Protokoll:
15066

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 66

  • date_rangeDatum: 16. Oktober 2003

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:37 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 15/66 zum Stand der Deutschen Einheit 2003 CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP: Einsetzung einer ge- meinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung (Drucksache 15/1685) . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Thierse, Präsident . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Böhmer, Präsident des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . Otto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krista Sager BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . (Drucksache 15/1550) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kretschmer CDU/CSU . . . . . . . . . . Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg Schönbohm, Minister Brandenburg . . . . Peter Hettlich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . Siegfried Scheffler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 5590 B 5590 C 5593 A 5595 A 5598 C 5601 A 5601 D 5603 C 5618 C 5618 C 5620 D 5621 B 5621 C 5623 D 5625 C 5626 D 5627 C 5628 A Deutscher B Stenografisch 66. Sitz Berlin, Donnerstag, den I n h a l Nachträgliche Gratulation zum 60. Geburtstag des Abgeordneten Walter Riester . . . . . . . . . Benennung des Abgeordneten Klaus Brandner als stellvertretendes Mitglied des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 13, 17 und 25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begrüßung des algerischen Parlamentspräsi- denten Younès und seiner Delegation . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ V D E P W D T 5589 A 5589 A 5589 B 5590 B 5590 A 5598 B Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . Volker Kauder CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 5603 C 5607 C undestag er Bericht ung 16. Oktober 2003 t : olker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . rnst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . etra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . ilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . . . . . Helmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU . . agesordnungspunkt 5: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahresbericht der Bundesregierung 5609 B 5610 D 5612 B 5613 B 5614 A 5615 C 5616 B Werner Kuhn (Zingst) CDU/CSU . . . . . . . . . Siegfried Scheffler SPD . . . . . . . . . . . . . 5630 B 5631 D II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 Tagesordnungspunkt 6: a) Große Anfrage der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Aktuelle Eisen- bahnpolitik in der 15. Wahlperiode (Drucksachen 15/234, 15/1106) . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Zurückdrehen der Bahnreform stoppen (Drucksache 15/1591) . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bay- reuth), Rainer Brüderle, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: Einsetzung einer Kommission der Bundesregierung zur Fortsetzung der Bahnreform (Drucksachen 15/66, 15/1294) . . . . . . Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . Albert Schmidt (Ingolstadt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eduard Lintner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Karin Rehbock-Zureich SPD . . . . . . . . . . . . . Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . Heinz Paula SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Verkehrsstatistik (Drucksachen 15/1666, 15/1706) . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll Nr. 7 vom 27. November 2002 zu der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 (Drucksache 15/1649) . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung aufsichts- rechtlicher Bestimmungen zur 5633 C 5633 C 5633 C 5633 D 5635 B 5636 D 5637 D 5639 D 5641 A 5642 C 5644 B 5646 B 5646 B Sanierung und Liquidation von Ver- sicherungsunternehmen und Kredit- instituten (Drucksache 15/1653) . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Zustimmung zur Änderung der Satzung des Europäi- schen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (Drucksache 15/1654) . . . . . . . . . . . . . e) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Juli 2001 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ös- terreich über den Verlauf der ge- meinsamen Staatsgrenze im Grenz- abschnitt „Salzach“ und in den Sektionen I und II des Grenzab- schnitts „Scheibelberg-Bodensee“ sowie in Teilen des Grenzabschnitts „Innwinkel“ (Drucksache 15/1655) . . . . . . . . . . . . . f) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung gemein- schaftsrechtlicher Vorschriften über die Verarbeitung und Beseitigung von nicht für den menschlichen Ver- zehr bestimmten tierischen Neben- produkten (Drucksache 15/1667) . . . . . . . . . . . . . g) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Saatgutverkehrsgesetzes (Drucksache 15/1645) . . . . . . . . . . . . . h) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Verfütterungsverbotsgesetzes (Drucksache 15/1668) . . . . . . . . . . . . . i) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Deutschen Rich- tergesetzes (Drucksache 15/1471) . . . . . . . . . . . . . j) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (Drucksache 15/1497) . . . . . . . . . . . . . k) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrens- gesetzes und zur Änderung des Aus- ländergesetzes (Drucksache 15/903) . . . . . . . . . . . . . . 5646 B 5646 C 5646 C 5646 C 5646 D 5646 D 5646 D 5647 A 5647 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 III l) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebe- nengesetzes (Drucksache 15/911) . . . . . . . . . . . . . . m) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 17. Oktober 2000 über die An- wendung des Art. 65 des Überein- kommens über die Erteilung euro- päischer Patente (Drucksache 15/1647) . . . . . . . . . . . . . n) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Geset- zes über internationale Patentüber- einkommen (Drucksache 15/1646) . . . . . . . . . . . . . o) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz des olympi- schen Emblems und der olympi- schen Bezeichnungen (OlympSchG) (Drucksache 15/1669) . . . . . . . . . . . . . p) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Siebten Gesetzes zur Än- derung des Bundesverfassungsge- richtsgesetzes (Drucksache 15/1686) . . . . . . . . . . . . . q) Antrag der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Ulrich Heinrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ausnahmeregelung für Kraft- fahrzeug-Haftpflichtversicherung für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge erhalten (Drucksache 15/759) . . . . . . . . . . . . . . r) Antrag der Abgeordneten Markus Löning, Horst Friedrich (Bayreuth), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Lärmschutz an der An- halter Bahn - Folgen der Teilung Berlins überwinden (Drucksache 15/1115) . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Antrag der Bundesregierung: Fortset- zung und Erweiterung der Beteili- gung bewaffneter deutscher Streit- kräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunter- stützungstruppe in Afghanistan auf Grundlage der Reso-lutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 T T 5647 A 5647 A 5647 B 5647 B 5647 B 5647 C 5647 C (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002 und 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Drucksache 15/1700) . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Si- cherheit von technischen Arbeits- mitteln und Verbraucherprodukten (Drucksache 15/1620) . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 13. Januar 2003 zwischen der Regie- rung der Bundesrepublik Deutsch- land und der Regierung der Sonder- verwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China zur Vermei- dung der Doppelbesteuerung von Schifffahrtsunternehmen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksache 15/1644) . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 27: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. April 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Durchführung der Flugver- kehrskontrolle durch die Bundesre- publik Deutschland über niederlän- dischem Hoheitsgebiet und die Auswirkungen des zivilen Betriebes des Flughafens Niederrhein auf das Hoheitsgebiet des Königreichs der Niederlande (Gesetz zu dem deutsch-niederländischen Vertrag vom 29. April 2003 über den Flug- hafen Niederrhein) (Drucksachen 15/1522, 15/1651, 15/ 1697) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b–g) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses: Sammelübersichten 58, 60, 61, 62, 63 und 64 zu Petitionen (Drucksachen 15/1536, 15/1569, 15/ 1570, 15/1571, 15/1572, 15/1573) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 7: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Michael Fuchs, Karl-Josef Laumann, weiterer 5647 D 5647 D 5648 A 5648 B 5648 C–5649 A IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Freiheit wagen – Büro- kratie abbauen (Drucksache 15/1330) . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Anreize zum Bürokratieabbau setzen – Bürokratiekosten-TÜV ein- richten (Drucksache 15/1006) . . . . . . . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Dirk Niebel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Abbau von Bürokratie sofort einleiten (Drucksachen 15/65, 15/1183) . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Den Weg für Investition und Innovation durch den Abbau bürokratischer Hemmnisse frei machen (Drucksache 15/1707) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Fuchs CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Bürsch SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tanja Gönner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) CDU/CSU . . . . . Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin BMI . . . . . . . Dr. Michael Fuchs CDU/CSU . . . . . . . . . Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Andrea Astrid Voßhoff CDU/CSU . . . . . . . . Walter Hoffmann (Darmstadt) SPD . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) CDU/CSU . . . . . Walter Hoffmann (Darmstadt) SPD . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs D H M B D T G D A M D J T D H D S D O G O G F C 5649 A 5649 B 5649 B 5649 C 5649 D 5652 A 5653 C 5655 C 5656 D 5657 A 5657 C 5658 D 5659 B 5660 C 5660 D 5662 B 5663 D 5664 B eines Gesetzes zu dem Protokoll von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit zum Überein- kommen über die biologische Vielfalt (Drucksachen 15/1519, 15/1652, 15/1737) r. Ernst Ulrich von Weizsäcker SPD . . . . . elmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . . . . . . atthias Berninger, Parl. Staatssekretär MVEL. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christel Happach-Kasan FDP . . . . . . . . . agesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Günther Friedrich Nolting, Helga Daub, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Wehrpflicht aussetzen (Drucksache 15/1357) . . . . . . . . . . . . . . . ünther Friedrich Nolting FDP . . . . . . . . . . r. Hans-Peter Bartels SPD . . . . . . . . . . . . . nita Schäfer (Saalstadt) CDU/CSU . . . . . . arianne Tritz BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ürgen Herrmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur wirksamen Bekämp- fung organisierter Schleuserkriminali- tät (Gesetz zur Änderung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundes- grenzschutzgesetzes) (Drucksache 15/1560) . . . . . . . . . . . . . . . r. Ole Schröder CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . ans-Peter Kemper SPD . . . . . . . . . . . . . . . . r. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ilke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . tto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . ünter Baumann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . tto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ünter Baumann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . ritz Rudolf Körper SPD . . . . . . . . . . . . . . . lemens Binninger CDU/CSU . . . . . . . . . . . 5664 D 5665 A 5666 B 5667 D 5668 D 5669 D 5670 A 5671 B 5673 D 5675 A 5676 B 5677 C 5677 D 5678 D 5680 A 5680 D 5681 C 5682 D 5683 D 5684 A 5684 B 5684 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 V Ernst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung der Regelungen über Altschulden landwirtschaftlicher Un- ternehmen (Landwirtschafts-Altschul- dengesetz – LwAltschG) (Drucksache 15/1662) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär BMVEL. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Jahr CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Behm BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . . Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) SPD . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Maria Böhmer, Wolfgang Bosbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Verbot des Klonens mit menschlichen Embryonen weltweit durchsetzen (Drucksache 15/301) . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Hubert Hüppe, Christa Nickels und weiterer Abgeordneter: For- schungsförderung der Europäi- schen Union unter Respektierung ethischer und verfassungsmäßi- ger Prinzipien der Mitgliedstaa- ten – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper und weiterer Abgeordneter: Kein Aus- stieg aus der gemeinsamen Ver- antwortung für die europäische Stammzellforschung (Drucksachen 15/1310, 15/1346, 15/1725) Kerstin Müller, Staatsministerin AA . . . . . . . Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Wodarg SPD . . . . . . . . . . . . . . U D D H R T F B H H H S D D G K T A B R U D J P 5685 B 5685 C 5686 C 5686 D 5687 D 5689 D 5690 D 5691 B 5692 A 5693 A 5693 B 5693 C 5694 C 5695 D Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . lrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vera Dominke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . r. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ubert Hüppe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . ené Röspel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 14: Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes über eine einmalige Entschädi- gung an die Heimkehrer aus dem Beitrittsgebiet (Heimkehrerentschädi- gungsgesetz) (Drucksachen 15/407, 15/1625, 15/1626) ritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär MI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . artmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU . . ans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . artmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU . . ilke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . erold Reichenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . laus Brähmig CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen zu dem Antrag der Abgeord- neten Petra Weis, Eckhardt Barthel (Ber- lin), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Die Qualitätsoffensive für gutes Planen und Bauen voranbringen (Drucksachen 15/1092, 15/1683) . . . . . . . chim Großmann, Parl. Staatssekretär MVBW. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . enate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . rsula Sowa BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . oachim Günther (Plauen) FDP . . . . . . . . . . etra Weis SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5696 C 5697 A 5697 D 5698 A 5699 A 5700 C 5701 C 5701 D 5702 D 5704 A 5704 C 5705 A 5705 D 5706 C 5707 A 5708 C 5710 A 5710 B 5711 B 5713 C 5714 A 5714 D VI Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 Tagesordnungspunkt 16: a) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Jörg van Essen, Daniel Bahr (Münster), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Grundgesetzes (Art. 48 Abs. 3) (Drucksache 15/751) . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Jörg van Essen, Daniel Bahr (Münster), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Vierundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abge- ordnetengesetzes (Drucksache 15/753) . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Vierundzwanzigsten Gesetzes zur Än- derung des Abgeordnetengesetzes (Drucksache 15/1687) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (Drucksache 15/1663) . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Helge Braun, Katherina Reiche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Klini- sche Prüfung in Deutschland entbüro- kratisieren (Drucksache 15/1345) . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . A V h d M D A D ( A Z ü e r e p P A Z – – ( g D E S D R A Z ü r n E M A F D D B 5716 A 5716 B 5716 B 5716 C 5716 D 5717 D 5718 C 5719 A nlage 2 erbesserung des Genossenschaftsrechts insichtlich der Sicherung der Einlagen er Genossenschafter bei Insolvenz dlAnfr 2 r. Gesine Lötzsch fraktionslos ntw PStSekr Hans Georg Wagner BMVg . . rucksache 15/1676 65. Plenarsitzung, Tagesordnungspunkt 3) nlage 3 u Protokoll gegebene Rede zur Beratung ber den Entwurf eines Gesetzes über eine inmalige Entschädigung an die Heimkeh- er aus dem Beitrittsgebiet (Heimkehrer- ntschädigungsgesetz) (Tagesordnungs- unkt 14) etra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 4 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 48 Abs. 3) Entwurf eines Vierundzwanzigsten Ge- setzes zur Änderung des Abgeordneten- gesetzes Tagesordnungspunkt 16 a und b, Zusatzta- esordnungspunkt 4) r. Uwe Küster SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . . . . ilke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 5 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung ber den Entwurf eines Gesetzes zur Ände- ung des Gesetzes über die Errichtung ei- er Bundesanstalt für Landwirtschaft und rnährung (Tagesordnungspunkt 18) atthias Weisheit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . lbert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . riedrich Ostendorff BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär MVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5719 B 5719 C 5720 A 5721 B 5722 B 5723 A 5724 A 5724 C 5726 D 5727 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 VII Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über den Antrag: Klinische Prüfung in Deutschland entbürokratisieren (Tagesord- nungspunkt 7 b) Dr. Carola Reimann SPD . . . . . . . . . . . . . . . Helge Braun CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5728 B 5730 A 5732 A 5733 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 5589 (A) ) (B) ) 66. Sitz Berlin, Donnerstag, den Beginn: 9.0
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    1) Anlage 6 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 5719 (A) ) (B) ) pflicht, besonders hingewiesen werden sollten. rer zuzustimmen. Folgen einer Insolvenz, z. B. eine etwaige Nachschuss- d estag bereit gewesen, der Entschädigung für Heimkeh- Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans Georg Wagner auf die Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (fraktions- los) (Drucksache 15/1676, Frage 2, 65. Sitzung): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, das Ge- nossenschaftsrecht dahin gehend zu verbessern, dass bei einer Insolvenz – wie bei der Konsumgenossenschaft Berlin – die Einlagen der Genossenschafter – ähnlich wie beim Einlagen- sicherungsfonds der Banken – zumindest teilweise gesichert werden können? Im Insolvenzfall einer Genossenschaft stellen die Ge- schäftsguthaben der Genossen, die aus den eingezahlten Einlagen gebildet werden, die Haftungsmasse für den Gläubiger dar. Die Genossen sind gleichsam die Eigen- tümer des Schuldners, sie befinden sich damit in der Schuldnerrolle. Das wird vor allem dann deutlich, wenn das Statut der Genossenschaft für den Insolvenzfall eine Nachschusspflicht vorsieht. Im Gegensatz hierzu sind die Kunden einer Bank, die bei dieser Giroguthaben, Termin- und Spargelder unter- halten, Insolvenzgläubiger. Der Einlagensicherungs- fonds schützt bei Zahlungsunfähigkeit eines privaten Kreditinstituts die Kunden als Gläubiger der Bank vor dem Verlust ihrer Spareinlagen. Aus genossenschaftsrechtlicher Sicht gibt der er- wähnte Insolvenzfall jedoch Anlass zu Überlegungen, ob die Genossen bei Eintritt in eine Genossenschaft auf die A l d e d s i w g w g d n l g i t i a G d A g W V b s L s d s k n d Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16.10.2003 Haack (Extertal), Karl Hermann SPD 16.10.2003 Hartnagel, Anke SPD 16.10.2003 Dr. Hoyer, Werner FDP 16.10.2003 Lensing, Werner CDU/CSU 16.10.2003 Nitzsche, Henry CDU/CSU 16.10.2003 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 16.10.2003 Schröder, Gerhard SPD 16.10.2003 Stübgen, Michael CDU/CSU 16.10.2003 (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht nlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung über den Entwurf eines Gesetzes über eine einmalige Entschädigung an die Heim- kehrer aus dem Beitrittsgebiet (Heimkehrerent- schädigungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 14) Petra Pau (fraktionslos): Herr Präsident! Liebe Kol- eginnen und Kollegen! Ich habe in der 14. Wahlperiode es Deutschen Bundestages, als wir uns hier im Plenum rstmals mit diesem Thema befassten, namens meiner amaligen Fraktion Unterstützung für das Anliegen die- es Gesetzentwurfes signalisiert. Das meinte und meine ch nach wie vor sehr ernst. Die PDS im Bundestag war damals bereit – zumindest enn es um die Abstimmung über diesen Gesetzestext ing – darüber hinwegzusehen, dass in der Begründung, elche ja keine Auswirkungen auf Zahlungen hat, Dinge leichgesetzt werden, die nicht gleichzusetzen sind. Ich enke, es sollte Schluss damit sein, die Zwangsarbeiterin- en und Zwangsarbeiter, die bis heute erst geringe Zah- ungen an Entschädigung gesehen haben, mit denjenigen leichzusetzen, um die es in diesem Gesetzentwurf geht. So weit, so gut. Nun aber zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates. In hm ist immer noch § 2 Abs. 2 des damaligen CDU-An- rages enthalten. Bereits in der 14. Wahlperiode habe ich mmer gedacht, dass dies entweder zu heilen sei oder ber dass sich hier etwas eingeschlichen hat, was den esetzentwurf ad absurdum führen sollte. Ich lese Ihnen en Satz, um den es hier geht, noch einmal vor: Die einmalige Entschädigung erhalten solche Heimkehrer nicht, die vor oder nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges einem totalitären System er- heblich Vorschub geleistet oder durch ihr Verhalten gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben. Meinen Sie denn ernsthaft, dass der 2. Weltkrieg kein ngriffs- und Vernichtungskrieg war und dass diejeni- en welche freiwillig oder gezwungen als Soldaten der ehrmacht in diesen Krieg gezogen sind, damit nicht an erletzungen der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit eteiligt waren? Mit diesem Absatz führen Sie dies doch selbst ad ab- urdum. Da hilft auch nicht das Argument, dass in allen eistungsgesetzen in Bezug auf die ehemalige DDR ein olcher Absatz geschrieben steht. Ich denke, er sollte aus iesem Gesetzentwurf herausgenommen werden, da man oziale Leistungen nicht mit dem Strafrecht verbinden ann. Es ist schade, dass Sie die Chance bis heute nicht ge- utzt haben, diesen Absatz herauszunehmen. Hätten Sie iesen Schritt getan, dann wäre auch die PDS im Bun- 5720 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 (A) ) (B) ) Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 48 Abs. 3) – Entwurf eines Vierundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes (Tagesordnungspunkt 16 a und b, Zusatztages- ordnungspunkt 4) Dr. Uwe Küster (SPD): Ich möchte zunächst näher auf den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Än- derung des Abgeordnetengesetzes eingehen. Das Abge- ordnetengesetz sieht für Abgeordnete des Bundestages eigentlich kein Sterbegeld vor. Hinterbliebene von ver- storbenen Abgeordneten steht vielmehr nach § 24 des Abgeordnetengesetzes ein so genanntes Überbrückungs- geld zu. Das Überbrückungsgeld hat den Zweck, als fürsorge- ähnliche Leistung den Hinterbliebenen von Abgeordne- ten nach dem Todesfall finanziell den Übergang und die Umstellung auf die neuen Lebensverhältnisse zu erleich- tern. Das Überbrückungsgeld ist vergleichbar mit ähnli- chen Leistungen aufgrund gesetzlicher oder tarifvertrag- licher Regelungen. Ich nenne hier nur die Regelungen im Rentenrecht, § 67 SGB VI, Regelungen im Beamtenver- sorgungsgesetz, § 18 BeamtVG, und tarifvertragliche Regelungen, wie zum Beispiel in § 41 BAT. Das Überbrückungsgeld dient aber auch der Abde- ckung von Bestattungskosten. Insoweit entspricht es dem bisherigen Sterbegeld in der gesetzlichen Krankenversi- cherung und einer ähnlichen Regelung für Beihilfeemp- fänger. Mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen wird der Bestattungskostenanteil im Überbrückungsgeld gestrichen. Die Abgeordneten des Bundestages werden damit den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversi- cherung und den Beihilfeempfängern gleichgestellt. Der Gesetzentwurf setzt die Streichung des Bestattungskos- tenanteils im Überbrückungsgeld dadurch um, dass der Bestattungskostenanteil im Überbrückungsgeld gestri- chen wird. Der Auszahlungsbetrag des Überbrückungs- geldes wird um 1 050 Euro vermindert. Dieser Betrag entspricht dem Zuschuss zu den Bestat- tungskosten in der gesetzlichen Krankenversicherung, §§ 58, 59 Sozialgesetzbuch V, bevor er in zwei Schritten erst halbiert und jetzt vollständig abgeschafft wurde. Nur anmerken möchte ich an dieser Stelle, dass auch Bundestagsabgeordnete schon heute unmittelbar von der Streichung des Sterbegeldes in der gesetzlichen Kran- kenversicherung bzw. in den Beihilfevorschriften betrof- fen sind. Abgeordnete des Bundestages sind nämlich vielfach Mitglieder der gesetzlichen Krankenversiche- rung oder beihilfeberechtigt. Die Kürzung des Sterbegel- des gilt schon deshalb in vielen Fällen automatisch für Bundestagsabgeordnete. Mit dem vorgelegten Gesetz- entwurf zur Kürzung des Überbrückungsgeldes um 1 050 Euro leisten die Mitglieder des Deutschen Bun- d d g a b g d z z k n r ü ä M ü J P n g la z ti li R s d s A s G s c l d h d d s d te d D g d F G S B g c z „ m a s (C (D estages einen zusätzlichen Sparbeitrag. Abgeordnete es Bundestages werden mit dieser Neuregelung des Ab- eordnetengesetzes behandelt wie jeder andere Bürger uch: nicht besser, aber auch nicht schlechter. Dennoch war in der Zeitung mit den großen Buchsta- en, „Bild“-Zeitung, 11. Oktober 2003, vor einigen Ta- en ein aus meiner Sicht unqualifiziertes Zitat des Präsi- enten des Bundes der Steuerzahler, Karl-Heinz Däke, u lesen. Herr Däke erklärte dort zu der geplanten Geset- esänderung kurzerhand – ich zitiere –: „Die Politik ver- auft die Bürger mal wieder für dumm.“ Dazu kann ich ur an die Meinungsträger in unserem Lande appellie- en, dass sie in ihren öffentlichen Äußerungen sachlich ber die Abgeordneten des Deutschen Bundestages ußern. Nach meiner festen Überzeugung obliegt allen einungsträgern eine hohe Verantwortung dafür, dass ber das Parlament sachgerecht und fair berichtet wird. ede andere Verhaltensweise untergräbt die Würde des arlaments, das Ansehen des Bundestages und das sei- er Abgeordneten in der Öffentlichkeit. Durch Äußerun- en, wie der von Herrn Dr. Däke, wird letztlich der par- mentarischen Demokratie in Deutschland Schaden ugefügt. Damit schließe ich sachlich vorgetragene Kri- k gegenüber Bundestagsabgeordneten selbstverständ- ch nicht aus. Ich kann damit nahtlos zum zweiten Punkt meiner ede überleiten. Die FDP-Fraktion möchte mit ihren Ge- etzesanträgen erreichen, dass künftig eine beim Bun- espräsidenten einzusetzende Sachverständigenkommis- ion zur Ermittlung und Festsetzung der angemessenen bgeordnetenentschädigung geschaffen wird. Hierzu chlägt die FDP-Fraktion eine Änderung des Art. 48 des rundgesetzes und eine Änderung des Abgeordnetenge- etzes vor. Der Vorschlag der FDP-Fraktion ist in der Sa- he nicht neu. Ich glaube, sie hat Ähnliches bereits in der etzten Wahlperiode gefordert. Auch das Anliegen, das ahinter steht, ist bekannt. Es soll der immer wieder er- obene Vorwurf der „Selbstbedienung“ durch die Bun- estagsabgeordneten entkräftet werden. Ziel ist auch die amit verbundene öffentliche Kritik zu vermeiden. Ungeachtet der beachtenswerten Zielsetzung der Ge- etzesentwürfe der FDP-Fraktion meine ich, dass wir an em Modell der gesetzlichen Regelung der Abgeordne- nentschädigung festhalten sollten. Dieses entspricht er Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. ieses entspricht aber auch meiner politischen Überzeu- ung. Die Abgeordnetenentschädigung für Mitglieder es Deutschen Bundestages ist stets auch eine politische rage. Und politische Fragen sollte der Bundestag als esetzgeber entscheiden. Wir sollten dies nicht externen achverständigen überlassen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es Aufgabe des undestages als Gesetzgeber ist, über die Bezüge der Ab- eordneten zu entscheiden. Nur dann besteht eine hinrei- hende Legitimation von Entscheidungen über die Be- üge von Abgeordneten. Den populistischen Vorwurf der Selbstbedienung“ müssen die Abgeordneten ertragen. Sie können und sollten ihn aber auch entkräften. Ich eine, sagen zu können, dass der Bundestag immer ver- ntwortlich mit der Festsetzung der Abgeordnetenent- chädigung umgegangen ist. Es gab in Abhängigkeit von Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 5721 (A) ) (B) ) der ökonomischen Situation in Deutschland in den ver- gangenen Jahren viele Nullrunden. Anhebungen der Ab- geordnetenentschädigung fielen stets moderat aus und orientierten sich an der allgemeinen Entwicklung der Löhne und Gehälter. Dieses wird im Übrigen auch wie- der im Jahre 2004 so sein. Es bleibt dabei, dass die eigentlich fällige Anhebung der Abgeordnetenentschädigung zum l. Januar 2004 nicht vorgenommen wird. Ich glaube hierzu besteht in diesem Hause eine große Übereinstimmung. In der Ein- setzung einer unabhängigen Kommission zur Diätenfest- setzung beim Bundespräsidenten sehe ich keinen Vorteil. Zunächst ist es schon bemerkenswert, dass ausgerechnet die FDP-Bundestagsfraktion dies vorschlägt. Aus dieser Ecke des Hauses kommt häufig Kritik, wenn neue Kom- missionen eingesetzt werden. Die Kommission soll nach den Vorstellungen der FDP-Fraktion offenbar konkrete Vorschläge zur Diäten- höhe erarbeiten und festlegen. Der Bundespräsident hat diese unabhängige Kommission zu berufen. Der Gesetz- geber selbst soll – wenn ich den Gesetzentwurf der FDP- Fraktion richtig verstanden habe – keinen Einfluss mehr auf die Diätenhöhe haben. Wir werden uns in den zu- ständigen Ausschüssen damit noch intensiv auseinander zu setzen haben. Ich bin aber auch der Meinung, dass der Deutsche Bundestag das Recht, die Diäten für seine Mitglieder festzusetzen, nicht aufgeben sollte. Nur dieses ermög- licht ein transparentes und öffentliches Verfahren in die- ser Frage. Die Mitglieder des Deutschen Bundestages können stolz darauf sein, dass über ihre Einkünfte in einem öf- fentlichen Verfahren entschieden wird. Die parlamentari- sche Behandlung der Festsetzung der Abgeordnetenent- schädigung ermöglicht es jedermann, die Entscheidung über die Höhe der Abgeordnetenentschädigung nachzu- vollziehen. Dieses ist sonst in kaum einem anderen Be- rufszweig der Fall. Gerade beim Thema Abgeordneten- entschädigung sollte sich der Deutsche Bundestag nicht verstecken. Alle Parlamentarier sollten offensiv vertre- ten, dass sie ihre Entschädigung zu Recht bekommen: Alle Parlamentarier nehmen mit ihrem Mandat eine er- hebliche Arbeitslast und Verantwortung auf sich. Es ist notwendig, den Bundestagsabgeordneten eine angemes- sene Entschädigung zu zahlen. Nur dann können wir auch weiterhin qualifizierte Menschen gewinnen, die be- reit sind, ein Abgeordnetenmandat zu übernehmen. Eckhart von Klaeden (CDU/CSU): Wir Abgeord- nete werden immer wieder dafür kritisiert, dass wir selbst über die Höhe unserer Einkünfte bestimmen. Der Vorwurf der Selbstbedienung der Abgeordneten wird da- bei regelmäßig in der Öffentlichkeit erhoben. Nun heißt es in Art. 48 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes: „Die Ab- geordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung.“ Seit seinem Bestehen beschäftigt den Bundestag und auch die inte- ressierte Öffentlichkeit vor allem die Frage: Was ist an- gemessen? l d e n b s s t v M o A b s s k l d s d D e n a d w s a d S d s s w 1 v s g s d b p s G „ s z i M a d A (C (D In der vorletzten Wahlperiode haben wir einvernehm- ich in das Abgeordnetengesetz geschrieben, dass sich ie Abgeordnetenentschädigung an den Jahresbezügen ines Richters bei einem obersten Bundesgericht oder ei- es kommunalen Wahlbeamten auf Zeit – also an R 6 zw. B 6 – orientieren soll. Ich denke, dass dieser Maß- tab die Frage der Angemessenheit sachlich beantwortet. Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfas- ungsgerichts handelt es sich allerdings um eine poli- isch gesetzte Größe. Aufgrund mehrerer Nullrunden der ergangenen Jahre bleiben die Diäten hinter diesem aßstab mit nahezu 900 Euro zurück. Gleichzeitig haben wir seinerzeit auch in das Abge- rdnetengesetz aufgenommen, über die Anpassung der bgeordnetenentschädigung innerhalb des ersten hal- en Jahres nach der konstituierenden Sitzung zu ent- cheiden. Den nach dem Verfahren vorgesehenen Vor- chlag hat der Bundestagspräsident nicht gemacht. Doch ein Vorschlag ist wohl auch ein Vorschlag. Ich kann den Präsidenten angesichts der katastropha- en gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation, in ie uns die rot-grüne Bundesregierung geführt hat, ver- tehen. Rekordarbeitslosigkeit und historische Höhen er Neuverschuldung geben wahrlich keinen Grund für iätendebatten. Insbesondere ist es ausgeschlossen, die igenen Diäten zu erhöhen, wenn man Kürzungen vor- immt, deren Notwendigkeit man vor der Wahl noch usdrücklich ausgeschlossen hatte. Insofern bin ich mit em Bundestagspräsidenten einer Meinung. Nun will uns die FDP einen Weg aus unserem immer iederkehrenden Dilemma zeigen. Sie hat ihre Vor- chläge aus der vergangenen Wahlperiode, die seinerzeit bgelehnt bzw. nicht zu Ende beraten wurde, erneut auf en Tisch gelegt. Die FDP schlägt vor, eine unabhängige achverständigenkommission durch den Bundespräsi- enten zu berufen, die jährlich die Höhe der Diäten fest- etzen soll. Hierfür sollen sowohl das Abgeordnetenge- etz als auch Art. 48 Abs. 3 des Grundgesetzes geändert erden. Außerdem soll die Kommission bis zum . April 2004 die rechtliche Angemessenheit der Alters- ersorgung der Abgeordneten überprüfen und einen Vor- chlag unterbreiten, „wie das bestehende Altersversor- ungsrecht insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer tärkeren Eigenverantwortung der Mitglieder des Bun- estages geändert werden kann.“ Auf der Grundlage des geltenden Verfassungsrechts egegnet eine unabhängige Kommission beim Bundes- räsidenten mit eigener Entscheidungsbefugnis verfas- ungsrechtlichen Bedenken. Unter Berücksichtigung der rundsätze, die das Bundesverfassungsgericht 1975 im Diäten-Urteil“ dargelegt hat, wird vielfach ein umfas- ender Parlamentsvorbehalt angenommen. Ob bei Änderung des Art. 48 Abs. 3 des Grundgeset- es wie die FDP vorschlägt – die Übertragung möglich st, wird in Fachkreisen unterschiedlich beurteilt. Als aßstab wird hier von vielen die Untastbarkeitsgarantie us Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes wegen Berührung es Rechtsstaats- und Demokratieprinzips nach Art. 20 bs. 2 des Grundgesetzes herangezogen. 5722 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 (A) ) (B) ) Auch stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, neben Bundestag, Bundesrat, der Bundesversammlung, dem Bundespräsident, Bundeskanzler, der Bundesregierung und dem Bundesverfassungsgericht mit dieser Kommis- sion möglicherweise ein weiteres Verfassungsorgan zu schaffen, dessen einzige Aufgabe es ist, die Höhe der Abgeordnetenentschädigung festzusetzen. Unabhängig davon wird zudem zu erörtern sein, ob die von der FDP angestrebte Übertragung der Entscheidungsbefugnis ihr Ziel einer politischen Entlastung der Abgeordneten auch erreicht. Aber trotz all dieser Bedenken habe ich Verständnis und Sympathie für den Vorschlag der FDP, die Entschei- dung über die Diätenhöhe aus dem Parlament heraus zu verlagern und so den Vorwurf der Selbstbedienung zu vermeiden. Angesichts der verfassungsrechtlichen und verfas- sungspolitischen Fragen, die hier zu klären sind, bin ich gespannt auf die anstehenden Diskussionen in den Aus- schüssen. Die Union wird das Verfahren konstruktiv, verantwortungsbewusst und mit dem erforderlichen Au- genmaß begleiten. Das gilt im Übrigen selbstverständlich auch für den Vorschlag der SPD, dass Überbrückungsgeld für Hinter- bliebene eines Abgeordneten um den „Bestattungskos- tenanteil“ zu kürzen. Hierbei handelt es sich nicht – wie in der Berichterstattung in Unkenntnis des Sozialrechts immer wieder behauptet wurde – um das Nachvollziehen der Streichung des Sterbegeldes aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Abgeordnete sind nämlich wie je- der andere Bürger derselben Gehaltsklasse auch entwe- der freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder privat versichert. Für Abgeordnete gibt es also kein Sonderrecht. Trotzdem ist es ein richtiges Signal, den fiktiven Teil der Beerdigungskosten aus dem Überbrü- ckungsgeld zu streichen. Persönlich kann ich mir vor- stellen, noch weiter zu gehen und das Überbrückungs- geld komplett ersatzlos zu streichen. Ich halte es für zumutbar, dass Abgeordnete für diesen Fall eine private Versicherung abschließen. Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Debatten über die Bezahlung der Mitglieder des Bundestages ziehen sich durch die gesamte Ge- schichte der Bundesrepublik. Debatten über die Entloh- nung der Politikerinnen und Politiker haben aber immer zwei Gesichter. Es geht zum einen um Geld. In Zeiten knapper öffentlicher Kassen, stagnierender Realeinkom- men und leider notwendiger Streichungen im sozialen Bereich stellen – sich – die Bürger an uns immer wieder die Gerechtigkeitsfrage. Dem müssen wir uns selbst und ganz persönlich stellen. Kommissionen helfen uns da nicht weiter. Die Politik muss auch bei sich selbst Ab- striche machen. Will sie glaubwürdig von anderen Ver- zicht abverlangen, kann sie sich selbst keine Schonung auferlegen. Wir haben hier in dem Gesetzentwurf der Koalition zur Streichung des Sterbegeldes für Abgeordnete uns selbst genau das zugemutet, was wir auch den Mitglie- d h G s s d s F G g s d n o e g le ü P m v d g s s d n A s K g M H r f z h s a w n m G s v F D ti s s B g N z (C (D ern der gesetzlichen Krankenversicherung zugemutet aben. Das ist kein falscher Populismus, sondern eine este der Ehrlichkeit. Ich bin mir sicher, dass diese Bot- chaft in der Öffentlichkeit auch verstanden wird. An die Adresse der Öffentlichkeit sei aber auch ge- agt, dass die Gelder für Abgeordnete nur ein Bruchteil essen sind, was beispielsweise Manager aus der Wirt- chaft im Falle ihres Ausscheidens erhalten. Der Fall der ührung von Mannesmann ist allgemein bekannt. lücklicherweise wird dieser Fall vor Gericht ausgetra- en. Ich frage mich aber auch, was zum Beispiel der ge- chasste Chef von Toll Collect dafür bekommt, dass er ie LKW-Maut auf Grundeis gesetzt hat. Es wird nicht ur mich, sondern auch die Öffentlichkeit interessieren, b der Bund auf seinem Schaden sitzen bleibt, während s sich die Verantwortlichen durch dicke Abfindungen ut gehen lassen. Aus der Sicht der Öffentlichkeit geht es aber nicht al- in um Geld. Die Diskussion ist immer auch ein Spiegel ber die Zufriedenheit – oder Unzufriedenheit – mit der olitik insgesamt. Mit einer Diätendebatte allein kom- en wir dabei nicht aus. Wir Abgeordnete haben in den ergangenen Jahren zahlreiche Nullrunden gehabt, ohne ass dies von der Öffentlichkeit überhaupt zur Kenntnis enommen wurde. Die obersten Richter als Bezugsper- onen für unser Einkommen sind längst enteilt. Wir dürfen uns – parteiübergreifend – nicht der Illu- ion hingeben, mit finanziellen Zugeständnissen allein ie Kritik an uns und unserer Arbeit abwehren zu kön- en. Wir sollten auch mit mehr Selbstbewusstsein unsere rbeit öffentlich darstellen, statt immer wieder vor fal- chen Populisten in die Knie zu gehen. Bei manchen ritikern spielt wohl auch eine tief verwurzelte Abnei- ung gegen Streit und öffentliche Debatte eine Rolle. it Demutsgesten gegenüber dieser vordemokratischen armoniesehnsucht nach der allwissenden starken Füh- ung kommen wir ganz gewiss nicht weiter. Als Gesetzgeber werden wir aus dem Dilemma, in öf- entlicher Debatte immer wieder selbst über unsere Be- üge entscheiden zu müssen, nicht herauskommen. Da ilft uns auch keine Kommission. Das Bundesverfas- ungsgericht hat in seinem grundlegenden Diätenurteil us dem Jahre 1975 dem Bundestag selbst die Verant- ortung für die Einkommen zurückgegeben. Es ist kei- eswegs neu, wenn die FDP jetzt versucht, das Parla- ent seiner Verantwortung für die Festlegung der ehälter zu entledigen. Die Idee ist reichlich alt, fast terbegeldfähig. Der Vorschlag der FDP auf Drucksache 15/753 ist nur ordergründig charmant, in Wirklichkeit aber eine lucht aus der politischen Verantwortung. Nein, meine amen und Herren, das verfassungsrechtliche Demokra- egebot versperrt uns das Schlupfloch einer Kommis- ion, die anstelle des Parlaments entscheidet. Mich er- taunt auch, dass ausgerechnet die FDP eine neue ürokratie schaffen will. Es ist doch die FDP, die immer egen die Einrichtung von Kommissionen polemisiert. un fordert sie selber eine – ohne freilich deren Kosten u beziffern. Auf dem Vorblatt des Entwurfes heißt es le- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 5723 (A) ) (B) ) diglich: „Kosten für die Arbeit der Kommission“. Wer hätte das gedacht? Aber was kostet dieser neue Apparat, Herr van Essen? Abschließend noch eine Anmerkung zu Ihrem Ände- rungsvorschlag des Abgeordnetengesetzes. Die vom Bundespräsidenten ernannte Kommission soll einen Vor- schlag zur Altersentschädigung machen. Es erstaunt schon, dass Sie Ihren alten Vorschlag für eine völlige Privatisierung der Altersversorgung hier nicht mehr an- führen. Sie drücken sich um eine klare inhaltliche Aus- sage und verweisen auf das Verfahren. Offenbar haben Sie gemerkt, dass die völlige Privatisierung der Alters- vorsorge nur durch eine massive Erhöhung der Diäten zu finanzieren wäre. Das der Öffentlichkeit zu sagen, trauen sie sich natürlich nicht. Deshalb bleibt es bei der wolki- gen Formulierung einer „stärkeren Eigenverantwor- tung“. Das hört sich gut an, ist aber bei genauerem Hin- sehen nichts als ein sprachlicher Schleiertanz. Rainer Funke (FDP): Wer die Zeitungen der letzten Tage aufschlägt, sieht, dass das Thema Diäten wieder in aller Munde ist. Diesmal trifft es in erster Linie die Ab- geordneten des Europäischen Parlaments. Wir sehen aber auch an den zahlreichen Zuschriften und E-Mails, die wir tagtäglich in unsere Büros bekommen, dass das Thema Abgeordnetenentschädigung nach wie vor von hoher Brisanz für die Bürgerinnen und Bürger ist. Insbe- sondere vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussio- nen über die Reform unseres Sozialstaates und die damit verbundenen Kürzungen von Sozialleistungen wird ver- stärkt öffentlich über die Diäten der Abgeordneten dis- kutiert. Es gibt regelmäßig Vorbehalte in der Bevölke- rung bei der Diskussion über eine angemessene Anhebung der Entschädigung der Abgeordneten. Da eine solche Diskussion grundsätzlich von kritischen Be- trachtungen der Boulevardpresse begleitet wird, eignet sich das Thema kaum für parteipolitische Profilierungen. Regelmäßig wird gegen uns der Vorwurf der Selbstbe- dienung erhoben, denn kein anderer Berufsstand kann über den Umfang und die Struktur seiner Bezüge selbst entscheiden. Dabei wird jedoch übersehen, dass dies nicht dem Willen der Abgeordneten entspricht, sondern verfassungsrechtlich vorgegeben ist. Es führt kein Weg daran vorbei: Wir müssen uns dieser Diskussion stellen. Wir müssen endlich den Mut haben zu einer grundlegen- den Strukturreform der Abgeordnetenentschädigung. Wie Sie wissen, hat die FDP-Bundestagsfraktion be- reits in der vergangenen Wahlperiode Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht, in denen die Einsetzung ei- ner unabhängigen Kommission gefordert wird, die eine grundsätzliche Neuorientierung der Abgeordnetenent- schädigung verbindlich festlegt. Diese Kommission soll ebenfalls Entscheidungen treffen für alle damit verbun- denen Folgeregelungen, wie zum Beispiel das Überbrü- ckungsgeld, das Sterbegeld und die Altersvorsorge von Abgeordneten. Die Idee einer unabhängigen Kommis- sion ist nicht neu. Der Deutsche Bundestag berief bereits 1974 zur Frage der Besteuerung der Diäten einen Beirat für Entschädigungsfragen, 1990 ein Gremium unabhän- giger Persönlichkeiten zur Beratung der Bundestagsprä- sidentin bei der Überprüfung der für die Mitglieder des B z f e r R D w m d a t A G B m r d V h B g v n d c s P m d t m c S e d b e F A h c m d v r w d m g z s v t (C (D undestages bestehenden materiellen Regelungen und uletzt 1992 die unabhängige Kommission zur Überprü- ung des Abgeordnetenrechts. Wir fordern mit unseren Initiativen nicht nur punktu- lle Änderungen am bestehenden System, sondern eine adikale Strukturreform. Das Festhalten an der geltenden echtslage würde dazu beitragen, das Ansehen des eutschen Bundestages bei den Bürgerinnen und Bürger eiter zu beeinträchtigen und das Vertrauen in das Parla- ent und seine Tätigkeit zu schwächen. Das Vertrauen er Bevölkerung in die Entscheidungen der Politik zählt ber zu den wesentlichen Voraussetzungen für das Funk- ionieren der parlamentarischen Demokratie. Unsere Gesetzentwürfe sehen eine Ergänzung in rt. 48 Abs. 3 Grundgesetz vor, um die rechtliche rundlage für die Einsetzung einer unabhängigen vom undespräsidenten zu berufenen Sachverständigenkom- ission zu schaffen sowie ergänzend dazu, eine Ände- ung des Abgeordnetengesetzes. Der Einwand, wir würden mit diesen Plänen gegen as Demokratieprinzip verstoßen, gehen ins Leere. Die erlagerung von Entscheidungen aus dem Parlament eraus, sei es auf das Bundesverfassungsgericht oder die undesbank, ist der Verfassung nicht fremd. Ein Verstoß egen das Demokratieprinzip liegt auch deshalb nicht or, weil die Kompetenz zur Festsetzung der Abgeord- etenentschädigung durch eine souveräne Entscheidung es Gesetzgebers in einem Einzelfall und in eigener Sa- he auf die Kommission übertragen wird. Nur die Ent- cheidung über die Anpassung der Leistungen wird vom arlament auf die Kommission verlagert. Dem Parla- ent verbleibt weiterhin die Kompetenz, Grundentschei- ungen durch entsprechende Vorgaben im Abgeordne- engesetz selbst zu schaffen. Im Abgeordnetengesetz üssen die materiellen Vorgaben getroffen werden, wel- he Bestandteile aufgrund der verfassungsrechtlichen tellung des Abgeordneten zwingend zur Abgeordneten- ntschädigung gehören. Diese Rechtsauffassung ist urch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes estätigt worden. Ganz besonders wichtig ist uns, dass die Kommission benfalls Vorschläge zur Altersversorgung macht. Die DP ist der Überzeugung, dass es ganz allein Sache des bgeordneten ist, Vorsorge für den Fall der Arbeitsunfä- igkeit und des Alters zu treffen. Ein privatwirtschaftli- hes Versicherungsmodell, das den Abgeordneten größt- ögliche Entscheidungsfreiheit belässt, sich im Rahmen er gesetzlichen Möglichkeiten auch in solchen Alters- orsorgesystemen abzusichern, denen sie aufgrund vo- ausgegangener beruflicher Tätigkeit bereits angehören, ürde dem verfassungsrechtlichen Status der Mitglieder es Bundestages besser entsprechen. Das Europaparla- ent hat dies für seine Mitglieder beispielhaft geregelt. Die FDP hofft sehr, dass es dieses mal gelingen wird, emeinsam zu Entscheidungen zu gelangen, die die Be- eichnung Reform wirklich verdienen. Wir können die- er Frage nicht länger aus dem Weg gehen. Der Bürger erlangt von uns, dass wir endlich handeln. Diesen Auf- rag sollten wir ernst nehmen. 5724 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 (A) ) (B) ) Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Er- nährung (Tagesordnungspunkt 18) Matthias Weisheit (SPD): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung soll das Vorschlagsrecht des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Landwirt- schaft und Ernährung, BLE, bei der Ernennung des Prä- sidenten und des Vizepräsidenten in ein Anhörungsrecht geändert werden. Das Vorschlagsrecht soll künftig bei der Bundesregierung liegen. Das bisherige Vorschlagsrecht des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung für Präsident und Vizepräsident war schlicht dem Verfahren einer der beiden Vorläuferanstalten der BLE angelehnt worden: Die BLE ist 1995 aus der Zusammenlegung der Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung, BALM, und des Bundesamtes für Ernährung und Forst- wirtschaft, BEF, entstanden. Während die BALM durch einen Vorstand geführt wurde und die Mitglieder dieses Vorstandes auf Vorschlag des Verwaltungsrates der BALM bestellt wurden, gab es beim BEF keine ver- gleichbare Regelung. Beim BLE aber haben der Präsi- dent und sein Stellvertreter Leitungsfunktion und wer- den vom Bundespräsidenten ernannt. Vor dem Hintergrund, dass ein solches Vorschlags- recht bei Anstalten des öffentlichen Rechts, die weder körperschaftlich erfasst sind noch Selbstverwaltungs- rechte haben, weder rechtlich notwendig noch allgemein üblich ist, ist dieses bisherige Verfahren außergewöhn- lich. Bei vergleichbaren Anstalten liegt das Vorschlags- recht für die Leitung üblicherweise bei der Bundesregie- rung. Auch ist dieses bisherige Verfahren nicht mehr zweckgemäß, denn im Laufe der Zeit sind dem BLE im- mer mehr behördliche Funktionen zugekommen. Bei- spiele sind im vor Gesetzentwurf aufgeführt: das Rind- fleischetikettierungsgesetz von 1998, das Öko- Kennzeichnungsgesetz von 2001, das Öko-Landbauge- setz von 2002, das Agrarabsatzförderungsdurchfüh- rungsgesetz von 2002. Für den behördlichen Charakter spricht auch, dass die BLE sowohl der Rechts- als auch der Fachaufsicht des BMVEL und seinen Weisungen un- terliegt. Bei den der BLE übertragenen Aufgaben handelt es sich überwiegend um Pflichtaufgaben, die nach rechtlich verbindlichen Vorgaben ohne Gestaltungsspielräume für die BLE und ihren Präsidenten durch diese zu erledigen sind. Das Vorschlagsrecht für den Behördenleiter dem Ver- waltungsrat – einem Gremium, das zu drei Vierteln aus Vertretern von Verbänden besteht – zu überlassen, ist nicht sachgerecht. V w i s s E s B d g f m g B s s w v G g l s E E t u m w V V s e s d p t B w u d s S N k e h P f B d (C (D Dennoch bleibt die Beteiligung und Mitwirkung des erwaltungsrats der BLE bei Personalvorschlägen ja ge- ahrt: Die Anhörung des Verwaltungsrats im Verfahren st der Ernennung zeitlich vorgeschaltet, sodass er mit einer Stellungnahme noch auf den Ernennungsvor- chlag der Bundesregierung an den Bundespräsidenten influss nehmen kann. Das Anhörungsrecht beschränkt ich also nicht auf die bloße Kenntnisnahme der von der undesregierung vorgeschlagenen Personalentschei- ung, sondern es beinhaltet die Möglichkeit, Anregun- en, Empfehlungen und Vorschläge hinsichtlich anderer ür die Ernennung in Betracht kommender Personen zu achen. Ich halte diese von der Bundesregierung vorgeschla- ene Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer undesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung für achgerecht und ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf zuzu- timmen. Albert Deß (CDU/CSU): Der vorliegende Gesetzent- urf ist ein weiterer Beleg für das Auseinanderfallen on Reden und Handeln dieser Bundesregierung. Im Koalitionsvertrag und in Sonntagsreden von Rot- rün werden hehre Ziele wie Bürgernähe, Bürgerbeteili- ung und Mitbestimmung beweihräuchert, in der Wirk- ichkeit aber das Gegenteil praktiziert, wie dieser Ge- etzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die rrichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und rnährung – BLE – beweist. Mit der Streichung des Vorschlagsrechtes des Verwal- ungsrates der BLE für die Ernennung des Präsidenten nd des Vizepräsidenten der Anstalt wird aus rein achtpolitischen und ideologischen Gründen ein be- ährtes Modell der institutionellen Zusammenarbeit von erwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft beseitigt. Das bisherige Mitbestimmungsrecht des 28-köpfigen erwaltungsrates bei der Besetzung der BLE-Spitzenpo- itionen bietet die Gewähr für ein vertrauensvolles und ffizientes Zusammenwirken der Anstalt mit den wirt- chaftlichen und gesellschaftlichen Gruppierungen und en Bundesländern. Es ist zugleich Ausdruck der Prinzi- ien der Bürgernähe, Bürgerbeteiligung und Subsidiari- ät, weil den Betroffenen eine Mitzuständigkeit bei der esetzung von zwei Leitungspositionen eingeräumt ird. Der Verwaltungsrat, der sich aus Vertretern der Land- nd Ernährungswirtschaft, der Verbraucher und der Bun- esländer zusammensetzt, leistet mit seinen Personalvor- chlägen einen wertvollen Dienst: Der gesammelte achverstand dieses Gremiums ist Garant dafür, dass bei achfolgebesetzung der Spitzenpositionen Persönlich- eiten gefunden werden, die den Anforderungen einer ffizienten und bürgernahen Verwaltung genügen. Dies at der Verwaltungsrat in der Vergangenheit mit seinen ersonalvorschlägen eindrucksvoll bewiesen. Sowohl in der BALM, der ehemaligen Bundesanstalt ür landwirtschaftliche Marktordnung, als auch in der LE, die 1995 aus der Fusion von BALM und dem Bun- esamt für Ernährung und Forstwirtschaft entstanden ist, Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 5725 (A) ) (B) ) haben die im bisherigen kooperativen Besetzungsverfah- ren gewonnenen Persönlichkeiten das Vertrauen beider Seiten gerechtfertigt, nämlich des vorschlagenden Ver- waltungsrates und des letztentscheidenden Bundesminis- teriums. Es ist ja nicht so, dass das Bundesministerium bei der bisherigen Regelung keine sachgerechte Personalpolitik an der Spitze der BLE betreiben könnte. Das jetzt fein austarierte Zusammenspiel zwischen Bundesministe- rium und Verwaltungsrat stellt sicher, dass es zu sach- und fachgerechten Leitungsbesetzungen kommt. Den Vorsitz im Vorschlagsgremium Verwaltungsrat hat kraft Gesetzes der Vertreter des Bundesministeriums. Auf- grund dieser Funktion kann der Verwaltungsratsvorsit- zende auf einen Personalvorschlag hinwirken, der eine Zustimmung des Bundesministeriums erwarten lässt. Sollte aber jemals der Fall eintreten, dass der Verwal- tungsrat den Weg einer vertrauensvollen Zusammenar- beit verläßt und auf Konfrontationskurs geht, so kann das Bundesministerium den Besetzungsvorschlag zu- rückweisen. In diesem Fall wird der Verwaltungsrat ei- nen neuen Vorschlag machen müssen und das solange, bis dem Bundesministerium ein akzeptabler Personal- vorschlag präsentiert wird. Diese maßvolle Mitbestimmung politisch, wirtschaft- lich und gesellschaftlich betroffener Organisationen und Institutionen scheint aber der rot-grünen Bundesregie- rung ein Dorn im Auge zu sein. Die Begründung für die Abschaffung dieses Mitwirkungsrechtes ist mehr als fa- denscheinig. Der angeblich überwiegend behördliche Charakter der BLE kann nicht als Rechtfertigung für diese provokative Änderung im institutionellen Gefüge der BLE angeführt werden. Die vom Verwaltungsrat nicht beeinflußbare Besetzung der fast 1 000 übrigen Stellen bietet ausreichend Raum für eine eigenständige Personalführung durch die Anstalt und das Bundes- ministerium. Anstatt auf die Land- und Ernährungswirtschaft zuzu- gehen, gibt Frau Künast mit diesem BLE-Änderungsge- setz ein weiteres Beispiel für ihren Konfrontationskurs. Nach verbalen Rundumschlägen, Diffamierungen und Kampfbegriffen wie „Agrarfabriken“, „industrialisierte Landwirtschaft“, „Massentierhaltung“, „Klasse statt Masse“, „Agrarwende“ usw. setzt Frau Künast den rot- grünen „Marsch durch die Institutionen“ fort, wie ihn die Bewegung der 68er, aus deren Dunstkreis die Grünen sich im wesentlichen immer noch speisen, auf ihre Fahne geschrieben hat. Auf diese Weise hofft Frau Künast, an die Spitze von wichtigen Institutionen Personen platzie- ren zu können, die mehr durch ideologische Gesinnung als durch Sach- und Fachkompetenz aufgefallen sind. Jüngstes Beispiel sind die Machenschaften des BMVEL bei der Besetzung der Leitungsposition des neuen Insti- tutes für ländliche Räume der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft – FAL – in Braunschweig. Wie sich aus Presseberichten ergibt, will sich das BMVEL bei der Besetzung der Institutsleitung über die geltenden Regeln hinwegsetzen und eine Kandidatin berufen, die von der eigens gebildeten und mit hochrangigen, zum Teil exter- nen Wissenschaftlern besetzten Vorschlagskommission l v g m B s b s B R l d B s s D H F m r f z v O E r l r a g d d ü t d t V k b r t u V u u v d m t a z d (C (D ediglich als bedingt geeignet eingestuft und deshalb om Kollegium der FAL nicht auf die Vorschlagsliste esetzt worden war. In den Reihen der Kommission spricht man deshalb it Recht von einem „unerhörten Affront“ durch das MVEL. Ein solches Vorgehen hat es bei einem wissen- chaftlichen Berufungsverfahren bisher noch nicht gege- en. Während bei der FAL die Berufungsordnung kalt- chnäuzig gebrochen und das Vorschlagsrecht der erufungskommission mit Füßen getreten wird, geht ot-Grün bei der BLE sozusagen „eleganter“ vor. Auch ist der Zeitpunkt der Gesetzesänderung auffal- end und schlau gewählt: Rechtzeitig vor dem altersbe- ingten Ausscheiden des bisherigen Präsidenten der LE im Jahr 2004 soll mit einem gesetzlichen Feder- trich das bewährte, aber als lästig empfundene Mitbe- timmungsrecht des Verwaltungsrates beseitigt werden. amit hätte Ministerin Künast auch hier den „Frau-im- aus-bin-ich-Standpunkt“ durchgesetzt. Dabei hätte rau Künast wahrscheinlich genug Hausaufgaben zu achen, anstatt eine überflüssige und sachwidrige Ände- ung des BLE-Gesetzes durchzudrücken. Wie wäre es denn, wenn Frau Künast endlich den über- älligen Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Freiset- ungsrichtlinie für gentechnisch veränderte Organismen orlegen würde? Die EU-Umsetzungsfrist ist bereits Ende ktober 2002 abgelaufen. Die Nichtumsetzung dieser U-Richtlinie ist rechtswidrig. Ich fordere also Frau Künast auf, sich hier endlich echtmäßig zu verhalten und die EU-Pflichten zu erfül- en, statt ihre Beamten mit dem unsinnigen BLE-Ände- ungsgesetz zu beschäftigen. Aber auch im Gentechnikrecht fiel Rot-Grün nichts nderes ein, als im Juli 2003 durch Zuständigkeitsverla- erungen per Gesetz sachgerechte Lösungen zu verhin- ern. Danach soll nicht mehr das Umweltbundesamt für ie Prüfung im Rahmen von Genehmigungsverfahren ber die Freisetzungen und das In-Verkehr-Bringen gen- echnisch veränderter Organismen zuständig sein, son- ern das Frau Künast unterstehende Bundesamt für Na- urschutz. Der Bundesrat hat hier zu Recht den ermittlungsausschuss angerufen, um diese Zuständig- eitsveränderung zu verhindern, die nur die Gentechnik ehindern soll. Auch beim vorliegenden Gesetzentwurf zur Ände- ung des BLE-Gesetzes hat der Bundesrat die destruk- ive Absicht der rot-grünen Bundesregierung erkannt nd zu Recht die geplante gesetzliche Streichung des orschlagsrechtes des BLE-Verwaltungsrates abgelehnt, nd das nicht nur mit der Bundesratsmehrheit der nionsgeführten Länder, sondern auch mit Zustimmung on SPD-geführten Ländern. Es ist auch kein länderfreundliches Verhalten und wi- erspricht den Prinzipien eines kooperativen Föderalis- us, wenn die rot-grüne Bundesregierung dem Verwal- ungsrat, dem auch Vertreter von vier Bundesländern ngehören, ein echtes Mitwirkungsrecht bei der Beset- ung der BLE Spitzenpositionen nehmen will. Der Bun- esrat spricht sich deshalb dafür aus, hier das bewährte 5726 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 (A) ) (B) ) Kooperationsverfahren beizubehalten, und hält das im Regierungsentwurf vorgesehene Anhörungsrecht für un- zureichend. Man weiß ja, wie Frau Künast unliebsame Stellungnahmen von Verbänden und Organisationen bei- seite wischt. Die überzeugende Argumentation des Bundesrates lässt erwarten, dass er im zweiten Durchgang des Gesetz- entwurfes Einspruch einlegen wird, und hoffentlich sogar mit Zweidrittelmehrheit, der Rot-Grün dann im Bundes- tag wohl keine Zweidrittelmehrheit zur Zurückweisung des Einspruchs entgegensetzen kann. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen alles tun, um aus oberen Facheinrichtungen des Bundes wie der BLE die Gefahr einer ideologiegeneigten Beset- zung von Spitzenpositionen auszuschließen und die Zu- sammenarbeit mit allen Betroffenen zu fördern. Denn die BLE hat vielfältige Fachaufgaben, die nicht mit der von Frau Künast gewünschten Gesinnung, sondern al- lein mit Sachverstand und Kompetenz zu bewältigen sind. Die BLE fungiert auch unter den neuen Rahmenbe- dingungen der EU-Agrarreform vom Juni 2003 weiter- hin als Marktordnungsstelle für die in der Europäischen Union bestehenden gemeinsamen Marktordnungen für Getreide, Reis, Trockenfutter, Zucker, Obst und Gemüse, verarbeitetes Obst und Gemüse, lebende Pflanzen und Waren des Blumenhandels, Saatgut, Flachs und Hanf, Hopfen, Wein, Weinalkohol, Rind-, Schweine- und Schaffleisch, Milch und Milcherzeugnisse, Fischereier- zeugnisse sowie für Fette. Als Marktverwaltungsstelle ist sie insbesondere bei der Intervention von Waren, bei der privaten Lagerhaltung und bei Beihilfemaßnahmen tätig. Zur Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik nimmt die BLE Kassenkredite auf, auch soweit sie für die Durchführung der Maßnahmen selbst nicht zuständig ist, wie zum Beispiel die Auszahlung der EU-Direktzah- lungen durch die Bundesländer. Aufgrund des Ernährungssicherstellungsgesetzes und des Ernährungsvorsorgegesetzes wird die BLE bei der zentralen Planung und Feststellung von Erzeugung, Be- ständen und Verbrauch tätig. Im Rahmen einer allgemei- nen Vorratshaltung sowie der zivilen Notfallreserve wer- den Vorräte an Ernährungsgütern und Futtermitteln beschafft, verwaltet und verwertet. Als Genehmigungsstelle für den grenzüberschreiten- den Waren- und Dienstleistungsverkehr mit Erzeugnis- sen der Ernährungs-, Land- und Forstwirtschaft erteilt die BLE Einfuhr- und Ausfuhrlizenzen sowie -genehmi- gungen. Die BLE überwacht Embargomaßnahmen und die Einhaltung von Kontingentregelungen. Die BLE er- hebt Beiträge nach dem Absatzförderungsfonds der Land- und Ernährungswirtschaft sowie Abgaben nach dem Holzabsatzfondsgesetz. Darüber hinaus wird der Klärschlamm-Entschädigungsfonds verwaltet. Sie überwacht die Seefischerei außerhalb der Küsten- gewässer und die Einhaltung der von ihr verwalteten Fischfangquoten; nach § 3 des Seefischereigesetzes er- teilt sie Fangerlaubnisse an die deutsche Fischereiflotte. D s d d v f e b Ö - n v W D s tu n B f h g d s s u G d N m S d f w p V e H B t n g e B d n M L l f E n (C (D ie Fischereischutzboote und die Fischereiforschungs- chiffe des Bundes werden durch die BLE bereedert. Die BLE kontrolliert die Verwendung nachwachsen- er Rohstoffe, die auf Stilllegungsflächen angebaut wer- en. Weitere Zuständigkeiten bestehen für die Zulassung on Rindfleisch-Etikettierungssystemen und Kontroll- irmen sowie für deren Überwachung. Darüber hinaus rfüllt die BLE weitere übertragene Verwaltungsaufga- en des Bundes, beispielsweise das Bundesprogramm kolandbau, die Projektträgerschaft Agrarforschung und entwicklung sowie die Erstellung des Statistischen Mo- atsberichts des BMVEL. Bei Erfüllung all dieser Aufgaben ist die BLE auf eine ertrauensvolle Zusammenarbeit mit den betroffenen irtschaftskreisen und den Bundesländern angewiesen. ieses Vertrauenskapital darf nicht durch das vorge- chlagene Willkür-Gesetz zerstört werden. Die BLE braucht deshalb auch weiterhin eine Lei- ng, die in dem bewährten Besetzungsverfahren be- annt wird. Deswegen muss das Vorschlagsrecht des LE Verwaltungsrates beibehalten werden. Die Bundesregierung wäre gut beraten, diesen über- lüssigen und sachwidrigen Gesetzentwurf zurückzuzie- en, der für die im BLE-Verwaltungsrat vertretenen Or- anisationen der Land- und Ernährungswirtschaft sowie ie Verbraucher und die Bundesländer ein Affront dar- tellt. Er gehört zu den zahlreichen falschen Weichen- tellungen im Agrarbereich, die von einer künftigen nionsgeführten Bundesregierung, sollte der Entwurf je esetz werden, sofort wieder rückgängig gemacht wer- en. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- EN): Diese späte Debatte verdanken wir einem seltsa- en Relikt in der Agrarverwaltung, mit dem wir nun chluss machen wollen. Es geht um das Verfahren, nach em die Präsidentin oder der Präsident der Bundesanstalt ür Landwirtschaft und Ernährung – kurz BLE – ernannt ird. Bisher liegt das Vorschlagsrecht für den Präsidenten- osten beim Verwaltungsrat dieser Bundesanstalt. Dieser erwaltungsrat setzt sich überwiegend aus Vertretern influssreicher, um nicht zu sagen: mächtiger Agrar- und andelsverbände zusammen. Nach altem Recht darf die undesministerin also nicht selbst Vorschläge unterbrei- en, sondern hat höchstens das Recht, einem Vorschlag icht zuzustimmen. In Selbstverwaltungsorganen, die leichzeitig Anstalten des öffentlichen Rechts sind, ist in solches Verfahren dennoch üblich und sinnvoll. In diesem Falle liegen die Dinge aber anders: Die LE ist kein Selbstverwaltungsorgan, sondern eine Bun- esanstalt, die ganz überwiegend behördliche Funktio- en ausübt. Sie ist zum Beispiel im Rahmen der EU- arktordnungen für den öffentlichen Aufkauf und die agerhaltung von Getreide und Rindfleisch in Deutsch- and zuständig. Sie erteilt Firmen auch die Ein- und Aus- uhrlizenzen für den grenzüberschreitenden Handel mit rzeugnissen der Land- und Ernährungswirtschaft. Da- eben ist sie auch zuständig für die Abwicklung des Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 5727 (A) ) (B) ) Bundesprogramms Ökologischer Landbau, dessen Um- setzung durch die BLE seit langem als sehr schwerfällig in der Kritik steht. Es ist leicht zu erkennen, dass die Er- nährungswirtschaft ein Interesse daran hat, wer bei der BLE die Fäden in der Hand hat. Das alles sind aber behördliche Aufgaben, die nach rechtlich verbindlichen Vorgaben und ohne Gestaltungs- spielraum für die BLE und ihren Präsidenten zu erledi- gen sind. Das alte Vorschlagsverfahren passt also über- haupt nicht mehr zu dem Charakter der Funktionen, die dieser Bundesanstalt übertragen worden sind. Deshalb soll das alte Vorschlagsrecht mit dem vorlie- genden Gesetzentwurf in ein Anhörungsrecht umgewan- delt werden. Danach erhält die für diese Bundesanstalt zuständige Bundesministerin für Verbraucherschutz, Er- nährung und Landwirtschaft das Vorschlagsrecht und die Entscheidungskompetenz. Die bisher so einflussreichen Verbände müssen dann nur noch angehört werden. Um es klar zu sagen: Der Verwaltungsrat wird nicht, wie von einigen Verbänden behauptet, abgeschafft oder in seinen sonstigen Mitwirkungsrechten begrenzt. Bei ei- nigen Stellungnahmen wird der Eindruck erweckt, als hänge von dem Verfahren zur Ernennung des Präsiden- ten ab, ob die BLE die „vorgeschriebenen Verfahren für den Agrarhandel effizient abwickeln“ könne. Bei sol- chen Argumenten muss man ja stutzig werden und nach den eigentlichen Gründen fragen. Das Gleiche trifft auf eine andere Debatte zu, die uns gestern im Agrarausschuss beschäftigte. Da ging es um die Berufung einer Leiterin des Instituts für ländliche Räume bei der Bundesforschungsanstalt für Landwirt- schaft, kurz FAL. Da hatte ein Professoren-Gremium, das weitgehend von der Bundesanstalt selbst zusammen- gestellt wird, eine Vorschlagsliste erstellt. Das zustän- dige Landwirtschaftsministerium hatte aber auch eine ei- gene Rangliste aufgestellt und – verständlicherweise – im Sinne dieser Rangfolge entschieden. Auch diese rechtlich unselbstständige – Bundesanstalt ist dem Ver- braucherministerium unterstellt. Es handelt sich hierbei nicht um eine unabhängige Forschungseinrichtung oder eine Universität, sondern um die eigene Ressortfor- schung des Ministeriums. Das ist ein Unterschied. Den- noch wird dieser Berufung von Mitarbeitern der Bundes- anstalt bis hinauf in die Spitze sogar „grundsätzliche Bedeutung für das Verhältnis von Politik und Wissen- schaft“ beigemessen. Und die CDU hat nichts Besseres zu tun, als sich vor den Karren dieser „alteingesessenen Herren“ spannen zu lassen und den Streit nach Berlin zu ziehen. Vielleicht liegt es aber auch an den gut ausgebau- ten Trampelpfaden zwischen CDU/CSU, BLE und FAL, von denen für gewöhnlich gut unterrichtete Kreise zu be- richten wissen. In Wahrheit, scheint mir, treibt die Kritiker in beiden Fällen vor allem eins um: Die Angst, die Ministerin könnte ihr Recht in Anspruch nehmen, nicht nur in der Agrarpolitik erfolgreich für eine Neuorientierung zu sor- gen, sondern auch in den ihr unterstellten Bundesbehör- den. Das ist der Knackpunkt. Es geht darum, ob die Kräfte, die bisher seit Jahrzehnten die Agrarpolitik, die Beratung, die Ausbildung und auch die Forschung in e E e d w s m s s a w w s i M d i D d A s g r n l s B u a O t W m n d d f V s s g s D t d i t (C (D ine bestimmte Richtung geführt haben, möglicherweise influss abgeben müssen oder nicht. Ich möchte noch weiter gehen. Es ist nicht nur das ur- igene Recht einer Ministerin, bei der Besetzung leiten- er Posten in den ihr untergeordneten Organen ein ge- ichtiges Wörtchen mitzureden. Es ist meines Erachtens ogar ihre Pflicht. Denn wer, wenn nicht die vom Parla- ent beauftragte Fachministerin, sollte das im Grundge- etz verankerte Demokratieprinzip sicherstellen? Ich will das einmal übersetzen: Wenn ich auf meinem Hof eine Betriebsleiterin ein- tellen würde, die mir gegenüber verantwortlich ist für lles, was meinen Hof betrifft, und diese Betriebsleiterin ürde bei einer Neueinstellung erst ein Gremium fragen, as nicht sie, sondern die Nachbarschaft zusammen- tellte, dann wäre unser Verhältnis mächtig gestört. Deshalb werden wir die genannten Trampelpfade, um n Bilde zu bleiben, entsiegeln und mit Toren absperren. Skandalös wird diese Angelegenheit dadurch, dass itarbeiter der FAL meinen, eine Verbindung zwischen em derzeitigen Zwist und den „leidvollen Erfahrungen m Dritten Reich und in der DDR“ ziehen zu müssen. as ist endgültig nicht nur eine unverschämte Verleum- ung und Beleidigung, sondern – wie so oft bei solchen nleihen an die Geschichte – eine unannehmbare Be- chönigung unserer Vergangenheit. Damit, werte Kolle- en von der Opposition, disqualifizieren sich diese Her- en von der FAL endgültig, und man sollte sich besser icht mehr so oft auf sie berufen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns sach- ich bleiben und in diesem Sinne dem Gesetzentwurf zu- timmen! Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der undesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung nd Landwirtschaft: Der Verwaltungsrat der BLE – der us 28 Mitgliedern besteht – ist neben dem Präsidenten rgan dieser Anstalt. Die Einrichtung eines Verwal- ungsrates war Voraussetzung dafür, dass Vertreter der irtschaft und der Verbraucher beratend bei der BLE itwirken können. Die Leitung der BLE liegt beim Präsidenten sowie ei- em Vizepräsidenten, die als Beamte vom Bundespräsi- enten ernannt werden. In Anlehnung an das Verfahren er Bestellung des Vorstandes der BALM wurde auch ür das Verfahren der Ernennung der von Präsident und izepräsident der BLE dem Verwaltungsrat ein Vor- chlagsrecht gegenüber dem Bundesministerium zuge- tanden. Inzwischen erscheint diese Regelung nicht mehr sach- erecht. Die BLE ist eine Behörde, die weder körper- chaftlich verfasst ist noch Selbstverwaltungsrechte hat. aher ist das derzeitige Vorschlagsrecht des Verwal- ungsrates weder rechtlich notwendig, noch entspricht es er üblichen organisationsrechtlichen Praxis. Bei vergleichbaren Anstalten des öffentlichen Rechts st das Vorschlagsrecht für die Bestellung der Anstaltslei- ung im Allgemeinen der Bundesregierung vorbehalten, 5728 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 (A) ) (B) ) während dem Verwaltungsrat ein Anhörungsrecht einge- räumt wird. Die Aufgaben, die der BLE zur Erledigung übertragen sind, sind ganz überwiegend Pflichtaufgaben, die nach rechtlich verbindlichen Vorgaben ohne Gestal- tungsspielräume durchzuführen sind. Dies gilt auch für die Aufgaben, die von der BLE nach EG-Agrarmarktord- nungsrecht zur Regulierung der Märkte und Stützung der Einkommen in der Landwirtschaft durchgeführt werden. Diese Aufgaben verlieren infolge der Agrarreformen im Übrigen zunehmend an Bedeutung. Seit ihrer Errichtung wurden der BLE vermehrt hoheitliche Aufgaben mit rein behördlichem Charakter neu übertragen. Beispielhaft nenne ich hier die Zuweisung neuer Aufgaben durch das Rindfleischetikettierungsgesetz aus dem Jahr 1998 und durch das Öko-Landbaugesetz aus dem Jahr 2002. Darüber hinaus kann der BLE aufgrund des geltenden Gesetzes vom Bundesministerium für Verbraucher- schutz, Ernährung und Landwirtschaft die Erledigung von Verwaltungsaufgaben des Bundes, für die keine an- dere Zuständigkeit gesetzlich festgelegt ist, übertragen werden. Von dieser Möglichkeit ist in jüngerer Zeit in er- heblichem Umfange Gebrauch gemacht worden. All dies zeigt, dass es aufgrund des überwiegend be- hördlichen Charakters der Aufgaben, die die BLE wahr- zunehmen hat, nicht mehr sachgerecht ist, das Vor- schlagsrecht für die Person des Behördenleiters dem Verwaltungsrat, also einem Gremium, das zu drei Vier- teln aus Vertretern der Verbände besteht, zu überlassen. Die Bundesregierung legt Wert auf den Rat, den Wirt- schaft und Verbraucher durch ihre Mitarbeit im Verwal- tungsrat der BLE geben können, und zwar auch bei der Ernennung des Präsidenten und Vizepräsidenten dieser Behörde. Daher soll das bisherige Vorschlagsrecht nicht ersatzlos entfallen. An seine Stelle soll ein Recht des Verwaltungsrates auf Anhörung treten, die im Verfahren der Ernennung zeitlich vorgeschaltet ist. Daher kann der Verwaltungsrat weiterhin mit seiner Stellungnahme auf den Ernennungsvorschlag an den Bundespräsidenten, über den die Bundesregierung nach ihrer Geschäftsord- nung Beschluss zu fassen hat, Einfluss nehmen. Aus den geschilderten Gründen bitte ich Sie, dieser Änderung im weiteren Gesetzgebungsverfahren zuzu- stimmen. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über den Antrag: Klinische Prü- fung in Deutschland entbürokratisieren (Tages- ordnungspunkt 7 b) Dr. Carola Reimann (SPD): Eines unserer wert- vollsten Lebensgüter ist die Gesundheit. Ziel unserer Gesundheitspolitik ist es, die Gesundheit der Menschen zu erhalten, zu fördern und im Krankheitsfall wieder herzustellen. Ein bezahlbares und zugleich qualitativ hochwertiges Gesundheitssystem heute und in Zukunft zu erhalten, ist eines der vorrangigsten Ziele unserer Politik. t D f e g P k w r u T s D b d s m w a s t w c n s l r s d M d R s s n m A e a h d k n e w d R p te s e d (C (D Um diese Ziele zu erreichen, sind unter anderem in- ensive medizinische Forschungstätigkeiten notwendig. ie Bundesregierung setzt sich dementsprechend stark ür die Forschung und Entwicklung neuer Heilmethoden in. Mit der anstehenden Novellierung des Arzneimittel- esetzes, AMG, soll die EU-Richtlinie zur Good Clinical ractice umgesetzt werden. Der Nachweis von Unbedenklichkeit und Wirksam- eit eines Arzneimittels, welches für den Menschen ent- ickelt wurde, kann letztlich nur in einem Humanexpe- iment erbracht werden. Klinische Prüfungen sind also numgänglich, wenn es gilt, neue Medikamente und herapien zu entwickeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, ie begründen die geringe Anzahl klinischer Studien in eutschland ausschließlich mit den schlechten Rahmen- edingungen und den bürokratischen Hemmnissen für ie Forschung. Aus diesen Gründen habe Deutschland eine führende Position als Forschungsstandort für phar- azeutische Produkte eingebüßt. Das sind nicht die irklichen Gründe. Diese Entwicklung ist unter anderem uch darauf zurückzuführen, dass viele forschende Her- teller über Jahre ihre Forschungs- und Entwicklungsab- eilungen ins Ausland verlagert haben. In einigen Fällen, ie in Großbritannien, fließen dafür erhebliche staatli- he Gelder. Ob diese Finanzierungsform in Zeiten der otwendigen Subventionskürzungen wirklich wün- chenswert ist, will ich an dieser Stelle dahingestellt sein assen. Zu diesem Zweck hat das Bundesgesundheitsministe- ium eine Taskforce gegründet. Sie soll konkrete Vor- chläge zur Verbesserung der Standortbedingungen für ie deutsche pharmazeutische Industrie erarbeiten und öglichkeiten für die Umsetzung solcher Vorschläge iskutieren. Weitere Ziele sind die Verbesserung der ahmenbedingungen für die pharmazeutische For- chung in Deutschland und die Effektivierung der Zulas- ungsverfahren. Um klinische Forschung weiter zu fördern, müssen atürlich bürokratische Hemmnisse beseitigt werden. Es uss allerdings gesichert sein, dass es dadurch keinen bbau des Sicherheitsniveaus für die Menschen gibt. Es ist erklärtes Ziel unserer Gesundheitspolitik, effizi- nte Forschung und Entwicklung mit einem Maximum n Patientensicherheit zu verbinden. Deshalb ist es nicht ilfreich, wenn Sie pauschal einen Bürokratieabbau for- ern. Dies ist zwar öffentlichkeitswirksam, hilft aber eineswegs, das Vertrauen der freiwilligen Versuchsteil- ehmer in die klinische Forschung zu erhöhen. Denn nur ine engmaschige medizinische und behördliche Über- achung garantiert die Sicherheit der Teilnehmer und ie Qualität der Prüfergebnisse. Aus diesem Grund sehen wir die Umsetzung der EU- ichtlinie nicht ausschließlich unter zeitlichen Gesichts- unkten, sondern orientieren uns vor allem an den Aspek- n der Patienten- und Arzneimittelsicherheit. Natürlich pielen die Rahmenbedingungen wie Zulassungsverfahren benfalls eine Rolle, wenn wir optimale Forschungsbe- ingungen herstellen wollen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 5729 (A) ) (B) ) Wer die klinische Forschung fördern will, muss hier aktiv werden. Momentan muss sich der Prüfarzt vor dem Beginn einer klinischen Studie durch eine Ethikkommis- sion über die mit dem Vorhaben verbundenen berufsethi- schen und berufsrechtlichen Fragen beraten lassen. Er darf erst dann beginnen, wenn die Ethikkommission sein Vorhaben zustimmend bewertet hat. Dies bedeutet mo- mentan die Zustimmung von bis zu 16 Ethikkommissio- nen! Dass diese Verfahrenweise nicht zur Beschleunigung des Verfahrens beiträgt, liegt auf der Hand. Deshalb sieht der neue AMG-Entwurf gemäß der EU-Richtlinie die Einführung eines klaren Genehmigungsverfahrens vor. Die Forderung der Union, eine bundesweite Ethik- kommission einzurichten, führt jedoch zu verfassungs- rechtlichen Problemen. Denkbar wäre es, dass die je- weils zuerst angesprochene Ethikkommission auch über das gesamte Verfahren entscheidet. Doch auch dazu be- darf es womöglich eines Staatsvertrages zwischen den einzelnen Bundesländern. Ein weiterer Punkt berührt das Antragsverfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM. Hier treten Verzögerungen ein, weil die einge- reichten Unterlagen nicht vollständig sind. Hier können erhebliche Beschleunigungseffekte beim Genehmi- gungsverfahren zum Beispiel durch Verfahrensregelun- gen zur Einreichung von elektronischen Unterlagen er- zielt werden. Nur eines darf bei dieser Debatte nicht zu kurz kom- men: die Sicherheit der Versuchsteilnehmer; denn selbst die ansonsten gern als Beispiel für kurze Bearbeitungs- fristen gepriesene Food and Drug Association, FDA, verfolgt mittlerweile wesentlich stärker den Sicherheits- und nicht den Zeitaspekt. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, ent- gegen ihrer Verlautbarung, die klinische Forschung ent- bürokratisieren zu wollen, setzen Sie sich für die Schaf- fung einer zusätzlichen Leitethikkommission ein. Sie begründen dies mit der besonderen Schutzbedürftigkeit von bestimmten Bevölkerungsgruppen, wie nicht einwil- ligungsfähige Personen und Kinder. Eine solche Leit- ethikkommission stößt dabei auf dieselben verfassungs- rechtlichen Probleme wie Ihr Vorschlag zur Einsetzung einer bundesweiten Ethikkommission. Deshalb halte ich eine Kommission am BfArM, die sich insbesondere um die Arzneimittelsicherheit für Kinder und Jugendliche kümmert, für den praktikableren Weg. Sie übersehen mit ihrem Antrag konsequent alle Akti- vitäten in diesem Bereich. Die Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin des Deutschen Bundestages hat sich bereits genau diesem Thema inten- siv zuwendet und erst vor wenigen Wochen eine Anhö- rung zur komplexen Problematik der Forschung an nichteinwilligungsfähigen Personen durchgeführt. Für die klinische Forschung an Kindern wie auch an Er- wachsenen existieren bereits jetzt strenge Sicherheitsbe- stimmungen. In einem interfraktionellen Antrag aus der 14. Legis- laturperiode hat der Deutsche Bundestag eine deutliche V h a N k B i S d t r n A a s m f i l s m F w d F n R r V s b s c k s d s c A C s l d g d s e u l F ü b w (C (D erbesserung der Arzneimittelsicherheit in der Kinder- eilkunde angemahnt. Zugleich wurde festgestellt, dass uf dem Gebiet der Kinderarzneimittel ein erheblicher achholbedarf besteht. Klinische Studien zu Therapiezwecken sind nur an er- rankten Kindern zulässig. Es existiert nur eine geringe ereitschaft der Eltern, ihre Einwilligung zur Teilnahme hres kranken Kindes an klinischen Studien zu erteilen. ie befürchten, dass ihre Kinder als Versuchskaninchen er Hersteller fungieren. Diese nachvollziehbaren Hal- ungen der Eltern erschweren die angestrebten Verbesse- ungen in der Kinderheilkunde mittels sachgerechter kli- ischer Studien sehr. An dieser Stelle ist eine staatliche ufklärungsarbeit vonnöten! Diese Funktion soll unter nderem der zukünftigen Kontaktstelle zufallen. Diese teht den Probanden oder seinem gesetzlichen Vertreter it Informationen zur Seite. Nun fordert die Union in ihrem Antrag, bei der Ein- uhr von klinischen Prüfpräparaten aus Drittländern die m AMG geforderte Zertifizierung und deren nochma- ige Analyse fallen zu lassen, weil diese den bürokrati- chen Aufwand erhöhe. Unter den Aspekten des Konsu- entenschutzes, der an erster Stelle steht, ist diese orderung nicht nachvollziehbar, zumal der AMG-Ent- urf dafür lediglich eine Einfuhrerlaubnis, wie für an- ere Arzneimittel auch, voraussetzt. Liebe Kollegen und Kolleginnen von der Union, Ihre orderungen sind auch widersprüchlich! Sie fordern ei- erseits schnellstmögliche Umsetzung in nationales echt, gleichzeitig aber die Beibehaltung des Notifizie- ungsverfahrens. Das aber steht im Widerspruch zu den orgaben der EU-Richtlinie in Art. 5. Sie müssen sich chon für eine Variante entscheiden. Zudem suggerieren Sie in Ihren Forderungen Reform- edarf an Stellen, an denen es gar keinen gibt. So fordern ie, Ethikkommissionen müssten generell englischspra- hige Unterlagen akzeptieren. Dazu bedarf es jedoch eines Gesetzes und keiner Verordnung, denn es ist chon jetzt den Kommissionen unbenommen, sich mit em Antragseinreicher auf die Einreichung englisch- prachiger Dokumente zu einigen. Ich möchte noch ein letztes Beispiel anführen, wel- hes den zweifelhaften Aussagegehalt des vorliegenden ntrags unterstreicht: Die sehr allgemeine Aussage des DU/CSU-Antrags bezüglich einer Förderung der For- chung und Entwicklung von Arzneimitteln in Deutsch- and zeigt doch nur allzu deutlich, dass Sie sich nicht mit er tatsächlichen gegenwärtigen Situation auseinander esetzt haben. Seit 1996 hat das BMBF beispielsweise ie acht Interdisziplinären Zentren für Klinische For- chung, IZKF, mit rund 160 Millionen DM gefördert. Diese acht Zentren leisten auf hohem Niveau einen ntscheidenden Beitrag für eine nachhaltige Stärkung nd Verbesserung der klinischen Forschung in Deutsch- and. Ziel der IZKF ist die Optimierung des internen orschungsmanagements, die Intensivierung der fach- bergreifenden klinischen Forschung, die Qualitätsver- esserung und die gezielte Unterstützung des Nach- uchses. Die IZKF schaffen damit nicht zuletzt eine 5730 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 (A) ) (B) ) Grundlage für die Umsetzung der Innovationen aus der klinischen Forschung in marktfähige und für den einzel- nen Patienten sinnvolle Produkte. Zudem wurden im Rahmen des Gesundheitsforschungsprogramms Koordi- nierungszentren für klinische Studien (KKS) an medizi- nischen Fakultäten geschaffen. Dieses Service- und Be- treuungsangebot für die Durchführung klinischer Studien soll hier klinische Forschung unterstützen. Ihr Antrag, die klinische Prüfung in Deutschland zu entbürokratisieren, ist insgesamt nicht stimmig. Ein Teil Ihrer Forderungen widerspricht sich oder läuft sogar der EU-Richtlinie zuwider und hält einer näheren Überprü- fung nicht stand. Ihr Antrag ignoriert souverän bisher gültige Verfahrensweisen und verbreitet Allgemein- plätze. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen. Helge Braun (CDU/CSU): Deutschland wurde frü- her die Apotheke der Welt genannt. Hier wurden welt- weit die meisten Arzneimittel entwickelt. Dies gilt heute leider nicht mehr. Deutschland ist im internationalen Vergleich als Forschungs- und Entwick- lungsstandort für Arzneimittel weit abgeschlagen. Be- trachten wir die 30 umsatzstärksten globalen Pharma- unternehmen, so forschen diese an 130 Standorten weltweit. Von diesen 130 Forschungsstandorten liegen jedoch nur noch zehn in Deutschland aber 52 in den USA, 21 Japan und 16 in Großbritannien. Dies ist die Folge von schlechten Rahmenbedingungen für die For- scher und Entwickler in Deutschland, aber auch für die internationalen Unternehmen, die sich ihre Standorte für Entwicklung und Zulassung von neuen Wirkstoffen und Arzneimitteln aussuchen. Wir alle sind jedoch auf die Entwicklung neuer Medi- kamente angewiesen. Nicht zuletzt durch neue Arznei- mittel ist die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland in den letzten 25 Jahren um rund 10 Prozent gestiegen. Doch nicht nur die Lebensdauer, sondern auch die Lebensqualität hat sich gerade bei älteren Menschen aufgrund moderner Arzneimittel wesentlich verbessert. Auch für die derzeit finanziell überlasteten Sozialversi- cherungen sind die Rahmenbedingungen für die pharma- zeutische Forschung von großer Bedeutung. In der For- schung entwickelte Wirkstoffverbesserungen sparen beträchtliche Kosten im Gesundheitswesen. Im Arznei- verordnungsreport 2002 ist zu lesen, dass Arzneimittel mit verbesserten pharmakologischen Qualitäten bereits bekannter Wirkprinzipien im Durchschnitt 39 Prozent weniger kosten als Arzneimittel mit einem neuartigen Wirkstoff. Auch belegt eine Studie aus den USA, dass neue Arzneimittel sektorübergreifend die Behandlungs- kosten senken. Durch neue Arzneimittel sinkt der finan- zielle Aufwand für Krankenhausaufenthalte und sonstige ambulante Behandlungen. So kann ich als Arzt Ihnen das Beispiel nennen, dass durch den Einsatz von 1 Euro in ein Medikament mit ei- nem cholesterinsenkenden Wirkstoff aus der Gruppe der so genannten Statine 3,50 Euro an Krankenhauskosten gespart werden. Die Weiterentwicklung von bekannten Wirkstoffen und die Entwicklung neuer Arzneimittel liegt also im allgemeinen Interesse der Beitragszahler d Z t u g D d A a Z g l u p R l r 1 h w s t K s d w w g d w s l E k d K l E a i m e s r S d e R d n k s m s G A d e (C (D er gesetzlichen Krankenversicherung. Forschung und ulassungsverfahren stehen in einem derartigen interna- ionalem Wettbewerb, dass Unternehmen dort forschen nd das Zulassungsverfahren betreiben, wo die günsti- en Rahmenbedingungen bestehen. Wie schlecht jedoch die Rahmenbedingungen in eutschland für klinische Prüfungen sind, zeigt sich in en zahlreichen Investitionen von Unternehmen im usland und in deren verstärkter Zusammenarbeit mit usländischen Zulassungsbehörden sowie der geringen ahl von klinischen Prüfungen in Deutschland im Ver- leich zu Schweden, Großbritannien oder den Nieder- anden. Die Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel nd verbesserte Wirkstoffe sind in Deutschland zu kom- liziert, zu langwierig, zu unsicher. Wie unsicher die ahmenbedingungen in Deutschland sind, zeigt die feh- ende Umsetzung der EU-Richtlinie zur Harmonisie- ung der klinischen Prüfung. Diese hätte bis spätestens . Mai dieses Jahres umgesetzt werden müssen. Bis eute hat die Bundesregierung nicht einmal einen Ent- urf in den Bundestag eingebracht. Hier fehlt den For- chern und Unternehmen jede Planungssicherheit. Ges- ern hat die Bundesregierung bekannt gegeben, dass das abinett die 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes be- chlossen habe. Die Vorbereitung dieses Entwurfs hat rei Jahre in Anspruch genommen. Wir haben bereits heute hier im Plenum über die Not- endigkeit von Bürokratieabbau debattiert. Bürokratie ird immer dann zur Last, wenn es zu viele Beteiligte ibt und zu viel Zeit für Entscheidungen verstreicht. Bei- es trifft für das Verfahren der klinischen Prüfung zu und ird auch nach dem vom Kabinett beschlossenen Ge- etzentwurf nicht verbessert. Das Verfahren für klinische Prüfungen ist in Deutsch- and zu kompliziert und es wird wohl auch nach dem ntwurf, den das Kabinett gestern beschlossen hat, zu ompliziert bleiben. Bei multizentrischen Studien, also er Durchführung einer klinischen Prüfung in mehreren liniken oder Instituten, sind nach derzeitiger Rechts- age für dieselbe Studie und Untersuchung mehrere thikkommissionen zu befragen. In Deutschland gibt es llein 52 öffentlich-rechtliche Ethikkommissionen! Jede st anders besetzt, jede hat unterschiedliche Antragfor- ulare, jede verlangt andere Antragserfordernisse, jede ntscheidet nach unterschiedlichen Kriterien. Ist das for- chungsfreundlich? Hier hätte die Bundesregierung be- eits seit dem Erlass der EU-Richtlinie im Jahr 2000 den tandort Deutschland stärken können. Die Umsetzung er Richtlinie hätte bereits seit nunmehr drei Jahren zu iner Harmonisierung, Vereinfachung und zu mehr echtssicherheit bei der klinischen Forschung und bei er Beteiligung von Ethik-Kommissionen führen kön- en. Denn in der Richtlinie wird eindeutig verlangt, dass ünftig nur noch eine Ethikkommission pro Mitglied- taat bei multizentrischen Studien zustimmen muss. Da- it Sie mich richtig verstehen: Ich sehe Ethikkommis- ionen als notwendigen Schutz zur Wahrung der esundheit und Rechte der Patienten und Probanden. ber wir sollten die Ethikkommissionen so einsetzen, ass deren Votum kein bürokratisches Hindernis, sondern in Standortvorteil bedeutet. Daher sollten überflüssige Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 5731 (A) ) (B) ) Mehrfachprüfungen derselben Studie durch verschie- dene Kommissionen abgeschafft werden. In vielen Punkten hätte eine zügige Umsetzung der Richtlinie Rechtssicherheit und vor allem Wettbewerbs- vorteile gebracht. Für die Sicherung und den Ausbau des Forschungs- und Entwicklungsstandorts Deutschland ist es von entscheidender Bedeutung, die flexiblen Bereiche der EU-Richtlinie derart in nationales Recht umzusetzen, dass die Umsetzung einen Standortvorteil innerhalb Eu- ropas bedeutet. Eine solche standortfreundliche Umset- zung der Richtlinie hinsichtlich der Bearbeitungszeiten für Genehmigungen möglich. Die EU-Richtlinie enthält für zahlreiche Genehmigungen und Zustimmungsvorbe- halte maximale Fristen. Den nationalen Gesetzgebern ist es bei der Umsetzung überlassen, kürzere Fristen festzu- schreiben. In dem mir vorliegenden Referentenentwurf der 12. AMG-Novelle, mit der die EU-Richtlinie umge- setzt werden soll, finde ich aber mit nur einer einzigen Ausnahme nur die Festschreibung der maximalen Fris- ten. Wenn die Bundesregierung wirklich Deutschland wettbewerbsfähig machen möchte, dann müssen bei der Umsetzung einer Richtlinie Standortvorteile gegenüber unseren europäischen Wettstreitern geschaffen werden. Dies wurde durch die Bundesregierung klar versäumt. Die Bundesregierung sollte sich ein Beispiel an der Politik Großbritanniens nehmen. Großbritannien ist ge- wiss kein großer Absatzmarkt für Arzneimittel. Dennoch werden dort deutlich mehr Arzneimittel entwickelt als in Deutschland, weil die Rahmenbedingungen für For- schung und Entwicklung überaus attraktiv sind. Das heißt, forschende Pharmaunternehmen führen ihre Ent- wicklungen, Studien und Zulassungsverfahren nicht zwangsläufig dort, wo der beste Absatzmarkt ist. Der Standort für Entwicklung ist also unabhängig vom Ort des Absatzes der Entwicklungen. Der Erfolg Großbritanniens beruht auf Analysen der „Pharmeceutical Industry Competitiveness Task Force“ (PICTF). Diese Einrichtung hat bislang 49 Indikatoren der Wettbewerbsfähigkeit der pharmazeutischen Indus- trie Großbritanniens im Vergleich zu den zwölf stärksten Ländern bewertet. Dabei arbeiten die Arzneimittelher- steller gemeinsam mit der britischen Regierung in dieser Analyse zusammen, um in Großbritannien innovations- freundliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Während in Großbritannien die Regierung mit den Pharmaunternehmen gemeinsam arbeitet, wird in Deutschland die pharmazeutische Industrie durch staatli- che Vorgaben belastet. Jüngstes Beispiel ist der von der SPD initiierte 16-prozentige Zwangsrabatt auf festbe- tragsfreie Arzneimittel und die Einführung von Festbe- trägen für patentgeschützte Medikamente. Damit wird in Deutschland die Forschung nach neuen Wirkstoffen wei- ter gebremst und die notwendige Refinanzierung der Entwicklung eines Arzneimittels zum Unsicherheitsfak- tor für forschende Arzneimittelhersteller. Die von der britischen Task Force ermittelten Wettbe- werbsindikatoren sagen auch ganz klar, wie viel schlech- ter die Rahmenbedingungen in Deutschland sind: In Un- ternehmensteuern ist Deutschland auf dem vierten Platz. Die Ausgaben für öffentliche Investitionen in Forschung u g B G g t m v a D n u S s l i N d t e m s w b p E A r z g b j s s L l d d z v r P m m s D E k P d D n d e s d (C (D nd Entwicklung von Medizin und Biotechnologie lie- en in Deutschland hinter denen der Niederlande. Speziell für die klinische Prüfung weist der britische ericht für Deutschland folgenden Nachholbedarf auf: roßbritannien und selbst die Niederlande waren häufi- er als Deutschland Referenzmitgliedstaat im gegensei- igen Anerkennungsverfahren von Arzneimitteln. Die eisten der Top 75 Arzneimittel weltweit wurden nicht on deutschen Unternehmen entwickelt, sondern von merikanischen, britischen und japanischen Firmen. All dies zeigt deutlich, wie enorm der Nachholbedarf eutschlands im internationalen Wettbewerb bei der Kli- ischen Forschung ist. Wenn die Bundesregierung nicht mgehend ein Konzept zur deutlichen Verbesserung des tandorts Deutschland in der pharmazeutischen For- chung vorlegt, wird die Bundesrepublik forschungspo- itisch zum Schlaflabor der EU. Der hier debattierte Antrag der CDU/CSU-Fraktion st nach dem gestrigen Kabinettsbeschluss zur AMG- ovelle besonders aktuell. Von den 17 Forderungen, die er Antrag enthält, erfüllt der mir vorliegende Referen- enentwurf explizit nur eine einzige: dass künftig nur ine Ethikkommission einer klinischen Prüfung zustim- en muss. Sollte die AMG-Novelle tatsächlich so umge- etzt werden, wie vom Kabinett gestern beschlossen, ird Deutschland auch künftig im internationalen Wett- ewerb als Standort für Forschung und Entwicklung harmazeutischer Produkte benachteiligt bleiben: Die thikkommissionen nach Landesrecht sind ein weiterer ufbau von bürokratischen Hindernissen. Gestaltungs- äume und flexible Vorgaben der Richtlinie werden nicht um Vorteil der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands um- esetzt. Dies zeigt sich insbesondere bei der Festschrei- ung der maximalen Fristen. Es wird nicht die Bildung e einer Leitethikkommission speziell für Kinder und peziell für nicht einwilligungsfähige Erwachsene ge- etzlich verankert. Stattdessen wird auch dies wieder den ändern überlassen bleiben, wodurch in den 16 Bundes- ändern jeweils zwei weitere Ethikkommissionen gebil- et werden müssen. Damit ist abzusehen, dass die Zahl er öffentlich-rechtlichen Ethikkommissionen von der- eit 52 sogar noch auf 84 steigen wird. Diese Zahl wird ermutlich noch deutlich höher ausfallen mit der Ein- ichtung von speziellen Kommissionen für klinische rüfungen von Arzneimitteln für Gentherarpie, mit so- atischer Zelltherapie und anderen speziellen Arznei- itteln. Hier wäre es sinnvoll gewesen, bundesweit zu- tändige Ethikkommissionen einzurichten und der iversifizierung durch landesweite Ethikkommissionen inhalt zu gebieten. Die Bedingung eines GMP-Zertifi- ates einer deutschen Behörde zum Import klinischer rüfpräparate im AMG ist bürokratie- und zeitaufwen- ig. Diese Anforderung stellt die EU-Richtlinie nicht. amit geht deutsches Recht über EU-Recht sogar hi- aus. Dies ist ein weiterer klarer Wettbewerbsnachteil, er von der Bundesregierung nicht beseitigt wird. Ich fordere daher die Bundesregierung auf, endlich in innovationsfreundliches Klima in Deutschland zu chaffen, damit wir wieder die Apotheke der Welt wer- en können. Die Bundesregierung muss endlich auf den 5732 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 (A) ) (B) ) internationalen Wettbewerb um Standorte der Pharma- Forschung reagieren. Denn schon Johann Wolfgang von Goethe erkannte: „Wissenschaft und Kunst gehören der Welt an und vor ihnen verschwinden die Grenzen der Nationalität.“ Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die klinische Prüfung von Arzneimitteln liegt im Span- nungsfeld von Patientenschutz und langfristig therapeu- tisch nutzbaren Forschungsinteressen. Aus ethischer Per- spektive müssen die Studien so ausgestaltet werden, dass die Arzneimittelsicherheit und die Gesundheit der Pro- banden ebenso gewährleistet sind wie ethische Aspekte des Patientenschutzes. Aus wirtschaftspolitischer Per- spektive haben Prüfungs- und Genehmigungsverfahren eminente Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Arzneimittelindustrie und sollten deshalb möglichst straff und unbürokratisch erfolgen. Diese bei- den Ansprüche sollten so weit wie möglich verbunden werden. Doch im Zweifelsfall hat selbstverständlich der Grundsatz „Sicherheit vor Schnelligkeit“ zu gelten. Es gilt aber auch: Hohe qualitative Anforderungen stehen in keinem natürlichen Gegensatz zu industriepoli- tischen Zielen. Dass Deutschland seinen Status als „Apotheke der Welt“ verloren hat und hinsichtlich seiner Innovationskraft im Arzneimittelbereich gegenüber an- deren EU-Ländern ins Hintertreffen geraten ist, ist nicht zuletzt Konsequenz unzureichender qualitativer Anfor- derungen an die hiesige Arzneimittelindustrie. Bemer- kenswert ist, dass die im Unions-Antrag als Forschungs- standorte hervorgehobenen Länder Dänemark, Schweden und die Niederlande durchweg über Arzneimittel-Positiv- listen verfügen. Arzneimittelunternehmen haben in diesen Ländern einen starken Anreiz, ihre Forschungsan- strengungen auf tatsächliche Innovationen zu konzen- trieren. Die deutsche Arzneimittelindustrie hat sich da- gegen zu lange auf dem sanften Ruhekissen eines nationalen Arzneimittelmarkts ausgeruht, auf dem fast jedes Produkt zulasten der GKV abgesetzt werden kann. Entwickelt wurden in den letzten Jahren vor allem Ana- logpräparate ohne medizinisch-therapeutischen Zusatz- nutzen gegenüber bereits existierenden Produkten. Es steht zu hoffen, dass mit der im Gesundheitskonsens be- schlossenen Ausweitung der Festbetragsregelung auf die Analogpräparate gegenläufige Anreize gesetzt werden. Auf das gesundheits- wie industriepolitisch gleicherma- ßen gebotene Instrument einer Positivliste wird Deutsch- land aber auch weiterhin verzichten müssen. Da hat die Union in den Verhandlungen zum Gesundheitskonsens ganze Arbeit geleistet. Recht hat die Union aber damit, dass die europäische Richtlinie zur Arzneimittelforschung umgesetzt werden muss. Die pharmazeutische Industrie ist heute internatio- nal organisiert. Sicherheitsanforderungen und Genehmi- gungsverfahren müssen deshalb in enger internationaler Abstimmung und Zusammenarbeit erfolgen. Es ist des- halb zu begrüßen, dass die EU eigens eine Richtlinie ent- wickelt hat, mit der die Anforderungen an die klinische Prüfung in Europa harmonisiert werden. e R s b w z E n t i t s h h p h b u s k h d l A d v v i s s B e t E i a u B g t u s D k g K d W n h u t f f z l (C (D Ich frage mich nur, weshalb die Union dazu einen igenen Antrag bemüht. Das Kabinett hat gestern zur ichtlinienumsetzung den Entwurf eines Zwölften Ge- etzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (AMG) eschlossen. In diesem Gesetzesentwurf findet sie vieles ieder, was auch im Antrag der Union enthalten ist. So um Beispiel die Vereinfachung des Verfahrens bei den thikkommissionen oder auch die Verkürzung der Ge- ehmigungsfristen. Darüber hinaus soll die Novelle aber auch einen Bei- rag zur Arzneimittelsicherheit für Kinder leisten. Heute st die Hälfte der bei Kindern angewendeten Arzneimit- el ohne eine arzneimittelrechtliche Zulassung für die pezifische Anwendung bei Kindern. Für etliche Krank- eiten, von denen Kinder betroffen sind, gibt es über- aupt keine eigenen Arzneimittel. Wir werden jetzt im arlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zu prüfen aben, inwieweit das Gesetz künftig erlauben soll, unter estimmten Rahmenbedingungen auch klinische Studien nter Beteiligung von Kindern durchzuführen. Ein Augenmerk werden wir auch darauf haben müs- en, dass künftig auch Frauen in ausreichender Zahl an linischen Studien beteiligt werden. Arzneimittel wirken äufig auf Frauen und Männer sehr unterschiedlich. In en klinischen Studien sind aber Frauen meistens deut- ich unterrepräsentiert. Das werden wir ändern müssen. uch hier können wir etwas aus dem Ausland lernen: In en USA und Schweden ist die gleichrangige Teilnahme on Frauen an klinischen Arzneimittelstudien per Gesetz orgegeben. Überhaupt nicht einsichtig, weil durch nichts belegt, st die These der CDU, die Ethikkommissionen seien chuld, dass es in Deutschland nicht genügend For- chungsstandorte gibt. Und das, wo gerade der CDU die ioethik – siehe Klondebatte – so wichtig ist und sie ine ethische Prüfung bei klinischen Forschungsprojek- en schon allein aus diesem Grund fordern müsste! thikkommissionen sind – das ist ja wohl unbestritten – n diesem Bereich unumgänglich. Dennoch gibt es auch us unserer Sicht Verbesserungsbedarf bei dem Einsatz nd der Arbeitsweise der Ethikkommissionen in diesem ereich: Zurzeit handelt es sich in der Regel um Kolle- ialberatungsgremien der akademischen Selbstverwal- ung. Das entspricht nicht der wachsenden faktischen nd rechtlichen Bedeutung von Ethikkommissionen, wie ie in der EU-Richtlinie 2001/20/EG vorgesehen sind. ie medizinischen Mitglieder der universitären Ethik- ommissionen stehen unter erheblichem Loyalitätsdruck egenüber ihren Kollegen. Weder sind die personellen apazitäten vorhanden noch fachkundiges Personal in en Geschäftsstellen. Deshalb plädieren wir für eine eiterentwicklung der Ethikkommissionen zu professio- ellen behördlichen Überwachungseinrichtungen mit auptberuflich tätigen Mitarbeitern und Durchsetzungs- nd Kontrollbefugnissen unter Einbeziehung von Patien- envertretern. Ich möchte nur noch auf eine Forderung eingehen: Sie ordern, Leitethikkommissionen für die klinischen Prü- ungen bei nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen ein- urichten. Diese Forschung ist ethisch nicht verantwort- ich und medizinisch nicht notwendig. Dies ist bisher Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 5733 (A) (C) (B) ) auch Konsens im Bundestag. Die Bioethik-Konvention des Europarates ist unter anderem eben aus diesem Grund vom Bundestag nicht ratifiziert worden. Von die- sem Konsens sollte auch nicht versteckt unter dem Titel „Entbürokratisierung der Forschung“ abgewichen wer- den. Alle Konzepte, ob sie die Namen von Hartz, Kirchhoff oder Herzog tragen, verfehlen ihre Wirkung, wenn die Akteure am Wissenschafts- und Wirtschafts- standort Deutschland ständig zur Ader gelassen werden. In diesem Zusammenhang trifft der leider inflationär verwendete Begriff „nachhaltig“ des Pudels Kern. Nach- Mit der Rolle und Struktur von Ethikkommissionen beschäftigen wir uns ausführlich in der Enquete-Kom- mission „Ethik und Recht der modernen Medizin“. Die Ergebnisse werden wir in das Gesetzgebungsverfahren einfließen lassen. Auch Ihre Forderung nach einer Leit- ethikkommission für die klinische Prüfung bei Minder- jährigen ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Eine Be- fürchtung ist, dass die Forschung an Kindern, bei der ja auch vom Prinzip des informed consent abgewichen werden muss, als Einfallstor für die Forschung an Nicht- einwilligungsfähigen allgemein wirken könnte. Wir wol- len deshalb in Ruhe die Fachanhörung der Enquete zu diesem Thema auswerten und erst danach entscheiden, wie hier weiter verfahren werden soll. Cornelia Pieper (FDP): Schleichend zwar, aber doch stetig verliert Deutschland im globalen Wettbewerb der Forschungsstandorte an Attraktivität. Statistiken und Berichte zeigen, dass wir zwar immer noch erste Plätze belegen, der Platz eins jedoch bleibt uns oft versagt. Die weltweit 30 größten Pharmafirmen unterhalten in Deutschland nur zehn FuE-Standorte. In Europa ist Deutschland hinter Großbritannien und Frankreich auf den dritten Platz bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung zurückgefallen. Die CDU/CSU-Fraktion sagt uns mit ihrem Antrag „Klinische Prüfung in Deutschland entbürokratisieren“ völlig zu Recht: Achtung! Hier wird wieder einmal ein Forschungsbereich unnötig drangsaliert. Es geht um die Forschung eines Wirtschaftszweiges, der das Markenzei- chen „Made in Germany“ prägte wie kaum ein anderer. Während man sich im Kanzleramt derzeit Gedanken darüber macht, wie Marketingagenturen eben dieses Markenzeichen weltweit wieder aufpolieren sollen, se- hen sich jene, die den Ruf überhaupt erst begründeten, häufig an die Wand gedrängt. Heute geht es um die Pharmabranche, deren Sorgen, Ängste und Nöte wir alle kennen. Wir müssen handeln; denn einer Verlagerung der Forschung folgt in aller Regel später die Produktion im Ausland. In Deutschland sind derzeit lediglich etwa 14 200 Mitarbeiter der Mitgliedsunternehmen des Ver- bandes forschender Arzneimittelhersteller (VfA) in den Bereichen Forschung und Entwicklung tätig. Damit liegt Deutschland deutlich hinter den USA (56 800), Japan (29 000), Großbritannien (21 000) und Frankreich (18 200) zurück. Dieser Trend setzt sich fort. Die Bran- che investiert immer stärker im Ausland und fährt damit ihre FuE-Aufwendungen zurück. h G t n r s b f P l k t e s g t g p G a f A t t g v a s m m m w m u s u s u h s l J A d (D altig wird der Pharmaindustrie die wirtschaftliche rundlage durch die Schaffung von Wettbewerbsnach- eilen, durch leichtfertiges Umsetzen von EG-Richtli- ien, durch die Aufweichung der gewerblichen Schutz- echte und das Fehlen einer nationalen Biotechstrategie chleichend entzogen. Bereits heute liegt Deutschland ei der Arzneimittelproduktion weltweit nur noch an ünfter Position. Dazu kommen noch die Folgen für die atienten, die bei Arzneimittelentwicklungen im Aus- and erst viel später Zugang zu neuen innovativen Medi- amenten haben. Wir brauchen einen klaren Kurs für diesen Höchst- echnologiebereich! Das bedeutet für mich zugleich auch ine Liberalisierung der Forschung durch mehr Selbst- tändigkeit für Universitäten und Forschungseinrichtun- en und eine Stärkung der Wissenschaft durch neue Sys- eme der öffentlichen Forschungsförderung, eine ezielte Förderung der Spitzenforschung und eine kom- etitive Vergabe von Fördermitteln, so wie es derzeit roßbritannien bereits erfolgreich macht. Ich denke da n eine Verbesserung des Technologietransfers, die Ein- ührung einer Forschungsprämie, eine bessere rechtliche bsicherung von Drittmitteln und die Stärkung der na- urwissenschaftlichen Ausbildung der jungen Genera- ion. Die Europäische Kommission fordert in ihrem Strate- ieplan die Mitgliedstaaten auf, durch die Einführung on nationalen Anreizen die industriellen Forschungs- usgaben zu steigern. Der BDI hat völlig Recht, wenn er tatt steuerlicher Abschreibungen eine Forschungsprä- ie fordert. Das bedeutet, die Drittmittel der Industrie it einem prozentualen öffentlichen Zuschlag zu „prä- ieren“. Dies würde ohne großen bürokratischen Auf- and den Technologietransfer begünstigen, Drittmittel obilisieren, den Wettbewerb zwischen universitären nd außeruniversitären Forschungseinrichtungen ver- tärken und den Unternehmen Freiheit bei der Partner- nd Themenwahl lassen. Vergessen wir doch eines nicht: Die Arzneimittelfor- chung und -entwicklung hat in Deutschland eine lange nd erfolgreiche Tradition. Die deutschen Arzneimittel- ersteller gehören zu den weltweit ältesten pharmazeuti- chen Unternehmen. Sie begründeten den Ruf Deutsch- ands als Apotheke der Welt und besetzten über viele ahre die Plätze eins und zwei auf der Weltrangliste der rzneimittelhersteller. Ich kann Sie nur auffordern: Stimmen Sie dem Antrag er CDU/CSU zu! 66. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 16. Oktober 2003 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506600000

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Sitzung ist eröffnet.
Zunächst gratuliere ich dem Kollegen Walter

Riester, der am 27. September seinen 60. Geburtstag be-
ging, im Namen des Hauses nachträglich recht herzlich.


