt sind. Ich bin davon ausgegangen, dass
das – bei allen Schwierigkeiten, die wir kennen, ganz ge-
naue Beträge zu ermitteln – eine seriöse Schätzung ist.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

Sie haben einen Entwurf vorgelegt, der viel verschlei-

ert. Sie haben bewusst die ausdrückliche Nennung all
der Steuerausnahmetatbestände, die Sie streichen wol-
len, ausgespart, weil Sie den Zorn der Wählerinnen und
Wähler fürchteten.

Das gilt auch für die CDU. Dort einen Bierdeckel
hoch zu halten, der für die Steuererklärung genügen soll,
und so zu tun, als hätten Sie den Stein der Steuerweisen
entdeckt, hat mir Seriosität nichts zu tun. Das war ein
politischer Rohrkrepierer.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Es ging um die Steuerschuld, nicht um die Steuererklärung!)


Obwohl die CDU nur Leitsätze vorlegt, kann man ge-
nauere Zahlen berechnen. Die Schätzer sagen, dass das
Merz-Modell im ersten Jahr zu Ausfällen von 31,5 Mil-
liarden Euro führen würde. Dazu kommen noch die
18 Milliarden Euro für die Kinderkomponente, die auf
dem Parteitag beschlossen wurde, und die ungeklärte
Frage, wie die von der Herzog-Kommission vorgeschla-
gene Kopfpauschale mit Steuermitteln überhaupt erst
sozial erträglich ausgestaltet werden soll. Das hat die
CSU, namentlich der Kollege Glos, der an dieser De-
batte nicht teilnimmt, als nicht finanzierbar und nicht so-
zial gerecht bezeichnet, was Sie, Herr Michelbach, nicht
vorgetragen haben. Das CDU-Konzept geht nur auf,
wenn Sie die Mehrwertsteuer um vier oder fünf Punkte
erhöhen. Seien Sie doch so ehrlich und sagen Sie den
Bürgerinnen und Bürgern das! Das ist die Konsequenz
Ihrer Vorstellungen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. HansPeter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Sie können nur Steuern erhöhen! Das ist das Einzige, was Sie können!)


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(C (D Alle so genannten Einfachsteuermodelle, auch das er FDP, sind sozial ungerecht. Ihr eindeutiges Ziel ist ie Senkung der Steuerlast von Spitzenverdienern. Der pitzensteuersatz würde dann auch für Normalverdiener it einem Jahreseinkommen von 40 000 Euro gelten, soohl für Arbeitnehmer als auch für Manager. Dazu sagt ie CSU: Wir wollen den Trend brechen, dass schon ürger, die nur etwas mehr als der Durchschnitt verdieen, mit dem höchsten Steuersatz belastet werden; denn as ist leistungsfeindlich. In diesem Punkt hat die CSU echt. Aber setzen Sie Ihre Vorstellungen bitte auch um! Wir machen eine solche leistungsfeindliche Gesetzge ung hier im Deutschen Bundestag nicht mit. Das weren wir den Bürgerinnen und Bürgern auch noch nachaltiger, als es bisher geschehen ist, verdeutlichen. Was ie wollen, ist eine Umverteilung von oben nach unten; ir wollen das nicht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sagen Sie den Leuten doch, dass Sie die Übungslei-
erpauschale, die Steuerfreiheit von Feiertags-, Nacht-
nd Schichtzuschlägen, den Sparerfreibetrag und vieles
ehr, was insbesondere Arbeitnehmer betrifft, streichen
ollen. Gerade vonseiten der FDP bzw. von Herrn
esterwelle wird immer so getan, als habe die Wettbe-
erbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft etwas mit der
eibehaltung der Entfernungspauschale zu tun. Das ist
ählertäuschung oder aber Sie wissen es nicht besser,
eil Ihre ökonomischen Kenntnisse nicht ausreichen,
err Westerwelle.


(Zuruf von der SPD: Alles zusammen!)

an muss es deutlich sagen: Diese Subventionen, die
ir abgebaut haben und weiter abbauen wollen, haben
it der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft
ichts zu tun.
Auch bei der Vereinfachung des Steuerverfahrens-

echts sind wir ein gutes Stück weitergekommen. Lesen
ie einmal im Steueränderungsgesetz nach, was hier mit
ehrheit beschlossen wurde! Das müssen die Länder
und zwar alle Länder, auch die CDU-geführten – jetzt
msetzen. Wir können Millionen von Arbeitnehmern
chon in diesem und im nächsten Jahr mit einer verein-
achten Steuererklärung helfen. Hier sind Ihre Taten ge-
ordert. Aber Sie sollten den Leuten keine Versprechen
achen und populistische Bierdeckelfantasien entwi-
keln.
Meine Damen und Herren, die SPD steht für die Be-

teuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
nd nicht für eine Umverteilung der Steuerlast von oben
ach unten unter dem Deckmantel der Steuervereinfa-
hung. Das ist auch gerecht. Die SPD steht für die Fi-
anzierungsfähigkeit des Staates und nicht für Steuerge-
chenke, die die öffentlichen Kassen noch leerer
achen, als sie es ohnehin schon sind, und eine künftige
elastung unserer Kinder bedeuten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509107200

Ich erteile der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch das Wort.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1509107300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Die FDP will sich wieder einmal als Steuersen-
kungspartei profilieren.


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Gut! Das haben Sie richtig erkannt!)


Ihr Pech ist, dass Sie sich zwar mit allen etablierten Par-
teien in einen Wettbewerb um neue Steuersenkungskon-
zepte begeben haben, dass Sie im Augenblick aber kaum
wahrgenommen werden.


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Aber nicht mit Ihnen!)


– Nicht mit uns, das ist richtig. Sie greifen meinem
nächsten Satz schon vor; denn wir als PDS nehmen an
diesem ruinösen Wettbewerb nicht teil.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Manchmal hat man ja den Eindruck, man müsse erst

einmal erklären, warum Steuern überhaupt erhoben wer-
den. Wir brauchen Steuereinnahmen zum Beispiel, um
Krankenhäuser, Schulen, Schwimmbäder und Straßen zu
erhalten und zu bauen und um Lehrer, Wissenschaftler
und Polizisten zu bezahlen. Wer die Steuern aber unent-
wegt senken will, der muss den Menschen auch sagen,
worauf sie im öffentlichen Leben verzichten sollen.

Das FDP-Steuermodell hätte massive Steuerausfälle
für Bund, Länder und Gemeinden in insgesamt zweistel-
liger Milliardenhöhe zur Folge; das ist hier schon ange-
sprochen worden. Die FDP will einen Stufensatztarif
einführen. Was bedeutet das? Das bedeutet eine massive
Steuerentlastung für die Bezieher hoher Einkommen.
Der FDP geht es also um eine gravierende Senkung des
Spitzensteuersatzes. Das ist reine Klientelpolitik.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Ein Kollege von der CDU hat davon gesprochen, hier
werde eine Neiddebatte geführt. Dazu kann ich aber nur
sagen: Wenn man sich gegen diese Klientelpolitik zur
Wehr setzt, wird eine Gerechtigkeitsdebatte geführt.

Ein Kernstück Ihres Gesetzentwurfs ist die Abschaf-
fung der Gewerbesteuer. Das ist aus unserer Sicht wirk-
lich verantwortungslos. Die Kommunen befinden sich
unter Rot-Grün in der schwersten Finanzkrise ihrer Ge-
schichte: Das Defizit der Kommunen beträgt 10 Milliar-
den Euro. Wie soll das nach Meinung der FDP kompen-
siert werden? – Die FDP will einen örtlichen Zuschlag
auf die Lohn- und Einkommensteuer bzw. auf die Kör-
perschaftsteuer einführen und zugleich den Anteil der
Kommunen an der Umsatzsteuer von jetzt 2,2 Prozent
auf fast 12 Prozent erhöhen.

Wir sollten uns vielleicht daran erinnern, dass in den
letzten 20 Jahren der Anteil der Unternehmens- und Ver-
mögensteuer am gesamten Steueraufkommen drama-
tisch verringert wurde: von 28 Prozent auf 16 Prozent.
Gleichzeitig aber stieg der Anteil der Lohnsteuer der Ar-

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(C (D eitnehmer am gesamten Steueraufkommen; er liegt etzt bei fast 40 Prozent. – Diese Entwicklung würde ach dem Modell der FDP weitergehen. Das heißt also: ie kleinen Leute sollen noch mehr belastet werden und och mehr zahlen. – Die FDP hat vorgeschlagen, den ntsprechenden Beitrag der Körperschaften um 8 Proent zu senken und den Beitrag der Personengesellschafen um 10 Prozent. Ich finde, diese wenigen Zahlen sind klare Belege da ür, dass es der FDP eben nicht um eine solide Finanzbais für die Kommunen geht, sondern um den massiven ückzug vor allem der Kapitalgesellschaften aus der Fianzierung der öffentlichen Infrastruktur. Ich finde, das st nicht hinzunehmen. Völlig unrealistisch ist der Vorschlag der FDP, den nteil der Kommunen an der Umsatzsteuer auf einen chlag von 2,2 Prozent auf beinahe 12 Prozent zu erhöen. Das hätte massive Steuerausfälle für Bund und Läner zur Folge. Was würde geschehen? – Die Länder würen nichts anderes tun, als massive Kürzungen an die ommunen durchzureichen. Der kommunale Finanzausleich würde weiter geschwächt. Das wäre ein Schlag ns Gesicht der Kommunen insbesondere in Ostdeutschand, wo rund 70 Prozent der kommunalen Einnahmen us dem Finanzausgleich kommen. Mir soll mal jemand rklären, wie die Kommunen nach diesem Modell der DP weiterhin Schulen und Kitas erhalten sollen. Wir als PDS sind für ein sehr einfaches, aber sehr ge echtes und solidarisches Steuersystem. Davon ist die DP mit ihrem Gesetzentwurf leider weit entfernt. war haben Sie mit Ihrem Antrag Rot-Grün heute die elegenheit geboten, sich als Verteidiger der sozialen erechtigkeit und der sozialen Balance darzustellen. Ich enke aber, die überzeugendste Darstellung von sozialer erechtigkeit wäre, wenn Sie von Rot-Grün die genda 2010 korrigieren würden. Vielen Dank. Nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Andreae, ündnis 90/Die Grünen. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Was will die FDP? – Ein einfaches Einkommenteuersystem mit breiter Bemessungsgrundlage und iedrigen Steuersätzen – das klingt gut –, in Hebesatzrecht der Gemeinden auf Einkommenund örperschaftsteuer und die Erhöhung des Umsatzsteuernteils der Kommunen auf fast 12 Prozent; das klingt icht so gut. Kerstin Andreae Was aber bedeuten die Vorschläge konkret? Alle Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, Bezieher sehr hoher Einkommen möglichst umfassend zu entlasten, mit einem Spitzensteuersatz von 35 Prozent. Das bedeutet eine deutliche soziale Schieflage, nichts anderes. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])


(Zuruf von der FDP: Nö!)


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509107400
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509107500

(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Ist gut!)





(A) )


(B) )


Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag soll für niedrige
Einkommen nur noch 200 Euro betragen, aber mit
zunehmendem Einkommen auf 5 000 Euro ansteigen.
Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe sollen voll steu-
erpflichtig werden, Sozialleistungen mindern den
Grundfreibetrag. Vorgesehen ist ein hoher Kinderfreibe-
trag – wiederum interessant für Bezieher höherer Ein-
kommen –, Kindergeld dagegen wird Nebensache. Dafür
sollen hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse
bis 12 000 Euro abziehbar werden. Für Alleinerziehende
ist keinerlei Entlastung vorgesehen, aber das Ehegatten-
splitting ist heilig.

Kurzum: Die Gewinner des FDP-Konzepts wären
Einkommensmillionäre, die Verlierer wären Familien
und Menschen mit kleinem Einkommen.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das stimmt nicht! Voll daneben!)


Verlierer wären auch die zukünftigen Generationen;
denn zusätzliche Steuerentlastungen heute im Umfang
von zwischen 15 und 20 Milliarden Euro bedeuteten hö-
here Steuern von morgen. Eines, meine sehr verehrten
Damen und Herren von der FDP, verraten Sie uns jedoch
nicht, nämlich wie Sie ihr Konzept finanzieren wollen.
Wie soll die Gegenfinanzierung für die Steuerausfälle
in Milliardenhöhe aussehen? Sie wollen den Gemeinden
beinahe 12 Prozent von der Umsatzsteuer zukommen
lassen, Gelder – Frau Scheel hat es gesagt –, die vom
Bund und von den Ländern abgingen. Zusätzlich kostete
der Wegfall der Gewerbesteuer rund 20 Milliarden Euro.
Das ist unseriös. Es ist nicht gegenfinanziert. Sie stellen
damit Versprechungen von massiven Steuerentlastungen
in den Raum, ohne die Gegenfinanzierung wirklich zu
thematisieren.

Nun zum Thema Gewerbesteuer. Ich werfe Ihnen
vor, dass Sie hier wiederholt keine echte Alternative an-
bieten. Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Kom-
munen Ihren Vorschlag hierzu nicht umgesetzt haben
wollen. Sie wollen auch nicht gegen ihren Willen bei der
Umsatzsteuer an dem Tropf von Bund und Ländern hän-
gen. Sie sehen sich weiterhin in die Abhängigkeit von
erhöhten Zuweisungen getrieben. Zudem haben die Er-
gebnisse der Kommission zur Reform der Gemeindefi-
nanzen deutlich gezeigt, worauf das von Ihnen geför-
derte Modell mit Hebesatz auf Einkommensteuer und
Körperschaftsteuer hinausläuft: auf eine Belastung der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auf eine Ent-
lastung Ihrer Klientel.

Mit Ihrem heutigen Vorschlag präsentieren Sie sich
überdeutlich als Partei der Besserverdienenden. Bezie-
her hoher Einkommen werden entlastet, die Kleinverdie-
ner verlieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


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(C (D ie Kommunen erhalten keine echte Alternative. Sie chlagen keine Kompensation für massive Steuerausfälle or. Wir brauchen – darin gebe ich Ihnen Recht – eine onsequente Steuervereinfachung. Wir sind bereit, über lle sinnvollen Vorschläge zu diskutieren. Die finanzielen Spielräume durch den Abbau von Steuervergünstiungen sollten vor allem genutzt werden, um den rundfreibetrag anzuheben und einfache und umfasende Pauschalen für alle Steuerbürger zu schaffen. Das äre ein wirklich durchgreifender Beitrag zur Vereinfahung, von dem alle Bürger etwas hätten. Zudem würde ie Finanzverwaltung deutlich entlastet. Es ist aber auch lar: Diese Vereinfachung kostet etwas. Für eine weitere ettoentlastung ist zurzeit kein Spielraum vorhanden. ine weitere massive Senkung des Spitzensteuersatzes st wirklich nicht vordringlich. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509107600

Das Wort hat nun der Kollege Peter Rzepka, CDU/
SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Rzepka (CDU):
Rede ID: ID1509107700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Nur ein einfaches Steuerrecht ist auch ein ge-
echtes Steuerrecht. Bürger, Unternehmer, Wissenschaft-
er, Steuerberater, Finanzbeamte und Finanzrichter kla-
en über die zunehmende Chaotisierung des deutschen
teuerrechts, dessen Auswirkungen auf die Steuerbelas-
ung auch von Experten nicht mehr zuverlässig beurteilt
erden können.
Ein Steuerrecht aber, das Grund und Höhe der Belas-

ung nur unzureichend erkennen lässt, ist verfassungs-
echtlich problematisch, weil dem Eingriff des Fiskus
ie hinreichende gesetzliche Grundlage fehlt und gegen
en Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähig-
eit verstoßen wird. Ein solches Steuerrecht ist unge-
echt und unsozial, weil es denjenigen mehr nutzt, die
ich teure Steuerberatung leisten können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

s ist wachstumsfeindlich und wettbewerbsverzerrend,
eil viele Ausnahmetatbestände die Marktpreise be-
influssen und Investitionen in unproduktive Ver-
endungen lenken. Es ist schließlich Anlass zu
usweichreaktionen und Rechtsverweigerung durch
tandortverlagerung und Kapitalflucht, durch Steuerhin-
erziehung und Abtauchen in die Schattenwirtschaft.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das ist leider Realität! So ist es!)


Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der ge-
amtwirtschaftlichen Entwicklung kommt im Jahresgut-
chten 2003/2004 zu folgendem Befund – meine Damen
nd Herren von der SPD-Fraktion, wenn Sie uns nicht






(A) )


)

Peter Rzepka

glauben wollen, dann sollten Sie wenigstens auf die
Sachverständigen hören –:

Im Bereich der Steuerpolitik bestehen gegenwärtig
erhebliche Defizite. Das deutsche Einkommen-
steuerrecht wird zunehmend als chaotisch wahrge-
nommen. Steuerpolitische Einzelmaßnahmen fügen
sich nicht in eine erkennbare Systematik ein:

(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Leider wahr!)


Der deutschen Steuergesetzgebung fehlt das Leit-
bild, an dem sich die Haushalte und Investoren in
ihrer Einkommensdisposition langfristig ausrichten
könnten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Demnach ist die Steuerpolitik dieser Bundesregierung

und der sie tragenden rot-grünen Koalition eine der Ur-
sachen für die anhaltende Wachstums- und Beschäfti-
gungskrise.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: So ist es!)

Noch im Jahr 2000 hatte diese Bundesregierung die För-
derung von Wachstum und Beschäftigung durch ein
tragfähiges und gerechtes Steuer- und Abgabensystem
als eine ihrer beiden finanzpolitischen Leitplanken be-
zeichnet. „Das Steuersystem des Jahres 2003 ist weit
entfernt von diesen Zielen“, lautet die ernüchternde Er-
kenntnis des Sachverständigenrates. Statt sich den selbst
gesteckten Zielen zu nähern, entfernt sich diese Bundes-
regierung immer weiter davon.

Als Ergebnis des Vermittlungsverfahrens vom
Dezember 2003 sind umfangreiche Gesetzesänderungen
bezüglich der Körperschaftsteuer, Einkommensteuer,
Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Tabaksteuer, Erbschaft-
steuer, Biersteuer, Mineralölsteuer und Stromsteuer mit
zum Teil erheblichen Komplizierungen vorgenommen
worden.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Keiner blickt durch! – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Alles von Frau Scheel!)


Ich will in diesem Zusammenhang nur auf die Neurege-
lungen zur Gesellschafterfremdfinanzierung und zur Be-
schränkung der Verlustverrechnung hinweisen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Union hat im Vermittlungsverfahren viele Män-

gel der ursprünglichen Gesetzentwürfe der Regierungs-
koalition korrigieren können, musste aber im Kompro-
miss und um die Erwartung der Menschen hinsichtlich
des Vorziehens der Steuerreform nicht zu enttäuschen,
weitere Fehlentwicklungen hinnehmen. Angesichts der
Sprunghaftigkeit und des Verlusts der Glaubwürdigkeit
bei der Steuerpolitik dieser Bundesregierung richten sich
die Hoffnungen der Deutschen auf die Opposition.

Nach Vorlage der Leitsätze für eine radikale Vereinfa-
chung und eine grundlegende Reform des deutschen
Einkommensteuersystems durch unseren stellvertreten-
den Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz trauen
50 Prozent der Deutschen der Union, aber nur

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(C (D 4 Prozent der SPD die besseren Steuerund Finanzkonepte zu. (Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Recht haben sie! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Bierdeckelpartei!)


Wir lassen uns in unserer Steuerpolitik von der Er-
enntnis leiten, dass die Steuerlast gesenkt und das Ein-
ommensteuerrecht einer Runderneuerung unterzogen
erden muss, bei der die steuerliche Bemessungsgrund-
age durch den weit gehenden Abbau von Sondertatbe-
tänden verbreitert wird und die Steuersätze deutlich ge-
enkt werden. Die FDP-Fraktion beschreibt in ihrem
orgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung ei-
er neuen Einkommensteuer und zur Abschaffung der
ewerbesteuer das Problem der deutschen Einkom-
ensbesteuerung ähnlich und legt ähnliche Lösungsvor-
chläge vor.


(Beifall des Abg. Peter Rauen [CDU/CSU])

uch die FDP sieht die Streichung bzw. Rückführung
ahlreicher Sondertatbestände, einen neuen Einkom-
ensteuertarif mit niedrigeren Steuersätzen, hohe
rundfreibeträge pro Person – einschließlich der Kin-
er –, die Beibehaltung des Ehegattensplittings, die
achgelagerte Besteuerung der Alterseinkünfte, die un-
eschränkte Verlustverrechnung und die Verminderung
er Einkommensarten vor.
Es war schon Thema der Diskussion, dass die Erset-

ung der Gewerbesteuer durch eine verlässliche Steuer-
uelle, die den Städten und Gemeinden in Deutschland
ie Erfüllung ihrer Aufgaben auf Dauer sichert, eben-
alls ein gemeinsames Ziel ist.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

ie Gewerbesteuer in ihrer gegenwärtigen Form, die zu-
ehmend zu einer Großbetriebssteuer mit allen daraus
olgenden Aufkommensschwankungen degeneriert ist,
at keine Zukunft mehr.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Stimmt!)

aran werden auch diejenigen, die, wie Herr Poß, daran
rbeiten, diesen Fremdkörper in unserem Steuersystem
u revitalisieren, nichts ändern können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Bei der Umstellung der Gemeindefinanzierung

urch eine Beteiligung an den Gemeinschaftssteuern mit
igenen Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen müs-
en natürlich die Stadtumlandproblematik, das Verhält-
is zwischen aufkommensschwachen und -starken Ge-
einden und die Administrierbarkeit hinreichend
erücksichtigt werden. Frau Kollegin Andreae, nichts-
estotrotz nimmt die Zustimmung zu dieser Form der
rsetzung der Gewerbesteuer auch bei den Kommunen
u.


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das will ich sehen!)


Dass Zinsen auf Steuernachzahlungen nach Ihrem
onzept wieder abziehbar sein sollen, findet meine Zu-
timmung. Es ist nicht zu verstehen, dass der Fiskus
achzahlungszinsen in Höhe von 6 Prozent aus dem

(B)







(A) )



(B) )


Peter Rzepka

steuerlichen Netto verlangt, andererseits aber die an den
Steuerpflichtigen gezahlten Zinsen auf Steuererstattun-
gen in vollem Umfang besteuert.

Allerdings ist Ihr Gesetzentwurf in einigen Punkten
noch nicht ausgereift. Für Arbeitnehmer sehen Sie eine
Abgeltungspauschale für berufsbedingte Kosten in
Höhe von 2 Prozent der steuerpflichtigen Einnahmen
– höchstens 5 000 Euro – vor. Zum einen vermag ich
nicht einzusehen, dass mit steigenden Einnahmen auto-
matisch auch die Werbungskosten steigen sollen, zum
anderen stellen Sie nicht nur auf die Einnahmen aus der
Betätigung als Arbeitnehmer ab, sondern auf sämtliche
steuerpflichtigen Einnahmen, sodass diese steuerlich ab-
setzbare Pauschale auch dann ansteigt, wenn der Arbeit-
nehmer Einnahmen aus anderen Einkommensquellen er-
zielt. Eine solche pauschale Begünstigung von
Großverdienern mit Einnahmen bis zu 250 000 Euro fin-
det nicht unsere Zustimmung und dürfte einer verfas-
sungsgerichtlichen Prüfung kaum standhalten.

Bei beschränkter Steuerpflicht soll generell der
Spitzensteuersatz von 35 Prozent gelten. Eine solche Be-
steuerung von in Deutschland tätigen Arbeitnehmern,
die in anderen EU-Staaten ansässig sind, dürfte meines
Erachtens mit dem EU-Recht kaum vereinbar sein.

Des Weiteren möchte ich auf die im Entwurf vorgese-
hene Besteuerung aller Gewinne aus der Veräußerung
von Wirtschaftsgütern eingehen, die einer wirtschaftli-
chen Betätigung gedient haben. Ich glaube, Ihr Entwurf
berücksichtigt nicht ausreichend die Gefahr einer
Scheingewinnbesteuerung, die mit inflationären Preis-
entwicklungen verbunden ist, und dürfte deshalb in die-
sem Punkte Anlass zu Veränderungen geben.

In Ihrem Steuerkonzept lassen Sie sich von dem
Grundsatz einer einheitlichen Besteuerung der
unterschiedlichen Einkünfte leiten und sehen deshalb
nur noch eine Einkunftsart vor. Die Körperschaftsteuer
wird in diesem Konzept dadurch in die Einkommen-
steuer integriert, dass der Spitzensatz der Einkommen-
steuer dem Körperschaftsteuersatz mit 35 Prozent ent-
spricht. Konsequent stellen Sie Ausschüttungen
inländischer Kapitalgesellschaften, die nach Ihrem Kon-
zept auf der Ebene der Kapitalgesellschaft mit 35 Pro-
zent vorbelastet wurden, beim Anteilseigner steuerfrei
mit der Möglichkeit, im Wege einer Antragsveranlagung
den Körperschaftsteuersatz durch den persönlichen Ein-
kommensteuersatz des Anteilseigners zu ersetzen. Dage-
gen sollen Dividenden ausländischer Kapitalgesellschaf-
ten, die im Ausland bereits mit Körperschaftsteuer
vorbelastet sind, zusätzlich der Einkommensteuer des in-
ländischen Anteilseigners unterworfen werden. Dies
dürfte zumindest mit dem EU-Recht unvereinbar sein.
Eine solche Zusatzbelastung ergibt sich übrigens auch
nach dem Wortlaut Ihres Gesetzentwurfs bei mehrstufi-
gen Inlandskonzernen, was Sie nicht ernsthaft beabsich-
tigt haben können.

Kapitalerträge, die nicht Ausschüttungen von Kapital-
gesellschaften sind, sollen nach Ihrem Modell mit einer
Abgeltungsteuer von 25 Prozent belastet werden. Abge-
sehen davon, dass Sie den Leser Ihres Gesetzentwurfs

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(C (D arüber im Unklaren lassen, was Kapitalerträge im Einelnen sind, handelt es sich um eine Ausnahme von der rundsätzlich angestrebten Gleichbehandlung aller Einünfte und damit um einen Systembruch. Ihr Entwurf enthält damit Elemente einer so genann en dualen Einkommensteuer, die Kapitaleinkommen iedriger besteuert als Arbeitseinkommen. Dieser systeatische Schönheitsfehler hat aber erhebliche praktische uswirkungen, da er die Fremdkapitalfinanzierung von apitalgesellschaften gegenüber der Eigenkapitalfinanierung begünstigt, – Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der ollegin Lenke? – ich möchte in meinen Ausführungen erst einmal ortfahren –, Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet und Peronenunternehmen benachteiligt. Ihr Konzept widerpricht damit den Zielsetzungen einer finanzierungsund echtsformneutralen Besteuerung. (Joachim Poß [SPD]: Da bleibt ja von dem Konzept nichts übrig!)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509107800
Peter Rzepka (CDU):
Rede ID: ID1509107900

Jetzt möchte ich gerne die Zwischenfrage zulassen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509108000

Bitte schön.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1509108100

Herr Kollege, Sie haben gerade auf die Uhr geschaut

nd wahrscheinlich festgestellt, dass sich Ihre Redezeit
em Ende zuneigt.
Unser Konzept beinhaltet einen starken familien- und

rauenpolitischen Teil. Ich möchte Sie bitten, mir die
rage zu beantworten, ob es auch das Ziel der CDU/
SU ist, die Steuerklasse V abzuschaffen. In unserem
teuerkonzept haben wir andere Steuerklassen vorgese-
en. Wir wollen das Gender-Prinzip in unserem neuen
teuerkonzept durchsetzen. Sie haben von ähnlichen
zw. gleichen Zielen gesprochen und darauf verwiesen,
orin sich Ihr Konzept von dem der anderen unterschei-
et. Meine Frage ist: Werden auch Sie von der CDU/
SU sich dafür einsetzen, dass die Steuerklasse V abge-
chafft wird?


Peter Rzepka (CDU):
Rede ID: ID1509108200

Frau Kollegin, ich habe in meinem Beitrag bereits

arauf hingewiesen, dass wir von ähnlich hohen Grund-
reibeträgen ausgehen, und zwar für alle Familienmit-
lieder, also einschließlich der Kinder. Wir sind uns auch
n der Fortführung des Ehegattensplittings einig. Inso-
ern wird sowohl in Ihrem als auch in unserem Entwurf
ie familienpolitische Komponente berücksichtigt.
Lassen Sie mich fortfahren – meine Redezeit geht zu

nde –: Nach alledem weist der FDP-Entwurf im Grund-
atz in die richtige Richtung. Die CDU/CSU-Bundes-






(A) )



(B) )


Peter Rzepka

tagsfraktion wird sich konstruktiv in die Beratung ein-
bringen, um den Entwurf zu verbessern und bestehende
Mängel zu beheben. In der vorliegenden Fassung jeden-
falls ist er noch nicht beschlussreif.

Während sich die Regierungsfraktionen an der Erhö-
hung der Erbschaftsteuer, der Wiedereinführung der Ver-
mögensteuer und der Einführung einer Ausbildungs-
platzabgabe mit all ihren negativen Arbeitsmarkt- und
Ausbildungsplatzeffekten abarbeiten, leisten die Opposi-
tionsfraktionen einen Beitrag zu einem radikalen Neuan-
fang im Steuerrecht, mit dem den Anforderungen an die
steuerliche Gerechtigkeit entsprochen wird, die Leis-
tungsbereitschaft gefördert wird und Deutschland im
Wettbewerb um Investitionen und Arbeitsplätze wieder
bestehen kann.

Wir fordern die Regierungskoalition auf, klar zu sa-
gen, ob sie bereit ist, einen solchen radikalen Neuanfang
im Steuerrecht mitzutragen und beratungsfähige Gesetz-
entwürfe vorzulegen. Die Unionsfraktion ist bereit, ein
solches Steuerrecht noch in diesem Jahr zu beraten und
zu verabschieden.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509108300

Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwur-

fes auf Drucksache 15/2349 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es ander-
weitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 28 a bis 28 d sowie
die Zusatzpunkte 1 a und 1 b auf:
28 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dirk

Manzewski, Joachim Stünker, Hermann
Bachmaier, weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion der SPD, den Abgeordneten Siegfried
Kauder (Bad Dürrheim), Dr. Norbert Röttgen,
Dr. Wolfgang Götzer, weiteren Abgeordneten
und der Fraktion der CDU/CSU, den Abgeordne-
ten Jerzy Montag, Volker Beck (Köln), Irmingard
Schewe-Gerigk, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
sowie den Abgeordneten Jörg van Essen, Rainer
Funke, Sibylle Laurischk, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP eingebrachten Ent-
wurfs eines … Strafrechtsänderungsgesetzes –
§ 201 a StGB (… StrÄndG)

– Drucksache 15/2466 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Kultur und Medien

Z

(C (D b)

gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Pro-
tokoll betreffend die Verringerung von Ver-
sauerung, Eutrophierung und bodennahem
Ozon (Multikomponenten-Protokoll) vom
30. November 1999 im Rahmen des Überein-
kommens von 1979 über weiträumige grenz-
überschreitende Luftverunreinigung
– Drucksache 15/2410 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Günter
Nooke, Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU
Planung und städtebauliche Zielvorstellungen
des Bundes für den Bereich beiderseits der
Spree zwischen Marschall- und Weidendam-
mer Brücke vorlegen
– Drucksache 15/2157 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien

d) Beratung der Unterrichtung durch den Bundes-
rechnungshof
Bemerkungen des Bundesrechnungshofes
2003 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung

(einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung des Bundes 2002)

– Drucksache 15/2020 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)

Innenausschuss
Sportausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

P 1a)Erste Beratung des von den Abgeordneten Hans-
Michael Goldmann, Jürgen Türk, Dr. Christel
Happach-Kasan, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur endgültigen Regelung über Altschulden

(LandwirtschaftsEnd-Altschuldengesetz – LwEndAltschG)

– Drucksache 15/2468 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Rainer Stinner, Dirk Niebel, Daniel Bahr






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Norbert Lammert


(Münster), weiterer Abgeordneter und der Frak-

tion der FDP
Genfer Abkommen als Ausdruck zivilgesell-
schaftlicher Friedensinitiative unterstützen
– Drucksache 15/2195 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach-
ten Verfahren ohne Debatte.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist of-
fensichtlich der Fall. Dann sind die Überweisungen so
beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 29 a bis 29 j sowie
27 auf. Hier handelt es sich um Beschlussfassungen zu
Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

Tagesordnungspunkt 29 a:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Fleischhygienegesetzes, des
Geflügelfleischhygienegesetzes und des Le-
bensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes
und sonstiger Vorschriften
– Drucksache 15/2293 –

(Erste Beratung 86. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-
wirtschaft (10. Ausschuss)

– Drucksache 15/2480 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Wilhelm Priesmeier
Ursula Heinen
Ulrike Höfken
Hans-Michael Goldmann

Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft empfiehlt auf Drucksache 15/2480, den
Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen.
– Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetz-
entwurf ist in zweiter Beratung angenommen.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-
entwurf ist einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 29 b:
Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu dem Seeverkehrsabkommen
vom 10. Dezember 2002 zwischen der Euro-
päischen Gemeinschaft und ihren Mitglied-

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(C (D staaten einerseits und der Regierung der Volksrepublik China andererseits – Drucksache 15/2284 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bauund Wohnungswesen – Drucksache 15/2444 – Berichterstattung: Abgeordneter Wolfgang Börnsen Der Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungsween empfiehlt auf Drucksache 15/2444, diesen Gesetzntwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Geetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – timmt jemand dagegen? – Möchte sich jemand der timme enthalten? – Das ist nicht der Fall. Auch dieser esetzentwurf ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 29 c: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 17. Juli 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen und die Erleichterung seiner Anwendung – Drucksache 15/2254 – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – Drucksache 15/2445 – Berichterstattung: Abgeordnete Joachim Stünker Dr. Jürgen Gehb Jerzy Montag Jörg van Essen Der Rechtsausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/ 445, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenien, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das andzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der esetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Diejenigen, die dem Gesetzntwurf zustimmen wollen, bitte ich, sich zu erheben. – öchte jemand gegen den Gesetzentwurf stimmen? – nthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist auch dieer Gesetzentwurf einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 29 d: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 17. Juli 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Ergän Vizepräsident Dr. Norbert Lammert zung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 und die Erleichterung seiner Anwendung – Drucksache 15/2255 – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – Drucksache 15/2446 – Berichterstattung: Abgeordnete Joachim Stünker Siegfried Kauder Jerzy Montag Jörg van Essen Der Rechtsausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/2446, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Möchte sich jemand der Stimme enthalten? – Das ist nicht der Fall. Der Gesetzentwurf ist angenommen. Tagesordnungspunkt 29 e: Beratung der Dritten Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zu 20 gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüchen – Drucksache 15/2400 – Berichterstattung: Abgeordnete Erika Simm Hermann Bachmaier Hans-Joachim Hacker Petra-Evelyne Merkel Dr. Hans-Peter Friedrich Manfred Grund Thomas Strobl Jerzy Montag Jürgen Koppelin Der Wahlprüfungsausschuss empfiehlt, die aus den Anlagen 1 bis 16 ersichtlichen Beschlussempfehlungen zu diesen Wahleinsprüchen anzunehmen. Hierzu ist getrennte Abstimmung verlangt. Ich rufe zunächst die in den Anlagen 1 bis 10 aufgeführten Beschlussempfehlungen zu Wahleinsprüchen auf. Wer stimmt diesen Anlagen mit den darin aufgeführten Beschlussempfehlungen zu? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlungen zu den Wahleinsprüchen in den Anlagen 1 bis 10 sind damit einstimmig angenommen. Wer stimmt für die aus der Anlage 11 ersichtliche Beschlussempfehlung zu dem diesbezüglichen Wahleinspruch? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung zu dem Wahleinspruch in der Anlage 11 ist bei Enthaltung der CDU/CSU-Fraktion angenommen. Wer stimmt für die aus den Anlagen 12 bis 16 ersichtlichen Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsaus s d g t h m i A m h d n h S (C (D chusses zu weiteren Wahleinsprüchen? – Wer stimmt agegen? – Enthaltungen? – Diese Beschlussempfehlunen sind einstimmig angenommen. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Pe itionsausschusses. Tagesordnungspunkt 29 f: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 90 zu Petitionen – Drucksache 15/2449 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer entält sich? – Diese Sammelübersicht ist angenommen. Tagesordnungspunkt 29 g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 91 zu Petitionen – Drucksache 15/2450 – Wer stimmt dafür? – Wer möchte dagegen stimen? – Wer enthält sich? – Auch diese Sammelübersicht st einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 29 h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 92 zu Petitionen – Drucksache 15/2451 – Wer stimmt dafür? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – uch diese Sammelübersicht ist einstimmig angenomen. Tagesordnungspunkt 29 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 93 zu Petitionen – Drucksache 15/2452 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer entält sich? – Diese Sammelübersicht ist mit den Stimmen er Koalition gegen die Stimmen der Opposition angeommen. Tagesordnungspunkt 29 j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 94 zu Petitionen – Drucksache 15/2453 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer entält sich? – Damit ist diese Sammelübersicht gegen die timmen der CDU/CSU-Fraktion angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Vizepräsident Dr. Norbert Lammert zu dem Übereinkommen vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr – Drucksache 15/2285 – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – Drucksache 15/2486 – Berichterstattung: Abgeordnete Dirk Manzewski Ingo Wellenreuther Jerzy Montag Rainer Funke Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/2486, diesen Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt gegen diesen Gesetzentwurf? – Wer möchte sich der Stimme enthalten? – Dieser Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Wir bleiben bei Tagesordnungspunkt 27: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Harmonisierung des Haftungsrechts im Luftverkehr – Drucksache 15/2359 – Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/2486, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer dieser Beschlussempfehlung und damit dem Gesetzentwurf in dieser Fassung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Stimmt jemand dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf angenommen. Ich bedanke mich für die große Disziplin bei dem Abarbeiten dieser Tagesordnungspunkte. Ich rufe nun den Zusatzpunkt 2 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU Welche Konsequenz zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des Bundesverfassungsge E F r v d g E d d t d d d F c A S s d B g f s L n i t s d d s g S d n H F n f B w S (C (D richts zur nachträglichen Sicherungsverwahrung? Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort als rstem dem Kollegen Dr. Norbert Röttgen, CDU/CSUraktion. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her en! Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts om vergangenen Dienstag, über die wir heute im Bunestag debattieren, ist eine Niederlage für die Bundesreierung. ntscheidend ist, dass es nicht nur eine juristische, sonern auch eine politisch-moralische Niederlage ist, die araus erwachsen ist, dass Sie sich vor der Verantworung gedrückt haben. Das ist nun auch durch das Bunesverfassungsgericht festgestellt worden. Sie haben sich vor der Beantwortung einer Frage ge rückt – das ist nicht irgendeine Frage –, bei der es um en Schutz der Bevölkerung, der Bürger, von Männern, rauen und Kindern, vor gefährlichen Gewaltverbrehern geht. Hier waren Sie aufgefordert, zu entscheiden. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir auch!)


(Erste Beratung 86. Sitzung)


(14. Ausschuss)


(Erste Beratung 86. Sitzung)





(A) )


(B) )


(Erste Beratung 86. Sitzung)





(A) )


(B) )


(Erste Beratung 88. Sitzung)


(Erste Beratung 88. Sitzung)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1509108400

(Widerspruch bei der SPD)


ber Sie haben sich nicht entschieden. Vielmehr haben
ie sich hinter einer fadenscheinigen Alibiausrede ver-
teckt. Sie haben behauptet, dass Sie gar nicht entschei-
en dürften; denn dies zu regeln sei nicht Sache des
undes, sondern der Länder. Das ist nun eindeutig klar-
estellt worden: Mit 8 : 0 Stimmen hat das Bundesver-
assungsgericht entschieden, dass das natürlich Bundes-
ache ist. Es war auch abwegig, zu behaupten, dass dies
ändersache sei. Wir werfen Ihnen vor, dass Sie das ge-
au gewusst haben; denn so schlecht können die Juristen
m Bundesjustizministerium gar nicht sein. Im Gegen-
eil: Sie sind gut. Deshalb haben Sie gewusst, dass es
ich hier um eine Reaktion des Staates auf Straftäter han-
elt, dass es also um das Strafrecht und damit um Bun-
esrecht geht. Sie im Bundestag waren gefordert, zu ent-
cheiden. Aber Sie haben sich versteckt und nicht
ehandelt. Das ist der Vorwurf, den wir Ihnen machen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Grund, warum Sie sich versteckt haben, ist, dass

ie sich in der Koalition – das ist ein Musterbeispiel für
ie Handlungsunfähigkeit rot-grüner Rechtspolitik –
icht einig sind. Viele von Ihnen teilen die Meinung von
errn Stünker, dem rechtspolitischen Sprecher der SPD-
raktion. Er hat vor sechs und noch einmal vor drei Mo-
aten im Bundestag zur Sicherungsverwahrung ausge-
ührt – mir liegen die entsprechenden Stenografischen
erichte vor –: Sie ist verfassungswidrig. In der Sache
ollen wir sie nicht. – Das ist Ihre Position, Herr
tünker.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch meine!)







(A) )



(B) )


Dr. Norbert Röttgen

Andere in der Koalition teilen diese Meinung nicht. Der
Bundesinnenminister zum Beispiel sagt: Wir wollen sie
haben. – Sie waren also nicht handlungsfähig, weil Sie
nicht einig waren. Sie hatten weder den Mut, zu sagen,
die Gesellschaft solle das Risiko eingehen, noch den
Mut, zu entscheiden, dass die Gesellschaft vor solchen
Verbrechern geschützt werden muss. Deshalb haben Sie
sich versteckt, und das, obwohl es um den Schutz der
Bevölkerung vor gefährlichen Gewaltverbrechern geht,
die mit hoher Wahrscheinlichkeit Wiederholungstäter
sein werden. Sie haben sich versteckt und nicht gehan-
delt, obwohl eine Mehrheit in diesem Hause – wir haben
einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht – han-
deln wollte. Das, was die politisch-moralische Nieder-
lage ausmacht, ist diese Verantwortungsverweigerung.
Das ist ein Tiefpunkt in der politischen Kultur unseres
Landes. In dieser Frage haben Sie abgewogen und
schließlich entschieden, das Koalitionswohl vor das Ge-
meinwohl, das Parteiwohl vor das Bürgerwohl zu stel-
len. Ihnen war also das Wohl der Koalition näher als das
der Bürger. Das ist der Vorwurf, den wir Ihnen machen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN]: Abwegig!)

Niemand, auch wir nicht, hat aber Grund, sich über

die Niederlage, die Sie erlitten haben, zu freuen. Auch
das Fehlen politischer Kultur und die Folgen Ihrer Ent-
scheidung bieten keinen Anlass zur Freude; denn das
wird man in Zukunft nicht einfach korrigieren können,
auch wenn das Bundesverfassungsgericht bis an seine
Grenzen gegangen ist.

Es ist nicht einfach korrigierbar. Stellen Sie sich ein-
mal vor, die beiden Inhaftierten, die geklagt haben, hät-
ten nicht in Bayern oder Sachsen-Anhalt gelebt, sondern
in Nordrhein-Westfalen oder in einem der elf Länder, die
solche im Notstand, sozusagen, erlassenen Landesrege-
lungen nicht getroffen haben! Sie wären schlicht und er-
greifend freigelassen worden! Sie wären auf die Gesell-
schaft losgelassen worden! – Wer weiß, in wie vielen
Fällen so etwas stattgefunden hat? Wer weiß es? Es sind
immerhin Fälle, über die das Bundesverfassungsgericht
mit Mehrheit entschieden hat: Die Betroffenen sind so
gefährlich, dass sie selbst auf verfassungswidriger
Grundlage weiter inhaftiert bleiben müssen, weil wegen
der konkreten Gefahr für die Bürger ihre Entlassung
nicht zu verantworten ist.

In anderen Ländern findet das aber statt. Da gilt die
von Ihnen befürwortete und zu verantwortende Rechts-
lage. Der Staat entlässt solche Straftäter sehenden Au-
ges. Er weiß um die Gefährlichkeit der Straftäter, die ja
schon Verbrechen begangen haben. Er sagt aber: Wir
können keine Sicherungsverwahrung anordnen. Die
Grundlage ist verweigert worden. – Er wartet also da-
rauf, dass ein weiteres Verbrechen begangen wird. Im
nächsten Urteil kann dann nach der jetzigen Rechtslage
die Sicherungsverwahrung angeordnet werden.

Meine Damen und Herren, diese Absurdität,

(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Ungeheu erlich!)


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(C (D iese Ungeheuerlichkeit des geltenden Bundesrechts önnen Sie keinem Bürger verständlich machen. (Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 1998 haben Sie das selber so entschieden!)


ie können keinem Bürger verständlich machen, dass
er Staat geradezu zusieht, wie Verbrechen begangen
erden,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Pharisäer!)


nd erst dann in der Lage ist, zu entscheiden.
Diese Entscheidung hat Konsequenzen. Wir sind be-

eit, diese Konsequenzen zu ziehen. Wir hatten Gesetz-
ntwürfe eingebracht. Sie haben sie abgelehnt. Wir wer-
en sie erneut in den Bundestag einbringen. Wir sind
ereit, zu handeln.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509108500

Herr Kollege!


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1509108600

Eine letzte Bemerkung, eine letzte Warnung an Sie,


(Zurufe von der SPD: Oh!)

eil ich wieder feststelle, dass Ihre Handlungsunfähig-
eit und Ihre Uneinigkeit geblieben sind.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, lieber Dr. Röttgen!)


ch warne Sie davor, erneut einer bundeseinheitlichen
egelung auszuweichen und eine Länderregelung zu
ersuchen, nur weil Sie das im Bund nicht hinbekom-
en. Sie sind nun durch das Bundesverfassungsgericht
ufgefordert, endlich Ihre Pflicht zu tun.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu entscheiden, aber ohne Festlegung des Wie!)


erden Sie Ihrer Verantwortung für die Bürgerinnen
nd Bürger gerecht und schaffen Sie eine bundeseinheit-
iche Regelung!


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509108700

Bevor ich der Bundesministerin Brigitte Zypries das
ort erteile, weise ich noch einmal auf etwas hin, was
icht so gänzlich neu ist, nämlich dass die Redezeit in
ktuellen Stunden jeweils genau fünf Minuten beträgt.


(Zuruf von der SPD: Er hat sieben Minuten gehabt! – Gegenruf des Abg. Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Die stoppen schon!)


Frau Ministerin, bitte.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1509108800

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Lieber Herr Röttgen, diese Entscheidung des






(A) )



(B) )


Bundesministerin Brigitte Zypries

Bundesverfassungsgerichts ist keine Niederlage für
diese Bundesregierung,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Röttgen [CDU/ CSU]: Doch!)


sondern sie ist eine Niederlage für den Gesetzgeber der
13. Legislaturperiode.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], zur CDU/ CSU gewandt: Sie hatten die Mehrheit!)


Der Gesetzgeber der 13. Legislaturperiode

(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Was ist mit dem heutigen Gesetzgeber?)

wurde mehrheitlich von Ihrer Partei zusammen mit der
FDP gebildet.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist ein starkes Stück!)


Das Bundesverfassungsgericht schreibt auf Seite 69
des Umdrucks – da geht es um die Frage der Kompeten-
zen; ich darf zitieren –:

Die Länder sind zu ergänzenden Regelungen nicht
befugt, denn das Recht der Sicherungsverwahrung
ist im Strafgesetzbuch umfassend und abschließend
geregelt.

(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: So ist es!)

Dies folgt zunächst aus einer Analyse der letzten
großen Reform dieses Rechtsgebiets vor der Verab-
schiedung des Bayerischen Straftäterunterbrin-
gungsgesetzes und des Sachsen-Anhaltischen Un-
terbringungsgesetzes. Das Gesetz zur Bekämpfung
von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straf-
taten vom 26. Januar 1998

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da waren Sie dran!)

sollte dem gesamten damals geäußerten Reformbe-
darf Rechnung tragen und verzichtete bewusst

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ausdrücklich abgelehnt!)

auf einen weiter gehenden Ausbau der Maßregel
der Sicherungsverwahrung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Röttgen [CDU/ CSU]: Darum wollten wir das doch ergänzen!)


Das zeigt, weshalb die Länder keine Gesetzgebungs-
kompetenz haben. Es wurde schon 1998 abgelehnt.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Gedächtnisausfall! So früh kann es beginnen, Herr Röttgen! – Zuruf von der CDU/CSU: Was haben Sie denn die letzten Jahre gemacht?)


Ich mache jetzt nur einen historischen Abriss, damit
wir hier nicht immer so geschichtslos darüber reden;

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(C (D (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat geklittert!)


as ist der Punkt; darum geht es jetzt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Götzer [CDU/ CSU]: Wir haben doch Alternativen vorgelegt! – Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Wer wollte denn die Lücke schließen, Sie oder wir? – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Lücken! – Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Da ist diese Lücke und Sie weigern sich, sie zu schließen!)


ie haben damals im Ausschuss auch den Antrag der
PD abgelehnt, eine vorbehaltene Sicherungsverwah-
ung einzuführen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509108900

Hauptsächlich hat die Bundesministerin der Justiz das
ort.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Joachim Stünker [SPD]: Das ist auch gut so!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1509109000

Nachdem wir uns darüber verständigt haben, dass der
nteil, den Ihre Partei an dieser Entscheidung trägt,
och ein ganz überwiegender ist, sollten wir jetzt ge-
einsam nach vorn gucken und feststellen, was auf-
rund dieser Entscheidung nun zu tun ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Röttgen [CDU/ CSU]: Sie gucken schon fünf Jahre nach vorn!)


atsache ist nämlich – Karlsruhe hat so entschieden –,
ass der Bund eine Gesetzgebungskompetenz hat. Es ist
ur eine theoretische Möglichkeit, diese Gesetzgebungs-
ompetenz nicht wahrzunehmen. Das werden wir nicht
un.
Die andere Variante, Länderöffnungsklauseln aufzu-

ehmen – auch sie wird durch diese Entscheidung nahe
elegt –, halte ich auch nicht für einen guten Weg.


(Beifall des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD])


an hat gesehen, dass es – auch weil man schnell han-
eln muss – in der Tat sinnvoller ist, eine einheitliche
egelung zu finden. Eine Länderöffnungsklausel mit
ntsprechenden Ländergesetzen lässt sich vom Ablauf
er bis zum 30. September überhaupt nicht verwirkli-
hen.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das will ja auch keiner!)


Ich sage nur, welche Handlungsmöglichkeiten es nach
er Entscheidung – ich habe sie gelesen; ich weiß nicht,
b Sie sie gelesen haben – gibt.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Ich habe sie sehr gut gelesen!)







(A) )



(B) )


Bundesministerin Brigitte Zypries

Wir sehen uns in der Pflicht, jetzt zu handeln, um ge-

nau das zu tun, was notwendig ist: die Bevölkerung vor
schweren Straftaten schützen. Wir werden deshalb in
den nächsten Tagen einen Gesetzentwurf vorlegen, der
eine nachträgliche Sicherungsverwahrung vorsieht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dieser Gesetzentwurf wird den Vorgaben des Bundes-
verfassungsgerichts in dieser Entscheidung und in der
Entscheidung von letzter Woche Rechnung tragen. Die
Zeit drängt;


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Allerdings!)


deshalb bin ich froh, dass ich Ihnen bereits heute skizzie-
ren darf, verehrter Herr Abgeordneter, was wir uns vor-
stellen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Auf einmal!)

Sie werden sehen: Wir haben schon Überlegungen ange-
stellt. Ich sagte bereits, dass das Gesetz in wenigen Ta-
gen fertig sein wird. Da sich das Hohe Haus mit den De-
tails befassen muss, sage ich schon jetzt, was wir uns
ungefähr vorstellen, damit wir dann alle gemeinsam
schnell in die Sacharbeit einsteigen können.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Auf einmal geht es schnell!)


Was wollen wir machen? Das bestehende System der
Sicherungsverwahrung und der vorbehaltenen Siche-
rungsverwahrung werden wir um eine weitere Vorschrift
ergänzen, die dem Umgang mit den wenigen Tätern, um
die es hier geht, Rechnung trägt. Das sind nämlich die
Täter, für die – wie in Sachsen-Anhalt – aus rechtlichen
Gründen oder aus tatsächlichen Gründen bislang nicht
Sicherungsverwahrung angeordnet werden konnte, weil
sich erst im Vollzug herausgestellt hat, dass von ihnen
eine erhebliche Gefährdung ausgeht.

Eine Regelung, die sich in dieses System einpasst,
muss im Großen und Ganzen dasselbe Verfahren wie bei
der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung beinhalten.
Das heißt, es gelten die Überprüfungsfristen wie bei der
Unterbringung nach § 66 StGB oder nach § 66 a StGB.
Das sichert zum einen die Rechte der Betroffenen und
ihre Chance darauf, entlassen zu werden, wenn eine Per-
son als nicht mehr gefährlich gilt. Auf der anderen Seite
ermöglicht es aber auch, einen Betroffenen gegebenen-
falls, also wenn es erforderlich ist, unbefristet in Siche-
rungsverwahrung zu behalten.

Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich fest-
gestellt, dass es hierbei um das überragende Schutzinte-
resse der Bürger im Hinblick auf Leben, auf körperliche
Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung geht.
Wir unterhalten uns deshalb – so meine wenigstens ich –
nicht über kleine Diebe oder kleine Betrüger und deren
nachträgliche Sicherungsverwahrung. Eine solche Aus-
dehnung wäre mit den Vorgaben, die das Gericht ge-
macht hat, wohl kaum zu vereinbaren.


(Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD])


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(C (D Wir müssen die Entscheidung – das werden wir im esetz so vorsehen –, ob eine nachträgliche Unterbrinung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen ist, an ine umfassende Gesamtwürdigung der Täterpersönlicheit, seiner Taten und seines Verhaltens im Vollzug nüpfen. Karlsruhe hat ganz eindeutig erkennen lassen, ass beispielsweise allein eine Therapieverweigerung als egründung für die Verhängung der Sicherungsverwahung nicht ausreicht. Wesentlich ist vielmehr – das urde in den Entscheidungen mehrfach betont – das esamtbild, das sich aus der Anlasstat und dem Verhalen im Vollzug ergibt. Wir werden zu diskutieren haben, ob wir nicht in die egelung auch diejenigen einbeziehen müssen, die sich icht in einer Strafhaft, sondern im Vollzug einer Maßreel nach § 63 StGB befinden, wenn sich nämlich heraustellt, dass die psychische Störung nicht mehr besteht nd sie damit aus der Psychiatrie zu entlassen wären, leichwohl aber ihre Gefährlichkeit festgestellt wird. azu ist bisher noch von niemandem ein Vorschlag voretragen worden. Diese Überlegung ist neu. Wir müssen ns gemeinsam darüber verständigen, wie wir diesen all regeln wollen. Zudem müssen wir eine Übergangsregelung – das erden wir auch tun – für diejenigen schaffen, die jetzt ufgrund dieser für verfassungswidrig erklärten Gesetze insitzen und die erst einmal überprüft werden müssen, he eine neue Sicherungsverwahrung gegebenenfalls erhängt werden kann. Das heißt, wir müssen uns geeinsam überlegen, wie wir es schaffen, dass diejenien, die aufgrund der Landesgesetze jetzt noch einsitzen, o lange in Gewahrsam bleiben, bis sie erneut begutachet worden sind und ein Gericht darüber entschieden hat, b die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung orliegen oder nicht. Um diese Punkte geht es aufgrund dieser Entschei ung hier. Sie sind überschaubar. Dadurch, dass diese undesregierung in der letzten Legislaturperiode schon as Instrument der vorbehaltenen Sicherungsverwahung eingeführt hat, auf das wir in der Systematik zuückgreifen können, bin ich auch sehr zuversichtlich, ass wir erstens sehr schnell einen Gesetzentwurf weren vorlegen können und ihn zweitens auch sehr schnell eraten können. Ich hätte die herzliche Bitte, dass die anfänglichen uisquilien darüber, wer denn nun mehr Schuld als der ndere habe, zurückgestellt werden, damit wir gemeinam auf alle Fälle wenigstens sicherstellen – (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist schon wichtig in der Politik!)


ich habe ja gesagt, was ich davon halte; ich glaube
icht, dass Sie dabei besser abschneiden –, den von
arlsruhe


(Zuruf des Abg. Dr. Norbert Röttgen [CDU/ CSU] – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD]: Schuld ist die eigene Unionsregierung! Das muss man immer wieder betonen!)







(A) )



(B) )


Bundesministerin Brigitte Zypries

– es redet überwiegend immer noch die Bundesjustizmi-
nisterin, Herr Röttgen – gesetzten Termin zu erreichen.
Eines ist doch klar: Es liegt im Interesse dieses Hauses
und auch im Interesse der Bundesländer, dass die Men-
schen, um die es hier geht, nicht freigelassen werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist ja auch nicht strittig, Frau Ministerin!)


Daran kann doch auch aller politischer Dissens nichts
ändern. Deswegen bitte ich sehr darum, dass das Gesetz
mit der gebotenen Eile, aber gleichzeitig mit der notwen-
digen Gründlichkeit hier im Hause beraten wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509109100

Ich erteile das Wort dem Kollegen Jörg van Essen,

FDP-Fraktion.


Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1509109200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

denke, dass es hier nicht, wie es die Bundesjustizminis-
terin gerade gesagt hat, um Quisquilien geht, sondern
Fragen zur Entscheidung anstehen, die ganz außeror-
dentlich wichtig sind und auch sorgfältig geprüft und de-
battiert werden müssen.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Richtig! Das hat sie gerade gesagt! Also reden Sie es nicht klein!)


– Hören Sie doch überhaupt erst einmal zu, bevor Sie
sich aufregen. Sie müssen ja offensichtlich sehr nervös
sein. Ich habe auch großes Verständnis dafür, dass Sie so
nervös sind. Ich werde darauf nämlich noch eingehen.

Auf der einen Seite haben wir das Verfassungsrecht
zu beachten, und zwar streng. Der Rechtsausschuss des
Deutschen Bundestages hat dazu Anhörungen durchge-
führt, die uns klare Aussagen gebracht haben, übrigens
auch von Sachverständigen, die von der CDU/CSU be-
nannt worden sind.

Auf der anderen Seite haben wir hochgefährliche Tä-
ter. Das hat offensichtlich das Bundesverfassungsgericht
dazu veranlasst, eine Übergangsregelung vorzusehen, in
der der Gesetzgeber die Chance hat nachzubessern. Man
hat wohl eine Gefahr darin gesehen, wenn diese Perso-
nen unmittelbar in die Freiheit entlassen würden.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Ungeprüft!)

Das ist ungewöhnlich. Hieraus ergibt sich damit auch
eine Verpflichtung für uns.

Trotzdem muss ich hier den Sachverhalt ansprechen,
dass ich bei kaum einer Frage während der Zeit, in der
ich Mitglied des Deutschen Bundestages bin, so viele
rechtliche Volten vonseiten der Koalitionsfraktionen wie
bei dieser erlebt habe. Als die CDU/CSU, übrigens wie
auch die FDP, die Auffassung vertrat, dass hier der Bun-
desgesetzgeber gefragt ist, hat der Kollege Stünker uns

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(C (D orgeworfen, wir befänden uns im strafrechtlichen Mitelalter. r hat ebenso klar wie damals der Vertreter des Bundesustizministeriums gesagt, dass es bei dieser Frage um efahrenabwehr gehe. Deshalb habe das Ganze im Bunesrecht nichts zu suchen. All diesen Auffassungen und uch Ihnen persönlich, Herr Kollege Stünker, ist vom undesverfassungsgericht eine schallende Ohrfeige verasst worden. Ich erkenne ja an, dass Sie irgendwann Ihre Meinung eändert haben und plötzlich auch für eine bundesrechtiche Regelung der Sicherungsverwahrung waren. Diese aben wir dann ja auch im Jahre 2002, übrigens mit den timmen der FDP, erabschiedet. Die Lösung, die wir damals gefunden haen, haben wir nach sorgfältiger Prüfung beschlossen. ir haben es uns nicht leicht gemacht. Ich persönlich äre bereit gewesen, weiter zu gehen, aber die Arguente der Verfassungsrechtler, dass das der Rahmen sei, n dem wir uns bewegen könnten, haben mich ganz auerordentlich überzeugt. Ich habe jetzt von der Bundesustizministerin keine neuen Argumente gehört, die uns egen die damaligen Auffassungen der Verfassungsechtler die Freiheit geben, das Ganze so zu regeln, wie s jetzt gerade hier skizziert worden ist. Ich will deshalb nkündigen, dass wir sehr sorgfältig und sehr genau als ine dem Rechtsstaat und der Verfassung verpflichtete artei prüfen werden, ob der Weg, der vom Bundesjusizministerium vorgeschlagen wird, gangbar ist. Eines will ich aber auch deutlich machen – damit omme ich auf den Beginn meiner Rede zurück –: Wir aben es hier mit hochgefährlichen Tätern zu tun. Nach einer Kenntnis sind im Augenblick fünf Personen in ieser besonderen Form der Verwahrung. Deshalb weren wir natürlich erneut und sorgfältig in die Prüfung intreten müssen, wie wir hier zu einer Lösung kommen önnen. Aber eines ist für die Liberalen ganz klar: Es muss ine verfassungsfeste Lösung sein. Denn es hilft uns ichts, wenn wir hier irgendetwas beschließen, was hinerher einer Prüfung durch das Bundesverfassungsgeicht nicht standhält. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Joachim Stünker [SPD]: Sehr gut!)


ch muss sagen: So klar das Urteil gewesen ist, es hat
ir nicht gefallen, dass diese Täter auch noch vom
öchsten deutschen Gericht Recht bekommen haben.
as hätten wir vermeiden können. Deshalb müssen wir
ie einzelnen Fragen bei den anstehenden Diskussionen
ehr sorgfältig prüfen. Das wird die Linie sein, mit der
ie FDP in diese Beratungen geht.
Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)







(A) )



(B)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509109300

Das Wort hat der Kollege Christian Ströbele,

Bündnis 90/Die Grünen.

(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Gucken wir mal, ob die Bedenken verflogen sind!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Dieses Urteil bietet nun wahrlich keinen Grund, von ei-
ner Ohrfeige zu sprechen, die die Bundesregierung oder
die Parlamentsmehrheit von Rot-Grün bekommen hät-
ten. Das Gericht hat sich große Mühe gegeben und in
erster Linie eine Zuständigkeitsfrage entschieden,
indem es festgestellt hat, dass – dafür spricht tatsächlich
vieles – nicht die Länder zuständig sind, sondern der
Bundesgesetzgeber.

Das Bundesverfassungsgericht hat aber nicht gesagt,
dass wir eine nachträgliche Sicherungsverwahrung brau-
chen; es hat nicht einmal gesagt, dass diese mit Sicher-
heit zulässig ist. Die Mehrheit der Richter des Bundes-
verfassungsgerichts hat ausdrücklich betont, dass eine
solche Regelung nicht von vornherein das Verdikt der
Verfassungswidrigkeit trägt. Das heißt, selbst dieses Ge-
richt kommt zu dem Schluss, dass ganz genau überlegt
werden muss, ob nicht beispielsweise das Rückwir-
kungsverbot und andere verfassungsrechtlich sehr wich-
tige Grundsätze gegen eine solche Regelung sprechen,
wie sie beispielsweise Bayern und Sachsen-Anhalt ge-
schaffen haben.

Das heißt, hier ist ein ganz wichtiger Abwägungspro-
zess vorzunehmen. Das haben wir vor. Eine Entschei-
dung ist zu treffen. Das Bundesverfassungsgericht sagt
nicht mehr, als dass der Bundesgesetzgeber entscheiden
soll, ob er selbst für eine Regelung sorgt,


(Zuruf von der [CDU/CSU]: Das ist das, was wir gefordert haben!)


ob er überhaupt ein zusätzliches Eingreifen für erforder-
lich hält oder ob der Bund den Ländern die Kompetenz
dafür überträgt. Es wäre durchaus denkbar, dass über-
haupt nichts geschieht, weil – so haben es die drei Rich-
ter des Bundesverfassungsgerichts, die die Minderheits-
meinung vertreten haben, formuliert – die Maßnahmen,
die schon heute möglich sind, ausreichen, zum Beispiel
Führungsaufsicht, Weisungen, Unterbringung in einer
psychiatrischen Anstalt und Ähnliches, um vor gefährli-
chen Tätern die Sicherheit zu wahren und die Bevölke-
rung vor ihnen zu schützen.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das müssen wir entscheiden!)


Das sind alles wichtige Fragen, die wir prüfen müs-
sen. Wir können nicht einfach ohne Prüfung wie Bayern
und Sachsen-Anhalt vorgehen, wie Sie es vorschlagen.

Meine Bedenken gegen die nachträgliche Sicherungs-
verwahrung – das sage ich Ihnen ganz deutlich – sind
durch die beiden Fälle, über die das Bundesverfassungs-
gericht mit zu entscheiden hatte, eher bestätigt worden.

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(C (D ir wissen – auch das Bundesverfassungsgericht hat das usdrücklich festgestellt – dass die Sicherungsverwahung und die nachträgliche Sicherungsverwahrung Regeungen sind, die die Nazis im November 1933 ins Strafesetzbuch eingeführt haben. Das sollte für uns alle ein rund sein, ganz genau hinzuschauen. Jeder Gefangene – auch Sie haben ja hin und wieder it ihnen zu tun – empfindet die Sicherungsverwahrung atürlich als Strafe ohne Schuld, die er zu erleiden hat, (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist keine Strafe!)


enn die strafrechtliche Schuld hat er ja bereits verbüßt.
enn die Gerichte in Bayern und in Sachsen-Anhalt die
efährlichkeit der beiden Männer, die jetzt weiterhin in
icherungsverwahrung sitzen, damit begründet haben,
ass sie sich keiner Therapie unterziehen wollten,


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! Das ist sachlich falsch!)


ann bestätigt das meine Bedenken. Gutachter dürfen
icht zu dem Ergebnis der Gefährlichkeit kommen, weil
as Fehlen einer Therapie nicht ausreicht. Selbst dem
undesverfassungsgericht war offensichtlich sehr un-
ohl, denn es hat gesagt, die Instanzgerichte seien auf-
efordert, die Entscheidung zu überprüfen und festzu-
tellen, ob die Gesamtwürdigung der Täter und der Taten
ine längere Unterbringung in der Sicherungsverwah-
ung überhaupt rechtfertigt.
Wenn ich all das berücksichtige, dann kann ich nur zu

em Ergebnis kommen: Wir haben nicht nur die Auf-
abe, eine Entscheidung zu fällen, sondern auch, noch-
als sehr gründlich abzuwägen. Insbesondere müssen
ir das beachten, was uns die drei Richter des Bundes-
erfassungsgerichts in ihrem Dissenting Vote mit auf
en Weg gegeben haben, nämlich dass es nach dem
ückwirkungsverbot, das aus guten Gründen Verfas-
ungsrang hat, eine äußerst problematische Angelegen-
eit ist – es ist fraglich, ob, in welchem Maße und mit
elchen Einschränkungen so etwas passieren kann –,
enn der Gesetzgeber eine Regelung erlässt, die für
enschen, die ihre Strafe bereits verbüßt haben, bedeu-

et, dass sie weiterhin jahrelang, möglicherweise ein
anzes Leben lang, in der Haft bleiben müssen.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Was ist Ihre Alternative?)