(Beifall)

Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, dass die Kollegin

Helga Kühn-Mengel als stellvertretendes Mitglied aus
dem Vermittlungsausschuss ausscheidet. Als Nachfol-
ger wird der Kollege Klaus Brandner vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Wider-
spruch. Dann ist der Kollege Brandner als stellvertreten-
des Mitglied im Vermittlungsausschuss bestimmt.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die
verbundene Tagesordnung um die in einer Zusatzpunkt-
liste aufgeführten Punkte erweitert werden:

1 Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Haltung der Bundesregierung zum Eingeständnis des
Bundesfinanzministers, dass er 2003 für den Bund mit
über 40 Milliarden Euro die höchsten Schulden in der Ge-
schichte der Bundesrepublik aufnehmen wird


(Er Redet gänzung zu Tagesordnungspunkt 26)

a) Beratung des Antrags der Bundesregierung

Fortsetzung und Erweiterung der Beteiligung bewaff-
neter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer In-
ternationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Af-
ghanistan auf Grundlage der Resolution 1386 (2001)

vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai
2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002 und 1510

(2003) vom 13. Oktober 2003 des Sicherheitsrats der

Vereinten Nationen
– Drucksache 15/1700 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humani
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarb
Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

(C (D ung 16. Oktober 2003 0 Uhr b)

ten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Si-
cherheit von technischen Arbeitsmitteln und Verbrau-
cherprodukten
– Drucksache 15/1620 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom
13. Januar 2003 zwischen der Regierung der Bundes-
republik Deutschland und der Regierung der Sonder-
verwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik
China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von
Schifffahrtsunternehmen auf dem Gebiet der Steuern
vom Einkommen und vom Vermögen
– Drucksache 15/1644 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

3 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Den Weg für Investitionen und Innovationen durch den
Abbau bürokratischer Hemmnisse freimachen
– Drucksache 15/1707 –

ext
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und

ng
für Tourismus
für die Angelegenheiten der Europäischen Union
für Kultur und Medien
usschuss
täre Hilfe
eit und

Entwicklu
Ausschuss
Ausschuss
Ausschuss
Haushaltsa






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

4 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des

BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs ei-
nes Vierundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abge-
ordnetengesetzes
– Drucksache 15/1687 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss

5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-Joachim Otto

(Frankfurt), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, weiterer Ab-

geordneter und der Fraktion der FDP
Transparenz für den Hauptstadtkulturfonds
– Drucksache 15/1708 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Ausschuss für Tourismus

Von der Frist für den Beginn der Beratung soll – so-
weit erforderlich – abgewichen werden.

Des Weiteren ist vereinbart worden, den Tagesord-
nungspunkt 7 b – es handelt sich um die Beratung des
Antrags der CDU/CSU-Fraktion „Klinische Prüfung in
Deutschland entbürokratisieren“ – heute als letzten
Punkt der Tagesordnung aufzurufen.

Die Tagesordnungspunkte 13 – Entschädigungs-
rechtsänderungsgesetz –, 17 – ERP-Wirtschaftsplange-
setz 2004 – und 25 – Gesetz zur Förderung Schwerbe-
hinderter – sollen abgesetzt werden.

Außerdem mache ich auf eine nachträgliche Überwei-
sung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:

Der in der 63. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätz-
lich dem Ausschuss für Gesundheit und Soziale Siche-
rung zur Mitberatung überwiesen werden:

Gesetzentwurf der Bundesregierudng zur Moder-

(Justizmodernisierungsgesetz – JuMoG)

– Drucksache 15/1508 –
überwiesen:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Finanzausschuss

Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? –
Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos-
sen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD,
der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN und der FDP
Einsetzung einer gemeinsamen Kommission
von Bundestag und Bundesrat zur Moderni-
sierung der bundesstaatlichen Ordnung
– Drucksache 15/1685 –

Es liegt ein Änderungsantrag der fraktionslosen Ab-
geordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau vor.

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(C (D Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für ie Aussprache im Anschluss an die Reden der Präsidenen des Deutschen Bundestages und des Bundesrates wei Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Widerpruch. Dann ist das so beschlossen. Das Wort hat zunächst der Präsident des Deutschen undestages, Wolfgang Thierse. Frau Präsidentin! Meine liebe Kolleginnen und Kolle en! Ich freue mich über den Konsens zwischen Bundesag und Bundesrat und zwischen den Fraktionen dieses auses, heute hier im Bundestag und morgen im Bunesrat eine gemeinsame Kommission mit der Moderniierung der bundesstaatlichen Ordnung zu beauftragen. ch möchte dazu ermuntern und ermutigen, im Sinne ieses gemeinsamen Problembewusstseins, das im Einetzungsantrag zum Ausdruck kommt, auch gemeinsame ege zur Neuordnung der Kompetenzen zwischen Bund nd Ländern einzuschlagen, nicht zuletzt auch mit Blick uf die Europäische Union. Über Länderund Parteigrenzen hinweg hat sich die insicht durchgesetzt, dass das föderale Gleichgewicht eu justiert werden muss. Ich halte es nicht für eine bertreibung, wenn in der medialen Kommentierung daon die Rede ist, dass diese Kommission wahrlich eine erkulesaufgabe vor sich habe. Wir wissen doch: Je gröer die Aufgabe, desto größer auch die öffentlichen Erartungen und umso größer die Gefahr eines Scheiterns. in häufig gebrauchtes Bild ist hier durchaus angeracht: Es darf für diese Kommission nicht gelten, dass er Berg kreißt, um schließlich ein Mäuslein zu gebären. Ich will die Schwierigkeiten zu Beginn dieser Debatte enennen. Sie liegen zum einen in der Sache selbst. Unere bundesstaatliche Ordnung, die im Kommissionsaufrag richtigerweise in den Mittelpunkt gerückt wird, ist n eine bedrohliche Schieflage geraten. So leicht uns ämlich der Begriff der parlamentarischen Demokratie ür unsere Verfassungsordnung über die Lippen geht, so ffensichtlich ist zugleich doch geworden, dass sich der esetzgebungsprozess auf vielfältige Weise in die Strukuren eines Beteiligungsföderalismus verlagert hat. Wir aben nicht mehr und nicht weniger als die Aufgabe vor ns, an der Wiederherstellung eines transparenten parlaentarischen Entscheidungssystems mit klaren Verantortlichkeiten zu arbeiten, also an einer im eigentlichen inne klassischen Demokratieund Staatsreform. Sie alle kennen die Zahlen, mit denen dieser Miss tand seit Monaten illustriert wird: Bis etwa 1970 waren 0 Prozent der Gesetze zustimmungspflichtig. Heute ist ie Zahl der Gesetze, bei denen die Zustimmung des undesrates zwingend erforderlich ist, auf gut 60 Proent gestiegen. Allerdings sollten wir uns davor hüten, ie Verantwortung dafür auf die Länderseite, auf den undesrat, zu schieben. Wir, der Deutsche Bundestag, er Gesetzgeber, sind selbst für eine Entwicklung verntwortlich, in der der Bund im Bereich der konkurrieenden Gesetzgebung immer mehr Kompetenzen mit Präsident Wolfgang Thierse einer Regelungsdichte bis in die kleinsten Verästelungen hinein an sich gezogen hat. Wir sind die Hauptverantwortlichen für das, was unsere Verfassung seit einiger Zeit „Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern“ nennt – ein Konstrukt, das unseren Verfassungsmüttern und Verfassungsvätern fremd war, das uns heute aber mehr Schwierigkeiten als Freude bereitet. Denn dahinter verbergen sich Intransparenz und Unklarheit in Sachen Verantwortlichkeit, insbesondere die der verwirrenden Finanzierungsund Besteuerungsstrukturen. Die Herausforderungen für die einzusetzende Kommission werden nicht kleiner, wenn wir sie mit dem großartigen Projekt einer europäischen Verfassung zusammendenken. Dennoch plädiere ich dafür, dass wir uns dieser Aufgabe nicht kleinlich und beckmesserisch, sondern mit Freude und dem Bewusstsein widmen, welche großen Chancen darin liegen. Wer von uns hätte vor 15 Jahren davon zu träumen gewagt, dass wir in den Jahren 2003/2004 ganz praktisch über Zuständigkeitsfragen eines europäischen Unionsprojektes verhandeln und streiten, das nicht mehr nur von Rom bis Stockholm, sondern auch von Lissabon bis Tallinn reicht? Wer diesen einzigartigen Vorgang richtig bewerten und einordnen will, der wird nicht umhinkommen, nach kleineren historischen Vergleichsprojekten zu suchen. Was wir dabei feststellen können, ist eine fast unabweisbare Bewegung der Abgabe von Zuständigkeiten nach oben. Dies war Ende des 19. Jahrhunderts der Fall, als die Wiederbegründung des Deutschen Reiches gelang und die zersplitterten Teilstaaten Kompetenzen an die Zentralgewalt abgeben mussten. Dies findet sich im Prozess der Neugründung der Bundesrepublik Deutschland durch die bereits früher gebildeten Länder wieder. Dies erleben wir seit Jahren als Deutscher Bundestag, der Kompetenzen an die europäischen Entscheidungsstrukturen abzugeben hat. Dieser Prozess ist bislang schleichend und eher unkoordiniert erfolgt. Deshalb, meine ich, macht es Sinn, dass wir gewissermaßen im Nachgang zur Arbeit des europäischen Verfassungskonvents unsere eigenen föderalen Entscheidungsstrukturen einer Überprüfung unterziehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1506600100

(Beifall im ganzen Hause)





(A) )


(B) )


(Jörg van Essen [FDP]: Sehr richtig!)


Es mag für manchen unter uns in diesem Hause
schmerzlich erscheinen, aber mir scheint es unabweisbar
zu sein, dass die Verlagerung von nationalstaatlichen
Kompetenzen nach Brüssel und Straßburg auch die
Frage nach einer binnenstaatlichen Neujustierung der
Zuständigkeit aufwirft, und zwar aus einem besonderen
Grund: Alles, was wir in diesem Zusammenhang tun, hat
von den Interessen der Bürgerinnen und Bürger auszuge-
hen. Je weiter die politischen Entscheidungsvorgänge
von ihnen wegdelegiert werden, umso unpersönlicher
und undurchschaubarer wird die Politik für die Bürger.

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(C (D (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Aufgabe der Kommission wird es sein müssen,
ll die politischen Komplexe in die Verantwortung der
egionalen Ebene, das heißt die der Länder, zu geben, die
ort entschieden werden können. Es geht um Politikfel-
er, in denen regionale Vielfalt einen Gewinn darstellt
nd nicht zu einem Verlust an Rechtssicherheit und zu
chwierigkeiten mit der gerade aus ostdeutscher Sicht
eiter wünschenswerten Angleichung von Lebensver-
ältnissen führt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich vermute, in dieser abstrakten Form werden mir
ie meisten in meiner Problembeschreibung folgen. Wie
chwer dies im Detail umzusetzen sein wird, will ich an
wei kleinen Beispielen illustrieren.
Der saarländische Ministerpräsident hat neulich in ei-

em Interview zu Recht auf die Überregulierung auf-
erksam gemacht, die darin liegt, dass der Bund den Ta-
en elfenbeinfarbige Lackierung vorschreibt. Ich habe
ie er nichts dagegen, wenn Taxen aller Farben durch
aarbrücken fahren können.
Schwieriger wird es in einem anderen Fall. Gerade

at die Kultusministerkonferenz der Länder ihren ers-
n Bildungsbericht verabschiedet. Neben anderen Be-
orgnis erregenden Befunden stellt der Bericht fest, dass
ich Deutschland einen weltweit einmaligen Wirrwarr
on weit mehr als 2 500 Lehrplänen für unsere Schulen
istet. Die Lehrplandatenbank weist sogar über
400 Eintragungen auf. Die Kommission wird die Frage
u beantworten haben, ob wir gemeinsam die Kraft auf-
ringen, diesen Wirrwarr im Interesse der Schülerinnen
nd Schüler wie der Eltern zu beenden. Denn immerhin
rwarten wir von den Menschen Flexibilität und muten
amilien auch Ortswechsel zur Arbeitsaufnahme zu.
ber das dürfen doch nicht die Kinder in schlecht auf-
inander abgestimmten Schulsystemen auszubaden ha-
en!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich habe eingangs darauf hingewiesen, dass die
chwierigkeiten für diese große Aufgabe schon in der
ache selbst liegen. Sie liegen aber zum anderen in glei-
her Weise in der großen Vielfalt der beteiligten
kteure, deren Interessen berührt sind und die im Mei-
ungsfindungsprozess der Kommission mit zu entschei-
en haben. Wir haben hier den Deutschen Bundestag mit
einen vier Fraktionen und einer Regierungs- und einer
ppositionsseite; wir haben den Bundesrat mit ganz un-
rschiedlichen Koalitionen bei den Landesregierungen,
it der A- und B-Länder-Koordination. Innerhalb des
undesrates gibt es verständlicherweise Interessendiver-
enzen zwischen den armen und den reichen, den klei-
en und den großen Ländern. Bereits im Prozess der
ommissionszusammensetzung wurde deutlich, dass






(A) )



(B) )


Präsident Wolfgang Thierse

sich auch die Länderparlamente nicht immer durch ihre
Landesregierung voll vertreten fühlen.

Schließlich haben wir die Interessen unserer Kom-
munen zu achten, ohne deren aktive Mitwirkung am de-
mokratischen Prozess unsere Demokratie von unten her
ausgetrocknet würde. Deswegen dürfen wir sie auch
finanziell nicht austrocknen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Aus dieser Interessenvielfalt ergibt sich zwingend
zweierlei: Erstens darf es in der Kommission zu keiner
Polarisierung entlang der Parteigrenzen bzw. der beiden
aktuell großen „politischen Lager“ kommen. Diese
Kommission wurde und wird nicht eingerichtet, um be-
stimmten politischen Projekten aus der Bredouille der
Blockade zwischen Bundestag und Bundesrat zu helfen.
Sie dient vielmehr der Entwicklung von Vorschlägen
zum besseren Funktionieren unserer parlamentarischen
Demokratie im Interesse aller Beteiligten. Wenn ich „al-
ler Beteiligten“ sage, dann habe ich dabei vor allem die
Bürgerinnen und Bürger im Auge. Sie haben einen An-
spruch auf Transparenz in der Demokratie.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie müssen erleben und sie müssen wissen können, wer
für bestimmte Entscheidungen die Verantwortung trägt,
sei es die Mehrheit des Deutschen Bundestages, sei es
die Mehrheit eines Landesparlaments. Ein quasi perma-
nent tagender Vermittlungsausschuss zwischen Bundes-
tag und Bundesrat verwischt genau diese Transparenz
und verunmöglicht es den Bürgern, die Verantwortlich-
keiten zu erkennen.


(Beifall im ganzen Hause)

Demokratie aber – darin sind wir doch alle einig –

lebt gerade von dieser Transparenz, davon, dass erkenn-
bar unterschiedliche Konzepte und Lösungen vorgelegt
werden und wählbar sind und dass der Streit darum öf-
fentlich und nicht hinter verschlossenen Türen ausgetra-
gen wird.

Zweitens. Sobald es in der Kommission zu einer Pola-
risierung entlang der Linie Bundestag gegen Bundesrat
bzw. Länder kommt, werden wir ebenfalls unsere Auf-
gabe verfehlen. Hier hilft nur die Einsicht auf beiden
Seiten, dass eine klarere Trennung von Aufgaben und
Zuständigkeiten letztlich allen beteiligten Akteuren
nützlich sein wird. Diese Warnung heißt allerdings nicht,
dass wir nicht hier, im eigenen Hause, bereits bei der
Konsenssuche beginnen müssten.

Ich glaube, dass wir guten Grund haben, an dieser
Stelle optimistisch zu sein. Anlass dafür gibt nicht nur
der konstruktive und trotz allem zügige Prozess, inner-
halb dessen die Struktur dieser heute vorgeschlagenen
Kommission entwickelt wurde. Ich glaube, dass dies
auch für die Möglichkeiten einer Konsensfindung in der
Sache selbst gilt.

Da ich von Ihnen selten öffentliches Lob gewohnt
bin, will ich umgekehrt mit gutem Beispiel vorangehen

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(C (D nd einige Eckpunkte positiv herausstellen, die der Kolege Kauder (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Jetzt wird‘s gefährlich!)


ereits im Juni in einem Interview in die Debatte ge-
racht hat. Innerhalb einer neuen, klaren Verteilung der
ompetenzen und Finanzstrukturen zwischen Bund und
ändern befürwortet Kollege Kauder, dass dies zu einer
tärkung der Länderkompetenzen bei der Gesetz-
ebung führen müsse. Zugleich aber bedeute dies, dass
er Bund bei den verbleibenden Kompetenzen wiederum
ehr eigenständige Entscheidungskraft erhalten müsse.
enn, so der Kollege Kauder wörtlich,

der Bundesrat hat nach der grundgesetzlichen Ord-
nung nicht die Funktion eines ständigen Veto-Or-
gans.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mit einer Erweiterung der Länderrechte wäre des-
halb im Gegenzug der Anteil der im Bundesrat zu-
stimmungspflichtigen Gesetze deutlich zu senken.
Das betrifft auch den Vermittlungsausschuss. Das
Grundgesetz hat ihm die Rolle eines Sonderorgans
zur Kompromisssuche gegeben. Inzwischen aber
hat der Vermittlungsausschuss nahezu die Funktion
eines Ersatzparlaments bekommen.

Diese Beobachtungen und Eckdaten, so meine ich,
ürften im Hause breite Zustimmung finden können.
ber – wir wissen es – wie immer steckt der Teufel im
etail, wird es Streit bei und in jedem Politikbereich ge-
en. Doch wenn wir uns mit den anderen Beteiligten auf
ine solche Linie verständigen können, dann wird die
rbeit der Kommission nicht ohne konkrete Ergebnisse
leiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte nicht

chließen, ohne der Kommission ein mir besonders am
erzen liegendes Problem mit auf den Weg zu geben,
ämlich das unserer Hauptstadt Berlin. Mit guten
ründen wird sich die Kommission sicherlich nicht
it einem Neuzuschnitt der Länder befassen. Die
ächste Entscheidung darüber haben die Bürgerinnen
nd Bürger von Berlin und Brandenburg zu fällen. Sie
ird auch nicht die Entscheidung des Bundesverfas-
ungsgerichts in Sachen der Finanzverfassung Berlins
m Verhältnis zum Bund vorwegnehmen können und
ollen.
Aber jenseits der im Rahmen unseres Kulturfödera-

smus immer neu auftauchenden Detailfragen einer
undeskulturförderung unserer gemeinsamen Haupt-
tadt werden auch die Länder darüber mitzubefinden
aben, was es heißt, dass Berlin die Hauptstadt dieser
epublik geworden ist und wie sich dies dort ausdrü-
ken soll und muss, wo nicht die Rolle eines normales
undeslandes, sondern die Hauptstadtfunktion gefragt
t. Denn Berlin ist nicht nur eine Angelegenheit der
erliner und des Bundes allein, sondern aller Deut-






(A) )



(B) )


Präsident Wolfgang Thierse

schen und also aller Länder der Bundesrepublik
Deutschland.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506600200

Das Wort hat nun der Präsident des Bundesrates, Pro-

fessor Dr. Wolfgang Böhmer.

Dr. Wolfgang Böhmer, Präsident des Bundesrates:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich darf auch meinerseits für den Bundesrat mit
Freude feststellen, dass über die grundsätzliche Notwen-
digkeit der Einsetzung einer Föderalismuskommission
zwischen uns ein breiter, parteiübergreifender Konsens
besteht. Das gilt auch für die allgemeine Zielsetzung, bei
einer Reform der bundesstaatlichen Ordnung zu einer
klareren Zuordnung der Gesetzgebungskompetenzen
von Bund und Ländern und zu einer Neuordnung auch
der Mischfinanzierungen zu gelangen.

Bei den jeweiligen Schwerpunktsetzungen gibt es al-
lerdings je nach Interessenlage gravierende Unter-
schiede, über die Sie andeutungsweise schon gesprochen
haben und über die wir auch in der Kommission ausführ-
lich sprechen werden müssen.

Für den Bund hat eine Reduzierung der Bundesrats-
mitwirkung durch die Verringerung der Zahl der zustim-
mungspflichtigen Gesetze Vorrang. Das ist verständ-
lich. Die Länder fordern mehrheitlich mehr eigene
Gestaltungsmöglichkeiten bei der Gesetzgebung und
eine Zusammenführung von Aufgaben- und Ausgaben-
kompetenz durch eine Entflechtung von Gemeinschafts-
aufgaben und Mischfinanzierungen. Für die Vertreter der
Wirtschaft ist das umständliche und langwierige Zusam-
menspiel von Bundes- und EU-Ebene sowie den einzel-
nen Ländern zumindest aus ihrer Sicht ein Standortnach-
teil. Vor dem Hintergrund der Globalisierung und des
internationalen Konkurrenzdrucks fordern sie schnelle
Entscheidungen vor Ort. Für die Bürgerinnen und Bür-
ger – hier kann ich Ihnen, Herr Präsident Thierse, nur zu-
stimmen – muss nachvollziehbar sein, welche Entschei-
dungen an welcher Stelle verantwortet werden. Für sie
sollten Entscheidungen so bürgernah wie möglich ge-
troffen werden.

Es ist deshalb eine ausgesprochen anspruchsvolle
Aufgabe für die zu bildende gemeinsame Föderalismus-
kommission, die unterschiedlichen Interessenlagen zu
einem Gesamtkonzept zusammenzuführen. Angesichts
der gegenwärtigen Rahmenbedingungen – stagnieren-
des Wirtschaftswachstum, internationaler Wettbewerbs-
druck und hohe Arbeitslosigkeit – sind Reformen für
Deutschland – ich denke, darin können mir alle zustim-
men – notwendiger denn je.


(Beifall im ganzen Hause)


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(C (D s könnte sein, dass einige zurzeit diskutierte Reformaniegen nur eine Chance auf eine erfolgreiche Umsetzung aben, wenn auch die Föderalismusreform gelingt. In seiner derzeitigen Ausgestaltung ist der deutsche öderalismus an eigene Grenzen gestoßen. Das ist im undesrat schon früh erkannt worden. Bereits 1998 hat iner meiner Vorgänger im Amt des Bundesratspräsidenen, der heutige Bundesfinanzminister Eichel, die Einsetung einer Reformkommission angeregt, wie wir sie etzt schaffen wollen. ie Ministerpräsidenten der Länder sind bereits im Okober 2001 übereingekommen, Verhandlungen mit dem und über die Modernisierung der bundesstaatlichen rdnung aufzunehmen. Im Dezember 2001 haben sich ie Regierungschefs von Bund und Ländern über die otwendigkeit einer Überprüfung der bundesstaatlichen rdnung im Hinblick auf die Zweckmäßigkeit und Effiienz der Aufgabenerfüllung und die Zuordnung der poitischen Verantwortlichkeiten verständigt. Die im Wesentlichen gemeinsamen Positionen der änder zielen darauf ab, die politische Handlungsund ntscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern zu stären sowie eine klare Zuordnung politischer Entscheiungen zu den staatlichen Ebenen zu erreichen. Dies etzt aus Sicht der Länder insbesondere voraus, dass die esetzgebungsbefugnisse der Länder dort gestärkt weren, wo die Länder mehr Gestaltungsrechte als bisher enötigen, um spezifischen regionalen Bedürfnissen urch die Landesgesetzgebung gerecht werden zu könen. Zu diesem Zweck sollten Gesetzgebungsbereiche ie zum Beispiel die Förderung der wissenschaftlichen orschung oder das Wohnungswesen aus der Zuständigeit des Bundes an die Länder übertragen und den Länern durch verfassungsrechtliche Zugriffsrechte und ffnungsklauseln Möglichkeiten eröffnet werden, von orhandenen bundesrechtlichen Regelungen abzuweihen. Die Rahmengesetzgebung soll nach Vorstellung der änder aufgelockert werden, da sich die Verflechtung on bundesrechtlichen Rahmenbedingungen und ausfülendem Landesrecht nicht immer bewährt hat. Stattdesen sollten Gegenstände der Rahmengesetzgebung, zum eispiel das Hochschulrecht, im Wesentlichen der Bunesgesetzgebung mit verfassungsrechtlich gesicherten ugriffsrechten für die Landesgesetzgebung zugewieen werden. Auf diese Weise würden Gesetzgebungserfahren vereinfacht und beschleunigt. Dieser Entlechtungsschritt wäre auch deshalb sinnvoll, weil ahmenregelungen heute zunehmend auf der europäichen Ebene getroffen werden. Die Auflösung der Rahengesetzgebung bei gleichzeitiger Öffnung der jeweilien Bereiche für eine Länderkompetenz könnte die msetzung von europarechtlichen Vorgaben erleichtern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Die Zahl zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze
ollte verringert werden. Das ist auch die einhellige Mei-
ung der Länder. Im Gegenzug könnte den Ländern ein






(A) )



(B) )


Präsident des Bundesrates Dr. Wolfgang Böhmer

Zugriff auf bundesgesetzliche Organisations- und Ver-
fahrensregelungen eingeräumt werden. Die Zustim-
mungspflicht muss allerdings nach Ansicht der Länder
für Gesetze gelten und erhalten bleiben, die den Ländern
besondere Belastungen aufbürden, zum Beispiel Kosten
für Verfahren, oder durch die Einfluss auf die jeweilige
Infrastruktur genommen wird.

Im Bereich der Mischfinanzierungen sollte die Ei-
genständigkeit der Länder gestärkt werden. Die beste-
henden Mischfinanzierungstatbestände sind unter die-
sem Gesichtspunkt auf der Grundlage der bisherigen
Beschlüsse zu überprüfen und möglichst zu vermindern,
wir sagen nicht: abzuschaffen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die in der gegenwärtigen Finanzverfassung begrün-

deten Mischfinanzierungen engen die haushaltspoliti-
schen Gestaltungsspielräume der Länder in einem be-
trächtlichen Maße ein. In Sachsen-Anhalt zum Beispiel
werden allein durch die Bund-Länder-Mischfinanzie-
rungskonditionen circa 42 Prozent des Investitionshaus-
haltes faktisch festgelegt. Die Entscheidungen über die
Prioritäten der Landesinvestitionspolitik werden also in
der politischen Wirklichkeit ganz wesentlich auch auf
der Bundesebene getroffen. Ein solidarischer Ausgleich
von gesamtstaatlich nicht hinnehmbaren strukturellen
Unterschieden muss allerdings auch künftig gewährleis-
tet bleiben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist nicht nur für die neuen Bundesländer wichtig.
Deswegen halten wir diese Aussage für mindestens
ebenso bedeutsam. Ich will auch auf das Gegenteil noch
zu sprechen kommen.

Bei der Neuordnung der Finanzverflechtung zwi-
schen Bund und Ländern geht es mittel- bis langfristig
darum, größere Freiheiten bei der Verfügbarkeit der Mit-
tel innerhalb der Gemeinschaftsaufgaben zu erlangen.
Für die neuen Länder stehen diese Verhandlungen
grundsätzlich unter dem Vorbehalt, dass die für sie bis-
lang eingesetzten Mittel bis zum Jahr 2019 vollständig
und dauerhaft als freie Mittel zur Verfügung gestellt wer-
den. Durch die Reform darf kein Land finanziell
schlechter gestellt werden als bisher; sonst werden wir
keine Zustimmung erlangen können.

Auch Fragen der Steuererhebungspraxis sind mit dem
Ziel einer Modernisierung und der Steigerung der Effi-
zienz der Steuerverwaltung einer kritischen Überprüfung
zu unterziehen. In den Verhandlungen zur bundesstaatli-
chen Modernisierung sollten Regelungskompetenzen für
Steuern, deren Ertrag vollständig den Ländern bzw. den
Kommunen zufließt, im Hinblick auf eine mögliche
Stärkung der Steuergesetzgebungskompetenzen der Län-
der überprüft werden. Eine reale Erfolgschance haben
diese Absichten aber vermutlich nur im zeitlichen Zu-
sammenhang mit einer grundsätzlichen Steuerreform.

Im Rahmen der Reformüberlegungen ist auch die
Europakompatibilität von Grundgesetz und bundesstaat-
licher Ordnung besonders zu berücksichtigen. Dieser
Aspekt ist nicht nur für uns von besonderer Bedeutung.

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(C (D ie Modernisierung in Deutschland wird auch von andeen Staaten in Europa mit Interesse beobachtet. Die Euopäische Union hat im jetzt auslaufenden Jahr der Bunesratspräsidentschaft Sachsen-Anhalts auf diesem ebiet deutliche Fortschritte gemacht. Der europäische onvent hat den Entwurf eines Vertrages für eine euroäische Verfassung vorgelegt. Die Verträge über die Ereiterung der Europäischen Union um zunächst zehn eue Mitglieder wurden ratifiziert. Zukünftig wird auf EU-Ebene verstärkt über Themen ntschieden werden, die Zuständigkeiten der Länder nmittelbar berühren. Die im Verfassungsentwurf veranerte Kompetenzabgrenzung und Kontrolle des Subsiiaritätsprinzips machen nur Sinn, wenn die verfasungsmäßige Ausübung dieser Rechte innerstaatlich ntsprechend gesichert ist. Der Bundesrat ist sich dabei er Tatsache bewusst, dass in Europa verschiedene Kontruktionen zweiter Kammern bestehen und unterschiediche Lösungswege vorhanden sind. Wir sollten deshalb ei der Modernisierung unserer Verfassungsordnung den lick über die Grenzen zu unseren Nachbarn nicht verachlässigen. Das Leitbild des Grundgesetzes ist der so genannte ooperative Föderalismus. Oberstes Ziel der Finanzerfassung soll es bleiben, alle Länder und den Bund inanziell so auszustatten, dass sie ihren Aufgaben geecht werden können. In der Reformdebatte wird schon isher gelegentlich die Auffassung vertreten, dass ein ehr autonomieorientierter Systemwechsel hin zu einem o genannten Wettbewerbsföderalismus unabdingbar sei. er Begriff des Wettbewerbsföderalismus wurde, meine ch, in der letzten Zeit sehr strapaziert. Diesen Begriff rauchen jedoch auch die wirtschaftlich schwächeren änder dann – aber eben nur dann – nicht zu fürchten, enn man sich auf die Selbstverständlichkeit verstänigt, dass hierzu Chancengleichheit bei den Startbedinungen gehört. Davon sind wir noch weit entfernt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass die heute
u beschließende gemeinsame Föderalismuskommission
m Hinblick auf den Handlungsbedarf Reformvorschläge
orlegen wird, die es ermöglichen, das System der bun-
esstaatlichen Ordnung auf eine neue, zukunftsfähige
rundlage, und zwar auch im europäischen Kontext, zu
tellen.
Ich glaube, dass die Regelungen des Einsetzungsbe-

chlusses eine ausreichende Grundlage dafür sind, diese
chwierige Aufgabe erfolgreich in Angriff zu nehmen.
ie vorgesehene Beteiligung der Landtage und der kom-
unalen Spitzenverbände halten wir für angemessen.
Ich möchte Herrn Bundestagspräsidenten Thierse an

ieser Stelle für die konstruktive Zusammenarbeit dan-
en, die es ermöglicht hat, dass offene Punkte kurzfristig
eklärt werden konnten und heute der Beschlussvor-
chlag in der Ihnen bekannten Form vorgelegt werden
ann. Auch der Bundesrat betrachtet die vereinbarte Fö-
eralismuskommission als Chance, die wir gemeinsam






(A) )



(B) )


Präsident des Bundesrates Dr. Wolfgang Böhmer

nutzen sollten. Deshalb erbitten auch wir Ihre Zustim-
mung.

Vielen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506600300

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege

Franz Müntefering, SPD-Fraktion.

Franz Müntefering (SPD):
Rede ID: ID1506600400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Demokratie
hat Bedingungen, inhaltliche und praktische; sie hat
Werte und Regeln als Voraussetzung für ihr Gelingen.

Bei uns in Deutschland sind diese Werte und diese
Regeln im Grundgesetz niedergeschrieben. Das Grund-
gesetz ist in einer Zeit tiefster Schmach Deutschlands
entstanden: nach Nationalsozialismus, nach Verirrungen
und Verbrechen, nach Krieg, in einem zerstörten Land.
Das Grundgesetz hat sich als eine verlässliche und weit-
sichtige Grundlage für diese deutsche Demokratie erwie-
sen. Unser Grundgesetz ist ein großer Erfolg in der deut-
schen Geschichte. Wir sind und bleiben stolz auf dieses
Grundgesetz.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Darin wurden vor gut 54 Jahren in Bonn Maximen
formuliert und Sätze geprägt, die Leitlinien für unsere
Politik waren und auch heute sind. Zu den Menschen-
rechten heißt es in Art. 1:

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu
achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staat-
lichen Gewalt.

Zu Bund und Ländern heißt es in Art. 20:
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokrati-
scher und sozialer Bundesstaat.

Die Herausforderung, ein demokratischer und sozia-
ler Staat sein zu wollen, begleitet uns, die Abgeordneten
des Bundestages, in unseren tagtäglichen politischen Be-
mühungen, gerade in dieser Zeit großer Neuerungen, in
der es um wichtige Entscheidungen geht.

Die Frage, die damit verbunden ist, lautet: Ist die Ord-
nung dieses Bundesstaates in vollem Umfang zeitge-
mäß? Dieser Frage haben wir uns heute im Bundestag,
morgen im Bundesrat und dann in der Kommission, die
wir gemeinsam einrichten wollen, zu stellen. Werden die
Regeln, nach denen wir funktionieren und nach denen
unsere Demokratie organisiert ist, unserem Anspruch ge-
recht, die Unantastbarkeit der Würde des Menschen zu
garantieren sowie ein sozialer und demokratischer Bun-
desstaat zu sein? – Das klingt technisch; aber es geht um
die Handlungsfähigkeit der Politik und ganz konkret um
die Praxis der Demokratie.

Heute debattieren wir über die Modernisierung der
bundesstaatlichen Ordnung. Mit einem Antrag aller

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(C (D raktionen des Deutschen Bundestages wollen wir Mitlieder des Bundestages und des Bundesrates beauftraen, im Verlauf des kommenden Jahres Vorschläge für ie Fortentwicklung dieser bundesstaatlichen Ordnung u machen. Es ist ein gutes Zeichen, dass alle Fraktionen itmachen und der Bundesrat morgen einen Einsetungsbeschluss treffen will, der wortgleich mit dem des undestages ist. Ich bedanke mich beim Präsidenten des Deutschen undestages, Wolfgang Thierse, und in gleicher Weise eim Präsidenten des Bundesrates, Professor r. Wolfgang Böhmer, dafür, dass sie mit ihren heutigen eiträgen Zeichen gesetzt und den Willen zum gemeinamen Handeln von Bundestag und Bundesrat sichtbar emacht haben. as ist Ausgangslage für unsere Debatte? In den vergangenen fünf Jahrzehnten ist es Zug um ug zu einer Verlagerung von Zuständigkeiten, insbesonere bei den Gesetzgebungskompetenzen, auf den Bund ekommen. Dabei ging es meist um einheitliche Regeungen in allen Ländern oder – sagen wir es ehrlich – uch um Geld. Es ging um Geld, das der Bund hatte und as er für sinnvolle Zwecke, zum Beispiel für den Hochchulbau, einsetzen wollte, ohne dafür die Kompetenz zu aben. Per Verfassungsänderung sind dafür quasi zum usgleich die Rechte der Länder zur Mitwirkung an der esetzgebung ausgebaut worden. Das hat zusammen mit er sehr länderfreundlichen Auslegung von Art. 84 rundgesetz durch das Bundesverfassungsgericht dazu eführt, dass heute über 60 Prozent der Gesetze zustimungspflichtig sind. Es waren einmal viel, viel weniger. So haben es sich die Mütter und Väter unserer Verfas ung damals jedenfalls nicht vorgestellt. Sie gingen im ahr 1949 davon aus, dass die Länder nur dann an der undesgesetzgebung entscheidend mitwirken, wenn die änderinteressen besonders stark – besonders stark! – erührt werden. 1949 gab es im Grundgesetz nur in 2 Artikeln zustimmungspflichtige Tatbestände; heute st das in 35 Artikeln der Fall. Man kann jetzt lange darüber lamentieren, wer für iese Entwicklung verantwortlich ist, ob nicht auch die änder Machtzuwachs gewollt haben, ob nicht auch sie iese Entwicklung befördert haben. Man kann parteiolitische Motive ins Feld führen. Aber alles das hilft icht weiter. Die Realität ist jedenfalls, dass der Bundesat mit seiner jeweiligen Mehrheit wesentliche politiche Initiativen des Bundes blockieren und so maßgeblihen Einfluss auf die Gesetzgebung des Bundes ausüben ann. Der Bundesrat hat faktisch die Funktion eines peranenten Vetoorgans. Er übt sie längst nicht immer aus, ber auch nicht selten. Im Parlamentarischen Rat damals ar das so sicherlich nicht gemeint. Diese Entwicklung edeutet andererseits, dass die Länder Souveränität aufeben, ungenutzt lassen, sich bundeseinheitlichen Reeln unterwerfen. Franz Müntefering Deutlich sind hier die Worte eines Ministerpräsiden ten: Die Bundesregierung ist in wesentlichen Teilen ihrer Aktivitäten der intensiven Kontrolle und der rechtlichen Mitentscheidung des Bundesrates unterworfen. Man kann sogar sagen, dass der Bundesrat für die Bundesregierung ein schwierigerer Partner als der Deutsche Bundestag ist, da sie mit der Mehrheit des Bundestages in parteipolitischer Identität steht. Man spricht in unserer Gesellschaft – wir tun es auch – öffentlich von der zweiten Kammer und meint, Bundestag und Bundesrat seien bei der Gesetzgebung gleichberechtigt, was, wie wir alle wissen, so nicht ist. Im Grundgesetz steht: Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit. Sie wirken mit! Mit der skizzierten Entwicklung ist die Bedeutung des Vermittlungsausschusses gestiegen. Er ist in die Rolle eines Ersatzparlaments gerutscht, in dem Kompromisse gebastelt werden. Er ist ein Gremium, das nicht öffentlich in weitgehender Intransparenz, in kleinster Runde, mit oft widerstrebenden Motiven aus vorliegenden Gesetzentwürfen Gesetze macht, die dann in Bundestag und Bundesrat gebilligt werden – oder auch nicht. Der Vermittlungsausschuss als Organ der Bündelung, als Konzentrat unserer parlamentarischen Demokratie ist etwas, was schon für uns hier schwer zu verstehen und zu akzeptieren ist; noch viel mehr gilt das für die Bürgerinnen und Bürger im Land. Wohlgemerkt: Es geht nicht um die Qualität der Gesetze, die da entstehen. Das ist kein Vorwurf an die Kolleginnen und Kollegen, die im Vermittlungsausschuss die Arbeit tun. Aber für das Funktionieren von Demokratie und für die Transparenz von Demokratie ist das, was sich eingebürgert hat, nicht gut. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Vorsitz: Präsident Wolfgang Thierse)


(Beifall im ganzen Hause)





(A) )


(B) )


Wir wollen die Rolle des Parlaments stärken. Wir Parla-
mentarier wollen die Auseinandersetzung um die besten
Ideen im Parlament öffentlich führen und hier – hier! –
über Gesetze entscheiden.

Die Entstehungsgeschichte der jüngsten Gesundheits-
reform wirkte eher ungewöhnlich, war aber parlaments-
näher und eher grundgesetzkonform als viele Entschei-
dungsprozesse im Vermittlungsausschuss. Die Debatte,
die dazu in der politischen Öffentlichkeit geführt worden
ist, war schon verwunderlich.

Die Zeit, die eine Demokratie für Entscheidungen
braucht, ist eine andere wichtige Größe. Sorgfältige Ar-
beit erfordert ihre Zeit. Die Frage ist aber, ob es einge-
fahrene oder auch eingerostete Mechanismen gibt, die
dazu führen, dass die Dinge immer wieder verschleppt
werden. Wenn wir als Nation erfolgreich sein wollen,

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(C (D arf der Föderalismus keine Bremse sein, dürfen sich und, Länder und Gemeinden nicht gegenseitig blockieen. Als Beispiel nenne ich die bessere Vereinbarkeit von amilie, Kindern und Beruf. Diese wichtige gesellchaftliche Innovation soll in diesem Jahrzehnt in eutschland gelingen. Sie kann aber nur gelingen, und war bald, wenn Bund, Länder und Gemeinden dafür das ötige zielgerichtete, abgestimmte Engagement zeigen, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


enn sie sich nicht in Zuständigkeitsfragen und stark un-
erschiedlichen Geschwindigkeiten verlieren.
Als Bund geben wir in dieser Legislaturperiode

,5 Milliarden Euro an die Kommunen, damit dort die
öglichkeiten von Ganztagsbetreuung verbessert wer-
en. Wer die Debatten über die Umsetzung miterlebt hat,
at erfahren, dass das manchmal sehr schwierig ist. Nach
enigen Minuten war man nicht mehr bei der Frage von
ereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern bei der
rage, wer denn eigentlich zu entscheiden hat. Es hieß,
ass sich der andere bitte schön nicht einmischen soll
nd dass die Frage das Geld betreffend ganz einfach zu
eantworten ist: Wenn das Geld gegeben wird, dann
ird das schon irgendwo gemacht werden.
Unklarheit über die Zuständigkeiten ist eine Bremse

ür das, was wir wollen. Wir müssen uns darüber klar
ein, dass große gesellschaftliche Innovationen, die wir
or uns haben, nur funktionieren werden, wenn wir ein
invernehmen darüber herstellen, dass Bund, Länder
nd Gemeinden sich solchen Aufgaben gemeinsam stel-
en und sie gemeinsam realisieren müssen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die massive Verflechtung und Unübersichtlichkeit
at einen gefährlichen Nebeneffekt: Die Bürgerinnen
nd Bürger sehen nicht mehr, wer für was zuständig und
erantwortlich ist. Hier ist auch eine der Ursachen für
ie wachsende Entfremdung zwischen der Bevölkerung
nd der handelnden Politik. Es muss klar sein, wofür der
und zuständig ist und wofür jedes einzelne Land zu-
tändig ist. Wahlen verlieren ihren Reiz und sogar teil-
eise ihren Sinn, wenn auch nach Wahlen nicht klar ist,
er Verantwortung bekommen hat und sie wahrnehmen
ann und muss. Das Problem ist klar: Es muss entwirrt
erden, bei den Zuständigkeiten, den Gesetzgebungs-
ompetenzen und den Gesetzgebungsmodalitäten.
Eine diskussionsbedürftige Problematik sind dabei

ie Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern.
ie werden sicher ein wichtiges Thema in der Kommis-
ion sein, deren Einsetzung wir heute beschließen wol-
n. Manche sagen, die Länder seien Gewinner dieser
ntwicklung. Schließlich könnten die Länder bei ent-
prechenden Mehrheiten im Bundesrat viele Gesetze
ufhalten.
In Wahrheit ist es viel differenzierter. Die gesetzgebe-

ische Gestaltungsmöglichkeit der Länderparlamente ist
ast gänzlich verloren gegangen. Gewonnen haben die
andesregierungen. Der Exekutivföderalismus, den wir






(A) )



(B) )


Franz Müntefering

in Deutschland faktisch haben, hat dazu geführt, dass die
Länderparlamente uns – auch in der Vorbereitung auf
diese Kommission – fragen: Was ist unsere Rolle?

Ich weiß nicht, ob wir ihnen in der Debatte, die wir zu
führen haben, helfen können. Wir müssen uns trotzdem
schlichtweg dieser Wahrheit stellen. Wer spricht da mit-
einander? Es spricht der Bundestag, das Gesetzgebungs-
organ unserer Demokratie, mit den Exekutiven der Län-
der. Die Länderparlamente sind, wenn überhaupt, nicht
unmittelbar an dem beteiligt, was da „zwischen Bund
und Ländern“, wie wir schnell sagen, besprochen wird.
Ich kann das nicht auflösen und will das auch nicht mal
eben versuchen. Ich sage nur: Darüber wird zu sprechen
sein. Es wird um die Frage gehen, ob wir die Möglich-
keit haben, den Parlamenten neues Gewicht zu geben.

Die Länder haben kaum noch die Möglichkeit, zu re-
gional unterschiedlichen Regelungen zu gelangen, weil
der Bund überall seine Hand mit im Spiel hat. Bei seiner
Rahmengesetzgebung ist – wie der Bundespräsident
gesagt hat – der Rahmen oft so groß, dass man das Bild
nicht mehr sieht. Ob der Bund dabei seine Kompetenzen
überzieht oder ob die Länder gar kein Bild entwerfen
wollen, ist eine zweite Frage, der wir uns stellen müssen.
Jedenfalls hat sich bei uns in der Bundesrepublik
Deutschland eine Rahmengesetzgebung herausgebildet,
die den Ländern keine Möglichkeit mehr lässt, diesen
Rahmen auszufüllen. Vielleicht wollen die Länder das
sehr oft gar nicht. Vielleicht tauchen sie vor der Verant-
wortung weg und blicken auf den Bund – in der Erwar-
tung, dass er die Probleme löst.

Nein, diese Vernetzung und Vermischung von Zustän-
digkeiten muss ein Ende haben. Gesetzgebungsverfah-
ren sind zu umständlich, zu langwierig und viel zu kom-
pliziert geworden. Wir brauchen und wollen keine neue
Verfassung. Wir wollen keine Revision des Grundgeset-
zes. Wir brauchen eine Reföderalisierung, eine Rück-
besinnung auf die ursprünglichen Aufgaben von Bund
und Ländern, klare Regeln und klare Verantwortlichkei-
ten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Diese Aufgabe steht im Vordergrund der Arbeit der
Kommission.

Das bedeutet im Einzelnen eine Sicherung der Hand-
lungsfähigkeit von Bund und Ländern, eine Stärkung der
Rolle der Landtage in der Gesetzgebung, eine Reduzie-
rung der Zahl der zustimmungsbedürftigen Gesetze –
Einspruchsgesetze als Regelfall, zustimmungsbedürf-
tige Gesetze als Ausnahme.

Ich will noch einmal auf die Gesundheitsreform zu-
rückkommen. Es mag manchem parteipolitisch schei-
nen, aber mir leuchtete nicht ein, dass der Bundesrat in
der Gesetzgebung zur Gesundheitsreform ein Vetorecht
hatte. Er hatte es, weil die Länder für die Finanzierung
der Krankenhäuser zuständig sind. Das ist es aber auch.
Dass in einer solchen Situation Länder aufgrund ihres
Vetorechtes darüber wesentlich mitentscheiden können,
wie eine Gesundheitsreform auf Bundesebene gestaltet

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(C (D ird, ist ein Zustand, der diskussionsbedürftig ist und, ie ich finde, so nicht bleiben darf. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es geht deshalb um eine Neujustierung der Rahmen-
esetzgebung des Bundes. Es geht darum, Raum für
ubsidiarität, Eigenverantwortung, mehr Vernetzung,
eniger Hierarchie und mehr Bürgernähe zu schaffen.
iesem Ziel dienten auch die Erörterungen der Konfe-
enz der Landtagspräsidenten in Lübeck, die wir mit in
nsere weiter gehenden Beratungen einbeziehen wollen.
Auch die europäische Verfassung ist ein Anlass da-

ür, dass wir diese Debatte zu führen haben, und bringt
ichtige Aspekte ein. Welche Rolle spielen die Bundes-
änder in einem Europa der Regionen? Europa selbst gibt
ich eine Verfassung und justiert seine Institutionen neu.
ationale Aufgabe ist es dabei festzulegen, welche Auf-
abe die Länder in einem föderalen Staat wie Deutsch-
and haben. Die Wechselwirkungen zwischen Brüssel,
er Bundes- und der Länderebene werden zunehmen und
ie Beziehungen müssen klar geordnet werden. Für
eutschland steht in Europa viel auf dem Spiel. Deshalb
üssen wir in Europa mit einer Stimme und nicht mit
6 Stimmen sprechen. Die Gefahr, die sich sonst ergibt,
st groß; an vielen Stellen merkt und hört man es. Es
ützt aber nicht den Interessen unseres eigenen Landes.
ndere Länder haben andere Ausgangsbedingungen.
eshalb wird das Thema Europafestigkeit unserer Insti-
utionen – so möchte ich es einmal nennen – eine Rolle
pielen müssen in der Diskussion, die wir führen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In vergangenen Legislaturperioden beschäftigten nur
ehr wenige Vorgaben aus Europa den Bundestag; so in
er dritten und vierten Wahlperiode jeweils 15. In der
etzten Legislaturperiode waren es irgendwo zwischen
500 und 3 000. Wer von uns könnte denn ehrlich von
ich behaupten, dass er die Übersicht hat? Wer von uns
ürde denn von sich behaupten, dass er Einblick hat in
as, was sich da entwickelt, und er rechtzeitig Einfluss
uf das nehmen kann, was da vorbereitet wird? So bleibt
hm zum Schluss nur übrig, zuzustimmen bzw. die Be-
chlüsse zu akzeptieren. Das ist nicht gut für das Selbst-
erständnis dieses nationalen Parlaments im Verhältnis
u Europa. Deshalb muss auch dieses offen und ehrlich
ngesprochen werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zu einigen Fragen, die kommen werden, nur einige
urze Anmerkungen, ohne das heute vollständig zu be-
ntworten. Zwei Komplexe werden nicht Gegenstand
er Beratungen der Kommission sein: der Zuschnitt der
undesländer und die Frage, ob stärkere plebiszitäre
lemente auf nationaler Ebene vorgesehen werden sol-
en. Für den ersten Bereich sind einzig und allein die
änder selbst zuständig. Mit dem zweiten Thema wird
ich der Deutsche Bundestag in absehbarer Zeit separat
efassen. Wir befinden uns hier in den Vorbereitungen.






(A) )



(B) )


Franz Müntefering

Das Stichwort Wettbewerbsföderalismus ist gefal-

len. Wir werden uns damit auseinander zu setzen haben.
Es gehört zu dem Grundsatz der Souveränität der Länder
im Bundesstaat, der im Grundgesetz verankert ist, dass
die Länder auch im Wettbewerb untereinander stehen.
Wir dürfen die Idee des Wettbewerbs, hinter dem ja auch
die Idee des Avantgarde-sein-Könnens steckt, nicht ver-
dunkeln.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Kann man das auch auf Deutsch sagen?)


Es müssen nur die Ausgangsbedingungen, von denen
aus die Länder antreten, vergleichbar sein. Wir von unse-
rer Seite werden jedenfalls nicht der Idee entgegenste-
hen, den Ländern in unserem Bundesstaat Platz und
Raum für eigene Ideen und eigenes Handeln zu geben.
Es muss nur abgestimmt und geklärt sein, wem welche
Zuständigkeiten zukommen.

Nicht wenige haben abgeraten, überhaupt an das
Thema der bundesstaatlichen Ordnung heranzugehen.
Viele haben gesagt: zu komplex, zu zäh, undankbar. –
Wir versuchen es trotzdem. Wir haben bei uns im Lande
schon Leute genug, die resigniert haben oder uns besser-
wisserisch Ratschläge geben. Wir wissen alle miteinan-
der in Bund und Ländern, dass wir gut beraten sind,
wenn wir uns die Mechanismen der Organisation der
Demokratie anschauen und versuchen, sie auf die Höhe
der Zeit zu bringen. Wir versuchen das mit Zuversicht.
Alle, die Mut haben, können dabei mitmachen. Wir ge-
hen ohne Hektik, aber zügig vor. Ich denke, dass sich im
Verlauf des Jahres 2004 herausstellen muss und heraus-
stellen wird, ob wir in der Lage sind, gemeinsam zielfüh-
rende Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Als Grund-
lage für Beschlüsse in der Kommission haben wir ja die
Zweidrittelmehrheit vereinbart. Es täte der Demokratie
in Deutschland gut, wenn wir uns nicht nur bewusst wä-
ren, dass wir manche wichtige Inhalte erneuern müssen,
sondern auch, dass – nach 50 Jahren Erfolgsgeschichte –
vieles verändert werden muss. Wir müssen das Verhält-
nis zwischen Bundestag und Bundesrat, aber auch die
Rolle der Kommunen und das Verhältnis Deutschlands
und seiner Bundesländer zu Europa klarstellen und uns
auf die Erfordernisse unserer Zeit einstellen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1506600500

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der Tribüne hat

soeben der algerische Parlamentspräsident Younès
mit einer Delegation des algerischen Parlaments Platz
genommen. Wir begrüßen Sie sehr herzlich.


(Beifall)

Ihr Besuch, Herr Präsident, ist Ausdruck der guten Be-
ziehungen zwischen unseren beiden Ländern. Wir wis-
sen, dass Algerien ein besonders wichtiger Nachbar an
der Südgrenze der Europäischen Union ist. Wir hoffen,
dass Sie in diesen Tagen einen aufschlussreichen Ein-

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(C (D ruck von unserer parlamentarischen Arbeit gewinnen önnen. Für Ihren Aufenthalt heute in unserem Hause nd für Ihr weiteres parlamentarisches Wirken begleiten ie unsere besten Wünsche. Ich erteile nun Kollegen Wolfgang Bosbach, CDU/ SU-Fraktion, das Wort. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alexander er Große wusste sich zu helfen, auch ohne eine Komission: Ein einziger Schlag genügte – Problem gelöst. ugegeben: König Gordios hatte sich die Form der Prolemlösung wahrscheinlich anders vorgestellt. Aber imerhin – der Gordische Knoten war entzwei. Eine so einfache Lösung wird es diesmal wohl nicht eben. Aber die Aufgabenstellung der Kommission zur odernisierung der bundesstaatlichen Ordnung er nnert schon ein wenig an den Versuch, einen unentwirraren Knoten zu lösen, einen Knoten, den diesmal allerings nicht fremde Mächte geknüpft haben, sondern undestag und Bundesrat gemeinsam in den vergangeen Jahrzehnten; natürlich nicht in der Absicht, besoners komplizierte verfassungsrechtliche Regelungen zu rfinden, nicht, um klare Zuständigkeiten zu verschleirn, sondern in dem Bemühen, sich wechselseitig ein hoes Maß an Einflussnahme auf die jeweils andere Seite u sichern. Solange die Interessen und die politischen Ziele der nterschiedlichen staatlichen Ebenen deckungsgleich ind, kann das funktionieren. Ganz anders ist die Lage edoch bei grundlegend unterschiedlichen politischen uffassungen, bei Interessenund Zielkonflikten. Dann eißt es oft: Nichts geht mehr. Dann werden wortreich tillstand und Blockade beklagt. Dann entsteht beim ürger der Verdacht, dass es den Parteien und Fraktioen nicht in erster Linie um die Sache gehe, um die Löung von Problemen, sondern um das eigene politische nteresse, dass also Eigennutz mit Gemeinwohl verechselt werde. Der Begriff Föderalismusreform elektrisiert nicht je en. Er kommt spröde daher. Wenn wir ihn dann noch arnieren mit Begriffen wie Rahmengesetzgebung, Konexitätsprinzip, Vorranggesetzgebung, Gemeinschaftsufgaben und Mischfinanzierung, geraten Staatsrechtler nd Politologen vielleicht ins Schwärmen, aber viele im ublikum werden sich fragen: Was hat das mit mir zu un? Was bedeutet das eigentlich ganz konkret für die lltägliche politische Praxis? Was soll sich wie ändern? Formal geht es darum, unsere verfassungsmäßige rdnung so zu ändern, dass die Gewichte im Bundestaat neu justiert werden; einerseits in horizontaler Richung – beim Bund und in den Ländern zwischen den Verassungsorganen und Institutionen –, andererseits in ertikaler Richtung – im Verhältnis zwischen Bund, ändern und Gemeinden. So kompliziert die verfasungsrechtlichen Details im Einzelnen sein mögen – die robleme, die wir lösen wollen, sind von großer Bedeuung für die Praxis. Wolfgang Bosbach Erstens. Wir wollen die Mischzuständigkeiten zwi schen Bund und Ländern entflechten. (Beifall des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/ CSU])


(Beifall)

Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1506600600




(A) )


(B) )

Dabei geht es um die höchst praktische Frage, welche
staatliche Ebene für welche Aufgaben zuständig, dann
aber auch verantwortlich sein soll – nicht ein bisschen
verantwortlich, nicht mitverantwortlich, sondern allein
verantwortlich.

Klare Zuständigkeiten stärken die Handlungskraft der
politischen Akteure. Wenn Verantwortung nicht mehr
klar erkannt werden kann, ist eine Reform vonnöten.
Wenn die Zuständigkeiten unklar sind, führt das zu orga-
nisierter Unverantwortlichkeit. Das wollen wir alle ge-
meinsam ändern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen, dass die Bürger klar erkennen können, wer
auf welchen Politikfeldern für sie handelt und wer die
Verantwortung trägt, die Verantwortung für Erfolg, aber
auch für Scheitern. Wir wollen mehr Transparenz in den
politischen Entscheidungsprozessen. Das stärkt unsere
Demokratie.

Zweitens. Wir wollen die Zusammenführung von
Sachverantwortung und Finanzverantwortung. Des-
wegen kann eine Neuordnung der staatlichen Kompe-
tenz- und Aufgabenverteilung nicht ohne eine Entflech-
tung und eine Neuordnung der finanzwirtschaftlichen
Vermengungen erfolgen.

Das Grundgesetz ist ursprünglich von einem Trenn-
system ausgegangen. Im Laufe der Jahre wurde jedoch,
immer gut gemeint und fachlich überzeugend begründet,
ein höchst komplizierter Verschiebebahnhof errichtet. Er
ist mit seinen horizontalen und vertikalen Einnahme-,
Ausgabe- und Ausgleichsmechanismen so perfekt, dass
kaum noch jemand in der Lage sein dürfte, die horizon-
talen und vertikalen Finanzbeziehungen in allen Veräste-
lungen zu durchschauen. Deswegen wollen wir die Auf-
gabenkompetenz einerseits sowie die Einnahmen- und
Ausgabenkompetenz andererseits in eine Hand legen.

Drittens. Wir wollen eine stärkere Beachtung des
Konnexitätsprinzips. Obwohl es – anders als in einem
Zentralstaat – in einem föderalen Aufbau mit drei unter-
schiedlichen Ebenen – Staat, Länder und Gemeinden –
schwieriger ist, dieses Prinzip einzuhalten, muss zukünf-
tig gelten: Wer die Musik bestellt, der muss sie auch be-
zahlen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es darf nicht sein, dass der Bund durch seine Gesetz-
gebung zusätzliche Vollzugsaufgaben der Länder und
der Kommunen begründet, ohne die zur Aufgabenerfül-
lung notwendigen Finanzmittel gleich mitzuliefern. Dies
beklagen insbesondere die Städte und Gemeinden, die
gerade in den letzten Jahren mit neuen Aufgaben und mit

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(C (D euen Belastungen befrachtet wurden und die gleichzeiig mit wegbrechenden Einnahmen zu kämpfen haben. Beispiel Integration. Wir haben keinen Mangel an Zuanderung, aber wir haben einen erkennbaren Mangel n Integration. Nicht mehr Zuwanderung, sondern mehr ntegration ist daher das Gebot der Stunde. Deshalb ist s richtig und notwendig, dass wir mehr tun für eine besere Integration, auch für die nachholende. Die Integrationsangebote und -leistungen können nur rtsnah erfolgen, also in den Städten und Gemeinden. as darf im Umkehrschluss jedoch nicht bedeuten, dass ie Städte und Gemeinden mit den dadurch entstehenden osten belastet werden. Wenn der Bund Rechtsansprühe auf Teilnahme an Sprachund Integrationskursen ewährt oder wenn er sogar Teilnahmeverpflichtungen estschreibt, dann muss er auch die Kosten tragen. Unere Kommunen können wir jedenfalls nicht mit zusätzchen Kosten belasten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Viertens. Wir wollen die Länder und die Landespar-
mente stärken. Die Stichworte lauten hier: Reduzie-
ung oder gar Abschaffung der Rahmengesetzgebung,
ffnungs- und Experimentierklauseln, Vorranggesetzge-
ung und Wettbewerbsföderalismus. Das bedeutet dann
llerdings auch einen Wettbewerb zwischen Ländern, die
ich im Hinblick auf Größe, Einwohnerzahl und Wirt-
chaftskraft ganz erheblich voneinander unterscheiden.
ie werden deshalb mit ganz unterschiedlichen Bedin-
ungen an den Start gehen. Das dürfen wir nicht verges-
en.
Dieses Kapitel verdeutlicht, dass es Zielkonflikte

ibt, die wir nicht verschweigen sollten. Auf der einen
eite wollen wir mehr Vielfalt durch föderalen Wettbe-
erb; das ist auch ein Wettbewerb um die besseren poli-
schen Konzepte und Ideen. Auf der anderen Seite be-
lagen wir eine wahre Flut von Vorschriften auf allen
taatlichen Ebenen. Ein undurchdringbares Dickicht von
esetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvor-
chriften lähmt unser Land. Stattdessen müssten wir ihm
euen Schwung verleihen.
Der Verzicht auf bundeseinheitliche Regelungen

tärkt zwar die Kompetenz der Länder, wird aber gleich-
eitig die Anzahl der Gesetze und Paragraphen nicht ver-
ingern, sondern erhöhen. Beide Ziele – mehr Vielfalt
uf der einen Seite und eine geringere Regelungsdichte
uf der anderen Seite – gleichzeitig zu erreichen dürfte
icht einfach sein. Vermutlich ist es sogar unmöglich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

ir werden weiter zu untersuchen haben, wo Vielfalt zu
ehr Wettbewerb und zum Ringen um bessere Lösun-
en führt, aber auch zu neuen Problemen führen kann.
Vor wenigen Tagen wurde vonseiten der Länder

ezent, aber deutlich darauf hingewiesen, dass eigentlich
ie die Bundesrepublik gegründet hätten – Überschrift:
Im Anfang waren die Länder“. Die Frage, ob es
irklich die Länder waren, die die Bundesrepublik ge-
ründet haben, oder ob es nach dem Krieg und dem






(A) )



(B) )


Wolfgang Bosbach

Zusammenbruch noch immer den Staat Deutschland
gab, ist nicht nur für Historiker und die politische Wis-
senschaft von Interesse.

Mit dieser Thematik verbindet sich nämlich eine an-
dere Frage, die für uns wie für die Kommission von Be-
deutung ist: Wie viel Vielfalt und wie viel Einheit wollen
wir in Deutschland? Was wollen wir eigentlich sein,
diese Bundesrepublik Deutschland oder doch eher ein
Bund deutscher Länder? Das Grundgesetz verlangt zwar
nicht identische Lebensverhältnisse in allen Ländern,
aber gleichwertige. Daher dürfte richtig sein: so viel
Vielfalt wie möglich, so viel Einheit wie nötig.

Welches Verständnis haben wir eigentlich von unserer
eigenen politischen Arbeit hier im Deutschen Bundes-
tag? Was wollen wir selber noch regeln? Wofür wollen
wir noch die politische Verantwortung tragen? Wir leben
in einem Spannungsfeld: Auf der einen Seite zieht die
Europäische Union tagtäglich mehr Kompetenzen an
sich – die EU ist längst auf dem Wege, die Regelungs-
dichte in unserem Land zu überbieten –, auf der anderen
Seite stehen die Bundesländer, die für sich mehr Freihei-
ten, mehr Emanzipation und mehr Kompetenzen vom
Bund fordern. Daneben gibt es die dritte Kammer na-
mens Vermittlungsausschuss und eine wahre Kommissio-
nitis. Für jeden Bundestagsabgeordneten stellt sich die
natürliche Frage: Wofür ist er eigentlich noch zuständig?
Welche Kompetenz hat er? Was wollen wir zukünftig
selber und abschließend regeln?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Diese Fragen sollten wir nicht nur in der Kommission er-
örtern und beantworten. Auch der Deutsche Bundestag
sollte diese Frage für sich selbst beantworten. Diese De-
batte müssen wir hier in diesem Hause führen.

Eine nur scheinbar andere Thematik gehört untrenn-
bar zu dem Thema „Reform der bundesstaatlichen Ord-
nung“. Die Stichworte lauten hier: Deregulierung und
Entbürokratisierung. Wir werden über dieses Thema
heute noch eine gesonderte Debatte führen. Aber vor der
Frage, welche staatliche Ebene welche Kompetenzen ha-
ben und wer welche Aufgaben erfüllen soll, müsste ei-
gentlich die Frage stehen, ob der Staat – ganz gleich an
welcher Stelle – tatsächlich all das regeln und verwalten
muss, was er in den letzten Jahren und Jahrzehnten an
staatlichen Aufgaben zuerst definiert, dann an sich gezo-
gen und schließlich bis in das kleinste Detail geregelt
hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die allseits beklagte Zunahme der Zahl von Gesetzen,
Verordnungen und Verwaltungsvorschriften geht im Ge-
gensatz zu dem, was immer behauptet wird, auf Bundes-
ebene munter weiter. Im Herbst 1998 hieß es in der rot-
grünen Koalitionsvereinbarung: Wir werden die hem-
mende Bürokratie rasch beseitigen. Dabei werden wir
überflüssige Vorschriften streichen und auf diese Weise
die Regelungsdichte vermindern.

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(C (D Seitdem sind knapp fünf Jahre vergangen. Es besteht lso Gelegenheit für eine kurze Zwischenbilanz. Tatächlich hat es die rot-grüne Koalition in diesem Zeitaum geschafft, 89 Gesetze und 446 Rechtsverordnunen abzuschaffen. – Das ist die gute Nachricht. Jetzt kommt die schlechte. Allerdings ist es derselben egierung im gleichen Zeitraum gelungen, 518 neue Geetze und 1 832 neue Rechtsverordnungen zu erlassen. m Klartext: Es gibt heute rund 1 800 Gesetze und echtsverordnungen mehr als zu dem Zeitpunkt, zu dem iese Regierung an den Start gegangen ist. Das ist der eltweit einzigartige Versuch, durch 1 800 Gesetze und erordnungen die Regelungsdichte in unserem Staat zu ermindern und Bürokratie abzubauen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Volker Kröning [SPD] – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie wissen doch, dass das eine Milchmädchenrechnung ist!)


Dieser etwas kuriose Versuch wird fortgesetzt. Vor
enau drei Wochen hat eine Kollegin der SPD-Fraktion
on dieser Stelle aus ein Heimtierschutzgesetz gefor-
ert, mit der Begründung, es gebe in Deutschland zwar
und 90 Millionen Heimtiere, aber wie sie lebten und
ie sie gehalten würden, das wisse der Staat nicht. Des-
alb brauche man klare Regelungen auf Bundes- und
andesebene für die Zucht, die Ausbildung, die Haltung
nd den Handel von Heimtieren.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Und Fortbildung!)


iese Forderung ist nicht nur deshalb bemerkenswert,
eil durch sie der völlig falsche Eindruck erweckt wird,
ls gelte das Tierschutzgesetz nicht für Haustiere, son-
ern auch, weil jetzt offenbar wieder einmal geplant
ird, ein neues Gesetzespaket auf den Weg zu bringen
nd staatlichen Behörden neue Aufgaben zuzuweisen –
nd dies ausschließlich zu dem Zweck, in Millionen von
aushalten zu kontrollieren, ob dort Goldfische, Meer-
chweinchen, Katzen, Hunde und Co. nach noch näher
u definierenden Vorschriften für die Haltung von Haus-
eren einquartiert sind. So geht es nicht weiter! Ich be-
ürchte nämlich, dass diese Forderung auch noch ernst
emeint ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir können doch nicht einerseits einen viel zu großen

ffentlichen Dienst beklagen – immer versehen mit dem
inweis, Anfang der 50er-Jahre gab es 2 Millionen öf-
entlich Bedienstete, heute sind es knapp 5 Millionen –


(Hans Eichel, Bundesminister: Aber nicht beim Bund!)


nd andererseits immer neue staatliche Aufgaben erfin-
en und diese den Behörden und damit den dort tätigen
itarbeitern übertragen. Wir müssen den umgekehrten
eg gehen: Wir müssen jede staatliche Aufgabe dahin
ehend überprüfen, ob sie erstens tatsächlich noch not-
endig ist, ob sie zweitens zwingend von staatlichen In-
tanzen erfüllt werden muss und drittens, wenn ja, auf
elcher Ebene sie zweckmäßigerweise erledigt werden
oll.






(A) )



(B) )


Wolfgang Bosbach

Wenn sich der Staat vornimmt, all das, was theore-

tisch geregelt werden könnte, auch tatsächlich gesetzlich
zu regeln, wenn der Staat sich vornimmt, jedes einzelne
Problem, das im Leben auftreten kann, von Amts wegen
zu lösen, dann wird dieser Staat selber zu einem Pro-
blem.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1506600700

Kollege Bosbach, gestatten Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Schily?

Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1506600800

Ja.

Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1506600900

Herr Kollege Bosbach, Sie haben von der Zahl der

Beschäftigten im öffentlichen Dienst gesprochen und da-
bei offenbar beklagt, dass diese Zahl zu groß sei.


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Hat er gar nicht! Das war eine Feststellung!)



Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1506601000

Nein, das habe ich nicht beklagt.

Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1506601100

Sie haben das nicht getan? – Ich möchte Sie fragen,

ob Ihnen bekannt ist, dass beim Bund die Zahl der öf-
fentlich Bediensteten niedriger ist als nach der Wieder-
vereinigung.


Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1506601200

Ich weiß, sie ist geringer als nach der Wiedervereini-

gung.

Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1506601300

Ist Ihnen auch bekannt, dass die Zahl für ganz

Deutschland gilt?

Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1506601400

Ja.

Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1506601500

Dann möchte ich nur noch einmal hervorheben, dass

wir die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst
zurückgeführt haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1506601600

Herr Kollege Schily, Sie haben bestimmt wichtige

Regierungsgeschäfte erledigt und nicht die Muße ge-
habt, mir wörtlich zuzuhören. Ich habe gesagt, wir kön-
nen nicht beklagen, dass der öffentliche Dienst zu aufge-
bläht ist und es zu viele so genannte Bürokraten gibt,
und gleichzeitig den Behörden ständig neue Aufgaben

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(C (D bertragen, das heißt, einer geringer werdenden Zahl on Beamten immer mehr Aufgaben übertragen. (Erich G. Fritz [CDU/CSU]: Richtig, erkläre es ihm noch einmal! – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Gut, dass wir einmal ausführlich darüber sprechen!)


Anfang der 50er-Jahre gab es 2 Millionen öffentlich
edienstete, jetzt gibt es knapp 5 Millionen. Ich möchte
in Beispiel aus meinem Heimatland, aus Nordrhein-
estfalen, anführen. Dort gab es Mitte der 60er-Jahre

ür etwa 16 Millionen Einwohner 200 000 Beschäftigte
m öffentlichen Dienst, jetzt gibt es dort für knapp
8 Millionen Einwohner 416 000 Beschäftigte im öf-
entlichen Dienst.
Nur dann, wenn wir uns auf unsere Kernaufgaben

onzentrieren und nicht alles regeln, was wir regeln
önnten, sondern nur das, was dringend geregelt werden
uss, kann es uns gelingen, Bürokratie abzubauen, die
taatsquote zu senken und Freiheiten zurückzugeben.
ann dürfte auch die beliebte Pauschalkritik am öf-
entlichen Dienst im Allgemeinen und an Beamten im
peziellen nicht ständig neue Nahrung bekommen.
Demjenigen, der sich an dieser Pauschalkritik betei-

igt, sei Folgendes gesagt: Die Zahl der Beamten wächst
icht von selber, kein Beamter sitzt auf einer Planstelle,
ie er selber geschaffen hat; nicht Beamte, sondern Poli-
iker beschließen Gesetze und übertragen Aufgaben auf
ehörden und die dort tätigen Mitarbeiter.
In diesem Bereich wie auch für die Arbeit der Kom-
ission sollte gelten: Wir müssen uns bescheiden. Die
ualität unserer Arbeit sollte am Ende einer
ahlperiode nicht daran gemessen werden, wie viele
esetze wir erlassen und – das gilt für die Regierung, die
xekutive – wie viele Rechtsverordnungen wir in Gang
esetzt haben, sondern daran, ob wir als Gesetzgeber
uch den Mut hatten, einmal Gesetznehmer zu sein.
Wir wollen unseren Bundesstaat erhalten und die

änder stärken. Das ist kein Widerspruch. Klare Zustän-
igkeiten stärken Bund und Länder in gleicher Weise.
lare Zuständigkeiten nützen dem Staat und vor allen
ingen den Bürgern.
Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1506601700

Ich erteile der Kollegin Krista Sager, Bündnis 90/Die
rünen, das Wort.


Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506601800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die rot-

rüne Regierungskoalition hat sich in diesem Jahr sehr
hrgeizige Reformprojekte vorgenommen und sie auch
chnell auf den Weg gebracht. Dass unsere bundesstaat-
iche Ordnung nicht gerade dazu beiträgt, dass wir bei
iesen Reformprojekten schnell vorankommen, haben in






(A) )



(B) )


Krista Sager

den letzten Monaten viele gemerkt. Ich glaube, das ist
auch unumstritten. Wir wollen nicht jammern und sind
auch nicht verdrießlich, sondern gehen weiter energisch
ans Werk.

Wenn inzwischen in diesem Land Konsens herrscht,
dass dieses Land dringend Strukturreformen braucht,
dann ist es in der Tat richtig und wichtig, dass wir ge-
meinsam einen Blick auf unsere bundesstaatliche Ord-
nung werfen und uns fragen, welcher Reformbedarf dort
besteht. Hier ist die Politik richtig gefordert. Deswegen
begrüßen wir es, dass die Kommission zur Modernisie-
rung der bundesstaatlichen Ordnung heute eingesetzt
wird.

Insbesondere die internationalen Herausforderun-
gen, die sich uns stellen, haben sich geändert. Der für die
Rechtsgebung maßgebliche Wirtschaftsraum ist nicht
mehr der nationale Wirtschaftsraum. Es geht nicht mehr
nur um nationales Einheitsrecht für den nationalen Wirt-
schaftsraum. Der für uns maßgebliche Wirtschaftsraum
ist zunehmend das integrierte Europa, wo auch zuneh-
mend die entsprechende Rechtssetzung stattfindet.

Gleichzeitig ist es offenkundig, dass die Globalisie-
rung den Wettbewerb zwischen den Volkswirtschaften
um die besten Lösungen für ähnliche Probleme ver-
stärkt, aber auch beschleunigt hat. Gerade die kleinen
Volkswirtschaften machen uns da zum Teil heute etwas
vor. Unsere bundesstaatliche Ordnung muss also in Be-
zug auf die Frage, ob sie europatauglich und unter diesen
veränderten Herausforderungen noch effizient ist, auf
den Prüfstand. Hier müssen wir als Politiker ran.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es geht aber nicht nur um die Effizienz, sondern auch
um die Demokratiedefizite. Die Bürgerinnen und Bür-
ger merken, dass die gestiegenen Anforderungen an Effi-
zienz, Transparenz und Schnelligkeit einerseits und die
realen Möglichkeiten unseres Systems andererseits zu-
nehmend auseinander driften. Es ist deutlich, dass die
Bürgerinnen und Bürger dieses Auseinanderdriften der
Politik insgesamt anlasten. Natürlich lasten sie diese De-
fizite der Regierung immer ein bisschen mehr an als der
Opposition. Das ist auch in Ordnung.

Aber ich war viele Jahre Oppositionspolitikerin und
bin mir ziemlich sicher, dass heute auch das Geschäft der
Opposition schwieriger geworden ist. Früher konnte
man als Oppositionspolitikerin sagen: Hurra, ich bin der
Held, wir haben etwas verhindert. Heute aber merken die
Bürgerinnen und Bürger sehr genau, dass mit Aufhalten,
Verhindern und Blockieren kein Problem in unserem
Land gelöst wird. Deswegen reicht das auch für die Op-
position nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir wollen uns hier nicht gegenseitig etwas vorwer-
fen. Wenn die Mehrheit im Bundesrat eine andere ist als
die Mehrheit im Bundestag, dann wird es immer die
Tendenz geben – egal, ob schwarz-gelb in Bonn regiert
wurde oder ob heute rot-grün in Berlin regiert wird –,

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(C (D ass die Länderkammer für das Durchsetzen parteipoliticher Oppositionsinteressen genutzt wird. (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das haben wir von Ihnen gelernt!)


abei werden die eigentlichen Länderinteressen in den
intergrund und an den Rand gedrängt, ganz zu schwei-
en von den kommunalen Interessen, die dabei gar nicht
erücksichtigt sind, und davon, dass die Landtage als
andesgesetzgeber marginalisiert worden sind.
Was daraus erwächst, hat mit Effizienz wenig zu tun.

s hat übrigens auch nichts mit Effizienz zu tun, dass
ir in einer nationalen Wahlperiode 16 verschiedene
andtagswahlen haben und vor jeder Landtagswahl
ichts Wichtiges mehr entschieden werden darf. Die
ürgerinnen und Bürger merken, dass das mit Demo-
ratieeffizienz nichts zu tun hat.
Das, was darauf folgt, nämlich Tauschgeschäfte und
erhandlungen, empfinden die Bürgerinnen und Bür-
er als intransparent; das wurde hier schon mehrfach zu
echt gesagt. Die Leute fragen sich, wer für Entschei-
ungen überhaupt verantwortlich ist, wer verantwortlich
t, wenn es in bestimmten Bereichen nicht vorangeht.
hnen ist nicht klar, welche Teile eines Gesetzes, das ver-
bschiedet wurde, wem zuzuschreiben sind. Das ist ein
emokratiedefizit, das nicht nur der Politik schadet, son-
ern auch dem Ansehen der Demokratie insgesamt. Zu
echt haben die Bürgerinnen und Bürger den Eindruck,
ass man sich in den Gesetzgebungsprozessen zu vielen
ragen, ob das der Subventionsabbau oder die Gesund-
eitsreform ist, am Ende nicht auf die notwendigen Än-
erungen einigt, sondern nur auf den kleinsten gemein-
amen Nenner. Der kleinste gemeinsame Nenner reicht
eutzutage aber einfach nicht mehr aus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich will unser föderatives System nicht schlechtreden.
s hat eine Menge Vorteile: Bürgernähe, innovative
ielfalt. Verhandlungsdemokratien gibt es auch in ande-
en Ländern, allerdings nicht unbedingt solche, in denen
ie Landesregierungen der Teilstaaten das nationale Par-
ment aushebeln können. Dieses System an sich ist
icht schlecht, wir wollen es auch nicht als Ganzes auf
en Kopf stellen. Wir wollen aber realistische Schritte
achen. Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes
ind davon ausgegangen, dass 10 Prozent der Gesetze
ustimmungspflichtig sein sollten; heute stellen wir da-
egen fest, dass 60 Prozent der Gesetze zustimmungs-
flichtig sind. Dieser Prozentsatz ist einfach zu hoch und
t nicht angemessen angesichts der Aufgaben, vor de-
en wir stehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei der SPD)


Es geht nicht nur darum, Demokratiedefizite zu besei-
gen, sondern auch darum, die Problemlösungsfähig-
eit in unserer bundesstaatlichen Ordnung zu erhöhen.
b wir in der Lage sind, beim Verbraucherschutz dafür
u sorgen, dass die Bürger überall gleich gut, gleich
chnell und gleich effizient vor Krankheiten wie BSE ge-






(A) )



(B) )


Krista Sager

schützt werden, ob wir in der Lage sind, EU-Umwelt-
richtlinien schnell, zuverlässig und unbürokratisch umzu-
setzen, ob wir im internationalen Wettbewerb und in der
Bildungs- und Forschungspolitik – dazu gehören Themen
wie Kinderbetreuung und Ganztagsschulen – strategie-
und handlungsfähig sind, das sind Fragen, bei denen un-
ser jetziges Politiksystem auf dem Prüfstand steht.

Ich will ganz deutlich sagen: Verbesserung der Pro-
blemlösungsfähigkeit ist nicht gleich entfesselter Stand-
ortwettbewerb. Ein entfesselter Standortwettbewerb
führt teilweise auch zur Ausweitung staatlichen Handelns:
mehr indirekte Subventionen, mehr verbeamtete Lehrer.
Er führt andererseits auch zu einem Verzicht auf Einnah-
men – was einer nachhaltigen Infrastrukturpolitik scha-
det – und setzt eine Abwärtsspirale bei Schutzrechten in
Gang. Das kann nicht die Lösung sein. Mit einem entfes-
selten Standortwettbewerb wird man nicht nur einen Poli-
tikstreit auslösen, sondern auch die Länder spalten. Die
Länder haben nämlich kein Interesse daran, dass die Au-
tonomie der Starken entfesselt wird und die Schwachen
abgehängt werden. Solche Vorstellungen werden uns des-
halb in der Kommission sicherlich nicht voranbringen.

Es wird uns aber voranbringen, wenn wir uns ernst-
haft mit dem Thema auseinander setzen, wie Aufgaben
besser und effektiver wahrgenommen werden können
und wie wir den Wettbewerb der Länder verbessern und
eine Benchmark der Länder in Gang setzen können. Wir
müssen uns ernsthaft mit Modellen befassen – solche
sind in der Diskussion –, die Experimentier- und Öff-
nungsklauseln zum Inhalt haben. Es gibt verschiedene
Vorstellungen darüber, wie man diese Prozesse durch
Befristung, Zustimmungs- und durch Vetorechte beglei-
ten kann. Eine pauschale Rückübertragung von großen
Komplexen an Gesetzgebungskompetenz an die Länder
halte ich nicht unbedingt für den richtigen Weg.

Meine Damen und Herren, es wird auch viel die Frage
diskutiert, ob wir nicht eine Neugliederung unseres
Bundesstaates brauchen. Das halte ich im Prinzip für
eine wünschenswerte Überlegung. Ich sage als Hambur-
gerin ganz offen: Ich bin für einen Nordstaat. Aber das
kann man nicht von oben verordnen. Wenn wir solche
Überlegungen an den Anfang stellen, dann werden wir
in der Kommission scheitern. Darin sind wir uns, glaube
ich, einig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Worüber wir uns aber Gedanken machen sollten, ist,
wie wir Anreize für eine Kooperation der Länder schaf-
fen können, gerade auch beim Lastenausgleich. Das
kann durchaus ein Thema für die Kommission sein.

Ich möchte noch eine Frage aufgreifen, die der Bun-

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1506601900
Wie sehen wir die
Aufgabe und die Situation unserer gemeinsamen Haupt-
stadt in der Zukunft? Ein sozialer, fairer Wettbewerbsfö-
deralismus und auch die Neugliederungsdiskussion wer-
den uns diese Frage nicht beantworten. Ich weiß, dass
gerade hier in Berlin viele Menschen darauf hoffen, dass
die Kommission eine Antwort darauf gibt, wie wir in der
Zukunft Berlin als unsere gemeinsame Hauptstadt ge-

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(C (D talten wollen. Ich glaube, deswegen wäre es gut, sich ieser Frage anzunehmen. Wir werden in der Kommission nicht alle Fragen be ntworten können. Ich glaube aber: Wenn wir uns im opf ein Stück weit davon befreien, immer nur zu bedenen, wer gerade wo die Mehrheit hat, und immer nur die uerelen des Tagesgeschäftes im Blick zu haben, und irklich rollenübergreifend in die Zukunft schauen, dann önnen wir in dieser Kommission die notwendigen, ichtigen Schritte gemeinsam tun. Das ist für das Land nd das Ansehen der Politik in der Zukunft auch nötig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1506602000

Ich erteile das Wort Kollegen Wolfgang Gerhardt,

DP-Fraktion.


Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP):
Rede ID: ID1506602100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frak-

ion der FDP wird, wie es auf dem Antrag ja auch steht
sie ist eine der Antragstellerinnen –, der Vorlage zu-
timmen, mit der wir uns an die Arbeit begeben wollen,
in Stück mehr Transparenz in das Gefüge der politi-
chen Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland zu
ringen; darum geht es.
Ich glaube, dass wir das auch können, weil jeder von

ns – egal wo er seinen politischen Standort hat – spürt,
ass man nicht mehr ausreichend vermitteln kann, für
as man selbst die politische Verantwortung trägt, was
an hat entscheiden können und was nicht und wo die
brigen Positionen lagen. Mit Blick auf die spätere
ahlbeteiligung und die politische Wachsamkeit sowie
as politische Interesse der Bevölkerung haben wir alle
in massives Interesse daran, dass diese Sachverhalte in
er Öffentlichkeit klarer werden, als sie heute sind.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Kollege Müntefering hat zu Recht gesagt, dass
as Grundgesetz überhaupt nicht zur Disposition steht.
as Grundgesetz ist eine äußerst kluge Verfassung, seine
ütter und Väter bewiesen große Klugheit angesichts
er historischen Erfahrung. Durch das Grundgesetz wird
ie einzigartige Chance eröffnet, zur Balance of Power,
u einem Machtgleichgewicht, zu Machtkontrolle und
ontrollmechanismen in einem demokratischen Staat zu
ommen. Trotz dieser Verfassung wird aber niemandem
n Deutschland mehr klar, wie diese ausgeübt werden. Es
st wahr, dass wir herausgefordert sind, das wieder deut-
icher zu machen.


(Beifall bei der FDP)

Das bedeutet zuallererst, dass wir den einzelnen staat-

ichen Ebenen wieder die Fähigkeit geben müssen, einen
rößeren Teil ihrer eigenen Angelegenheiten selbst zu
egeln – das muss auch öffentlich deutlich werden –,


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Gerhardt

und zwar beginnend von unten. Das heißt: Hier im Bun-
destag ist in absehbarer Zeit die Entscheidung unum-
gänglich, das – auch wenn dieses Fremdwort schwer zu
vermitteln ist – Konnexitätsprinzip zum Prinzip der po-
litischen Entscheidung zu machen. Wenn es nach der
Fraktion der FDP ginge, müsste dies im Grundgesetz
klar und eindeutig an hervorragender Stelle verankert
werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir können nicht immer nur über die Eigenständig-
keit der Gemeinden reden, ohne dass wir das im Grund-
gesetz fein formulieren, was der Kollege Bosbach mit
dem verständlichen Ausdruck „Wer die Musik bestellt,
bezahlt sie auch“ umschrieben hat. Ein Kommunalver-
treter kann für die Wähler nur dann glaubwürdig eintre-
ten, wenn er auch Verantwortung übernehmen kann. Aus
welchen politischen Gründen auch immer – die Entwick-
lung der Bundesrepublik Deutschland war in der Wirk-
lichkeit nun einmal so – sind die Länder heute sowohl
bezüglich ihrer Finanzierungsgrundlagen als auch be-
züglich ihrer tatsächlichen eigenen Fähigkeiten – ich
denke an das, was ein Landtag heute wirklich noch ent-
scheiden kann – ernsthaft in Bedrängnis geraten.

Es wird hier beklagt, dass die Länder über den Ver-
mittlungsausschuss immer mehr in die Position geraten,
Entscheidungen dieses Parlaments zu verzögern und zu
beeinträchtigen. Sie selbst sind aber auch in keiner be-
neidenswerten Lage. Unsere Kolleginnen und Kollegen
in den Landtagen würden uns hier wahrscheinlich einen
Vortrag darüber halten, dass man sich die Frage stellen
muss, was außer den Fragen bezüglich der Begleitung
des Verwaltungshandelns in den Ländern tatsächlich
noch zu entscheiden ist. Die Länder müssen ein Interesse
daran haben, sich Spielraum zu verschaffen. Wenn sie
diesen Spielraum nutzen wollen, dann können sie sich
nicht ausschließlich auf die Begleitung der Bundesge-
setzgebung konzentrieren, um sich dort politisch zu pro-
filieren. Sie müssen zur Ausgestaltung ihres Wirkungs-
kreises politisch konzeptionell arbeiten können. Einen
solchen Wettbewerbsföderalismus streben wir an.

Wir wollen keinen entfesselten Wettbewerb. Die Re-
geln der Fairness müssen eingehalten werden. Auch in
einem Wettbewerbsföderalismus – Professor Böhmer hat
es zum Ausdruck gebracht – muss Chancengleichheit
gelten. Man kann den ostdeutschen Bundesländern heute
nicht ausschließlich Wettbewerbsföderalismus predigen,
wenn die politisch Verantwortlichen nicht einmal die
Chance haben, von der gleichen Linie aus zu starten, um
am Wettbewerb teilzunehmen. Das ist völlig klar.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hier wären Sonderzuweisungen des Bundes begrün-
det. Allerdings darf das nicht auf Kosten politischer Füh-
rungsfähigkeit in den westdeutschen Bundesländern ge-
hen. Das Budget des Saarlands beispielsweise deckt
ohne Zuweisungen des Bundes noch nicht einmal die
Kosten der eigenen Verwaltung. Deshalb ist ein Stück

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(C (D ourage notwendig, um die Finanzierungsgeflechte aufulösen. Wahr ist, dass uns zwei erkennbare Schwächen an der msetzung solcher Entscheidungen hindern. Die eine eite ist unsere eigene mangelnde Courage zu wirklicher olitischer Führung. Die andere Seite – auch das ist ahr – ist, dass wir uns ein Geflecht von politischen Beeiligungsmechanismen, das sich in unseren Gesetzen iderspiegelt, aufgebaut haben, das nichts mehr mit der alance of Power zu tun hat, die die Verfasser des rundgesetzes diesem Land geben wollten. Das müssen wir ändern. Deshalb ist die Einsetzung ieser Kommission richtig. Herr Kollege Müntefering, ch will mich nicht wiederholen, aber auf Folgendes hineisen: Nach unserer Überzeugung wäre es besser geesen, diese Aufgabe in einem Konvent zu verhandeln. ch bin nämlich der Auffassung, dass wir keine abgetimmte Ausübung der Stimmrechte brauchen. Auch die emeindeund Landtagsvertreter hätten wie wir Stimmecht bekommen sollen. Ein Konvent hätte mehr politichen Druck als eine Kommission gemacht. Aber sei es rum! Sich überhaupt an diese Arbeit zu machen war für ns wichtiger. Frau Kollegin Sager, Sie haben vom Profil der Länder esprochen. Es geht nicht darum, dass mit einem Wettewerbsföderalismus nun ein riesiger Standortwettbeerb einsetzt. Aber es ist doch legitim, dass ein Land eine Chancen zu nutzen sucht. Wenn jemand in einem and Verantwortung trägt, ist es doch vernünftig, dass er ich in einen Wettbewerb begibt, dass er auf dem Areitsmarkt, bei der Investitionsvergabe, bei Standortentcheidungen, bei der Infrastruktur und beim Bildungsesen eine bessere Politik zu machen versucht als ein enachbartes Bundesland. Das ist legitim und auch ählerauftrag. Es geht nicht um einen ruinösen Wettbeerb, sondern es geht darum, eine gute politische Leisung zu erbringen und dafür die Früchte zu ernten. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP)


Eine solche gute politische Leistung kann heute nicht
ehr erbracht werden; denn durch den jetzigen Finanz-
usgleich besteht mehr und mehr die Gefahr, dass er-
olgreiche Politik bestraft wird: Über die Transfers kann
o manches erfolgreiche Land an die Grenze der Über-
orderung gebracht werden. Das ist keine Chancen-
leichheit; denn zur Chancengleichheit gehört auch
hancengerechtigkeit. Einem Land, das in einem wett-
ewerblichen System mit überzeugender Politik erkenn-
ar erfolgreicher als ein anderes ist, muss aus Gründen
er Chancengerechtigkeit eine Belohnung für diese gute
olitische Leistung zuteil werden können. Dies aber ist
icht mehr sichergestellt. Das muss erörtert werden.
Wir wollen nicht die Verfassung auf den Kopf stellen

der das Grundgesetz ändern. Wir wollen – das ist die
bsicht der Fraktion der FDP und der Vertreter, die wir
ntsenden – der föderalen Ebene ein Stück Entschei-
ungskraft zurückgeben, was nach unserem Verständnis
o in unserem Grundgesetz vorgesehen war, als unsere






(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Gerhardt

bundesstaatliche Ordnung nach 1945 geschaffen wurde.
Wenn man den Ländern Möglichkeiten zu Entdeckungs-
verfahren geben will, was eine Notwendigkeit ist, Frau
Kollegin Sager – das ist von Ihnen ausgedrückt worden
und entspricht auch meiner Haltung; wir wollen ihnen
Möglichkeiten zu Entdeckungsverfahren geben –, dann
muss man das auch glaubwürdig durchhalten. Dann gilt
das auch für viele Bereiche der Gestaltung des sozialen
Lebensumfeldes und nicht nur der wirtschaftlichen Ent-
wicklung. Wenn sich Lösungen in Entdeckungsverfah-
ren bewähren, dann muss man sie den Ländern auch
ermöglichen, auch wenn sie nicht der politischen Mehr-
heitsmeinung derer entsprechen, die auf Bundesebene
demokratisch legitimiert für bestimmte Zeit Verantwor-
tung haben.


(Beifall bei der FDP)

Wenn ein Land zum Beispiel das Umfeld von Sozial-

hilfe, Hilfe zum Lebensunterhalt, Arbeitslosenhilfe mit
anderen Mechanismen anders als die Mehrheit hier re-
geln möchte – und zwar ohne Mindeststandards zu un-
terschreiten –, dann muss man die Courage haben, dieses
Land das auch machen zu lassen. Wettbewerbsfödera-
lismus heißt, dass von einigen bessere Ergebnisse als
von denen erzielt werden können, die alles überall gleich
regeln wollen.


(Beifall bei der FDP)

Wenn Hochschulen miteinander im Wettbewerb ste-

hen, dann muss man es der Autonomie der Länder und
der Hochschulen überlassen, ob sie Studiengebühren er-
heben oder nicht, und dann darf der Bundesgesetzgeber
nicht Studiengebühren verbieten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dann werden wir sehen, welche Hochschulen aufge-
sucht werden und welche nicht.

Wenn man ein Bundesgesetz macht, dann sollte man
Experimentierklauseln für die Länder einführen, weil
in den Ländern Kolleginnen und Kollegen von uns, wie
auch immer die Mehrheiten sind, in politischer Verant-
wortung sind, die nicht nach dem Schlimmen trachten,
sondern sich vielleicht durch eine individuell andere Lö-
sung nicht nur selbst im Wettbewerb besser behaupten
wollen, sondern auch glauben, damit einen Beitrag zur
Lösungskompetenz des Gesamtstaates zu leisten.


(Beifall bei der FDP)

Zum Abschluss, meine Damen und Herren: Es macht
sich niemand etwas vor; es ist offen, ob wir einen großen
Sprung schaffen. Das ist eine mühselige Arbeit. Aber
egal, wo unser politischer Standort ist: Wir müssen ein
massives Interesse daran haben, dass die Öffentlichkeit
wieder erkennen kann, wer welche politischen Ziele ver-
tritt, wer sie wie begründet und wer wofür Verantwor-
tung hat. Man kann unterliegen oder man kann Wahlen
gewinnen, aber es muss wieder Klarheit herrschen.

Ich habe die Hoffnung, dass wir ein Ergebnis zu-
stande bringen, das es uns erlaubt, in den jeweiligen par-
teipolitischen Vorhaben das besser zu begründen, als wir

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(C (D s heute bei Wahlen und in der Öffentlichkeit transparent egründen können. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1506602200

Ich erteile das Wort Bundesministerin Brigitte

ypries.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1506602300

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
amen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt es
ehr, dass Sie heute über alle Fraktionsgrenzen hinweg
ie Einsetzung einer gemeinsamen Kommission von
undestag und Bundesrat zur Modernisierung der bun-
esstaatlichen Ordnung einsetzen wollen. Morgen wird
in vergleichbarer Beschluss im Bundesrat gefasst wer-
en. Beide Institutionen sind sich darin einig, dass un-
ere bundesstaatliche Ordnung modernisiert werden
uss.
Diese Erkenntnis teilt die Bundesregierung. Wir ha-

en deshalb schon vor gut einem Jahr auf Initiative des
undeskanzlers eine Arbeitsgruppe eingesetzt, geleitet
om Bundeskanzleramt, die Vertreter der Ministerien
nd der Staats- und Senatskanzleien der Länder umfasst,
n der wir uns mit eben diesem Thema befasst haben, das
ie sich vorgenommen haben.
Wir haben auch den Befund zur Kenntnis nehmen
üssen, dass, wie Herr Gerhardt gerade sagte, für die
ürgerinnen und Bürger offenbarer werden muss, wer in
iesem Lande eigentlich wofür zuständig ist, wer die po-
itische Verantwortung trägt und wen demzufolge Bür-
erinnen und Bürger bei der nächsten Wahl, sei es die
undestagswahl oder eine Landtagswahl, wieder abwäh-
en können, weil er nicht das gemacht hat, was sie sich
orgestellt haben.
Diese Wahrnehmung ist heute nicht mehr möglich.
enken Sie an die großen Verfahren. Das letzte war das
uwanderungsgesetz. Es ist nicht mehr klar, wer eigent-
ich die politische Verantwortung trägt. Das muss wieder
eändert werden. Das muss aber im Rahmen dieses Sys-
ems geändert werden, denn der Föderalismus hat sich
m Grundsatz in Deutschland bewährt. Dagegen wird
an sicherlich nichts sagen können. Insofern, glaube
ch, ist der Begriff Konvent, Herr Gerhardt, eher mit
iner grundsätzlichen Reform der Verfassung oder mit
iner Neuschaffung von Verfassung belegt. Das ist
twas, was wir nicht brauchen. Wir brauchen bestimmte
orrekturen an Stellschrauben, und zwar im Blick auf
robleme, die noch nicht einmal vom Grundgesetz sel-
er verursacht worden sind, sondern im Wesentlichen
on der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung der
etzten 50 Jahre. Diese Korrekturen sind notwendig,
icht aber grundsätzlich neue Überlegungen im Sinne ei-
es Konvents. Von daher halte ich es für richtig, dass Sie
ich auf die Kommission zur Modernisierung der bun-
esstaatlichen Ordnung beschränkt haben und sich damit






(A) )



(B) )


Bundesministerin Brigitte Zypries

ausdrücklich auf die bestehende bundesstaatliche Ord-
nung beziehen.