Diese Entscheidung werden wir uns nicht leicht ma-
hen. Bei dieser Entscheidung sind alle Möglichkeiten
ffen. Ich kann nur sagen: So wie es die beiden Länder
achsen-Anhalt und Bayern geregelt haben, so kann eine
egelung jedenfalls nicht aussehen und so darf sie nicht
ussehen, weil sie mit den Vorgaben, die das Bundesver-
assungsgericht in das Urteil geschrieben hat, inhaltlich
icht zu vereinbaren ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Jörg van Essen [FDP]: Was halten Sie von dem Gesetzentwurf?)

)






(A) )



(B) )



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509109400

Nächster Redner ist der Kollege Siegfried Kauder,

CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Siegfried Kauder (CDU):
Rede ID: ID1509109500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Situa-

tion ist viel zu ernst, um unlautere Argumente zuzulas-
sen, wie sie beispielsweise der Kollege Ströbele verbrei-
tet; denn er weiß ganz genau, dass eine Maßregel der
Besserung und Sicherung keine Strafe ist und dass das
Verbot der Doppelbestrafung ihr nicht entgegensteht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Erika Simm [SPD]: Er hat gesagt, es wird so empfunden! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat von der Empfindung gesprochen!)


Es brennt lichterloh. Was mich am meisten ärgert, ist
nicht, dass die Bundesjustizministerin versucht, den
schwarzen Peter im Kreis herumzutragen. Was mich
auch ärgert, ist der Umstand, dass wir unnötig sehr viel
Zeit verloren haben.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

Dass die landesrechtlichen Regelungen verfassungs-

rechtlich bedenklich sind, wissen wir nicht erst seit der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Fe-
bruar 2004. Man braucht nur bei Kinzig in der NJW
2001 auf Seite 1455 nachzulesen. Dort sind genau die
verfassungsrechtlichen Bedenken, wie sie sich aus der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergeben,
aufgeführt.

Wir müssen auch über konkrete Fälle sprechen. Der
Fall aus Sachsen-Anhalt betraf einen damals 17-Jähri-
gen, der die Schwägerin seiner Freundin mit einem
Hammer erschlagen hat, weil sie ihm nicht willfährig
war. Die Tat wurde zwei Tage später entdeckt. Der 2-jäh-
rige Sohn des Tatopfers saß blutverschmiert, verstört
und völlig unterkühlt neben seiner Mutter. Der Täter be-
kam damals in der alten DDR eine Jugendstrafe von
15 Jahren. Die Hälfte davon musste er absitzen. Zwei
Monate nach der Haftentlassung hat er versucht, eine
20-jährige Frau, die ihm ebenfalls nicht willfährig war,
zu erstechen. Diese Frau leidet noch heute an Nervenstö-
rungen und an einer Gehbehinderung. Ich sage das nur,
damit jeder weiß, wovon wir sprechen.

Frau Justizministerin, es ist vielleicht geboten, nicht
mit Häme auf eine zurückliegende Legislaturperiode zu
verweisen, sondern das Gesetz aus dem Jahre 1998, mit
dem in § 66 Abs. 3 StGB eine neue Vorschrift eingeführt
wurde, zu analysieren. Denn die beiden Fälle, über die
das Bundesverfassungsgericht jetzt entschieden hat, sind
so genannte Altfälle, weil die Taten vor dem Jahr 1998
liegen. Wären sie heute geschehen, könnten sie nach
dem jetzt bestehenden § 66 Abs. 3 StGB – das ist eine
Leistung nicht Ihrer, sondern unserer damaligen Regie-
rung –


(Erika Simm [SPD]: Wir haben zugestimmt!)


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(C (D ehr wohl gelöst werden. Die Sicherungsverwahrung, ie damals nach altem Recht nicht möglich war, wäre etzt nach § 66 Abs. 3 StGB möglich. Aber wir dürfen uns nicht hinter diesen Fällen verste ken. Es geht hier nämlich nicht allein um die Regelung on zwei Altfällen. Es geht schlicht und ergreifend um ie Problematik, dass sich manchmal erst im Strafvollug Persönlichkeitszüge eines Täters zeigen, die nach er Prognose des erkennenden Gerichts noch nicht festtellbar waren. Was liegt näher, als die Entwicklung des traftäters in der Strafhaft bei der Prognoseentscheidung ber seine Gefährlichkeit mit einzubeziehen? Also chreit doch genau das, was der Gesetzgeber früher chon wollte, nämlich eine sichere Prognoseentscheiung treffen zu können, nach der nachträglichen Sicheungsverwahrung. Ich räume natürlich ein: Dies ist kein einfach zu lö endes Problem, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie sie damals nicht eingeführt?)


eil sich hier die Sicherheit der Allgemeinheit und die
rundrechtlich geschützten Freiheitsrechte eines Straftä-
ers und Verurteilten gegenüberstehen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wahr!)


as ist ein Konflikt, den der Gesetzgeber zu lösen hat.
ur, da hat das Justizministerium schändlich versagt,
eit wurde verschenkt, die man jetzt aufholen muss.
enn haben wir dies bis zum 30. September dieses Jah-
es nicht geschafft, erhält die Bundesjustizministerin die
ote Karte und die zwei Straftäter – einen Fall habe ich
hnen geschildert; dieser Straftäter hat eine Frau umge-
racht und versucht, eine zu töten – sind dann auf freiem
uß. Das werden wir nicht wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Unsere Unterstützung haben Sie. Wir helfen mit, zu

iner sachlichen Lösung zu kommen. Aber wir lassen
ns nicht gefallen, dass Sie uns Dinge vorwerfen, die
echtlich nicht haltbar und politisch nicht vertretbar sind.
Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509109600

Ich erteile das Wort dem Kollegen Klaus Uwe
enneter, SPD-Fraktion.


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Mon Général!)



Klaus Uwe Benneter (SPD):
Rede ID: ID1509109700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach die-

em Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss eines
lar sein: Wir haben die gemeinsame Verantwortung,
chnell dafür zu sorgen, dass die Täter, um die es hier
eht, nicht zum 1. Oktober dieses Jahres freigelassen
erden.






(A) )



(B) )


Klaus Uwe Benneter


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Nehmen Sie unsere Entwürfe!)

Deshalb macht es keinen Sinn, Herr Kollege Kauder,
sich wechselseitig vorzuhalten, dass man die größere
Verantwortung wahrnehmen würde. Für uns gibt es in
dieser Frage kein Verstecken.

Es gab gute Gründe, dieses Problem zum Bereich der
präventiven Gefahrenabwehr zu zählen und es deshalb
landesgesetzlich zu regeln. Das Bundesverfassungsge-
richt hat dies jetzt anders gesehen und hat uns andere
Gründe vorgegeben. Anhand dieser Gründe werden wir
nun rasch, präzise, umfassend und vor allen Dingen
rechtzeitig ein entsprechendes Gesetz vorzulegen haben.
Eines jedenfalls ist uns klar: Diese Täter dürfen nicht in
Freiheit kommen. Die Gesellschaft muss die Sicherheit
haben, dass solche Täter in staatlichem Gewahrsam blei-
ben.


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Späte Erkenntnis!)


Die CDU/CSU hat dies 1998 – darauf ist wiederholt
hingewiesen worden – selbst so gesehen. Deshalb macht
es wenig Sinn, dem Kollegen Ströbele vorzuhalten, er
nehme hier eine unkorrekte Abwägung vor.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich halte es wirklich für eine Frechheit, wenn Sie mei-
nen, Sie müssten uns davor warnen, diese Verfassungs-
gerichtsentscheidung nicht korrekt zu deuten. Wir deuten
sie so, wie sie uns vorgegeben worden ist. In wenigen Ta-
gen wird uns die Bundesjustizministerin – das hat sie
schon angekündigt – einen entsprechenden Gesetzentwurf
vorlegen, einen Gesetzentwurf, in dem das Verfahren ge-
nau so ausgestaltet sein wird, wie wir es bereits für die
vorbeugende Sicherungsverwahrung vorgesehen haben.

Wir jedenfalls lassen keine Zweifel daran zu, dass
schwerstkriminelle Mörder und Sexualstraftäter nicht in
Freiheit kommen dürfen. Herr Kauder, Sie haben die
Scheußlichkeiten eines Falles dargestellt. Sie können si-
cher sein, dass keiner der hier Anwesenden dies anders
sieht. Deshalb besteht die gemeinsame Verantwortung,
das, was das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat,
in der Abwägung zwischen einerseits der Menschen-
würde, die sicher auch für Straftäter gilt, und anderer-
seits der Sicherung der Allgemeinheit umzusetzen. Da-
für sind wir bzw. ist der Staat zuständig. Wir haben diese
Abwägungen vorzunehmen, wobei es einerseits um
hochgefährliche Täter und andererseits um eine verfas-
sungsgerechte Lösung geht.

Dies werden wir – darauf können Sie sich verlassen –
leisten. Wir in dieser Koalition werden dies bei allen
Schattierungen, unterschiedlichen Ansätzen und bei al-
len Diskussionen, die darüber in der Vergangenheit statt-
gefunden haben, umsetzen und keinerlei Zweifel daran
aufkommen lassen, dass solche Täter auch für uns auf
Dauer hinter Schloss und Riegel gehören.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Ich erteile der Kollegin Michaela Noll, CDU/CSU raktion, das Wort. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Es gibt Tage, da macht das Zeitunglesen Spaß. iner war gestern, denn jetzt herrscht Klarheit. Sie könen es drehen und wenden, wie Sie wollen, Frau Miniserin: Sie sind jetzt an der Regierung. (Brigitte Zypries, Bundesministerin: Das ist wahr! – Joachim Stünker [SPD]: Richtig! – Lachen bei der SPD)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509109800
Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1509109900

o sieht es auch die Öffentlichkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


n den Zeitungen hieß es: „Eine schallende Ohrfeige für die
undesregierung“ – „Die Welt“, „Danke, ihr Richter“ –
Bild“-Zeitung, „Nun muss der Bund sich rühren“ – „Berli-
er Zeitung“.
Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsge-

ichts können die Menschen in Deutschland aufatmen –
nd ich auch.


(Lachen bei der SPD)

ndlich haben wir Rückendeckung für eine Rechtspoli-
ik bekommen, die Opferschutz höher als Täterschutz
ewichtet.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steht das in dem Urteil?)


m letzten Jahr haben wir hier an dieser Stelle immer
ieder eine Debatte über den Umgang mit gefährlichen,
icht therapierbaren Gewalt- und Sexualtätern geführt.
Wegschließen, und zwar für immer“ forderte Kanzler
chröder vor einiger Zeit, als in kurzen Abständen
leich mehrere Sexualmorde an Kindern verübt worden
aren. Das Thema wurde besetzt und es wurde auf Ver-
essen gesetzt.
Ich frage mich daher immer wieder, warum SPD und
rüne das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung nicht
rnst nehmen. Bei den Grünen fällt mir die Antwort
eicht: Geht es Ihnen, Herr Ströbele, vielleicht nur da-
um, Ihr politisch relevantes Klientel zu bedienen?


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, oh, Frau Kollegin, denken Sie doch mal nach, was Sie da sagen! – Dirk Manzewski [SPD]: Unerhört!)


Sie müssen sich gar nicht so aufregen. – Generelles
isstrauen und Widerwillen gegen Polizei, Staatsan-
altschaft und geschlossenen Vollzug sind die Hand-
chrift grüner Rechts- und Innenpolitik. Wie oft haben
ir dies in der Vergangenheit bereits erlebt! Sprechen
ir einmal Graffiti an,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sollen wir die auch in Sicherungsverwahrung bringen?)







(A) )



(B) )


Michaela Noll

sprechen wir die Verschärfung des sexuellen Miss-
brauchs an. Warum fiel es Ihnen damals so schwer, die
Grundtatbestände nach § 176 Abs. 1 und Abs. 2 StGB
bei Kindern als Verbrechen einzustufen? Deshalb for-
dere ich Sie jetzt auf: Schluss mit falscher Toleranz;
denn Toleranz hat dort ein Ende, wo Gefährdung der öf-
fentlichen Sicherheit anfängt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit diesem Urteil wird die Bundesregierung gezwun-

gen umzudenken. Räumen Sie endlich dem Opferschutz
Vorrang vor dem Täterschutz ein. Meine Damen und
Herren von der Regierungsbank, lassen Sie den vielen
Worten, die bereits gefallen sind, jetzt Taten folgen. Es
gilt, schnellstmöglich ein Bundesgesetz zu erlassen.
Deshalb sage ich an dieser Stelle: besser spät als nie. Bis
heute hat die Bundesregierung alle Vorschläge – es wa-
ren viele – hartnäckig mit der Begründung blockiert, die
Länder seien zuständig. Weit gefehlt! Diese Begründung
wurde mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
widerlegt. So haben auch Sie, sehr geehrter Herr Kollege
Stünker, eine kleine Nachhilfestunde bekommen. Müs-
sen wir von der Opposition denn der Bundesregierung
immer wieder ihre Verantwortung für den Schutz der
Allgemeinheit ins Bewusstsein rufen? Anscheinend ja.

Die Opfer mahnen uns zu handeln. Die Schicksale er-
mordeter Kinder wie Kim, Natalie, Tom und Sonja wer-
den uns begleiten.


(Joachim Stünker [SPD]: Was hat das denn hiermit zu tun? – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das nennt man Populismus in der schlimmsten Form! – Joachim Stünker [SPD]: Das ist unglaublicher Unfug! Keiner dieser Fälle hat hiermit etwas zu tun! Perfide ist das, unterste Kiste!)


Erwarten Sie bitte kein Verständnis von betroffenen El-
tern, wenn Sie in dieser Frage immer wieder verzögern
oder blockieren. Die Sicherungsverwahrung trifft keine
Unschuldslämmer. Darum geht es. In Sicherungsver-
wahrung kommen nur schwere Straftäter.

Zurzeit sitzen 300 schwere Sexualverbrecher und Ge-
walttäter in Sicherungsverwahrung, davon allein ein
Drittel bei mir in Nordrhein-Westfalen. Ich hatte vor kur-
zem selbst Gelegenheit, einen Sicherungsverwahrungs-
trakt in meinem Wahlkreis in Langenfeld zu besuchen.


(Erika Simm [SPD]: Das erste Mal in Ihrem Leben wahrscheinlich!)


Die dort einsitzenden Rückfalltäter werden hoffentlich
keinem Unschuldigen mehr etwas tun.

Die Frist läuft. Sie haben bis zum 30. September Zeit.
So lange müssen die in den unterschiedlichen Bundes-
ländern inhaftierten Sexualstraftäter in Haft bleiben. Ich
sage Ihnen: Das ist gut so.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber es ist ein Armutszeugnis für die Regierung, dass
das Bundesverfassungsgericht trotz Verfassungswidrig-
keit der Landesgesetze darauf bestehen muss, dass die
Straftäter in Haft bleiben. Damit war sich das Bundes-

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(C (D erfassungsgericht seiner Verantwortung bewusst. Anerenfalls würden sich die hier viel zitierten „tickenden eitbomben“ wieder unter das Volk mischen. Ich werde nicht lockerlassen, bis wir in Deutschland in Gesetz haben, mit dem besonders gefährliche Strafäter weggesperrt werden können, und zwar notfalls für mmer. Sie, Herr Ströbele, haben wieder nur für die Täter ge prochen und nicht für die Opfer. Gebetsmühlenartig iederhole ich deshalb meine alte Forderung: Opferchutz vor Täterschutz! un sind Sie am Zug. Nach Ihrem Vortrag, Frau Miniserin, habe ich die Hoffnung, dass sich endlich etwas tut. s ist höchste Zeit. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Jerzy Montag, Bündnis 90/ ie Grünen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kol egin Noll, vor fünf Minuten hat Ihr Kollege Kauder die and zu einer sachlichen Diskussion ausgestreckt. Nach hrer Rede ist alles schon wieder vorbei. Bei solcher boenlosen Phraseologie, solchem Populismus und solchen ngriffen gegen den Kollegen Ströbele persönlich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


(Erika Simm [SPD]: Die haben Sie erfunden?)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509110000
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509110100

erden wir es offensichtlich nicht schaffen, mit Ihnen
achlich über diese ganz schwierige Frage zu reden.
Natürlich hat das Bundesverfassungsgericht uns eine

nge Frist gesetzt, zu handeln. Wir werden auch handeln,
ie es der Kollege Ströbele beschrieben hat.


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Um Gottes willen!)


ir werden uns ganz genau überlegen, was zu tun ist,
nd werden in der gebotenen Frist und Eile das Richtige
un.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Was ist denn das Richtige?)


Das Bundesverfassungsgericht hat aber eine noch ei-
igere Entscheidung angemahnt. Es hat die Gerichte, die
ach Landesrecht die nachträgliche Sicherungsverwah-
ung gegen die noch fünf Betroffenen angeordnet haben,
ufgefordert, unverzüglich ihre Entscheidungen zu über-
rüfen, und zwar nicht anhand der materiell verfassungs-
idrigen Kriterien der Landesgesetze, sondern nach der
ntscheidung des Bundesverfassungsgerichts.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

s ist durchaus möglich, dass diese Menschen von den
erichten freigelassen werden, wenn die verfassungsge-






(A) )



(B) )


Jerzy Montag

mäßen Kriterien des Verfassungsgerichtsurteils auf diese
Fälle angewendet werden.


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Weil Sie das Gesetz verweigern! – Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Wer hat denn die Länder genötigt, so zu handeln?)


Warten wir ab, wie diese Entscheidungen aussehen wer-
den.

Meine Damen und Herren, wir Grüne und auch die
Kollegen der SPD hatten schwere verfassungsrechtliche
Bedenken gegen die nachträgliche Anordnung der Si-
cherungsverwahrung. Ich persönlich kann sagen: Wir
haben sie weiterhin. Das Bundesverfassungsgericht hat
nun gesagt, eine nachträgliche Anordnung einer präven-
tiven Verwahrung noch inhaftierter Straftäter sei „bei
entsprechend enger Fassung nicht von vornherein“ ver-
fassungswidrig. Einen engeren Korridor kann ich mir
kaum vorstellen.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Natürlich ist er eng!)


Deswegen gilt es, diesen engen Korridor, innerhalb des-
sen eine verfassungsmäßige Regelung überhaupt nur
möglich ist, jetzt schnell auszuloten.


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: So ist es! Wir müssen diesen Spielraum nutzen!)


Dazu will ich an dieser Stelle in der gebotenen Kürze
drei Gedanken vortragen.

Erstens. Das Gericht hat gesagt, dass die Bindung der
Sicherungsentscheidung an die Straftat weiterhin das
entscheidende Element ist.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Eben!)

Das bedeutet, dass die Bindung an das Bundesrecht nicht
nur formal – über das Strafrecht –, sondern auch verfah-
rensmäßig und materiell ist: Auch die nachträgliche An-
ordnung der Sicherungsverwahrung ist in erster Linie an
die Straftat zu binden, die begangen worden ist.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Haben wir immer gesagt!)


– Jetzt sagen Sie es hier: Ja, so ist es. – Aber in den Geset-
zen, die für verfassungswidrig erklärt worden sind, ist ge-
nau dies nicht beachtet worden. Das Bundesverfassungs-
gericht hat in mehr als deutlicher Art und Weise gesagt,
dass das bayerische Gesetz nicht nur formal – wegen Un-
zuständigkeit –, sondern auch inhaltlich verfassungswid-
rig ist, weil es im Wesentlichen auf das Nachtatverhal-
ten, insbesondere auf das Verhalten in der Strafhaft und
eine angeblich verweigerte Teilnahme an einer Resozia-
lisierungsmaßnahme, abzielt.

Das werden wir nicht tun; denn das wäre tatsächlich
verfassungswidrig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Auch bei einer nachträglichen Anordnung bleibt es da-
bei, dass die Straftat der Ausgangspunkt der Überlegun-
gen sein muss und dass das Verhalten danach lediglich

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(C (D ls ergänzendes Argument, wie das Verfassungsgericht chreibt, herangezogen werden kann. Deswegen bin ich ersönlich im Übrigen auch gegen eine Öffnungsklausel. enn ich will nicht, dass die Bayerische Staatsregierung r verfassungswidriges Gesetz noch einmal aus der Tache ziehen und mittels einer Öffnungsklausel als Lanesgesetz einführen kann. (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Die wollen das nicht! Keine Sorge!)


Der zweite Punkt, zu dem ich etwas sagen möchte,
t: Das Bundesverfassungsgericht sagt, dass eine nach-
ägliche Sicherungsverwahrung die umfassende Würdi-
ung der Täterpersönlichkeit voraussetzt. Das bedeutet,
ass eine umfassende Begutachtung notwendig ist. Es
äre sogar besser – hier übernehme ich gern eine Idee
us dem bayerischen Landesgesetz –, wenn dabei zwei
achverständige eingesetzt würden und wenn sie externe
achverständige und nicht solche, die aus dem Vollzug
ommen, wären.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Ja, alles CDU/CSU-Entwürfe!)


uch sagt das Bundesverfassungsgericht, dass sehr hohe
aßstäbe an die Qualität dieser Gutachten anzulegen
ind, weil in den Gutachten immer Unschärfen in der
rognosebildung vorhanden sind.


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Das wissen wir doch alles! Das tun wir doch seit Jahren!)


ch bin dafür, dass wir uns tatsächlich Gedanken darüber
achen, wie wir die hohe Qualität gerade dieser Aus-
ahmeentscheidungen verfassungsfest im Gesetz veran-
ern.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist alles unsere Auffassung!)


Mein dritter Punkt. Ein rechtsstaatliches Verfahren
uss der Tatsache Rechnung tragen, dass auch die nach-
ägliche Sicherungsverwahrung keine isolierte Straf-
ollstreckungsentscheidung, sondern eine echte Ergän-
ung des Sachurteils im Erkenntnisverfahren ist.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509110200

Herr Kollege!

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509110300

– Ich komme zu meiner letzten Bemerkung.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509110400

Wie schön.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist alles richtig, Herr Präsident!)



Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509110500

Meine Damen und Herren, das bedeutet, dass wir uns
edanken darüber machen müssen, dass es sich um eine
ffentliche Verhandlung handeln wird, dass eine umfas-
ende Beweisaufnahme durchgeführt wird, dass eine
olle Verteidigungsmöglichkeit gegeben wird und dass






(A) )



(B) )


Jerzy Montag

die Rechtsmittel auch in diesem Verfahren aufrechterhal-
ten werden.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Ich stimme Ihnen vollkommen zu! Das ist unser Entwurf!)


Das sind meiner Meinung nach die drei Punkte, –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509110600

Sie hatten aber Ihre letzte Bemerkung angekündigt.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509110700

– die in die Debatte eingebracht werden müssen.

Dann werden wir schnell ein gutes und verfassungsge-
mäßes Gesetz zustande bringen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Hoffentlich!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509110800

Herr Kollege Röttgen, auch wenn ein Redner nach

Auffassung der Opposition etwas Richtiges sagt, wird
deswegen nicht seine Redezeit verlängert. Das gilt im
Übrigen auch bei umgekehrter Rollenverteilung.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das wäre aber eigentlich gerecht!)


Nun hat die Kollegin Dorothee Mantel, CDU/CSU-
Fraktion, das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1509110900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die

Sicherungsverwahrung wird nicht nur in Deutschland dis-
kutiert. Am vergangenen Wochenende gab es in der
Schweiz eine Volksabstimmung zu diesem Thema.
56 Prozent der Bevölkerung stimmten für die Möglichkeit
einer Anordnung der Sicherungsverwahrung und 24 der
26 Kantone sprachen sich mehrheitlich dafür aus. Auch in
Deutschland besteht dringender Handlungsbedarf. Das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag die-
ser Woche hat eines gezeigt: Die Bundesregierung hat
jahrelang falsche Tatsachen über die Zuständigkeit ver-
breitet. Jetzt hat die Bundesregierung die Quittung für
ihre Untätigkeit bekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Vergangene Woche hat die Bundesjustizministerin

eine Rückfallstatistik vorgelegt. Diese Untersuchung
sollte eine Grundlage für künftige Vorhaben im Justizbe-
reich schaffen. Ich hoffe sehr, dass sich die Bundesregie-
rung auch bei der Sicherungsverwahrung zum Handeln
aufgefordert sieht.


(Zuruf von der SPD: Das ist unglaublich!)

Denn die Union hat schon oft genug darauf hingewie-
sen, dass der Bund in diesem Bereich ein Gesetz auf
den Weg bringen muss. Das Urteil des Bundesverfas-

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(C (D ungsgerichts ist für die Bundesregierung daher eine lare Niederlage. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für welche? – Gegenruf des Abg. Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Wir haben doch nur eine!)


iese hat es bislang abgelehnt, bundesweit eine einheit-
iche Regelung zu schaffen.


(Zuruf der Abg. Erika Simm [SPD])

Liebe Frau Kollegin, wenn einem die Sorgen und Pro-
leme der Bevölkerung am Herzen liegen, dann, so
laube ich, ist es nicht nur Juristen gestattet, über dieses
hema zu sprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

ine meiner Kolleginnen, die dort hinten Platz genom-
en hat, sagt immer, dass auch wir, die wir nicht Juris-
en sind, gesunden Menschenverstand haben.
Ich möchte noch einmal auf die Rückfallstatistik ein-

ehen. Denn die Erklärung, die das Bundesjustizministe-
ium zur Rückfallstatistik vorgelegt hat, stimmt mich
eniger positiv. Die Verfasser der Studie kommen zu
em Ergebnis, dass die Rückfallquote bei Strafen mit
reiheitsentzug höher ist als bei zur Bewährung ausge-
etzten Strafen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann nehmen wir die alle in Sicherungsverwahrung! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die Rückfälle auch noch in die Sicherungsverwahrung, oder was?)


Auf Sie beide komme ich später noch zu sprechen. – Das
undesjustizministerium interpretiert dies so, dass leich-
ere Strafen zu weniger Rückfällen führen. Tatsächlich
ber werden Bewährungsstrafen eher bei schon positiven
ozialprognosen ausgesetzt. Man sollte also sehr vor-
ichtig sein, wenn man hier mit Ursache und Wirkung
rgumentiert. Es ist ein Trugschluss, zu glauben, dass im
inzelfall eine zur Bewährung ausgesetzte Strafe sinn-
oller wäre.
Die Sicherungsverwahrung ist eine notwendige und

innvolle Regelung, denn nicht immer können mögliche
efahren, die von Tätern ausgehen, schon im Zuge einer
erurteilung erkannt werden. Wer dem nicht zustimmen
ann, sollte sich fragen, ob er nicht an einem falschen
enschenbild festhält. Leider gibt es in Ihren Reihen
och immer viele Anhänger der Theorie, dass ein
ensch immer Opfer der gesellschaftlichen Umstände
ei, demnach auch ein Sexualstraftäter Opfer der gesell-
chaftlichen Umstände sei. Das ist doch eine verkehrte
elt, meine Damen und Herren, vor allem, wenn die
irklichen Opfer den Eindruck haben müssen, dass sich
ie Politik mehr um die Täter sorgt als um sie.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will die Dinge ganz offen beim Namen nennen:

hre falsche Täter-Opfer-Einstellung führt in vielen Be-
eichen des Strafrechts und der Innenpolitik zu großen
roblemen. Immer steht der falsch verstandene Schutz






(A) )



(B) )


Dorothee Mantel

Einzelner im Vordergrund, aber nicht der Schutz der Be-
völkerung, der Schutz der Menschen in unserem Land.


(Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Sperrt sie doch alle weg!)


Wenn ich mit jungen Müttern diskutiere, wie soll ich ih-
nen das erklären? Es geht nämlich um die richtige Ba-
lance zwischen Schutz und Freiheit. Doch leider ist die
Linke in einem falschen Menschenbild verhaftet.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Anders kann ich auch mir selbst die Aussagen einiger
Kollegen nicht erklären. Herr Montag, Sie machen im-
mer ganz erhebliche verfassungsrechtliche Vorbehalte
gegen die nachträgliche Sicherungsverwahrung geltend.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Verfassungsgericht macht das!)


Da stimmt doch etwas nicht! Der Schutz der Bevölke-
rung kann und darf doch nicht weniger hoch wiegen als
die Sorge um die Täter!


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie einmal das Grundgesetz, Frau Kollegin!)


Die ersten Reaktionen der Bundesregierung machen
nicht den Eindruck, als wolle man aus dieser Niederlage
lernen. Bundesinnenminister Schily hat das Urteil zwar
begrüßt. Es bleibt aber zu hoffen, dass er nicht schon ein
Unheil ahnt, nämlich dass bis September nichts passie-
ren wird. Mit der Aussage, er begrüße, dass Frau Zypries
die ersten Schritte schon eingeleitet habe, macht er hof-
fentlich nicht klar, dass er die Verantwortung dem Justiz-
ministerium alleine überlässt.

Ich möchte daher die Bundesregierung auffordern,
mitzuhelfen, dass bis September dieses Jahres eine ge-
setzliche Regelung geschaffen wird. Die Zeit drängt: Bis
zum 30. September muss der Bund eine Regelung schaf-
fen. Einfach wird das nicht. Frau Zypries, ich setze
meine Hoffnungen auch auf Sie! Doch selbst wenn Sie
es wollten – mit einem Ströbele an dem einen Bein und
einem Montag an dem anderen Bein, da kann man kei-
nen Schritt nach vorne machen.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber „an der Seite“ schon! Wir sind an der Seite der Ministerin!)


Die Verhinderer werden weiterhin im Stillen ihr Werk
betreiben. Jeder in der Koalition, der sich nicht dagegen
wehrt, handelt verantwortungslos! Stellen Sie sich jetzt
Ihrer Verantwortung, meine Damen und Herren von der
Koalition! Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt,
dass Sie nicht mehr länger untätig bleiben dürfen. Die
Bevölkerung hat ein Recht darauf, vor Gefahren ge-
schützt zu werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Nächster Redner ist der Kollege Hans-Peter Kemper, PD-Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! enn ich die verzweifelten Bemühungen insbesondere er CDU-Damen sehe, dieses Gerichtsurteil in eine Nieerlage für die Regierung umzudeuten, habe ich erheblihe Zweifel, ob es zu der Gemeinsamkeit, die Herr auder in Aussicht gestellt hat, kommen kann und komen wird. (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Daran zweifeln Sie doch nicht wirklich! – Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Es ist halt, wie es ist!)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509111000
Hans-Peter Kemper (SPD):
Rede ID: ID1509111100

ch glaube, auf die Reden, die Sie hier gehalten haben,
uss man nicht näher eingehen. Ich will mich auch nicht
arauf einlassen, wer nun wem eine schallende Ohrfeige
erpasst hat; ich glaube, das wird der Sache nicht ge-
echt.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das hat etwas mit Verantwortung zu tun!)


Ich werde mich an dem rechtspolitischen Exkurs
icht beteiligen, sondern will einige Gedanken als In-
enpolitiker beitragen. Nachdem ich in meinem ersten
eben mehr als 30 Jahre mit der Verbrechensbekämp-
ung in der Praxis zu tun hatte, nämlich als Polizeibeam-
er täglich mit ihr konfrontiert war, widme ich mich
ämlich seit nunmehr über zehn Jahren politisch der in-
eren Sicherheit.
Wir haben bei der inneren Sicherheit zwei Grundsäu-

en zu beachten. Da ist zum einen die Repression: Wir
üssen begangene Straftaten aufklären, den Täter ermit-
eln und der Bestrafung zuführen, und zwar nicht allein,
m dem Strafanspruch des Staates gerecht zu werden.
ein, ich habe die Erfahrung gemacht, dass es auch dem
pfer und den Angehörigen der Opfer ein wichtiges An-
iegen ist, dass Straftaten aufgeklärt und die Täter be-
traft werden. Hier brauchen wir von Ihnen keinen
achhilfeunterricht; das machen wir seit Jahren, da gibt
s überhaupt keine Meinungsverschiedenheiten.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das wäre ja noch schöner!)


Die zweite Grundfeste ist die Prävention. Bei der Prä-
ention geht es in erster Linie darum, Straftaten zu ver-
indern. Dazu gehört, dass Straftäter, die in hohem Maße
efährlich sind, in Sicherungsverwahrung kommen kön-
en. Die Strafen reichen oftmals nämlich nicht aus. Eine
ebenslange Freiheitsstrafe dauert bei uns kein Leben
ang; das ist allen bekannt. Es gibt ein Leben nach dem
ebenslänglich. Es muss uns nun darum gehen, die we-
igen Lücken, die bestehen, zu schließen.
Das Verfassungsgericht hat in seinem Urteil die Frage

eklärt, wer zuständig ist. Jetzt geht es darum, dass wir
as Richtige tun. Wir werden das angehen. Ob Sie, Herr
auder, mitmachen oder nicht, bleibt Ihnen überlassen.






(A) )



(B) )


Hans-Peter Kemper

Ich finde aber, es wäre gut, wenn wir in dieser wichtigen
Frage gemeinsam etwas auf den Weg bringen würden.


(Beifall bei der SPD)

Es steht grundsätzlich völlig außer Frage: Jeder Straf-

täter hat eine Chance auf Rehabilitation, eine zweite
Chance verdient. Ob er diese Chance aber bekommt,
muss bei erkennbaren Risiken ganz besonders geprüft
werden. Es kann nicht angehen, dass Menschen auf
freien Fuß kommen, die erkennbar eine Gefahr für
potenzielle Opfer darstellen. Das wollen wir nicht. Des-
wegen werden wir handeln.

Es gibt – das wissen wir alle – keinen Rundumschutz
und keine hundertprozentige Sicherheit, bei Ersttätern
sowieso nicht. Über das mögliche Verhalten von Erst-
tätern gibt es keine Erkenntnisse, es hilft also auch keine
Sicherungsverwahrung. Wir können bestenfalls die all-
gemeine Prävention, die Primärprävention stärken, was
wir im Übrigen auch tun werden. Wir müssen aber alles
tun, um gefährliche Triebtäter mit extrem ungünstiger
Prognose, die Wiederholungstäter sind, nicht wieder in
die Freiheit entlassen zu müssen. Diese Täter sind in der
Regel Karrieretäter, ihre Tötungs- und Sexualdelikte wa-
ren nicht ihre erste Straftat. Sie haben eine kriminelle
Karriere hinter sich.

Darauf müssen wir reagieren. Die Menschen erwarten
von uns, dass sie in Sicherheit leben und ein Leben ohne
Angst führen können. Sie haben einen Anspruch darauf,
vor gefährlichen Tätern geschützt zu werden. Hierzu
werden wir alle legalen Mittel ausschöpfen, die wir ha-
ben. Dabei spanne ich den Bogen von der Ausschöpfung
der Möglichkeiten bei der DNA-Analyse bis zur Siche-
rungsverwahrung.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Aha! Das ist sehr interessant!)


Das kann auch bedeuten, dass Straftäter nach Verbüßung
ihrer Taten noch lange Zeit in Sicherungsverwahrung
bleiben müssen. Dabei spielt natürlich auch ihre Ent-
wicklung in der Haftanstalt eine Rolle. Wir werden auf
Bundesebene also kurzfristig das jetzt entstandene Va-
kuum schließen. Das werden wir entschlossen tun.

Ich will einen weiteren Aspekt ansprechen, bei dem
wir keinen Nachhilfebedarf haben. Es kann gelegentlich
Zielkonflikte bei der Beurteilung von Täter und Opfer
geben. Jeder von uns neigt dazu, zunächst einmal die
Karriere eines Täters zu beleuchten. Dabei kommt man
vielleicht zu dem Schluss, dass derjenige eine schwere
Kindheit und es in seinem Leben nicht leicht gehabt hat
und dass man ihm helfen müsse. Das sollten wir auch
tun. Aber wo es einen Zielkonflikt zwischen der Beurtei-
lung der Vergangenheit des Täters und der Beurteilung
der Zukunft der potenziellen Opfer gibt, entscheiden wir
in der Koalition uns ganz eindeutig zugunsten der Zu-
kunft der potenziellen Opfer. Ich fordere Sie auf: Ma-
chen Sie mit! Wir haben keinen Nachholbedarf an Ihren
Ratschlägen.


(Siegfried Kauder [Bad Dürrheim] [CDU/ CSU]: Machen Sie beim Täter-Opfer-Aus s n C r U b h d l i z b g R c w e v S a n v D n s d E f s D r a i (C (D gleich mit! Machen Sie auch beim Opferschutz im Jugendstrafverfahren mit!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509111200

Darauf kann Kollege Kemper nicht mehr eingehen, da

eine Redezeit abgelaufen ist. Das muss im Ausschuss
achgeholt werden.
Das Wort hat nun die Kollegin Kristina Köhler, CDU/
SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Kristina Köhler (CDU):
Rede ID: ID1509111300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en! Das Bundesverfassungsgericht bestätigt mit seinem
rteil die Rechtsauffassung von CDU und CSU. Wir ha-
en schon mehrfach auf die gefährliche Gesetzeslücke
ingewiesen und uns wiederholt dafür eingesetzt, dass
ie nachträgliche Sicherungsverwahrung bundesgesetz-
ich geregelt wird.
Die Hoffnung der Bundesregierung, die Zuständigkeit

n dieser für sie heiklen Frage auf die Länder abzuwäl-
en und damit ihre koalitionsinterne Uneinigkeit zu ver-
ergen, wurde durch das Urteil des Bundesverfassungs-
erichtes zunichte gemacht. Das Meinungsspektrum von
ot-Grün zum Umgang mit gefährlichen Gewaltverbre-
hern weist nämlich ein beachtliches Ausmaß auf. Dies
urde auch heute wieder deutlich. Da haben wir zum
inen die öffentlichkeitswirksam in der „Bild“-Zeitung
orgebrachte Forderung des zürnenden Kanzlers,
exualverbrecher gehörten für immer weggesperrt. Zum
nderen haben wir den Kommentar des grünen Abgeord-
eten Christian Ströbele, die nachträgliche Sicherungs-
erwahrung sei Freiheitsentzug für Unschuldige.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! So ist es! – Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)


ies ist im „Neuen Deutschland“ vom 5. Februar 2004
achzulesen. Herr Ströbele hat gerade „richtig“ dazu ge-
agt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch so! Die Schuld ist beendet, da abgesessen!)


Keine der beiden Positionen wird dem Problem, um
as es heute geht, auch nur im Entferntesten gerecht.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


in pauschales Wegsperren für immer kommt nicht in-
rage, weil dem das Grundrecht auf Freiheit entgegen-
teht.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich aus Ihren Reihen vorhin aber anders gehört!)


ie Abwägung der kollidierenden Prinzipien – Grund-
echt auf Freiheit einerseits und Schutz der Bevölkerung
ndererseits – kann nämlich niemals pauschal, sondern
mmer nur im Einzelfall erfolgen.






(A) )



(B) )


Kristina Köhler (Wiesbaden)



(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


Nicht jeder Straftäter wandert automatisch in die Siche-
rungsverwahrung, sondern nur diejenigen, bei denen
Umstände und Motive der Tat sowie die individuelle
Entwicklung während der Haft einen solchen Schritt als
Ultima Ratio notwendig machen.

Herr Ströbele glaubt nun andererseits aber, es sei
seine Pflicht, „unschuldige“ entlassene Schwerverbre-
cher vor Freiheitsentzug zu schützen. Ihm muss ebenso
entschieden widersprochen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer die Sicherungsverwahrung als letztes Mittel aus-
schließt, riskiert wissentlich neue Opfer. Zur Erinnerung:
Wir sprechen hier über Sexual- und Gewaltverbrecher,
die sich in der Haft jeder Therapie und jedem Versuch ei-
ner Resozialisierung gegenüber resistent gezeigt haben.
Darunter sind Mörder und Vergewaltiger, die bereits im
Gefängnis ankündigen, wie sie ihr nächstes Opfer zu
quälen gedenken und welche Richter und Vollzugsbeam-
ten auf ihrer Todesliste stehen. Wer hier von Freiheits-
entzug für Unschuldige spricht, der macht Täter zu Op-
fern und blendet den Schutzanspruch der Bevölkerung
völlig aus.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil

über die nachträgliche Sicherungsverwahrung dem Um-
gang mit Gewaltverbrechern enge verfahrensrechtliche
Grenzen gesetzt. Danach ist ein leichtfertiger Umgang
mit der Sicherungsverwahrung ausgeschlossen. Auch
verurteilte Gewaltverbrecher in Sicherungsverwahrung
müssen die reelle Chance haben, durch eine persönliche
Veränderung wieder in Freiheit zu gelangen. Dass es
eine kleine Gruppe gibt, die sich in Freiheit vermutlich
sofort wieder neue Opfer suchen wird, ist eine bittere Er-
kenntnis. Daraus Konsequenzen zu ziehen und vernünf-
tig zwischen dem Schutzanspruch der Bevölkerung und
den Freiheitsrechten der Täter abzuwägen ist sehr viel
schwieriger, als es die Äußerungen von Gerhard
Schröder und Christian Ströbele vermuten lassen.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Auch die aus Ihren eigenen Reihen!)


In Anbetracht dieser stark divergierenden Rechts-
verständnisse der Koalitionsfraktionen, die uns heute
wieder deutlich gemacht wurden, habe ich erhebliche
Zweifel, dass es die Regierung schafft, dem Auftrag des
Bundesverfassungsgerichtes nachzukommen und bis
zum 30. September 2004 eine bundesgesetzliche Rege-
lung auf den Weg zu bringen.

Rot-Grün hat den berechtigten Schutzanspruch der
Bevölkerung lange genug ignoriert. Heute haben Frau
Ministerin Zypries und Herr Benneter angekündigt, ein
entsprechendes Gesetz vorzulegen. Das ist zwar eine
späte, aber auch eine gute Einsicht. Mit Ihrem grünen
Koalitionspartner werden Sie hier aber nicht weit kom-
men. Deswegen wäre die SPD gut beraten, in diesem

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(C (D unkt mit der Fraktion der CDU/CSU zusammenzurbeiten. Nächste Rednerin ist die Kollegin Erika Simm, SPD raktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! rau Mantel, ich bin nicht der Meinung, dass zu diesem hema nur Juristen oder Juristinnen sprechen sollten. (Dorothee Mantel [CDU/CSU]: Sie haben es so hineingerufen!)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509111400

(Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD])

Erika Simm (SPD):
Rede ID: ID1509111500

Nein, das habe ich nicht gesagt. Da haben Sie etwas
issverstanden. – Ich erwarte aber schon, dass sich Poli-
ikerinnen und Politiker – ich verallgemeinere und be-
iehe das nicht nur auf Sie – der verfassungsrechtlichen
mplikationen der hier zu treffenden Entscheidungen ei-
igermaßen bewusst sind, sich dieser also vergewissern,
nd dass sie nicht leichtfertig darüber hinwegreden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich hatte den Eindruck, dass einige Kollegen der
nion – nicht alle – so tun, als könne man dieses Gesetz
al schnell nebenbei erarbeiten, als habe dieses Thema
estenfalls den Stellenwert der Herabsetzung der inner-
tädtischen Geschwindigkeit von 50 auf 40 Stundenkilo-
eter, wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass dann die
ufregung größer wäre. Einige Redner sind sich in ihren
eiträgen offenbar der Tatsache, dass wir uns hier in ei-
em schwierigen verfassungsrechtlichen Abwägungs-
rozess zwischen Freiheitsrechten, verfassungsrechtli-
hen Garantien für das Strafverfahren und das Strafrecht
owie dem berechtigten Anspruch der Bevölkerung, vor
ußerst gefährlichen Straftätern geschützt zu werden, be-
inden, den wir leisten müssen und dem wir gerecht wer-
en müssen, nicht hinreichend bewusst bzw. haben sich
m der plakativen Wirkung willen leichtfertig darüber
inweggesetzt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich bin darüber etwas unglücklich, weil wir in der
ergangenheit – ich habe alte Diskussionen mit vollzo-
en, da ich die ganze Zeit Mitglied des Rechtsausschus-
es war – im Rechtsausschuss in den Anhörungen über
eite Strecken sehr viel seriöser, gewissenhafter und
erantwortungsvoller darüber diskutiert haben, ob es
öglichkeiten gibt, die Sicherungsverwahrung auszu-
ehnen und den Schutz vor besonders gefährlichen Ge-
altverbrechern zu verbessern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Marco Wanderwitz [CDU/ CSU]: Aber nichts gemacht!)


Ich bin auch nicht der Meinung, dass diese Diskussio-
en ohne Ergebnis geblieben sind. Ich darf Sie daran






(A) )



(B) )


Erika Simm

erinnern: Wir haben beiläufig eine Bestandsaufnahme
gemacht und festgestellt, dass es im Vollzug einen ekla-
tanten Mangel an Therapieangeboten und besonders an
qualifizierten Therapieangeboten gibt. Wir haben mit-
einander darüber diskutiert, wie schwierig es ist, auf die-
sem Gebiet richtige Prognosen zu stellen. Wir haben da-
rüber gesprochen – das hat auch Konsequenzen
gehabt –, dass die Ausbildungsmöglichkeiten und -ange-
bote im Bereich der universitären Ausbildung und der
Forensik unzureichend sind. Wir haben über die Frage
der Qualifikation von Gutachtern geredet. Da ist einiges
verändert und viel an Problembewusstsein erzeugt wor-
den. Ich bin deswegen unglücklich darüber, dass wir
durch die Art und Weise, wie diese Diskussion hier ge-
führt wird, das, was wir auf diesem Felde an Arbeit ge-
leistet haben, ein Stück weit selber entwerten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich appelliere an uns alle, dass wir uns nicht gegensei-
tig den ernsthaften Willen absprechen, den Schutz vor
gefährlichen Straftätern zu verbessern. Dieser ernsthafte
Wille verbindet uns. Daran sollten wir festhalten und ge-
meinsam nach Lösungen suchen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Finden von Lösungen ist nicht so einfach, wie
manchmal in den Reden der Eindruck erweckt wird. Ge-
rade das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat bei
mir eine Menge Fragen aufgeworfen.


(Joachim Stünker [SPD]: Sehr richtig!)

Ich frage mich, wie wir dem gerecht werden sollen.


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Das fragen wir uns auch!)


Ich darf daran erinnern: In dem Urteil steht, dass die
Entscheidung darüber, ob es sich um einen entsprechend
gefährlichen Straftäter handelt, von dem weitere Taten
zu erwarten sind, auf ein sorgfältig substanziiertes Prog-
nosegutachten gestützt werden muss. Es gibt den Hin-
weis, dass die Verweigerung der Therapie kein Anknüp-
fungspunkt sein darf; das ist schon erwähnt worden. Es
wird postuliert, dass das Gericht, das letztlich darüber zu
entscheiden hat, mit hinreichender Gewissheit zu dem
Ergebnis kommen muss, dass von dem Betroffenen wei-
tere, entsprechend schwerwiegende Taten zu erwarten
sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Rechts-
ausschuss, wie fassen wir eine Prognoseentscheidung,
geknüpft an hinreichende Gewissheit, in ein Gesetz? Ich
halte das schon für die Quadratur des Kreises; das ist et-
was, was sich begrifflich ausschließt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich darf darauf hinweisen: Ich habe das Minderhei-
tenvotum gelesen. Ich habe nicht den Eindruck, dass dies
alle getan haben. Die Verfasser des Minderheitenvotums
weisen darauf hin, dass die Mehrheit des Senates keinen
Anlass hatte, nach Maßstab des Art. 104 Grundgesetz zu
prüfen, nämlich des Rückwirkungsverbots im Strafrecht.

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(C (D iese Garantie in unserer Verfassung ist ebenfalls zu bechten. Frau Kollegin, bitte denken Sie an Ihre Redezeit. Ich bin fertig, Herr Präsident. Ich meine, dass wir gut daran tun, ernsthaft und seriös ber dieses Thema zu diskutieren und uns gemeinsam m angemessene Regelungen zu bemühen, die gegebeenfalls vor einer neuen Entscheidung des Bundesverassungsgerichts Bestand haben. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509111600
Erika Simm (SPD):
Rede ID: ID1509111700


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509111800

Ich erteile das Wort dem Kollegen Norbert Geis,
DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Norbert Geis (CSU):
Rede ID: ID1509111900

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Frau Simm, wir haben 1997/98 neben der
erschärfung des Sexualstrafrechts auch die Frage bera-
en, inwieweit es möglich und verfassungskonform sein
ann, die Sicherungsverwahrung zu erleichtern und eine
ntscheidung darüber zu treffen, ob gegen den Täter, der
efährlich ist und von dem man, durch Prognosegutach-
en bestätigt, weiß, dass er nach Verbüßung seiner Tat
eiterhin für die Menschheit gefährlich sein wird, unter
estimmten Voraussetzungen eine Sicherungsverwah-
ung verhängt werden kann.
Wir waren uns damals einig, dass dies möglich sein

oll. All diese Fragen, die jetzt wieder diskutiert werden,
aben wir damals mit großer Sorgfalt – da pflichte ich
hnen bei – diskutiert und wir haben uns wirklich ernst-
aft Gedanken darüber gemacht und machen müssen, ob
s möglich ist, einen Täter, Herr Ströbele, der seine
trafe verbüßt hat und eigentlich ein freier Mann ist,
ennoch im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung
estzuhalten. Das war ein wichtiges Thema, Frau Minis-
erin.
Wir haben uns auch die Frage gestellt, ob das für die

achträgliche Sicherungsverwahrung Geltung haben
ann. Das war ein Thema innerhalb der Anhörung, wo-
ei die Fragen von beiden Seiten, von Frau Däubler-
melin und mir, gestellt wurden. Die Sachverständigen
aben uns damals geantwortet, dass der Strafrichter die
ntscheidung darüber, ob gegen jemanden die Siche-
ungsverwahrung verhängt wird, treffen muss, der über
ie Strafe selbst zu entscheiden hatte. Sie haben damals
urch die Bank abgelehnt, die nachträgliche Sicherungs-
erwahrung schon 1998 mit zu regeln.
Aber der Gedanke, dass hier eine Sicherheitslücke

ntstanden ist, hat uns nie verlassen. Wir haben überlegt
nd es gab entsprechende Überlegungen im Bundesrat.






(A) )



(B) )


Norbert Geis

Die Bayerische Staatsregierung hat einen Gesetzentwurf
im Bundesrat eingebracht, dort aber keine Mehrheit ge-
funden. Dann kam der berühmte Ausspruch des Kanz-
lers, der heute schon zweimal zitiert worden ist. Der Ap-
pell ist bei Ihnen leider verhallt. Wir haben diesen
Appell aufgenommen und im Oktober 2001 einen Ge-
setzentwurf für die nachträgliche Sicherungsverwahrung
vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf wurde von Ihnen – das
muss man allerdings sagen –, auch mit den entsprechen-
den Anmerkungen von Ihnen, Herr Stünker, abgelehnt.


(Jörg van Essen [FDP]: „Länderzuständigkeit“ hat er gesagt!)


Wir sind an dieser Mehrheit gescheitert. Damals war das
schon auf dem Tisch. Dann wurde in dieser Legislatur-
periode der ungefähr gleiche Gesetzentwurf noch einmal
von der CDU/CSU-Fraktion vorgelegt und Sie haben ihn
wiederum abgelehnt.

Gute Argumente aber setzen sich durch, auch wenn
das nur mithilfe des Bundesverfassungsgerichts ge-
schieht. Aber das ist ja schon etwas. Ich bin ganz sicher,
dass Sie jetzt einen Gesetzentwurf vorlegen werden, der
verfassungskonform sein wird, wobei nicht nur der As-
pekt der Prävention eine Rolle spielen darf – das hat uns
das Verfassungsgericht ganz ausdrücklich gesagt –, son-
dern an die Anlasstat angeknüpft werden muss, nämlich
an die Straftat, derentwegen der Täter im Gefängnis
sitzt. Es muss die Möglichkeit bestehen, für den Täter,
der seine Strafe abbüßt und bei dem sich im Strafvollzug
herausstellt, dass er ein gefährlicher Täter ist, was der
entscheidende Richter noch nicht wissen konnte – sonst
hätte er die Sicherungsverwahrung ausgesprochen –,
nachträglich die Sicherungsverwahrung anzuordnen,
wenn er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich-
keit erneut gefährliche Straftaten begehen wird, sobald
er die Strafvollzugsanstalt verlässt. Das ist, glaube ich,
uns allen klar gemacht worden. Manche haben es früher
gemerkt, andere etwas später. Jetzt aber kommt es darauf
an, dass wir schnell beraten und eine gute Entscheidung
fällen.

Sie, Frau Ministerin, haben dem Bundesrat angebo-
ten, im Benehmen mit ihm eine schnelle Lösung zu fin-
den. Ich meine, es wäre auch gut, wenn Sie die CDU/
CSU in die Beratungen mit einbeziehen würden. Denn
bis zum 30. September ist es nicht allzu lange hin und
bis dahin muss die Entscheidung gefällt worden sein.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509112000

Zum Schluss dieser Aktuellen Stunde erteile ich dem

Kollegen Joachim Stünker, SPD-Fraktion, das Wort.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kommt eine Entschuldigung!)



Joachim Stünker (SPD):
Rede ID: ID1509112100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Imple-

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(C (D entierung der Anordnung einer nachträglichen Sicheungsverwahrung im materiellen Strafrecht bedarf einer roßen rechtspolitischen, verfassungsrechtlichen und echtsstaatlichen Sensibilität. Dies wird beim Studium er zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts us dem Monat Februar deutlich, die sich mit dieser rage grundsätzlich auseinander gesetzt haben. Ich eine, das wird insbesondere in dem Minderheitenvoum der drei Verfassungsrichter Groß, Osterloh und erhard zu der Frage der befristeten Fortgeltung der entprechenden Ländergesetze deutlich. Frau Simm hat beeits darauf hingewiesen. Ich habe selten ein Minderheitenvotum von Richtern ines obersten deutschen Gerichts, nämlich des Bundeserfassungsgerichts, gelesen, in dem die Kolleginnen nd Kollegen in einem Senat mit einer derartigen verbaen Radikalität argumentativ umgegangen sind. Daraus ird deutlich, welche grundsätzlichen rechtsstaatlichen nd verfassungsrechtlichen Fragen sich hinter dem hema verbergen und gelöst werden müssen. Herr Kollege Röttgen, es tut mir Leid: Diesen An prüchen sind Sie in dieser Aktuellen Stunde ebenso wie ie Redebeiträge der anderen Mitglieder Ihrer Fraktion icht gerecht geworden. (Beifall bei der SPD – Jörg van Essen [FDP]: Herr Kollege Stünker, nach dem, was Sie bisher dargestellt haben, sollten Sie sich nicht zum Richter aufspielen!)


Auf Sie komme ich gleich zu sprechen, Herr van
ssen. – Ich danke dem Kollegen Geis für den wirklich
achlichen Beitrag, den er eben zu diesem Thema geleis-
et hat.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war überraschend, Herr Kollege Geis!)


Nun zu Ihnen, Herr van Essen: Sie haben vorhin die
einung geäußert, das Bundesverfassungsgericht habe
ir mit seiner Entscheidung eine schallende Ohrfeige
ersetzt. Herr Kollege van Essen, ich hätte Ihnen eigent-
ich mehr Redlichkeit und Niveau zugetraut.


(Widerspruch bei der FDP)

ch habe in der von Ihnen gemeinten Diskussion gegen
estimmte Gesetze mit bestimmten Inhalten argumen-
iert. Ich glaube, dass ich bei den Inhalten, um die es
ing – die Beschlussverfahren vor der Strafvollstre-
kungskammer und Ähnliches –, richtig gelegen habe.
as wird auch aus den Entscheidungen des Bundesver-
assungsgerichts deutlich, wenn man sie zu Ende liest.
enn das beschleunigte Schnellverfahren wird nicht
öglich sein. Das habe ich gemeint.
Wichtig ist, dass mit der abschließenden Entschei-

ung des Bundesverfassungsgerichts als höchstem deut-
chen Gerichts – der Kollege Geis hat darauf hingewie-
en – ein jahrelanger Streit der Fachjuristen aus der
raxis und der Wissenschaft zu diesem Thema beendet
orden ist, indem klargestellt worden ist, dass das abso-
ute Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 Grundge-
etz auf die Sicherungsverwahrung nicht anwendbar ist.






(A) )



(B) )


Joachim Stünker

Ich hätte mir noch gewünscht, dass in dem Urteil auch

zu Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention
Stellung genommen wird. Das ist aber nicht der Fall.
Vielleicht erfolgt auch zu dieser Frage irgendwann eine
Klarstellung. Ich gehöre zu denen, die in dieser Frage
eine andere Meinung vertreten haben. Auch das muss
man ertragen können; das ist durchaus in Ordnung. Aber
als eine schallende Ohrfeige empfinde ich das nicht.

Ich möchte noch auf eines hinweisen – das wird
sicherlich in den Beratungen, die wir zu führen haben,
sehr deutlich werden –: Das Bundesverfassungsgericht
hat dafür, wie eine nachträgliche Sicherungsverwahrung
im Detail erfolgen soll, sehr hohe Hürden aufgestellt. Ich
glaube, ich bin der Einzige in diesem Hohen Hause, der
beruflich – als Vorsitzender einer Schwurgerichtskam-
mer über mehrere Jahre hinweg – damit befasst war,
über Sicherungsverwahrung zu entscheiden. Die
Schwierigkeiten, eine sichere Prognose zu treffen, die im
Ergebnis im Extremfall bedeutet, dass der Mensch auf
der Anklagebank, der auch seine verfassungsrechtlich
verbrieften Grundrechte hat, möglicherweise sein Leben
lang nicht mehr aus der Sicherungsverwahrung heraus-
kommen wird, sind in der Praxis sehr groß. Das haben
uns auch alle Sachverständigenanhörungen im Rechts-
ausschuss gezeigt. Daher meine ich, dass wir eine große
Verantwortung haben, den Streit der Vergangenheit zu
begraben und jetzt ein Gesetz zu erarbeiten, das den ho-
hen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts ge-
nügt, und zwar zum einen um des Rechtsstaats willen
und zum anderen im Interesse der Gerichte in Deutsch-
land – vom Bayerischen Wald bis nach Flensburg –, die
mit diesem Gesetz in der Praxis arbeiten müssen. Ange-
sichts dessen ist sorgfältige Arbeit dringend notwendig.

Herr Kollege Röttgen, wir reichen Ihnen nach wie vor
die Hand zu einer gemeinsamen vernünftigen Arbeit.
Aber die heutigen Reden – entschuldigen Sie, dass ich
Sie direkt anspreche – waren teilweise unsäglich und ta-
ten weh.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1509112200

Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a bis 5 d sowie

die Zusatzpunkte 3 bis 5 auf:
5 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten

Dr. Erika Ober, Karin Kortmann, Detlef
Dzembritzki, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo
Hoppe, Hans-Christian Ströbele, Volker Beck

(Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion

des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Globale Bekämpfung von HIV/Aids intensivie-
ren
– Drucksache 15/2408 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss

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(C (D Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe b)

Kortmann, Ulrich Kelber, Detlef Dzembritzki,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans-
Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN
Das Center for International Cooperation

(CIC) stärken und weiter ausbauen

– Drucksache 15/2396 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dagmar
Schmidt (Meschede), Karin Kortmann, Detlef
Dzembritzki, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo
Hoppe, Hans-Christian Ströbele, Volker Beck

(Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion

des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Wüstenbildung wirksam bekämpfen – Armut
überwinden, Ernährung sichern, Konflikte
verhindern
– Drucksache 15/2395 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Christian Ruck, Dr. Friedbert Pflüger,
Hartwig Fischer (Göttingen), weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der CDU/CSU
Umdenken in der Kongopolitik
– Drucksache 15/2335 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

P 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Conny
Mayer (Baiersbronn), Dr. Christian Ruck,
Annette Widmann-Mauz, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU
Entwicklungspolitik muss Bekämpfung von
HIV/Aids verstärken
– Drucksache 15/2465 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Norbert Lammert

ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrich

Heinrich, Markus Löning, Dr. Guido
Westerwelle, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP
Bekämpfung von HIV/Aids zu einem Haupt-
anliegen in der Entwicklungspolitik machen
– Drucksache 15/2469 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans
Büttner (Ingolstadt), Brigitte Wimmer (Karls-
ruhe), Detlef Dzembritzki, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordne-
ten Marianne Tritz, Claudia Roth (Augsburg),
Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN
Den Stabilisierungsprozess in der Demokrati-
schen Republik Kongo nachhaltig unterstüt-
zen
– Drucksache 15/2479 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

Da an dieser Beratung offenkundig nicht alle Kolle-
ginnen und Kollegen teilnehmen können oder wollen,
die gerade die Aktuelle Stunde bestritten haben, wäre es
schön, wenn wir zu einem zügigen Austausch der jewei-
ligen Debattenbesetzungen kommen könnten, damit die
jetzt beginnende Diskussion in einer angemessenen
Form stattfinden kann.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Kollegin Dr. Erika Ober, SPD-Fraktion.


Dr. Erika Ober (SPD):
Rede ID: ID1509112300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und

Kollegen! Weltweit haben sich seit dem Ausbruch von
HIV/Aids 65 Millionen Menschen infiziert. Circa
23 Millionen Menschen sind bereits verstorben. Für
Ende 2002 wird die Zahl der infizierten Menschen welt-
weit auf 42 Millionen geschätzt, davon über 3 Millionen
Kinder unter 15 Jahren. 95 Prozent aller Menschen mit
HIV/Aids leben in Entwicklungsländern. Mittlerweile ist
die Hälfte der Betroffenen weiblich. Das hat weit rei-
chende gesellschaftliche Folgen.

Die Folgen von Aids sind erschreckend. Insbesondere
in Afrika sieht man, mit welcher fürchterlichen Macht
die Pandemie in die Gesellschaften eingreift. Über
Staatsgrenzen hinweg und in allen gesellschaftlichen

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(C (D ruppen, egal welcher Hautfarbe, zeigen sich die Folen. Die Lebenserwartung sinkt deutlich. In vielen Reionen sinkt sie bei der Geburt zum Beispiel auf bis zu 0 Jahre. In manchen Ländern liegt die Lebenserwartung eute bei 40 Jahren. Familienstrukturen zerfallen, da die evölkerung im produktiven Alter vorrangig betroffen st. Daraus erwächst eine erschreckende Zunahme von idswaisen. Die Wirtschaftsleistung sinkt. Es kommt zu nnenpolitischen Instabilitäten, sicherheitspolitischen roblemen und einer zunehmenden Abhängigkeit von ilfe von außen. Besonders Kinder sind durch die hohe Infektionsrate ei Frauen im reproduktiven Alter betroffen. 95 Prozent er Aidswaisen weltweit, rund 11 Millionen Kinder, leen in Afrika. In Uganda hat es früh und mit großem insatz Bemühungen gegen die Ausbreitung der Infekon gegeben. Trotzdem gibt es mittlerweile allein in ganda 2 Millionen Aidswaisen. Diese Kinder haben eien oder beide Elternteile durch Aids verloren. Sie weren in Uganda teilweise in Schulen über Nacht beherergt. Während in den Häusern ihrer Familien fremde enschen wohnen, schlafen sie in kommunalen Gebäuen. Dort finden sie ein wenig Schutz. Dies ist besonders den Gegenden wichtig, in denen viele Kinder als Kinersoldaten verschleppt werden, zum Beispiel im Noren Ugandas. Aidswaisen haben schlechte Aussichten auf Schulbil ung. Viele sind auf sich allein gestellt oder müssen beeits in jungen Jahren auf ihre jüngeren Geschwister cht geben und ihnen die Eltern ersetzen. Große Teile er Elterngeneration fallen als Bezugspersonen, Erzieher nd Ernährer aus. Die folgende Generation ist durch den usfall an Bildung und durch die fehlende menschliche uwendung geschwächt. Dies ist meines Erachtens ein enkbar schlechter Ausgangspunkt für eine friedliche ntwicklung und macht auch auf anderen Gebieten Erolge der Entwicklungszusammenarbeit zunichte. (Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


Ich möchte an dieser Stelle besonders auf die Situa-
on von Frauen und Mädchen hinweisen; denn zum ei-
en sind Frauen und Mädchen aus physiologischen und
ozialen Gründen stärker gefährdet und zum anderen ste-
en sie im Zentrum von Entwicklungsprozessen. Sie zie-
en die Kinder groß, pflegen Kranke und Alte und leis-
n einen Großteil der Erwerbs- und Hausarbeit. Gerade
ie persönlichen Rechte von Mädchen sind weniger
tark ausgeprägt und ihre gesellschaftliche und wirt-
chaftliche Stellung ist schwächer als die von Jungen
nd Männern.
Die Schlechterstellung von Mädchen und Frauen

ührt konkret auch zu einem Mangel an sexueller und re-
roduktiver Selbstbestimmung. Auch haben Frauen aus
hysiologischen Gründen eine vielfach höhere Infek-
onswahrscheinlichkeit als Männer. Südlich der Sahara
ind mittlerweile 58 Prozent aller Infizierten weiblich.
otswana hat die Aidsepidemie zur nationalen Krise er-
lärt. Dort wurde festgestellt, dass in ländlichen Gebie-
n in der Altersgruppe der 15- bis 25-Jährigen auf einen
fizierten Mann fünf neu infizierte Frauen kommen.






(A) )



(B) )


Dr. Erika Ober

Medikamente zur Behandlung von HIV-Infektionen

stehen zur Verfügung und werden in den Industrielän-
dern auch umfangreich eingesetzt. Sie sind aber in den
Entwicklungsländern, vor allem unter Bedingungen ei-
ner fehlenden oder zumindest unzureichenden basisme-
dizinischen Versorgung, de facto oft nicht verfügbar und
zu teuer. Dabei hat sich zum Beispiel erwiesen, dass bei
perinatalem Einsatz von Medikamenten die Übertragung
des Virus von der Mutter auf das Kind mit großem Er-
folg vermieden werden kann. Laut Weltgesundheitsorga-
nisation haben trotz der spürbaren Kostensenkungen nur
1 Prozent der Bevölkerung, die die lebensverlängernde
antiretrovirale Therapie benötigen, Zugang zu einer
Behandlung. Nach dem Ausbruch von Aids liegt die Le-
benserwartung unter solchen Umständen und ohne Zu-
gang zu medikamentöser Behandlung bei durchschnitt-
lich circa sieben Monaten.

Im Vorfeld der WTO-Konferenz in Cancun gab es ei-
nen kleinen Erfolg. Das TRIPS-Abkommen erlaubt den
Entwicklungsländern neuerdings, nicht nur selbst Aids-
medikamente herzustellen, sondern auch Generika zu
importieren, wenn sie keine eigenen Produktionsstellen
haben. Festzuhalten bleibt jedoch, dass dies nicht ausrei-
chen wird, um eine flächendeckende therapeutische Ver-
sorgung zu erreichen. Es ist in diesem Zusammenhang
darauf hinzuweisen, dass es dringend notwendig ist, die
Suche nach einem Impfstoff zu intensivieren.

Die Entwicklung der Pandemie in Afrika ist erschre-
ckend. Aids verändert ganze Gesellschaften – trotz eini-
ger erfreulicher Beispiele mit regional stagnierenden
oder sogar sinkenden Infektionsraten. Hinschauen ist
hier nur der erste Schritt. Es genügt nicht, das Problem
nur zur Kenntnis zu nehmen. Aids spielt eine entschei-
dende Rolle für die friedliche Entwicklung der Welt und
ist damit auch sicherheitspolitisch relevant. Wir müssen
diesem Anspruch – es handelt sich um eine Querschnitts-
aufgabe – angesichts unserer eigenen menschlichen,
wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Erwartungen
und Ziele noch stärker gerecht werden.