Wenn wir feststellen, dass wir den Föderalismus zu-
kunftsfähig gestalten und mehr Handlungsfähigkeit für
Bund und Länder erreichen müssen, dann würde ich
– das sehen Sie mir sicherlich nach – darauf Wert legen,
dass auch der Bund mehr Zuständigkeiten bekommt. Es
kann nicht nur darum gehen, dass die Länder mehr Ge-
setzgebungskompetenzen und Verantwortung bekom-
men, sondern auch für den Bund ist dies notwendig.
Denn viele der Veränderungen beziehen sich auf eine
verminderte Verantwortung des Bundes. Ich denke in
diesem Zusammenhang an Art. 84 Grundgesetz und die
Frage der Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr richtig!)


Die Bundesregierung geht davon aus, dass wir mit der
angestrebten Reform drei Ziele verwirklichen müssen.
Wir brauchen mehr Klarheit und Wahrheit bei der Auf-
gabenverteilung – das erwähnte ich bereits –, straffere
Entscheidungsprozesse und vor allen Dingen einen euro-
patauglichen Bundesstaat.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Ja!)

Das heißt, wir brauchen eine Form der Gesetzgebung,
die auch auf die Anforderungen reagieren kann, die aus
Europa auf uns zukommen.

Zum Thema Gesetzgebungskompetenzen – ich habe
das eben schon angedeutet – bestand in der Arbeits-
gruppe zwischen Bund und Ländern auf der Ebene der
Staats- und Senatskanzleien und des Kanzleramtes be-
reits in einem Punkt grundsätzlich Einigkeit, nämlich
dass die Rahmengesetzgebung – das heißt, die Kompe-
tenzverteilung, nach der zunächst der Bund einen Rah-
men setzt, innerhalb dessen den Ländern die Ausführung
obliegt – abgeschafft werden sollte.

Diese Form der Gesetzgebung führt dazu, dass Ver-
antwortlichkeiten verschwimmen. Sie führt aber auch
dazu, dass wir EU-Vorgaben nicht in der von der EU
vorgesehenen Zeit umsetzen können. Der Bund hat in
der Vergangenheit schon häufiger erhebliche Strafen
zahlen müssen, weil einzelne Länder bestimmte Voraus-
setzungen nicht erfüllt haben. Wir meinen, das geht zu-
künftig nicht mehr an. In diesem Bereich müssen wir
insgesamt schneller tätig werden.

Wir sind in dieser Debatte sehr offen in der Frage, in-
wieweit den Ländern Kompetenzen übertragen werden
bzw. inwieweit sie vollständig dem Bund übertragen
werden sollten. Das muss man im Einzelfall prüfen, um
dann zu einer Entscheidung zu kommen.

Man muss sich aber auch über eines im Klaren sein:
Der Bundesgesetzgeber wird sich nicht einfach aus Be-
reichen zurückziehen können, in denen er bisher bun-
deseinheitliche Regelungen geschaffen hat. Das heißt,
es muss im Einzelfall geprüft werden, wo im Sinne der
Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit in Deutsch-
land oder auch zur Wahrung der gleichwertigen Lebens-
verhältnisse einheitliche Regelungen notwendig sind.
Johannes Rau hat einmal festgestellt, wir hätten keinen

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(C (D öderalen Bundesstaat beschlossen, damit alle Länder öglichst heftig gegeneinander kämpfen und abweihende Regelungen schaffen; vielmehr sei das Ziel eines olchen Staates, im Grundsatz die gleiche Richtung einuschlagen. Ich glaube, wir sollten diese sehr einleuchende Erkenntnis, die nur unterstrichen werden kann, uch in dieser Debatte zur Kenntnis nehmen. Es kann icht darum gehen, dass wir die Vielfalt um der Vielfalt illen propagieren. Ansatzpunkt sollten vielmehr die Ineressen der Menschen sein, die in diesem Staat leben, nd die Frage, wie die Zuständigkeiten in deren Inteesse formuliert werden sollten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


as bedeutet auch, dass wir einheitliche umweltrechtli-
he und soziale Schutzstandards bewahren müssen. Es
eht nicht an, dass Sozialgefälle von Ost nach West oder
on Nord nach Süd entstehen.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Schon verlässt Sie der Mut!)


Nein, mich verlässt keineswegs der Mut. Die Frage ist,
en irgendwann der Mut verlässt, weil das nämlich auch
eißt, dass man Kompetenzen abgeben muss. Das wird
n dieser Debatte gerade für die Länder nicht einfach
erden. Denn der wesentliche Punkt im Zusammenhang
it der Verantwortungsteilung nach Art. 84 wird von
en Ländern sehr viel Mut erfordern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Grundgesetz sieht in Art. 84 das Erfordernis ei-

er Zustimmung der Länder eigentlich nur dort vor, wo
s um Verwaltungsverfahren und die Einrichtung der Be-
örden geht. Die enorme Menge von Zustimmungsge-
etzen, die hier schon mehrfach beklagt worden ist, geht
uf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
urück.
Im Grunde muss eine Norm gefunden werden, aus der

ervorgeht, dass die Verfassungsgeber das Grundgesetz
icht so gemeint haben, wie es das Bundesverfassungs-
ericht auslegt, sondern so, wie es in der Verfassung
teht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ine solche Norm zu formulieren wird schon schwierig
enug sein.
ir können allerdings insofern entspannt reagieren, als
ie Rechtsprechung des Karlsruher Gerichts erkennen
ässt, dass inzwischen auch die Bundesverfassungsrich-
er der Meinung sind, dass ihre bisherige Auslegung
icht mehr zeitgemäß ist. Es gibt erste Bewegungen, die
ermuten lassen, dass das Bundesverfassungsgericht sel-
er Art. 84 des Grundgesetzes wieder anders auslegen
ird. Wir müssen das auf jeden Fall auf die ursprüngli-
he Formulierung zurückführen. Das wird von den Län-
ern erheblichen Mut erfordern; denn das bedeutet na-
ürlich, dass die Ministerpräsidenten nicht mehr in der
isherigen Weise über den Bundesrat bei Themen mitre-
ieren können, für die sie nicht gewählt sind. Zu wel-






(A) )



(B) )


Bundesministerin Brigitte Zypries

chem Ergebnis die Kommission à la longue kommen
wird, ist für meine Begriffe noch nicht geklärt. Allein die
Tatsache, dass die Landesparlamente dafür mehr Kom-
petenzen erhalten werden, wird die Ministerpräsidenten
im Zweifel nicht entschädigen. Die Frage nach dem Mut
muss also auch auf der Seite der Länder beantwortet
werden.

Lassen Sie mich noch einen Gesichtspunkt erwähnen,
den ich schon eben angesprochen habe. Die föderale
Ordnung muss auch europatauglich werden. Wir müs-
sen also sehen, dass in den Kompetenzbereichen wie
zum Beispiel dem Umweltrecht ein übergreifender An-
satz besteht. Es interessiert in Europa niemanden, wie
wir unser innerstaatliches Rechtssystem, zum Beispiel
die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern,
organisiert haben. Es wird vielmehr verlangt, dass wir
insgesamt reagieren. Es wird in Brüssel nicht wahrge-
nommen, dass wir bei den Gesetzgebungskompetenzen
jeweils nach Luft, Wasser und Boden unterscheiden und
dementsprechend differenziert handeln müssen. Es kann
außerdem nicht sein – das sagte ich bereits –, dass wir in
Brüssel Strafen dafür zahlen müssen, dass einzelne Län-
der ihre Hausaufgaben nicht machen und das, was be-
schlossen worden ist, nicht rechtzeitig umsetzen. Des-
halb brauchen wir auch im Hinblick auf Europa eine
Straffung der Kompetenzen und eine deutlichere Zuord-
nung der Zuständigkeiten.

Wenn die Kommission zur Modernisierung der bun-
desstaatlichen Ordnung Erfolg haben soll, dann – so
meine ich – sollte sie sich zunächst auf das beschränken,
was unter den ersten beiden Spiegelstrichen im Einset-
zungsantrag behandelt ist, nämlich auf die Beantwortung
der Frage nach der bundesstaatlichen Ordnung. Das, was
unter dem letzten Spiegelstrich aufgeführt ist – hier geht
es um die Finanzverfassung –, sollte erst dann behandelt
werden, wenn man hinter die ersten beiden Spiegelstri-
che einen Haken machen kann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es besteht – so meine ich wenigstens – eine erhebli-
che Gefahr, dass das eintritt, was der Bundestagspräsi-
dent heute Morgen in seiner Rede sagte, nämlich dass
der Berg kreißt und ein Mäuschen gebiert. Das kann ge-
schehen, wenn man zu viele Themen auf einmal anpackt
und sich in der zur Verfügung stehenden Zeit – das ist
die laufende Legislaturperiode – nicht darauf verständi-
gen kann, alles zum Abschluss zu bringen. Die Probleme
der Welt, die heute Morgen teilweise als Probleme des
Bundes, der Länder und der Kommunen diagnostiziert
wurden – hinzu kommt noch die europäische Verfassung –,
wird die Kommission sicherlich nicht lösen können.
Deshalb meine ich, dass wir schon eine Menge geschafft
hätten, wenn es uns gelingen sollte, die Zuständigkeiten
im Zusammenhang mit der Rahmengesetzgebung, mit
Art. 84 und in anderen Punkten wirklich zu reformieren.
Im Interesse eines solchen Ergebnisses sollte man also
bei der Wahl der Aufgaben bescheiden bleiben. Man
sollte zunächst mit einfachen Schritten beginnen und die
von mir angesprochenen Themen abarbeiten. Erst dann

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(C (D ollte man sich an den finanzverfassungsrechtlichen Teil eranwagen. Ich jedenfalls wünsche allen Mitgliedern der Komission eine glückliche Hand und den erforderlichen ut. Die Bundesregierung wird die Arbeit der Kommision unterstützen, wo immer sie es kann. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1506602400

Ich erteile dem Kollegen Volker Kauder, CDU/CSU-

raktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1506602500

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Der Deutsche Bundestag und – morgen – der
undesrat machen sich an eine gewaltige Aufgabe, eine
ufgabe, die, wie Wolfgang Bosbach gesagt hat, spröde
irkt und bei der viele Menschen gar nicht verstehen
önnen, worum es dabei eigentlich geht. Deswegen
ünsche ich mir, dass die Vorsitzenden, aber auch alle
itglieder der Kommission über die Kommissionsarbeit

n einer Art und Weise berichten, dass die Menschen er-
ennen, dass es hier nicht um irgendeine Formalie zwi-
chen Bund, Bundesländern und Bundesrat sowie zwi-
chen Ministerien und verschiedenen Behörden geht,
ondern um etwas, was die Menschen in ihrem täglichen
eben betrifft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

ies wird dann auch die notwendige Beteiligung weit
ber den Bundestag und den Bundesrat hinaus ermögli-
hen.
Mein Wunsch, Herr Kollege Gerhardt, könnte nun

ahin gehend interpretiert werden, dass genau der Kon-
entsgedanke, den Sie angesprochen haben, dies beför-
ern könnte. Ich habe diese Idee aber in einem Beitrag
n einem Magazin beleuchtet und bin zu dem Ergebnis
ekommen, dass die Zusammensetzung eines Konven-
es die Aufgaben nicht erleichtert, weil danach im Deut-
chen Bundestag und im Bundesrat mit Zweidrittel-
ehrheit beschlossen werden muss. Deswegen haben
ir – zwar nicht als Verpflichtung, aber am Rande un-
eres Einsetzungsbeschlusses – den Wunsch formuliert,
ass auch alle Beschlüsse in der gemeinsamen Kom-
ission mit Zweidrittelmehrheit gefasst werden; denn
ann haben sie die größte Chance, umgesetzt zu wer-
en.
Worum geht es ganz konkret? Es geht nicht, wie
anche meinen, um eine Verfassungskommission, die
iele Punkte regeln soll. Es geht im Kern um eine zen-
rale politische Frage in der Demokratie: Wer ist für
as zuständig und wer trägt Verantwortung für Ent-
cheidungen? Nur dann, wenn diese Frage beantwortet
ird, ist es den Bürgerinnen und Bürgern in einer
emokratie möglich, bei Wahlen ihr Urteil darüber






(A) )



(B) )


Volker Kauder

abzugeben, ob die Entscheidungen richtig gefallen sind
oder nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Wenn ich in Veranstaltungen bin, bin ich immer wie-
der beunruhigt, wenn wir, wie beispielsweise morgen
– um ein ganz konkretes Beispiel anzusprechen –, über
Arbeitsmarkt und Bundesanstalt für Arbeit sprechen und
entscheiden werden. Dann berichten die Medien darü-
ber, wie die Bundesanstalt für Arbeit in Zukunft organi-
siert wird, wie Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ausse-
hen werden und in welcher Größenordnung
Arbeitslosengeld bezahlt wird. Dann beginnt eine Dis-
kussion darüber, was der Deutsche Bundestag beschlos-
sen hat. Drei bis sechs Wochen später erleben die Men-
schen auf einmal, dass ein ganz anderes Ergebnis
herausgekommen ist. Derjenige, der sich nicht jeden Tag
mit Politik beschäftigt, versteht überhaupt nicht, was
passiert ist, und denkt: Am Freitag, dem 17. Oktober, hat
der Bundestag entschieden, wie das aussehen soll, und
sechs Wochen später, am 26. November, beschließt er et-
was ganz anderes – die in Berlin müssen irre sein. Dieser
Zustand muss geändert werden. Wir müssen klare Zu-
ständigkeiten haben und dürfen nicht eine verwirrende
Botschaft an die Menschen in unserem Land aussenden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe die große Ehre und Freude, im Vermitt-
lungsausschuss tätig zu sein – eine Tätigkeit, die viel
Zeit kostet. Der Vermittlungsausschuss ist eine Einrich-
tung, in der gestaltet werden kann. Aber genau das, was
vielfach von Kolleginnen und Kollegen aus allen Frak-
tionen im Deutschen Bundestag gefordert wird, nämlich
dass wir mehr an der Entscheidung über Gesetze betei-
ligt sein müssen, findet im Vermittlungsausschuss nicht
mehr statt. Ein Gesetz kommt ganz anders aus dem Ver-
mittlungsausschuss heraus, als es hineingekommen ist.
Dann kann ich meiner Fraktion oder kann der Kollege
Schmidt seiner Fraktion am Freitagmorgen nur sagen:
Leute, gestern Nacht war Vermittlungsausschuss, ihr
könnt mit Ja oder Nein stimmen; mehr ist nicht mehr zu
machen. Mancher fragt sich dann: Wer hat unser Gesetz
so zerstört? Deswegen muss die Aufgabe des Vermitt-
lungsausschusses so definiert werden, dass sie eine Aus-
nahme und nicht der Regelfall ist. Herr Kollege
Müntefering hat darauf ganz entschieden hingewiesen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Damit keine Missverständnisse entstehen, will ich gleich
dazusagen: Solange die Kompetenzen so verteilt sind
wie jetzt, werden wir natürlich unsere Einflussmöglich-
keiten im Interesse des Landes, um für die Menschen
bessere Gesetze zu bekommen, nutzen müssen. Wir wer-
den sie auch nutzen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D Im Rahmen der Vorbereitung dieser Kommission sind mmer wieder folgende Fragen gestellt worden: Entachtet sich der Bundestag selbst? Welche Aufgaben leiben für ihn noch übrig, wenn auf der einen Seite das uropäische Parlament und auf der anderen Seite die andesparlamente stehen? Was haben wir eigentlich och zu tun? Diese Fragen ängstigen mich überhaupt icht. Vor dem Hintergrund mancher Debatte und manher Initiative der Fraktionen meine ich, wir könnten ngesichts der Größe der Aufgaben des Deutschen Bunestages noch manches konzentrieren. Zur Regierungsoalition gewandt, möchte ich fragen: Wäre es nicht, enn wir uns von einigen Aufgaben trennten, wieder her möglich, mehr im Deutschen Bundestag miteinaner zu besprechen? Wir hätten dann wieder mehr Zeit und es müssten, vor llem aufseiten der Regierung, nicht so viele Kommisionen eingesetzt werden. Dies wäre ein schöner Geinn. Der Herr Präsident hat heute darauf hingewiesen, dass ch gefordert habe, den Ländern mehr Kompetenz und ehr Macht zukommen zu lassen. Herr Präsident, Sie aben das völlig richtig wiedergegeben. Ich werde leich zwei konkrete Fragen stellen, durch die verständich wird, was in dieser Kommission passiert oder pasieren könnte. Heute, mehr als zehn Jahre nach der deutchen Einheit, sind die Lebensverhältnisse in den euen und in den alten Bundesländern noch immer nterschiedlich; dennoch haben wir hier, im Deutschen undestag, Sachverhalte zu regeln, die wir weitgehend ur einheitlich regeln können. Warum muss aber über ie Sozialhilfe und ihre Höhe hier im Deutschen Bunestag, also zentral, entschieden werden? Könnten dies ie Länder unter Berücksichtigung ihrer besonderen Siuation nicht viel besser machen? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


ie Länder könnten zielgenauer reagieren.
Morgen werden wir im Deutschen Bundestag über

Hartz IV“ diskutieren. Für die Menschen ist überhaupt
icht erkennbar, was sich dahinter verbirgt. Es geht um
ie Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozial-
ilfe zu einer neuen Form von Hilfe mit einer einheitli-
hen Höhe. Wir, die wir aus den alten Bundesländern
ommen, müssen erkennen, dass sich die Situation in
en neuen Bundesländern – die Arbeitslosigkeit liegt
ort teilweise bei 25, 27 oder 28 Prozent; der Mittelstand
st dort noch nicht so ausgebaut wie im Westen, weswe-
en man dort weniger Möglichkeiten hat – anders als in
en alten Bundesländern darstellt, wo die Arbeitslosig-
eit teilweise bei 5, 6, 7 oder 8 Prozent liegt. Deswegen
iegt es im Interesse der Menschen – es geht gar nicht
m die Interessen der Länder oder des Bundes –, dass
ie Politik näher an ihre Lebenswirklichkeit heran-
ommt. Das können die Länder in vielen Bereichen bes-
er als der Deutsche Bundestag.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Frau Kollegin Sager, ich trete leidenschaftlich für den
ettbewerbsföderalismus ein. Es geht dabei nicht






(A)



(B) )


Volker Kauder

– der Kollege Gerhardt hat das richtig dargestellt – um
einen Wettbewerb, der isoliert in jedem einzelnen Land
und ohne Verantwortung für das Gemeinwesen insge-
samt stattfindet. Wir wissen sehr genau, dass es einen
Länderfinanzausgleich geben muss. Er wird durch die
Arbeit dieser Kommission überhaupt nicht zur Disposi-
tion gestellt. Aber wer Wettbewerb will – jeder, der den
Föderalismus stärken will, muss Wettbewerb wollen; da
sollten wir uns nicht in die Tasche lügen –, muss den am
Wettbewerb Teilnehmenden die Chance geben, durch die
bessere Erfüllung von Aufgaben für sein Land mehr zu
erreichen. Mehr Föderalismus und mehr Wettbewerb
heißt, dass die einzelnen Länder trotz des Länderfinanz-
ausgleichs mehr von den Erträgen ihrer Arbeit behalten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ein in diesem Sinne verstandener Wettbewerbsföde-
ralismus findet in den Ländern schon in ganz anderer Art
und Weise statt, und zwar mit großem Erfolg. In den
Ländern, aber auch in der ganzen Republik stehen die
Städte und Gemeinden im Wettbewerb. Es geht darum,
wie eine Kommune Aufgaben besser erfüllen kann als
die Nachbarkommune. Es geht darum, ob sie sich für
diese oder für jene Investition entscheidet. Genau dieser
Wettbewerb hat uns auf kommunaler Ebene enorm vor-
angebracht. Es sind neue Ideen entstanden.

Ich nenne wieder ein Beispiel aus dem Bereich, über
den wir morgen sprechen wollen. Warum meinen wir im
Bundestag, besser zu wissen, wie in einer Stadt mit
20 000 Einwohnern Arbeitsvermittlung stattfinden
sollte, und trauen der Kommune nicht zu, das selbst zu
entscheiden? Warum wollen wir das zentral steuern?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Damit bin ich wieder bei meinem Thema. Es geht

ganz entscheidend darum, den Menschen zu vermitteln:
Hier sitzen nicht zwei große Gremien der Demokratie,
Bundestag und Bundesrat, zusammen, um über die Auf-
gabenverteilung und darüber, wer was kann, zu streiten.
Vielmehr haben wir hier das Ziel, eine Verbesserung
der Entscheidungsstrukturen zu erreichen, um mit un-
seren Entscheidungen, den Entscheidungen von Bund
und Ländern, näher bei den Menschen zu sein. Auf die-
sem Weg wünsche ich viel Erfolg und viel Glück. Herr
Präsident, Sie haben mich zitiert. Jawohl, wir sind bereit,
dazu beizutragen. Wir wollen, dass dieses große Vorha-
ben im Interesse der Menschen zum Erfolg geführt wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1506602600

Ich erteile dem Kollegen Volker Beck, Bündnis 90/

Die Grünen, das Wort.

Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506602700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen

in dieser Legislaturperiode vor einer ganz entscheiden-

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(C (D en Weichenstellung. Es geht um nicht weniger als um ie Reformierbarkeit der politischen Entscheidungstrukturen unserer Republik. Die Demokratie – Herr auder hat das beschrieben – hat eine Vertrauenskrise, eil viele Bürgerinnen und Bürger nicht mehr verstehen, er welche Entscheidungen zu verantworten hat, warum estimmte Reformen sozusagen halbiert aus dem Verittlungsausschuss herauskommen und warum die Bunestagsmehrheit, die einen demokratischen Gestaltungsuftrag bekommen hat, an bestimmten Punkten durch en Bundesrat gehindert ist, den Auftrag der Wählerinen und Wähler auch so umzusetzen, wie sie ihn umseten will. Die Verfassungsreform, die 1994 gescheitert ist, uss jetzt gelingen. Es stehen an eine Neuaufstellung der taatlichen Ebenen und eine Reform der Institutionen, es Institutionengefüges dieser Republik. Als Frankreichs vierte Republik 1958 feststellte, dass hre Institutionen nicht mehr in der Lage waren, die Heausforderungen der Zeit zu bewältigen, hat man sich ort dafür entschieden, das verfassungsrechtliche Geüge grundsätzlich zu reformieren. Wir sprechen heute on der fünften Republik in Frankreich. Gelingt mehr als eine redaktionelle Überarbeitung des rundgesetzes, nämlich, wie es in dieser Debatte anlang, eine grundsätzliche Reform der Gesetzgebungsompetenzen sowie der Finanzverteilung und der Fianzströme, dann wird man in Deutschland von einer ritten deutschen Republik sprechen können. Das erste apitel dieser Republik wäre am Ende dieses Reformrozesses aufgeschlagen. Frankreich hat zu seiner Verfassung am Ende jenes rozesses damals eine Volksabstimmung durchgeführt. olksabstimmungen zu ermöglichen und unsere Verassung endlich auch dem deutschen Volk vorzulegen äre, meine ich, ein Thema, über das wir in diesem Zuammenhang ebenfalls diskutieren sollten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Darum geht es gerade nicht!)


Die anstehende Föderalismusreform bietet in erster
inie neue Chancen für unsere Demokratie. Sie bietet
ie Möglichkeit, Verantwortung erkennbar zu machen
nd auch für die Bürgerinnen und Bürger deutlich zu
achen, welche Akteure, welche Parteien politisch die
erantwortung für Gesetzgebungsvorhaben oder für die
erhinderung solcher Vorhaben tragen. Der Wahldemo-
ratie laufen heute die Wählerinnen und Wähler weg.
ir können mit der Föderalismusreform dafür sorgen,
ie Demokratinnen und Demokraten wieder zurückzuge-
innen, und den Bürgerinnen und Bürgern deutlich ma-
hen, dass es sich lohnt, mitzumachen.
Unser Föderalismus ist kein starres Gebilde, sondern
uss als dynamisches System fortentwickelt und an
ktuelle Entwicklungen angepasst werden. Die Institu-
onen haben sich in 50 Jahren Verfassungsgeschichte
mer weiter ineinander verkantet.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

as Ergebnis ist allzu oft Stillstand.
)






(A) )



(B) )


Volker Beck (Köln)


Uns wird diese Föderalismusreform nur gelingen,

wenn es zu einem fairen Geben und Nehmen zwischen
Bund und Ländern bei Gesetzgebungskompetenzen und
Zuständigkeiten der verschiedenen staatlichen Ebenen
kommt. Dabei müssen wir uns von einer Philosophie lei-
ten lassen, die allen Ebenen – Bund, Ländern und Kom-
munen – mehr Gestaltungsfreiheit und mehr eigenstän-
dige Kompetenzen zuweist. Auf welchem Wege sich die
Gesetzgebungsautonomie der Länder stärken lässt, darü-
ber wird die Kommission ausführlich beraten müssen.

In der Wissenschaft wird, frei von politischen Rah-
menbedingungen, häufig die Meinung vertreten, wir
bräuchten acht leistungsfähige, starke Länder. Ich
glaube, wer die Hürde für das Gelingen der Föderalis-
musreform so hoch legt, wird daran scheitern. Aber wir
müssen darüber diskutieren, dass die Länder unter-
schiedlich leistungsfähig sind. Damit die Zuweisung
neuer Kompetenzen und neuer Gestaltungsspielräume
im Rahmen des fairen Gebens und Nehmens glücken
kann, müssen wir wahrscheinlich auch neue Formen der
Kooperation zwischen den kleineren und schwächeren
Ländern unterhalb der Fusionsebene finden.

Hier wurde viel von Wettbewerbsföderalismus ge-
redet. Wir müssen ganz klar darauf achten, dass es keine
Rechtszersplitterung geben darf. Der Bund muss in
Kernbereichen immer die Möglichkeit haben, für gleich-
wertige Lebensverhältnisse in Deutschland zu sorgen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Zum Beispiel in Fragen der Existenzsicherung, beim
Wohngeld, bei der Sozialhilfe, bei der Daseinsvorsorge
und in der Wohnraumversorgung ist dies unerlässlich.

Im Hinblick auf Hartz III und IV bin ich sehr dafür,
dass die Kommunen, die in diesem Bereich sehr gute Ar-
beit leisten – meine Heimatstadt gehört dazu –, in den
Vermittlungsprozess aktiv einbezogen werden. Köln hat
schon heute ein Jobcenter beim Sozialamt. Warum sollte
man diese Kompetenz nicht nutzen? Aber wir können
auch nicht darüber hinwegschauen, dass andere Kom-
munen eine solche Arbeit nicht leisten können und auch
gar nicht wollen. Wir müssen darauf achten, dass der Ar-
beitslose keine Niete zieht, wenn er in der falschen Stadt
lebt. Der Bund hat die Aufgabe, für einheitliche Vermitt-
lungsanstrengungen zu sorgen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Darüber hinaus wird es darum gehen, bereits vorhan-
dene Zuständigkeiten des Bundes präziser auszugestal-
ten und die Entwicklungen auf EU-Ebene, zum Beispiel
im Umweltschutz, in unserer verfassungsrechtlichen
Ordnung zu reflektieren. Beim Umweltschutz brauchen
wir einen medienübergreifenden Ansatz. Wir haben
heute einen Sektorenansatz, der noch dazu in einzelnen
Bereichen Rahmengesetzgebung und in anderen Berei-
chen konkurrierende Gesetzgebung vorsieht. Alles ist
schön unübersichtlich zersplittert. Wir schaffen es regel-
mäßig nicht, sinnvoll oder gar zeitgerecht die Vorgaben
der Europäischen Union umzusetzen. Hier müssen wir
entrümpeln.

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(C (D Die Union hat gesagt, sie sei in diesem Zusammenang bereit, die Rahmengesetzgebung abzuschaffen. Das st richtig. Von den Ländern habe ich noch wenig gehört nd in ihren Papieren wenig darüber gelesen, wie sie die estaltungsfähigkeit des Bundes sichern und die Blokadeposition des Bundesrates aufbrechen wollen. Ich laube, das ist ein ganz entscheidender Punkt. Wir müsen – die Justizministerin hat es angesprochen – von der ustimmungsbedürftigkeit zahlreicher Gesetzesmaterien erunter. Es kann nicht sein, dass Gesetze allein wegen es Verwaltungsaspektes zustimmungsbedürftig werden. Herr Kollege, Sie denken bitte an die Redezeit. Vielen Dank, Herr Präsident. Zum Schluss: Wir müssen auch darüber reden, wie eit die Rechte der Länder, in die Gesetzgebung einzuirken, gehen sollen. Wir hatten gestern im Vermittungsausschuss einen exemplarischen Fall. Da hatten die änder doch in der Tat den Vermittlungsausschuss angeufen – Das können Sie nun nicht mehr im Einzelnen darstel en. – mein letzter Satz –, um in die Ressortzuständigkei en eines Bundesministeriums einzugreifen. Sie haben ich Sorgen darüber gemacht, in welcher Bundesbehörde ie Mitarbeiter arbeiten. Es hat schon wundersame Blüen getrieben. Manche Beiträge in dieser Debatte könnte man sich chon jetzt hinter die Ohren schreiben, damit wir uns auf ie wesentlichen Fragen konzentrieren können und nicht eder Quatsch im Rahmen der Verfahrensmöglichkeiten, ie die Verfassung heute noch vorsieht und die wir überrbeiten müssen, auf den Tisch des Vermittlungsauschusses kommt. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506602800
Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506602900
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506603000
Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506603100


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506603200

Ich erteile das Wort dem Kollegen Ernst Burgbacher,

DP-Fraktion.


Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1506603300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

iele, die die Arbeit der FDP in der Föderalismuskom-
ission bestimmen werden, lassen sich mit den Schlag-
orten Wettbewerb, Entscheidungsfähigkeit und Trans-
arenz umschreiben. Die Reform des Föderalismus ist
ür mich und für die FDP eine der ganz zentralen Aufga-






(A) )



(B) )


Ernst Burgbacher

ben dieser Legislaturperiode. Darin sind wir uns alle,
wie ich glaube, einig.

Ich verkenne nicht, dass ich eine gewisse Skepsis be-
züglich der Zusammensetzung dieser Kommission
hege – ich hoffe, dass sie überwunden wird –; denn ne-
ben 16 Bundestagsabgeordneten, die alle, wie ich der
Debatte entnehme, vom Willen beseelt sind, etwas zu er-
reichen, sind noch 16 Ministerpräsidenten Mitglieder
dieser Kommission. Ich hoffe wirklich, dass diese 16
nicht bei jedem Vorschlag mit dem Taschenrechner
nachrechnen, ob er ihnen schadet oder nützt. Wenn diese
Einstellung vorhanden sein sollte, dann wäre die Arbeit
der Kommission zum Scheitern verurteilt. Deshalb for-
dere ich gleich am Anfang alle Mitglieder auf, dieses
Denken zu überwinden und immer die Sache insgesamt
im Blick zu haben.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU])


Die Kommission darf sich auch nicht nur vom dem
Motiv leiten lassen – das ist meine zweite Bemerkung –,
danach zu schauen, wo es Machtzuwachs und -verlust
gibt. Leitmotiv der Kommission muss es vielmehr
sein, dafür zu sorgen, dass unserem föderalen System
wieder mehr Entscheidungsfähigkeit zukommt, wie es
Wolfgang Gerhardt vorher ausgeführt hat, und die Ent-
scheidungen transparenter werden, damit auch die Wäh-
lerinnen und Wähler erkennen können, wer für welche
Entscheidung zuständig ist und gegebenenfalls dafür
verantwortlich zu machen ist.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Im Verlaufe der Geschichte der Bundesrepublik

Deutschland hat man sich immer mehr dem Modell des
kooperativen Föderalismus zugewandt bzw. es selbst ge-
schaffen. Ausgangspunkt war aber vielmehr das Modell
des Wettbewerbsföderalismus. Zu den Reformhinder-
nissen gehört an erster Stelle – ich sage das auch noch
einmal in Ihre Richtung, Herr Beck – die Überbetonung
der Gleichwertigkeit und der Einheitlichkeit der Lebens-
verhältnisse, die das Grundgesetz an zwei Stellen, näm-
lich in Art. 72 und in Art. 106, als Nebenbedingungen
erwähnt, aber nicht als Staatsziel proklamiert. Der Über-
interpretation dieser Nebenbedingungen ist entschieden
entgegenzutreten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, von der falschen und im
Kern für alle Beteiligten schädlichen Nivellierungsideo-
logie muss endlich Abschied genommen werden und
Bürgern wie Politikern wieder bewusst gemacht werden,
dass Föderalismus nicht Gleichmacherei bedeutet, son-
dern exakt das Gegenteil davon, nämlich Länderautono-
mie, Wettbewerb und die Gewährleistung kultureller, so-
zialer, ökonomischer und politischer Vielfalt. Das
wollen wir doch in unserem Staat. Dafür müssen wir
auch jetzt Sorge tragen.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D ass dabei die Situation der neuen Länder besonders beücksichtigt werden muss, versteht sich von selbst. Darüer hat ja auch Wolfgang Gerhardt bereits gesprochen. Die Diskussion um eine Föderalismusreform läuft in er FDP seit vielen Jahren. Es war vor allen Dingen die riedrich-Naumann-Stiftung, die dabei wesentliche Vorrbeiten geleistet hat. Unter Leitung von Otto Graf ambsdorff wurden fünf Föderalismusmanifeste verabchiedet. Ich empfehle allen Kolleginnen und Kollegen, ie in der Kommission mitarbeiten, diese Manifeste einal sehr genau zu lesen. Ich glaube, sie stellen eine gute rundlage für unsere Arbeit dar. Nun gibt es verschiedene Felder, über die teilweise ja chon geredet wird. Ich will zunächst der Bundesjustizinisterin – sie ist jetzt leider nicht mehr hier – ganz entchieden widersprechen. Liebe Kolleginnen und Kolleen, eine Reform der bundesstaatlichen Ordnung ohne odernisierung der Finanzbeziehungen zwischen und, Ländern und Gemeinden ist für uns nicht denkar. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


eshalb müssen wir hier sogar die Vorgehensweise än-
ern: Wir müssen zuerst die Finanzverfassung moderni-
ieren; erst danach können wir uns der Lösung der ande-
en Probleme wirklich zuwenden.
Weiterhin muss im Vordergrund eine klar strukturierte

rennung und Neuverteilung der Gesetzgebungskompe-
enz stehen. Im Augenblick neigen ich und meine Frak-
ion dazu – das sage ich Ihnen ganz offen –, die Rah-
engesetzgebung weitgehend abzuschaffen. Wir neigen
uch dazu, den Katalog der konkurrierenden Gesetzge-
ung sehr stark zu beschneiden. Auf diese Weise wollen
ir Gesetzgebungskompetenzen wieder klarer dem
und oder den Ländern zuordnen. Dabei darf nicht der
eweilige Ehrgeiz eine Rolle spielen, sondern der
spekt, auf welche Ebene sie eher gehören. Ich denke,
n der Kommission werden wir uns den Katalog vor-
nöpfen und Punkt für Punkt diskutieren müssen, wo der
und besser alleine zuständig sein sollte und was wir in
ie Zuständigkeit der Länder zurückverlagern sollten.
as wird ganz wesentlich sein.
Liebe Kollegin Sager, an dieser Stelle stört mich ein
egriff, den Sie, wie ich glaube, zweimal gebraucht ha-
en, und zwar der Begriff der Öffnungsklausel. Eine
ffnungsklausel ist eigentlich ein fauler Kompromiss.
ch will keine Öffnungsklauseln, sondern eine klare Zu-
eisung der Zuständigkeiten. Wohin es führt, wenn man
ffnungsklauseln einführt, sehen wir im Übrigen im Au-
enblick bei der Beamtenbesoldung. Sobald man be-
innt, Öffnungsklauseln einzuführen, ist das Scheitern
igentlich schon vorgezeichnet. Nein, lassen Sie uns den
ut haben, jetzt klare Entscheidungen zu treffen, was
ohin gehört!
Im Rahmen dieser Zuordnung weise ich auf einen

unkt hin, der heute noch keine Rolle gespielt hat: Die
ntflechtung der Aufgabenzuständigkeiten im Interesse
iner klaren Zuordnung der Verantwortung verlangt
ann aber auch, dass sich die niedrigere Ebene – hier die






(A) )



(B) )


Ernst Burgbacher

Länder – bei der höheren – hier dem Bund – nicht über
Gebühr in die dortige Aufgabenwahrnehmung ein-
mischt. Deshalb rege ich an, Art. 23 des Grundgesetzes
zu überdenken. Viele wissen noch, wie der Artikel da-
mals neu aufgenommen wurde. Wenn wir eine klare
Aufgabentrennung wollen, muss auch die Kompetenz
des Bundes bei der EU wieder klarer geregelt sein.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)


Die Europakompatibilität wurde einige Male ange-
sprochen. Ich halte sie für maßgeblich. Uns als Bundes-
republik Deutschland ist daran gelegen, unsere Interes-
sen bei der Europäischen Union zu vertreten. Eine
Aufgabe der Kommission muss darin bestehen, uns in
die Lage dazu zu versetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 7. November
dieses Jahres wird die Kommission zum ersten Mal ta-
gen. Wir haben eine große Aufgabe. Ich freue mich auf
diese Aufgabe. Meine Fraktion ist entschlossen, alles da-
für zu tun, dass wir diese Aufgabe erfolgreich bewälti-
gen. Ich fordere alle Mitglieder der Kommission auf,
auch die Mitglieder der Länderseite, nicht eigene Inte-
ressen, sondern das Wohl unseres Landes, die größere
Effizienz und Transparenz unseres Systems in den Vor-
dergrund zu stellen und endlich mehr Wettbewerb zwi-
schen den Ländern, aber auch zwischen den Kommunen
zuzulassen und zu fördern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506603400

Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau.

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1506603500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

Föderalismus gehört zu den Säulen der Bundesrepublik.
Als Prinzip hat er sich bewährt. Mit ihm wird geregelt,
was der Bund soll und darf, was allein Ländersache und
was Angelegenheit der Kommunen ist. Die PDS bejaht
dieses Prinzip. Gleichzeitig verweisen wir seit Jahren
auf Mängel und Schieflagen in der Praxis. Diese gehen
im Übrigen überwiegend zulasten der Länder und Kom-
munen. Sie drohen das Prinzip auszuhöhlen. Deshalb tei-
len wir die zunehmenden Klagen und Forderungen des
Städte- und Gemeindetages. Es ist löblich, wenn Städte
und Kommunen möglichst viel in eigener Sache ent-
scheiden können, aber es ist tödlich für sie, wenn ihnen
die Ressourcen und das Geld dazu durch eine falsche
Steuerpolitik immer mehr entzogen werden.

Ein aktuelles Beispiel: Würde die Steuerreform vor-
gezogen, wie von Rot-Grün geplant, verlöre das Land
Berlin Einnahmen von circa 400 Millionen Euro. Käme
dagegen die Vermögensteuer, wie die PDS sie fordert,
flössen rund 400 Millionen Euro mehr in die Landeskas-
sen.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


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(C (D ie Differenz beträgt fast 1 Milliarde Euro. Diese Rechung trifft – in unterschiedlicher Höhe – auf fast alle änder zu. Im richtigen Leben geht es dabei um Tauende Kitas, Hunderte Schwimmbäder, zig Theater und ieles mehr. Die EU und ihre Erweiterung sind ein weiterer Grund, as Prinzip des Föderalismus einem aktuellen Praxistest u unterziehen. Immer mehr Entscheidungen werden auf U-Ebene getroffen oder dorthin delegiert. Für viele ist as undurchsichtig und oft auch uneinsichtig. Politik im ebel ist aber das Gegenteil von Transparenz und Deokratie. Das ist ein zusätzlicher Grund, uns darüber lar zu werden, wie wir unser föderales System weiter usgestalten können. Hinzu kommt ein grundsätzlicher Streit; denn Födera ismus ist nicht gleich Föderalismus. Auch das haben wir eute Vormittag schon mehrfach gehört. Die einen wolen einen solidarischen, kooperativen Föderalismus – die DS gehört dazu –, (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


ndere wollen einen Wettbewerbsföderalismus, bei dem
ie starken Länder gewinnen und die ohnehin schwa-
hen weiter verlieren. Die PDS im Bundestag will dies
icht.
Schließlich gibt es noch einen weiteren Konflikt. Er

etrifft das Verhältnis von Exekutive und Legislative,
lso von Regierung und Parlament. Das Gewicht des
arlaments wird immer geringer und der Einfluss der
egierung immer stärker. Der Versuch, ein Entsendege-
etz zu verabschieden, nach dem künftig nicht mehr der
undestag, sondern eine elitäre Untergruppe des Parla-
ents über Auslandseinsätze der Bundeswehr entschei-
en soll, ist dafür nur ein aktueller Beleg. Wider das
rundgesetz ist er außerdem.
Heute geht es um eine gemeinsame Kommission von
undestag und Bundesrat zur Modernisierung der bun-
esstaatlichen Ordnung, also um ein Gremium, das sich
it den von mir aufgeworfenen Fragen und vielen ande-
en Punkten befassen soll. Gerade deshalb sollten wir ei-
en Konstruktionsfehler gleich von Anfang an vermei-
en. Sie wissen es – wenn nicht, dann sage ich es Ihnen –:
s gibt seit geraumer Zeit einen Konvent deutscher Lan-
esparlamente. Er befasst sich mit der Frage, wie den
andesparlamenten die ursächlichen Rechte wiederge-
eben werden können und wie das Recht der Parlamenta-
ier gegenüber den Regierenden gestärkt werden kann.
Dieser Konvent hat am 31. März dieses Jahres
epräsentanten bestimmt. Sie sollen die Interessen der
andesparlamente gegenüber dem Bund, aber auch ge-
enüber den Landesregierungen vertreten. In der gemein-
amen Kommission von Bundestag und Bundesrat, die
eute zur Debatte steht, findet sich das berechtigte Anlie-
en der Landesparlamente allerdings überhaupt nicht
ieder. Damit setzt sie sich über den erklärten Willen von
und 2 000 Landesparlamentariern hinweg. Ich finde, das
st kein Fehlstart, sondern schlichtweg ein Foul.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])







(A) )



(B) )


Petra Pau

Ich kann auch nicht mit dem Argument des Bundestags-
präsidenten von heute Morgen leben, dass die Landesre-
gierungen die Interessen der Landesparlamente in dieser
Kommission besser vertreten würden.

Mit der Reform des Föderalismus geht es auch um die
Zukunft des Ostens. In den neuen Bundesländern arbei-
ten 144 Parlamentarier der PDS. Die PDS aber – und
damit rund 20 Prozent der Wählerinnen und Wähler –
wird durch die vorgeschlagene Zusammensetzung der
Kommission schlicht ausgegrenzt – nicht zufällig, son-
dern wohl wissend; denn es gab Vorschläge – im Übri-
gen nicht nur Vorschläge der PDS, sondern Vorschläge
quer aus allen Landesparlamenten –, diesen Fehler zu
korrigieren. Professor Lothar Bisky hat dies als PDS-
Vorsitzender in einem Brief an den Parlamentspräsiden-
ten Thierse und an den Präsidenten des Bundesrates an-
gemahnt. Bisher gab es keine Resonanz. Diese Ignoranz
werden wir nicht hinnehmen.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Die PDS im Bundestag bedauert, dass damit ein gro-
ßes und wichtiges Thema von Anfang an durch kleinli-
chen Egoismus belastet wird. Wir haben mehrere Ände-
rungen beantragt. Unter anderem wird verlangt, die elf
Mitglieder der Verhandlungskommission des Föderalis-
muskonvents der Landesparlamente in unsere Kommis-
sion gleichberechtigt aufzunehmen.

Danke schön.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak tionslos])


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506603600

Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege

Wilhelm Schmidt.

Wilhelm Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1506603700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

stehe sozusagen mit dem Grundgesetz unterm Arm am
Rednerpult. Ich will damit verdeutlichen, an welcher
Stelle der Debatte wir uns befinden. Wir müssen an un-
serem Grundgesetz, mit dem die Politik unseres Landes
gestaltet wird, etwas verändern, damit die Menschen
draußen im Lande spüren, dass wir ihre Sorgen ernst
nehmen, wenn es um ihre Lebensverhältnisse geht. Wir
müssen versuchen, mit der Entflechtung von Gesetzge-
bungsüberschneidungen voranzukommen und mit dem
Gesetzgebungswirrwarr aufzuräumen, und zwar gemein-
schaftlich.

Ich fühle mich von dem Auftakt dieser Debatte heute
Morgen und von allen Vorrednerinnen und -rednern er-
mutigt, wenngleich man feststellen muss, dass es doch
den einen oder anderen Unterschied gibt. Das will ich
nicht verhehlen; ich komme darauf gleich zurück.

Wenn aber in den letzten Tagen und Wochen in der
Öffentlichkeit zum Beispiel mit Schlagzeilen wie „Augi-
asstall ausmisten“ oder „Einen elenden Kuhhandel rück-
abwickeln“ operiert wurde, dann ist das, wie ich finde,
eine Übertreibung. Wir haben ein gutes Grundgesetz;

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(C (D as ist zu Recht betont worden. Es haben sich aber im aufe der Jahrzehnte einige Verwerfungen entwickelt, n denen wir alle übrigens partei-, fraktionsund instituionenübergreifend beteiligt gewesen sind. Es kann desegen keine Schuldzuweisungen geben; das hat auch iemand getan. Das Entscheidende aber ist: Wir stehen vor diesem intergrund unter großem Druck. Denn die Veränderunen, die wir herbeiführen wollen und müssen, wie wir lle betont haben, sind von großer Bedeutung und von aßgeblichem Umfang. Neben dieser schwierigen Aufgabe stehen wir aber uch vor einer großen Chance: vor der Möglichkeit, wieer mehr als bisher demokratisch-parlamentarische trukturen zu beleben und wiederzugewinnen und damit afür zu sorgen, dass die Menschen dem Parlamentarisus wieder mehr Vertrauen entgegenbringen. Das ist nöig. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)


Wir wollen Berufsskeptiker wie Robert Leicht von
er „Zeit“ widerlegen; diesen Willen habe ich mit wirk-
ich großem Genuss von allen Seiten des Hauses gespürt.
ber wir müssen dann auch sehr intensiv arbeiten, um
ie vor uns liegenden Aufgaben zu bewältigen.
Die Zurückhaltung, die Bundesministerin Zypries an

en Tag gelegt hat, entspringt – wie ich finde, zu Recht –
er Stellung der Bundesregierung in diesem Prozess. Sie
oll uns begleiten, helfen und unterstützen; das ist zuge-
agt worden. Zurückhaltung ist aber deswegen geboten,
eil die Bundesregierung nicht direkt am Gesetzge-
ungsverfahren beteiligt ist. Dass die Bundesregierung
ber eine wichtige Rolle spielen muss, ist einheitliche
uffassung.
Wer sich das Ausmaß der Verflechtungen gerade in

er Gesetzgebung, aber auch in den Finanzbeziehungen
wischen Bund und Ländern konkret vor Augen führt,
er wird spüren, dass Veränderungen wirklich nötig sind.
err Kauder hat vorhin kurz aus unserer gemeinsamen
ätigkeit im Vermittlungsausschuss – auch viele andere
aran Beteiligte sind hier – berichtet. Ich muss zugeben:
ls wir gestern Abend im Vermittlungsausschuss relativ
ügig mit zwei Ablehnungen und einer Vertagung zu
nde gekommen waren, konnte man auf der einen Seite
amit nicht zufrieden sein. Auf der anderen Seite sagte
ir ein Mitglied des Bundesrates hinter vorgehaltener
and: Ich muss bekennen, auch ich weiß nicht, warum
ir im Bundesrat das Gentechnikgesetz zu behandeln
aben. Denn es geht da wirklich nur, wie Herr Beck mit
echt betont hat, um Veränderungen in den Abläufen
nd Zuständigkeiten innerhalb von Bundesressorts und
achgeordneten Behörden des Bundes. Das Verhältnis
wischen Bundestag und Bundesrat treibt manchmal un-
laubliche Blüten.
Ich will mit Blick auf Art. 84 des Grundgesetzes, den

ch in unserer Debatte als einen ganz zentralen Punkt
mpfinde, darauf hinweisen, dass es auch in dieser Hin-
icht eine ganze Reihe von Entwicklungen gibt, die uns






(A) )



(B) )


Wilhelm Schmidt (Salzgitter)


nicht einerlei sein können. Nehmen Sie nur – Finanz-
minister Eichel ist ja hier –


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Noch hier!)

das Förderbankenneustrukturierungsgesetz. Was spielte
sich da vor der Sommerpause ab? Es war ursprünglich
nicht zustimmungspflichtig. Aufgrund des Drucks der
Länder und der Tatsache, dass wir das Ganze nicht ver-
zögern wollten, haben wir für den im Rahmen dieses
neuen Förderbankeninstrumentariums vorgesehenen
Mittelstandsrat drei Vertreter der Länder zugelassen. Von
diesem Augenblick an war das Gesetz in vollem Um-
fange zustimmungspflichtig. Man fragt sich wirklich,
welchen Unsinn wir uns ab und zu selber zumuten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506603800

Herr Kollege Schmidt, gestatten Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Heiderich?


Wilhelm Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1506603900

Gerne.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1506604000

Herr Kollege Schmidt, Sie haben eben das Problem

der Behandlung des Gentechnikgesetzes im Bundesrat
angesprochen. Können Sie sich vorstellen, dass Ihrem
Problem durch eine Rückfrage bei fachkundigen Kolle-
gen abgeholfen werden und man Sie darüber informieren
könnte, welchen Sinn es hat, dieses Gesetz im Bundesrat
zu behandeln?


Wilhelm Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1506604100

Die Frage ist, was man, wenn ein solches Gesetz nach

unserer grundgesetzlichen Basis dem Bundesrat zuge-
wiesen werden muss, verhindern kann. Das liegt dann in
der Hand des Bundesrates. Wenn man trotz des hinter
den Kulissen formulierten guten Willens das Gegenteil
in der Praxis erlebt, wird man etwas skeptisch. Deshalb
kann ich nur an alle Beteiligten appellieren. Darin wird
der Sinn unserer Kommissionsarbeit in Zukunft liegen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte für unsere Seite sagen, dass wir die Arbeit
sehr konsequent und zugleich pragmatisch angehen wol-
len. Wir wollen ganz bewusst nicht mit Vorfestlegungen
im Detail operieren, weil wir auf alle, auch auf die Län-
der als Beteiligte, zugehen wollen. Es war jedoch
wichtig, dass der SPD-Fraktionsvorsitzende, Franz
Müntefering, schon im Juni den Beginn der Debatte im
Deutschen Bundestag ausgelöst hat. Entscheidend ist,
dass wir das, was wir geplant haben, konsequent umset-
zen. Deshalb wird Herr Müntefering einer der alternie-
renden Vorsitzenden des Gremiums werden. Das ist ein
wichtiges Zeichen dafür, dass meine Fraktion und wir
alle dieses Thema besonders ernst nehmen.


(Beifall bei der SPD)

Bezüglich der Analysen haben wir vieles gehört, was

uns miteinander verbindet. Ich möchte Ihnen etwas aus

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(C (D en Thesen zur Föderalismusreform von Herrn Koch nd Herrn Rüttgers – beide sind immerhin CDU-Präsiiumsmitglieder – vortragen. Die unklaren Zuständigkeiten von Bund und Ländern haben zu einem System der organisierten Unverantwortlichkeit geführt. ie wahr! Daneben werden eine gerechte Aufgabenvereilung und klare Zuständigkeiten angemahnt. Es heißt eiter: Der ursprüngliche Gestaltungsföderalismus hat sich zu einem bloßen Beteiligungsföderalismus dezimiert. Die Schlussfolgerungen, die gezogen werden, können ir zu Beginn der Debatte meiner Meinung nach nicht infach stehen lassen. In diesem Zusammenhang komme ch auch auf Sie, Herr Burgbacher und Herr Gerhardt, zu prechen. Auch Sie haben in ähnlicher Weise Ihre Zieletzungen formuliert. Manchmal handelt es sich dabei m, wie ich finde, ungehemmten Wettbewerbsföderalisus. Wir müssen die Schaffung gleichwertiger Lebens erhältnisse in diesem Lande mehr im Blick haben. err Burgbacher, dies steht, mit Verlaub gesagt, nicht als ebenabrede im Grundgesetz, sondern es geht dabei um ine zentrale Aufgabe, der wir uns in den letzten Jahren mmer wieder zugewandt haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wir müssen über Ausgleichsänderungen reden und sie neu formulieren!)


ch fand die Formulierung von Herrn Burgbacher schon
ritikwürdig; deshalb wollte ich noch einmal darauf ein-
ehen. So etwas darf sich erst gar nicht einschleifen;
enn das könnte auch zu falschen Zielsetzungen in der
ommissionsarbeit führen.
Wir wollen, dass die Mitwirkungsrechte der Länder

urückgeführt werden. Wir wollen klare Verlagerungen
uf Bund und Länder, ohne dass man sich gegenseitig
chwierigkeiten machen kann. Ich habe das Grundge-
etz deshalb mitgebracht, damit wir ab und zu hinein-
chauen können. Ich möchte auch Ihnen empfehlen, das
b und zu zu tun. Ich weiß, diejenigen, die hier sind, sind
o engagiert, dass sie das Grundgesetz fast auswendig
önnen. Der interessierten Öffentlichkeit sei gesagt, dass
um Beispiel die konkurrierende Gesetzgebung, die im
rundgesetz verankert ist, 26 verschiedene Elemente
it zum Teil vielen Untergruppen enthält. Hier könnte es
urchaus zu einem konkreten Ergebnis kommen, sodass
ir eine Entflechtung herbeiführen können. Die Rah-
engesetzgebung des Bundes mit sieben Einzelpunkten
nterliegt genau der gleichen Bewertung.
Wir hören jetzt aber schon wieder die Reaktionen von

nteressengruppen, die nicht möchten, dass wir die Rah-
engesetzgebung beim Hochschulrecht oder an anderer
telle aufgeben. Sie befürchten nämlich, dass bundes-
eit große Komplikationen eintreten könnten, wenn wir
en Rahmen des Bundes nicht mehr setzen. So könnten
ich zum Beispiel in den Ländern ganz unterschiedliche






(A) )



(B) )


Wilhelm Schmidt (Salzgitter)


Verhältnisse an den Hochschulen entwickeln. Diese
Skepsis sollten wir ernst nehmen, ohne deswegen das
Ziel der Entflechtung auch bei der Rahmengesetzgebung
zu vernachlässigen.

Art. 84 des Grundgesetzes ist schon angesprochen
worden. Wir müssen bei allem Respekt vor dem Bundes-
verfassungsgericht, das uns vor fast 30 Jahren etwas ein-
gebrockt hat, eine Klarstellung herbeiführen. Deswegen
wird es eine wichtige Aufgabe sein, Art. 84 des Grund-
gesetzes in seinen ursprünglichen Sinn zurückzuführen.
Ich hoffe, dass wir uns darüber schnell einigen können.
Auf diese Weise könnten wir uns von dem Monstrum der
Beteiligungsrechte, die wir alle nicht wollen, verabschie-
den.

Ich will auf die Frage der Föderalismuswirkung mit
Blick auf die neuen Länder eingehen. Ich glaube näm-
lich, sie sind in der Gesamtdebatte ein wenig vernachläs-
sigt worden. Die neuen Länder haben sich nach der deut-
schen Einheit im Föderalismus gut eingerichtet. Sie
haben auch unglaublich davon profitiert. Daran erkennt
man den grundsätzlichen positiven Wert der föderalisti-
schen Bestimmungen und Strukturen in diesem Land.

Die unterschiedlichen Lebensbedingungen – wenn wir
sie in einer Weise aufarbeiten wollen, wie es unser grund-
gesetzlicher Auftrag ist – erfordern aber nicht, dass wir
zum Beispiel die in ihren Strukturen und in ihrer Finanz-
kraft immer noch schwächeren ostdeutschen Bundeslän-
der in einen Wettbewerb zu den westdeutschen Bundes-
ländern setzen, die – jedenfalls im Grundsatz – besser
gestellt sind. Unsere Aufgabe, Herr Burgbacher von der
FDP und viele andere von der CDU/CSU, ist es, das in
besonderer Weise zu berücksichtigen. Wir haben dem
mit der Verlängerung der Geltung des Solidarpakts II
und der damit verbundenen Sicherung der notwendigen
Ressourcen bis zum Jahre 2019 Rechnung getragen. Ich
glaube, das ist eine wichtige Grundlage.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zum Antrag der beiden fraktionslosen Abgeordneten,
der hier vorliegt, will ich ganz kurz Stellung nehmen:
Wir können Ihren Antrag nicht unterstützen, weil wir die
Beteiligungsrechte der Landtage nicht von hier aus re-
geln können und von Anfang an im Einvernehmen mit
allen Beteiligten bei den Vorabsprachen auch nicht re-
geln wollten. Wir haben jedoch nach einigem Hin und
Her Folgendes getan: Es gibt sechs beratende Mitglieder
aus den Landtagen sowie sechs Stellvertreter für diese.
Die Auswahl organisieren wir nicht selber. Das tut der
zitierte Konvent, wie ich finde, zu Recht, Frau Pau.

Ich will alle Beteiligten auf eines hinweisen: Diejeni-
gen, die mit der Konventsidee gespielt haben – so zum
Beispiel die FDP, aber auch andere –, bekommen indi-
rekt fast so etwas wie einen Konvent. Die Kommission
wird 32 ordentliche Mitglieder sowie zusätzlich 70 wei-
tere Beteiligte, beratende Mitglieder und Sachverstän-
dige, haben. Das wird sehr schwer zu handhaben sein.
Dabei wird es sehr auf die beiden Vorsitzenden sowie
das Sekretariat ankommen, damit die Organisation
stimmt.

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(C (D Wir haben uns dies übrigens vom Justizministerium echtlich absichern lassen. Es wird nicht anders gehen. ch glaube aber, die Beteiligung der Länder ist über den undesrat ebenso wie die der Landtage auf diesem Wege urchaus gewährleistet. (Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Ich glaube, Herr Präsident, der Kollege Beck möchte
ir eine Zwischenfrage stellen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Hat der Koalitionsausschuss nicht getagt?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506604200

Da der Redner damit offensichtlich einverstanden ist,

rteile ich Kollegen Beck das Wort zu einer Zwischen-
rage.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506604300

Ich möchte den Kollegen Schmidt fragen, ob er bereit
t, sich zu erinnern, dass wir uns in dieser Frage zwar so
eeinigt haben, wie er es gerade dargestellt hat, das Er-
ebnis aber nicht die einhellige Auffassung aller Fraktio-
en widerspiegelt. Wir konnten uns durchaus vorstellen,
em Anliegen einer breiteren Repräsentanz der Landtage
tattzugeben.


Wilhelm Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1506604400

Ich bestätige, dass es bei der Fraktion der Grünen in

en Vorgesprächen eine solche Tendenz gab. Ich habe
ber hier über die Ergebnisse und nicht darüber zu spre-
hen, was im Vorfeld alles stattgefunden hat, Herr Kol-
ege Beck. Ich bitte dafür um Nachsicht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Ich will noch etwas sagen, was der Ehrlichkeit halber
uch dazugehört: Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier
ollten keine Stellvertreterkriege ausgetragen werden:
icht hier und jetzt zwischen uns – das sowieso nicht –,
ber auch nicht in der Sache zu Punkten, die wir mit der
ommission nicht regulieren können. Das gilt zum Bei-
piel für das Innenverhältnis zwischen den Landesregie-
ungen, die von der Mehrheit der jeweiligen Landtage
ewählt worden sind, und ihren jeweiligen Landtagen.
as sollen diese bitte schön untereinander austragen.
Das Gleiche gilt für das Innenverhältnis des Konvents

nd seine Arbeit. Sie ist ohnehin informell genug. Wir
aben uns auf eine Institution verständigt, die aus 32 Mit-
liedern besteht. Das ganze Drumherum hat eher infor-
ellen Charakter.
Ich will zum Schluss noch etwas zu den Kommunen

agen, weil ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir die
ommunalen Spitzenvertreter mit am Tisch haben, und
war in einer Weise, die ihnen nach meiner Überzeugung
as Gespür vermittelt, dass wir es mit ihnen ernst mei-
en. Dass wir als Koalition es mit den Kommunen ernst
einen, wird sich noch einmal morgen in der Debatte






(A) )



(B) )


Wilhelm Schmidt (Salzgitter)


zeigen, wenn wir den Entwurf einer kommunalen Fi-
nanzreform beraten,


(Ernst Burgbacher [FDP]: Eine falsche!)

von der wir hoffen, dass die Opposition sie unterstützen
wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wenn Sie sagen, dass wir es auch ernst meinen, kann ich nachher klatschen!)


Es ist, wie ich glaube, wichtig, dass wir alle Ebenen be-
rücksichtigen, auch die europäische Ebene. Das ist be-
reits angeklungen; Fraktionsvorsitzender Müntefering
hat das, wie ich finde, zu Recht in seiner Rede themati-
siert.

Wir sind auf einem schwierigen, aber auch interessan-
ten Weg, der sicherlich viele Chancen bietet. Heute Mor-
gen ist mit guten Zeichen und guten Ansätzen begonnen
worden. Ich würde mich sehr freuen, wenn sich dieses
Klima im Laufe der Debatte und der Kommissionsarbeit
aufrechterhalten ließe.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506604500

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der

Kollege Dr. Hans-Peter Friedrich für die CDU/CSU-
Fraktion.


Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU):
Rede ID: ID1506604600

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren Kollegen! Nach den umfangreichen lichtvollen
Ausführungen meiner zahlreichen Vorredner bleiben mir
nur einige wenige Gebiete für meine Anmerkungen. Ge-
statten Sie mir, dass ich zunächst kurz auf den Dialog
zwischen dem Kollegen Beck und dem Kollegen
Schmidt eingehe. Wir als Parlamentarier dieses Hauses
sollten es begrüßen, dass die Landtage in der Kommis-
sion vertreten sind, ob beratend oder stimmberechtigt ist
nicht entscheidend. Parlamentarier müssen darauf ach-
ten, dass das parlamentarische Element, wo immer und
auf welchen Ebenen es in Rede steht, zur Geltung
kommt. Deswegen finde ich diese Diskussion richtig.

Wir haben in den letzten Jahrzehnten eine beispiel-
lose Aushöhlung der parlamentarischen Rechte er-
lebt. Der Generalangriff gegen die parlamentarischen
Rechte findet sicherlich auf europäischer Ebene statt.
Die Aushöhlung der faktischen Einflussmöglichkeiten
der nationalen Parlamente gegenüber ihren nationalen
Regierungen in Europaangelegenheiten hat dazu geführt,
dass sich die starken Bürokratien der Nationalstaaten in
Brüssel eine Überbürokratie installiert haben. Es ist des-
wegen kein Wunder, dass wir beim EU-Verfassungsver-
trag, der diskutiert wird, in eine Situation gekommen
sind, in der es ausschließlich darum geht, was die Regie-
rungen sagen, und nicht um Willensbildungsprozesse der

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(C (D arlamente. Das halte ich für falsch und bedauere es. as sage ich an dieser Stelle ausdrücklich. Die zweite Ebene des Angriffs gegen den Parlamenta ismus wird seit einigen Jahren besonders hier in Berlin eutlich. Durch die Vielzahl von Sachverständigengreien soll die parlamentarische Arbeit verdrängt oder eretzt werden. Dass Professoren gescheite Leute sind, uss nicht bewiesen werden; das bestreitet niemand. ass Professoren aber die besseren Politiker sind, ist chwer zu beweisen, zumindest schwerer als das Gegeneil. Damit spreche ich ausdrücklich nicht gegen die achverständigen, die in diese Kommission berufen erden, die wir einsetzen werden. Ich bin allerdings roh, dass es nicht 32 Sachverständige sind, wodurch uasi jedes Mitglied seinen eigenen Professor neben sich ekommen hätte, sondern dass wir mit weniger auskomen. Wir erfinden das Rad schließlich nicht neu; das ist eute von der Frau Ministerin schon gesagt worden. Wir aben ein Grundgesetz. Es geht darum, notwendige Moernisierungen und Korrekturen vorzunehmen. Wir nüpfen erstens an einen Dialog zwischen Bund und ändern an, der seit vielen Jahren geführt wird und der icht frei von Sachverstand ist, sondern der, im Gegeneil, von Professoren, Wissenschaftlern und Experten beleitet wird. Zweitens gibt es eine Reihe von Vorschläen nicht nur in der Literatur, sondern auch im olitischen Raum, von Ideen und Überlegungen. Es uss dieser Kommission darum gehen, all diese Vorchläge zu einer praktikablen verfassungsrechtlichen nderung zusammenzuführen. Allein die Tatsache, dass wir in dem Einsetzungsbe chluss festgelegt haben, dass alle inhaltlichen Bechlüsse mit Zweidrittelmehrheit zu entscheiden sind, arantiert, dass wir – ich sage es auf Neudeutsch – eine in-win-Situation für beide Seiten, für Bund und Läner, bekommen: Der Bund hat Interesse an der Funkionsfähigkeit der Länder. Im Sinne des Subsidiaritätsrinzips müssen sie in der Lage sein, ihre eigenen ngelegenheiten in die Hand zu nehmen und zur Zufrieenheit der Bürgerinnen und Bürger zu regeln. Umgeehrt haben aber auch die Länder ein Interesse an der andlungsfähigkeit des Bundes. Das Stichwort „Europatauglichkeit“ ist heute mehr ach bemüht worden. Es geht in der Tat auch darum, die orgaben, die aus Europa kommen, möglichst rasch und hne ein kompliziertes, langwieriges und manchmal uch wenig praktikables Verfahren umzusetzen. Es muss ber möglich sein, dass der Bund bei allen neuen Kometenzzuweisungen und allem, was man hier diskutieren ag, auch in Zukunft Querschnittsaufgaben wahrnimmt. uch das ist schon gesagt worden. Es darf nicht passieren, dass wir Zuständigkeiten neu uweisen und dann plötzlich feststellen, dass bei betimmten Querschnittsaufgaben eine Gesetzgebungszutändigkeit der Länder begründet worden ist, sodass wir rst auf die Gesetzgebungstätigkeit der Länder warten üssen, um diese Querschnittsaufgaben befriedigend lö Dr. Hans-Peter Friedrich sen zu können. Das wäre mit Sicherheit noch unbefriedigender als das momentane Zustimmungsverfahren im Bundesrat. Ich warne vor Illusionen: Wir werden damit leben müssen, dass der Bundesrat dort, wo es Verflechtungen zwischen Bund und Ländern gibt, nach wie vor Zustimmungsrechte haben wird. Die Kommission wird alle Grenzen ausloten; das ist sicher. Dort, wo die Länder substanziell betroffen sind, werden sie im Bundesrat aber weiter mitreden. Das ist für die Regierenden und damit momentan für Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, lästig. Ich denke aber – vorhin wurde entsprechend appelliert –, dass man das über die Zeit, während der es die momentane Konstellation gibt, hinaus sehen muss. Bundesratspräsident Böhmer hat hier Wichtiges zur Mischfinanzierung gesagt. Es ist nicht akzeptabel, dass sich der Bund oder die Länder einseitig aus der Mischfinanzierung und der Finanzverantwortung herausstehlen. Auch das wird man in dieser Kommission sicher ausführlich beraten müssen. Ein gewichtiges Problem wird mit Sicherheit auch die unterschiedliche Größe und Leistungsfähigkeit der Bundesländer sein. Je nach Größe wird der Wunsch, mehr eigene Zuständigkeiten zu erhalten, die dann auch ausgefüllt werden müssen, unterschiedlich ausgeprägt sein. Ich will nicht bestreiten, dass es die Idealsituation wäre, wenn wir gleich große und starke Länder hätten. Ich wage hier allerdings nicht die Prognose, dass eine künftige Neugliederung der Länder zügig, also in absehbarer Zeit, vonstatten gehen wird. Deswegen müssen wir in dieser Kommission nach einer Kompetenzverteilung suchen, die sowohl den Interessen der großen Länder als auch den Interessen der kleineren Länder angemessen ist. Grundprinzip des Föderalismus ist natürlich, dass jedes Land die Chance haben muss, in diesem Gefüge in angemessener Weise berücksichtigt zu werden. Die Bundesstaatskommission – so möchte ich sie nennen – kommt nicht umhin – das haben wir heute in den Redebeiträgen gehört –, vielleicht ganz am Anfang auch über die Grundphilosophie und die Grundeinstellung zum Föderalismus zu reden. Frau Sager hat heute gesagt, dass das föderative System an sich nicht schlecht ist. (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Hamburg heißt das: Das ist gut!)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


Wenn ich das so sagen darf, liebe Frau Sager: Das ist
schon sehr halbherzig.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „An sich nicht schlecht“ ist in Hamburg schon ein ziemlich großes Kompliment!)


Das föderative System – lassen Sie mich das sagen – ist
die Kernsubstanz unseres Staates. Deswegen denke ich,
dass die Einschränkung, es sei an sich nicht schlecht,
nicht notwendig ist. Wenn man über die Modernisierung
der bundesstaatlichen Ordnung redet, dann muss man
auch über die Veränderung von Kompetenzen reden. Die

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(C (D ernsubstanz der staatlichen Ordnung, der Föderalisus, darf aber nicht angetastet werden. (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich auch nicht gesagt! Ich habe gesagt, wir wollen das System nicht auf den Kopf stellen!)


Ich muss sagen: Die Diskussion über den Wettbe-
erbsföderalismus hat mich etwas irritiert. Dass wir im
ahre 2003 die Spannungen zwischen Freiheit und
leichheit in diesen Fragen immer noch aufrechterhal-
n, finde ich merkwürdig. Wir sollten uns darin einig
ein, dass es beim Wettbewerb, beim Ringen um die bes-
n Lösungen, immer darum geht, dass es am Ende allen
esser geht und dass es überall besser funktioniert. Ich
enke, die Art und Weise, wie die Europäische Union
ompetenzen an sich reißt und wie mit den Mitglied-
taaten umgegangen wird, sollten wir uns im Bund-Län-
er-Verhältnis nicht zu Eigen machen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Maßstab ist vielmehr das Bewusstsein, dass die Ver-

lechtung, Vermischung und Verwischung politischer
ompetenzen die föderative Ordnung und Substanz
icht stärken, sondern schwächen. Jede Intransparenz ist
in Stück Demokratiedefizit, weil der Bürger nicht mehr
egreifen kann, wo er wen oder was wählt. Auch das ist
eute an vielen Beispielen plastisch ausgeführt worden.
Eine funktionsfähige und tatkräftige föderale Struk-

ur ist auch im Angesicht der ökonomischen Herausfor-
erungen als Antwort auf die Globalisierung von
ntscheidender Bedeutung. Wenn es heute um Standort-
ntscheidungen von Unternehmen geht, dann stehen we-
iger ganze Nationalstaaten, aber immer mehr einzelne
egionen im Vordergrund. Wenn man in ein Land Inves-
tionen holen will, dann bedeutet das, dass man eine be-
timmte Region individuell, flexibel, innovativ und
trukturangemessen als Wirtschaftsstandort aufbereiten
uss. Ich bin überzeugt, dass dafür die föderale Struktur
nseres Gemeinwesens viel besser geeignet ist und in
er Zukunft viel bessere Möglichkeiten haben wird als
ie Entscheidungsmechanismen zentralistischer Staaten.
Aber auch und gerade angesichts dieser ökonomi-

chen Herausforderungen ist es wichtig, dass die Funk-
onsfähigkeit der bundesstaatlichen Ordnung durch eine
odernisierung in der Zukunft gesteigert werden kann.
adurch wird es möglich, in einem Staat unterschied-
che Konzepte, wo nötig mit unterschiedlichen gesetz-
chen Bedingungen, zur Auswahl zu stellen. Vielleicht
t dies ein Beitrag zur Entbürokratisierung, wenn ein
and den anderen Ländern beweisen kann, dass es mit
eniger oder sogar ganz ohne Vorschriften in einem Be-
eich auskommt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Volker Kröning [SPD])


Die Frau Ministerin hat ausgeführt, dass der Zeitrah-
en sehr eng gesteckt sei und wir uns nicht zu viel vor-
ehmen sollten. Ich möchte ihr in diesem Punkt wider-
prechen; denn es darf nicht dazu kommen, dass wir






(A) )



(B) )


Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)


nicht die Gelegenheit nutzen, Perspektiven aufzugreifen,
die vielleicht über die geplante Zielsetzung 2004/2005
hinausreichen. Damit will ich nicht den Zeitrahmen er-
weitern; denn auch für die Modernisierung des Bundes-
staates gilt: Ein schneller Erfolg ist ein guter Erfolg.

Auch verdammt dicke Bretter sollten nicht dazu füh-
ren, sie liegen zu lassen – möglicherweise ist eine Zwei-
drittelmehrheit in einigen Bereichen nicht auf Anhieb zu
erreichen –, sondern wir müssen wenigstens versuchen,
sie zu durchbohren. In der einen oder anderen Frage
kann ein Konsens möglicherweise schneller erreicht
werden, als wir uns das vorstellen können. Ganz konkret
nenne ich das Thema Steuerautonomie der Länder, das
ein sehr komplexes Thema ist. Aber auch das muss an-
gesprochen werden. Man muss sich darauf einigen, wie
sehr man dieses Thema vertiefen will.

Lassen Sie mich abschließend etwas zu den Kommu-
nen – der Kollege Schmidt hat dieses Thema zu Recht
angesprochen – sagen. Wir sollten froh sein, dass wir die
Kommunen bei der Verfassungskommission in dieser
Weise mit berücksichtigen; denn die Kommunen, Städte
und Gemeinden fühlen sich gerade in der aktuellen poli-
tischen Debatte oft nicht mehr verstanden. Kollege
Schmidt, es ist ein wichtiges und deutliches Signal an
unsere Bürgermeister, Gemeinde- und Stadträte, dass
ihre Interessen bei der Arbeit der Kommission stärker in
den Fokus gestellt werden, gerade weil sie oft das Ge-
fühl haben, bei der Gesetzgebung der Länder und des
Bundes vergessen zu werden. Wenn es jetzt darum geht,
das Grundgesetz neu zu justieren, dann sollen ihre Ver-
treter dabei sein. Diese Vertreter von Städten und Ge-
meinden sollen sehen, dass wir ihre Belange im Blick
haben. Das ist in dieser Zeit das richtige Signal. In die-
sem Sinne freue ich mich auf eine gute Zusammenarbeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506604700

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der

Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/
Die Grünen und der FDP auf Drucksache 15/1685 zur
Einsetzung einer gemeinsamen Kommission von Bun-
destag und Bundesrat zur Modernisierung der bundes-
staatlichen Ordnung.

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der fraktionslosen
Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau auf
Drucksache 15/1721 vor, über den wir zuerst abstim-
men. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Der
Änderungsantrag ist abgelehnt.

Wer für den interfraktionellen Antrag auf Einsetzung
der gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bun-
desrat auf Drucksache 15/1685 stimmt, den bitte ich um
das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Antrag ist angenommen.

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(C (D Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2003 – Drucksache 15/1550 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen Sportausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine Stunde vorgesehen. – Dazu höre ich einen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem undesminister Manfred Stolpe. Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Verehr, Bauund Wohnungswesen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Wann ist die deutsche Einheit vollendet, wann uss ein Bericht dieser Art nicht mehr vorgelegt weren, und wann verliert die jeweilige Opposition die hance, der jeweiligen Regierung vorzuhalten, welche eilungsbedingten Nachteile im Osten noch vorhanden ind? Helmut Schmidt hat den von uns im Solidarpakt II an edachten Termin, den Silvesterabend 2019, an dem die eutsche Einheit vollendet sein könnte, als sehr optimisisch bezeichnet. Henning Voscherau prophezeite im ahr 1990, dass die Vollendung der deutschen Einheit 0 Jahre dauern würde, also bis zum Jahr 2030. Ich sehe as ein bisschen anders. Es spielen viele Momente mit hinein, die ökonomi chen, die sozialen und die mentalen. Viele mentale Unerschiede werden schon deshalb bleiben, weil sie auch andsmannschaftlich bedingt sind. Der Sachse wird nicht um Bayern und der Mecklenburger wird nicht zum Holteiner, auch wenn sie sich in manchen Dingen durchaus hnlicher werden. Die gegenwärtige Ostalgiewelle, oft von Selbstironie nd Spott begleitet, zeigt mir vor allem eines: Es ist das elbstbewusstsein im Osten gewachsen. Man muss nicht ehr so tun, als ob man erst am 3. Oktober 1990 geboen sei. Man kann offen und freimütig auch über die daor liegende Zeit reden. Das Selbstbewusstsein wächst nd das haben meine Landsleute im Osten nötig. Das ird auch für die Vollendung der deutschen Einheit hilfeich sein. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die mentale Ost-West-Lage ist wichtig, mir aber geht
s heute vor allem um die ökonomischen und die sozia-






(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. h. c. Manfred Stolpe

len Unterschiede. Wir haben Ihnen den Jahresbericht
zum Stand der deutschen Einheit vorgelegt als eine Bi-
lanz, als ein Programm der ökonomischen, sozialen und
gesellschaftlichen Dimensionen für das, was man so lo-
cker „Aufbau Ost“ nennt. Mir war wichtig, dass der Be-
richt ungeschminkt in der Bestandsaufnahme, klar in den
Zielen, effektiv bei den Instrumenten und auch redlich
im Gesamturteil ausfällt.

Ungeschminkt in der Bestandsaufnahme heißt: We-
sentliche teilungsbedingte Strukturprobleme bestehen
noch. Es gibt im Osten kein ausreichendes Arbeitsplatz-
angebot. Die Arbeitslosigkeit ist unser Hauptproblem.
Trotz des leichten Rückgangs im September dieses Jahres
ist die Arbeitslosigkeit im Osten mehr als doppelt so hoch
wie im Westen. Die Zahl wäre übrigens noch höher, wenn
nicht täglich 350 000 Menschen aus den Ostländern in
den Westen pendeln würden. Diese Sonderbelastung, die
die Leute auf sich nehmen und die der deutschen Wirt-
schaft hilfreich ist, sollte nicht mit einschneidenden Kür-
zungen der Entfernungspauschale bestraft werden.

Nach wie vor schlägt die hohe Arbeitslosigkeit in der
Bauwirtschaft dramatisch zu Buche. 160 000 ostdeut-
sche Bauarbeiter sind arbeitslos. Ich hoffe, dass die
heute Nacht geschlossene Vereinbarung zur Tarifflexibi-
lisierung hierbei etwas Abhilfe schaffen kann.

Auch die Herausforderungen der Globalisierung und
der neuen technologischen Entwicklungen machen vor
Ostdeutschland nicht Halt. Die darin liegenden Chancen
werden zwar genutzt, doch zunächst einmal kostet diese
Entwicklung Arbeitsplätze. In den wettbewerbsfähigen
und leistungsstarken ostdeutschen Standorten der Ener-
giewirtschaft, der Stahlindustrie, der chemischen Indus-
trie, des Maschinenbaus und auch in der Landwirtschaft
erledigt heute eine Arbeitskraft die Arbeit, die früher sie-
ben oder acht Menschen verrichtet haben.

Der Verlust von Arbeitsplätzen löst Abwanderung
aus. Seit der ersten starken Abwanderungswelle 1989/90
verlassen weiterhin mehr Menschen Ostdeutschland, als
neu hinzukommen. Ostdeutschland hat seit 1991 etwa
620 000 Bürgerinnen und Bürger verloren. Es gehen vor
allem die jungen und gut qualifizierten Menschen, die
beim weiteren Aufbauprozess fehlen werden. Zwei Drit-
tel davon sind Frauen. Das freut mich zwar für die Män-
ner im Westen,


(Heiterkeit bei der SPD)

aber uns fehlen die Mütter von morgen.

Hinzu kommt der demographische Wandel in ganz
Deutschland, der in den neuen Ländern durch eine sehr
niedrige Geburtenrate weiter verschärft wird. Unsere
Gesellschaft wird älter, weil die Kinder fehlen. Kinderta-
gesstätten und Schulen müssen geschlossen werden. Wir
können bereits absehen, dass in den nächsten Jahren
deutlich weniger Auszubildende zur Verfügung stehen
werden als gebraucht werden. Diese Lösung des Ausbil-
dungsproblems brauchen wir nicht!

Nach wie vor gibt es viele strukturschwache Regio-
nen in den neuen Ländern mit sehr hohen Arbeitslosen-
zahlen. Einige strukturschwache Regionen gibt es durch-

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(C (D us auch im Westen Deutschlands. Sie aber haben starke achstumszentren in der Nähe. Dagegen sind die drei roßen Wachstumsregionen im Osten Deutschlands um resden, Leipzig und Potsdam – das haben alle Nachforchungen ergeben – noch nicht stark genug, um genüend Menschen aus schwachen Regionen Arbeit zu bieen. Die Westdrift hält an. (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Sie wird dynamisiert!)


Dies ist kein Klagelied. Das sind Fakten, aber es ist
ur die halbe Wahrheit.


(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Jetzt wollen wir mal etwas dazu hören, wie es weitergeht!)


ur Wahrheit gehören auch diese Fakten: Im vergange-
en Jahrzehnt konnten 520 000 Unternehmen mit mehr
ls 3 Millionen Arbeitsplätzen geschaffen werden. Die
ntwicklung im verarbeitenden Gewerbe ist positiv. Die
achstumsraten lagen in den letzten sieben Jahren im
chnitt zwischen 5 und 6 Prozent und auch im ersten
albjahr dieses Jahres ist das verarbeitende Gewerbe in
stdeutschland um 5,5 Prozent gewachsen.
Mit industriellen Neuansiedlungen im Automobil-

nd Maschinenbau, in der chemischen Industrie, der
ochtechnologie, aber auch in der Energiewirtschaft
urden nicht nur zukunftssichere Arbeitsplätze, sondern
uch die Voraussetzung für die Ansiedlung von Dienst-
istungs- und Zulieferunternehmen geschaffen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch im Dienstleistungsbereich werden ermutigende
ortschritte erzielt. Die Tourismusbranche ist dafür ein
utes Beispiel. Mecklenburg-Vorpommern beispiels-
eise hat seit Jahren die höchsten Wachstumsraten in
ieser Branche.
Mit der Entwicklung von Hochschulen und For-

chungseinrichtungen sind in Ostdeutschland moderne
ompetenzzentren entstanden, die sehr eng – vorbildlich
ng – mit der Wirtschaft zusammenarbeiten und dabei
och zusätzliche Impulse liefern.


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Cargolifter!)

Meine Damen und Herren, der Jahresbericht zum

tand der deutschen Einheit zeigt Schatten und Licht.
or allem aber ist er ein Auftrag zum Handeln. Die Bun-
esregierung verfolgt folgende Hauptziele:
Erstens. Wir müssen die Grundlagen für mehr und si-

here Beschäftigung durch eine Stärkung und Entfaltung
er wirtschaftlichen Kräfte schaffen. Dazu gehört die
tärkung des Mittelstandes durch verbesserte Finanzie-
ungsangebote und die Verbesserung der Eigenkapital-
uote.
Zweitens. Ostdeutschland muss seine eigenen Stand-

rtvorteile, Kompetenzen und Qualitäten noch stärker
utzen. Entsprechende Regierungsprogramme müssen
ortgesetzt werden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Welche?)







(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. h. c. Manfred Stolpe

Drittens. Bei all den notwendigen Veränderungen

müssen wir das soziale Gleichgewicht im Blick behal-
ten. Vor allem junge Familien müssen die Möglichkeit
haben, ihre Zukunft in Ostdeutschland zu finden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Aus der Bestandsaufnahme und aus der Zielbeschrei-
bung folgen aber auch die Aktionsfelder und die Instru-
mente. Schwerpunkte unseres Regierungshandelns für
Ostdeutschland sind:

Erstens. Investitionen müssen weiter gefördert wer-
den. Noch hat Ostdeutschland ein erhebliches industri-
elles Defizit in Folge der Deindustrialisierung der 90er-
Jahre. Jede Chance einer Industrieansiedlung muss ge-
nutzt werden. Das gilt auch für die Chipfabrik in
Frankfurt (Oder). Für Industrieansiedlungen haben wir
den Vertrag mit der Agentur zur Anwerbung ausländi-
scher Investoren, IIC, bis 2008 verlängert, um welt-
weit Partner darauf aufmerksam zu machen, dass Ost-
deutschland ein idealer Investitionsstandort ist.
Deshalb müssen die Möglichkeiten für Investitionszu-
schüsse erhalten bleiben. Die beiden Fördermöglich-
keiten, die Investitionszulage und die Zuweisungen aus
den europäischen Strukturfonds, müssen verlängert
werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zweitens. Innovationen im Osten müssen weiter un-
terstützt werden. Neue Forschungseinrichtungen und an-
dere Bundeseinrichtungen müssen, wie vorgesehen, auf
absehbare Zeit vorrangig im Osten Deutschlands ange-
siedelt werden. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen.
Vor wenigen Tagen hat sich ein winziges Institut mit ge-
rade einmal 70 Mitarbeitern auf dem Beeskower Landrü-
cken – das ist eine sehr strukturschwache Region – ange-
siedelt. Sie ahnen gar nicht, was das für die Belebung
der Wirtschaft bedeutet und welch eine Ermutigung das
für die dort lebenden Menschen ist!

Drittens. Die Infrastruktur im Osten muss weiter ge-
stärkt werden. Ich meine damit die Verkehrswege, die
kommunale Infrastruktur und den Stadtumbau.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506604800

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Kretschmer?

Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen:

Hinterher gerne. – Wie gesagt, wir müssen die Infra-
struktur im Osten weiter stärken. In dieser Legislaturpe-
riode darf hier nicht nachgelassen werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Viertens. Auf absehbare Zeit muss eine aktive Arbeits-
marktpolitik für strukturschwache Regionen mit hoher
Arbeitslosigkeit fortgesetzt werden, so wie das schon die
jetzigen Regelungen vorsehen. Das Programm für

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(C (D 00 000 Langzeitarbeitslose und das Sonderprogramm es Bundes für 100 000 jugendliche Sozialhilfeempfäner sind Maßnahmen, die gebraucht werden, und zwar uch in Zukunft. Fünftens. In ganz Deutschland müssen die Finanzen er Kommunen gestärkt werden. Die Kommunen önnten größter Auftraggeber für Investitionen sein, enn ihre Finanzkraft gestärkt würde oder wenn ihnen umindest bedienbare Kredite angeboten würden, wie ir das mit dem erfolgreichen Milliardenprogramm seit pril dieses Jahres praktizieren. Sechstens. Wir müssen schließlich die vielen Chan en, die sich mit der EU-Osterweiterung verbinden, onsequent nutzen. Hier ist es auch wichtig, dass vor alm die Grenzregionen eine flankierende Unterstützung ekommen, wie sie die Europäische Union in Aussicht estellt hat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch die Umsetzung der anstehenden Reformen kann
em Osten helfen. Ich kann Ihnen versichern, dass die
stdeutschen reformbereit sind. Sie erwarten allerdings,
ass die Reformen gerecht durchgeführt werden, dass
lso die Armen nicht noch ärmer werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gezielt Politik für Ostdeutschland zu machen bleibt
ine der wichtigsten Aufgaben der deutschen Innenpoli-
k.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


it dem Solidarpakt II haben wir Vereinbarungen bis
um 31. Dezember 2019 getroffen, die insgesamt für ei-
en Zeitraum von 30 Jahren gelten. In knapp der Hälfte
ieser Zeit haben wir deutlich mehr als die Hälfte des
eges geschafft. Die Weichen sind in die richtige Rich-
ng gestellt.
Ich möchte zum Schluss die Gelegenheit nutzen, al-
n in diesem Haus für das Mitdenken und auch die Be-
eitschaft für die Unterstützung wichtiger Maßnahmen
u danken. Ich bitte Sie um Ihre weitere konstruktive,
ber auch kritische Begleitung des großen Projektes
eutsche Einheit. Es wird gelingen; das ist meine Über-
eugung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506604900

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem
ollegen Kretschmer.


Michael Kretschmer (CDU):
Rede ID: ID1506605000

Herr Bundesminister, mit Verlaub, aber gerade für die

unge Generation aus den neuen Ländern war Ihr Vortrag
eprimierend, sowohl wegen der lustlosen und gleich-






(A) )



(B) )


Michael Kretschmer

gültigen Art, wie Sie vorgetragen haben, als auch wegen
des Inhalts.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Wir wünschen uns eine Zukunftsperspektive für die
neuen Ländern. Wir brauchen – ich habe das schon vor
einem Jahr gesagt; ich weiß es noch heute – ein Konzept.
Was ist denn das Ziel der Regierung?


(Zuruf von der SPD: Haben wir doch gesagt! Sie müssen einmal zuhören!)


Wie schaffen wir den Aufbau Ost?
Ich will nur ein paar Details nennen. Sie haben For-

schung und Entwicklung angesprochen. 1,6 Milliarden
Euro, Herr Bundesminister, hat Frau Bulmahn Anfang
des Jahres für Großforschungseinrichtungen zugesagt.
Von 1,6 Milliarden Euro sind 12,4 Millionen Euro für
das Forschungszentrum Rossendorf in Dresden vorgese-
hen, alles andere geht in die alten Länder. Ist das eine
Schwerpunktsetzung für die neuen Länder? In einer
Ausarbeitung des BMBF über die Haushaltsentwicklung
von 2002 bis 2004 wird auf die Auswirkungen der Kür-
zungen in den neuen Länder hingewiesen: Die Mittel für
optische Technologien sinken von 15 auf 14 Millionen
Euro, die Mittel für Mobilität und Verkehr von 11 Mil-
lionen auf 8,4 Millionen Euro. Im Hochschulbau haben
wir ganz massive Einschnitte. Ich frage Sie, wie das, was
Sie uns vorgetragen haben – Schwerpunkt Innovation,
Schwerpunkt Aufbau Ost –, mit den Zahlen, die ich ge-
rade vorgetragen habe, zusammenhängt.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506605100

Zur Erwiderung, Herr Minister Stolpe.

Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen:

Herr Präsident! Das war eine bemerkenswerte An-
frage. Ich denke aber, es wäre wichtiger, dass wir kon-
kret an diesen Themen arbeiten. Sie wissen, dass das
Material in die Ausschüsse überwiesen wird. Ich bin ge-
spannt, welche handfesten Vorschläge zu Maßnahmen
Sie dann machen können, mit denen man wirklich etwas
erreichen kann.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506605200

Ich bitte um Nachsicht, dass wir jetzt nicht jenseits

der vereinbarten Wortmeldungen eine spontane Debatte
durch kurzfristige Wortmeldungen herbeiführen wollen;
denn es ist natürlich absehbar, dass das dann nicht auf
die eine Seite beschränkt bliebe, sondern sich quer durch
alle Fraktionen verteilen würde. Deswegen bemühen wir
uns zunächst einmal um die Abarbeitung der vereinbar-
ten Redeliste.

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(C (D Ich erteile nun das Wort dem Innenminister des Lanes Brandenburg, Herrn Dr. Schönbohm. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her en! Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt, den ch persönlich schätze, hat mit seinem Unwort von der einerlichkeit der Ostdeutschen manches gefördert, ber auf gar keinen Fall die deutsche Einheit. Ich beauere dies. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1506605300

eine Kennzeichnung ist unzutreffend, verletzend und
öricht. Sie zeugt von Unkenntnis. Die Menschen in Ost-
eutschland haben in den zurückliegenden Jahren
erausforderungen gemeistert, von denen viele in un-
erem Land nicht einmal vom Hörensagen Kenntnisse
aben. Wenn man über die neuen Bundesländer spricht,
ann man von Hoffnung oder Enttäuschung, von Auf-
ruch oder Resignation sprechen – ja, es gibt alles ne-
eneinander. Die neuen Bundesländer sind wie ein Ve-
ierbild: Je nachdem, wie oder mit welchem Vorurteil
ie hineinschauen, sehen Sie das Bild, das Sie erwarten.
Darum müssen wir von den Menschen sprechen, die

n den neuen Bundesländern leben, von den Menschen,
ie in Regionen mit mehr als 20 Prozent Arbeitslosigkeit
rbeit suchen, oder von denen, die zum vierten oder
ünften Mal den Arbeitsplatz verloren haben, sich haben
mschulen lassen und wieder vor dem Nichts stehen. Ich
öchte das sehr konkret an einem Beispiel deutlich ma-
hen. Eine junge Frau war zum Ende der DDR Fleisch-
achverkäuferin. Der Beruf fiel weg. Sie hat umgeschult,
st Bürokauffrau geworden und hat bei einem Immobi-
ienunternehmen gearbeitet. Das Immobilienunterneh-
en ging Pleite. Sie ist zum nächsten Unternehmen ge-
angen. Auch dieses ging Pleite. Dann hat sie als allein
rziehende Frau mit einem Kind bei einer Zeitarbeits-
irma gearbeitet und hat sich so bewährt, dass sie einen
esten Arbeitsplatz bekommen hat. Dieses kleine Bei-
piel steht für den Alltag, mit dem wir uns in den neuen
undesländern auseinander setzen müssen.
Wir müssen auch von den Tausenden von Existenz-

ründern sprechen, die gescheitert sind, weil sie keine
igenkapitaldecke hatten, weil die Zahlungsmoral
chlecht ist oder weil sie sich am Markt nicht durchset-
en können. Darum, Herr Kollege Stolpe, finde ich es
ut, dass Sie sagen, Sie wollen die Eigenkapitaldecke
erbessern. Das wollen wir seit langer Zeit; wir haben
amit nach wie vor ein Problem.
Wir müssen auch von den Jugendlichen sprechen, die

einen heimatnahen Ausbildungsplatz bekommen, weil
s in ihrer Heimat keine Betriebe mehr gibt. Wir müssen
uch von den Eltern sprechen, die Sorge haben, dass ihre
inder von zu Hause weggehen, weil sie zu Hause keine
ukunft sehen. Wir müssen auch von den Jugendlichen
prechen, die an den Universitäten fleißig studieren, da-
ach im heimatnahen Bereich keine Arbeit bekommen
nd woanders hingehen. Wir müssen an die fehlende






(A) )



(B) )


Minister Jörg Schönbohm (Brandenburg)


Verkehrsinfrastruktur in ländlichen Gebieten erinnern,
die das Leben täglich so schwer macht.

Wir müssen aber auch an die Erfolgreichen erinnern,
die sich am Markt durchgesetzt haben. Sie haben nicht
resigniert, sondern sie sind tatkräftig, durch Eigeninitia-
tive, der Arbeitslosigkeit entronnen. Wir müssen von
den jungen Unternehmern sprechen, die in ihrer Heimat
bestehen. Sie haben mutige Entscheidungen getroffen
und ein großes Risiko auf sich genommen. Sie stellen ihr
persönliches Vermögen, zum Beispiel den Grundbesitz,
den sie von ihren Eltern bekommen haben, zur Verfü-
gung und setzen sich in konjunkturell schwierigen Zei-
ten in einem strukturell schwierigen Landstrich durch.
Diese Menschen gibt es auch – Gott sei Dank. Es handelt
sich um junge Handwerksmeister mit eigenen Hand-
werksbetrieben und um andere Personen, die in der ge-
werblichen Wirtschaft tätig sind.

In Brandenburg gibt es zum Beispiel, wie in anderen
Bundesländern, erfolgreiche Industrieansiedlungen. Ich
möchte nur an die Luft- und Raumfahrtindustrie oder an
die chemische Industrie erinnern. Wir alle schauen jetzt
mit großer Spannung nach Frankfurt an der Oder, wo
eine Chipfabrik gebaut werden soll. Es geht um 1 300
Arbeitsplätze. Hunderte von Familien warten auf den
Bau dieser Fabrik. Man wartet darauf, dass man an eine
in der DDR große und erfolgreiche Tradition, nämlich an
die eines Halbleiterwerks – dort wurden viele Männer
und Frauen ausgebildet; sie waren sehr qualifiziert –, an-
knüpfen kann. Dieses Bangen überschattet im Augen-
blick alles, was in dieser Region geschieht.

Wenn Sie sich mit Unternehmern unterhalten, die Be-
triebe in Ost- und in Westdeutschland haben, dann wer-
den Sie immer wieder eines hören: das Lob für den Fleiß
und die Flexibilität der Arbeitnehmer in Ostdeutschland,
das Lob für ihre Zuverlässigkeit und für ihre Bereit-
schaft, die Aufgaben zu erfüllen, die ihnen der Markt
vorgibt. Auch ich möchte den Arbeitnehmern in Ost-
deutschland einmal dafür danken.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Enttäuschung und Resignation sind da besonders ver-
breitet, wo Versprechungen, Hoffnungen und die Wirk-
lichkeit nicht übereinstimmen. Das ist unser Problem.
Ich denke an Menschen, die noch immer fühlen, dass sie
mit ihren Sorgen und Problemen nicht für voll genom-
men werden. Es ist völlig klar: Wir in den neuen Län-
dern brauchen auch in Zukunft Geld und wir bekommen
auch viel Geld. Ich möchte hier ausdrücklich all denjeni-
gen danken, die uns dieses Geld zur Verfügung gestellt
haben, seien es die Bundesländer, sei es die Europäische
Union oder die Bundesregierung. Wir Deutsche haben
insgesamt eine großartige Gemeinschaftsleistung voll-
bracht. Das müssen wir auch einmal dankend anerken-
nen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Solange der Gedanke im Vordergrund steht, dass das
Geld in den Osten fließt, und nicht der Gedanke, dass
wir Deutschland gemeinsam wieder aufbauen, und zwar

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(C (D n all seinen Teilen, werden wir der Einheit nicht wirkich näher kommen. Beim Hochwasser hatten wir diese ohe Emotionalität der Gemeinsamkeit. Wir müssen uns azu bekennen, dass wir diese Aufgabe als Nation, also emeinsam, schultern und nicht als Westen oder als Osn oder als Westen gegen den Osten. Für mich gehören as Bekenntnis zur Nation und die deutsche Einheit zuammen. Bisweilen reden die Menschen im Westen über den sten so, wie sie nie über die Saarländer, die Holsteiner, ie Bayern oder die Niedersachsen geredet haben. Die enschen im Osten reden über den Westen häufig so, ie sie es früher wahrgenommen oder mittlerweile erbt haben – mit Vorund Nachteilen. Häufig herrschen prachund Interessenlosigkeit, von den Vorwürfen der einerlichkeit und der Arroganz einmal abgesehen. Wir ollten mehr miteinander reden, mehr voneinander leren und wissen. Sich lediglich einmal gemeinsam fotorafieren zu lassen und das Foto zu veröffentlichen förert diesen Dialog nicht. Die Oberfläche des Jahresberichts der Bundesregie ung zum Stand der deutschen Einheit ist glatt. Dieser ericht liest sich gefällig und gut. Alles scheint gut zu ein. Vieles ist erreicht, ja. Wir brauchen Investitionen, . Wir müssen die Investitionsbereitschaft und auch die nnovationen fördern, natürlich. Mittelstand und Handerk müssten gefördert werden, ja. Die Stabilisierung Bausektor müsste unterstützt werden, ja. Das alles ist ichtig. Die Frage ist aber: Welche Impulse werden gegeen, um dies umzusetzen? In diesem Bericht ist von Netzwerken und von inno ativen Impulsen für die Region, von Bildung und Forchung sowie vom Ausbau der Verkehrsinfrastruktur die ede. Es ist richtig: Das alles muss geschehen. Aber anesichts der Realitäten bleibt dies ein Katalog von Forulierungen. Der Bericht mag weitgehend zutreffend ein. Aber täuscht er wegen der verwendeten Allgemeinlätze und der zum Teil sozusagen ewigen Wahrheiten, ie seit zehn Jahren wahr sind und auch noch in zehn ahren wahr sein werden, nicht über den gelebten Alltag inweg? Wirklichkeit und Bericht, meine ich, klaffen useinander. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Von dem statistischen Teil abgesehen, vermittelt der
ericht einen Eindruck, der mit der allgemeinen Wahr-
ehmung offenkundig nicht in Einklang steht. Ich
öchte zwei Beispiele für solche semantischen Luxus-
erpackungen zitieren. Auf Seite 30 – das ist noch unter
er Überschrift „Stabilisierung im Bausektor unterstüt-
en“ – findet sich als Zusammenfassung folgende For-
ulierung:

Mit dem beispielhaft aufgeführten Maßnahmenbün-
del

Public Private Partnership, Kontrolle illegaler Be-
chäftigung usw. –

werden trotz des unverminderten Zwangs zur Haus-
haltskonsolidierung auch von öffentlichen Investi-






(A) )



(B) )


Minister Jörg Schönbohm (Brandenburg)


tionen Impulse für eine Verstetigung der Bautätig-
keit ausgehen, die eine wichtige Voraussetzung für
mehr Wachstum und Beschäftigung insbesondere in
den neuen Ländern ist.

Richtig! Nur: Die Zahlen sprechen eine andere Spra-
che. Bei uns gibt es eine Verstetigung auf niedrigem Ni-
veau. Um es ganz einfach auszudrücken: Uns steht das
Wasser bis zum Hals. Wir können den Kopf nicht mehr
hängen lassen; wir wollen es auch nicht.

Die brandenburgischen Kommunen haben im ersten
Halbjahr wegen Einnahmeverlusten von 30 Millionen
Euro bei der Einkommensteuer, 17 Millionen Euro bei
der Gewerbesteuer und wegen einer Steigerung der Aus-
gaben für die Sozialhilfe um 30 Millionen Euro ihre In-
vestitionsausgaben um 50 Millionen Euro reduzieren
müssen, weil sie an der Verschuldungsgrenze waren. In-
vestitionen in die kommunale Infrastruktur sind solche
für das örtliche Handwerk, für Hoch- und Tiefbau, für
alle anderen Gewerke. Darum brauchen die Kommunen
Hilfe und darum ist es wichtig, dass Sie hier im Bundes-
tag zu einer Entscheidung über eine kommunale Finanz-
ausstattung kommen, die es ermöglicht, das umzusetzen,
was wir gemeinsam wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Stephan Hilsberg [SPD])


Wir wollen das gemeinsam machen – ich hoffe das – und
wir müssen es wohl auch gemeinsam machen, Herr Kol-
lege Hilsberg, weil es in Bundesrat und Bundestag unter-
schiedliche Mehrheiten gibt. Seien wir doch froh darü-
ber, dass wir in diesem Punkt einen Zwang zur
Gemeinsamkeit haben! Sie gehen nicht auf die Probleme
ein, die die Menschen vor Ort erleben. Das müssen Sie
genauso gut wissen wie ich; denn Sie kennen die Wirk-
lichkeit.

Die Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik der Bun-
desregierung hat dazu geführt, dass die Bundesländer
und die Kommunen erheblich weniger Einnahmen haben
als bisher. Im Bericht sucht man das vergeblich. Da heißt
es nur:

Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren mit
nachhaltigen Reformen die Attraktivität und Wett-
bewerbsfähigkeit des gesamten Wirtschaftsstandor-
tes Deutschland deutlich verbessert.

Die Arbeitslosigkeit hat zugenommen und das ist un-
ser Problem; Kollege Stolpe hat darauf deutlich hinge-
wiesen.

Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in den
neuen Ländern – so heißt es sinngemäß in dem Be-
richt – ging um 0,2 Prozent zurück und blieb hinter der
Entwicklung in den alten Ländern zurück. Man könnte
es auch einfach ausdrücken: Die Schere zwischen Ost
und West öffnet sich wieder. Das ist unser großes Pro-
blem und damit müssen wir uns auseinander setzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Zur Wahrheit gehört, dass man dies anspricht.