HIV/Aids ist kein afrikanisches Problem allein. Auch
in anderen Teilen der Welt steigen die Infektionszahlen.
In Osteuropa und Russland sind die Steigerungen drama-
tisch. Wir haben hierbei auch an die Probleme zu den-
ken, welche durch die Resistenzentwicklung auf uns in
Europa zukommen. Virusresistenzen entwickeln sich un-
ter inkonsistenter Einnahme von Aidsmedikamenten
schneller als bei allen anderen bekannten Therapien,
zum Beispiel bei Antibiotikatherapien. Die regelmäßige
Einnahme von Aidsmedikamenten ist aber in vielen Tei-
len der Welt nicht zu gewährleisten. Kofi Annan be-
zeichnet Aids als eine Krise, die „eine Gefahr für die ge-
samte Zivilisation“ darstellt.

Bis 2010 erwartet man, dass weltweit zu den bisher
circa 42 Millionen infizierten Menschen 45 Millionen
Neuinfizierte hinzukommen. Der Höhepunkt der Pande-
mie wird für das Jahr 2050 erwartet. Die Bundesregie-
rung macht sich mit ihrem Engagement für UNAIDS ge-
gen die Ausbreitung von Aids stark. Unser Beitrag zum
Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuber-

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(C (D ulose und Malaria liegt bei 300 Millionen Euro bis zum ahr 2007. Ich möchte auch den Einsatz der Bundesreierung für die Bereitstellung preisgünstiger bzw. kosenloser Medikamente erwähnen. Deutschland stellt ährlich circa 300 Millionen Euro für die Bekämpfung on HIV/Aids bereit. Die Bekämpfung von HIV/Aids – sie wurde als prio itäres Handlungsfeld der Entwicklungszusammenarbeit efiniert – hat bei der Bundesregierung einen hohen tellenwert. Der Bundeskanzler hat das Interesse am frikanischen Kontinent kürzlich mit seinem Besuch in thiopien, Kenia, Ghana und Südafrika unterstrichen. Er at deutlich gemacht, dass wir Afrika nicht vergessen ürfen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Klaus-Jürgen Hedrich [CDU/CSU])


ieser Antrag soll dem hohen Stellenwert gerecht wer-
en.
Weil diese Bemühungen und die betroffenen Men-

chen in den Entwicklungsländern und überall auf der
elt unterstützt werden müssen, fordern wir in unserem
ntrag dazu auf, dass sich Deutschland verstärkt auf in-
ernationaler Ebene – in den Vereinten Nationen, bei der
eltbank und in der EU – für die Umsetzung der Mil-

enniumsziele einsetzt.
Deutschland soll sich in den internationalen Gremien

nd bei internationalen Diskussionen noch intensiver da-
ür einsetzen, von Nichtregierungsorganisationen, von
rivaten Spendern und von der Privatwirtschaft zusätzli-
he Beiträge für den Globalen Fonds zur Bekämpfung
on HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria einzuwerben.
aneben soll die HIV/Aids-Bekämpfung als multisekto-
aler Ansatz in die nationalen Armutsbekämpfungsstra-
egien der Entwicklungsländer integriert werden.
Aids ist zu einer der größten Bedrohungen unserer

eit für eine friedliche Entwicklung geworden. In der
ekämpfung von Aids sehe ich einen Schlüssel für nach-
altige Entwicklung. Prävention und Behandlung sind
wei zentrale Ansätze. Sie sind mit den Aufgaben,
rauen und Mädchen zu stärken, sich gegen Stigmatisie-
ung und Diskriminierung einzusetzen und weiter für
en vermehrten Einsatz von und für den besseren Zu-
ang zu Medikamenten zu ringen, verzahnt.
Es liegen nun drei Anträge aus den verschiedenen

raktionen vor, die alle vergleichbare Forderungen be-
nhalten. In diesen Anträgen sind deutlich mehr Gemein-
amkeiten zu erkennen, als es in der öffentlichen Diskus-
ion bisher der Fall zu sein schien. Deshalb wäre es doch
icher möglich, sich im Ausschuss auf eine gemeinsame
eschlussempfehlung zu einigen. Lassen Sie uns dies
emeinsam angehen, im Sinne der Betroffenen und die-
em Thema angemessen!
Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509112400

Nächster Redner ist der Kollege Rudolf Kraus, CDU/

CSU-Fraktion.

Rudolf Kraus (CSU):
Rede ID: ID1509112500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Von meiner Vorrednerin wurde bereits darauf
hingewiesen, dass die vorliegenden Anträge vieles ge-
meinsam haben. Das ist überhaupt ein gewisses Kenn-
zeichen der Arbeit unseres Ausschusses:


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


Wir verfolgen bei relativ vielen Punkten gleich gerich-
tete Ziele.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Anders als in anderen Ausschüssen!)


Häufig muss man sich über den Weg streiten, insbeson-
dere über die Intensität, mit der die Regierung diese
Ziele verfolgt, und über die finanziellen Möglichkeiten.

Wir wissen heute, dass Entwicklungspolitik ein In-
strument zur Bewahrung von Stabilität, zur langfristigen
Krisenprävention, zur Eindämmung von Extremismus,
Kriminalität, Terrorismus und Umweltzerstörung sein
kann. Sie trägt dazu bei, die richtigen Rahmenbedingun-
gen für eine gesunde politische und wirtschaftliche Ent-
wicklung zu schaffen sowie tragfähige, demokratische,
rechtsstaatliche und effiziente Strukturen in den Ent-
wicklungsländern aufzubauen.

Es gab in den letzten Jahren auch große Erfolge. Zwi-
schen 1990 und 2000 soll der Anteil der Weltbevölke-
rung, der in extremer Armut lebt, immerhin von 29 Pro-
zent auf 23 Prozent gesunken sein. Angeblich ist es auch
so, dass erstmals seit vielen Jahren die Zahl derjenigen,
die mit weniger als 1 Dollar am Tag auskommen müs-
sen, gesunken ist.

Tatsache ist aber auch, dass die Zahl der schlechten
Nachrichten nicht abreißt. Ich nenne beispielhaft die er-
hebliche Zahl von Kriegen und Konflikten, die welt-
weit geführt werden, und die wachsende Ungleichheit
sowohl innerhalb der Staaten als auch zwischen den
Staaten; und dies, obwohl die Armut abnimmt. Hierhin
gehört auch, dass nach Berechnungen der Weltbank die
weltweiten Wachstumsraten nicht ausreichen, um das
Millenniumsziel der Armutshalbierung bis zum
Jahre 2015 zu erreichen.

Betroffen von all diesen Dingen ist vor allem Afrika.
Hier spielt insbesondere das Problem Aids eine Rolle.
Meine Vorrednerin hat die Zahlen ja schon genannt; ich
kann mir das also ersparen. Die Lebenserwartung ist,
wie sie sagte, um drei Jahre bis zu zehn Jahren rückläu-
fig. Es gibt Berichte aus Ländern wie beispielsweise
Botswana, wo die Lebenserwartung sogar um 20 Jahre
zurückgegangen sein soll. Dieser Wegfall der Brücke
zwischen den Generationen stellt in der Tat eine mensch-
liche Katastrophe dar; hierdurch werden die Erfolge der
Entwicklungspolitik auf dramatische Weise infrage ge-
stellt.

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(C (D Die vorliegenden Anträge geben die Möglichkeit, auf ie wohl größte Katastrophe, die wir derzeit erleben, in er Öffentlichkeit hinzuweisen. In Wahrheit wird dieses hema nämlich viel zu wenig beachtet. Man überlege ich einmal, dass Aids in wenigen Jahren so viele Opfer efordert haben wird wie die Weltkriege des letzten ahrhunderts. Der Vergleich mit der Pest ist bezogen auf as südliche Afrika ja keineswegs abwegig. Pest und ids unterscheiden sich vielleicht dadurch, dass die Pest es Mittelalters die Schwächeren hinweggerafft hat, ährend Aids vor allem die Aktiven in einer Gesellchaft ergreift und es bei Aids vielleicht ein bisschen nger als bei der Pest dauert, bis die Leute wegsterben. 000 Tote pro Tag ist eine erschreckende Zahl. Man undert sich, dass diese Zahl und die ihr zugrunde lieenden Verhältnisse in der Öffentlichkeit, in den Medien icht stärker erwähnt werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte ich heute vor allem einem Thema im Bereich Aids zuenden. Ich hatte ein Gespräch mit Vertretern der Orgaisation Sant’Egidio; dieses Gespräch hat mich sehr beindruckt, weil sie geradezu ein Musterbeispiel für eine GO darstellt. Wir sollten bei der Gelegenheit den GOs wirklich einmal herzlich dafür danken, dass sie es chaffen, mit einem Budget auszukommen, das sich zu 0 und mehr Prozent aus Spenden und Beiträgen speist, ass so gut wie keine Gehälter bezahlt werden, kaum erwaltungskosten anfallen und die Hilfe zu 100 Prozent orthin kommt, wo sie hingehört. Es ist beeindruckend, it welch großem Engagement sie ihre Arbeit machen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


s war für mich ganz besonders beeindruckend, mit wel-
her Freude die Leute erzählt haben, was sie empfin-
en – es ist fast wie ein Wunder –, wenn Menschen, die
chwerst krank sind, bei regelmäßiger Einnahme von
edikamenten nach einigen Wochen körperlich und
eistig wieder aufblühen und wieder in die Lage versetzt
erden, selber zu laufen und zu arbeiten und sich um
re Familien zu kümmern.
Das kostet natürlich eine ganze Menge Geld. Wenn

uch die Kosten für die Medikamente dramatisch zu-
ückgegangen sind, was gut ist, bleiben doch viele
osten übrig, insbesondere für die sinnvolle Betreuung,
iagnosemöglichkeiten und dergleichen. Wir müssen in
iesem Bereich einfach mehr tun. Ich denke, dass es
ichtig ist, dabei die Netzwerke und Organisationsstruk-
ren von solchen Einrichtungen, wie ich sie erwähnt
abe, auch wirklich zu nutzen.
Aids ist also etwas, was sicher unsere Aufmerksam-

eit erfordert. Auch wenn wir in vielen Punkten überein-
timmen, hat mir eines in dem Antrag weniger gefallen:
as ist die Forderung bzw. der Appell an die US-Regie-
ung, ihre Versprechungen einzuhalten. Es wäre gut,
enn auch wir unsere eigenen Versprechungen einhalten
ürden. Dann könnten wir das umso glaubwürdiger for-
ern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )



(B) )


Rudolf Kraus

Es ist sowieso unser Problem, dass von dieser Regie-

rung vieles versprochen wurde, was die Finanzen anbe-
langt, aber nicht eingehalten wurde.


(Widerspruch bei der SPD)

– Sie wissen, dass ich Recht habe.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Man kann nicht oft genug daran erinnern; vielleicht hilft
es etwas. Ich glaube es zwar nicht, aber die Hoffnung
darf man auch in dieser Frage nicht aufgeben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich etwas sagen, was mir schon seit geraumer Zeit am
Herzen liegt, und zwar zur Akzeptanz der Entwick-
lungshilfe in Deutschland. Ich glaube, dass wir die ge-
meinsame Aufgabe haben, etwas zu tun. Ich stelle im-
mer wieder fest, dass sich Einzelpersonen und kleine
Gruppen – jeder von uns hat im Wahlkreis solche Grup-
pen – in ganz rührender Weise um einzelne Länder, ein-
zelne Gruppen und auch Einzelpersonen in der Dritten
Welt kümmern, dass die Entwicklungshilfe aber gleich-
zeitig – wie ich in Versammlungen, die ich halte, fest-
stellen kann –, auch vor dem Hintergrund der wirtschaft-
lichen Entwicklung in Deutschland, nicht mehr
besonders gut akzeptiert wird, und zwar von einer gro-
ßen Anzahl von Menschen. Auf der einen Seite ist die
deutsche Bevölkerung ganz ungewöhnlich hilfsbereit
und spendenfreudig, wenn es um aktuelle Notfälle und
Katastrophen geht. Auf der anderen Seite gibt es
schreckliche Bemerkungen, wenn es um die langfristige
staatliche Entwicklungszusammenarbeit geht; das geht
von ausgesprochener Skepsis bis zur brutalen Abwen-
dung.

Es gibt viele Gründe dafür: Gründe im eigenen Land,
so etwa die wirtschaftliche Entwicklung, und sicher
ebenso Gründe in den betroffenen Ländern, die teilweise
von korrupten und kriminellen Regierungen und Ober-
schichten beherrscht werden, von denen so viel Geld auf
die Seite geräumt wird – was in der Öffentlichkeit immer
wieder publiziert wird –, dass sie selber eigentlich die
größten Geber sein könnten. Wir müssen uns einmal
überlegen, wie man an das Geld von solchen Leuten he-
rankommt; das halte ich für einen ganz wichtigen Punkt.
Die Unrechtmäßigkeit, wenn ein Präsident innerhalb we-
niger Jahre ein Vermögen in der Größenordnung des
Millionenfachen von dem, was ein Normalbürger dieses
Landes verdient, ansammelt, liegt eigentlich auf der
Hand. Aber das ist ein anderes Thema; vielleicht sollten
wir es an anderer Stelle einmal aufgreifen.

Ich denke jedenfalls, dass es unsere gemeinsame Auf-
gabe sein muss, das Thema Entwicklungshilfe in der Be-
völkerung wieder populärer zu machen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das ist schwierig. Aber weil der Normalbürger hilfsbe-
reit ist, wenn der menschliche Aspekt einer solchen
Hilfe und die Erfolge, die damit erreicht werden, ent-
sprechend herausgestellt werden, können wir für die Ak-
zeptanz sicher etwas tun. Gleichzeitig dürfen wir es den
Regierungen dieser Länder nicht ersparen, dass die Hil-

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(C (D en, die sie von uns bekommen – mit Ausnahme der Notilfe –, daran gemessen werden, wie gut oder schlecht iese Regierungen sind. Das ist zwar nicht schön für die etroffenen Menschen, aber es gibt wohl keine andere öglichkeit für uns, einen Beitrag zu leisten und für diees Thema wieder mehr Akzeptanz zu erreichen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509112600

Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin
schi Eid.

Dr
Ursula Eid-Simon (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509112700

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
estatten Sie, dass ich mich bei der Fülle der Themen
uf das Thema Aids beschränke. In diesem Zusammen-
ang möchte ich einige Dinge, die mein Vorredner eben
ingefordert hat, zum Teil richtig stellen, aber auch klar
achen, dass wir die Dinge bereits umsetzen.
Es ist gut, dass sich vor einigen Jahren – leider viel zu

pät; da sind wir uns alle einig – die Erkenntnis durchge-
etzt hat, dass Aids neben der Tatsache, dass die Erkran-
ung ein furchtbares persönliches Schicksal ist, auch ein
ntwicklungsproblem darstellt, das alle Lebensberei-
he berührt und in vielen Ländern in eine tiefe Entwick-
ungskrise zu münden droht. Es war allerhöchste Zeit,
ass im Jahr 2000 das Thema HIV/Aids bei der UNO
anz oben auf die internationale Tagesordnung gesetzt
urde und sich die Staaten – die Bundesrepublik mit der
nterschrift von Bundeskanzler Schröder – in der Mil-
enniumserklärung verpflichtet haben, alles zu tun, um
er Ausbreitung dieser Krankheit bis 2015 Einhalt zu ge-
ieten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


In der Folge wurde als neues Finanzierungsinstru-
ent der globale Gesundheitsfonds eingerichtet, der
002 seine Arbeit aufgenommen hat und in den die Bun-
esrepublik bis zum Jahr 2007 300 Millionen Euro ein-
ahlen wird. Die begonnene Arbeit des Fonds lässt hof-
en, dass wir in einer großen, gemeinsamen
raftanstrengung den todbringenden Trend der HIV-In-
ektion noch umkehren.
Welches aber sind – diese Frage ist wichtig – die Vor-

ussetzungen?
Erstens. Die nationalen Regierungen in den betroffe-

en Ländern müssen eine sachgerechte, wirksame und
ffensive Aidspolitik betreiben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


ufklärungsarbeit – und damit Prävention durch Sexual-
ildung und Verhaltensänderungen – ist das A und O,






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretärin Dr. Uschi Eid

um die weitere Ausbreitung einzudämmen. Kampf ge-
gen Hexenglauben, Aufbrechen sexueller Tabus und da-
mit das Brechen der Macht der Männer über den weibli-
chen Körper müssen ganz oben stehen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD – Rudolf Kraus [CDU/CSU]: Oh!)


– Ja, Herr Vorsitzender.
In diesem Zusammenhang begrüße ich, dass sich vor

zehn Tagen die „Koalition von Frauen gegen Aids“ ge-
gründet hat. Auslöser dafür war die Erkenntnis, dass die
bisherigen Bemühungen um Prävention viel zu wenig
Frauen und Mädchen erreichen und nur unzulänglich die
Situation der Frauen in der Familie und ihr Unterord-
nungsverhältnis zum Mann berücksichtigen.


(Beifall der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Eine Studie in Sambia hat zutage gefördert, dass nur
11 Prozent der interviewten Frauen meinen, das Recht
zu haben, ihren Mann um die Benutzung eines Kondoms
zu bitten. 11 Prozent! Diese Zahl fordert ebenso zum
Handeln auf wie die anderen Zahlen, die Frau Ober ge-
nannt hat.

Zweitens. Das Gesundheitswesen in den betroffenen
Ländern muss ausgebaut werden. Denn gute ländliche
und städtische Gesundheitszentren und Erste-Hilfe-Statio-
nen sind für Prävention ebenso wie für die Versorgung
der Erkrankten unabdingbar. An dieser Stelle ist unsere
Entwicklungskooperation ganz stark.

Drittens. Der politische Dialog mit unseren Partnerlän-
dern und mit internationalen Organisationen ist wichtig
für die Verständigung auf Prioritäten, auf koordiniertes
Handeln und auf gemeinsame Bekämpfungsstrategien.
Aus diesem Grund und um uns mit anderen Gebern bes-
ser zu vernetzen, um die internationale Diskussion mit-
zugestalten, aber auch um mit unseren Partnern in der
Aidsbekämpfung kritische Fragen zu erörtern – das ist
nicht immer einfach; ich habe vorhin die Themen ge-
nannt –, habe ich im vergangenen September in New
York an der Aidssondersitzung der VN-Generalver-
sammlung teilgenommen, auf die im CDU/CSU-Antrag
Bezug genommen wird.

Viertens. Es müssen neue Kooperationen mit starken
Partnern in der Forschung, in den Heilberufen, in den Me-
dien, in bürgergesellschaftlichen Organisationen und in der
Wirtschaft eingegangen werden. Wir haben große Schritte
in diese Richtung gemacht. Beispielhaft möchte ich hier
nennen: unsere Unterstützung der Nelson-Mandela-Stif-
tung, die in Südafrika Meinungsführer einer aktiven HIV-
Politik ist, die Kooperation mit deutschen Firmen, um
Aidsaufklärungs- und Verhaltensänderungsprogramme in
den Betrieben zu verankern und zu verbreiten sowie
– das ist das dritte Beispiel – unsere Unterstützung der
Herstellung von Antiretroviralia für die Armen in der
Demokratischen Republik Kongo, worüber heute in der
„FAZ“ berichtet wird.

Fünftens. Die Behandlungsmöglichkeiten müssen
verbessert werden, insbesondere durch Zugang zu kos-

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(C (D ngünstigeren Medikamenten. Genau hierfür hat sich ie Bundesregierung im Rahmen der WTO erfolgreich ingesetzt, auch wenn die im TRIPS-Abkommen gefunene Regelung in Bezug auf grenzüberschreitende wangslizenzen für manche nicht ganz zufriedenstellend t. Trotzdem muss man sagen: Es ist bereits ein Erfolg u verzeichnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich freue mich sehr, dass wir gerade bei der Behand-
ng von HIV-infizierten Menschen zum Beispiel mit
er christlichen Laienorganisation Sant’Egidio sehr gut
nd erfolgreich zusammenarbeiten und das Projekt in
osambik die Anerkennung der AWZ-Delegation ge-

unden hat, die dieses Projekt im letzten Jahr besucht
at.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig!)


Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Diese fünf
spekte, die ich skizziert habe, sind Säulen unserer Aids-
olitik. Allein im Jahr 2003 hat das BMZ insgesamt
39 Millionen Euro zur Aidsbekämpfung in den Ent-
icklungsländern eingesetzt. Damit der Mythos ein
nde hat, sage ich: Dieses Geld ist ganz gezielt für die
idsbekämpfung eingesetzt worden. Wir hoffen, dass
amit den Kranken Linderung verschafft und dass diese
dliche Krankheit eingedämmt wird.
Herzlichen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509112800

Nächster Redner ist der Kollege Ulrich Heinrich,

DP-Fraktion.

Ulrich Heinrich (FDP):
Rede ID: ID1509112900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

n der Tat besteht in der Analyse und vor allen Dingen
uch in der Beurteilung der Dramatik, wie die Krankheit
ids zur Geißel der Menschheit geworden ist, eine
roße Übereinstimmung. Wir sind deshalb dazu aufgeru-
en, unsere entwicklungspolitischen Anstrengungen da-
an auszurichten.
Ob unsere Entwicklungspolitik erfolgreich ist, wird

anz wesentlich daran zu messen sein, ob wir mit der
rankheit Aids fertig werden, ob wir bei der Bekämp-
ung Erfolge zu vermelden haben. Denn ganze Genera-
ionen bzw. ganze Bereiche der aktiven Bevölkerung fal-
en aus. So sterben zum Beispiel jährlich 17 Prozent der
ehrer eines Staates weg. Eine Regierung kann jedoch
ar nicht so schnell wieder eine ausreichende Zahl aus-
ebildete Lehrer für die Schulen zur Verfügung stellen.
ann ist höchste Alarmstufe. Man muss auch über die
3 Millionen Aidswaisen sprechen, die es hier gibt. Hier
eht es an die Substanz eines ganzen Kontinents.
Der Erhaltung dieser Substanz haben wir uns mit un-

erer Entwicklungspolitik verschrieben. Herr Kraus hat
inen etwas weiteren Bogen gezogen. Die wirtschaftliche






(A) )



(B) )


Ulrich Heinrich

Bedeutung dieser Entwicklung wird teilweise weit
unterschätzt, aber auch die Tatsache, dass die demokrati-
schen Strukturen dieser Länder kaputtgehen, wenn sol-
che Entwicklungen nicht gestoppt werden können und
wir nicht erfolgreich sind. Das liegt, glaube ich, auf der
Hand.

Wir müssen endlich einen Masterplan bzw. eine klar
ausformulierte Strategie entwickeln, indem wir Bedin-
gungen formulieren, um den Kampf gegen Aids erfolg-
reich führen zu können.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Da gibt es viele gute Ansätze. An vorderster Stelle ist die
Gründung des Global Aids Fund durch die G 8 zu nen-
nen. Dies möchte ich überhaupt nicht kleinreden. Aber
ich möchte klar und deutlich herausstellen, dass es nicht
reicht, einmal eine Entscheidung zu treffen und auf
lange Sicht hin eine gewisse Summe Geld zur Verfügung
zu stellen.

Der Vergleich der Summen, die die Bundesrepublik
Deutschland und Frankreich dem Global Aids Fund
zur Verfügung gestellt haben, spricht eine eigene Spra-
che.


(Beifall des Abg. Markus Löning [FDP])

Von Frankreich wurden 2002 und 2003 je 50 Millionen
Euro zur Verfügung gestellt. Die Bundesrepublik hat 2002
12 Millionen Euro und 2003 32 Millionen Euro gezahlt.
2004 stehen für den Global Aids Fund 38 Millionen
Euro zur Verfügung; Frankreich hat 150 Millionen Euro
zur Verfügung gestellt.


(Markus Löning [FDP]: Skandal!)

Wir können hier über viele Hilfsmöglichkeiten reden.
Aber was nützt das, wenn Sie den Inhalten und Analy-
sen, die Sie richtigerweise vorgetragen haben, nicht auch
konsequenterweise das Aufstocken der finanziellen Mit-
tel gegenüberstellen?


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Brigitte Wimmer [Karlsruhe] [SPD]: Das war eine andere Sache, Herr Kollege!)


– Hier haben wir definitiv einen Dissens.
Ich freue mich, dass die Frau Staatssekretärin Eid so

offen war. Als wir bei der Nelson-Mandela-Stiftung wa-
ren, haben Sie offen und klar gesagt, dass Sie froh sind,
dass das deutsche Parlament die Regierung immer wie-
der treibt, die entsprechenden finanziellen Ressourcen
zur Verfügung zu stellen. Da haben Sie sehr wahr und
sehr offen gesprochen. Ich möchte dies heute fortsetzen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509113000

Herr Kollege Heinrich, gestatten Sie trotzdem eine

Zwischenfrage der Kollegin Wimmer?


Ulrich Heinrich (FDP):
Rede ID: ID1509113100

Ja, bitte.

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(C (D Herr Kollege, würden Sie mir zugestehen, dass die ekämpfung von Aids nicht nur den Global Fund im lick hat, sondern dass die Bundesregierung über diesen und hinaus sehr viel mehr Mittel zur Bekämpfung von ids einsetzt? Ich gestehe Ihnen das gern zu; das ist gar keine Frage. ber auch dann, wenn wir die Summe insgesamt nehen, stellen wir fest, dass Deutschland keinen seiner irtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechenden Beirag leistet. Nicht weniger und nicht mehr fordere ich ier ein. Jeder, der noch ein bisschen mit Zahlen umgeen kann und sich nicht nur in ein verwirrendes, in lanen Fristen gedachtes Zahlenspiel einlässt, sondern die akten, die tatsächlichen Zahlen aus dem vorletzten und etzten Jahr sowie aus diesem Jahr klar und deutlich ieht, wird mir zustimmen müssen. Herr Kollege Heinrich, gestatten Sie noch eine Zwi chenfrage der Kollegin Wimmer? Bitte. Wenn Sie in Ihrer Frage einen neuen Inhalt rächten, wäre ich sehr dankbar. Vielen Dank, Herr Kollege. Ist Ihnen bekannt, welche Mittel Frankreich für bila erale Bemühungen aufbringt? Wenn ja, dann hätten wir ine Vergleichsmöglichkeit zwischen dem, was die Bunesrepublik, und dem, was Frankreich macht. Wenn Sie air sind, müssen Sie sagen, dass die Bundesrepublik eutschland bei aller Notwendigkeit zum Sparen enorm iel Geld einsetzt und mit an der Spitze aller vergleicharen Länder steht. Liebe Frau Kollegin, das führt uns nicht weiter. Sie wollen doch eine Antwort –. Wir haben es hier mit iner Krankheit zu tun, bei der Prophylaxe nicht mehr usreicht. Heute müssen wir einen massiven zusätzlihen finanziellen Aufwand treiben, um zu verhindern, ass, wie es von Herrn Kraus und mir, aber zum Teil uch von Ihrer Seite gesagt wurde, Strukturen zusamenbrechen. Hier ist Behandlung statt Prophylaxe vonöten. Sie müssen massiv Geld in die Hand nehmen, dait entsprechende Versorgungszentren aufgebaut erden können, damit eine Schulung derjenigen vorgeommen werden kann, die die Medikamente verteilen, nd damit die hohen Investitionen im Bereich der Laborechnik getätigt werden können. (Zuruf von der SPD: Das ist keine Antwort auf die Frage!)

Brigitte Wimmer (SPD):
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Ulrich Heinrich (FDP):
Rede ID: ID1509113300
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509113400
Ulrich Heinrich (FDP):
Rede ID: ID1509113500
Brigitte Wimmer (SPD):
Rede ID: ID1509113600
Ulrich Heinrich (FDP):
Rede ID: ID1509113700

(Zurufe von der SPD: Doch!)







(A) )



(B) )


Ulrich Heinrich

Insbesondere die Diagnostik bedingt einen sehr hohen
Investitionsbedarf; er macht etwa dieselbe Summe aus,
die für Medikamente aufgewandt werden muss.


(Beifall bei der FDP)

Liebe Frau Kollegin, Sie laufen jetzt weg; es tut mir

Leid. Ich fahre daher in meiner Rede fort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen

natürlich auch darauf achten, dass es bei dem erfolgrei-
chen Kampf gegen Aids die richtigen Infrastrukturen
gibt. Hier ist bereits Sant’ Egidio angeführt worden. Wir
haben uns dies vor Ort selbst angesehen. Von solchen
NGOs kann man eigentlich nur lernen. Hier zeigt sich
wieder, dass sich unsere Entwicklungszusammenarbeit
im Wesentlichen darauf konzentrieren muss, die Infra-
strukturen herzustellen und zu helfen, die großen Inves-
titionen mit zu finanzieren. Die Arbeit vor Ort, die den
Einsatz von viel Humankapital erfordert, können wir
von hier aus nicht leisten; sie wird von den NGOs geleis-
tet.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir unterstützen sie!)


Aber sie sind bisher allein gelassen worden. Es hat sehr
lange gedauert, bis unsere Aufmerksamkeit auf diese
ganz besonderen Engagements gelenkt worden ist. Ich
unterstreiche nochmals, dass wir hier denjenigen helfen
müssen, die heute schon vor Ort eine großartige Arbeit
leisten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hinzu kommt, dass wir im Zentrum unserer Aufgaben
das Thema der HIV-Übertragung von der Mutter auf das
Kind sehen sollten. Es ist ganz sicher richtig, dass schon
während der Schwangerschaft, aber auch bei der Geburt
und in der Stillzeit Verhaltensänderungen vorgenommen
werden müssen. Hierfür sind Information und Aufklä-
rung, aber auch eine entsprechende Infrastruktur erfor-
derlich. Es reicht nicht aus, den Menschen zu sagen, sie
sollten ihre Kinder nicht stillen, sondern man muss auch
dafür sorgen, dass sauberes Wasser zur Verfügung steht,
um den Kindern aufbereitete Nahrung geben zu können.
Diese Infrastruktur aber können die NGOs vor Ort nicht
aufbauen. Hier müssen wir für eine verbesserte Infra-
struktur arbeiten.

Gestern kam eine Tickermeldung, wonach Swasiland
künftig für das Schulgeld von 60 000 Aidswaisen auf-
kommt, die sonst einfach nicht mehr zur Schule gehen
könnten, weil sie es nicht zahlen könnten. Wenn Aids-
waisen nicht zur Schule gehen, haben Rebellen, die Kin-
der zu Soldaten machen wollen, ganz besonders leichtes
Spiel, weil sie in der Regel Nahrungsmittel und ein klei-
nes bisschen Fürsorge gewähren. Dieser Kreislauf muss
unterbrochen werden.

Darum wollen wir uns dafür einsetzen, dass sich die
Bundesrepublik Deutschland bei der Versorgung der
Aidswaisen stärker engagiert. Wir halten es für notwen-
dig, zu überprüfen, ob wir zum Beispiel Swasiland, das
wirklich eines der ärmsten Länder ist und es sich eigent-

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(C (D ich überhaupt nicht leisten kann, das Schulgeld von taatsseite zu übernehmen, helfen können. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Gleichzeitig ist es notwendig und wichtig – auch da-
auf legen wir besonderen Wert –, die Forschung im
mpfstoffbereich voranzutreiben. Vor allen Dingen
uss die besondere Situation in Afrika berücksichtigt
erden, wo man andere Virenstämme als in Europa
ennt. Hier sind begleitende Forschungen nötig. Auch ist
och so gut wie gar nicht erforscht, wie sich eine Kom-
ination von Malaria oder Tuberkulose mit Aids aus-
irkt. Hier ist ein breites Feld noch nicht bearbeitet. Ich
öchte die Bundesregierung nachdrücklich aufrufen,
ich hier stärker zu engagieren.
Ich bleibe dabei: Wenn wir bei der Bekämpfung von
IV/Aids nicht erfolgreich sind, wird unsere gesamte
ntwicklungszusammenarbeit sehr stark infrage gestellt
nd – so weit möchte ich gehen – fast nutzlos.
Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509113800

Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich der Kol-

egin Heidemarie Wieczorek-Zeul.


Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD):
Rede ID: ID1509113900

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde wichtig,

ass in dieser Debatte deutlich wird, dass uns allen die-
es Thema auf der Seele lastet und dass wir alle Kräfte
obilisieren, um dazu beizutragen, dass Menschenleben
erettet werden.
Die Zahl der Waisen im südlichen Afrika ist so groß
ie die Zahl der Kinder in Deutschland. Das macht die
ramatik deutlich. Deshalb sollten wir keinen Streit um
ie Frage führen, ob zu wenig getan werde. Ich bin
elbstverständlich für jede Unterstützung dankbar. Da-
it niemand Missverständnissen unterliegt: Wir leisten
inen Riesenbeitrag, der übrigens, seit wir die Regierung
bernommen haben, dramatisch gesteigert worden ist.
ir haben damals 19 Millionen im Haushalt vorgefun-
en; wir sind heute, wenn man alles zusammennimmt,
ei 339 Millionen Euro, die wir bilateral und multilateral
ur Verfügung stellen.
Herr Heinrich, die Zahlen, die Sie nennen, hängen da-
it zusammen, dass manche Länder nur in den Globalen
idsfonds einzahlen. Er ist aber viel später eingerichtet
orden. Wir haben 1998 angefangen, gegen Aids zu
owern. Ich bin froh, dass wir das getan haben. Deshalb
tecken wir viel, rund 100 Millionen Euro, in die bilate-
ale Entwicklungszusammenarbeit. Rechnen Sie es ein-
ach zusammen!
Ich weiß noch, wie die Notenbankgouverneure bei der
eltbank mich angeguckt haben, als ich erklärte, wir
üssten Programme gegen Aids auflegen. Heute geben
ir zum Beispiel 77 Millionen Euro nur für die Zu-
chussprogramme über die Weltbank.






(A) )



(B) )


Heidemarie Wieczorek-Zeul

Es gibt einfach Bereiche, in denen es keinen Zweck

hat, Regierung und Opposition gegeneinander zu stellen.
Lassen Sie uns vielmehr gemeinsam kämpfen! Lassen
Sie solche Rechnereien, die belegen sollen, dass wir
schlechter seien, beiseite! Das stimmt nicht. Wir sind in
diesem Bereich wirklich gut. Aber wir können und müs-
sen noch besser werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509114000

Herr Kollege Heinrich, bitte.


Ulrich Heinrich (FDP):
Rede ID: ID1509114100

Ich bedanke mich für Ihre Kurzintervention. Ich sehe,

dass ich einen Punkt angesprochen habe, der uns beide
berührt. Sie fühlen sich missverstanden.

Ich sage Ihnen noch einmal ganz klar: Ich achte die
Leistung der Bundesregierung. Sie ist überhaupt nicht
gering. Sie liegt in der Aufklärung und Prävention und
ist in einer Zeit erbracht worden, bevor der Global Aids
Fund zur Bekämpfung von Aids eingerichtet worden ist.
Das ist gar keine Frage. Hier sind wir uns völlig einig.
Aber mir geht es darum, dass wir den Global Aids Fund
jetzt stärker fördern sollten, um bei der Behandlung er-
folgreich zu sein. Das ist der Punkt, den ich meine.

Außerdem, Frau Wieczorek-Zeul, sage ich Ihnen in
diesem Zusammenhang eines: Ich war sehr enttäuscht
von der Tatsache, dass der Bundeskanzler, als er vor der
Afrikanischen Union eine große Rede gehalten hat, kei-
nen einzigen Satz zum Thema Aids gesagt hat. Die Füh-
rer aller afrikanischen Staaten waren anwesend. Das
wäre eine Möglichkeit gewesen, die entsprechenden Po-
sitionen und die Wichtigkeit des Themas darzustellen
und die Regierungschefs aufzufordern, ihre Falschmel-
dungen und ihren Hexenglauben, den Frau Eid zu Recht
erwähnt hat, endlich zu unterlassen. Leider Gottes müs-
sen wir aber zur Kenntnis nehmen, dass der Kanzler hier
eine große Chance verpasst hat.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509114200

Das Wort hat der Kollege Hans Büttner, SPD-Frak-

tion.


Hans Büttner (SPD):
Rede ID: ID1509114300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Ich muss mich schon ein bisschen über
die Verve bzw. die Art wundern, mit der wir hier über die
Entwicklung in den afrikanischen Ländern debattieren.
Einerseits wird gesagt, dass wir auf gleicher Augenhöhe
mit ihnen sprechen wollen. Andererseits aber tun wir
– und wenn wir ehrlich sind, stellen wir das fest – genau
das Gleiche, was wir schon hundert Jahre lang getan ha-
ben: den armen schwarzen Männern und Frauen in
Afrika zu sagen, was sie zu tun haben, anstatt sie auf ih-
rem Weg in Richtung Selbstbestimmung und Selbstver-
antwortung, den sie seit 1990 vehement gegangen sind,
zu unterstützen und sie dafür zu loben.

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(C (D Kollege Heinrich, ich unterstütze das, was Sie zum hema Aufklärung gesagt haben. Wenn wir aber all iese Forderungen stellen, sollten wir nicht vergessen, ie lange wir selbst in unserem hoch entwickelten und trukturierten Land mit guter Ausbildung gebraucht haen, bis wir die Gleichberechtigung und Emanzipation er Frauen in der Bundesrepublik Deutschland zustande ebracht haben. Jetzt zu meinen, dass dies in den afrikaischen Gesellschaften innerhalb von zwei oder drei Jahen umzusetzen ist, halte ich für Hybris, für Überhebichkeit. So kann man mit anderen Kulturen nicht rnsthaft umgehen. Wichtiger wäre es, endlich ernsthaft auf gleicher Au enhöhe miteinander zu reden. Das will ich anhand eines eispiels tun; denn wir reden hier ja nicht nur über Aids. ir sind uns einig, dass wir über dieses Thema aufklären üssen. Kollege Helias und ich waren zusammen in frika. Bei jedem Gespräch mit den dortigen Staatspräidenten und auf allen Ebenen haben wir es immer wieer angeschnitten. Aber wir haben auch wahrgenommen, ass die dortigen Kulturen einige Zeit benötigen, um etas umzusetzen. Es wird nicht erwartet, dass wir sagen, ie die Dinge laufen. Das heißt, wir müssen auch etwas eduld haben. Heute haben wir unter anderem über den Kongo zu ebattieren. Hierbei spielt die Frage, wie man Entwickungspolitik akzeptabler macht, eine Rolle. In diesem unkt kann ich Ihnen, Kollege Kraus, ein bisschen helen. Der Kongo ist ja das Herz Afrikas. Man muss sich rinnern: Er ist so groß wie ganz Westeuropa. Man muss ich ein Gebiet vorstellen, dessen Hauptstadt Lissabon st. Dann gibt es zwei andere Städte, Warschau und Koenhagen. Dazwischen fließt ein Fluss, sonst nichts. Es handelt sich um ein Gebiet praktisch ohne Infra truktur, das aber über sehr viele wertvolle Rohstoffe erfügt. Das war auch der Grund, warum König Leopold on Belgien dort vor knapp hundert Jahren ein privates olonialregime aufgebaut hat, das nicht friedlich war nd durch das viele Afrikaner umgekommen sind. Daals gab es allerdings noch kein Fernsehen und auch eine anderen Medien, die jeden Tag darüber berichtet aben. Dann wurde die belgische Kolonialverfassung ntwickelt. 1960 wurde der Kongo unabhängig. Zu dieer Zeit war Patrice Lumumba Präsident, der heutzutage brigens von der dortigen Jugend – ob in Ruanda oder o auch immer – als Held wahrgenommen wird, wähend er bei uns schon längst vergessen ist. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Dann sage ich: weitgehend vergessen. Wir Alt-68er
ennen ihn noch, sonst aber niemand mehr.
Dieses Land ist auch nach seiner Unabhängigkeit

om Westen und vom Osten als Rohstoffquelle weiter-
in ausgebeutet worden. Wir haben dort beispielsweise
ine deutsche Firma getroffen, die mit der alten Regie-
ung in Kinshasa einen Vertrag über den Abbau von
olychlorerzen abgeschlossen hat zu den Bedingungen:
5 Jahre steuer- und abgabenfrei, einmalig 97 Dollar






(A) )



(B) )


Hans Büttner (Ingolstadt)


Lizenzgebühr. Diese Polychlorerze enthalten zu über
40 Prozent Tantal, was beispielsweise für die Elektronik
in unseren Handys gebraucht wird. Tantal wiederum
wird auf dem Weltmarkt zu Pfundpreisen zwischen
50 und 400 Dollar gehandelt. Davon bleibt dem Land
bei diesem Vertrag überhaupt nichts.

Die Mineure von uns und anderswo lassen diese Erze
von Ich-AGs, von Farmern abbauen, ohne entsprechende
Claims zu haben und ohne nennenswert dafür zu bezah-
len. Das bringt Geld – für den Bauern, der sie abbaut,
vielleicht 5 Dollar. Vielleicht baut er illegal auf dem
Grundstück vom Nachbarn ab, weil er keinen abgesteck-
ten Claim hat. Der wiederum wehrt sich dagegen. So
helfen wir letztlich mit, dass Rebellengruppen entstehen,
dass Kampf entsteht. Das organisieren wir mit. Und
dann beschweren wir uns darüber, dass dieser Staat
– dessen staatliche Strukturen 30 Jahre lang zerschlagen
worden sind – selber noch nicht in der Lage ist, von
heute auf morgen alle Rebellen zu entwaffnen, auch
nicht mithilfe der MONUC, die sehr Gutes dort tut, die
dort tut, was sie kann. Aber sie braucht Zeit dafür. Da
beschweren wir uns, dass sie nicht schnell genug Struk-
turen aufbaut. Ich meine, diese Hybris sollten wir ein
bisschen zurücknehmen.

Ich glaube, es wäre gut, wenn wir den Prozess der Be-
friedung des Kongos durch die afrikanischen Staaten
ernst nehmen würden, so wie es die Bundesregierung
seit 1998 getan hat. Die Initiativen von Pretoria, Lusaka
und anderswo waren die Auslöser dafür, dass das Land
überhaupt eine Chance hat, in eine friedliche Zukunft
gehen zu können. Diese friedliche Zukunft unterstützen
wir mit allem Nachdruck. Wir müssen dabei helfen, vor
allem auch bei der Bekämpfung von Aids.

Dieses Land und viele andere Länder brauchen vor al-
lem staatliche Strukturen, die es ermöglichen, politi-
sche Entscheidungen auch umzusetzen. Was nützt es,
wenn es keine Verwaltung gibt? Was nützt es, wenn es
keine Polizei gibt, die auch bezahlt werden kann, weil es
keine Strukturen dafür gibt? Wir müssen endlich erken-
nen, dass der erste Punkt ist, mitzuhelfen, die staatlichen
Strukturen aufzubauen, die es ermöglichen, zum Bei-
spiel Gesundheitsprogramme umzusetzen. Es wurde mit
Recht darauf hingewiesen: Man braucht eben ein Netz-
werk. Nur Medikamente oder irgendwo eine Gesund-
heitsstation reichen nicht. Man muss auch dafür sorgen,
dass sie regelmäßig beliefert wird, dass sie angefahren
werden kann auf Straßen oder Wegen, die in Ordnung
sind, usw.

Wir haben zwei Anträge vorliegen, die bezüglich ih-
rer Zielsetzung im Grunde genommen nicht sehr weit
auseinander liegen; ich bin mir sicher, wir können uns in
den Beratungen auf einen gemeinsamen Weg einigen.
Aber wir sollten uns bei dieser Diskussion – das ist an-
lässlich dieser Rede meine Bitte – vielleicht dazu durch-
ringen, den Wert, den der Dialog miteinander hat – mit
den afrikanischen Staaten und den neuen afrikanischen
Führern; so viele sind es ja noch nicht –, höher zu schät-
zen, als wir es im Moment noch tun.

Es ist gut, dass der Bundeskanzler und die Ministerin
für Entwicklungszusammenarbeit Präsident Kabila hier

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(C (D mpfangen haben. Ich glaube, der Mann ist es wert, dass ir ihn unterstützen, auch in seinem Dialog mit seiner esellschaft. Auch wir sollten lieber miteinander reden ls gegeneinander zu schweigen. Unser lieber Kollege elias hat das Prinzip aufgestellt: Lieber mit dem Teufel eden, wenn es dem Frieden dient, als das nicht tun. Das ollten wir auch tun, denn es spielt in Afrika, es spielt im ongo eine noch größere Rolle als vielleicht bei uns. Vieles läuft dort noch nicht so rational wie bei uns, uch in der Politik nicht. Die Politik im Kongo baut zum eispiel noch auf einer Vielzahl familiärer und persönliher Strukturen auf. Mein Appell an Sie lautet daher: ehmen Sie den Antrag zum Thema Kongo zum Anlass, m Rahmen der Afrikapolitik gemeinsam dafür zu soren, dass die Initiativen, die die afrikanischen Staaten elbst ergreifen, um in ihren Ländern stabile Strukturen u schaffen, Erfolg zeigen. Diese sind Voraussetzung für ie Bekämpfung von Armut und Aids. Dabei können GOs – das sage ich mit aller Vorsicht – durchaus Hilfetellung geben. Aber es muss auch die Frage erlaubt ein, ob es für diese Staaten, die kaum über eine staatlihe Bürokratie verfügen, gut ist, wenn sie zum Beispiel ür die Mitarbeiter von 4 000 NGOs und mehr, die in ihem Land gleichzeitig tätig sind, Arbeitserlaubnisse austellen und verlängern müssen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 12 000!)


iese Papiere verlangen wir von Ausländern, die bei uns
rbeiten, auch. Also haben auch diese Staaten das Recht
azu.
Wir müssen überlegen, wie wir den Staaten dabei hel-

en können, ihre Strukturen selber aufzubauen, damit sie
ie Aufgaben, die sie lösen müssen, auch lösen können.
assen Sie uns dabei zusammenarbeiten. Ich glaube, da-
urch würden wir mehr zur Bekämpfung von Aids und
on Armut, zur Entwicklung der Länder und zur Koope-
ation zwischen unseren beiden Kontinenten beitragen
ls durch wohlfeile Appelle.
Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509114400

Das Wort hat der Kollege Hartwig Fischer, CDU/
SU-Fraktion.

Hartwig Fischer (CDU):
Rede ID: ID1509114500

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Wie ist die Ausgangslage zehn Jahre nach dem Ge-
ozid in Ruanda und nach fünf Jahren Bürgerkrieg im
ereich der Großen Seen, der 3,5 Millionen Tote vor al-
em in der Demokratischen Republik Kongo gefordert
at? Wir haben darüber im Mai eine intensive Debatte
eführt, haben Anträge beraten und Forderungen an die
undesregierung gestellt. Auf diese Weise haben wir in
iesem Parlament mit dafür gesorgt, dass über die
edien die Situation der Menschen in der Demokrati-
chen Republik Kongo in das Bewusstsein der Öffent-
ichkeit gerückt worden ist. Wir erleben, dass sich die






(A) )



(B) )


Hartwig Fischer (Göttingen)


Übergangsregierung bemüht, die Situation in der DR
Kongo zu stabilisieren. Aber der Frieden, der dort der-
zeit herrscht, ist außerordentlich zerbrechlich.

Noch vor etwa einem Jahr hatte die MONUC nur
einen reinen Beobachterauftrag. Noch im Frühjahr wa-
ren Tausende von Toten zu beklagen. „MONUC steht
heute auf den Schultern von ARTEMIS“, so hat William
Lacy Swing, der Sonderbeauftragte der UNO, gesagt.
Die MONUC hat ein anderes, ein stabileres Mandat er-
halten und kann nun zum Frieden in der Region beitra-
gen. MONUC hat aber noch immer nicht genügend Per-
sonal, um den Ostkongo insgesamt zu befrieden. Wir
haben vor 14 Tagen erleben müssen, dass im Bereich des
Albertsees über 100 Familien auseinander gerissen wur-
den; 100 Männer wurden ermordet, die Frauen und die
Kinder haben das Martyrium einer Entführung erlebt
und sind seitdem verschwunden. Wir haben aber auch
erlebt, dass MONUC sofort flexibel reagiert hat und
zwei neue Garnisonen in Arhu und Mahagi aufgestellt
hat. Man agiert und reagiert also.

Im Ostkongo gibt es über 47 Brigaden von fünf ver-
schiedenen Milizen mit circa 180 000 Kämpfern, die es
zu befrieden gilt. Damit ist MONUC derzeit noch über-
fordert. Wir können aber feststellen, dass es zum Bei-
spiel eine Zusammenarbeit zwischen den Kirchen und
der Regierung gibt. Vor zwei Tagen wurde mithilfe des
Bischofs dafür gesorgt, dass man in Bukavu den Gou-
verneur abgesetzt hat, nachdem 10 Tonnen Waffen auf
dem Grundstück des Gouverneurs gefunden und dann
entsorgt werden konnten.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Welches sind die notwendigen Schritte? – Der erste
notwendige Schritt ist die Demobilisierung der Soldaten,
insbesondere der Kindersoldaten. Eine Stabilisierung des
Ostkongo werden wir aber nur durch die Festigung von
rechtsstaatlichen Grundsätzen erreichen, wozu der Auf-
bau und die Ausbildung der Polizei und der Justiz unter-
stützt werden muss; der Kollege Büttner hat das kurz an-
gesprochen. Der zweite notwendige Schritt ist der
Ausbau der Infrastruktur. Schließlich ist das Gebiet so
groß wie Europa und hat eine Grenze zwischen den ver-
feindeten Staaten von knapp 10 000 Kilometern, die es
zu sichern gilt, ohne dass es ausreichend Straßen gibt.

Wir müssen die Regierung der DR Kongo unterstüt-
zen, dass die illegale Ausbeutung der Bodenschätze auch
durch ein transparentes Konzessionsvergabeverfahren
unterbunden wird. Vielen ist gar nicht bewusst, dass die
DR Kongo die grüne Lunge Afrikas ist, die ähnlich wie
das Amazonasgebiet in Brasilien mit zum Weltklima
beiträgt.

Dies alles veranlasst uns natürlich, die Zusammenar-
beit zu verstärken. Es existiert bereits ein Investitions-
schutzabkommen. Wir brauchen dieses Investitions-
schutzabkommen, damit wir gemeinsam handeln und
verhandeln können und damit die wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit verstärkt wird. Die wichtige Arbeit der
NGOs und der Kirchen muss insbesondere im Bereich
der Grundbildung, der beruflichen Bildung und der Ge-

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(C (D undheit weiter verstärkt werden. Parallel dazu müssen rojekte gestützt und ausgebaut werden – wie zum Beipiel die Projekte der Welthungerhilfe –, durch die Hilfe ur Selbsthilfe geleistet wird. In den nächsten Wochen nd Monaten benötigt die Demokratische Republik ongo eine besondere Unterstützung bei der Vorbereiung der demokratischen Wahlen. Insbesondere gilt es, uch die Nichtregierungsorganisationen bei dieser Vorereitung zu unterstützen. Eine der zentralen Forderungen der Union ist aller ings auch, dass die DR Kongo wieder zum Partnerland er deutschen Entwicklungsarbeit wird. Dies ist auch it Blick auf die Konferenz der Staaten in der Region er Großen Seen wichtig. Die Verhandlungen dort dieen der Stabilisierung Zentralafrikas, wodurch auch die emokratische Republik Kongo auf gleicher Augenhöhe it anderen Partnerund Schwerpunktländern verhaneln können muss. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


nsbesondere zwischen der EU, Deutschland und den an-
eren Geberländern brauchen wir dringend die Koordi-
ierung der bilateralen und multilateralen Zusammenar-
eit bei staatlichen und nicht staatlichen Aktivitäten.
icherheit und Stabilität liegen auch im deutschen Inte-
esse.
Es stellt sich auch die Frage, wie wir mit den Flücht-

ngslagern dort umgehen. Bilden wir dort einen Boden-
atz, durch den Fundamentalisten in dieser Region eine
hance für Terrorismus und Islamismus gegeben wird?
us einem Krieg resultieren Ströme von Flüchtlingen,
uch Wirtschaftsflüchtlingen. Diese schädigen die ge-
amte Entwicklung in Zentralafrika und später eventuell
uch in der Bundesrepublik Deutschland. Prävention ist
uf Dauer günstiger als Reparatur.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Büttner, ich wende mich nun an Sie. Sie

aben die Aussage unseres Kollegen Kraus aufgegriffen,
ach der es in unserem Ausschuss sehr harmonisch zu-
eht. Das ist gut so; denn es liegt im gemeinsamen Inte-
esse. Wir müssen aber aufpassen, dass die gemeinsame
ielsetzung des Parlaments – entsprechende Forderun-
en werden durch Parlamentsbeschlüsse aufgestellt –
erücksichtigung findet. Ich gehe gerne noch einmal auf
ie strittigen Anträge ein. Im Mai des vergangenen Jah-
es lagen zwei Anträge vor, über die wir uns leider nicht
inigen konnten. Ich gehe jetzt nur auf den Antrag ein,
en Sie damals gestellt haben.
In Ihrem Antrag von damals stand, die Arbeit der
ONUC müsse finanziell und politisch – auch durch die
ntsendung von Führungskräften in den Stabsstellen –
nterstützt werden. Diese Forderung an die Bundesre-
ierung kam auch von Ihrer Seite. In diesem Bereich hat
ich nichts getan.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So ist es!)


Es gibt einen zweiten Bereich. In unserem Antrag for-
erten wir, die Luftüberwachung zu verstärken. Wir






(A) )


)

Hartwig Fischer (Göttingen)


wissen, dass 80 Prozent der Waffentransporte – derzeit
noch weitestgehend aus Uganda – auf dem Luftweg er-
folgen. Wir haben die Bundesregierung damals dazu auf-
gefordert, eine Luftüberwachung mit aufzubauen. Das
Ganze ist fast ein Jahr her. Wie uns Herr Swing aus-
drücklich noch einmal bestätigt hat, ist in dieser Frage
nichts passiert.

Wir haben auch gefordert, dass die Programme ge-
mäß Ihrem Antrag, der durch das Parlament verabschie-
det wurde, in Bezug auf die Kindersoldaten erweitert
werden. Ich bin dort gewesen. Ich habe mich über die Si-
tuation in Bunia informiert und mir ein Lager mit
100 Kindersoldaten angesehen. Bezüglich der Situation
vor Ort wurde uns gesagt: Wenn wir sie dazu aufrufen,
aus dem Wald zu kommen und sich entwaffnen zu las-
sen, um wieder resozialisiert zu werden, dann stehen
plötzlich 2 000 junge Leute bei uns in der Stadt. Die Pro-
gramme greifen nicht, weil wir erst in dem Augenblick
handeln dürfen, wenn die Menschen da sind. Dann sind
wir jedoch nicht darauf vorbereitet, weil die Mittel erst
später zur Verfügung gestellt werden.

Das ist eine unbefriedigende Situation. Deshalb er-
warte ich, dass die Bundesregierung das, auf was wir uns
im Ausschuss verständigt haben und was hier im Parla-
ment verabschiedet worden ist – das ist jetzt fast ein Jahr
her –, auch umsetzt, damit es eben nicht nur Gegenstand
einer Debatte bleibt, sondern auch ein Handeln zur Folge
hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509114600

Nächster Redner ist der Kollege Hans-Christian

Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Wir sind uns alle einig: Die Demokratische Repu-
blik Kongo gehört nicht nur zu den größten Ländern Af-
rikas, sondern auch zu den Ländern, die nach der Kolo-
nialzeit zu den größten Hoffnungen Anlass gegeben ha-
ben. Die Demokratische Republik Kongo hätte ein
Land sein können, das nach der Kolonialzeit keiner Ent-
wicklungszusammenarbeit oder jedenfalls keiner Ent-
wicklungshilfe mehr bedurft hätte, weil es ungeheuer
viele eigene Ressourcen in Form von Bodenschätzen wie
Diamanten, Kupfer, Coltan und Gold besitzt, die ausge-
beutet wurden und viele Menschen – aber zuletzt die
Kongolesen selbst – haben reich werden lassen.

Die Demokratische Republik Kongo ist bis heute lei-
der nicht das Land geworden, das es hätte werden kön-
nen, nämlich ein Land mit unabhängiger Entwicklung
und Fortschritt für den Wohlstand der Menschen, ein
friedliches Land. Die Republik Kongo ist zu einem der
schlimmsten Orte des von Krieg, Vertreibung und Zer-
störung geprägten Kontinents geworden. Ein solches
Land wird man in Afrika an anderer Stelle kaum finden.
Die Situation in den letzten Jahrzehnten in der Demokra-
tischen Republik Kongo ist zu Recht mit der Situation in
Europa während des Dreißigjährigen Krieges verglichen

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(C (D orden. Die staatlichen Strukturen sind fast völlig zertört und die Lebensgrundlagen für große Teile der Beölkerung vernichtet worden. Die Menschen in diesem and haben von dem Reichtum dieses Landes so gut wie ichts abbekommen. Welches sind dafür die Gründe? Die Gründe waren ahrscheinlich auch – so zynisch das klingt – der Reichum dieses Landes, weil die ökonomischen Interessen ieler anderer Länder aus Europa, aber auch aus Afrika n die Entwicklung dieses Landes geknüpft waren. Die hemaligen Kolonialherren wie auch andere europäische änder haben in der Folgezeit die Ausbeutung dieses andes fortgesetzt und zu Kriegen mit Millionen von oten beigetragen. Nun dürfen wir aber nicht – darin unterscheidet sich hr Antrag von dem Antrag der Koalition – vergessen, ass auch Kongolesen an dem Entstehen der heutigen Siuation im Kongo beteiligt gewesen sind. Schließlich ist umumba im Kongo ermordet worden. Schließlich ist obutu als Diktator in der Demokratischen Republik ongo zu einem ganz wesentlichen Anteil an der Unterrückung der Bevölkerung und der Ausbeutung des Lanes durch auswärtige Staaten beteiligt gewesen. Wir düren auch nicht vergessen, dass Laurent Kabila, also der ater des jetzigen Präsidenten Joseph Kabila, der zuächst zu großen Hoffnungen Anlass gegeben hatte, ein egime errichtet hat, das bekämpft werden musste. Wir issen auch, dass im Kongo Konflikte der Region der roßen Seen durch die Nachbarstaaten mit ausgetragen erden. So stationierten beispielsweise Ruanda, ganda, Burundi, Simbabwe und Angola im Kongo Solaten, die dort mit Waffengewalt nicht nur eigene Inteessen, sondern ebenso die der jeweiligen Staaten wie uch die einzelner Gruppen im Kongo durchzusetzen ersuchten. Wir haben jetzt die Chance – darüber ist gesprochen orden –, eine friedliche Entwicklung im Interesse der evölkerung zu erreichen, bei der der Reichtum des ongos den Menschen dieses Landes zugute kommen önnte. Lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten. Ich ehe den wesentlichen Unterschied zwischen den Anträen der CDU/CSU-Fraktion und der Koalition zunächst arin, dass wir einiges aufgelistet haben, was in den letzen Jahren positiv geleistet wurde, und zwar nicht nur on der Bundesregierung, sondern auch von den Abgerdneten dieses Parlaments. Erinnern wir uns doch daran – es ist richtig, dass das n dem Antrag steht –, dass die Aktion ARTEMIS dazu eigetragen hat, das Völkermorden in diesem Lande zu eenden, und dass diese Aktion vom deutschen Parlaent mitgetragen worden ist. Erinnern wir uns an die ielen Reisen, die von Abgeordneten dieses Parlaments nternommen worden sind – auch in die Nachbarländer es Kongo –, bei denen wir alle darauf gedrungen haben, ass etwa Ruanda, Uganda oder Burundi ihre Soldaten us dem Kongo abziehen und damit helfen, eine friedlihe Lösung zu erreichen. Nicht nur die Minister waren ort, sondern auch Abgeordnete haben ihren Teil dazu eigetragen. Stellen wir unser Licht nicht unter den cheffel. Die Gespräche, die wir heute noch führen, die Hans-Christian Ströbele Gespräche, die wir letzte Woche mit Herrn Kabila und seiner Crew geführt haben, und die Gespräche, die wir im April auf unserer nächsten Reise in den Kongo und nach Ruanda führen werden, können zu einer vernünftigen, friedlichen und im Interesse der Bevölkerung liegenden Entwicklung im Kongo beitragen. Lassen Sie mich zuletzt auf einen wesentlichen Punkt hinweisen, Herr Kollege Ströbele, Ihre Redezeit ist überschritten. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509114700

der mir als Grünem, dem Kollegen Ruck und den
Kollegen von der SPD besonders am Herzen liegt. Der
Kongo ist auch ein Land, in dem die Natur, die Fauna
und die Flora, eine zentrale Rolle spielen können und
sollen. Lassen Sie uns dazu beitragen, dass das große
und wichtige Projekt der GTZ in Kahuzi-Biega erfolg-
reich fortgeführt wird. Wir haben es in all den Jahren des
Krieges erhalten können. Wir wollen, dass dieses Projekt
ausgeweitet wird und der Reichtum der Region und dem
Land zugute kommt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509114800

Das Wort hat die Kollegin Conny Mayer, CDU/CSU-

Fraktion.

Dr. Conny Mayer (CDU):
Rede ID: ID1509114900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

gen! Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Café am
Potsdamer Platz, am Brandenburger Tor oder irgendwo
in Ihrem Wahlkreis, und stellen Sie sich vor, jede fünfte
Frau und jeder fünfte Mann trägt die Aidsschleife. Ich
war am 1. Dezember des vergangenen Jahres, am Welt-
aidstag, in Kapstadt, Südafrika. Etwa jeder Fünfte in
dem Café und etwa jeder Fünfte, der an mir vorbeiging,
trug dieses Zeichen.

Derzeit sind nach Schätzungen von UNAIDS in Süd-
afrika über 20 Prozent aller Menschen im erwerbsfähi-
gen Alter, also jeder Fünfte, mit dem tödlichen Virus in-
fiziert. Das ist Realität in Südafrika.

Laut aktuellem „Aids Epidemic Update“, der auf dem
New Yorker Gipfel – darüber wurde heute schon gespro-
chen – im vergangenen September vorgestellt wurde,
liegt die Zahl der infizierten Menschen bei rund
40 Millionen weltweit.

Kofi Annan hat in New York deutlich gemacht, dass
der Kampf gegen HIV/Aids mit dem bisherigen Engage-
ment nicht gewonnen werden kann. Frankreichs Staats-
präsident Chirac, der russische Staatspräsident Putin, der
amerikanische Außenminister Colin Powell, der nieder-
ländische Premierminister – alle haben in New York ge-
redet. Wo war Bundeskanzler Schröder?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D o war die im Kabinett zuständige Ministerin? (Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin: Ich war da!)

Frau Eid, Sie waren da, ich weiß. Aber ich habe aufge-
ählt, welche hochrangigen Regierungsmitglieder der
nderen Länder anwesend waren. Wo war die Spitze der
undesregierung – lassen Sie es mich so sagen –, als es
arum ging, der Welt die dramatische Situation vor Au-
en zu führen und konkrete Pläne zur Bekämpfung von
IV/Aids zu diskutieren?
Das Thema HIV/Aids braucht in Deutschland wieder

inen höheren Stellenwert. Ich meine das nicht nur, aber
uch politisch. Kollege Kraus hat es ebenso wie Kolle-
en von beiden Seiten angesprochen. Diesem Thema
uss in Deutschland wieder ein höherer politischer Stel-
enwert eingeräumt werden, und zwar nicht in der zwei-
en Reihe, sondern auf höchster politischer Ebene.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir müssen gemeinsam unseren Beitrag dazu leisten,

ass HIV/Aids wieder und noch stärker als bisher als ge-
ellschaftliches Problem anerkannt und angegangen
ird. Die Krankheit – auch darauf wurde bereits hinge-
iesen – hat in einigen Ländern südlich der Sahara die
rfolge der Entwicklungszusammenarbeit der vergange-
en Jahre, ja teilweise sogar Jahrzehnte, zunichte ge-
acht.
HIV/Aids hat gerade in Entwicklungsländern gravie-

ende Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesundheit, auf
as Sozial- und Bildungssystem wie auch auf die Sicher-
eits- und Außenpolitik. Hinzu kommt – das erkennen
ir alle, es ist aber meines Wissens noch nicht so deut-
ich formuliert worden; deswegen will ich an dieser
telle darauf hinweisen –, dass die Seuche das Erreichen
er Millenniumsziele, die wir uns gemeinsam gesetzt ha-
en, bedroht. Ich halte es deshalb für richtig, dass wir bei
nseren Partnerländern ein angemessenes Engagement
m Kampf gegen die Krankheit einfordern und das auch
ur Voraussetzung für die bilaterale Zusammenarbeit
achen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Lassen Sie mich noch einmal auf die Zahlen zu spre-

hen kommen. Ich habe mich vorhin nicht in die Debatte
ingemischt, da ich jetzt die Gelegenheit habe, dazu
tellung zu nehmen. Die Bundesrepublik Deutschland
at bisher 40 Millionen Euro in den Globalen Fonds
ingezahlt. Für dieses Jahr sind 38 Millionen Euro vor-
esehen. Im Vergleich dazu hat Italien – das Beispiel
rankreich wurde bereits erwähnt – bisher 172 Millio-
en Euro eingezahlt und wird in den kommenden beiden
ahren noch 200 Millionen Euro in den Fonds einzahlen.


(Widerspruch bei der SPD)

Hören Sie erst zu, dann können wir darüber diskutie-
en!
Sie weisen zwar zu Recht darauf hin, dass wir uns

uch auf bilateraler Ebene stark engagieren. Entschei-
end ist aber beides: die Einzahlungen in den Globalen
onds und die bilaterale Hilfe. Wir bleiben hinter dem






(A) )



(B) )


Conny Mayer (Baiersbronn)


zurück, was unserer Größe und wirtschaftlichen Bedeu-
tung entspricht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

In der Diskussion um HIV/Aids ist eines wichtig: Bei

der Aidskonferenz der Vereinten Nationen im Juni 2001
war immer wieder von zusätzlichen 7 Milliarden bis
10 Milliarden US-Dollar die Rede, die notwendig sind,
um den Kampf gegen HIV/Aids zu gewinnen und die
Millenniumsziele zu erreichen.

Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zum Antrag
der Koalition machen. Wir sind uns in der Analyse in
vielen Punkten einig. Ich wundere mich aber, dass im
Koalitionsantrag festgestellt wird, dass die Bundesregie-
rung jährlich 300 Millionen Euro für die Bekämpfung
von HIV/Aids ausgibt. Diese Zahl ist falsch, wir haben
darüber schon einmal in der Fragestunde gestritten. Ich
will auch begründen, warum ich die Zahl für falsch
halte.

Erstens. Der Globale Fonds gibt in seinem Jahresbe-
richt an, dass 60 Prozent der Mittel in HIV/Aids-Pro-
jekte fließen. Die restlichen 40 Prozent der Mittel
werden zur Finanzierung von Tuberkulose- und Malaria-
projekten verwendet. Diese Projekte sind wichtig – ich
will sie nicht geringschätzen –, aber warum werden die
gesamten Mittel aus dem Globalen Fonds in die Ausga-
ben für die HIV/Aids-Bekämpfung mit eingerechnet?

Zweitens. Warum rechnen Sie alle Mittel, die irgend-
etwas mit Gesundheit zu tun haben, mit 25 Prozent bei
den HIV/Aids-Ausgaben ein? Warum berücksichtigen
Sie nicht nur die Mittel, die den 25 Kategorien der „key
interventions“ von UNAIDS entsprechen? Warum
– wenn Sie denn so vorgehen – belegen Sie das nicht
wenigstens entsprechend? Die „community“ der mit
HIV/Aids-Beschäftigten fordert die Bundesregierung
immer wieder dazu auf.

Zum Ende meiner Rede komme ich noch einmal auf
das Café in Kapstadt zurück. Ich wünsche mir, dass ich
irgendwann in Südafrika im Café sitzen kann und nie-
manden oder nur sehr wenige Menschen sehe, die die
Aidsschleife tragen, weil die Zahl der HIV-Infizierten
und Aidskranken drastisch zurückgegangen ist.

Ich appelliere an die Bundesregierung und an uns alle
über die Fraktionsgrenzen hinweg: Lassen Sie uns den
Kampf gegen HIV/Aids angehen, und zwar noch enga-
gierter als bisher!

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509115000

Das Wort hat die Kollegin Dagmar Schmidt, SPD-

Fraktion.


Dagmar Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1509115100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Was fällt Ihnen ein, wenn Sie den Begriff „Wüste“ hö-
ren? – Wüste, das ist doch – weit entfernt – eine archai-
sche Landschaft, in der wenige Lebewesen in gleißender

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(C (D itze ihre karge Lebensform finden: Steinwüsten, Sandüsten, irgendwo in fernen Regionen. Angesichts desen ist es kein Wunder, dass die Problematik der zunehenden Wüstenbildung, der Landverödung und der odenerosion nicht im Mittelpunkt des öffentlichen Ineresses steht. Wer weiß denn schon um das dramatische nwachsen verödender Landstriche weltweit, einer Flähe, die dreieinhalbmal so groß ist wie Europa? Die xistenzgrundlage von mehr als 1 Milliarde Menschen n 110 Ländern ist bedroht. Derzeit sind in 70 Prozent aler Trockengebiete Auswirkungen von Wüstenbildungen estzustellen. Dies entspricht einer Fläche von 36 Millioen Quadratkilometern. Sollte dieser Prozess in den ommenden zwei Jahrzehnten mit der gleichen Dynamik eiter voranschreiten, ist gerade in den Ländern des Süens mit einem erheblichen Rückgang der landwirtchaftlichen Nutzfläche zu rechnen. Die Folgen für die betroffene Bevölkerung in den ändern des Südens sind gravierend: Hunger, Migration, er Zusammenbruch sozialer Strukturen und politische estabilisierung. Etliche Millionen Menschen, so viele, ie in Deutschland und Frankreich leben, stehen vor der efahr, durch Landverödung zu Flüchtlingen zu werden. angzeitstudien in Westafrika belegen einen konstanten igrationsfluss von der Sahelzone zu den Küstenregioen. Dort wird die Bevölkerung in einem Zeitraum von 0 Jahren auf das Dreieinhalbfache ansteigen. In Megastädten und in anderen immer dichter besiedeln Regionen hat die Umwelt keine Chance und werden essourcen unwiederbringlich verbraucht. Obwohl wir as alles wissen, ist das Bewusstsein für die Dringlichkeit er Bekämpfung der Wüstenbildung noch viel zu gering. rsache hierfür sind zwei verbreitete Fehleinschätzungen: rstens. Wüstenbildung wird vielfach lediglich auf die usbreitung bereits bestehender Wüsten bezogen. Zweins. Damit wird das Phänomen vor allem als Problem der änder des Südens wahrgenommen. In Wirklichkeit hanelt es sich bei der Wüstenbildung aber schon lange um in globales Umweltund Entwicklungsproblem. In rster Linie geht es bei der Wüstenbildung gerade nicht m die Ausbreitung vorhandener Wüsten, sondern vor llem um von Menschen verursachte Landverödung und odenerosion durch die Übernutzung von Böden und äldern. „Betonwüste“, den Begriff kennen wir alle. Aber wer ringt die Versiegelung von Flächen in Zusammenhang it dem globalen Klimawandel? Wer sieht in benachteiigenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Urachen für den Raubbau an Bodenund anderen Naturchätzen? Übrigens, betroffen sind nicht nur die Länder n den Trockenzonen der Erde. In zunehmendem Maße reifen Landverödung und Bodenerosion auch in Nordmerika und Europa um sich. Mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen zur ekämpfung der Desertifikation steht uns seit 1996 ein ölkerrechtlich verbindliches Instrument zur Beämpfung der Wüstenbildung zur Verfügung. Die Konention hat neben dem Schutz der Böden in Trockengeieten ausdrücklich auch die Bekämpfung der Armut um Ziel. Armut ist sowohl Ursache als auch Folge von Dagmar Schmidt Landverödung und Bodenerosion. In einem nicht enden wollenden Teufelskreis zwingt Existenznot viele Menschen, die natürlichen Ressourcen ihrer Länder um jeden Preis auszubeuten – leider oft zu einem Dumpingpreis. Die damit einhergehende Landverödung schafft Armut und beschleunigt so den Prozess der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen. Mit dem Aktionsplan 2015 der rot-grünen Bundesregierung wollen wir diese Spirale des Verderbens stoppen. Die Bekämpfung der Wüstenbildung stellt seit langem einen Förderschwerpunkt der Bundesregierung dar. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fördert derzeit weltweit 250 Vorhaben, davon über die Hälfte in Afrika. Meine Damen und Herren, es gibt eine Chance, Armut durch nachhaltige Entwicklung zu überwinden. Es gibt ein Wissen um den Erhalt von Bodenund Wasserressourcen. Dieses Wissen wird gebündelt im Sekretariat der UNWüstenkonvention in Bonn. Mit der Ansiedlung des Sekretariats hat Deutschland eine besondere Verantwortung in diesem Aktionsfeld übernommen und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Ausbau des Zentrums für internationale Kooperation in Bonn geleistet – eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Land und der Stadt Bonn. Für uns ist es wichtig, neben den bereits ansässigen nationalen und internationalen Organisationen weitere Institutionen, vor allem aus den Bereichen Umwelt und Entwicklung, anzusiedeln. So wird nationale mit internationaler Politik besser vernetzt und werden die hervorragenden Konferenzmöglichkeiten, die Bonn bereitstellt, in Zukunft gesichert. Die Petersberg-Konferenzen zu Afghanistan haben der friedensfördernden Rolle der Bundesregierung, die eng mit dem Standort Bonn verknüpft ist, hohe internationale Anerkennung verschafft. Meine Damen und Herren, trotz aller Unterstützung hat die UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung bisher noch nicht den gleichen Stellenwert wie die Konvention von Rio zum Klimaschutz und zur Biodiversität. Deshalb begrüßen wir es außerordentlich, dass die 6. Vertragsstaatenkonferenz in Havanna im September 2003 beschlossen hat, die Globale Umweltfazilität als Finanzmechanismus für die Konvention anzuerkennen. Dadurch werden bis 2007 internationale Finanzmittel in Höhe von 500 Millionen US-Dollar für Programme gegen Entwaldung und Desertifikation zur Verfügung gestellt. Im Rahmen der Vertragsstaatenkonferenz in Havanna im vergangenen September sind mehr als 100 Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus 43 Ländern zusammengekommen. Zwar war die Beteiligung aus Europa insgesamt unzureichend, aber der Deutsche Bundestag war mit einer fünfköpfigen Delegation vertreten. Jetzt ein Lob, das ich wegen der Scheuklappen bei Ihrem Kollegen eigentlich streichen wollte, nun aber trotzdem bringe. Ich kann die Bewertung meines Kollegen Heinrich gestern im Ausschuss, dass wir gerade mit Blick auf die vor uns liegende Konferenz „Erneuerbare Energien“ unser Gewicht als Parlamentarierinnen und Parlamentarier in den jeweiligen Meinungsbildungspro z W S u b P m L a u F z P g d a d r E g e w A ti m O s c B S C W w s k r d h t D w n l A r (C (D ess einbringen müssen, wie in Havanna in der Frage der üstenbildung, nur mit Nachdruck unterstützen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Markus Löning [FDP])





(A) )


(B) )


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf an dieser
telle auch Professor Dr. Uwe Holtz für die gute Vorarbeit
nd Moderation in Havanna danken. Dank für die nach le-
endiger Diskussion zustande gebrachte Resolution der
arlamentarierkonferenz! Damit haben wir eine de-
okratisch legitimierte Grundlage zum Kampf gegen
andverödung und Wüstenbildung gewonnen. Aber vor
llem haben wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier
ns verpflichtet, in unseren nationalen Parlamenten die
rage der Wüstenbildung zu thematisieren und dadurch
ur Bewusstseinsbildung über die globale Bedeutung des
roblems der Landverödung und Bodenerosion beizutra-
en.
Wir sind dieser Verpflichtung mit der Einbringung

es vorliegenden Antrags und der heutigen Debatte ver-
ntwortungsvoll nachgekommen. Wir machen damit
eutlich: Armutsbekämpfung, Krisenprävention, ge-
echte Gestaltung der Globalisierung und nachhaltige
ntwicklung bedingen sich gegenseitig und können nur
emeinsam verwirklicht werden. Landverödung, Boden-
rosion und Wüstenbildung sind längst nicht mehr weit
eg. Romantische Verklärung der Wüsten oder gar
benteuerlust dürfen den Zusammenhang der Problema-
k mit unserer Zukunft nicht vernebeln. Ich wünsche
ir daher, dass Sie, meine Damen und Herren von der
pposition, sich dieser Einsicht und unserem Antrag an-
chließen. Damit könnten wir auch international ein Zei-
hen setzen, nämlich dafür, dass in Deutschland bei der
ekämpfung der Wüstenbildung alle Kräfte an einem
trang ziehen.
Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509115200

Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
hrista Reichard, CDU/CSU-Fraktion.

Christa Reichard (CDU):
Rede ID: ID1509115300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
üste. – Der weltweite Schutz der Böden ist ebenso
ichtig und verdient genauso viel Aufmerksamkeit, wie
ie dem Klimaschutz schon eine geraume Weile zu-
ommt. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Verände-
ungsgeschwindigkeit der Böden erheblich höher ist als
ie des Klimas. Allerdings ist die emotionale Betroffen-
eit weitaus geringer als bei Epidemien oder Hungersnö-
en.
Durch das Anwachsen der Weltbevölkerung wird der
ruck auf die Ressource Boden besonders in den Ent-
icklungsländern immer stärker. Dies führt zu einer zu-
ehmenden Gefährdung der Ernährungsgrundlage und
ässt großräumige Bevölkerungswanderungen erwarten.
uch hier ist Afrika besonders betroffen. Letztlich be-
ührt eine Destabilisierung in den betroffenen Regionen






(A) )



(B) )


Christa Reichard (Dresden)


auch die Interessen der Industrieländer, also auch die
Deutschlands.

Die sicherheitspolitische Relevanz von Wüstenbil-
dung und Bodendegradierung in Entwicklungsländern
ist offensichtlich; deshalb fordern wir auch von der deut-
schen Außenpolitik eine verstärkte Beachtung der si-
cherheitspolitischen Aspekte der internationalen Um-
weltzerstörung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


In Ihrem Antrag erwecken Sie den Eindruck, als be-
gännen wir im Bundestag gerade erst, uns mit diesem
Thema zu befassen. Dem ist nicht so. Der Wissenschaft-
liche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltverän-
derungen hat uns bereits 1994 einen umfassenden Be-
richt über den weltweiten Zustand der Böden vorgelegt
und den dringenden Handlungsbedarf deutlich gemacht.
Der Deutsche Bundestag hat sich 1999 und 2000 mit die-
sem Thema lange und intensiv befasst und mit großer
Mehrheit einen Antrag zum grenzüberschreitenden Bo-
denschutz verabschiedet.

Dabei kam dem Kampf gegen die Wüstenbildung und
der Unterstützung der Wüstenkonvention selbstverständ-
lich eine besondere und herausragende Bedeutung zu.
Meine Vorrednerin hat bereits an die Vertragsstaatenkon-
ferenz 2003 erinnert. Dem Bonner UN-Sekretariat der
Wüstenkonvention möchte ich im Namen meiner Frak-
tion für seine hervorragende Arbeit, die auch im vorlie-
genden Antrag deutlich wird, ausdrücklich Dank sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Der vorliegende Antrag lässt bei mir trotzdem noch

einige Fragen offen, die ich hier ansprechen möchte. Es
beginnt mit der Überschrift: Dort vermisse ich den Be-
zug zur Bodendegradation in den Entwicklungsländern
insgesamt, der uns vor vier Jahren besonders wichtig er-
schien. Frau Schmidt, Sie haben dies in Ihrer Rede be-
sonders betont. Warum nehmen wir eine Beschränkung
vor? Selbst die Wüstenkonvention wurde in den Anhän-
gen für andere Bodenschäden geöffnet.


(Dagmar Schmidt [Meschede] [SPD]: Text lesen!)


– Ich habe die Überschrift angesprochen. Sie soll deut-
lich machen, was im Antrag steht.

Mich interessiert, was die Bundesregierung konkret
getan hat, seit die Aufträge des Parlaments von 2000 auf
dem Tisch liegen. Die Ausführungen im Bodenschutzbe-
richt der Bundesregierung von 2002 zu den Aktivitäten
in den Entwicklungs- und Schwellenländern sind mehr
als dürftig und beziehen sich primär auf die Aufzählung
der verschiedenen internationalen Konventionen. Das
reicht nicht aus!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die gute Arbeit der deutschen Entwicklungszusam-
menarbeit im Bereich der Desertifikation wird in diesem
Bericht nicht einmal erwähnt. Liegt das an Abstim-
mungsproblemen in der Bundesregierung? Nach meiner

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(C (D uffassung sind Umwelt und Entwicklung zwei Seiten iner Medaille; sie gehören zusammen. Die Vorlage dieses Berichts zum Ende der Legislatur eriode hat sich auf die Befassung im Bundestag unünstig ausgewirkt. Der Bericht liegt nun ohne Parlaentsbefassung in der Schublade. Eine Bitte an die undesregierung: Legen Sie den nächsten Bericht rechteitig und vor allem umfassend vor, damit er auch im arlament genügend Aufmerksamkeit finden kann! Eine weitere Frage: Welche neuen Erkenntnisse gibt s inzwischen zu den Wechselbeziehungen zwischen esertifikation und Bodendegradation, Trinkwasserchutz, Klimaveränderung, Tropenwaldvernichtung, Arenvielfalt, Bevölkerungswachstum und weiteren Faktoen? Ist die Struktur der deutschen Forschung zum lobalen Wandel interdisziplinär geworden? Ist die interationale Verflechtung und damit die Problemlösungskometenz – wie vom Wissenschaftlichen Beirat gefordert – eit 1994 gewachsen? Ich schlage vor, dass wir uns vor der Beratung des ntrags in den Ausschüssen erst einmal die noch offeen Fragen zum Thema von der Bundesregierung beantorten lassen. Wir sind zur Zusammenarbeit bereit. Ich ann mir bei der Berücksichtigung einiger Anregungen on unserer Seite eine breite Unterstützung durch das arlament vorstellen. Ich danke Ihnen. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf en Drucksachen 15/2408, 15/2396, 15/2395, 15/2335, 5/2465, 15/2469 und 15/2479 an die in der Tagesordung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die orlage auf Drucksache 15/2408 – Tagesordnungsunkt 5 a – soll zusätzlich an den Ausschuss für Wirtchaft und Arbeit, den Ausschuss für Familie, Senioren, rauen und Jugend sowie an den Ausschuss für Menchenrechte und Humanitäre Hilfe überwiesen werden. ind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe den Zusatzpunkt 6 auf: Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP Zulassung aller Kandidaten und Kandidatinnen zu den Wahlen im Iran – Drucksache 15/2481 – Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre einen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege udolf Bindig, SPD-Fraktion. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle gen! Mit großer Sorge blicken wir in diesen Tagen in Richtung Iran. 25 Jahre, nachdem Ajatollah Khomeini einen Gottesstaat im Iran ausgerufen hat, spitzt sich der Konflikt zwischen reformorientierten und klerikal-konservativen Kräften zu. Aktueller Auslöser ist die Aufstellung der Kandidaten für die Parlamentswahlen am 20. Februar. Alle Kandidatinnen und Kandidaten müssen sich einer Überprüfung durch den klerikal-konservativen Wächterrat unterziehen, der nach islamischen Gesichtspunkten darüber entscheidet, ob sie als Abgeordnete geeignet sind. Durch seine Entscheidung, von den insgesamt 8 200 Bewerbern über 2 000 abzulehnen, versucht der Wächterrat, die Reformkräfte zu schwächen und zugleich den Reformprozess zu stoppen, den der vom Volk gewählte Präsident Chatami und die reformorientierte Mehrheit im Parlament eingeleitet haben. Die klerikal-konservativen Kräfte stützen ihre Machtposition hauptsächlich auf den von ihnen dominierten Wächterrat und das Justizsystem. Die Mitglieder des Wächterrates sind nicht vom Volk gewählt, sondern auf Lebenszeit ernannt. Bereits bei den vorangegangenen Parlamentswahlen 1996 und 2001 hatte der Wächterrat durch die Ablehnung von Bewerbern versucht, die Reformkräfte zu schwächen. Dennoch konnte das reformorientierte Lager seine Position deutlich ausbauen. Auch Präsident Chatami erhielt bei seiner ersten Wahl 69 Prozent und bei seiner Wiederwahl 78 Prozent der Stimmen. Diese Ergebnisse zeigen den starken und gewachsenen Willen der iranischen Bevölkerung und insbesondere der Jugend, das erstarrte politische System zu verändern. Inzwischen haben sich allerdings Enttäuschung und Ernüchterung im Land breit gemacht. Intellektuelle, Studenten, Frauen und Jugendliche zweifeln an der Reformierbarkeit des Systems durch die Teilnahme am politischen Prozess und an Wahlen. Der Grund liegt darin, dass das Parlament zwar Reformgesetze beschließen kann, jedoch alle Gesetze der Bestätigung durch den Wächterrat bedürfen; und dieser hat seine Macht intensiv genutzt. Etwa 80 Prozent aller Gesetzesvorschläge des Parlaments sollen zurückgewiesen worden sein. Kein Wunder, dass dies bei der Bevölkerung und bei den Wählern zu Enttäuschung und Ernüchterung geführt hat. Wie soll man für Wahlen und für politische Inhalte eintreten, wenn die gewählten Gremien und sogar der gewählte Präsident an einem erzkonservativen Klerus scheitern, der nicht gewählt ist, aber faktisch unangefochten seine Macht ausübt? Der Wächterrat hat selbst die Empfehlung des geistigen Oberhauptes Chamenei unbeachtet gelassen, bei der Zulassung von Kandidaten davon auszugehen, dass bei den bisherigen Abgeordneten die politische und islamische Eignung zu vermuten sei. Trotzdem hat der Wächterrat die erneute Kandidatur von mehr als 80 Abgeordneten nicht zugelassen. K z w m d w k t i b t t k O v a V d t d r l r A l g s m F P d d b a i h w l t w w t O g i g r D t v s i B (C (D Bei der Auseinandersetzung zwischen Reformern und onservativen geht es mittlerweile um einen Kampf wischen unvereinbaren politischen Systemen. Dies ird deutlich, wenn ein Abgeordneter aus dem Reforerlager sagt: Die Konservativen im Wächterrat wollen en hässlichen Körper der Diktatur mit dem schönen Geand der Demokratie bedecken. Umgekehrt behaupten onservative Geistliche, dass die demokratischen Instiutionen des Parlaments bereits wieder von Feinden der slamischen Revolution beherrscht würden; dies müsse eendet werden. Der konservative Klerus sieht die Feinde der Revolu ion aber nicht nur im Parlament. Auch an den Universiäten, in Verlagen und Zeitungsredaktionen, in Anwaltsanzleien und zahlreichen zivilgesellschaftlichen rganisationen werden Befürworter der Reformpolitik erfolgt. Ihr einziges Vergehen ist oft, dass sie ihr Recht uf Meinungsund Versammlungsfreiheit wahrnehmen. iele von ihnen wurden verhaftet und wegen Gefährung der Sicherheit zu langjährigen Haftstrafen verureilt. Für alle, die mit ihrer kritischen Haltung gegenüber en radikal-islamischen Kräften innerhalb des Regieungssystems in ständiger Bedrohung leben, ist die Vereihung des Friedensnobelpreises an die Menschenechtsverteidigerin Schirin Ebadi ein Zeichen der nerkennung für ihren Mut. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509115400




(A) )


(B) )

Rudolf Bindig (SPD):
Rede ID: ID1509115500

(Beifall bei der SPD)


Tief besorgt verfolgen wir die Entwicklung in den
etzten Tagen. Die Wahlen am 20. Februar sollen durch-
eführt werden, obwohl rund 2 000 Kandidaten ihr pas-
ives Wahlrecht genommen wurde, darunter auch pro-
inenten und erfahrenen Abgeordneten. Bei den
eierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Revolution hat
räsident Chatami davor gewarnt, die Demokratie unter
em Deckmantel des Islam zu untergraben, und gelobte,
en Reformprozess trotz aller Widerstände voranzutrei-
en. Eine Trennung von Religion und Politik lehnte aber
uch er ab.
Es bleibt also unklar, ob und wie der Reformprozess

n Iran künftig gestaltet werden kann. Er ist bereits bis-
er an den Strukturen und Widersprüchen des Systems
eitgehend aufgelaufen. Auch die Parteien des Reform-
agers verfolgen unterschiedliche Strategien: Die Par-
eien des Präsidenten und des Parlamentspräsidenten
ollen an den Wahlen trotzdem teilnehmen. Dagegen
ill die vom Präsidentenbruder geführte Islamische Par-
izipationsfront die Wahlen ebenso boykottieren wie die
rganisation der Kämpfer für die Revolution.
Wir deutsche Abgeordnete, die wir in freien Wahlen

ewählt worden sind, sehen die politische Entwicklung
n Iran, die Behinderung der politischen Arbeit der Ab-
eordneten sowie die Einschränkung des passiven Wahl-
echts nach religiösen Kriterien mit tiefer Sorge. Der
eutsche Bundestag hat sich erst unlängst mit der Ak-
ion „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ dazu
erpflichtet, bedrohten Kolleginnen und Kollegen beizu-
tehen. Dies tun wir auch gerne und überzeugt für die
ranischen Parlamentskandidatinnen und -kandidaten.
ereits in der Frühphase des Konfliktes haben die Mit-






(A) )



(B) )


Rudolf Bindig

glieder der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe
des Bundestages den streikenden Abgeordneten ihre So-
lidarität bekundet und sie in ihrem Anliegen auf freie
Wahlzulassung unterstützt.


(Beifall der Abg. Dagmar Schmidt [Meschede] [SPD])


Wir haben den Wächterrat aufgefordert, das elemen-
tare demokratische Recht, sich zur Wahl zu stellen, nicht
weiter zu behindern. Wir haben dazu aufgerufen, dass
Iran seine völkerrechtlichen Verpflichtungen erfüllt,
denn mehrere internationale Konventionen, die er rati-
fiziert hat, garantieren das freie Wahlrecht, das aktive
wie das passive. Auch Bundestagspräsident Wolfgang
Thierse hat die freie Zulassung aller Bewerber zu den
Wahlen gefordert.

Heute wollen wir nun in einer gemeinsamen Ent-
schließung aller Fraktionen unsere Auffassung unter-
streichen, dass Iran nur mit einem Parlament, das den
positiven Willen der Bevölkerung unverfälscht repräsen-
tiert, die schwierigen Herausforderungen meistern kann,
die vor ihm liegen. Neben dem allgemeinen und glei-
chen aktiven Wahlrecht ist dafür ein volles passives
Wahlrecht erforderlich. Wir erwarten von den iranischen
Autoritäten, dass sie die einschränkenden Entscheidun-
gen korrigieren und alle Kandidatinnen und Kandidaten
zur Wahl zulassen.

Dieser Appell kommt einmütig aus dem ganzen
Hause. Wir hoffen, dass er Gehör findet. Zumindest soll
er zeigen, dass der Deutsche Bundestag eine klare Posi-
tion für die Grund- und Menschenrechte im Iran bezieht.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509115600

Nächster Redner ist der Kollege Ruprecht Polenz,

CDU/CSU-Fraktion.

Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1509115700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist

nicht schwer vorherzusagen, dass die iranischen Autori-
täten den Appell des Bundestages verärgert als, wie sie
sagen werden, Einmischung in die inneren Angelegen-
heiten zurückweisen werden. Vielleicht verweisen sie
auch noch darauf, dass es völlig verfassungsmäßig ge-
wesen sei, dass der Wächterrat von den 8 000 Kandida-
ten für die Parlamentswahl mehr als 2 000 endgültig aus-
geschlossen hat, darunter auch 82 Mitglieder des
derzeitigen Parlaments.

Aber die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin
Ebadi verweist in einem „Stern“-Interview darauf:

Der Wächterrat wurde ins Leben gerufen, damit er
die Wahlen beaufsichtige und politische Einmi-
schung in die Kandidatenauswahl verhindere. An-
schließend hat ein konservatives Parlament jenes
Gesetz verabschiedet, mit dem der Wächterrat je-
den Kandidaten einfach von Wahlen ausschließen
kann. Aber dieses Gesetz steht im Widerspruch

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(C (D zum Geist unserer Verfassung. Entweder es gibt freie Wahlen und jeder kann wählen, wen er will, oder das Ergebnis ist nicht respektabel. Nahezu wörtlich dieselbe Auffassung hat Großayatolah Hossein Ali Montazeri vertreten, immerhin selbst eier der Väter der iranischen Verfassung. In einem Interiew mit der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“ tellt er darüber hinaus fest: Folglich haben wir heute anstelle von freien Wahlen eine Auswahl, die von einer einzelnen Fraktion des Wahlwettbewerbs durchgeführt wurde. Dies alles ist illegal und gegen die Verfassung. s ist also keine unzulässige Einmischung in die inneren ngelegenheiten des Irans, wenn der Deutsche Bundesag diese inneriranische Kritik aufgreift und die Vorgeensweise der iranischen Autoritäten nicht einfach auf ich beruhen lässt. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Dies gilt insbesondere für die Ablehnung unserer
olleginnen und Kollegen im iranischen Parlament, de-
en nicht nur eine erneute Kandidatur verboten wurde,
ondern die darüber hinaus auch noch befürchten müs-
en, wegen ihrer Rücktrittserklärung kriminalisiert zu
erden. Sie hätten damit, so heißt es, eine religiöse
ünde begangen. Aus dem Justizministerium wird dafür
ereits die Todesstrafe gefordert.
Die Verabschiedung unseres gemeinsamen Antrages

st das Mindeste, was wir für diese Kolleginnen und Kol-
egen tun können. Ich denke, wir alle erwarten auch von
er Bundesregierung, dass sie hier die weitere Entwick-
ung nicht nur mit größter Aufmerksamkeit beobachtet,
ondern auch alles in ihren Kräften Stehende tut, um
iese Parlamentarier wenigstens vor weiterer politischer
erfolgung zu schützen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Nach diesen Vorkommnissen wird man von Wahlen

m Iran, die diesen Namen verdienen, erst wieder spre-
hen können, wenn sie unter internationaler Aufsicht
er Vereinten Nationen stattfinden.
Auf was müssen wir uns in der Zukunft einrichten?
it der Manipulation der Wahlen wird keines der drän-
enden Probleme des Irans gelöst. Im Gegenteil: Die Lö-
ung wird erschwert, weil das demokratische Element in
er iranischen Verfassung weiter geschwächt wird. Die
otwendige allgemeine Aufbruchstimmung zur Über-
indung der tiefen wirtschaftlichen Stagnation und zur
ekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit, insbesondere
er Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen, lässt sich so
icht erzeugen. Im Gegenteil: Die schon heute zu beob-
chtende Apathie wird zunehmen. Das ist kein gutes
lima für Investitionen aus dem Ausland, auf die der
ran so dringend angewiesen ist.
Zu befürchten ist, dass die Presse- und Meinungsfrei-

eit weiter unter Druck gerät, dass weiter unliebsame
eitungen geschlossen werden, diesmal aber auf lange






(A) )



(B) )


Ruprecht Polenz

Zeit, weil es keine Regierungsstelle mehr geben wird,
die eine Neueröffnung erlaubt. Der Justizapparat wird
nicht mehr durch gewählte Regierungsvertreter gemä-
ßigt werden. Für die Menschenrechte im Iran befürchte
ich deshalb erhebliche Verschlechterungen.

Außenpolitisch wird der Iran weiterhin grundsätzlich an
Stabilität in Afghanistan und im Irak interessiert bleiben
und insoweit seine bisherige durchaus konstruktive Rolle
nicht verändern. Gleiches dürfte für die Nuklearpolitik gel-
ten. Schließlich hat der Generalsekretär des Nationalen Si-
cherheitsrats, Rowhani, die iranische Zustimmung zum Er-
gänzungsprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag selbst
verhandelt. Rowhanis Einfluss dürfte ja nach dem
20. Februar 2004 eher weiter wachsen. Es könnte sogar
sein, dass die so genannten pragmatischen Konservati-
ven vorsichtig auf eine Verbesserung des Verhältnisses
zu den USA hinarbeiten. Das läge auch in unserem Inte-
resse. Deshalb sollte die Bundesregierung sondieren, ob
und inwieweit sie dabei behilflich sein kann.

Damit bin ich bei ein paar Schlussfolgerungen für die
deutsche Politik. Präsident Chatami hat die bevorstehen-
den Wahlen wiederholt als unfair kritisiert. Die Friedens-
nobelpreisträgerin Ebadi ist deutlicher geworden und
hat gesagt, dass das kommende Parlament unter diesen
Umständen keine Legitimation besitzen wird. Das muss
auch in der Art und Weise unserer künftigen Kontakte
seinen Niederschlag finden. Natürlich werden wir auch
in Zukunft mit Abgeordneten des Madschlis sprechen;
wir tun dies ja auch mit Mitgliedern anderer Parlamente,
die nicht aus freien und fairen Wahlen hervorgegangen
sind. Aber gleichzeitig müssen wir die Kontakte zu Ver-
tretern von Gruppen außerhalb des Parlaments intensi-
vieren, wenn wir uns ein realistisches und repräsentati-
ves Bild von der Lage im Iran machen wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP sowie beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Gesprächsthemen werden sich nicht verändern.
Wir bleiben an guten deutsch-iranischen Beziehungen in-
teressiert und wollen sie in wirtschaftlicher und kultureller
Hinsicht weiter ausbauen. Aber wir behalten auch die
schwierigen Themen auf der Tagesordnung: die Lage der
Menschenrechte, das Thema Massenvernichtungswaffen,
den Nahost-Friedensprozess und die iranische Haltung
dazu sowie das Thema Terrorismus; es wirft schließlich
viele Fragen auf, dass nach einer Meldung in der „Zeit“
diese Woche ein Treffen der Hisbollah, des Islamischen
Dschihad, der Hamas und des Ansar al-Islam im Iran
stattfindet. Nein, wir dürfen nicht den Eindruck aufkom-
men lassen, als würden wir über unsere Sicherheitsinte-
ressen das Reformverlangen vergessen. Denn die Erfah-
rung hat uns gelehrt, dass ohne Demokratie und
Menschenrechte auch unsere Sicherheitsinteressen nicht
dauerhaft gewahrt werden können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Nicht zuletzt deshalb hat die Europäische Union auf
ihrem Gipfel in Thessaloniki im Juni 2003 festgeschrie-

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(C (D en, dass Fortschritte in den Verhandlungen über das andelsund Kooperationsabkommen wechselseitig on Fortschritten im politischen und im Menschenechtsdialog abhängig sind. An diesem Grundsatz gilt es estzuhalten. Nach den Ereignissen, die uns zur Verabchiedung des vorliegenden Antrages veranlasst haben, öchte ich hinzufügen: Jetzt erst recht! (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509115800

Das Wort hat die Kollegin Claudia Roth, Bündnis 90/
ie Grünen.
Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eute erheben wir hier gemeinsam – ich betone: ge-
einsam – die Stimme, um unsere Solidarität mit den
olleginnen und Kollegen im iranischen Parlament
undzutun, die eine ganz zentrale Forderung haben: freie
nd faire Wahlen, die in jeder Demokratie eine Selbst-
erständlichkeit sein müssen, freie und faire Wahlen, die
ie Weltöffentlichkeit und vor allem die überwältigende
ehrheit der Iraner und Iranerinnen von ihrer Republik
rwarten.
Der Wächterrat hat mit einer unglaublichen Dreis-

igkeit und Unverschämtheit Tausende Bürger – darunter
uch amtierende Parlamentarier – ausgeschlossen. Der
ächterrat, der sich nie dem Votum der Wähler stellen
uss, verkündet, die Wahllisten seien endgültig und die
risten für Änderungen abgelaufen. Die Vorgehensweise
es Wächterrats bedeutet, Wahlen durch Vorsortieren zu
anipulieren und das passive Wahlrecht komplett au-
er Kraft zu setzen.
Ein Parlament, das auf diese Weise zustande kommt,
ird mit dem Makel der offensichtlichen Manipulation
eben müssen. Das vom Wächterrat auf dem Schachbrett
rsonnene Parlament kann nur als dessen Marionette
gieren. Präsident Chatami hat trotz seiner Kritik am
erfahren die Durchführung der Wahlen angekündigt.
ber noch ist nicht aller Tage Abend, noch kann man
ehler korrigieren, weil es um sehr viel geht. Eine Ver-
chiebung des Wahltermins und die Garantie von freien
ahlen wären die wichtigste Voraussetzung, damit die
enschen im Iran überhaupt einen Grund haben, wählen
u gehen. Es ist eine bittere Erfahrung für die meisten
raner, erleben zu müssen, dass der Wächterrat gerade
ie Abgeordneten ausschließt, die vor vier Jahren mit
berwältigenden Ergebnissen ins Parlament gewählt
urden.
Die Resignation und die Abwendung der Bevölke-

ung von ihrem hoffnungsvoll ins Amt geschickten Prä-
identen und das Desinteresse an den Auseinanderset-
ungen zwischen den Reformern und den totalitären
räften sind nachvollziehbar. Der jungen iranischen Ge-
ellschaft kann man aber nicht vorwerfen, dass sie zu-
sst, dass eine solche Entrechtung stattfindet; denn
hatami hat in mehreren Konfliktfällen nicht auf Rü-
kendeckung der Bevölkerung, sondern auf Konsens mit






(A) )



(B) )


Claudia Roth (Augsburg)


konservativen Machtmonopolisten gesetzt. Mit seiner
Nachgiebigkeit hat er bisweilen den Machthungrigen
Appetit auf mehr gemacht.

Positiv bleibt, dass die Auseinandersetzungen um Re-
formen nachhaltige Spuren im politischen und demokra-
tischen Bewusstsein der Iraner hinterlassen haben. Der
Wächterrat kann ein ihm genehmes Parlament installie-
ren; aber dieses öffentliche Bewusstsein und diese Sen-
sibilität können nicht rückgängig gemacht werden. Er
hat es mit einer wachgerüttelten, aufmerksamen Öffent-
lichkeit zu tun, die dringende Antworten auf ihre Pro-
bleme erwartet. Er hat es mit einer Zivilgesellschaft zu
tun, die wir kraftvoll unterstützen müssen.

Sicherlich wird unsere heutige Debatte, wie Ruprecht
Polenz gesagt hat, in einigen Medien Irans als unzuläs-
sige Einmischung bewertet und beschimpft. Die Islami-
sche Republik hat die Regeln des friedlichen Zusam-
menlebens und die von ihr ratifizierten Konventionen
und Abkommen einzuhalten. Geschieht dies nicht, ist es
unsere Pflicht, es zu fordern und anzusprechen, also uns
im Sinne der Umsetzung von Konventionen positiv ein-
zumischen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Der Iran wähnt sich, wie wir wissen, in der weltwei-
ten Antiterrorkoalition. Aber den Lippenbekenntnissen
der iranischen Staatsführung müssen Taten folgen, in-
dem sie zum Beispiel alles tut, um die Serienmorde in
den 90er-Jahren und den Mord an der iranisch-kanadi-
schen Journalistin Zahra Kazemi aufzuklären, und in-
dem sie eine Gedenktafel für die Mykonos-Opfer in
Berlin-Wilmersdorf nicht als Beleidigung diffamiert.

Unüberhörbar sind in diesen Tagen die Signale der
iranischen Autoritäten, dass sie in Zukunft außen- und
regionalpolitisch den sicheren Kantonisten abgeben wol-
len. Das können wir aber zum Preis von Unterdrückung
und Verhinderung der Demokratisierung im Inneren
nicht akzeptieren. Wir werden nach diesem Putsch gegen
das Parlament – so wird es im Iran bezeichnet – allem
Anschein nach Gesprächspartner haben, die auch Regie-
rungsmacht haben. Aber das Ziel mancher iranischer
Machthaber, eine Spaltung der internationalen Gemein-
schaft, wird nicht erreicht werden. Wir begrüßen jede
Entspannung in den iranisch-amerikanischen Beziehun-
gen und hoffen, dass auch die USA die Möglichkeit er-
halten und wahrnehmen werden, in direkten Kontakten
mit dem Iran die Bedeutung und Universalität der Men-
schenrechte zu betonen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Nicht nur Menschenrechtler haben negative Erfahrun-
gen mit Staaten gemacht, die sich außenpolitisch zwar
einbinden lassen, innenpolitisch aber jegliche Demokra-
tisierung brutal und schamlos verhindern. Ein erweiterter
Sicherheitsbegriff – er ist die Basis unseres EU-Iran-Dia-
logs – schließt die Hinnahme und Duldung von Men-
schenrechtsverletzungen sowie die Einschränkung bür-
gerlicher politischer Freiheitsrechte aus. Darauf werden

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(C (D ir als Parlament und Regierung achten – in Anteilahme im Blick auf die Menschen im Iran und ihr Streen nach einer demokratischen Gesellschaft und in orge um die Sicherheit und Stabilität im Nahen und ittleren Osten. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509115900

Nächster Redner ist der Kollege Markus Löning,

DP-Fraktion.


Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1509116000

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Wir

ordern hier heute alle gemeinsam die Zulassung aller
andidatinnen und Kandidaten zu den Wahlen im Iran.
ch denke, von hier geht ein wichtiges Signal aus. Es ist
um einen ein Signal der Solidarität sowohl mit unseren
olleginnen und Kollegen als auch mit all denen, die
andidieren wollen und jetzt nicht kandidieren können.
s ist zum anderen ein Zeichen der Unterstützung für die
räfte im Iran, die sich für die Demokratisierung ein-
etzen, die die Demokratie im Iran wollen, die sie for-
ern und fördern. Es ist sicher auch ein Signal an die
achthaber in Teheran.
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir hier betonen – das

st schon mehrfach passiert –: Wir sind an einem ernst-
aften Dialog, an einer ernsthaften Zusammenarbeit mit
em Iran interessiert; aber wir sind nicht bereit, hinzu-
ehmen, dass Menschenrechte verletzt werden, dass
rauenrechte mit Füßen getreten werden oder dass die
emokratie im Iran ausgehöhlt wird.
Meine Damen und Herren, der Iran bietet ein großes

otenzial für einen wichtigen Dialog. Er bietet ein wirt-
chaftliches Potenzial für uns und auch für sich selbst.
s kommt darauf an, dass der Iran sich selbst befreit und
o seiner eigenen Bevölkerung – darunter 70 Prozent
unge Leute, die seine Stärke sind, weil sie über einen
ohen Bildungsstandard verfügen und eine große Dyna-
ik verkörpern – eine Chance bietet. Er ist ein sehr inte-
essanter Partner für uns und hat das Potenzial, sich zu
ntwickeln. Vor allem hat der Iran – das ist noch wichti-
er – das Potenzial, eine regionale Ordnungsmacht zu
ein. Er hat das Potenzial, im Nahen Osten, in dem er schon
ehr lange unterschiedliche Rollen gespielt hat – teilweise
ehr gute Rollen –, eine große Rolle für Frieden und für
ine stabile Entwicklung zu spielen.
Dazu gehört – das ist angesprochen worden –, dass er

eine Politik gegenüber Israel endlich ändert. Dazu ge-
ört, dass er die Unterstützung von Organisationen wie
er Hisbollah endlich aufgibt.
Aber der Iran und wir haben durchaus auch gleich ge-

agerte Interessen. Im Hinblick auf Stabilität im Irak
nd in Afghanistan könnte eine Kooperation sicherlich
iniges Gutes bewegen. Es liegt also sowohl im deut-
chen als auch im europäischen Interesse, dass sich der
ran stabil entwickelt.






(A) )



(B) )


Markus Löning

Dazu gehört, dass er endlich die Menschenrechte res-

pektiert, dass er Journalisten nicht mehr verfolgt, um-
bringt oder ins Gefängnis sperrt, dass die Meinungen frei
geäußert werden können. Dazu gehört, dass die Frauen-
rechte respektiert werden, dass die Demokratie nicht
mehr ausgehöhlt wird und dass endlich alle Kandidaten
zu dieser Wahl zugelassen werden.

Wir sollten versuchen, den konstruktiven und kriti-
schen Dialog mit dem Iran fortzusetzen, aber auch von
hier aus ein klares Signal senden: Wir sind an dem Dia-
log interessiert, werden ihn aber nicht um jeden Preis
fortsetzen. Wir werden auf dem Thema Menschenrechte
und auf dem Thema Demokratie bestehen und sie immer
wieder ansprechen.

Vielen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509116100

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Holger Haibach, CDU/CSU-Fraktion.

Holger Haibach (CDU):
Rede ID: ID1509116200

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zweimal hat
sich der Deutsche Bundestag im letzten Jahr mit dem
Schicksal verfolgter und inhaftierter Parlamentarier be-
schäftigt. Im Juni haben wir einstimmig eine Resolution
zur sofortigen Freilassung der burmesischen Oppositi-
onsführerin Aung San Suu Kyi beschlossen. Am
12. Dezember – Herr Kollege Bindig hat darauf hinge-
wiesen – haben wir anlässlich der Debatte zum Tag der
Menschenrechte ebenfalls einstimmig im Rahmen der
Aktion „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ unse-
rer Sorge über die Situation verfolgter Abgeordneter
Ausdruck verliehen und dabei in großer Zahl eine Peti-
tion zugunsten der in der Türkei inhaftierten Kurdin
Leyla Zana unterzeichnet.

Heute haben wir es nicht mit Einzelfällen von Verfol-
gung oder Behinderung von Parlamentariern zu tun. Mit
dem Ausschluss von über 2 000 Kandidaten – 82 von ih-
nen bereits Abgeordnete – von den Parlamentswahlen,
die jetzt wohl am 20. Februar im Iran stattfinden, werden
in einem bisher nicht bekannten Maße nicht nur passive
Wahlrechte eingeschränkt. Vielmehr wird ein gesamtes
Volk an der Ausübung seiner demokratischen Rechte ge-
hindert.

Sicherlich hat es im Iran bereits im Vorfeld der voran-
gegangenen Parlamentswahlen bei der Zulassung von
Kandidaten zwischen dem Wächterrat, dem Parlament
und der Regierung von Präsident Chatami immer wieder
Auseinandersetzungen gegeben. Neu ist allerdings ihre
Qualität. Der Wächterrat ist ganz offensichtlich nicht be-
reit, die Zulassung aller Kandidaten ernsthaft zu erlau-
ben. Die Regierung hat ebenso offensichtlich resigniert.
Präsident Chatami hat erklärt, die Wahlen zwar durch-
führen zu wollen. Er erwartet aber keine freien und fai-
ren Wahlen, die demokratischen Standards entsprechen.

Wenn wir als in vielerlei Hinsicht privilegierte Abge-
ordnete unserer Verpflichtung gerecht werden wollen,

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(C (D ndere, die eben nicht über diese sichere Rechtsstellung erfügen, zu schützen, dürfen wir diese Vorkommnisse m Iran nicht kommentarund schon gar nicht tatenlos assieren lassen. eshalb begrüßen wir, die CDU/CSU, es ausdrücklich, ass es gelungen ist, einen gemeinsamen Antrag des geamten Hauses vorzulegen. Wir verurteilen die Geschehisse im Iran und fordern die zuständigen Gremien auf, ahlen durchzuführen, die demokratischen Anforderunen genügen und die den Namen Wahl auch tatsächlich erdienen. Die Folgen der jetzigen Ereignisse für den gerade aus enschenrechtlicher Sicht so wichtigen Reformproess sind kurzund auch langfristig verheerend. Kurzristig zeigen Umfragen bereits jetzt, dass nur noch etwa 0 Prozent aller Wahlberechtigten an den bevorstehenen Wahlen überhaupt teilnehmen wollen. Insbesondere iejenigen, die die Reformen vorantreiben wollen, weren die Wahlen boykottieren. Langfristig werden die reormorientierten Kräfte innerhalb der offiziellen iranichen Politik – dies geschieht auch jetzt schon – die nfänglich begeisterte Unterstützung verlieren. Dies iederum hat Folgen, die weit über den aktuellen Anlass inaus reichen; Kollege Polenz hat bereits darauf hingeiesen. Die Wahlen am 20. Februar dieses Jahres werden in en Augen sowohl der Weltöffentlichkeit als auch der raner diskreditiert. Der Reformprozess im Iran erleidet inen herben Rückschlag. Der Zorn der Bevölkerung ichtet sich nicht nur gegen die Beharrungskräfte, sonern auch gegen diejenigen, die nicht in der Lage zu sein cheinen, die Reformen voranzutreiben. Dadurch verlieen die so genannten Reformer ihre wichtigste Unterstütungsbasis. Schließlich werden die gesellschaftspolitichen Gegensätze, die über die eigentliche Frage der ahlen noch weit hinausgehen, weiter verschärft. Aus menschenrechtlicher Sicht, aber auch aus origi ärem deutschen und europäischen Interesse kann und arf es im Deutschen Bundestag nicht bei Lippenbeenntnissen und Resolutionen bleiben. Eine weitere estabilisierung der Nahostregion muss aus menschenechts-, sicherheitsund wirtschaftspolitischen Perspekiven verhindert werden. Hierbei ist die Situation im Iran on wirklich entscheidender Bedeutung. Deshalb gilt es, lle zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um auf ie Durchführung von tatsächlich freien und geheimen ahlen im Iran zu drängen. Deutschland hat dazu auf biwie auch auf multilate aler Ebene vielfältige Möglichkeiten. Hier nenne ich en schon angesprochenen Menschenrechtsdialog der uropäischen Union und die Zusammenarbeit in den ereichen Polizei und Justiz. eine Fraktion fordert die Bundesregierung nachdrück ich auf, diese Möglichkeiten voll auszuschöpfen und Holger Haibach sich für die Einhaltung der demokratischen Regeln im Iran einzusetzen. Gestern, am 11. Februar, wurde im Iran der 25. Jahrestag der Revolution begangen. Das Land sollte dieses Datum nicht verstreichen lassen, ohne die Chance zu nutzen, zur politischen und sozialen Stabilisierung der ganzen Region beizutragen. Wir sollten unsererseits hier und heute gemeinsam unserer Verantwortung gerecht werden, Parlamentarier zu schützen und zur Durchsetzung von Menschenrechten und Demokratie im Iran und weltweit beizutragen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den interfraktio nellen Antrag auf Drucksache 15/2481 mit dem Titel „Zulassung aller Kandidaten und Kandidatinnen zu den Wahlen im Iran“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? – Der Antrag ist einstimmig, mit den Stimmen des ganzen Hauses, angenommen worden. Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit Dr. Heinz Riesenhuber, Karl-Josef Laumann, Dagmar Wöhrl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Für eine neue Beteiligungskultur – Eigenkapitalsituation von jungen Technologieunternehmen durch Mobilisierung von Beteiligungskapital und Mitarbeiterbeteiligungen verbessern – Drucksachen 15/815, 15/2367 – Berichterstattung: Abgeordnete Gudrun Kopp Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Widerspruch gibt es nicht. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Rainer Wend. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU hat selbstverständlich Recht: Die Eigenkapitalsituation von jungen Technologieunternehmen gibt weiterhin Grund zur Sorge. Es finden sich immer weniger Kapitalgeber, die jungen Unternehmern und Existenzgründern am Standort Deutschland helfen. Forscher und Ingenieure wagen den Schritt in die Selbstständigkeit nicht mehr in dem gewünschten Umfang, weil ihnen die finanziellen Risiken zu groß geworden sind. Nur 40 Prozent der geförderten Unternehmen haben nach dem Start eine Anschlussfinanzierung gefunden. V U u v m Z m n a t m a b T z v n m z d z d P u v m m G t m N D d r l a S s S g s O l k w w e c r r n z f d (C (D on daher ist die Zustandsbeschreibung im Antrag der nion nicht völlig falsch. Auch für die Bundesregierung nd die sie tragenden Fraktionen ist die Mobilisierung on Beteiligungskapital für junge Technologieunternehen nach wie vor ein wichtiges wirtschaftspolitisches iel. Ich sage das deswegen vorweg, weil wir es so vereiden können, kontrovers über Dinge zu reden, die icht kontrovers sind. Wir und Sie als Opposition liegen wahrscheinlich uch nicht weit auseinander, wenn ich sage, dass der Beeiligungskapitalmarkt für junge Technologieunternehen noch immer in einer schweren Krise steckt. Das ist llerdings keine deutsche Besonderheit, sondern ein gloales Phänomen in den Industrienationen. Ein großer eil der Unternehmen, die mit Beteiligungskapital finaniert wurden, ist in Bedrängnis gekommen oder insolent geworden. Die Beteiligungskapitalgeber haben icht selten hohe Schäden zu verkraften und sind manchal nicht mehr in der Lage, Anschlussfinanzierungen ur Verfügung zu stellen. Deswegen überrascht es nicht, ass sich die Kapitalgeber bei neuen Engagements sehr urückhalten. Entsprechend rückläufig ist bedauerlicherweise auch ie Förderung der öffentlichen Hand, die auf die frühen hasen der Unternehmensentwicklung konzentriert ist nd die ein anteiliges Engagement privater Kapitalgeber oraussetzt, was aus den eben genannten Gründen nicht ehr in dem Umfang gegeben ist. Die Gründe für die Krise des Beteiligungskapitalarktes sind sicherlich vielfältig. Auch nicht tragfähige eschäftsmodelle gehören natürlich dazu, aber auch entäuschte Erwartungen, der Verfall bei den Unternehensbewertungen, die Krise und die Auflösung des euen Marktes, die eingetrübte Konjunktur, vor allen ingen aber die so genannte konservative Geldpolitik er Banken, die über Risikominimierung in anderen Beeichen verlorene Kredite wieder hereinbekommen wolen. In der Zustandsbeschreibung liegen wir nicht weit useinander. Die Frage ist: Was tun wir in einer solchen ituation? Im Antragd der CDU/CSU werden im Weentlichen zwei Dinge angeboten: mehr Geld oder mehr teueranreize. Wenn man sich das im Einzelnen ansieht, erät man fast – aber natürlich nur fast – in Versuchung, ich wieder nach Oppositionszeiten zu sehnen. Für eine pposition ist es nämlich leicht, Forderungen aufzustelen, wenn sie für die Finanzierung dieser Forderungen eine Verantwortung tragen muss. Die ganze Sache ist, ie ich finde, allerdings nicht mehr ganz anständig, enn Sie einer Debatte dem Finanzminister vorwerfen, r sei nicht mehr in der Lage, den Haushalt auszugleihen, bzw. verletzte Maastricht-Kriterien, in einer andeen Debatte einige Stunden später aber massive Fordeungen in Bezug auf den Haushalt stellen, die natürlich icht zu erfüllen sind. Versuchen wir uns also einmal mit dem auseinander u setzen, was die Bundesregierung real getan hat. Ich inde, das ist eine ganze Menge. Wir begrüßen sehr, dass ie Bundesregierung einen Hightech-Masterplan für Dr. Rainer Wend Innovationen und Zukunftstechnologien im Mittelstand aufgelegt hat. Ein Schwerpunkt dieser Initiative ist es, zusammen mit dem Europäischen Investitionsfonds einen neuen Dachfonds für Beteiligungskapital einzurichten. Gemeinsam mit privaten Kapitalgebern wird man in deutsche Beteiligungskapitalfonds für innovative Gründungen und junge, technologieorientierte Unternehmen investieren. Das Kapital wird je zur Hälfte vom ERP-Sondervermögen und vom EIF aufgebracht. Es werden über einen Zeitraum von fünf Jahren von beiden Partnern insgesamt rund 500 Millionen Euro bereitgestellt. Die Bundesregierung setzt damit ein Gegengewicht zur momentan stark rückläufigen Bereitstellung von Beteiligungskapital für diese Unternehmen. Ich glaube, das ist ein wichtiger und richtiger Schritt. Technologieförderung wird zudem stärker auf den Bedarf des Mittelstandes ausgerichtet. Dazu wurden Programme zur Förderung von Forschungskooperationen und Vernetzungen zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen noch effizienter gestaltet. Das Programm INNOWATT wird die bisherige FuE-Projektförderung ablösen und die FuE-Unterstützung stärker auf innovative Wachstumsträger konzentrieren. Die Innovationsförderung in den neuen Ländern bleibt ein Förderschwerpunkt. Wir können aber auch heute schon mit einem weiteren Bereich recht zufrieden sein. Experten sind sich darüber einig, dass wir bereits heute bei Ausgründungen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Deutschland im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz einnehmen. Die aktuellen schwierigen Rahmenbedingungen führen allerdings auch bei Unternehmensausgründungen zu einem Rückgang. Die Dynamik wurde aus konjunkturellen Gründen gebremst. Um diese Gründungsdynamik wieder steigern zu können, sind eine Reihe von Maßnahmen ergriffen worden. Über die Fördermaßnahme EXIST-Seed wurden in den ersten fünf EXIST-Regionen bisher über 100 Gründungsvorhaben mit mehr als 150 Gründerinnen und Gründern gefördert. Mit der BMBF-Pilotmaßnahme „Erleichterung von Existenzgründungen aus Forschungseinrichtungen“ wurden in den Jahren 2001 bis 2003 viele Ausgründungen realisiert und neue Arbeitsplätze geschaffen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall im ganzen Hause)


(Beifall im ganzen Hause)


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)





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(Beifall im ganzen Hause)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509116300

(9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1509116400




(A) )


(B) )


(Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sie sehen daran: Die Bundesregierung ist nicht untä-
tig. Im sachlichen Bereich, wo etwas getan werden kann,
passiert etwas. Natürlich spielt auch die Steuerpolitik
für die Bereitstellung von Venturecapital eine beträchtli-
che Rolle. Ich will Ihnen nicht verschweigen, dass wir
uns schwer damit tun, in diesem Bereich noch weiter ge-
hende Lösungen zu finden.

Sie fordern viel in Ihrem Antrag: Freibeträge bei
Stock Options, pauschale Versteuerung des Veräuße-
rungsgewinnes bei Stock Options, Freibeträge mit fes-

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(C (D em niedrigen Steuersatz für Business Angels und Steurfreiheit für Business Angels bei Reinvestitionen. Alle iese Dinge sind für sich genommen plausibel. Nur, enn Herrn Rauen, der heute Morgen in einem Interiew im Fernsehen zur Steuerpolitik befragt wurde, auf ie Frage: „Wollen Sie denn wirklich alle Ausnahmetatestände beseitigen?“ antwortet: „Jawohl, wir wollen lle Ausnahmetatbestände beseitigen“, Sie dann aber am achmittag einen Antrag stellen, der ein halbes Dutzend eue Steuerausnahmetatbestände vorsieht, dann setzen ie sich in Widerspruch zu Ihrer eigenen Steuerlinie, eine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist allerdings schon ein Euphemismus; denn die
ahrheit ist natürlich, dass Sie keine eigene steuerpoliti-
che Linie haben.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist wahr!)

as muss ich zum Abschluss doch noch kurz erwähnen.
ie sagen, Sie hätten in der Union Einigung in der Steu-
rpolitik erzielt. Die Einigung besteht darin, dass Sie
ich nicht geeinigt haben über den Eingangssteuersatz,
ass Sie sich nicht geeinigt haben über den Spitzensteu-
rsatz, dass Sie sich nicht darüber geeinigt haben, ob es
inen progressiven Verlauf oder einen Stufentarif geben
oll, und dass Sie nicht darüber geeinigt haben, welche
usnahmetatbestände entfallen sollen. Mit anderen Wor-
en: Über die Substanz Ihrer Steuerpolitik besteht bei Ih-
en keine Einigung. Ihr Antrag zeigt für mich an einem
leinen Beispiel deutlich, dass Sie hin- und hergerissen
ind und nicht wissen, wohin Sie in der Steuerpolitik sol-
en.
Die Bundesregierung ist mit ihren Maßnahmen auf ei-

em guten Weg, der nicht spektakulär ist, aber seine
irkungen zeigen wird.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509116500

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Heinz
iesenhuber, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Heinz Riesenhuber (CDU):
Rede ID: ID1509116600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Liebe Kollegen! Lieber Herr Wend, jetzt wollen
ir es hier einmal in aller Friedlichkeit einzeln aufdrö-
eln.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: So haben wir es ja eingeleitet!)


Erstens bin ich sehr beglückt über das, worüber wir
ns seit Beginn der Debatte immer einig gewesen sind.
ir waren uns einig über den Vorrang von Ausgründun-
en, welche die einzige Chance für einen wirklich
chnellen und effizienten Technologietransfer aus den
nstituten darstellen. Wir waren uns auch in der Ein-






(A) )



(B) )


Dr. Heinz Riesenhuber

schätzung der ziemlich miserablen Situation einig. Die
Blase am Neuen Markt ist geplatzt. Auch mit sehr viel
Optimismus betrachtet, muss man sagen, dass sich der
Markt bis jetzt nur ganz zart erholt hat. Schließlich wa-
ren wir uns darin einig, dass der Staat zwar nicht alles
richten kann, dass er an einigen Stellen aber durchaus tä-
tig werden kann und soll.

Nun hatten wir die gemeinsame Hoffnung, dass wir
hier gemeinsam etwas erreichen können. In der Debatte
von vor etwa acht Monaten haben Sie zu meiner großen
Überraschung gesagt, Ihr Wunsch sei es, dass wir in die-
sem Bereich gemeinsam etwas voranbringen. Wir haben
es versucht und haben abgewartet. Uns wurde gesagt,
wir müssten auf den Antrag warten, den die SPD vorbe-
reitet. Danach haben Sie uns gesagt, wir müssten leider
den Perspektivantrag, der auf dem Parteitag im Novem-
ber gestellt wird, abwarten. Mit der Stellung des Per-
spektivantrages mussten Sie dann wiederum auf die In-
novationsoffensive warten, die jetzt mit großer Kraft
rollt. Zu unserer Begeisterung gibt es bereits einen Rat
und eine Geschäftsstelle. Die zündende Idee fehlt jedoch
noch. Vielleicht kommt die aber auch noch. Herr
Matschie, die Eliteuniversitäten scheinen es im Moment
nicht zu sein. Wie man es auch dreht: Sie veranstalten
hier eine großartige Welle. Es wird aber nichts erkenn-
bar, wodurch die Leute zu einer leidenschaftlichen Sicht
in die Zukunft hingerissen würden. Diese Leidenschaft
ist zurzeit eher gedämpft.


(Jörg Tauss [SPD]: 500 Millionen Euro sind schon was!)


Wir haben es also nicht gemeinsam hinbekommen.
Schauen wir einmal, was Sie auf der linken Seite des
Hauses mit Ihrer großen Kompetenz und Tüchtigkeit ge-
tan haben. Die Entwicklung der Gründerei an sich ist
schon eine ziemlich schwierige Angelegenheit. – Frau
Präsidentin, Sie müssen mir einmal ein Knopflochmi-
krofon besorgen. Es ist wirklich ein mühsames Geschäft,
hier hinter einer Barrikade vor den Kollegen zu stehen
und sich zu verteidigen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509116700

Wir halten die Rechte der einzelnen Abgeordneten

sehr hoch. Sie sind aber wirklich der Einzige, der ein
solches Mikrofon braucht.


Dr. Heinz Riesenhuber (CDU):
Rede ID: ID1509116800

Sie sollten auch den Bedürftigen Unterstützung zu-

kommen lassen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Es gibt den Bereich der Gründerei insgesamt. In die-
sem müssen wir noch genauer schauen, was passiert.
Friedrich Merz hat heute früh in der Debatte gesagt, dass
sich die Zahl der Betriebsgründungen vom vorletzten
bis zum letzten Jahr, also von 2002 bis 2003, überhaupt
nicht verändert hat; das war wirklich interessant. Die
Zahl der öffentlich geförderten Gründungen ist demge-
genüber von einem Viertel auf die Hälfte gestiegen. Das
muss man erst einmal begreifen. Gibt es einen solch rie-

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(C (D igen Einbruch, dass er nur durch öffentliche Subventioen aufzufangen ist? Befinden wir uns in einer Situation, n der es überall zu Mitnahmeeffekten kommt? Die Lage st seltsam. Im eigentlich entscheidenden Bereich, also ei der Gründung von technischen Innovationsunternehen, wie es die Bildungsministerin bezeichnet hat, cheint es aber zu dümpeln. Wir haben in einer früheren Debatte schon respektvoll nerkannt, dass wir den 500-Millionen-ERP/EIF-Fonds ehr gut finden. Das ist eine gute Sache. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich freue mich immer, wenn ich die Regierung loben
ann. Selten genug ist es möglich. Deshalb tue ich es
mso beglückter.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Tun Sie es ruhig häufiger!)


Es war vernünftig von Ihnen, das als Dachfonds aus-
ugestalten. Auch die Tatsache, dass die Investitionen
urch die private Seite erfolgen sollen, halte ich für gut.
chließlich finde ich es auch gut, dass wir bei der Fonds-
esteuerung weitergekommen sind. Der Brief des Fi-
anzministers ist jetzt endlich herausgegangen. In ihm
ird zwischen gewerblichen und vermögensverwalten-
en Arbeiten unterschieden. Das ist gut.
Dass wir aber hinsichtlich der Carry-Besteuerung

och nichts geregelt haben – dies ist nur für die Altfälle
is November des vergangenen Jahres der Fall –, ist
ielleicht etwas weniger befriedigend. Es war schlecht,
ass das Ganze zwei Jahre gedauert hat. In dieser Zeit
ind eineinhalb Dutzend deutsche Fonds im Ausland und
icht in Deutschland gegründet worden. Wenn man nicht
eiß, wie man besteuert wird, dann kommt man doch
icht hierher. Hier verschiebt sich eine Kultur und die
hancen für einen Standort schwinden. – Sie fragen:
ie soll man das bezahlen? Lieber Herr Kollege, in dem
oment, in dem im Ausland ein Unternehmen gegrün-
et wird, verzichtet der Finanzminister auf gar nichts,
eil er nichts bekommt. Wenn er in Deutschland die Un-
ernehmungsgründung zulässt, dann hat er die Chance,
ass er dieses Unternehmen einmal besteuern kann.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Nach einer alten Legende soll es ein Gespräch zwi-

chen Michael Faraday und dem Finanzminister gegeben
aben. Der Finanzminister fragt Michael Faraday: Wa-
um soll ich Ihre Erfindung bezahlen? Die Antwort von
ichael Faraday: Damit Sie sie besteuern können. – Der
inanzminister muss endlich verstehen: Wenn er das
aatgut wegbesteuert, dann bekommt er keine Kartof-
eln. Hier passiert Folgendes: Die Chance, dass sich et-
as Neues schnell entwickeln kann, wird von der Bun-
esregierung nicht ergriffen. Ich weiß schon, dass in
ieser Sache alle Finanzminister eigen sind; auch bei an-
eren Regierungen war das immer schwierig. Aber dass
ir uns in dieser Situation, in der wir die Not sehen, alle
inig sind und die Chance nicht ergreifen, ist ärgerlich.
Bei den Aktienoptionen sind wir überhaupt nicht
eitergekommen. Dazu fällt mir gar nichts mehr ein. Ich






(A) )



(B) )


Dr. Heinz Riesenhuber

erinnere daran, wie Ihre Staatssekretärin in der vergan-
genen Legislaturperiode voller Begeisterung davon ge-
sprochen hat, dass die Aktienoption kommen wird, weil
sie notwendig ist.

Hinsichtlich der Business Angels finde ich es prima,
dass Sie auf dem SPD-Parteitag mit List und Tücke in
Ihren Perspektivantrag eine Zeile hineingebracht haben
– die meisten haben das wahrscheinlich gar nicht be-
merkt –, wonach die Wesentlichkeitsgrenze für Veräuße-
rungsgewinne bei Beteiligungen in Wagniskapitelfonds
wieder auf 10 Prozent angehoben werden sollte. Jetzt
machen Sie etwas aus diesem Parteitagsbeschluss! Ich
baue darauf, dass Sie jetzt eine kraftvolle Initiative star-
ten.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Stellen Sie sich vor: Wir machen das mit allen Parteitagsbeschlüssen!)


Herr Müntefering als zukünftiger Parteivorsitzender in
neuer Pracht und Herrlichkeit hat schon vor einem Jahr
begeistert über Technik gesprochen. Er soll die Sache
nun richten und mit seinen großartigen Eigenschaften,
die wir alle sehr bewundern, entschlossen umsetzen.

Es ist eines der gängigen Probleme, das etwas be-
schlossen, aber nicht umgesetzt wird. Alle gebildeten
Leute zitieren heute Kant, weil es sich so gehört. Ich
möchte einen anderen großen deutschen Philosophen,
den ich sehr verehre, zitieren. Karl Valentin hat gesagt:
Mögen täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir
uns leider nicht getraut. – Wir haben hier eine schöne
Fülle von Ankündigungen erlebt.

Sie fragen: Wer soll all das bezahlen? Glücklicher-
weise haben wir einen Masterplan. Das BMBF, das hier
in leiblicher Gestalt des Herrn Matschie unter uns weilt,
hat bereits vor einem Jahr einen ersten Entwurf des
Masterplans mit dem wunderbaren Titel „Higtech-Mas-
terplan für neue Arbeitsplätze durch Gründung und
Wachstumsförderung junger Innovationsunternehmen“
vorgelegt. Alles, was gut und teuer ist, ist bereits im Titel
enthalten.

Die Idee beinhaltete auch einige softe Geschichten.
Jetzt möchte ich einmal wissen, was aus den wirklich
harten Geschichten geworden ist. Herr Wend, dieser
Plan enthielt auch Regelungen zur Besteuerung. Der
große Hammer war, dass die Steuern für junge Innova-
tionsunternehmen, also die Körperschaftsteuer und an-
dere Unternehmenssteuern, in den ersten acht Jahren
nach der Gründung auf null gesetzt werden sollten. Die
Forderung war, dass die Fonds, die diesen Unternehmen
in den ersten beiden Jahren Kapital zur Verfügung stel-
len, ihre Veräußerungsgewinne aus diesen Beteiligungen
nicht versteuern müssen. Die Mitarbeiter dieser Unter-
nehmen sollten Aktienoptionen als Teil ihres Gehaltes
nicht versteuern müssen. Das war ein wunderbares und
vielfältiges Konzept. Dies ist aber in dem neuen Master-
plan überhaupt nicht vorhanden.