(Zuruf des Abg. Markus Meckel [SPD])


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(C (D ch habe keine Patentlösung, aber wir müssen die Wirkichkeit doch so wahrnehmen, wie sie ist, Herr Meckel; ie wissen das genauso gut wie ich. Fahren Sie einmal urch die Uckermark! Wir haben doch gemeinsame Vortellungen von den Dingen. Im Teil A des Berichts findet sich lediglich eine halbe eite zum Thema Arbeitsmarktpolitik, obwohl der Areitsmarkt unser großes Problem ist. Die Lage in den euen Ländern ist unterschiedlich. Sie finden Aufbruchtimmung und Resignation, je nachdem, wie Sie chauen. Manche – ja, auch die gibt es – mögen der allmfassenden Daseinsfürsorge nachtrauern. Aber die ehrheit möchte selbst Hand anlegen, möchte etwas chaffen, möchte aus eigener Kraft das Leben und die ukunft gestalten, möchte etwas leisten, vorankommen, afür sorgen, dass es ihren Kindern einmal besser geht, öchte eine Chance bekommen, wenn nicht für sich, ann für ihre Kinder, wenn nicht bei uns zu Hause, dann oanders. Darum bleibt die Bekämpfung der Arbeitsloigkeit das Hauptthema. Im Bericht ist dargelegt, dass und 9 Milliarden Euro für den Arbeitsmarkt ausgegeben erden. Dafür bedanken wir uns, weil es eine wichtige ilfe ist, aber unser Problem lösen wir durch die anderen inge, die ich vorher angesprochen habe. Es geht um die Zukunftsgestaltung von 16 Millio en Mitbürgern. Sie wollen eine faire Chance bekomen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Viele von hnen treibt die Sorge um das Hier und Heute. Helfen ir ihnen, die Zukunft entschlossen anzugehen! Wir haen viel erreicht – das ist richtig –, aber unsere Mitbürer wollen Verlässlichkeit und eine Perspektive. Der Beicht weckt Hoffnung, aber das reicht nicht. Zu viele offnungen sind enttäuscht worden. Es müssen konkrete ntscheidungen folgen. Die Zeit ist reif. Die Menschen issen es. Enttäuschen wir sie nicht und versuchen wir, emeinsam zu handeln! Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506605400

Ich erteile dem Kollegen Peter Hettlich, Bündnis 90/
ie Grünen, das Wort.

Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506605500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Am 17. September stellte Bundesminister
anfred Stolpe den Jahresbericht zum Stand der deut-
chen Einheit vor und erklärte dabei auch, dass der
raum von einer schnellen Angleichung zwischen Ost
nd West endgültig beerdigt werden müsse. Wenige
age später fragte mich ein Journalist, in welchem Zeit-
aum ich mir eine Angleichung vorstellen könne.
Ich persönlich habe nie den Traum geträumt, dass

ine Angleichung innerhalb von zehn oder fünf Jahren
öglich sei. Denn aus meiner persönlichen Erfahrung
nd den Erlebnissen in Sachsen war mir schon Anfang
er 90er-Jahre bewusst und bekannt, welche riesigen
ufgaben mit der Wiedervereinigung bewältigt werden






(A) )



(B) )


Peter Hettlich

mussten. Für mich galt daher schon frühzeitig, dass wir
eine Generation – das sind für mich 30 Jahre – brauchen
würden, um eine ungefähre Angleichung der wirtschaft-
lichen Lebensverhältnisse zwischen Ost und West zu er-
reichen.

Mir fiel in diesem Interview als Schlüsseljahr spontan
das Jahr 2019 ein. Denn 2019 werden wir des 30. Jahres-
tages der friedlichen Revolution gedenken. Aber in je-
nem Jahr wird auch der Solidarpakt II auslaufen, der den
ostdeutschen Bundesländern in den kommenden 15 Jah-
ren nochmals erhebliche Transferleistungen zur Verfü-
gung stellt.

Wie ist es nun mit dem Stand der deutschen Einheit?
Der Vollzug der wirtschaftlichen Einheit lässt sich an Pa-
rametern wie Bruttoinlandsprodukt, Arbeitslosigkeit
und Lohnniveau dokumentieren. Aber was ist mit der
Einheit in den Köpfen? Woran lässt sich diese festma-
chen? Woran können wir eine Angleichung zwischen
Ost und West erkennen?

Auch wenn manche es anders sehen werden: Für
mich persönlich haben wir hier in den letzten fünf Jahren
große Fortschritte gemacht. Denn alles braucht seine
Zeit. Vieles lässt sich eben nicht mit Transferleistungen
regeln. Wir haben in den letzten Jahren lernen müssen,
dass wir einander fremder waren, als unsere – zumindest
zum größten Teil – gemeinsame Sprache und Geschichte
glauben macht. Ich finde, dass sich daraus ein ganz
neuer und spannender Prozess eines zweiten Kennenler-
nens entwickelt hat.

Viele Menschen haben den Film „Good bye, Lenin!“
gesehen, gelacht und vielleicht auch einige Tränen ver-
gossen. Dieser Film war nicht nur im Osten, sondern
auch im Westen ein Erfolg. Ich erinnere mich auch noch
sehr gut an den Film „Sonnenallee“, der im Osten alle
Kassenrekorde brach. Als ich ihn in Köln anschaute, be-
fand ich mich in der Gesellschaft von etwa fünf Cineas-
ten, von denen drei vorzeitig das Kino verließen, da sie
offensichtlich überhaupt nichts mit dem Thema anfan-
gen konnten. Dazwischen liegen wenige Jahre. Aber in
diesem Zeitraum hat sich nach meiner Beobachtung eini-
ges deutlich verändert. Ich bin der Meinung, dass wir
einander anders, besser und bewusster wahrnehmen, ge-
lassener miteinander umgehen und bereit sind, uns er-
neut näher kennen zu lernen.

Gerade die Ostdeutschen haben in den letzten Jahren
erkannt, dass Geschichte und Vergangenheit nicht ein-
fach in Müllcontainern und auf Mülldeponien landen
können und dürfen. Ein gesundes und differenziertes
Verhalten zur eigenen Geschichte ist zur Identitätsstif-
tung unerlässlich. Daher sehe ich persönlich die Inflation
von Ostalgieveranstaltungen eher gelassen und weniger
aufgeregt, auch wenn ich das Niveau mancher Veranstal-
tung lieber in den Mantel des Schweigens hüllen
möchte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dennoch bleibt ohne eine Angleichung der wirt-
schaftlichen Verhältnisse die Einheit unbalanciert und
unvollständig. Die hohe Arbeitslosigkeit im Verhältnis

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(C (D u den wenigen offenen Stellen und das deutlich niedriere Einkommensniveau bleiben die wesentlichen Heausforderungen für die nächsten Jahre. Wir können uns darüber streiten, wie wir diese Ziele m besten und am schnellsten erreichen können. Aber ch darf wohl den Konsens in diesem Hause vorausseten, dass die Angleichung der Lebensverhältnisse komen muss, und zwar je eher, desto besser. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


ch will aber daran erinnern, dass wir auch dann noch re-
ionale, aber vertretbare Disparitäten haben werden. Das
ar schon immer so, auch im Westen. Das ist auch gut
o; denn dabei handelt es sich um einen ganz natürlichen
organg.
Für meine Fraktion will ich klarstellen, dass wir zu

en Vereinbarungen des Solidarpaktes II stehen und uns
ür eine sinnvolle Verlängerung der Investitionszulage
nd den Erhalt der EU-Strukturförderung engagiert ein-
etzen werden. Wir müssen uns aber der Verantwortung
afür bewusst sein, dass diese Fördermittel bestmöglich
ingesetzt werden. Die Kritik an falscher Allokation von
ördermitteln müssen wir ernst nehmen. Lassen Sie uns
arüber diskutieren, wie wir es schaffen, diese erhebli-
hen Finanzmittel zielführender und erfolgreicher einzu-
etzen.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal

urz auf die so genannte Neiddebatte eingehen, die un-
er Spätsommerloch anfüllte. Wir negieren nicht die Tat-
ache, dass es auch im Westen strukturschwache Regio-
en gibt, die unsere Solidarität benötigen. Aber es hat
ich schon sehr geärgert, dass suggeriert wurde, der Os-
en greife zum Beispiel im Bereich der Städtebauförde-
ung zu Lasten der westdeutschen Kommunen alles ab.
ür mich ist das insofern besonders unverständlich, als
s zum Beispiel beim Stadtumbau Ost länderübergrei-
enden Konsens gab. Das lässt sich damit dokumentie-
en, dass die entsprechende Verwaltungsvereinbarung
on allen 16 Bundesländern unterschrieben wurde. Wie
uch bei anderen Fördermaßnahmen können wir uns
erne darüber verständigen, was besser gemacht werden
ann. Aber für mich gilt auch hier: pacta sunt servanda –
erträge bzw. Vereinbarungen sind zu erfüllen.
Ich möchte zum Schluss meiner Rede auf die Aus-
irkungen der Agenda 2010 und insbesondere der so
enannten Hartz-Gesetze auf die ostdeutschen Bundes-
änder eingehen. Die Zusammenlegung von Arbeitslo-
enhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II be-
rifft den Osten sehr viel stärker, da hier der Anteil der
rbeitslosenhilfeempfänger mit über 1 Million Men-
chen sehr hoch ist und die finanzielle Entlastung der
ommunen bei der Sozialhilfe deutlich niedriger aus-
ällt. Die Festlegung der Höhe des Arbeitslosengeldes II
uf das Sozialhilfeniveau macht mich alles andere als
lücklich. Die verschärfte Anrechnung von Partnerein-
ommen führt gerade bei Frauen im Osten zu harten
inschnitten.


(Zuruf von der CDU/CSU: Warum tun Sie es denn dann? Peter Hettlich – Warten Sie einmal ab! – Wir haben uns in unserer Fraktion an vielen Stellen gemeinsam für eine Entschärfung und Verbesserung der Gesetze eingesetzt und dabei auch vieles erreicht. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Arnold Vaatz [CDU/ CSU]: Was haben Sie denn erreicht?)





(A) )


(B) )


Mehr war angesichts der schwierigen Haushaltslage ein-
fach nicht möglich.

Es ist aber auch sichergestellt, dass in Zukunft Maß-
nahmen der Bundesanstalt für Arbeit in veränderter
Form als ABM neu oder BSI einen Marktersatz für feh-
lende Arbeitsplätze darstellen werden. Wir wissen, dass
dies keine Dauerlösung sein kann. Die eigentlichen Ar-
beitsplätze müssen nämlich am ersten Arbeitsmarkt ent-
stehen. Wir brauchen aber den zweiten Arbeitsmarkt, um
eine gewisse Stabilisierung der sozialen Verhältnisse zu
gewährleisten; deshalb ist er unersetzlich.

Ich habe aus Gesprächen mit Vertretern der Bundes-
anstalt für Arbeit, aber auch der Landesarbeitsämter den
positiven Eindruck mitgenommen, dass die Reformen
auf diesem Gebiet wirklich zu einer Verbesserung führen
werden. Es gibt das ehrliche Bemühen und die Zusage,
die Fördermaßnahmen auch in 2004 in beinahe unverän-
derter Höhe fortzuführen. Oberstes Ziel muss auch hier
sein, eine möglichst hohe Erfolgsquote zu erreichen, das
heißt letztlich die Vermittlung in den ersten Arbeits-
markt.

Hartz III und Hartz IV werden wir morgen in zweiter
und dritter Lesung verabschieden, wohl wissend, dass es
zu einem Vermittlungsverfahren kommen wird. Liebe
Kolleginnen und Kollegen der CDU, dann werden wir
auch über das unsägliche Existenzgrundlagengesetz des
Ministerpräsidenten Koch und über die Androhungen Ih-
res Parlamentarischen Geschäftsführers, Volker Kauder,
diskutieren müssen, die angeblich sozialen Wohltaten,
zum Beispiel bei der Zumutbarkeitsregelung oder bei der
Höhe des Arbeitslosengeldes II, zurückfahren zu wollen.
Machen Sie Ihren Kollegen einmal klar, wozu das im
Osten führen wird! Was versprechen Sie sich davon au-
ßer der Lufthoheit über den Stammtischen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es liegt auch in Ihrer Verantwortung, die an sich schon
harten Einschnitte durch die Reformgesetze so zu gestal-
ten, dass sie noch sozial vertretbar sind. Aus dieser Ver-
antwortung werden wir Sie, aber auch die ostdeutschen
Ministerpräsidenten nicht entlassen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506605600

Ich erteile das Wort der Kollegin Cornelia Pieper,

FDP-Fraktion.

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(C (D Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kolle en von der Regierungskoalition können ja kaum erwaren, dass ich anfange zu reden. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Wie immer irren Sie sich! Wir warten auf das Ende! – Weitere Zurufe von der SPD)

Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1506605700

Ich weiß, dass Sie sich freuen.
Das Thema deutsche Einheit ist der FDP-Fraktion viel

u wichtig, als dass es ihr ausreichte, über rein ökonomi-
che Daten zu reden. Für uns ist die deutsche Einheit
uch 13 Jahre danach keine Selbstverständlichkeit. Es
aren die Grundpfeiler unserer Gesellschaft – Grund-
echte, Freiheit und Demokratie –, die uns die deutsche
inheit ermöglicht haben. Dank der Kraft, die aus diesen
erten unserer Gesellschaft kommt, konnten wir die
eutsche Einheit vollenden. Ich will auch noch einmal an
as anknüpfen, was Minister Schönbohm hier zum Aus-
ruck gebracht hat: Es geht einfach nicht an, dass Politi-
er aus den Landesregierungen, aber auch aus dem Bund
ie deutsche Einheit mit ihren Worten diffamieren. Wir
agen ganz deutlich, dass die deutsche Einheit die Leis-
ung der Menschen selbst gewesen ist,


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ass die Ostdeutschen mit der selbst errungenen Freiheit
nd die Westdeutschen mit einer gut funktionierenden
arktwirtschaft diese deutsche Einheit politisch voll-
ndet haben. Es soll nicht aus den Augen verloren wer-
en, dass wir auf diese Weise eine gute Grundlage für
ie Zukunft geschaffen haben.
Meine Damen und Herren, mich haben die Worte des
ltbundeskanzlers Schmidt, die Ostdeutschen, vor allem
ie Rentner, sollten endlich aufhören zu jammern, sehr
nttäuscht, und zwar deswegen, weil hier alte Vorurteile
eprägt und die Lebensleistungen gerade älterer Men-
chen im Osten infrage gestellt werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


s waren doch die Menschen in den neuen Ländern, die
n der aktuellen Reformdebatte die Kugel ins Rollen ge-
racht haben. Was hätten wir denn gemacht, wenn die
eipziger und Hallenser damals in der Leipziger Bahn-
ofspassage nicht mit den Füßen abgestimmt hätten?
ann hätten wir bis heute nicht die Liberalisierung des
adenschlussgesetzes. Wir hätten bis heute keine Be-
riebsbündnisse zwischen Arbeitnehmern und Unterneh-
ern und keine Arbeitsplätze gesichert, wenn die Ost-
eutschen nicht die entsprechende Einsicht gezeigt
ätten. Wir hätten bis heute keine Debatte über moderne
amilienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland.
Im Osten gibt es mehr Kreativität und Wachstumspo-

enzial als im gesamtdeutschen Durchschnitt. Die Bereit-
chaft zur Veränderung, selbst zu sozialen Einschnitten,
st weitaus größer. Vieles, was im Osten gelebte Praxis
st, ist für Gesamtdeutschland noch blanke Theorie.
enken Sie an die Aufhebung des Tarifzwangs, an die






(A) )



(B) )


Cornelia Pieper

Streichung der Arbeitsplatzsubvention im Braunkohle-
bergbau – im Gegensatz zum Steinkohlebergbau! Den-
ken Sie an die kürzeren Ausbildungs- und Studienzeiten,
aber auch an die hohe Mobilität der jungen Menschen im
Osten Deutschlands!


(Beifall bei der FDP)

Aber genau Letzteres ist das Problem. Das kommt

auch in dem Jahresbericht zum Stand der deutschen Ein-
heit zum Ausdruck. Von 1989 bis 2002 hat eine Abwan-
derung von 1,45 Millionen Menschen aus dem Osten
stattgefunden. Allein im Jahr 2002 ist die Bevölkerung
einer Stadt in der Größenordnung Jenas von der Bildflä-
che verschwunden. Deswegen muss es das Ziel dieser
Bundesregierung sein, für Wachstum zu sorgen und die
Menschen in den neuen Ländern mit Zuversicht zu erfül-
len. Aber ich erlebe, dass – insbesondere in den Ländern –
von Politikern der Regierungskoalition im Prozess der
deutschen Einheit mehr Zwietracht gesät wird.


(Karin Rehbock-Zureich [SPD]: Na, na, na!)

Es war Herr Vesper von den Grünen, der gefordert hat,
die Fördermittel für den Wohnungsbau zu streichen. Es
war Herr Steinbrück, der die Investitionszuschüsse für
die neuen Länder infrage gestellt hat.

Ich bin Liberale. Ich will, dass strukturschwache Re-
gionen in allen Ländern gefördert werden. Aber trotz-
dem halte ich diese Diskussion für nicht gerechtfertigt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Menschen dort brauchen Arbeit. Jeder Fünfte im Os-
ten Deutschlands ist arbeitslos. Das ist die eigentliche
politische Herausforderung, auch für die Bundesregie-
rung. Die Bundesregierung hat versäumt – wir wissen,
Herr Stolpe, dass die Industriebasis nicht stark genug ist,
um den nötigen Beschäftigungszuwachs zu befördern –,
gerade für den Mittelstand, die Freiberufler und das
kleine Gewerbe die Grundlagen für die Entstehung von
Arbeitsplätzen zu schaffen. Dazu gehört für uns zualler-
erst ein Niedrigsteuergebiet mit einem Dreistufentarif
für ganz Deutschland.


(Beifall bei der FDP)

Dazu gehört auch die Senkung der Lohnzusatzkosten.
Wir wollen sie auf 35 Prozent reduzieren. Gerade im
Hinblick auf die EU-Osterweiterung ist doch klar, dass
der Druck auf die Unternehmen, was die Löhne und Ge-
hälter anbelangt, auch in Ostdeutschland viel größer
wird. Deswegen brauchen wir schnell Entscheidungen;
wir brauchen den großen Wurf und nicht kleine Trippel-
schritte in Reformpaketen.

Während im Westen trotz Konjunkturschwäche 2002
ein Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent
zu verzeichnen war, haben wir im Osten erstmals seit
zehn Jahren ein Minuswachstum von 0,2 Prozent. Das ist
auch ein Ergebnis falscher Weichenstellungen Ihrer Poli-
tik für den Aufbau Ost, meine Damen und Herren von
der Bundesregierung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Trotz des Lichtblicks der Zuwachsraten in der Indusrie und im verarbeitenden Gewerbe, die in diesen Branhen zu einem Beschäftigungszuwachs beigetragen aben, fehlt es an großen, wertschöpfungsstarken Betrieen. Der Anteil der in der Industrie Beschäftigten beträgt n Ostdeutschland lediglich 68 Prozent des Westniveaus. ie Gründungsquote im Osten nimmt seit 1998 radikal b. Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle gab Mitte eptember bekannt, im Osten fehlten nach wie vor rund 00 000 Unternehmen. Da müssen wir den Hebel anseten. Niedrigere Steuern und niedrigere Sozialabgaben üssen das Ziel für Gesamtdeutschland, aber insbesonere für die neuen Bundesländer sein. Frau Pieper, denken Sie bitte an die Redezeit! Der Anteil der Industrieforschung im Osten beträgt ur noch 5 Prozent. Das ist zu wenig. Auch in diesem ereich setzt die Bundesregierung keine Prioritäten. Die undesforschungsministerin hat gerade einmal 1 Proent der Mittel, die für Großgeräte zur Verfügung stanen, in die neuen Bundesländer fließen lassen. Das ist icht die richtige Weichenstellung. Ich erwarte auch, dass die Bundesregierung das ächste größere europäische Forschungsvorhaben, nämich die Neutronenspallationsquelle, unterstützt und ich für einen Standort in Deutschland, möglichst in den euen Bundesländern, einsetzt. Das wäre eine richtige eichenstellung. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506605800
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1506605900

ber Sie vernachlässigen dieses Gebiet schon seit länge-
em.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506606000

Frau Kollegin, ich muss Sie nun wirklich bitten, auf

ie Redezeit zu achten.

Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1506606100

Ja, Herr Präsident. – Was Sie tun, hat nur Alibifunk-

ion. Wir haben daher nur wenig Hoffnung, dass für die
undesregierung der Aufbau Ost Herzenssache ist.
Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506606200

Das Wort hat nun die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1506606300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Sehr geehrte Gäste! Ich bin Abgeordnete der
DS. – In dieser Debatte haben sich schon alle über Alt-






(A) )



(B) )


Dr. Gesine Lötzsch

kanzler Helmut Schmidt empört. Ich will ihn in Schutz
nehmen. Natürlich gibt es Weinerlichkeit, in Ost und in
West; auch ich finde sie nicht gut. Mir sind die
5 000 Rentnerinnen und Rentner lieber – das ist eine an-
dere Reaktion –, die am Montag dieser Woche auf den
Straßen Berlins gegen die Rentenpläne der Bundesre-
gierung demonstriert haben. Ich hoffe, es werden in den
nächsten Wochen und Monaten noch mehr Menschen
gegen Sozialabbau auf die Straße gehen.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Ich finde es wirklich nicht erträglich, wenn von der

Bundesregierung immer wieder argumentiert wird, dass
es den Rentnern gut gehe. Viele Rentnerinnen und Rent-
ner haben 40 Jahre und länger gearbeitet und müssen
nun mit Minirenten auskommen. Sie empfinden es als
ungerecht, wenn sie nach einem langen Arbeitsleben zu
Bedürftigen degradiert werden sollen. Altkanzler
Schmidt ist wirklich schlecht informiert, wenn er in der
Rentenfrage behauptet, es werde über manches geklagt,
was nicht beklagenswert sei.

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Die ehemaligen
Mitarbeiter der Deutschen Reichsbahn haben in der
DDR Ansprüche auf eine Altersversorgung erworben,
die ihnen der Bund nicht gewähren will. Obwohl die
Bahnen und das entsprechende Vermögen zusammenge-
führt wurden, erhielten nur die Bundesbahner Besitz-
schutz für ihre Altersversorgung. Für die Hunderttau-
send Reichsbahner wurde bis heute keine Regelung
gefunden. Es geht also nicht um Weinerlichkeit, sondern
es geht um berechtigte Forderungen, denen die Bundes-
regierung endlich nachkommen muss. Da helfen auch
schöne Sonntagsreden, wie wir sie heute gehört haben,
nicht.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Altkanzler Schmidt hat in dem Interview mit der

„Sächsischen Zeitung“ auch viel Richtiges gesagt, was
in der allgemeinen Hysterie leider untergegangen ist. Er
hat festgestellt, dass der Aufholprozess im Osten schon
1996 unterbrochen wurde und dass in Ostberlin und
Bonn ökonomische Dilettanten am Werk waren. Einen
dieser laut Altkanzler Schmidt ökonomischen Dilettan-
ten, Herrn Schäuble, will die CDU nun zum Bundesprä-
sidenten wählen. Ein wahrlich schlechter Vorschlag!

Der Osten kippt. Die Arbeitslosigkeit im Osten ist
doppelt so hoch wie im Westen. Die Investitionen sinken
und die Jugend wandert aus dem Osten in den Westen
ab. Natürlich wurde viel Geld in den Osten transferiert.
Aber offensichtlich haben diese Transfers ihre Wirkung
nicht erzielt. Ist es nicht verwunderlich, dass unsere öst-
lichen Nachbarn ein beachtliches Wirtschaftswachstum
haben, obwohl sie über weniger Geld verfügen und ihre
wirtschaftliche Ausgangslage schlechter ist als die im
Osten Deutschlands? Es ist eben so, dass es offensicht-
lich nicht reicht, nur viel Geld auszugeben. Man muss
manchmal auch ganz neue und ungewöhnliche Maßnah-
men und Methoden anwenden, um etwas nach vorne zu
bringen. Doch dazu fehlt es Ihnen an Mut und Ideen.

Es ist wirklich schlimm, dass die Bundesregierung die
Besonderheiten des Ostens in ihrer Gesetzgebung nur

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(C (D nzureichend berücksichtigt. Ein Beispiel sind die artz-Gesetze; der Kollege von den Grünen hat es klar rkannt. Bei einer durchschnittlichen Arbeitslosigkeit in stdeutschland von 20 Prozent ist es absurd und menchenverachtend, den Druck auf die Arbeitslosen ständig u erhöhen, ohne ihnen Arbeitsplätze anzubieten. Die esetze, die morgen verabschiedet werden sollen, mahen deutlich, dass es in diesem Bundestag ein dramatiches Defizit an Ostkompetenz gibt. ier haben Ost-SPD und Ost-CDU völlig versagt. In der orgigen Abstimmung über die Hartz-Gesetze haben ie Gelegenheit, diesen Eindruck zu korrigieren. Dazu ordere ich Sie auf. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Siegfried Scheffler ür die SPD-Fraktion. Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle en! Mir geht es heute wie im vorigen Jahr: Angesichts es zuvor Gesagten kann man die vorbereitete Rede nur eiseite legen. Insbesondere das, was Sie, Frau Pieper, usgeführt haben, ist blanke Theorie und entbehrt jeder atsache. Die Situation ist schon sehr schwierig. Ich darf Ihnen einmal ein Zitat von Ministerpräsident öhmer – ich gehe einmal davon aus, dass Sie den Miisterpräsidenten in Sachsen-Anhalt unterstützen; Kolege Ludwig Stiegler und ich waren zwei Tage nach der eier in Magdeburg in Sachsen-Anhalt unterwegs – aus Innovative Verwaltung“, Heft 10 des Jahres 2003, voresen: Heute haben sich an zahlreichen Standorten, die mit hohem finanziellen Aufwand saniert wurden, wieder zukunftsträchtige Unternehmen angesiedelt. Dieser Strukturwandel läuft permanent weiter. enken Sie, dass sich diese Unternehmen erst seit dem eitpunkt angesiedelt haben, seit dem Ministerpräsident öhmer die Regierung übernommen hat? Das ist vielehr ein Prozess, den die rot-grüne Regierung seit 1998 it ihren Clusters in Gang gesetzt hat. Frau Pieper, wir haben Unternehmen besucht. Wir ha en uns nicht nur in der Staatskanzlei mit dem Finanztaatssekretär bzw. mit Kollegen des Landtages unterhalen. Wir waren auch bei Unternehmern in Staßfurt und arleben. Die haben uns händeringend darum gebeten, n der Förderpolitik, aber insbesondere auch in der Steurpolitik nicht nachzulassen und Einfluss auf die Länder u nehmen, damit steuerliche Entlastungen zustande ommen und unsere Förderung weiter fließt. Herr Kollege Scheffler, gestatten Sie eine Zwischen frage der Kollegin Pieper? Bitte. Bitte schön. Herr Kollege Scheffler, Sie hatten mich direkt ange sprochen. Deswegen eine Rückfrage von mir: Ist Ihnen bekannt, dass es SPD-Ministerpräsidenten und -Minister sind, die Investitionszuschüsse und -zulagen für die neuen Länder infrage stellen? Diese sind ja mehreren Gutachten gemäß die Ursache dafür, dass es überhaupt Anreize für Investitionen und Industrieansiedlungen gibt. Ist Ihnen bekannt, dass das Bundesland SachsenAnhalt eine Bundesratsinitiative gestartet hat – sie hat dem Bundesrat vorgelegen –, Modellregionen im Hinblick auf den Bürokratieabbau zu schaffen, und dass die Bundesregierung bis heute nicht gehandelt hat und, wie ich gehört habe, plant, nur in strukturschwachen Regionen in den alten Bundesländern Modellregionen zuzulassen? Ich möchte darauf jetzt nicht direkt eingehen, weil ich im Laufe meiner Rede den Masterplan Bürokratieabbau konkret ansprechen werde. Ich werde die Probleme am Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz deutlich machen. (Norbert Schindler [CDU/CSU]: Wissen Sie es oder wissen Sie es nicht?)


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506606400

(Beifall bei der SPD)

Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1506606500

(Beifall bei der SPD)





(A) )


(B) )

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506606600
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1506606700
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506606800
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1506606900
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1506607000

Auf die I-Zulage und auf weitere Dinge werde ich dann
in diesem Zusammenhang zu sprechen kommen.

Insofern kann ich Sie nur ermuntern, auf die Minister-
präsidenten über die Parteigrenzen hinaus einzuwirken
– das betrifft nicht nur Herrn Steinbrück, sondern auch
Ministerpräsident Koch; hier sind die verschiedenen Par-
teifarben verantwortlich –, dass für die neuen Bundes-
länder letztendlich eine entsprechende Entlastung zu-
stande kommt. Insofern stimme ich Ihnen zu und kann
Sie nur ermuntern, diese Bundesratsinitiative zu unter-
stützen.

Herr Minister Schönbohm, der Bericht, den Minister
Stolpe für die Bundesregierung heute vorgestellt hat, ist
überhaupt nicht glatt. Wer ihn intensiv gelesen hat,
kommt zu der Meinung, dass das der erste Bericht ist,


(Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Das ist der dünnste, den wir jemals gehabt haben!)


in dem die Probleme in aller Deutlichkeit aufgezeigt
werden. Ganz wichtig ist – das ist in den vorherigen De-
battenbeiträgen und auch in dem von Frau Pieper über-
haupt nicht zum Ausdruck gekommen –, dass auch kon-
struktive Vorschläge vorgetragen werden.

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(C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


s wird das dargestellt, was im Grunde genommen in
en alten Bundesländern bemängelt wird. Sie gehen nur
uf die Problemregionen ein. Natürlich haben wir solche
roblemregionen; das kehren wir nicht unter den Tisch.
ber bei einer Redezeit von zwölf Minuten kann weder
er Minister noch ich all das ansprechen.
Auf konstruktive Dinge sollte man eingehen, zum
eispiel auf das Konzept des Ministerpräsidenten
ilbradt – er ist Ihr Kollege –


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Guter Mann!)

ür den Aufbau Ost, das er in einigen Monaten vorlegen
ill. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Wenn der Bericht
den Ausschuss überwiesen wird, wird die Landes-
ruppe Ost gemeinsam mit unserem Koalitionspartner
inen eigenen Antrag vortragen, und nicht erst in Mona-
n. Darin werden die Dinge konstruktiv angesprochen,
ie wir in Abstimmung mit der Bundesregierung erarbei-
t haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Den Kollegen, die dazwischenrufen, möchte ich sa-
en:


(Zuruf von der CDU/CSU: Sie müssen sich besser auf Ihre Rede vorbereiten! So ein Blödsinn! Das darf nicht wahr sein!)


er Einigungsprozess muss mit Blick auf die aktuelle
teuersituation und unter Berücksichtigung der weltwei-
n Entwicklung, aber insbesondere unter Berücksichti-
ung der europäischen Entwicklung, fortgeschrieben
erden. Es wäre doch schlimm, wenn wir bei den Kon-
epten der alten Regierung stehen bleiben würden. Die
elt hat sich weiterentwickelt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


uch hinsichtlich der EU-Osterweiterung mussten be-
timmte Maßnahmen ergriffen werden.


(Jürgen Türk [FDP]: Dann tun Sie es endlich mal!)


Auf den Solidarpakt II möchte ich jetzt nicht weiter
ingehen. Gestatten Sie aber auch mir als Landesgrup-
ensprecher Ost in der SPD-Fraktion, die Menschen in
en neuen Bundesländern direkt anzusprechen; einige
ollegen haben das bereits getan. Trotz aller Transfer-
istungen, die wir über die Parteigrenzen hinaus aner-
ennen, haben die Bürgerinnen und Bürger in den neuen
ändern einen unvergleichlichen Härtetest bestanden
nd müssen ihn wahrscheinlich noch einige Jahre lang
estehen. Die übergroße Mehrheit der Menschen hat ihn
it Bravour bestanden. In diesem Zusammenhang weise
h den Vorwurf der Weinerlichkeit in den neuen Bun-
esländern zurück.


(Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Das hat Herr Schönbohm schon gesagt!)







(A) )



(B) )


Siegfried Scheffler

Auch schließe ich mich über die Parteigrenze hinweg

den Worten von Minister Schönbohm an. Er hat ausge-
führt, dass auch dann, wenn die Parteifarben wechseln,
nicht weniger Geld für den Aufbauprozess zur Verfü-
gung gestellt werden dürfe. Ja, auch wir fordern das. Ich
füge hinzu: Wer weiß, ob das Selbstvertrauen der Men-
schen in den neuen Ländern, das durch diese Erfahrung
gewachsen ist, nicht noch einmal zu einem wichtigen
Kapital für ganz Deutschland wird, nämlich dann, wenn
wir die anstehenden Reformen – hier wird sich noch so
mancher aus den alten Bundesländern wundern – umset-
zen werden.

Wir haben heute schon vom überproportionalen
Wachstum im verarbeitenden Gewerbe gehört. In Bran-
denburg gibt es international wettbewerbsfähige Zen-
tren. Das gilt auch für Berlin; in meinem Wahlkreis gibt
es unter anderem den Wissenschafts-, Wirtschafts- und
Medienstandort Adlershof. Diese Zentren gibt es auch in
der chemischen Industrie und im Automobilbau. Aber
– das wurde weder von Minister Stolpe noch von der
Bundesregierung beschönigt – Fakt ist, dass Jahr für Jahr
einhunderttausend zumeist gut ausgebildete und qualifi-
zierte junge Leute unsere strukturschwachen Regionen
verlassen. Bei unserer Reise durch Mecklenburg-Vor-
pommern, insbesondere durch den Landkreis Uecker-
Randow – der Kollege Meckel wurde bereits erwähnt –,
konnten wir uns davon überzeugen.

Wir verkennen nicht, dass hier besondere Anstren-
gungen notwendig sind; der Kollege Hettlich hat das
Hartz-IV-Paket bereits angesprochen. Aufgrund der Fi-
nanzsituation des Bundes ist es manchmal aber nicht
möglich, die Situation besser zu meistern. Wir dürfen in
diesem Zusammenhang nicht verschweigen, dass wir
Arbeitsplätze nicht auf dem zweiten, dem öffentlich ge-
förderten Arbeitsmarkt schaffen wollen, sondern auf
dem ersten. Wir wollen den ersten Arbeitsmarkt beleben,
dort wollen wir die Arbeitsplätze schaffen. Aber auch im
Jahr 2004 und darüber hinaus müssen wir den Menschen
auf dem zweiten Arbeitsmarkt durch Anstrengungen der
Bundesanstalt für Arbeit bzw. der Bundesagentur für Ar-
beit, wie sie nach den Hartz-III-Vorstellungen heißen
wird, helfen. Auch ABM, SAM und Wiedereingliede-
rungshilfen müssen in der Bilanz berücksichtigt werden.
Diese Hilfen werden uns immer wieder bei Veranstaltun-
gen in den alten Bundesländern vorgeworfen, wenn es
um den Vergleich von neuen Bundesländern und struk-
turschwachen Regionen in den alten Bundesländern
geht. Ich erkenne durchaus an, dass es zum Beispiel in
der Oberpfalz und im Ruhrgebiet durchaus Regionen
gibt, in denen die Arbeitslosenquote wie bei uns bei über
20 Prozent liegt. Aber an die alten Bundesländer – das
hat Minister Stolpe hier angeführt – grenzen wirtschaft-
lich sehr viel stärkere Regionen an, im Gegensatz zu den
neuen Bundesländern.

Hinzu kommt ein spezielles ostdeutsches Problem bei
der demographischen Entwicklung. Das ist der so ge-
nannte Wendeknick. Dieser wird in einigen Jahren Aus-
wirkungen auf die Ausbildungsplatzsituation in den
neuen Bundesländern haben. Dann werden dort junge
Menschen fehlen, die von den Unternehmen gesucht wer-
den. Das wird auch gravierende Folgen für die Transfer-

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(C (D eistungen in die Sozialsysteme haben, wie es die Debatte um Gesundheitsmodernisierungsgesetz gezeigt hat. Minister Schönbohm, Sie haben die kommunalen Fi anzen angesprochen. Anfang des Jahres hätten wir hier ber das Steuervergünstigungsabbaugesetz Einigkeit erielen können. Wenn uns das gelungen wäre, wäre die inanzkraft der Kommunen in den neuen und alten Bunesländern jetzt wesentlich stärker. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ber die unionsregierten Länder haben uns hier auflau-
en lassen. Ich gebe zu, wir haben uns hier eine Wat-
chen, wie Herr Stiegler sagen würde, abgeholt. Den
ommunen haben Sie damit aber überhaupt nicht gehol-
en. Es gibt gravierende Probleme und ich hoffe, dass
ir im Rahmen der Verhandlungen von Bundestag und
undesrat zu den anstehenden Reformen eine Einigung
rzielen und die Finanzkraft der Kommunen in den
euen und den alten Bundesländern stärken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich halte das integrative Aufbaukonzept der Bundes-
egierung für richtig. Natürlich ist dann, wenn man mehr
eld hat, alles verbesserungsbedürftig, liebe Kollegin-
en und Kollegen von der Opposition. Wir können gern
inmal die Leistungen unserer Bundesregierung für Bil-
ung und Forschung mit den finanziellen Leistungen in
iesem Bereich unter Ihrem damaligen Superminister
üttgers bis 1998 vergleichen. Die Mittel für diesen Be-
eich waren rückläufig. BAföG und Meister-BAföG
üssen finanziert werden, und zwar vor dem Hinter-
rund der Konsolidierung des Haushalts. Ich bitte Sie
irklich, einmal ganz ehrlich Bilanz zu ziehen und das
ntsprechend zu berücksichtigen.
Zur Ehrlichkeit gehört – Minister Stolpe, hier würde

ch Sie stellvertretend für die Regierung bitten; vorhin
ar noch Minister Schily hier – auch, den Goldenen
lan Ost und die Förderung der Kultur in den neuen
ändern anzusprechen.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Ich denke auch, dass das angesprochen werden muss!)


ch glaube schon, dass mit dem Goldenen Plan Ost in
en Ländern und Kommunen Investitionen angeschoben
erden können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


or allen Dingen würde es der Innenminister an seiner
riminalitätsstatistik merken, wenn es gelingt, das eh-
enamtliche Engagement zu stärken und in den Vereinen
twas für junge Leute aufzubauen, das nicht hinterher
ieder weggenommen wird. Das wäre ebenso wichtig
ie die Förderung der Kultur in den neuen Ländern.
Im Zusammenhang mit dem Sanierungsprogramm

Dach und Fach“ könnte ich die Wohnungsbau- und
tadtentwicklungspolitik der Bundesregierung beim
amen nennen. Ich kann mich nicht erinnern, dass es bis
998 so etwas wie unsere Programme Soziale Stadt,






(A) )



(B) )


Siegfried Scheffler

Stadtumbau Ost und Denkmalschutz in der gegenwärti-
gen Höhe gegeben hätte. Das betrifft Brandenburg
ebenso wie Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpom-
mern. Wir Berliner profitieren vor dem Hintergrund der
schwierigen Haushaltslage in erheblichem Maße davon,
dass hier Mittel bereitgestellt werden. Ich behaupte, Ihre
Bauminister hätten davon noch nicht einmal geträumt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Gleiche gilt für den Ausbau der Verkehrsinfra-
struktur. Insofern verstehe ich überhaupt nicht, Minister
Schönbohm, dass Sie dieses Thema hier so negativ dar-
gestellt haben.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Keine Ahnung auf hohem Niveau!)


Wenn ich über die Lande in Brandenburg fahre, also
dort, wo der Bund Verantwortung für die Verkehrsinfra-
struktur trägt und auch schon unter der alten Bundesre-
gierung Verantwortung getragen hat, –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506607100

Herr Kollege Scheffler, denken Sie freundlicherweise

an die Überschreitung der Redezeit, sodass die Schilde-
rung der Eindrücke aus den Fahrten über Land etwas
knapper ausfallen muss.


(Heiterkeit)



Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1506607200

– dann kann ich schon eine gut ausgebaute Infrastruk-

tur erkennen.
Ich komme zum Schluss. Ich kann Minister Stolpe

nur ermuntern, dass er in den Beratungen des Kabinetts
und wir als Parlament in den Haushaltsberatungen bzw.
in den Sitzungen, in denen es um Haushaltsbereinigung
geht, über die Bereiche Bürokratieabbau, Verkehrsinfra-
struktur und insbesondere Innovationen in Forschung
und Bildung eine Verstetigung der Mittel erreichen, so-
dass hier wie bisher das hohe Niveau gehalten werden
kann.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506607300

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt er-

hält der Kollege Werner Kuhn für die CDU/CSU-Frak-
tion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Werner Kuhn (CDU):
Rede ID: ID1506607400

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei aller
Nüchternheit der Zahlen, die wir in diesem Jahresbericht
zum Stand der deutschen Einheit nachlesen können, dür-
fen wir nicht verkennen, dass wir uns in Europa insge-

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(C (D amt in einem gesellschaftlichen Umwälzungsprozess efinden, der schon epochalen Charakter hat. In diesem Kontext muss man den 16. Oktober 1978 rwähnen, an dem ein Mann in ein wichtiges Amt geählt wurde. Aus diesem Grund wurde an den Unis in er DDR im wissenschaftlichen Kommunismus seinereit die Botschaft verkündet, in dieser Nacht sei ein Anchlag des Imperialismus auf die sozialistische Staatenemeinschaft verübt worden, ein Pole sei zum berhaupt der katholischen Kirche gewählt worden. as war ein ganz wichtiges Ereignis, das die Bürgerbeegung in Polen, in Europa insgesamt befördert hat und as dazu beigetragen hat, dass der Eiserne Vorhang letztich gefallen ist. Diesem Mann möchte ich zu Beginn einer Rede zu seinem 25-jährigen Dienstjubiläum die everenz erweisen. Ich möchte nun auf meinen Kollegen Scheffler einge en. Er hat hier auf interessante Weise dargestellt, wie in stdeutschland Investitionen gerade im Bereich der weihen Standortfaktoren weiter befördert werden, und hat en Goldenen Plan Ost angesprochen. Wenn ich meien Kollegen Riegert richtig verstanden habe, so sind in en Haushaltsberatungen die Mittel im Goldenen Plan st auf null gefahren worden. Im Goldenen Plan Ost ind für die neuen Bundesländer überhaupt keine Invesitionen mehr vorgesehen. Das halte ich für sehr besorgiserregend. Weiterhin ist besorgniserregend – Herr Stolpe, das önnen Sie tagtäglich aus den Zeitungen erfahren –, dass ie Einnahmen aus der Maut fehlen, die für die Infratruktur verwendet werden sollten. Wir können uns eute nicht hier hinstellen und verkünden, wir würden in en neuen Bundesländern die Verkehrsprojekte Deutche Einheit zu Ende bringen und zusätzliche Straßen auen. Ich will Ihnen die Wahrheit sagen: Im Vermittungsausschuss ist vereinbart worden, dass über Milliarde Euro für die Infrastruktur im Straßenbau zur erfügung gestellt werden. Was ist das Ende vom Lied? er Haushaltsansatz wurde gekürzt. Es wurden nur noch 00 Millionen Euro draufgelegt. Das wird alte und neue undesländer gemeinsam treffen. Gegen diesen Diletantismus, der von der Bundesregierung hinsichtlich aut und Verkehrsinfrastruktur zurzeit betrieben wird, üssen wir uns wehren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD)


(Beifall bei allen Fraktionen)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Lassen Sie Herrn Mangold in Ruhe! Schauen Sie sich
esser die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts in
en neuen Bundesländern im letzten Jahr an! Es ist erst-
als seit 1991 auf 60 Prozent des Niveaus in den alten
undesländern geschrumpft.


(Siegfried Scheffler [SPD]: 0,2 Prozent Rückgang! Das haben wir schon angesprochen!)


ie Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts beschreibt
ie Lage insgesamt: Wir haben im Osten eine Arbeitslo-
igkeit von 20 Prozent. Sie ist doppelt so hoch wie im






(A) )



(B) )


Werner Kuhn (Zingst)


Westen. Die gut ausgebildeten, mobilen jungen Men-
schen verlassen unser Land; das wurde heute in dieser
Debatte immer wieder angebracht.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Faden finden!)

Das ist besorgniserregend. Diese Menschen stehen uns
nämlich nicht nur als Humanressourcen nicht mehr zur
Verfügung, sondern auch als zukünftige Existenzgrün-
der, als unsere Köpfe für die kleinen und mittelständi-
schen Unternehmen.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Als Familien!)

Deshalb ist das sehr problematisch.

Von der Bundesregierung muss etwas unternommen
werden. Uns steht noch kein Aufbauplan Ost, aufge-
schrieben von dieser Bundesregierung, federführend
Herr Stolpe, zur Verfügung, über den wir debattieren
könnten. Eine Stunde wird uns gerade einmal für ein so
wichtiges wirtschaftspolitisches Thema zur Verfügung
gestellt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist zu wenig! Viel zu wenig!)


Man könnte drei Stunden darüber diskutieren. Minister-
präsident Milbradt hat das ganz eindeutig gesagt. Es
muss viel mehr Zeit investiert werden. Wir dürfen das
Thema Aufbau Ost nicht nonchalant einem Minister an-
vertrauen, der die meiste Osterfahrung hat, bei dem aber
nichts passiert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Siegfried Scheffler [SPD]: Das ist Quatsch! Blödsinn!)


Herr Scheffler, jetzt wartet eure Fraktion darauf, dass
Ministerpräsident Milbradt einen Aktionsplan vorlegt,
den ihr dann abschreiben könnt, sodass ihr euch in die-
sem Bereich wieder gut verkaufen und positionieren
könnt.


(Siegfried Scheffler [SPD]: Wir sind schon lange so weit!)


So spielen wir nicht. Hier werden Sie unseren erbitterten
Widerstand spüren.

Die Menschen in den neuen Ländern fallen in eine ge-
wisse Mutlosigkeit und Resignation; das muss man so
sagen.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Jeder, der Sie reden hört, wird resignativ!)


Für die Eltern und Großeltern ist es sehr bedauerlich,
wenn die jungen Leuten fortgehen. Das sollten sie natür-
lich auch sagen. Sie werden aber auch von der Bundesre-
gierung verlassen, die ihnen seinerzeit große Verspre-
chungen gemacht hat. Die Bundesregierung ist in den
neuen Bundesländern mit über 40 Prozent wieder in die-
ses Amt gewählt worden. Hier helfen Ihnen keinesfalls
die platten Parolen – Sie sagten: „Lieber mit Schröder in
der Arbeitslosigkeit als mit Stoiber im Krieg“ –, die Sie
über die Marktplätze getragen haben. Sie wollen die
erste Androhung doch nicht etwa tatsächlich wahrma-
chen!

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(C (D (Siegfried Scheffler [SPD]: Das ist doch unerhört!)


ier muss endlich ein Aktionsplan in Angriff genommen
erden, damit Sie mehr Arbeit in die neuen Bundeslän-
er bringen. Als allererstes muss hier eine Industriepoli-
ik gestartet werden, die ihren Namen verdient.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es gibt gerade im verarbeitenden Gewerbe etliche
offnungsvolle Ansätze. Früher haben wir immer darü-
er diskutiert, dass die Lohnstückkosten in Deutschland
u hoch sind, dass es keine vernünftige Auslastung gibt,
ass die Maschinenlaufzeiten zu gering sind usw. Mitt-
erweile haben sich im verarbeitenden Gewerbe sehr
ute Unternehmen herausgebildet, die eine Wettbe-
erbsposition erreicht haben. Das gilt besonders in den
ändern Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt, in de-
en die Landesregierungen für eine Kofinanzierung und
förderung sorgen. Das muss man einmal positiv erwäh-
en.
Die Konjunktur insgesamt befindet sich in einer abso-

ut desolaten Lage. Sie müssen erst einmal dafür Sorge
ragen, dass die Binnenkonjunktur wieder in Gang
ommt. Die privaten Haushalte sind mit ihren Investitio-
en sehr zögerlich, weil sie nicht wissen, welche private
orsorge in der Renten- und Krankenversicherung in
ukunft für sie erforderlich ist. Dies alles ist Teil einer
trukturellen Krise. Hier müssen die Reformen möglichst
chnell zu Ende gebracht werden, damit jeder genau weiß,
elche Vorsorge für sich persönlich in Zukunft notwendig
t. Dann wird auch die Binnenkonjunktur wieder ansprin-
en.
Im Moment bleiben die öffentlichen Aufträge aus.
ie Haushalte der Gemeinden, Städte und Landkreise
ind am absolut unteren Niveau angekommen.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Nur jammern!)

ie können leider keine Investitionen mehr tätigen. Des-
alb ist es notwendig, dass die Gemeindefinanzreform
o schnell wie möglich greift.
Es fehlt ein schlüssiges Konzept der Bundesregie-

ung.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506607500

Herr Kollege Kuhn, würden Sie zur Verlängerung Ih-

er Redezeit nun eine Zwischenfrage des Kollegen
cheffler zulassen?


Werner Kuhn (CDU):
Rede ID: ID1506607600

Ich warte schon sehr darauf. Ich hoffe nicht, dass er

nttäuscht sein wird.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Siggi, hilf ihm, seinen Faden zu finden!)



Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1506607700

Lieber Werner Kuhn, Sie kommen ja aus Mecklen-

urg-Vorpommern, das in diesem Jahr wahrscheinlich






(A) )



(B) )


Siegfried Scheffler

Tourismusland Nummer eins ist und sich im Jahre 2002
mit Bayern um diesen Platz gestritten hat.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

Ich bin in Mecklenburg-Vorpommern sehr viel unter-

wegs. Stimmen Sie mir zu, dass das, was dort bei der
Verkehrsinfrastruktur, der Wohnungsbauförderung, den
Existenzgründungen und durch entsprechende Förderpro-
gramme insbesondere in den vergangenen Jahren – ich
gebe zu: auch schon seit 1992 – durch die rot-grüne
Bundesregierung geschehen ist, dazu beigetragen hat,
dass Mecklenburg-Vorpommern zum Tourismusland
Nummer eins in Deutschland werden konnte?

Da ich dort oft unterwegs bin und die Unternehmen
und Bauernhöfe besuche – ich kenne sehr viele Höfe
dort –, weiß ich, dass der Bericht, den Sie hier der Öf-
fentlichkeit vorgetragen haben, in keinster Weise zutrifft.


Werner Kuhn (CDU):
Rede ID: ID1506607800

Verehrter Herr Kollege Scheffler, dieser Bericht trifft

natürlich schon zu. Wir dürfen uns nämlich nicht einfach
nur fragen, wie wir das Dienstleistungsgewerbe, die Ser-
viceunternehmen und was weiß ich noch alles in
Deutschland fördern, und dabei unser „core business“,
unsere Kernkompetenzen, total vernachlässigen. In un-
serer Industrielandschaft gibt es eine Entvölkerung. Hier
ist aber eine größere Wertschöpfung möglich. Daher
muss man so arbeiten, dass man Kapital dort generiert
und Leute dort in Arbeit bringt. Alles andere hat nur ei-
nen sehr kurzen Bestand.

Wir haben schließlich bis 1998 die Regierungsverant-
wortung gehabt und das Erreichte ist nicht einfach vom
Himmel gefallen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das war eine gute Zeit für Deutschland!)


Im Bezug auf die Infrastruktur in unseren Städten und
Gemeinden haben wir mit der Städtebauförderung viel
geleistet.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die kommunale Wohnungsverwaltung der DDR hat
doch den Slogan gehabt: Ruinen schaffen ohne Waffen.
Wohnblocks wurden einfach auf die grüne Wiese gesetzt
und die Infrastruktur wurde vernachlässigt. Schauen Sie
sich unsere Städte genau an. Dann wissen Sie, dass die
Transferleistungen richtig angelegt sind.

Ich war mit meiner Rede noch gar nicht fertig.

(Zurufe von der SPD: Doch!)


Lieber Siegfried Scheffler, wir müssen uns darauf kon-
zentrieren, wie wir den Osten tatsächlich nach vorne
bringen können. Dies kann nicht mit Minijobs oder mit
der Förderung des Dienstleistungs- und Tourismusge-
werbes erreicht werden, sondern wir müssen Industrie-
politik machen. Diese Industriepolitik vermisse ich.


(Siegfried Scheffler [SPD]: Das ist eine Frechheit! Was ist mit dem Hafenausbau und der Hinterlandanbindung?)


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(C (D In der Rede des Bundesfinanzministers bei der Hausaltseinbringung tauchten nur Marginalien wie Entferungspauschale und eine mögliche Änderung der Eigeneimzulage auf. Daher muss ich schon sagen, dass dies ehr verwunderlich ist. Der erste Kaufmann unserer Naion muss doch erst einmal die Einnahmeseite vernünftig rklären und deutlich machen, welche Steuer zu Einnahen in welcher Höhe führt. Er muss andererseits aufzeien, welche Kosten auf uns zukommen. Danach wird ine Gewinnund Verlustrechnung aufgemacht, wobei in riesiger Verlust herauskommt. Dieser Verlust muss ntweder durch Kredite oder durch einen Liquiditätskreit ausgeglichen werden. Diese betriebswirtschaftliche Analyse muss für die eutschland AG, die Bundesrepublik, gemacht werden. abei wird sich herausstellen, dass dieser Liquiditätsredit möglichst in zwei oder zweieinhalb Jahren abgeaut werden muss. Danach kommt der Break-evenoint. Durch das wirtschaftliche Wachstum sind dann öhere Steuereinnahmen zu erwarten. – Das, was Sie erählen, ist doch nur blauer Dunst. Davon lässt sich nichts erwirklichen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Mit dem Thema Bürokratieabbau beschäftigen wir uns
mer wieder. In den neuen Bundesländern sollte als Erstes

in Pilotprojekt zum Bürokratieabbau starten. Denn die
ürokratie hat eher zu- als abgenommen. In der letzten
ahlperiode sind 24 Änderungsgesetze zum Einkom-
ensteuergesetz eingebracht worden. Durch 118 Ge-
etze und 87 Verordnungen muss sich jeder quälen, der
in Unternehmen neu gründen oder den Bestand erhalten
ill. Ein Unternehmer beschäftigt sich Dreiviertel des
ages nur mit diesen Regelungen und um sein eigentli-
hes Geschäft kann er sich nicht kümmern. Das kann so
icht weitergehen. Hier muss aufgeräumt werden.
Genauso ist es beim Arbeitsrecht. Das trifft für die

euen wie für die alten Bundesländer zu. Das alte bun-
esrepublikanische Rechtssystem mit allen Verordnun-
en und Vorschriften für die Wirtschaft hat – das müssen
ir einfach konstatieren – die Herausforderungen des
ufbaus Ost nicht bestehen können. Die Bundesregie-
ung ist gefordert, entsprechende Änderungen auf den
eg zu bringen. Dazu ist die Opposition auf jeden Fall
ereit. Wir sind immer


(Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Immer bereit!)

n der Lage, diese Initiativen aufzugreifen.
Wichtig ist aber auch, dass die ostdeutschen Regionen

nbedingt die Ziel-1-Förderung bei der Gemeinschafts-
ufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruk-
r“ behalten. Die neuen Bundesländer dürfen nicht zwi-
chen die Mühlsteine der reichen Regionen im Westen
nd der Billiglohnländer im Osten geraten. Wenn der
uropäischen Union noch mehr Länder mit einem nied-
igen Bruttoinlandsprodukt beitreten, dann wird das Ni-
eau weiter gesenkt und die neuen Länder werden mög-
icherweise zu einem Ziel-3-Gebiet.


(Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Dazu darf es nicht kommen!)







(A) )



(B) )


Werner Kuhn (Zingst)


Dagegen müssen wir gemeinsam kämpfen. Das trifft

übrigens auch auf die Förderung in den alten Bundeslän-
dern zu. Das sind Tatsachen. Die Investitionszulage
muss umgebaut werden. So, wie sie jetzt gestaltet ist,
führt sie nicht zum Ziel. Ich sage Ihnen: Sie müssen die
Industriepolitik verbessern. Synergieeffekte und Investi-
tionen, durch die Arbeitsplätze geschaffen werden, müs-
sen kombiniert werden. Zum Vergleich: Das Bruttoin-
landsprodukt unseres Spitzenreiters Sachsen in den
neuen Bundesländern liegt bei 17 358 Euro pro Kopf.
Die rote Laterne in den alten Bundesländern hat Nord-
rhein-Westfalen; dass muss ich leider so sagen. In NRW
liegt das Bruttoinlandsprodukt aber bei 22 957 Euro pro
Kopf. Das zeigt, dass die Schere zu weit auseinander
klafft und wir diese besondere Förderung brauchen.

Für die gegenwärtige desolate Wirtschafts- und Haus-
haltslage in der Bundesrepublik Deutschland wird alles
Mögliche verantwortlich gemacht. Der 11. September,
die schwache Binnenkonjunktur und die allgemeine
weltwirtschaftliche Lage werden als Argumente ange-
führt. Aber Herr Eichel hat es auf den Punkt gebracht
– für ihn ist die Lage klar –: Hauptgrund für die düstere
Misere sind die Folgen der deutschen Einheit mit ihren
hohen Transfers. Dies sind die Ursachen für die Wachs-
tumsschwäche.


(Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Das ist Quatsch!)


Hier wird immer nur über die Transferleistungen ge-
sprochen. Dabei wird offensichtlich vergessen, dass wir
in Ostdeutschland mit 16 Millionen Einwohnern ein in-
teressanter Markt sind, und zwar auch für Unternehmen
aus den alten Bundesländern. Eine gesamtwirtschaftli-
che Bilanz würde die Situation aufhellen. Nur so können
wir das Werk der deutschen Einheit wieder gemeinsam
in Angriff nehmen. Aber ich erwarte auch ein Umden-
ken von der Bundesregierung. Das muss ich ganz ein-
deutig sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sind letztendlich nicht nur mit einer Stunde Debat-
tenzeit über dieses wichtige Thema bedient, sondern wir
sind auch mit einem Minister bedient, der sozusagen mit
der Maut total überfordert ist


(Zuruf von der FDP: Die sind schon ohne Maut überfordert!)


und überhaupt keine Aktivitäten mehr in den Aufbau Ost
einbringen kann. Hier muss sich etwas ändern. Da müs-
sen sich möglicherweise auch Köpfe ändern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506607900

Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Jahresbericht

auf Drucksache 15/1550 an die in der Tagesordnung auf-
geführten Ausschüsse sowie an den Ausschuss für Ver-
braucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zu über-

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(C (D eisen. Sind Sie einverstanden? – Das ist der Fall. Dann st die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a bis 6 c auf: a)


Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, Georg
Brunnhuber, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU
Aktuelle Eisenbahnpolitik in der 15. Wahl-
periode
– Drucksachen 15/234, 15/1106 –

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst
Friedrich (Bayreuth), Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP
Zurückdrehen der Bahnreform stoppen
– Drucksache 15/1591 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen (14. Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth),
Rainer Brüderle, Jörg van Essen, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der FDP
Einsetzung einer Kommission der Bundesre-
gierung zur Fortsetzung der Bahnreform
– Drucksachen 15/66, 15/1294 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Karin Rehbock-Zureich

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Stunde vorgesehen. – Widerspruch höre
ch nicht. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst

er Abgeordnete Klaus Lippold.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Klaus W. Lippold (CDU):
Rede ID: ID1506608000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Wir haben in der letzten Zeit sehr viel über das
hema Straße und das Thema Maut diskutiert und fest-
estellt, dass die Bundesregierung völlig dabei versagt
at, das anstehende Problem zu lösen. Das hat davon ab-
elenkt, dass wir einen weiteren wesentlichen Bereich in
er Verkehrsinfrastrukturpolitik haben, nämlich die
ahnpolitik. Hier kommen wir genauso zu der Feststel-
ung, dass die Bundesregierung und insbesondere das
erkehrsministerium unter Führung von Minister Stolpe
as Ziel eindeutig verfehlt hat.
Wir diskutieren im Moment über den Börsengang;

ber das eigentliche Versagen liegt darin, dass die beiden
iele, die mit der Bahnreform verbunden waren, nämlich
uf der einen Seite mehr Verkehr auf die Schiene zu
ringen und auf der anderen Seite die Bahnreform zu
ollenden, eindeutig verfehlt worden sind.






(A) )



(B) )


Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)


Ich halte das für mehr als falsch. Wir müssen feststel-

len, dass im Personenverkehr die Verkehrsleistung im
vergangenen Jahr um mehr als 6 Prozent zurückgegangen
ist. Im Güterverkehr ist sie um 3 Prozent geschrumpft.
Dieser Trend setzt sich fort, und das trotz der immensen
Steuermittel, die wir für die Bahn aufbringen. Seit Be-
ginn der Bahnreform haben die Steuerzahler 94 Milliar-
den Euro in den Konzern gesteckt und für das Eisenbahn-
wesen insgesamt 170 Milliarden Euro ausgegeben.

Wenn ich jetzt die Effizienz dessen betrachte, dann
stelle ich fest, dass die Verkehrsleistungen sowohl auf
der Schiene als auch die Leistungen in anderen Berei-
chen rückläufig sind. Das ist eine eindeutige Verfehlung.
Hier hätte Bahnpolitik ansetzen müssen.

Wir wissen, dass wir mit der EU-Osterweiterung
noch dringender eine Entlastung der Straßen vom Ver-
kehr brauchen. Also brauchen wir die Schiene umso
mehr. Trotzdem ist in dieser Frage nichts erreicht wor-
den.

Des Weiteren müssen wir monieren, dass eine konse-
quente Umsetzung des Wettbewerbsprinzips nicht er-
reicht wurde und dass es keine stabilen Wettbewerbsbe-
dingungen in Form eines diskriminierungsfreien
Zugangs auch anderer Unternehmen als der DB AG zum
Schienennetz gibt. Eine weitere zentrale Forderung von
uns ist die dezentrale Organisationsform, der Wegfall der
Holding, die Privatisierung der Einzelgesellschaften und
damit die Realisierung der dritten Stufe der Bahnreform.

Ich halte noch einmal fest: Das alles ist nicht erreicht.
Die Straßen wurden nicht entlastet, die DB AG verschul-
det sich immer mehr, Mehdorn setzt statt auf Dezen-
tralisierung auf Zentralisierung durch Stärkung der
Holdingstrukturen und erklärt damit de facto die Bahn-
reform für beendet. Der Börsengang steht durch
schlechte Unternehmensbilanzen infrage.

Ich will hier eines noch einmal deutlich machen: Ich
glaube, dass es nicht gut war, dass die Bundesregierung
diese Frage offen strittig diskutiert hat, dass die einen
den Börsengang haben laufen lassen und die anderen,
wie zum Beispiel Frau Wolf deutlich gemacht hat, der
Meinung waren, dass der Börsengang umgehend reali-
siert werden soll. So kann man in der Sache nicht vorge-
hen. Das ist völlig daneben und schadet der Bahn.

Die Diskussion dieser Frage in der Öffentlichkeit hat
zur Folge, dass ein ähnlicher Eindruck durchaus entsteht
wie bei der Einführung der Maut: Die einen reden so, die
anderen so; es gibt kein klares Konzept. Ich meine, das
muss endgültig ein Ende haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich gehe davon aus, dass der Börsengang nicht nur an

der fehlenden Kapitalmarktfähigkeit auf absehbare Zeit
scheitern wird, sondern dass er de facto nicht in Frage
kommt, solange keine Trennung von Netz und Betrieb
erfolgt. Aus Insiderkreisen – insbesondere aus Banken-
kreisen – wird das zunehmend kritisch beurteilt. Ich
meine, hierzu sollte die Bundesregierung Vorstellungen
entwickeln,


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Sehr wahr!)


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(C (D ie das, was der frühere Bundesverkehrsminister einmal uf einem grünen Parteikongress zum Ausdruck geracht hat, entsprechend umsetzen. Aber offensichtlich wird die Bahnpolitik nicht mehr on dieser Bundesregierung gestaltet. Vielmehr hat Herr ehdorn einen völlig unangemessenen Handlungsspiel aum, sodass sich die Frage stellt, wer eigentlich regiert: tolpe oder Mehdorn? Früher habe ich diese Frage nicht eantworten wollen, weil Herr Stolpe erst seit kurzem m Amt war. Aber inzwischen ist eindeutig erkennbar, ass sich Herr Stolpe ähnlich wie Herr Bodewig in dieen entscheidenden Fragen nicht durchsetzen kann und ass die Dinge deshalb völlig falsch laufen. ir müssen nach wie vor auch in Erinnerung rufen, ass, um ein Funktionieren der Bahn sicherzustellen die ettbewerbsbedingungen in Deutschland mit den Beingungen gleichgestellt werden müssen, die für die ahnen in anderen europäischen Ländern gelten. otwendig ist eine Harmonisierung der fiskalischen Beastungen. iese ist bislang nicht erfolgt. Keine andere Bahn in Euopa wird mit dem vollen Mineralölsteuersatz belastet. n dieser Stelle besteht Korrekturbedarf. Die Schienenerkehrsunternehmen in Deutschland sind im Gegensatz u der überwiegenden Zahl der anderen EU-Mitgliedtaaten mehrwertsteuerpflichtig. (Ludwig Stiegler [SPD]: Was sagt denn Koch dazu?)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Lachen bei der SPD)


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Ich meine, wenn wir uns schon konsequent für die
ahn einsetzen wollen, die wir auch brauchen, dann
üssen klare und faire Wettbewerbsbedingungen ge-
chaffen werden. Diese sehe ich aber zurzeit nicht.
Wenn es um die Frage geht, wie die Bundesregierung

hre Verantwortung für ein leistungsfähiges Schienen-
etz wahrnimmt, wird darauf verwiesen, dass sie dies
nter Einbeziehung der Mittel aus den künftigen Maut-
innahmen macht. Ich will an dieser Stelle verdeutli-
hen: Wer in Antworten auf unsere Anfragen auf die
innahmen aus der Maut verweist, liegt ja wohl völlig
alsch. Denn bisher konnte noch kein einziger Cent flie-
en und die Termine 1. Januar und, nach Meinung vieler,
uch der 1. April können ebenfalls nicht eingehalten
erden. Vielmehr wird die Einführung der Maut bis weit
n das kommende Jahr verschoben werden müssen. Ob-
ohl Sie also in absehbarer Zeit keine Einnahmen aus
er Maut erzielen, verweisen Sie darauf. Das ist unhalt-
ar. Sie sollten endlich zu soliden Ausführungen zurück-
ehren, die deutlich machen, dass Sie auf eichelschen
ruck die Mittel für die Verkehrsinfrastruktur im Bun-
eshaushalt nicht reduzieren, sondern dass Sie diese
ittel mindestens im bisherigen Umfang erhalten, und
ass die Mauteinnahmen nicht dazu gedacht sind, die
inkenden Haushaltsansätze zu kompensieren. Das ist
uch die klare und deutliche Linie der EU.






(A) )



(B) )


Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)


Sie verfehlen die EU-Zielsetzungen, die deutlich be-

sagen, dass Mittel wie die Mauteinnahmen nicht dazu
gedacht sind, Haushaltslöcher zu stopfen. Kehren Sie
deshalb endlich wieder zu den notwendigen Vorgehens-
weisen zurück! Sofern Mauteinnahmen in einer derzeit
noch nicht absehbaren Zeitspanne fließen, sollten diese
zur schnelleren Realisierung von Verkehrsprojekten dem
Haushalt additiv zugute kommen. Ich glaube, dass das
der richtige Weg ist, den wir beschreiten sollten.

Ich möchte angesichts des öffentlichen Erschei-
nungsbildes der Deutschen Bundesbahn noch eines
ausführen: Wir sollten auch deutlich machen, dass Füh-
rung gefordert ist. Die misslungene Preisreform hat viel
Lärm um nichts erzeugt. Aber derjenige, der sie zu ver-
antworten hatte, wurde mit ein paar Bauernopfern gerettet
und gleichzeitig – obwohl er diesen Mist gebaut hatte –
noch durch eine vorzeitige Vertragsverlängerung geför-
dert. Auch diesen Fehler hat das Ministerium begangen.
So etwas sollte künftig nicht mehr passieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie sollten Ihre Kontrollaufgaben auch wahrnehmen,

wenn es um die schnellere Beseitigung von Zugdefekten
und Kostensteigerungen bei Prestigeobjekten geht, in-
dem Sie ein besseres Controlling einführen. Sie haben
das erforderliche Controlling bei der Mauteinführung
nicht geleistet. Wie wir feststellen müssen, leisten Sie es
auch nicht in der Bahnpolitik.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Höchst interessant!)


Alles in allem – von der Verfehlung der Ziele der Bahn-
reform bis hin zu der Verfehlung des Ziels, Verkehr von
der Straße auf die Schiene zu bringen – betreiben Sie
eine falsche Bahnpolitik, weil Sie die Dinge laufen las-
sen und nicht konsequent und entschieden handeln und
weil Sie vor allen Dingen Ihrer Kontrollaufgabe gegen-
über der Deutschen Bahn nicht im notwendigen Umfang
gerecht werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Die Antwort wird sehr spannend werden! Mal schauen, was die Staatssekretärin zu sagen hat!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506608100

Für die Bundesregierung hat jetzt die Parlamentari-

sche Staatssekretärin Angelika Mertens das Wort.

A
Angelika Mertens (SPD):
Rede ID: ID1506608200


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-
ginnen und Kollegen! Herr Lippold, Sie sprachen gerade
von der „Deutschen Bundesbahn“. Ich denke, das war so
etwas wie ein freudscher Versprecher. Es kann auch nur
ein Versprecher gewesen sein.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Es schadet nicht, wenn das Wort „deutsch“ dabei ist!)


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(C (D ch möchte lediglich auf zwei Sachverhalte hinweisen. er eine ist: Der jetzige Verkehrshaushalt liegt 1,5 Miliarden Euro über dem, was Sie 1998 eingestellt hatten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Falsche Zahlen werden auch nicht durch ständiges Wiederholen richtiger!)


er andere ist: Nicht das Ministerium verlängert die Ver-
räge mit Herrn Mehdorn. Vielleicht erkundigen Sie sich
inmal, wer dafür zuständig ist. Das Ministerium ist es
edenfalls nicht.
1994 ist die Bahnreform mit großer Einigkeit verab-

chiedet worden. Man war sich über die Ziele einig. Es
andelt sich übrigens nicht um zwei, sondern um vier
iele. Das erste Ziel war die Umwandlung der Sonder-
ermögen „Deutsche Bundesbahn“ und „Deutsche
eichsbahn“ in ein privatrechtlich geführtes, gewinn-
rientiertes Wirtschaftsunternehmen. Das zweite Ziel
ar die Entlastung der Steuerzahler. Das dritte Ziel war
ie Verhinderung weiterer Marktanteilsverluste der Bahn
m Personen- und im Güterverkehr. Das vierte Ziel war
ie Öffnung des DB-Netzes für andere Eisenbahnunter-
ehmen zu diskriminierungsfreien Bedingungen.
Letztlich ist das ein Beschluss gewesen, um den Nie-

ergang der Bahn bzw. der Bahnen zu stoppen. Das ist
ein deutsches Phänomen. Aber wir haben mit der Bahn-
eform, denke ich, sehr konsequent und richtig darauf
eagiert. Jedenfalls geben uns die Ergebnisse und die
roduktivität Recht; denn beide haben sich positiv ent-
ickelt.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Sie sollen sagen, was Sie nicht gemacht haben!)


ch weiß nicht, woher Sie Ihre Zahlen haben, Herr
ippold. Aber seit der Bahnreform weisen der Personen-
erkehr ein Plus von 11 Prozent und der Güterverkehr ein
lus von 13 Prozent auf. Ich möchte auch die Arbeitspro-
uktivität besonders herausstellen, die um ungefähr
50 Prozent gestiegen ist. Deshalb sollte man großen Re-
pekt vor den Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern ha-
en.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ennen Sie mir nur ein Unternehmen, das so etwas in
ieser kurzen Zeit geschafft hat!
Die Verkehrsleistungen sind im Personenverkehr ge-

tiegen. Im Güterverkehr ist die Entwicklung allerdings
inter unseren Erwartungen zurückgeblieben. Das liegt
n der besonderen Konkurrenzsituation in diesem Be-
eich. Aber auch hier bewegt sich einiges. Schauen Sie
ich einmal genau an, was es in diesem Bereich außer
er DB noch alles gibt! Besonders die so genannten Pri-
aten sind hier im Kommen. Auch im Bereich des kom-
inierten Verkehrs kann sich das, was sich im Moment
ntwickelt, sehen lassen. Es ist auch ein Ergebnis der
msetzung der vier Ziele, dass wir die Voraussetzungen
ür den Wettbewerb auf der Schiene geschaffen haben.
arüber sollten Sie einmal nachdenken. Nennen Sie mir
ur ein Land in Europa, das mehr Verkehrsunternehmen






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretärin Angelika Mertens

im Netzbereich vorzuweisen hat! Ich glaube, dass Sie
keines finden werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die parlamentarische, aber auch die außerparlamenta-
rische Auseinandersetzung mit der Bahn lässt den Ver-
dacht aufkommen, dass die Vaterschaft bzw. die Mutter-
schaft der Bahnreform infrage gestellt werden und dass
die Debatte immer kleinkarierter wird. Ich möchte nichts
beschönigen. Die Bahn muss in der Tat besser werden.
Man ist sich logischerweise des Beifalls der Öffentlich-
keit sicher, wenn man über seine Erlebnisse mit der
Bahn bzw. den Bahnen berichtet. Ich ärgere mich ge-
nauso. Vom Kunden kann man nicht erwarten, dass er
hier differenziert. Aber wir können das sehr wohl und
sollten es auch tun.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eigentlich sollte es völlig egal sein, um welchen Ver-
kehrsträger es geht, ob um das Flugzeug, die Bahn oder
den Bus. Ich habe aber manchmal den Eindruck, dass
wir das, was im Luftverkehr schief geht, in der Regel
sehr viel gelassener hinnehmen.
Fachleute hingegen können unterscheiden: Liegt es am
Material, sind es Kapazitätsengpässe, sind es Reparatu-
ren, ist es die DFS oder ist es die DB Netz AG, ist es ein
Managementfehler oder ist es einfach nur Schlamperei?

Schnell, bequem, kostengünstig und zuverlässig: Das
sind die Ansprüche, die an das Transportmittel Bahn ge-
stellt werden. Diese Ansprüche zu erfüllen ist auch das
Ziel, dem die Bahn näher kommen muss. Kein Trans-
portmittel wird jemals perfekt funktionieren, das wissen
wir; dazu gibt es viel zu viele äußere Einflüsse.

Wir haben auf die Anfrage der CDU/CSU umfassend
geantwortet. Wir haben unsere Karten im Sinne der
Bahnreform auf den Tisch gelegt.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Viel ist da nicht drin!)


Wir wollen, dass die DB AG zu einem erfolgreichen
europäischen Mobilitäts- und Logistikdienstleister
wird. Dazu gehört als nächster Schritt auch die Kapital-
marktfähigkeit. Ob Sie das wollen, wird – auch nach Ih-
rem Beitrag – immer unklarer.

Ich kann nur sagen: Kein französischer Politiker
käme auf die Idee, die SNCF so runterzureden, wie Sie
das zurzeit bei der Bahn tun.


(Beifall bei der SPD – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Sie runterzuwirtschaften, wie Sie das tun, ist noch schlimmer!)


Das, was Sie machen, hat auch mit konstruktiver Kritik
wenig zu tun.

Zum FDP-Antrag will ich gerne noch sagen: Die Füh-
rungsorganisation des Unternehmensbereiches Perso-
nenverkehr ist eine Reaktion auf die Anforderungen des
Marktes. Die FDP ist doch angeblich eine Wirtschafts-
partei; das sollte für Sie also eigentlich nichts Neues

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(C (D ein. Sie können ganz beruhigt sein, die organisatorische nd die rechnerische Trennung der Unternehmensbereihe nach § 25 Bahngründungsgesetz sind in keiner eise verletzt. Opposition ist bekanntlich jener erkenntnisfördernde ustand, in dem eine Partei zu der Einsicht kommt, dass issstände, die während ihrer eigenen Regierungszeit u klein und unbedeutend waren, nun wirklich überhand ehmen. (Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das sagt die Richtige!)


err Lippold, Sie haben die Harmonisierung in der fis-
alischen Belastung angesprochen. Als Sie an der Re-
ierung waren, hatten Sie wirklich genügend Zeit, das zu
ndern.


(Ludwig Stiegler [SPD]: 16 zu lange Jahre!)

s ist natürlich Ihr gutes Recht, als Opposition so zu rea-
ieren. Ich kann nur sagen: Sie sollten in Ihrem eigenen
nteresse den Anschluss – vor allen Dingen den europäi-
chen Anschluss –, was die Bahn angeht, nicht verlieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das kann es ja wohl nicht gewesen sein!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506608300

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Horst Friedrich.


Horst Friedrich (FDP):
Rede ID: ID1506608400

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

egen! Lassen Sie mich mit einer kurzen persönlichen
rklärung beginnen. Sie haben vielleicht mit verfolgt,
ass jemand versucht hat, Mitglieder des Parlamentes
or Gericht an bestimmten Aussagen zu hindern. Dank
hrer Unterstützung und auch Dank der Unterstützung
es Bundestagspräsidenten, für die ich mich ganz aus-
rücklich bedanke, hat die Bahn die Klage mittlerweile
urückgenommen. Ich darf also weiterhin sagen, was ich
ill, hier sowieso und auch draußen. Nochmals herzli-
hen Dank für Ihre Unterstützung in jederlei Hinsicht!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das war es jetzt allerdings mit der Freundlichkeit,

ehr verehrte Frau Staatssekretärin; denn das, was Sie
ier vor dem Hintergrund einer Evaluierung nach zehn
ahren Bahnreform geboten haben, war eigentlich nichts
nderes als Pfeifen im Walde. Sie haben nichts dazu ge-
agt, was die Bundesregierung vorhat. Das erinnert einen
och ziemlich signifikant an das Verhalten, das Sie bei
er Maut dargeboten haben. Auch da sind wir von Ihnen
eschimpft worden, wir sollten doch das Mautsystem
icht schlechtreden und die Firmen um Gottes Willen
icht madig machen. Und was haben wir jetzt für ein
roblem? Jetzt, nachdem es zu spät ist und das Kind in
en Brunnen gefallen ist, fangen Sie an, uns vorzuwer-
en, wir würden die Bahn – bei der es ähnlich läuft –
chlechtreden. Wie blauäugig sind Sie eigentlich in Ih-
em Regierungsturm, sehr verehrte Frau Staatssekretä-






(A) )



(B) )


Horst Friedrich (Bayreuth)


rin, dass Sie sich trauen, so etwas hier im Bundestag zu
erklären?


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, es ist doch richtig, jetzt,

nach zehn Jahren, Bilanz zu ziehen und zu hinterfragen:
Was wollte man mit der Bahnreform erreichen? Wo ste-
hen wir? Was hat der Steuerzahler bisher gezahlt, was ist
die Aufgabe der Bundesregierung und was ist die Auf-
gabe des Parlamentes? Als Erstes kann man sicherlich
feststellen, dass die Bundesregierung vorrangig nicht die
Aufgabe hat, auf die Schalmeienklänge aus dem Bahn-
tower vom Potsdamer Platz hereinzufallen; denn sonst
erlebt sie das Gleiche wie bei der Maut.


(Beifall bei der FDP)

Wenn man aber selbst nicht weiß, was man will, dann ist
man ja vielleicht froh, wenn man wie beim Rattenfänger
von Hameln – ihm sind die Kinder auch hinterhergelau-
fen, ohne zu wissen, was sie machen – Schalmeienklän-
gen folgen kann.

Fakt ist: Der deutsche Steuerzahler hat für die Bahn-
reform seit ihrem Beginn 177 Milliarden Euro bezahlt.
Davon sind dem Unternehmen Deutsche Bahn circa
100 Milliarden Euro im Wesentlichen für die Erreichung
von zwei Zielen zur Verfügung gestellt worden, nämlich
erstens mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen und
zweitens die Belastung für den Haushalt zu reduzie-
ren. Keines von den beiden Zielen ist erreicht worden.

Frau Mertens, wenn Sie unseren Verkehrszahlen nicht
glauben, dann empfehle ich Ihnen, in Ihr Buch „Verkehr
in Zahlen 2001/2002“ zu schauen. Das haben Sie ja ver-
öffentlicht. Darin steht etwas anderes als das, was Sie
hier vorgetragen haben. Die Belastung für den Haushalt
ist auf der historischen Höhe – bezogen auf die Zeit, seit
die Bahn im Haushalt aufgeführt wird – von 18,6 Mil-
liarden Euro angelangt. Das ist zwar nicht alles der Bahn
zuzurechnen; aber es ist eine Belastung für den Steuer-
zahler. Das muss einmal deutlich gesagt werden: Das
zweite Ziel ist auch nicht erreicht worden.

Deswegen ist es jetzt wichtig, zu sagen, was wir brau-
chen. Zuallererst muss allen Entscheidungen – auch bei
den Träumen über den Börsengang – die Einsicht zu-
grunde liegen, dass das von Gesetzes wegen Notwendige
ohne die rechtzeitige Mitwirkung des Bundestages gar
nicht auf den Weg gebracht werden kann; denn sonst
passiert Ihnen das gleiche Desaster wie bei der Maut.

Hinsichtlich der Bahnreform muss zunächst einmal
auch als Voraussetzung für vernünftiges Controlling –
eine schonungslose Bilanz vorgenommen werden. Das
heißt, Sie können nicht die Zahlen von Herrn Sack,
Herrn Mehdorn oder von wem auch immer kritiklos ent-
gegennehmen. Es müssen andere Institutionen – etwa
eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft – mit diesen Zah-
len arbeiten, um dann sagen zu können, wie sich die Si-
tuation tatsächlich darstellt.

Es muss für uns klar sein, dass die Bahnreform auf
eine Trennung des Transportbereiches vom Infra-
strukturbereich angelegt war. Das Ziel ist also, dass der

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(C (D ransportbereich – das ist keine staatliche Aufgabe – an en Markt gebracht wird. Ein bisschen Privatisierung ührt hier mit Sicherheit nicht weiter. Sehr verehrte Frau Staatssekretärin, ein Börsengang er Deutschen Bahn inklusive Netz AG würde vorausetzen, dass der Bund eventuellen Privatinvestoren für inen Zeitraum von schätzungsweise 15 Jahren garantieen müsste, jährlich Investitionen in Höhe von 4 bis Milliarden Euro zu übernehmen. Ich glaube nicht, dass ie dazu in der Lage sind, eine entsprechende verbindlihe Erklärung abzugeben. Das macht signifikant deutich, wie unsinnig ein Börsengang der DB inklusive Netz G ist. Das heißt im Umkehrschluss: Es ist notwendig, den erbleibenden DB-Konzern auf das Netz und diejenigen inrichtungen zu reduzieren, die für Wettbewerber notendig sind, damit sie diskriminierungsfrei das Netz utzen können, sodass Wettbewerb stattfinden kann. ettbewerb findet nicht statt, indem man die Zahl der öglichen Wettbewerber nennt, sondern indem man das arktpotenzial, das sie bisher abdecken, betrachtet. ann ergibt sich ein ganz anderes Bild. Es muss damit chluss sein, dass die Netz AG ihren Auftrag mit „disriminierungsfreiem Warten auf Trassenkunden“ erfüllt nd das vorhandene Netz nicht aktiv und intensiv verarktet. Die DB Netz AG muss europäisch ausgerichtet sein, amit das „Verhinderungswarten“ an den Grenzen ein nde hat und ein Durchbruch auf europäischer Ebene erolgen kann. Der Transportbereich – das muss man noch inmal deutlich sagen – muss mittelfristig materiell priatisiert werden. Nur dann wird die ganze Sache rund. as ist ein Ziel unserer Bahnpolitik. Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, Sie wären gut be aten, wenn Sie dieses Mal – mit der Opposition – rechteitig den richtigen Pfad einschlagen. Seien Sie bezügich der Bahn bereit – Sie haben ja bei der Maut ewiesen, dass Sie es nicht können –, auf uns zuzugeen. Ansonsten müssen wir Sie genauso wie bei der aut vorführen. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ali Schmidt. Albert Schmidt RÜNEN)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506608500
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Fast zehn Jahre nach der Bahnreform wird es
n der Tat allmählich Zeit, sich ernsthaft mit einer Zwi-
chenbilanz zu beschäftigen. Dies sollte ohne Polemik
eschehen; ich will auch sagen, warum.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das sagt ein Grüner!)







(A) )



(B) )


Albert Schmidt (Ingolstadt)


– Das sind Sie von mir vielleicht nicht gewöhnt, aber ich
kann auch so; lieber Kollege, Sie werden sich wundern.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Da sind wir sicher einig! Wer macht Polemik?)


Die Bahnreform wurde 1993/94 – ich war damals
noch nicht Mitglied dieses Hauses, aber viele der Anwe-
senden werden es noch aus eigenem Erleben wissen – als
konsensuales Projekt betrieben und beschlossen. Das hat
sich bewährt. Eine grundlegende Reform eines Bundes-
unternehmens in dieser Größenordnung kann eigentlich
nur im Konsens umgesetzt werden, ja, sie muss so umge-
setzt werden.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Da stimme ich ausdrücklich zu!)


Das schließt eine kritische Diskussion nicht aus.
Die heutige Diskussion im Bundestag anlässlich der

Großen Anfrage der Unionsfraktionen und der Anträge
der FDP-Fraktion kann eigentlich nur ein Auftakt zu der
Zwischenbilanz sein, die wir im Parlament brauchen.
Wir brauchen eine vertiefte Diskussion, aber auch eine
externe Evaluation dessen – der Kollege Horst Friedrich
hat es schon kurz angesprochen –, was das Unternehmen
aus unternehmerischer Sicht bisher geschafft hat, was
noch nicht, was verbesserungsbedürftig ist, woran das
liegt usw.

Ich möchte den Einstieg in diese Diskussion heute
nutzen, um wenigstens kurz auf die aktuellen Kernfra-
ge
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1506608600
Vorrangi-
ges Ziel der Bahnreform 1993/94 war, ist und bleibt es,
mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Der Fortgang
der Bahnreform ist nach der geltenden Rechtslage vom
Eigentümer Bund, von den zuständigen Gremien, vom
Parlament zu gestalten. Hier hat aus meiner Sicht ganz
klar das Primat der Verkehrspolitik zu gelten. Wir sollten
den weiteren Fortgang der Bahnreform nicht ausschließ-
lich unter fiskalischen oder sonst irgendwelchen Erwä-
gungen, sondern gezielt auch unter verkehrspolitischen
Erwägungen und Zielsetzungen diskutieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Eduard Oswald [CDU/ CSU]: Das ist sehr wahr!)


Das gilt meines Erachtens auch für die Frage einer
möglichen Privatisierung oder Teilprivatisierung des
Konzerns, in welcher Konstruktion auch immer. Wir
sollten uns von niemandem Zeitpläne diktieren lassen.
Wir sollten uns von niemandem Zielvorgaben machen
lassen, denen wir als Parlament dann gleichsam hinter-
herzuhecheln haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


So etwas sollten wir aus Gründen der Selbstachtung,
aber auch aus sachlichen Gründen nicht mitmachen. Die
Bahn als Unternehmen, aber auch der Schienenverkehr
generell haben nur dann eine aussichtsreiche Chance,

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(C (D enn die Wettbewerbsbedingungen stimmen. Herr Kolege Lippold, es ist schon richtig gesagt worden – das ist berhaupt keine Frage –: Es ist noch viel nachzuholen. ch möchte auch gar nicht darüber streiten, wer das jeeils verursacht hat, was Sie versäumt haben oder was uch wir noch nicht geschafft haben. Eine Randbemerkung kann ich mir heute aber nicht erkneifen. Ich sage sie in allem Ernst und richte sie raktionsübergreifend an alle. Schauen Sie sich das, was wei Herren unter der Überschrift Koch/Steinbrückapier über den Schienenverkehr, über die Bahn insbeondere, aber auch über den straßengebundenen ÖPNV aben aufschreiben lassen, bitte ganz genau und auch orurteilsfrei an! Da kann man nicht davon sprechen, ass man mit einem Rasenmäher drübergegangen ist; da st die Axt an die Wurzeln des öffentlichen Verkehrs in eutschland gelegt worden. Nach der Vorstellung der eiden Herren sollen von 15,8 Milliarden Euro, die über rei Jahre eingespart werden sollen, allein 4,4 Milliarden uro aus dem Bereich öffentlicher Verkehr, aus Regioalisierungsmitteln, aus Zuschüssen für den ÖPNV, aus nvestivmitteln für den Schienenbau kommen. Das sind berhaupt keine Investitionen; (Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: „Keine Subventionen“, wolltest du sagen!)


as ist der Schienenbautitel. Da könnten wir genauso gut
ordern, den Straßenbautitel zu kürzen, um Subventio-
en – in Anführungszeichen – einzusparen. Liebe Freun-
innen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen,
as kann niemals Grundlage unserer gemeinsamen ver-
ehrspolitischen Überzeugung werden; denn sonst kön-
en wir uns hier verabschieden und können unser Pro-
ramm gleich bei den „Finanzern“ abgeben nach dem
otto: Verkehrspolitik findet nicht mehr statt, es sei
enn, als Sparschwein der Nation. – Ich wäre strikt dage-
en.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nach dieser Randbemerkung möchte ich auf den
unkt zu sprechen kommen, um den es in diesen Tagen
nd Wochen eigentlich geht und um den es sicherlich
uch in den nächsten Monaten noch gehen wird, nämlich
ie Zukunft des Unternehmens, die Frage, wie es aufge-
tellt werden soll. In den zuständigen Gremien in unserer
raktion haben wir in diesen Tagen eine Art Grundsatz-
eschluss gefasst, den ich hier für meine Fraktion vortra-
en möchte. Was auch immer im Fortgang der Entwick-
ung mit der Bahn als Unternehmen geschieht, muss
ach unserer Auffassung dem Grundsatz folgen, der in
rt. 87 e Grundgesetz festgelegt ist und der auch im Ko-
litionsvertrag so festgehalten ist, nämlich dass das Ei-
entum am Streckennetz beim Bund, in der öffentlichen
and, zu verbleiben hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist keine Frage der Ideologie oder der Grundüber-
eugung, sondern eine Frage nüchterner Analyse. Wenn






(A) )



(B) )


Albert Schmidt (Ingolstadt)


das Streckennetz materiell privatisiert würde, wenn es
also verkauft oder in welcher Konstruktion auch immer
den Eigentümer wechseln würde, und sei es nur teil-
weise, dann hätten wir nicht nur die merkwürdige Kon-
struktion, dass der Staat dem Shareholder über Jahre mit
Steuermilliarden eine Rendite garantieren würde – das
nur am Rande –, sondern auch die Diskussion darüber,
welches Netz sich private Shareholder überhaupt leisten
wollen. Ich sage Ihnen voraus, was dann passieren
würde: Dann würde das Streckennetz Kilometer für Ki-
lometer verschwinden; denn unrentable Strecken würden
sofort stillgelegt, der Rest nach und nach.

Die öffentliche Infrastruktur Schiene eignet sich
nicht als Renditeobjekt, genauso wenig wie die Infra-
struktur Straße. Das zu missachten war der Kernfehler
der misslungenen britischen Bahnreform, die den briti-
schen Steuerzahler nun teuer zu stehen kommt, nachdem
der Staat das Netz zurückkaufen musste und jetzt die un-
terbliebenen Investitionen abarbeiten muss.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist auch unsere Position!)


Diesen britischen Fehler, in welcher Variante auch im-
mer, sollten wir in Deutschland nicht wiederholen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deswegen geht es für mich unter der Überschrift
„Börsengang“ weder um eine Volksaktie à la Telekom
– das ist sowieso ein großes Missverständnis – noch da-
rum, einen Anteil von 10, 15, 20 oder 25 Prozent des
Konzerns zu veräußern. Kapitalmarktfähigkeit ist etwas
anderes als ein schierer Notverkauf. Kapitalmarktfähig-
keit verlangt bestimmte Voraussetzungen im Hinblick
auf das Verhältnis des Eigenkapitals zum Fremdkapital,
auf ROCE und EBITDA – man kennt die Stichworte aus
der Bilanzsprache. Keine dieser Voraussetzungen ist bis-
her erfüllt. Das Ergebnis wären zu wenig Reinvestitio-
nen ins Netz und letztlich eine Vernachlässigung des
grundgesetzlichen Auftrags, für eine gemeinwohlorien-
tierte Schieneninfrastruktur zu sorgen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Auftrag
an uns, nicht an das Unternehmen. Das Unternehmen hat
keinen Gemeinwohlauftrag. Aber wir als Eigentümer,
als Politik haben diesen Auftrag. Wir sollten ihn auch in
Zukunft gemeinsam ernst nehmen.


(Beifall im ganzen Hause – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Da hat er Recht! Mit diesen Aussagen muss sich die Regierung beschäftigen!)


Ich komme auch schon zum Schluss. Wenn das Stre-
ckennetz nicht privatisiert werden soll, dann bleiben für
die durchaus sinnvolle und aus meiner Sicht sogar er-
wünschte Hereinnahme privaten Kapitals in das Unter-
nehmen im Grunde nur die Transportgesellschaften üb-
rig, in welcher Form auch immer. Ich bitte Sie, ernsthaft
zu prüfen – lassen Sie uns das in den nächsten Wochen
und Monaten in einer ideologiefreien Debatte vertie-
fen –, ob vorstellbar ist, dass der Bund seine Eigentü-
merschaft für das Netz und die Infrastruktur im Rahmen

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(C (D iner entsprechenden Gesellschaft wahrnimmt – sie uss gar nicht groß sein –, den Job der Bewirtschaftung, ntwicklung, Vorhaltung und Modernisierung dieses etzes aber denen überträgt, die etwas davon verstehen, ämlich zum Beispiel der DB Netz AG. (Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das muss nicht sein!)


Das muss nicht sein, aber das könnte man in einem
ertrag tun. Dann hätte man ein klares Verhältnis zwi-
chen Eigentümer und Auftragnehmer, wie wir es von
er Verkehrsbestellung im Rahmen der Regionalisierung
ennen.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Ich weiß schon, warum er im Aufsichtsrat der Bahn immer angeeckt ist!)


ann ist klar, wer zu sagen hat, wie das Netz aussieht,
ie groß es ist und –

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506608700

Herr Kollege, Sie wollten zum Schluss kommen.
Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE
RÜNEN):
ich komme zum letzten Satz, Frau Präsidentin – wie
iel Geld uns das jedes Jahr wert ist. Dann können wir
ber Verträge reden, ohne den technisch-operativen Zu-
ammenhang zwischen Netz und Betrieb infrage stellen
u müssen.
Wir sind am Anfang der Diskussion. Ich bin über-

eugt, dass wir hier mehr Übereinstimmung als Dissens
aben werden.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Die einen sagen dies, die anderen jenes!)


eshalb freue ich mich auf den Fortgang dieser kon-
truktiven Debatte.
Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506608800

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Eduard Lintner.

Eduard Lintner (CSU):
Rede ID: ID1506608900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
ollege Schmidt, ich stelle mit wohlwollendem Erstau-
en fest, dass Sie mit Ihren bahnpolitischen Vorstellun-
en mittlerweile zu hundert Prozent bei der Union ange-
ommen sind. Diesen Erkenntnisprozess kann man
atürlich nur begrüßen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dennoch muss die Eisenbahnpolitik dieser Bundesre-

ierung als ein folgenschweres Trauerspiel bezeichnet
erden. Was 1994 unter dem Stichwort „Bahnreform“
emeinsam auf den Weg gebracht worden ist, droht nun,
rau Staatssekretärin, endgültig zum Fiasko zu werden.






(A) )



(B) )


Eduard Lintner

Ich kann mich immer noch nicht darüber beruhigen, dass
Sie es gewagt haben, solche Zahlen in den Raum zu stel-
len. Es müsste eigentlich von jemandem aus dem Ver-
kehrsministerium verlangt werden können, dass er hier
echte und belastbare Angaben macht und sich beispiels-
weise an die Erkenntnisse in Bezug auf Verkehrsanteile
und -entwicklung bei der Schiene hält, die sein Ministe-
rium uns selbst mitgeteilt hat. Sich einfach hier hinzu-
stellen und flapsig zu sagen, es sei alles in Butter und
habe sich bestens entwickelt, ist einfach zu wenig.

Wenn Sie bei der Klausurtagung Ihrer eigenen Frak-
tion dabei gewesen wären und etwa das Eckpunktepapier
der entsprechenden SPD-Arbeitsgruppe noch einmal zur
Hand genommen hätten, dann hätten Sie hier eine solche
inkompetente Aussage nicht machen dürfen. Da werden
nämlich die ganzen Defizite der Bahnpolitik aufgelistet;
ich will sie jetzt nicht im Einzelnen vorlesen, sondern
nur darauf verweisen, dass dort zwischen den Zeilen in
einer etwas gewundenen und umständlichen Form einge-
räumt wird, dass die Gestaltung der Bahnpolitik an den
Vorstand der Deutschen Bahn abgegeben worden ist.
Denn in der „DVZ“ findet sich in der Darstellung der
Forderungen der SPD-Arbeitsgruppe die Überschrift:
„DB-Börsenpläne müssen sich der Politik unterordnen“.
Dahinter steckt doch wohl die Erkenntnis, dass die ent-
sprechenden Kompetenzen mittlerweile vom Ministe-
rium zur Bahn gewandert sind und jetzt erst wieder müh-
sam zurückgewonnen werden sollen.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Der Bahnchef ist nicht Verkehrsminister! Das muss man doch einmal festhalten!)


Meine Damen und Herren, es ist schon darauf hinge-
wiesen worden, dass die Hauptziele der Bahnreform lei-
der bis heute nicht erreicht worden sind. Es stellt nach
wie vor ein ungelöstes Problem dar, wie die Zielsetzung,
mehr Personen- und Güterverkehr auf die Schiene zu
bringen, erreicht werden kann. Der Kollege Lippold hat
die derzeitige Situation schon mit genauen Zahlen exakt
dargestellt. Ich möchte es aber aufgrund des Zahlen-
werks, das Sie dargeboten haben, noch einmal für das
Protokoll erwähnen: Wir haben beispielsweise zu bekla-
gen, dass der Anteil des Verkehrsträgers Schiene am
Güterverkehr seit der Bahnreform von 17 auf 14 Prozent
zurückgegangen ist. Diese Erkenntnis liegt sicher auch
in Ihrem Haus vor.

Fatal ist an dieser ganzen Entwicklung insbesondere,
dass damit Perspektiven für die Bahn verloren gehen.
Die Bahn geht ja davon aus, dass sie bis 2007 ein jährli-
ches Durchschnittswachstum von 4,9 Prozent erreichen
könne. Für dieses Jahr hatte sie sogar ein Wachstum von
9,9 Prozent


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Im Fernverkehr!)


– im Personenfernverkehr – erwartet. Nur, das ist jetzt
leider nicht eingetreten, warum auch immer. Die Folge
davon ist aber, dass wir von dem Ziel Börsengang wei-
ter weg sind denn je, eher bewegen wir uns genau in die
entgegengesetzte Richtung. Deshalb ist eigentlich die
Diskussion um Börsenpläne und dergleichen eine Phan-

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(C (D omdiskussion, die mit der Wirklichkeit in unserem ande und dem wirklichen Zustand der DB AG überaupt nichts zu tun hat. Ich möchte auch davor warnen, zu glauben, dass der ür 2004 vorausgesagte Gewinn – ob er denn kommt, arten wir einmal ab – das entscheidende Kriterium für ie Börsenfähigkeit der Bahn sei. Das ist vielleicht ein inweis, ein Punkt in einem Katalog weiterer Erwartunen und Anforderungen. Ich kann mir nicht vorstellen, ass sich private Investoren davon täuschen lassen, dass 004 ein Gewinn erzielt wird, der dadurch zustande ommt, dass vorweg schon einige andere Dinge gemacht orden sind. Vielmehr werden eine verlässliche positive ntwicklung und eine effektive Verzinsung des eingeetzten Kapitals auf Jahre hin erwartet und nicht nur irendwelche kurzlebigen Effekte. Da hat die Bahn – das st auch schon mehrfach betont worden – leider wenig ositives zu bieten. Unsere Aufgabe hier ist es aber nun – deshalb will ich ich nun nicht zu sehr mit der Bahn bzw. ihrem Vortandsvorsitzenden beschäftigen –, daran zu erinnern, ass letztlich der Bund sowohl unter verkehrspolitischen esichtspunkten als auch als Alleineigentümer diese faale Entwicklung zu verantworten hat. Sie hätten rechteitig einschreiten und Vorgaben machen müssen. Sie ätten sich durchsetzen müssen und bei dieser Entwickung nicht einfach zuschauen dürfen. Da liegt der eigentliche politische Skandal in dieser ituation. Dass Herr Mehdorn mit Händen und Füßen ür seine Sache kämpft, steht ihm zu und ist im Grunde enommen sogar seine Aufgabe. Aber dass die Bundesegierung die verkehrspolitischen Zielsetzungen aus dem uge verloren und nichts getan hat, um diese Dinge in ie richtige Richtung zu lenken, das haben wir zu kritiieren. In einem Punkt kann ich Herrn Schmidt nur Recht ge en: Solange Betrieb und Netz nicht getrennt sind, wird ich die Bahn sehr schwer tun, ihren Börsengang zu oranisieren. (Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das habe auch ich schon gesagt!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Kollege Friedrich hat es auch gesagt.

(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Noch vor Herrn Schmidt!)

enn welcher private Investor lacht sich ein Netz an,
ei dem von vornherein feststeht, dass außer einem stän-
igen Zuschuss in der Größenordnung von 4 oder 5 Mil-
iarden Euro pro Jahr nichts zu erwarten ist?
Ich weise auch auf Folgendes hin – gestern gab es im

usammenhang mit Toll Collect eine analoge Diskus-
ion –: Die Bundesregierung sollte sich nicht täuschen;
ie ist nicht in der Lage, über Jahre Finanzzusagen in
ieser Größenordnung zu machen. Falls Sie damit lieb-
ugeln sollten, Investoren 4 oder 5 Milliarden Euro jähr-
ich zu versprechen, kann ich nur sagen: Eine solche Zu-






(A) )



(B) )


Eduard Lintner

sage können Sie schon rein haushaltsrechtlich nicht
machen; denn Sie können das Parlament nicht in seiner
Entscheidungsfreiheit binden.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Außer per Vertrag!)


Deshalb bitte ich Sie, gar nicht erst mit diesem Gedan-
ken zu spielen, wie es gelegentlich zu lesen war.

In jedem Fall habe ich den Eindruck, dass uns die
Bahnreform noch viele Jahre begleiten wird. Von einem
Abschluss der Bahnreform, von dem man aus DB-Krei-
sen hört, kann überhaupt keine Rede sein. Ich glaube,
wir tun alle gut daran und tun auch der Sache einen Ge-
fallen, wenn wir jetzt eine Art Zwischenbilanz durch un-
abhängige Sachverständige ziehen lassen und uns dann
auf der Basis dieser Erkenntnisse mit dieser Frage seriös
und ohne Polemik beschäftigen. Das ist unser Ziel.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506609000

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Karin Rehbock-

Zureich.


Karin Rehbock-Zureich (SPD):
Rede ID: ID1506609100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Lintner, ich greife Ihren letzten Satz auf. Wenn Sie
sagen, dass wir uns „seriös und ohne Polemik“ mit der
Sache beschäftigen sollten, dann haben Sie damit sicher
nicht Ihre heutige Rede oder die Anmerkungen vieler Ih-
rer Kollegen gemeint. Ich bin schon der Meinung, dass
wir uns seriös und ohne Polemik mit der Weiterführung
der Bahnreform beschäftigen und Bilanz ziehen sollten.
Aber das, was Sie heute hier geboten haben, ist von einer
seriösen Bewertung weit entfernt.

Sie sagen – das ist ein Punkt, auf dem wir aufbauen
sollten –, unser gemeinsames wichtigstes Ziel bei der
Bahnreform sei, mehr Verkehr auf die Schiene zu brin-
gen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie aber haben dieses Ziel in den letzten Jahren Ihrer Re-
gierungszeit völlig vernachlässigt.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist leider wahr! – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Oh! – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD]: Alles vergessen? Der Friedrich, der Friedrich, der ist ein großer Liederich! – Eduard Oswald [CDU/ CSU]: Wer nur von der Vergangenheit redet, vernebelt die Gegenwart!)


Die Investitionsmittel, die Sie zur Verfügung gestellt ha-
ben, waren in keiner Weise ausreichend, um diesem Ziel
näher zu kommen. Auch wenn es für Sie lästig ist, hier
immer wieder daran erinnert zu werden, ist es eine Tat-

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(C (D ache: Erst seit 1998 haben wir eine verlässliche Finanzusstattung. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das sieht man! Deswegen beschwert sich Herr Mehdorn schon öffentlich, dass er nicht mehr genug Geld bekommt!)


rotz der schwierigen Lage werden wir im Haushalt
004 und in den Folgejahren Investitionsmittel für die
ahn bereitstellen. Im Jahr 2004 sind es 4 Milliarden
uro.
Wir sind tatsächlich an einem Punkt, an dem wir uns

emeinsam Gedanken machen müssen. Sie müssen sich
azu äußern, ob Sie den Verkehrsträger Schiene in der
ukunft als einen wichtigen Verkehrsträger in dieser Re-
ublik wollen. Wenn das so ist, dann müssen Sie gewisse
inge mit uns gemeinsam auf den Weg bringen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Die Diskussion hätte so schön werden können! Die Rede passt überhaupt nicht ins Bild!)


enn Sie sich aber in der Diskussion über die Maut da-
in gehend äußern, dass Sie die dadurch aufkommenden
ittel am liebsten ausschließlich in den Verkehrsträger
traße zurückfließen lassen würden, dann habe ich die
llergrößten Bedenken, ob Sie in Zukunft wirklich ernst-
aft über den Verkehrsträger Schiene reden wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Zunächst einmal wäre es wichtig, die Mauteinnahmen überhaupt zu haben, Frau Kollegin! Bevor man sie verteilt, muss man sie erst haben! – Dr. Klaus W. Lippold [Offenbach] [CDU/CSU]: Kennen Sie eigentlich die europäische Entwicklung?)