Sie haben eine Grundsatzdebatte angefangen, die ich
gerne aufgreife. Sie haben uns vorgeworfen: Wie könnt
ihr am Vormittag den Abbau von Präferenzen verlangen

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(C (D nd am Nachmittag Steuersubventionen fordern? Lieer Herr Wend, eine schlichte Wahrheit ist hier offenundig: Es ist viel leichter, alle Steuersubventionen abuschaffen als nur einige. Wenn Sie einige Subventionen bschaffen, wird in der Debatte immer die Frage gestellt: arum trifft es ausgerechnet mich? Das, was Friedrich Merz hier vorgeschlagen hat und as wir genauso majestätisch wie Sie auf Ihrem Parteiag beschlossen haben, ist nichts anderes als die Ausage: Schaffen wir alle Ausnahmen ab! Ich bin gerne beeit, alles zu streichen, was das Steuersystem für neue nternehmen an Präferenzen enthält. Dann würden sie ämlich niedrig besteuert und wären frei von Bürokratie. as aber nicht möglich ist, ist, ein System, das alle mög ichen Präferenzen für irgendwelche alten Techniken wie teinkohle oder Containerschiffe enthält, zu subventioieren und neue Techniken davon auszunehmen. Wir hatten vor 15 Jahren – da hat noch eine andere egierung amtiert; ältere Leute erinnern sich – (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir erinnern uns! Grausam!)


(Jörg Tauss [SPD]: Das haben wir gemerkt!)


inen erheblichen Streit. Damals hieß es: Freunde, an-
ere Länder arbeiten mit Tax Credits für Forschung. Das
eißt, die Firmen können ihre Forschungsausgaben zu
ehr als 100 Prozent von der Steuer absetzen. Dies ist
ine großartige Geschichte, die auch dem Mittelstand
norm hilft. Damals hat man uns gesagt: Freunde,
chafft keine Ausnahmetatbestände. Wir werden alle
teuern senken. – Seit 15 Jahren haben wir diese De-
atte. 1997 haben Sie unseren Vorschlag abgeschossen.


(Jörg Tauss [SPD]: Oh!)

enn wir alle Subventionen abschaffen und das Merz-
odell durchsetzen, dann ist das prima. Wir dürfen nicht
ach wie vor alle möglichen „alten Hüte“ subventionie-
en, sondern wir müssen die Zukunftschancen für junge
nternehmen nutzen.
Ich komme zu meinem letzten Punkt.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509116900

Aber Sie achten auf die Zeit, ja?


Dr. Heinz Riesenhuber (CDU):
Rede ID: ID1509117000

Ich bin schon beim Schlusswort. Zur Verkürzung der

eit übernehme ich das prächtige Schlusswort des Kolle-
en Brandner. Er hat nämlich am Schluss seiner großar-
igen Rede, die wir alle bewundert haben, gesagt: Macht
en Weg frei! Schafft die Steine aus dem Weg! – Das hat
r zu uns gesagt. Es fiel ihm nicht mehr ein, dass er sel-
er regiert. Die Idee, dass er regiert und er die Aufgabe
at, den Laden voranzubringen, ist wirklich ein originel-
er Einfall, den man gelegentlich ins Körbchen unserer
erehrten Koalition setzen sollte, damit sie mit fröhli-
hem Unternehmungsgeist etwas tut und nicht nur redet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )



(B) )



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509117100

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Fritz Kuhn. Er

wird vermutlich Immanuel Kant zitieren.

Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509117200

Sehr verehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wenn man einmal, Herr Riesenhuber, nüch-
tern hinschaut, dann muss man doch feststellen, dass
systematisch und auch gut überlegt Schritt für Schritt die
Bedingungen für die Innovationsfinanzierung verbessert
werden. Es gibt eine breite Innovationsdiskussion, die an
der einen oder anderen Stelle noch konkreter werden
muss; das ist logisch. Sie braucht vor allem Ziele und
eine Richtung, wohin das Innovationsgeschehen gehen
soll, und es gibt Instrumente der Finanzierung, die syste-
matisch aufgebaut werden.

Der Dachfonds ist übrigens nichts, was man mit einer
riesenhuberschen Verbeugung wegwischen kann, son-
dern das ist ein Riesenhammer.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das ist etwas, was die innovativen Betriebe voranbrin-
gen wird, weil jetzt leicht die Möglichkeit besteht, an
Mittel zu kommen, und auch private Beteiligungen in
den Fonds eingehen. Das belebt die Szene. Die Regie-
rung hat das ordentlich gemacht und damit ist jetzt ein
Einstieg geschaffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dass wir vermögensverwaltende und gewerbliche
Fonds gut abgrenzen, hilft. Das war eine Frage, die die
Unternehmen immer an uns herangetragen haben. Die ist
jetzt geklärt. Auch bei den Carried Interests sind wir bis
zum Jahr 2005 in der Übergangsregelung weiter. Ich
glaube, dass wir auch über 2005 hinaus eine gute Rege-
lung finden werden.

Ich finde, dass hinsichtlich der Seed Fonds noch
mehr getan werden muss. Es geht um die Phase, in der
ein innovatives Unternehmen den Prototyp eines Pro-
duktes oder einer Dienstleistung entwickelt. In dieser
Phase sind die Finanzierungen besonders schlecht, übri-
gens nicht zuletzt, weil sich unsere Banken, private wie
öffentlich-rechtliche, zu stark aus der Finanzierung zu-
rückgezogen haben. Während sie früher in dem einen
oder anderen Fall zu leichtfertig waren, sind sie jetzt
überkritisch geworden. Die Sparkassen nehmen damit
ihren öffentlich-rechtlichen Auftrag, der in den Sparkas-
sengesetzen formuliert ist, oft nicht richtig wahr.

Richtig ist natürlich, dass sich die Unternehmen bis
zu der Phase der Entwicklung eines Prototyps schwer
tun. Deswegen ist mir die Formulierung, die ich von der
Bundesregierung gehört habe, nämlich dass man prüfen
will, wie man einen Seed Fonds auflegen will, zu
schwach.

Ich bin mit unserer Fraktion der festen Überzeugung,
dass der Bundesfinanzminister – richten Sie ihm das
aus! – die Passivität aufgeben muss. Es wäre schon eine
große Hilfe, wenn beispielsweise ein Seed Fonds für

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(C (D bis 6 Jahre mit einem Volumen von 250 Millionen uro aufgelegt würde. Man könnte mit 10 Millionen bis 5 Millionen Euro in diesem Jahr beginnen und viel Poitives bewirken. Wir werden seitens meiner Fraktion arauf drängen, dass ein solcher Seed Fonds aufgelegt ird. Ich komme jetzt auf die Frage der steuerlichen Rege ungen zu sprechen, die noch strittig ist, und zwar wenn ich das richtig sehe – in allen Fraktionen. In dieem Zusammenhang waren Ihre Auslassungen schwach, err Riesenhuber, weil Sie im Kern zum Ausdruck geracht haben, dass Sie nicht an das Merz-Konzept glauen. Das ist eine erstaunliche Einstellung. Sie haben eierseits ausgeführt, dass sich im Falle der Umsetzung es Merz-Konzepts und des Wegfalls aller Subventioen Ihre Forderungen erledigen würden, (Dr. Heinz Riesenhuber [CDU/CSU]: Ich habe nicht die Mehrheit! Sie haben die Mehrheit!)


ber Sie gehen andererseits offensichtlich davon aus
ich hoffe, dass Ihnen Ihr Fraktionsvorstand und Herr
erz das nicht übel nehmen –, dass die Merz-Vor-
chläge nur zum Spaß gemacht worden sind und dass so-
ieso nichts daraus wird.
Daher sagen Sie dann: Im alten System fordern wir
usnahmen für innovative Betriebe. – Ich will Ihnen er-
äutern, welche Probleme wir in diesem Zusammenhang
ehen. Es geht nicht an, für die Abschaffung aller Sub-
entionen und Sondertatbestände einzutreten, aber Aus-
ahmen für einzelne Bereiche zu fordern. Sie haben be-
eits zugegeben, dass das schwierig ist.
Ein weiteres Problem sehen wir darin, dass definiert
erden muss, was ein innovativer Betrieb ist. Wenn Sie,
ie es die Franzosen versucht haben, eine solche Defini-
ion anhand des F-und-E-Anteils vornehmen wollen
beispielsweise ab einem F-und-E-Anteil von 15 Pro-
ent; auf eine solche Idee kann man durchaus kom-
en –, dann werden Sie im zweiten oder dritten Jahr
ach dem In-Kraft-Treten eines entsprechenden Geset-
es mit dem Problem konfrontiert, dass plötzlich sehr
iele Firmen einen F-und-E-Anteil bis zu 15 Prozent
ufweisen, dass aber keine Firma mehr einen höheren
nteil erreicht. Dann verkehrt sich das Instrument ins
egenteil.
Das ist der Grund, warum wir sehr zögerlich vorge-

en und gründlich prüfen, welche steuerlichen Gestal-
ungsmöglichkeiten man an der Stelle versehen sollte.
as gilt, glaube ich, für die SPD genauso wie für meine
raktion.
Eines war in Ihrer Rede nicht konsequent, Herr
iesenhuber. Es geht nicht an, Regelungen nach dem al-
en Recht anzustreben und gleichzeitig davon auszuge-
en: Wenn neues Recht kommt, fallen alle Subventionen
eg. Es wäre regelrecht albern, entsprechende Regelun-
en für ein oder zwei Jahre einzuführen, um sie dann
ieder aufzugeben.
Widersprüchlich waren Ihre Ausführungen auch, als

ie das Merz-Konzept in den Zusammenhang mit
nternehmensgründungen gebracht haben. Es trifft






(A) )



(B) )


Fritz Kuhn

durchaus zu, dass die Zahl der staatlich geförderten Un-
ternehmensgründungen zugenommen hat. Das ist eine
logische Folge des Zusammenbruchs der Börsenkurse
von Hightechunternehmen. Es war auch vor allem des-
halb notwendig, weil die Banken stark auf die Bremse
getreten haben.

Ich will Ihnen aber eine Zahl nennen, die belegt, dass
die direkte Unterstützung von Betrieben in der Projekt-
förderung ein sehr wichtiger Schritt ist, den Sie nicht
schlechtreden sollten. Eine Studie hat ergeben, dass pro
1 Euro Unterstützung in der Projektförderung für For-
schung und Entwicklung zusätzliche private Finanzie-
rungsmittel für Innovationen in Höhe von je 1,40 Euro
ausgelöst werden, und zwar – das ist interessant – mit
abnehmender Tendenz, je größer der Betrieb ist. Es han-
delt sich dabei also um eine spezifisch auf kleine und
mittlere Betriebe ausgerichtete Wirkungsweise. Deswe-
gen sollte man die Projektförderung nicht schlechtreden,
wie Sie es getan haben, Herr Riesenhuber.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Lassen Sie mich zum Abschluss noch eines festhal-
ten, Herr Riesenhuber. Sie vertreten Ihre Fraktion immer
wieder kurventechnisch interessant und wortgewaltig.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: War das jetzt ein Lob?)


Das freut uns alle. Aber in Ihrer Rede waren spöttische
Bemerkungen, die dem Handeln der Regierung nicht ge-
recht werden. Sie geht mit Geduld und Genauigkeit vor.
Denn Schnellschüsse in der Innovationsfinanzierung, die
nur kurzfristig wirken oder zu Abgrenzungsproblemen
führen, richten viel Unheil an. Stattdessen nimmt die Re-
gierung Punkt für Punkt Verbesserungen bei der Finan-
zierung von innovativen Betrieben vor.

Wir richten unsere Politik auf die Kleinbetriebe aus,
sodass das Geld die richtigen Stellen erreicht und Mit-
nahmeeffekte vonseiten großer Betriebe keine allzu
große Rolle spielen. Dieser Weg ist richtig. Wenn Sie ihn
positiv begleiten, dann soll uns das recht sein. Ich hoffe,
dass Sie diese Richtung in Ihrer Arbeit weiter verfolgen
werden. Dann verbeugen wir uns sicherlich auch gele-
gentlich einmal vor Ihnen. Aber wenn Sie anfangen, he-
rumzuspötteln, nach dem Motto „Die Koalition tut
nichts; sie redet nur“, dann sind Sie schief gewickelt. In
diesem Fall müssen wir wohl noch einmal auspacken,
wie es unter der früheren Regierung um die Innovations-
förderung bestellt war. Dann wird man sich sicherlich
nicht so fröhlich einigen können wie heute.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509117300

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Gudrun Kopp.

Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1509117400

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen! In

der Tat werden dringender als je zuvor Kapitalgeber ge-
rade für junge Technologieunternehmer gesucht. Aber

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(C (D oher nehmen? Ich möchte daran erinnern, dass wir den ben angesprochenen 500-Millionen-Euro-Dachfonds raktionsübergreifend gutgeheißen haben. (Jörg Tauss [SPD]: Aber wir haben das Geld gegeben!)


ber wir müssen jetzt auch fragen, wie es mit den pas-
enden Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen,
nsbesondere für junge, innovative und kleine Unterneh-
en, am Standort Deutschland aussieht. Ich kann dies-
ezüglich nur feststellen, dass die Lage absolut finster
st.
Heute Morgen ist zu Recht darauf hingewiesen wor-

en, dass die Zahl der Firmeninsolvenzen im Jahr 2003
it über 40 000 ein weiteres Mal sehr hoch war. Wenn
an sich klar macht – das sage ich gerade in Richtung
er rot-grünen Koalition –,


(Jörg Tauss [SPD]: Sagen Sie das mal in Richtung der Banken!)


ass das statistisch gesehen den Verlust von mindestens
0 000 Ausbildungsplätzen bedeutet – das ist gerade vor
em Hintergrund der derzeitigen Debatte über eine Aus-
ildungsplatzabgabe


(Jörg Tauss [SPD]: Umlage!)

esonders bedrohlich und bedauerlich –, dann erkennt
an, dass falsche Rahmenbedingungen den Firmen das
eben insgesamt enorm schwer machen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Die Banken wurden schon angesprochen!)


Uns fehlen – das ist völlig klar – vernünftige Rah-
enbedingungen, damit die Wirtschaft wirtschaften
ann. Das ist gar keine Frage. Es fehlt uns bis heute au-
erdem die Definition dessen, was in Zukunft noch Auf-
abe des Staates und was Aufgabe des privaten Sektors
ein soll. Hier helfen die ständigen Debatten von Rot-
rün über Steuererhöhungen wirklich nicht weiter. Ich
rinnere nur an die von Ihnen geführten Debatten über
ie Wiedereinführung der Vermögensteuer, eine Erhö-
ung der Erbschaftsteuer und die Einführung einer Aus-
ildungsplatzabgabe.


(Jörg Tauss [SPD]: Umlage! – Gegenruf von der FDP: Das ist doch das Gleiche! Das ist auch nur eine Steuer mehr für die Wirtschaft!)


Ich sage bewusst „Abgabe“.

(Jörg Tauss [SPD]: Bewusst falsch! – Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Ob Sie umlegen oder auflegen, das ist dasselbe!)


ch nenne als weiteres negatives Beispiel den Emissions-
andel, der in der geplanten Ausgestaltung den Wirt-
chafts- und insbesondere den Energiestandort Deutsch-
and erheblich belasten wird. Beim Thema Masterplan
ällt mir der Masterplan für Bürokratieabbau ein. Auch
as war ein totaler Flop. Ich denke an den Stillstand in
en so genannten Innovationsregionen. Dort ist gar
ichts geschehen.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber bei der Wahrheit bleiben, Frau Kollegin! Gudrun Kopp Ball flach halten! Was heißt da Flop? 3 Prozent in Hamburg, das ist ein Flop! – Gegenruf des Abg. Dirk Niebel [FDP]: Immer ehrlich bleiben!)





(A) )


(B) )


Nicht zu vergessen ist auch das totale Chaos in der Ren-
ten-, der Kranken- und der Pflegeversicherung.


(Beifall bei der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Reden Sie mal über das Bundesratschaos! Da haben Sie alle Probleme auf einen Streich!)


Ich sehe nicht, dass Rot-Grün in der Lage ist, dem Stand-
ort Deutschland Perspektiven zu geben. Die Minirefor-
men, die am Ende des Jahres 2003 beschlossen worden
sind und zu deren Zustandekommen das gesamte Haus
konstruktiv beigetragen hat, reichen bei weitem nicht
aus. Schlimmer noch: Wir meinen, dass die rot-grüne
Regierung derzeit eigentlich am Ende ist.

Ich möchte jetzt auf den Antrag der CDU/CSU-Frak-
tion zu sprechen kommen, in dem sehr treffend die au-
genblickliche desolate Lage beschrieben wird. In der Tat
ist es gerade um die innovativen Unternehmen in unse-
rem Land sehr schlecht bestellt.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Aber nicht so schlecht wie um die FDP!)


Sie wissen, dass die Eigenkapitalquote durchweg be-
sorgniserregend niedrig ist. Je kleiner die Unternehmen
sind, desto niedriger ist die Eigenkapitalquote. Das gilt
insbesondere für Unternehmen mit einem Jahresumsatz
von unter 500 000 Euro.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Rainer Wend [SPD]: Wieso beklatschen Sie das?)


Wir brauchen, wie gesagt, passende Rahmenbedin-
gungen. Das bedeutet eine Senkung der Staatsquote so-
wie der Steuern und Abgaben. Ich komme jetzt zu einem
Punkt, den die FDP-Fraktion bei allem Wohlwollen für
den CDU/CSU-Antrag kritisch sieht. Wir haben heute
Morgen in dieses Parlament unseren Entwurf eines Ge-
setzes für ein einfaches und konsequent unbürokrati-
sches Steuersystem mit niedrigen Steuersätzen einge-
bracht. Wir haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der
sehr stringent sagt, wohin wir steuerlich wollen.


(Beifall bei der FDP)

Wir möchten nämlich ohne Sondertatbestände aus-
kommen. Vor diesem Hintergrund tun wir uns wirklich
schwer damit, jetzt weitere Steuerausnahmetatbestände
oder Steuervergünstigungen zu fordern,


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Das kann ich gut verstehen!)


gerade auch was Stock Options oder sonstige steuerliche
Erleichterungen in dem Bereich betrifft. Den Teil möch-
ten wir nicht mittragen,


(Jörg Tauss [SPD]: Aha! – Dr. Rainer Wend [SPD]: Kann man denn separat abstimmen?)


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(C (D agen aber, dass die Richtung dieses Antrags der Union nsgesamt stimmt, dass er absolut stimmig ist. (Jörg Tauss [SPD]: Das ist ein liberale Wende! – Dr. Rainer Wend [SPD]: Wie stimmen Sie denn? Ich bin ganz aufgeregt!)


Man kann natürlich nicht sagen: Wir wursteln, wie
ot-Grün das derzeit macht.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Wursteln? Woher haben Sie das? Polemik!)


ir wursteln im Chaos so weiter und kommen dann ziel-
enau nicht zu dem Punkt, dass Unternehmen in
eutschland, egal ob junge oder ältere Unternehmen,
gal welcher Größe, überhaupt eine Chance haben, hier
n Zukunft mit den Arbeitsplätzen und den Ausbildungs-
lätzen zu bestehen.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das mit dem Wursteln nehmen Sie aber zurück!)


Also die klare Ansage: Schwenken Sie ein auf das
irklich stringente Steuersystem, das die FDP-Fraktion
eute vorgelegt hat! Dann ginge es am Wirtschafts- und
ozialstandort Deutschland besser und dann kämen wir
in Riesenstück voran.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Wursteln nehmen Sie zurück!)


afür wünsche ich uns allen Mut.
Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/ CSU – Dr. Rainer Wend [SPD]: Wie stimmt ihr denn jetzt?)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509117500

Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär
hristoph Matschie.
C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1509117600

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
ei Ihnen von der FDP ist es ja so, dass Sie immer dann
on der großen Steuervereinfachung reden, wenn Sie ge-
ade nicht regieren. Ich kann mich an Zeiten erinnern, in
enen Sie mehr Möglichkeiten hatten, so etwas durchzu-
etzen. Wir haben die Steuervereinfachung damals
icht erlebt.
Im Übrigen haben wir hier eine interessante Ausei-

andersetzung – Herr Riesenhuber und Herr Wend ha-
en das schon angesprochen –, nämlich zwischen den
roßen Steuervereinfachern und denen, die sagen: Wir
ollen aber auch ganz gezielt Vorteile für bestimmte
nternehmen oder Kapitalbeteiligungen vorhalten.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])

Herr Riesenhuber, es war aber schon eine etwas selt-

ame Steuerlogik, die Sie hier vorgetragen haben. Das
ar nach dem Motto: Wir wollen zwar alle Subventio-
en abschaffen, aber weil es halt ein paar gibt, schaffen






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Christoph Matschie

wir noch ein paar mehr; dann können wir nachher umso
mehr abschaffen. – Die Logik erschließt sich mir nicht
ganz.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509117700

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen

Riesenhuber?

(Jörg Tauss [SPD]: Das haben Sie provoziert!)


C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1509117800


Aber selbstverständlich.

(Dr. Rainer Wend [SPD]: Jetzt kann er aber nicht so gut um die Bank laufen!)



Dr. Heinz Riesenhuber (CDU):
Rede ID: ID1509117900

Gestatten Sie, lieber Kollege Matschie, dass ich die-

sem intellektuellem Problem ein wenig abhelfe? In der
Sache geht es um Folgendes: Wenn wir uns jetzt hier ge-
meinsam verabreden, die Sondertatbestände abzuschaf-
fen, und uns für das Merz- oder das FDP-Konzept ent-
scheiden, dann bin ich mit Leidenschaft dabei. Aber ich
habe Sie mit bescheidender Zurückhaltung darauf hinge-
wiesen,


(Dr. Rainer Wend [SPD]: So wie im Bundesrat!)


dass wir vor 15 Jahren eine Diskussion hatten, in der es
darum ging, endlich auch Forschung und neue Technolo-
gien über das Steuersystem zu fördern. Damals ist gesagt
worden: Das machen wir nicht, weil die große Steuerre-
form kommt.

Ich sage: In der Hölle ist der Teufel eine positive Fi-
gur. Solange wir hier noch eine verquere Situation ha-
ben, müssen wir mit diesen Instrumenten leben. Insofern
sollten wir uns gemeinsam aufmachen, die Subventionen
abzuschaffen. Dann folge ich auch Herrn Eichel in sei-
ner entschlossenen Aussage, er werde dann nicht mit
Steuern, sondern mit Finanzbeihilfen arbeiten. Auf die-
ser Grundlage werde ich mit Vergnügen sehen, was der
BMF in seiner umfassenden Weisheit an konkreten Fi-
nanzbeihilfen als Ersatz für die eigenen Steuervor-
schläge in die Diskussion bringt.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Jetzt die Frage! – Gegenruf des Abg. Dr. Heinz Riesenhuber [CDU/CSU]: Ich habe gesagt: Gestatten Sie mir, einem intellektuellem Problem abzuhelfen?)


C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1509118000


Ich habe den fragenden Ton bei Herrn Riesenhuber
schon herausgehört. Ich weiß auch, warum.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Es genügt ein Ja!)


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(C (D Ich bewundere ja Ihre Leidenschaft für die Steuerverinfachung, nur, Herr Kollege Riesenhuber: Einige Kolegen in Ihrer Fraktion haben sich in den letzten Wochen ich erinnere nur an die heftigen Auseinandersetzungen m Vermittlungsausschuss – mit vielleicht noch größerer eidenschaft dafür eingesetzt, dass eben Ausnahmetatestände erhalten bleiben, (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Heinz Riesenhuber [CDU/CSU]: Sie müssen alle zugleich abschaffen!)


ass es nicht an die Pendlerpauschale geht, dass es nicht
n die Eigenheimzulage geht und dass es nicht an die
ubventionen in der Landwirtschaft geht. Herr
iesenhuber, meine Bitte lautet also: Verwenden Sie we-
igstens einen Teil der Leidenschaft, die Sie hier gezeigt
aben, darauf, Ihre Kolleginnen und Kollegen davon zu
berzeugen, dass wir beim Subventionsabbau an anderer
telle ein paar Schritte weiterkommen!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Rainer Wend [SPD]: Sehr gut! Eines Ministerpräsidenten würdig!)


Es ist kein Geheimnis – der Bundesverband deutscher
apitalbeteiligungsgesellschaften hat es in seinen letzten
eröffentlichungen noch einmal deutlich gemacht –: Der
arkt für Venturecapital in Deutschland ist nach wie vor

n der Krise. Wir können hiermit nicht zufrieden sein.
ie Finanzierungssituation für junge Technologieunter-
ehmen ist – das wird von niemandem bestritten – ent-
prechend schwierig. Bevor man jetzt darangeht, die
anze Verantwortung bei der Politik abzuladen und dort
öglicherweise eine Lösung für alles suchen zu wollen
es wird nicht möglich sein, sie dort zu finden –, muss
an fragen: Warum ist diese Situation so? Ich will ei-
ige Gründe nennen, warum die Situation so schwierig
t.
Nicht nur die Börse, sondern auch der Markt für
agniskapital war in den letzten Jahren, gerade 1999
nd 2000, überhitzt. Wir hatten so enorme Zuwächse
Sie erinnern sich vielleicht –, dass sich beispielsweise
ie Investitionen im Frühphasensegment in Deutschland
on 1996 bis 2000 fast verzehnfacht haben. Selbst Län-
er wie Großbritannien, traditionell ein Risikokapital-
and, haben wir im Zuge dieser enormen Entwicklung
bgehängt. Allerdings besteht die Gefahr einer Über-
eaktion in die andere Richtung; in genau so einer Ent-
icklung befinden wir uns zurzeit.
Natürlich spielt auch eine Rolle, dass sich viele Inves-

oren mit ihrem Engagement die Finger verbrannt haben.
ie Statistik des Europäischen Beteiligungskapital-Ver-
ands besagt, dass es im Jahr 2002 eine negative Rendite
on fast 30 Prozent gegeben habe. Auch das wirkt auf
iesem Markt selbstverständlich noch heute nach. Dazu
ommt der Ausfall der Börse, was Neuemissionen an-
eht. 1999 und 2000 wurden jeweils über 100 Unterneh-
en am Neuen Markt untergebracht. Seit weit mehr als
inem Jahr hat überhaupt kein Technologieunternehmen
en Gang an die Börse gewagt. Ich bin allerdings froh,
ass auch auf diesem Gebiet langsam neue Signale er-






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Christoph Matschie

kennbar sind. Ich habe in der „Thüringer Allgemeinen“
vom vergangenen Dienstag gelesen:

X-Fab bricht Börsen-Bann
Erfurter Chiphersteller wagt nach einem Jahr als ei-
ner der Ersten Gang aufs Parkett

Ich finde, es ist ein positives, ein ermutigendes Signal,
dass wieder Aufbruchzeichen zu sehen sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Aufbruch in Thüringen! – Gegenruf des Abg. Dr. Heinz Riesenhuber [CDU/ CSU]: Gute Regierung in Thüringen! – Gegenruf des Abg. Jörg Tauss [SPD]: Jetzt noch ein neuer Ministerpräsident in Thüringen und es geht dort aufwärts!)


– Herr Riesenhuber, man sollte mit solchen Äußerungen
vorsichtig sein. Ich glaube, das hat weniger mit der Re-
gierung in Thüringen zu tun als vielmehr damit, dass
sich die Situation an den Börsen insgesamt wieder ent-
spannt und dass neue Möglichkeiten entstanden sind.

Wir haben dort, wo man es tun kann, gehandelt und
gegengesteuert. Der Beteiligungskapitalfonds ist hier ge-
nannt worden. Ich will in diesem Zusammenhang darauf
hinweisen, dass der Bundesverband deutscher Kapital-
beteiligungsgesellschaften neue Impulse für den Markt
durch den von uns eingerichteten Dachfonds erwartet.
Mit den jüngsten finanzpolitischen Entscheidungen
seien für 2004 gute Voraussetzungen geschaffen worden.
Natürlich seien damit – auch das hat er in seiner Presse-
mitteilung deutlich gemacht – nicht alle Wünsche erfüllt.

Ich finde, wir sollten die Schritte, die wir gegangen
sind und die die Situation für die Technologieunterneh-
men und für Beteiligungen verbessern, hier nicht klein-
reden, sondern wir sollten sie herausstellen, um Unter-
nehmen und Beteiligungskapital zu ermutigen.


(Beifall bei der SPD)

Darauf kommt es in dieser schwierigen Situation doch
an.

Ich glaube, dass über die steuerlichen Rahmenbedin-
gungen und über diesen Fonds hinaus natürlich auch im
Bereich der Forschungspolitik einiges in Angriff genom-
men worden ist. Ich will hier nicht sämtliche infrage
kommenden Programme aufzählen. Man kann das nach-
lesen. Herr Kuhn, Sie haben sich zu Seed-Finanzierun-
gen geäußert. Auch ich meine: Wir müssen noch einmal
darüber nachdenken, welche neuen Instrumente wir ent-
wickeln können. Im Moment gehört es wohl zu den
schwierigsten Aufgaben, Seed-Kapital zu finden. Wir
müssen uns etwas einfallen lassen, um Unterstützung für
diesen sensiblen Bereich zu erhalten.


(Beifall des Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich komme zum Schluss. Wir sollten in dieser ganzen
Diskussion nicht vergessen, dass der Wagniskapital-
markt sehr zyklisch ist. Ich glaube, dass im Rahmen des
sich abzeichnenden wirtschaftlichen Belebungsprozes-
ses des sich abzeichnenden Aufschwungs insgesamt bes-
sere Bedingungen für die Innovationsfinanzierung ge-

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(C (D chaffen werden können. Wir sollten diese Entwicklung emeinsam unterstützen und nicht kleinreden, denn in ieser Phase ist jetzt Mut gefragt. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509118100

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Alexander
obrindt.

Alexander Dobrindt (CSU):
Rede ID: ID1509118200

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es

st außerordentlich erfreulich, feststellen zu können, dass
n dieser Debatte zumindest die aktuelle Problemlage, in
er sich viele Unternehmen aufgrund der mangelnden
inanzierungsmöglichkeiten befinden, von allen Anwe-
enden ähnlich gesehen wird. Ich denke, dass man das
ohl so sagen kann.
Das Thema des Eigenkapitaldefizits in der deut-

chen Wirtschaft ist ja nicht wirklich ein neues Thema,
as etwa erst nach dem Zusammenbruch des Neuen
arktes oder im Zusammenhang mit dem Rekord an
nternehmensinsolvenzen akut geworden wäre. Im Ver-
leich zu anderen Industriestaaten haben unsere Unter-
ehmen die niedrigste Eigenkapitalquote; und diese
inkt weiter. Dabei ist das Eigenkapitaldefizit nicht in
rster Linie ein Problem der Großunternehmen in
eutschland,


(Jörg Tauss [SPD]: Nein, der Banken!)

ondern insbesondere eines des breiten Mittelstandes.
ie Finanzreserven sind zurzeit vielfach schon er-
chöpft. Sie alle kennen aus Ihrem Wahlkreis Beispiele
ür Firmen, deren Rücklagen aufgrund der schlechten
onjunktur und der mangelnden Unterstützung durch
ie Politik der letzten Jahre – auch das muss man um der
ahrheit willen betonen – aufgebraucht sind.
Gerade im Mittelstand ist die Luft raus. Es fehlt das

ötige Geld, um Investitionen zu tätigen, die Maschinen-
arks zu erneuern und in Forschung und Weiterentwick-
ung zu investieren. Über Wachstum braucht man in die-
em Zusammenhang gar nicht mehr reden, Wachstum
önnen viele aus eigener Kraft nicht mehr finanzieren.
enn man genau hinschaut, dann stellt man im konkre-

en Fall häufig fest, dass in vielen Bereichen schon jetzt
as Kapital fehlt, um wenigstens das magere prognosti-
ierte Wachstum von 1,5 bis 2 Prozent in diesem Jahr
it konkreten Aufträgen zu erreichen.
Meine Damen und Herren, was ist schlimmer, als
enn ein Unternehmen Marktchancen hat, wenn Unter-
ehmer Ideen haben, wenn Aufträge vorhanden sind,
ber das nötige Kapital, um zu handeln, fehlt? Es ist
eine sonderlich ermutigende Vorstellung, wenn Banken
en Unternehmen mitteilen, dass es zwar gut sei, wenn
ie Aufträge hätten, aber wenn sie diese nicht finanzie-
en könnten, dann dürften sie sie eben nicht annehmen.
as ist keine Zukunftsfiktion, das findet tagtäglich in
eutschland so statt.


(Jörg Tauss [SPD]: Das sind die rot-grünen Banken! – Heiterkeit bei der SPD)







(A) )



(B) )


Alexander Dobrindt

– Das sind nicht nur die rot-grünen Banken, aber Ihre
Politik hat mit Sicherheit maßgeblich damit zu tun. Das
kann man, wie ich glaube, schon so feststellen.

Die Banken entziehen sich immer mehr dem Thema
Mittelstandsfinanzierung. Kreditlinien wurden in den
vergangenen Jahren großzügig eingeengt. Sie finden
kaum noch einen Mittelständler, der nicht darüber klagt,
dass die Bedingungen der Kreditvergabe restriktiv ge-
handhabt wurden und er dadurch in seinen unternehme-
rischen Entscheidungen drastisch eingeengt wurde.

Es ist richtig – das wurde hier schon gesagt –, dass
vonseiten der KfW und der DtA eine Reihe von Pro-
grammen aufgelegt wurden, die hier eine Lücke füllen
sollen. Aber das gelingt in vielen Fällen nicht. Die Gel-
der aus diesen Programmen werden entweder nicht in
ausreichendem Umfang weitergereicht oder können
auch gar nicht weitergereicht werden, weil deren Zutei-
lung oft an ähnlich schwierige Hürden geknüpft ist wie
zum Beispiel die so genannten banküblichen Besiche-
rungen. All dieses kann eine Nutzung im konkreten Fall
verhindern. Hier muss mehr Bereitschaft insbesondere
zu einer größeren Risikoübernahme gezeigt werden,
wenn diese Instrumente in vollem Umfang für den Mit-
telstand nutzbar werden sollen.

Die entscheidende Rolle, die der Mittelstand für die
bisherige und zukünftige wirtschaftliche Entwicklung
hat, macht es dringend erforderlich, diese Finanzierungs-
schiene zu stärken. Dies gilt im Besonderen für so ge-
nannte Start-ups, die auch gerade unter beschäftigungs-
politischer Hinsicht von enormer Bedeutung sind. Im
Jahr 2002 waren, wie Sie wissen, allein 9 Prozent aller
Beschäftigten in Unternehmen tätig, die in den Jahren
1998 bis 2002 neu gegründet wurden. Hier steht ein
enormes Potenzial von innovativen Technologieunter-
nehmen bereit, die in der Lage sind, Wachstum zu erzeu-
gen. Aber diese Unternehmen brauchen das nötige Geld,
die nötige Anschub- und Weiterfinanzierung.

Ein Teil dieses notwendigen Geldes kann in diesem
speziellen und in vielen anderen Bereichen von den Mit-
arbeitern – und zwar nicht ausschließlich von den leiten-
den Mitarbeitern, sondern von allen Beschäftigten –
kommen. Die Mitarbeiterbeteiligung liegt in Deutsch-
land noch immer im Dornröschenschlaf, weil wir die nö-
tigen Rahmenbedingungen dafür nicht vorhalten. Wir
müssen uns aus meiner Sicht die Frage stellen, warum
sich ein Mitarbeiter, der sich finanziell an seinem Unter-
nehmen beteiligt, beispielsweise in Form einer stillen
Gesellschaft, steuerlich genauso stellt, wie wenn er das
Geld zur Bank bringt. Da gibt es doch einen entschei-
denden Unterschied.

Gerade in jungen Unternehmen haben wir eine Betei-
ligungskultur: Mitarbeiter sind bereit, durch eine finan-
zielle Beteiligung ein Risiko auf sich zu nehmen und da-
mit für ihren eigenen Arbeitsplatz und den von anderen
zu sorgen, ohne in einer unternehmerischen Gesamtver-
antwortung zu stehen. Diese neue Kultur des Selbstver-
ständnisses der Mitarbeiter in neuen Technologieunter-
nehmen muss eine besondere Berücksichtigung
erfahren, um der Risikobehaftung des Engagements ge-
recht zu werden.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


as kann man nicht unter dem Thema Sparerfreibetrag
bhandeln; damit würde man dem sicher nicht gerecht
erden. Das Gleiche gilt im Wesentlichen für Aktienop-
ionen, die selbstverständlich ein taugliches Instrument
ur Stärkung des Eigenkapitals von jungen Unternehmen
ind, die sich hierdurch hohe Kosten durch Gehälter er-
paren können.
Aber wir müssen sicherstellen, dass dieses Instru-
ent, das eine hohe Anreizfunktion hat, in seiner Wir-
ung erhalten bleibt und nicht durch Ungleichbehand-
ung zum Standortnachteil für deutsche Unternehmen
utiert. Gerade in der New Economy, bei der nach der
berhitzungsphase nicht nur Träume und Visionen zer-
latzt sind, sondern auch die ohnehin geringe wirtschaft-
iche Substanz der übrig gebliebenen Unternehmen stark
eschädigt ist, bei der man von der Euphorie von zwei-
is dreistelligen Wachstumsraten auf realistische Ent-
icklungsziele gekommen ist, sind zur Stabilisierung
ringend Mitarbeitermodelle notwendig, die echte An-
eizfunktionen für die Beschäftigten bieten und gleich-
eitig Wachstumspotenziale für das Unternehmen schaf-
en.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, Wirtschaftsminister
lement hat heute Vormittag in der Debatte zum Jahres-
irtschaftsbericht gesagt, man setze auf die Innovatio-
en unserer Unternehmen; von „Lust“ und „Leiden-
chaft“, etwas zu unternehmen, und von mehr
igenverantwortung war die Rede. Dazu gehört meines
rachtens auch eine neue Beteiligungskultur. Ich nehme
hre Bemühungen durchaus ernst. Die Schaffung eines
achfonds ist löblich, ebenso Ihr Ziel der Anpassung der
esentlichkeitsgrenze. Allerdings muss man feststellen,
ass der Titel für Projektförderung im Bundesministe-
ium für Bildung und Forschung gleichzeitig um
Prozent gekürzt wird. Immerhin weisen die Dinge in
ie richtige Richtung, aber sie werden bei weitem nicht
usreichen, um in Deutschland eine Kultur von Business
ngels zu etablieren, wie wir das anderenorts bereits
ennen.
Ganz selbstverständlich stellt sich da regelmäßig die

rage nach der steuerlichen Behandlungen von Veräu-
erungsgewinnen. Es wäre dringend notwendig, andere
aßstäbe anzuwenden, wenn die Mittel beispielsweise
ls Risikokapital reinvestiert werden, als wenn sie an-
ere Verwendungen finden. Gerade diese steuerlichen
ragen haben sich in der „Phase der großen Blase“ nicht
n dem Umfang gestellt, wie das jetzt der Fall ist, weil
ie Aussichten auf die außerordentlichen Wachstums-
aten sie zweitrangig erscheinen ließen. Allerdings be-
ommen diese Fragen in der jetzt sicherlich noch länger
nhaltenden Phase der normalen bis unterdurchschnittli-
hen Gewinnaussichten naturgemäß wieder eine größere
edeutung.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Der Mit-

elstand ist finanziell ausgeblutet, die Versorgung mit
isikokapital mehr als zurückhaltend. Unsere Aufgabe






(A) )



(B) )


Alexander Dobrindt

und vor allem die Aufgabe der Bundesregierung ist es
hier, das Angebot an Kapital zu stärken und die Verbin-
dung zwischen Nachfrage und Angebot zu erleichtern,
damit Wachstum und Arbeitsplätze in Deutschland ge-
schaffen werden.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Sind Sie für Merz oder Faltlhauser?)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509118300

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Karin Roth.


Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1509118400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Es ist nicht schlecht, dass wir beim Thema Inno-
vationsförderung und finanzielle Unterstützung für
junge Unternehmen einer Meinung sind. Genauso wich-
tig ist aber auch die Frage – das ist die andere Seite der
Medaille –, wie man Forschung und Entwicklung von
staatlicher Seite unterstützen kann.

Ein Blick auf den Mittelstand zeigt, dass es dort eine
ganze Reihe von Innovationen und neuen Produkten
gibt. 200 000 Unternehmen sind in diesem Bereich ak-
tiv; aber darunter sind nur 35 000 Unternehmen, die kon-
tinuierlich Forschung und Entwicklung betreiben. Man
würde also zu kurz springen, wenn man dieses Thema,
wie in dem Antrag der CDU/CSU geschehen, nur auf
den Bereich der Finanzen reduziert. Man muss daneben
auch die staatliche Förderung im Bereich der Forschung
und Entwicklung betrachten.

Lieber Kollege Riesenhuber, Sie haben eine fulmi-
nante Rede gehalten. Mit Leidenschaft haben Sie die
Bundesregierung aufgefordert, nun endlich etwas zu tun.
Darauf möchte ich Ihnen erwidern, dass Sie elf Jahre
lang – ich habe im Handbuch nachgeschaut – For-
schungsminister waren, auch in den Jahren 1991 bis
1993.


(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Das waren gute Jahre!)


Mich erstaunt daher sehr, dass Sie sich nicht kritisch da-
mit auseinander setzen, dass Sie in dieser Zeit die Aus-
gaben für Forschung und Entwicklung reduziert haben.


(Jörg Tauss [SPD]: Er musste! Der Waigel hat ihn gewürgt!)


Die Ausgabenkürzungen gingen noch nach Ihrer Zeit als
Minister weiter.

Das Problem war, dass bis 1998 die Ausgaben für
Forschung und Entwicklung zum Nachteil der kleinen
Unternehmen und des Wirtschaftsstandortes Deutsch-
land ständig reduziert wurden.


(Beifall bei der SPD)

Das haben Sie, Herr Riesenhuber, mit zu verantworten.
Ein bisschen mehr Leidenschaft wäre damals gut gewe-
sen. Ihre jetzige Leidenschaft sehe ich Ihnen nach.

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(C (D rotzdem sollten Sie ein bisschen Augenmaß zeigen, enn es um die Kritik an der Bundesregierung geht. Jetzt zum Thema Hightech-Masterplan. Ich finde es ehr gut, dass die Bundesregierung diesen Plan vorgelegt at, m im internationalen Wettbewerb, was die Forschung nd Entwicklung angeht, aufzuholen. Der entsprechende nteil am Bruttosozialprodukt muss erhöht werden. Wir rauchen eine konzertierte Aktion im Bereich der Techologieförderung, insbesondere für kleine Unternehmen. Ich bin sehr froh, dass das Forschungsprogramm An eize zum Ausbau von Forschungsund Innovationsstragien schafft. Die entstehenden Netzwerke sind aus einer Sicht wichtig, um die Forschung und Entwickng in den kleinen Unternehmen zu unterstützen. Die undesregierung hat die Mittelstandsförderung auf dem ebiet der Forschung und Entwicklung um 32 Prozent esteigert, was sich schon positiv ausgewirkt hat. Der Bund und auch die Länder unterstützen Unter ehmen insbesondere darin, zukunftsorientierte Proukte für den internationalen Markt zu entwickeln. Ich inde es sehr wichtig, dass die Innovationsnetzwerke usgebaut werden, dass es Ausgründungen aus den ochschulen gibt und dass vor allen Dingen Forchungsergebnisse schneller in marktfähige Produkte mgesetzt werden. Wir tun also etwas. Aber ich denke, ass es – keine Frage – noch besser werden muss. Das teht bei uns ganz oben auf der Tagesordnung. Nach wie vor ist die Mitarbeiterausgründung zu ge ing entwickelt. Deshalb haben wir eine entsprechende örderung vorgesehen. Frau Kopp, es stimmt natürlich das ist unstrittig –, dass in Deutschland die kleinen Unrnehmen eine viel zu geringe Eigenkapitalquote haen. In anderen Ländern – das ist allerdings kein Trost – t die Situation besser. Wir müssen unsere Hausaufgaen auf diesem Gebiet machen. Es ist wichtig, dass der Strukturwandel auf den Fi anzmärkten und im Bankensektor dazu führt, dass das isikokapital als Chancenkapital erkannt wird. Wir müsen an die Banken appellieren, dass sie ihre Verantworng wahrnehmen und den kleinen und mittleren Unterehmen das notwendige Kapital zur Verfügung stellen. (Gudrun Kopp [FDP]: Wir brauchen Rahmenbedingungen!)


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])


(Gudrun Kopp [FDP]: Eben!)


m Ratingverfahren bleiben diese jungen Unternehmen
ft auf der Strecke, weil es bisher keine geeigneten Rah-
enbedingungen gab.
Die Bundesregierung hat, bezogen auf die Förderkon-

epte, eine Menge getan. Als Mitglied des Unteraus-
chusses ERP-Wirtschaftspläne, in dem wir im Konsens
ber diese Fragen diskutieren, wissen Sie, dass wir einen
ichteren Zugang zu Krediten ermöglichen wollen.
urch die Gründung der Mittelstandsbank haben wir
ine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen. Wir
tellen im Jahre 2004 rund 4 Milliarden Euro für die






(A) )



(B) )


Karin Roth (Esslingen)


Gewährung langfristiger und zinsgünstiger Kredite an
kleine und mittlere Unternehmen zur Verfügung.

Darüber hinaus bietet der neue Beteiligungsdach-
fonds, für den aus dem ERP-Sondervermögen und dem
Europäischen Investitionsfonds ab 1. März 2004
500 Millionen Euro bereitgestellt werden, die große
Chance, Technologieunternehmen zu fördern und priva-
tes Kapital mit diesem Fonds zu kombinieren. Dadurch
können insgesamt 1,7 Milliarden Euro mobilisiert wer-
den. Wir waren uns im Ausschuss einig darüber, dass
dies eine große Chance ist, Existenzgründungen – auch
die aus den Hochschulen heraus – zu fördern. Wir waren
uns auch einig darin, dass das seitens der Europäischen
Union eine wichtige Initiative war, die wir unterstützen.

Kurzum: Wir müssen alles dafür tun, um Risikobe-
reitschaft zu unterstützen.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509118500

Frau Kollegin, denken Sie bitte daran, dass Ihre Rede-

zeit abgelaufen ist!


Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1509118600

Wir müssen all denjenigen die Türen öffnen, die be-

reit sind, Innovationen zu wagen und ein Risiko einzuge-
hen. Ich wünsche mir, dass das Engagement der großen
Banken auf diesem Gebiet genauso groß ist wie zum
Beispiel das der Sparkassen und Volksbanken. Sie sind
immer noch besser als die großen Banken. Ich hoffe und
wünsche mir, dass die Banken die Verantwortung wahr-
nehmen, die sie in diesem Land wahrzunehmen haben,
nämlich dass sie die Menschen bei Existenzgründungen
und vor allen Dingen kleine und mittlere Unternehmen
in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit unterstützen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509118700

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des

Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit auf Druck-
sache 15/2367 zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU
mit dem Titel „Für eine neue Beteiligungskultur – Ei-
genkapitalsituation von jungen Technologieunternehmen
durch Mobilisierung von Beteiligungskapital und Mitar-
beiterbeteiligungen verbessern“. Der Ausschuss emp-
fiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/815 abzulehnen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung des
Ausschusses? – Gegenstimmen! – Enthaltungen? – Die
Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU bei
Enthaltung der FDP angenommen worden.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a bis 7 c auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Swen

Schulz (Spandau), Jörg Tauss, Doris Barnett, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD so-
wie der Abgeordneten Peter Hettlich, Volker
Beck (Köln), Hans-Josef Fell, weiterer Abgeord-

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(C (D neter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN Deutsche und europäische Raumfahrtpolitik zukunftsorientiert gestalten – Drucksache 15/2394 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss b)

Dr. Georg Nüßlein, Katherina Reiche, Thomas
Rachel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
Stärkung der wissenschaftlichen Zukunfts-
und wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit
des Raumfahrtstandorts Deutschland in Eu-
ropa
– Drucksache 15/2334 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

c) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

(17. Ausschuss) gemäß § 56 a der Geschäftsord-

nung
Technikfolgenabschätzung
Militärische Nutzung des Weltraums und
Möglichkeiten der Rüstungskontrolle im Welt-
raum – Sachstandsbericht
– Drucksache 15/1371 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
öre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst

er Abgeordnete Swen Schulz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1509118800

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Raum-






(A) )



(B) )


Swen Schulz (Spandau)


fahrt ist in Deutschland und in Europa ein erfolgreiches
Innovationssystem. Gemeinsam mit vielen Akteuren ist
es uns gelungen, in die absolute Weltspitze vorzudrin-
gen. Das hat zum Beispiel die außergewöhnlich erfolg-
reiche europäische Marsmission gezeigt: Mit deutscher
Technologie ist etwa zum ersten Mal Wasser auf dem
Mars nachgewiesen worden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: Die Amis suchen immer noch!)


SPD und Bündnis 90/Grüne legen einen Antrag vor,
mit dem wir die erfolgreiche Raumfahrtpolitik der Bun-
desregierung unterstützen und Akzente zu ihrer Fortent-
wicklung setzen. Bei aller Faszination, die von der
Raumfahrt ausgeht, besteht doch viel Skepsis. Häufig
wird – auch hier im Bundestag – gefragt: Welchen Nut-
zen ziehen wir eigentlich aus der Raumfahrt? Wir haben
so viele Probleme auf der Erde, können wir uns das leis-
ten? Raumfahrt ist mehr als nur etwa ein Flug zum
Mond oder zum Mars. Raumfahrt ist Motor des wissen-
schaftlichen und technologischen Fortschritts. Darüber
hinaus hilft sie, ganz konkret Probleme auf der Erde zu
lösen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mit satellitengestützter Technologie wird Wetterbeob-
achtung gemacht, helfen wir bei Katastrophenschutz,
Umweltschutz, in der Landwirtschaft, bei Kommunika-
tion und Navigation. Damit tun sich auch enorme wirt-
schaftliche Möglichkeiten auf.

An dieser Stelle wird deutlich, dass Europa unbedingt
einen eigenen und unabhängigen Zugang zum Weltraum
benötigt. Wenn wir bei den Trägersystemen vom Good-
will anderer Staaten abhängig wären und zum Beispiel
die USA, Russland oder China sagen könnten, be-
stimmte Satelliten brächten sie uns Europäern nicht in
den Orbit, könnten wir die Versuche, mit Raumfahrt Pro-
bleme zu lösen und Geld zu verdienen, gleich einstellen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Trotz der Bedeutung der Raumfahrt ist ein sorgsamer
Umgang mit Steuermitteln selbstverständlich notwen-
dig. Wir müssen gerade angesichts der schwierigen
Haushaltslage genau überlegen, wie viel Geld wir wofür
ausgeben. Natürlich müssen wir Forschung fördern, für
die es kein unmittelbares Verwertungsinteresse gibt; an-
derenfalls würden wir eine wichtige Quelle des Fort-
schritts verschließen. Darüber hinaus wollen wir einen
Schwerpunkt auf anwendungsorientierte Raumfahrtpro-
jekte setzen. Für deren Finanzierung sind die Interessen-
ten, die Nutzer, ins Boot zu holen. Des Weiteren wollen
wir den eingeschlagenen Weg fortsetzen und uns auf die
Projekte konzentrieren, in denen wir wirklich Spitze sind
oder werden können. Es hat keinen Sinn, mit der Gieß-
kanne über alle Bereiche zu gehen; dann wird aus allem
nichts Richtiges. Im Rahmen dieser Konzentration müs-
sen wir darauf achten, dass in Deutschland Unternehmen
und Einrichtungen gestärkt und Arbeitsplätze geschaffen
werden. Wir müssen sicherstellen, dass Deutschland die

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(C (D echnologieführerschaft übernimmt und Märkte erchließt. Das führt zum Thema Wahrung deutscher Interessen egenüber unseren Partnern. Häufig hatte man ja den indruck, die Deutschen seien die besten Europäer: Sie ahlen brav und lassen sich ansonsten von anderen über en Tisch ziehen. Wir können heute feststellen, dass iese Bundesregierung Schluss damit gemacht hat. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Bei den Verhandlungen über die Ariane wurde eine
berstrapazierung des deutschen Budgets verhindert
nd darüber hinaus der Abbau des Rückflussdefizits er-
eicht. Es wird ja gelegentlich über handwerkliche Män-
el in der Politik geklagt. Darum betone ich: Frau Minis-
erin, das war eine Meisterleistung!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Uwe Küster [SPD]: Meisterinnenleistung!)


Meisterinnenleistung, Entschuldigung!

(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Darum habt ihr die Meister abgeschafft! – Gegenruf des Abg. Jörg Tauss [SPD]: Nicht in sicherheitsrelevanten Bereichen!)


Angesichts der zukünftigen Herausforderungen ist
rotz aller Sparsamkeit und Konzentration eine Erhö-
ung der Aufwendungen aus dem Bundeshaushalt für
ie Raumfahrt notwendig. Wir können uns auch nicht
anz auf die europäische Ebene zurückziehen – nach
em Motto: Wenn sich Europa darum kümmert, müssen
ir nicht noch in Deutschland extra Geld dafür ausge-
en. Das wäre eine Milchmädchenrechnung. Denn ers-
ens sind deutsche Initiativen, deutsche Entwicklungen
ls Motor der europäischen Raumfahrt nötig


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Sehr gut!)

nd zweitens können nur die Staaten von europäischen
rfolgen profitieren, die dazu beitragen und die vorne
itspielen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Raum-
ahrt ohne uns stattfindet. Anderenfalls wäre Deutsch-
and nur Zahlmeister.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU])


arum ist es notwendig, perspektivisch auch das natio-
ale Raumfahrtprogramm zu stärken.


(Beifall bei der SPD – Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Ja, auch finanziell!)


Was wir jedoch nicht benötigen, ist ein neues Pro-
ramm für die bemannte Raumfahrt. Unserer Auffas-
ung nach stehen Kosten und möglicher Nutzen bemann-
er Raumfahrt zum Mond oder zum Mars in keinerlei
kzeptablem Verhältnis.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Da waren die Sozis schon immer gegen den Fortschritt!)







(A) )



(B) )


Swen Schulz (Spandau)


Uns geht es nicht um teure und fragwürdige Prestigepro-
jekte, sondern um effiziente Forschung, Technologieent-
wicklung und -anwendung.


(Jörg Tauss [SPD]: Es sei denn, der Stoiber fliegt!)


Ein Wort zur Internationalen Raumstation ISS:
Aus heutiger Sicht war die Verpflichtung, die die Bun-
desregierung eingegangen ist – ich formuliere es
vorsichtig –, nicht der Weisheit letzter Schluss.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Aber wir stehen zum Vertrag. Wenn jedoch unsere Part-
ner ihren Pflichten nicht nachkommen, müssen und wer-
den wir unser Engagement für die ISS überdenken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich spreche als einen weiteren Aspekt noch kurz die

Raumfahrt in der Sicherheits- und Verteidigungs-
politik an. Eine Militarisierung und Bewaffnung des
Weltraums lehnen wir kategorisch ab. Waffensysteme
haben im Weltraum nichts zu suchen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der TAB-Bericht macht sehr deutlich, wie wichtig eine
klare Positionierung an dieser Stelle ist. Zugleich benöti-
gen wir für eine europäische Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik satellitengestützte Technologie für Aufklä-
rung, Navigation, Kommunikation et cetera. Vor allem
die Soldaten benötigen optimale technische Unterstüt-
zung. Wenn wir die Leute ins Ausland – teilweise in ris-
kante Einsätze – schicken, müssen sie zu ihrer Sicherheit
eine optimale Ausrüstung erhalten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Ilse Aigner [CDU/CSU] – Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Galileo auch für das Militär!)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der knap-
pen Zeit konnte ich nur einige Aspekte streifen. Ich wür-
dige ausdrücklich, dass die Opposition differenzierte und
diskutable Anträge vorgelegt hat. Der Antrag von SPD
und Bündnis 90/Die Grünen ist an wichtigen Stellen rea-
listischer und klarer. Ich freue mich aber auf die weitere
Debatte.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509118900

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Georg Nüßlein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1509119000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die Forschungsergebnisse der Raumfahrt haben
unstrittig viele Anwendungen im Alltag gefunden. Der
Kollege Schulz hat einige davon angesprochen. Deshalb

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(C (D st Raumfahrt nicht nur ein forschungs-, sondern auch in wirtschaftspolitisches Thema. Dass voraussichtlich m 26. Februar wieder eine Ariane-Rakete startet, ist ein rund zur Freude und ein Zeichen dafür, wie wichtig nd aktuell die heutige Debatte ist. Im Weißbuch der EU wird festgestellt, dass Inves itionen in die Raumfahrt einen siebenbis achtmal so ohen Nutzen für zivile Zwecke bringen. Die EU-Komission geht schon heute von Wachstumsraten von 5 Prozent in der Raumfahrt aus. Die Raumfahrt könnte um Schrittmacher der Technologie wie der Ökonomie es 21. Jahrhunderts werden. Meine Damen und Herren, bei allen Anwendungsöglichkeiten dürfen wir jedoch die Grenzen der Komerzialisierbarkeit nicht außer Acht lassen. Raumfahrt st von der Forschung und Entwicklung bis hin zu vielen msetzungen staatlich dominiert. Raumfahrt gehört zu en wenigen Bereichen, wo wir das akzeptieren, weil ir wissen, dass Grundlagenforschung nicht in Kostenutzen-Kategorien gepresst werden kann. Raumfahrt ist ein visionenbasiertes Wissenschafts eld. Deshalb wollen wir von der CDU/CSU im Gegenatz zu dem, was wir gerade von Ihnen, Herr Schulz, geört haben, an der bemannten Raumfahrt festhalten. ir wissen, dass Frau Bundesministerin Bulmahn hier eit Amtsantritt skeptisch ist. Roboter können viel, aber eben nicht alles. Von der emannten Raumfahrt geht – wir erleben das zurzeit – ine Faszination aus, die wir wieder brauchen, der laube an die technische Zukunft, der Glaube an das Made in Germany“. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Wie wollen Sie das bezahlen?)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU)


ch habe in der letzten Sitzungswoche schon einmal ge-
agt: Mit einem Dosenpfand zum Wegwerfen, mit einer
aut, über die Österreich lacht, und mit einem Transra-
id, der nur in China fährt, werden wir den Stolz auf das
Made in Germany“ nicht aufpolieren.


(Beifall bei der CDU/CSU – Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Leider wahr!)


Wir brauchen eine neue Technologieverliebtheit, Fas-
ination, Fortschrittswillen. Nur dann wird es wieder
unge deutsche Ingenieure und Forscher geben, die ihren
eruf hier im Lande ausüben wollen und nicht ins Aus-
and gehen. Das brächte bei weitem mehr als eine Elite-
niversität.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein Bremsklotz in Sachen Technik sind und bleiben

ie Grünen. Die Grünen wollen vom Mars nichts mehr
issen, seit sie auf den Bildern von Spirit gesehen ha-
en, dass es dort keine Kollegen, keine grünen Männ-
hen, wohl aber Wasser gibt. Es ist uns natürlich nicht
ntgangen, dass es eine lange Diskussion zwischen SPD






(A) )



(B) )


Dr. Georg Nüßlein

und Grünen darüber gegeben hat, wie sie sich zum
Thema ISS positionieren wollen.


(Zuruf von der FDP: Monate! – Zuruf von der CDU/CSU: Jahre!)


Ich hoffe, dass sie jetzt nicht ihre Technologiefeindlich-
keit unter dem Deckmantel schöner Worte verborgen ha-
ben – nach dem Motto: Lieber hinter dem Mond leben
als auf dem Mond landen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ich war so nett! Jetzt polemisieren Sie!)


Ihre Technologiefeindlichkeit ist eine der Gründe für
den wirtschaftspolitischen Misserfolg dieser Regierung


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

und einer der Gründe dafür, warum die Wähler Rot-Grün
am liebsten auf den Mond schießen würden.


(Jörg Tauss [SPD]: Auf dem Mond kennen Sie sich gut aus!)


Das ist eine schöne Vision. Aber eigentlich heißt Visio-
nen nachzuhängen etwas anderes: Unmögliches möglich
zu machen. Die Regierung wählt meist den umgekehrten
Weg und macht Mögliches unmöglich.


(Jörg Tauss [SPD]: Wie viele Milliarden wollen Sie denn für die Marsmission hergeben?)


– Ich sage Ihnen ganz offen: Ich hätte mir ein deutliche-
res Bekenntnis zur Internationalen Raumstation ISS ge-
wünscht.


(Jörg Tauss [SPD]: Nachdem die Amis zahlen!)


Außerdem sollte die Bundesrepublik bei so visionären
Programmen wie Aurora, der bemannten europäischen
Mond- und Marsmission, nicht außen vor bleiben.


(Zustimmung des Abg. Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU])


Das hieße nämlich, dass auch unsere Industrie und For-
schung am Schluss außen vor blieben.

Herr Schulz, ich will Ihren Vorschlag gerne aufneh-
men und keine unnötige Schärfe in die Debatte bringen.


(Jörg Tauss [SPD]: Zu spät! Wir sind schon beleidigt!)


– Dann ist es auch nicht schlecht. – Es besteht schon
weitgehend Einigkeit, was die Zielsetzungen im Be-
reich der Raumfahrt angeht. Für mich wird aber das
Schicksal Ihres Antrages spannend. Sie haben es immer-
hin geschafft, Kanzler und Parteivorsitz zu trennen. Viel-
leicht machen Sie jetzt die Trennung zwischen dem Wil-
len der Fraktion auf der einen Seite und dem
Regierungshandeln auf der anderen Seite. Wir alle sind
gespannt, was von dem, was Sie in Ihrem Papier schrei-
ben, letztendlich kommen und umgesetzt wird.


(Jörg Tauss [SPD]: Es passt kein Papier dazwischen!)


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(C (D Es stellt sich die Frage – bei diesem Punkt bin ich irklich gespannt –, ob es zu einer ressortübergreifenen Raumfahrtpolitik, die wir gemeinsam fordern, komen wird. Auch bin ich gespannt, ob wir eine wirkliche trategie entwickeln, wie wir das gemeinsam verlangen. (Jörg Tauss [SPD]: Die haben wir doch schon!)


Herr Tauss, die Realität sieht aber anders aus – ich
enne das Raumfahrtprogramm sehr wohl –: Denn auf
er einen Seite wird von einer Strategie gesprochen, aber
uf der anderen Seite leben wir von der Hand in den
und. Wir essen unsere Saatkartoffeln auf, und zwar
berall und insbesondere im Bereich der Forschung.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509119100

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen

auss?

Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1509119200

Nein, die gestatte ich nicht. Herr Tauss äußert sich

ang, oft, ausführlich und laut genug, sodass er – zusätz-
ich zu seinen Zwischenrufen – nicht auch noch eine
wischenfrage stellen muss.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist aber schade! Sonst hätte ich Sie nach dem Finanzplan gefragt!)


Das glaube ich.
Meine Damen und Herren, für uns besteht die Strate-

ie darin,

(Jörg Tauss [SPD]: Keine Finanzplanung!)


en Technologiebedarf für die nächsten Jahrzehnte früh-
eitig zu ermitteln und unsere zugegebenermaßen knap-
en Finanzmittel – jetzt können wir auch noch darüber
iskutieren, wer daran schuld ist – auf bestimmte Zu-
unftsfelder und Kompetenzen zu konzentrieren. Der
DU/CSU ist es wichtig, dass sich kleine und mittlere
nternehmen – von denen war ja heute auch schon
ehrfach die Rede – am Thema Luft- und Raumfahrt be-
eiligen können.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Das ist richtig!)


– Herr Tauss, ich weiß natürlich, dass man bei Rot-
rün eher in den Kategorien von Großkonzernen und
ewerkschaftsmitgliedern denkt.


(Jörg Tauss [SPD]: Nein! Es gibt tolle Unternehmen, zum Beispiel in Niedersachsen und Bremen!)


ber die deutsche Wirtschaft lebt vom Mittelstand. Für
iesen Mittelstand brauchen wir verlässlich angelegte
ublic Private Partnerships.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Kann ich das noch einmal hören? – Gegenruf des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU]: Wenn Sie es dann verstehen, Herr Kollege Küster!)


ören Sie sich einmal in der Wirtschaft um. Wir müssen
ie notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen für






(A) )



(B) )


Dr. Georg Nüßlein

die Zusammenarbeit zwischen Privaten und Staat schaf-
fen – auch hier besteht noch Nachholbedarf – und das
nationale Programm stärken.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bin froh, dass Sie, Herr Schulz, das so deutlich an-

gesprochen haben. Wenn Sie aber von uns, der Opposi-
tion, fordern, diese Vorhaben mit Zahlen zu unterlegen,
dann frage ich Sie: Warum haben Sie das nicht getan?


(Jörg Tauss [SPD]: Wir waren die Ersten, die das gemacht haben, Herr Kollege! Bei Ihnen gab es nichts!)


Auch das wurde heute schon deutlich gesagt: Sie sind an
der Regierung und müssen diese Vorhaben beziffern.
Tun Sie es also bitte auch, und zwar in der richtigen
Richtung und nicht immer in der falschen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Cornelia Pieper [FDP])


Meine Damen und Herren, Raumfahrt ist ein interna-
tionales Thema. Das wiedervereinigte Deutschland al-
lein kann in diesem Bereich wenig ausrichten. Trotzdem
müssen wir an erster Stelle unsere nationalen Interes-
sen vertreten und durchsetzen. Das heißt: Sicherung der
nationalen Zuständigkeiten statt einer ausschließlichen
Kompetenzübertragung auf die EU – auch in diesem
Punkt gab es im Rahmen des europäischen Konvents be-
stimmte Begehrlichkeiten –, Erhöhung des Anteils der
deutschen Mitarbeiter und Entscheider innerhalb der
ESA und der Europäischen Union, Erhalt und Ausbau
einer Wertschöpfung in Deutschland, die dem deutschen
ESA-Beitrag entspricht, Beibehaltung eines geogra-
phisch ausgewogenen Mittelrückflusses entgegen den
Vorschlägen der EU-Kommission und eine nicht nur ein-
malige, sondern dauerhafte und konsequente Verringe-
rung des Rückflussdefizits.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das nationale Raumfahrtprogramm wird über unsere

Wettbewerbsfähigkeit entscheiden.

(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: So ist es!)


Das nationale Raumfahrtprogramm wird über unsere
Kapazitäten – qualitativ wie quantitativ – entscheiden.
Frankreich investiert rund das Dreifache, Italien etwa
das Doppelte des bundesdeutschen Budgets für nationale
Aktivitäten.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Leider wahr!)


Ursprünglich belief sich das Verhältnis von deutschem
ESA-Beitrag zu den Aufwendungen für das nationale
Programm auf 65 zu 35; jetzt beträgt dieses Verhältnis
80 zu 20.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Nicht zu fassen!)


Auch Sie, Herr Schulz, haben heute die Bedeutung des
nationalen Programms angesprochen. Ich hoffe, dass Sie
mit Ihrem Antrag in dieser Hinsicht etwas bewegen.

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(C (D National richtig aufgestellt, müssen wir, um wirklich oranzukommen, auch die internationale Zusammenareit anstreben. Dazu gehören internationale Kooperatioen, zum Beispiel im Rahmen von Galileo, Kooperatioen mit allen Raumfahrtnationen, ganz besonders aber it den USA. Dazu gehört die Verschmelzung der aumfahrtpolitik von Europäischer Union und ESA. azu gehört aber auch, dass neben den zivilen Zwecken icherheitsund verteidigungspolitische Bereiche in die ünftige Raumfahrtpolitik einbezogen werden. Ich bin ankbar, dass Sie auch das so deutlich angesprochen haen. Gerade diese sicherheitspolitischen Bereiche darf an aus meiner Sicht nicht ausklammern. Was ich in iesem Zusammenhang allerdings bemerkenswert finde, ind die oft ideologisch betriebenen rigiden Exportontrollen in Deutschland. Das ist so, fragen Sie die Wirtschaft! Seit Rot-Grün die Exportbürokratie in der Hand hat, ird der Export von Dual-use-Gütern unangemessen beinträchtigt. Das führt dazu, dass viele Hersteller Prouktion oder Vertrieb zu unseren EU-Nachbarn verlaern wollen. (Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Leider Gottes!)


(Beifall der Abg. Ilse Aigner [CDU/CSU])


(Jörg Tauss [SPD]: Jetzt aber konkret!)


(Jörg Tauss [SPD]: Ach!)


abei gilt, wahrscheinlich wie immer, der Grundsatz:
uod licet Jovi, non licet bovi – der Kleine hat das
achsehen, die Fabrik in Hanau dagegen wird expor-
iert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

ie sehen also, meine Damen und Herren: Es kommt auf
as Detail an, auf die politische Umsetzung, nicht auf
as, was auf dem Papier steht.
Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509119300

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Peter Hettlich.

(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Der klärt uns jetzt über die grünen Marsmenschen auf!)



Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509119400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen

nd Kollegen! Herr Nüßlein, von Ihrer Rede hatte ich
ir eigentlich ein bisschen mehr erwartet. Ich muss sa-
en: Über die Anträge kann man sich ja unterhalten, aber
as war eine wirklich schwache Rede. Ich fand die Pole-
ik absolut unnötig und absolut unproduktiv.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Da war doch gar keine!)







(A) )



(B) )


Peter Hettlich

Wir können uns gerne inhaltlich über die Dinge unter-
halten. Aber ich denke, ich belasse es dabei; ich will
auch gar nicht inhaltlich auf Ihre Rede eingehen.

Ich wollte meine Rede eigentlich mit einer Frage be-
ginnen: Können Sie sich noch an die Mondlandung von
Apollo 11 am 20. Juli 1969 erinnern? Ich habe es gerade
einmal nachgeschlagen: Herr Nüßlein lag da gerade seit
zwei Monaten in den Windeln; er kann sich also sicher
nicht mehr daran erinnern. Aber ich kann es: Ich war da-
mals 9 Jahre alt und kann mich noch sehr gut daran erin-
nern, dass ich zum ersten Mal die ganze Nacht aufblei-
ben durfte und fasziniert auf den Bildschirm gestarrt
habe, als irgendwann die schemenhaften Gestalten von
Armstrong und Aldrin die ersten Gehversuche auf dem
Mond machen konnten.

Die Begeisterung für die bemannte Raumfahrt war
damals noch riesengroß. Die Besiedlung von fernen Pla-
neten oder Reisen zu fernen Welten schienen damals
greifbar nahe und eigentlich nur noch eine Frage der
Zeit. Im Dezember 1972, bei der letzten Mondlandung
von Apollo 17, interessierte sich dagegen gar keiner
mehr für das Thema; die Euphorie war verflogen. Die
Amerikaner hatten festgestellt, dass die Kosten für das
Programm nicht mehr zu kontrollieren waren. Die Sow-
jetunion hatte sich bereits lange aus dem Wettrennen
zum Mond verabschiedet und konzentrierte sich nur
noch auf den Bau von Orbitalstationen wie zum Beispiel
der Saljut. Das Wettrüsten befand sich nicht nur auf der
Erde auf einem Höhepunkt: Eine zunehmende Militari-
sierung des Weltraums war schon lange vor Ronald
Reagan traurige Realität.

Befragte man die Menschen auf der Straße nach den
Vorzügen der Raumfahrt, so fiel den meisten als größte
Errungenschaft zunächst nur die Teflonpfanne ein. Die
technologischen Fortschritte durch die Raumfahrt
wurden und werden auch heute noch etwas überschätzt.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Unterschätzt! Sie haben sich versprochen, Herr Kollege!)


Aufgrund der langen Entwicklungsphasen kamen vor al-
len Dingen in der bemannten Raumfahrt, selbst heute noch
im Spaceshuttle, Computertechnologien zum Einsatz,
über deren Leistungsfähigkeit heutige PC-User nur mitlei-
dig lächeln können. Innovationen waren hier weniger ge-
fragt als vielmehr Robustheit und Zuverlässigkeit von
elektronischen Bauteilen unter extremen Bedingungen.

Ganz anders hat sich die Situation in der unbemann-
ten Raumfahrt dargestellt. Schon bald war es – beinahe
unbemerkt – selbstverständlich geworden, dass Wetter-,
Telekommunikations- und Fernsehsatelliten einen un-
verzichtbaren Platz in unserem täglichen Leben einneh-
men. Länder wie Indien oder China erkannten schon
früh die großen Chancen, mithilfe von Satellitentechno-
logien Infrastrukturlücken zu schließen. Heute ist zum
Beispiel das landesweite Telefonieren in Indien beinahe
ausschließlich mit Telekommunikationssatelliten mög-
lich, die im Land selbst entwickelt und gebaut wurden.
Nationale und internationale Fernsehprogramme werden
dort vor allem über Satellitenschüsseln empfangen.

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(C (D Die Raumfahrt ist ein unverzichtbarer Bestandteil uneres alltäglichen Lebens geworden und die deutsche aumfahrtindustrie hatte einen großen Anteil an dieser ntwicklung. Mit HEOS 1, bei Junkers in München 968 gebaut und gestartet, begann die Ära deutscher Sallitentechnologie im Weltall relativ spät. Seitdem hat ich Satellitentechnik mit dem Siegel „Made in Gerany“ aber einen ganz hervorragenden Ruf verdient. enken wir zum Beispiel an die Eigenentwicklungen der maßgeblichen Mitwirkungen am Nachrichtensatelten Symphonie, an die qualitativ nach wie vor konkurenzlosen Wettersatelliten der Typenreihe Meteosat, an ie Forschungssatelliten Helios oder Hipparcos oder an en Umweltsatelliten Envisat. Viele internationale Raumfahrtmissionen waren und ind nur unter Beteiligung deutscher Forschungsinstitute nd Unternehmen möglich. Ich erinnere an die legendäre amera aus der Schmiede des Max-Planck-Institutes für eronomie von Professor Neukum, die 1986 beim Voreiflug der europäischen Sonde Giotto am Halley’schen ometen dabei war. Heute beeindruckt uns eine Fortenticklung dieser Kamera auf der europäischen Sonde ars Express mit fantastischen Stereobildern vom Roten laneten. Oder schauen wir einmal auf die amerikanichen Mars Rover: Diese sind mit den für die Mission ehr wesentlichen deutschen Mössbauer-Massenspektroetern der Universität Mainz ausgestattet. Das zeigt anz deutlich den hohen Stellenwert der deutschen Ingeieurkunst und der deutschen Wissenschaftler. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Deswegen darf man das nicht runterfahren!)


Warten Sie einmal ab.
Schon früh wurde in Europa erkannt, dass nur eine

emeinsame Raumfahrtpolitik erfolgreich sein kann. An
iesem Prozess war und ist Deutschland maßgeblich be-
iligt. So gelang es zunächst mit der Ariane IV, deren
omponenten unter anderem in Bremen und in Otto-
runn hergestellt wurden, und später mit der Ariane V,
uropa eine international konkurrenz- und leistungsfä-
ige Trägerrakete zu geben.
Um für die Herausforderungen der Zukunft gewapp-

et zu sein, sind allerdings einige Weichenstellungen
otwendig geworden. Die Probleme bei Arianespace in-
olge des misslungenen Starts der Ariane V ECA haben
ns deutlich gemacht, dass Verpflichtungen für die euro-
äische und nationale Raumfahrt nicht ausschließlich bei
en nationalen Regierungen und der EU liegen können.
ie Rolle der Industrie muss zukünftig einen höheren
rad an Mitverantwortung und Selbstverpflichtung auf-
eisen. Die ESA-Ministerkonferenz hat daher schon im
ai 2003 – das hat Swen Schulz eben auch gesagt – die

ichtigen Weichen für eine Rettung und Restrukturierung
es Trägerprogramms Ariane gestellt.
Außerdem ist es unverzichtbar, den Wandel der
aumfahrtpolitik hin zu einer stärkeren Anwenderorien-
erung zu fördern. Die Projekte Galileo und GMES ste-
en hier als Beispiele für einen Paradigmenwechsel.






(A) )



(B) )


Peter Hettlich

Große Potenziale für die Zukunft stecken in einer Er-

weiterung der Kooperation mit Russland, zum Beispiel
über das Programm „Sojus in Kourou“ hinaus, in der
eventuell gemeinsame zukünftige Trägersysteme entwi-
ckelt werden könnten.

Es ist wichtig, dass die Kompetenz kleiner und mit-
telständischer Unternehmen in der Raumfahrtindustrie
erhalten bleibt, besonders auch in Deutschland. Deshalb
setzen wir uns dafür ein, dass ihre Interessen bei der Ver-
gabe von Entwicklungsprogrammen und Aufträgen im
europäischen Rahmen angemessen berücksichtigt wer-
den.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU])


Mit der gemeinsamen Initiative für einen starken
Luft- und Raumfahrtstandort in Ostdeutschland wollen
wir deutlich machen, dass es ein großes Potenzial für ein
drittes Zentrum der Raumfahrtindustrie neben Hamburg/
Bremen und München an den Standorten Berlin-Ad-
lershof oder im Raum Dresden gibt. Hier gilt es, eine
übergreifende Zusammenarbeit und eine stärkere Vernet-
zung der bestehenden Kompetenzzentren anzuregen und
zu organisieren.

Mir persönlich liegt besonders am Herzen, junge
Menschen für die Raumfahrt und die damit verbundenen
ingenieur- und naturwissenschaftlichen Studiengänge
zu interessieren. Ihnen müssen wir mit unserer nationa-
len wie europäischen Raumfahrtpolitik echte und ver-
lässliche Zukunftsperspektiven bieten. All dies nützt
aber wenig, wenn nicht bereits in den Schulen das Inte-
resse an Astronomie geweckt und gefördert wird. Noch
gibt es vor allem in den neuen Bundesländern Astrono-
mie als Pflichtfach. Es wäre höchst bedauerlich, wenn
sich – wie jetzt in Sachsen – die Bestrebungen durch-
setzten, die Unterrichtung dieses wichtigen und interes-
santen Schulfaches dem Rotstift zu opfern.


(Jörg Tauss [SPD]: Technikfeindlich sind die Sachsen! – Gegenruf der Abg. Cornelia Pieper [FDP]: So würde ich das nicht bezeichnen!)


Lassen Sie mich zum Schluss noch zwei Punkte an-
sprechen.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509119500

Allerhöchstens einen Punkt.


Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509119600

Okay. – Ich wollte noch kurz etwas zur ISS sagen.

Wir leisten einen großen Beitrag und wir stehen zu den
Verträgen. Ich sage an dieser Stelle aber auch: Damit ist
es auch genug. Wir werden in Zukunft unsere Schwer-
punkte auf die unbemannte Raumfahrt legen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


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(C (D Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Cornelia Pieper, DP-Fraktion. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Aber auf dem Teppich bleiben!)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509119700

Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1509119800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie ken-

en vielleicht den Song der Gruppe Karat, in dem es
eißt: „Über sieben Brücken musst du gehen, sieben
unkle Jahre überstehen.“ Die Brücken, die die FDP-
undestagsfraktion mit ihrem Antrag „Stärkung der eu-
opäischen Raumfahrtpolitik – Gewinn für den Wirt-
chafts- und Forschungsstandort Deutschland“ vom
uni 2003 geschlagen hat, tragen offensichtlich, sonst
ürden heute nicht Ihre Anträge vorliegen. Wenn auch
icht sieben Jahre, so doch sieben Monate mussten wir
arten – auch im für die Forschung zuständigen Aus-
chuss –, um das Thema überhaupt diskutieren zu kön-
en.


(Jörg Tauss [SPD]: 16 Jahre mussten wir warten!)


ber, Herr Tauss, wir wissen es zu schätzen, dass das
hema jetzt auf der Tagesordnung steht.
Vielleicht noch eine Parallele zu dem deutschlandweit

rfolgreichen Lied von Karat: Es wurde zweimal erfolg-
eich gecovert, einmal von den Puhdys und dann von
eter Maffay. „Erfolgreich gecovert“ ist das richtige Ur-
il über die Anträge von SPD und Grünen sowie von
er Union, die uns heute vorliegen. SPD und Grüne ha-
en die Analysefähigkeit der FDP-Opposition genutzt


(Jörg Tauss [SPD]: Oi!)

nd einen forschungspolitisch betrachtet guten Antrag
ormuliert. Herr Schulz, ich bitte Sie, zuzuhören. Herr
auss, kommen Sie im Ausschuss bitte nicht auf die
dee, zu sagen, der Antrag der FDP sei in Teilen über-
olt. Er ist immer noch weitaus aktueller als Ihrer.


(Beifall bei der FDP – Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unser Antrag ist besser!)


Das Jahr der Technik und der Innovation hat gerade
egonnen. Die Fraktionen von SPD und Grünen haben
ffensichtlich gerade noch zur rechten Zeit erkannt, dass
s an der Zeit ist, die Triebwerke zu zünden, damit diese
undesregierung endlich abhebt und Raumfahrtpolitik
ktiv gestaltet.


(Klaus Barthel [Starnberg] [SPD]: 16 Jahre lang sind Sie nicht abgehoben!)


as nutzt aber die Zündung, wenn es uns nicht gelingt,
ie Projekte auf die Schiene zu setzen?


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: So ist es! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Rakete oder Schiene? – Jörg Tauss [SPD]: Falsches Bild!)


Nehmen wir Galileo. An welcher Stelle können wir in
en Verhandlungen mit den USA über die Sendefrequen-
en des Galileo-Systems die deutsche Position erken-






(A) )



(B) )


Cornelia Pieper

nen? Ja, wir wollen eine Public Private Partnership bei
der Umsetzung von Galileo, des weltweit besten und ge-
nauesten Satellitennavigationssystems. Seine Genauig-
keit von 1 Meter gründet sich auf der verwendeten Fre-
quenz. Die Amerikaner wollen unsere Verwendung der
Signalstruktur BOC 22, wodurch wir eine Genauigkeit
von 1 Meter erreichen, verhindern. Wenn wir uns nicht
durchsetzen, wir also eine andere Signalstruktur verwen-
den, ist unser Wettbewerbsvorteil gegenüber dem ameri-
kanischen GPS-System verspielt. Heute, mit einem drei-
jährigen Vorlauf, sind wir auf dem Markt interessant.
Genau dieser Markt ist jedoch die Bedingung dafür, dass
PPP überhaupt funktionieren kann.

Nehmen wir den Trägerbereich, also alles, was wir
unter Ariane V, dem europäischen Trägersystem für ei-
nen freien und unabhängigen Zugang zum Weltraum,
verstehen. Völlig zu Recht stellen Sie fest, dass die Rolle
der Industrie beim Trägersystem gestärkt worden und
dass die EADS Hauptauftragnehmer geworden ist. Sie
kommen an dieser Stelle aber über ein allgemeines Lob
der Bundesregierung nicht hinaus. Ich vermisse die Auf-
forderung an die Bundesregierung – dies soll an dieser
Stelle von unserer Fraktion aus geschehen –, das Ergeb-
nis nicht zu verspielen. Ich sehe nämlich die Gefahr,
dass die Führungsrolle der EADS, die 51 Prozent betra-
gen sollte, durch die italienische Position bereits wieder
infrage gestellt ist.


(Beifall bei der FDP)

In Ihrem Antrag erwähnen Sie unseren nationalen

Haushalt und somit auch die Ausgaben für Forschung
und Entwicklung dieser rot-grünen Bundesregierung mit
keinem Wort.


(René Röspel [SPD]: Die sind gut!)

Das Signal von Rot-Grün für das Jahr der Technik, weni-
ger Treibstoff für das nationale Programm auszugeben,
was fatale Folgen für den Kompetenzerhalt der deut-
schen Industrie vor allem im mittelständischen Bereich
hat, ist arbeitsplatzgefährdend.


(Jörg Tauss [SPD]: Wovon reden Sie jetzt?)

Meine Damen und Herren von Rot-Grün, die Leis-

tungskraft der deutschen Raumfahrtindustrie ist eine
wesentliche Bedingung für die Vergabe von lukrativen
Aufträgen aus den europäischen ESA-Programmen.
Deswegen sollten Sie hier die richtige Weichenstellung
vornehmen. Wir freuen uns jedenfalls auf die Diskussion
im Ausschuss und bedauern, dass es so lange gedauert
hat, bis Sie Ihre Anträge vorgelegt haben. Aber besser
spät als nie!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ging ab wie eine Rakete! – Jörg Tauss [SPD]: Frau Kollegin, bei uns geht Geschwindigkeit nie vor Qualität!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509119900

Das Wort hat jetzt die Frau Bundesministerin

Edelgard Bulmahn.

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(C (D (Beifall bei der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Ich habe noch eine Zwischenfrage zur mittelfristigen Finanzplanung und kündige sie schon einmal an!)


Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
nd Forschung:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
erren und Damen! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
er Wettlauf zum Mars zwischen Amerika und Europa
at die Raumfahrt in den Mittelpunkt des öffentlichen
nteresses und der öffentlichen Debatte katapultiert. Ich
inde, das war gut.


(Beifall bei der SPD)

Das hat nämlich gezeigt, dass die europäische Raum-

onde Mars Express, die uns die fantastischsten Bilder,
ie wir jemals sehen konnten, geliefert hat, wirklich ein
rfolg ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


urch die Bilder wurde deutlich, dass deutsche Wissen-
chaft und Ingenieurkunst ein wirklich brilliantes Meis-
erstück geliefert haben;


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ilse Aigner [CDU/CSU] und der Abg. Cornelia Pieper [FDP])


enn die Kamera, die uns diese Bilder geliefert hat,
urde von einem deutschen Wissenschaftler an einem
eutschen Forschungsinstitut entwickelt. Wichtige In-
trumente – auch darauf will ich hinweisen –, auch bei
er amerikanischen Marsmission, stammen aus
eutschland. Lassen Sie mich hier ganz unbescheiden
agen, dass beide Marsmissionen, die europäische und
ie amerikanische, für Deutschland ein voller Erfolg wa-
en.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Deutsche Forscher und Forscherinnen gehören in der
aumfahrt zur Weltspitze. Das ist eine Bestätigung für
nsere Weltraum- und Raumfahrtpolitik. Das ist auch
ine Bestätigung für die Leistungsfähigkeit der deut-
chen Wissenschaft und Forschung. Im Vordergrund
teht für die Bundesregierung der konkrete Nutzen für
en Menschen. Das beinhaltet sowohl den ökonomi-
chen als auch den Nutzen an neuen Erkenntnissen und
ortschritten in der Wissenschaft. Wir setzen bei der Er-
undung des Weltalls auf modernste Robotik, nicht auf
cience-Fiction.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ieber Kollege Nüßlein, ich freue mich schon darauf,
enn der erste Amerikaner den Mond betritt und ihm ein
uropäischer Roboter die Tür öffnet. Das zeigt, wer die
ase vorn hat.






(A) )



(B) )


Bundesministerin Edelgard Bulmahn


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Unser Land braucht einen kräftigen Innovations-

schub. Raumfahrt schafft einen solchen Innovations-
schub. Bereits heute ist die raumfahrtgestützte Infra-
struktur die Grundlage für kommerzielle Anwendungen
auf Hochtechnologiemärkten, die weiter wachsen wer-
den und in naher Zukunft eine Wertschöpfung von vielen
Milliarden Euro erwarten lassen. Navigationssysteme al-
ler Art für den Personen- und Güterverkehr, Wetter-
dienste oder Erdbeobachtungssysteme – das ist hier
schon genannt worden – dienen einer effektiveren Mobi-
lität und einem besseren Verkehrsfluss. Sie dienen auch
dazu, neue Rohstoffquellen zu erschließen. Sie dienen
weiterhin dazu, dass wir zum Beispiel frühzeitig über
Unwetter informieren und damit Menschenleben schüt-
zen können. Diese wenigen Beispiele zeigen deutlich,
welche Rolle Weltraumtechnologie inzwischen in unse-
rem täglichen Leben spielt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Bundesregierung setzt ihre Schwerpunkte genau
dort, wo wir eine sehr große Hebelwirkung auf Beschäf-
tigung und wirtschaftliches Wachstum erwarten kön-
nen. Deshalb spielt für uns das europäische Satellitenna-
vigationssystem Galileo eine große Rolle. Wir erwarten
– das sind die Schätzungen – bis 2008 europaweit über
100 000 Arbeitsplätze. Das war einer der Gründe, wa-
rum sich die Bundesregierung nachdrücklich für eine
deutsche Führungsrolle eingesetzt hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mit Erfolg: Wir haben in harten Verhandlungen die Sys-
temführung und den Sitz von Galileo Industries nach
Deutschland geholt.

Galileo ist aber nur ein Projekt. Mit dem Satelliten
TerraSAR und anderen Vorhaben, die mein Ministerium
fördert, steigen wir in die Kommerzialisierung der Erd-
beobachtung ein. Dabei gehen wir den Weg der Public
Private Partnership, der hier gefordert worden ist. Die-
sen Weg gehen wir sowohl bei Galileo als auch bei dem
Projekt TerraSAR.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir schlagen damit Brücken zwischen öffentlicher und
privater Finanzierung und setzen so Mittel effektiver und
besser ein. Gleichzeitig sorgen wir mit Public Private
Partnership dafür, dass die Ergebnisse aus Wissenschaft
und Forschung schneller Zugang zu den Märkten finden.
Das ist unsere Politik und unsere Strategie.

Ich komme zu dem Trägersektor, der hier angespro-
chen worden ist. Es ist richtig: Wir haben leider erleben
müssen, dass die Konstruktion der Ariane V einen Feh-
ler aufwies. Deshalb mussten wir unsere Anstrengungen
darauf konzentrieren, das europäische Trägersystem
wieder funktionsfähig und zukunftssicher zu machen.
Das hat zur Folge, dass wir in den kommenden Jahren
mehr Mittel in die ESA investieren müssen, um die

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(C (D riane V wieder flottzumachen. Wir in Europa wollen inen eigenständigen Zugang zum Weltraum erhalten. Es st eine richtige Politik, dass wir darauf nicht verzichten, ondern dass wir die Ariane zukunftsfähig machen wolen. Der ESA-Ministerrat hat im Mai 2003 die Weiterenticklung der neuen Ariane-V-Version auf den Weg geracht und gleichzeitig – dieses Ziel habe ich seit vier ahren konsequent verfolgt – den europäischen Trägerektor neu geordnet. Ich teile die Bedenken, die Sie, rau Pieper, genannt haben, nicht. Wir haben eine klare erantwortlichkeit aufseiten der Industrie (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


nd eine eindeutige, verbindliche Festlegung bei den
reisen erreicht. Wir haben es auch geschafft, dass es
ünftig nur noch einen industriellen Hauptauftragneh-
er für Entwurf, Entwicklung und Fertigung der Ariane-
aketen geben wird. Das ist das Ziel, das ich seit vier
ahren konsequent Schritt für Schritt verfolgt und jetzt
rreicht habe. Es ist ein Erfolg, dass wir das endlich ge-
chafft haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Eine erfolgreiche Raumfahrt erfordert große finan-
ielle Anstrengungen. Die öffentliche Hand in Deutsch-
and investiert jetzt bereits rund 1 Milliarde Euro in
aumfahrttechnologie. Die hohen Investitionen, die wir
ür den weiteren Erfolg auf diesem Gebiet aufbringen
üssen, werden wir nur gemeinschaftlich in Europa auf-
ringen können. Zwischen der Europäischen Raumfahrt-
gentur und der EU muss es daher eine enge Zusammen-
rbeit, aber auch eine klare Aufgabenteilung geben. Die
U muss die Raumfahrt für ihre Politik nutzen. Die ESA
uss dafür die technologischen Grundlagen schaffen.
ch würde mich sehr freuen, wenn das gesamte Parla-
ent diese Position unterstützen würde, denn das sind
ie Aufgaben, die wir jetzt in den Verhandlungen erfül-
en müssen.


(Jörg Tauss [SPD]: Nationales Interesse!)

Die Bundesregierung richtet ihre Raumfahrtförderung

arauf aus, wirtschaftlich und wissenschaftlich interes-
ante Felder stärker zu besetzen und die deutsche Indus-
rie in strategisch wichtigen Bereichen noch besser zu
ositionieren. Das ist für mich auch eine wichtige
tandortpolitik. Ich bin stolz darauf, dass es mir gelun-
en ist, in den Verhandlungen durchzusetzen, dass
eutschland jetzt Aufträge in Höhe von rund
10 Millionen Euro beim Bau der Ariane-Rakete zusätz-
ich erhält.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


amit haben wir unsere Position in der ESA deutlich
erbessert. Das heißt in der Konsequenz, dass wir Ar-
eitsplätze in Deutschland gesichert haben. Diese Ar-
eitsplätze wird es auch in Zukunft in Deutschland ge-
en.






(A) )



(B) )


Bundesministerin Edelgard Bulmahn

Kurz gesagt, meine sehr geehrten Damen und Herren:

Ich hoffe, dass wir gemeinsam sowohl hier im Parlament
als auch in allen Verhandlungen dafür streiten, dass
Deutschland in Zukunft ein wichtiges Land in der Raum-
fahrtforschung und Raumfahrttechnologie bleiben wird.
Wenn uns dieser Wunsch eint, dann wird uns das auch
gelingen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509120000

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ruprecht Polenz.

(Jörg Tauss [SPD]: Ich wusste gar nicht, dass Sie sich auch in der Raumfahrt auskennen, Kollege Polenz! – Gegenruf des Abg. Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Fast so gut wie der Tauss!)


– Alle Parlamentarier sind Multitalente.


Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1509120100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin

kein Multitalent wie der Kollege Tauss. Ich spreche zu
der Vorlage über die militärische Nutzung des Welt-
raums und die Möglichkeiten der Rüstungskontrolle im
Weltraum, also zu dem Bericht, für den ich Ihren Aus-
schuss loben und für den ich mich bedanken wollte. Es
war etwas voreilig, Ihr Multitalent, Herr Kollege Tauss,
auch anderen zu unterstellen.


(Jörg Tauss [SPD]: Ich bin so fasziniert!)

Ich bedanke mich für die umfassende Darstellung

über den gegenwärtigen Stand und die weiteren Ent-
wicklungstendenzen und die damit verbundenen erhebli-
chen Probleme, nämlich die Gefahr eines ungebremsten
Rüstungswettlaufs im Weltraum. Der Bericht kommt
zu sehr realistischen Einschätzungen der leider nicht
sehr großen Chancen, die vorhandenen Lücken in den
Rüstungskontrollregimen für den Weltraum zu schließen
und das drohende Wettrüsten zu vermeiden. Er macht ei-
nige konkrete Vorschläge, wo angesetzt werden könnte,
um wenigstens die Diskussion über eine Begrenzung
und Kontrolle der Weltraumrüstung wieder in Gang zu
bringen.

Wir müssen nüchtern – vielleicht: ernüchtert – fest-
stellen: Ein militarisierter Weltraum ist schon lange eine
Tatsache. Zwar ist derzeit die Stationierung von Nuk-
lear- und anderen Massenvernichtungswaffen im Welt-
raum verboten – auch die Einrichtung von militärischen
Stützpunkten oder die Erprobung von Waffen –, aber es
bleiben große Lücken, die genutzt wurden und werden.
So gibt es Satelliten zur Aufklärung, Navigation und
Kommunikation mit der Absicht, die Effizienz militäri-
scher Operationen auf der Erde zu steigern. Zwar befin-
den sich noch keine Waffensysteme im Weltraum, mit
denen unmittelbar auf andere Ziele im Weltraum oder
auf der Erde eingewirkt werden könnte, aber an der Ent-
wicklung solcher Weltraumwaffen wird gearbeitet, vor
allem in den USA, aber auch in Russland und China.

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(C (D as ist das Besorgnis Erregende. Weder die Entwicklung ieser Weltraumwaffen noch eine spätere Stationierung m Weltraum sind bisher durch irgendwelche rüstungseschränkenden Vereinbarungen untersagt. Auch wenn derzeit nur ein kleiner Kreis von Staaten echnologisch und ökonomisch in der Lage ist, derartige affensysteme zu entwickeln, droht ohne Vereinbarunen zur Rüstungsbeschränkung und Rüstungskontrolle ittelbis längerfristig ein allgemeines Wettrüsten im eltraum mit heute nicht vorhersehbaren Auswirkungen ür die Stabilität des internationalen Staatensystems und ie globale Sicherheit. Seitens der USA besteht eine technologische und konomische Überlegenheit über praktisch alle anderen taaten. Amerika strebt nach der von ihm so genannten pace Control, um Bedrohungen auf der Erde und aus em Weltraum abzuwehren, auch im Zusammenhang it den Überlegungen zu einer Raketenabwehr vor dem intergrund von Failed States, ballistischen Raketen, assenvernichtungswaffen und Terroristen. Ich habe Verständnis für diese Bemühungen, Herr Kolege Tauss. Ich bin mir sicher, dass wir uns ähnlich veralten würden, wenn wir die technologischen Möglicheiten hätten, um uns zu schützen. Allerdings – jetzt ommt die Einschränkung – werden diese Anstrengunen längerfristig wenig erfolgreich sein, wenn sie nicht urch Rüstungskontrollvereinbarungen flankiert werden. enn andere Länder werden nichts unversucht lassen, m sich eigene militärische Potenziale im Weltraum aufubauen. Das mag zwar länger dauern, es ist ihnen aber das ist der springende Punkt – ohne Rüstungskontrollereinbarungen nicht zu verwehren. Es liegt also auch m Interesse der USA, diese Entwicklung zu verhindern. Es bleibt unrealistisch, anzunehmen, der Weltraum erde jemals wieder ohne militärische Bedeutung sein. eshalb sollte die Raketenabwehr zumindest zunächst on Rüstungskontrollüberlegungen ausgenommen weren, nicht zuletzt deshalb, weil wir ein eigenes Interesse n solchen Raketenabwehrsystemen haben. Die bisherigen Rüstungskontrolloder Abrüstungs ereinbarungen kamen – das macht das Problem aus – ntweder zwischen gleichstarken Gegnern im Kalten rieg oder als Vereinbarungen zwischen Staaten, denen ich Schwächere angeschlossen haben – wie im Atomaffensperrvertrag – zustande. Jetzt geht es darum, dass stärkere Staaten – insbeson ere die USA, aber auch Russland und China – auf Mögichkeiten zur Entwicklung und Stationierung von Weltaumwaffen verzichten sollen, über die derzeit nur sie erfügen, die aber auf längere Sicht nicht so exklusiv leiben werden. Was kann getan werden? Seit der zweiten Hälfte der 0er-Jahre ist die Genfer Abrüstungskonferenz nicht uletzt wegen eines Streites über diese Fragen blockiert. is dahin hatte die Konferenz jedes Jahr wenigstens ein d-hoc-Komitee zur Verhinderung eines Wettrüstens im Ruprecht Polenz Weltraum eingerichtet. Seit 1995 wollen viele Staaten dieses Komitee wieder einrichten, damit wenigstens wieder Gespräche über diese Thematik möglich sind. Dies zu erreichen ist die dringendste politische Aufgabe. Anschließend könnte man sich der schwierigen Aufgabe zuwenden, die bestehenden Definitionsschwierigkeiten zu klären, die es bei verschiedenen weltraumrechtlichen Begriffe und Sachverhalten noch gibt. Diese Klärung ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass man in einem nächsten Schritt präzise Verbotstatbestände angehen kann. Angesichts der aktuellen nuklearen Proliferationsgefahr, die sich an Staaten wie Pakistan festmacht, und der Diskussion um die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen auf der Erde mag die Diskussion über eine Kontrolle und Begrenzung der Weltraumrüstung als eher nachrangig erscheinen. Aber das wäre eine gravierende Fehleinschätzung. Die Bundesregierung sollte deshalb alles in ihren Kräften Stehende tun, um die internationale Arbeit zugunsten der Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle im Weltraum wieder in Gang zu bringen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Aber die Kräfte der Bundesregierung sind sehr lahm!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Jörg Tauss [SPD]: Was halten Sie davon?)





(A) )


(B) )



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509120200

Danke schön. – Das Wort hat jetzt die Abgeordnete

Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1509120300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! In dem Film „Good bye, Lenin!“ übernimmt der
Fliegerkosmonaut Sigmund Jähn die Führung der DDR
und bereitet die Menschen behutsam auf die Vereinigung
beider Länder vor. Das war nicht nur witzig, sondern
auch klug. Sigmund Jähn und die Raumfahrt spielten in
der DDR eine besondere Rolle. Abgesehen von dem
Medienrummel, den heute nur noch Popstars wie
Jeanette Biedermann erfahren, waren viele Menschen
stolz darauf, dass die DDR es geschafft hatte, auf einem
Hochtechnologiefeld wie der Raumfahrt Spitzenleistun-
gen zu erbringen.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Die DDR war hinter dem Mond!)


Die Multispektralkamera MKF 6, die nur noch Multi-
spektakelkamera genannt wurde, galt seinerzeit als das
beste Weltraumauge. Mehr als 100 Geräte in den Kon-
trollzentren am Boden sowie Technik für Satelliten und
Wetterraketen waren „Made in GDR“. Ich rede darüber
so ausführlich


(Zurufe von der CDU/CSU)

– ich sehe, dass das seine Wirkung nicht verfehlt –,


(Günther Nooke [CDU/CSU]: Sie müssen ja selber lachen!)


weil es eine Entwicklung von Hochtechnologie auf dem
Gebiet der Raumfahrt in der DDR gab, die jetzt fast vom
Aussterben bedroht ist.

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(C (D In dem Antrag der Koalition steht geschrieben, dass ie die Wettbewerbsfähigkeit der Raumfahrtindustrie nsbesondere in Ostdeutschland verbessern wollen. Alerdings erklären Sie nicht, wie die Bundesregierung iese Forderung umsetzen soll. Sie sagen auch nichts in keiner Rede ist darauf eingegangen worden – zur ntwicklung der Raumfahrtforschung in den neuen Länern. Also wieder nur ein Lippenbekenntnis? Wir beobchten jedenfalls mit großer Sorge, dass immer mehr pitzenwissenschaftler aus dem Osten nach Bayern abeworben werden und dass die Forschungsstandorte im sten langsam austrocknen. Wir sind mit der absurden ituation konfrontiert, dass über den Solidarpakt zwar iel Geld in die neuen Länder fließt, dass aber gleichzeiig immer mehr kreative Menschen in die alten Länder uswandern müssen. Ich kann nur davor warnen, die issenschaftspolitik dem freien Spiel der Kräfte zu berlassen. Dass Bayern in der Raumfahrtforschung und -indus rie so gut dasteht, ist kein Ergebnis des Wettbewerbs der änder, sondern ein Ergebnis massiver politischer Einlussnahme. (Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Wir haben uns schon immer um die Raumfahrt gekümmert!)


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])


m Berliner Institut des Deutschen Zentrums für Luft-
nd Raumfahrt arbeiten noch 350 Menschen, Tendenz
allend, und in Oberpfaffenhofen sind es 1 500, Tendenz
teigend. Die Max-Planck-Gesellschaft hatte bis Ende
996 noch eine Außenstelle in Berlin-Adlershof mit
5 Mitarbeitern – Adlershof wird ja als Technologiezen-
rum immer hochgelobt –, die sich mit kosmischer Plas-
aphysik beschäftigten. Die Außenstelle sollte ein eige-
es Institut werden. Aber daraus wurde nichts. Der
sten wird in der Raumfahrtforschung also abgehängt.
ch denke, das ist ein schlechtes Zeichen.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Zum Schluss möchte ich noch darauf eingehen, dass
ir, die PDS, natürlich die friedliche Nutzung der
aumfahrt unterstützen. Ich habe mit Wohlgefallen ver-
ommen, dass Herr Polenz in seiner Rede deutlich ge-
acht hat, internationale Abkommen für eine friedliche
utzung des Weltraums seien unbedingt erforderlich. Er
at zwar dargestellt, dass er ein gewisses Verständnis für
ie Entwicklung einer Raketenabwehr hat. Dies habe ich
icht mit so viel Wohlgefallen gehört. Aber die Bundes-
egierung sollte die Forderung nach internationalen Ab-
ommen für eine friedliche Nutzung des Weltraums auf-
reifen und alles für ihre Erfüllung tun. Der Weltraum
uss waffenfrei werden. Ich glaube nicht, dass er es ist.
as ist ein Ziel, für dessen Erreichung wir uns gemein-
am einsetzen sollten.
Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos] sowie des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD] und des Abg. Peter Hettlich [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ditmar Staffelt. Dr Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst ein Wort zu Frau Dr. Lötzsch: Im Gegensatz zu dem, was Sie hier vorgetragen haben, bemühen wir uns – das gilt auch für die ostdeutschen Bundesländer –, die Forschungslandschaft in der Luftund Raumfahrt in Ostdeutschland, die es übrigens schon vor der Gründung der DDR gegeben hat, wieder in stärkerem Maße zu vernetzen und einzubinden sowie dort zu fördern, wo es möglich ist. (Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)





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(B) )

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
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Dr. Ditmar Staffelt (SPD):
Rede ID: ID1509120500

Realität in Deutschland ist aber derzeit, dass die leis-
tungsfähigen Zentren im Norden und im Süden der Re-
publik zu finden sind.

Es ist viel Richtiges gesagt worden. Ich habe mich
hier eigentlich nur in meiner Rolle als Koordinator der
Bundesregierung für die deutsche Luft- und Raumfahrt
zu Worte gemeldet. Ich freue mich darüber, dass es ne-
ben der Kritik großes Einvernehmen darüber gibt, dass
die Raumfahrt für Deutschland in technologischer, wirt-
schaftlicher und auch in strategisch-politischer Hinsicht
eine ganz wichtige Rolle einnimmt, die wir allesamt un-
terstützen wollen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


Wir wollen Abhängigkeiten vermeiden. Wir wollen
Wettbewerb in der Welt – das ist von einigen Rednern zu
Recht angemerkt worden –, auch in Fragen, die die Zu-
kunft und damit die Raumfahrt betreffen.

Wir werden natürlich auch im Wettbewerb mit den
Vereinigten Staaten von Amerika bestehen müssen.
Die Zahlen sind wie folgt: In den Vereinigten Staaten
sind rund 120 000 Menschen in der Raumfahrt beschäf-
tigt und steht ein Budget von 12 Milliarden Euro bereit.
Bei uns in Europa sind es etwa 33 000 Beschäftigte und
ein Budget von 4,5 Milliarden Euro. Wir werden einen
Fördermittelwettlauf – das müssen wir sehen – nicht ge-
winnen können. Wir müssen deshalb andere Qualitäten
in den Mittelpunkt stellen. Wir müssen unsere Potenziale
noch effizienter nutzen. Wir müssen uns konzentrieren.
Wir müssen Schwerpunkte setzen. Wir müssen unsere
Industrie motivieren, in diesem Bereich noch stärke An-
strengungen zu unternehmen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU])


In einer Phase, in der es der Raumfahrt in Europa
nicht sehr gut geht, möchte ich an dieser Stelle noch ein-
mal ganz ausdrücklich die außerordentlich positive und
konstruktive Rolle der Ministerin Bulmahn hervorheben.
Anders, als in den Anmerkungen der Opposition zum
Ausdruck kam, wird von der deutschen Industrie immer

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(C (D ieder klargestellt – das ist völlig unumstritten –: Ohne ie begleitende Intervention durch Frau Bulmahn (Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Wer ist das eigentlich?)


äre die Konsolidierung der Ariane-Programme in Eu-
opa nicht möglich gewesen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


b man mit der EADS oder mit wem auch immer in die-
em Bereich redet: Das ist unumstritten.
Lassen Sie mich noch eines sagen. Wir brauchen in

er Zukunft – das ist sehr wichtig – diesen Kern an
ompetenzen. Wir müssen sehen, dass unsere Work-
hares auch in der Zukunft für Deutschland im europäi-
chen Konzert stehen. Dazu gehören die entsprechenden
nternehmen in und rund um München, in Bremen, in
riedrichshafen und anderswo. Es muss mit Argusaugen
mmer darüber gewacht werden – dafür müssen wir je-
enfalls meines Erachtens Sorge tragen –, dass durch un-
ere Aktivitäten das unterlegt wird, was wir hier am
tandort können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU])


Ich glaube, dass wir auch sehr erfolgreich dabei ge-
esen sind, Rückflussdefizite zu kompensieren und da-
it unsere Industrie weiter zu stärken. Auch das ist ein
unkt, den hier niemand bestreiten kann; im Gegenteil.
Ein allerletzter Punkt von meiner Seite. Er betrifft die
ittelständische Industrie in diesem Bereich. Wir
üssen alles daransetzen, dass diese sehr leistungsfähi-
en Unternehmen – dazu gehören auch sehr leistungsfä-
ige Mittelständler in Ostdeutschland – als Zulieferer,
ls Ausrüster in die Gesamtpakete der Beauftragung ein-
ebunden werden. Ich glaube, dass wir gerade mit diesen
ehr leistungsfähigen mittelständischen Hochtechnolo-
ieunternehmen das notwendige Know-how für die
aumfahrtprogramme der ESA liefern können und so
etztlich technologischer Motor bleiben. Wir sollten
icht diejenigen sein, die die großen Teile herstellen und
ersuchen, darüber ihr Geld zu verdienen. Bei großen
eilen gibt es oft ruinösen Wettbewerb. Deshalb müssen
ir uns in besonderer Weise den Sophisticated Pro-
ucts widmen. Das ist letztlich die Aufgabe der Politik,
ie wir betreiben, die Frau Bulmahn in ihrem Kompe-
enzbereich betreibt und die begleitend die anderen Res-
orts betreiben. Im Gegensatz zu dem, was vorhin ein
edner behauptet hat, gibt es sehr wohl eine gut koordi-
ierte und abgestimmte Politik der Bundesregierung für
en Bereich Luft- und Raumfahrt.
Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509120600

Ich schließe die Aussprache.






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf

den Drucksachen 15/2394, 15/2334 und 15/1371 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Günter Nooke, Bernd Neumann (Bremen),
Renate Blank, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Daniel Bahr

(Münster), Rainer Brüderle, weiterer Abgeordne-

ter und der Fraktion der FDP
Wirtschaftliche und soziale Entwicklung der
künstlerischen Berufe und des Kunstbetriebs
in Deutschland
– Drucksachen 15/1402, 15/2275 (neu)

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Gitta Connemann, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1509120700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Der

Berg kreißte und gebar eine Maus.“ Dieser Vers von
Horaz drängt sich nach der Lektüre der Antwort der
Bundesregierung auf die Große Anfrage auf. Horaz
war ein Satiriker. Die Satire ist an ihrem Platz reizvoll;
aber die Politik sollte ihr keine Bühne geben. Nur hat die
Bundesregierung dies in diesem Fall getan.

Ihre Antworten sind durchweg kleine und leider an
allzu vielen Stellen auch keine. So war nach dem durch-
schnittlichen Einkommen angestellter Künstlerinnen und
Künstler gefragt. Antwort: „Der Bundesregierung liegen
hierzu keine Erkenntnisse vor.“ Gefragt war nach der
derzeitigen Rentensituation bei selbstständigen Künstle-
rinnen und Künstlern. Antwort: Es „liegen der Bundes-
regierung keine gesicherten Erkenntnisse vor“. Gefragt
war nach der Höhe der Einkünfte von Kunstverwertern.
Antwort: „Der Bundesregierung liegen hierüber keine
Angaben vor.“ Gefragt wurde nach der wirtschaftlichen
und sozialen Lage von Restauratoren und Restauratorin-
nen. Antwort: „Besondere Erkenntnisse … hat die Bun-
desregierung nicht.“

Nur die Begrenzung der Redezeit hindert mich daran,
diese Aufzählung fortzuführen. Es gab eine Serie von
Fehlanzeigen. Dabei versteht es die Bundesregierung
doch als ihre Aufgabe, „die wirtschaftliche und soziale
Lage im Kulturbereich zu beobachten, …“. Beobachten
wollen und sich dann mit der stereotypen Formel „Es lie-
gen keine Erkenntnisse, keine Angaben, keine Informa-
tionen vor“ begnügen, das ist Satire. Diese Leerformeln
sind nämlich kein einmaliger Kunstfehler im Programm;
sie sind das Programm. Dies bekennt die Bundesregie-
rung ganz offen.

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(C (D Zweck der Anfrage war, aussagekräftige Daten zur ulturstatistik zu erhalten. Antwort der Bundesregieung: Eine umfassende Darstellung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler … hätte … umfassende Ermittlungen und Erhebungen erfordert, … Ja, richtig: „umfassende Ermittlungen und Erhebunen“. Was, wenn nicht diese, waren denn Sinn und weck der ganzen Übung? ffensichtlich hat die Bundesregierung nie an eine ernstafte Beantwortung der Großen Anfrage gedacht. Große nstrengungen hierfür hat sie jedenfalls nicht unternomen. Alle Experten auf dem Gebiet der Kulturstatistik ha en im Rahmen eines öffentlichen Hearings im Dezemer erklärt, von der Bundesregierung nicht befragt woren zu sein. Wer nicht fragt, der erhält keine Antworten nd hat dann natürlich auch keine Erkenntnisse. (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Wer fragt, bekommt auch keine Antworten!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sehr richtig, Herr Otto.
Wenn die Bundesregierung gefragt hat, dann nimmt

ie es mit der Wiedergabe der Antworten nicht so genau.
efragt war unter anderem, wie deutschen Künstlern
nd Galerien der Zugang zum ausländischen Kunst-
arkt erleichtert werde. Die Bundesregierung deutet
lumenreich eigene Initiativen an. Das hört sich aber
eim Bundesverband Deutscher Kunstverleger vollkom-
en anders an: „Derartige Initiativen gibt es bedauerli-
herweise nicht.“ Ist das die getreue Wiedergabe einer
ntwort? Wohl nicht!
Im Übrigen kommt die Bundesregierung zu ganz ver-

lüffenden Erkenntnissen. Gefragt war nach den Plänen
ur Einrichtung von speziellen Berufsberatungspro-
rammen für Künstlerinnen und Künstler. Solche
ibt es bei der Bundesagentur für Arbeit nicht. Nach
em Willen der Bundesregierung wird sich das auch
ünftig nicht ändern, weil sich derartige Programme
einschränkend auf die berufliche Neuorientierung aus-
irken könnten“. – Alle Achtung! Nach der Erkenntnis
er Bundesregierung steht also eine Berufsberatung
urch die BA einer beruflichen Neuorientierung im
ege.
Was uns hier von der Regierung geboten wird, kann

icht ernst gemeint sein. Es kann von uns auch auf kei-
en Fall ernst genommen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

azu passt auch der wiederholte Hinweis, im Übrigen
rwarte die Bundesregierung mit Interesse die Ergeb-
isse der Enquete-Kommission „Kultur in Deutsch-
and“. Wir alle wissen, dass der Bericht der Kommis-
ion erst in zwei Jahren vorliegen wird. Unsere Arbeit in
er Enquete-Kommission entlässt Sie, verehrte Frau
taatsministerin Dr. Weiss, nicht aus Ihrer Verantwor-






(A) )



(B) )


Gitta Connemann

tung. Denn durch die Beantwortung der Großen Anfrage
sollte ja gerade eine Grundlage für unsere Arbeit in der
Kommission geschaffen werden.


(Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Ist ja Unsinn!)


Wenn die Bundesregierung die Kulturschaffenden
und ihre Interessen wirklich so ernst nehmen will wie
wir, dann sind wir in der Enquete-Kommission gerne zu
einer konstruktiven Zusammenarbeit bereit. Ich biete Ih-
nen, Frau Staatsministerin, insoweit einen offenen Dia-
log an. Wir alle stehen ja in der Pflicht, für eine nachhal-
tige Entwicklung von Kunst und Kultur in Deutschland
Sorge zu tragen. Darum müssen wir uns gemeinsam und
ernsthaft bemühen. Die Bundesregierung wird diesem
Anspruch mit ihrer Antwort jedenfalls nicht gerecht.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509120800

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Barthel?

Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1509120900

Nachdem ich die letzten zwei Sätze gesprochen habe

und mit meiner Rede fertig bin, gerne. Aber dann wäre
das ja keine Zwischenfrage mehr.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509121000

Nein, dann ist es keine Zwischenfrage mehr. Lassen

Sie also die Zwischenfrage zu?

Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1509121100

Ich lasse die Zwischenfrage zu.

Eckhardt Barthel (SPD):
Rede ID: ID1509121200

Frau Connemann, ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst

ist, dass Sie hier die Dinge ein bisschen durcheinander
bringen. Sie erwarten von der Bundesregierung Daten
und Informationen. Dabei waren wir uns doch alle einig,
dass, nachdem die vorhandenen Daten seit 30 Jahren
nicht mehr überprüft oder gar neu erfasst worden waren,
die Enquete-Kommission unter anderem deswegen ein-
gesetzt wurde, um diese Daten zu erfassen. Jeder weiß,
wie schwierig das ist. Als wir uns darüber verständigten,
die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ ein-
zusetzen


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Wo ist denn die Frage?)


– ich frage, ob sie das weiß; das ist die schlichte Frage –,
war dies als eine der Grundsäulen der Arbeit der En-
quete-Kommission vorgesehen. Ich frage mich nun,
wozu wir eine Enquete-Kommission benötigt hätten


(Zuruf von der CDU/CSU: Das fragen Sie?)

– das frage ich Sie –, wenn die Daten, die Sie gerne hät-
ten, schon existierten. Glauben Sie nicht, dass es viel-
mehr Aufgabe der Enquete-Kommission ist, diese Arbeit
zu erbringen? Denn das geht über das hinaus, was die
Bundesregierung bewältigen kann. Somit können Sie
jetzt nicht von der Bundesregierung etwas erwarten, was
eigentlich die Aufgabe der Enquete-Kommission ist.

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(C (D (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Eine etwas längliche Frage!)



Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1509121300

Die Frage war interessant für eine Frage. Ich weiß das

icht, weil ich den Auftrag bei Einsetzung der Enquete-
ommission nicht nur anders verstanden habe, sondern
hr Programm


(Zuruf des Abg. Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD])


darf ich jetzt auch ausreden? – nach dem Einsetzungs-
eschluss auch völlig anders verstehen muss. Sie wissen,
ass wir in der Enquete-Kommission häufig über die
roße Anfrage gesprochen haben. Sie wird auch Thema
er Sitzung am 1. März sein, an der die Frau Staats-
inisterin teilnehmen wird. Sie wissen auch, dass die
roße Anfrage an die Bundesregierung gerichtet wurde,
m das vorhandene Datenmaterial zu sichten. Dann
uss man sich aber auch ernsthaft bemühen, es zu sich-
en. Gerade diese ernsthafte Bemühung ist nicht zu er-
ennen. Als schlichte Abgeordnete in diesem Fall finde
ch, dass die Bundesregierung meine Rechte, die ich als
ouveräne Abgeordnete habe und in Form einer Großen
nfrage mit der Bitte um Information wahrnehmen
ann, einfach missachtet hat. Das bringe ich hiermit zum
usdruck.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich darf dann auch als schlichte Abgeordnete mit fol-

ender Beurteilung schließen.

(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Nein, Sie sind Vorsitzende der Enquete-Kommission! Gott bewahre!)


Ich bin zwar Vorsitzende der Enquete-Kommission,
ber in diesem Fall auch schlichte Abgeordnete. – Die
undesregierung wird aus meiner Sicht den an sie ge-
tellten Anforderungen nicht gerecht. Die Kritik an die-
em Opus kann deshalb nicht besser als mit einem Aus-
pruch von Marcel Reich-Ranicki auf den Punkt
ebracht werden: Vorhang zu, wir sind betroffen und –
lle Fragen offen!
Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509121400

Das Wort hat die Frau Staatsministerin Dr. Christina
eiss.

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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1509121500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Wenn der Deutsche Bundestag über die Lage
on Künstlerinnen und Künstlern in diesem Lande
ebattiert, so hat dies immer noch den Hauch des
ngewöhnlichen – leider, muss man hinzufügen. Dabei
ären wir gehalten, gerade in diesem Hohen Hause in






(A) )



(B) )


Staatsministerin Dr. Christina Weiss

selbstverständlicher Regelmäßigkeit einen Bericht zur
geistigen Lage der Nation zu erstatten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD])


Dabei darf es nicht um Zuständigkeiten gehen. Die Ent-
wicklung der Kultur in Deutschland muss auch ein An-
liegen des Deutschen Bundestages sein.

Es war deshalb nur folgerichtig – Eckhardt Barthel
hat darauf hingewiesen –, dass die Regierungsfraktionen
den Anstoß dafür gegeben haben, endlich eine Enquete-
Kommission „Kultur in Deutschland“ einzusetzen.
Frau Connemann, wir warten natürlich gespannt auf die
Ergebnisse dieser Kommission. Sie ist unendlich wichtig
für die Erstellung eines relevanten Befundes über den
Zustand der Kulturlandschaft Deutschlands. Dabei wird
vor allem über die wirtschaftliche und soziale Lage
von Künstlerinnen und Künstlern zu berichten sein.

Statistik ist hier nicht in jedem Fall besonders sinn-
voll. Künstler/Künstlerin ist keine Berufsbezeichnung.
Die Berufe, die sich hinter dieser Bezeichnung verber-
gen können, sind so zahlreich wie alle anderen Berufe.
Für Kreative gibt es auch keine sozialen Mindeststan-
dards. Künstlerinnen und Künstler leben und arbeiten
naturgemäß nach anderen Prämissen, nach Werten und
Grundsätzen, die sich nicht einfach in ein gewohntes So-
zialraster fügen. Künstlerinnen und Künstler benötigen
Freiräume, die ihnen erlauben, kreativ zu arbeiten, die
Gesellschaft zu befruchten, Anstöße zu geben. Das ist
der Bundesregierung bewusst. Dies zu erreichen ist auch
eine meiner Aufgaben.

Seit einigen Jahren sind wir dabei, bürokratische
Hürden, die die wirtschaftliche und soziale Lage der
Künstlerinnen und Künstler tangieren, systematisch aus
dem Weg zu räumen. Zu nennen ist hier sicher an erster
Stelle das Projekt der Kulturverträglichkeitsprüfung,
die auf neue Gesetze angewendet wird und die sich
bereits in den ersten anderthalb Jahren mehrmals segens-
reich bewährt hat. Außerdem ist es vor vier Jahren
gelungen, die Novelle des Künstlersozialversiche-
rungsgesetzes auf den Weg zu bringen. Im Sinne der
Kreativen ist auch, dass die Besteuerung ausländischer
Künstler reformiert werden konnte,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


dass das neue Urhebervertragsrecht in Kraft trat und
das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Infor-
mationsgesellschaft zustande kam. Mit all diesen wichti-
gen Gesetzeswerken haben Regierung und Parlament er-
folgreich einen Teil des Reformstaus aufgelöst. Vor
allem aber haben sie die Sorgen und Nöte der Künstle-
rinnen und Künstler ernst genommen.

Die wirtschaftliche Situation von Künstlerinnen und
Künstlern ist nach wie vor alarmierend. Nach Angaben
der Künstlersozialkasse lag das durchschnittliche Jahres-
einkommen der Freiberufler im vergangenen Jahr – hö-
ren Sie genau zu! – bei 11 144 Euro. Selbst wenn eine
solche Zahl natürlich Unsicherheiten in sich birgt, weil

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(C (D ie nur auf eigenen Einschätzungen der Künstlerinnen nd Künstler beruht, zeigt diese Zahl doch sehr beeinruckend, dass wir es hier mit einer unterdurchschnittlihen Einkommensentwicklung zu tun haben. Zyniker ürden wohl von auskömmlicher Armut sprechen. Das ann uns nicht beruhigen, das treibt uns um und das verangt nach weiteren Modellen der Hilfe zur Selbsthilfe. Glauben Sie mir: Die Stars, die alle kennen und von enen wir glauben, wir wüssten, wie hoch ihre Honorare ind, sind weitaus rarer, als wir alle vermuten. Die Bundesregierung wird zielgenau das ihr Mögli he tun, um Künstlerinnen und Künstler weiter zu entasten. Wir werden ein Zweites Gesetz zur Regelung des rheberrechts in der Informationsgesellschaft in den eutschen Bundestag einbringen. Wir denken dabei uch über die seit langem geforderte Ausstellungsverütung und das Künstlergemeinschaftsrecht nach. ie Sie wissen, setzt sich diese Koalition dafür ein, dass ür bildende Künstlerinnen und Künstler auch ein Moell für Ausstellungshonorare entwickelt wird. Gleichohl wird dabei natürlich zu klären sein, wie das prakisch aussehen kann, ohne zum Beispiel Museen in robleme und Nöte zu stürzen. Hier suchen wir das inensive Gespräch mit privaten und öffentlichen Ausstelungsmachern. Niemand hat ein Interesse daran, dass usstellungspläne durch zusätzliche Belastungen zuichte gemacht werden. ber die künstlerische Leistung ist ein Wert an sich und ie, so meine ich, sollte auch durch ein angemessenes onorar belohnt werden. Wenn wir das Urheberrecht neu justieren, dann tun ir dies auch deshalb, weil wir den Künstlern eine angeessene Vergütung sichern wollen. Hier hinkt im Übrien das geltende Recht den technischen Möglichkeiten interher. Die jetzige Bundesregierung hat weitere steuerliche ergünstigungen für Künstlerinnen und Künstler urchgesetzt. Ich erinnere an die existenziell wirklich otwendigen und weitreichenden Verbesserungen bei er Besteuerung ausländischer Künstler. Weiterhin onnte der Übungsleiterfreibetrag ermöglicht und konnen Erleichterungen bei der Umsatzsteuer verankert weren. (Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Das wollen die abschaffen!)


(Beifall bei der SPD)


ür weitere steuerliche Vergünstigungen im künstleri-
chen Bereich zu kämpfen ist in dieser Zeit – das wissen
ie alle – natürlich besonders schwer. Die Lage der öf-
entlichen Haushalte ist angespannt wie nie. Wir können
lso nur langsam vorankommen. Mit dem Heraufsetzen
es Grundfreibetrages zu Beginn dieses Jahres ist dies
eispielhaft geschehen.
Wenn wir die Rahmenbedingungen des Kunstmarkts

estalten, dann muss auch auf internationale Belange
ücksicht genommen werden. Das gilt in besonderer
eise für die UNESCO-Konvention über Maßnahmen
um Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr,






(A) )



(B) )


Staatsministerin Dr. Christina Weiss

Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut. Dieses Ab-
kommen stammt aus dem Jahre 1970 und muss in
Deutschland schleunigst ratifiziert werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dazu wird ein entsprechendes Ausführungsgesetz nötig
sein. Mein Haus verfasst derzeit einen Referentenent-
wurf, der auch den Interessen und Belangen des Kunst-
marktes gerecht wird.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich der
deutsche Kunstbetrieb keinesfalls in einer desaströsen
Lage befindet; es geht ihm aber auch nicht gut. Bund
und Länder sind hier gehalten, einen Wahrnehmungs-
sprung zu vollführen. Wir brauchen einen Bewusstseins-
wechsel, wenn wir es mit Deutschland als Kulturnation
ernst meinen. Es geht nicht allein um staatliche Förde-
rung, es geht darum, zu erkennen, welchen Wert die Kul-
tur in einer Gesellschaft besitzt, welchen Platz sie ein-
nimmt und was sie in dieser Gesellschaft bewegt.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Darüber müssen wir uns viel stärker verständigen,
nicht nur in Großen Anfragen, sondern jedes Jahr erneut.
Ich hoffe, Frau Connemann, dass wir dies ganz beson-
ders in der Enquete-Kommission tun werden, die genau
das zum Ziel hat.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509121600

Das Wort hat der Kollege Hans-Joachim Otto, FDP-

Fraktion.

(Bernd Neumann [Bremen] [CDU/CSU]: Jetzt geht es aber ran!)



Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1509121700

Frau Präsidentin! Liebe Frau Dr. Weiss, ich habe Ih-

ren Worten – wie immer – mit großem Genuss ge-
lauscht.


(Horst Kubatschka [SPD]: Das ist gut!)

Ich habe mich allerdings gefragt, worüber wir hier ei-
gentlich debattieren. Sie haben zehn Minuten gespro-
chen. Aber das, worüber Sie gesprochen haben, findet
sich nicht in der Tagesordnung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/ CSU – Horst Kubatschka [SPD]: Aber Sie haben es genossen!)


– Ich habe es genossen. Es war eine künstlerische Leis-
tung. Auf dem Spielplan stand das Stück „Camouflage“.
Ich muss meinen Respekt dafür aussprechen, wie die
recht bescheidene Antwort der Bundesregierung in mus-
tergültiger Weise sozusagen versteckt worden ist.

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(C (D Was mir immer wieder auffällt und was mir nicht geällt, ist die große Diskrepanz zwischen Worten und Taen. ie sagen, Deutschland brauche einen Bewusstseinsechsel. Meine Güte! In der Vorbemerkung ihrer Antort auf die Große Anfrage – nur dies steht auf der Taesordnung –, teilt uns die Bundesregierung mit, dass ie Lage der Kulturschaffenden von ihr kontinuierlich eobachtet werde. Auf immerhin zehn Fragen weiß die undesregierung aber überhaupt keine Antwort. (Bernd Neumann [Bremen] [CDU/CSU]: Peinlich!)


(Horst Kubatschka [SPD]: Ach Gott!)


er Satz, dass der Bundesregierung keine Erkenntnisse
orliegen, ist der mit Abstand am meisten verwendete
atz in dieser Antwort auf die Große Anfrage. Für die
brigen Antworten, die uns die Bundesregierung gibt,
edient sie sich im ersten Teil der Künstlersozialkasse
nd im zweiten Teil der einschlägigen Fachverbände als
nformationslieferant.
Besonders gut, liebe Frau Dr. Weiss, gefällt mir Ihre
ntwort auf die Frage 49. Man muss sie sich wirklich
uf der Zunge zergehen lassen. Die Fraktionen der CDU/
SU und der FDP hatten gefragt:

Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über
den Anteil von Menschen an der Bevölkerung in
Deutschland, die in Kunst investieren?

iese Frage ist im Hinblick auf die Finanzierung von
unst und Kultur in Deutschland nicht ganz unwichtig.
Jetzt bitte genau hinhören – Originalton Frau
r. Weiss –:

Die Bundesregierung verfügt weder über gesicherte
Erkenntnisse über den Anteil von Menschen, die in
Deutschland Finanzmittel in Kunst als Sachgut in
der Erwartung eines Gewinns und/oder als Wert-
bzw. Kapitalanlage investieren, noch über den da-
durch getätigten Kapitaleinsatz.

un gut, das ist typisch für die Antwort. Aber jetzt
ommt es


(Zuruf des Abg. Horst Kubatschka [SPD])

jetzt hören Sie doch einfach einmal zu; das ist Origi-
alton Frau Dr. Weiss –:

Sofern der Kauf von Kulturgütern als Gebrauchsge-
genstände zum Zweck der geistigen Erbauung oder
Freizeitgestaltung gemeint sein sollte, wie z. B. Bü-
cher, CDs oder Theater- und Kinokarten, wäre ein
sehr guter Prozentsatz zu erwarten, da augenschein-
lich die überwiegende Mehrheit der deutschen Be-
völkerung derartige Produkte nachfragt.

itzig! Liebe Freunde, wenn das Thema nicht so ernst
äre, würde ich sagen: Veralbern kann ich mich selber.
as ist nun wirklich ein Nullsummenspiel.
Ich will jetzt aber zum Kern des Problems zurückkeh-

en. Diesen haben Sie erwähnt, nämlich die Tatsache,
ass das Durchschnittseinkommen der selbstständigen






(A) )



(B) )


Hans-Joachim Otto (Frankfurt)


Kulturschaffenden in Deutschland bei jährlich circa
11 100 Euro liegt. Wenn ein solcher Künstler dieses
durchschnittliche Einkommen 40 Jahre lang bezieht und
brav in die Künstlersozialkasse einzahlt, dann bekommt
er wie viel Rente? – 400 Euro monatlich. Das ist in der
Tat ein alarmierender Befund.

Liebe Frau Kollegin, jetzt sage ich Ihnen: In einer sol-
chen Situation kann man nicht die Arbeit, die man selber
erledigen müsste, nämlich gesichertes Datenmaterial zu
erarbeiten, auf eine Enquete-Kommission verschieben,
wenn gleichzeitig – das muss man wissen – den Mitglie-
dern der Enquete-Kommission ständig Mittel gestrichen
werden. Diese sind gar nicht in der Lage, ein so umfang-
reiches Datenmaterial zu erarbeiten. Aufgabe der En-
quete-Kommission kann es nicht sein – jedenfalls nicht
in erster Linie –, diese erschreckenden Datenlücken aus-
zufüllen. Das muss von demjenigen geleistet werden, der
über geeignete Finanzmittel verfügt. Das ist in erster Li-
nie die Bundesregierung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Was die Enquete-Kommission leisten muss und auch

kann – dafür sind wir alle angetreten –, ist, auf der Basis
gesicherten Datenmaterials Handlungsempfehlungen
zu erörtern und diese dann an die Bundesregierung wei-
terzuleiten. Das wollen wir alle tun.

Liebe Frau Dr. Weiss, abschließend dazu: Ich bin jetzt
seit zehn Jahren im Parlament. Ich habe einige Antwor-
ten auf Große Anfragen gelesen, manche mit Zustim-
mung, manche mit Kopfschütteln. Ich habe, glaube ich,
in meiner parlamentarischen Laufbahn noch nie eine
Antwort auf eine Große Anfrage erlebt, die so wenig Er-
kenntnisse signalisiert hat wie diese. Ich ziehe aus die-
sem Nullbefund der Großen Anfrage die Erkenntnis: Wir
müssen – das ist jetzt ein Angebot zur Zusammenarbeit –
über Parteigrenzen hinweg – und nicht erst dann, wenn
die Enquete-Kommission ihre Arbeit beendet hat – dafür
Sorge tragen, dass wir in Deutschland schnellstens über
die erforderlichen Datensätze in Bezug auf diesen enorm
wichtigen Bereich, in dem es Not und Handlungsbedarf
gibt, verfügen. Das kann man nicht auf die Enquete-
Kommission abschieben. Das ist Aufgabe des Parlamen-
tes insgesamt und vor allen Dingen auch der Bundesre-
gierung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
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Das Wort hat die Kollegin Dr. Antje Vollmer, Bünd-

nis 90/Die Grünen.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509121900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Herr Otto, manchmal wundere ich mich über den
Freiheitsgehalt in den Gedankengängen von Liberalen.
Wenn Sie in einem freien Markt und einem freien Aus-
tausch zwischen Künstlern und an Kunst Interessierten
jeden Geschäftsgang erfassen wollten, dann hätten wir
sicherlich keine freiheitliche Gesellschaft mehr.

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(C (D (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Wie wollen Sie denn Gesetze machen, wenn Sie nicht wissen, wie die Datensituation ist?)