Wenn wir schon über gemeinsame Grundlagen reden,
ann müssen auch faire Wettbewerbsbedingungen auf
em Schienennetz, die diskriminierungsfrei zu garantie-
en sind, angesprochen werden. Wir haben die Weiter-
ntwicklung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes auf
en Weg gebracht, um für alle Mitbewerber auf der
chiene diese fairen Wettbewerbsbedingungen zu ge-
ährleisten.
Im Übrigen gibt es auf dem deutschen Schienennetz

m Bereich Güterverkehr schon 250 private Unterneh-
en. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an unseren
esuch in Frankreich, liebe Kolleginnen und Kollegen
on der Opposition. Da ist ganz deutlich geworden, dass
ir, was die Netzöffnung angeht, in Europa am weites-
en sind.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


ies kann aber keine Einbahnstraße bleiben. Wir müssen
ielmehr dafür sorgen, dass die Netzöffnung in ganz
uropa vorangetrieben wird.
Eine ausreichende finanzielle Ausstattung der

chiene vonseiten des Bundes bedeutet aber nicht, dass






(A) )



(B) )


Karin Rehbock-Zureich

keine Investitionsmittel vonseiten der DB AG selbst flie-
ßen müssen. Es kann nämlich nicht sein, dass der Bund
als Erster zu Hilfe gerufen wird, wenn sich die DB AG
in einer schwierigen Lage befindet.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wie denn jetzt? Verstetigung der Investitionsmittel haben Sie doch selber gefordert! Was wollen Sie eigentlich?)


Ich möchte nun auf die Diskussion der vergangenen
Wochen eingehen. Ziel muss es sein, mehr Verkehr auf
die Schiene zu bringen. Wir brauchen also auch in Zu-
kunft ein flächendeckendes Schienennetz. Dazu sind
Transparenz und Netzöffnung nötig. Aus meiner Sicht
sind wir weit von einem Börsengang entfernt – das
sollte man in zukünftigen Diskussionen beachten –, so-
lange die Kapitalmarktfähigkeit der DB AG nicht ausrei-
chend ist. Vor einem Börsengang müssen wichtige Vo-
raussetzungen erfüllt sein.

Wir sollten in den kommenden Monaten eine Bilanz
der Bahnreform ziehen und eine Weiterentwicklung die-
ser Reform ernsthaft diskutieren. Ich verweise in diesem
Zusammenhang auf Art. 87 e des Grundgesetzes. Dort
sind Festlegungen getroffen, die Auswirkungen auf die
Größe und auf die Standards des Netzes der Zukunft ha-
ben. Auch nach einem Börsengang muss gewährleistet
sein, dass der Bund zumindest mittelbar Eigentümer des
Schienennetzes bleibt. Die Verantwortung des Bundes
für dieses Schienennetz muss also bestehen bleiben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte die alte Diskussion über die Trennung von
Netz und Betrieb, die es in den vergangenen zwei Jahren
gab und die – ich es will einmal so sagen – teilweise
fundamentalistisch geführt wurde, nicht neu beginnen.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Das wurde 1993 mit der Bahnreform entschieden!)


Ich möchte daran erinnern, dass es in England inzwi-
schen als ein Fehler gesehen wird, das Netz vom Betrieb
getrennt zu haben.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Die materielle Privatisierung, Frau Kollegin!)


Wir sollten diese Fehler nicht wiederholen und die Tren-
nung von Netz und Betrieb nicht durchführen.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Die materielle Trennung!)


Bevor wir über einen möglichen Börsengang disku-
tieren, muss der Konzern DB AG schwarze Zahlen
schreiben, und zwar nachhaltig. Ein einziges positives
Bilanzergebnis ist nicht ausreichend, wenn man einem
Börsengang näher treten will. Es muss eine nachhaltige
und sichere Finanzgrundlage geben, bevor ein Börsen-
gang erfolgreich auf den Weg gebracht werden kann.

Messlatte für uns alle muss bei aller Weiterentwick-
lung der Bahnreform dieses verkehrspolitische Ziel sein.
Mehr Verkehr auf die Schiene muss die Messlatte und

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(C (D er Schwerpunkt in der Diskussion sein. Lassen Sie uns n die Weiterentwicklung der Bahnreform einsteigen! enn wir benötigen den Verkehrsträger Schiene. Er uss in der Zukunft gleichwertig zur Straße sein. Anonsten fahren wir die Mobilität an die Wand. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506609200

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dirk Fischer.


Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1506609300

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Bundesminister Stolpe hat nicht nur das Problem
er Maut, sondern auch das Problem der Bahn: rote Bi-
anzen, ein Rekordverschuldungstempo, das seit 1994
weieinhalbmal so hoch ist wie in den 32 Jahren vor der
ahnreform, und Verluste an Marktanteilen. Vor diesem
intergrund ist das Ziel des Börsengangs im Jahr 2005
llusorisch. Der wünschenswerte starke ordnungspoliti-
che Arm des Bundesministers Stolpe ist nicht sichtbar,
ie verantwortliche Rolle als Alleineigentümer schon
ar nicht. Der Deutsche Bundestag hat nicht nur das
echt, sondern sogar die Pflicht, das bundeseigene Un-
ernehmen DB AG kritisch zu begleiten, insbesondere in
iner so dramatischen Lage.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die zukünftige Marktstellung des Verkehrsträgers

chiene insgesamt wird von marktfähigen Angeboten zu
ettbewerbsfähigen Preisen abhängig sein. Die Union
ill ausdrücklich mehr, besseren und steigenden Schie-
enverkehr.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


ie will, um das zu erreichen, einen größeren Wett-
ewerb mehrerer starker Marktpartner statt den Fort-
estand faktischer Monopolstrukturen. Sie will Investi-
ions- und Ertragsdynamik sowie mehr Arbeitsplätze im
chienenverkehr. Aber sie will keinen Dirigismus und
eine Dauersubventionitis.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Verehrte Kollegen von der Regierungskoalition, es ist

och ein absolut propagandistisches Wunschdenken,
ass die Verkehrsleistung Schienenpersonenverkehr bis
015 um 32 Prozent und die Verkehrsleistung Schienen-
üterverkehr sogar um 103 Prozent steigen wird. So
teht es im Verkehrsbericht 2000 der Bundesregierung.
o ist es im Vorspann des Bundesverkehrswegeplanes
003 wiederholt worden.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Leider wahr!)


ie haben diese Prognose sogar dem Bundesverkehrswe-
eplan unterlegt. Da diese Prognose absolut illusorisch
st, ist der Bundesverkehrswegeplan in einem Kernbe-






(A) )



(B) )


Dirk Fischer (Hamburg)


stand nicht sachgerecht und illusionär. Das ist doch dra-
matisch.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist genau das Problem! – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Märchenbuch!)


Die Realität sieht völlig anders aus. Seit 2000 kommt
es im Güterverkehr zu einem Rückgang. Seit Beginn der
Bahnreform, Frau Kollegin Mertens, ist, wie Modal-Split-
Untersuchungen im Bereich des Güterverkehrsmarktes
zeigen, ein Rückgang des Schienengüterverkehrs von
17 auf 14 Prozent, aber ein Anstieg des Straßengüterver-
kehrs zu verzeichnen. Das haben wir uns eigentlich anders
vorgestellt. Sie kennen doch die Zahlen. Sie können doch
hier nicht mit Zahlen eines insgesamt steigenden Güter-
verkehrsmarktes antreten und in diesem Zusammenhang
beklagen, dass die Zuwächse des Schienengüterverkehrs
unzureichend sind. Es wäre ja noch schlimmer, wenn der
Schienengüterverkehr bei einem insgesamt dynamisch
wachsenden Güterverkehrsmarkt, absolut gesehen, zu-
rückfallen würde. Das wäre die totale Katastrophe. Ich
bitte aber, zu bedenken, dass wir im Vergleich zu anderen
Verkehrsträgern beim Schienengüterverkehr keinen Zu-
wachs erreicht haben. Das sollten wir beklagen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die DB AG hat im Personenfernverkehr Marktanteile
von 99,5 Prozent und im Nahverkehr von 91,5 Prozent.
Ohne die Regionalisierungsmittel und die Bestellerfunk-
tion der Länder würde auch der Nahverkehr bei über
99 Prozent liegen. Im Güterverkehr haben wir einen
Marktanteil von 97,2 Prozent. Das heißt, es gibt de jure
kein Monopol, aber angesichts der Anteile des Schienen-
verkehrsmarktes absolut monopolistische Strukturen.
Das ist nach meiner Auffassung eine Belastung für das
gesamte System Schiene. Denn privates Kapital wird bei
monopolistischen Strukturen nicht investiert. Das ist viel
zu riskant.

Deswegen haben wir leider Gottes seit drei Jahren
eine kontinuierlich sinkende Verkehrsleistung: im Schie-
nenpersonenverkehr im Jahr 2002 minus 6,2 Prozent, im
Schienengüterverkehr im Jahr 2002 minus 3 Prozent.

Wir haben aber seit Beginn der Bahnreform eine dra-
matisch steigende Verschuldung zu verzeichnen. In
32 Jahren, seit 1961, sind 34,3 Milliarden Euro aufgelau-
fen, diese wurden vom Bundeshaushalt übernommen. Das
Unternehmen ist ohne jede Verschuldung gestartet. Ende
2002 beliefen sich die Schulden auf 24,5 Milliarden Euro
und werden Ende des Jahres bei deutlich über 26 Milliar-
den Euro liegen. Ich sage Ihnen voraus: In kürzester Zeit
werden wir bei über 30 Milliarden Euro sein. Dann sind
wir innerhalb von zehn bis zwölf Jahren dort angelangt,
wo wir ursprünglich einmal nach 32 Jahren waren.

Der Bund haftet für diese Schulden natürlich nicht im
juristischen Sinne – man kann Herrn Mehdorn sagen:
„Geh doch zum Insolvenzverwalter!“ –, wohl aber im
politischen Sinne.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D err Eichel schweigt dazu. (Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Es ist auch besser, wenn er nichts sagt!)

an gewinnt den Eindruck, dass ihm diese Schulden die
prache verschlagen haben. Das ist für den Bundeshaus-
alt – man muss es laut aussprechen – eine einzige Kata-
trophe. Das muss endlich von der deutschen Öffentlich-
eit und vom Parlament wahrgenommen und
ntsprechend behandelt werden. Hier besteht Hand-
ungsbedarf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Horst Friedrich hat die Zahlen genannt. Seit Beginn

er Bahnreform hat der Schienenverkehrsträger 177 Mil-
iarden Euro erhalten, die DB AG deutlich über 95 Mil-
iarden Euro. Aber trotz regelmäßiger Preiserhöhungen
nd Zukäufe – ich lasse Stinnes außen vor – verzeichnen
ir seit 1998 stagnierende Umsätze in Höhe von 15 Mil-
iarden Euro. Da bewegt sich nichts.
Es gibt heute eine Finanzierungslücke bei der mittel-

ristigen Planung bis 2007 von 5 Milliarden Euro. Das
ird die Sondersitzung des Aufsichtsrates der DB AG am
3. Oktober zutage bringen. Somit werden neue Projekte
nd Instandhaltungsmaßnahmen fallen gelassen. Offen-
ar will man Instandhaltung weiter zurückfahren, damit
as Netz so marode wird, dass der Bund einen Neubau
inanzieren muss. Das ist die Strategie, die dahinter steckt.
Das sind Verhältnisse, die wir nicht akzeptieren dür-

en. Die Bahn ist nicht börsenfähig. Der Marktwert des
igenkapitals muss nämlich zum Zeitpunkt des Börsen-
angs grundsätzlich dem Buchwert des Eigenkapitals
ntsprechen. Dies soll anhand des Vielfachen des EBIT
ithilfe von Zahlungsströmen und einer ausgewogenen
erschuldung ermittelt werden. Wir bräuchten bei der
B AG ein EBIT in Höhe von 1,6 Milliarden Euro, Fakt
aren Ende 2002 37 Millionen Euro.
Der Free Cashflow müsste – das ist die Mindestanfor-

erung – bei 1,4 Milliarden Euro liegen. Diese Zahl hat-
en wir Ende 2002 bei der DB AG, leider mit einem Mi-
us davor. Für ein Rating A brauchen wir eine
ilgungsdeckung von 30 Prozent; die DB AG erreichte
nde 2002 nur 11,1 Prozent. Bei Vergleichsunternehmen
st das Verhältnis von Verschuldung zu Eigenkapital
: 1, bei der DB AG war es 2,7 : 1. – Ein Börsengang ist
lso doch wirklich illusionär.
Frau Mertens, Ihnen werfe ich vor: Die Bundesregie-

ung kennt die Zahlen und verschweigt sie dem deut-
chen Parlament und der Öffentlichkeit. Sie müssen end-
ich ehrlich mit uns umgehen und uns die nötigen
nformationen geben, die das deutsche Parlament von
er Regierung erwarten kann.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich!)


ann sehen wir uns auch nicht veranlasst, sie uns auf an-
ere Weise zu beschaffen. Seien Sie aufrichtig!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Unglaublich! Das ist ja ein Skandal!)







(A) )



(B) )


Dirk Fischer (Hamburg)


Wenn Sie das Unternehmen materiell privatisieren,

dann verlieren Sie auch den Zinsvorteil durch implizierte
Bundesgarantie. Diese hat der DB AG im Jahre 2002 ei-
nen Zinsvorteil in Höhe von 333 Millionen Euro ver-
schafft. Auch dieser Betrag muss geschultert werden.

Wir wollen eine kundenfreundliche Bahn, einen fai-
ren Wettbewerb, den diskriminierungsfreien Zugang un-
terschiedlicher Unternehmen zum Schienennetz und
operative Unabhängigkeit von Netz und Transport. Wir
lehnen die materielle Privatisierung des Netzes ab. Ein
Netz, das vom Steuerzahler hoch subventioniert wird,
kann nicht zum Renditeobjekt gemacht werden. Wir
wollen eine staatlich verantwortete Infrastruktur, auf der
möglichst viele leistungsfähige Wettbewerber zuneh-
menden Schienenverkehr abwickeln.

Dazu müssen schnellstens die Task-Force-Ergebnisse
umgesetzt werden. Damit sind Sie ein Jahr im Rück-
stand. Danach muss dringend die Evaluierung unterneh-
mensexterner Kräfte stattfinden, damit das Parlament ei-
nen objektiven Bericht erhält. Wir brauchen, wie bei der
Bahnreform als Option vorgesehen, die Verselbstständi-
gung der Einzelgesellschaften bei gleichzeitiger Auflö-
sung der Holding.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506609400

Die Redezeit ist jetzt deutlich überschritten.

Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1506609500

Ich komme zum Schluss. Gestatten Sie mir noch ei-

nen Satz: Ich glaube, ohne diese Voraussetzung kann im
Haupttransitland Europas keine hervorragende Verkehrs-
politik geleistet werden.

Der Schauspieler Carlo Nell hat einmal gesagt:
Die sicherste Art, einen Zug zu erreichen, besteht
darin, den vorangegangenen zu versäumen.

Wenn Herr Stolpe weiterhin nach diesem Motto handelt,
wird es für die Verkehrsträger immer schlimmer –


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506609600

Herr Kollege, jetzt ist der letzte Satz aber reichlich

ausgefüllt.

Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1506609700

– und für die Steuerzahler immer teurer.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506609800

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Heinz Paula.

Heinz Paula (SPD):
Rede ID: ID1506609900

Verehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle-

gen! Große Anfrage scheint große Lautstärke zu bedeu-
ten, dafür aber weniger Inhalte.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Sie meinen den Kollegen Albert Schmidt! – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das war aber nicht nett!)


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(C (D as mag man zwar als weiteres Zeichen der Schwäche er Opposition durchgehen lassen können, aber, Kolleinnen und Kollegen, eines lassen wir Ihnen nicht durchehen: dieses permanente Schlechtreden der Bahn. ir wissen ganz genau, dass dort Zehntausende von itarbeitern einen guten Job machen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Zurufe von der FDP: Oh!)


iese haben es nicht verdient, dass ihre Bahn permanent
ies gemacht wird.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wir sind durchaus bereit, zwei Bilanzen zu ziehen: eine Mitarbeiterbilanz und eine Managementbilanz! Mal sehen, was dabei herauskommt!)


Ein zentrales Anliegen der Regierungskoalition ist es,
ine moderne Verkehrspolitik zu gestalten, die mit Inno-
ationen die Infrastruktur leistungsfähiger und das Ver-
ehrssystem effizienter macht, die Mobilität im
1. Jahrhundert nachhaltig sichert und somit den Wirt-
chaftsstandort Deutschland insgesamt stärkt.
In einem am Prinzip der Nachhaltigkeit orientierten
tegrierten Verkehrssystem kommt der Schiene eine
ichtige Rolle zu. Mit der im Dezember 1993 beschlos-
enen Bahnreform wurden entscheidende Rahmenbedin-
ungen für ein leistungsfähiges Eisenbahnnetz in
eutschland gestellt. Ziel der Bahnreform war und ist es,
as ständig steigende Bedürfnis nach Mobilität in um-
eltgerechter Weise abzusichern, in allen Transportbe-
eichen mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen und
ittels Wettbewerb zu erreichen, dass die Bahn effizien-
r – markt- und kundenorientiert – wirtschaftet, damit
ie finanziell aus eigener Kraft lebensfähig ist


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das war das Ziel! Das hätte sollen sein!)


nd damit letztendlich auch der Bund, der Steuerzahler,
ntlastet wird.
Eine Zwischenbilanz ist erforderlich. Bei dieser Zwi-

chenbilanz gilt es, einen Blick auf das Schienennetz,
uf die Infrastruktur zu werfen; denn Züge rollen zügig
ur auf intakten Gleisen. Bei einem Blick zurück werden
ir feststellen, dass die damalige Bundesregierung trotz
es Wissens um den horrenden Investitionsbedarf die
ntsprechenden Mittel deutlich zusammengestrichen hat.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Von Jahr zu Jahr!)


998 zum Beispiel konnten nur noch weniger als
Milliarden Euro für den Bau von Schienenwegen aus-
egeben werden.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Die Bahn hat unverbaute Mittel zurückgegeben! Sie hat immer mehr gehabt, als sie verbauen konnte!)


Herr Fischer, ich bitte Sie, jetzt genau zuzuhören:
arüber hinaus besteht das Problem, dass neben dem






(A) )



(B) )


Heinz Paula

Rückbau im investiven Bereich die ohnehin immer
knapper werdenden Mittel vor allem für sehr schönge-
rechnete Großprojekte verwendet worden sind. Kollege
Oswald, wir beide wissen ganz genau, wie verheerend
die damalige Fehlentscheidung der Bayerischen Staats-
regierung für den gesamten bayerischen Raum war, die
ICE-Strecke von München nach Nürnberg nicht über
Augsburg, sondern über Ingolstadt zu führen.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Augsburg wäre besser gewesen!)


Geplant waren 3,5 Milliarden D-Mark, nach dem jetzi-
gen Stand sind es 3,5 Milliarden Euro – auf einer nach
oben offenen Skala.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Kollege Oswald, hier bekommen wir weitere Probleme,
nämlich wenn es darum geht, Mittel für den dringend be-
nötigten Ausbau der Verbindung von Frankreich über
Augsburg und München nach Osteuropa bereitzustellen.
Für diese Fehler haben Sie geradezustehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Eduard Oswald [CDU/CSU]: So leicht kann man es sich natürlich nicht machen!)


Mit dem Regierungswechsel 1998 wurden die Schie-
neninvestitionen deutlich angehoben.


(Renate Blank [CDU/CSU]: Was ist mit der ICE-Trasse über Erfurt?)


Auf hohem Niveau wurden und werden jährlich die
Haushaltsmittel für den Aus- und Neubau der Schienen-
wege bereitgestellt. Kollege Fischer, wie Sie darauf kom-
men, von einem maroden Schienennetz zu sprechen und
dies mit einem entsprechenden Vorwurf an die Bundes-
regierung zu verknüpfen, lasse ich einmal dahingestellt.
Denn gerade auf die Sanierung des Schienennetzes haben
wir unser Hauptaugenmerk gerichtet. Sie wissen: Mit zu-
sätzlichen Mitteln aus dem Zukunftsinvestitionspro-
gramm haben wir in den letzten drei Jahren insgesamt
13,5 Milliarden Euro in diesen Bereich investiert. Wenn
Sie in Ihrer Regierungszeit nur annähernd so viel ge-
macht hätten, hätten wir heute eine Reihe von Problemen
weniger.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Sehen Sie sich die Zahlen seit 1994 an!)


Kollege Friedrich, wir haben bei den Investitionen ein
hohes Niveau erreicht. Das kann ich so festhalten. Wir
müssen nun alle Hebel in Bewegung setzen – Kollege
Albert Schmidt, ich gebe Ihnen vollkommen Recht –,
dass die Überlegungen der Herren Koch und Steinbrück
nicht Wirklichkeit werden. Denn das wäre auf unserem
Weg, zu einem vernünftigen Schienennetz zu kommen,
mehr als hinderlich.

Kolleginnen und Kollegen, an den wenigen Beispie-
len und Zahlen sehen Sie, dass die Regierungskoalition
ihre Verantwortung wahrnimmt und eine klare Weichen-
stellung für ein leistungsfähiges Schienennetz als ent-

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(C (D cheidende Voraussetzung für die Steigerung der Verehrsleistung und der Wettbewerbsfähigkeit der Bahn orgenommen hat. Wir stehen durch eine Reihe von aßgaben mit an der Spitze. Ich darf in Anbetracht der ürze der Zeit nur an die Regionalisierungsmittel in öhe von 6,84 Milliarden Euro und die Mittel aus dem VFG-Bundesprogramm in Höhe von rund 1,7 Milliaren Euro erinnern. (Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Die habt ihr aber nicht erhöht! Die habt ihr schon so übernommen!)


ir setzen neue Schwerpunkte auch im Bereich der
leisanschlüsse. Ich könnte noch mehr Beispiele nen-
en.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Die Bahn baut sie ab und der Steuerzahler baut sie wieder auf! Das ist ein gutes Geschäft!)


Bezüglich der internationalen strukturellen Rah-
enbedingungen möchte ich unterstreichen, dass unter
nderem mit der Umsetzung des ersten Eisenbahninfra-
trukturpaktes der EU und der Ergebnisse der Task-
orce die Bedingungen für einen diskriminierungsfreien
etzzugang und damit für einen fairen Wettbewerb auf
er Schiene weiter verbessert werden. Viele Probleme
ei der Harmonisierung des Wettbewerbs der Verkehrs-
räger lassen sich jedoch nur gesamteuropäisch lösen,
ie zum Beispiel die Harmonisierung der Leit- und Si-
herungstechnik bei den europäischen Bahnen, was zu
iner wesentlichen Verkürzung der Transportzeiten im
renzüberschreitenden Verkehr führen wird, oder die
inführung einer Steuer auf Flugbenzin, die der Bahn
erade auf Langstrecken neue Möglichkeiten zur attrak-
iven Angebotsgestaltung eröffnen wird.
Ein kurzes Wort zur Fortführung der Bahnreform, in

er wir uns befinden. Die Bahnreform hat die Entschei-
ung über einen späteren Wegfall der Holding bewusst
ffen gelassen. Die künftige Gestaltung und Organisati-
nsstruktur des Schienenverkehrs kann deshalb ohne Ta-
us, Vorurteile und Zeitdruck behandelt werden. Maßstab
ür die anstehenden Entscheidungen ist die Erhöhung des
chienenverkehrs. Deshalb erwarten wir von der DB AG
ine weiterhin konsequente Rationalisierungs- und Mo-
ernisierungspolitik. Wir erwarten, dass sie die Heraus-
orderungen des Marktes annimmt und durch innovative
nd kundengerechte Produkte eine Angebotsoffensive
röffnet. Der Kunde braucht Sicherheit und Verlässlich-
eit über das künftige Bahnangebot.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist wahr!)

n dieser Stelle sei es noch einmal ausdrücklich gesagt:
ie Bahn steckt in dem schwierigen Wandel hin zu einer
odernen, offensiven Bahn. An dieser Stelle sollten wir
en Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahn, die Enor-
es geleistet haben – das muss in aller Deutlichkeit aner-
annt werden –, ein Dankeschön aussprechen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Jawohl!)







(A) )



(B) )


Heinz Paula

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden die

Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsbedin-
gungen der Schiene im Verhältnis zu den anderen Ver-
kehrsträgern auf nationaler und auf europäischer Ebene
fortführen und die Bahnreform kontinuierlich fortsetzen.
Einen Rückschritt, wie Sie befürchten, Kollege
Friedrich, wird es mit Sicherheit nicht geben. Ich bitte
Sie dringend – in Zukunft werden Sie ja keine Probleme
mehr haben, anwesend sein zu können –, dass wir diesen
Prozess nicht über die zwanzigste Kommission beglei-
ten, sondern dass wir als Parlamentarier unsere ureigene
Aufgabe im Parlament wahrnehmen und diesen Prozess
entsprechend vorantreiben.

Ich bedanke mich sehr herzlich für die Aufmerksam-
keit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506610000

Auch wir danken Ihnen und gratulieren Ihnen zu Ihrer

ersten Rede in diesem Hause.

(Beifall)


Ich schließe damit die Aussprache zu diesem Punkt.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf

Drucksache 15/1591 an den Ausschuss für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen vorgeschlagen. Sind Sie da-
mit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Über-
weisung so beschlossen.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus-
ses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Antrag
der Fraktion der FDP zur Einsetzung einer Kommission
der Bundesregierung zur Fortsetzung der Bahnreform.

Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag abzulehnen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung des Ausschus-
ses? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-
nen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a bis 26 r sowie
die Zusatzpunkte 2 a bis 2 c auf:
26 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-

gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neure-
gelung des Rechts der Verkehrsstatistik
– Drucksachen 15/1666, 15/1706 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Innenausschuss

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Zusatzprotokoll Nr. 7 vom 27. November 2002
zu der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom
17. Oktober 1868
– Drucksache 15/1649 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umset-

(C (D zung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen zur Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten – Drucksache 15/1653 – Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit d)

gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Zustimmung zur Änderung der Satzung des
Europäischen Systems der Zentralbanken und
der Europäischen Zentralbank
– Drucksache 15/1654 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

e) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Vertrag vom 2. Juli 2001 zwischen der Bundes-
republik Deutschland und der Republik Ös-
terreich über den Verlauf der gemeinsamen
Staatsgrenze im Grenzabschnitt „Salzach“
und in den Sektionen I und II des Grenzab-
schnitts „Scheibelberg-Bodensee“ sowie in Tei-
len des Grenzabschnitts „Innwinkel“
– Drucksache 15/1655 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss

f) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durch-
führung gemeinschaftsrechtlicher Vorschrif-
ten über die Verarbeitung und Beseitigung von
nicht für den menschlichen Verzehr bestimm-
ten tierischen Nebenprodukten
– Drucksache 15/1667 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

g) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur
Änderung des Saatgutverkehrsgesetzes
– Drucksache 15/1645 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft

h) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur
Änderung des Verfütterungsverbotsgesetzes
– Drucksache 15/1668 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft

i) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des
Deutschen Richtergesetzes
– Drucksache 15/1471 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer

j) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten

Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ge-
setzes über die Umweltverträglichkeitsprü-
fung
– Drucksache 15/1497 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Tourismus

k) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des
Asylverfahrensgesetzes und zur Änderung des
Ausländergesetzes
– Drucksache 15/903 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

l) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des
Bundesvertriebenengesetzes
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss

m)Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Übereinkommen vom 17. Oktober 2000 über
die Anwendung des Artikels 65 des Überein-
kommens über die Erteilung europäische Pa-
tente
– Drucksache 15/1647 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

n) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des Gesetzes über internationale Pa-
tentübereinkommen
– Drucksache 15/1646 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

o) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz
des olympischen Emblems und der olympi-
schen Bezeichnungen (OlympSchG)

– Drucksache 15/1669 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Sportausschuss

p) Erste Beratung des von den Fraktion der SPD und
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur

Z

(C (D Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes – Drucksache 15/1686 – Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss q)

Laurischk, Ulrich Heinrich, Horst Friedrich (Bay-
reuth), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Ausnahmeregelung für Kraftfahrzeug-Haft-
pflichtversicherung für landwirtschaftliche
Nutzfahrzeuge erhalten
– Drucksache 15/759 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

r) Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus
Löning, Horst Friedrich (Bayreuth), Angelika
Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP
Lärmschutz an der Anhalter Bahn – Folgen
der Teilung Berlins überwinden
– Drucksache 15/1115 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

P 2a)Beratung des Antrags der Bundesregierung
Fortsetzung und Erweiterung der Beteiligung
bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem
Einsatz einer Internationalen Sicherheitsun-
terstützungstruppe in Afghanistan auf Grund-
lage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. De-
zember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002,
1444 (2002) vom 27. November 2002 und 1510

(2003) vom 13. Oktober 2003 des Sicherheits-

rats der Vereinten Nationen
– Drucksache 15/1700 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neu-
ordnung der Sicherheit von technischen Ar-
beitsmitteln und Verbraucherprodukten
– Drucksache 15/1620 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung

eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Abkommen vom 13. Januar 2003 zwischen
der Regierung der Bundesrepublik Deutsch-
land und der Regierung der Sonderverwal-
tungsregion Hongkong der Volksrepublik
China zur Vermeidung der Doppelbesteue-
rung von Schifffahrtsunternehmen auf dem
Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen
– Drucksache 15/1644 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach-
ten Verfahren ohne Debatte.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neure-
gelung des Rechts der Verkehrsstatistik liegt inzwischen
auf Drucksache 15/1706 die Gegenäußerung der Bun-
desregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates vor,
die wie der Gesetzentwurf überwiesen werden soll. Sind
Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind
die Überweisungen so beschlossen.

Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 27 a bis
27 g. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorla-
gen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

Tagesordnungspunkt 27 a:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zu dem Vertrag vom 29. April 2003 zwi-
schen der Bundesrepublik Deutschland und dem
Königreich der Niederlande über die Durchfüh-
rung der Flugverkehrskontrolle durch die Bun-
desrepublik Deutschland über niederländischem
Hoheitsgebiet und die Auswirkungen des zivi-
len Betriebes des Flughafens Niederrhein auf das
Hoheitsgebiet des Königreichs der Niederlande

(Gesetz zu dem deutsch-niederländischen Vertrag vom 29. April 2003 über den Flughafen Niederrhein)

– Drucksachen 15/1522, 15/1651 –

(Erste Beratung 63. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

(14. Ausschuss)

– Drucksache 15/1697 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Norbert Königshofen

Der Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-
sen empfiehlt, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,
um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Ent-

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(C (D altungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beatung einstimmig angenommen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Bitte erheben Sie sich, wenn ie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. – Gibt es Geenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der all. Also wurde der Gesetzentwurf auch in dritter Beraung einstimmig angenommen. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Pe itionsausschusses. Tagesordnungspunkt 27 b: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 58 zu Petitionen – Drucksache 15/1536 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Sammelübersicht 58 ist mit den Stimmen der oalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten pposition angenommen. Tagesordnungspunkt 27 c: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 60 zu Petitionen – Drucksache 15/1569 – Wer stimmt dafür? – Gibt es Gegenstimmen? – Entaltungen? – Sammelübersicht 60 ist einstimmig angeommen. Tagesordnungspunkt 27 d: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 61 zu Petitionen – Drucksache 15/1570 – Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltunen? – Auch Sammelübersicht 61 wurde einstimmig zuestimmt. Tagesordnungspunkt 27 e: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 62 zu Petitionen – Drucksache 15/1571 – Wer stimmt dafür? – Gibt es Gegenstimmen? – Entaltungen? – Sammelübersicht 62 ist einstimmig angeommen. Tagesordnungspunkt 27 f: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 63 zu Petitionen – Drucksache 15/1572 – Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltunen? – Einstimmige Zustimmung. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Tagesordnungspunkt 27 g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 64 zu Petitionen – Drucksache 15/1573 – Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Sammelübersicht 64 ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen von CDU/CSU angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a, 7 c und 7 d sowie Zusatzpunkt 3 auf: 7 a)





(A) )


(B) )


Dr. Michael Fuchs, Karl-Josef Laumann, Dagmar
Wöhrl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
Freiheit wagen – Bürokratie abbauen
– Drucksache 15/1330 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgit
Homburger, Rainer Brüderle, Daniel Bahr

(Münster), weiterer Abgeordneter und der Frak-

tion der FDP
Anreize zum Bürokratieabbau setzen – Büro-
kratiekosten-TÜV einrichten
– Drucksache 15/1006 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit

(9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Rainer Brüderle, Dirk Niebel, Birgit Homburger,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Abbau von Bürokratie sofort einleiten
– Drucksachen 15/65, 15/1183 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Fritz Kuhn

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(C (D P 3 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Den Weg für Investition und Innovation durch den Abbau bürokratischer Hemmnisse freimachen – Drucksache 15/1707 – Überweisungsvorschlag: Innenausschuss Auswärtiger Ausschuss Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine Stunde vorgesehen. – Widerspruch höre ch nicht. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst er Abgeordnete Michael Fuchs. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen! Liebe Kolle en! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen ie mich diese Debatte mit einem Zitat Otto von Bisarcks beginnen, (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh weh!)

Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1506610100

er seinerzeit schon beklagte: „Die Bürokratie ist es, an
er wir überall kranken“.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kuhn, das war schon damals richtig. Die Bun-

esregierung hat das auch erkannt. Die Folge daraus ha-
en wir im Oktober 2002 ja verspürt, nämlich die Groß-
nkündigung des berühmten Masterplans durch den
undesminister für Wirtschaft, Wolfgang Clement.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


Am 26. Februar dieses Jahres – die Ankündigungen
ommen immer sehr früh, aber die Umsetzung erfolgt
rst ein halbes Jahr später – wurde das Eckwertepapier
ieses Masterplans herausgebracht. Am 9. Juli wurde
as Gesamtkonzept der Initiative Bürokratieabbau
orgestellt.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)







(A) )



(B) )


Dr. Michael Fuchs

Ergebnis – Herr Kuhn, jetzt wird es spannend –: Von den
54 Punkten, die Sie angekündigt haben,


(Walter Hoffmann [Darmstadt] [SPD]: 52!)

haben Sie bis heute vier realisiert. Das sind noch nicht
einmal 10 Prozent. 200 Prozent werden immer angekün-
digt und noch nicht einmal 10 Prozent umgesetzt.

Realisiert haben Sie eine Anhebung bei den Buchfüh-
rungsgrenzen, einige Regelungen beim Kriegsdienstver-
weigerungsrecht und bei der Ausbildereignungsverord-
nung – ganz nebenbei: das war sehr vernünftig – sowie
die Reform der Arbeitsstättenverordnung; darauf komme
ich noch zurück. Das, was Sie machen, ist kein Master-
plan, sondern ein Armutszeugnis.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Mittlerweile ist es so weit, dass sogar Juso-Chef Annen
sagt – ihn kann ich ganz unverblümt zitieren –: Clement
ist ein Ankündigungsweltmeister. Mehr kommt nicht da-
bei heraus.

Zurück zur Arbeitsstättenreform. Auch diese Reform
– ich habe mir die Sache einmal angesehen – ist enttäu-
schend. Der Verordnungstext ist zwar erheblich ge-
schrumpft, nämlich von 58 auf zehn Paragraphen. Aber
was haben Sie gemacht? Sie haben schlicht und einfach
die Details aus diesen 58 Paragraphen in den Anhang
verschoben. Das ist nichts anderes als eine Umbuchung.
Geholfen hat das der Wirtschaft und den betroffenen Un-
ternehmen mit Sicherheit nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Fast ein Jahr ist nun schon die clementsche Offensive
her und Deutschland erstickt im rot-grünen Demokratie-
wust. Lassen Sie mich noch einen Herrn zitieren:

Wir werden die Verwaltung schlanker und effizien-
ter machen, und wir werden hemmende Bürokratie
rasch beseitigen … Dabei werden wir überflüssige
Vorschriften streichen …

Wissen Sie, wer das gesagt hat? – Das war der Bundes-
kanzler in seiner Regierungserklärung von 1998.


(Walter Hoffmann [Darmstadt] [SPD]: Wo er Recht hat, hat er Recht!)


Was ist daraus geworden? Warum tun Sie denn nichts?
Die Bürokratieschraube dreht sich immer schneller. Der
Wust von neuen Regelungen wird immer größer.

Ich will nur einmal an die Ämter erinnern, die Sie
eingerichtet haben. Das Zulagenamt für die Verwaltung
der Riester-Rente hat mittlerweile 600 Mitarbeiter. Die
Finanzagentur für öffentliche Schuldenverwaltung – bei
den vielen Schulden, die Sie machen, brauchen Sie diese
Agentur tatsächlich; das kann ich verstehen – beschäftigt
schon 100 Mitarbeiter. Die Privatisierungsgesellschaft
der Bundeswehr, die GEBB, die bis heute auf dem Lie-
genschaftssektor noch keine Einnahmen verzeichnet, hat
mittlerweile 200 Mitarbeiter. Bürokratie zu schaffen ist
für Sie ganz einfach. Ich bin überzeugt, bei der Umset-
zung von Hartz III und IV werden wir in Kürze ähnliche
Verhältnisse haben.

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(C (D (Walter Hoffmann [Darmstadt] [SPD]: Positive, nur positive!)


lso, Ihr Erfindungsreichtum ist wirklich großartig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Ich will dies anhand einiger Zahlen belegen, die Sie,
err Kuhn, nicht wegdiskutieren können: Seit der letz-
en Bundestagswahl – das ist noch nicht so lange her –
aben Sie schon 52 neue Gesetze und 442 Rechtsverord-
ungen geschaffen.


(Ilse Falk [CDU/CSU]: Grandios!)

Ich möchte an uns alle appellieren: Diese Verord-

ungen sehen wir im Parlament nicht. Wir beschließen
erordnungsermächtigungen. Die Verordnungen selber,
n denen dann die Details festgelegt werden – bekannter-
aßen steckt der Teufel im Detail –, sehen wir nicht. Sie
ind für mich parlamentarisch nicht ordnungsgemäß le-
itimiert. Mit diesem Thema müssen wir uns einmal ge-
einsam auseinander setzen; denn da steckt die meiste
ürokratie. Vieles, was vielleicht gut gemeint ist, wird
bertrieben umgesetzt. An diesen Punkt müssen wir ge-
einsam herangehen.
Die IHK des Saarlandes hat geschätzt, dass die deut-

che Wirtschaft mittlerweile 30 Milliarden Euro pro Jahr
ür Bürokratiedienste ausgeben muss. Die Kosten dieses
irrwarrs bei der umfangreichen Änderung der Steuer-
esetze von 1999, die 2000 noch einmal korrigiert und
001 wieder neu gefasst wurden, sind dabei noch gar
icht berücksichtigt. Es ist doch ein Treppenwitz, dass in
eutschland 70 Prozent der Weltsteuerliteratur produ-
iert wird, bei 3 Prozent des Weltsteueraufkommens.
as muss uns allen zu denken geben. An dieses Monster
üssen wir herangehen.
Noch etwas – Herr Kuhn, hier muss ich Sie anspre-

hen, weil das Ihr liebstes Kind ist –: die Ökosteuer. In
en Hauptzollämtern sind die Beamten mit nur einem
inzigen Antrag auf Mineralölsteuererstattung bis zu
ünf Stunden beschäftigt. Bürokratischer kann man das
un wirklich nicht machen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen bin ich gegen diese Ausnahmen!)


er Ausstoß der rot-grünen Bürokratieformulierungsma-
chinerie hat ein Tempo erreicht, das wahrscheinlich
chon die Erfinder selbst schwindlig macht. Sie sind auf
em Weg, bei den Gesetzen nur noch Masse zu produ-
ieren, aber keine Klasse. Auch dazu habe ich einige
eispiele.
Ankündigungsminister Clement wird für mich zum

ichel der Wirtschaftspolitik. Er häuft mittlerweile so
iel Bürokratie auf, wie Hans Eichel Schulden macht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

iese Seuche von Bürokratie haben Sie in die anderen
inisterien übertragen. Nehmen Sie nur einmal das Do-
enpfand oder gar die Maut. Mich hat eine Bürgermeis-
erin aus dem schönen Eifelörtchen Polch, Frau Moesta,






(A) )



(B) )


Dr. Michael Fuchs

angeschrieben und mir mitgeteilt, dass Sie wieder etwas
ganz Neues erfunden haben. Denn bei Toll Collect muss
man jetzt jedes Feuerwehrfahrzeug von der Mautpflicht
befreien lassen. Aber, Herr Hoffmann, es ist nicht so,
dass das für immer gilt und Feuerwehrfahrzeug gleich
Feuerwehrfahrzeug ist; nein, das muss man jedes Jahr
wieder neu beantragen. Das ist ein riesiger bürokrati-
scher Aufwand. Stellen Sie sich die Tausende von Fahr-
zeugen vor. Warum man nicht eine generelle Befreiung
für solche Fahrzeuge einführt, ist für mich absolut un-
verständlich.


(Zuruf von der FDP: Da wiehert der Amtsschimmel!)


Ähnliches erleben wir bei unseren Soldaten in Afgha-
nistan mit ihren Bundeswehrfahrzeugen, die keine Ab-
gassonderuntersuchung haben. Die dürfen dann damit
nicht fahren. Der Verteidigungsminister hat damit seine
Probleme in Afghanistan gehabt. Solche bürokratischen
Monster – ich glaube, in Afghanistan gibt es mehr Au-
tos, die gar keinen Auspuff haben, als solche mit Aus-
puff – sollten möglichst abgeschafft werden. Das sind
Lachnummern. Damit machen wir uns in der Welt lä-
cherlich.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe wirklich das Gefühl, dass die Bürokratie-

liebe bei vielen von Ihnen eher dazu führt, dass Sie den
Masterplan falsch verstanden haben und ihn nicht zu ei-
nem Abbauprogramm, sondern zu einem Aufbaupro-
gramm machen. Wir sollten endlich beginnen, die
unnützen Verordnungen – da will ich nur zwei kleine
Beispiele nennen – radikal abzubauen. Das haben zwei
Bundesländer hervorragend gemacht. Im Saarland hat
man mittlerweile über 50 Prozent der Verordnungen ge-
strichen und man stelle sich vor: Das hat kaum jemand
gemerkt. In Hessen ist man auf dem gleichen Weg. Wa-
rum tun wir nicht etwas Ähnliches? Denn eine Vorschrift
wie „Halsorden sind an einem Band um den Hals zu tra-
gen“ oder die Anweisung in einer Zentralen Dienstvor-
schrift der Bundeswehr „Ab 1,25 m Wassertiefe hat der
Soldat mit Schwimmbewegungen zu beginnen“ finde ich
relativ überflüssig.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, dass ein solcher
Blödsinn möglichst schnell verschwindet.

Man hat sich in Deutschland leider daran gewöhnt, bei-
nahe bei jedem Lebensbereich auf eine passende Vor-
schrift zurückgreifen zu können. Auf eigenes Risiko – da
werde ich jetzt sehr ernst – und ohne Rückendeckung,
ohne Regelungen zu handeln, ist unüblich und vielfach
unmöglich geworden. Ernsthafter Bürokratieabbau bedeu-
tet aber mehr Risiko, mehr Freiheit und mehr Eigenver-
antwortung. Diese Wandlung kann für mich nur durch
ein geändertes Bewusstsein vollzogen werden. Der
Schlüssel hierzu liegt im Subsidiaritätsprinzip.

Was immer im engeren Lebenskreis getan werden kann,
muss und soll dort verantwortet werden. Subsidiarität,
konsequent und modern praktiziert, verhindert letztend-
lich, dass Deutschland an zu viel Staat erstickt. Was wir

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(C (D rauchen, ist ein systematisches Großkonzept, um uns elbst aus diesem Bürokratiesumpf – da meine ich uns lle – herauszuziehen. Ein solches Konzept liegt mit unerem Antrag „Freiheit wagen – Bürokratie abbauen“ uf dem Tisch. Wir wollen mit Ihnen gemeinsam dieses asterkonzept umsetzen und wollen grundsätzliche aßnahmen und Instrumente haben, mit denen wir end ich aus der schwierigen Situation herauskommen. Das muss auch eine Selbstverpflichtung des Parlaentes sein. Wir müssen nicht nur Gesetzgeber sein, ondern auch Gesetznehmer werden. Wir wollen Vorchläge haben, wie die Verordnungen wegkommen. Es uss bei über 40 000 Verordnungen möglich sein, zwei bzuschaffen, wenn eine neue geschaffen wird. Wir üssen radikal herangehen. Anders werden wir diesen ust nie in den Griff bekommen. Bei den vielen Verwal ungsvorschriften kann und sollte das möglich sein. Wir haben uns darum zu kümmern, dass mehr Ent cheidungsfreiheit für die Bürger da ist. Es muss darum ehen, nicht mehr Staat, sondern weniger Staat zu schafen. Da sind wir alle gefordert. enn wir das gemeinsam angehen, sind wir auf dem ichtigen Weg. Die Ausrichtung des Bürokratieabbaus muss sich einer Ansicht nach streng an das Subsidiaritätsprinzip alten. Das halte ich für die einzige Lösung, um aus dieer Misere herauszukommen. Wir haben unsere Vorschläge mit den Wirtschaftsver änden diskutiert, bei denen wir großes Verständnis geunden haben. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beim Handwerk zum Beispiel!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Man hat uns gesagt, genau das sei in Deutschland not-
endig, um so schnell wie möglich aus der Misere he-
auszukommen.
In vielen Bereichen des Bürokratieabbaus ist es – das

ollte man wissen – ähnlich wie bei den Subventionen.
rundsätzlich wollen alle Bürokratieabbau, wenn es
ann aber um spezifische Bereiche geht, ist die Bereit-
chaft dazu nicht mehr besonders groß.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Handwerksordnung! – Ute Kumpf [SPD]: Honorarordnung für Ingenieure!)


Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen erläutert,
as ich von der Arbeit der Bundesregierung halte. Im
ereich Bürokratieabbau war das bisher nicht allzu viel.
ch fordere Sie auf: Nehmen Sie unsere Vorschläge zum
ürokratieabbau an, werden Sie Ihren eigenen Wahlver-
prechen – ich habe eben den Bundeskanzler zitiert – ge-
echt und machen Sie der flächendeckenden Bürokratie
en Garaus! Das würde einen erheblichen Schwung in
nser Land bringen, den wir auch brauchen.
„Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen,

st es notwendig, kein Gesetz zu erlassen.“ Diesen Aus-
pruch Montesquieus sollten wir gemeinsam beherzigen.






(A) )



(B) )


Dr. Michael Fuchs

Ich glaube, damit sind wir auf dem richtigen Weg. Ich
wünsche mir auch, dass wir das gemeinsam in die Wege
leiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506610200

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Michael

Bürsch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Michael Bürsch (SPD):
Rede ID: ID1506610300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

An das letzte Zitat des Kollegen Fuchs kann ich nahtlos
anknüpfen. „Weniger ist mehr“ gilt sicherlich für die Ge-
setzgebung. Aber – wenn wir einmal die Polemik weg-
lassen, Herr Fuchs –


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Ich habe doch keine Polemik gemacht!)


wenn man die vorgelegten Entwürfe vergleicht, lässt
sich fraktions- und parteiübergreifend eines feststellen:
In Deutschland herrscht in der Tat kein Mangel an
Rechtsvorschriften. Es gibt vielmehr eine deutliche Ten-
denz zur Überregulierung.


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Das stimmt!)

Das ist aber nicht neu; es ist nicht das Ergebnis der ver-
gangenen fünf Jahre. Die 86 000 Paragraphen auf Bun-
desebene sind bereits in den letzten 50 Jahren entstan-
den. An dem Bestand hat sich nicht viel geändert.

Die Wurzeln der Regulierungsdichte liegen wohl in
einer deutschen Liebe zum Detail oder, wie manche sa-
gen, in einer Kultur des Misstrauens. Im Unterschied zu
angelsächsischen Traditionen erscheint es uns offenbar
notwendig, alles bis ins Kleinste zu normieren und zu
überwachen. Ein ganz engmaschig geknüpftes Netz von
Vorschriften allein ist jedoch kein Garant für eine entwi-
ckelte Streit- oder Entscheidungskultur. Dies wird immer
dann deutlich, wenn langwierige Verwaltungsverfahren – die
wir genauso beklagen wie Sie – über alltägliche Begebenhei-
ten durchlaufen werden oder Bagatellkonflikte über Jahre ei-
ner abschließenden Entscheidung harren.

Die Vereinfachung der Entscheidungsprozesse im
Verwaltungsverfahren – oder kurz: Bürokratieabbau – ist
ein wünschenswertes und parteiübergreifendes Ziel. Da-
rin sind wir uns völlig einig. Es lässt sich allerdings nicht
isoliert verfolgen, sondern es ist in einem Spannungsver-
hältnis mit anderen Zielen zu sehen. Ich glaube, das
muss bei allen populistischen Forderungen nach Büro-
kratieabbau im Blick behalten werden. Die anderen
Ziele sind nämlich Rechtssicherheit und Einzelfallge-
rechtigkeit.

Fest steht eines: Regelungsdichte vermittelt im Ein-
zelfall sicherlich gerechtere Entscheidungen, als es pau-
schale Lösungen können. Die Regierung geht mit gutem
Beispiel voran. Morgen wird das neue Sozialhilfegesetz
verabschiedet. Die Einzelabrechnungen, die es bisher für

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(C (D inzelne Leistungen gab, sind sicherlich im Einzelfall erechter, werden aber durch pauschalierte Leistungen ur Abdeckung des Regelbedarfs ersetzt, durch die alles bgedeckt ist. Das ist eine Vereinfachung, bei der aber uch in Kauf genommen wird, dass der Einzelfall vieleicht nicht bis auf die zweite Stelle hinter dem Komma erecht geregelt wird. Wir müssen insofern alles, was wir mit dem Bürokra ieabbau erreichen wollen, in dieses Spannungsverhältis setzen. Jetzt kommt die positive Botschaft: Genau as macht der erwähnte Masterplan der Bundesregieung. r setzt nämlich genau an der Stelle an, das Spannungserhältnis zwischen Vereinfachung und Rechtssicherheit achgerecht aufzulösen. Verfahren und Antragserforderisse sollen so weit abgebaut werden, wie sie Hemmisse für Innovationen oder Investitionen darstellen. Alle beklagen die Bürokratie. Wir fragen uns aber uch, wo sie überhaupt entsteht. Ein genauer Blick zeigt, ass wahrhaftig nicht nur die Gesetze für den hohen Büroratieaufwand sorgen. Es liegt vielmehr auch an Folgenem: Im Gesundheitsund Sozialversicherungsbereich reistrieren wir jährlich 700 Millionen Kassenrezepte mit ehr als 900 Millionen Verordnungen, 113 Millionen eldungen der Arbeitgeber an die Einzugsstellen für Soialversicherungsbeiträge sowie 120 Millionen Beitragsachweise, im Steuerund Kfz-Bereich 34 Millionen ohnsteuerkarten, 29 Millionen Einkommensteuererkläungen und 15 Millionen Kfz-Neuzulassungen sowie im eldewesen 14 Millionen Anträge auf Personalausweise nd Reisepässe bei den Meldestellen, 6,5 Millionen ohnungsanund -abmeldungen und 750 000 Geburtsnzeigen bei den Standesämtern. Hier erlaube ich mir eien kleinen Hinweis grundsätzlicher Art. Es gibt Länder ie zum Beispiel Frankreich und die USA, die überaupt kein zentrales nationales Meldewesen haben. ir in Deutschland – luxuriös wie wir sind – leisten uns leich zwei, nämlich Standesämter und Einwohnermeleämter. Ich möchte gerne, dass wir parteiübergreifend arüber nachdenken, ob wir uns das weiterhin leisten önnen oder ob wir nicht eine gemeinsame Initiative erreifen sollten, um diese beiden Meldebehörden zusamenzulegen. Vergleichbares gelingt uns jetzt ja auch bei er Arbeitslosenund der Sozialhilfe. Wichtig sind die Lösungsansätze. Hier möchte ich ein aar Stichworte nennen. Das haben Sie, Herr Fuchs, unerlassen. Sie haben nur eine breite Polemik geboten und anach eine allgemeine Philosophie vorgetragen, die ich oll unterstütze. Welches sind die Handlungsfelder? anz wichtig ist der Arbeitsmarkt. Insbesondere die emmnisse für Existenzgründungen und Selbstständigeit müssen wir identifizieren und abbauen. Auch im ereich der Sozialverwaltung – ich habe ein Beispiel geannt – lassen sich durchaus Ansatzpunkte feststellen. it dem Hartz-Konzept, das zum Beispiel den Übergang uf pauschalierte Sätze vorsieht, unternimmt die Bun Dr. Michael Bürsch desregierung durchaus einen sinnvollen Versuch der Arbeitserleichterung. Ein weiteres Stichwort ist „Staat-Bürger-Verhältnis“. Es gibt viele öffentlich wahrgenommene Aufgaben, die den Staat an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit bringen. Wenn wir im Sinne einer Bürgergesellschaft über ein neues Verhältnis, eine neue Verantwortungsverteilung zwischen Staat und Gesellschaft nachdenken, wenn wir also die Bürger wieder zu mehr Selbstorganisation und Selbstverantwortung bringen wollen (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das steht in unserem Papier!)


(Andrea Astrid Voßhoff [CDU/CSU]: Nicht!)


(Beifall bei der SPD)





(A) )


(B) )


– das will die SPD mindestens genauso wie die CDU/
CSU und viel mehr als die FDP –, dann müssen wir für
Erleichterungen sorgen und Bürokratie vermeiden, wo es
möglich ist.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Dann folgen Sie unserem Antrag!)


Das betrifft zum Beispiel den Bereich, für den ich mich
besonders einsetze, nämlich Ehrenamt und bürger-
schaftliches Engagement. Ich bin sehr dafür, dass wir
den Organisationen, für die Menschen ehrenamtlich tätig
sind, die Wahrnehmung der Meldepflicht erleichtern. Im
Moment müssen solche Organisationen den Sozialversi-
cherungen monatlich melden, wer bei ihnen ehrenamt-
lich tätig ist. Das betrifft auch die Aufwandsentschädi-
gungen. Hier kann man zum Beispiel durch eine
Verlängerung der Meldefristen für Erleichterung sorgen.
Auch die Abrechnungsmodalitäten für die Mittelverwen-
dung können vereinfacht werden. Es gibt hier einige
Möglichkeiten.

Mein letztes Stichwort ist „E-Government“, also – zu
Deutsch – die elektronische Wahrnehmung von
öffentlichen Aufgaben.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Da sind wir auf dem drittletzten Platz!)


Ich sehe darin ein gewaltiges Feld. Es wäre wünschens-
wert, wenn wir das, was sich der Bund in seinem Pro-
gramm „Deutschland-Online“ vorgenommen hat, im Be-
reich des elektronischen Regierungshandelns bzw. des
öffentlichen Handelns umsetzten, wenn wir vereinfachte
und für alle verständliche Regelungen fänden und wenn
wir dafür sorgten, dass sich daran möglichst viele Men-
schen beteiligen. Es darf keine Trennung zwischen Inter-
netnutzern und denjenigen geben, die über keinen Zu-
gang zum Internet verfügen. Wir sind dafür, dass dieses
Programm bis 2005 in großem Stil verwirklicht wird.
Wir sollten uns aber – das mahne ich an – darauf ver-
ständigen, dass es keine isolierte Lösung des Bundes ge-
ben darf. Länder wie Bremen und Schleswig-Holstein
sind bei der Einrichtung von elektronischem Regie-
rungshandeln, von E-Government, schon weit voraus.
Wir müssen, wenn wir wollen, dass das ein Projekt wird,
das auch national funktioniert, einen gemeinsamen An-
satz finden, und zwar sowohl auf der Bundesebene als
auch auf der Länderebene und auch auf der kommunalen
Ebene. Das halte ich für sehr wichtig.

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(C (D Zum Schluss noch einen Hinweis: Bürokratieabbau, it dem ich mich als Verwaltungsreformer die letzten ehn Jahre intensiv beschäftigt habe, ist, wie schon einangs erwähnt, ein Langzeitthema. Solange es Vorschrifen gibt, wird über Bürokratie geklagt werden. Wir müsen uns dem trotzdem stellen. Aber Bürokratieabbau arf keine isolierte Maßnahme sein. Wer an eine Veraltungsreform denkt, kommt nicht an dem bekannten esetz von Murphy vorbei. Herr Fuchs, für den Bereich on Bürokratieabbau und Verwaltung bedeutet Murphy’s esetz dreierlei: Erstens. Nichts ist so leicht, wie es ausieht. Zweitens. Jede Lösung bringt neue Probleme. rittens. Wenn das Problem nicht mehr besteht, bleiben mmer noch Leute, die an der Lösung arbeiten. Das sollte keine Erinnerung an die Arbeit im Bundes ag sein. Gemeint war damit: Bürokratieabbau erfordert uch die Einsicht von Murphy. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506610400

Gut, dass Murphy so kurz war, daher haben Sie den

etzten Satz zeitlich noch hinbekommen.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Birgit Homburger.


Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1506610500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir haben heute erneut eine Debatte zum Thema Büro-
ratieabbau. Wenn man den Reden hier Glauben schen-
en soll, dann sind wir uns offensichtlich in dem Ziel ei-
ig. Das ist eine gute Voraussetzung, um etwas zu
rreichen. Ich frage mich aber, warum wir dann so wenig
ustande bringen. Warum bringen Sie von der Regie-
ungskoalition bei diesem Thema so wenig zustande?


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das ist eine Fehleinschätzung!)


Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass Sie mit dem Bü-
okratieabbau – ich zitiere – „die Stärkung der Wettbe-
erbsfähigkeit … und die spürbare Entlastung von Bür-
erinnen und Bürgern“ erreichen wollen.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


Damit könnten wir anfangen. Wir haben morgen im
eutschen Bundestag einige Entscheidungen auf der Ta-
esordnung, die tatsächlich zu einer Entlastung führen
önnten.


(Zuruf von der SPD: Da sind wir gespannt, wie Sie sich verhalten werden!)


Zum Beispiel geht es morgen im Zusammenhang mit
em Haushaltsbegleitgesetz auch um das Vorziehen der
teuerreform. Sie wollen das aber über Schulden finan-
ieren und dadurch, dass Sie den Bürgern zusätzliche
asten aufbürden, die hinterher alles, was an Entlastun-
en hätte kommen sollen, auffressen.






(A) )



(B) )


Birgit Homburger


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde mir gut
überlegen, was ich in Anträge hineinschreibe!

Wir werden hier einen Gesetzentwurf zum Thema
Steuerreform vorlegen, der eine Vereinfachung vorsieht
und der Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gibt,
wieder zu verstehen, was sie beim Finanzamt abliefern
müssen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das wäre schön! Das ist richtig!)


– Das werden Sie noch sehen; dem können Sie dann zu-
stimmen.

Sie schreiben auch von Meilensteinen auf dem Weg
zu weniger Bürokratie und davon, dass Sie mehr unter-
nehmerische Freiheit erreichen wollen – und das bei ei-
ner Last von 30 Milliarden Euro Bürokratiekosten im
Jahr bei den Betrieben, das heißt, pro Arbeitsplatz bei ei-
nem kleinen Betrieb ungefähr 3 600 Euro und bei einem
Großbetrieb ungefähr 150 Euro Belastung. Insbesondere
für die kleinen und mittleren Betriebe ist das eine un-
glaubliche finanzielle Belastung, die sie durch Mehrar-
beit aufbringen müssen. Durch das, was Sie in den letz-
ten Jahren entschieden haben, ist diese Last noch größer
geworden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dirk Niebel [FDP]: Scheinselbstständigkeit!)


Sie werden sich in der nächsten Woche damit auseinan-
der setzen müssen, weil es dazu ein neues Gutachten
gibt. Das wird Ihnen die Zahlen vor Augen führen und
dann werden wir uns hier wieder sehen. Ich hoffe, dass
wir dann weiterkommen.

Jetzt komme ich zu den wunderbaren Kabinettsbe-
schlüssen, die Sie in Ihrem Antrag anpreisen: nichts als
Gerede!


(Dirk Niebel [FDP]: Heiße Luft!)

Da heißt es, man wolle ergebnisorientiert vorgehen,
Hemmnisse abbauen und Ressourcen konzentrieren. In
dem Zusammenhang reden Sie von elf Projekten. Die
Arbeitsstättenverordnung – das wurde gerade schon
angesprochen – soll von 58 auf 10 Paragraphen reduziert
werden. Das ist aber eine Mogelpackung, weil Sie eine
Anlage mit sage und schreibe 30 Unterpunkten gemacht
haben, die im Wesentlichen aus den Detailregelungen
der alten Verordnung besteht.


(Dirk Niebel [FDP]: Also nur Politlyrik!)

Dann steht in § 3 Abs. 1: Und dieser Anhang gilt auch.


(Walter Hoffmann [Darmstadt] [SPD]: Das ist Präzisierung!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, das,
was Sie da machen, ist mitnichten Bürokratieabbau; es
ist vielmehr Bürokratieaufbau. Das zeigt sich auch da-
ran, dass Sie einen neuen Ausschuss einsetzen wollen
bzw. vorgesehen haben, bestehend aus Vertretern der pri-

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(C (D aten und der öffentlichen Arbeitgeber, der Länderbeörden, der Gewerkschaften und der Träger der gesetzlihen Unfallversicherung, (Dirk Niebel [FDP]: Was ist mit den Kirchen? – Zuruf von der SPD: Die FDP fehlt!)


ie zukünftig definieren sollen, welche Regelungen der
rbeitsstättenverordnung auf einen Betrieb anzuwenden
ind.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich kann Sie nur

uffordern: Ziehen Sie diesen Unsinn zurück, anstatt ihn
uch noch anzupreisen, und legen Sie eine wirkliche De-
egulierung vor!


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das Problem ist aber, dass Ihnen der Mut fehlt; denn
eregulierung würde ja bedeuten, dass man bestimmte
egelungen abschaffen müsste. Das wäre doch das Ziel.
s gibt in dieser glorreichen Arbeitsstättenverordnung
egelungen zur Beschaffenheit der Abfallbehälter, zur
indestbreite von Laderampen, zur Mindestgrundfläche
on Büros, zur Beschaffenheit der Oberlichter, zur Min-
estraumtemperatur, zur Beleuchtung und zur Selbstbe-
euchtung der Lichtschalter. Wenn Ihnen selbst bei so
opeligen Dingen – ich sage das einmal ganz deutlich –
er Mut fehlt, etwas abzuschaffen, und Sie stattdessen
ie Regelungen von einem Paragraphen in den Anhang
erschieben, dann sind Sie zum Regieren nicht in der
age.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Nun komme ich auf das Thema Innovationsregionen

u sprechen. Wir von der FDP haben bereits am 13. No-
ember 2002, also kurz nach der Bundestagswahl, einen
ntrag vorgelegt, in dem wir detailliert aufgeführt ha-
en, welche Regelungen am Arbeitsmarkt zu großen
roblemen führen und Arbeitsplätze kosten. Wir haben
ort dargestellt, wo wir, ohne dass es etwas kosten
ürde, deregulieren müssten, um weitere Arbeitsplätze
u schaffen.


(Dirk Niebel [FDP]: Das kostet halt nur die Kanzlermehrheit! Das kostet kein Geld!)


ch denke zum Beispiel an die Teilzeitregelung oder an
egelungen im Betriebsverfassungsgesetz. Ich denke
uch daran, mehr Vereinbarungen zwischen den Arbeit-
ehmern und den Arbeitgebern in den Betrieben vor Ort
uzulassen.
Diesen Antrag werden Sie heute ablehnen.


(Fritz Kühn [Bündnis 90/Die Grünen]: Mit Recht!)


ch frage Sie: Warum?

(Fritz Kühn [Bündnis 90/Die Grünen]: Weil es Unsinn ist, was Sie vorschlagen, blanker Unsinn!)


ie tun das, weil Sie nicht den Mut haben, zu sagen, dass
n diesen Stellen Regelungen abgeschafft werden müs-






(A) )



(B) )


Birgit Homburger

sen, um wieder mehr Beweglichkeit, mehr Freiheit für
unternehmerische Tätigkeit zu schaffen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dirk Niebel [FDP]: Freiheit! Das versteht der Kuhn gar nicht!)


Das ist der Punkt.
Da Sie nicht in der Lage sind, die notwendigen Verän-

derungen herbeizuführen, wollen Sie jetzt Innovations-
regionen einführen. Das begrüßen wir sehr. Über Öff-
nungsklauseln könnte in bestimmten Regionen sofort
ausprobiert werden, wie es wirkt, wenn bestimmte Rege-
lungen ausgesetzt werden. Mit anderen Worten: Es ginge
darum, zu klären, ob die Aussetzung bestimmter Rege-
lungen tatsächlich dazu führt, dass neue Arbeitsplätze
geschaffen werden.

Was aber machen Sie? Der Bundeswirtschaftsminister
hat mehrfach – im Oktober oder im November letzten
Jahres erstmals – die Schaffung von Innovationsregionen
angekündigt. Danach wurde darüber diskutiert, ob Inno-
vationsregionen verfassungsrechtlich überhaupt möglich
sind. Im Januar folgte eine erneute Ankündigung. Später
folgte ein Kabinettsbeschluss. Heute liegt ein Antrag der
Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen
vor.

Ich frage mich: Schämen Sie sich eigentlich nicht?

(Zuruf von der FDP: Nein!)


In diesem Antrag wird tatsächlich begrüßt, dass drei
Testregionen für Modellregionen eingeführt werden.
Wenn Sie in diesem Tempo weitermachen, dann wird
man am Ende dieser Legislaturperiode keine Erfahrun-
gen gemacht haben, auf denen man aufbauen kann, son-
dern dann wird man Bestimmungen haben, nach denen
die Testregionen prüfen können, ob man Modellregionen
in Deutschland schaffen kann. So geht es jedenfalls
nicht.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dirk Niebel [FDP]: Das ist doch gaga!)


Wir debattieren hier unter anderem über einen Antrag
der FDP-Bundestagsfraktion zum Thema Bürokratie-
kosten-TÜV.


(Walter Hoffmann [Darmstadt] [SPD]: Das ist doch FDP-Bürokratismus! – Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das ist ja auch wieder eine neue Behörde!)


Wir wollen, dass der Bürokratiekosten-TÜV wieder ein-
geführt wird, damit mehr Kostentransparenz geschaffen
wird. Das gab es in der Geschäftsordnung der Bundes-
regierung bereits. Es hat sich bewährt, dass die Verwal-
tungsarbeiten systematisch erfasst und in den Gesetzes-
blättern aufgeführt wurden. Das hat dazu geführt, dass
bestimmte Dinge aus Kostengründen einfach nicht ge-
macht worden sind.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506610600

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

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(C (D Da wollen wir wieder hin. Ich frage mich, warum Sie as abgeschafft haben. ir fordern Sie auf, solche Strukturen wieder einzufühen, um beim Bürokratieabbau endlich voranzukommen. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein viel zu bürokratischer Redeaufbau!)

Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1506610700

(Zuruf von der SPD: Weil es Quatsch war!)


Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506610800

Für die Bundesregierung hat jetzt der Parlamentari-

che Staatssekretär Rezzo Schlauch das Wort.

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Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506610900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie im-
er bei Diskussionen um Bürokratieabbau erlebt man
eute Folgendes: Alle sind sich im Ziel einig – das ist ei-
entlich ein guter Ausgangspunkt –; der Schlachtruf al-
er lautet „Bürokratieabbau“ bzw. „Entbürokratisie-
ung“. Schaut man einmal näher hin, Herr Kollege Fuchs
dieses Phänomen stelle ich in allen Diskussionen zu
iesem Thema fest –, macht man die Erfahrung: Je eini-
er man sich ist, desto weniger kommt man voran.
Das ist nicht nur beim Bürokratieabbau, sondern – das
urde richtigerweise gesagt – auch beim Subventionsab-
au so.


(Zuruf von der SPD: Das ist der vierte Teil des Gesetzes von Murphy!)


ie Diskutanten – das haben wir erlebt, als Sie, Herr
uchs, und Sie, Frau Kollegin Homburger, gesprochen
aben – überschlagen sich in Radikalität, in Lautstärke
nd in weitestgehenden Forderungen. Beispielsweise die
orderung eines Ex-Bundespräsidenten nach einem
uck war noch vergleichsweise moderat. Dieser ehema-
ige Bundespräsident hat jetzt seine liebe Not, seine For-
erung nach einem Ruck umzusetzen, und zwar im eige-
en politischen Lager.
eshalb sollte man da etwas zurückhaltender sein.


(Zuruf von der SPD: Nachdenken ist wichtig!)

Solche Diskussionen nützen irgendwie nur uns selbst.
ir klopfen uns auf die Schulter und sagen: Wir haben

etzt wieder etwas für den Bürokratieabbau getan. – Da-
ei haben wir nur geredet.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Dann handeln Sie doch!)


enden wir uns also den konkreten Projekten zu!

(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Ich bin sehr gespannt!)







(A) )



(B) )


Parl
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1506611000
Bürokratie ist nicht per se schlecht. Büro-
kratie ist, wenn sie richtig eingesetzt wird, zum Wohle
der Bürger. Bürokratie ist im Grunde genommen Grund-
pfeiler einer guten Demokratie. Ich nenne Ihnen zwei
Beispiele: Erstens. Wir haben eine neue Institution mit
Personal zum Managen der 400-Euro-Jobs geschaffen.
Das haben Sie als Aufbau von Bürokratie diskreditiert.
Zweitens. Um die Dinge im Zusammenhang mit der
Hartz-Gesetzgebung effizienter zu machen, wollen wir
den Schlüssel „Arbeitsvermittler zu Arbeitslosen“ von
1 : 350 auf 1 : 75 ändern. Sie diskreditieren das als Büro-
kratieaufbau. Ich aber kann nur sagen: Das ist Bürokratie
zum Wohle der Bürger. Man kann also nicht immer nur
behaupten, Bürokratie sei schlecht und von Übel,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir brauchen mehr Bürokratie?)


sondern es ist notwendig, da zu unterscheiden.
Wo sind die konkreten Projekte und Ihre Positionen

dazu? Sie haben die Arbeitsstättenverordnung zitiert.
Haben Sie eigentlich etwas dagegen, dass man beispiels-
weise die Gestaltung von Pausen-, Bereitschafts-, Liege-,
Sanitär- und Sanitätsräumen nicht mehr in vielfältigen
Details regelt? Haben Sie etwas dagegen, dass man da-
von Abstand nimmt, Raumtemperatur etc. zu regeln? –
Sie haben nichts dagegen. Dann ist das doch okay.

Wir haben die Arbeitsstättenverordnung reformiert.
Wir haben das Verwaltungsdatenverwendungsgesetz auf
den Weg gebracht. Wir haben die Handwerkszählung
verschoben. Wir haben das Rohstoffstatistikgesetz ver-
schlankt. Wir wollen ein schlankes Geräte- und Produkt-
sicherheitsgesetz. Das sind konkrete Projekte, die die
Wirtschaft und insbesondere den Mittelstand von Pflich-
ten entlastet.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Der merkt nur nichts davon!)


Das ist konkretes Vorgehen.
Sie dagegen bleiben bei der großen Geste: Bürokra-

tieabbau, Bürokratieabbau, der große Wurf, die tiefen
Einschnitte. Wenn es aber darum geht, die tiefen Ein-
schnitte vorzunehmen – dafür gibt es viele Beispiele, die
Sie auch genau kennen; das sind Ihre Schwachpunkte,
beispielsweise die Handwerksordnung;


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


da ist zu fragen, wo denn da Ihr Wille zum Bürokratieab-
bau ist –, ergehen Sie sich in übelstem, antiquiertestem
Klientelismus, so wie wir es von Ihnen gewohnt sind, ist
Bürokratieabbau, ist das Senken von Zugangshemmnis-
sen von Ihnen überhaupt nicht gewollt. Im Gegenteil: Da
bauen Sie die Zäune um Ihre Klientel – Handwerker,
Apotheker, Ärzte – noch höher.


(Lachen der Abg. Birgit Homburger [FDP])

Gucken Sie sich doch einmal die Ergebnisse der Ge-

sundheitsreform an! Da ist Ihre Klientel geschont wor-
den! Wir haben versucht, mehr Wettbewerb und mehr
Konkurrenz in die Systeme zu bringen,

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(C (D (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben doch das Gesetz gemacht, nicht wir!)


nd Sie haben das alte Spiel des Schützens Ihrer Klientel
espielt. So wird Ihr Ansatz zum Bürokratieabbau nicht
laubwürdig. Fangen Sie endlich an, sich zu den konkre-
en Projekten, die die Bundesregierung auf den Tisch
egt, zu verhalten. Morgen haben Sie die Gelegenheit
azu.
Morgen stellen wir zur Abstimmung, die zwei Sys-

eme der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe zusam-
enzuführen. Das ist ein riesiger Sieg gegen überflüs-
ige Bürokratie.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das haben wir schon in der 14. Legislaturperiode zur Abstimmung gestellt!)


Die FDP ist immer dann gut, wenn es darum geht, das
aul aufzumachen. Wenn es darum geht, zu konkretisie-

en,

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das liegt alles vor!)

ann fallen Sie in alten Klientelismus zurück.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


err Westerwelle hat das doch selber zugegeben. Haben
ie die Diskussion der letzten Tage verschlafen? Oder
o leben Sie?


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


Morgen steht unter anderem auch die Neuordnung der
ozialhilfe zur Diskussion. Auch in ihr ist ganz erhebli-
her Bürokratieabbau enthalten. Dann haben Sie die Ge-
egenheit, Ihren großen Worten von heute Taten folgen
u lassen. Ich bin gespannt, wie Sie da abstimmen. Ich
offe, dass Sie Ihre eigenen Vorgaben erfüllen.
Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506611100

Das Wort gebe ich zu einer Kurzintervention der Kol-

egin Gönner.


Tanja Gönner (CDU):
Rede ID: ID1506611200

Herr Staatssekretär, es ist für mich hochinteressant

nd nicht nachvollziehbar, wie Sie auf die Idee kommen,
ie Änderung der Handwerksordnung habe etwas mit
ürokratieabbau zu tun. Das hat sich mir während der
anzen Diskussion nicht erschlossen. Insofern würde ich
ich freuen, wenn Sie das einmal erklären könnten.
Sie haben gesagt, Handwerker und Apotheker seien

nsere Klientel. Weil sie nicht Ihre Klientel sind, ändern
ie die Handwerksordnung. Aber Sie sind nicht bereit,
m Tarifvertrags- und Arbeitszeitrecht einiges an Büro-
ratie abzubauen – im Übrigen im Interesse der Wirt-






(A) )



(B) )


Tanja Gönner

schaft, die Sie als Staatssekretär im Wirtschaftsministe-
rium zu vertreten hätten.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Und der Arbeitsplätze vor allen Dingen!)


Dort sind Sie nicht in der Lage, für Entlastung zu sorgen.
Vielmehr sind Sie dort bereit, Verwaltung aufzubauen
und Stellen zu schaffen. Vielleicht sollten Sie ab und zu
einmal zur Wirtschaft gehen und sie fragen, wie sie sich
freut, wenn die Verwaltung aufgebläht wird. Anschlie-
ßend muss sich nämlich die Wirtschaft mit den Verwal-
tungsbeamten herumschlagen.

Sie sollten sich einmal überlegen, was zu tun ist, da-
mit sich Wirtschaft entwickeln kann. Gehen Sie an die
Tarifverträge und an die Arbeitszeit – das betrifft Ihre
Klientel –,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nur Mut!)

anstatt – völlig daneben – eine Handwerksordnung zu
ändern, die mit Bürokratie in diesem Sinne überhaupt
nichts zu tun hat!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506611300


Werte Frau Kollegin, die schlimmste Überbürokrati-
sierung liegt vor, wenn Menschen von der Umsetzung
ihrer Motivation und ihres Bedürfnisses, sich selbststän-
dig zu machen, durch gesetzliche Regelungen ausge-
schlossen werden. Die Handwerksordnung enthält in
vielen Gewerken – nicht bei allen; wir wollen ja nicht
alle ändern – unnötige Zugangsbeschränkungen für
Menschen, die sich selbstständig machen wollen. Eine
schlimmere Bürokratie gibt es nicht. Denn die Hand-
werksordnung schließt Menschen von der Partizipation
aus. Da müssen Sie ein absolut falsches Bild haben.

Bei der Honorarordnung für Architekten und Ingeni-
eure besteht die Bürokratieabbau-FDP auf staatlich ga-
rantierten Preisen. Was hat das mit einem freien Beruf zu
tun?


(Birgit Homburger [FDP]: Quatsch!)

Wenn Sie vor allen diesen Dingen und auch vor der

Kassenärztlichen Vereinigung zurückschrecken und die
bestehenden Verhältnisse erhalten wollen, dann sind alle
Ihre Reden, die Sie hier mit großspurigen Forderungen
untermalen, jedenfalls für meine Begriffe nicht glaub-
würdig. Das wird Ihnen nicht nur hier im Bundestag,
sondern auch in allen Diskussionen mit der Wirtschaft,
mit dem Mittelstand, mit den Industrie- und Handels-
kammern gesagt. Offensichtlich sind Sie da wenig zu
Hause.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D Nächster Redner in dieser Debatte ist der Kollege tephan Mayer, CDU/CSU-Fraktion. (Dr. Michael Bürsch [SPD]: Gilt auch für Rechtsanwälte!)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506611400


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1506611500

Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

en und Kollegen! Auf den so genannten Masterplan
ürokratieabbau der rot-grünen Bundesregierung trifft
eines Erachtens ein Wort Erich Kästners bestens zu: Es
ibt nichts Gutes, außer man tut es. Die Ankündigungen
ind zwar vollmundig und ehrgeizig, aber das Resultat
ehr als dürftig und beschämend. Selbst der verheißungs-
olle Titel des Masterplans „Mittelstand fördern – Beschäf-
gung schaffen – Bürgergesellschaft stärken“ kann nicht
arüber hinwegtäuschen, dass gerade im letzten Jahr
urch die rot-grüne Bundesregierung in allen Bereichen
usätzliche bürokratische Hemmnisse und Hürden auf-
ebaut wurden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Schlimm genug!)

Wer intensiv über eine Ausbildungszwangsabgabe

iskutiert, eine LKW-Maut einführen will, die das Spe-
itionsgewerbe vor unüberbrückbare Probleme in der
raktischen Umsetzung stellt, die Landwirtschaft mit bü-
okratischen Auflagen knechtet, sodass der Landwirt
etztendlich mehr Zeit im Büro als im Stall verbringt,
ohin er eigentlich gehört, dem kann nicht ernsthaft an
inem wirklichen Abbau von Bürokratie und Überregu-
ierung in der Wirtschaft und in der Verwaltung gelegen
ein.
Wenn nicht alle staatlichen Ebenen schnellstens die

eichen der Zeit erkennen und einen mutigen und deutli-
hen Schritt in Richtung weniger Staat und weniger Re-
lementierung gehen, fährt der Wirtschaftsstandort
eutschland sehenden Auges in den Abgrund. Wir kön-
en dann aber immer noch behaupten, für den Bau von
chweinemastställen ein immissionsschutzrechtliches
enehmigungsverfahren vorzuschreiben, eine Arbeits-
tättenverordnung zu besitzen, die Mindesttemperaturen
uf Toiletten vorschreibt und Mindestgrundflächen für
anitär- und Umkleideräume definiert. Nobel geht die
elt zugrunde, kann man dazu nur sagen.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1506611600
Ich bin gegen diese Mindestvorschriften in der
rbeitsstättenverordnung. Bei uns, bei der CDU/CSU,
aufen Sie wirklich offene Türen ein, wenn Sie Initiati-
en zur Vereinfachung vorbringen. Nur, Sie haben es in
er Hand, Sie sind seit fünf Jahren an der Regierung


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Gott sei Dank!)

nd haben nichts erreicht.
Herr Kollege Bürsch, Sie haben vorher erwähnt, wir

ollten in Sachen E-Government Fortschritte machen und
nitiativen starten. Sie sind seit fünf Jahren am Ruder. Was
t das Resultat? Wir nehmen unter allen westeuropäischen
ändern gemäß einer Studie, in der überprüft wurde, wie
eit die Länder schon in Sachen E-Government sind, den






(A) )



(B) )


Stephan Mayer (Altötting)


glorreichen 17. Platz, den drittletzten Platz, ein – à la
bonne heure!


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Wir arbeiten uns nach vorne! Unaufhaltsam!)


Wir von der CDU/CSU sind bereit, diesen mutigen
Schritt zu gehen. So sind wir der Auffassung, dass sich
dieses Hohe Haus in vermehrtem Maße nicht als Gesetz-
geber, sondern auch als Gesetznehmer verstehen sollte.
Schon im Vorfeld des Erlasses von neuen Gesetzen sollte
eine effiziente Gesetzesfolgenabschätzung erfolgen,


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Richtig!)

bei der untersucht wird, welche Kosten und welcher zeit-
liche Aufwand den Bürgern, der Wirtschaft und den
Kommunen bei der Anwendung des Gesetzes entstehen.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Da sind wir dabei!)


Gesetze und Verordnungen sollten unserer Auffassung
nach in stärkerem Maße befristet werden und nach Ab-
lauf der Befristung daraufhin überprüft werden, ob sie
sich bewährt haben, und nur für den Fall weiter in Kraft
bleiben, falls das mit ihnen verfolgte Ziel tatsächlich ein-
getreten ist.


(Fritz Schösser [SPD]: Wie viele solcher Gesetze gibt es denn in Bayern?)


Wir brauchen endlich deutlich kürzere Genehmi-
gungs- und Verwaltungsverfahren. Es kann nicht an-
gehen, dass ein Unternehmer im Einzelfall vor der Be-
triebsgründung bis zu zehn einzelne Genehmigungen
einholen muss und dabei von Pontius zu Pilatus rennen
darf. Unser konkreter Vorschlag – Sie haben ja bemän-
gelt, wir hätten keine Vorschläge; wir haben sie sehr
wohl – lautet: Eine Behörde wird federführend mit dem
Genehmigungsverfahren betraut und alle anderen zu be-
teiligenden Institutionen werden aufgefordert, sich in-
nerhalb bestimmter Fristen zu dem Investitionsvorhaben
zu äußern. Falls dann von einer Behörde innerhalb von
sechs Wochen keine Stellungnahme abgegeben wird, gilt
die Genehmigung automatisch als erteilt.

Als vorbildlich ist in diesem Zusammenhang das
bayerische Vorhaben anzuführen, das Widerspruchsver-
fahren abzuschaffen. Denn gerade die überlangen Ge-
nehmigungs- und Verwaltungsverfahren in Deutschland
tragen stark dazu bei, dass viele Unternehmer in der heu-
tigen Zeit davor zurückschrecken, in Deutschland zu in-
vestieren. Laut einer Befragung des Ifo-Instituts für
Wirtschaftsforschung aus dem Jahr 2002 würden bei ei-
ner umfassenden Entbürokratisierung 45 Prozent aller
Unternehmen mehr investieren und 38 Prozent zusätzli-
ches Personal einstellen. Nur 28 Prozent sehen bei einer
Entbürokratisierung keine Auswirkungen auf Investitio-
nen und Arbeitsplätze.

Neben den hohen Lohnnebenkosten und dem in der
Praxis nicht mehr zu handhabenden Steuerrecht gehören
die durch die überbordende Bürokratie ausgelösten Aus-
gaben mit Sicherheit zu den Hauptinvestionshemmnis-
sen, die wir in Deutschland haben – ganz abgesehen von
der rot-grünen Bundesregierung selbst. Während die Um-

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(C (D atzrendite für Unternehmen mit weniger als 100 Mitareitern nach Angaben der Bundesbank zwischen 1,5 und ,5 Prozent liegt, belaufen sich die Bürokratiekosten für iese Unternehmensgruppe nach verschiedenen Schätungen je nach Größe auf 1,5 bis 7 Prozent. Nach unserer Auffassung sollte nicht nur ein eigener abinettsausschuss auf der Ebene des Bundeskabinetts it dem Auftrag, der Bürokratie und Überreglementieung Herr zu werden, eingesetzt werden, sondern zusätzich ein eigener Bundestagsausschuss. Ein deutlicher nd spürbarer Schritt in Richtung weniger Staat und weiger Vorschriften kann nur dann gelingen, wenn dieses iel auf allen staatlichen Ebenen von den politischen ntscheidungsträgern nachhaltig und unnachgiebig verolgt wird. Auch im Bereich des Richterrechts sind Reformen otwendig. In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat ich die Tendenz verstärkt, dass die Justiz die Funktion ines Ersatzgesetzgebers übernimmt. Gerade bei Großnvestitionsvorhaben und bei technisch und naturwissenchaftlich geprägten Genehmigungsverfahren sind die andlungsspielräume der Behörden sehr eng geworden, a sie in zunehmendem Maße durch den Einfluss der echtsprechung dominiert werden. Im Ergebnis sollte ei verwaltungsrechtlichen Abwägungs-, Prognoseoder eurteilungsentscheidungen der Maßstab der gerichtlihen Anfechtbarkeit auf eine prinzipielle Evidenzund illkürkontrolle beschränkt werden. Wir brauchen mehr Mut und mehr Entschlusskraft, m diese nationale Aufgabe der Entbürokratisierung, eregulierung und Verwaltungsvereinfachung endlich nzupacken. Deshalb bitte ich Sie alle um Zustimmung u unserem Antrag – in der Hoffnung, dass der Zustand, en Kurt Tucholsky beschrieben hat, nämlich dass es das eutsche Schicksal sei, vor einem Schalter zu stehen, nd das deutsche Ideal, hinter einem Schalter zu sitzen, ndlich der Vergangenheit angehört. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Michael Bürsch [SPD]: Es geht doch nichts über ein schönes Zitat!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506611700

Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin
te Vogt.
Ut
Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1506611800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

n der Tat: Weniges ist so populär wie, sich gegen Büro-
ratie und überbordende Vorschriften zu wehren. Das
ar für Sie allerdings 16 Jahre lang kein allzu populäres
hema.


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Sie müssen nach vorne schauen! Schauen Sie in unseren Antrag!)


ch kann verstehen, dass Sie jetzt die Gelegenheit nut-
en, zumal es nicht mehr darum geht, dass Sie selbst






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretärin Ute Vogt

Konkretes vorzeigen müssten. Aber ich rate Ihnen, über
den Bundestag hinaus, insbesondere in den Ländern, in
denen Sie die Verantwortung haben, genau hinzu-
schauen.


(Andrea Astrid Voßhoff [CDU/CSU] Saarland! Hessen!)


– Da Sie gerade einige Beispiele nennen: Es wäre drin-
gend nötig, dass auch Sie beispielsweise in Baden-
Württemberg zum Bürokratieabbau beitragen.

Die Kunst liegt nämlich darin, dass wir uns in Selbst-
beschränkung üben. Wer fordert, dass die Zahl der Ge-
setze, Vorschriften und Vorgaben reduziert wird, muss
bei sich selbst anfangen. Fangen Sie dort an, wo Sie
nicht in der Opposition sind, aber fangen Sie auch als
Opposition an: Die Opposition hat seit 1998 sage und
schreibe 219 Gesetzentwürfe in den Bundestag einge-
bracht, die sie gerne verabschiedet gewusst hätte.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! – Zuruf von der CDU/CSU: Allemal besser als Ihre!)


137 weitere Gesetzentwürfe haben uns über den Bundes-
rat erreicht.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506611900

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Fuchs?

U
Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1506612000


Bitte schön, Herr Fuchs.


Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1506612100

Frau Staatssekretärin, sind Ihnen die Bürokratieab-

bauprogramme des Saarlandes und von Hessen bekannt?
Ut
Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1506612200

Mir ist bekannt, dass im Saarland schon der Kollege

Heiko Maas als Umweltminister begonnen hatte, über-
flüssige Vorschriften in seinem Ressort zu reduzieren.
Ich halte das für etwas Positives. Aber Sie müssen einge-
stehen, dass viele Bundesländer, auch die Mehrzahl der
CDU-regierten, solche Maßnahmen nicht eingeleitet ha-
ben. Unbekannt ist es mir nicht, aber es ist, jedenfalls
was das Saarland anbetrifft, mitnichten neu, sondern da-
mit wurde schon lange vor der Regierungszeit des Mi-
nisterpräsidenten Müller angefangen.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Ich stelle also fest: Es ist Ihnen nicht bekannt!)


– Eben habe ich doch gesagt, dass ich es kenne. Zuhören
gehört auch dazu, wenn man differenziert diskutieren
will.

Ich will Ihnen noch einmal darstellen – auch wenn Sie
es zuweilen nicht bemerken mögen –, dass wir anders ar-
beiten. Die 54 Projekte, die von Ihnen häufig zitiert wur-
den, sind alle in Arbeit. Ein Teil ist bereits umgesetzt,

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(C (D eile werden noch bearbeitet. Elf Entwürfe werden dereit im parlamentarischen Verfahren beraten; zumindest iese dürften Ihnen bekannt sein. Ich will ein Beispiel aufgreifen, das der Kollege ürsch schon erwähnt hat, elektronische Organisation er Gesundheitskarte: 700 Millionen Rezepte, 00 Millionen Verordnungen. Die Einführungskosten erden sich nach den ersten beiden Jahren amortisiert aben. Zum Schluss ist eine jährliche Einsparung in öhe von 1 Milliarde Euro zu erwarten. Dies ist nicht enig. Ich bitte Sie zur Kenntnis zu nehmen, dass dieses ines von 54 Projekten ist, das wir alle gemeinsam mit reude vorantreiben. Es entgeht Ihnen manches, was schon vor längerer eit auf den Weg gebracht worden ist. Allein in der letzen Legislaturperiode haben wir 92 Behörden des Bunes geschlossen. Uns ergeht es so, wie es ein Redner orhin geschildert hat: Es werden Regelungen außer raft gesetzt und keiner merkt es. Wie gesagt: 2 Behörden des Bundes, die es noch gab, als wir die egierung übernommen haben, wurden geschlossen. Sie müssen auch zugeben, dass es kaum eine Kollegin der einen Kollegen gibt, die bzw. der nicht massiv dafür ekämpft hat, dass selbst die kleinste Außenstelle einer ehörde in seinem Wahlkreis erhalten bleibt. Wenn wir ber Bürokratieabbau reden, dann sollten wir also auch arüber reden, dass wir uns auch dort beschränken müsen – Herr Kollege Schlauch hat vorhin einige Beispiele ngeführt –, wo Menschen betroffen sind, die wir vertreen. Es gibt aus meiner Sicht auch die Notwendigkeit, den ürgerinnen und Bürgern zu sagen: Allein der Ruf nach bschaffung von Gesetzen reicht nicht aus. Ich will ein leines Beispiel aus dem Bereich des Sports, der beanntermaßen zur Innenpolitik gehört, nennen. Es gibt in Gesetz zum rechtlichen Schutz der olympischen inge, ein Gesetz, von dem die meisten Bürgerinnen und ürger sagen würden, dass man es nicht benötigt. Dieses esetz ist aber Grundvoraussetzung dafür, dass Leipzig er Austragungsort der Olympischen Spiele werden ann. Man braucht also manchmal auch Gesetze und erordnungen, die auf den ersten Blick nicht sinnvoll ercheinen. Manchmal werden auch die Rahmenbedingungen so esetzt, dass neue Gesetze notwendig werden. Ein aktulles Beispiel ist das Urteil des Bundesverfassungsgeichts im Kopftuchstreit. Es hat entschieden, dass die änder in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich elbst regeln sollen, ob eine Lehrerin ein Kopftuch im nterricht tragen darf oder nicht. Im ungünstigsten Fall edeutet dies, dass es 16 unterschiedliche Regelungen ibt, wenn sich die 16 Länder nicht einigen können. Sie ürfen also nicht von vornherein fordern, Gesetze einach abzuschaffen. Zu einem ernsthaften Umgang mit Bürokratieabbau nd zu einer ernsthaften Debatte darüber, wie wir uns als taat und als demokratische Gemeinschaft verstehen, geört auch die Erkenntnis, dass manche Gesetze durchaus hren Sinn haben und notwendig sind. Wir müssen uns Parl. Staatssekretärin Ute Vogt darüber verständigen, in welchen Bereichen wir auf Gesetze verzichten können. Es geht um ein effektives Arbeiten. „Bund online“ ist ein Beispiel dafür, dass man zu Einsparungen kommen kann. Es gibt etwa 400 Dienstleistungen des Bundes in über 100 Bundesbehörden. Mehr als die Hälfte dieser Dienstleistungen werden bereits online bereitgestellt. Diese Möglichkeiten gab es in früheren Zeiten aufgrund der fehlenden Technik nicht. Wir haben das Thema E-Government nachdrücklich vorangetrieben. Entgegen der Informationen des Kollegen Mayer kann ich sagen: Wir sind inzwischen unter den Top Ten der E-Government-Länder. Wir haben in diesem Bereich große Erfolge und werden bis 2005 das Ziel, alle internetfähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung im Internet bereitzustellen, auch erreichen. Die entsprechenden Einsparungen betragen 5 bis 10 Prozent des Beschaffungsvolumens. Würden alle, also Bund, Länder und Gemeinden, deren jährliches Auftragsvolumen insgesamt etwa 250 Milliarden Euro beträgt, am gleichen Strang ziehen und so wie der Bund E-Government einsetzen, könnten wir 25 Milliarden Euro einsparen. Das sind einige eindrucksvolle Beispiele. Lassen Sie mich zum Schluss noch auf folgenden Punkt hinweisen. Entscheidend ist nicht allein die Zahl der Gesetze und Verordnungen, die wir außer Kraft setzen. Entscheidend ist vielmehr, ob es uns gelingt, bei diesem Thema ein anderes Bewusstsein zu schaffen, Beamtinnen und Beamten mehr Ermessensspielräume zu geben, deutlich zu machen, dass sie Verantwortung tragen sollen, und den Bürgerinnen und Bürgern klar zu machen, dass nicht bei jedem Streit nach dem Staat gerufen werden kann. Gerne würde ich auf Regelungen verzichten, die Grenzabstände bestimmen oder im Bereich des Baurechts festlegen, wer was wohin bauen darf. Aber dies würde voraussetzen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger untereinander einigen und dass sich ein anderes Bewusstsein entwickelt. Das erreicht man nicht durch Streichungsrufe, sondern nur dann, wenn man den Menschen deutlich macht: Bürokratie abbauen heißt auch, Verantwortung gerade dort zu übernehmen, wo es Konflikte gibt und Schwierigkeiten bestehen. Wir sind dazu bereit. Es wäre schön, wenn wir in diesem Sinne bewusstseinsbildend an einem Strang ziehen könnten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506612300

Zu einer Kurzintervention gebe ich der Kollegin

Homburger das Wort.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Beifall bei Abge ordneten der CDU/CSU)


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(C (D Frau Staatssekretärin, ich habe mich zu dieser Kurzin ervention gemeldet, weil Sie uns aufgefordert haben, in en Bereichen, in denen wir dazu in der Lage sind, zu andeln. Ich möchte Ihnen deutlich machen, dass sich ie FDP in den Landesregierungen, in denen sie vertreen ist, das Thema Bürokratieabbau nicht nur auf die ahnen geschrieben, sondern auch umgesetzt hat. Wähend Sie in der letzten Legislaturperiode über 400 neue esetze und 1 000 neue Verordnungen beschlossen haen, haben wir Verordnungen und Rechtsvorschriften in en Ländern, in denen wir mitregieren, abgebaut. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das dem Bürger gebracht?)

Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1506612400

Ich möchte Ihnen einige Zahlen nennen, um das deut-
ich zu machen. In Baden-Württemberg wurden im Jahr
000 1 127 Vorschriften von insgesamt 4 303 Vorschrif-
en, also 26 Prozent, abgebaut. Im Jahr 2001 wurden
och einmal 11 Prozent abgebaut. In der Zeit, in der es in
essen eine Regierungskoalition von CDU und FDP
ab, haben wir 39 Prozent der Verordnungen und 15 Pro-
ent der weiteren Rechtsvorschriften, insgesamt
500 Vorschriften und 1 400 allgemeine Verfügungen,
bgeschafft.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die meisten im Umweltbereich!)


m Rahmen des Rechtsbereinigungsgesetzes in Rhein-
and-Pfalz – das immer wieder, wie Sie, Frau Staatssek-
etärin, wissen sollten, zu Überprüfungen führt – wurden
m September 2000 unter Regierungsbeteiligung der
DP 53 Rechtsverordnungen abgeschafft.
Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache. Da, wo wir

ie Möglichkeit haben, etwas zu tun, da tun wir dies. Sie
aben die Möglichkeit, den Anträgen und Entwürfen
on Gesetzen zum Bürokratieabbau, die die FDP in den
eutschen Bundestag eingebracht hat, zuzustimmen.
ann tut sich auch auf Bundesebene etwas.
Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506612500

Nächste Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
ndrea Voßhoff, CDU/CSU-Fraktion.


Andrea Astrid Voßhoff (CDU):
Rede ID: ID1506612600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
err Staatssekretär Schlauch, Sie haben ein bemerkens-
ertes Verständnis von Bürokratieabbau. Die Abschaf-
ung des Meisterbriefes mit Bürokratieabbau gleichzu-
etzen halte ich für sehr kühn. Die Abschaffung des
eisterbriefes bedeutet Abbau von Qualität und von
ualifizierung und ist kein Abbau von Bürokratie.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Andrea Astrid Voßhoff

Frau Staatssekretärin Vogt, Sie haben die 16 Jahre un-

ser Regierungszeit erwähnt. Ich nenne Ihnen einmal ein
paar Zahlen, die Sie nachdenklich stimmen sollten. In
den 50er-Jahren umfasste das Bundesgesetzblatt jährlich
circa 1 000 Seiten. In den 70er-Jahren waren es schon
2 700. Rot-Grün hat es im Durchschnitt der Jahre 2000
bis 2002 auf stolze 3 700 Seiten pro Jahr gebracht. Sie
haben damit sogar den im Zuge der Wiedervereinigung
notwendigen Regelungsumfang Anfang der 90er-Jahre
getoppt, Frau Vogt.

In der vergangenen Legislaturperiode hat Rot-Grün
pro Kalendertag, also auch an Sonn- und Feiertagen,
durchschnittlich 1,2 neue Gesetze oder Verordnungen
verabschiedet. Tag für Tag, ob der Bürger abends von
der Arbeit oder am Sonntagabend von einem Tagesaus-
flug mit der Familie nach Hause kam, hat sich Rot-Grün
mit einer neuen Regelung mit durchschnittlich
20 Einzelvorschriften in sein Leben eingemischt. Eine
Bundesregierung sollte beim Regieren Spitze sein und
nicht beim Regulieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Bilanz Ihrer bisherigen Regierungszeit lässt sich

daher ganz einfach beschreiben: bei der Bürokratie vorn,
beim Wirtschaftswachstum hinten. In einer Studie zum
Bürokratieabbau kommt das Institut der deutschen Wirt-
schaft zu dem Ergebnis: Je höher die Regulierungsinten-
sität, umso weniger gelingt es einem Land, sein Beschäf-
tigungspotenzial auszuschöpfen. Bestes Beispiel dafür
ist die Politik von Rot-Grün. Bei der Frage, wer am we-
nigsten reguliert, belegen wir nach einer OECD-Studie
den traurigen 14. Platz von 20 Industrieländern.

Wir alle kennen die Fakten, wir alle kennen Beispiele,
bei denen der Amtsschimmel wiehert. Wir wissen, wie
oft und wie viel Klage über die Bürokratie in Deutsch-
land geführt wird. Natürlich sind die Ursachen viel-
schichtig; ich will Sie nicht allein in die Haftung dafür
nehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich will die EU-Bürokratie ebenso wenig ausblenden
wie die Landesgesetze und deren Folgen, ganz zu
schweigen von den auf Bundes- und Landesebene las-
tenden Verordnungen und Verwaltungsvorschriften.

Wenn ich die Antwort der Bundesregierung auf eine
Anfrage der FDP richtig gelesen haben, gibt es im steu-
erlichen Bereich 79 000 steuerliche Verwaltungsvor-
schriften. Kommissionen, Institutionen, Ratschläge und
Vorschläge dazu, was getan werden müsste, kennen wir
zur Genüge. Wie aber bekämpft man Bürokratie wirk-
sam und nachhaltig? Ich glaube, dass unser Vorschlag ei-
nen guten Ansatz bietet.

Der Weg zu dauerhaft weniger Bürokratie – hier soll-
ten wir alle sehr selbstkritisch mit uns umgehen – muss
in den Parlamenten beginnen, also auch bei uns in die-
sem Hause. Der Gesetzgeber muss – das hat heute Mor-
gen der Kollege Bosbach gesagt – vom Gesetzgeber wie-
der zum Gesetznehmer werden.

Wir haben uns eine weitere Frage gestellt: Wie kann
es gelingen, einerseits den Bestand an Regelungen zu

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(C (D urchforsten und andererseits Instrumente zu entwikeln, mit denen bürokratische Hemmnisse künftig verindert werden können? Ich will das mit einem Bild verleichen, das das Institut der deutschen Wirtschaft in einer Studie gewählt hat: Bildlich gesprochen muss icht nur die Badewanne geleert, sondern auch der Zuauf eingedämmt werden. Lassen Sie uns heute über die Rezepte streiten, aber eien wir uns in dem Anspruch einig, es auch tun zu wolen. Dazu gehört auch, dass wir uns mit den bürokratichen Folgen eines Gesetzes künftig intensiver auf parlaentarischer Ebene befassen, als wir es bisher getan aben. Bei Medikamenten hören wir immer wieder: Zu Risi en und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage der fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Wie halten ir es denn mit dem Studium der „Packungsbeilage“ bei esetzesinitiativen? Wie werden sie überhaupt erstellt? (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: PISA-Schwäche überwinden!)


as lesen wir denn dazu in den Gesetzesinitiativen? –
Alternativen: keine“. Gerade hier sollte das Parlament
ie Frage stellen, warum der Staat eine Regelung treffen
uss. Beim Stichwort Kosten heißt es in der Regel:
eine. Manchmal werden sie aber auch so schöngeredet,
ass das politische Ziel entscheidet. Zu den sonstigen
osten, nämlich zu den Belastungen für die Unterneh-
er, steht oftmals: keine. Manchmal gibt es den Hin-
eis: nicht bezifferbar.
Ich denke, mit diesen dürftigen „Packungsbeilagen“

ei Gesetzesinitiativen zur Abschätzung der Gesetzes-
olgen sollten wir Schluss machen. Wir brauchen mehr
ransparenz in der Bewertung der bürokratischen und
das möchte ich ergänzen – der gesamtgesellschaft-
ichen Gesetzesfolgenabschätzung.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Sehr gut!)

ir brauchen das nicht nur in den Fachministerien, son-
ern auch in diesem Hause im Rahmen einer parlamen-
arischen Diskussion, wenn es um die Beratung der Ge-
etzentwürfe geht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Michael Bürsch [SPD]: Gern! Das können wir machen!)


Wenn es uns allen mit dem Abbau von Bürokratie
rnst ist, sollten wir auch die Prüfung der Gesetzesfol-
enabschätzung in das Parlament einführen. Was wäre
azu besser geeignet, als einen entsprechenden Bundes-
agsausschuss einzusetzen?


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Wieder einen Ausschuss?)


ritische Stimmen sagen dazu: Das ist wieder neue Bü-
okratie. Ich meine aber, es geht um unser Selbstver-
tändnis und um unseren Anspruch, mit dem wir uns an
ie Wähler wenden. Hier müssen wir Ernst machen.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das können wir im Innenausschuss machen!)







(A) )



(B) )


Andrea Astrid Voßhoff

Prüfen wir künftig in einem solchen Ausschuss – wie
zum Beispiel im Haushaltsausschuss, der die finanziel-
len Belastungen der öffentlichen Haushalte bei allen Ge-
setzen als mitberatender Ausschuss zu prüfen hat –, wie
bürokratisch ein Gesetzentwurf ist und ob es vielleicht
nicht auch anders möglich ist.

Ich appelliere an unser Selbstverständnis und unseren
Anspruch als Parlamentarier. Folgen Sie unserem Vor-
schlag. Er ist gut und wird endlich Bürokratie abbauen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506612700

Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem

Kollegen Stephan Mayer.


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1506612800

Frau Staatssekretärin Vogt, Sie haben gerade behaup-

tet, Deutschland – –


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506612900

Herr Kollege, eine Kurzintervention ist nur in Bezug

auf den vorhergehenden Redner möglich.

(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie über Badewannen ohne Zulauf!)


Ich kann Ihre Kurzintervention nicht zulassen, wenn sie
sich auf Frau Vogt bezieht.