In einem kleinen Kreis wie diesem lieben wir alle die
ünstler; das setze ich jedenfalls voraus. Manchmal aber
ibt es auch so etwas wie eine Verklärung des Künstler-
aseins. Beim Blick auf die Chancen von Freiheit und
elbstverwirklichung im künstlerischen Beruf wird aber
ur zu oft die Lebenswirklichkeit übersehen, die gerade
ei Künstlern oft von materieller Not und auch von pre-
ären Fragen gesellschaftlicher Anerkennung geprägt
st.
In der von der Opposition gestellten Großen Anfrage

ur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der
ünstlerischen Berufe sind wichtige Probleme aufgegrif-
en worden; das wird hier sicherlich niemand bestreiten.
llerdings kam sie – das ist schon mehrfach gesagt wor-
en – zu einem ganz ungewöhnlich merkwürdigen Zeit-
unkt. Bereits vor der Anfrage der Opposition war doch
lar, dass die wirtschaftliche und soziale Lage der
ünstler ein wesentlicher Grund für die Einsetzung der
nquete-Kommission gewesen ist, die wir ja mit großer
raft durchgesetzt haben. Immerhin gibt es in dieser
egislaturperiode überhaupt nur zwei Enquete-Kommis-
ionen. Dies zeigt den großen Vorrang, den wir dieser
rage – auch bereits in der Koalitionsvereinbarung – ein-
eräumt haben. Deshalb sollte eine Anfrage an die An-
rage erlaubt sein: Geht es hier nicht um einen etwas
erkwürdigen Aktivismus, mit dem ein schon fahrender
ug noch angeschoben werden soll? Wenn ich mir dies
m Bild vorstelle, dann wäre diese slapstickhafte Szene
ut mit Charlie Chaplin zu besetzen gewesen: Der Zug
ährt und Sie rollen hinterher, um ihn tüchtig anzuschie-
en.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Besser spät als gar nicht! – Gegenruf des Abg. Horst Kubatschka [SPD]: Was? Anschieben?)


Die Regierung hat, wie ich glaube, auf diese Anfrage
n korrekter Weise, nämlich mit Respekt vor dem Par-
ament, reagiert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

ir haben es oft kritisiert, dass die Regierung noch eine
ommission eingesetzt und so getan hat, als sei im Par-
ament gar kein Sachverstand vorhanden. In diesem Fall
at die Regierung einmal anerkannt, dass sie zu vielen
ragen die Debatte in der Enquete-Kommission abwar-
en sollte. Wir haben auch gesagt, dass die Arbeit der
nquete-Kommission sehr konzentriert verlaufen und
ach zwei Jahren abgeschlossen sein soll. Respekt vor
em Parlament ist auch so etwas wie demokratische Kul-
ur. Dieser Respekt ist dadurch bewiesen worden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – HansJoachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Sehr merkwürdige Form von Respekt vor dem Parlament, wenn man die Fragen nicht beantwortet!)


Es ist schon von vielen gesagt worden – deswegen
ann ich an diesem Punkt meine Rede kürzen –, dass das






(A) )



(B) )


Dr. Antje Vollmer

geringe Einkommen von freischaffenden Künstlerin-
nen und Künstlern besorgniserregend ist, sodass viele
von ihnen, bevor sie Künstler sein können, erst einmal
Lebenskünstler und Überlebenskünstler sein müssen.
Tatsächlich liegt ein Durchschnittseinkommen von etwa
11 000 Euro weit unter dem anderer Erwerbstätiger. Von
einer Rente von 400 Euro im Monat – Sie haben das zu-
sammengerechnet, Herr Otto – kann niemand leben; die
Mindestrente in Berlin beträgt 693 Euro.

Welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen?
Ich nenne hier einige Einzelmaßnahmen, die zusammen
wirken müssen; denn einen Königsweg gibt es bei einer
so komplizierten Lage weder in diesem Fall noch in den
vielen anderen Fällen, mit denen sich das Parlament, die
Regierung und die Koalitionsfraktionen herumschlagen
müssen.

Erstens. Mit Blick auf das Rentenproblem ist zu prü-
fen, ob die Riester-Rente in besonderer Weise auf den
Künstlerbereich zugeschnitten werden kann. Auch Mo-
delle von Künstlerfonds und Lösungsversuche aus ande-
ren europäischen Ländern können Anregungen bieten.
Die Enquete-Kommission eruiert einen entsprechenden
Maßnahmenkatalog. Es gehört gerade zu unseren Aufga-
ben, solche Ideen aus anderen Ländern zu transportieren.
Ich wünsche mir allerdings manchmal, dass wir in der
Enquete-Kommission nicht so viele Formalitäten be-
sprechen, sondern unsere kostbare Zeit sehr viel eher für
diese Modelle und Anregungen aus anderen Ländern
verwenden.

Zweitens. Im Zusammenhang mit dem Selbst-
vermarktungsanteil der Künstler könnte sich für die
Künstlersozialkasse ein Problem ergeben. Dies ist be-
sorgniserregend. Der Rechnungsprüfungsausschuss des
Haushaltsausschusses im Bundestag stellt gegenwärtig
eine Untersuchung zu diesem Thema an. Dazu ist zu sa-
gen, dass der Bundeszuschuss zur Künstlersozialkasse
inzwischen vom Selbstvermarktungsanteil der Künstler
abgekoppelt wurde. Die Bundesmittel sind also nicht
vom Umfang der Selbstvermarktung abhängig, die die
Künstlerinnen und Künstler betreiben. Eine Senkung des
Bundesanteils darf es nach unserer Meinung hier nicht
geben. Dies sage ich auch im Namen der Bundesregie-
rung.


(Beifall bei der SPD)

Drittens. Die Verbesserung der Einkommensmög-

lichkeiten ist ein zentraler Baustein in diesem Problem-
bereich. Im komplizierten Geflecht zwischen Urhebern
und Verwertern wurde von Rot-Grün hier schon man-
ches erreicht; die Frau Staatsministerin hat es dargestellt.
Im Zusammenhang mit dem anstehenden Zweiten Ge-
setz zur Regelung des Urheberrechts in der Informati-
onsgesellschaft prüfen wir, was wir noch zusätzlich tun
können. Ich denke an die Ausstellungsvergütung – da
haben wir schon vorgearbeitet – und an das Künstlerge-
meinschaftsrecht.

Viertens. Gerade in der Enquete-Kommission spielt
der Bereich der künstlerischen Bildung und der Zusam-
menarbeit von freien Künstlern mit den Schulen eine
große Rolle. Ich glaube, dass wir hier sehr innovativ sein

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(C (D önnen. Es gibt sehr viele Künstler – ich denke etwa an ie sehr vielen ausgebildeten Orchestermusiker, die nieals alle einen bezahlten Vollzeitplatz in einem Orcheser haben werden –, denen wir zum Beispiel im Rahmen er Ganztagsschule eine Perspektive geben könnten, päagogisch tätig zu sein. Wie bei vielen anderen auch sind ombinierte Lebensmodelle denkbar, wo man einerseits n einem selbst gewählten Ensemble spielen und andeerseits als Pädagoge in der Schule tätig werden kann. In inem Bereich, der die Schulausbildung am Nachmittag uszeichnen könnte – der Förderung der Kreativität von ugendlichen –, könnten ganz neue Berufsperspektiven nd Berufsbilder entstehen. Ich glaube, dass wir in dieser Richtung eine ganze enge neu denken müssen, und ich hoffe, dass wir das a tun, wo es hingehört, nämlich in der Enquete-Komission. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509122000

Das Wort hat die Kollegin Renate Blank, CDU/CSU-

raktion.


Renate Blank (CSU):
Rede ID: ID1509122100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den

isherigen Reden ist deutlich geworden, dass die wirt-
chaftliche und soziale Situation der Mehrheit der
ünstler in Deutschland wahrlich alarmierend ist. Der
usdruck „brotlose Kunst“, den man zurzeit in der Be-
ölkerung des Öfteren mit Bezug auf die Bundesregie-
ung hört, erhält dabei wirklich eine praktische Bedeu-
ung.


(Horst Kubatschka [SPD]: Wollen Sie sagen, dass die Regierung aus Künstlern besteht?)


Ich will keinesfalls künstlerische Kreativität mit der
rbeit der Bundesregierung vergleichen. Damit würde
ch allen Künstlern im Lande Unrecht tun. Denn Kunst
nd Kultur sind interessant, was man von der Arbeit der
undesregierung absolut nicht sagen kann.


(Beifall des Abg. Günter Nooke [CDU/ CSU] – Horst Kubatschka [SPD]: Das ist hohe Regierungskunst, was die machen! – HansJoachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Camouflage!)


Eigentlich wären beim Thema „soziale Lage von
ünstlern“ SPD und Grüne mit ihrer Kulturstaatsminis-
erin gefordert gewesen, sich der wirtschaftlichen Be-
ange der künstlerischen Berufe anzunehmen. Hier hätte
och die Staatsministerin mit neuen Ideen punkten kön-
en. Aber Fehlanzeige! Sie kümmert sich stattdessen lie-
er um die Präsentation der Sammlungen Flick und
ewton und vernachlässigt dabei junge Künstlerinnen
nd Künstler.


(Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Frau Blank, das ist aber nicht fair!)







(A) )



(B) )


Renate Blank

Die Antworten der Bundesregierung auf unsere

Große Anfrage sind – das wurde schon gesagt – sehr ent-
täuschend. In der Einleitung betont die Bundesregierung
zwar, dass sie die Lage der Kulturschaffenden kontinu-
ierlich beobachtet und durch die Kulturverträglichkeits-
prüfung sicherstellen will, dass sich Gesetzesvorhaben
nicht nachteilig auf den Kulturbereich auswirken. Aber
das ist auch schon alles. Wenn man das Thema vernach-
lässigt, hat man halt keine Zahlen und Fakten. Außerdem
vermisse ich die Bereitschaft, auf unsere Fragen einzu-
gehen.

Nur mit der Frage 20 – Bereich Hochschulen – hat
man sich lange befasst. Obwohl man keine Zuständig-
keiten hat, wurde ausführlich geantwortet. Das ist ty-
pisch: keine Bundeszuständigkeit, aber immer den Ver-
such unternehmen, den Ländern in die Kulturhoheit
hineinzureden.


(Horst Kubatschka [SPD]: Warum haben Sie denn danach gefragt? Damit haben Sie doch hineingeredet!)


Das Ziel der Bundesregierung sollte doch sein, nur dort,
wo der Bund die Zuständigkeit besitzt, zeitgemäße Rah-
menbedingungen zu schaffen, die es den Kunst- und
Kultureinrichtungen erlauben, im Sinne der freien künst-
lerischen Gestaltung zu arbeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist schon erstaunlich,

dass die Bundesregierung es entschieden ablehnt, die so-
ziale Lage der Künstler durch Maßnahmen in der Sozial-
gesetzgebung zu verbessern. Wir haben gehört, dass das
Jahreseinkommen gerade 11 000 Euro beträgt. Demge-
genüber verdienen in der gesetzlichen Rentenversiche-
rung Versicherte rund 29 000 Euro. Viele Künstler haben
schon während ihrer aktiven Berufszeit zum Leben zu
wenig und zum Sterben zu viel. Als Rentner werden sie
dann, wie die Bundesregierung bestätigt, auf die soziale
Grundsicherung angewiesen sein. Zudem wird die Zahl
der arbeitlosen Künstler immer größer.


(Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Was schlagen Sie vor?)


– Kollege Barthel, darüber sollten wir uns unterhalten.
Das wäre die Antwort auf unsere Anfrage gewesen. Da
hätten Sie Ideen entwickeln können.


(Horst Kubatschka [SPD]: Was schlagen Sie vor? – Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Ich hätte gerne einen Satz dazu gehört, was Sie wollen!)


Frau Staatsministerin, in unserer Großen Anfrage ha-
ben wir die Sparte Literatur nicht ausdrücklich er-
wähnt. Aber dass Sie Ihr Lieblingsthema Literatur mit
keinem Wort erwähnen, stimmt schon bedenklich. Bei
Ihrer Vorliebe für Literatur müssten Sie doch mit den
Sorgen und Nöten dieser Branche vertraut sein. Gerade
Frau Dr. Weiss darf auf diesem Auge nicht blind sein.
Sie hätte zumindest die bei der Künstlersozialkasse ver-
fügbaren Daten wortreich nutzen können.


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(C (D (Horst Kubatschka [SPD]: Aber Sie waren blind und haben es vergessen!)


Herr Kollege, wir haben sie nicht vergessen, sondern
ir haben gewartet, ob die Bundesregierung darauf ein-
eht.


(Horst Kubatschka [SPD]: Was Sie nicht fragen!)


Wir haben viel gefragt und keine Antwort bekommen.
Die wirtschaftliche Lage der Schriftsteller, Übersetzer

nd der Autorinnen und Autoren sowie die Entwicklung
es Buchmarktes wurden von Ihnen leider vollkommen
ußen vor gelassen. Die Regierung Schröder ist doch mit
em Grundsatz angetreten, der Kultur einen neuen Stel-
enwert zu geben.


(Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Das haben wir geschafft!)


Das Gegenteil ist der Fall.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


an könnte es aber auch so formulieren: Deutschland
ersteht sich zwar als Kulturnation – wir werben welt-
eit mit unserer kulturellen Vergangenheit


(Horst Kubatschka [SPD]: Und Gegenwart!)

nd mit den Namen unserer großen Künstler –, aber wir
chten nicht darauf, dass diejenigen, die in unserem
ande heute künstlerisch tätig sind, auch nur halbwegs
in Auskommen haben.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Na! Na!)

hnen genügt offenbar der Bezug auf die große Ge-
chichte; denn mit ihr muss man sich ja nicht auseinan-
er setzen, weil ihre Anerkennung weltweit gesichert ist.
Meine Damen und Herren, nachdenklich stimmen al-
rdings die boulevard-spektakulären TV-Demoskopien
es ZDF vom November vergangenen Jahres.


(Günter Nooke [CDU/CSU]: Jawohl!)

abei ging es um die Frage: Wer ist der beste Deutsche?
ls geborene Nürnbergerin fiel mir auf, dass Albrecht
ürer, der Weltkünstler der Renaissance, bei diesem
ulturevent nur auf Platz 91 der 100 meistgenannten
eutschen zu finden war.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Dafür war Küblböck dabei!)


Die Boulevardjury der Deutschen repräsentierte das
lägliche Niveau der an der Auswahl beteiligten Fern-
ehkonsumenten. Denn diese hielten Beate Uhse und
ieter Bohlen für bedeutsamer und besser als den
eister der Apokalypse und der Aposteltafeln. Hier
äre die Kulturstaatsministerin dringend gefordert,
unst und Kultur unter die Leute zu bringen. Denn es ist
re Aufgabe, der Allgemeinheit Kunst und Kultur näher
u bringen.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Renate Blank

– Sie lachen zwar, aber ich glaube, hinter Ihrem Lachen
verbirgt sich die ernste Erkenntnis, dass Sie dies in den
letzten Jahren versäumt haben.


(Horst Kubatschka [SPD]: Meckern Sie nicht an Adenauer herum!)


Trotz der gleichen Startbedingungen, was die Spielre-
geln des Kunstmarktes angeht, stehen Künstlerinnen im
Unterschied zu ihren Kollegen jedoch sehr schnell
schlechter da. Die Gründe hierfür zu erforschen wäre
auch die Aufgabe der Ministerin, und zwar in Zusam-
menarbeit mit der Bundesfrauenministerin.

Kunst braucht aber auch Gunst – die Gunst des Publi-
kums und die der Förderer. Das bedeutet nicht, den Staat
aus seiner Verantwortung zu entlassen. Aber Kulturför-
derung ist in erster Linie Aufgabe des Staates. Kultur-
politik ist mehr als die direkte Kulturförderung. Kultur-
politik wird in entscheidendem Maße auch vom
Finanzminister und vom Wirtschafts- und Arbeitsminis-
ter geprägt. Denn Kunst und Kultur sind mehr als nur
weiche Standortfaktoren. Kunst und Kultur sind die Ku-
lissen unseres Lebens


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das klingt schön!)


und bestimmen maßgeblich unsere Sozialisation. Des-
halb braucht unsere Gesellschaft den schöpferischen
Geist der Künstler. Denn Kunst und Kultur sind keine
Zutat, sondern der Sauerstoff einer Nation. Ihre Förde-
rung sollten wir parteiübergreifend anpacken.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP] – Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Der Schlusssatz war gut!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509122200

Nächste Rednerin ist die Kollegin Angelika Krüger-

Leißner, SPD-Fraktion.


Angelika Krüger-Leißner (SPD):
Rede ID: ID1509122300

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-

legen! Den bisherigen Redebeiträgen habe ich eines ent-
nommen: Wir brauchen die Enquete-Kommission „Kul-
tur in Deutschland“. Gerade im Kulturbereich besteht
ganz offensichtlich Nachholbedarf. Sowohl was die Da-
tenlage auf Bundesebene als auch was vor allem die Er-
kenntnisse über die Bewertung der Rahmenbedingungen
von Kunst und Kultur in Deutschland betrifft. Dies hat
die Antwort auf die Große Anfrage mehr als deutlich ge-
macht.

Wir wissen zu wenig über die soziale und wirtschaft-
liche Lage von Künstlerinnen und Künstlern in Deutsch-
land. Wir wissen zu wenig über die öffentliche und pri-
vate Kulturförderung. Wir wissen zu wenig über die
wirtschaftliche Situation des Kunstbetriebes. Darüber hi-
naus haben wir, was die finanzielle Ausstattung insbe-
sondere der Kommunen im Kulturbereich oder auch die
Qualität der Entscheidungsstrukturen in diesem Bereich
betrifft, zu geringe Kenntnisse.

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(C (D Ich will durchaus kritisch mit der Beantwortung der roßen Anfrage umgehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Günter Nooke [CDU/CSU]: Da können wir klatschen!)


Das bin ich eigentlich immer. – Wie ich festgestellt
abe, haben wir über die Einkünfte angestellter Künstle-
innen und Künstler keine Kenntnisse. Eine Ausweisung
on befristet oder unbefristet beschäftigten Künstlern
indet in der Statistik nicht statt. Deshalb wissen wir
ichts über das Verhältnis von kunstbezogenen zu nicht
unstbezogenen Einkünften am Gesamteinkommen.
ntsprechend fehlen uns Erkenntnisse über die Auswir-
ung von Veränderungen im Steuerrecht auf Kultur-
chaffende.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das ist eine Menge Holz!)


ufgrund der vorliegenden Daten lässt sich der Anteil
es Kunstmarktes am Bruttosozialprodukt in Deutsch-
and nicht berechnen. Die Einkünfte von Kunstverwer-
ern sind nicht bekannt.
Ich könnte die Reihe fortsetzen, Nur – jetzt müssen

ie zuhören, Herr Otto –, wenn Sie ganz ehrlich sind,
ind diese Erkenntnisse nicht das Ergebnis der Großen
nfrage, die uns vorliegt. Denn das – wenn auch zu Ihrer
erwunderung, Herr Otto – wussten wir eigentlich schon
orher.


(Beifall der SPD)

o ist es kein Wunder, dass die Antwort auf diese Große
nfrage äußerst unbefriedigend ausfällt. Ebendiese Situ-
tion – daran möchte ich alle Kollegen erinnern – hat
ns ja dazu gebracht, eine Enquete-Kommission zu for-
ern, die hier Abhilfe schafft. Während wir uns aber mit
ufgabenstellungen, Fragen und Zielvorstellungen der
ommission beschäftigten, stellten Sie von der Opposi-
ion eine Große Anfrage, obwohl von vornherein klar
ein musste, dass die Antwort in vielen Teilen dünn aus-
allen würde. Man hat das Gefühl, die Opposition meint,
ass sich, wenn man nach einer Sache, von der man
eiß, dass sie nicht beantwortet werden kann, nur oft ge-
ug fragt, die Antwort von selber einstellt. Anders ist
ir der Zweck der Anfrage nicht erklärbar.
Anlässlich des Versuches der Opposition, die Bundes-

egierung mit dünnen Ergebnissen vorzuführen,

(Jörg Tauss [SPD]: Das gelingt ohnehin nicht!)

öchte ich eines klarstellen: Das wird Ihnen nicht gelin-
en. Denn ich muss Sie daran erinnern – möglicherweise
at Ihr Gedächtnis in dieser Frage etwas nachgelassen –,
ass es vor allem die Kohl-Regierung war, die eine bes-
ere statistische Erhebung für den Kunst- und Kultur-
ereich verhindert hat.


(Jörg Tauss [SPD]: Aha!)

ch erinnere in diesem Zusammenhang an die Tatsache,
ass eine bessere Erhebung von Daten im kulturellen






(A) )



(B) )


Angelika Krüger-Leißner

Bereich 1994 und 1998 von der damaligen Bundesregie-
rung unter dem Stichwort „Schlanker Staat“ abgelehnt
wurde.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Frau Kollegin, diese Regierung ist seit fünf Jahren am Ruder; da kann man schon einmal etwas machen! – Renate Blank [CDU/CSU]: Ihr habt doch versprochen, etwas zu tun!)


– Sie müssen zuhören. Sie können sich nämlich nicht da-
ran erinnern.

Hinzu kommt die Tatsache, dass eine Erhebung auf
Bundesebene nicht durchgeführt wurde, weil die Kultur-
kompetenz nun einmal bei den Ländern liegt. Wir sind
daher auf die Unterstützung der Länder angewiesen,
wenn wir mehr wissen wollen. Ich erinnere an unsere
Diskussion in den letzten Wochen. Wir haben uns bei ei-
nem öffentlichen Expertengespräch zur Kulturstatistik
im Rahmen der Enquete-Kommission darüber unterhal-
ten, wie wir zukünftig mit Kulturstatistik umgehen wol-
len, welche Daten wir brauchen und auf welche vorhan-
denen Ressourcen wir zurückgreifen können.

Große Anfragen helfen uns kein Stück weiter. Was
wir brauchen, ist eine gemeinsam mit den Ländern und
den Verbänden abgestimmte Linie, der wir dann auch
folgen – und das als Ergebnis der Arbeit der Enquete-
Kommission.

Frau Blank hat es nebenbei erwähnt, aber ich denke,
es ist eine Bemerkung von mir wert: Ihre Anfrage ist,
finde ich, nicht sehr sorgsam ausgearbeitet.


(Günter Nooke [CDU/CSU]: Sie ärgern sich doch nur, dass Sie sie nicht gestellt haben!)


– Quatsch! Offensichtlich entstand die Anfrage unter ei-
nem wahnsinnigen Zeitdruck. Ich kann mir jedenfalls
nicht erklären, aus welchem Grund Sie den Bereich
Wort, der ja zweifellos zu Kunst und Kultur gehört, aus-
gespart haben. Wenn man schon eine Anfrage stellt, die
unsere Arbeit weiterbringen soll, dann sollte das wenigs-
tens sorgfältig geschehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Eines wird in der heutigen Debatte deutlich – ich bin

Christina Weiss für Ihre Ausführungen sehr dankbar – :
Diese Bundesregierung hat den Stellenwert der Kultur
auf Bundesebene in den letzten Jahren deutlich aufge-
wertet.


(Beifall bei der SPD)

Gerade die Reform der Künstlersozialkasse ist hierfür
beispielhaft. Wir haben eine langfristige Absicherung
geschaffen mit Verbesserungen, die dringend erforder-
lich waren, besonders für ältere Künstlerinnen und
Künstler. Das sind wichtige Rahmenbedingungen für
heute Selbstständige in Kunst, Kultur und Publizistik.
Wir haben die Kulturverträglichkeitsprüfung einge-
führt. Jeder Gesetzentwurf wird nun von der Kultur-
staatsministerin daraufhin überprüft, ob er nachteilig für
den Kulturbereich sein kann.

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(C (D (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Was ist denn nun mit der Kulturverträglichkeit?)


Wir wollen damit verhindern, dass Gesetze verab-
chiedet werden, mit denen die soziale Lage der Künst-
erinnen und Künstler verschlechtert würde. Aber – wir
erken es heute wieder – die Opposition hat das offen-
ichtlich bisher noch nicht zur Kenntnis genommen.
Lassen Sie mich noch an die Ausführungen von Antje

ollmer anknüpfen und einige Worte zum Forschungs-
orhaben „Ermittlung des Selbstvermarktungsanteils
n der Künstlersozialversicherung“ sagen. Ich finde es
anz wichtig, dass wir uns dazu auch hier äußern. Aus
einer Sicht dürfte dieses Forschungsvorhaben nicht
ehr nötig sein. Es ist mir überhaupt ein Rätsel, warum
er Rechnungsprüfungsausschuss darauf besteht.


(Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Richtig!)

ir haben mit der Novelle 2001 beschlossen, dass wir
en Bundeszuschuss auf 20 Prozent festschreiben, um
lanungssicherheit zu schaffen. Das ist eine verlässliche
röße. Wir haben eine Verbindung mit dem Selbstver-
arktungsanteil nicht zwingend festgelegt. Daher wäre
uf die Durchführung der Studie aus meiner Sicht ganz
infach zu verzichten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In diesem Zusammenhang müssen wir uns die letzten
ntwicklungen bei der Künstlersozialversicherung an-
chauen. Ich glaube, wir müssen uns – gerade auch in
er Enquete-Kommission – große Gedanken um die
ukunft dieser Versicherung machen. Abgrenzungspro-
leme bei neuen Berufen, zwischen abhängig Beschäftigten
nd Selbstständigen, gezwungene Unternehmungsgrün-
ungen von Künstlern und vor allen Dingen die Ent-
icklung der Wirtschaft zwingen uns unter Umständen,
ie Situation zu überdenken. Wir müssen die Frage klä-
en, ob angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung die
ünstlersozialversicherung zukunftssicher ist und was
ir gegebenenfalls verbessern müssen.
Wir wissen außerdem, dass die Rentenversicherung

er wunde Punkt der Künstlersozialversicherung ist; da
rzählt uns Herr Otto nichts Neues. Bei den niedrigen
eiträgen aufgrund niedriger Einkommen sind auch
iedrige Renten die Folge. Gerade hier muss die En-
uete-Kommission alternative Wege für eine zusätzli-
her Absicherung aufzeigen.
Zusammenfassend muss die genaue Bestandsauf-

ahme der Situation des gesamten Kulturbetriebes in
eutschland das Ziel unserer weiteren Arbeit sein. Die
nfrage der Opposition ist nichts Weiteres als eine Steil-
orlage für die Arbeit der Enquete-Kommission.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Günter Nooke [CDU/CSU]: Wollen Sie nun Tore schießen oder nicht?)


ir müssen Erkenntnisse gewinnen, aus denen wir
andlungsempfehlungen für die Politik auf allen Ebenen
ntwickeln; denn wir alle sind daran interessiert, unseren
ünstlerinnen und Künstlern ein gutes und gesichertes






(A) )



(B) )


Angelika Krüger-Leißner

Umfeld zu schaffen. Das ist nur zu einem Teil Sozialpo-
litik; es ist zum Teil auch Wirtschaftspolitik, die wir ge-
meinsam mit den Ländern gestalten müssen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509122400

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Angelika Krüger-Leißner (SPD):
Rede ID: ID1509122500

Darf ich noch einen Satz sagen?

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509122600

Noch einen Satz.

(Horst Kubatschka [SPD]: Aber einen langen!)



Angelika Krüger-Leißner (SPD):
Rede ID: ID1509122700

Sie merken, dass die Erwartungen an die Enquete-

Kommission unheimlich groß sind. Sie können aber si-
cher sein, dass unsere Staatsministerin ganz auf unserer
Seite ist und uns in dieser Arbeit unterstützen wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509122800

Das Wort hat der Kollege Heinrich-Wilhelm Ronsöhr,

CDU/CSU-Fraktion.

Heinrich-Wilhelm Ronsöhr (CDU):
Rede ID: ID1509122900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Frau Krüger-Leißner, gerade wir Mitglieder des
Kulturausschusses sollten hier doch nicht Weisheiten,
die schon lange in unserem Volke und auch in anderen
Völkern gewachsen sind, infrage stellen. Eine Volks-
weisheit sagt: Es gibt keine dummen Fragen, es gibt
höchstens dumme Antworten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Hier wird so getan, als wenn das umgekehrt gesagt wer-
den könnte.


(Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es gibt Fragen zum falschen Zeitpunkt!)


– Frau Vollmer, ich komme gleich zu Ihnen.
Sie sagten in dieser Debatte – und ich fand das

richtig –, dass die Situation, in der sich Künstlerinnen
und Künstler befinden, häufig verklärt wird. Gerade
wenn sie häufig verklärt wird, wäre es doch richtig, sehr
viel konkretes Datenmaterial über Künstlerinnen und
Künstler zu sammeln und über dieses Datenmaterial zu
verfügen. Ich weiß gar nicht, inwieweit das der Arbeit
der Enquete-Kommission widersprechen würde. Ich
glaube vielmehr, dass die Arbeit der Enquete-Kommis-
sion auf diesem Datenmaterial fußen könnte und dass
man daraus entsprechende Rückschlüsse ableiten
könnte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Nun wird hier von Rot-Grün – das ist ja Ihr Rück-

zugsgefecht – immer viel von der Kulturverträglichkeits-

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(C (D rüfung gesprochen. Sie mag ja richtig sein. Wir wollen ber auch wissen, wie erträglich die Kultur, der Kunstberieb für die Künstlerinnen und Künstler in Deutschland st. (Ute Kumpf [SPD]: Das wollen wir auch wissen!)


as ist auch eine wichtige Frage. Deshalb hätte man für
ufklärung über das sorgen müssen, was die Bundesre-
ierung hier nicht gesagt hat, wobei man gar nicht sagen
ann, dass sie überhaupt etwas gesagt hat. – Sie sehen,
eine Krücken fallen schon um.


(Abg. Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP] hebt die Krücken wieder auf)


Herr Otto ist sehr bemüht, wie wir sehen.

(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Ich rette Sie!)

Herr Otto, Sie wissen, Deutschland geht an Krücken.
eswegen tue ich es auch.
Es wäre jetzt ungemein wichtig, daraus ein Stück Be-

timmung abzuleiten. Wir haben aber nur eine konkrete
ntwort erhalten: Die soziale Situation der Künstlerin-
en und Künstler wird durch das Einkommen bestimmt.
as ist schlecht genug.
Nun kann man sagen, dass wir vorher auch nicht über
atenmaterial verfügt haben. Ich sage hier ganz deut-
ich: Ich finde, es hat sich gelohnt, dass wir für diesen
ereich einen Staatsminister bzw. eine Staatsministerin
ekommen haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe gar nichts dagegen, dass Sie klatschen. – Da
ir diese Institution jetzt schon einmal haben, hielte ich
s für selbstverständlich, dass man über die Situation der
ünstlerinnen und Künstler in Deutschland auch etwas
rfährt und dass man in einem solchen Hause über das
ntsprechende Informationsmaterial verfügt.
Nun könnte man es einem Staatsminister ja noch zu-

estehen, ein halbes Jahr nachdem das Staatsministe-
ium geschaffen worden ist, zu erklären, er habe keine
nformationen. Nach fünf Jahren müsste es der Staatsmi-
isterin aber gelingen, die entsprechenden Informatio-
en hier zu präsentieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)

ch finde, es ist ein Armutszeugnis für die Bundesregie-
ung, dass sie so geantwortet hat, wie sie es getan hat.
ch rede in diesem Zusammenhang gar nicht von den
oalitionsfraktionen, weil es nicht ihre Aufgabe ist, die-
es Datenmaterial herbeizuschaffen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

rau Connemann, Herr Otto und Frau Blank haben ent-
prechende Beispiele gebracht. Frau Krüger-Leißner, Sie
elbst sind darauf eingegangen und haben versucht, das
m Nachhinein zu kaschieren.






(A) )



(B) )


Heinrich-Wilhelm Ronsöhr

Bezogen auf die Künstlerinnen und Künstler in

Deutschland sage ich: Ihr Stellenwert für unsere Nation
wird nicht richtig erfasst, wenn man über kein entspre-
chendes Datenmaterial verfügt. Frau Weiss Sie haben ar-
gumentiert, es gehe doch um Freiräume. Natürlich geht
es um Freiräume. Der Mensch überschreitet ständig
Grenzen. Ich bin den Künstlerinnen und Künstlern dank-
bar, dass sie diese Grenzen ausloten und sie nicht in der
Weise überschreiten, wie es andere in der Geschichte der
Menschheit getan haben. Das ist etwas Wertvolles.

Wir haben nach der sozialen und wirtschaftlichen
Stellung der Künstlerinnen und Künstler gefragt. Es ist
wichtig, das zu erfahren. Gerade dann, wenn man Frei-
räume wahrnehmen muss, ist es wichtig, wie man wirt-
schaftlich in diesen Freiräumen gestellt ist. Insofern
kann ich nur sagen: Es müsste jetzt schnellstens gelingen
– dabei kann man sich nicht alleine auf die Enquete-
Kommission verlassen –, über dieses Datenmaterial zu
verfügen, damit wir alle gemeinsam – ich sage das für
das ganze Haus – die richtige Politik für die Künstlerin-
nen und Künstler und ihre soziale und wirtschaftliche
Stellung betreiben können.

Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509123000

Die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch hat ihre Rede zu

Protokoll gegeben.1)
Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 9 a bis 9 d auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

richts des Ausschusses für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss)

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Tierschutzbericht 2003
Bericht über den Stand der Entwicklung des
Tierschutzes
– Drucksachen 15/723, 15/2231 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Wilhelm Priesmeier
Peter Bleser
Ulrike Höfken
Hans-Michael Goldmann

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Gitta
Connemann, Peter H. Carstensen (Nordstrand),
Albert Deß, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU
Wirksamere Tierseuchenbekämpfung ermög-
lichen
– Drucksachen 15/1210, 15/2233 –

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1) Anlage 2

(C (D Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Wilhelm Priesmeier Gitta Connemann Ulrike Höfken Hans-Michael Goldmann c)

Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des
Arzneimittelgesetzes
– Drucksache 15/1494 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft (f)

Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan,
Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP
Praxisgerechte Novelle des Tierarzneimittelge-
setzes verbessert Tier- und Verbraucherschutz
– Drucksache 15/1596 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
öre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
ilhelm Priesmeier, SPD-Fraktion.

Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Rede ID: ID1509123100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ie Tierhaltung in Europa und in Deutschland steht auf
em Prüfstand, und zwar nicht erst seit BSE oder ande-
en Krisen in diesem Bereich. Innerhalb einer breiten
ffentlichkeit wird heute die Haltung von Nutztieren in-
ensiv diskutiert. Wenn man allein die Mitgliederzahl des
eutschen Tierschutzbundes von etwa 800 000 und das
ngagement in diesem Bereich sieht und die Diskussio-
en zum Tierschutz verfolgt, dann zeigt sich, welch
roße Relevanz und nachhaltige Auswirkungen diese
iskussion auf das politische Handeln hat.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass gerade die
eredelungsproduktion beim Verbraucher und beim ge-
einen Bürger in besonderer Weise latente negative As-
oziationen hervorruft. Die Verbraucherinnen und Ver-
raucher verlangen zunehmend, dass die Produktion von
ebensmitteln tierischer Herkunft an Tierschutzstandards
usgerichtet wird. Die Forderung an uns Politiker ist in
iesem Zusammenhang, die entsprechenden Rahmenbe-
ingungen zu setzen, um einen umfassenden Tierschutz
uverlässig zu gewährleisten. Der Tierschutzbericht der
undesregierung, über den wir heute sprechen, macht
eutlich: Die Regierungskoalition kommt den berechtig-
n gesellschaftlichen Anforderungen nach und wird ihrer
erpflichtung in diesem Zusammenhang gerecht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Dr. Wilhelm Priesmeier

Anstatt wie die Opposition immer nur die Umsetzung

längst überholter Standards zu fordern, haben wir die
Vorreiterrolle übernommen und wesentliche Entwick-
lungen initiiert und vorangetrieben. Die Neuordnung der
Agrarpolitik und nicht zuletzt der zusätzliche Hand-
lungsspielraum, den wir mit der Umsetzung der Luxem-
burger Beschlüsse gewonnen haben, wird von uns beim
Tierschutz konsequent genutzt werden, und zwar – wie
kann es anders sein – zusammen mit den Ländern, um so
eine größtmögliche Übereinstimmung zu erzielen.

Die Zukunft wird es bringen, dass Prämienzahlun-
gen an Tierschutzstandards gebunden werden. Das
macht deutlich, dass hier berechtigte Forderungen der
Gesellschaft zum Zuge kommen; denn diese Prämien-
zahlungen müssen vor der Gesellschaft gerechtfertigt
werden. Neben ökologischen Nachhaltigkeitsstandards
ist der Tierschutz selbstverständlich ein besonderer Stan-
dard, der einbezogen werden muss. Wir behalten dabei
aber auch die Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirte
im Auge; denn nur wettbewerbsfähige Betriebe mit ent-
sprechenden Gewinnen im Wirtschaftsjahr sind in der
Lage, unter Umständen die eine oder andere zusätzliche
Forderung bei den Tierschutzstandards zu finanzieren.


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Da habt ihr in der letzten Zeit ganze Arbeit geleistet!)


– Ich glaube nicht, dass wir für bestimmte Wetterer-
scheinungen im letzten Jahr verantwortlich sind.


(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das weiß man nicht!)


Wenn wir einen guten Draht nach oben hätten, dann hät-
ten wir ihn zu passender Zeit sicher schon genutzt. Das
ist aber wohl nicht der Fall.

Es gilt, die zu setzenden Standards im Rahmen von
Globalisierungsprozessen nicht nur auf der europäischen
Ebene, sondern auch auf der internationalen Ebene in
hohem Maße zu harmonisieren und voranzutreiben, so-
dass auch die nicht tarifären Belange im Rahmen der
WTO-Verhandlungen, die den Beschlüssen aus 2000 und
2001 der EU-Kommission entsprechen, zum Tragen
kommen. Als Beispiel für das Engagement der Bundes-
regierung erwähne ich die Konferenz der OIE in zwei
Wochen in Paris. Dort wird es das erste Mal darum gehen,
auf internationaler Ebene über Transportbedingungen,
aber auch über andere Bereiche der Tierschutzstandards
zu diskutieren, diese unter Umständen perspektivisch
festzuschreiben und letztendlich umzusetzen. Wir wol-
len gar nicht den Anschein erwecken, als sei in den ver-
gangenen Jahren bereits das Optimum erreicht worden.
Die heftigen Auseinandersetzungen über die Legehen-
nenhaltungsverordnung und über die Schweinehal-
tungsverordnung haben uns gezeigt, dass wir keines-
falls am Ende des Weges der Entwicklung des
Tierschutzes angekommen sind, sondern uns irgendwo
mittendrin befinden.

Wir werden weiterhin tragfähige Kompromisse mit
allen Beteiligten erarbeiten, mit Landwirten, Produzen-
ten, Verbraucherschutzorganisationen und Verbrauche-
rinnen und Verbrauchern. Eines muss klar sein: Nur ge-

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(C (D ellschaftlich akzeptierte Tierproduktion hat in dieser esellschaft langfristig eine Chance und Bestand. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])


Die Tierschutzpolitik reicht also weit darüber hinaus,
ur rechtliche Rahmenbedingungen zu setzen. Es ist un-
ere Aufgabe, einen öffentlichen Dialog zu moderieren
nd zu begleiten. Langfristige Perspektiven sind für die
ukunft gerade unserer intensiven Tierhaltung ganz
ntscheidend. Diese werden wir von der Regierungskoa-
ition gemeinsam mit Landwirten, unabhängigen Wis-
enschaftlern, Tierschutzverbänden und Verbraucher-
chutzorganisationen entwickeln. Uns sind die breite
kzeptanz und ein Höchstmaß an Transparenz sehr
ichtig.
Was weiß der Verbraucher, was weiß die Politik denn

arüber, wie die Tierproduktion konkret im einzelnen
etrieb vonstatten geht?


(Ursula Heinen [CDU/CSU]: Gar nichts!)

m Beispiel der Legehennen wird deutlich: Wir haben
etriebe mit Verlustraten von 20 Prozent bei bestimmten
altungsformen, ohne dass das im Augenblick nennens-
erte Konsequenzen hätte. Aus diesem Grunde fordere
ch als Tierschutzbeauftragter meiner Fraktion eine Mel-
epflicht für Legehennenbetriebe mit einer Mortalitäts-
ate jenseits von 15 Prozent. Bei anderen Haltungsformen
nd Masthaltungsformen im Bereich der Putenhaltung
üsste man Ähnliches überlegen, um einmal die konkre-
en Daten zu bekommen, damit man sich nicht auf das
erlassen muss, was durch Studien erhoben werden
uss, die dann von irgendwelchen Seiten wieder infrage
estellt werden.
Legehennen sind nicht die einzigen Tiere, die in seri-

nmäßig hergestellten Systemen gehalten werden. Das
ilt fast für alle Nutztiere. In meinen Augen ist derzeit
en Haltungssystemen und ihrer Entwicklung eine viel
rößere Bedeutung zuzumessen, als das bisher der Fall
ewesen ist. Die Diskussion über die Legehennenhal-
ungsverordnung und die Schweinehaltungsverordnung
chafft Rahmenbedingungen. Es ist aber viel wichtiger,
erade diesen Bereich wissenschaftlich zu bearbeiten
nd einen – das mag man so nennen – Tierschutz-TÜV
u installieren, der dafür sorgt, dass die in Serie herge-
tellten, neu entwickelten oder eingesetzten Haltungs-
ysteme einem einheitlichen Prüfungs- und Zulassungs-
erfahren unterzogen werden. Ich betone: Sie müssen
iesem unterzogen werden. Eine solche obligatorische
ulassung und Zertifizierung wäre für uns unter Tier-
chutzaspekten ein großer Fortschritt.


(Beifall bei der SPD)

13 des Tierschutzgesetzes gibt dazu die Grundlage.
as Bundesministerium hat gehandelt. Bei der KTBL
nd der FAL sind bereits entsprechende Kommissionen
ingesetzt worden, um die Grundlagen zu erarbeiten.
Wir sind uns mit dem Präsidenten des Deutschen Tier-

chutzbundes, Wolfgang Apel, einig, dass die Haupt-
rsache vieler Tierschutzprobleme in unzureichenden






(A) )



(B) )


Dr. Wilhelm Priesmeier

Haltungssystemen liegt und diese unter Berück-
sichtigung der entsprechenden wissenschaftlichen For-
schungen auch im Rahmen der Prüfungs- und Zulas-
sungsverfahren den Bedürfnissen der Tiere anzupassen
sind. Da gehen wir mit den Forderungen des Deutschen
Tierschutzbundes Hand in Hand.

Ich glaube, dass gerade die Signale, die in den letzten
Wochen und Monaten aus Niedersachsen und Mecklen-
burg-Vorpommern zu vernehmen waren – ein entspre-
chender Antrag liegt vor –, uns in dieser Richtung be-
stärken. Mit großer Freude habe ich heute einer
Pressemitteilung des Kollegen Bleser entnommen, dass
auch er schon auf den fahrenden Zug gesprungen ist und
kräftig mithelfen will, das umzusetzen.


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Wer ist zuerst gesprungen? – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das ist besser, als sich davor zu schmeißen!)


Wir müssen auch dafür sorgen, dass wir in der landwirt-
schaftlichen Produktion zu mehr Information und Trans-
parenz kommen. Die Bürgerinnen und Bürger in unse-
rem Lande wollen informiert werden. Bislang wird die
Tierhaltung häufig danach beurteilt, wie man selbst
Tiere zu Hause hält. Das ist im Regelfall nicht die
Nutztierperspektive, sondern die Kuscheltierperspektive.
Insofern sind weitere Informationen dringend notwen-
dig.

Dass ein entsprechendes Interesse vorhanden ist, hat
der Erlebnisbauernhof auf der Grünen Woche gezeigt.
Auch auf dem Schulbauernhof in meinem Wahlkreis
– dafür sammele ich Spenden – ist erkennbar, mit wel-
cher Begeisterung gerade Kinder alle Informationen auf-
nehmen, die ihnen geboten werden. Dadurch werden die
Kinder letztendlich zu bewussten Verbraucherinnen und
Verbrauchern, die unter Umständen bereit sind, höhere
Preise für höhere Standards zu bezahlen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509123200

Das Wort hat der Kollege Peter Bleser, CDU/CSU-

Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1509123300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die

Deutschen sind tierlieb. Nicht umsonst haben wir in
Deutschland eines der strengsten und ältesten Tier-
schutzgesetze der Welt. Insofern ist es umso verwerfli-
cher, dass diese Bundesregierung und insbesondere die
Grünen die Tierliebe zur Mobilisierung ihrer Wähler-
schaft missbrauchen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? – Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind das Volk!)


Gerade in diesem Bereich – das lässt sich leicht bele-
gen – liegen Anspruch und Wirklichkeit Lichtjahre aus-

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(C (D inander. Das belegt nicht zuletzt Ihr eigener Tierschutzericht aus dem Jahr 2003, der aufzeigt, dass die Zahl er Tierversuche 2002 auf 2 Millionen angestiegen ist. ch erinnere daran, dass es 1997 nur 1,5 Millionen Tierersuche gab, nachdem diese Zahl über viele Jahre hineg ständig gesunken ist. Insofern ist eine Steigerung on 31 Prozent zu verzeichnen. Noch viel schlimmer ist, dass die Zahl der Tiertötun en zu Versuchszwecken um 67 Prozent angestiegen ist. as ist die leider nicht sehr schöne Wahrheit über die ierschutzpolitik dieser Bundesregierung. Mit der Hennenhaltungsverordnung und den damit erbundenen Kostenerhöhungen hat die Bundesregieung die Eierproduktion fast aus Deutschland hinausgerieben. Der Trend ist ungebrochen. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was hat das mit Tierliebe zu tun?)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie werden gleich erfahren, was das mit Tierliebe zu
un hat. Wenn Sie sich die Bilder aus Südostasien in Er-
nnerung rufen, die Sie in den vergangenen Tagen im
ernsehen gesehen haben, und an die Umstände denken,
nter denen die Tiere dort dahinvegetieren müssen, dann
ommt Ihnen der Ekel hoch.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was hat das mit Deutschland zu tun!)


Mit der Vertreibung der Eierproduktion aus
eutschland wird der Tierschutz nicht erweitert, sondern
erringert. Denn die Eierproduktion erfolgt in anderen
ändern in ähnlichen Stallanlagen wie in Südostasien.


(Beifall bei der CDU/CSU)

eshalb meine ich, dass wir in der Frage des Tierschut-
es – insbesondere in landwirtschaftlichen Betrieben –
hne eine Versachlichung der Diskussion nicht weiter-
ommen.


(Matthias Weisheit [SPD]: Dann fang mal an, Peter!)


s hat mich deshalb gefreut, dass der Deutsche Tier-
chutzbund mit Präsident Apel, die Schweisfurth-Stif-
ung, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und
er BUND eine Initiative unter dem Titel „Allianz für
iere in der Landwirtschaft“ gestartet haben. Dass diese
rganisationen eine wissenschaftliche Bewertung von
usstallungssystemen verlangen, ist eine Ohrfeige für
ie Bundesregierung, die ihre Entscheidung in dieser
rage eher aus einem ideologischen Blickwinkel getrof-
en und damit auch danebengelegen hat.
In der „Allianz für Tiere in der Landwirtschaft“ wird

on den sie tragenden Verbänden die Schaffung von
wei Behörden – einer Prüfungs- und einer Zulassungs-
ehörde – gefordert. Das allerdings lehne ich entschie-
en ab,


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Das lehnen wir auch ab!)







(A) )



(B) )


Peter Bleser

und zwar deswegen, weil wir schon 1998 die DLG mit-
beauftragt haben, bei der Prüfung von Stallanlagen
auch die Tiergerechtheit zu prüfen. Dem Ministerium ist
zugute zu halten, dass seit September vergangenen Jah-
res bei der KTBL und bei der Bundesforschungsanstalt
für Tierschutz und Tierhaltung in Celle ein Modellpro-
jekt in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt
läuft,


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

in dem die Bewertung von 100 Stallanlagen oder Hal-
tungssystemen vorgenommen werden soll. Mich wun-
dert nur, dass die Bundesregierung die Bewertung nicht
abwartet, bevor sie – gerade in der Hennenhaltung –
endgültige Entscheidungen trifft.

Deshalb fordere ich als Tierschutzbeauftragter der
CDU/CSU, das Instrument der Prüfung von neuen, in
Serie hergestellten Tierhaltungssystemen für die Weiter-
entwicklung des Tierschutzes und zur Versachlichung
der Diskussion in Deutschland zu nutzen. Ich schlage
deshalb vor, dass man tiergerechten Haltungssystemen
einen Grünen Engel verleiht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Verleihung ist allerdings an acht verschiedene Be-
dingungen geknüpft. Erstens. Ein solcher Grüner Engel
sollte durch eine Bewertungskommission für Tierhal-
tungssysteme möglichst auf europäischer Ebene verlie-
hen werden. Solange dies auf Europaebene nicht mach-
bar ist, sollte das Vorhaben im Rahmen der Umsetzung
von EU-Richtlinien in nationales Recht realisiert wer-
den. Zweitens. Die Bewertungskommission sollte – das
ist wichtig – mit Wissenschaftlern, Ethologen, Tiermedi-
zinern sowie Tierhaltern, Ingenieuren und Vertretern von
Tierschutzverbänden ausgewogen besetzt sein. Drittens.
Die vorhandenen Einrichtungen sind zur Durchführung
von Prüfungs- und Testverfahren zu nutzen. Viertens.
Für die Landwirtschaft und die Hersteller von Tierhal-
tungssystemen müssen die Prüfungen kostenlos sein;
denn sonst gehen Standortvorteile verloren. Fünftens.
Forschung und Weiterentwicklung dürfen nicht behin-
dert werden. Sechstens. Auch serienmäßig hergestellte
Einrichtungen für Haus- und Freizeittiere – diesen Punkt
müssen wir ebenfalls den Tierschutzvereinen näher brin-
gen – sollten einer solchen Prüfung unterzogen werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Siebtens. Die ökonomischen Aspekte müssen natürlich
hierbei Beachtung finden. Achtens. Die Bewertungser-
gebnisse sollten der Politikberatung und der Konsensfin-
dung in der Gesellschaft dienen. Fazit: Der Grüne Engel
könnte für die Verbraucher ein einprägsames Markenzei-
chen für das Erkennen tiergerechter Lebensmittelpro-
duktion sein.

Ich komme zum Schluss und fasse zusammen: Die
Regierung hat auch in den Fragen des Tierschutzes ihre
Glaubwürdigkeit verloren. Die Zahl der Tierversuche
nimmt zu. Der Regierung wird die Bewertung von Nutz-
tierhaltungssystemen sogar von den Tierschutzverbän-
den vorgeschlagen und damit auch Untätigkeit unter-

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(C (D tellt. Letztlich schaden wirklichkeitsfremde Ideologien. issen, Erfahrung und die Bereitschaft, die Bedingunen des Marktes ins Kalkül einzubeziehen, nutzen allen: en Menschen und den Tieren. Herzlichen Dank. Das Wort hat die Kollegin Ulrike Höfken, Bünd is 90/Die Grünen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenigstens in ei em Punkt ist die CDU/CSU auf dem richtigen Weg. Ihr allen Grüne Engel ein! Das finde ich gut. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509123400
Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509123500

ber damit hat es sich schon. Beim Wort „Tierschutz“
allen einem momentan ganz andere Dinge ein, nämlich
ie schon beschriebenen Bilder von der Geflügelpest in
sien. Daran sieht man, wie gut es ist, dass die Bundes-
egierung und insbesondere die Bundesministerin Frau
ünast eine entschiedene Position eingenommen haben
nd bei den WTO-Verhandlungen darauf gedrungen ha-
en, die Anforderungen an den Tierschutz und an Hy-
iene in diesem Bereich nicht als nicht tarifäre Handels-
emmnisse abzutun, und darauf hingewiesen haben, dass
s wichtig ist, entsprechende Standards international zu
erankern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Alle zwei Jahre zieht die Bundesregierung Bilanz.
er Tierschutzbericht 2003 macht deutlich, dass die rot-
rüne Regierung enorme Fortschritte im Bereich des
ierschutzes erzielen konnte. Es ist mit den Stimmen al-
er Fraktionen im Juli 2002 endlich gelungen, eine
rundgesetzänderung vorzunehmen. Tierschutz ist
eitdem als Staatsziel verankert. Das ist ein Meilenstein
ür den Tierschutz. Mit der neuen Legehennenhaltungs-
erordnung ist außerdem die tierquälerische Haltung von
egehennen vom 1. Januar 2007 an verboten. Daran än-
ert im Übrigen auch der Bundesratsbeschluss vom No-
ember letzten Jahres nichts, der durch maßgebliche
obbyaktivität der Geflügelindustrie zustande kam.
ierschutzargumente sind ja schön und gut, aber in die-
em Zusammenhang ziemlich heuchlerisch, wenn man
edenkt, dass schon über 30 Millionen Euro zur Förde-
ung besserer Tierhaltungssysteme eingestellt waren,
iese Mittel allerdings nicht abgerufen worden sind. Wir
aben nichts gegen die Verbesserung von Haltungssyste-
en. Aber sie muss auf legale Weise, also im Rahmen
er bestehenden Gesetze geschehen. Die Unterstützung
on Boden- und Freilandhaltung ist also durchaus er-
ünscht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)







(A) )



(B) )


Ulrike Höfken

Deutschland will weiter Vorreiter im Tierschutz sein.

Dafür steht im Übrigen unsere grüne Fraktion im Euro-
paparlament.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Auch die SPD-Fraktion!)


Es wird jetzt eine neue europäische Transportricht-
linie vorgelegt. Das ist positiv. Wir plädieren aber wei-
terhin für eine Begrenzung der Transportzeiten auf ma-
ximal acht Stunden – es darf da keinen Turnus geben –,
weitere Verbesserungen bei den Transportbedingungen
und verschärfte Kontrolle.

Eine weitere Aufgabe – da gebe ich dem Kollegen
Bleser Recht – ist die Minimierung der Zahl der Tierver-
suche.

Wir haben zum REACH-System, also zur Chemika-
lienrichtlinie, hier entsprechende Anträge formuliert,


(Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben entsprechende Anträge formuliert!)


in denen deutlich wird, dass das deutsche Chemikalien-
gesetz zum Vorbild genommen und auch europäisch ver-
ankert werden sollte.

Wir werden weiterhin dafür kämpfen, dass die Nutz-
tierhaltung in Deutschland noch verbessert wird.
Schweine, Hähnchen, Puten, Pelztiere und Kaninchen
sind in der Diskussion. Wer zukünftig auf den Märkten
bestehen will, muss jetzt in moderne und tiergerechte
Haltungssysteme investieren. Deswegen appellieren
wir auch an die Länder, sich nicht länger zum Handlan-
ger industrieller Lobbyisten zu machen, die für ihre im
Ausland erzeugten Eier aus Käfighaltung – das steckt
doch hauptsächlich dahinter – Akzeptanz erhalten wol-
len.

Verbraucher und Verbraucherinnen entscheiden. Die
Tierschutzverbände sagen gerade in einer neuen Aktion:
Drei ist Quälerei. – Das bezieht sich auf die neuen Kenn-
zeichnungsmöglichkeiten bei der Eierproduktion. Ich
wende mich an die Verbraucher und Verbraucherinnen:
Tun Sie das Ihre dazu! Nehmen Sie die Fastenzeit und
Ostern zum Anlass, keine Eier aus Käfighaltung, auch
nicht verarbeitet in anderen Produkten, zu kaufen!

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509123600

Das Wort hat der Kollege Hans-Michael Goldmann,

FDP-Fraktion.

Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1509123700

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Alle zwei Jahre – jetzt immerhin zum
achten Mal, lieber Matthias Weisheit; das ist also keine
Erfindung von Rot-Grün; das gibt es schon länger – be-
steht die Notwendigkeit, über einen Tierschutzbericht zu
diskutieren. Ich freue mich darüber, dass die Rahmenbe-
dingungen für den Tierschutz verbessert worden sind.
Natürlich freue ich mich besonders über die Passagen in

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(C (D iesem Bericht, in denen die Rolle der FDP besonders ewürdigt wird, ämlich dabei, den Tierschutz als Staatsziel im Grundgeetz zu verankern. (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was?)


ir waren dabei Motor. Es ist gut, wenn man für die
iere in bestimmten Bereichen solche Erfolge erzielt.
ir werden das fortsetzen. Es ist ganz klar: Wir müssen
och Verbesserungen der Haltungs- und Transportbedin-
ungen erreichen.
Sie haben sich sicherlich auch erschrocken, als Sie die

ahlen zu den Tierversuchen gesehen haben, die in den
apiteln XIV und XV genannt werden. Man muss da ge-
au hinschauen. Die Statistik ist auch ein bisschen geän-
ert worden. Aber im Grunde ist jedes Tier, das in die-
em Bereich eingesetzt wird, schon fast ein Tier zu viel.
ir werden uns sehr schnell darüber einigen können,
ass wir Alternativen zu den Tierversuchen entwickeln
üssen.
Ich habe mich natürlich auch gefreut, als ich die Aus-

ührungen zur EU-Agrarreform gelesen habe; denn un-
ere Kulturlandschaftsprämie ist genau das, was hier
ngesprochen wird.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU] und des Abg. Peter Bleser [CDU/CSU])


riterien, die Umweltschutz, Landschaftsschutz und
ierschutz bringen, sind in Ordnung.
Wir wollen das machen, was mein geschätzter Partei-

reund als Umweltminister in Niedersachsen im Um-
eltbereich macht. Wir wollen Tierschutzpolitik zum
utzen der Menschen und der Tiere betreiben.
Wir müssen aber auch vorsichtig sein. Herr Schmidt,
ir hatten eben schon einen Bereich am Wickel, in dem
ie Dinge sehr schnell kippen können.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was denn?)


as haben die Beispiele aus dem Bereich der Geflügel-
rippe oder Geflügelpest, die von den Kollegen genannt
urden, gezeigt. Wir alle, glaube ich, sind von den Bil-
ern erschüttert.


(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Das gilt zum Beispiel auch für Cross Compliance.
er in diesen Bereichen zu viel tut, wird eher dazu bei-

ragen, dass die Dinge nicht gelingen. Wenn man zu
ohe staatliche Hürden und zu viele staatliche Hinder-
isse aufbaut, dann reagiert leider der eine oder andere
n der Weise, dass er sie zu umgehen versucht.
Wir sollten die Dinge miteinander betreiben und ei-

en anspruchsvollen Tierschutz ausgestalten – das ist
berhaupt keine Frage –, aber die Verlagerung von Pro-
uktion, die Verlagerung von guter Nahrungsmittelher-






(A) )



(B) )


Hans-Michael Goldmann

stellung ins Ausland – da sind wir uns wohl auch wieder
einig – kann nicht Ziel unser Politik sein.


(Beifall bei der FDP)

Ich will ein paar Bereiche ansprechen, die mir auf-

fielen.
Tierschutzvereine leisten – ich finde das prima –

hervorragende Arbeit; das wurde auch im Bericht zum
Ausdruck gebracht. Wir haben vor kurzem ein Gespräch
mit einer europäischen Tier- und Naturschutzorganisa-
tion geführt. Es ist genau der richtige Weg, nicht nur die
nationale und die europäische, sondern auch die interna-
tionale Ebene zu beschreiten. Frau Künast setzt sich da-
für ein, dass in anderen Ländern bestimmte Tierquäle-
reien beseitigt werden. Dafür sind natürlich auch wir.
Unseren gemeinsamen Standpunkt haben wir auch bei
den Gesprächen in Cancun gemeinsam zum Ausdruck
gebracht.

Ein anderer Bereich hat mich amüsiert. Herr
Berninger, vielleicht denken Sie einmal darüber nach,
dass es um Öffentlichkeitsarbeit ging. In diesem Zusam-
menhang wurde zu Recht der Erlebnisbauernhof er-
wähnt. Sie haben unter www.freiheit-schmeckt-besser.de
eine Kampagne durchgeführt. Ich habe mir die Frage ge-
stellt, ob wir das eigentlich noch dürfen. Ich erinnere da-
ran, dass wir aufgrund der EU-Werbeverordnung nicht
mehr „Nimm 2“ und „Milch macht müde Männer mun-
ter“ sagen dürfen. Angesichts dessen bin ich ziemlich si-
cher, dass wir auch nicht mehr „Freiheit schmeckt bes-
ser“ sagen dürfen; denn die Verbindung zwischen
„Freiheit“ und „schmecken“ ist für den Konsumenten
nicht ganz einfach herzustellen.


(Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)

Wer die Latte so hoch legt, wie Sie, meine Damen und
Herren von Rot-Grün, es in diesem Bereich immer wie-
der tun, der darf nicht selbst darunter durchgehen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In diesem Punkt steuern Sie haarscharf an der Wirklich-
keit vorbei.

Lassen Sie mich noch etwas zu den Zirkustieren sa-
gen; denn sie liegen mir traditionell besonders am Her-
zen. Ich bin für Zirkuskultur; aber ich bin auch für Le-
benskultur von Zirkustieren. Ich finde es gut, dass eine
neue Leitlinie auf den Weg gebracht worden ist, die
Orientierungshilfen gibt. Das macht das Angebot kleiner
Zirkusse sicherlich schwieriger; aber wir müssen diesen
Weg gehen. Besonders gefreut habe ich mich über den
Abschnitt „Tiere im Sport/Doping“ im Tierschutzbe-
richt. Dort wird das besondere Engagement der Deut-
schen Reiterlichen Vereinigung – sie hat den Weg der
Selbstkontrolle beschritten – dargestellt. Das hat mir gut
gefallen. Es muss nämlich nicht immer alles von oben
bestimmt werden; vielmehr müssen wir auch diejenigen
stärken, die den Tierschutz von unten her ausgestalten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D as Erlassen von noch so vielen Gesetzen und Verordungen bringt nichts. Nebenbei gesagt: Das gilt genauso ür das Fangen von Fischen. Ich finde, es ist richtig, dass ie hervorragende Arbeit der vielen Vereine in diesem ereich gestärkt wird. Wir haben hier auch über das Tierarzneimittelgesetz u reden. Ich bin froh, dass wir alle heute Morgen wieder inmal an einem Tisch saßen. Wir hätten schon viel weier sein können, lieber Kollege Priesmeier und lieber ollege Ostendorff, wenn wir wirklich Ernst damit geacht hätten, den Tierschutzgedanken auch über das ierarzneimittelgesetz und über fachlich gute Tierärzte um Tragen kommen zu lassen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich schlage weiterhin vor: Lassen Sie uns in dieser
rage zusammenarbeiten! Lassen Sie uns eine gute Lö-
ung für die Landwirte, für die Tiere, für die Lebensmit-
elwirtschaft, aber auch für die in besonderer Weise in
iesem Bereich Tätigen, nämlich die Tierärzte, finden!
ute Tierärzte ärgern sich über schwarze Schafe in ih-
em Beruf mindestens so sehr wie gute Politiker über
chwarze Politikerinnen- und Politikerkollegen.


(Beifall bei der FDP – Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU – Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war eine Beleidigung für die Schafe und für die CDU gleichzeitig!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509123800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Gabriele Hiller-
hm, SPD-Fraktion.

Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1509123900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das

hema Tierversuche hat uns schon in der letzten Tier-
chutzdebatte im September beschäftigt. Wir sprechen
eute darüber und es wird uns auch noch in der Zukunft
erfolgen.
Die Statistik weist heute wieder mehr Tierversuche

ls noch 1997 aus – trotz inzwischen entwickelter Er-
atzmethoden. Sie, Herr Kollege Bleser von der CDU/
SU-Fraktion, machen die rot-grüne Bundesregierung
afür verantwortlich. In der letzten Debatte haben Sie in
iesem Zusammenhang Frau Ministerin Künast Schein-
eiligkeit vorgeworfen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Typisch!)


Jetzt wollen wir einmal sehen, Herr Kollege Bleser,
er hier tatsächlich scheinheilig ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

ie sieht es wirklich aus? Bei der Entwicklung neuer
edikamente setzt die Pharmaindustrie verstärkt gen-
anipulierte, so genannte transgene Tiere ein.


(Zuruf von der CDU/CSU: Genetisch verändert, nicht genmanipuliert!)







(A) )



(B) )


Gabriele Hiller-Ohm

Wir kennen den Begriff „Krebsmaus“. Diese Aktivitäten
haben die Zahl der Tierversuche wieder weiter nach
oben getrieben. Sie, Herr Bleser, wollen der Bundesre-
gierung doch wohl nicht allen Ernstes die verstärkte
Grundlagenforschung zum Vorwurf machen? Das wäre
doch geradezu aberwitzig und hätte mit seriöser Politik
nichts, aber auch rein gar nichts zu tun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter Bleser [CDU/CSU]: Lesen Sie einmal die Reden von Ihren Kolleginnen und Kollegen aus den 80er-Jahren!)


Wir dürfen die Forschung in Deutschland nicht behin-
dern, wir müssen aber gleichzeitig tierversuchsfreie Ver-
fahren voranbringen. Die Bundesregierung unterstützt
diese Forderung und ist in diesem Bereich aktiv. Ich
freue mich, meine Damen und Herren, dass es zum Bei-
spiel der Akademie für Tierschutz des Deutschen Tier-
schutzbundes gelungen ist, ein tierversuchsfreies Verfah-
ren zur Erkennung erbgutgeschädigter Stoffe in
Wasserproben zu entwickeln. Dieses Verfahren kann den
Einsatz von 80 000 Fischen im Jahr überflüssig machen.
Das ist der richtige Weg; den müssen wir weitergehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn man den Anstieg der Zahl der Tierversuche be-

klagt, darf man dabei allerdings nicht außer Acht lassen,
dass die Bundesregierung eine neue Meldestatistik für
Versuchstiere eingeführt hat. In der Zeit als Sie, meine
Damen und Herren von der CDU/CSU und von der FDP,
an der Regierung waren, sind viele Versuchstiere über-
haupt nicht statistisch erfasst worden; sie sind schlicht-
weg nicht mitgezählt worden.


(Matthias Weisheit [SPD]: Hört! Hört! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Wie heute bei den Arbeitslosen!)


Das ist ein weiterer Grund, warum heute höhere, aber
dafür auch genauere Tierversuchszahlen als zu Ihrer Zeit
vorliegen.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das stimmt nicht!)


Sich jetzt hier hinzustellen und der Bundesregierung
vorzuwerfen, dass die Zahl der Versuchstiere steigt, ist
scheinheilig, Herr Bleser.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Peter Bleser [CDU/CSU]: Das ist die Wahrheit!)


Wir stehen vor einer großen Herausforderung. Die
neue Chemikalienverordnung der EU ist mit dem
Thema Tierversuche eng verknüpft. Es gibt weit über
30 000 marktrelevante Altstoffe. Nur ein ganz kleiner
Bruchteil ist überhaupt abschließend bewertet worden;
nur zu einem ganz kleinen Bruchteil liegt eine abschlie-
ßend Risikobeurteilung vor. Die EU hat sich deshalb mit
der neuen Chemikalienverordnung zum Ziel gesetzt, die-
sen Missstand zu beseitigen und für mehr Sicherheit in
Europa zu sorgen. Mehr Sicherheit bedeutet aber auch,
dass mehr Tests notwendig werden. Mehr Tests ziehen
wiederum mehr Tierversuche nach sich. Das sieht auch
die EU; sie hat dieses Problem erkannt. Sie will deshalb

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(C (D anz verstärkt Prüfmethoden voranbringen und einseten, die ohne Tierversuche auskommen. Das ist der richige Weg. Die neue Chemikalienverordnung kann auch eine hance für die Tiere bieten: weg von den Tierversuchen, in zu Alternativmethoden, und zwar nicht nur auf natioaler Ebene, sondern europaweit. Wir unterstützen dieen Weg. Ich bin sehr gespannt, wie sich die CDU/CSU n dieser Frage verhalten wird. Mitunter habe ich den erdacht, dass Ihr Engagement für den Tierschutz geade an dieser Stelle nur vorgeschoben ist, um die Initiaive der EU insgesamt zu torpedieren und die chemische ndustrie von Kosten für das geplante Chemikalienmaagement freizuhalten. (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Das ist eine Unterstellung!)


ielleicht wollen Sie aber auch nur von fehlender Bereit-
chaft zu mehr Tierschutz in anderen Bereichen ablen-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Tiere werden ja nicht nur zu Forschungszwecken ver-

raucht. Alleine im Jahre 2002 wurden in Deutschland
0 Millionen Schweine, Rinder und Schafe geschlachtet.


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Das ist aber doch wohl ein Unterschied!)


inzu kamen 850 Millionen Kilogramm Geflügel, die
er Nahrungskette zugeführt wurden. Das, meine Damen
nd Herren, ist eine gigantische Zahl. Wir haben
,1 Millionen Tierversuche,


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Soll man die ausdehnen?)


ber weit über 50 Millionen geschlachtete Tiere pro Jahr.
ie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, sieht

hr Engagement im Nutztierbereich aus? Was tun Sie,
m die Haltungsbedingungen der Tiere in diesem Be-
eich zu verbessern?


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Grüner Engel!)

o zum Beispiel ist Ihr Engagement für die Legehen-
en? Die wollen Sie in Käfige wegsperren, eine drin-
end notwendige Schweinehaltungsverordnung torpe-
ieren Sie. Das ist die traurige Wahrheit; so sieht Ihre
olitik für den Tierschutz aus.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Jetzt werden Sie langsam persönlich!)


Die Hauptursache vieler Tierschutzprobleme liegt in
nzureichenden Haltungssystemen. Ich will Ihnen ein-
al ein Beispiel nennen, das wir hier überhaupt noch
icht diskutiert haben. Jährlich werden in Deutschland
0 Millionen Kaninchen verspeist. Die meisten dieser
astkaninchen fristen ihr Dasein bis zur Schlachtung in
iel zu kleinen Drahtkäfigen ohne festen Boden.


(Lachen der Abg. Gitta Connemann [CDU/ CSU])







(A) )



(B) )


Gabriele Hiller-Ohm

– Lachen Sie ruhig darüber, Frau Connemann. – Das
Platzangebot für ein Kaninchen beträgt – vielleicht wis-
sen Sie es ja gar nicht – weniger als die Größe eines
DIN-A4-Blattes; von artgerechter Haltung keine Spur.
Hier müssen und können wir etwas tun.


(Beifall der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Mein Kollege Wilhelm Priesmeier hat schon darauf
hingewiesen: Wir brauchen dringend einen Tierschutz-
TÜV, wir brauchen ein verbindliches Prüf- und Zulas-
sungsverfahren für Haltungseinrichtungen für alle land-
wirtschaftlichen Nutztierarten. Der Grüne Engel, den Sie
hier angeführt haben, wird uns da wenig weiterhelfen.


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Engel helfen immer!)


Machen Sie Ernst mit dem Tierschutz und unterstützen
Sie unser Anliegen! Millionen von Tieren werden es Ih-
nen danken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509124000

Das Wort hat die Kollegin Gitta Connemann, CDU/

CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1509124100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau

Hiller-Ohm, es war wirklich sehr erbaulich, Ihrer Rede
zuzuhören, wobei mir allerdings nicht ganz klar war, ob
Sie gegebenenfalls das Rednerpult mit einer Bütt ver-
wechselt haben.


(Zurufe von der SPD: Oh!)

Es war aber auf jeden Fall nicht unspannend.

Wenn Sie über Schein und Sein im Bereich des Tier-
schutzes sprechen, dann denken Sie sicherlich auch an
eine effektive Tierseuchenbekämpfung, denn das ge-
hört immer zum Tierschutz dazu. Vor Ort ist das längst
bekannt. So gibt es zum Beispiel in meinem Heimatland-
kreis, nämlich dem Landkreis Leer, seit kurzem eine
Vereinbarung mit den Nachbarkreisen über die Bildung
eines gemeinsamen Tierseuchenkrisenzentrums.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: So sind wir Ostfriesen!)


Die Begründung für diese Initiative lautet übrigens par-
teiübergreifend, Tierseuchenbekämpfung könne nur er-
folgreich sein, wenn die Nachbarn in gleicher Weise
konsequent vorgehen. Vollkommen richtig: Tierseuchen
machen weder an Kreisgrenzen noch an anderen Gren-
zen Halt, nicht im Bund, nicht innerhalb Europas und
auch nicht zwischen den Kontinenten. Das erleben wir
aktuell in Asien. Dort grassiert die aviäre Influenza in-
zwischen in zehn Staaten.

Der letzte Seuchenzug in Europa liegt noch nicht ein-
mal ein Jahr zurück. Dabei zeigte sich, dass Veterinäre,
Humanmediziner und Vollzugsbehörden in Nordrhein-

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(C (D estfalen nicht wie ihre Kollegen in Niedersachsen haneln können, denn es fehlen ausreichende Ermächtigunen, die bundesweit greifen. Das deutsche Tierseuchenecht ist lückenhaft. Deshalb hat unsere Fraktion im Juni etzten Jahres den vorliegenden Antrag eingebracht. Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Priesmeier? Nein. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Frau Connemann, das hätte ich nie von Ihnen gedacht!)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509124200
Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1509124300

Meine Damen und Herren, dieser Antrag ist im Aus-
chuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abge-
ehnt worden, ohne Aussprache, also ohne jede Begrün-
ung.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das wollte Priesmeier doch nur sagen!)


as hat dieses Schweigen zu bedeuten? Versetzen wir
ns für die Auslegung doch einmal in die Situation eines
ürgers, der der Bundesregierung geneigt ist – sofern es
n denn überhaupt noch gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Helau!)

ieser darf annehmen, dass zwingende Gründe für die
blehnung des Antrages vorgelegen haben – seien es
uch falsche Fakten oder fehlerhafte Rechtsannahmen.
enn – jetzt hören Sie zu –


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Nein, nein, da hören wir nicht mehr zu!)


r darf das Vertrauen haben, dass die Abgeordneten von
PD und Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag nicht nur
us einer Blockadehaltung heraus ablehnen, insbeson-
ere in einer Frage, die die Menschen so bewegt wie das
uftreten von Seuchen.
Meine Damen und Herren, genau das ist aber in die-

em Fall passiert: Wider besseres Wissen wurde hier blo-
kiert.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie negieren Fakten!)


Der Beweis liegt vor: ein Referentenentwurf zur Än-
erung des Tierseuchengesetzes, der jetzt aufgetaucht
t.


(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Was? Aufgetaucht?)


r ist in den Ministerien der Länder aufgetaucht und
etzt unseren Antrag um. Das Bundestierseuchenrecht
eist Rechtslücken bei der Bekämpfung hochkontagiö-
er Tierseuchen auf. Auch im Referentenentwurf wird
as festgestellt. Deshalb haben wir im vorliegenden An-
ag unter anderem eine Ermächtigung gefordert,
inschränkungen „für den außerlandwirtschaftlichen






(A) )



(B) )


Gitta Connemann

Wirtschaftsgüter- und Personenverkehr in Verdachts-
sperrbezirken, Sperrbezirken und Beobachtungsgebie-
ten“ zu ermöglichen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Man reibt sich die Ohren – so ist auch der Tenor in

dem Referentenentwurf der Bundesregierung. Es fehlten
Ermächtigungen für Reglementierungen für „den außer-
landwirtschaftlichen Personen- und Wirtschaftsgüterverkehr
in Vieh haltenden Betrieben sowie in Verdachtssperrbe-
zirken, Sperrbezirken und Beobachtungsgebieten“. Die
Übernahme unserer Forderung erfolgte nicht nur inhalt-
lich, sondern auch sprachlich eins zu eins, unisono –
nicht nur in diesem Fall, sondern durchgängig.


(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Interfraktionell also!)


Ich beglückwünsche die Koalitionsfraktionen zu ihrer
Einsichtsfähigkeit. Die Einsicht kam spät, aber immer-
hin.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ist die Regierung schon zurückgetreten?)


Auch in diesem Fall ist die Bundesregierung ihrem
Motto treu geblieben, das da lautet: erst negieren, dann
blockieren, schließlich kopieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias Weisheit [SPD]: Oh! Aber Frau Connemann! – Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Helau!)


Aber wenn Sie schon kopieren, dann machen Sie es doch
bitte richtig.

Leider haben Sie eine wesentliche unserer Forderun-
gen nicht aufgenommen, nämlich die Ermächtigung zu
einem „stand still“.


(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Überlesen!)

Das wäre wirklich wichtig gewesen. Zurzeit müssen
Eingriffe wie ein „stand still“ in den amtlichen Verkün-
dungsblättern bekannt gemacht werden. Das bedeutet ei-
nen Zeitverzug von mehreren Tagen. Wäre die Veröf-
fentlichung über Medien wie Fernsehen oder Radio bei
uns erlaubt, könnte sofort reagiert werden. Bei einer
Seuche ist es nun einmal erforderlich, schnellstmöglich
zu reagieren.

Ein weiterer Unterschied: Sie wollen in dem Referen-
tenentwurf neun Gesetze und Verordnungen auf Bundes-
ebene ändern, um aus der Bundesforschungsanstalt für
Viruskrankheiten der Tiere das Friedrich-Loeffler-Ins-
titut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, zu
machen. Es ist zwar beruhigend, zu lesen, dass die Bun-
desregierung in diesem Fall einmal nicht auf kosten-
pflichtige Berater zurückgegriffen hat.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie pflegen auch alle Vorurteile, die Sie haben!)


Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren von der
Koalition: Haben Sie wirklich keine anderen Probleme?
Mit diesen Formalismen ist wirklich nichts zu bewegen,

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(C (D nsbesondere kann man damit keine Tierseuche bekämpen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn Sie wirklich eine wirksamere Tierseuchenbe-
ämpfung wollen, dann können Sie nur eines tun: unse-
en Antrag unterstützen.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Los, Wilhelm!)


amit helfen Sie auch den Tieren. Stimmen Sie zu!
Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509124400

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
atthias Berninger.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was ist mit der Kurzintervention?)


Entschuldigung. Herr Berninger, zuerst gibt es die
urzintervention des Kollegen Priesmeier.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Wieso denn?)


itte schön, Herr Kollege Priesmeier.

Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Rede ID: ID1509124500

Verehrte Kollegin Connemann, ich glaube, Sie sind

a einigen Missverständnissen aufgesessen. Die Begrün-
ung, warum Ihr Antrag im Ausschuss berechtigterweise
bgelehnt worden ist, ist Ihnen bereits damals gegeben
orden. Es gibt in diesem Zusammenhang gar nichts
ehr zu diskutieren. Wenn Sie den Entwurf zur Ände-
ung des Tierseuchengesetzes richtig gelesen hätten,
ann hätten Sie erkannt, dass dort eine Forderung von
hnen enthalten ist, die man aber wegen des Grundge-
etzes nicht so einfach umsetzen kann. Hätten Sie mich
orhin zu Wort kommen lassen, dann hätte ich gefragt,
b Sie diese Forderung nicht einmal hätten erwähnen
önnen.
Alle anderen Punkte sind so umgesetzt, wie Sie es

orgetragen haben. Ich glaube, wir haben ein Optimum
n zusätzlicher Sicherheit bei der Tierseuchenbekämp-
ung erreicht, wenn dieser Änderungsentwurf verab-
chiedet wird.
In Bezug auf die Namensänderung muss ich sagen,

ass Herr Loeffler für die Tierseuchenbekämpfung ge-
auso wichtig ist wie Herr Professor Koch für die Hu-
anmedizin. Ich glaube, es ist legitim, ein Institut nach
emandem zu benennen, der sich entsprechende Ver-
ienste erworben hat. Wenn das im Rahmen einer Geset-
esänderung geschieht, dann kann man das doch wohl
ur unterstützen und darf es hier nicht lächerlich ma-
hen.
Danke schön.

(Beifall bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Die Polemik vorhin war völlig fehl am Platz!)







(A) )



(B) )



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509124600

Frau Kollegin Connemann, Sie können antworten.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Aber nicht noch einmal im gleichen Stil!)



Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1509124700

Sehr verehrter Herr Kollege Priesmeier, Sie haben ge-

sagt, im Ausschuss sei über diesen Antrag debattiert
worden. Das ist leider nicht der Fall gewesen.


(Matthias Weisheit [SPD]: Weil Sie sich nicht gemeldet haben!)


Ich habe das im Ausschussprotokoll nachgelesen. Dieser
Antrag ist ohne Aussprache – Sie können das im Proto-
koll gerne nachlesen; ich habe es dabei – mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Sie hat-
ten es nicht nötig, auch nur ein einziges Wort zum
Thema Tierseuchen zu sagen.


(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Das hätten Sie doch machen können! Das ist unglaublich!)


Daher ist es umso verblüffender, dass Sie unseren An-
trag – also nicht nur diese eine Forderung – unisono
übernehmen.


(Zuruf von der SPD)

– Beruhigen Sie sich wieder, Herr Kollege. Ich zitiere
bei solchen Gelegenheiten gerne aus dem Alten Testa-
ment: Dass ihr endlich schweigen würdet, das würde
Wahrheit für euch sein. – Das wäre sicherlich einmal
ganz angebracht.


(Widerspruch bei der SPD)

Es gibt eine Menge Überschneidungen des Referen-

tenentwurfs, der Ihnen sicherlich vorliegen wird, mit un-
serem Antrag. Ich nenne unter anderem: Unter Spiegel-
strich zwei – es geht um den außerlandwirtschaftlichen
Personen- und Wirtschaftsgüterverkehr – wird Ziffer 3
unseres Antrages übernommen. Unter Spiegelstrich drei
– es geht um die Reglementierung der Verbringung und
Einführung von Tieren und von ihnen stammenden Er-
zeugnissen – wird Ziffer 2 unseres Antrages übernom-
men. Unter Spiegelstrich vier – dort geht es um die
Anordnung vorbeugender Reinigungs- und Desinfek-
tionsmaßnahmen an den Außengrenzen der Bundesrepu-
blik Deutschland, also an Flug- und Schiffshäfen – wird
Ziffer 5 unseres Antrages übernommen. Die Anordnung
vorbeugender Reinigungs- und Desinfektionsmaßnah-
men bei regelmäßig verkehrenden Fahrzeugen bedeutet
die Übernahme von Ziffer 8 unseres Antrages. Dies setzt
sich so fort. Ich könnte Ihnen viele weitere Übereinstim-
mungen nennen.

Von daher bleibe ich dabei: Sie haben unseren Antrag
übernommen. Das spricht für Sie; Sie besitzen Einsichts-
fähigkeit. Es wäre schön, wenn Sie dies auch durch Ihr
Abstimmungsverhalten zum Ausdruck bringen würden.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das war nun völlig daneben!)


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(C (D Nun hat der Parlamentarische Staatssekretär Matthias erninger das Wort. Ma Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Es geht heute um den Tierschutzbericht und icht um Spiegelstriche. Lassen Sie mich deswegen zuächst einmal ein paar ganz grundsätzliche Bemerkunen machen. Die Debatte hat bisher eines sehr deutlich ezeigt: Es gibt in diesem Hause den großen Konsens, m Tierschutzbereich voranzukommen. Es ist aber auch ehr deutlich geworden, dass dieser Konsens leider an iner Stelle endet, nämlich immer dann, wenn es um utztiere geht. Immer dann, wenn mit der millionenfahen Nutzung dieser Tiere ökonomische Interessen verunden sind, wird der Bundesrat, der beispielsweise in ezug auf Zirkustiere dankenswerterweise die Initiative rgriffen hat, ganz schnell zum Verhinderungsgremium. ann werden Tierschutzinteressen einem Hürdenlauf nterzogen. Das erleben wir seit Jahren. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Es ist nicht richtig, was Sie sagen!)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509124800
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1509124900

Der Kollege Goldmann freut sich darüber, dass die
DP-Fraktion erreicht hat, den Tierschutz in das Grund-
esetz aufzunehmen. Man sollte sich auch in einer Tier-
chutzdebatte nicht mit fremden Federn schmücken. Im
inblick auf das Gebot des Tierschutzes hat in allen
raktionen Konsens bestanden und es ist deshalb in das
rundgesetz aufgenommen worden.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Auch das habe ich nicht gesagt! Sie müssen zuhören! Ich habe gesagt, dass wir Motor waren!)


Eines ist ganz deutlich geworden: Die Debatte darü-
er, den Tierschutz in das Grundgesetz aufzunehmen,
at in dem Moment an Fahrt gewonnen, in dem die rot-
rüne Bundesregierung dieses Thema vorangebracht hat.
n den 16 Jahren davor mag es zwar aus den Reihen der
DP entsprechende Forderungen gegeben haben. Diese
ind allerdings allesamt an der Unionsfraktion geschei-
ert.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Hier ist auch das Thema der Tierversuche angespro-
hen worden. Man hat ja fast den Eindruck, der Kollege
leser freue sich über die ansteigende Zahl von Tierver-
uchen.


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Das haben Sie falsch verstanden! – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sie sind der einzige Tierschützer weit und breit!)


enn in jeder seiner Reden glaubt er, die Milchbuben-
echnung aufmachen zu müssen, dass die Steigerung der
ahl der Tierversuche eine Art Lackmustest und Beweis
afür ist, dass wir uns nicht um das Thema Tierschutz
ümmern.






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Matthias Berninger


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Sie haben es uns in den 80er-Jahren immer vorgehalten!)

Das ist falsch. Die Zahl der Tierversuche ist gestiegen,
weil es insbesondere im Bereich der Biotechnologie eine
ganze Reihe neuer Forschungsaktivitäten gegeben hat,
die entsprechende Tierversuche nach sich gezogen ha-
ben. Die gleiche Fraktion, die uns in diesem Bereich
Vorwürfe macht, steht, wenn es um die Förderung der
Biotechnologie geht, ganz vorne an der Spitze.

Ich halte dieses Aufrechnen für nicht sonderlich
glücklich. Ich glaube vielmehr, dass uns die hohe Anzahl
von Tierversuchen veranlassen sollte, uns noch stärker
um Alternativmethoden zu kümmern.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: In Ordnung! Bravo!)


Die Bundesregierung wird hier verstärkte Anstrengun-
gen unternehmen. Es gibt sehr viele Alternativen zu
klassischen Tierversuchen; das wissen auch Sie. Auch
die Biotechnologie, insbesondere neue Zellkulturen, also
gentechnisch veränderte Organismen, werden von uns in
Betracht gezogen, um die Zahl der Tierversuche in den
nächsten Jahren spürbar zu senken. Das müssen wir un-
ter anderem wegen der neuen Chemikalienpolitik tun.

Die Bundesregierung wird in den nächsten Monaten
in Bezug auf Mastgeflügel, die Geflügel- und Schweine-
haltung, den Transport von Tieren, die Pelztierhaltung,
die Reform des Bundesjagdgesetzes, die Verbesserung
der Lebensbedingungen von Zirkustieren, aber auch in
Bezug auf das Thema „Mehr Transparenz über Tierhal-
tungsformen“ Initiativen ergreifen, die am Ende die Le-
benssituation von Tieren verbessern werden.

Lassen Sie mich zum Abschluss etwas zum Tierseu-
chengeschehen sagen. Ich halte wenig davon, sich über
die Bilder anderenorts zu freuen und so zu tun, als könn-
ten diese Bilder nicht auch uns schnell einholen. Sie alle
wissen, dass Europa bei der Maul- und Klauenseuche
ähnlich widerwärtige Bilder auf die Bildschirme ge-
bracht hat, wie wir es jetzt in Asien erleben. Anders-
herum wird ein Schuh daraus: Nicht nur die Vogel-
grippe, sondern auch BSE ist ein globales Tierproblem.
Tierseuchen müssen stärker global angegangen werden.


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Sie treiben die Hühner in asiatische Käfige!)


Sie müssen ein elementares Thema bei den WTO-Ver-
handlungen werden. Bundesministerin Künast wird ge-
rade das in ihrer Rede auf der OIE-Tagung, die sich erst-
mals in aller Deutlichkeit um Tierschutzfragen kümmert,
nach vorne tragen.

Die Kollegin Connemann, auch wenn sie gerade nicht
zuhört,


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Doch, ich höre zu! – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Wer könnte Ihnen nicht zuhören?)


ist ja ganz glücklich darüber, dass sie vor einiger Zeit ei-
nen Antrag gestellt hat, der sich mit der Änderung des
Tierseuchengesetzes beschäftigt. Sie wissen auch, dass
wir vonseiten der Bundesregierung bereits im Sommer

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(C (D insichtlich der Vogelgrippe sowie der Probleme, die ir in Europa hatten, im Ausschuss angekündigt haben, ier tätig zu werden. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ja, angekündigt!)


Wir sind tätig geworden. Am 18. Februar wird die No-
elle des Tierseuchengesetzes im Kabinett behandelt
erden. Bei vielen Punkten herrscht Übereinstimmung
er Fachleute aller Länder, dass wir hier vorankommen
üssen. In einem Punkt liegen sie völlig falsch. Auch
insichtlich eines „stand still“, wo es darum geht, mög-
ichst schnell dafür zu sorgen, dass keine Tiertransporte
ehr erfolgen, wird die Bundesregierung eine Beschleu-
igung vornehmen. Wenn wir uns in der Sache einig
ind, sollten wir uns darüber freuen, weil dies ein Instru-
ent sein kann, um Tierseuchenprobleme schnell zu ver-
eiden. Das ist unser aller Ziel, denn die beste Seuchen-
ekämpfung ist dann gegeben, wenn es gelingt, eine
erbreitung entsprechender Erreger durch entschlosse-
es und konzertiertes Handeln zu verhindern. Wir wer-
en mit dem Gesetzentwurf am 18. Februar auch dazu
inen wichtigen Beitrag leisten.
Ich danke sehr für die Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509125000

Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin

ulia Klöckner, CDU/CSU-Fraktion.


Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1509125100

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Neben dem Tierschutzbericht und der Tierseuchen-
ekämpfung stehen heute der Initiativantrag Bayerns aus
em Bundesrat und der Antrag der FDP zum Tierarznei-
ittelgesetz auf der Tagesordnung. Es geht um die
achbesserung des geltenden Arzneimittelgesetzes
icht zuletzt unter Tierschutzaspekten.


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Schon wieder nachbessern!)


s freut mich, dass die Kollegen aus den anderen Frak-
onen zustimmen.


(Beifall des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])


Es ist schon sehr ungewöhnlich, dass eine Novelle,
ie gerade ein Jahr alt ist, schon wieder nachgebessert
erden muss. Im Grunde ist es eher eine „olle Kamelle“
ls eine Novelle. Im Ernst: Der Druck aus der Praxis
achte innerhalb kurzer Zeit klar, dass das, was sich in
er Theorie so wunderbar anhörte, einfach nichts mit der
rbeit vor Ort zu tun hat. Wer das heute nicht wahrha-
en möchte, hat einen wunderbaren Verdrängungsme-
hanismus. Das Künast-Ministerium ist darin gar nicht
chlecht.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias Weisheit [SPD]: Das Ding ist im Bundesrat verschlimmbessert worden!)







(A) )



(B) )


Julia Klöckner

– Ja, Matthias, ich erkläre es auch dir noch.

Die Ziele, denen wir uns heute noch verpflichtet füh-
len, ein verbesserter Verbraucher- und Tierschutz, sind
mit dem geltenden Arzneimittelgesetz nicht zu errei-
chen. Im Gegenteil.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig!)

Die meisten der hier Anwesenden waren bei unserer
Ausschussanhörung, die relativ schnell ziemlich deutlich
zeigte, dass hier nachgebessert werden muss. Vor allen
Dingen müssen die Rechtsunsicherheit, die kaum zumut-
baren Mehrbelastungen für Tierärzte und -halter und vor
allem der mangelnde Tierschutz Änderungen erfahren.


(Beifall des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])


Die Frage ist hier, warum wir so lange warten, bis es zu
Nachbesserungen kommt.

Das zentrale Problem ist die Siebentageregelung. Mal
ehrlich: Welche Krankheit hält sich an eine willkürliche
Vorgabe von sieben Tagen? Es gibt keine Krankheit, die
am siebten Tag aufhört. Aber es lässt sich einfach bis
sieben zählen. Am achten Tag hat der Tierarzt gegen das
geltende Recht verstoßen. Dies hat nichts mit der Reali-
tät zu tun. Es ist einfach für die Kontrolleure, aber un-
praktikabel für die Betroffen und vor allen Dingen sehr
leidvoll für die Tiere.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Um nicht gegen das Gesetz zu verstoßen, müsste der

Tierarzt jedem kranken Tier einen persönlichen Kran-
kenbesuch abstatten und eine Diagnose mit Behand-
lungsanweisung aussprechen, bevor der Tierhalter die
nötige Behandlung durchführen darf. Würde der Tierarzt
dann noch vor und nach jedem Stallbesuch durch die
Hygieneschleuse geführt, geduscht und umgekleidet, um
nicht mehr Krankheiten zu verschleppen als zu bekämp-
fen, dann wäre das Unterfangen endgültig undurchführ-
bar. Das Ergebnis ist das, was wir alle nicht wollen: eine
himmelschreiende Tierquälerei. Angesichts dessen kann
man sich auch einen Tierschutzbericht schenken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn ein Arzneimittelgesetz – ohne Tierquälerei,

eben durch unterlassene Behandlung – mehr Verbrau-
cherschutz bringen soll und wenn die Landwirte und die
Tierärzte nicht unter polizeilicher Überwachung stehen
sollen, dann muss das Gesetz folgendermaßen aussehen:

Die Siebentageregelung ist zu streichen. Eine starre
Frist, von welcher Länge auch immer, kann der Vielfalt
der Tiererkrankungen und deren Verläufen überhaupt
nicht gerecht werden.


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Praxisfremd!)

– Das ist sehr praxisfremd.

Die fünfstufige Umwidmungskaskade für Lebensmit-
tel liefernde Tiere ist durch die auf EU-Ebene gültige
dreistufige Kaskaderegelung zu ersetzen.

Mit Blick auf den Verbraucherschutz empfiehlt sich
eine klare Grenzziehung zwischen Lebensmittel lie-

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(C (D ernden Tieren und reinen Gesellschaftsund Sportieren. – Das wird auch Ulla Heinen und ihr Pferd reuen. Um eine bedarfsgerechte Abgabe von Tierarzneiitteln zu gewährleisten, sollte es den Tierärzten nicht nger verboten werden, Arzneien aus fertigen Gebinden mzufüllen, fachgerecht neu zu verpacken und dann an en Tierhalter abzugeben. Lassen wir die Kirche im Dorf! Schauen wir doch, as praktikabel ist und dass wir den Tieren und dem erbraucherschutz gerecht werden! Seien wir nicht heilier, als wir sein sollten! Das bringt hier nun wirklich ichts. Ich möchte unterstreichen: Die Siebentageregelung uss weg. Die Abgabe von Arzneimitteln muss endlich en praktischen Bedürfnissen angepasst werden. Die nion und die FDP schlagen vor, drei Behandlungsforen als alternative Voraussetzungen für die Arzneimitlabgabe zuzulassen. Sie sollen gleichrangig nebeneiander stehen. Das wäre den Bedürfnissen der Praxis ngebracht. Es geht erstens um die konventionelle Behandlung, weitens um den Behandlungsplan und drittens – je nach edürfnis – um die tierärztliche Bestandsbetreuung. So ann flexibel auf die verschiedenen Krankheitsgescheen reagiert und gleichzeitig schon im Vorfeld die Geahr der Erkrankung des Tierbestandes gemindert weren. Nichts anderes soll der Tierarzt regeln und nichts nderes will auch der Tierhalter. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Matthias Weisheit [SPD])


(Ursula Heinen [CDU/CSU]: Danke!)


Ich glaube, so weit liegen wir gar nicht auseinander.
an muss aber etwas tun; es reicht nicht, nur zu wollen.

ch betone, dass wir alle – ich hoffe, ich darf den Kolle-
en zur Rechten einschließen – bereit sind, zusammen-
uarbeiten.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja!)

ir sind bereit, eine praktische Lösung mit Hand und
uß zu erarbeiten, vor allem an den Brennpunkten, die
ir schon angesprochen haben.
Jetzt wird es spannend. Die Kollegin Connemann

atte einen Antrag gestellt, den man gerne umgesetzt
at. Wir Berichterstatter aller Fraktionen haben uns in
er Sommerpause zusammengesetzt und die Punkte auf-
elistet, die wir als die nachbesserungswürdigsten anse-
en. Es bestand interfraktionelle Einigkeit. Jetzt aber
pielen politische Eitelkeiten eine Rolle; Frau Künast
sst die Zusammenarbeit verbieten.


(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Nun dramatisier doch nicht!)


Wilhelm, du warst doch nach der Diskussion auch
icht ganz entspannt. –


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Julia Klöckner

Das hat uns wirklich um einiges zurückgeworfen. Wir
könnten heute viel weiter sein.

Wir sind bereit, zusammenzuarbeiten. Aber dann
muss man auch miteinander reden und vor allen Dingen
bereit sein, etwas zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es ist zwar schön, wenn ihr sagen könnt – unser Mitleid
habt ihr –: Mögen würden wir schon wollen, aber dürfen
haben wir uns nicht getraut.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich biete allen Kollegen und auch Ihnen, Herr Berninger,
herzlich an, zusammen das Arzneimittelgesetz so zu
überarbeiten, dass es praktikabel wird und jeder etwas
davon hat, dass der Tierschutz und der Verbraucher-
schutz gewahrt sind, dass die Tierärzte ihrer Arbeit nach-
gehen können – sie haben studiert und wissen, was sie
tun –, dass die Tierhalter Spaß an ihrem Beruf haben und
dass wir letztlich relativ schnell zu einer Novelle kom-
men, die diesen Namen verdient.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das sagen Sie dann auch dem Bundesrat und den Ländern!)


– Ich kümmere mich um die Länder.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509125200

Ich schließe die Aussprache.
Tagesordnungspunkt 9 a. Wir kommen zur Beschluss-

empfehlung des Ausschusses für Verbraucherschutz, Er-
nährung und Landwirtschaft auf Drucksache 15/2231
zum Tierschutzbericht 2003, dem Bericht über den Stand
der Entwicklung des Tierschutzes. Der Ausschuss emp-
fiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung auf Drucksache 15/723 eine Entschließung an-
zunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der Opposition angenommen.

Tagesordnungspunkt 9 b. Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft auf Drucksache 15/2233 zu dem Antrag
der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Wirksamere
Tierseuchenbekämpfung ermöglichen“. Der Ausschuss
empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/1210 abzuleh-
nen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Ge-
genprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung
ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen
der Opposition angenommen.

Tagesordnungspunkte 9 c und 9 d. Interfraktionell
wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen
15/1494 und 15/1596 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überwei-
sungen so beschlossen.

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1)

(C (D Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 a auf: a)


Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der
FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Modernisierung des Kostenrechts

(Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes – KostRMoG)

– Drucksache 15/1971 –

(Erste Beratung 76. Sitzung)


– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Modernisierung des Kos-

(Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – KostRMoG)

– Drucksache 15/2403 –

(Erste Beratung 88. Sitzung)

aa) Beschlussempfehlung und Bericht des

Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

– Drucksache 15/2487 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Joachim Stünker
Christoph Strässer
Hans-Christian Ströbele
Rainer Funke

bb) Bericht des Haushaltsausschusses

(8. Ausschuss) gemäß § 96 der Ge-

schäftsordnung
– Drucksache 15/2488 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Heinz Köhler
Norbert Barthle
Alexander Bonde
Otto Fricke


(Müleim)

inisterin Brigitte Zypries haben ihre Reden zu Pro-

okoll gegeben.1)
Wir kommen deshalb sofort zur Abstimmung über

en von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des
ündnisses 90/Die Grünen und der FDP eingebrachten
esetzentwurf zur Modernisierung des Kostenrechtes,
rucksache 15/1971. Der Rechtsausschuss empfiehlt
nter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf
rucksache 15/2487, den Gesetzentwurf in der Aus-
chussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
em Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
ollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? –
nthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Bera-
ung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.

Dritte Beratung
nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben? –

Anlage 3






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Rechts-
ausschusses zu dem von der Bundesregierung einge-
brachten Gesetzentwurf zur Modernisierung des Kosten-
rechts. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/2487,
den Gesetzentwurf auf Drucksache 15/2403 für erledigt
zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist die Be-
schlussempfehlung mit den Stimmen des ganzen Hauses
angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom
6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur
Änderung des Hypothekenbankgesetzes und
anderer Gesetze
– Drucksache 15/1853 –

(Erste Beratung 72. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)

– Drucksache 15/2485 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Klaus Uwe Benneter
Bernhard Brinkmann (Hildesheim)

Marco Wanderwitz
Jerzy Montag
Rainer Funke

Die Redner Bernhard Brinkmann (Hildesheim),
Marco Wanderwitz, Leo Dautzenberg, Jerzy Montag,
Rainer Funke und der Parlamentarische Staatssekretär
Alfred Hartenbach haben ihre Reden zu Protokoll gege-
ben.1)

Damit kommen wir zur Abstimmung über den von
der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur
Umsetzung der Richtlinie vom 6. Juni 2002 über Finanz-
sicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankge-
setzes und anderer Gesetze, Drucksache 15/1853. Der
Rechtsausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/2485, den
Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit
ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stim-
men des ganzen Hauses angenommen.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung mit den Stim-
men des ganzen Hauses angenommen.

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1) Anlage 4 2)

(C (D Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes – Drucksache 15/2253 – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – Drucksache 15/2492 – Berichterstattung: Abgeordnete Christine Lambrecht Ute Granold ie Redner Christine Lambrecht, Michaela Noll, Ute ranold, Irmingard Schewe-Gerigk, Sibylle Laurischk nd Alfred Hartenbach haben ihre Reden zu Protokoll egeben.2)


(Erste Beratung 86. Sitzung)

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-

esregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände-
ung der Vorschriften über die Anfechtung der Vater-
chaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des
indes, Drucksache 15/2253. Der Rechtsausschuss emp-
iehlt auf Drucksache 15/2492, den Gesetzentwurf in der
usschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
em Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
ollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? –
nthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
eratung mit den Stimmen der Koalition und der FDP
egen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.

Dritte Beratung
nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
er stimmt dagegen? – Der Gesetzentwurf ist mit den
timmen der Koalition und der FDP gegen die Stimmen
on CDU/CSU angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit

(9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Dirk Niebel, Rainer Brüderle, Gudrun Kopp, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Mögliche Interessenüberschneidungen bei der
Vergabe öffentlicher Mittel über die Bundes-
anstalt für Arbeit auf allen Ebenen nachhaltig
vermeiden
– Drucksachen 15/771, 15/2483 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Hermann Kues

Die Redner Hans-Werner Bertl, Dr. Hermann Kues,
arkus Kurth und der Parlamentarische Staatssekretär

Anlage 5






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

Gerd Andres haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.1)
Nicht zu Protokoll gegeben hat seine Rede der Kollege
Dirk Niebel. Deshalb gebe ich ihm jetzt das Wort.


(Beifall bei der FDP)


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1509125300

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ver-
lässt die SPD den Saal, aber auch die Union und die Grü-
nen wollen ja nicht zu dem Thema reden.

Die Skandale der Bundesagentur für Arbeit in den
letzten Wochen und Monaten haben gezeigt, dass die
Auswechslung des Kopfes an der Spitze einer Mammut-
behörde nicht ausreicht, wenn das System das gleiche
bleibt. Ich habe – im Gegensatz zu meiner normalen
Art – heute einmal ein Redemanuskript mitgebracht, das
ich Ihnen zeigen möchte. Das Bild zeigt unter der Über-
schrift „Das Kartell der Blockierer“ Frau Dr. Ursula
Engelen-Kefer. Um nichts anderes als das geht es: Es
geht hier darum, ob das Kartell der Blockiererinnen und
Blockierer aufgelöst werden kann, um die Mittel der
Beitragszahlerinnen und Beitragszahler effizient zu ver-
wenden. Dieses Bild ist aus der „Welt“ vom 27. Januar
2004; es trifft, glaube ich, den Kern des Themas.

Nach § 16 SGB X sind Interessenverquickungen
Ehrenamtlicher und Hauptamtlicher auseinander zu hal-
ten.


(Zuruf von der SPD: Was hat denn der Kollege Gerhardt dazu gesagt?)


Auch wir sind der festen Überzeugung, dass man in den
Sozialversicherungssystemen allein den bösen Anschein
wahren muss.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Eine sehr merkwürdige Formulierung!)


Der Haushalt der Bundesagentur für Arbeit umfasst fast
54 Milliarden Euro in diesem Jahr. Er enthält einen Ein-
gliederungstitel von allein über 20 Milliarden Euro; das
ist so viel, wie die gesamte Bundeswehr bekommt. Über
die Jahre hinweg hat sich da eine Arbeitslosenindustrie
etabliert, die es gewohnt ist, dass immer mehr Milliarden
in das System gepumpt werden


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Da hat die FDP aber heftig dran mitgewirkt!)


und dass diese Milliarden dann innerhalb des Systems
– zwischen Arbeitgeberfunktionären, Gewerkschafts-
funktionären und öffentlichen Händen – immer wieder
verteilt werden, sodass faktisch eine Hand die andere
wäscht und alle schmutzig bleiben. Da muss man dem
bösen Schein entgegentreten und zumindest die übels-
ten, öffentlich für jeden nachvollziehbaren Verquickun-
gen beenden.


(Beifall bei der FDP)

Das wollen wir durch eine Änderung des Sozialge-

setzbuches sicherstellen. Wir wollen gesetzlich regeln,

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s1) Anlage 6

(C (D ass der Umstand, dass jemand ehrenamtlich bei Sozialersicherungsträgern tätig ist und eine hauptamtliche unktion innehat, bei der er die gleichen Interessen verritt, ein Hinderungsgrund ist. Hier nennen wir explizit, ls Beispiel für viele andere, auch von der Arbeitgebereite, Frau Dr. Ursula Engelen-Kefer, die seit 1978 seit über einem Vierteljahrhundert – in führenden auptund ehrenamtlichen Funktionen in dieser größten eutschen Behörde tätig ist. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wenn Sie das auf eine Person fokussieren, ist das unanständig!)


ie Dame war schon Vizepräsidentin, ist jetzt ehrenamt-
ich Verwaltungsratsvorsitzende und war noch bis zu
eginn des letzten Jahres, Herr Schmidt, Aufsichtsrats-
orsitzende des BFW des DGB, des Berufsfortbildungs-
erks des Deutschen Gewerkschaftsbundes, des zweit-
rößten Bildungsträgers in Deutschland.
Das Gleiche kann ich Ihnen auch für die Arbeitgeber-

eite aufzeigen. Nehmen Sie das Bildungswerk der
ayerischen Wirtschaft und den Hauptgeschäftsführer
er Bayerischen Arbeitgeberverbände, der im Verwal-
ungsrat der BA ist, ebenso wie ein CSU-Staatssekretär
ür Arbeitsmarktpolitik in Bayern, der natürlich qua Amt
chon die Aufgabe hat, –

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509125400

Herr Kollege Niebel, Ihre Redezeit ist zu Ende. Ich

asse jetzt auch keine Überschreitungen mehr zu.

Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1509125500

– ich bin sofort am Ende; ich bin im letzten Satz –,

ich um die bayerische Wirtschaft zu kümmern.
Wir müssen dafür sorgen, dass derartige Verquickun-

en aufhören. Eine Dame, die – auch wenn Sie dem
icht zustimmen wollen – ohnehin Fan der Frühverren-
ung ist, sollte uns den Gefallen tun, dieses Instrument
rgendwann für sich selbst einmal in Anspruch zu neh-
en, damit wir hier klarmachen können: Die Mittel der
eitragszahlerinnen und Beitragszahler werden vom
arlament geschützt.
Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Völliger Quatsch, den Sie da erzählen!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509125600

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-

chusses für Wirtschaft und Arbeit auf Druck-
ache 15/2483 zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit
em Titel „Mögliche Interessenüberschneidungen bei
er Vergabe öffentlicher Mittel über die Bundesanstalt
ür Arbeit auf allen Ebenen nachhaltig vermeiden“. Der
usschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/771
bzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
ung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Be-
chlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

und der CDU/CSU gegen die Stimmen der FDP ange-
nommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 a und b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Verena

Butalikakis, Annette Widmann-Mauz, Andreas
Storm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
Früherkennung, Behandlung und Pflege bei
Demenz verbessern
– Drucksache 15/2336 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hilde
Mattheis, Gudrun Schaich-Walch, Helga Kühn-
Mengel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD sowie der Abgeordneten Petra Selg,
Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Demenz früh erkennen und behandeln – für
eine Vernetzung von Strukturen, die Intensi-
vierung von Forschung und Unterstützung
von Projekten
– Drucksache 15/2372 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

Die Redner Hilde Mattheis, Verena Butalikakis, Petra
Selg und Detlef Parr haben ihre Reden zu Protokoll ge-
geben.1)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 15/2336 und 15/2372 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas
Strobl (Heilbronn), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU
Konsequenzen aus Dresdener Bombenfund
ziehen
– Drucksache 15/1238 –

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1) Anlage 7

2)
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4)

(C (D Überweisungsvorschlag: Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen Haushaltsausschuss Die Redner Frank Hofmann aumann, Silke Stokar von Neuforn, Dr. Max Stadler nd Fritz Rudolf Körper haben ihre Reden zu Protokoll egeben.2)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 15/1238 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen
Türk, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Deutsch-Polnische Wirtschaftsförderungsge-
sellschaft AG erhalten
– Drucksache 15/817 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

Die Redner Christian Müller (Zittau), Klaus
ofbauer, Werner Schulz (Berlin), Jürgen Türk und der
arlamentarische Staatssekretär Ditmar Staffelt haben
hre Reden zu Protokoll gegeben.3)
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 15/817 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen
Klimke, Klaus Brähmig, Ernst Hinsken, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Den Fahrradtourismus in Deutschland umfas-
send fördern
– Drucksache 15/2155 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Tourismus (f)

Sportausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Die Redner Annette Faße, Heidi Wright, Jürgen
limke, Klaus Brähmig, Winfried Hermann und Ernst
urgbacher haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.4)

Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf

Drucksache 15/2155 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus-
Jürgen Hedrich, Dr. Friedbert Pflüger, Hermann
Gröhe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Vene-
zuela unterstützen – Freiheit der Medien und
wirtschaftliche Prosperität wiederherstellen
– Drucksache 15/2389 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Der Redner
der SPD, der Kollege Lothar Mark, hat seine Rede zu
Protokoll gegeben.1)


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort Klaus-

Jürgen Hedrich, CDU/CSU-Fraktion.


Klaus-Jürgen Hedrich (CDU):
Rede ID: ID1509125700

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie würde
man einen Mann bezeichnen, der am 4. Februar 1992 ge-
nau 56 Menschen – nach der offiziellen Statistik – hat
umbringen lassen?


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gibt es leider viele!)


Dieser Mann ist heute der Präsident von Venezuela.
Vor dem Hintergrund eines solchen Vorganges und zu

einem Zeitpunkt, zu dem ein Land an der Schwelle zwi-
schen Freiheit und Unfreiheit, zwischen Demokratie und
Diktatur steht, ist es schon bemerkenswert, dass sich für
einen Redebeitrag heute Abend zum Beispiel niemand
von der Bundesregierung verantwortlich fühlt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Unglaublich! – Markus Löning [FDP]: Skandalös!)


Ich kann nur feststellen – man kann es ja nur so
interpretieren –: Die Bundesregierung macht einen Ko-
tau vor einem autoritären Regierungschef.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Unsinn! Sie wissen doch, warum hier keiner ist! – – g w u r D g d m W w s B M V h t n d P A w h e P S w n d n s S1)

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(D Wieso nicht? (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil die Frau Staatssekretärin krank ist!)


Lieber Herr Kollege Ströbele, ich darf hier vorweg sa-
en: Ich habe Frau Müller heute Nachmittag, als sie hier
ar, für die nächsten Tage gute Besserung gewünscht
nd ihr auch gesagt, sie solle sich ruhig ein bisschen zu-
ückhalten.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tut sie jetzt!)


er Punkt ist nur: Wenn der Redebeitrag der Bundesre-
ierung von einem einzigen Mitglied abhängt, dann ist
as schon ein Armutszeugnis. Es muss doch ein paar
ehr Leute geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hängt auch mit der Uhrzeit zusammen!)


– Lieber Herr Kollege Ströbele, ich stelle mir so Ihren
ortbeitrag zu einem umgekehrten Vorgang vor.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das würde der Ströbele niemals tun! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So unfair wäre ich nie!)


Der geschätzte Kollege Mark von der SPD kann – aus
elchen Gründen auch immer – nicht hier sein. Dass
ich die Kenntnisbreite der doch altehrwürdigen SPD-
undestagsfraktion über Lateinamerika auf ein einziges
itglied konzentriert, ist ebenfalls ein bemerkenswerter
organg.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Eher alt als ehrwürdig! – Dirk Niebel [FDP]: Das haben wir nicht anders erwartet!)


Ich will noch etwas sehr Kritisches sagen: Vor kurzem
at die Rosa-Luxemburg-Stiftung eine große Solidari-
ätskundgebung für Chávez durchgeführt. Es sind zwar
ur zwei Abgeordnete, aber es ist doch bemerkenswert,
ass sie nicht bereit sind, für ihre antidemokratischen
ositionen hier im Deutschen Bundestag einzutreten.
uch das sollte man den Bürgern sagen.
Worum geht es eigentlich? Ich kann mich hier nur
iederholen: In unserer augenblicklichen Situation ste-
en wir an einem Scheideweg. Heute hat die Vorsitzende
iner neu gegründeten Partei des Regierungslagers der
resse mitgeteilt, man sei bewaffnet, man werde die
traße mobilisieren und ein Referendum – Peter Weiß
ird sich zu diesem Thema noch äußern – werde auf kei-
en Fall stattfinden. Das ist die gegenwärtige Politik in
iesem Land.
Es gibt darüber hinaus noch ein weiteres Problem. Ve-

ezuela wirkt im Augenblick destabilisierend auf die ge-
amte Region. Sie haben vielleicht verfolgt, dass der
taatspräsident von Kolumbien heute und morgen in






(A) )



(B) )


Klaus-Jürgen Hedrich

Deutschland ist. Wie sich das gehört, wird er mit allen
Ehren von den Mitgliedern der Bundesregierung behan-
delt und empfangen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Da können Sie mal sehen!)


Der Bundeskanzler wird für ihn morgen Mittag ein Ar-
beitsessen ausrichten. Auch die Vertreter aller Fraktio-
nen, die hier in diesem Deutschen Bundestag vertreten
sind, werden mit Uribe sprechen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Fakt in der Region ist, dass wir es mit einer Verknüp-
fung von Terrorismus, internationaler Kriminalität
und Drogenmafia zu tun haben. Diese wird weitestge-
hend durch die Guerilla-Strukturen in Kolumbien ver-
körpert. Das ist schon lange kein lokales Problem mehr.
Inzwischen ist es auch ein regionales und sogar darüber
hinausgehendes Problem, weil diese Fragen auch uns in
Europa unmittelbar berühren.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon steht in Ihrem Antrag aber nichts!)


Mittlerweile arbeiten fast alle Nachbarn – Ecuador
mit seiner instabilen Regierung, aber nichtsdestotrotz,
Peru, das große und wichtige Land Brasilien und Pa-
nama – bei der Bekämpfung der Guerilla und der Ein-
dämmung des Terrorismus in dieser Region aufs Engste
mit der kolumbianischen Regierung zusammen. Das ein-
zige Land, das sich dieser Zusammenarbeit entzieht, ist
Venezuela mit seinem Staatschef Chávez.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben Brasilien vergessen!)


– Nein, ich habe gesagt, dass das wichtige Land Brasi-
lien aufs Engste mit Kolumbien zusammenarbeitet.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Lula auch mit Herrn Chávez!)


– Brasilien arbeitet bei der Bekämpfung der Guerilla
aufs Engste mit Kolumbien zusammen. Chávez verwei-
gert sich dieser Zusammenarbeit und macht sich damit
nicht nur am eigenen Lande schuldig. Er macht sich da-
mit gleichzeitig auch schuldig, destabilisierend auf die
gesamte Region zu wirken und damit die radikalen und
extremistischen Kräfte in der Region zu unterstützen.
Dies ist eine inakzeptable Vorgehensweise.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es wäre angemessen gewesen, wenn die Bundesregie-
rung diesem Plenum deutlich gemacht hätte, dass sie in
keiner Weise bereit ist, so etwas zu dulden.

Ich will mit einem durchaus leicht versöhnlichen As-
pekt schließen. Es hat lange genug gedauert, bis die Bun-
desregierung überhaupt etwas zu der Situation gesagt
hat. Man kann nur empfehlen, darauf zu achten, die in-
ternationalen Institutionen, das Carter-Zentrum und die
Organisation Amerikanischer Staaten zu unterstützen,
damit die Demokratie in Venezuela jetzt eine faire

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(C (D hance erhält. Bis heute – so können wir feststellen – efindet sich das Land in Turbulenzen. Wir müssen daür Sorge tragen, dass keine diktatorischen Strukturen arxistischer, bolivarischer und sonstiger spleeniger Art ie Oberhand gewinnen. Es geht um die Frage: Hat die emokratie in Venezuela eine Chance oder nicht? Hier ollte der Bundestag Farbe bekennen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ein Unsinn!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509125800

Das Wort hat der Kollege Hans-Christian Ströbele,
ündnis 90/Die Grünen.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Jetzt kommt der Friedensfreund!)



(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Ich beeile mich, weil es schon sehr spät ist.
Herr Kollege Hedrich, Sie verlangen von der Bun-

esregierung, die böse Regierung in Venezuela, die Sie
erade in die Nähe einer Diktatur gestellt haben,


(Claudia Nolte [CDU/CSU]: Zu Recht!)

u bewegen, zu ermahnen, zu etwas zu drängen, ihr et-
as zu verdeutlichen und was sonst noch alles. Soweit
ch gehört habe, war Herr Kollege Hedrich, waren Sie
or ein paar Monaten, nämlich im Oktober vergangenen
ahres, hier in Berlin zu einer Konferenz des Ibero-Ame-
ikanischen Instituts eingeladen. Dort waren sowohl An-
änger von Herrn Chávez als auch der gesamten Opposi-
ion in Venezuela vertreten. Sie, Herr Hedrich, haben
ort Ihre Vorstellungen vorgetragen. Daraufhin ist der
ortführer nicht der Regierung in Venezuela, sondern
er venezolanischen Opposition, Teodoro Petkoff, auf-
estanden und hat unter mächtigem Applaus der gesam-
en Versammlung erklärt, dass die Sichtweise der Situa-
ion in Venezuela, wie Sie sie dargestellt haben, eine
eleidigung für alle Versammelten und das Volk in Ve-
ezuela darstellt.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr interessant! Oberlehrer Hedrich! – Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und hier tritt er auf wie ein Fürsprecher!)


ie sollten sich das einmal hinter die Ohren schreiben
nd einen Antrag einbringen, der der Situation in Vene-
uela gerecht wird.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sagen Sie doch mal, was Sie meinen!)


Ich bestreite nicht, dass die Lage dort problematisch
nd besorgniserregend ist. Ich bestreite auch nicht, dass
err Chávez ein Populist ist,


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Aha!)







(A) )



(B) )


Hans-Christian Ströbele

der es mit der Pressefreiheit in weiten Bereichen nicht
so genau nimmt


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Und mit Menschenrechten!)


und für deutsche Demokraten wahrlich kein Sympathie-
träger ist. Das ist völlig richtig. Sie aber argumentieren
einseitig. Sie kritisieren zum Beispiel in Ihrem Antrag,
dass der Präsident an vielen Sonntagen mehrere Stunden
lang im staatlichen Fernsehen redet und wie ein Confé-
rencier oder ein Star die ganze Sendezeit für seine Zwe-
cke missbraucht. Sie erwähnen jedoch nicht, dass es in
Venezuela vier private Kanäle und zehn Zeitungen gibt.
Von den zehn Zeitungen stehen neun und von den vier
privaten Kanälen alle aufseiten der Opposition und sind
Chávez-kritisch. Deshalb kann von einem Meinungsmo-
nopol überhaupt nicht die Rede sein. Natürlich gibt es
dort eine sehr kräftige und lautstarke Opposition.

Was ich Ihnen aber am meisten vorwerfe, ist, dass Sie
sich mit der Opposition überhaupt nicht auseinander set-
zen. Chávez konnte seine großen Wahlsiege nur erzielen,
weil die Opposition im ökonomischen und demokrati-
schen Sinne völlig versagt hat. Herr Chávez hat nach sei-
ner ersten Wahl zunächst einmal eine Verfassung in die-
sem Land installiert, die von allen anerkannt und nicht
einmal von der Opposition kritisiert wird. Das Referen-
dum, das jetzt angestrebt wird, steht zum ersten Mal in
dieser Verfassung. Herr Chávez selbst hat es möglich ge-
macht, dass ein Referendum über die Präsidentschaft
stattfinden kann.

Die Opposition in Venezuela hat genauso versagt wie
die Regierung selber. Deshalb können Sie sich nicht ein-
seitig auf die Seite der Opposition stellen, ohne auch
dort Kritik anzuwenden. Sie sollten es mit dem ehemali-
gen US-Präsidenten Carter halten, der deutlich gesagt
hat, das Referendum und Chávez’ sofortige Machtent-
ziehung sei in der gegenwärtigen Situation wahrschein-
lich das Falsche. Sie dürfen nicht vergessen, wie die Si-
tuation nach dem Putsch im April letzten Jahres gewesen
ist. Damals hat sich die Opposition ganz deutlich diskre-
ditiert. Nachdem sich der Vorsitzende der Arbeitgeber-
vereinigung selbst zum Präsidenten ernannt hatte, war
seine erste Amtshandlung die Auflösung des Parlaments.

Die Behauptung, dass Chávez’ selber auf sein Präsi-
dentenamt verzichtet habe, war gelogen. Die Massen
sind damals auf die Straße gegangen und haben die
Rückkehr Chávez’ in die Regierung erzwungen. Das
heißt, er hat nach wie vor eine sehr breite Unterstützung
im Land. Nach Umfragen beträgt sie etwa 30 Prozent.
Der Führer der Opposition, der Präsident werden will,
hat vielleicht 1 Prozent der Stimmen hinter sich. Das
muss doch Gründe haben.

Die Opposition, die vorher an der Regierung war, hat
total versagt, gerade im sozialen Bereich. Sie hat das
Volk arm gemacht und dazu beigetragen, dass das Ein-
kommen der Bevölkerung im Durchschnitt um 1 Prozent
pro Jahr gefallen ist. Deshalb ist die Lösung, die Sie vor-
schlagen, genau die falsche.

Die sehr angesehene „Neue Zürcher Zeitung“ hat
vor anderthalb Monaten dazu geschrieben:

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(C (D Chávez sitzt wohl deshalb noch im Sattel, weil die Opposition nicht als bessere Alternative angesehen wird. Sie ist in den Augen vieler noch immer die Nachhut der alten Kasten, die ihre Unfähigkeit hinreichend bewiesen haben, das Land sozial ausgeglichen voranzubringen. mmerhin sinkt das Pro-Kopf-Einkommen nicht erst seit hávez, sondern schon vorher. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Jetzt ist es dramatisch!)


Wenn Sie keine Alternative aufzeigen können, sollten
ie es mit dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten
alten, der vorgeschlagen hat, dass man die Amtszeit des
räsidenten in Venezuela einschränkt und jetzt kein Re-
erendum macht, sondern der Opposition die Möglich-
eit gibt, einen eigenen Kandidaten aufzubauen und ein
nhaltliches Profil zu entwickeln. Dann hätten sie auch
en sehr populären und von ihnen geschätzten Präsiden-
en Lula aus Brasilien auf ihrer Seite, von dem sie wis-
en, –

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509125900

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist überschritten.

(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

– dass er bei Chávez ein- und ausgeht und zwar nicht

iesen Präsidenten, aber eine Dialoglösung in diesem
ande unterstützt. Ihr Antrag ist überhaupt nicht hilf-
eich. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509126000

Ich gebe das Wort dem Kollegen Markus Löning,

DP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1509126100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

en! Es ist allerhöchste Zeit, dass wir uns mit Venezuela
useinander setzen. Es ist ein potenziell sehr reiches
and und im Begriff, von seinem Präsidenten ruiniert zu
erden. Das muss man ganz klar festhalten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist schon ruiniert worden!)


Herr Ströbele, ich finde, es ist ein dickes Ding, wie Sie
hn hier verteidigen.


(Zurufe von der FDP: Ja! – Claudia Nolte [CDU/CSU]: Das finde ich auch!)


as ist ein Mann, der dabei ist, die Ressourcen seines
andes zu verschleudern.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben die früher schon gemacht!)







(A) )



(B) )


Markus Löning

Das ist ein Mann, der den Mittelstand in seinem Land
zerstört hat. Es gibt keinen Mittelstand mehr in diesem
Land. Sie verteidigen diesen Mann hier. Sie müssen sich
auch einmal von Schimären verabschieden, wenn die
Entwicklung so offensichtlich ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Statt die Armut zu bekämpfen, hat Chávez den Mittel-

stand zerstört. Statt den Ölreichtum Venezuelas einzuset-
zen, hat er den Ölreichtum verschwendet.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie war es denn vorher?)


Statt die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, spielt
er Arm gegen Reich aus. Anstatt sein Land vernünftig zu
entwickeln, spielt er die Leute gegeneinander aus. Sie
stellen sich hierhin und verteidigen das. Das ist doch
keine Art, Herr Ströbele. Ich verstehe das nicht.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Werner Hoyer [FDP]: Unglaublich!)


Ein Punkt ist die Devisenbewirtschaftung. Das Land
hat einen großen Bestand an Devisenreserven.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gehabt!)


– Nein, es hat einen großen Bestand an Devisenreser-
ven. – Die Devisen werden nicht für das eingesetzt, was
das Land braucht. Sie werden nicht eingesetzt, um die
Armut zu bekämpfen. Stattdessen wird das, was an po-
tenziellem Reichtum da ist, nach außen hin abgeschottet.
Venezuela ist das klassische Beispiel für ein Land, das
viele Ressourcen hat und dessen Volk einen vernünftigen
Bildungsgrad hat, das aber nicht davon profitieren kann,
weil es von den Weltmärkten abgeschottet wird. Venezu-
ela ist ein Beispiel für ein Land, das nicht an der Globali-
sierung teilnimmt und sich dadurch selbst zugrunde rich-
tet. Und Sie verteidigen den Mann, der dafür
verantwortlich ist und versucht, das Land zu ruinieren.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe nur gesagt: Ihre Position ist keine Alternative!)


Lassen Sie mich auf das Referendum zurückkom-
men, Herr Ströbele. Ich finde sehr interessant, dass Sie,
der bei jeder Gelegenheit Referenden und Volksbefra-
gungen propagiert,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


jetzt, da ein Referendum stattfinden soll, sagen, das sei
ein falsches Signal und wir brauchten kein Referendum.
Natürlich brauchen wir ein Referendum und wir werden
sehen, wie Herr Chávez damit umgeht und ob er akzep-
tiert, dass ein Referendum stattfinden soll.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Es sollte von hier ein Aufschrei der Empörung losgehen,
wenn er das nicht akzeptiert. Wir werden in den nächsten
Tagen sehen, ob er es akzeptiert.

Wenn er es nicht akzeptiert, Herr Ströbele, dann er-
warte ich gerade von Ihnen, den Grünen, dass Sie aufste-

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(C (D en und deutlich sagen, dass es eine Mehrheit für das eferendum gibt, das wir dann auch von hier aus untertützen sollten. Wir werden Sie daran erinnern. Ich denke, es geht nicht an, bei jeder Gelegenheit olksbefragungen zu fordern, aber in diesem Fall die einung zu vertreten, dass das Referendum nicht unbeingt nötig sei. Letzter Redner ist der Kollege Peter Weiß, CDU/ SU-Fraktion. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle en! Venezuela ist in der Tat – darauf deutet alles hin – in Land, das politisch und wirtschaftlich am Abgrund teht. Das ist nicht nur eine Frage der Innenpolitik Veneuelas; vielmehr hat das, was dort geschieht, weit reihende regionale und internationale Auswirkungen. eswegen kann es kein Verständnis für Ihre abwieelnde Rede geben, Herr Kollege Ströbele. Richtig ist: Chávez wäre nie ins Amt gekommen, enn nicht frühere Regierungen und politische Gruppieungen in diesem Land versagt hätten, vor allem in der ozialen Frage. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509126200
Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1509126300

as ist richtig. Aber das Versagen früherer Regierungen
ann und darf niemals eine Legitimation dafür sein, dass
un ein Regierungschef wie Chávez zusehends antide-
okratisch und autoritär regiert und die Demokratie in
enezuela – ich sage das so deutlich – abschaffen will.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, aber sie sollen jetzt nicht wieder in die Regierung hineinkommen!)


agegen muss sich unser deutlicher Protest erheben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Natürlich ist ihm die von Ihnen angesprochene oppo-
itionelle Presse ein Dorn im Auge. Deswegen will er
ie Pressefreiheit einschränken. Natürlich ist ihm die
pposition ein Dorn im Auge. Deswegen will er die par-
amentarischen Rechte aushebeln.
Als der Kollege Hedrich und ich in der vergangenen
oche in Venezuela waren, haben uns venezolanische
ppositionsabgeordnete eine Resolution überreicht, in
er sie die Parlamentarier in Deutschland und in Europa
ringend um Hilfe bitten, weil Chavéz erreichen will,
ass selbstverständliche parlamentarische Rechte, die
ei uns gelten, vor allem die Minderheitenrechte der
pposition, beschnitten werden. So soll die Zusammen-
etzung des obersten Gerichts künftig mit einfacher
ehrheit beschlossen werden können. Sie haben uns an-
erufen, ihnen zu helfen, dass dieses Attentat auf die






(A) (C)



(B) )


Peter Weiß (Emmendingen)

parlamentarische Demokratie in Venezuela verhindert
wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

So unterschiedliche Auffassungen wir auch vertreten

und so unterschiedlich wir Chávez und seine Politik be-

die Zulassung des Referendums offiziell festgestellt wer-
den soll. Deshalb ist es gut, dass wir heute diese Debatte
führen. Das Referendum ist in der Verfassung vorgese-
hen. Die Opposition hat dafür 3,5 Millionen Unterschrif-
ten gesammelt. Das ist ein ausreichendes Quorum. Der-
zeit prüft der unabhängige Wahlrat die Unterschriften.
werten, so sollten wir uns doch um der Selbstachtung als
Parlamentarier willen über alle Fraktionen hinweg in
einem Punkt einig sein: Wenn uns Abgeordnetenkolle-
ginnen und -kollegen um Hilfe bitten, wenn ihre selbst-
verständlichen parlamentarischen Rechte, wie sie jeder
von uns im Bundestag hat und wie sie sich jeder für das
Parlament eines demokratischen Landes wünscht, be-
schnitten werden sollen, dann sollte ihnen unsere ein-
deutige und uneingeschränkte Solidarität gelten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Ströbele steht ganz allein!)


Chávez war in der Tat in politischer Hinsicht eine
Hoffnung für die Armen. Deshalb ist er ins Amt gekom-
men. Aber Chávez ist längst zu einem Risiko für die Ar-
men in seinem Land geworden. Mittlerweile leben
36 Prozent der Venezolaner unterhalb der Armutsgrenze;
sie haben also täglich weniger als 1 US-Dollar zum Le-
ben. Insgesamt 81 Prozent der Venezolaner müssen als
arm oder kritisch arm bezeichnet werden.

Auf den Straßen von Caracas und in den Städten und
Dörfern Venezuelas ist mit Händen zu greifen und zu er-
leben, wie die Zahl der fliegenden Händler in den ver-
gangenen Monaten dramatisch zugenommen hat. Das
heißt, die Schwarzarbeit breitet sich aus, während die le-
gale Beschäftigung im offiziellen Sektor dramatisch
sinkt. Kollege Löning hat bereits erwähnt, dass vor allem
die kleinen und mittleren Unternehmen massiv in ihrer
Existenz gefährdet sind.

Politisch ist das Land tief gespalten. Durch alle ge-
sellschaftlichen Schichten und durch die Familien geht
ein immer tieferer Riss zwischen Chávinisten und
Gegnern des derzeitigen Präsidenten. Aufgabe eines Prä-
sidenten wäre es, das Volk zusammenzuführen und einen
Konsens zu bilden. Dieser Präsident aber macht das
Gegenteil: Er spaltet das Land weiter zuungunsten der
Lebensbedingungen der Menschen in Venezuela.


(Claudia Nolte [CDU/CSU]: Das ist das Problem!)


Er heizt den politischen Konflikt zusätzlich an, schafft
Parallelstrukturen zu den bestehenden Institutionen und
– ich habe es bereits erwähnt – setzt dazu an, die Rechte
des Parlaments auszuhebeln.

Eine Lösung des tief greifenden politischen und wirt-
schaftlichen Konflikts in Venezuela mit seinen negativen
Auswirkungen auf die gesamte Region kann das Refe-
rendum bringen. Morgen ist eigentlich der Tag, an dem

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ie wird die Regierung Chávez damit umgehen? Die
on ihren Anhängern inszenierte Begleitmusik lässt
chlimmstes befürchten. Öffentlich erklären Mitglieder
er Regierung Chávez, dass das Referendum auf keinen
all zustande kommen dürfe, dass man notfalls
Millionen der 3,5 Millionen Unterschriften für ungül-
ig erklären müsse, dass man sogar mit Gewalt gegen ein
ögliches Referendum vorgehen müsse. Die von der
pposition gestellten Mitglieder des Wahlausschusses
erden von der politischen Polizei bespitzelt. Ihre Tele-
onate werden abgehört.
Wenn es nicht zu diesem Referendum kommt, dann

erliert die Regierung Chávez, so behaupte ich, den letz-
en Anschein demokratischer Legitimation und beschrei-
et Venezuela den Weg einer autoritären Diktatur. Wir
ollten gemeinsam versuchen, das zu verhindern.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509126400

Herr Kollege Weiß, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1509126500

Natürlich, Frau Präsidentin. – Alle Beobachter sagen

ns, das Einzige, worauf Chávez reagiere, sei internatio-
aler Druck. Unsere Verantwortung als Europäer und als
eutsche ist, einen solchen Druck aufzubauen, durch
en vielleicht Chávez und Venezuela noch kurz vor dem
bgrund auf den Weg der Besserung gebracht werden
önnen.
Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1509126600

Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
rucksache 15/2389 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-

rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-

estages auf morgen, Freitag, den 13. Februar 2004,
Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.