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1506613000

Dann melde ich sie zum nächsten Redner an!


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht auch nicht!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506613100

Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Walter

Hoffmann, SPD-Fraktion.


Walter Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID1506613200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch alle
Debattenbeiträge wurde klar, dass Bürokratieabbau ein
permanenter Prozess ist, der nicht mit einem Masterplan
beginnt und endet, sondern alle Schritte unserer politi-
schen Arbeit kontinuierlich begleiten muss.

Ich möchte von einem persönlichen Aha-Erlebnis mit
Bürokratie, das ich bei einem Workshop von Arbeits-
vermittlern vor circa drei Jahren hatte, erzählen. Eine
Gruppe von circa 15 Arbeitsvermittlern kam zusammen.
Sie unterhielten sich über das Thema Arbeit. Sie listeten
auf, was sie an Tätigkeiten zu machen hatten. Heraus
kam – ich habe das zusammengestellt; man kann das im
Detail nachlesen –, dass jeder Vermittler insgesamt acht
originäre Vermittlertätigkeiten hatte. Hinzu kamen ins-
gesamt 21 Zusatzaufgaben.

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(C (D Wenn man das Mengenproblem berücksichtigt – der taatssekretär hat vorhin darauf hingewiesen, dass es in ielen Regionen einen Betreuungsschlüssel von 1 : 400, : 600, sogar von 1 : 800 im Osten gibt –, wird einem lar, dass der einzelne Vermittler sich eigentlich gar icht um den konkreten Fall kümmern kann, selbst wenn r das will. Beim besten Willen ist das nicht möglich. ür alle Zusatzaufgaben und die originären Vermittungsaufgaben gibt es unterschiedliche gesetzliche Reelungskreise: eine Fülle von Bürokratie, welche im runde genommen eine effektive und wirkungsvolle Areit verhindert. Herr Fuchs, auch deshalb – nicht nur deshalb – haben ir Hartz III und Hartz IV gemacht. Ich wiederhole as, was meine Vorredner gesagt haben: Morgen können ie sich für ein Stück Bürokratieabbau aussprechen. Der Kollege Kuhn und ich hatten in einer kleineren rbeitsgruppe die Gelegenheit, an den Eckpunkten mituarbeiten. Wir haben sehr genau darauf geachtet, dass ndlich Regelungen aufgenommen werden, die sich auf en Bürokratieabbau effektiv auswirken und den Areitsvermittlern mehr Zeit geben, damit sie sich um die nteressen der Arbeitssuchenden kümmern können. Im eistungsrecht haben wir eine Fülle von Vereinfachunen vorgenommen. Zahlreiche Regelungen haben auf iesem Gebiet bisher einen erheblichen Verwaltungsaufand erzeugt und das ganze Arbeitsförderungsrecht unbersichtlich gemacht. Lassen Sie mich das an zwei kleinen, wenig spektaku ären, aber wie ich finde, eindrucksvollen Beispielen erdeutlichen: Erstens. Bisher gab es sieben verschiedene Eingliede ungszuschüsse. Im Einzelfall musste geprüft werden, b die Voraussetzungen für den jeweiligen Zuschuss zureffen. Es gab verschiedene Zuschüsse für Ältere, chwer Vermittelbare, Jugendliche, Schwerbehinderte sw. In Zukunft wird es nur noch zwei Zuschussarten eben: zum einen für Personen mit Vermittlungshemmissen und zum anderen für behinderte und schwerbeinderte Menschen. Das ist vielleicht wenig spektakulär, edeutet für die Verwaltung aber eine enorme Vereinfahung. Das wird Luft und Raum schaffen, damit sich die achbearbeiter um die wirklichen Problemfälle kümern können. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wie lange und in welchem Umfang jemand Geld be-
ommt, soll der Sachbearbeiter vor Ort entscheiden. Das
iegt in seinem Ermessensspielraum, weil er das am bes-
en beurteilen kann. Das spiegelt im Kleinen wider, was
ir mit „mehr Eigenverantwortung“ meinen: nicht regle-
entieren, nicht alles in einer Verordnung aufgliedern
nd von vorne bis hinten genau beschreiben. Nein, hier
at der Sachbearbeiter einen eigenen Ermessensspiel-
aum, er kann im konkreten Fall entscheiden.
Zweiter Punkt: Weiterbildungsmaßnahmen. Sie
erden sich vielleicht daran erinnern, dass es früher üb-
ich war, dass während einer Weiterbildungsmaßnahme
nterhaltsgeld gezahlt wurde. Zunächst bekam ein Teil-






(A) )



(B) )


Walter Hoffmann (Darmstadt)


nehmer Arbeitslosengeld und dann Unterhaltsgeld. Wir
haben uns gefragt, ob es nötig ist, dass die Voraussetzun-
gen für das Unterhaltsgeld neu geprüft werden. Muss das
ganze bürokratische Spiel noch einmal durchgezogen
werden? Wir haben entschieden: Nein, wir streichen das
Unterhaltsgeld. In Zukunft wird während der Weiterbil-
dungsmaßnahme das Arbeitslosengeld weiter gezahlt. Es
gibt kein neues Antragsverfahren, sondern einen nahtlo-
sen Übergang. Die Höhe des Betrages ist in etwa gleich.
Das ist eine große verwaltungsmäßige Vereinfachung,
die das Ziel hat zu entbürokratisieren.

Wenn in Zukunft zwischen der Bundesanstalt für Ar-
beit – sprich: Bundesagentur für Arbeit – und der Politik
Zielvereinbarungen getroffen werden, dann bedeuten
diese Zielvereinbarungen auch einen Rückzug des Staa-
tes aus diesem Bereich und eine Übertragung von mehr
Eigenverantwortung auf die Bundesagentur und damit
eine Übertragung von mehr Eigenverantwortung auf den
einzelnen Sachbearbeiter. Wir werden sehen, wie Sie
sich morgen in der Abstimmung über Hartz III und
Hartz IV entscheiden. Das ist auch eine Entscheidung
über mehr oder weniger Bürokratie in der Arbeitsver-
waltung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich spreche hier als ein Vertreter des Bereichs Wirt-
schaft und Arbeit. Von den 52Maßnahmen zum Büro-
kratieabbau betreffen allein 25 Maßnahmen diesen Be-
reich. Wir haben im Grunde genommen drei Pakete
geschnürt: Das erste Paket betrifft die Reduktion der Sta-
tistikbelastung für Unternehmen, wie zum Beispiel die
Verschiebung der Handwerkszählung, die Einführung
elektronischer Verdienstbescheinigungen, einheitliche
Formulare bei den Krankenkassen, gemeinsame Nut-
zung von Datenbeständen zwischen Arbeits- und Fi-
nanzverwaltung und vieles andere mehr. Ich will Sie hier
nicht mit Einzelheiten langweilen; aber man kann doch
nicht behaupten, dass nichts geschehen sei.

Das zweite Paket enthält Gesetze, die Arbeitnehmer
und Unternehmen direkt betreffen. Auch hier hat sich in
den letzten Wochen und Monaten eine Menge Positives
getan. Ich nenne nur die Änderung des Rabattgesetzes,
des Ladenschlussgesetzes und des Gesetzes gegen den
unlauteren Wettbewerb. Wir trauen uns jetzt sogar an die
Vereinfachung der Lohn- und Einkommensteuerverfah-
ren heran und an viele andere Dinge mehr.

Beim dritten großen Paket geht es um Erleichterun-
gen beim Marktzugang für Unternehmen. Hierzu zählen
die Zulassung des Arzneimittelversandhandels und Er-
leichterungen für Existenzgründer. Vieles davon ist be-
reits angesprochen worden.

Ich bin davon überzeugt – das sage ich ganz deutlich –,
dass sich diese Maßnahmen mittelfristig positiv auswir-
ken werden. Sie wirken nicht von heute auf morgen, son-
dern verändern die Kultur und die Mentalität; die Staats-
sekretärin hat das bereits gesagt. Mittelfristig werden
diese Maßnahmen im wirtschaftlichen Bereich zu mehr
Wachstum und Beschäftigung führen. Davon bin ich fel-
senfest überzeugt.

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(C (D Lassen Sie mich nun ein paar Sätze zu dem Antrag er FDP zur Arbeitsstättenverordnung sagen. Es ist ichtig: Bisher gab es 58 Paragraphen, die jetzt auf zehn eduziert werden. In der Anlage gibt es 30 Punkte, in deen wir Mindestanforderungen definieren. Ich finde es ut, dass wir nun nicht mehr alles vorgeben und zum eispiel die Temperatur auf Betriebstoiletten regeln, die öhe der Räume vorgeben und die Mindestpersonenzahl orschreiben, ab der es geschlechtergetrennte Toiletten u geben hat. Es ist meiner Meinung nach positiv, dass s dabei Erleichterungen gibt. Ich komme auf diesen Punkt deshalb zu sprechen, eil man sich vorhin über die Quadratmeterzahl, die für üroräume vorgeschrieben wird, mokiert hat. In meinem eruflichen Leben habe ich einmal einen heftigen Areitsrechtsprozess über die Größe eines Büroraumes ühren müssen. An diesem konkreten Fall habe ich geerkt, dass es wichtig ist, bestimmte Dinge klar und eineutig zu regeln. In vielen Punkten handelt es sich um chutzbestimmungen. Da wir über dieses Thema anchmal etwas populistisch sprechen und es etwas ins itzige oder Lächerliche ziehen, möchte ich Sie einringlich daran erinnern, dass viele Regelungen, die für en einen oder anderen Bürokratie bedeuten, für viele enschen Schutzregelungen sind. Diese brauchen wir ringend, gerade auch im Interesse der betroffenen Peronen. Ein letzter Punkt. Herr Kollege, Ihre Redezeit ist überschritten. Damit komme ich zum Schluss. Ich bin davon über eugt: Wenn es Ihnen gelingt, die gesellschaftspolitichen Forderungen von den Forderungen zur Entbüroratisierung systematisch zu trennen – diese vermischen ie immer wieder –, dann werden wir gemeinsam verünftige Lösungen finden. Der Vorsitzende von General lectric hat einmal gesagt: Wir werden die Befreiung on den Fesseln der Bürokratie durch alle Hierarchiestuen treiben. – Das versuchen wir im Moment. Schließen ie sich doch einfach uns an. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506613300
Walter Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID1506613400


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506613500

Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem
ollegen Stephan Mayer.


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1506613600

Der geschätzte Vorredner, Herr Hoffmann, hat in sei-

er Rede vergessen, auf die Aussage der Staatssekretärin
ogt einzugehen.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das ist schon einmal ein Punkt für Humor! – Fritz Kuhn Stephan Mayer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt schämen Sie sich!)





(A) )


(B) )


Sie hat gesagt, dass Deutschland mit dem Modell „Bund
online“ und der Förderung des E-Governments, der elek-
tronischen Verwaltung, unter den ersten zehn Ländern
rangieren würde. Ich bitte Sie, diese Aussage zu reflek-
tieren.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Frage!)

– Das ist gar nicht lustig. – Ausweislich eines Artikels des
„Handelsblatts“ vom 7. Februar 2003 rangiert Deutschland
nämlich auf dem drittletzten, dem 16. Platz. Ausweislich ei-
ner Studie der Firma Cap Gemini Ernst & Young, die von
der EU-Kommission in Auftrag gegeben wurde, liegt
Deutschland auf dem 16. Platz.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das liegt ein Jahr zurück! Veraltet!)


Platz 1 belegt Schweden. Der letzte Platz wird von Lu-
xemburg, der vorletzte Platz von Belgien und der dritt-
letzte Platz von Deutschland eingenommen.

Frau Staatssekretärin, ich hätte Ihre Anregung, eine
schriftliche Anfrage an die Bundesregierung zu stellen,
natürlich gerne aufnehmen können.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es handelt sich um Herrn Hoffmann!)


Dies würde aber genau das bedeuten, weswegen wir
heute hier diskutiert haben, nämlich Bürokratie. Ich
würde eine schriftliche Anfrage an die Bundesregierung
stellen, die natürlich von einem Mitarbeiter Ihres Hauses
bearbeitet werden müsste. Genau dadurch entsteht mehr
Bürokratie. Diese wollen wir vonseiten der CDU/CSU
abschaffen.


(Beifall des Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU])


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506613700

Herr Kollege Hoffmann, Sie können antworten.

Walter Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID1506613800

Wäre ich Frau Vogt,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

würde ich Ihnen vielleicht so oder ähnlich antworten: Ich
habe keinen Grund, an den Aussagen der Kollegin Vogt
über das Ranking bezüglich des E-Governments zu
zweifeln. Aufgrund meiner Erfahrungen – wohlgemerkt:
ich bin nicht in dem Bereich tätig – weiß ich, dass man
wirklich versucht, beim E-Government enorme Schritte
zu unternehmen, um dieses Anliegen innerhalb der Ad-
ministration zügig voranzutreiben.

Da Sie große Zweifel an diesen Rankinglisten haben,
empfehle ich Ihnen, Ihre Anfrage schriftlich zu stellen.
Ich bin davon überzeugt, dass die Bundesregierung dann
überprüfen wird, – wäre ich Frau Vogt, würde ich das
auch tun –,


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D b diese Rankingliste, die meines Wissens nach relativ lt ist, in der Tat stimmt. (Zuruf von der CDU/CSU: Er glaubt keiner Statistik, es sei denn, er hat sie selbst gefälscht!)


Meine Damen und Herren, Spaß beiseite: Es ist in der
at ein dringendes sachliches Problem. Die Regierung
reift das auf. E-Government ist einer der zentralen
chwerpunkte bei der Entbürokratisierung. Ich denke,
as ist das Entscheidende. Wir müssen auf das Gaspedal
rücken, damit wir schneller vorankommen. Ich denke,
iesbezüglich haben wir hier eine große Einigkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506613900

Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf

en Drucksachen 15/1330 und 15/1006 an die in der Ta-
esordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
bweichend von der Tagesordnung sollen die Vorlagen
ederführend im Innenausschuss beraten werden. Sind
ie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind
ie Überweisungen so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 7 d. Wir kommen zur Abstim-
ung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses
ür Wirtschaft und Arbeit auf Drucksache 15/1183 zu
em Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Abbau
on Bürokratie sofort einleiten“. Der Ausschuss emp-
iehlt, den Antrag auf Drucksache 15/65 abzulehnen.
er stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegen-
robe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist
it den Stimmen der Koalition und der CDU/CSU ge-
en die Stimmen der FDP angenommen.
Zusatzpunkt 3. Interfraktionell wird Überweisung der

orlage auf Drucksache 15/1707 an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie
amit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die
berweisungen so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zu dem Protokoll von Cartagena vom 29. Ja-
nuar 2000 über die biologische Sicherheit zum
Übereinkommen über die biologische Vielfalt
– Drucksachen 15/1519, 15/1652 –

(Erste Beratung 58. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-
wirtschaft

(10. Ausschuss)

– Drucksache 15/1737 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Matthias Weisheit
Abgeordneter Helmut Heiderich






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

Abgeordnete Ulrike Höfken
Abgeordnete Dr. Christel Happach-Kasan

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, SPD-Fraktion.


Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD):
Rede ID: ID1506614000

Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Her-

ren! Der Kabinettsbeschluss vom Juli für die Vorberei-
tung der Ratifikation des Cartagena-Protokolls war
überfällig. Es war absehbar, dass das Protokoll im Sep-
tember in Kraft treten würde. Zwischen unserer Ratifi-
kation und der Vollmitgliedschaft haben wir eine
dreimonatige Karenzzeit. Im Februar nächsten Jahres
findet die 1. Vertragsstaatenkonferenz statt. Damit wir
dort das volle Stimmrecht haben, müssen wir uns mit der
Ratifikation beeilen.

Das Cartagena-Protokoll über die biologische Sicher-
heit zur Biodiversitätskonvention ist in mindestens vier
Hinsichten einzigartig:

Erstens. Es ist die erste in Kraft getretene Konkreti-
sierung der beiden großen Konventionen des Erdgipfels
von Rio de Janeiro.

Zweitens. Es ist wohl das erste Umweltabkommen,
bei dem die Entwicklungsländer die treibende Kraft wa-
ren. In Cartagena Ende 1999 und dann in Montreal im
Januar 2000 kam es zu einer für die Weltpolitik sehr be-
deutsamen Koalition zwischen einem Großteil der Ent-
wicklungsländer auf der einen Seite und uns Europäern
auf der anderen Seite, während die US-Amerikaner, die
während der Verhandlungen ständig blockiert haben, am
Ende ziemlich isoliert dastanden.

Drittens. Das Cartagena-Protokoll ist das erste welt-
weite Umweltabkommen, in dem das Vorsorgeprinzip
verbindlich verankert und nicht den internationalen Han-
delsregeln untergeordnet ist.

Viertens. Während die meisten internationalen Ab-
kommen für die Vertragsstaaten auf einen Souveränitäts-
verzicht hinauslaufen, verleiht das Cartagena-Protokoll
den Staaten eine neue Souveränität. Das gefällt insbe-
sondere den Entwicklungsländern.

Worum geht es inhaltlich? Es geht um die Souveräni-
tät der Vertragsstaaten, die Einfuhr von lebenden, gen-
technisch veränderten Organismen von einer Beurtei-
lung der ökologischen und gesundheitlichen Risiken
abhängig zu machen. Die staatliche Entscheidung auf
der Basis dieser Risikoabwägung geschieht nach dem
Vorsorgeprinzip.

Nach Art. 20 des Protokolls wird eine Informations-
stelle für biologische Sicherheit, ein Biosafety Clearing
House, eingerichtet. Dadurch wird sichergestellt, dass
das in den unterschiedlichsten Ländern anfallende Wis-
sen über Auswirkungen von Freisetzungen, über natio-
nale Zulassungen und über Gesetzgebungen gesammelt
wird. Das Wissen steht den Vertragsstaaten rasch und be-

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(C (D uem zur Verfügung. Das schafft Rechtssicherheit und rschwert das Unterlaufen von Sicherheitsvorschriften urch Exporteure. Das Wissen von den ökologischen Langzeitwirkun en der grünen Gentechnik hat sich seit dem Cartagenarotokoll erheblich fortentwickelt. Das heißt, es steht icht still. Wir brauchen dieses Clearing House über das brufbare Wissen. Wir haben gesehen, dass springende ene mit Resistenzfaktoren von Kulturpflanzen tatsächich auf Wildkräuter übergehen können. Was das langristig ökologisch bedeutet, ist sehr schwer abschätzbar. Im Laufe der ersten vier Jahre nach der 1. Vertrags taatenkonferenz soll nach Art. 27 des Protokolls ein erfahren für Schadenshaftung und Wiedergutmahung etabliert werden. Das heißt, das Verursacherprinip kann greifen. Wenn Versicherungskonzerne das Hafungsrisiko übernehmen sollen, dann bekommt das isiko einen im Markt sichtbaren Preis für die Verursaher. Nach Art. 26 des Protokolls sollen die Staaten auch ine sozioökonomische Kosten-Nutzen-Abwägung ornehmen. Damit dürfte dann wohl die grüne Gentechik aus dem Status der angeblichen Wunderwaffe gegen ot und Hunger auf das Normalmaß einer technischen nnovation zurückgeführt werden, die sich mit den exisierenden und bewährten Anbautechniken und lokal anepasstem Saatgut messen muss. Ich war vor 14 Tagen in Indien und habe dort die roße Frustration der Inder im Staat Andhra Pradesh mit entechnisch veränderter Baumwolle erlebt. Mit großem rara ist der Anbau von gentechnisch verändertem aumwollsaatgut angekündigt worden, das nunmehr geen den am häufigsten auftretenden Baumwollschädling esistent ist. Das Saatgut war zwar viermal so teuer. Der ehrpreis sollte aber durch einen entsprechend verminerten Pestizideinsatz eingespart werden. Tatsächlich ist as Gegenteil passiert. Es wurden eher noch mehr Pestiide gebraucht, weil es eben noch viele andere Schädinge gab. Im Übrigen waren die Ernteerträge geringer. nsgesamt waren die Bauern, die gentechnisch veränderes Baumwollsaatgut benutzt hatten, die Betrogenen. Art. 22 des Protokolls regelt den Aufbau der Kapazi ät, insbesondere der Entwicklungsländer, mit der neuen echnologie und der Risikobewertung umzugehen. ier kann man sagen, dass sich das deutsche Entwickungsministerium besondere Verdienste erworben hat nd hohes Ansehen bei den afrikanischen und anderen ändern genießt, was den Umgang mit der Gentechnik nd die Einfuhr von gentechnisch verändertem Saatgut etrifft. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt zweifellos noch viele offene Fragen, die nun
urch eine Serie von Vertragsstaatenkonferenzen geklärt
erden müssen. Wenn zum Beispiel auf einem Getrei-
esack, dessen Inhalt zum Verzehr bestimmt ist, klein
edruckt steht, dass der Sack gentechnisch veränderte
rganismen enthalten kann und dass deshalb die Körner
icht zur Aussaat bestimmt sind, dann ist das alles






(A) )



(B) )


Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker

andere als ein sicherer Schutz vor womöglich gravieren-
den Veränderungen der ländlichen Biodiversität.

Wenn es durch unachtsame Vertragsstaatenbeschlüsse
dazu käme – in diese Richtung gibt es Bemühungen –,
dass beträchtliche Beimischungen von mehr als 1 Pro-
zent von gentechnisch veränderten Körnern im Sack to-
leriert werden, ohne dass das kenntlich gemacht wird,
dann würde die Kennzeichnungspflicht völlig zur Farce.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben hier in Europa im Zusammenhang mit der
Saatgutkennzeichnung einen Streit. Ich erinnere an die
Save-our-Seeds-Kampagne.

Das Protokoll ist gleichwohl ein Meilenstein der in-
ternationalen Umweltpolitik. Es muss noch viel bekann-
ter werden. Alle kennen das Kioto-Protokoll, das leider
immer noch nicht in Kraft ist und das bezüglich des Vor-
sorgeprinzips viel zahmer ist als das Cartagena-Proto-
koll. Es lohnt sich also, dieses Protokoll weiter bekannt
zu machen. Deutschland kann stolz darauf sein, dass es
bei den Verhandlungen in Cartagena und in Montreal am
Ende eine sehr positive Rolle gespielt hat, übrigens nach
jahrelangem Bremsen in den Jahren vor 1999. Deutsch-
land sollte bei der weiteren Ausgestaltung des Protokolls
weiterhin eine solche führende Rolle spielen und dabei
die, wie ich gesagt habe, weltpolitisch sehr wichtige
Einigkeit zwischen Europäern und Entwicklungsländern
über das Vorsorgeprinzip in der Umweltpolitik und der
Landwirtschaft fortsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506614100

Das Wort hat der Kollege Helmut Heiderich, CDU/

CSU-Fraktion.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1506614200

Frau Präsidentin! Interessierte Kolleginnen und Kol-

legen! Wir behandeln heute einen Gesetzentwurf der
Bundesregierung zum Themenfeld der Biotechnologie,
der geradezu topaktuell ist; denn vor rund einem Monat
ist das Cartagena-Protokoll in Kraft getreten, nachdem
es inzwischen 57 Staaten ratifiziert haben.

Das Cartagena-Protokoll ist eine der ersten Rege-
lungen für die weltweite Nutzung und Fortentwicklung
der grünen Biotechnologie. Mit ihm werden Prinzipien
festgeschrieben, die inzwischen international als Stan-
dard etabliert sind. Ich will einige der wichtigsten davon
nennen: das Vorsorgeprinzip – eben schon angespro-
chen – zum Schutz menschlicher Gesundheit und biolo-
gischer Vielfalt, die Festlegung eines angemessenen
Schutzniveaus, die Anerkennung der großen Chancen
für die menschliche Zukunft durch moderne Biotechno-
logie, die gegenseitige internationale Abstimmung von
Regelungen und Verfahren sowie die streng wissen-
schaftliche Beurteilung eventuell möglicher Risiken.

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(C (D Besondere Bedeutung gewinnen diese Grundsätze urch ihre Anerkennung als gleichrangiges internationaes Recht. Damit haben wir eine erste internationale Reelung zum grenzüberschreitenden Handel mit lebenen, gentechnisch modifizierten Organismen. Ich meine, as passt genau in eine Zeit mit einer starken globalen ufwärtsentwicklung der Biotechnologie, insbesondere uch im Pflanzenbau. Auch wenn an der einen oder aneren Stelle noch Dinge geprüft werden müssen: Immer ehr Länder nutzen die Chancen der grünen Biotechnoogie, ganz aktuell zum Beispiel Brasilien, das gerade iese Entscheidung getroffen hat. Die weltweite Weiterentwicklung der Pflanzenbio echnik – in starkem Maße auch in den Schwellenlänern – erfordert insbesondere die gegenseitige Anerkenung von Zulassungen, Prüfungsverfahren und Risikoberteilungen. Dabei geht es insbesondere um den Informaionsaustausch und die Verstärkung der Transparenz beim andel mit pflanzlichen Biotechnikprodukten zwischen en Mitgliedstaaten sowie um die Unterstützung der Läner – das sind in der Regel die Entwicklungsländer –, die och nicht über entsprechende rechtliche oder wissenchaftliche Systeme verfügen. Wenn wir diese Grundsätze und Vereinbarungen eute übereinstimmend begrüßen und gemeinsam bechließen, muss ich doch auch darauf hinweisen, wie wiersprüchlich die Bundesregierung – insbesondere das uständige Bundesministerium und die zuständige Bunesministerin – demgegenüber auf nationaler Ebene giert. Das zeigen beispielsweise die massiven politichen Eingriffe in die Zulassung biotechnischen Saatgues, die wir in den vergangenen Jahren mehrfach erlebt aben, die politische Einflussnahme auf die Zentrale ommission für die Biologische Sicherheit, die wir hier ehrfach diskutiert haben, und die völlige Zielumkehr m Gentechnikrecht, die von Ministerin Künast in den ekannt gewordenen Entwürfen offensichtlich beabsichigt ist. Wenn wir auf internationaler Ebene Verträge unter eichnen, die wir als großen Erfolg begrüßen, und wenn ir international festlegen, dass Risikobeurteilungen treng wissenschaftlich durchzuführen sind, dann müsen wir uns aber, wie ich meine, auch im eigenen Land aran halten. Das geht jedenfalls nicht mit dem geplanten entechnikgesetz zusammen, in dem die wissenschaftlihen Beurteilungen immer weiter zurückgedrängt und urch gesellschafts-, sozialund allgemeinpolitische iele ersetzt werden sollen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Christel Happach-Kasan [FDP] – Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gut!)


as ist genau das Gegenteil dessen, was wir heute ge-
einsam beschließen wollen.
Wer unterschreibt, dass er die Öffentlichkeit besser

ber die grüne Gentechnik informieren will, kann sich
icht auf nationaler Ebene mit Greenpeace, einer Orga-
isation, die gerade mit einer Kampagne gegen Gift und
entechnik – man höre sich das einmal an! – das Gegen-






(A) )



(B) )


Helmut Heiderich

teil von Verbraucheraufklärung betreibt, in gemeinsame
Werbesendungen begeben und dort verbrauchertäu-
schende Versprechungen abgeben.

Demgegenüber muss festgestellt werden, dass seit
Jahren jährlich rund 40 Millionen Tonnen Futtermittel
auf GVO-Basis nach Europa und entsprechend nach
Deutschland importiert werden, wo sie auch verbraucht
werden. Dabei hat die Bundesregierung interessanter-
weise auf meine Kleine Anfrage hin selber zugestanden,
dass sie nicht in der Lage ist, eindeutig festzustellen,
wann Gentechnik eingesetzt wird und wann nicht. Als
ich sie nach einer Beurteilung des Imports von Sojapro-
dukten aus Brasilien gefragt habe, lautete die Antwort:
Es liegen keine Daten über den Import gentechnisch ver-
änderter Soja aus Brasilien vor. Wir haben weder belast-
bare Zahlen über das Ausmaß des Anbaus noch über
mögliche Exporte nach Deutschland. Dann folgte der
Hinweis, die Zollbehörden würden aufgrund der Liefer-
dokumente regelmäßig überprüfen, ob in äußerlich er-
kennbarer Weise die Angaben auf den Dokumenten mit
dem Inhalt übereinstimmten.

Dazu kann ich nur feststellen: Wer auf dieser Basis
gemeinsam mit Greenpeace Versprechen wie die Garan-
tie von nicht gentechnisch produziertem Schweine-
fleisch gibt, der täuscht die Verbraucher und macht nicht
das, was wir mit dem internationalen Vertrag unterzeich-
nen und verlangen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Christel Happach-Kasan [FDP])


Wer außerdem – das will ich auch wiederholen; ich
habe es schon mehrfach ausgeführt – ungerührt zusieht,
wenn Organisationen wie Greenpeace selbst solche Ver-
suchsfelder zerstören, die vom Bundesministerium für
Bildung und Forschung direkt gefördert werden, der
handelt ebenfalls den Intentionen dieses internationalen
Vertragswerks direkt zuwider.

Erlauben Sie mir noch einen Hinweis zum Thema
Forschung. Wie groß die Unterschiede zwischen den
Entwicklungen in Deutschland und anderswo sind, zeigt
eine aktuelle Nachricht. In den USA hat die NSF, die
National Science Foundation, gerade veröffentlicht, dass
sie die Genomforschung im Pflanzenbereich an den Uni-
versitäten und Instituten erneut mit 100 Millionen Dollar
unterstützen wird. Bei uns dagegen werden die Mittel für
das Projekt GABI, mit dem wir einmal an der Spitze da-
bei waren, im nächsten Haushalt in erheblichem Maße
zusammengestrichen.

Wer – um noch einen anderen Punkt zu nennen – im
Zusammenhang mit dem Cartagena-Vertragswerk unter-
streicht, dass die moderne Biotechnik ein großes Poten-
zial für die Menschheit bei angemessenen Sicherheits-
maßnahmen hat, darf nicht im eigenen Land, so meine
ich, mit immer neuen bürokratische Hürden, mit immer
weiter ausgreifenden Regelungsmechanismen und da-
durch immer höheren Kosten genau dieses Potenzial der
Biotechnik wieder infrage stellen.

Ich begrüße ausdrücklich, dass ich Unterstützer für
meine Forderungen gefunden habe, und zwar dort, wo
ich es gar nicht vermutet habe. Im „Handelsblatt“ haben

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(C (D einen Argumenten nicht nur der Bundesminister für irtschaft und Arbeit, sondern auch der forschungspoli ische Sprecher der SPD inhaltlich zugestimmt. Wer das Cartagena-Protokoll heute beschließt und soit für das eigene Land in Kraft setzt, der muss sich, so eine ich, auch an dessen Intentionen orientieren. Viel ird dabei von der Folgekonferenz im kommenden Feruar abhängen, auf der konkretere Anwendungsreeln festgelegt werden müssen. Ich bedauere deshalb, ass die Bundesregierung, wie sie gestern im zuständien Ausschuss explizit ausgeführt hat, bisher weder Vortellungen noch Konzepte hat, mit denen sie in diese inernationale Konferenz gehen will. Eines ist nach meiner nsicht jedoch unverkennbar: Die grüne Biotechnologie ewinnt gerade in den Schwellenund den Entwickungsländern zunehmend an Bedeutung. Deshalb müsen wir uns auch bald mit gentechnisch verbesserten rodukten (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau, verwässerte!)


das geht natürlich auch – wie beispielsweise Reis, Pa-
aya oder Bananen vertraut machen, die nicht in Europa
ntwickelt, geprüft und zugelassen sind und die trotzdem
n absehbarer Zeit auf unsere Märkte kommen werden.
Wer vor diesem Hintergrund – der einzelne Abgeord-

ete, wie auch immer sein Gusto sein mag, wird nicht
estimmen können, wohin die Entwicklung geht; aber
ir können das mit dem vorliegenden Vertragswerk re-
eln – die kleinkarierten Verhinderungsstrategien in
eutschland weiter betreibt, hat die Perspektiven des
orliegenden Vertragswerkes in keiner Weise begriffen.
er die zügige Weiterentwicklung insbesondere in den
siatischen Ländern mitbestimmen will, darf sich nicht
urch ein kleinkariertes Regelwerk ausschließen, son-
ern muss dafür sorgen, dass wir auch in Zukunft in den
nternationalen Entwicklungen vorne dabei sein können.
ier liegt meines Erachtens unsere politische Aufgabe,
enn ich das Protokoll von Cartagena richtig verstehe.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506614300

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
atthias Berninger.

Ma
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506614400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
ollege von Weizsäcker, ich bin Ihnen für die Einord-
ung des Cartagena-Protokolls in den langen Reigen an-
erer internationaler Abkommen außerordentlich dank-
ar. Ich teile Ihre Einschätzung, dass sich dieses
rotokoll tatsächlich sehen lassen kann und durchaus auf
iner Stufe mit dem Kioto-Protokoll steht, dass es aber
n der öffentlichen Diskussion häufig im Hintergrund
teht. Wenn jemand wie Sie, der sich mit internationalen






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Matthias Berninger

Konferenzen sehr gut auskennt, eine solche Einordnung
vornimmt, dann gewinnt das zusätzlich an Gewicht.

Darüber hinaus freue ich mich sehr, dass sich nicht
nur alle Fraktionen im Deutschen Bundestag, sondern
auch der Bundesrat dazu haben durchringen können, den
Prozess der Inkraftsetzung dieses Protokolls zu be-
schleunigen und diesem Protokoll zuzustimmen. Ich er-
wähne das deshalb, weil das nicht immer der Fall war.
Vor dem Regierungswechsel 1998 waren die Verhand-
lungen über ein solches Protokoll in Deutschland von
einem anderen Geist getragen. Damals war die Bundes-
republik Deutschland eher im Bremserhäuschen und war
eher die gleiche Skepsis gegenüber solchen internationa-
len Vereinbarungen Bestandteil der offiziellen Regie-
rungspolitik, wie das heute noch in den Vereinigten Staa-
ten der Fall ist.

Ich erwähne das, Herr Kollege Heiderich, vor allem
aus einem Grund – er hört zwar nicht zu, aber vielleicht
will er das auch gar nicht hören –: Wenn Sie sagen, dass
das Protokoll sozusagen Ihren politischen Intentionen
des „Macht hoch die Tür, die Tor’ macht weit“ für Gen-
technik entsprechend hilft, dann müssten die Amerika-
ner geradezu begeistert beitreten. Das tun sie aber nicht;
denn das Protokoll regelt etwas anderes. Es soll verhin-
dern, dass sich die grüne Gentechnik global auf leisen
Sohlen verbreitet, ohne dass die Politik, dass die Staaten,
dass die Demokratie und dass die Menschen daran teil-
haben können. Das können die Mitgliedstaaten dieses
Protokolls verhindern, indem ganz wesentliche Ele-
mente einbezogen werden.

Ein ganz wesentliches Element ist das der Transparenz.
Ohne Transparenz wird es keine Wahlfreiheit im Bereich
der grünen Gentechnik geben. Künftig werden Staaten, in
die gentechnisch veränderte Organismen – seien es Nah-
rungsmittel, seien es lebende Organismen – exportiert
werden sollen, darüber informiert werden müssen, dass
es sich um solche handelt.

Ich freue mich, dass die Europäische Union schon
einen Schritt weiter ist. Sie möchte nicht nur den Infor-
mationsaustausch zwischen Staaten gewährleistet sehen.
Die Europäische Union will vielmehr auch, dass die Ver-
braucherinnen und Verbraucher klare Kenntnis darüber
haben, ob es sich bei den Produkten, die sie kaufen, um
gentechnisch veränderte Lebensmittel handelt oder aber
um solche, die nicht gentechnisch verändert sind. Wir
haben mit einem Kraftakt auf europäischer Ebene diese
Wahlfreiheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher
sichergestellt. Ich glaube, das ist etwas, auf das wir in
Deutschland sehr stolz sein können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn der Kollege Heidereich auf eine kleine Anfrage
hinweist, nach der wir nicht ausreichende Informationen
darüber haben, wie sich die grüne Gentechnik in be-
stimmten Bereichen verbreitet hat, dann ist auch das ein
sehr gutes Argument dafür, hier im Rahmen des Carta-
gena-Protokolls zu Fortschritten zu kommen; denn in
dem Maße, in dem die Informationen verbessert werden,
können wir auch einen besseren Überblick bekommen.

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(C (D Die Kleine Anfrage, auf die Sie hingewiesen haben, elegt noch etwas anderes. Wenn bereits 40 Millionen onnen gentechnisch veränderter Futtermittel auf den eutschen Markt kommen, dann belegt das doch einrücklich, in welchem Ausmaß die Industrie versucht, hre Interessen durchzusetzen und – ohne die Menschen aran zu beteiligen – dieser Technologie zum Durchruch zu verhelfen. Die Gewinne werden dabei privatiiert. Wir wissen aber, dass die Risiken einer solchen olitik sozialisiert werden. Vorsorgender Verbrauherschutz setzt genau an dieser Stelle an und will über lare Regeln, klare Kennzeichnung, die Sicherstellung on Information und Wahlfreiheit dafür Sorge tragen, ass Gefahren von den Bürgerinnen und Bürgern abgeendet werden. Mich wundert nicht, dass das in Ihrer Rede überhaupt eine Rolle gespielt hat, Herr Kollege Heiderich; enn Sie haben dazu immer eine klare und eindeutige altung. Ich glaube, Sie sind der Einzige im Parlament, er genau weiß, dass die grüne Gentechnik alle Chancen ietet und dass die Risiken bei Null sind. Ich freue mich, dass eine Mehrheit im Deutschen undestag und eine breite Mehrheit der Bevölkerung ier skeptischer ist. Die Zeiten blinder Technikgläubigeit sind vorbei. Sie sind vor allem dort vorbei, wo Proesse irreversibel sind. Bei der grünen Gentechnik sind iese Prozesse irreversibel. Deswegen freue ich mich, ass wir in der Bundesregierung, gestützt auf einen sehr laren Koalitionsvertrag, zu der Erkenntnis gekommen ind, dass der vorsorgende Verbraucherschutz das weentliche Instrument ist, um Chancen und Risiken der rünen Gentechnik zu bewerten. Wir werden das auch in ukunft tun, beispielsweise bei der Kennzeichnung von aatgut. Wir werden das aber gemeinsam mit unseren uropäischen Partnern tun, vor allem bei der ersten Verragsstaatenkonferenz in Malaysia, in der Hoffnung, dass ir als Europäer in der Allianz mit den Entwicklungsändern einigen multinationalen Konzernen etwas Wichiges entgegensetzen, nämlich Demokratie. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Zuhören!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506614500

Die letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
r. Christel Happach-Kasan, FDP-Fraktion.


Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1506614600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

iel des Cartagena-Protokolls ist es, die biologische
ielfalt vor Risiken zu schützen, die von lebenden trans-
enen Organismen möglicherweise ausgehen. Wir als
DP-Fraktion unterstützen diese Zielsetzung mit Nach-
ruck. Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist im Inte-
esse unserer Gesellschaft, ist im Interesse künftiger Ge-
erationen.






(A) )



(B) )


Dr. Christel Happach-Kasan

Was heißt biologische Vielfalt? Finden nicht auch Sie

es traurig, dass unsere Kinder ihre Lehrer in der Schule
nicht mehr mit Maikäfern ärgern können, weil es einfach
keine mehr gibt? Das ist ein Verlust an biologischer Viel-
falt.


(Beifall bei der FDP)

Wir von der FDP haben sehr deutlich gemacht, dass

wir die Aufhebung des Zulassungsmoratoriums für
transgene Pflanzen wollen. Dies ist aus Sicht des Natur-
und Gesundheitsschutzes verantwortbar, zur Sicherung
von Arbeitsplätzen in Deutschland wirtschaftlich erfor-
derlich und zur Verbesserung der Ernährungssituation in
den ärmsten Ländern der Erde ethisch geboten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir wollen gleichzeitig sicherstellen, dass unsere Befür-
wortung der grünen Gentechnik die biologische Vielfalt
nicht gefährdet.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Menschen
der grünen Gentechnik inzwischen sehr viel positiver als
vor Jahren gegenüberstehen. Dies ist das Ergebnis der
vom Bundespresseamt im Herbst 2001 in Auftrag gege-
benen Umfrage.

Viele Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus erin-
nern sich noch – ich war damals noch nicht dabei – an den
TAB-Bericht „Gentechnik, Züchtung und Biodiversität“.
Der Bericht sagt aus, dass die gentechnisch unterstützte
Pflanzenzüchtung keinen nachweisbaren Einfluss, also
auch keinen negativen Einfluss, auf die Biodiversität hat.

Rot-Grün hat das Urteil der Wissenschaftler nicht ge-
fallen. Ihre verzweifelten Versuche, das Ergebnis durch
einseitige und falsche Interpretation zu diskreditieren,
waren nicht überzeugend. Welchen Sinn macht es eigent-
lich, solche Berichte in Auftrag zu geben, wenn Sie deren
Ergebnisse bei Ihren Überlegungen nicht berücksichtigen,
wenn Sie gar nicht die Absicht haben, solche – Ihren Be-
strebungen entgegenstehenden – Ergebnisse zu berück-
sichtigen?


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Vor dem Hintergrund des Anbaus von 60 Millionen
Hektar transgener Kulturpflanzen in diesem Jahr entlar-
ven sich Ihre Versuche, diese Innovation zu verhindern,
als ideologisch motiviert. Die Fläche nimmt von Jahr zu
Jahr zu. Gleichwohl ist es nicht zu Problemen gekom-
men, wie mir die Bundesregierung auf Anfrage bestätigt
hat. Diese Bilanz ist erfreulich. Sie rechtfertigt, dass wir
ein solches Protokoll mit einer solch anspruchsvollen
Zielsetzung unterschreiben können. Tatsächlich können
wir doch feststellen, dass ganz andere Prozesse die bio-
logische Vielfalt in Deutschland gefährden: Flächenver-
siegelung, Schadstoffemissionen, sich ausbreitende Neo-
phyten. Was tun Sie dagegen? Nichts!


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Unvorstellbar!)


Die Umsetzung des Protokolls durch die Bundesre-
gierung lässt Schlimmes befürchten. Die biologische

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(C (D ielfalt ist ein ganz wichtiges Thema im Bereich des Naurschutzes. Dafür ist an und für sich der Umweltminiser zuständig, das Bundesamt für Naturschutz ist die zutändige Behörde. Nach Auskunft von Staatssekretär erninger soll die Sicherung der biologischen Vielfalt em Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensittelsicherheit übertragen werden, als ob dieses Bunesamt die Gefährdung von bittersüßem Nachtschatten urch transgene Kartoffeln beurteilen könnte. Das kann s nicht! Der Umweltminister zeigt kein Interesse an bioogischer Vielfalt. Offensichtlich hat dieser Unsinn Methode: Die uständigkeiten für die Genehmigung von Freisetungsversuchen wurden dem Bundesamt für Verbrauherschutz und Lebensmittelsicherheit übertragen, die uständigkeit des Umweltbundesamtes dem Bundesamt ür Naturschutz. Das verstehe, wer will. Minus mal mius ergibt plus, aber falsch plus falsch ist doppelt falsch. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Diese Bundesregierung ist völlig unfähig, die notwen-
igerweise zu erfüllenden Aufgaben fachgerecht auf die
hr zur Verfügung stehenden Behörden zu verteilen. Das
st ein Armutszeugnis. Die FDP fordert die Bundesregie-
ung auf, den Verwaltungsaufwand angesichts der gerin-
en Bedrohung der biologischen Vielfalt durch transgene
rganismen zu minimieren. Schade, dass die Beschluss-
assung des Protokolls von Cartagena die von der Regie-
ung eingestimmte negative Begleitmusik erhält.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506614700

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-

esregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Pro-
okoll von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die bio-
ogische Sicherheit zum Übereinkommen über die
iologische Vielfalt, Drucksachen 15/1519 und 15/1652.
er Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
andwirtschaft empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
ung auf Drucksache 15/1737, den Gesetzentwurf anzu-
ehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zu-
timmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt
agegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in
weiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses
ngenommen.

Dritte Beratung
nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
urf ist in dritter Lesung mit den Stimmen des ganzen
auses angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Günther
Friedrich Nolting, Helga Daub, Birgit






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

Homburger, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP
Wehrpflicht aussetzen
– Drucksache 15/1357 –
Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
FDP sechs Minuten erhalten soll. – Ich höre keinen Wi-
derspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Günther Nolting, FDP-Fraktion.


Günther Friedrich Nolting (FDP):
Rede ID: ID1506614800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die

Bundesregierung hinkt in der Frage der Bundeswehrre-
form der Entwicklung unverändert dramatisch hinterher.


(Beifall bei der FDP – Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Bundesregierung hinkt grundsätzlich nicht!)


Die faktischen Veränderungen in der Frage der allgemei-
nen Wehrpflicht nimmt sie offensichtlich wahr; es fehlt ihr
aber die Kraft, entsprechende Konsequenzen zu ziehen.

Warum mutet die Bundesregierung den Angehörigen
der Bundeswehr Reförmchen auf Reförmchen zu, die
dann auch noch äußerst kurzlebig sind? Warum schafft
sie nicht endlich Planungssicherheit? Warum folgt sie
nicht der überwiegenden Mehrheit der NATO-Staaten
und -Beitrittskandidaten und gliedert die Bundeswehr in
eine Freiwilligenarmee um? Polen, Ungarn und Tsche-
chien haben diesen Schritt angekündigt. Andere NATO-
Beitrittskandidaten werden diesen Weg gehen.

Studien der Stiftung für Wissenschaft und Politik, des
Instituts für Friedens- und Sicherheitspolitik, Hamburg,
und des BDI haben in den letzten Monaten die Abkehr
von der allgemeinen Wehrpflicht gefordert. Was setzt die
Bundesregierung den stichhaltigen Argumenten ver-
schiedenster gesellschaftlicher Gruppen entgegen? Man
mag es kaum glauben: 31 „Pro Wehrpflicht“-Thesen, ge-
strickt mit heißer Nadel! An diese Thesen glaubt im Ver-
teidigungsministerium niemand.

Zur Krönung des ganzen Vorgangs veröffentlicht der
Verteidigungsminister im Heft 3 der „Information für die
Truppe“ auf Seite 7 den Text eines Vortrags, den er im
Mai an der Führungsakademie der Bundeswehr gehalten
hatte. Ich zitiere aus diesem Vortrag des Verteidigungs-
ministers eine Kernaussage:

Wehrpflicht erhalten heißt für mich: Deutsche Sol-
daten werden nicht zu Söldnern!

Ich frage den Herrn Minister, woher er das Recht
nimmt, in einer derart üblen Form über die Wehrverfas-
sung der Streitkräfte unserer Verbündeten zu urteilen.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D r bezeichnet damit alle amerikanischen, belgischen, ritischen, französischen, italienischen, niederländichen und spanischen Soldatinnen und Soldaten, (Gernot Erler [SPD]: Keinen vergessen, Herr Kollege?)


enen wir übrigens in einem nicht unerheblichen Maß
nsere staatliche Einheit zu verdanken haben, als Söld-
er. Streng genommen, Herr Kollege Erler, bezeichnet er
ogar alle länger dienenden Soldatinnen und Soldaten
er Bundeswehr als Söldner. Das vergrößert den Skan-
al. Sie sollten sich solche Zwischenrufe sparen.


(Beifall bei der FDP)

s sind genau diese länger dienenden Soldatinnen und
oldaten, die durch ihren vorbildlichen Dienst das Anse-
en Deutschlands im Ausland mehren, mittlerweile
chon über viele Jahre.
Der weltweite Kampf gegen den internationalen Ter-

orismus steht im Mittelpunkt der militärischen Planung.
ie internationale Konfliktverhütung und Krisenbewäl-
igung sowie die Unterstützung der Bündnispartner ste-
en im Vordergrund. Dies hat der Verteidigungsminister
n den Verteidigungspolitischen Richtlinien ausdrücklich
estgehalten. Das Hauptargument für den Erhalt der
ehrpflicht, die Landesverteidigung, ist somit entfallen.
Wir alle haben erlebt, dass sich die sicherheitspolitische
age verbessert hat. Staaten des ehemaligen Warschauer
aktes und der ehemaligen Sowjetunion sind Mitglieder
er NATO geworden bzw. werden Mitglieder der NATO
erden. Das Bündnis ist jedem potenziellen Gegner, wo
mer er auch stehen mag, um ein Vielfaches überlegen,

hne auch nur einen einzigen Reservisten einziehen zu
üssen. Die Wehrpflicht als Krücke zur Möglichkeit der
ekonstitution zu begründen, wie in den Verteidigungs-
olitischen Richtlinien geschehen, ist deshalb nicht trag-
ähig.


(Beifall bei der FDP)

ie Fähigkeit der Bundeswehr zu einem schnellen Auf-
uchs ist nicht mehr notwendig.
In den Verteidigungspolitischen Richtlinien und den

1Thesen zur Beibehaltung der Wehrpflicht werden
uch die asymmetrische Bedrohung oder Angriffe von
ußen als Argumente für die Wehrpflicht aufgeführt.
ollen Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün,
irklich Wehrpflichtige im Kampf gegen den Terroris-
us einsetzen?


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


as kann wohl nicht richtig sein. Wenn das so ist, dann
etzen Sie sich dafür ein, Herr Kollege, dass insoweit
ine Veränderung vorgenommen wird, und stimmen Sie
nserem Antrag zu, so wie Sie es draußen immer erzäh-
en!


(Beifall bei der FDP)

Aufgaben im Kampf gegen den Terrorismus und Aus-

andseinsätze lassen sich nur durch hoch motivierte, sehr
ut ausgebildete und mit modernster Bewaffnung ausge-






(A) )



(B) )


Günther Friedrich Nolting

stattete Zeit- und Berufssoldaten erfüllen, die professio-
nell handeln und flexibel einsetzbar sind.

Natürlich gibt es auch Gründe für die Wehrpflicht,
zum Beispiel Transparenz, Austausch mit der Gesell-
schaft, Rekrutierung. Aber diese Gründe legitimieren die
Wehrpflicht nicht. Die Wehrpflicht stellt einen so tiefen
Eingriff in die individuelle Freiheit der jungen Bürger
dar, dass sie von einem demokratischen Rechtsstaat nur
dann gefordert werden darf, wenn es die äußere Sicher-
heit des Staates gebietet. Sie ist nicht ewig gültig, son-
dern von der konkreten Sicherheitslage abhängig. Ihre
Beibehaltung, Aussetzung oder Abschaffung sowie die
Dauer des Wehrdienstes müssen sicherheitspolitisch be-
gründet werden.


(Beifall bei der FDP)

Das weitere Festhalten an der allgemeinen Wehrpflicht
ohne stichhaltige sicherheitspolitische Begründung ist
schlicht illegitim.

Bei einer intelligent angelegten Streitkräftestruktur,
wie sie die FDP-Bundestagsfraktion vorschlägt und for-
dert, muss überdies keiner der genannten Vorteile einer
Wehrpflichtarmee aufgegeben werden.

Problematisch erscheint zusätzlich, dass mittlerweile
mehr von Wehr- und Ersatzdienstwillkür denn von Wehr-
und Dienstgerechtigkeit gesprochen werden muss. In
den neuesten Planungen von Minister Struck werden we-
niger als 20 Prozent der Wehrpflichtigen zur Bundes-
wehr einberufen. Von Gerechtigkeit kann nicht einmal
mehr im Ansatz gesprochen werden.

Ich komme auf die „Information für die Truppe“ zu-
rück. Hier erklärt der Sprecher der Grünen, Herr
Nachtwei, dass er und die Grünen insgesamt für eine
Freiwilligenarmee einträten. Ich bin gespannt, wie die
grüne Rednerin gleich begründen wird, warum Sie den
Antrag der FDP ablehnen.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506614900

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Hans-Peter

Bartels, SPD-Fraktion.


Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
Rede ID: ID1506615000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Einmal mehr befassen wir uns heute in diesem
Hause auf Antrag der FDP-Fraktion mit der Aussetzung
der Wehrpflicht,


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Und nicht das letzte Mal!)


offenbar einem Herzensanliegen der Liberalen. Denn be-
reits in der vergangenen Wahlperiode haben sie drei An-
träge gleichen Inhalts in den Bundestag eingebracht.
Eine Mehrheit haben sie dafür nicht gefunden. Sie wer-
den sie auch heute nicht erhalten. Unsere Position, die
Wehrpflicht beizubehalten, hat nichts von ihrer Richtig-
keit verloren.

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(C (D Viele Argumente tragen Sie nicht dagegen vor. Ganze ehn Zeilen – Überschrift und Datum schon mitgezählt – mfasst der Text Ihres Antrags: Sicherheitspolitisch sei ie Wehrpflicht nicht mehr erforderlich; mangelnde ienstgerechtigkeit entziehe ihr die gesellschaftliche kzeptanz. ielleicht fällt die Begründung Ihrer Forderung deshalb o kurz aus, weil Sie sich selbst der Argumente für eine bschaffung der Wehrpflicht nicht so sicher sind. (Günther Friedrich Nolting [FDP]: Den Antrag muss man nicht extra schriftlich begründen! Er ist so gut!)


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: So ist es!)


ch verstehe das, weil Ihre Ablehnung erst neueren Da-
ums ist.
Sie haben in dieser Frage in den vergangenen Jahren

inen weiten Weg zurückgelegt. Wolfgang Gerhardt ant-
ortete 1995 jenen, die nach dem Ende des Kalten Krie-
es die Wehrpflicht infrage stellten:

Die Verteidigung unserer Freiheit muss auch in Zu-
kunft die Angelegenheit aller bleiben. Der Schutz
von Freiheit und Recht ist nicht ausschließlich als
Leistung von Berufssoldaten zu verstehen. Theodor
Heuss hat die Wehrpflicht deshalb zu Recht als le-
gitimes Kind der Demokratie bezeichnet. Der frü-
here Bundespräsident hat sie als konstitutives
Merkmal unserer Streitkräfte genannt.
Wir sprechen uns für die Beibehaltung der Wehr-
pflicht aus. Sie ist Ausdruck des Willens einer De-
mokratie, die Verteidigung der Freiheit als ständige
Aufgabe in der gesamten Gesellschaft zu veran-
kern. Wir werden den Gedanken der Wehrpflicht
nicht aufgeben, nur weil es schwieriger geworden
ist, eine Wehrpflichtarmee zu organisieren.

o Herr Gerhardt.

(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Guter Mann!)

ch sage: Richtig! Deshalb bleiben wir bei der Wehr-
flicht und werden Ihren Antrag ablehnen.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Wir sind inzwischen bedeutend weiter! Denken Sie einmal an die neuen Aufgaben!)


Ihr Sinneswandel erfolgte im Sommer 2000. Er ging
ehr schnell. Noch kurz vor der parlamentarischen Som-
erpause, am 7. Juni 2000, hat die FDP einen Entschlie-
ungsantrag ins Parlament eingebracht, in dem ihre
raktion sich für eine Reduzierung des Wehrdienstes auf
aximal sechs Monate aussprach. Von einem Ende der
ehrpflicht war damals noch keine Rede.
Aber kaum war die Sommerpause vorüber, überrasch-
n Sie uns am 11. Oktober mit einem neuen Antrag, in
em nun die Aussetzung der Wehrpflicht gefordert wurde.
azwischen lag ein Parteitag, der – so kann man der Pres-
eberichterstattung entnehmen – von der damals in Ihrer
artei populären „Projekt 18“-Euphorie geprägt war.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Hahaha! Wer hat das aufgeschrieben?)







(A) )



(B) )


Dr. Hans-Peter Bartels

Die „Frankfurter Rundschau“ kommentierte damals tref-
fend,

dass gravierende inhaltliche Positionsveränderun-
gen allerdings einen höheren Glaubwürdigkeitsge-
halt erreichten, könnte man sie denn von dem Ver-
dacht befreien, sie seien doch nur Revuenummern
in einer großen Profilierungsshow.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir Sozialdemokraten haben uns im Wahlprogramm

zur Bundestagswahl 2002 ausdrücklich für die Wehr-
pflicht ausgesprochen. Aber natürlich sehen wir, dass die
Welt und das sicherheitspolitische Umfeld sich gewan-
delt haben und weiter wandeln und dass dies nicht ohne
Folgen für die Bundeswehr bleiben kann. Deshalb ist es
richtig, die Wehrform immer wieder auf ihre Tauglich-
keit zu überprüfen, wie es im Koalitionsvertrag unserer
rot-grünen Regierung steht. Deshalb hat die Bundes-
regierung seit ihrem Amtsantritt 1998 weit reichende
Reformen der Streitkräfte auf den Weg gebracht.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Gerade dabei, nachzubessern!)


Das ist kein einfacher Prozess, der auch nicht in kurzer
Zeit jedes Problem löst, doch wir sind auf dem richtigen
Kurs. Die Reform muss übrigens bei voller Fahrt vorge-
nommen werden, denn parallel zum Umbau der Streit-
kräfte sind mehr als 8 000 Soldaten im Auslandseinsatz.

Seit Beginn unserer Regierungszeit sind Anforderun-
gen an die Bundesrepublik Deutschland hinzugekom-
men, die sich vorher niemand hätte träumen lassen: Ein-
sätze gegen den Terrorismus wie auch unsere
Beteiligung an der ISAF-Truppe in Afghanistan, weit
außerhalb des alten NATO-Gebiets – out of area, wie
man früher sagte. Natürlich leisten Wehrpflichtige und
auch Zeitsoldaten in Deutschland einen Beitrag zum
Kampf gegen den Terrorismus, wenn sie Kasernen unse-
rer amerikanischen Verbündeten bewachen.


(Anita Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]: Richtig!)


Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Das ist nicht ein-
fach ein Dienst, den man schlicht abschaffen kann.

Der Bundesminister der Verteidigung hat deshalb im
Mai neue Verteidigungspolitische Richtlinien mit Vor-
gaben für den künftigen Weg der Bundeswehr festgelegt.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Haben Sie sie gelesen?)


Jetzt sind wir dabei, die Weiterentwicklung der Bundes-
wehr zu konkretisieren. Peter Struck hat in seinem
Hause die entsprechende Weisung erlassen. Er hat sich
in diesem Zusammenhang ausdrücklich dafür ausgespro-
chen, an der Wehrpflicht von neun Monaten festzuhal-
ten, sie aber neu auszugestalten und den neuen Struktu-
ren und Aufgaben der Bundeswehr anzupassen. Die
SPD-Fraktion begrüßt die Schritte, die der Minister be-
absichtigt, auch sein Bekenntnis zur Wehrpflichtarmee.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Günther Friedrich Nolting [FDP]: Wo bleibt der grüne Partner?)


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(C (D Wir Verteidigungspolitiker der SPD-Fraktion haben ns im Juli ebenfalls deutlich für die Beibehaltung der ehrpflicht ausgesprochen, (Günther Friedrich Nolting [FDP]: Deshalb wurde die Abstimmung verschoben!)


erbunden mit der Feststellung, dass der Wehrdienst sich
en veränderten politischen Rahmenbedingungen anpas-
en muss. Nur eine Wehrpflicht, die auf der Höhe der
eit ist, wird Bestand haben. Wichtig ist für uns: Die
usgestaltung des Dienstes, Ausbildung und Aufgaben
aben sich an den militärischen Erfordernissen zu orien-
eren.
Lassen Sie mich einige Worte zum verfassungsrecht-

chen Rahmen sagen, weil in der öffentlichen Diskus-
ion, auch von Ihnen, oft der falsche Eindruck erweckt
ird,


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Das kann überhaupt nicht sein!)


llein die sicherheitspolitische Notwendigkeit des Kalten
rieges habe die Wehrpflicht begründen können.
Das Grundgesetz hat die Entscheidung zwischen
ehrpflichtarmee und Freiwilligenheer ausdrücklich
em Gesetzgeber überlassen. Wir in diesem Hause ha-
en diese politische Entscheidung zu treffen. Selbst
enn Ihre Prämisse richtig wäre, dass die sicherheitspo-
tische Lage keine Wehrpflicht mehr erfordere – was ich
estreite, aber natürlich kann man darüber diskutieren –,
ürde sich hieraus kein Automatismus für ihre Abschaf-
ung ergeben.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Deshalb haben wir nun auch den Antrag gestellt! Das wissen wir auch selbst!)


Das ist Ihnen unbenommen. Es ist mir immer wieder
ine Freude, mit Ihnen darüber zu diskutieren. Ich bin
ir auch sicher, dass dies, nachdem Sie in der letzten
egislaturperiode drei Anträge gestellt haben, nicht der
tzte gewesen sein wird.
Die Entscheidung für oder gegen die Wehrpflicht ist,

o das Verfassungsgericht, eine grundlegende staatspoli-
sche Entscheidung, die auf wesentliche Bereiche des
taatlichen und gesellschaftlichen Lebens einwirkt und
ei der der Gesetzgeber neben verteidigungspolitischen
esichtspunkten auch allgemeinpolitische, wirtschafts-
nd gesellschaftspolitische Gründe zu bewerten und ge-
eneinander abzuwägen hat. Dazu sind wir verpflichtet.
ach Abwägung aller Argumente sprechen nach unserer
uffassung auch unter den geänderten sicherheitspoliti-
chen Rahmenbedingungen fast fünf Jahrzehnte nach ih-
er Einführung gute Gründe für die Beibehaltung der
ehrpflicht.
Die Wehrpflicht sichert die Professionalität der Bun-

eswehr. 40 bis 50 Prozent aller Zeit- und Berufssolda-
n entschließen sich während des Grundwehrdienstes
ür ein längerfristiges Engagement in den Streitkräften.
erade vor dem Hintergrund der teilweise erheblichen
robleme zum Beispiel unserer NATO-Partner ohne
ehrpflicht, neues und vor allem qualifiziertes Personal






(A) )



(B) )


Dr. Hans-Peter Bartels

zu gewinnen, ist dies ein nicht zu unterschätzender Vor-
teil des Wehrdienstes.

Wehrpflichtige bringen ein großes Potenzial an allge-
meiner und fachlicher Bildung mit. 30 Prozent der
Grundwehrdienstleistenden haben die mittlere Reife,
30 Prozent die Fachhochschulreife oder Abitur, fast
40 Prozent eine abgeschlossene Berufsausbildung. Die
Wehrpflicht hat einen entscheidenden Anteil an der Pro-
fessionalität unserer Bundeswehr.

Auch die Möglichkeit, kurzfristig im Inland auf eine
größere Zahl von Soldaten zurückgreifen zu können, hat
ihren Sinn keineswegs gänzlich verloren. Dies gilt für
denkbare Bedrohungen durch den Terrorismus ebenso
wie für Naturkatastrophen oder Unglücke.

Vielleicht ist es auch hilfreich, sich ein paar Zahlen zu
vergegenwärtigen: Mehr als 8 Millionen junge Männer
haben in der Bundeswehr seit ihrer Gründung gedient.
Die Wehrpflicht sorgt – auch heute – in jedem Jahr für
den stetigen Austausch von rund 100 000 jungen Solda-
ten; das ist ein gutes Drittel der gesamten Streitkräfte.
Dadurch bleibt die enge Verbundenheit von Bundes-
wehr und Gesellschaft gewahrt. Dies ist in Zeiten, in
denen unsere Soldaten weit über die Grenzen NATO-Eu-
ropas hinaus einen schwierigen und gefährlichen Dienst
versehen, wichtiger als je zuvor.

Es besteht ja nicht nur die Gefahr, dass sich das Mili-
tär von der Gesellschaft abkapselt – das ist heute wirk-
lich nicht unser Problem –, sondern auch, dass sich die
Gesellschaft von der Bundeswehr abwendet, dass das
Militärische dem Zivilen fremd wird. Dem beugt die
Wehrpflicht mit ihren Grundwehrdienstleistenden und
ihren FWDLern erfolgreich vor. Das haben auch Sie
wahrscheinlich einmal so gesehen, aber heute vertreten
Sie eine andere Position.

Das mag auch dazu beitragen, dass wir in Deutsch-
land uns mit Auslandseinsätzen manchmal schwerer tun
und die Bevölkerung sich stärker damit beschäftigt als in
manchen anderen Ländern. Das ist kein Nachteil. Im Ge-
genteil, bei uns ist es mittlerweile eine gute, verfassungs-
feste Tradition, dass Beschlüsse über Auslandseinsätze
vom Parlament gefasst werden. Das ist gut so und das
bleibt so.

Mit der Wehrpflicht stehen immer auch der Zivil-
dienst und die Ersatzdienste bei freiwilligen Feuerweh-
ren oder dem Technischen Hilfswerk zur Disposition.
Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt bestätigt,
dass die Politik die Auswirkungen auf den Zivildienst in
Betracht ziehen darf. Aus meiner Sicht muss sie das
auch. Allerdings kann – das ist klar – der Zivildienst
nicht zur Legitimation der Wehrpflicht als solcher heran-
gezogen werden.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Das tut der Minister aber!)


– Das tut der Minister nicht.

(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Doch! These 26! Da ist das genau aufgeführt!)



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(C (D Natürlich muss das abgewogen werden. Auch das geört in diesen Zusammenhang. Bei 34 Punkten ist 26 ja ine gute Nummer. Das ist ein wichtiger Punkt. Deshalb rwähne ich das auch hier. Auch wenn es vielleicht in manchen Ohren etwas altodisch klingen mag, möchte ich noch einen anderen uten Aspekt der Wehrpflicht nennen: Jeder taugliche ann im entsprechenden Alter ist verpflichtet, Wehr-, iviloder Ersatzdienst zu leisten. Das ist bindend, eine flicht, die vielleicht als überholt und nicht mehr zeitgeäß empfunden werden mag. In einer Zeit aber, in der ersönliche Interessen zunehmend über das Gemeinohl gestellt werden, wäre es das falsche Signal, einen erbindlichen und sinnvollen Dienst an der Gesellschaft ufzukündigen. Aus den Gründen, die ich genannt habe, werden wir ozialdemokraten die Wehrpflichtarmee nicht leichtferig aufgeben. Auch 46 Jahre nach ihrer Einführung pricht vieles für sie. Dass ihre Ausgestaltung den jeweiigen militärischen Erfordernissen angepasst werden uss, ist nicht neu. So war es immer. Deswegen varierte, um ein Beispiel zu nennen, die Dauer des Grundehrdienstes in Abhängigkeit von der sicherheitspolitichen Lage: Mal waren es zwölf, mal 18, zu meiner Zeit 5, mal zehn Monate; jetzt sind es neun Monate. Wir leiben mit der Wehrpflicht flexibel. Eine kurzfristige ussetzung (Günther Friedrich Nolting [FDP]: Das will doch keiner! Das wissen Sie doch ganz genau! Schauen Sie sich den Antrag doch einmal an!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


hne Rücksicht auf die Auswirkungen, wie Sie in Ihrem
ntrag fordern, lehnen wir ab.
Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506615100

Nächste Rednerin ist die Kollegin Anita Schäfer,
DU/CSU-Fraktion.

Anita Schäfer (CDU):
Rede ID: ID1506615200

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

egen! Der 11. September 2001 hat uns nicht nur den
errorismus als Bedrohung aufgezeigt. An diesem Tage
ind so gut wie alle Vorhersagen über die sicherheitspoli-
ische Zukunft Deutschlands und seiner Verbündeten zu-
ammengestürzt. Dies war auch für die Wehrpflicht und
hre sachliche Notwendigkeit von nachhaltiger Bedeu-
ung.
Bevor ich zu der angeblich fehlenden Dienstgerech-

igkeit komme, möchte ich Ihnen daher einige Worte
ber die sicherheitspolitische Sinnhaftigkeit der allge-
einen Wehrpflicht sagen.
Auslandseinsätze sind die große militärische Aufgabe

nserer Zeit, aber sie sind nicht alles. Nicht nur am
indukusch, auch in Heidelberg hat die Bundeswehr






(A) )



(B) )


Anita Schäfer (Saalstadt)


Aufträge zu erfüllen. Für beides brauchen wir die Wehr-
pflicht, aber eine Wehrpflicht, die sinnvoll gestaltet wird.
Die Debatte über den Sinn der Wehrpflicht wurde erst
richtig laut, als Rot-Grün den Wehrdienst auf neun Mo-
nate verkürzt hat. Diese neun Monate sind die Schmerz-
grenze; für manche Einheiten ist sie damit sogar über-
schritten, weil der Verkürzung keine konsequente
Strukturreform folgte. Dauer und Inhalte müssen ein
Ganzes ergeben.

Aus den zahlreichen Gründen für eine Wehrpflicht
– etwa Nachwuchsgewinnung, Verankerung der Truppe
in der Bevölkerung, Aufwuchsfähigkeit der Truppe, bes-
sere Qualifikation der Rekruten und besonders der
Mannschaften, bessere soziale Mischung der Soldaten in
der Bundeswehr – greife ich drei heraus: die Aufwuchs-
fähigkeit der Truppe, die Bedeutung der Wehrpflichtigen
auch für Auslandseinsätze und die soziale Mischung in
der Bundeswehr.

Im August habe ich die Bundesregierung gefragt, wie
viele zivile Infrastrukturobjekte mit militärischer Be-
deutung von der Bundeswehr betreut werden. Es sind
etwa 3 500 zivile Objekte. Es geht hier also nicht um
Kasernen, Depots und Stützpunkte. Für diese 3 500 Ob-
jekte – darunter Bahnhöfe, Tankanlagen und Eisenbahn-
brücken – sind nach Auskunft der Regierung immerhin
25 000 nicht aktive Soldaten der Heimatschutztruppe
vorgesehen.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Billiger Hilfsdienst!)


– So würde ich das nicht bezeichnen. – Diese Zahl wirkt
imposant; aber rechnen wir nach: Das sind 7,1 Soldaten
pro Objekt. Damit kann vielleicht tagsüber eine Eisen-
bahnbrücke bewacht werden, aber kein Fernbahnhof und
kein großes Tanklager.

Warum habe ich Heidelberg erwähnt? In Heidelberg
bewacht die Bundeswehr eine US-Liegenschaft mit Sol-
daten, die aus der aktiven Truppe zusammengesucht
wurden. Hier und an anderen Standorten stehen von
Bootsbesatzungen der Marine bis zu Angehörigen der
Luftwaffe Soldaten, die in einem Spannungsfall andere
Aufgaben erfüllen müssen, also dann nicht mehr zur
Verfügung stehen. Nur die Wehrpflicht schafft hier Per-
sonalreserven, nur sie hat die wichtige Aufwuchsfähig-
keit, die aktive Truppe zu entlasten.

Die Polizei ist heute auch ohne Krisen schon überlas-
tet. Wir benötigen klare Rechtsgrundlagen und Zustän-
digkeiten, um in besonderen Gefährdungslagen den Ein-
satz der Bundeswehr im Rahmen ihrer besonderen
Möglichkeiten ergänzend zu Polizei und Bundesgrenz-
schutz zu ermöglichen. Sie sehen also: Die schmalen
Ressourcen für diese wichtige Aufgabe ruhen auf den
Schultern unserer Wehrpflichtigen. Ohne Wehrpflicht
hätten wir diese Reserven nicht.

Die Zukunft der Wehrpflicht liegt daher auch in ei-
nem modernen Konzept für den Heimatschutz. Nicht
nur im Objektschutz: Wehrpflichtige können auch als
Sanitäter, Pioniere oder ABC-Abwehrsoldaten in einem
neu organisierten Heimatschutz wichtige Aufgaben
übernehmen. Ob Flutkatastrophe, Anschlag mit C-Waf-

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(C (D en oder ein sonstiges Großenschadensereignis: Wir üssen ruhende Strukturen aufrufen können. Von Heidelberg wieder an den Hindukusch. Auslands insätze sind ohne Wehrpflichtige nicht zu leisten. Freiillige Wehrpflichtige stellen hier über ein Drittel der annschaften und sie erfüllen ihre Aufträge hervorraend. Viele Wehrpflichtige schließen Lücken, die in der ruppe in der Heimat entstehen. Sie sehen also: Wehrflichtige erfüllen auch hier sicherheitspolitisch wichtige ufgaben. Allein an diesen beiden Beispielen erkennen ie die sicherheitspolitische Notwendigkeit der Wehrflicht. Die Wehrpflicht ist aber auch notwendig, um die rich ige Mischung an Personal für die Bundeswehr zu geinnen. Eine Armee, die sich mit neuen jungen Wehrflichtigen immer geistig jung hält, eine Armee, in der ich Wehrpflichtige einbringen können, ist eine Armee, ie sie für unsere Sicherheitsvorsorge sehr gut geeignet st. Abgesehen davon ist bei gleicher Truppenstärke eine erufsarmee immer viel teurer. In Ländern ohne Wehrflicht muss mit enormen Summen um Rekruten geworen werden. Trotzdem melden sich nicht immer die Besen. Es stellt sich aber die Frage, ob eine allgemeine ehrpflicht noch den Bedürfnissen der Gegenwart geügt. Neben dem militärischen Heimatschutz stehen och die Feuerwehren, das Technische Hilfswerk, die ettungsdienste und andere gesellschaftliche Einrichtunen, die im Notfall auf die Leistungsbereitschaft vieler enschen angewiesen sind. Ohne Vorbereitung und usbildung geht das aber nicht. Wir müssen vielleicht arüber nachdenken, von allen jungen Menschen einen eitrag für die Gemeinschaft zu fordern. Viele junge Frauen leisten schon heute ein freiwilli es soziales Jahr, während junge Männer, die ausgemusert werden, keine gemeinnützige Aufgabe übernehmen üssen. Aus einer Vielzahl von Gründen leistet heute twa ein Drittel eines wehrpflichtigen Jahrgangs überaupt keinen Dienst. Etwa 30 Prozent eines Jahrgangs erweigern den Wehrdienst; 20 Prozent werden aus geundheitlichen Gründen ausgemustert; 10 Prozent sind ehrdienstausnahmen. Aber über ein Drittel leistet seien Wehrdienst. Nur etwa 2 Prozent der tauglich Geusterten dienen nicht. Dieses Problem an den Wehrienstleistenden und ihren Aufgaben festzumachen erzerrt die Perspektive. Der Weg weist nicht in die Ausetzung der Wehrpflicht, sondern eher in die Erweiteung der Möglichkeit zu dienen. Das Prinzip „Für jeden ine Aufgabe nach seinen Fähigkeiten“ sollte in diesem usammenhang nicht vergessen werden. Noch ein Wort zur Neuordnung der Kriegsdienst erweigerung durch Rot-Grün. Die Regierung hat die erweigerung des Wehrdienstes zu einer Formsache emacht, die nicht mehr den Anspruch einer Gewissensntscheidung erheben kann. Ich zolle daher jedem junen Mann Respekt, der nicht der Verlockung, dass Vereigern so einfach wie noch nie ist, folgt und seinen ehrdienst antritt. Die Frage der Dienstgerechtigkeit be Anita Schäfer trifft also nur eine geringe Anzahl von jungen Männern, nicht aber die Bundeswehr. Hier muss ein gesamtgesellschaftlicher Ansatz für den Dienst an der Gemeinschaft gefunden werden. Die Wehrpflicht ist sicherheitspolitisch notwendig und gesellschaftspolitisch akzeptabel. Nach Abwägung aller Faktoren komme ich zu dem Schluss, dass wir die allgemeine Wehrpflicht aus vielen Gründen benötigen. Staatliche Sicherheitsvorsorge ist so wichtig, dass wir sie immer über den Tag und das Jahr hinaus betrachten müssen. Dem vorliegenden Antrag, lieber Herr Nolting, können wir daher nicht zustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU – Günther Friedrich Nolting [FDP]: Der wird erst überwiesen! – Helga Daub [FDP]: Schade, schade!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)





(A) )


(B) )



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506615300

Nächste Rednerin ist die Kollegin Marianne Tritz,

Bündnis 90/Die Grünen.

Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506615400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Frage der Abschaffung oder Aussetzung der Wehr-
pflicht ist ein Abwägungsprozess. Deshalb, Herr
Nolting, können wir die Diskussion ganz unaufgeregt
und in aller Ruhe führen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Günther Friedrich Nolting [FDP]: Sie sollten mich einmal nervös sehen!)


Das Hauptargument für den Erhalt der Wehrpflicht ist
die Nachwuchsrekrutierung. Wir holen pro Jahr circa
100 000 junge Männer aus ihrer Lebensplanung zum
Dienst an der Waffe, damit einige wenige Tausend übrig
bleiben, die sich nach dem Grundwehrdienst als Berufs-
soldaten verpflichten. Jedem einzelnen jungen Mann,
der zum Wehrdienst herangezogen wird, müssen wir er-
klären, warum ausgerechnet er zur Bundeswehr muss
und der gleichaltrige Freund von nebenan nicht, warum
er, wenn er verweigert, einen mehrmonatigen Ersatz-
dienst leisten muss, die Freunde aber gleich eine Berufs-
ausbildung oder ihr Studium beginnen dürfen. Von Ge-
rechtigkeit, von Wehrgerechtigkeit kann hier keine Rede
sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Es gibt genügend junge Menschen, die eine Karriere bei
den Streitkräften anstreben würden, wenn man ihnen
denn ein attraktives Angebot unterbreitet, aber freiwillig
und zu einer Zeit, die in ihren persönlichen Lebensent-
wurf passt.

Mit dem Ende des Kalten Krieges steht die klassische
Landesverteidigung nicht mehr im Vordergrund. Heute
haben wir es mit Bedrohungen zu tun, die anderer Art
sind. Der internationale Terrorismus, Regionalkonflikte,
neue asymmetrische Kriege usw. ergeben für die Streit-
kräfte gänzlich neue Aufträge, zum Beispiel Peacekee-
ping-Einsätze. Diese neuen Anforderungen an die
Bundeswehr erfordern eine moderne Ausstattung, eine

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(C (D chnelle Einsatzbereitschaft und gut ausgebildete Speialisten. (Günther Friedrich Nolting [FDP]: Wohl wahr!)


Ausgerechnet mit der antiquierten Wehrpflicht wollen
ir die Bundeswehr reformieren? Das ist fragwürdig.
ine flexible, moderne Einsatzarmee, bestehend aus Sol-
aten, die wir zwangsverpflichten, ist nicht mehr zeitge-
äß.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Unsere europäischen Nachbarn haben das längst er-
annt; Sie haben es angesprochen. Frankreich, Spanien,
elgien und die Niederlande haben keine Wehrpflicht
ehr. In Italien, Portugal, der Slowakei, in Slowenien,
schechien und Ungarn wird sie spätestens in drei Jah-
en ausgesetzt oder abgeschafft sein. Die USA, Kanada
nd Großbritannien haben sowieso keine.
Wir können von unseren europäischen Partnern ler-

en, dass die positiven Erfahrungen bei der Umstellung
uf eine Berufsarmee überwiegen und welche Fehler
ir vermeiden können. Die Niederländer zum Beispiel
iderlegen die Bedenken gegen eine Abschaffung der
ehrpflicht ganz deutlich. In den Niederlanden ist kein
taat im Staate geschaffen worden.


(Dr. Hans-Peter Bartels [SPD]: Das sagt ja auch keiner!)


as Ansehen der Streitkräfte ist hoch. Die Berufssolda-
en sind in der Gesellschaft stark verwurzelt. Das Rekru-
ieren von Nachwuchs gelingt mittlerweile durch ein
mfangreiches Maßnahmenpaket, mit dem das Bewer-
eraufkommen erhöht wurde. Die Armee wurde refor-
iert, effizienter und letztendlich kostengünstiger.
Wer behauptet, eine Berufsarmee könne sich zu ei-

em Söldnerheer entwickeln, unterschätzt, dass deutsche
oldaten zum Staatsbürger in Uniform ausgebildet wer-
en


(Beifall der Abg. Helga Daub [FDP] – Günther Friedrich Nolting [FDP]: Das macht der Minister aber!)


nd dass wir seit Jahrzehnten viel Wert auf die innere
ührung legen, die selbstverständlich weiterentwickelt
erden muss. Auch unsere jetzigen Berufs- und Zeitsol-
aten sind keine Rambos, sondern Menschen, die ihre
ufgaben verantwortungsvoll ausüben.


(Dr. Hans-Peter Bartels [SPD]: Pappkameraden!)


Die Wehrpflicht hat keine Zukunft und es ist nur noch
ine Frage der Zeit, bis die Freiwilligenarmee kommt.
m Zuge der weiteren Reformen der Bundeswehr ist es
on daher nur konsequent, jetzt den Ausstieg aus der
ehrpflicht zu planen. Die Wehrpflicht ist ein Hemm-
chuh für Reformen, sie ist ein Auslaufmodell.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)







(A) )



(B) )


Marianne Tritz

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wir be-

grüßen Ihr Engagement, schließlich greifen Sie eine
grüne Herzensangelegenheit auf. Wir haben aber noch
– jetzt verrate ich kein Geheimnis – Diskussionsbedarf
mit unserem Koalitionspartner.


(Anita Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]: Aber gewaltig!)


Das halte ich bei der Tragweite dieser Entscheidung
auch für völlig in Ordnung. Wir brauchen dazu Zeit und
wir werden sie uns nehmen.


(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine souveräne Haltung!)


Ich sehe, dass Sie momentan Schwierigkeiten im ei-
genen Lager haben. Sie haben sich weitestgehend margi-
nalisiert und brauchen natürlich dringend ein Thema, mit
dem Sie in der Öffentlichkeit wieder wahrgenommen
werden.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Bis jetzt war die Rede gut!)


Das ist natürlich auch nachvollziehbar und ich kann ver-
stehen, dass Sie die Regierungsfraktionen vor sich her-
treiben wollen; uns ist das Thema aber zu wichtig dafür.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Deshalb wird es in den Ausschuss überwiesen! Es wird heute nicht abgestimmt!)


Schließlich geht es um die Zukunft der Bundeswehr.
Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506615500

Frau Kollegin Tritz, dies war Ihre erste Rede im Deut-

schen Bundestag. Ich gratuliere Ihnen recht herzlich und
wünsche Ihnen persönlich und politisch alles Gute.


(Beifall)

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Jürgen Herrmann, CDU/CSU-Fraktion.

Jürgen Herrmann (CDU):
Rede ID: ID1506615600

Frau Kollegin, auch ich beglückwünsche Sie zu Ihrer

ersten Rede und wünsche Ihnen alles Gute auf Ihrem
weiteren Weg in diesem Hohen Hause.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Heute diskutieren wir über die Aussetzung
der Wehrpflicht. Für meine Kolleginnen und Kollegen
der FDP ist das die Lösung schlechthin. Für mich bedeu-
tet sie jedoch den Einstieg in den Ausstieg aus der Wehr-
pflicht.

Natürlich ist es legitim, die Wehrpflicht nach 50 Jah-
ren auf den Prüfstand zu stellen. Es ist keine Frage, dass
wir es heute mit anderen sicherheitspolitischen Anforde-
rungen zu tun haben. Das Freund-Feind-Bild hat sich
massiv verschoben. Nicht mehr die Bedrohung durch die
Staaten des ehemaligen Ostblocks steht im Fokus der

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(C (D rmeen, sondern der Kampf gegen die asymmetrischen efahren terroristischer Aktivitäten. Die daraus erwachenden Bündnisverpflichtungen erfordern eine Armeetruktur, die flexibel, hoch qualifiziert und von einer reiten Mehrheit der Menschen getragen wird. Aus gesellschaftspolitischen Erwägungen können ir es uns gar nicht leisten, die allgemeine Wehrpflicht bzuschaffen. Das Image unserer Soldaten im Ausland st besser denn je. Sie sind Botschafter des Friedens für eutschland, das seit mehr als 50 Jahren auf eine stabile emokratische Vergangenheit zurückblicken kann. Die oldaten helfen beim Aufbau friedlicher Strukturen in azedonien, im Kosovo und in Afghanistan. Bei der Er üllung dieser wichtigen Aufgabe sind nicht nur freiwilig länger dienende Wehrpflichtige vor Ort beteiligt, sonern auch ihre wehrpflichtigen Kameraden in den eutschen Standorten. Bei der Bewältigung von Katatrophen – ich erinnere hier insbesondere an das Elbend Oderhochwasser – haben sie unermessliche Hilfeeistungen erbracht und wurden zu Helden unserer Naon. Dafür steht die allgemeine Wehrpflicht. Sie steht aber uch für eine Armee, die sich nicht nur als hoch leisungsfähig, sondern auch als gesellschaftlich akzeptiert nd demokratietauglich bewährt hat. Mit der Wehrflicht werden die hohen Qualitätsansprüche an die Beerberinnen und Bewerber gehalten. Die Verankerung es oft zitierten, aber nach wie vor gültigen Etiketts des taatsbürgers in Uniform bürgt für eine breite Akzeptanz n der Gesellschaft. Ich komme zum Stichwort Nachwuchsgewinnung. iesem Argument wird meines Erachtens viel zu wenig edeutung beigemessen. Über lange Jahre kam etwa die älfte der freiwillig Dienst leistenden Soldaten aus den eihen der Grundwehrdienstleistenden. Unter anderem ällt mir beispielsweise der Inspekteur des Heeres, Genealleutnant Gert Gudera, ein, der 1966 als Grundwehrienstleistender bei der Bundeswehr eintrat. Meine rage lautet: Hätte er diese Position heute inne, wenn er amals nicht gezogen worden wäre? Welche Anstrengungen wären nötig, um dieses Poten ial durch Werbung und finanzielle Prämien zu gewinen? Die Erfahrungen unserer Bündnispartner sind beipielhaft. Belgien hat jüngst auf einer Expertentagung onstatiert, dass es seit der Abschaffung der Wehrpflicht u extremen Nachwuchsproblemen gekommen ist. Nur urch eine drastische Gehaltserhöhung ist es gelungen, eue Soldaten zu rekrutieren. In Spanien werden inzwischen junge Männer einge tellt, deren IQ bei 85 liegt. Das ist Sonderschulniveau nd lässt nicht auf eine hoch qualifizierte Berufsarmee chließen. Selbst Amerika – dort genoss die Berufsaree lange Zeit ein hohes Ansehen – zahlt hohe Prämien, m die Sollstärke zu gewährleisten. Da wir gerade bei den Finanzen sind, möchte ich anerken, dass eine Freiwilligenarmee wesentlich höhere osten verursachen würde. Bei den heutigen und zuünftigen Verteidigungsetats in Höhe von circa 4,4 Milliarden Euro ist dies kaum aufzufangen, es sei Jürgen Herrmann denn, die Anzahl der Soldatinnen und Soldaten würde massiv heruntergefahren. Hier schließt sich jedoch gleich die Frage an, wie wir unseren Bündnisverpflichtungen und dem Auftrag der Landesverteidigung in Zukunft nachkommen sollen. Zusätzlich müssten – wie in unseren Nachbarländern – wesentlich höhere finanzielle Mittel für die Anwerbung, die Qualifizierung und die notwendige Attraktivitätssteigerung zur Verfügung gestellt werden. Manöverkritik muss sein. Dringend überholungsbedürftig ist die inhaltliche Ausgestaltung des Grundwehrdienstes. Das sind wir insbesondere den jungen Soldaten schuldig. Nicht nur aus Überzeugung entscheiden sich immer mehr junge Leute, den Dienst an der Waffe zu verweigern und statt dessen Zivildienst zu leisten. Die Sinnhaftigkeit des Wehrdienstes muss wieder in den Vordergrund gestellt werden. Wir müssen wieder deutlicher herausstellen, dass junge Männer mit dem Wehrdienst staatsbürgerliche Verantwortung für unser Land übernehmen. Deshalb ist es höchste Zeit, das Weißbuch endlich neu aufzulegen; das ist längst überfällig. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)





(A) )


(B) )


Das letzte Weißbuch wurde 1994 in Umlauf gebracht.
Das neue Weißbuch ist für 2005 angekündigt. Ich bin ge-
spannt, ob es die Bundesregierung nach ihren vielen An-
kündigungen schafft, diesen Zeitplan einzuhalten.

Stichwort Wehrgerechtigkeit. Darüber ist schon viel
gesagt worden. Deshalb mache ich nur noch eine kurze
Anmerkung. Neu gefasste Auswahlkriterien sind ein ers-
ter Ansatz. Es ist positiv zu sehen, dass familiären Ver-
pflichtungen Rechnung getragen wird und eine Ausbil-
dung zunächst abgeschlossen werden kann. Wir müssen
aber aufpassen, dass dies nicht in die falsche Richtung
geht. Eine Reduzierung der Anzahl an Wehrpflichtigen
und der Grundwehrdienstdauer wäre kontraproduktiv
und käme einer Aushöhlung gleich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Verfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom

Frühjahr dieses Jahres grundsätzlich die Verfassungs-
mäßigkeit der Wehrpflicht ein weiteres Mal eindeutig
bestätigt. Es hat den gesellschaftspolitischen Aspekt her-
vorgehoben. Im Urteil ist unter anderem von „der Rekru-
tierung qualifizierten Nachwuchses … nach … der poli-
tischen Klugheit“ die Rede.

Daraus ergibt sich für mich nur eine Bewertung: Wer
die Wehrpflicht allein aus Kostengründen abschaffen
will, ist einäugig. Wer sie aussetzen will und glaubt, sie
problemlos wieder einführen zu können, ist blauäugig.
Wer aber die Wehrpflicht erhält und damit gesellschaft-
lich akzeptierte Risikovorsorge langfristig betreibt, han-
delt weitsichtig.

Lassen Sie uns die Erfolgsgeschichte der allgemeinen
Wehrpflicht fortschreiben! Aus den genannten gesell-
schafts- und sicherheitspolitischen Gründen kann es kei-
nen anderen Weg geben.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506615700

Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
rucksache 15/1357 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Erste Beratung des von den Abgeordneten
Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas
Strobl (Heilbronn), weiteren Abgeordneten und
der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur wirksamen Bekämp-

(Gesetz zur Änderung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes)

– Drucksache 15/1560 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Sind Sie da-
it einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann
st das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
r. Ole Schröder, CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1506615800

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! 16 426 Personenfahndungserfolge, die Aufde-
kung von 6 789 unerlaubten Einreisen, von fast
0 000 Straftaten und circa 45 000 Ordnungswidrig-
eiten. Was sagen uns diese Zahlen? – Dies ist die Er-
olgsbilanz der lagebildabhängigen, also der erlaubten
erdachtsunabhängigen Kontrolle an Bahnhöfen, an
lughäfen und in Zügen zwischen dem 1. Januar 1999
nd dem 31. Dezember 2002, also innerhalb von vier
ahren. Die BGS-Beamten sind berechtigt, dort Personen
u befragen und Ausweise zu kontrollieren. Aufgrund
er guten Arbeit der Beamten hatte jede 20. Kontrolle,
ie im Rahmen dieser Befugnis durchgeführt wurde,
ine Strafanzeige zur Folge. Durch die Befragung kam
s zu über 10 000 Aufenthaltsermittlungen. Diese erwei-
erte Befugnis in § 22 Abs. 1 a Bundesgrenzschutzgesetz
urde 1998 jedoch zeitlich begrenzt und läuft zum Ende
ieses Jahres aus.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns diese Er-

olgsgeschichte der BGS-Beamten, die übrigens nur
urch die Initiative eines CDU-Bundesinnenministers
öglich wurde, durch die genannten Kontrollbefugnisse
es Bundesgrenzschutzes auch in Zukunft fortsetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Dr. Ole Schröder

Das ist im Sinne einer effektiven Bekämpfung der illega-
len Einreise geboten.

Es hat sich gezeigt, dass die Möglichkeit der ver-
dachtsunabhängigen Kontrollen erhebliche Vorteile mit
sich bringt. Die seit Bestehen der Regelung erzielten be-
achtlichen Erfolge basieren auf den verbesserten Über-
prüfungsmöglichkeiten. Solche Erfolge wären ohne eine
solche Regelung nicht möglich gewesen. Die verdachts-
unabhängige Kontrolle ist darüber hinaus ein unverzicht-
bares Instrument zur Bekämpfung des internationalen
Terrorismus geworden.

Auch die Bekämpfung der menschenverachtenden
Schleuserkriminalität konnte durch die Regelung er-
heblich verbessert werden. Verbrechen an Frauen, die
nach Deutschland gebracht wurden, um zur Prostitution
gezwungen zu werden, konnten in erheblicher Zahl auf-
gedeckt und verhindert werden. Bedenken Sie, meine
Damen und Herren, dass die Bekämpfung der organi-
sierten Kriminalität nicht nur an den europäischen Au-
ßengrenzen, sondern auch im Inland geführt werden
muss. Ein Wegfallen dieser Befugnis hätte fatale Folgen
für unsere innere Sicherheit.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Umso unverständlicher ist es, dass es diese Regierung

mit Innenminister Schily zunächst versäumt hat, eine
Verlängerung der Befugnis in Angriff zu nehmen. Erst
aufgrund des Antrags der CDU/CSU-Fraktion hat die
Bundesregierung ihr Versäumnis eingestanden und ist
selbst aktiv geworden.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt überhaupt nicht!)


Leider sind Sie in Ihrem Gesetzentwurf nicht unserem
Vorschlag gefolgt, die Frist um fünf Jahre zu verlängern.
Mit Ihrer dreieinhalbjährigen Verlängerung greifen Sie
zu kurz. Warum ausgerechnet dreieinhalb Jahre? Konnte
sich die Regierungskoalition wieder einmal nicht eini-
gen? Es hört sich mal wieder wie ein fauler Kompromiss
zwischen Rot und Grün an.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Leider wahr!)

Darüber hinaus folgen Sie nicht unserem Vorschlag, vor
Ablauf der neuen Frist einen Evaluierungsbericht zu
erstellen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Warum eigentlich nicht?)


Übrigens, meine lieben Kolleginnen und Kollegen
von der Fraktion der Grünen: Ich habe mich unheimlich
gefreut, als ich erfahren habe, dass Sie unserem Antrag
dem Grunde nach zustimmen werden, zumal sich in dem
Protokoll der ersten Lesung vor Einführung der Maß-
nahme folgende Aussage Ihres damaligen Fraktionsvor-
sitzenden Rezzo Schlauch finden lässt:


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die kenne ich! Sie ist von 1998!)

Diese Maßnahme ist einer Demokratie unwürdig.
Sie passt in einen Polizeistaat, nicht in die freiheit-

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(C (D lichste Republik, die wir je auf deutschem Boden hatten und die wir behalten wollen. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Und so je mand ist Staatssekretär geworden!)

iebe Kollegen von den Grünen: Herzlich willkommen
m 21. Jahrhundert!


(Beifall bei der CDU/CSU)

Natürlich sind wir uns auch bewusst, dass diese ver-

achtsunabhängigen Kontrollen Eingriffe in die per-
önliche Freiheit des Kontrollierten bedeuten. Darüber
inaus verursachen diese Überprüfungen natürlich auch
icht zu vernachlässigende Kosten durch die BGS-Be-
mten. Wir denken jedoch, dass diese Einschnitte und
osten verhältnismäßig sind.
Meine Damen und Herren, wir verzeichnen eine
achsende grenzüberschreitende Kriminalität und ein
nsteigen der unerlaubten Zuwanderung mit negativen
uswirkungen auf die innere Sicherheit. Daneben stehen
ir kurz vor der EU-Osterweiterung. Vor diesem Hinter-
rund muss der Bundesgrenzschutz in der Lage sein,
eine grenzpolizeilichen Aufgaben effektiv und effizient
u erfüllen.
Die seit 1998 eröffneten erweiterten Möglichkeiten

ür den Bundesgrenzschutz müssen erhalten bleiben.
timmen Sie deshalb gemeinsam mit uns unserem An-
rag zu.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1506615900

Nächster Redner ist der Kollege Hans-Peter Kemper,

PD-Fraktion.

(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Jetzt hast du aber einen schweren Stand! – Gegenruf der Abg. Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Das wünschen Sie sich wohl!)



Hans-Peter Kemper (SPD):
Rede ID: ID1506616000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
err Kollege Schröder, wenn man Ihre Rede hört,


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Dann ist man beeindruckt!)


ann muss man den Eindruck erhalten, wir seien hier
öllig unterschiedlicher Meinung. Sie versuchen, Ge-
ensätze zu konstruieren, wo keine sind.


(Dr. Ole Schröder [CDU/CSU]: Ich freue mich, dass mir auch die Grünen zustimmen!)


Worum geht es hier? Es geht darum, die Gültigkeits-
auer eines Gesetzes, bei dem wir inhaltlich überein-
timmen, zu verlängern. Dessen Gültigkeit würde ohne
nser Eingreifen zum Jahresende auslaufen. Unser In-
enminister hat die Initiative sehr frühzeitig und vor al-
en Dingen rechtzeitig auf den Weg gebracht.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Weil wir Druck gemacht haben!)







(A) )



(B) )


Hans-Peter Kemper

– Sie können die Urheberschaft gerne für sich mit bean-
tragen. Da sind wir relativ großzügig.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Oh!)

Sie weisen darauf hin, dass die Initiative ursprünglich

von einem anderen Bundesinnenminister ausgegangen
ist; das ist genauso richtig. Allerdings haben Sie verges-
sen, zu erwähnen, dass sich dieser Bundesinnenminister,
der mit diesem Gesetz zur Bekämpfung der organisierten
Kriminalität sicherlich Gutes geleistet hat, anschließend
selbst im Dunstkreis der organisierten Kriminalität be-
wegt hat und dann gehen musste,


(Dr. Ole Schröder [CDU/CSU]: Am Thema vorbei!)


weil er Bilanzfälschungen und Steuerhinterziehungen
begangen und Geld gewaschen hat.


(Beifall bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hört! Hört!)


Das sollte man nicht vergessen. Wenn Sie den einen Teil
erwähnen, dann sollten Sie den anderen auch erwähnen.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Wo war das denn organisierte Kriminalität?)


Es ist richtig, dass das Bundesgrenzschutzgesetz im
August 1998 geändert worden ist. Die 30-Kilometer-
Grenze wurde aufgehoben und die Befugnisse des Bun-
desgrenzschutzes sind auf Bahnanlagen und Verkehrs-
flughäfen erweitert worden. Das hat sich in zweierlei
Hinsicht bewährt: zum einen bei der Verhinderung und
Unterbindung der illegalen Einreise und zum anderen
insbesondere nach dem 11. September 2001 als wichti-
ges Fahndungsinstrument im Rahmen der Bekämpfung
des internationalen Terrorismus.

Es ist selbstverständlich, dass ein freiheitlicher Staat
mit offenen Grenzen wie Deutschland auf solche Instru-
mentarien nicht verzichten kann. Es gibt ein hohes Maß
an Reisetätigkeit. Die grenzüberschreitenden Reisen ge-
hören zu unserem Lebensstandard und zur Lebensquali-
tät. Man muss allerdings darauf reagieren. Ein Instru-
ment ist die Grenzüberwachung in der Form, wie sie
durch den Bundesgrenzschutz jetzt durchgeführt wird.
Dieses Instrument verliert bei offenen Grenzen natürlich
zunehmend an Wirkung. Nach der Osterweiterung wird
es noch weiter an Wirkung verlieren. Deswegen ist es
richtig, dass dem Bundesgrenzschutz durch das Gesetz
lagebedingte Kontrollmöglichkeiten auf Flughäfen
und Bahnhöfen mit internationalen Verbindungen ein-
geräumt werden.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

Es ist auch richtig, dass der Bundesgrenzschutz sehr

erfolgreich gearbeitet hat. Sie haben einige Zahlen ge-
nannt. Es gab über 30 000 Anzeigen wegen Verstoßes
gegen das Ausländergesetz, über 4 000 Anzeigen wegen
des Verstoßes gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz
sowie gegen das Betäubungsmittelgesetz, über
4 000 Festnahmen und über 10 000 erfolgreich abge-
schlossene Aufenthaltsermittlungen. Das alles ist richtig.
Daneben hat es Aufgriffe gegeben. In vielen dieser Fälle
wurde Rauschgift transportiert oder es wurde Menschen-

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(C (D andel mit Frauen aus der Dominikanischen Republik, ie dem Rotlichtmilieu zugeführt werden sollten, betrieen. Dies alles konnte unterbunden werden. Das alles aren hervorragende Leistungen. Es ist aber auch wichtig, dass die Gültigkeit dieses esetzes nicht ausläuft – das ist klar –; denn dieses Geetz stellt eine Kompensation für den durch das Schenener Abkommen bedingten Wegfall der Grenzsicheung dar. Ich will auf Ihre Hauptvorwürfe kurz eingehen. Sie ordern mit großem Brimborium eine Verlängerung um ünf Jahre, während wir nur eine Verlängerung um dreiinhalb Jahre wollen. Ich glaube nicht, dass bedingt urch diesen zeitlichen Unterschied von anderthalb Jahen ein Sicherheitsleck entstehen kann. Es ist völlig leich, ob wir nun am Ende oder zur Mitte der nächsten egislaturperiode prüfen: Wie hat sich dieses Gesetz beährt? Ist es richtig, die Befristung zu verlängern? Könen wir es auslaufen lassen? Unser Vorschlag entspricht im Übrigen auch Ihren orderungen nach Bürokratieabbau und der Befristung on Gesetzen. Genau das machen wir hier. Wir kommen amit Ihren Forderungen sehr entgegen. Wir brauchen eine Gesetze für die Ewigkeit. Gesetze müssen immer ieder an die Gegebenheiten der inneren Sicherheit anepasst werden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das tun wir. Deswegen wird der Frage der Entfristung
n der nächsten Legislaturperiode eine ausreichende
valuierung vorangehen, bei der aufgelistet wird, ob
ine Verlängerung sinnvoll ist oder nicht. Ich denke, wir
ind auf einem guten Weg. Ich bin sicher, dass wir uns
is zur zweiten und dritten Lesung über diese zeitliche
iskrepanz einigen werden;


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Dann haben wir dreidreiviertel Jahre!)


enn inhaltlich haben Sie an diesem Gesetz nichts auszu-
etzen.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wir haben es ja gemacht!)


Ich denke, die Verlängerung der Befristung dieses Ge-
etzes um dreieinhalb Jahre ist ein wichtiger Beitrag für
en Bundesgrenzschutz und die innere Sicherheit. Der
undesgrenzschutz und die Länderpolizeien leisten im
ereich der inneren Sicherheit hervorragende Arbeit.
ir sind verpflichtet, ihnen dazu die nötigen Instru-
ente an die Hand zu geben. Dieses Gesetz ist eines die-
er Instrumente. Ich kann Sie nur ermuntern: Machen
ie mit, damit wir im Bereich der inneren Sicherheit
em Bundesgrenzschutz und den Länderpolizeien ge-
einsam helfen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wir gehen voran!)







(A) )



(B) )



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506616100

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Max Stadler.

Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1506616200

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Das Gesetz, über dessen Befristungsverlänge-
rung heute diskutiert wird, ist 1998 auf Initiative des da-
maligen Innenministers Kanther gegen Ende der Legis-
laturperiode verabschiedet worden. Die FDP – damals
zusammen mit der CDU/CSU in der Regierung – hat
ihm im Wege eines Kompromisses zugestimmt, obwohl
es in unserer Fraktion gewisse Bedenken gegen die Ein-
führung verdachtsunabhängiger Kontrollen gegeben hat.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die gab es auch beim Abgeordneten Schily!)


Wir haben damals aber durchgesetzt, dass diese neue
Befugnis zunächst auf fünf Jahre beschränkt wird, weil
wir der Meinung waren, das sei der ausreichende Zeit-
rahmen, um zu klären, ob sich eine solche Neuregelung
in der Praxis bewährt. Die fünf Jahre sind übrigens be-
wusst gewählt worden, weil wir die Diskussion über eine
Verlängerung oder Beibehaltung der Regelung aus dem
Bundestagwahlkampf 2002 herausnehmen wollten.


(Dr. Ole Schröder [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Daher können wir heute sine ira et studio über die

Fortführung sprechen. Wir alle stellen fest, dass diese
verdachtsunabhängigen Kontrollen ohne Zweifel zu
Fahndungserfolgen geführt haben. Insofern wundere
ich mich sowohl über den Antrag der CDU/CSU als
auch über die Ausführungen der SPD, in denen Sie beide
für eine weitere Befristung eintreten, nachdem Sie in Ih-
ren Redebeiträgen zum Ausdruck gebracht haben, dass
dies eine unverzichtbare Maßnahme sei. Ich kann nicht
verstehen, warum Sie nicht für eine Verlängerung
schlechthin eintreten.

Wir von der FDP können es uns allerdings nicht so
leicht machen, und zwar aus folgendem Grund.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506616300

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen

Koschyk?

Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1506616400

Nein, ich möchte meinen Gedanken im Zusammen-

hang vortragen. – Nach wie vor gilt, dass verdachtsun-
abhängige Kontrollen ein Fremdkörper in unserem
Rechtssystem sind.


(Beifall bei der FDP – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist mein Satz!)


Für einen polizeilichen Eingriff musste vor der Befug-
niserweiterung ein konkreter Verdacht als Voraussetzung
vorliegen. Der Wegfall dieser Voraussetzung war neu.
Daher muss man schon genau fragen: Ist dies wirklich
notwendig? Wir hatten gestern ein Gespräch mit Prakti-
kern des Bundesgrenzschutzes, die sehr wohl der Mei-

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(C (D ung waren, die Fahndungserfolge, die der Kollege chröder gerade genannt hat, wären auch auf der Basis es früheren Rechtes möglich gewesen. (Zuruf von der CDU/CSU: Das kann ich mir nicht vorstellen!)


arüber wollen wir uns im Ausschuss noch einmal prä-
ise informieren.
Ich nenne noch ein Argument, das wir in den Aus-

chussberatungen bedenken sollten. Wir haben der Be-
ugniserweiterung damals zugestimmt, weil wir nicht
ollten, dass es beim Wegfall der Grenzkontrollen eine
icherheitslücke gibt. Infolge dessen hat es eine Logik,
enn im Grenzraum verdachtsunabhängig kontrolliert
ird. Wir haben dem Gesetz damals im Wege des Kom-
romisses zugestimmt. Der jetzige Gesetzentwurf geht
ber viel weiter und lässt diese verdachtsunabhängigen
ontrollen praktisch im gesamten Bundesgebiet zu. Je
eiter die Kontrolle räumlich von einer Grenze entfernt
st, umso mehr fehlen die Logik und die Rechtfertigung,
ine solche verdachtsunabhängige Kontrolle als Ersatz
ür eine Grenzkontrolle einzuführen.
Aus diesem Grunde bitte ich um Verständnis dafür,

ass wir von der FDP uns heute noch nicht auf unser Vo-
um festlegen, sondern dass wir zunächst im Innenaus-
chuss in einem Fachgespräch – vor allem mit Prakti-
ern – das Für und Wider erörtern möchten.
Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506616500

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Silke Stokar.


(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

enke, dass der Herr Abgeordnete Stadler in sehr char-
anter und offener Weise noch einmal deutlich gemacht
at, wie problematisch die Rolle der Opposition in der
nnenpolitik ist, wenn sie vorher an der Regierung betei-
igt war. Das gilt insbesondere, wenn es sich um den
leineren und bürgerrechtlich orientierten Partner han-
elt.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Eine Erfahrung, die Ihnen noch bevorsteht!)


Ich habe noch einmal die Protokolle der Anhörung
elesen, die 1998 im Zusammenhang mit der Schaffung
er Sonderbefugnis – Herr Stadler hat das hier noch
inmal deutlich gemacht – stattgefunden hat. Ich muss
ich nicht von Rezzo Schlauch distanzieren, weil das,
as er damals gesagt hat und was Sie nicht aufgenom-
en haben, im Kern nach wie vor richtig ist.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Was? – Dr. Ole Schröder [CDU/CSU]: Also leben wir in einem Polizeistaat, der von Rot-Grün regiert wird!)







(A) )



(B) )


Silke Stokar von Neuforn

Wir sollten nicht so tun, als hätten wir nicht im Polizei-
recht eine Sonderbefugnis geschaffen, die natürlich ein
sehr relevanter Eingriff in Grundrechte ist und die von
der in der Strafprozessordnung geltenden Unschuldsver-
mutung abweicht.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Da muss der Minister mal ein klarstellendes Wort sagen!)


Wir haben die Ermächtigung geschaffen, Bürgerinnen
und Bürger verdachtsunabhängig und anlassunabhängig
zu kontrollieren. Wir haben den Begriff der Prävention
sehr weit gedehnt. Ich teile die damals geäußerte Kritik.
Ich mache mir allerdings auch keine Illusionen und
glaube nicht, dass wir uns jetzt, nachdem die Schleier-
fahndung in allen Landespolizeigesetzen verankert ist,
in einer Situation befinden, die es uns erlaubt, eine sach-
liche Diskussion darüber zu führen, ob tatsächlich die
Regelung in § 22 des BGS-Gesetzes zu den Fahndungs-
erfolgen geführt hat, von denen der Erfahrungsbericht
spricht, oder ob nicht in vielen Fällen zumindest ein va-
ger Anlass für eine Kontrolle bestanden hat.

Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir den Begriff
der „verdachtsunabhängigen Kontrolle“ durch „lagebild-
abhängige Kontrolle“ ersetzen, weil sich „verdachtsun-
abhängig“ so schlecht anhört. Tatsächlich ändert sich
nichts, denn die Lagebilder, die den Kontrollen zugrunde
liegen, ergänzt durch grenzpolizeiliche Erkenntnisse,
sind nicht dokumentiert und nicht definiert. Sie sind we-
der zeitlich noch räumlich begrenzt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die Lagebilder sind definiert!)


Das heißt, die Bürgerinnen und Bürger haben de facto
nicht die Möglichkeit, den Klageweg zu beschreiten.

Die damals in der Anhörung geäußerten Kritikpunkte
sind im Bundesrat insbesondere von CDU/CSU-geführ-
ten Ländern geteilt worden. So wurden Zweifel an einer
grundgesetzkonformen Kompetenzabgrenzung geäu-
ßert. Darüber wurde 1998 – das ist noch nicht so lange
her – auch im Bundesrat eine intensive Debatte geführt.
Ich teile die Kritik; denn ich habe mich sehr intensiv mit
dem Erfahrungsbericht befasst und habe Zweifel an der
tatsächlichen Effektivität der Befugnisnorm. § 22 des
Bundesgrenzschutzgesetzes ist geschaffen worden, um
die grenzüberschreitende Kriminalität zu reduzieren. Die
im Bericht aufgeführten Zahlen stehen tatsächlich je-
doch zu weniger als 1 Prozent mit einem illegalen
Grenzübergang im Zusammenhang. Ich erwarte insofern
keinen Erfahrungsbericht, sondern eine ehrliche und
wissenschaftliche Evaluation.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Soll das eine Kritik an der Regierung sein?)


Ich habe nur noch wenig Redezeit, die ich dazu nut-
zen möchte, Ihnen unsere Position zu erläutern. Weil die
damals vom Parlament in Auftrag gegebene Evaluierung
nicht vorliegt,


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wir finden den Bericht der Bundesregierung gut!)


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(C (D s aber schon Erfahrungswerte gibt, wollen wir mögichst schnell – noch in dieser Legislaturperiode – einen valuierungsbericht. Deswegen ist eine kürzere Fristetzung notwendig. Nach dieser Evaluierung können wir ehr schnell feststellen, welchen Handlungsbedarf es im olitischen Bereich insgesamt gibt. Wir werden im Inenausschuss intensiv über die einzelnen Punkte reden. ort verläuft die Diskussion meistens etwas ruhiger als m Plenum. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Wenn Sie nicht da sind, ja! – Gegenruf des Abg. Rüdiger Veit [SPD]: Musste das sein?)


Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister des In ern, Otto Schily. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Jetzt muss der Minister aber einiges richtig stellen! – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Jetzt müssen Sie für Ordnung sorgen! So geht es nicht!)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506616600


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1506616700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin

chon froh, dass wir uns wenigstens grundsätzlich da-
über einig sind, dass die Frist verlängert werden soll.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Herr Minister, wir schon, aber die Grünen nicht! – Gegenruf der Abg. Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir brauchen mehr Zeit als Sie!)


ann kann auch jeder hier mit einem Lorbeerkranz auf-
reten. Herr Schröder hat festgestellt, seine Fraktion habe
as erreicht. Wissen Sie, Herr Kollege Schröder, das
anze erinnert mich etwas an meine Kindheit. Ich hatte
en Berufswunsch, Lokomotivführer zu werden, und rief
mmer, wenn der Zug abfuhr, „Puff! Puff!“, zog an ir-
endwelchen Hebeln und meinte, dadurch setze sich der
ug in Bewegung.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Hat sich das geändert?)


enn das Ihrer Vorstellung von Gesetzgebung ent-
pricht, lasse ich sie Ihnen gerne. Sie ist aber eher eine
llusion.


(Beifall bei der SPD)

Sie können sich sicherlich vorstellen, dass jeder Bun-

esinnenminister, der die Erkenntnisse, die wir aufgrund
er Erfahrungen mit der neuen Vorschrift gewonnen ha-
en, kennt, dafür eintreten muss, diese Befugnis des
undesgrenzschutzes – das heißt der Bundespolizei, wie
iese Polizeieinheit künftig heißen wird – beizubehalten.
Was die hinsichtlich der weiteren Befristung in der
oalition durchaus bestehenden Meinungsunterschiede






(A) )



(B) )


Bundesminister Otto Schily

angeht, muss ich sagen – darauf hat der Kollege Stadler
schon hingewiesen – dass es diese auch in der damaligen
Koalition gegeben hat. Das wollen wir doch nicht weg-
diskutieren.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Immer Ärger mit den Kleinen!)


Allerdings dürfen wir die Fakten auch nicht durchei-
nander bringen, Frau Kollegin Stokar.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben die Strafprozessordnung erwähnt, die aber mit
dem heutigen Thema nichts zu tun hat.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Sie haben in Ihrem nächsten Satz selbst festgestellt, dass
es um polizeiliche Prävention geht. Es geht in der Tat
nur darum. Lassen Sie die Strafprozessordnung beiseite!
Die Opposition macht im Zusammenhang mit der Aus-
weisung und der Einreise immer wieder denselben Feh-
ler. Diesen Fehler sollten Sie sich nicht aneignen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch ums Prinzip!)


– Es ist gut, dass Sie aufseiten der CDU/CSU klatschen,
wenn ich Ihnen Ihren Fehler vorhalte.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Sie sollten jetzt nicht wieder die Kurve kriegen, Herr Minister! Sie waren auf dem richtigen Weg! Puff! Puff!)


Ich glaube auch nicht, Frau Kollegin Stokar, dass wir
unbedingt immer Regelungen treffen sollten, durch die
möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern ein Klage-
weg eröffnet wird. Wir haben heute bereits über den Bü-
rokratieabbau geredet. Manche sagen, unser Rechtsstaat
sei zu einem Rechtswegestaat verkommen. Seien wir lie-
ber froh, wenn wir solche Verfahren nicht brauchen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Es gibt nur von der CDU/CSU Beifall für Minister Schily!)


Wir haben im Übrigen eine Evaluierung vorgenom-
men, Frau Kollegin Stokar. Es gibt einen ausführlichen
Bericht des Bundesgrenzschutzes. Sie haben die Zah-
len bereits gehört, wir müssen sie nicht wiederholen.
Herr Kollege Schröder hat sie aus der Antwort der Bun-
desregierung vorgetragen. Das ist auch in Ordnung. Das
ist – darauf möchte ich Sie aufmerksam machen – aber
nur ein Teil dieses Berichtes. Es gibt noch einen anderen.
Die damalige Befristung hatte auch den Sinn, zu über-
prüfen, ob eine solche Befugniserweiterung zu einer Be-
lastung der Bevölkerung führt bzw. eine willkürliche
Amtsausübung zur Folge hat. Davor müsste man auf der
Hut sein. Deshalb halte ich an dem Ausdruck „lageab-
hängige Kontrolle“ fest. Es geht nicht darum, Willkür zu
etablieren, dass zum Beispiel ein Bundespolizeibeamter
aus Willkür oder aus Jux und Tollerei irgendjemanden
einer Kontrolle unterwirft. Ich ermahne auch meine
Bundespolizeibeamtinnen und Bundespolizeibeamten,

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(C (D it den neuen Befugnissen sehr sorgsam umzugehen nd den Menschen sehr freundlich gegenüberzutreten, amit die Kontrollen nicht als Belastung empfunden erden. Ich glaube, dass dies in der Regel auch der Fall st. (Beifall der Abg. Dr. Cornelie SonntagWolgast [SPD])


Ich möchte bei dieser Gelegenheit die Beamtinnen
nd Beamten dafür loben, dass sie ihre schwierigen Auf-
aben mit großem Erfolg bewältigen. Wir sollten ge-
einsam die Leistungen unserer Bundespolizei feiern.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


enn Sie den Bericht genau studieren, dann werden Sie
uch die Feststellung entdecken, dass es keine nennens-
erten Beschwerden gibt. Das sollten Sie zur Kenntnis
ehmen.
Bei allem Lob, das ich an alle Seiten verteilt habe,
uss ich einen Wunsch äußern – Herr Kollege Stadler
at das schon erwähnt –, über den in den Ausschussbera-
ungen diskutiert werden sollte. Nachdem wir eine ver-
ünftige Evaluierung vorgenommen haben – darüber
ibt es, wie gesagt, einen ausführlichen Bericht –, sehe
ch keinen einzigen Grund, warum wir eine neue Befris-
ung vornehmen sollten – ich finde, an dieser Stelle soll-
en wir konsequent sein –, es sei denn, jemand ist der
nsicht, dass sich das geltende Gesetz nicht bewährt hat.
ann muss man natürlich über eine weitere Befristung
achdenken.
Ich meine, dass wir das Gesetz unbefristet gelten las-

en sollten. Aufgrund der Sachlage sehe ich keinen ein-
igen Grund, das anders zu handhaben. Ich appelliere an
ie alle, einen entsprechenden Gesetzentwurf zu erarbei-
en.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wir sind da offen, Herr Minister!)


Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506616800

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Günter Baumann.


Günter Baumann (CDU):
Rede ID: ID1506616900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
erren! Herr Minister Schily, ich finde es gut, dass Sie
as geltende Gesetz heute sehr positiv darstellen. 1998
atten Sie noch einige Vorbehalte gegen dieses Gesetz;
as kann man im Protokoll nachlesen.
Seit 1998 ist der Bundesgrenzschutz befugt, auch au-

erhalb des 30-Kilometer-Grenzgebietes den Reisever-
ehr auf Bahnhöfen und Flughäfen zu kontrollieren.
iese Befugnis hat der Gesetzgeber damals vorbehalt-
ich der EU-Osterweiterung aufgenommen. Er hat damit
ür eine sicherheitspolitische Kompensation des künfti-
en Wegfalls der Binnengrenzen in der EU gesorgt.
eute, nach fünf Jahren Probezeit, können wir diesem






(A) )



(B) )


Günter Baumann

Instrument im Kampf gegen die Schleuserkriminalität
ein gutes Zeugnis ausstellen. Es hat sich bewährt und gilt
inzwischen als unverzichtbar für die Reduzierung der
Zahl der unerlaubten Einreisen.

Vor allem haben sich auch die Beamtinnen und Beam-
ten des Bundesgrenzschutzes bewährt. Sie haben für die
erfolgreiche Anwendung des Gesetzes in der Praxis ge-
sorgt. An dieser Stelle muss auch gesagt werden: Das Ge-
setz und seine Anwendung werden von der Bevölkerung
sehr gut angenommen und finden breite Zustimmung.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, un-
seren Beamtinnen und Beamten vom Bundesgrenzschutz
für ihre Arbeit ganz herzlich zu danken, die sie jeden
Tag für uns alle und für unsere Sicherheit leisten.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Der aktuelle Erfahrungsbericht des Bundesinnen-
ministers zeigt, dass diese Regelung von 1998 bis heute
viel Positives gebracht hat. Meine Vorredner haben in
diesem Zusammenhang bereits eine Reihe von Zahlen
genannt, die ich nicht wiederholen möchte. Die erweiter-
ten Kontrollmöglichkeiten des BGS haben sich auch als
eine sinnvolle Verstärkung für die Arbeit von Zoll und
Landespolizeien erwiesen.

Die Frist für die verdachtsunabhängigen Personen-
kontrollen läuft aber Ende 2003 aus. Daher hat die CDU/
CSU-Fraktion – mein Kollege Schröder hat darauf be-
reits hingewiesen – im September dieses Jahres den Ent-
wurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Frist um fünf
Jahre eingebracht. Herr Minister, Sie schlagen eine Ver-
längerung um dreieinhalb Jahre vor. So weit liegen wir
also nicht auseinander. Ich denke, man wird sich hier
vernünftig verständigen können.

Die Bundesregierung sollte aber nicht glauben – das
möchte ich deutlich sagen, Herr Minister –, dass sie da-
mit ihre Aufgaben, ihr Soll auf dem Gebiet der Sicher-
heit im Grenzbereich vollkommen erfüllt hat. Deutsch-
land ist für die Herausforderung der organisierten
Kriminalität und des grenzüberschreitenden Men-
schenhandels noch nicht ausreichend gerüstet. Wir ken-
nen Statistiken, die belegen, dass Schleusergruppen al-
lein mit dem Schmuggel von Menschen in Europa mehr
als 5 Milliarden Euro verdienen. Das organisierte Ver-
brechen floriert. Es ist gut ausgerüstet, verschiebt flexi-
bel seine Marschrouten und nutzt zielstrebig Sicherheits-
lücken, die irgendwo in der EU auftreten.

In einem Bericht der EU-Kommission von 2003 heißt
es: Die Sicherheit der Bürger vor der organisierten Kri-
minalität und dem Schmuggel von Gefahrengütern hängt
derzeit davon ab, wo die Grenzen der EU passierbar
sind. Die Analyse kann für uns nur bedeuten: Auch nach
dem Beitritt von Polen und Tschechien werden wir noch
für längere Zeit im Grenzbereich zu diesen Ländern
hohe sicherheitspolitische Standards beibehalten müs-
sen. Derart negative Beispiele, Herr Innenminister, wie
beim Digitalfunk können wir uns einfach nicht mehr
leisten. Ich denke, durch die starre Haltung bei der Fi-

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(C (D anzierung blockiert die Bundesregierung gegenwärtig ie Einführung eines modernen Digitalfunksystems, das lle Sicherheitsdienste dringend benötigen. Aufgrund meiner persönlichen Kenntnisse des BGS or Ort an der sächsisch-tschechischen Grenze muss ich eider sagen, dass es auch in vielen anderen Punkten dereit noch Sicherheitsdefizite gibt, zum Beispiel in der echnik, in der persönlichen Ausstattung der Beamten, er Qualifizierung der Fortbildung oder auch – das ist in offenes Problem – hinsichtlich der angedachten Reuzierung der Zollbeschäftigten zum 1. Mai nächsten ahres. Die CDU/CSU-Fraktion fordert die Bundesregieung auf, den sicherheitspolitischen Nachholbedarf anuerkennen und zu handeln. Wir haben als Fraktion einen weiteren Antrag mit dem itel „Bundesgrenzschutz für die EU-Osterweiterung auglich machen“ in den Bundestag eingebracht; bei der eratung dieses Antrages werden wir uns erneut mit dem eutigen Thema beschäftigen müssen. Die CDU/CSU ird sich auch weiterhin für die Verbesserung der Sichereit in Deutschland und an seinen Grenzen einsetzen. Ich itte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Vielen Dank. Zu einer Kurzintervention erhält der Abgeordnete tto Schily das Wort. Herr Kollege Baumann, Sie haben es für erforderlich ehalten, das leidige Thema Digitalfunk anzusprechen, nd das kritisierend und im Zusammenhang mit dem undesinnenminister. Das ist nicht gerechtfertigt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506617000
Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1506617100

Der Bundesinnenminister – das muss ich für ihn, der ja
ormalerweise auf der Regierungsbank sitzt, in Anspruch
ehmen – ist der Einzige, der den Digitalfunk zum gegen-
ärtigen Zeitpunkt wirklich energisch vorantreibt.


(Dr. Ole Schröder [CDU/CSU]: Wie viel Geld ist denn im Haushalt für 2004 dafür vorgesehen?)


ie Schwierigkeiten liegen in der Tat bei den Ländern,
or allen Dingen bei denen, die aus den Kreisen Ihrer
artei regiert werden. Das ist die Realität.
Es ist gerade ein Beschluss der Finanzminister der

änder gefasst worden, in dem die provokante Forde-
ung aufgestellt worden ist, 50 Prozent der Kosten des
igitalfunks sollten vom Bund getragen werden. Wenn
ie Bundestagsabgeordnete und nicht Landtagsabgeord-
ete sind, dann müssten Sie einem solchen Beschluss
ntschieden widersprechen. Ich habe bisher keinen
ucks von Ihnen dazu gehört, außer im stillen Kämmer-

ein. Verbreiten Sie also in dieser Frage keine falschen






(A) )



(B) )


Otto Schily

Nachrichten, sondern bleiben Sie bei der Wahrheit und
unterstützen Sie das sehr wichtige und vernünftige Pro-
jekt Digitalfunk in einer Weise, dass auch wirklich etwas
zustande kommt. Das, was bisher stattgefunden hat,
kann man nur als ewiges Karussellfahren bezeichnen.
Anstatt nur über Finanzierungsfragen zu reden und sich
dann nicht einigen zu können, sollte man lieber das tun,
was ich jetzt tue, nämlich das Ausschreibungsverfahren
voranbringen, damit am Ende ein Angebot der Industrie
vorliegt, welches als Grundlage der Diskussion über Fi-
nanzierungsfragen dienen kann. Ich wäre Ihnen wirklich
dankbar, wenn Sie in diesem Zusammenhang einen kon-
struktiven Beitrag leisten und die Dinge derart verzerrt
darstellen würden.


(Beifall bei der SPD)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506617200

Zur Erwiderung Herr Baumann, bitte schön.

Günter Baumann (CDU):
Rede ID: ID1506617300

Herr Abgeordneter Schily, ich möchte Ihnen etwas

entgegnen. Ich glaube, wir sind uns einig, dass die Si-
cherheitsdienste und die Hilfsdienste dringend Digital-
funk brauchen. Es gibt in Europa nur zwei Länder, die
mit derart veralteten Funksystemen arbeiten: Albanien
und Deutschland.


(Otto Schily [SPD]: Nein! Das stimmt nicht!)

Seit Jahren beschäftigen wir uns damit, seit Jahren wird
dieses Thema im Innenausschuss behandelt und seit Jah-
ren gibt es auch mit den Ländern keine Einigung.


(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Woran liegt das?)


Ich erwidere Ihnen: In den Bundeshaushalt für dieses
Jahr ist kein einziger Euro eingestellt, um dieses System
einzuführen.


(Otto Schily [SPD]: Auch falsch!)

Wenn es anders ist, dann berichtigen Sie mich bitte!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506617400

Herr Körper, ich gebe Ihnen das Wort. Bitte.

Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1506617500

Herr Kollege Baumann, da Herr Abgeordneter Schily

Ihre Kurzintervention jetzt nicht mehr erwidern darf,
übernehme ich das gerne.

Erstens. Sie sollten hier keine falschen Zahlen und
Tendenzen verbreiten, insbesondere was die Entwick-
lung an unseren Grenzen, die illegale Migration und die
organisierte Kriminalität anbelangt. Die Zahlen zeigen,
dass wir in diesen Bereichen sehr erfolgreich arbeiten.


(Günter Baumann [CDU/CSU]: Ich habe nichts anderes gesagt! – Dr. Ole Schröder [CDU/CSU]: Darum geht es doch gar nicht!)


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(C (D as sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Zweitens. Das, was Sie zum Digitalfunk gesagt haen, ist unverantwortlich. Das habe ich Ihnen schon eim letzten Mal gesagt. Es gibt bei uns keine Grundlage afür, dass die Länder 50 Prozent fordern. Der Bund ist egenwärtig am Endgerätebereich – es handelt sich daei um analogen Funk – mit 8,5 Prozent beteiligt. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Wie viel geben Sie denn, Herr Körper?)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


aran erkennen Sie, dass die Forderung nach einer
0-prozentigen Beteiligung der Länder nichts als eine
lockade dieses Projekts darstellt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Reinhard Grindel [CDU/ CSU]: Aber über die Umsatzsteuer verdient ihr doch daran!)


s ist notwendig, dies einmal deutlich zu machen.
Da wir diese technischen Möglichkeiten in der Tat

rauchen, appelliere ich auch an Sie, Ihren Beitrag dazu
u leisten, dieses Projekt umzusetzen. Im Übrigen kön-
en Sie dem Haushaltsentwurf entnehmen, dass wir ei-
en Einstieg in dieses Projekt mit 5 Millionen Euro pla-
en. Das wird ausreichend sein. Ich weiß, dass es das ist,
as wir für das Jahr 2004 brauchen.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Davon kann man gerade eine freiwillige Feuerwehr mit Endgeräten ausstatten!)


Entschuldigung, auch dieser Zwischenruf macht deut-
ich, Herr Grindel, dass Sie von dieser Materie keine Ah-
ung haben. Das habe ich Ihnen schon beim letzten Mal
estätigt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506617600

Jetzt sind wir faktisch in eine kleine neue Debatte ein-

estiegen. Dazu sind Kurzinterventionen und Erwide-
ungen darauf eigentlich nicht da. Damit sie kurz reagie-
en können, werde ich den Kollegen Binninger und
urgbacher das Wort erteilen. Weitere Kurzinterventio-
en werde ich nicht zulassen; dazu müsste man sich
ämlich am Ende der Debatte gemeldet haben. Damit
lle fair behandelt werden, kommen sie beide noch an
ie Reihe.
Herr Binninger, bitte.

Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1506617700

Herr Minister, Herr Staatssekretär, es wundert mich

chon, dass das Stichwort Digitalfunk ausreicht, damit
ie beide förmlich an die Decke gehen.


(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Weil es höchst ärgerlich ist, wie die Länder sich verhalten! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie verbreiten Unwahrheiten!)







(A) )



(B) )


Clemens Binninger

Das scheint seinen Grund zu haben. „Getroffene Hunde
bellen“, so lautet ein Sprichwort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Minister, ich möchte auf einen Punkt hinweisen.

Sie sagen, der Bund sei am Endgerätebereich mit nur
etwa 8,5 Prozent beteiligt. Das trifft zu. Wenn die Rede
davon ist, dass sich alle 16 Länder und der Bund zusam-
mentun, weil sie nicht mehr bezahlen wollen, dann geht
es nämlich nicht um die Endgeräte, sondern um die
Summe der Mittel für den Netzaufbau. Die Endgeräte
gehören gar nicht dazu. Vom Netzaufbau haben die Bun-
desbehörden einen noch größeren Vorteil. Sie werden
mir zustimmen müssen, wenn ich behaupte, dass da
10 Prozent zu wenig sind.

Ich habe Ihnen schon in der letzten Debatte gesagt:
Dieses Projekt wird scheitern, wenn der Bund nicht be-
reit ist – sicherlich müssen sich auch die Länder bewe-
gen –, mehr als 10 Prozent beizusteuern. Wenn der Bund
dies nicht tut, dann nimmt er sehenden Auges das Schei-
tern dieses Projektes in Kauf. Dafür wären Sie verant-
wortlich. Es geht eben nicht um die Endgeräte, sondern
um den Aufbau des Netzes.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506617800

Herr Burgbacher, bitte.


Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1506617900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir hatten vor kurzer Zeit schon einmal eine heftige De-
batte zu diesem Thema. Ich will deshalb nur noch auf
zwei Punkte abheben.

Erstens. Herr Körper, wenn Geld in den Haushalt ein-
gestellt wird – Sie haben, wenn ich Sie richtig verstan-
den habe, gesagt: Warten Sie den Entwurf ab! –, dann
sollten wir bei dieser Diskussion darüber informiert wer-
den. Der Stand meiner Information ist, dass nichts in den
Haushalt eingestellt ist.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: So ist das!)

Wenn das vorbereitet werden soll, dann – das wissen wir
alle – brauchen wir im Jahr 2004 auch Geld. Also: Infor-
mieren Sie uns doch bitte! So wäre diese Kontroverse
schon einmal aus der Welt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Zweitens. Wir sind uns doch alle darüber einig, dass

der Aufbau dieses Systems eminent wichtig ist. Ich habe
in der Debatte konkrete Beispiele dafür genannt, dass
mit Digitalfunk Katastrophen hätten verhindert werden
können. Es nützt doch nichts, den schwarzen Peter stän-
dig hin- und herzuschieben. Wir alle wollen das System.
Der Bund hat da eine Koordinationsfunktion. Er sollte
sie wahrnehmen und sie nicht auf andere abschieben,
also jetzt tätig werden, damit wir endlich einen Schritt
weiterkommen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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(C (D Der Herr Bundesminister Schily erhält jetzt noch einal das Wort. Als Mitglied der Bundesregierung hat er echt auf jederzeitiges Gehör. Nach der Geschäftsordnung des Deutschen Bundesta es ist bekanntlich zulässig, dass ich jederzeit das Wort rgreife. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Aber nicht in Form einer Kurzintervention!)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506618000
Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1506618100

Wie bitte?

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das ist ja auch wichtig! – Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Dann ist die Debatte eröffnet! – Peter Hintze [CDU/CSU]: Wenn es der Wahrheitsfindung dient, sollte der Bundesinnenminister sprechen! – Gegenruf von der SPD: Herr Hintze spricht ein weises Wort!)


Sie vermissen die Koordination, Herr Kollege
urgbacher. Sie wissen doch, dass der Bundeskanzler
nd der Bundesinnenminister Ende Juni eine Vereinba-
ung mit den Ministerpräsidenten der Länder getroffen
aben, die sehr vernünftig ist. Auf der Basis arbeite ich.
ir arbeiten an einer Dachvereinbarung, in der wir das
erfahren unter uns klären. Aufgrund der Dachvereinba-
ung gehen wir in die Ausschreibung. Daran kann sich
eder beteiligen. Dann wird es einen Rahmenvertrag ge-
en. So wird es zu einer bestimmten zeitlichen Abfolge
ommen. Mir wäre es am liebsten, wenn alle Länder
itmachen; möglicherweise machen aber einige Länder
icht mit.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wann wird über die Finanzierung geredet?)


Sie sind sehr ungeduldig, Herr Kollege.

(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das ist ja auch verständlich!)

Ich verstehe es, Sie sind temperamentvoll. Bei mir rü-
en Sie das Temperament, aber Sie haben es auch; da be-
egnen wir uns vielleicht.
Der Kollege Körper hat schon erklärt, dass wir
Millionen Euro in den Haushalt einstellen. Sie sagen,
as reiche nicht. Da hätten Sie Recht, wenn es darum
inge, damit schon den Digitalfunk als solchen zu fi-
anzieren.


(Zuruf von der CDU/CSU: Es geht um die Ausschreibung!)


iese 5 Millionen Euro dienen nur der Vorbereitung der
usschreibung. Eine Ausschreibung ist, wie Sie wissen,
ine teure Angelegenheit. Dafür also haben wir die Mit-
el in den Haushalt eingestellt.
Der Kollege Burgbacher vermisst eine Information

arüber. Ich erinnere Sie daran, dass wir kürzlich mit den
erichterstattern, auch Ihrer Fraktion, über diese Frage
eredet haben. Wenn Herr Fricke Ihnen nicht darüber






(A) )



(B) )


Bundesminister Otto Schily

berichtet, ist es nicht mein Verschulden. Bei der Gele-
genheit ist die Zahl ausdrücklich genannt worden. Sie
müssen sich einmal erkundigen, wie die Informationska-
näle bei Ihnen intern laufen.


(Sebastian Edathy [SPD]: Die Fraktion ist ja klein genug! Da müsste das funktionieren!)


Wenn man bei Ihnen nicht in der Lage ist, eine solche
Information weiterzugeben, dann kann ich Ihnen nicht
helfen. Aber vielleicht kann ich demnächst sicherstellen,
dass die Post von Herrn Fricke auch zu Herrn Kollegen
Burgbacher kommt.

Der Kollege von der CDU/CSU hat gesagt, man
könne sich nicht an den 8,5 Prozent für die Endgeräte
orientieren, sondern müsse den Netzaufbau zugrunde
legen. Dazu sage ich Ihnen Folgendes: Nach dem Ein-
druck, den ich gewonnen habe, werden wir angesichts
der leeren Kassen aller Finanzminister nicht erleben,
dass die Investition vom Bund oder von den Ländern ge-
tätigt wird. Das halte ich für völlig ausgeschlossen. Es
ist eine Milliardeninvestition, für die weder Geld im
Bundeshaushalt noch in den Haushalten der Länder vor-
handen ist.

Deshalb wird es nach meiner Einschätzung – es gibt
auch andere Auffassungen dazu – auf ein Betreibermo-
dell hinauslaufen, bei dem die Betreiber dem Bund und
den Ländern eine bestimmte Benutzungsgebühr in Rech-
nung stellen. Die Investition tätigen die Betreiber.
Selbstverständlich gehen in die Berechnung einer sol-
chen Benutzungsgebühr dann auch die Investitionskos-
ten ein. Die Betreiber wollen ja einen Return on Invest-
ment erzielen. Ich habe den Ländern längst gesagt: Wir
müssen uns nicht, wie beim Telefonfestnetz, sklavisch
an der reinen Benutzung orientieren, sondern können
eine Grundgebühr festlegen, zumal es zwischen der Flä-
che und den Ballungsgebieten Unterschiede gibt; da sind
unterschiedliche Komponenten enthalten.

Wir müssen auch zwischen den Ländern Abgrenzun-
gen vornehmen. Wenn eine Netzstation zum Beispiel in
Rheinland-Pfalz an der Grenze zum Saarland steht, dann
müssen sich Rheinland-Pfalz und das Saarland, das
ebenfalls davon profitiert, natürlich einigen. Das alles
haben wir erarbeitet; das ist nicht die Frage.

Einige Länder wollen aber leider das ganze Vorhaben
bremsen und sind nicht bereit, es voranzubringen, bevor
der Bund auf die Forderung eingeht, 50 Prozent der Kos-
ten zu übernehmen. Darin kann ich nur einen Blockade-
willen und keine konstruktive Politik erkennen. Darum
geht es mir. Wenn Sie das in Ihren Reihen verändern,
dann bin ich Ihnen dankbar.

Wir wollen doch alle diesen Digitalfunk. Der Analog-
funk verfällt. Daher ist der Digitalfunk kein Luxus, den
wir uns leisten wollen, sondern dringend notwendig.
Denken Sie an die Flut-Katastrophe! Denken Sie an eine
Katastrophe, wie sie am 11. September in New York
stattgefunden hat!


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: An die Katastrophe denke ich jedes Mal, wenn ich Schröder sehe!)


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(C (D enken Sie an Probleme dieser Art! Wir sind, verdammt och einmal, alle in der Pflicht, dieses Projekt voranzuringen. Das Heckmeck, das hier heute veranstaltet woren ist, ollten wir uns nicht leisten. Deshalb bitte ich darum, dass jeder bei sich konstruk iv daran arbeitet, dass die Dinge vorankommen. An dieem Dialog sind durchaus auch einige sozialdemokraisch oder rot-grün regierte Länder beteiligt. Auch ich uss da Arbeit leisten. Aber ich wäre Ihnen dankbar, enn Sie es wirklich ehrlich meinten und das auch in Ihen Reihen täten. Vielen Dank. Damit schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzenturfs auf Drucksache 15/1560 an die in der Tagesordung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es ndere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die berweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Regelungen über Altschulden landwirtschaftlicher Unternehmen (LandwirtschaftsAltschuldengesetz – LwAltschG)


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Na, na!)


(Beifall bei der SPD)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506618200
– Drucksache 15/1662 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

Nach interfraktioneller Vereinbarung ist eine halbe
tunde für die Aussprache vorgesehen. – Kein Wider-
pruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort für die
undesregierung dem Parlamentarischen Staatssekretär
erald Thalheim.

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1506618300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Im Landwirtschafts-Altschuldengesetz wollen
ir das letzte teilungsbedingte Problem der ostdeut-
chen Landwirtschaft lösen. Landwirtschaftliche Alt-
chulden gehen auf Kredite der ehemaligen LPGs zum
eispiel für Stallanlagen, Wohnhäuser, Rohbraunkohle-
euerungsanlagen und selbst kommunale Einrichtungen
urück. Sie wurden in Mark der DDR aufgenommen
nd mussten nach der Wirtschafts- und Währungsunion
n D-Mark bedient werden.






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim

Das war wie in der Industrie und im Wohnungsbau

nur schwer oder überhaupt nicht möglich. Um eine
Überschuldung der Unternehmen nach der Wirtschafts-
und Währungsunion durch die 3,9 Milliarden Euro Alt-
schulden zu verhindern, wurden folgende Maßnahmen
ergriffen: erstens die Entschuldung nach Art. 25 Abs. 3
Einigungsvertrag in Höhe von 0,7 Milliarden Euro,
zweitens die bilanzielle Entlastung durch so genannte
Rangrücktrittsvereinbarungen in Höhe von rund 2 Mil-
liarden Euro.

Die Rangrücktrittsvereinbarungen boten sehr
günstige Bedingungen; die Schulden mussten nur in
Höhe von 20 Prozent des Gewinns vor Steuern bedient
werden. Das war anfangs zweifellos sehr wichtig, um
Arbeitsplätze zu erhalten und den Betrieben Investitio-
nen zu ermöglichen. Aber sie haben dazu geführt, dass
aus den 2 Milliarden Euro Altschulden zwischenzeitlich
rund 2,56 Milliarden Euro geworden sind, weil wegen
der niedrigen Gewinne die Zahlungen nicht einmal mehr
ausreichten, um die Zinsschuld zu bedienen. In der ge-
nannten Summe sind also aufgelaufene Zinsen in Höhe
von rund 1 Milliarde Euro enthalten.

Meine Damen und Herren, allein dieser Umstand
macht deutlich, dass hier Handeln angesagt ist, zumal
auch wissenschaftliche Untersuchungen belegt haben,
dass die Rangrücktrittsvereinbarungen sehr großzügig
gestaltet waren.

Aber Handlungsbedarf gibt es noch aus anderen
Gründen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner
Grundsatzentscheidung vom 8. April 1997 dem Gesetz-
geber den Auftrag erteilt, zu prüfen:

ob die Entschuldung tatsächlich einen ausreichen-
den Entlastungseffekt hat, sodass die Altschulden
innerhalb eines angemessenen Zeitraums von der
Mehrzahl der betroffenen LPGs bei ordentlicher
Wirtschaftsführung abgetragen werden können.

Da letztendlich der Bund über den Erblastentilgungs-
fonds Gläubiger der Altschulden ist, hat die bisherige
Entwicklung – zumindest aus der Sicht des Bundes – zu
einer untragbaren Situation geführt, da die Forderungen
– wie ich ausgeführt habe – in den letzten Jahren ge-
wachsen sind und nach wie vor wachsen.

Handeln ist aber auch im Interesse der Unternehmen
angezeigt. Denn eine ständig wachsende Schuldenbe-
lastung ist aus der Sicht der Unternehmen ein unhaltba-
rer Zustand, zumal es wenig Motivation gibt, in solche
Unternehmen zu investieren. Es gab bisher auch keine
Motivation, die Schulden intensiver zurückzuzahlen, da
der Schuldenstand in vielen Betrieben so hoch war, dass
sich die Unternehmen selbst bei ordnungsgemäßer Wirt-
schaftsführung nicht in der Lage sahen, die Schulden ab-
zulösen.

Ziel des Gesetzentwurfs ist es daher, eine beschleu-
nigte Ablösung der Altschulden durch die Betriebe ent-
sprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
– darauf liegt die Betonung – herbeizuführen. Im Detail
sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Altschuldner gegen
einmalige Zahlung eines unternehmensindividuellen Ab-
lösebetrages die Schuld vorzeitig zurückzahlen und dass

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(C (D leichzeitig die Rückzahlungsbedingungen angepasst erden; zum einen durch eine Verbreiterung der Bemesungsgrundlage, zum anderen durch die Erhöhung des bführungssatzes von bisher 20 Prozent auf künftig 5 Prozent. Mit dem Angebot einer einmaligen Zahlung Höhe des Barwertes der künftigen Zahlung geben wir en rund 1 500 Betrieben die Möglichkeit, die Altschulen abzulösen. Die Betriebe gewinnen damit größere unrnehmerische Handlungsfreiheit. Zwangsläufig ruft dies Kritiker auf den Plan. Den ei en ist der Gesetzesvorschlag zu weitgehend, die andeen fühlen sich überfordert. Denjenigen, denen die voreschlagene Lösung zu weit geht, sei entgegengehalten, ass die Verfassung uns hierbei Grenzen setzt. Auch enn es sich um ein Gesetzgebungsverfahren handelt, reifen wir in gewissem Rahmen rückwirkend in privatechtliche Regelungen – darum handelt es sich bei den angrücktrittsvereinbarungen – ein. Denen, die sich berfordert fühlen, sei gesagt: Die Regelung stellt auf ie individuelle Leistungsfähigkeit der Unternehmen ab. s gilt der Grundsatz: Wer leistungsfähig ist, muss zuückzahlen und wer heute nicht zurückzahlen kann, der uss das in der Zukunft tun. Denn Sinn der Rangrücktrittsvereinbarung war es icht, Betriebe von der Zahlung zu entlasten, sondern es ar das Ziel, die Unternehmen und die Arbeitsplätze zu rhalten. Aber das Ziel war auch, dass im Rahmen der eistungsfähigkeit ein Beitrag erbracht wird. Genau as hat die Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf vor. ir lösen hiermit ein vor langer Zeit gegebenes Versprehen ein. Seit vielen Jahren befasst sich der Bundestag insbesondere meine Fraktion – mit der Altschuldenreelung. Ich denke, jetzt liegt ein Gesetzentwurf vor, der den edürfnissen der Schuldner Rechnung trägt, aber am nde auch im Interesse des Bundes zu Einnahmen fühen wird, die der wirtschaftlichen Lage der Unternehmen ngemessen sein werden. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506618400

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Peter Jahr, CDU/
SU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Peter Jahr (CDU):
Rede ID: ID1506618500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Mit der Debatte über das Gesetz zur Änderung
er Regelungen über Altschulden landwirtschaftlicher
nternehmen diskutieren wir in diesem Hohen Hause
in wenig über die aufregenden 90er-Jahre in den neuen
undesländern. Im Jahre 1990 waren die landwirt-
chaftlichen Unternehmen in der ehemaligen DDR mit
rediten in Höhe von 3,9 Milliarden Euro belastet. Je-
er, der mit dem Thema halbwegs vertraut war, wusste,
ass diese Kredite mit marktwirtschaftlichen Krediten






(A) )



(B) )


Dr. Peter Jahr

wenig zu tun hatten, dass die Werthaltigkeit der Kredite
sehr unterschiedlich war und dass eine sofortige Fällig-
stellung bzw. Umschuldung für viele landwirtschaftliche
Unternehmen das ungeordnete wirtschaftliche Aus be-
deutet hätte.

Politisch hatte es damals zwei Lösungsansätze gege-
ben: Zum einen hätte man in jedem Einzelfall die Wert-
haltigkeit des Kredites überprüfen und eine Neufestle-
gung der Altschulden vornehmen können. Der Vorteil
dieses Verfahrens wäre gewesen, dass das Problem heute
nicht mehr erörtert werden müsste, weil es gelöst wäre.
Andererseits war Anfang der 90er-Jahre niemand in der
Lage, ein solches Vergleichsverfahren halbwegs nach-
vollziehbar und in einem überschaubaren Zeitraum zu
gestalten. Anfang der 90er-Jahre gab es in den neuen
Bundesländern keinen gefestigten Immobilienmarkt.
Viele Eigentumsverhältnisse waren ungeklärt. Es gab
riesige Umstrukturierungsprobleme.

Aus diesen Gründen entschied sich die damalige Bun-
desregierung zu Recht für einen anderen Weg: Sie half
sanierungsfähigen Unternehmen, die Altschulden hatten,
durch zwei Maßnahmen – der Staatssekretär hat es schon
erwähnt –: Zum einen übernahm die Treuhandanstalt auf
der Grundlage von Art. 25 Abs. 3 des Einigungsvertra-
ges Altschulden in Höhe von 0,7 Milliarden Euro. Zum
anderen wurden mit Unternehmen, die sonst überschul-
det wären und deren Fortbestand gefährdet gewesen
wäre, zivilrechtliche Rangrücktrittsvereinbarungen
getroffen. Immerhin wurden Altschulden in Höhe von
rund 2 Milliarden Euro in Form solcher Rangrücktritts-
vereinbarungen abgelöst.

Die damit verbundenen Wirkungen waren sowohl für
das Unternehmen als auch für die Altschulden verwal-
tenden Banken sowie für den Bund durchaus positiv.
Unternehmen konnten die Altschulden der Rangrück-
trittsvereinbarung nachrangig einordnen und als Eigen-
kapital ausweisen. Den Banken ging kein Geld verloren,
denn sie waren über den Erblastentilgungsfonds abgesi-
chert. Die Banken konnten sogar, weil die Unternehmen
wieder kreditwürdig waren, neues Geld, neue Kredite
ausreichen. Der Bund konnte nicht nur mit Freude beob-
achten, wie sich eine Vielzahl von Unternehmen wirt-
schaftlich stabilisierte, sondern er konnte anfangs auch
hoffen, dass die Altschulden zum Großteil getilgt wer-
den könnten.

Heute wissen wir: Die letzte Hoffnung hat sich nicht
erfüllt. Mit der Fortschreibung der geltenden Gesetzes-
lage wurde lediglich ein Barwert von circa 7 Prozent der
ursprünglichen Altschulden beglichen. Es ist richtiger-
weise festgestellt worden, dass, wenn die geltende Rang-
rücktrittsvereinbarung nicht zum Erfolg führt, der Ge-
setzgeber zum Handeln verpflichtet ist. Nicht zuletzt
kann man diesen Handlungsauftrag auch aus einer
Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerich-
tes vom April 1997 ableiten.

Vorab an dieser Stelle deshalb zwei zustimmende Be-
merkungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf:

Erstens. Niemand wird ernsthaft die Notwendigkeit
einer Regelungsbedürftigkeit der Altschuldenfrage be-

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(C (D weifeln. Es ist also richtig und notwendig, dass die undesregierung einen entsprechenden Entwurf vorlegt. Zweitens. Die Grundphilosophie des Entwurfes, zu ächst die Rangrücktrittsvereinbarung zu verschärfen, em Unternehmen aber in einem zweiten Schritt zu erauben, sich von dieser neuen Verpflichtung freizukauen, ist durchaus schlüssig. Damit haben Sie, meine Damen und Herren von Rotrün, immerhin zwei Ansätze mit der Union für die weiere Diskussion gemeinsam. Allerdings schwindet das aß unserer Zustimmung angesichts des konkreten Geetzestextes erheblich. Mit dem konkreten Gesetzestext at die Union, habe ich noch eine Vielzahl von kleineren nd größeren bis hin zu schwerwiegenden Problemen. n dieser Stelle ein paar Anmerkungen zu den Hauptkriikpunkten: Der erste Kritikpunkt betrifft die Verschärfung der be tehenden Rangrücktrittsvereinbarung. Ich betone nochals, dass wir die Verschärfung grundsätzlich unterstüten. Im vorliegenden Entwurf ist vorgesehen, den bführungssatz von 20 auf 65 Prozent des Bruttogeinns zu erhöhen. Zusätzlich wird die Gewinnermittungsbasis verbreitert und die Möglichkeit von Verlustorträgen eingeschränkt. In vielen Unternehmen würde ies dazu führen, dass sie ihren gesamten Gewinn nach andelsgesetzbuch abführen müssten. Ich meine, diese erschärfung der Rangrücktrittsvereinbarung von bisher 0 auf de facto 100 Prozent des Gewinns nach HGB ist icht nur verfassungsrechtlich bedenklich, sondern auch ür das Unternehmen einfach unannehmbar. Ich habe den Verdacht, dass das Finanzministerium hnehin keine neue Rangrücktrittsvereinbarung einfühen möchte, sondern den Betrieben die Ablöseregelung ufdrängen will. Die Betriebe sollen keine Rangrückrittsvereinbarung unterschreiben, sondern sie sollen die blöseregelung zwangsweise freiwillig oder freiwillig wangsweise in Anspruch nehmen. Die Betriebe sollen icht abbezahlen, sondern sie sollen bezahlen. Man önnte es auch so formulieren: Cash money geht hier vor olidität. Wir sagen Ja zur Rangrücktrittsvereinbarung, aber sie uss – das ist unsere Forderung – annehmbar sein und ie muss im Vergleich zur alten Regelung verhältnismäig sein. ie im Entwurf enthaltene Regelung wird diesem Anpruch nicht gerecht. Das zweite Problem betrifft die Ablöseregelung. Es st richtig und vernünftig, dass sich ein landwirtschaftlihes Unternehmen von der Verpflichtung, die mit der angrücktrittsvereinbarung verbunden ist, freikaufen ann. Die Aussage, die Höhe des Ablösebetrages im Weentlichen an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit u orientieren, klingt gut, schafft aber auch ein weiteres roblem. Die latente Zustimmung der betroffenen Unterehmen zu der im Entwurf enthaltenen Regelung resuliert daraus, dass fast alle landwirtschaftlichen Unterneh Dr. Peter Jahr men davon ausgehen, dass sie keinen Gewinn machen und deshalb nichts zahlen müssten. So verstehe ich aber den Gesetzentwurf nicht und so scheinen ihn auch das Finanzministerium bzw. die Bundesregierung nicht zu verstehen. Es geht hier auch um Fairness innerhalb des Berufsstandes. Es gibt Unternehmen, die ihre Altschulden – es handelte sich meistens um geringere Beträge – bereits getilgt haben. Es gibt ferner altschuldenbelastete Unternehmen, die in Erwartung einer gesetzlichen Regelung auf Investitionen verzichtet und einen gewissen Geldbetrag angespart haben. Da gibt es auch Neuund Wiedereinrichter, die bei der Bedienung ihrer Kredite nicht nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gefragt werden; sie müssen die Zahlungen für Zinsen und Tilgung leisten. Zugespitzt formuliert: Es kann nicht sein, dass offen sichtliches Missmanagement durch einen Ablösebetrag nahe null Euro belohnt und dass der solide Unternehmer mit einem hohen Ablösebetrag bestraft wird. Deshalb halte ich es für erforderlich, bei den Betrieben von einer standardisierten Gewinnerwartung auszugehen und die Werthaltigkeit der Altschulden mit einzubeziehen. Wenn ein landwirtschaftliches Unternehmen den errechneten Ablösebetrag nicht annehmen kann oder will, so kann es immer noch die geänderte Rangrücktrittsvereinbarung unterzeichnen, die aber annehmbar sein müsste. Beim dritten Problem geht es um Missbrauchstatbestände. Wir müssen an dieser Stelle über sie reden und auch darüber, wie man ihnen vorbeugen kann. Auch wenn es meist nur wenige Fälle sind und sein werden, so bereiten sie mit Blick auf die Öffentlichkeit die größten Probleme. Es gibt Betriebe, bei denen die Gesellschafterstruktur bereinigt worden ist. Weniger als 5 Prozent der ursprünglichen Gesellschafter sind heute noch vorhanden. Gleiches gilt manchmal leider auch für die Arbeitskräfte. Meine Fraktion will vermeiden, dass ein landwirtschaftliches Unternehmen bei der Bestimmung des Ablösebetrages mangelndes Ertragspotenzial nachweist und somit einen geringen Ablösebetrag zahlt, aber sich ein paar Monate später plötzlich beim Verkauf des Gesamtbetriebes ein ganz anderes Ertragspotenzial ergibt. Auch hinsichtlich dieses Problems greift der Gesetzentwurf aus meiner Sicht zu kurz. Viertens. Dieser Punkt betrifft das Verfahren der Ablöseregelung. Über das Verfahren zur Ermittlung des Ablösebetrages heißt es in der Gesetzesbegründung lapidar: Die Einzelheiten der Ermittlung des Ablösebetrages werden in der … zu erlassenden Rechtsverordnung festgelegt. Ein wenig genauer hätten wir uns das schon gewünscht. R h d e s K s w d i t i r V s r l r R z g f s g i K A L i H L D d b d E r s z E (C (D Wichtig ist: Gerade weil das Unternehmen keinen echtsanspruch auf einen Ablösebetrag der Höhe nach at, sollte ein zweistufiges Verfahren vorgesehen weren. Ich halte es für wenig sinnvoll, dass der Antrag auf ine vorzeitige Ablösung der landwirtschaftlichen Altchulden nur innerhalb von neun Monaten nach Inraft-Treten der entsprechenden Rechtsverordnung getellt werden kann. Diese enge Frist muss gestrichen erden. Man sollte ohnehin darüber diskutieren, ob in iesem Zusammenhang überhaupt eine Frist notwendig st. Ich fasse zusammen: Erstens. Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Initia ive zur Regelung der Altschulden in der Landwirtschaft st unbestritten. Zweitens. Die Verschärfung der bestehenden Rang ücktrittsvereinbarung ist grundsätzlich richtig. Die erschärfung, die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgeehen ist, ist allerdings unzumutbar und verfassungsechtlich bedenklich. Drittens. Die Ablöseregelung allein an der wirtschaft ichen Leistungsfähigkeit der Unternehmen zu orientieen ist nicht richtig. Missbräuchliche Anwendungen der egelungen sind zu vermeiden. Aus den genannten Gründen wird meine Fraktion im uständigen Ausschuss eine Anhörung zu dem vorlieenden Gesetzentwurf beantragen. Meine Fraktion geht est davon aus, dass auch die Regierungsfraktionen einichtig sind und sich vernünftigen Änderungsvorschläen nicht verschließen werden. In diesem Sinne freue ch mich auf die Diskussion in den Ausschüssen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506618600

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Cornelia Behm.

Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506618700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Es gibt gute Gründe für ein Landwirtschafts-
ltschuldengesetz. Die aktuelle Regelung taugt nicht zur
ösung des Problems. Herr Jahr, ich freue mich, dass wir
n diesem Punkt übereinstimmen.
Darüber hinaus haben die Gutachter Forstner und
irschauer festgestellt, dass die Entlastungen für die
PG-Rechtsnachfolger die Belastungen, die aus den
DR-Altschulden resultieren, in der großen Mehrzahl
er Fälle überkompensiert haben. Diese Entlastungen
estanden zum Ersten in einer Teilentschuldung durch
ie Treuhandanstalt, zum Zweiten in einer bilanziellen
ntlastung in Form einer schon angesprochenen Rang-
ücktrittsvereinbarung und in Form eines zins- und
teuerbegünstigten Bedienens der Altschulden sowie
um Dritten in einem Schutz des dadurch gewonnenen
igenkapitals vor Abfindungsansprüchen bei der






(A) )



(B) )


Cornelia Behm

Vermögensauseinandersetzung nach dem Landwirt-
schaftsanpassungsgesetz. Im Ergebnis stellen die Gut-
achter fest, dass die meisten betroffenen Betriebe heute
wirtschaftlich besser dastehen, als wenn ihnen die Alt-
schulden schon Anfang der 90er-Jahre erlassen worden
wären.

Die allermeisten Deutschen gehen bis heute davon
aus, dass die Altschulden für die LPG-Rechtsnachfolger
eine schwer tragbare Last sind. Aufgrund des Gutach-
tens müssen wir heute aber feststellen: Die dereinst von
CDU/CSU und FDP geschaffenen Altschuldenregelun-
gen entfalten eine deutliche Subventionswirkung und
verzerren den Wettbewerb.

Angesichts dieses Ergebnisses muss und will die
Bundesregierung Konsequenzen ziehen. Der vorlie-
gende Gesetzentwurf hat das Ziel, dass die Rückzahlung
zukünftig tatsächlich im Rahmen der wirtschaftlichen
Möglichkeiten der Unternehmen erfolgt. Dazu werden in
dem Gesetzentwurf die Rückzahlungsbedingungen für
die Betriebe unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftli-
chen Leistungsfähigkeit verschärft. Dies wird vor allem
durch die Erhöhung des abzuführenden Gewinnanteils
von 20 auf 65 Prozent erreicht.

Daneben wird in diesem Gesetz die Möglichkeit
geschaffen – das ist mir besonders wichtig –, Altschul-
den mit einer Einmalzahlung abzulösen. Der Ablösebe-
trag ist betriebsindividuell auszuhandeln und soll sich an
der Höhe der in Zukunft zu leistenden Rückzahlungen
orientieren. Da sowohl die Bank als auch der Altschuld-
ner der Höhe des auszuhandelnden Ablösebetrages zu-
stimmen müssen, sollte eine Übervorteilung einer der
beiden Seiten vermieden werden. Dieser Komplex der
Vereinigungspolitik wird damit rechtlich abgeschlossen.
Ich hoffe, dass möglichst viele Betriebe diese Chance
auch ergreifen.

Diesem Gesetzentwurf widerfährt eine Bewertung,
die widersprüchlicher kaum sein könnte. Die Wieder-
einrichter und die Vertreter der bäuerlichen Landwirt-
schaft sprechen von Milliardensubventionen für die etwa
1 500 Altschuldner. Die LPG-Rechtsnachfolger hinge-
gen sprechen vom drohenden Ruin ihrer Betriebe, weil
sie nun von ihrem Gewinn einen größeren Teil als bisher
abführen sollen. Beide Bewertungen beruhen auf einer
verzerrten Interpretation der vorliegenden Sachlage.

Den Wiedereinrichtern ist zu sagen: Aufgrund der seit
Jahren gültigen Rechtslage ist längst klar, dass die LPG-
Rechtsnachfolger ihre Altschulden nicht komplett zu-
rückzahlen werden. Unabhängig davon, ob uns das heute
passt oder nicht, müssen wir feststellen: Es ist nicht
möglich, das Rad zurückzudrehen. Die Rückzahlungsbe-
dingungen lassen sich aber nicht beliebig verschärfen,
sondern nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Hier-
für ist entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungs-
gerichtes die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Be-
triebe entscheidend.

Aber: Unser Gesetz schafft entgegen den Behauptun-
gen keine zusätzliche Subventionswirkung. Im Gegen-
teil: Es führt zu zusätzlichen Einnahmen für den Erb-
lastentilgungsfonds in Höhe von 200 bis 250 Millionen

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(C (D uro. Außerdem fließen die zu erwartenden Rückzahungen schneller als nach der gültigen Rechtslage. Dies röffnet in Zeiten knapper Kassen Spielräume, die wir ringend für Investitionen in die Zukunft benötigen. Den LPG-Rechtsnachfolgern ist zu sagen: Auch zu ünftig werden nur Unternehmen, die Überschüsse erirtschaften, zur Bedienung ihrer Altschulden herangeogen. Eine wirtschaftliche Gefährdung der Betriebe ist amit ausgeschlossen. Die Versuche aus den Reihen der CDU, sowohl von en Wiedereinrichtern als auch von den LPG-Rechtsachfolgern Zustimmung zu erheischen, dürften angeichts der verhärteten Fronten zum Scheitern verurteilt ein. Die Wiedereinrichter werden sich nicht täuschen assen; denn sie wissen ganz genau, dass es seinerzeit DU und FDP waren, die die aus ihrer Sicht ungerechte ltschuldenregelung beschlossen haben. Diese Bauern üssen nämlich ihre Kredite bedienen, ohne dass es eine taatliche Bewahrung vor der Insolvenz gibt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Was sollte dieser Schluss jetzt? Wer hat Ihnen diesen Blödsinn aufgeschrieben? – Gegenruf der Abg. Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das darf man doch ruhig mal sagen!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506618800

Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Michael
oldmann.


Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1506618900

Sehr verehrte Frau Präsidenten! Liebe Kolleginnen

nd Kollegen! Für jemanden, der fast von der niederlän-
ischen Grenze, aus dem Emsland kommt, stellt sich das
hema Landwirtschafts-Altschuldengesetz als äußerst
chwierig dar. Bei Besuchen vor Ort spürt man auch die
anze Härte der Auseinandersetzung. Frau Behm, Sie
aben völlig zu Recht angesprochen, dass das ein Thema
st, welches die Menschen in den so genannten neuen
ändern ganz besonders bewegt. Ich bin auch dafür, dass
ir – allerdings gemeinsam – den Versuch unternehmen,
ier sozusagen abzuräumen; denn weiteres Verärge-
ungspotenzial wäre dem dortigen agrarischen Miteinan-
er sicherlich sehr abträglich.


(Beifall bei der FDP)

Die Sache ist aber schwierig: Hilft man dem einen be-

onders, ist der andere sauer. Hilft man zu wenig, hilft
ies wiederum uns gar nicht. Einige haben sogar die
orstellung, dass man über diesen Weg wirklich Mittel
ür den Haushalt gewinnt, um Investitionen tätigen zu
önnen.
Frau Behm, ich glaube, wir sind uns einig, worüber
ir sprechen: Vielleicht können wir erreichen, 10 bis
0 Prozent des Betrages zu bekommen, der als Altschul-
enlast noch im Raum steht. Man muss sich einmal auf
er Zunge zergehen lassen, worum es hier im Moment
eht: Es geht um einen Milliardenerlass. Ich meine, dass






(A) )



(B)


Hans-Michael Goldmann

man sich angesichts dessen die größtmögliche Mühe ge-
ben muss.

Weil wir uns diese größtmögliche Mühe geben wol-
len, werden wir in der kommenden Woche eine frak-
tionsinterne Anhörung machen. Ich stimme ausdrücklich
dem Anliegen der CDU/CSU-Fraktion, das Herr Dr. Jahr
zum Ausdruck gebracht hat, zu: Eine Anhörung im Aus-
schuss wäre gut. Allerdings sollten wir alle mit der fes-
ten Absicht in diese Anhörung hineingehen, zu einer ge-
meinsamen Lösung zu kommen.

Frau Behm, es hilft nichts, zu sagen, dass FDP und
CDU/CSU damals etwas falsch gemacht hätten. Ich bin
mir nicht sicher, ob Ihre Ausführungen, es sei zu Über-
kompensationen gekommen und habe riesige Subventio-
nen für große Betriebe gegeben, ganz zutreffend sind.
Ich habe 5 000 bis 6 000 Hektar große Betrieb besucht,
die 70 bis 80 Menschen in einer Region beschäftigten, in
der die Arbeitslosenquote bei 30 bis 35 Prozent lag.
Wenn man diesen Betrieben nicht geholfen hätte, sähe
die Situation heute noch schlechter aus.


(Cornelia Behm [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine andere Frage!)


Der Entwurf des Finanzministeriums ist außerordent-
lich kompliziert und steuersystematisch äußerst zweifel-
haft. Geplante Rückzahlungen der Schulden als Be-
triebsausgaben führen dazu, dass ertragsstarke Betriebe
in höchster Steuerprogression nach Steuern netto nur die
Hälfte dessen zahlen, was ertragsschwache Betriebe zu
zahlen haben. Das erscheint mir nicht sinnvoll.

Die Erhöhung der Abführung auf der Basis von
65 Prozent des Jahresgewinns bei verbreiterter Bemes-
sungsgrundlage führt ohne Zweifel zu erheblichen
Steuervermeidungsreaktionen. Das können die Gro-
ßen recht gut; denn das machen sie jetzt schon. Ihre Ge-
winne lassen sie bekanntlich nicht im landwirtschaftli-
chen Betrieb, sondern in den vor- und nachgelagerten
Handels- und Dienstleistungsunternehmen anfallen und
rechnen sie dann aufeinander an. Frau Behm, vor dem
Hintergrund dessen, was im Raum steht, ist es bezeich-
nend, dass die Erwartungen des Gesetzgebers an dieses
Gesetz außerordentlich gering sind.

Lassen Sie uns gemeinsam an die Arbeit gehen. Wir
sind dazu gerne bereit. Wir wollen hoffen, dass wir es
am Ende dieses Prozesses mit einem Gesetz zu tun ha-
ben, das dazu beiträgt, ein Stück mehr agrarischen Frie-
den in den betroffenen Regionen zu schaffen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506619000

Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1506619100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Altschuldenproblematik ist seit 1990 eine vielfache.
Wir kennen sie von den Wohnungsgesellschaften der
DDR, die privatisiert wurden. Wir kennen sie auch aus
der Landwirtschaft, insbesondere im Zusammenhang

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(C (D it den LPG, den landwirtschaftlichen Produktionsgeossenschaften. Der Kern des Problems ist immer derselbe: Das teuerund Kreditwesen der DDR war mit dem Recht er Bundesrepublik nicht kompatibel und soll trotzdem assfähig gedeutet werden. Das musste zu Verwerfungen nd zu Gerichtsverfahren führen – bis heute. Heute verhandeln wir ein Gesetz, mit dem das Alt chuldenproblem ostdeutscher Agrarbetriebe endgültig nd zukunftsträchtig gelöst werden soll. Das ist überfälig. Die PDS bringt seit über 13 Jahren konstruktive Vorchläge ein und ringt auf Landesund Bundesebene um ösungen. Gerade deshalb ist es enttäuschend, dass der orliegende Entwurf zwar vorgibt, abschließend und zuunftsfähig zu sein, es in Wahrheit aber nicht ist. Es gibt eine Bauernweisheit: Man kann eine Kuh icht schlachten und zugleich melken. Genau das verucht die Bundesregierung aber mit Teilen dieses Geetzentwurfes. Sie will möglichst hohe Einnahmen für en Erblastentilgungsfonds erzielen und schröpft dabei ugleich die Wirtschaftskraft der betroffenen Betriebe ber Gebühr. Der Vermögensund Kreditverlust vieler grarunternehmen wäre so groß, dass einige Betroffene on einem enteignungsähnlichen Eingriff reden. Die Geamtrechnung, die hier aufgemacht wird, ginge obenrein – wie so oft – vollends schief; denn den erhofften ehreinnahmen des Bundes stünde ein erheblicher Aus all an Gewerbe-, Körperschaftund Einkommensteuer egenüber. Das ginge zulasten der Kommunen, der Geeinden und natürlich auch der neuen Länder. Es muss och selbst der Westmehrheit unseres Hauses einsichtig ein, dass man nicht einerseits heute Vormittag die Lage m Osten beklagen kann, wenn man zugleich, wie mit iesem Gesetzentwurf, die Eigeneinnahmen der neuen undesländer gefährdet. Das aber droht, wenn der voriegende Gesetzentwurf eins zu eins umgesetzt würde. ie wollen bis zu 65 Prozent möglicher Gewinne einkasieren. Das ist für einige Betriebe ruinös. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Ur eil von 1997 das übrigens nicht gemeint. Im Gegenteil: s hat gefordert, den so genannten Altschuldnern eine eale Chance zu eröffnen, im Wettbewerb der bundeseutschen und der europäischen Agrarwirtschaft besteen zu können. Deshalb werbe ich für einen PDS-Vorschlag, der eineswegs neu ist. Ein Großteil der so genannten Altchulden war schon durch den Einigungsvertrag als entchuldungsfähig anerkannt worden. Sie wurden nicht ntschuldet, weil damals angeblich die Mittel dafür fehlen. Das war aus PDS-Sicht zwar purer Unsinn, war aber o. Derweil haben die nicht entschuldeten Altbetriebe ifrig Zinsen geheckt. Sie machen inzwischen über 0 Prozent der Gesamtlast aus. Es entspricht zwar der ankenlogik, dass hierauf Zinsen erhoben werden, entehrt aber jeder politischen Vernunft. Deshalb appelliere ch namens der PDS im Bundestag, die Altlastenfrage ernünftig zu entsorgen, nicht auf Kosten der betroffeen Betriebe, der Kommunen und der neuen Länder. Ich )







(A) )



(B) )


Petra Pau

habe die Hoffnung, dass die Anhörung wie auch die par-
lamentarische Beratung im besten Sinne des Wortes zu
einer Qualifizierung des Gesetzentwurfes führen.

Danke schön.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506619200

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Waltraud Wolff.


Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1506619300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-

ginnen und Kollegen! Seit ich 1998 im Bundestag mit
der Altschuldenproblematik konfrontiert wurde, war für
mich der Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes maß-
geblich, eine vertretbare Lösung für den Bund und die
mit Altschulden belasteten Betriebe zu erreichen.

Ein Wort zum Beitrag des Redners von der CDU/
CSU: Eigentlich hat es die Debatte nicht verdient, dass
wir das Für und Wider aufrechnen und fragen, wer was
initiiert hat bzw. hätte initiieren müssen. Da das Bundes-
verfassungsgericht festgelegt hat, dass nach zehn Jahren
überprüft werden soll, ob die Möglichkeit besteht, dass
die Betriebe ihre Altschulden bis 2010 zurückzahlen
können, hätte meiner Meinung nach von der Regierung
schon damals eine größere Initiative gestartet werden
müssen.

Zum Hintergrund, wie diese Schulden entstanden
sind, will ich nichts mehr sagen; dazu haben sich schon
mehrere Kollegen geäußert. Vergessen werden darf aber
nicht: Es ging und es geht noch heute um Sicherung von
Arbeitsplätzen im ländlichen Raum. Mit der Wende
und dem Aus der kollektiven Verstaatlichung begann für
volkseigene Betriebe und damit auch für die ehemaligen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der LPGen die Zeit der
Umstrukturierung. In allen Bereichen, in denen die bei-
den Rechtssysteme zusammengeführt wurden, kam es
unweigerlich zu Konflikten. Die Klärung der Altschul-
denfrage in der Landwirtschaft der ehemaligen DDR
stand daher, wie zum Beispiel die in der Wohnungswirt-
schaft, von Anfang an unter einem schlechten Stern.
Auch heute noch werden die Debatten über die Altschul-
den hitzig und emotional geführt. Deshalb ist es ganz be-
sonders wichtig, dass der Gesetzgeber in der letzten
Phase der Regelung mit Fakten zur Versachlichung bei-
trägt.

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber
eine Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht auf-
erlegt. Das Ziel war, dass die Betriebe bei ordnungsge-
mäßer Wirtschaftsführung die Schulden bis 2010 tilgen
können. Somit wird klar, dass eine verträgliche Lösung
angestrebt war, die den Fortbestand der Unternehmen
nicht gefährdet.

13 Jahre nach der deutschen Einheit sieht vieles an-
ders aus, als unsere Vorstellungen damals überhaupt zu-
ließen. Wir müssen die Probleme aus heutiger Sicht von
allen Seiten beleuchten. Es kann meiner Meinung nach
nicht darum gehen, irgendwelche alten Rechnungen zu
begleichen


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig!)


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(C (D der geradezurücken, was aus Sicht von so manchem erband schon immer falsch gelaufen ist. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sehr richtig!)


ie Geschichte ist einfach nicht zurückzudrehen. Des-
alb müssen wir erstens Sachlichkeit walten lassen,
weitens mit Bedacht Einzelfallbetrachtungen durchfüh-
en und drittens genau die Schnittstelle finden, an der die
ückzahlung für die betroffenen Betriebe noch möglich
st, ohne dass sie in den Ruin getrieben werden.
Ich möchte hier auch noch einmal daran erinnern,

ass sich Bundeskanzler Gerhard Schröder auf der agrar-
olitischen Konferenz der SPD-Bundestagsfraktion im
ergangenen Februar zu Recht zu einer einvernehmli-
hen, abschließenden und schnellen Lösung gestellt hat.
ie SPD-Bundestagsfraktion hat eine Arbeitsgruppe ein-
erichtet und wir haben beschlossen – damit befinden
ir uns im Konsens mit Ihnen; ich konnte es nur nicht
her sagen –, eine Anhörung zu dem Thema der land-
irtschaftlichen Altschulden zu initiieren. Danach wird
ie Meinungsbildung in den Fraktionen zum Abschluss
ommen.
Meine Schlussbemerkung: Ich habe eben den Kennt-

iserwerb von 13 Jahren angesprochen. Ebenso wichtig
st es, die allgemeine wirtschaftliche Lage zu betrachten.
inen solchen konjunkturellen Einbruch konnten wir uns
icht vorstellen. Auch die Landwirtschaft ist davon be-
roffen. Wir sollten auch noch etwas anderes in unsere
berlegungen einbeziehen: Die letzten Jahre waren für
ie Landwirtschaft in Deutschland kein Zuckerschle-
ken.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Warum kürzt ihr denn dann beim Agrardiesel und bei der Krankenversicherung? Dann tut das doch nicht! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)


ch sage nur: BSE, Nitrofen, Acrylamid – alles schlägt
uf die Landwirtschaft durch. Zusätzlich haben das
ochwasser an der Elbe – nicht zu vergessen auch das
ochwasser an der Oder – und die Dürre in 2003 ihre
puren in den neuen Bundesländern hinterlassen.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Und ihr habt unheimlich „schnell“ reagiert!)


Dennoch verbinde ich mit der Einbringung dieses Ge-
etzes erstens die Hoffnung, dass das letzte ungelöste
apitel in der ostdeutschen Landwirtschaft zu schließen
st, zweitens die Hoffnung, dass die Unternehmen zur
ückzahlung motiviert werden und drittens die Auffor-
erung an die Bundesregierung, die notwendige Rechts-
erordnung in das Gesetz einzubeziehen oder zeitgleich
u erlassen, um nicht weitere Verzögerungen und Unsi-
herheiten aufkommen zu lassen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Im Interesse des Bundes müssen realistische Bewer-

ungsmaßstäbe angelegt werden. Deshalb ergibt sich zu
eginn der Beratung aus meiner Sicht die Frage, mit der
ch jetzt schließe: Wird durch die Erhöhung des Abfüh-






(A) )



(B) )


Waltraud Wolff (Wolmirstedt)


rungssatzes von 20 auf 65 Prozent die Messlatte auf die
richtige Höhe gelegt?

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506619400

Ich danke auch und schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-

wurfs auf Drucksache 15/1662 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
andere Vorschläge? – Das scheint nicht der Fall zu sein.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 a und 12 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten

Dr. Maria Böhmer, Wolfgang Bosbach,
Dr. Wolfgang Schäuble, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU
Verbot des Klonens mit menschlichen
Embryonen weltweit durchsetzen
– Drucksache 15/301 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (17. Ausschuss)

– zu dem Antrag der Abgeordneten Hubert
Hüppe, Christa Nickels, René Röspel und wei-
terer Abgeordneter
Forschungsförderung der Europäischen
Union unter Respektierung ethischer und
verfassungsmäßiger Prinzipien der Mit-
gliedstaaten

– zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach,

(Homburg)

Kein Ausstieg aus der gemeinsamen Verant-
wortung für die europäische Stammzellfor-
schung

– Drucksachen 15/1310, 15/1346, 15/1725 –
Berichterstattung:
Abgeordnete René Röspel
Katherina Reiche
Hans-Josef Fell
Ulrike Flach

Nach interfraktioneller Vereinbarung ist für die Aus-
sprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Widerspruch
gibt es nicht. Dann verfahren wir auch so.

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(C (D Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst ie Staatsministerin Kerstin Müller für die Bundesregieung. K Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ch zum Stand der Verhandlungen bei den Vereinten Naionen über ein internationales Klonverbot komme, öchte ich eines festhalten: Es war die deutsche Bunesregierung, die das internationale Klonverbot vor zwei ahren mit der deutsch-französischen Initiative auf die genda der Generalversammlung der Vereinten Natioen gesetzt hat. Dadurch haben wir in vielen Ländern ationale Diskussionen angestoßen. Man muss sehen: eute gibt es viele nationale Gesetze, durch die das reroduktive Klonen verboten wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506619500

Nun hat uns der Bundestag in seinem Beschluss vom
0. Februar dieses Jahres drei Aufträge für die Verhand-
ungen in den Vereinten Nationen erteilt. Da der Vorwurf
er Missachtung dieses Beschlusses laut wurde, bitte ich
ie darum, den Wortlaut dieses Beschlusses – ich habe
hn noch einmal mitgebracht –, der vor dem Hintergrund
er Mehrheitsverhältnisse und der internationalen De-
atte gefasst wurde, zu beachten. Ich jedenfalls nehme
ie drei Aufträge dieses Beschlusses sehr ernst.
Erstens. Wir sollen uns für ein möglichst umfassendes
lonverbot einsetzen. Zweitens. Wir sollen versuchen,
ass dies von möglichst vielen Staaten unterstützt wird.
rittens. Wir sollen die Konvention im Rahmen der
eutsch-französischen Initiative weiterentwickeln.
Wir haben alles unternommen, diesen Bundestagsbe-

chluss konsequent umzusetzen. Deshalb kann ich nicht
achvollziehen, dass man uns Missachtung vorwirft. Wir
aben zunächst in enger Abstimmung mit Frankreich die
nitiative aktiv in Richtung eines umfassenden Klonver-
ots von Menschen weiterentwickelt. Wir treten jetzt für
ine Konvention ein, die alle Formen des Klonens ein-
chließt. Dies unterscheidet sie von der ersten deutsch-
ranzösischen Initiative, die vorsah, in zwei Stufen vor-
ugehen.
Wir haben uns von Anfang an – das werden wir auch
eiter tun – für eine möglichst umfassende und verbind-
iche Konvention eingesetzt. Das ist sehr wichtig; denn
as geht meines Erachtens in der Diskussion, die in den
etzten Wochen öffentlich geführt wurde, verloren: Völ-
errecht basiert auf Konsens. Nur so kann es wirklich
irksam werden. Daher haben wir alles versucht und
erden bis zum Schluss versuchen, möglichst viele
taaten für ein internationales Klonverbot oder zumin-
est für die Auftragserteilung zu einer entsprechenden
onvention gewinnen.
Wir haben seit dem letzten Jahr im Vorfeld der Ver-

andlungen mit allen wichtigen Staaten Gespräche ge-
ührt, insbesondere mit den USA und den Europäern.
rst am Tag des Beginns der Arbeitsgruppe des sechsten
usschusses haben wir gemeinsam mit Frankreich






(A) )



(B) )


Staatsministerin Kerstin Müller

hierzu ein so genanntes Non-Paper verteilt, das im
Übrigen nie als Antrag gedacht war. Ziel dieses Non-Pa-
pers – das möchte ich hier klarstellen – war es, die unter-
schiedlichen Vorstellungen einzelner Mitglieder der Ver-
einten Nationen zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem es noch
um die Mandatserteilung und nicht – wie ich es heute in
einer Pressemitteilung von Ihnen, Frau Böhmer, gelesen
habe – um den Text der Konvention selbst geht, zu über-
brücken und so die Zustimmung der Mehrheit, wenn
nicht sogar aller VN-Mitglieder für die Mandatserteilung
zu bekommen.

Ich sage noch einmal sehr deutlich: Uns geht es nicht
darum, Scheinerfolge zu erzielen, sondern wir wollen
konkrete und wirksame Ergebnisse. Eine Konvention,
die von den wichtigsten Klonforschungsstaaten nicht un-
terstützt wird, ist zahnlos und nicht effektiv. Das wäre
wie der Abschluss eines Atomwaffensperrvertrages ohne
die Nuklearstaaten. Das bringt uns international nicht
weiter. Das wäre rein symbolische Politik. Deshalb ha-
ben wir uns für den Weg entschieden, der inhaltlich auf
der deutschen Rechtslage beruht.

Die Verhandlungen in der Arbeitsgruppe sind bis-
her ergebnislos verlaufen. Am 21. Oktober werden die
Gespräche fortgesetzt. Wir befinden uns noch nicht in
den konkreten Konventionsverhandlungen. Das heißt,
die Generalversammlung stimmt nicht über ein Verbot
verschiedener Formen des Klonens ab, sondern formu-
liert erst einmal einen Auftrag. Dabei muss es uns darum
gehen, möglichst alle Staaten in die weitere Arbeit ein-
zubinden. Denn es geht um eine Frage, die das grundle-
gende Verständnis unseres Menschseins betrifft. Wir
dürfen zum jetzigen Zeitpunkt nicht zulassen, dass sich
insbesondere die Klonforschungsstaaten aus dem Pro-
zess ausklinken.

Sie wissen, dass zwei Mandatsentwürfe vorliegen.
Der eine Entwurf ist von Costa Rica. In der Substanz
entspricht er unserer Überzeugung, aber mit dem Vorge-
hen können wir uns nicht einverstanden erklären; denn
die meisten biotechnologisch wichtigen Staaten werden
diese Verhandlungen ablehnen. Der zweite von Belgien
eingebrachte Entwurf ist für viele Unterstützer des
Costa-Rica-Entwurfs nicht akzeptabel, insbesondere
nicht für die USA und auch nicht für uns, weil es dort im
Kern um das reproduktive Klonen geht.

Diese beiden konkurrierenden Entwürfe bestätigen
unsere Befürchtungen, dass es möglicherweise auf eine
Kampfabstimmung hinauslaufen wird. Eine solche
Kampfabstimmung würde in eine Sackgasse führen und
im Übrigen einen negativen Präzedenzfall mit mögli-
cherweise gravierenden Folgen für die Arbeit des Aus-
schusses und der Vereinten Nationen insgesamt bedeu-
ten. Ich bitte also darum, sich gut zu überlegen, ob es
klug ist, sich an Kampfabstimmungen zu beteiligen.


(Beifall der Abg. Ulrike Flach [FDP])

Gerade ein von möglichst vielen Staaten getragenes,
möglichst umfassendes Klonverbot ist der Auftrag des
Bundestages. Wir wollen eine Spaltung der Staatenge-
meinschaft in dieser zentralen bioethischen Frage ver-
meiden. Deshalb haben wir diesen Weg gewählt.

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(C (D Zum Schluss kann ich Ihnen aktuell berichten, dass ich ein Konsens zurzeit allenfalls für eine prozedurale ösung abzeichnet, nämlich die Mandatsverhandlungen icht abzubrechen, sondern zu verschieben. Das ist nicht nsere Präferenz. Wir wollen ein möglichst umfassendes lonverbot möglichst bald erreichen. Aber dies ist imer noch besser als eine zahnlose Konvention, der sich ntscheidende Staaten nicht anschließen. Ich bin davon überzeugt, dass, wenn es überhaupt zu iner internationalen Konvention kommt, nur auf dieser inie der Beschluss des Bundestages tatsächlich in all einen Aspekten umgesetzt werden kann. Das ist unsere bsicht und darum bemühen wir uns. (Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Davon merkt man aber nichts!)


Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506619600

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Maria Böhmer.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1506619700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir treffen uns jetzt zum zweiten Mal in diesem Jahr,
m darüber zu beraten, wie wir ein internationales und
enerelles Klonverbot, Frau Müller, erreichen können.
ch bin sehr froh, dass Sie uns in allen Einzelheiten dar-
elegt haben, wie Sie die Lage sehen, aber ich sage
hnen auch: Wir hatten die Erwartung, dass wir zum heu-
igen Zeitpunkt ein anderes Ergebnis vonseiten der Bun-
esregierung erfahren würden, nämlich ein Ergebnis, das
em Antrag, den wir im Februar verabschiedet haben,
atsächlich entspricht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Uns allen hier ist bekannt, dass die Lage schwierig ist.
ir haben deshalb damals sehr mit uns gerungen, als wir
en gemeinsamen Antrag erarbeitet haben, den wir dann
ier im Deutschen Bundestag mit großer Mehrheit ver-
bschiedet haben. Ich habe diesen Antrag mitgebracht
nd will noch einmal genauso wie Sie die Punkte durch-
ehen; denn wir interpretieren einige Dinge offensicht-
ich unterschiedlich.
In dem Antrag steht, möglichst viele Staaten sollen

ür eine solche Konvention gewonnen werden. Wir ha-
en das sehr wohl in dem Bewusstsein formuliert, dass
an nicht jeden Staat dieser Welt hinter eine solche
onvention bringen kann. Denn Sie sagen zu Recht,
ass es Staaten gibt, in denen Klonen stattfindet, zum
eispiel in Großbritannien, in Schweden, in Israel, in
ingapur und nach wie vor in China. Wenn man glaubt,
ass ein Ergebnis erst erzielt werden kann, wenn diese
taaten hinter eine Konvention gebracht sind, dann läuft
an Gefahr, ein inhaltloses Scheinergebnis zu erzielen.
ine solche Konvention wird nämlich wirklich ein zahn-
oser Tiger sein und das Papier nicht wert sein, auf dem
ie geschrieben ist.






(A) )



(B) )


Dr. Maria Böhmer


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Christa Nickels [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Weiterhin haben wir im Antrag sehr um die Begriff-
lichkeit des Klonens gerungen; das war wahrlich nicht
einfach. Wir haben niedergelegt, dass es eine Teilidenti-
tät beim Klonen gibt. Wer also darauf zielt, das repro-
duktive Klonen weltweit wirksam zu verbieten – ich
glaube, da gibt es keinen Dissens; es dürfte kaum einen
Staat in dieser Welt geben, der dem nicht beipflichtet –,
der muss auch das Forschungsklonen oder das so ge-
nannte therapeutische Klonen verbieten, denn beide For-
men sind in ihrem Verfahren identisch bis zur Erzeugung
des Embryos. Das ist der entscheidende Punkt. In beiden
Fällen entsteht ein Embryo, sodass diejenigen, die die
Techniken im Bereich des Forschungsklonens oder des
so genannten therapeutischen Klonens – ich halte den
Begriff nach wie vor für völlig irreführend – verfeinern,
nicht ausschließen können, dass diese von denjenigen,
die fatalerweise das reproduktive Klonen anstreben, ge-
nutzt werden. Wer deshalb reproduktives Klonen wirk-
sam verbieten will, muss auch Forschungsklonen verbie-
ten. Ausschließlich das kann der Weg sein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Das wollen wir doch alle!)


Ich bin sehr froh, dass wir in diesem Punkt im Bun-
destag immer wieder diesen Konsens haben; das möchte
ich auch heute betonen. Ich nehme Sie beim Wort, dass
Sie hinter einem solchen Konsens stehen. Das will ich
gar nicht bestreiten. Trotzdem müssen wir uns darüber
streiten, welchen Weg Sie jetzt beschritten haben. Nach-
dem der Wechsel vollzogen worden ist und man nicht
mehr hintereinander, sondern zeitgleich verhandelt, stellt
sich die Frage, ob das so genannte zweistufige Verfahren
im Ergebnis tatsächlich, wie Sie es uns in Aussicht stel-
len, oder nur scheinbar aufgehoben wird. Denn in Ihrem
Nonpaper, das durch die Welt geisterte, wurde eine klare
Position zum reproduktiven Klonen – nämlich ein Verbot –
formuliert, aber zugleich haben Sie – auch in Interviews,
zum Beispiel in der „Frankfurter Rundschau“ – wiederholt
festgestellt, dass beim therapeutischen Klonen drei Optio-
nen vorgesehen sind, und zwar Verbot, Moratorium oder
nationalstaatliche Regelungen.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Was? Aha!)

Damit wird es sozusagen in das Belieben des jeweiligen
Staates gestellt, wie mit Forschungsklonen und thera-
peutischem Klonen umgegangen wird.


(Ulrike Flach [FDP]: Das ist der einzige Weg!)

Das ist der Stein des Anstoßes. An dieser Stelle kommen
wir nämlich nicht weiter. Wir sind dadurch auf die Situa-
tion im Dezember bzw. im Februar zurückgeworfen.

Weil Sie ja hinter der Beschlusslage des Bundes-
tages stehen, fordere ich Sie mit allem Nachdruck auf,
darauf hinzuwirken, dass die Bundesregierung auch ge-
nau diese Beschlusslage umsetzt. Ich verstehe, wenn Sie
darauf hinweisen, dass dem Völkerrecht bestimmte Re-

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(C (D elungen zugrunde liegen und es auf Konsens basiert. ber wenn Sie den Atomwaffensperrvertrag anführen, uss ich Ihnen entgegenhalten, dass er ein anschaulihes Beispiel dafür ist, wie man schrittweise vorankomen kann – und zwar in einem anderen Sinne, als Sie es einen. Am Anfang unterzeichneten 43 Staaten dieses ertragswerk. Das war der erste Schritt. (Kerstin Müller, Staatsministerin: Bei der Ratifizierung!)


ber es wurde stufenweise vorgegangen. Das Endergeb-
is ist, dass es heute 178 Signatarstaaten gibt.
Es ist also eine Entwicklung möglich, wenn ein klares

nd eindeutiges Signal gesetzt wird. Deshalb fordere ich
ie auf – ich bitte Sie geradezu –, ein solches Signal zu
enden, indem Sie sich hinter den Vorschlag von Costa
ica stellen. Mit der Einbringung eines entsprechenden
ntrags in die Vereinten Nationen würde die gleiche Ab-
icht wie mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages
erwirklicht, nämlich ein Verbot des reproduktiven wie
es therapeutischen Klonens. Es ist mir schier ein Rätsel,
arum man einem solchen Beschluss nicht folgen will.
Sie haben immer noch die Möglichkeit, dort einen

dentischen Antrag einzubringen, wenn Sie das für bes-
er halten – ich würde das sehr begrüßen –, sodass eine
lare Linie verfolgt wird. Ich stelle aber auch fest, dass
ie von Belgien vorgelegte Opting-out-Regelung nicht
er richtige Weg sein kann.
Deswegen fordere ich Sie auf: Folgen Sie nicht dem
eg, den Belgien aufzeigt! Denn dieser Weg stellt eine
cheinlösung dar. Folgen Sie vielmehr dem Weg, den
er Deutsche Bundestag in großer Mehrheit aufgezeigt
at! Lassen Sie uns zu einem weltweiten generellen
lonverbot kommen und lassen Sie dies nicht nachein-
nder, sondern in einem Schritt geschehen!
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506619800

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wolfgang
odarg.


Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Rede ID: ID1506619900

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kol-

egen! In der kommenden Woche – das haben wir bereits
ehört – gehen die Klonverhandlungen in New York in
hre bisher wichtigste Runde. Denn in dieser Woche wird
ich entscheiden, ob es einen Auftrag geben wird, auf
N-Ebene eine internationale Konvention gegen das
lonen von Menschen zu erstellen.
Der Deutsche Bundestag hat zu dieser Frage schon

m 20. Februar einen Beschluss gefasst, der mit breiter
ehrheit – und zwar mit den Stimmen der SPD, der
rünen und der CDU/CSU – verabschiedet wurde. Ich
inde es daher mehr als bedauerlich, liebe Kolleginnen
nd Kollegen von der CDU/CSU, dass Sie jetzt aus tak-
ischen Gründen einen alten Antrag aus der Schublade






(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Wodarg

hervorgekramt haben und auf die Tagesordnung haben
setzen lassen. Wir werden diesen Antrag deshalb ableh-
nen.

Der Bundestag hat bereits klar und eindeutig eine Po-
sition bezogen, die nun bei den Verhandlungen in
New York umgesetzt werden muss. Dass die Umsetzung
des Bundestagsbeschlusses schwierig werden würde, hat
wohl keiner von uns jemals ernsthaft bezweifelt. Der
Widerstand einiger Länder gegen ein umfassendes Klon-
verbot – gleichgültig, zu welchem Zweck dieses Klonen
erfolgen soll – ist in der Tat massiv. Es kommt deshalb
darauf an, dass unsere Diplomaten einen ausreichenden
taktischen Spielraum haben, um das, was beschlossen
worden ist, auch umzusetzen.

Es muss bei dieser Gelegenheit aber auch klar gesagt
werden, dass es hinsichtlich des Zieles der diplomati-
schen Bemühungen keinen Spielraum gibt. Hier lässt
der Beschluss des Bundestages an Deutlichkeit nichts zu
wünschen übrig. Weil es in letzter Zeit – das war auch
heute der Fall – Irritationen in diesem Punkt gegeben
hat, möchte ich die entscheidende Stelle wörtlich zitie-
ren, und zwar mit einer Betonung, die deutlich macht,
worauf es hier ankommt:

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesre-
gierung in Fortführung seines Beschlusses vom Juli
2002 auf,
– eine VN-Konvention und weitere internationale

Konventionen anzustreben, die sowohl das re-
produktive wie das so genannte therapeutische
Klonen verbieten und darauf zielen, möglichst
viele Staaten für solche Konventionen zu gewin-
nen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dieser Satz wird von einigen so interpretiert, dass beim
so genannten therapeutischen Klonen Abstriche gemacht
werden können, um das Ziel zu erreichen, möglichst
viele Staaten zu gewinnen. Man braucht allerdings keine
große Meisterschaft im Auslegen von Texten zu besit-
zen, um zu erkennen, dass diese Interpretation – logi-
scherweise – nicht dem Wortlaut des Beschlusses ent-
spricht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Ziel, das die Bundesregierung anzustreben aufge-
fordert ist, ist eine Konvention, die das reproduktive
Klonen und das Klonen zu Forschungszwecken verbie-
tet. Für eine solche Konvention – nicht für irgendeine
andere – sollen möglichst viele Staaten gewonnen wer-
den. Daran kann keine noch so kreative Auslegung et-
was ändern.

Die Bundesrepublik Deutschland kann aus ethischen
und auch aus verfassungsrechtlichen Gründen gar nichts
anderes anstreben als ein umfassendes Verbot aller
Formen des Klonens.

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(C (D Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des bgeordneten Lammert? Ja, gern. Herr Kollege Wodarg, haben Sie persönlich den Ein ruck, dass die Position der Bundesregierung in den lauenden internationalen Verhandlungen so glasklar ist wie ie Beschlusslage des Bundestages, die Sie gerade reundlicherweise noch einmal in Erinnerung gerufen aben? Herr Lammert, Sie, der Sie auch internationale Erfah ungen haben, wissen sehr genau, dass wir alle Möglicheiten nutzen müssen, um möglichst viele Staaten auf nsere Seite zu ziehen. ass das schon jetzt sehr viel Zeit gekostet hat, dass sich n der Zwischenzeit die Forschung weiterentwickelt hat nd dass es weitere Argumente für unsere Haltung gibt, ass die Zeit also für uns arbeitet, weiß auch die Bundesegierung. Deshalb ist es klug, wenn sie ihre Möglicheiten nutzt. (Dr. Norbert Lammert [CDU/CSU]: Ich habe nicht gefragt, was die Bundesregierung weiß, sondern danach, mit welchem Ziel sie verhandelt!)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506620000
Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Rede ID: ID1506620100
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1506620200

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Na klar!)

Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Rede ID: ID1506620300

(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Ja oder Nein?)


Ich habe gesagt, dass die Bundesregierung klug han-
elt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Bundesregierung kann aus ethischen und verfas-
ungsrechtlichen Gründen, wie ich bereits sagte, gar kein
nderes Ziel als das eines umfassenden Verbots aller
ormen des Klonens verfolgen. Die Abgrenzung des
eproduktiven Klonens gegenüber dem so genannten
herapeutischen Klonen ist bereits ideologisch höchst
ufgeladen. Was geschieht denn beim so genannten
herapeutischen Klonen? Da wird ein Embryo, ein
ensch in der frühesten Phase seiner Existenz, geschaf-

en, um ihn zu Forschungszwecken sofort wieder zu tö-
en. Wird dabei etwa kein Mensch „reproduziert“? Wer
arauf mit Nein antwortet, wer sagt, dass Reproduktion
rst gegeben ist, wenn sich der menschliche Embryo zu
inem Fötus weiterentwickelt oder geborenen wurde, der
ehauptet damit letztlich, dass ein menschlicher Embryo
ar kein Mensch ist. Genau diese Behauptung ist aber
it dem Menschenwürdekonzept unserer Verfassung
nvereinbar.
Der gegenwärtig auf UN-Ebene kursierende bel-

isch-chinesische Entwurf, der lediglich ein Verbot des






(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Wodarg

so genannten reproduktiven Klonens vorsieht, der aber
nationale Regelungen für das Klonen zu anderen Zwe-
cken erlauben möchte, ist daher meiner Meinung nach
für die Bundesrepublik Deutschland weder akzeptabel
noch ist er mit dem Beschluss des Bundestages vom
20. Februar dieses Jahres vereinbar. Eines darf deshalb
nicht passieren: Keinesfalls darf das therapeutische Klo-
nen innerhalb einer UN-Konvention durch die ausdrück-
liche Zulassung nationaler Regelungen auch noch legiti-
miert werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mit einer einfachen Opt-out-Regelung könnten mei-
ner Einschätzung nach auch diejenigen Staaten leben,
die bereits signalisiert haben, nur einem umfassenden
Klonverbot zuzustimmen. So könnten wir diese Staaten
gewinnen; denn mit einer solchen Regelung würde klar-
gestellt, dass sich diejenigen Staaten, die sich einem ge-
nerellen Klonverbot nicht anschließen wollen, außerhalb
des Willens der Weltgemeinschaft stellen. Dieses Ziel
– das ist mir wichtig – sollten wir anstreben.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506620400

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Ulrike Flach.

Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1506620500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die vor-

liegenden Anträge haben eines gemeinsam: Es geht da-
rum, ob wir unsere bundesrepublikanischen ethisch-mo-
ralischen Maßstäbe absolut setzen oder ob wir zu
Kompromissen fähig sind,


(Dr. Maria Böhmer [CDU/CSU]: Menschenwürde ist unteilbar!)


um europäisch und international weiterzukommen. Des-
wegen möchte ich auch zuerst etwas zu den anderen An-
trägen sagen, die hier heute zur Debatte stehen.

Wenn der Deutsche Bundestag beschließt, die EU
dürfe keine Fördermittel für Forschung an embryona-
len Stammzellen vergeben, weil diese Forschung in
Deutschland unzulässig sei, dann heißt das vor allem
eines: Andere Länder werden in Zukunft ihre ethischen
Maßstäbe natürlich ebenso absolut setzen, wie wir das
heute tun. Wer wollte ihnen dieses Recht nehmen? Dann
werden wir erleben, dass ethisch-moralische Auffassun-
gen zum Tierschutz, zur Sterbehilfe oder zu Schwanger-
schaftsabbrüchen zukünftig gemeinsame europäische
Forschung verhindern.


(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Aber das finanziert doch keiner!)


– Lieber Herr Hüppe, es gibt kein deutsches Geld in
einem EU-Topf mehr; lassen Sie sich vom Kollegen
Hintze aufklären. – Das führte zu einer ernsten Bedro-
hung des Forschungsraums einer erweiterten EU mit
25 Staaten.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D as moralisch strengste Land würde das Tempo bestimen. So kann Europa – das sage ich Ihnen als Vorsitende des Forschungsausschusses ganz bestimmt – nicht is zum Jahre 2010 zum dynamischsten Forschungsraum er Welt werden. as kann Europa übrigens schon gar nicht, wenn die U-Länder zukünftig – wie Herr Röspel uns am Mittoch vorschlug – im Voraus darauf prüfen sollen, wo enn ethische Bedenken auftreten könnten. Das wäre das nde einer jeden schnellen Entwicklung und das Ende ines dynamischen Forschungsstandorts Europa, von em wir ja alle träumen. Was sind dann all die Sonntagseden über eine reformierte EU mit Mehrheitsentscheiungen und Abbau von Blockaden wert? Man kann nicht uf der einen Seite für Mehrheitsentscheidungen im Rat lädieren und auf der anderen Seite für ethische Vetoechte einzelner Länder. Eine Vielzahl der EU-Länder erlaubt die Forschung it embryonalen Stammzellen. Wir halten deshalb an er gemeinsamen Verantwortung für die europäische tammzellforschung fest. Frau Kollegin Flach, gestatten Sie eine Zwischen rage der Kollegin Dominke? Ja, natürlich. Verehrte Frau Kollegin Flach, wir stimmen doch weit ehend in der Meinung überein, dass es hier um die rage geht, ob ein Embryo Menschenwürde besitzt. Sind ie der Ansicht, dass Menschenwürde relativ sein kann, lso nicht nur absolut Geltung besitzt, und an Staatsgrenen Halt machen kann? Liebe Frau Dominke, wir befinden uns hier im euro äischen Raum. Wir haben es mit unterschiedlichen ethichen Auffassungen zu tun. Allein neun Länder erlauben enau das, was wir in Deutschland nicht erlauben. Wir önnen es mit unserer nationalen Rechtsprechung, mit nserer nationalen Gesetzgebung natürlich so halten, ie wir wollen; daran hindert uns keiner. Wenn in andeen EU-Mitgliedstaaten Forschung in bestimmten Bereihen betrieben wird, Frau Dominke, muss diese nicht uch hier in Deutschland betrieben werden. Das ist nicht ie Frage. Es geht vielmehr darum, ob wir in einem uropa mit in Zukunft 25 Staaten noch eine gemeinsame orschungspolitik ermöglichen wollen. Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas zu dem ntrag der CDU/CSU zum Thema Klonen sagen. ier gilt genau wie in dem Bereich, den ich eben Ulrike Flach angesprochen habe, dass Sie Maßstäbe setzen, die Sie international nicht erfüllen können. (Thomas Rachel [CDU/CSU]: Sie versuchen es ja noch nicht einmal!)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506620600
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1506620700
Vera Dominke (CDU):
Rede ID: ID1506620800
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1506620900

(Beifall bei der FDP)





(A) )


(B) )


Ich finde, dass Frau Müller das eben sehr realistisch dar-
gestellt hat. Der Forschungsausschuss war ja in New
York und hat sich das erläutern lassen. Sie werden mit
Ihrer Maxime, höchste Ansprüche zu stellen, auf der
Welt nichts, aber auch gar nichts erreichen. Sie werden
erst recht nicht das erreichen, was Sie erreichen wollen,
nämlich das Verbot des Klonens, hinter dem natürlich
auch wir Liberale stehen. Sie werden aber auf dieser
Welt nicht zurecht kommen, wenn Sie die Kunst des
Kompromisses missachten. Die CDU/CSU-Fraktion – es
tut mir Leid, liebe Kolleginnen und Kollegen, das sagen
zu müssen – ist gerade dabei, dies zu tun.


(Beifall bei der FDP – René Röspel [SPD]: Scharfe Angriffe!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506621000

Das Wort hat der Abgeordnete Reinhard Loske.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kolle-

gen! Frau Flach, es handelt sich hier nicht um eine bio-
politische Debatte nach dem Motto „Am deutschen We-
sen soll die Welt genesen“, sondern um die Unteilbarkeit
der Menschenrechte. Ich glaube, das ist ein wichtiger
Unterschied.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der CDU/CSU)


Mir stehen nur wenige Minuten zur Verfügung. So
lassen Sie mich Folgendes sagen: Am 20. Februar 2003
haben wir erstens den Wechsel von einem zweistufigen
Verfahren zu einem einstufigen Verfahren beschlossen.
Wir waren nämlich der Meinung, dass ein zweistufiges
Verfahren diplomatisch nicht zum Erfolg geführt und im
Prinzip unter der Hand eine Legitimation des therapeuti-
schen Klonens zum Ergebnis gehabt hätte. Zweitens ha-
ben wir uns für ein umfassendes Verbot aller Formen des
Klonens entsprechend der deutschen Rechtslage einge-
setzt. Drittens sollten für diesen Ansatz möglichst viele
Staaten gewonnen werden.

Positiv ist, dass wir jetzt bei einem einstufigen Ver-
fahren sind. Es wird über das Klonen an sich geredet.
Man verfährt nicht nach dem Motto: „Erst einmal das re-
produktive Klonen behandeln und später – am Sankt-
Nimmerleins-Tag – das therapeutische Klonen; vielmehr
werden beide Formen des Klonens zusammen behandelt.

Die Situation ist dadurch schwierig geworden, dass
zwei verschiedene Anträge vorliegen: Der Antrag von
Costa Rica und anderen Staaten spricht sich für einen to-
talen Bann aus. Der Antrag von Belgien und anderen
Staaten fordert dagegen das Verbot des reproduktiven
Klonens. Was das therapeutische Klonen angeht, spricht
er sich entweder für einen Bann oder für ein Moratorium
oder für nationale Regelungen – er gibt dabei keine

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(C (D ichtung vor – aus. Dieser Antrag plädiert also für volltändige Offenheit. Das ist ein Problem. Dadurch ist der ntrag Belgiens und anderer Staaten in keiner Weise zutimmungsfähig. Das muss man ganz klar sagen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der CDU/CSU)


Im Raum steht die Drohung, dass sich einige Staaten
n Verhandlungen auf der Basis des jeweils anderen An-
ags nicht beteiligen werden. Diese schwierige Situation
sst sich unseres Erachtens nur bewältigen, wenn ein
erhandlungsauftrag erteilt wird, in den beide Anträge
inbezogen werden, damit auf dieser Grundlage bis 2004
ersucht wird, eine möglichst große Schnittmenge zu er-
eichen. Eine kontroverse Abstimmung zu Beginn des
erhandlungsprozesses wäre ungewöhnlich und würde
iele Staaten vom Verhandlungstisch drängen.
Unsere Priorität ist also ganz klar: einen Auftrag zu

inem Verhandlungsprozess zu erteilen, an dem sich sehr
iele, möglichst alle Staaten beteiligen können. Wir for-
ern die Bundesregierung für den Fall, dass es doch zu
iner Kampfabstimmung kommt – wir fänden das
chlecht –, auf, dass sie dem Antrag Belgiens und ande-
er Staaten – jedenfalls nicht in der jetzigen Form – nicht
ustimmt; denn er spricht sich unter anderem für natio-
ale Regelungen ohne irgendeine Form der Qualifizie-
ung aus. Das würde – ich sagte es bereits – vollständige
ffenheit bedeuten.
Der Antrag Costa Ricas und anderer Staaten wäre
das ist gar keine Frage; darüber müssen wir nicht lange
eden – vom Inhalt her zustimmungsfähig. Was er diplo-
atisch bedeutet, wird zu beurteilen sein. Wir beobach-
n diesen Prozess. Die Bundesregierung wird ihre Posi-
on – da habe ich Vertrauen – eindeutig auf der
rundlage des Bundestagsbeschlusses einnehmen.
Zum Schluss möchte ich auf das 6. EU-Forschungs-

ahmenprogramm zu sprechen kommen. Dieses
hema hätte wahrlich eine vertiefte Beratung verdient.
an muss ganz klar sagen: Die Vorschläge von EU-
ommissar Busquin sind für uns vollkommen unakzep-
bel.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der CDU/CSU)


Frau Böhmer, es war für mich wirklich sehr interes-
ant, als auf unserer Veranstaltung Professor Schöler von
er Pennsylvania State University – es handelt sich um
inen Wissenschaftler, der auf diesem Feld arbeitet – von
ich aus sagte, eine Stichtagsregelung, also die Be-
chränkung auf ein Dutzend vorhandener Stammzellli-
ien und damit keine weitere Öffnung, sei auch wissen-
chaftspolitisch vernünftig, denn wenn in Tokio, in
ünchen, in New York oder wo auch immer nur an den
orhandenen Linien geforscht wird, wären die wissen-
chaftlichen Ergebnisse vergleichbar. Das heißt, wir
üssen in dieser Angelegenheit keine Schleusen öffnen.
ir setzen uns deshalb für eine Stichtagsregelung im
inblick auf die Forschung an embryonalen Stammzel-






(A) )



(B) )


Dr. Reinhard Loske

len – nicht an Embryonen – in der Europäischen Union
ein.

Danke schön.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506621100

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hubert Hüppe.

Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1506621200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aus der

Mitte dieses Hauses haben wir fraktionsübergreifend un-
seren Antrag zum 6. EU-Forschungsrahmenprogramm
eingebracht. Damit wollen wir noch einmal verdeutli-
chen, dass der Deutsche Bundestag solche Forschungs-
vorhaben ablehnt, die in Deutschland sogar mit Frei-
heitsstrafe – Frau Flach, das will ich hier noch einmal
deutlich machen – geahndet werden können.


(Ulrike Flach [FDP]: Es hindert Sie ja keiner dran! Wir wollen der Bundesregierung heute bei dem Bestreben den Rücken stärken, europäische Partner für eine Sperrminorität zu finden, damit nicht mit europäischen Steuergeldern menschliche Embryonen zu Forschungszwecken getötet werden. (Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Den Rücken stärken, das solltet ihr häufiger machen!)


– Nicht immer gibt man uns so viel Grund dazu.
Ein großer finanzieller Anteil des europäischen Bei-

tragsaufkommens wird von Deutschland erbracht. In
dem sensiblen Bereich der Bioethik stellen wir innerhalb
Deutschlands höchste Anforderungen im Hinblick auf
die Einhaltung der Menschenwürde. Deshalb wäre es
für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland kaum
verständlich, wenn wir eine EU-Förderung der verbrau-
chenden Embryonenforschung mit deutschen Steuergel-
dern unwidersprochen hinnehmen würden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen bekommen wir auch oft genug zu hören,
dass es dem europäischen Gedanken schadet, wenn man
nicht auf die Menschenwürde, so wie wir sie verstehen,
Rücksicht nimmt.

Wir hätten es auch begrüßt – das darf ich an dieser
Stelle sagen –, wenn die deutschen EU-Kommissare,
Frau Schreyer und Herr Verheugen, dem Vorhaben der
EU-Kommission nicht zugestimmt hätten.


(Dr. Maria Böhmer [CDU/CSU]: So ist es! – Thomas Rachel [CDU/CSU]: Wohl wahr!)


Wir hätten es begrüßt, wenn Frau Schreyer und Herr
Verheugen gezeigt hätten, dass sie sich dem Menschen-
würdeverständnis des Grundgesetzes und dem Geist un-
serer Gesetze verpflichtet fühlen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wissen, dass einige Partnerstaaten in der EU bei

der verbrauchenden Embryonenforschung Wege gehen,

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(C (D ie wir aus ethischen Gründen, wegen unserer Verfasung und der Rechtslage bei uns nicht mitgehen können. as gibt Anlass zur Besorgnis. Aber wir suchen den Dilog mit diesen Partnerstaaten. Wir wissen, dass wir die ationale Gesetzgebung und Praxis in diesen Partnertaaten von hier aus nicht direkt beeinflussen können. Es äre aber von noch ganz anderer Qualität, wenn wir mit eutschen Steuergeldern mittelbar die verbrauchende mbryonenforschung in diesen Ländern unterstützten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen mit unserem fraktionsübergreifenden An-
ag einen Beitrag dazu leisten, dass nach Ablauf des
oratoriums eine Regelung getroffen wird, die mit un-
erer Rechtslage und unseren Interessen vereinbar ist.
ch weise ausdrücklich darauf hin, Frau Flach, dass un-
er Antrag das Prinzip der Mehrheitsentscheidung bei
orschungspolitischen Entscheidungen der EU nicht in-
rage stellt.


(Ulrike Flach [FDP]: Natürlich tut er das!)

Nein, das tut er nicht. Es geht uns auch nicht um allge-
eine Forschungsvorhaben, sondern nur um den sensib-
en Bereich der Biomedizin.


(Ulrike Flach [FDP]: Das ist doch der Anfang vom Ende!)


as steht in unserem Antrag. Lesen Sie ihn sich durch!
Weil wir diese Argumentation schon kannten, haben

inige der Initiatoren im Ausschuss ja auch noch einen
nderungsantrag eingebracht, der genau das klarstellt.
ie sollten nicht versuchen, etwas anderes hineinzuinter-
retieren.
Der Antrag vonseiten der FDP ist für mich sehr

chwer nachvollziehbar. Er benachteiligt den For-
chungsstandort Deutschland; das muss man einmal so
eutlich sagen.


(Ulrike Flach [FDP]: Warum das denn?)

ie Mittel nämlich, die für diese Forschung ausgegeben
erden, stehen deutschen Forschern nicht zur Verfü-
ung, weil hier aufgrund unserer Verfassung und unseres
trafrechts solche Forschungsvorhaben nicht durchge-
ührt werden dürfen. Das betrifft auch den Bereich der
io- und Gentechnologie.


(Ulrike Flach [FDP]: Da sehen Sie doch, wie Sie uns wettbewerbsmäßig schaden!)


Nein! – Deswegen bitte ich Sie, meine Damen und
erren, unserem Antrag zuzustimmen und so ein deutli-
hes Signal zu setzen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist schon häufiger über die internationale Konven-
on zum Verbot des Klonens gesprochen worden. Es
urde auch deutlich gesagt, dass der Beschluss, den wir
Februar gefasst haben, unmissverständlich ist. Umso

nverständlicher ist für uns, wie verhandelt worden ist.






(A) )



(B) )


Hubert Hüppe

Aus meiner Sicht wurde das Verfolgen unserer gemein-
samen Ziele nicht so deutlich, wie Sie, Frau Müller, es
eben dargestellt haben. Wenn jedes Klonen menschlicher
Embryonen die Menschenwürde verletzt, dann kann und
darf es keine Konvention geben, die das Klonen zu
Fortpflanzungszwecken verbietet, aber das Klonen zu
einem anderen Zweck einer wie auch immer gearteten
nationalen Regelung anheim gibt. Wenn es um die Men-
schenwürde auf der einen Seite und um einen Verstoß
gegen die Menschenwürde auf der anderen Seite geht,
dann kann es keinen Konsens geben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Christa Nickels [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Nach dem, was Sie als Schritt drei angekündigt ha-
ben, betrachten Sie schon eine nationale Regelung als
Erfolg. Was bedeutet das? Wie soll eine solche nationale
Regelung aussehen? Würde schon eine zahlenmäßige
Begrenzung oder eine Meldepflicht ausreichen, um dem
Gebot einer solchen Konvention Genüge zu tun?

Meine Damen und Herren, in dem Beschluss steht,
dass „möglichst viele Staaten“ ein Klonverbot unterstüt-
zen sollen. Aber es steht auch genau darin, wie diese
Konvention aussehen soll: Sie soll jeden Zweck des Klo-
nens verbieten; jede Erzeugung eines menschlichen
Klons soll verboten werden. Da darf es aus meiner Sicht
keine Kompromisse geben.

Es wird behauptet, wenn diese Konvention Geltung
bekäme, hätte sie keine Konsequenzen. Immerhin unter-
stützen jetzt 53 Länder den Entwurf Costa Ricas. Eine
echte Antiklonkonvention würde maßgebliche Absatz-
märkte für Produkte aus geklonten Embryonen versper-
ren.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Mögliche Investoren würden sich mit ihrem Kapital ei-
nem anderen Bereich der Biotechnologie zuwenden.
Junge Wissenschaftler würden nicht eine perspektivlose
Richtung einschlagen, die nicht nur in Deutschland, son-
dern auch in wichtigen Hochtechnologieländern wie den
USA illegal ist.

Deshalb darf ich Sie noch einmal auffordern: Unter-
stützen Sie den Antrag von Costa Rica oder machen Sie
zumindest deutlich, dass Sie, wenn es zu einer Abstim-
mung kommt, diesem Antrag zustimmen, der letztend-
lich unserem nationalen Recht entsprechen würde!

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506621300

Das Wort hat jetzt der Kollege René Röspel von der

SPD-Fraktion.

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(C (D Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Vor etwa zwei Jahren haben wir in der Bundesepublik mit viel Ernst eine sehr breite und tief gehende esellschaftliche Diskussion über die Fragen von Biothik und Gentechnologie geführt. Eine der zentralen ragen, die immer wieder gestellt wurden, lautete: Darf an mit Embryonen forschen? Darf man Embryonen zu orschungszwecken zerstören? Diese gesellschaftliche Diskussion ist in die Debatte es Deutschen Bundestages am 30. Januar 2002 eingeangen. Der Deutsche Bundestag hat mit großer Mehreit beschlossen, das Embryonenschutzgesetz von 1990 u bestätigen: In Deutschland soll kein Embryo zu Forchungszwecken zerstört werden. Im Rahmen dieser Debatte ist es aber auch zu einem ompromiss gekommen, nämlich zu dem Stammzellgeetz: Unter ganz bestimmten, engen Bedingungen wolen wir Stammzelllinien, die bereits in der Welt exisieren, den deutschen Forschern zur Verfügung stellen. Das widersprach aber nicht dem gefassten Grundsatz. Im selben Jahr wurde aber das 6. EU-Forschungs ahmenprogramm verabschiedet, in dem europäische orschung gebündelt, geregelt und organisiert werden oll. Das ist gut so und das ist auch sinnvoll. Aber es gibt ben ein Problem: In diesem Rahmenprogramm soll uch die Forschung an und mit Embryonen gefördert erden. Das hieße konkret: Es dürfte mit europäischen eldern gefördert und erforscht werden, was in Deutschand verboten ist. Die Bundesregierung hat deshalb den Bundestagsbe chluss vom 30. Januar 2002 umgesetzt und sich erfolgeich für ein europäisches Moratorium in diesem Beeich eingesetzt, as am Ende des Jahres abläuft. Mit unserem Gruppenntrag, dessen Unterstützer aus allen Fraktionen außer er FDP kommen, fordern wir die Europäische Kommision auf, davon Abstand zu nehmen, die Forschung an mbryonen finanziell zu fördern. Nun wird immer wieder behauptet – auch Frau Flach at das heute wieder getan –, wir wollten den anderen nsere Ethik aufzwingen. Das ist nicht der Fall. as ist schlicht und einfach falsch. Wenn Großbritannien eiter an Embryonen forschen will, dann kann und soll s das tun. Wir wollen lediglich, dass mit deutschen und uropäischen Mitteln nicht gefördert wird, was wir als usfluss einer langen Debatte in Deutschland verboten nd nicht zugelassen haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1506621400

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der SPD)


(Ulrike Flach [FDP]: Was denn sonst?)


Weiter wird behauptet – das haben wir auch im For-
chungsausschuss erleben können –: Wenn wir das nicht






(A) )



(B) )


René Röspel

fördern, fällt Europa in der Forschung gegenüber den
USA zurück. Da muss man sich fragen: Geht es denn um
gewaltige Teilbeträge dieser 17,5 Milliarden Euro, die
das Forschungsprogramm zur Verfügung stellen soll?
Laufen da viele Forschungsprojekte, die nicht gefördert
werden können?

Dem ist nicht so. Seit dem ersten Aufruf zum 6. EU-
Forschungsrahmenprogramm sind drei Anträge auf För-
derung von Forschung an embryonalen Stammzellen ge-
stellt worden. Alle drei Anträge sind aus wissenschaftli-
chen Gründen abschlägig beschieden worden. Das heißt,
es gibt nicht einmal einen Antrag auf Förderung eines
solchen Projekts. Selbst wenn es kein Moratorium gäbe,
würde der Mittelabfluss 0 Euro betragen; letztlich ist
dies eine Diskussion über 0 Euro. Allein aus diesem
Grund ist noch weniger verständlich, dass die EU-Kom-
mission hier einen Konflikt generiert, der nicht notwen-
dig ist, der nicht wünschenswert ist und der nicht einmal
mit Nachfrage belegt werden kann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aus diesem Grund möchte ich Sie ganz herzlich bit-

ten, nicht nur unserem Gruppenantrag, sondern auch
dem mit einer Dreiviertelmehrheit gefassten Beschluss
des Bundestagsausschusses für Forschung, Bildung und
Technikfolgenabschätzung zu folgen und die embryo-
nale Stammzellenforschung auf europäischer Ebene
nicht finanziell fördern zu lassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506621500

Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf

Drucksache 15/301 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Abweichend von der
Tagesordnung soll die Vorlage federführend im Auswär-
tigen Ausschuss beraten werden. Sind Sie damit einver-
standen? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so
beschlossen.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung auf Drucksache 15/1725. Der Ausschuss emp-
fiehlt unter Nr. 1, den Antrag der Abgeordneten Hubert
Hüppe, Christa Nickels, René Röspel und weiterer Ab-
geordneter auf Drucksache 15/1310 mit dem Titel „For-
schungsförderung der Europäischen Union unter Re-
spektierung ethischer und verfassungsmäßiger
Prinzipien der Mitgliedstaaten“ in der Ausschussfassung
anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die
Beschlussempfehlung ist damit mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen und der CDU/CSU gegen die Stim-
men der FDP angenommen.

Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung
des Antrags der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia
Pieper, Christoph Hartmann und weiterer Abgeordneter
auf Drucksache 15/1346 mit dem Titel „Kein Ausstieg

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(C (D us der gemeinsamen Verantwortung für die europäische tammzellforschung“. Wer stimmt für diese Beschlussmpfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – ie Beschlussempfehlung ist mit dem gleichen Stimenverhältnis wie zuvor angenommen. Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 14 auf: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine einmalige Entschädigung an die Heimkehrer aus dem Beitrittsgebiet – Drucksache 15/407 – a)


(Erste Beratung 28. Sitzung)

schusses (4. Ausschuss)

– Drucksache 15/1625 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Gerold Reichenbach
Hartmut Büttner (Schönebeck)

Silke Stokar von Neuforn
Dr. Max Stadler

b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung
– Drucksache 15/1626 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Klaus Hagemann
Anja Hajduk
Otto Fricke

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
einen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort als erster Red-

er hat der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf
örper.
Fr
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1506621600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Be-

eichnung des Gesetzentwurfs des Bundesrats über eine
inmalige Entschädigung an die Heimkehrer aus dem
eitrittsgebiet trägt sozusagen den Irrtum auf der Stirn.
enn das, was der Gesetzentwurf angeblich für die
eimkehrer im Beitrittsgebiet nachholen will, war keine
ntschädigung, sondern eine Eingliederungshilfe.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


iese wurde bereits 1992 bei den Heimkehrern im Bei-
rittsgebiet mit Rücksicht auf die längst vollzogene Ein-
liederung der Betroffenen nicht mehr für erforderlich
ehalten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der gesamtdeutsche Gesetzgeber hat vor rund zehn

ahren im Rahmen des Kriegsfolgenbereinigungsgeset-
es eine sachlich richtige Entscheidung getroffen. Er hat






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper

das mit Maßgaben auf das Beitrittsgebiet übergeleitete
Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz mit Wirkung
vom 1. Januar 1993 aufgehoben, weil er zu Recht der
Auffassung war, dass durch den Beitritt als solchen
keine Eingliederungssituation für ehemalige Kriegsge-
fangene entstanden war, der durch die Leistungen nach
dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz hätte be-
gegnet werden müssen.

Das vom Bundesrat behauptete Gerechtigkeitspro-
blem, das unter dem Gesichtspunkt der Vollendung der
inneren Einheit Deutschlands ausgeräumt werden
müsste, existiert nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eine Benachteiligung der Heimkehrer im Beitrittsgebiet
hat im Vergleich zu den in den damaligen Geltungsbe-
reich des Gesetzes zurückgekehrten ehemaligen Kriegs-
oder Geltungskriegsgefangenen nicht stattgefunden;
denn bei den Heimkehrern im Beitrittsgebiet hat wegen
Zeitablaufs zum Zeitpunkt des Beitritts eine vergleich-
bare Eingliederungssituation nicht mehr vorgelegen.

Trotz der vielleicht nicht ganz glücklichen Bezeich-
nung Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz bleibt fest-
zuhalten, dass die Leistungen nach diesem Gesetz vor-
nehmlich Eingliederungszwecken dienten. Wer dies
nicht erkennen will, dem sei beispielsweise die Lektüre
der Gesetzesmaterialien zur vierten Novelle des
Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes empfohlen.

Einen Paradigmenwechsel derart, dass aus Eingliede-
rungshilfen nachträglich eine Entschädigung gemacht
würde, hält die Bundesregierung weder für nachvoll-
ziehbar noch für gerechtfertigt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mit einer neuen Entschädigungsregelung würde ein
Gleichbehandlungsproblem vielmehr erst entstehen.
Das haben offenbar auch die Initiatoren des Gesetzent-
wurfs erkannt; denn dort wird ausdrücklich die Entschä-
digung von Zwangsarbeit für Drittstaaten als eines der
Regelungsziele angegeben. Zwangsarbeit von Deut-
schen für Drittstaaten ist indessen stets als allgemeines
Kriegsfolgenschicksal bewertet worden, mit dem sich
die Sozialgesetzgebung befasst hat, vornehmlich im
Bundesversorgungsgesetz. Diese Diskussion werden wir
mit Sicherheit bei der Behandlung des Antrages der
CDU/CSU zur Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter
fortsetzen.

Ich bedaure insbesondere, dass – wie nicht zuletzt die
vom Innenausschuss am 26. Juli dieses Jahres durchge-
führte öffentliche Sachverständigenanhörung gezeigt hat
– bei den betroffenen Menschen auf der Grundlage die-
ses Paradigmenwechsels die Vorstellung genährt wor-
den ist, ungerecht behandelt worden zu sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zugleich wurden bei ihnen unbegründete Erwartungen
hinsichtlich einer Korrektur dieses vermeintlichen Un-

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(C (D echts hervorgerufen. Diese Spaltung der betroffenen ruppen ist nicht wieder gutzumachen. Auch aufgrund der letztlich nicht kalkulierbaren Kos en hält die Bundesregierung eine neue Entschädigungsegelung für nicht vertretbar. Schon die Zahl der unmitelbar vom Gesetzentwurf Begünstigten lässt sich nur chwer schätzen und ist daher nicht zuverlässig. Solche chätzungen liegen für die Geltungskriegsgefangenen icht einmal vor. Im Übrigen wären die durch diesen räzedenzfall entstandenen Folgekosten zur Entschädiung von Zwangsarbeitern haushaltspolitisch nicht zu erantworten. Schon 1966 hat der damalige Bundesanzler in seiner Regierungserklärung festgestellt: Die Gesetzgebung über die Abwicklung von Kriegsund Nachkriegsfolgen sollte abgeschlossen werden. Die Finanzlage des Bundes beweist, dass wichtige Aufgaben der Zukunftsvorsorge sträflich vernachlässigt werden, wenn die kommenden Jahre durch neue Zahlungen für die Vergangenheit belastet würden. Es sind aber die Worte des Bundeskanzlers Kurt Georg iesinger. Es gibt folglich keinen sachlichen Grund, nicht an em 1969 eingeführten und bewährten Stiftungsmodell estzuhalten, das Unterstützungsleistungen in Fällen irtschaftlicher Notlagen erlaubt. Soweit bei der Heimehrerstiftung im laufenden Haushaltsjahr Finanzengässe auftreten, werden wir diese weitgehend ausräuen. Das haben wir in die Wege geleitet und das wollen ir auch im Jahr 2004 so handhaben. Nach unserem Daürhalten ist das der richtige Weg, mit diesem Thema mzugehen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Dr. Max Stadler [FDP]: Gefährliches Zitat!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506621700

Das Wort hat der Kollege Hartmut Büttner von der
DU/CSU-Fraktion.


Hartmut Büttner (CDU):
Rede ID: ID1506621800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Die Entschädigung von Spätheimkehrern, wel-
he auf das Gebiet der früheren DDR entlassen worden
ind, ist wahrlich kein Ruhmesblatt für den Deutschen
undestag.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

ie ich immer wieder betont habe, kann ich auch meine
igene Fraktion von diesem Vorwurf nicht ausnehmen.
llerdings ging auch von allen anderen Fraktionen des
eutschen Bundestages niemals eine für die Heimkehrer
ositive Initiative aus.
Wir alle gemeinsam haben also zu verantworten, dass

ie betroffenen Menschen bisher im Stich gelassen wur-
en. Aus diesem Grund habe ich bei den Beratungen des
nnenausschusses immer wieder angemahnt, die sonst






(A) )



(B) )


Hartmut Büttner (Schönebeck)


üblichen parteitaktischen Schuldzuweisungsrituale an
dieser Stelle zu unterlassen.


(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Hoffentlich halten Sie sich daran!)


Das war leider nicht immer der Fall.
Wie wir in der sehr beeindruckenden Anhörung fest-

stellen konnten, ist das die allerletzte Chance für die von
der Geschichte so hart gebeutelten Menschen, eine Ent-
schädigungsleistung des demokratischen Deutschlands
erleben zu können; denn die jüngsten Berechtigten sind
80 Jahre alt. Für mich war diese Anhörung auch deshalb
so aufschlussreich und interessant, weil immerhin mehr
als 250 von diesen über 80-Jährigen nach Berlin kamen.
Sie wollen eine Entschädigung; sie wollen Gleichbe-
handlung und sie wollen Gerechtigkeit in diesem
Deutschland erfahren.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will zur Verdeutlichung sagen: Bei den Spätheim-

kehrern handelt es sich um Kriegsgefangene, die mehr
als zwei Jahre in fremdem Gewahrsam waren. Für
Kriegsgefangene, die in das westliche Deutschland ent-
lassen worden sind, gab es in der Tat eine Entschädi-
gung. Den Kriegsgefangenen, die in das östliche
Deutschland entlassen worden sind, erging es anders.
Die Entschädigung im Westen war bei einer Höhe von
12 000 DM gedeckelt. Menschen mit dem gleichen
Schicksal, die in die SBZ oder in die spätere DDR ent-
lassen worden sind, erhielten hingegen außer 50 Ost-
mark keinerlei weitere Entschädigung. Im Gegenteil: Sie
mussten in ihrem Leben den verbrecherischen Krieg der
braunen Diktatur doppelt und dreifach bezahlen. Wir ha-
ben erschütternde Beispiele und Berichte in der Anhö-
rung gehört, welchen Pressionen diese Menschen in der
roten Diktatur der DDR ausgesetzt waren.


(Klaus Brähmig [CDU/CSU]: So ist es!)

Nun haben wir gehört, dass Vertreter der Regierungs-

koalition dem Wunsch nach einer Entschädigung mit
dem Argument widersprechen, im Westen habe es sich
um eine Eingliederungshilfe gehandelt. Aber, lieber
Herr Körper, der Text des Kriegsgefangenenentschädi-
gungsgesetzes von 1954 spricht eine ganz andere Spra-
che. Da heißt es in § 3: Für das Festhalten im ausländi-
schen Gewahrsam wird eine Entschädigung gewährt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Nun sagen Sie: Das ist der Wortlaut des Gesetzes, aber

vom Charakter her war das Kriegsgefangenenentschädi-
gungsgesetz eben nur eine Hilfe zur Eingliederung in die
westdeutsche Gesellschaft. Liebe Kolleginnen und Kol-
legen, diese Argumentation wird allein durch die puren
Fakten widerlegt. Ein erstes Gesetz wurde nämlich erst
neun Jahre nach Kriegsende verabschiedet. Die zahlrei-
chen Neufassungen wurden teilweise erst 20 Jahre nach
Kriegsende beschlossen. Zum Zeitpunkt der finanziellen
Leistungen an die Betroffenen im Westen war ihre Ein-
gliederung im Wesentlichen abgeschlossen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D Diese Anhörung hat uns in vielen Bereichen neue Erenntnisse geliefert, so zur Zahl der Berechtigten. Die ahlen, die uns vorliegen, sind in einer offiziellen Miteilung des Präsidenten des Statistischen Bundesamtes nthalten. 1998 ging das Bundesamt von insgesamt 0 000 berechtigten Personen aus. Aufgrund der hohen terblichkeitsquote – sie kann den Statistiken des Heimehrerverbandes entnommen werden – leben jetzt nur och 24 000 ehemalige Kriegsgefangene und nur noch twa 14 000 so genannte Geltungskriegsgefangene. Daei handelt es sich um verschleppte Zivilpersonen mit eiem gleichartigen Schicksal. Aufgrund dieser Zahlen ann man sagen, dass die Entschädigungszahlung den und jetzt nur noch 22 Millionen Euro kosten würde. Es ällt an dieser Stelle sehr schwer, unter dem Eindruck der mmer weiter zurückgehenden Zahlen nicht zynisch zu erden. Neue Erkenntnisse gab es in der Anhörung auch urch einen Beitrag unseres Kollegen und stellvertretenen Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Hansoachim Hacker, der darlegte, dass es für die Zwangsdeortierten aus den früheren deutschen Ostgebieten längst ine Regelung gegeben habe. Die Geltungskriegsgefanenen wie die besonders bestialisch gequälte Frau owacki hätten einen Anspruch auf Leistungen aus dem onds der Stiftung für politische Häftlinge. Herr acker erweckte den Eindruck, durch Gesetzesänderunen und durch eine Aufstockung des Stiftungsbetrages ätte es bei etwas mehr Pfiffigkeit der Antragstellerin ängst zu einer Entschädigung kommen können. Doch leider weit gefehlt! Welche Enttäuschung, als ir feststellten, dass uns im Wesentlichen finanzielle uftschlösser und Trugbilder als Alternativen vorgegauelt worden sind! Denn Realität ist: Derzeit warten mehr ls 800 anerkannte politische DDR-Häftlinge auf Untertützung. Wie soll da eine Leistung für eine neue Gruppe ie die Geltungskriegsgefangenen zusätzlich zu finanieren sein (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Abg. Hans-Joachim Hacker [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


ich möchte im Gesamtzusammenhang vortragen –, zu-
al die Heimkehrerstiftung mit dem Rücken an der
and steht und ihre ureigenen Aufgaben überhaupt
icht finanzieren kann, wie in der Anhörung mehrfach
eutlich wurde?
Als dritter Pfeiler Ihrer sehr dünnen Argumentation,

ieber Herr Körper, bleibt also nur noch übrig, dass mit
er Entschädigung für die Spätheimkehrer ein erneuter
räzedenzfall geschaffen worden wäre. Aber das ist ein
eines Scheinargument. Andere Gruppen aus den neuen
undesländern haben sich mit Entschädigungsforderun-
en im Rahmen von Kriegsfolgelasten bisher überhaupt
icht gemeldet.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD

nd von den Grünen, Sie haben bereits vor zwei Jahren
in moralisches und politisches Armutszeugnis abgelie-
ert, indem Sie schon damals einen Vorschlag, der auch
on Abgeordneten der SPD und den Grünen erarbeitet






(A) )



(B) )


Hartmut Büttner (Schönebeck)


worden ist, niedergestimmt haben. Heute haben Sie die
Chance, diese Fehlentscheidung zu korrigieren und zu-
mindest eine späte Gerechtigkeit in Deutschland zu
schaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506621900

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem

Kollegen Hans-Joachim Hacker von der SPD-Fraktion.


Hans-Joachim Hacker (SPD):
Rede ID: ID1506622000

Lieber Kollege Büttner, ich muss drei Dinge klarstel-

len: Erstens. In der Anhörung des Innenausschusses
habe ich nicht gesagt, Frau Nowacki sei nicht pfiffig ge-
wesen. Das hätte sich nicht gehört. Ich habe gesagt, die
Frau sei nicht richtig beraten worden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Das ist ein großer Unterschied!)


Denn wenn sie richtig beraten worden wäre, hätte sie
längst einen Antrag bei der Stiftung gestellt. Wenn sie
den Antrag vor drei Jahren gestellt hätte, wäre sie schon
vor drei bzw. zwei Jahren in den Genuss dessen gekom-
men, was sie wollte. Sie wollte nämlich eine kleine Feier
mit ihrer Familie machen. Das dazu notwendige Geld
hätte sie längst bekommen. Die Leistungen betragen un-
gefähr 2 000 Euro.

Zweitens. Die HHG-Leistungen, die Sie angespro-
chen haben – in diesem Zusammenhang kritisieren Sie
die Bundesregierung und die Regierungskoalition –,
haben Sie im Jahre 1994 im Rahmen der SED-Unrechts-
bereinigungsregelung auf 300 000 DM pro Jahr festge-
legt. Nach Regierungsübernahme hat die rot-grüne Koa-
lition diesen jährlichen Entschädigungsbetrag von
300 000 DM auf 1,5 Millionen DM erhöht.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf das Fünffache!)


Wir haben das Fünffache der Leistungen bereitgestellt,
die Sie vorgesehen haben. Jetzt kreiden Sie uns das an.

Drittens. Herr Büttner, Sie sprechen heute wieder da-
von – auch Ihre Kollegin Voßhoff hat das fälschlicher-
weise im Rechtsausschuss getan –, dass in Bonn Anträge
politischer Häftlinge liegen, die nicht bearbeitet werden.
Dies ist schlechtweg falsch. Nach § 18 des Strafrechtli-
chen Rehabilitierungsgesetzes gibt es für politische
Häftlinge einen Anspruch auf Unterstützungsleistungen.
All diese Ansprüche werden jährlich Schritt für Schritt
abgearbeitet.

Die Stiftung – ich war dort in der vorigen Woche – hat
mir erklärt: Es gibt beim Strafrechtlichen Rehabilitie-
rungsgesetz kein Problem, weil das Justizministerium
die Mittel in ausreichender Höhe bereitstellt. Wenn es
einmal aufgrund schwankender Antragszahlen Probleme
gibt, wird das BMF in jedem Falle behilflich sein.

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(C (D Ich will dazu sagen: Wir haben ein Problem mit den wangsverschleppten aus den Ostgebieten – Sie haben s nicht angesprochen –, die jetzt in erhöhter Zahl Anräge stellen, wodurch tatsächlich ein Berg von Anträgen ufgelaufen ist. Das hat Herr Körper hier auch eingeäumt. Wir arbeiten daran, diesen Berg abzubauen. Ich ritisiere, dass es solch einen Berg gibt. Er muss zügig bgebaut werden. Dafür müssen wir in den nächsten onaten mehr tun; aber wenn Sie behaupten, dass politiche Häftlinge, die das Schicksal politischer Verfolgung n der DDR erleiden mussten, durch uns keine Unterstütung erhalten, dann ist das schlichtweg falsch. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506622100

Herr Kollege Büttner, ich erteile Ihnen das Wort zur

rwiderung.


Hartmut Büttner (CDU):
Rede ID: ID1506622200

Lieber Herr Kollege Hacker, in einem Punkt haben

ie Recht: Sie haben in der Tat nicht Frau Nowacki man-
elnde Pfiffigkeit vorgeworfen. Sie haben aber deutlich
emacht, dass denjenigen, die sie beraten haben, offen-
ichtlich nicht bekannt war, dass sie über diesen Fonds
ür politische Häftlinge eine Entschädigung hätte erhal-
en können. Damit haben Sie ganz klar den Eindruck er-
eckt, dass die 14 000 Betroffenen, die noch leben, nor-
alerweise schon längst auf der Grundlage Ihrer
esetzesänderung – wenn sie davon gewusst hätten –
ätten entschädigt werden können.
Wir haben in einer offiziellen schriftlichen Stellung-

ahme von der Stiftung für politische Häftlinge, die ich
hnen gerne zeigen kann, den folgenden Hinweis be-
ommen: 800 politische Häftlinge können derzeit nicht
ntschädigt werden, weil entsprechende Finanzmittel
icht vorhanden sind. Wir sollten gemeinsam einen Weg
inden, die Stiftung in beiden Bereichen zu verbessern.
ir beteiligen uns gerne an der Arbeit.
Den betroffenen Spätheimkehrern – das zeigte die

anze Anhörung – ging es nicht um die Frage der sozia-
en Bedürftigkeit; es ging ihnen um Gerechtigkeit. Sol-
en diese Summen von 500, 1 000 und 1 500 Euro – je
achdem, wie lange die Damen und Herren in fremdem
ewahrsam waren – wirklich zu viel für das demokrati-
che Deutschland sein? Wollen Sie wirklich sagen, dass
ir, die deutsche Gesellschaft, diese 22 Millionen Euro
en Damen und Herren aus dem Osten – wir haben die
ntsprechenden Entschädigungen im Westen gezahlt –
icht zukommen lassen können? Das finde ich unmög-
ich!


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506622300

Als nächste Rednerin hat Silke Stokar von Neuforn

om Bündnis 90/Die Grünen das Wort.






(A) )



(B) )



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wie-

derhole, was ich schon in der letzten Debatte, als es um
die Frage der Gerechtigkeit im Zusammenhang mit
Kriegsheimkehrern ging, gesagt habe, weil sich offen-
sichtlich die ganze Debatte – nicht zum ersten Mal –
wiederholt. Es ist auch eine Wiederholung der Debatte,
die wir hier in der letzten, der 14. Legislaturperiode ge-
führt haben.

Wir brauchen nicht in die Gesetzestexte zu schauen,
sondern wir müssen uns die Debatten von 1966 – man
kann sie in den Archiven nachlesen; sie wurden bereits
herangezogen und waren schon in der 14. Legislaturperi-
ode von Bedeutung – ansehen. Es wird deutlich, es war
eine bewusste politische Entscheidung – sie war meiner
Meinung nach richtig – und kein Versäumnis von Politi-
kern, dass – gerade von Vertretern früherer Fraktionen
der CDU/CSU, von Ihren früheren Innenministern und
Bundeskanzlern; es gab bis Ende der 60er-Jahre keine
anderen – immer wieder gesagt wurde: Für die schreckli-
chen Folgen des deutschen Faschismus und für die
schrecklichen Folgen dieses Krieges kann es überhaupt
keine gerechte Entschädigung geben. Es gibt so unvor-
stellbar viele Opfer, dass es nur nach Opfergruppen ge-
trennte Hilfe geben kann, die in den Einzelfällen unter-
schiedlich ausfällt und auf die Personengruppe bezogen
ist.

Der Gerechtigkeitsunterschied liegt nicht in der Frage
Entschädigung oder Eingliederungshilfe, sondern darin,
dass diejenigen, die in die DDR zurückgekehrt sind,
doppelt bestraft waren: Diejenigen, die aus russischer
Kriegsgefangenschaft – unter Stalin – in die DDR zu-
rückgekehrt sind, mussten ihr Kriegsgefangenenschick-
sal verschweigen. Außerdem erhielten Sie kein Geld.

Während Ihrer gesamten Regierungszeit sind Sie
nicht davon abgegangen, zu behaupten, es sei damals
eine bewusste Entscheidung für eine Stiftung gewesen,
um in Einzelfällen helfen zu können.


(Hartmut Büttner [Schönebeck] [CDU/CSU]: Das war ein Fehler!)


Herr Hacker und Herr Körper haben das richtig darge-
stellt. Was Sie fordern, wird zum Teil erst durch das er-
möglicht, was während der rot-grünen Regierungszeit
getan wurde: Wir haben den fünffachen Betrag in die
Stiftung eingestellt. In Einzelfällen haben wir an Betrof-
fene in Notlagen viel mehr als das gezahlt, was Sie als
pauschale Entschädigung an alle zahlen wollen, nämlich
bis zu 2 000 Euro.

Ich befürchte – das wurde aus den Reihen der CDU/
CSU angekündigt –, dass wir erneut, wie 1966 – sozusa-
gen in permanenter Wiederholung –, über die einzelnen
Opfergruppen debattieren. Herr Marschewski hat ange-
kündigt – das klang auch in Äußerungen im Bundesrat
und aus den Reihen der CDU/CSU an –, dass erneut über
die Stiftung debattiert werden soll.

In Ihren heutigen Reden klang Betroffenheit an. Ich
habe bei der Anhörung – die betroffenen Menschen

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(C (D urden von den Verbänden mit Bussen zur Anhörung efahren – aber den Eindruck gewonnen, dass Sie Pareipolitik auf dem Rücken alter, betroffener Menschen achen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hartmut Büttner [Schönebeck] [CDU/CSU]: Da sind Sozialdemokraten dabei! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


iese Parteipolitik auf dem Rücken der Betroffenen
etzten Sie hier und heute fort.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hartmut Büttner [Schönebeck] [CDU/CSU]: Das ist lachhaft!)


s geht um die Emotionalisierung. Es geht um Stim-
ungsmache mit Opfergruppen. Ich sage Ihnen, dass ich
en Stil dieser Auseinandersetzung, den Stil dieser De-
atte in diesem Hause nicht mehr mitmache,


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Gehen Sie raus!)

eil ich denke, dass die Opfer eine andere Form der
ürdigung verdienen, nämlich die Form der Würdi-
ung, die Rot-Grün vornimmt.
Sie hatten in den 16 Jahren Ihrer Regierungszeit die
öglichkeit, etwas zu machen. Nach der deutschen Wie-
ervereinigung


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Haben wir viel gemacht!)


ar das für Sie kein Thema. Jetzt, wo Sie in der Opposi-
ion sind, machen Sie daraus ein parteipolitisches Thema
nd tragen es auf dem Rücken der Betroffenen aus. Ich
itte Sie, das jetzt einzustellen.
Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Sie müssen nicht das, was Sie sich selber zutrauen, anderen zutrauen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506622400

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Max Stadler von

er FDP-Fraktion.

Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1506622500

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en! Bei diesem Gesetzentwurf geht es um nicht mehr
nd nicht weniger als die Beseitigung einer Ungerech-
igkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

s wäre nicht zu spät, wenn man diese Ungerechtigkeit
ier und heute beseitigen würde.


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Symbole!)

Herr Staatssekretär Körper, aus diesem Grund finde

ch Ihren Hinweis auf die Rede des damaligen Bundes-
anzlers Kiesinger aus dem Jahre 1966 wirklich de-
latziert. Er habe damals, 1966, gesagt, dass die Kriegs-
olgenentschädigung allmählich ein Ende haben müsse,






(A) )



(B) )


Dr. Max Stadler

dass man nach vorne blicken müsse. Wenn das in unse-
rer heutigen Debatte ein wirkliches Argument wäre
– ich will keine falschen Parallelen zu anderen Sach-
verhalten herstellen –, dann wäre es aber auch nicht
richtig, dass noch im Jahre 2000 Lücken bei der Ent-
schädigung von NS-Unrecht geschlossen wurden; aber
alle vier Fraktionen waren der Meinung, dass das rich-
tig ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie mit dem Zitat

aus der Rede von Kiesinger Ihrem Koalitionspartner
Bündnis 90/Die Grünen aus der Seele gesprochen haben,
setzt er sich doch dafür ein, die vergessenen Opfer aus
der NS-Zeit auch jetzt noch zu entschädigen. Das Zeitar-
gument ist das schwächste Argument.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Es ist eine Ungerechtigkeit; denn die Frage der finan-

ziellen Zuwendung hing von dem Zufall ab, ob ein
Kriegsheimkehrer in die damals sowjetisch besetzte
Zone, in die spätere DDR, oder in den Westen zurückge-
kehrt ist. Die Betroffenen können es nicht nachvollzie-
hen, dass die eine Gruppe eine Entschädigung bekom-
men hat und die andere Gruppe nicht. Wenn von der
Bundesregierung ausgeführt wird, bei denjenigen, die in
den Westen gekommen sind, sei es keine Entschädigung,
sondern eine Eingliederungshilfe gewesen, dann können
das vielleicht Juristen verstehen, die betroffenen Men-
schen jedoch verstehen dies nicht.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Aus diesem Grund wird die FDP dem Gesetzentwurf zu-
stimmen. Denn es ist darüber hinaus auch nicht der Fall,
dass wir als Bundesrepublik Deutschland damit finan-
ziell überfordert wären.

Ich möchte allerdings einen Vorbehalt nennen. Es
hat mich in dem gesamten Gesetzgebungsverfahren ein
einziges ungutes Gefühl beschlichen. Wir kennen die
Haltung der Bundesregierung zu dieser Frage; sie
wurde vom Herrn Staatssekretär soeben wieder darge-
stellt. Wir wissen auch, dass die früheren Bundesregie-
rungen dieselbe Haltung hatten. Deswegen ist natürlich
absehbar, dass es für das berechtigte Anliegen keine
Mehrheit geben wird. Es tut mir daher Leid, dass in den
Menschen Hoffnungen geweckt worden sind, die mit
dem Ergebnis der Abstimmung, die gleich ansteht, ent-
täuscht werden.


(Sebastian Edathy [SPD]: Wer hat denn die Hoffnungen geweckt?)


Das ändert aber nichts daran, dass das Anliegen gerecht-
fertigt ist. Deswegen werden wir dem Gesetzentwurf zu-
stimmen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Hoffnung haben aber nicht wir geweckt!)


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(C (D Das Wort hat jetzt der Kollege Gerold Reichenbach on der SPD-Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! err Kollege Stadler, den Sachverhalt, den Sie am Ende hrer Rede angesprochen haben, müssen diejenigen, die ieses Gesetzesvorhaben unterstützen, tatsächlich erkläen. Ich wiederhole: Sie wollen eine Gerechtigkeitslüke, von der Sie meinen, sie neu entdeckt zu haben, chließen. (Hartmut Büttner [Schönebeck] [CDU/CSU]: Nicht wir haben sie entdeckt, das waren die Betroffenen!)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506622600
Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1506622700

as Kriegsfolgenbereinigungsgesetz ist allerdings schon
992 verabschiedet worden. Sie hatten also acht Jahre
eit – Ihr erster Antrag stammt aus dem Jahr 2000 –, um
iese Gerechtigkeitslücke zu entdecken.


(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Richtig!)


Sie haben sich vorhin über die Vorhaltungen von Frau
ollegin Stokar von Neuforn empört gezeigt. Sie müs-
en aber schon erklären, warum der Prozess, zu dieser
rkenntnis zu kommen, so lange gedauert hat, bis Sie in
er Opposition waren.


(Erika Lotz [SPD]: Na so was! – Siegfried Scheffler [SPD]: Sauerei!)


is heute schulden Sie eine plausible Erklärung dafür,
arum Sie so viele Jahre gebraucht haben, selbst wenn
ie sagen, dass Sie das beim Gesetzgebungsverfahren
bersehen haben. Es ist doch nicht so, dass sich die Ver-
ände in der Zwischenzeit nicht gemeldet hätten! Es ist
och nicht so, als wäre das damals bei der Gesetzesbera-
ung nicht bekannt gewesen! Noch schlimmer wäre,
enn Sie sagen würden, Sie hätten die Kriegsgefange-
en bei den Überlegungen, wie die beiden deutschen
taaten zusammenwachsen sollen, so viele Jahre lang
chlicht und einfach vergessen. Das wäre ein Armuts-
eugnis.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich befürchte aber, dass die Frau Kollegin Recht hat.
enn das der Fall ist, dann muss man an die Verantwor-

ung appellieren und fragen, ob wirklich jedes Thema
azu geeignet ist, dieses parteipolitisch für sich wenden
u wollen, wenn man in der Opposition ist,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


der ob man im Rahmen der deutschen Wiedervereini-
ung bei bestimmten Themen nicht Kontinuität bewei-
en muss.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich versuche, Ihnen das zu belegen.






(A) )



(B) )



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506622800

Herr Kollege Reichenbach, erlauben Sie eine Zwi-

schenfrage des Kollegen Vaatz? – Bitte schön, Herr
Vaatz.


Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1506622900

Herr Kollege Reichenbach, stimmen Sie mir zu, wenn

ich sage, dass es sicherlich eine Reihe von Fehlern gibt,
die die von unserer Partei und der FDP geführte Regie-
rung in den 16 Jahren gemacht hat?


(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Ja! – Horst Kubatschka [SPD]: Dem stimme ich ausdrücklich zu!)


Es wäre eine lebensferne Vorstellung, zu meinen, dass
eine solch lange Regierungszeit fehlerfrei verlaufen
wäre.

Stimmen Sie mir weiter zu, dass Sie mit der Absicht
angetreten sind, solche Fehler, sofern sie zutage treten,
zu beseitigen? Stimmen Sie mir auch zu, dass es für Sie
keine Alternative zur Schließung dieser Gerechtigkeits-
lücke geben kann, wenn Sie der Meinung sind, dass es
sich um eine Gerechtigkeitslücke handelt, die wir verur-
sacht haben, weil wir in diesem Punkt falsch gehandelt
haben? Stimmen Sie mir zu, dass es dann Ihre Aufgabe
ist, diese Gerechtigkeitslücke zu beseitigen, und alles an-
dere ein Vergehen an den Bedürftigen wäre?


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1506623000

Wenn ich richtig mitgezählt habe, waren das gleich

mehrere Fragen. Ich versuche trotzdem, sie zu beantwor-
ten.

An einem Punkt unterscheiden wir uns fundamental.
Der Bundeskanzler dieser Regierung hat an dieser Stelle
gesagt: Wir haben einen Fehler gemacht und wir versu-
chen, diesen Fehler während unserer Regierungsverant-
wortung zu beseitigen.


(Beifall der Abg. Erika Lotz [SPD])

Das hat auf Ihrer Seite zu hämischen Reaktionen ge-
führt. Sie entdecken Ihre Fehler bezeichnenderweise erst
dann, wenn Sie selber nicht mehr die Verantwortung tra-
gen, die Verantwortung für die Finanzierung, Umsetzung
und weitere Gestaltung also andere zu tragen haben. Das
ist ein fundamentaler Unterschied zwischen uns.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zweiter Punkt. Ich widerspreche Ihnen, dass dies da-
mals wirklich ein Fehler im Sinne einer fehlenden Bera-
tung und Entscheidung gewesen ist, und ich versuche,
das zu belegen. Ich darf zitieren:

Einer uneingeschränkten Übertragung des Kriegs-
gefangenenentschädigungsgesetzes steht entgegen,
dass auch dort inzwischen mehr als 45 Jahre ver-
gangen sind. Die Betroffenen sind eingegliedert.

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(C (D ies steht schwarz auf weiß als Begründung zu Ihrem esetzentwurf von 1992. Deshalb können Sie sich nicht ier hinstellen und sagen, wir hätten dies damals nicht ewürdigt. Es sei denn, Sie würden sagen, dass Sie daals Begründungen geschrieben haben, deren Inhalt Sie icht verstanden haben. Das traue ich Ihnen aber nicht u. Das wäre gegenüber der Gruppe der Betroffenen übigens auch zynisch. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


as 1992 galt, das gilt heute wohl erst recht.
Wir wissen, dass der genannte Verband – Verbände

aben dabei ihre spezifischen Aufgaben – eine andere
echtsposition vertritt. Herr Kollege Büttner, die Exper-
enanhörung hat nach unserer Einschätzung Folgendes
ezeigt: Außer den Vertretern des Verbandes haben alle
xperten die Position, die der Staatssekretär hier vorge-
ragen hat, bestätigt, nämlich dass es sich faktisch um
ine Eingliederungshilfe handelt. Sie selber haben dies
uch getan.


(Hartmut Büttner [Schönebeck] [CDU/CSU]: Eben nicht! Überhaupt nicht!)


Lassen Sie mich jetzt auf das Thema Gerechtigkeit
u sprechen kommen, zu dem Sie mit Ihrem Gesetz – so
agen Sie – eine Klärung herbeiführen wollen. Das Pro-
lem ist nur – das ist deutlich geworden –, dass wir da-
it nicht das singulär existierende Gerechtigkeitspro-
lem der völlig ungleichen Behandlung der Kriegsfolgen
nd der Entschädigung in den beiden deutschen Staaten
ösen, sondern dass wir damit im Grunde genommen viel
ehr neue Probleme schaffen.


(Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär: So ist es!)


Ich habe dies im Ausschuss bereits gesagt.
Moderne Kriege zeichnen sich dadurch aus, dass die

ahl der betroffenen Zivilisten viel höher ist als die Zahl
er Betroffenen an der kämpfenden Front. In diesem
inne war der Zweite Weltkrieg ein erster moderner
rieg, da sich diese Zahl im Vergleich zum Ersten Welt-
rieg in dramatischer Weise umgekehrt hat. Sie müssen
ns schon die Frage beantworten – auch dies hat die Ex-
ertenanhörung eindeutig gezeigt –, warum es bei den
ivilen Opfern dieses Krieges eine völlig unterschiedli-
he materielle und sonstige Behandlung gegeben hat, je
achdem, ob sie in der Bundesrepublik Deutschland
der in der ehemaligen DDR gelebt haben. Die Fragen,
arum Sie bei diesen Menschen keine Gerechtigkeitslü-
ke sehen und warum Sie das auf die Kriegsheimkehrer
okussieren, die haben Sie weder in der ersten Lesung
och im Ausschuss noch heute hier beantwortet.


(Beifall bei der SPD)

Wir würden tatsächlich neue Gerechtigkeitslücken

roduzieren. Sie haben angekündigt, dass Sie andere
hemen, die Sie schon einmal abschließend geregelt ha-
en, erneut aufgreifen wollen. Ich bin auf die Debatten
nd auch darauf gespannt, ob das, was Sie eben an






(A) )



(B) )


Gerold Reichenbach

diesem Pult gesagt haben, zutrifft, dass es nämlich eine
letzte singuläre Regelung sei.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An die Ehrenrente wollen die auch noch!)


Ich bin gespannt, ob dies Bestand hat.
Lassen Sie mich noch einmal auf die Gerechtigkeits-

lücke zurückkommen. Der Sachverständige Michael
Schwartz hat darauf hingewiesen, dass die Anerkennung
des Opfers keine materielle Frage ist, sondern dass es ei-
ner innergesellschaftlichen Diskussion bedarf, die es
den Menschen ermöglicht, die Traumata, die sie damals
erlitten haben, zu verarbeiten.


(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Das ist das Wesentliche!)


Auch das hat die Anhörung gezeigt – wir sehen das
ebenfalls –: Für viele sind die Erinnerung und die Aufar-
beitung dieser Traumata, die für sie 40 Jahre lang nicht
möglich waren, ganz erhebliche persönliche Anliegen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das gilt nicht nur für diese Gruppe, sondern auch für
diejenigen, die sich bislang nicht artikuliert haben. Ich
erinnere an die vielen Vergewaltigungsopfer, die sich
erst heute trauen, ihre Leiden bekannt zu machen. Viele
wurden durch Bomben traumatisiert. Erst jetzt werden
solche Themen in der gesellschaftlichen Diskussion an-
gesprochen.

Eine Vielzahl von Zivilisten war betroffen. Sie aber
reduzieren diesen gesamten Aspekt der gesellschaftli-
chen Aufarbeitung über Opfer und Täter. Ich spreche
von gemischten Biographien, die es in vielen Ländern,
nicht nur in Deutschland gegeben hat, verursacht durch
Krieg und Diktatur.


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Nicht nur Ostdeutsche, sondern auch Westdeutsche!)


– Das gilt natürlich nicht nur für die Heimkehrer, son-
dern für alle. Sie bestätigen meine Argumentation. Es
geht um verlorene Jahre und um ertragenes Leid wäh-
rend der Gefangenschaft. Es geht auch um Demütigun-
gen und Totschweigen in der DDR.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506623100

Herr Kollege Reichenbach, Ihre Redezeit ist abgelau-

fen.


Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1506623200

Ich komme zum Schluss.
Die Frage ist: Ist eine Entschädigung zwangsläufig

mit einer materiellen Leistung verbunden? Wir sind der
Meinung, dass eine gesellschaftliche Anerkennung not-
wendig ist. Wir bestreiten Ihre Position, dass eine Ent-
schädigung nur in Form einer materiellen Leistung ge-
schehen kann.

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(C (D (Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Sehr richtig!)


ort, wo es materieller Hilfe bedarf, sind wir bereit, un-
eren Beitrag zu leisten, nämlich bei den Stiftungen.
iese Zusage können Sie entgegennehmen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506623300

Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt

rteile ich dem Kollegen Klaus Brähmig von der CDU/
SU-Fraktion das Wort.


Klaus Brähmig (CDU):
Rede ID: ID1506623400

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

nd Herren! Der deutsche Journalist und Fernsehmode-
ator Robert Lembke hat einmal gesagt: Anerkennung ist
ine Pflanze, die vorwiegend auf Gräbern wächst. – Ge-
au diese Aussage wird man wohl in der Zukunft leider
uch auf das schwere Schicksal der ostdeutschen
riegsheimkehrer und Zivildeportierten anwenden
önnen.
Die rot-grüne Bundesregierung war ab 1998 aus mo-

alisch verständlichen Gründen bereit, mehr als
,5 Milliarden Euro für die Entschädigung osteuropäi-
cher Zwangs- und Sklavenarbeiter aus dem Bundes-
aushalt zu zahlen. Ostdeutschen Kriegsheimkehrern
nd Zivildeportierten hingegen wird von der gleichen
undesregierung aus ideologischen Gründen eine sym-
olische Entschädigung verweigert.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das stimmt doch gar nicht, Herr Brähmig! Sie bekommen doch eine Entschädigung! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wird hier jetzt wieder aufgerechnet?)


Für die Entschädigung dieser Gruppe müssten nur
twa 22 Millionen Euro aufgewendet werden. Bei der
ntschädigung osteuropäischer Zwangsarbeiter wurde
ufgrund der Altersstruktur der Betroffenen immer mit
em Gebot der Eile argumentiert. Heute wird bei der
ntschädigung unserer ostdeutschen Landsleute von der
leichen Regierung die Lösung der Problematik durch
en Tod der Betroffenen anscheinend billigend in Kauf
enommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Das ist eine Frechheit! Wollen Sie diese parteipolitische Polemik sein lassen! – Hans-Peter Kemper [SPD]: Unerhört! Unmöglich!)


War die Verschleppung und Zwangsarbeit von deut-
chen Zivilisten, also Frauen und Jugendlichen, in den
steuropäischen Staaten durch das Völkerrecht legiti-
iert? Sind nicht über 1 Million deutsche Soldaten in
en stalinistischen Arbeitslagern der sowjetischen Hemi-
phäre an Hunger, Seuche und Kälte gestorben?






(A) )



(B) )



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506623500

Herr Kollege Brähmig, erlauben Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Hacker?


Klaus Brähmig (CDU):
Rede ID: ID1506623600

Ich möchte meine Rede im Ganzen vortragen. – Wa-

ren es nicht die ostdeutschen Heimkehrer und Zivil-
deportierten, die im Gegensatz zu ihren westdeutschen
Leidensgenossen nach ihrer Rückkehr keinerlei Entschä-
digung bekamen und zugleich von der SED-Diktatur
pauschal als Kriegsverbrecher stigmatisiert wurden? Da-
her frage ich die Abgeordneten der Regierungskoalition
an dieser Stelle: Warum verweigern Sie den ostdeut-
schen Kriegsheimkehrern und Zivildeportierten eine
symbolische Anerkennung ihres Leides?


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Joachim Hacker [SPD]: Sie reden schon wieder von Zivildeportierten!)


Die öffentliche Anhörung des Innenausschusses im
Juni dieses Jahres hat eindrucksvoll dokumentiert, dass
die ostdeutschen Heimkehrer und Geltungskriegsgefan-
genen die Gesetzesinitiative der Freistaaten Thüringen
und Sachsen für eine einmalige Entschädigung begrü-
ßen. Circa 250 Betroffene im Alter von über 80 Jahren
haben sich damals mit Bussen auf den Weg nach Berlin
gemacht und ihren Kampfeswillen für eine Anerkennung
ihres Schicksals verdeutlicht. Dazu sage ich noch: Da-
runter waren eine ganze Reihe von Sozialdemokraten.

Tiefe Enttäuschung zeigte sich bei den angereisten
Betroffenen allerdings angesichts der Haltung der rot-
grünen Bundesregierung und der Abgeordneten der Koa-
lition.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Enttäuschung haben Sie doch herbeigeführt!)


Dies verwundert nicht; denn bis 1998 haben sich auch
Vertreter von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im parla-
mentarischen Beirat des Verbandes der Heimkehrer,
Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen für eine
interfraktionelle Gesetzesinitiative ausgesprochen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Hacker, das wissen Sie ganz genau und viel besser
als ich. Ich habe damit keinen Wahlkampf bis 1998 ge-
macht.


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Ich auch nicht!)

– Na ja, wir lesen die Protokolle mal nach. – Noch vor
den Wahlen im Jahr 1998 sind SPD-Ministerpräsidenten,
SPD-Minister und verschiedene Bundestagsabgeordnete
durch die Veranstaltungen der Heimkehrerverbände ge-
zogen und haben sich vehement für eine Entschädigung
der ostdeutschen Heimkehrer eingesetzt.


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Nennen Sie doch mal ein Beispiel!)


Auch die Auffassung der rot-grünen Bundesregierung,
man habe mit einer Aufstockung der Stiftungsmittel für

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(C (D ie Heimkehrerstiftung bzw. die Stiftung für ehemalige olitische Häftlinge bereits eine ausreichende und geechte Lösung geschaffen, wurde bei der Expertenanhöung als Scheinlösung enttarnt. (Sebastian Edathy [SPD]: Von wem denn? Bei welcher Anhörung waren Sie denn? – Dr. Uwe Küster [SPD]: Haben Sie den Verlauf nicht mehr ganz präsent?)


ie Sachverständigen stellten übereinstimmend fest,
ass beide Stiftungen schon heute nicht mehr über aus-
eichende Mittel verfügen, um die notwendige Unter-
tützungsleistung an Betroffene zu gewähren. Wir haben
as vorhin auch hier von den Kollegen gehört.


(Beifall bei der CDU/CSU)

An der finanziell desaströsen Lage des Bundes muss

ieser Gesetzentwurf jedenfalls nicht scheitern. Die
undesregierung wird im nächsten Jahr beispielsweise
8 Millionen Euro für Eigenwerbung ausgeben. Das sind
0 Millionen Euro mehr als im Jahr 2003.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das haben sie auch nötig!)


ies entspricht einem Anstieg von 11,4 Prozent. Mein
orschlag lautet daher: Verbessern Sie doch einfach die
egierungsleistung um 100 Prozent. Dann brauchen Sie
eutlich weniger Eigenwerbung und wir haben genug Fi-
anzmittel, um diesen Gesetzentwurf Wirklichkeit wer-
en zu lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Edathy [SPD]: Es ist nicht angemessen, wie Sie damit umgehen! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Es wird immer schlimmer!)


Standhaft verweigern Sie von den Regierungsparteien
en ostdeutschen Betroffenen, die für Gesamtdeutschland
ls lebende Reparationszahlung die Schuld der Nazibar-
arei gesühnt haben, eine symbolische Anerkennung.
nd standhaft hält die CDU/CSU-Bundestagsfraktion an
er Forderung nach einer einmaligen Entschädigung fest.


(Hans-Peter Kemper [SPD]: So sind sie – standhaft!)


ie einzige Hoffnung für unsere ostdeutschen Lands-
eute bleibt also ein Regierungswechsel.


(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Wo war denn die Standhaftigkeit in den früheren Jahren?)


ann wird es an uns sein, an der FDP und der CDU/
SU, politische Glaubwürdigkeit zu beweisen und den
etzten überlebenden Betroffenen die Anerkennung nicht
rst im Grab auszusprechen.


(Sebastian Edathy [SPD]: Sie instrumentalisieren die Befindlichkeit von Menschen! Das ist das Problem!)


Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506623700

Ich schließe die Aussprache.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, darf ich Ihnen

mitteilen, dass ich die Rede der Kollegin Petra Pau zu
Protokoll nehme.1)

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent-
wurf des Bundesrats auf Drucksache 15/407 über eine
einmalige Entschädigung an die Heimkehrer aus dem
Beitrittsgebiet. Der Innenausschuss empfiehlt auf
Drucksache 15/1625, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Ent-
haltungen? – Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Be-
ratung abgelehnt. Damit entfällt die dritte Beratung.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen (14. Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Petra Weis, Eckhardt Barthel

(Berlin), Sören Bartol, weiterer Abgeordneter

und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordne-
ten Franziska Eichstädt-Bohlig, Volker Beck

(Köln), Winfried Hermann, weiterer Abgeordne-

ter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN
Die Qualitätsoffensive für gutes Planen und
Bauen voranbringen
– Drucksachen 15/1092, 15/1683 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Renate Blank

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner dem Parlamentarischen Staatssekretär Achim
Großmann das Wort.

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Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1506623800


Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
gen! Erstmalig liegt dem Deutschen Bundestag nun ein
Bericht zur Lage der Baukultur in Deutschland vor.
Die Bundesregierung hat diesen öffentlichen Dialog
über die Bedeutung von Architektur und Baukultur in
unserem Lande angestoßen. Sie griff damit auch Erwar-
tungen des Deutschen Bundestages und breiter gesell-
schaftlicher Gruppen auf. Als wir gestartet sind, konnten
wir kaum ahnen, wie viel Erfolg wir mit dieser Initiative
haben würden.

Die Initiative für Architektur und Baukultur wird von
den Ländern, den Kommunen, den planenden Berufen
sowie der Bau- und Wohnungswirtschaft mitgetragen. Es
geht darum, in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit für
die Bau- und Planungsqualität und die Leistungen von

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g1) Anlage 3

(C (D auschaffenden zu wecken und so die Akzeptanz und en Anspruch einer der Qualität verpflichteten Baupoliik zu verbessern. Fachlich geht es um die Unterstützung struktureller npassungsprozesse, beispielsweise im Zusammenhang it Berufsbildern, bei der Qualifizierung, dem Verdeutichen neuer Tätigkeitsfelder, der Verbesserung der Exortchancen für Bauund Planungsleistungen und durch ooperationsmodelle. Baukultur wird dabei nicht ästhetisch oder nur als Ar hitektur verstanden. Im Blick sind alle baulichen Anlaen, ihre städtebaulichen Bezüge und auch die Planungsultur und die Ingenieurleistungen. Dieses Verständnis st Konsens unter allen Beteiligten. Baukultur ist somit auch ein Motor für die Planungs nd Bauwirtschaft. Sie müssen bedenken, meine sehr erehrten Kolleginnen und Kollegen: Fast 10 Prozent es Bruttoinlandsprodukts – das sind 55 Prozent aller Inestitionen in Deutschland – werden in der Baubranche erdient. Dies macht deutlich, wie wichtig ein innovaties und wettbewerbsfähiges Planungsund Bauwesen ür Deutschland ist. Baukultur ist aber noch viel mehr. Die Bürger haben nspruch auf Städte mit Gesicht, auf den Schutz des ulturellen Erbes und auf einen verantwortungsvollen mgang mit der Natur. Es geht auch um Identität, Untercheidbares und Authentisches. Es geht um Kommuniation, Lebensqualität, um das Wohlund Verbundenühlen. Schließlich geht es um die Zivilgesellschaft, um as Bewusstmachen, Mitmachen und Einmischen. Baukultur ist Gebautes, sind U-Bahneingänge, Bahn öfe, Brücken, Lärmschutzwände, Parkhäuser und Geerbegebiete. Baukultur sind aber auch Garten-, Grünnd Freizeitanlagen. Die gesamte bebaute Umwelt unerliegt diesen Kriterien. Deshalb finden oder vermissen ir Baukultur im Alltag tagtäglich. Bundespräsident Rau hat auf dem Baukonvent in onn festgestellt: Wenn einem Musik nicht gefällt, kann an sie abschalten. Wenn einem ein Buch nicht gefällt, ann man es zuklappen und beiseite legen. Gebautes ingegen muss man zur Kenntnis nehmen, es sei denn, an geht mit geschlossenen Augen durch die Stadt. Desalb beeinflusst es die Bürgerinnen und Bürger viel ehr als andere Kulturgüter. Der heute zur Abstimmung tehende Antrag „Die Qualitätsoffensive für gutes Plaen und Bauen voranbringen“ unterstreicht dies. Die Beratungen in den Fachausschüssen haben über lle Fraktionen hinweg die breite und einmütige Zustimung dafür deutlich gemacht, die Qualitätsoffensive ortzuführen. Die damit ausgedrückte Anerkennung des tellenwerts guter Architektur und von Ingenieurbauten ür die Wirtschaft und die Gesellschaft in unserem Land st ein wichtiges Zeichen für die Bürgerinnen und Bürger nd insbesondere auch für die Bauherren. Für die Bundesregierung kann ich versichern, dass sie ie im Antrag im Einzelnen angesprochenen Punkte aufreifen und wieder zum Stand der Umsetzung berichten )





(A) )


Parl. Staatssekretär Achim Großmann

wird. Das gilt ausdrücklich auch als Bekenntnis zu der
besonderen Verantwortung des Bundes als Bauherr.

Das Konzept einer Stiftung Baukultur wird im vor-
liegenden Antrag klar unterstützt. Der baldige Aufbau
einer Bundesstiftung Baukultur ist das zentrale Ziel zur
Stärkung der Baukultur. Mit dem Gründerkreis und dem
anschließenden Konvent der Baukultur im April in Bonn
haben wir den ersten Schritt getan.

Wir haben inzwischen das Präsidium des Baukon-
vents gewählt. Sie müssen sich das folgendermaßen vor-
stellen: 490 Mitglieder des Baukonvents sollten an der
Abstimmung teilnehmen und 490 standen zur Wahl. Das
ist wohl ein einmaliges Verfahren. Jeder durfte wählen
und gewählt werden. Die Wahlbeteiligung für das Präsi-
dium des Baukonvents lag bei fast 82 Prozent. Ich
glaube, dieses herausragende Ergebnis zeigt, dass wir
auf dem richtigen Weg sind, die Stiftung als bundesweite
Kommunikationsplattform zu institutionalisieren.

Dazu soll die Stiftung außergewöhnliche innovative
Planungs- und Bauaufgaben voranbringen und der For-
schung Impulse geben. Sie soll herausragende baukultu-
relle Leistungen einer Stadt oder Region durch Wettbe-
werbe herausstellen und an kontroversen Baubeispielen
Qualitätsmaßstäbe konkret machen, sprich: auch über
negative Bauten reden. Sie soll den nationalen Erfah-
rungsaustausch voranbringen, sich am internationalen
Wettbewerb beteiligen und durch Herausstellen guter
Beispiele Interesse wecken und Marktchancen verbes-
sern. Schließlich wollen wir die Entwicklung der Bau-
kultur in Deutschland weiterverfolgen und darüber be-
richten. Die Stiftung soll also als Dialogplattform die
Instrumente flankieren, die der Bund als Rahmen für
baukulturelles Handeln den Gemeinden zur Verfügung
stellt, wie insbesondere das städtebauliche Planungs-
recht und Finanzhilfen im Rahmen der Städtebauförde-
rung, zum Beispiel des Programms „Soziale Stadt“ oder
von Stadtumbauprogrammen.

Wir haben zusammen mit dem Förderverein eine In-
formations- und Mobilisierungskampagne zur Klärung
auf den Weg gebracht. Wenn auch Private ein materielles
Interesse an einer Stiftung Baukultur zeigen, sind wir be-
reit, im Jahr 2005 die Stiftung zu errichten. Ich glaube,
sie wird uns allen den Rücken stärken. Der Deutsche
Bundestag kann heute ein Zeichen in die richtige Rich-
tung setzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506623900

Das Wort hat die Kollegin Renate Blank von der

CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Renate Blank (CSU):
Rede ID: ID1506624000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir disku-

tieren heute im Plenum über einen Bereich, der unter den
Begriffen „Architektur“ und „Baukultur“ zu finden ist.
Architektur, Baukultur und eine Qualitätsoffensive für

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(C (D utes Planen und Bauen eignen sich zwar für leidenchaftliche Diskussionen, nicht aber für einen politichen Streit. Es ist gut, dass es noch Themen gibt, die im arlament gemeinsam, sachlich und engagiert behandelt erden können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Architektur ist nach Vitruv, einem Architekten und
chriftsteller im antiken Rom, die Mutter aller Künste
nd zugleich die öffentlichste. Das stimmt auch heute
och; denn der Architektur kommt in unserer Gesell-
chaft eine entscheidende Rolle zu. Jeder, der qualitäts-
oll baut, trägt einen kleinen Teil zum großen Mosaik-
au Kultur bei. Architektur entwickelt visionäre Kräfte
nd steht in der Verantwortung, zukunftsweisend zu
gieren und Geschichte aktiv zu beeinflussen. Innova-
ion bedeutet deshalb nicht einfach ein Mehr an Technik,
ondern auch ein Mehr an kritischer Reflexion und eine
unahme an nachhaltigen und experimentellen Konzep-
en. Architektur als Quelle der Innovation spiegelt in ih-
er umfassenden Qualität Aspekte des gesellschaftlichen
andels wider oder nimmt sie sogar vorweg. Sie hat
ich mit neuen Materialien, neuen Technologien und
euen Produktionsmethoden auseinander zu setzen. Ihr
reativer Gebrauch lässt eine neue zeitgenössische Äs-
hetik entstehen.
Bauen und Kultur ist eine Begriffskombination, von

er in den Medien nur wenig zu lesen, zu hören und zu
ehen ist. Wenn vom Bauen die Rede ist, dann stehen
eist andere Themen im Vordergrund, zum Beispiel die
auerkrise der Bauwirtschaft, illegale Beschäftigung am
au, öffentliche Projekte, die mehr kosten, als ursprüng-
ich geplant, Nutzen und Kosten von Autobahntrassen
nd Umgehungsstraßen. Von Baukultur ist nur ganz sel-
en die Rede. Für mich ist Baukultur unteilbar. Sie be-
chränkt sich nicht auf die Architektur, sondern umfasst
leichermaßen auch Ingenieurbauleistungen, Stadt- und
orfentwicklung, Landschaftsarchitektur und Kunst im
ffentlichen Raum.
Baukultur muss im ständigen Dialog zwischen Fach-

euten und Bürgern, mit Fachbehörden, Bauverwaltun-
en, Handwerkern und Bauherren verankert und weiter-
ntwickelt werden. Dabei kommt es darauf an, die
ffentlichen Räume so zu gestalten, dass wir uns in ih-
en wohl fühlen. Daher ist gute Gestaltung ein Grundbe-
ürfnis. Um dies zu befriedigen, müssen alle Beteiligten
m ständigen Dialog gemeinsame Werte formulieren.
enn die Baukultur wieder stärker in das Bewusstsein
er Bauherren rückt, steigert das auch die Nachfrage
ach qualitativ hochwertigen Architekten- und Inge-
ieurleistungen. Es geht dabei nicht um Vorgaben oder
tarre Richtlinien. Baukultur ist der Prozess der Herstel-
ung.
Für die Stadt ist der öffentliche Raum ein wesentli-

hes stadtbildendes Element, auf dessen Gestaltung,
utzung und Vernetzung Gewicht gelegt werden muss.
as ist auch eine Herausforderung für Planer und Bau-
chaffende, Qualität mit tragbaren Kosten zu verknüp-
en. Baukultur ist eine Angelegenheit, die alle Ebenen

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Renate Blank

angeht. Wir gewinnen die Zukunft aber nur dann, wenn
jede Ebene dort aktiv ist, wo sie die besten Handlungs-
möglichkeiten hat.

Baukultur manifestiert sich vor allem in der Pla-
nungs- und Verfahrenskultur. Sie wird durch den Willen
zur Qualität, durch qualitätsstützende Verfahren sowie
eine hohe Integrations- und Kommunikationsleistung
bestimmt. Hochwertiges Planen und Bauen ist zudem
ein wichtiger Standort- und Wirtschaftsfaktor. Wir müs-
sen aber auch die Wertschätzung, den Schutz und die
Pflege des architektonischen Erbes und der gewachsenen
Kulturlandschaft als Verpflichtung für die Gestaltung der
Zukunft begreifen nach dem Motto: Die Tradition pfle-
gen und den Fortschritt planen!

Meine Damen und Herren, Gebäude prägen nicht nur
Stadtviertel und Städte, sie prägen auch unsere Gesell-
schaft. Das kann Konsequenzen haben, die weit reichen.
So weit wie Hans Magnus Enzensberger, der einmal
sagte: „Jeder Städtebewohner weiß, dass die Architektur,
im Gegensatz zur Poesie, eine terroristische Kunst ist“,
möchte ich allerdings nicht gehen. Damit jedoch Belie-
bigkeit und Stillosigkeit nicht zu einem prägenden Mus-
ter werden, brauchen wir Menschen, die die Fähigkeiten
und die persönliche Autorität haben, Orientierungs-
punkte für gutes Bauen zu setzen und Qualitätsmerk-
male zu definieren, hinter die niemand zurückfallen
sollte. Darin sehe ich auch die Hauptaufgabe der Initia-
tive Baukultur; denn wenn man heute die Menschen auf
der Straße fragen würde, was sie von moderner Archi-
tektur halten, dann würde die Mehrheit vermutlich kein
besonders freundliches Urteil fällen. Aber jede Zeit hat
ihre Bausünden. Ich denke hier insbesondere an die
Bausünden der Nachkriegszeit, nämlich die Trabanten-
städte mit ihren heute seelenlosen Wohnquartieren.

Wer als Architekt und als Baumeister sein Handwerk
professionell versteht, der steht immer auch in einer
gesellschaftlichen Verantwortung. Noch so gelungene
Baukunst ist nicht zweckfrei. Sie ist kein Kunstersatz
und keine Ersatzkunst, sondern ist von dem Zweck be-
stimmt, dass Menschen in Wohnungen und Häusern
möglichst gut leben und dass sie in Büros und Fabrikhal-
len möglichst zufrieden und erfolgreich arbeiten können.
Ein Haus, in dem sich Menschen nicht wohl fühlen, ist
ein schlechtes Haus, mag es ästhetisch noch so ein-
drucksvoll sein – Baukultur und gutes Bauen ist es dann
nicht.

Meine Damen und Herren, Ihrem Antrag „Die Quali-
tätsoffensive für gutes Planen und Bauen voranbringen“
stimmen wir zu und unterstützen ihn grundsätzlich in
seiner Zielrichtung. Einige Anmerkungen: Die Auffor-
derung an die Bundesregierung, vielfache Aktivitäten
zugunsten qualitätsvollen Planens und Bauens aufzuneh-
men, bestätigt diejenigen Bundesländer und Kommunen,
die auf diesem Gebiet seit langem traditionell erfolgreich
handeln. Als Beispiel nenne ich Bayern, das mit Unter-
stützung seiner obersten Baubehörde immerhin seit 1830
die Baukultur entscheidend beeinflusst. Innovativ und
vorbildhaft werden staatliche Hochbauten wie Universi-
täten und Museen, zuletzt die Pinakothek der Moderne
in München mit ihrer eindrucksvollen Architektur, aber

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(C (D uch ein großer Teil des bayerischen Straßennetzes bereut. Ich möchte hervorheben, dass die in Forderung 1 Ih es Antrags als „Dritte“ angesprochene Gruppe, also Arhitekten, Ingenieure oder Unternehmen der Bauund ohnungswirtschaft, sozusagen als Produzenten von aukultur fungieren und damit eine sehr wichtige Aufabe wahrnehmen. Die öffentliche Hand kann allerdings ur die Rahmenbedingungen vorgeben. Zu Ihrer Forderung 7 möchte ich ausdrücklich beto en, dass baukulturelle Aspekte und Gestaltungsfragen icht extra eingeräumt werden dürfen; denn sie sollten on Anfang an bei allen Planungsund Bauprozessen als elbstverständliche Qualitätsanforderung bestehen. ohe baukulturelle Qualität muss bereits in der Siedngsund Entwicklungsplanung vorhanden sein, damit ie in den nachfolgenden Planungsphasen erweitert und onkretisiert werden kann. Sie manifestiert sich letztndlich in der gelungenen Umsetzung von Bauvorhaben. Zu Ihrer Forderung 8 ist aus meiner Sicht zu unterstrei hen, dass in den Diskussionen um Bewertungen zur Bauultur die Stadtplanung und Stadtquartierplanung eine tarke Berücksichtigung finden muss. Mindestens benso stark wie die Ästhetik einzelner Gebäude prägen ie funktionale Zuordnung von Nutzungen und ihre Ausormungen im Grundund Aufriss unserer Städte und örfer das Meinungsbild über städtebauliche Qualität nd Baukultur. Anders ausgedrückt: Ein funktionierener Stadtorganismus mit nachvollziehbaren und räumich überzeugend umgesetzten Strukturen wird immer obust genug sein, auch durchschnittliche oder im Einelfall auch schlechte Einzelgebäude zu ertragen, ohne ass dadurch insgesamt der Eindruck schlechter Qualität orherrscht. Weiterhin wird in diesem Punkt die humane Qualität on Baukultur erwähnt – ein Anliegen, das insbesondere ür den Wohnungsbau von zentraler Bedeutung ist. Die chaffung von Wohnqualität in Funktion und Gestaltung st dabei nicht nur eine baukulturelle Aufgabe, sondern uch eine soziale Verpflichtung für den Staat, von deren rfüllung die Zukunft unserer Städte und die Stabilität nserer Gesellschaft nicht nur indirekt abhängen. Auch Infrastrukturen wie Straßen und Brücken sind in wesentlicher Teil der gebauten Umwelt, die durch hre exponierte Lage oft dominieren und damit einen ichtigen Teil der Baukultur unseres Landes darstellen. ür den öffentlichen Bauherrn, also für den Staat, die tädte und die Gemeinden, die für Planung, Bau und Unerhaltung der Straßen zuständig sind, ergibt sich daraus ine große Verantwortung, sowohl in technischer und estalterischer als auch in sozialer und gesellschaftlicher insicht. In Ihrem Antrag sprechen Sie sich auch für die ver tärkte Durchführung von Architektenund Ingenieurettbewerben bei bedeutenden Baumaßnahmen des undes aus. Ich gehe davon aus, dass Sie mit mir der einung sind, dass wir gerade jungen Leuten die Mög ichkeit geben sollten, sich an Ausschreibungen rege zu eteiligen, obwohl sich an den in der letzten Zeit leider Renate Blank üblicherweise beschränkten Ausschreibungen nur noch große Büros beteiligen konnten. Nun möchte ich noch einige Anmerkungen zur ge planten Stiftung „Baukultur“ machen, die zum Ziel hat, der Baukultur in Deutschland mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen und die Marktchancen der deutschen Architekten und Ingenieure zu verbessern. Auch sollen durch die Arbeit dieser Stiftung die Qualität, die Nachhaltigkeit und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Architekturund Ingenieurwesens herausgestellt werden. Der 1. Konvent der Baukultur ist im April dieses Jahres unter dem Motto „Auf dem Weg zur Stiftung“ zusammengetreten. Es wurde über die Perspektiven von Planung und Architektur in Deutschland beraten und deren Bedeutung als wichtiger Standortfaktor hervorgehoben. In den Medien wurde dieser Konvent allerdings kritisch beleuchtet. Für uns stellen sich zur geplanten Bundesstiftung insbesondere noch die Fragen nach der Finanzierung. Soll sie durch eine private Beteiligung und durch einen einmaligen oder durch einen jährlichen Bundeszuschuss erfolgen? Sollen sich die Bundesländer oder die Kommunen ideell und finanziell beteiligen? Welche Personen vertreten die Stiftung? Über diese Fragen wird in der Zukunft noch zu reden sein. Wir stehen positiv zu dieser Stiftung, die viele Partner braucht, damit Baukunst und Baukultur stärker in das Bewusstsein der Gesellschaft rücken und sich zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe entwickeln können. Wir hoffen auch, dass die Diskussion über Baukultur den internationalen Stellenwert der deutschen Architekten, Ingenieure und Planer hebt und die Leistungen dieser Partner auch zu einem wichtigen Exportartikel machen werden. Architektur hat Außenwirkung. Bereits in den Schulen sollte angefangen werden, über gutes Planen und Bauen zu sprechen. Bayern hat dieses Thema bereits seit einigen Jahren in den Unterricht aufgenommen. Nachahmung in anderen Bundesländern wird empfohlen. Bauen ist nicht nur eine Angelegenheit von Bauherren und Architekten. Immer sitzt ein öffentliches Interesse mit am Tisch. Das unterscheidet die Kunst des Bauens wesentlich von der reinen Kunst, bei der Künstler und Kunstwerk zunächst einmal für sich stehen. Baukultur bewegt sich immer im Spannungsfeld zwischen individueller Nützlichkeit und sozialer Brauchbarkeit. Baukultur ist keine Nebensache und schon gar nicht gefällige Verpackung. Ich komme zum Schluss. Baukultur bildet sich auf der Grundlage von Haltungen und Einstellungen. Baukultur braucht Qualitätsmaßstäbe; darum ist Baukultur keine Aufgabe, die sich allein an den Gesetzgeber delegieren lässt. Baukultur ist auf Persönlichkeiten mit Autorität und unabhängigem Urteil angewiesen, die sich in öffentlichem Interesse um das mühsame Formulieren von Maßstäben bemühen. In diesem Sinne sind Architektur und Baukultur eine Daueraufgabe, der wir uns gemeinsam stellen sollten. B K w l P z – i a – h b d z m r e l D d H h m M s s li m s n n d u n D d d 5 d t d le u h W a b (C (D Das Wort hat jetzt die Kollegin Ursula Sowa vom ündnis 90/Die Grünen. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Ich möchte Ihnen drei Gründe nennen, warum ir vom Bündnis 90/Die Grünen der Beschlussempfehung zu dem Antrag „Die Qualitätsoffensive für gutes lanen und Bauen voranbringen“ ganz besonders gerne ustimmen. Erstens. Wir alle wissen, dass Deutschland nach wie vor leider – europäischer Spitzenreiter im Flächenverbrauch st. 130 Hektar werden am Tag verbaut, davon 30 Hektar llein in Bayern, liebe Frau Blank. (Albert Deß [CDU/CSU]: Bayern ist sehr groß! Da ziehen so viele Niedersachsen hin!)





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(Albert Deß [CDU/CSU]: Guter Vorschlag!)


(Beifall im ganzen Hause)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506624100
Ursula Sowa (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1506624200

Ja. – Spätestens seit der Enquete-Kommission „Nach-
altige Entwicklung“ ist bekannt, dass der Flächenver-
rauch aus ökologischen Gründen drastisch gesenkt wer-
en muss. Sogar in Bayern geht der Flächenverbrauch
urück, aber nicht aus wirklicher Einsicht in die Proble-
atik, sondern weil der demographische Wandel da be-
eits greift. Angepeilt wird – da beziehe ich mich noch
inmal auf die Enquete-Kommission –, dass deutsch-
andweit nur noch 30 Hektar am Tag verbraucht werden.
ies führt selbstverständlich dazu, dass in der Zukunft
as Bauen – dabei ist natürlich an Straßen, Brücken,
äuser oder auch Schlösser zu denken; die Diskussion
atten wir gestern im Kulturausschuss – sozusagen im-
er kostbarer wird. Angesichts dessen kann meiner
einung nach eine Offensive für Qualität nur hilfreich
ein.
Ein zweiter Grund dafür, dass wir diese Offensive

ehr unterstützen, liegt darin, dass sie ein außerordent-
ch geeignetes Instrument ist – meine Vorrednerin und
ein Vorredner haben darauf hingewiesen –, um in un-
erem manchmal sehr unzufriedenen und sehr zerrisse-
en Land eine Debatte über unsere Grundwerte – das ist
icht zu hoch gegriffen – zu entfachen. Dazu gehören
urchaus die Debatte über die sozialen Brennpunkte in
nseren Städten – als Stichwort möchte ich Hoyerswerda
ennen –, aber auch die Debatten über Geschichtlichkeit.
azu möchte ich anführen, weil es gerade so aktuell ist,
ass 20 Millionen Euro ausgegeben werden sollen, um
en asbestsanierten Palast der Republik abzureißen, und
90 Millionen Euro Bundesmittel für den Wiederaufbau
es Schlosses bereitgestellt werden sollen. Diese Debat-
en sind alt. Ich könnte mir vorstellen, dass sie mithilfe
es Baukonvents wieder Aktualität bekommen. Viel-
icht werden auch Debatten über Regionalität, Identität
nd Ökologie auf einer ganz anderen Plattform entste-
en.
Als dritten Grund möchte ich am Schluss anführen:
ir finden die Idee einer Bundesstiftung „Baukultur“
ußerordentlich tragfähig, zumal es um ein überschau-
ares Volumen geht. 10 Millionen Euro sind angepeilt.






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Ursula Sowa

Davon soll der Bund die Hälfte aufbringen und die ande-
ren 5 Millionen Euro sollen hauptsächlich von Architek-
ten, Ingenieuren und Unternehmen aus der Bau- und
Wohnungswirtschaft kommen. Ich hoffe – ich bin sehr
optimistisch –, dass diese 5 Millionen Euro eingehen.
Derzeit gibt es eine 100-Euro-Kampagne, die in allen
Bereichen der Bauwirtschaft läuft: Jeder Interessierte
möge 100 Euro spenden. In diesen Tagen und in den
nächsten Wochen werden etwa 150 000 Architekten und
Ingenieure angesprochen bzw. angeschrieben. Wenn je-
der Dritte diese Spendensumme aufbringt, dann steht der
Stiftung nichts im Wege. Ich bin dabei und spende sehr
gerne 100 Euro. Ich freue mich auf den Moment, in dem
wir – vielleicht schon im nächsten Jahr – die Bundesstif-
tung gemeinsam aus der Taufe heben.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506624300

Das Wort hat der Kollege Joachim Günther von der

FDP-Fraktion.

Joachim Günther (FDP):
Rede ID: ID1506624400

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Unsere Kollegin Renate Blank hat dank der ihr
zur Verfügung stehenden Redezeit dieses Thema heute
so umfassend dargestellt, dass man genau überlegen
muss, was zu einem Thema, über das parteiübergreifend
Konsens herrscht, noch gesagt werden kann. Einige
Worte möchte ich schon noch sagen.

In den letzten Jahren hat in diesem Bereich ein Um-
denkprozess stattgefunden und das ist auch gut so. Die
Auseinandersetzung mit der bebauten Umwelt stößt auf
wachsendes Interesse, nicht nur in Fachkreisen, wie das
früher der Fall war, sondern auch in breiten Kreisen der
Bevölkerung. Baukultur ist nicht nur eine ästhetische
Angelegenheit – Staatssekretär Großmann hat es darge-
legt –; Baukultur ist eine Integration von vielen Aspek-
ten des Ingenieur- und Architekturwesens, der Land-
schafts- und Freiflächenplanung, des Städtebaus, des
Denkmalschutzes und der Kunst am Bau. Baukultur be-
zieht sich eben nicht nur auf das Gebäude, sondern auf
den gesamten Bereich der Umwelt.

Der vorliegende Antrag ist eine positive, aber – diesen
kleinen Wermutstropfen möchte ich doch erwähnen –
nicht umfassende Qualitätsoffensive für gutes Planen und
Bauen. In dem Gesamtkontext fehlt die Forderung nach
der Vereinfachung der Bauvorschriften. Eine Stiftung
„Baukultur“ darf sich nicht auf die Formulierung erhabe-
ner Ziele und Idealvorstellungen beschränken, sondern
sollte auch konkrete Vorschläge dazu entwickeln, wie
qualitätsvolles Bauen umgesetzt werden kann. Vielfach
sind es ja unsere starren Vorschriften in der Bauordnung,
die die Kreativität der Ingenieure und Architekten ein-
schränken und manchmal gesichtslose Bauten entstehen
lassen.


(Renate Blank [CDU/CSU]: Das ist richtig!)


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(C (D iese Grundforderung unserer Partei nach Vereinfahung des Baurechts habe ich in dem Gesetzentwurf zur nderung des Baugesetzbuches, den das Kabinett gesern verabschiedet hat, nicht wiedergefunden. Aber da aben wir noch Zeit; wir werden darüber diskutieren. Ich in sicher, dass es von unserer Seite konkrete Vorschläge eben wird. Die Regelungen des Denkmalschutzes dürfen nicht aubehindernd, sondern sollten bauintegrierend wirken. uch hier ist in manchen Bereichen ein Umdenken erorderlich. Viele haben erkannt, dass das Bauen im Auenbereich zu einer Abkehr der Menschen von den tadtzentren führt. Da sind wir uns alle einig. Angesichts er zunehmenden Entvölkerung mancher Stadtkerne uss im Innenstadtbereich und damit auch im Denkmalchutz vieles getan werden. Denkmäler aus der Vorkriegszeit, aber auch aus der eit danach, die in hoher Zahl in unseren Städten stehen, üssen nutzbar gemacht werden. Auch ein Denkmal hat in Anrecht darauf, zu leben oder zumindest perspektiisch betrachtet zu werden. Deshalb wäre es wünschesert, dass sich die Diskussion in der weiteren Entwickung um einen Konsens zum Denkmalschutz bemüht, amit ein Denkmal nicht baubehindernd in einer Stadt tehen bleibt, sondern integriert werden kann. Das Bauen im Bestand, das Erhalten und Erweitern on Baudenkmälern ist eine große Aufgabe der nächsten ahrzehnte für unsere Architekten. Wir als FDP untertützen deshalb den vorliegenden Antrag und hoffen, ass es zu einer sinnvollen und ausreichenden Diskusion in der neuen Stiftung kommt. Herzlichen Dank. Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt at die Kollegin Petra Weis von der SPD-Fraktion das ort. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her en! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein bisshen schade, dass wir unser Thema Baukultur zu einer ageszeit diskutieren, die weder das kollektive Interesse nseres Hohen Hauses noch das der breiten Öffentlicheit zu wecken geeignet ist. Damit will ich nicht die eilnahme unserer Gäste zu dieser Uhrzeit klein reden; anz im Gegenteil freue ich mich sehr, dass sie dieser ebatte folgen. Wir diskutieren heute über einen relativ neuen politi chen Gegenstand. Wir reden darüber, wie konstruktive nd zukunftsweisende Problemlösungen aussehen könen, bei denen es gelingt, trotz unterschiedlicher Interesenund Bedürfnislagen der Beteiligten eine ganz weentliche Gemeinsamkeit herauszuarbeiten. Lassen Sie s mich so formulieren: Baukultur zielt auf das Bedürfis – ich würde sogar so weit gehen, zu sagen: Grundbeürfnis – eines jeden Menschen, in einer schönen, gut Petra Weis gebauten Umgebung zu wohnen, zu arbeiten und zu leben. Auch wenn wir für uns nicht in Anspruch nehmen können, die Baukultur erfunden zu haben, so haben wir doch die Rolle der politischen Promotoren im Rahmen der Initiative Architektur und Baukultur zu spielen, die sich fast in Windeseile ausgebreitet und eine Dynamik entwickelt hat, die sicherlich viele von uns überrascht hat. Dieses ausgesprochen positive Zwischenergebnis hat sicherlich viele Ursachen. Eine wesentliche scheint mir zu sein, dass die umfassenden Herausforderungen – ich will nicht gleich von Krise sprechen –, denen sich öffentliche und private Bauherren, Ingenieure, Architekten und Planer, aber auch die Bauwirtschaft ausgesetzt sehen, von den Beteiligten als Chance begriffen werden können, verstärkt und zielorientiert nach Reformstrategien zu suchen und diese dann auch zu finden. Diese positive Einschätzung resultiert sicherlich auch daraus, dass wir und auch viele andere erkannt haben, dass Baukultur eben kein Luxus für Zeiten gut gefüllter Kassen und boomender Konjunktur oder andere Schönwetterperioden ist. Baukultur ist eine Querschnittsaufgabe, die die unterschiedlichsten Themenfelder umfasst. Das beginnt bei der Stadtentwicklung, geht über den Städteund Wohnungsbau und hört bei der Sozial-, Bildungsund Kulturpolitik sicherlich nicht auf. Wir reden bei der Baukultur immer über mehrere Optionen: über den Neubau ebenso wie über den Erhalt durch Modernisierung, aber auch über den Abriss, wir reden über die Anforderungen des Denkmalschutzes und damit über unser eigenes Verhältnis zur Vergangenheit. Bei alledem stehen wir in Konkurrenz zum Zeitgeist und zu den Anforderungen des Wettbewerbsund Konkurrenzdrucks. Denn natürlich geht es bei der Baukultur – Staatssekretär Großmann hat darauf hingewiesen – im nationalen wie im internationalen Rahmen auch um handfeste ökonomische Interessen. Wir wollen und müssen die Chancen unserer Planer, Architekten und Ingenieure auf den Märkten europaund weltweit verbessern. Dazu dient die angestoßene Qualitätsoffensive, die nicht auf die Fachkreise der verschiedenen Disziplinen beschränkt ist, sondern letztendlich ganz große Teile der Bevölkerung betrifft. Dieses Zusammentreffen von Profis und Laien – ich drücke das einmal so aus – über die Zukunft der Baukultur wird hoffentlich in einem spannenden und auch zivilgesellschaftlichen Prozess einmünden. Mit unserem Antrag ermutigen wir die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass die Stiftung „Baukultur“ schon bald konkrete Formen annehmen kann und dass das Konzept dieser Stiftung ein ganz breites Spektrum an Aufgabenfeldern einbezieht, das von der Sicherung der Bauqualität und der Verfahrenskultur über die bildungspolitischen Aspekte der Wissensvermittlung in Fragen der Baukultur gerade auch bei jungen Menschen bis hin zur Stärkung der Verantwortung der Bauherren – der öffentlichen wie auch der privaten Bauherren – reicht. a D f m d B S s I z g u g R e a w a u a e e l d a s s v k i t t „ B d e d u g s l n T d r ti l d T h g d (C (D Dabei ist uns die Vorbildfunktion des Bundes – wie ller anderen staatlichen Ebenen – besonders wichtig. enn das öffentliche Bauen setzt nach wie vor Maßstäbe ür private Nachahmungseffekte. Dieser Gedanke gibt ir die Gelegenheit, auf die zahlreichen Initiativen in en Bundesländern hinzuweisen. Frau Blank hat über ayern gesprochen. Frau Blank, ich muss an dieser telle auch über die nordrhein-westfälischen Initiativen prechen. Das sehen Sie mir nach. ch will auch die Kommunen einbeziehen, die sich nicht uletzt angesichts der Stadtflucht wieder stärker zu einer anzheitlichen Entwicklung von Quartieren entschließen nd dabei der Baukultur – allen Zwängen durch die Voraben mancher Investoren zum Trotz – einen höheren ang einräumen. Das sind für die Kommunen oftmals in Spagat und eine Gratwanderung zugleich, wie ich us meiner eigenen kommunalpolitischen Erfahrung eiß. Wir haben allen guten Grund, die Bundesregierung ufzufordern, die Arbeit an diesem Thema fortzusetzen, nd zwar immer im engen Kontakt zu den übrigen Verntwortlichen auf allen Ebenen, aber vor allen Dingen in ngem Kontakt zum Parlament, damit wir wiederum ine Grundlage haben, um über die weiteren Entwickungsziele und Entwicklungsschritte der Kampagne und er Initiative beraten und entscheiden zu können. Ich freue mich darüber und ich bedanke mich ganz usdrücklich dafür, dass wir auch bei der Opposition Zutimmung für diesen Ansatz erhalten haben. Frau Blank, ehen Sie es mir nach: Ich habe heute Abend nicht so iel Zeit, um auf jede Ihrer Anmerkungen eingehen zu önnen. Aber Sie haben vollkommen Recht: Wir können m weiteren Verlauf der Debatte sicherlich noch die Deails klären, darüber diskutieren und Kontroversen ausauschen. Lassen Sie mich zusammenfassen: Mit der Initiative Architektur und Baukultur“, mit dem Statusbericht der undesregierung, mit den Vorbereitungen zum Aufbau er Stiftung und nicht zuletzt mit unserem Antrag ist in rstaunlich kurzer Zeit ein Prozess verstetigt worden, er bundesweite Ausstrahlung gefunden hat und nach nserer festen Überzeugung sicherlich einen nachhaltien Bewusstseinswandel nach sich ziehen wird: für unere gebaute Umwelt, für gutes Bauen und Planen, für iebensund lebenswerte Quartiere und Städte, für eine eue Urbanität in Zeiten des Wandels, dessen hohes empo manche im Augenblick noch überfordert, und amit eben auch für den sozialen Zusammenhalt unseer Gesellschaft. Dieser Aspekt ist mir besonders wichg. Ich denke, dass es auch an uns liegt, diese Entwick ung nachhaltig zu begleiten und zu befördern und damit er Städtebauund Wohnungspolitik am Beispiel des hemas Baukultur einen ganz wichtigen Baustein daueraft hinzuzufügen, der unser Politikfeld – wie ich hoffe – anz nebenbei wieder ein Stückchen weiter ins Zentrum er innenpolitischen Debatten rückt. Das jedenfalls sind Petra Weis 0.40.doc meine Hoffnung und meine Erwartung. Ich hoffe, es sind auch die Ihrigen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall im ganzen Hause)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506624500
Petra Weis (SPD):
Rede ID: ID1506624600




(A) )


(B) )


(Renate Blank [CDU/CSU]: Nichts dagegen!)





(A) )


(B) )



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506624700

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-

schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf
Drucksache 15/1683 zu dem Antrag der Fraktionen der
SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel
„Die Qualitätsoffensive für gutes Planen und Bauen vo-
ranbringen“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf
Drucksache 15/1092 anzunehmen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist damit ein-
stimmig angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 16 a und 16 b so-
wie Zusatzpunkt 4 auf:
16 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Jörg

van Essen, Daniel Bahr (Münster), Rainer
Brüderle, weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Änderung des Grundgesetzes

(Art. 48 Abs. 3)

– Drucksache 15/751 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Jörg
van Essen, Daniel Bahr (Münster), Rainer
Brüderle, weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Vier-
undzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des
Abgeordnetengesetzes
– Drucksache 15/753 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss

ZP 4 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Vierundzwanzigsten
Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetenge-
setzes
– Drucksache 15/1687 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss

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1)
2)

(C (D Wenn Sie einverstanden sind, sollen alle Reden zu rotokoll gegeben werden. Es handelt sich um die Reden er Kollegen Dr. Uwe Küster von der SPD und Eckart on Klaeden von der CDU/CSU, um die Rede der Kollein Silke Stokar von Neuforn vom BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN sowie um die Rede des Kollegen Rainer unke von der FDP.1)

Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzent-
ürfe auf den Drucksachen 15/751, 15/753 und 15/1687
n die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
orgeschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? – Das
st nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so be-
chlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des Gesetzes über die Errichtung einer
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernäh-
rung
– Drucksache 15/1663 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft

Für diesen Tagesordnungspunkt ist eine halbe Stunde
orgesehen. Es wollen aber alle Abgeordneten bis auf
inen ihre Reden zu Protokoll geben, und zwar die Kol-
egen Matthias Weisheit von der SPD-Fraktion, Albert
eß von der CDU/CSU-Fraktion, Friedrich Ostendorff
om BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und für die Bundes-
egierung Dr. Gerald Thalheim.2) Der Kollege Hans-
ichael Goldmann möchte Ihnen das, was er zu sagen
at, persönlich sagen. Dafür bekommt er allerdings nicht
ie Redezeit der anderen hinzu, sondern er muss sich auf
rei Minuten beschränken.

Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1506624800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie,

uch der eine oder andere Zuhörer, werden sich sicher
ragen: Warum macht der eigentlich so einen Willi um
eine drei Minuten? Es ist doch schon spät. – Genau das
st der Grund. Der Tagesordnungspunkt ist nämlich extra
ür einen so späten Zeitpunkt angesetzt worden, weil
an wieder einmal etwas verschleiern, wieder einmal
ine Tatsache verdrehen will.
Ich will Ihnen das an einem Beispiel aufzeigen: Da
ird mal eben ein kleines Gesetz geändert. Eigentlich
lingt es ganz harmlos. Plötzlich soll – man muss genau
inhören – aus „Vorschlagsrecht“ „Anhörung“ werden.
lle, die keine Ahnung haben, meinen, das sei fast das
leiche. Aber das ist nicht der Fall. „Vorschlagsrecht“
edeutet, dass eine wissenschaftliche Einrichtung das
echt hat, jemanden vorzuschlagen, der fachlich geeig-
et ist. „Anhörung“ heißt, ein anderer schlägt vor und
ann ist die Einrichtung lediglich anzuhören. Jeder, der
ommunalpolitik macht, kennt den Unterschied zwi-
chen „Benehmen herstellen“ und „Einvernehmen her-

Anlage 4
Anlage 5

20.30-2






(A) )



(B) )


Hans-Michael Goldmann

stellen“. Ich kann Ihnen sagen: Wenn Sie das Recht ha-
ben, Benehmen herzustellen, dann können Sie gleich zu
Hause bleiben.


(Renate Blank [CDU/CSU]: Richtig!)

Jetzt wollen wir uns doch einmal anschauen, was in

dem vorliegenden Gesetz geschieht. Dieser Vorgang hat
bei den Grünen leider – das muss ich scharf kritisieren;
das hätte ich den Grünen nicht zugetraut – seit geraumer
Zeit Methode. Da schlagen Ihnen Wissenschaftler einer
Forschungsanstalt in Braunschweig zwei qualifizierte
Leute vor. Es wurde getagt, Professoren und alle mögli-
chen fähigen Leute waren anwesend. Aber Frau Künast
zieht nicht die von dem Haus Vorgeschlagenen heran,
sondern drückt jemanden durch, der der ideologischen
Linie der Grünen eher entspricht.


(Albert Deß [CDU/CSU]: Da werden die Gesinnungsgenossen versorgt!)


Das hat Ärger gegeben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich habe die Pressemitteilungen dabei. Dort steht – ich
kann Ihnen das gerne zeigen –: „Empörung in der Wis-
senschaft“. Das können Sie auch in anderen Fachveröf-
fentlichungen lesen.

Was machen Sie jetzt bei der BLE? Ein solches Ri-
siko wollen Sie nicht mehr eingehen. Im Frühjahr kom-
menden Jahres scheidet der Präsident der BLE aus.
Sein Nachfolger soll ein Grüner werden. Weil das über
den normalen Verfahrensweg nicht zu erreichen ist, än-
dern Sie klammheimlich zu später Stunde dieses Gesetz.


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)


Wenn nicht schon andere Tagesordnungspunkte zu Pro-
tokoll gegeben worden wären, wäre dieser Tagesord-
nungspunkt gegen 22 Uhr dran gewesen und kein
Mensch hätte irgendetwas davon mitbekommen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)

Ich verstehe auch Folgendes nicht; das muss ich eben-

falls sagen, lieber Kollege Albert Deß: Wir haben uns
sehr lange darüber unterhalten, wie wir mit diesem
Punkt umgehen. Deshalb finde ich es witzig, dass gerade
du, der du genau zu diesem Gesetz eine Anhörung im
Ausschuss gefordert hast – dann muss es offensichtlich
um etwas ganz Wesentliches gehen –, und die Kollegen
heute Abend nicht bereit sind, ein halbes Stündchen für
so etwas Wesentliches aufzubringen.


(Albert Deß [CDU/CSU]: Das ist alles im Protokoll nachzulesen!)


– Das hat damit nichts zu tun. Wenn wir unsere Aufgabe
als Opposition ernst nehmen, dann müssen wir uns auch
noch zu später Stunde hellwach um solche Dinge küm-
mern.

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich dieses Verhalten
von Herrn Berninger und Frau Künast nicht gewohnt
bin. Aber das Vorgehen, das ganze Haus systematisch

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(C (D rün umzupolen, macht bei Ihnen im Moment leider chule. (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, Sie überschätzen uns, Herr Kollege!)


Ali Schmidt, ihr seid nicht bereit, euch mit anderen
achlichen Positionen auseinander zu setzen.
Die Forschungsanstalt in Braunschweig hat aufgrund

er Qualität ihrer Arbeit einen guten internationalen Ruf.
lle wesentlichen Institutionen und Gesellschaftsgrup-
en unseres Landes sind in ein entsprechendes Gremium
ingebunden. Mir kann daher keiner erzählen, dass die
ntscheidung, die jetzt getroffen werden soll, etwas mit
achlichkeit zu tun hat. Hier geht es einzig und allein
arum, Parteipolitik zu betreiben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine böse Unterstellung!)


Dieses Verhalten ist sogar der Grünen unwürdig. Ich
in von einer Veranstaltung für behinderte Menschen,
ie ich Ihnen sehr empfehlen kann, hierher gekommen,
eil ich meine, dass wir den Finger in die Wunde legen
üssen. Wir sind nicht bereit, Ihr Verhalten hinzuneh-
en. Wir lassen nicht zu, dass Sie jede Fachlichkeit au-
er Acht lassen. Es gibt Menschen, die wissen, dass so-
ohl die ökologische Landwirtschaft als auch die
onventionelle Landwirtschaft wertvoll sind. Um dies
um Ausdruck zu bringen, habe ich mir die Mühe ge-
acht, hierher zu kommen.
Ich bedanke mich dafür, dass wenigstens einige Kol-

egen hier geblieben sind.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1506624900

Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
urfs auf Drucksache 15/1663 an den Ausschuss für
erbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft vor-
eschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? – Das ist
icht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 b auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Helge
Braun, Katherina Reiche, Thomas Rachel, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Klinische Prüfung in Deutschland entbürokra-
tisieren
– Drucksache 15/1345 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Auch hier war für die Aussprache eine halbe Stunde

vorgesehen. Aber die Reden der Kollegen Dr. Carola
Reimann von der SPD-Fraktion, Helge Braun von der
CDU/CSU-Fraktion, Hans-Josef Fell von der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Cornelia
Pieper von der FDP-Fraktion sollen zu Protokoll gege-
ben werden.1) – Sie sind offenkundig damit einverstan-
den.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/1345 an die in der Tagesordnung aufge-

führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Auch das ist der Fall. Dann ist die Über-
weisung so beschlossen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Freitag, den 17. Oktober 2003,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.