Protokoll:
15053

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 53

  • date_rangeDatum: 26. Juni 2003

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:32 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 15/53 Tagesordnungspunkt 3: a) Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregierung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates in Thessalo- niki am 20./21. Juni 2003 . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Repu- blik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Po- len, der Republik Slowenien und der lungsfähige Europäische Union (Drucksachen 15/918, 15/1138) . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Initiativen des Brüs- seler Vierergipfels zur Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion (ESVU) über den Europäischen Ver- fassungskonvent vorantreiben (Drucksachen 15/942, 15/1139) . . . . . f) Bericht des Ausschusses für die Ange- legenheiten der Europäischen Union 4311 B 4311 C 4311 C Deutscher B Stenografisch 53. Sitz Berlin, Donnerstag, d I n h a l Berufung der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller in das Amt der Schriftfüh- rerin der Fraktion der SPD . . . . . . . . . . . . . . . Berufung der Abgeordneten Ulrike Höfken als stellvertretendes Mitglied im Beirat der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . Zur Geschäftsordnung: Carl-Ludwig Thiele FDP . . . . . . . . . . . . . . . . Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . . . . . Volker Kauder CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4305 A 4305 B 4305 B 4307 A 4308 A 4309 A 4309 D Slowakischen Republik zur Euro- päischen Union (Drucksachen 15/1100, 15/1200) . . . . 4311 B undestag er Bericht ung en 26. Juni 2003 t : c) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Ernst Burgbacher, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grund- gesetzes (Art. 23) zur Einführung eines Volksentscheids über eine europäische Verfassung (Drucksache 15/1112) . . . . . . . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu dem An- trag der Abgeordneten Peter Hintze, Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Ein Verfassungsvertrag für eine bürger- nahe, demokratische und hand- 4311 B gemäß § 93 a Abs. 4 der Geschäftsord- nung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 Vermerk des Präsidiums für den Konvent Organe – Entwurf von Artikeln für Titel IV des Teils 1 der Verfassung – CONV691/03 (Drucksachen 15/1041 Nr. 3.1, 15/1163) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Peter Hintze, Michael Stübgen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Zum Stand der Beratungen des EU-Verfas- sungs-Vertrages (Drucksache 15/1207) . . . . . . . . . . . . . . . . Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . Erwin Teufel, Ministerpräsident (Baden-Württemberg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Günter Gloser SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger FDP Anna Lührmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) SPD . . . . . . . . . . . Dr. Gerd Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU . . . . . . . . Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Altmaier CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Otto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerd Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . Otto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa Dr. Gerd Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . Dr. Gerd Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Anna Lührmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerd Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . . Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . P J D D D D D T M Z i Z i Z i Z W F D D D 4311 D 4312 A 4312 B 4315 C 4318 A 4320 C 4322 A 4324 A 4326 D 4328 A 4328 C 4330 A 4331 D 4333 D 4335 C 4336 B 4336 C 4337 A 4338 A 4339 A 4339 B 4341 A 4341 B 4341 D 4343 C 4344 A 4344 B eter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . oseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . r. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . r. Christoph Zöpel SPD . . . . . . . . . . . . . . . r. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . . r. Gerd Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . r. Christoph Zöpel SPD . . . . . . . . . . . . . . . homas Silberhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . arkus Meckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Ar- beitsrechts (ArbRModG) (Drucksache 15/1182) . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt (Drucksache 15/1204) . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von den Abgeordneten Rainer Brüderle, Dirk Niebel, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung betrieblicher Bündnisse für Arbeit (Drucksache 15/1225) . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Rahmenbedin- gungen für einen funktionsfähigen Ar- beitsmarkt schaffen (Drucksache 15/590) . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Clement, Bundesminister BMWA riedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . r. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . irk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4345 B 4346 B 4346 D 4348 A 4349 D 4350 C 4351 B 4352 B 4353 A 4354 D 4355 A 4355 A 4355 B 4355 B 4359 A 4362 C 4364 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 III Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . Markus Kurth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Göhner CDU/CSU . . . . . . . . . . Doris Barnett SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergän- zung des Entschädigungsgesetzes und anderer Vorschriften (Ent- schädigungsrechtsänderungsgesetz – EntschRÄndG) (Drucksache 15/1180) . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zollverwaltungsgesetzes und an- derer Gesetze (Drucksache 15/1060) . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Abwicklung der Bundesanstalt für vereinigungs- bedingte Sonderaufgaben (BvSAb- wicklungsgesetz – BvSAbwG) (Drucksache 15/1181) . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Anpassung von Zu- ständigkeiten im Gentechnikrecht (Drucksache 15/1222) . . . . . . . . . . . . . e) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu dem Vertrag vom 25. Februar 2002 über die Änderung des Grenzvertrages vom 8. April 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande (Drucksache 15/1053) . . . . . . . . . . . . . f) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. Juni 2002 zwischen der Bundes- republik Deutschland und dem Kö- nigreich Thailand über die Förde- rung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache 15/1054) . . . . . . . . . . . . . 4366 A 4368 A 4369 D 4370 B 4371 A 4372 A 4373 C 4375 B 4375 B 4375 B 4375 C 4375 C 4375 D g) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu dem Abkommen vom 17. August 2002 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Islamischen Republik Iran über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapital- anlagen (Drucksache 15/1055) . . . . . . . . . . . . . h) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu dem Übereinkom- men vom 9. September 1996 über die Sammlung, Abgabe und An- nahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt (Drucksache 15/1056) . . . . . . . . . . . . . i) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 9. September 1996 über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt (Drucksache 15/1061) . . . . . . . . . . . . . j) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu dem Abkommen vom 30. März 1998 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Brunei Darussalam über die Förde- rung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache 15/1057) . . . . . . . . . . . . . k) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Vierten Gesetzes zur Än- derung des Europawahlgesetzes und eines Neunzehnten Gesetzes zur Än- derung des Europaabgeordneten- gesetzes (Drucksache 15/1205) . . . . . . . . . . . . . l) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu dem Vertrag vom 5. März 2002 zwischen der Bundes- republik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Verlauf der Staatsgrenze in den Grenzabschnitten Bargen/ Blumberg, Barzheim/Hilzingen, Dörflingen/Büsingen, Hüntwangen/ Hohentengen und Wasterkingen/ Hohentengen (Drucksache 15/1187) . . . . . . . . . . . . . m) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen 4375 D 4375 D 4376 A 4376 A 4376 A 4376 B IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 vom 5. November 2002 zum Abkom- men vom 11. April 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerun- gen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewer- besteuer und der Grundsteuern (Drucksache 15/1188) . . . . . . . . . . . . . n) Antrag der Abgeordneten Heidi Wright, Reinhard Weis (Stendal), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Ergänzung der Fahr- erlaubnisverordnung (Drucksache 15/1093) . . . . . . . . . . . . . o) Antrag der Abgeordneten Hans- Michael Goldmann, Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: ILO-Arbeiten an ei- nem internationalen Ausweis für Seeleute unterstützen (Drucksache 15/939) . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: a) Antrag der Abgeordneten Julia Klöckner, Uda Carmen Freia Heller, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Kennzeichnung allergener Stoffe in Lebensmitteln vernünftig regeln (Drucksache 15/1227) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Hans- Michael Goldmann, Horst Friedrich, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Neue Chancen für die Binnenschifffahrt (Drucksache 15/311) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: b) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 4. Juli 2001 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien zur Vermeidung der Doppelbesteue- rung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermö- gen (Drucksachen 15/880, 15/1220) . . . . . in Z Z V A R W D A D J H M G D W 4376 B 4376 C 4376 C 4376 D 4376 D 4377 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verord- nung der Bundesregierung: Verord- nung zur Änderung der Verordnung über Verbrennungsanlagen für Ab- fälle und ähnliche brennbare Stoffe und weiterer Verordnungen zur Durchführung des Bundes-Immis- sionsschutzgesetzes (Drucksachen 15/947, 15/1038 Nr. 2.1, 15/1173) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beschlussempfehlung des Wahl- prüfungsausschusses zu 444 gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deut- schen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüchen (Drucksache 15/1150) . . . . . . . . . . . . . e) Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses: Sammelübersicht 44 zu Petitionen (Drucksache 15/1131) . . . . . . . . . . . . . Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung des Rechtsausschus- ses: Übersicht 3 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 15/1161) . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 9: Aktuelle Stunde auf Verlangen der CDU/ CSU und der FDP: Haltung der Bundes- regierung zu den Streiks in den neuen Bundesländern und deren Auswirkun- gen auf den Wirtschaftsstandort Deutschland eronika Bellmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . nette Kramme SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . erner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lexander Dobrindt CDU/CSU . . . . . . . . . . r. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . oachim Günther (Plauen) FDP . . . . . . . . . . ubert Ulrich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ax Straubinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . erd Andres, Parl. Staatssekretär BMWA . . . r. Michael Luther CDU/CSU . . . . . . . . . . . ilfried Schreck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4377 B 4377 C 4377 C 4377 D 4378 A 4379 B 4380 B 4381 D 4383 A 4384 A 4385 B 4386 B 4387 A 4388 B 4390 A 4391 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 V Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Grund CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) SPD . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Monika Griefahn, Eckhardt Barthel (Berlin), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Claudia Roth (Augsburg), weite- rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: 50 Jahre Deutsche Welle – Zukunft und Modernisierung des Deutschen Aus- landsrundfunks (Drucksache 15/1214) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Bernd Neumann (Bremen), Günter Nooke, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: 50 Jahre Deutsche Welle – Perspektiven für die Zukunft (Drucksache 15/1208) . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Neumann (Bremen) CDU/CSU . . . . . Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Abgeordneten Günter Nooke, Bernd Neumann (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Fusion der Kul- turstiftung der Länder und der Kul- turstiftung des Bundes (Drucksache 15/1099) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Hans- Joachim Otto (Frankfurt), Helga Daub, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Fusion der Kulturstif- tung des Bundes mit der Kulturstif- tung der Länder (Drucksache 15/1113) . . . . . . . . . . . . . Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D E D Z J T G B T C H C D D M D K E Z H T 4392 A 4392 D 4394 A 4395 B 4395 B 4395 C 4397 C 4399 D 4400 D 4401 C 4401 D 4402 A 4403 B 4405 B 4406 D r. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . ckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . r. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 11: Vereinbarte Debatte zur Änderung der Verpackungsverordnung ürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . anja Gönner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . erd Friedrich Bollmann SPD . . . . . . . . . . . irgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Christoph Hartmann (Homburg), Gudrun Kopp, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Bergschäden regulieren – kohle- politische Weichenstellung vornehmen (Drucksache 15/475) . . . . . . . . . . . . . . . . hristoph Hartmann (Homburg) FDP . . . . . . ubert Ulrich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hristoph Hartmann (Homburg) FDP . . . . . . ieter Grasedieck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Joachim Pfeiffer CDU/CSU . . . . . . . . . . ichaele Hustedt BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . arl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . Hubert Ulrich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lke Ferner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 12: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verwendung von Verwaltungsdaten für Zwecke der Wirtschaftsstatistiken (Verwaltungs- datenverwendungsgesetz – VwDVG) (Drucksachen 15/520, 15/1229, 15/1237) artmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . Gerd Andres SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 7: a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezü- gen in Bund und Ländern 2003/2004 4407 C 4409 A 4409 C 4410 A 4411 A 4413 C 4416 A 4416 D 4417 A 4418 A 4418 C 4418 D 4419 C 4420 D 4421 D 4423 A 4423 C 4424 D 4425 B 4425 C VI Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 (Bundesbesoldungs- und -versor- gungsanpassungsgesetz 2003/2004 – BBVAnpG 2003/2004) (Drucksachen 15/1186, 15/1223) . . . . b) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vor- schriften (Drucksache 15/1021) . . . . . . . . . . . . . c) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Zweiter Versorgungsbericht der Bundesregierung (Drucksache 14/7220) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Siegmund Ehrmann, Karin Kortmann, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans- Christian Ströbele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Auf dem Weg zur Errei- chung der Millennium Development Goals (MDGs) – Probleme bei der Ziel- erreichung erkennen und bewältigen (Drucksache 15/1005) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Werner Jonas SPD . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ralf Brauksiepe CDU/CSU . . . . . . . . . . . Thilo Hoppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . Markus Löning FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegmund Ehrmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Helmut Heiderich, Dr. Norbert Röttgen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Die europäische Biopatentricht- linie von 1998 umsetzen (Drucksache 15/1024 (neu)) . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Rainer Funke, Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Rechtssicherheit für biotechnologische Erfindungen durch schnelle Umsetzung der Biopa- tentrichtlinie (Drucksache 15/1219) . . . . . . . . . . . . . . . . T B D J R D K T S K S H D T T N 4426 B 4426 B 4426 B 4426 D 4427 A 4428 A 4430 C 4431 C 4432 B 4433 B 4433 C agesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Geschmacksmuster- rechts (Geschmacksmusterreform- gesetz) (Drucksache 15/1075) . . . . . . . . . . . . . . . rigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . r. Günter Krings CDU/CSU . . . . . . . . . . . . erzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . irk Manzewski SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . urt Segner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 14: Erste Beratung des von den Abgeord- neten Siegfried Kauder (Bad Dürrheim), Dr. Norbert Röttgen, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion der CDU/CSU ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Opferentschädigungs- gesetzes (Drucksache 15/1002) . . . . . . . . . . . . . . . iegfried Kauder (Bad Dürrheim) CDU/CSU arsten Schönfeld SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ibylle Laurischk FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Clemens Binninger, Wolfgang Bosbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Mehr Sicherheit im Luftverkehr (Drucksache 15/747) . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Katherina Reiche, Hubert Hüppe, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: Gentests in Medizin, Arbeitsleben und Versicherungen (Drucksache 15/543) . . . . . . . . . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4433 D 4434 A 4435 A 4436 C 4437 D 4438 B 4439 C 4440 C 4441 B 4441 C 4443 A 4444 B 4445 A 4445 D 4446 C 4446 D 4447 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 VII Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über den Entwurf eines Gesetzes über die Verwendung von Verwaltungsdaten für Zwecke der Wirtschaftsstatistiken (Verwal- tungsdatenverwendungsgesetz – VwDVG) (Zusatztagesordnungspunkt 12) . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über die Anträge: – Die europäische Biopatentrichtlinie von 1998 umsetzen – Rechtssicherheit für biotechnologi- sche Erfindungen durch schnelle Umsetzung der Biopatentrichtlinie (Tagesordnungspunkt 12, Zusatztagesord- nungspunkt 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4449 A 4449 C 4456 B Fritz Kuhn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . Gisela Piltz FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMWA . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über: – Entwurf eines Gesetzes über die An- passung von Dienst- und Versor- gungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/ 2004 – BBVAnpG 2003/2004) – Entwurfs eines ... Gesetzes zur Ände- rung dienstrechtlicher Vorschriften – Unterrichtung: Zweiter Versorgungs- bericht der Bundesregierung (Tagesordnungspunkt 7 a bis c) . . . . . . . . . . . Hans-Peter Kemper SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) CDU/CSU . . . . . . Clemens Binninger CDU/CSU . . . . . . . . . . . Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI C H D D D U B A Z d k ( F C D F A Z ü b ( D K J D D 4449 C 4459 D 4450 B 4451 B 4451 B 4452 B 4453 B 4454 A 4454 D 4455 B hristoph Strässer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . elmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . . . . . . r. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . r. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . rigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . nlage 5 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Mehr Sicherheit im Luftver- ehr Tagesordnungspunkt 15) . . . . . . . . . . . . . . . . rank Hofmann (Volkach) SPD . . . . . . . . . . lemens Binninger CDU/CSU . . . . . . . . . . . r. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . ritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI nlage 6 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung ber den Antrag: Gentests in Medizin, Ar- eitsleben und Versicherungen Tagesordnungspunkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Wolfgang Wodarg SPD . . . . . . . . . . . . . . atherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . erzy Montag BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . etlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4456 C 4457 B 4458 B 4459 B 4460 A 4460 D 4461 C 4461 C 4462 B 4463 A 4463 C 4465 A 4465 A 4466 A 4467 B 4468 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4305 (A) ) (B) ) 53. Sitz Berlin, Donnerstag, d Beginn: 9.0
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    1) Anlage 6. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4449 (A) ) (B) ) schläge zum Bürokratieabbau ab. d ern muss. Denn bisher lehnen Sie alle unsere Vor- Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates A t b W f K g l g l D s v w s l u s d w F v W d h K k r d a ü o u t d z G d V s e Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Adam, Ulrich CDU/CSU 26.06.2003* Bindig, Rudolf SPD 26.06.2003* Breuer, Paul CDU/CSU 26.06.2003 Deittert, Hubert CDU/CSU 26.06.2003* Dr. Flachsbarth, Maria CDU/CSU 26.06.2003 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 26.06.2003 Haack (Extertal),Karl Hermann SPD 26.06.2003 Höfer, Gerd SPD 26.06.2003* Jäger, Renate SPD 26.06.2003* Kauch, Michael FDP 26.06.2003 Lamp, Helmut CDU/CSU 26.06.2003 Lintner, Eduard CDU/CSU 26.06.2003* Lohmann, Götz-Peter SPD 26.06.2003 Rauber, Helmut CDU/CSU 26.06.2003* Riester, Walter SPD 26.06.2003* Dr. Scheer, Hermann SPD 26.06.2003* Schmidt (Ingolstadt), Albert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 26.06.2003 Schösser, Fritz SPD 26.06.2003 Sehn, Marita FDP 26.06.2003 Seib, Marion CDU/CSU 26.06.2003 Siebert, Bernd CDU/CSU 26.06.2003* Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 26.06.2003 Vaatz, Arnold CDU/CSU 26.06.2003 (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht nlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über den Entwurf eines Gesetzes über die Verwendung von Verwaltungsdaten für Zwecke der Wirtschaftsstatistiken (Verwal- tungsdatenverwendungsgesetz – VwDVG) (Zu- satztagesordnungspunkt 12) Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bürokra- ieabbau sollte bereits bei der Überschrift von Gesetzen eginnen. Warum sagen wir nicht einfach: „Abbau von irtschaftsstatistiken durch Nutzung von Daten der öf- entlichen Verwaltung“? Dann wissen gleich alle, was erninhalt des Gesetzes ist. Zum Aufbau der Bürokratie haben alle ihren Beitrag eleistet. Wir sollten jetzt nicht herummäkeln, dass hier ediglich ein kleiner Schritt zum Bürokratieabbau gegan- en wird. Wir sind nicht gehindert, weiter zu gehen. Statistik muss sein. Gerade wirtschafts- und finanzpo- itische Entscheidungen müssen auf einer gesicherten atengrundlage gefällt werden. Nutzen und Kosten von tatistischen Erhebungen müssen allerdings in einem ernünftigen Verhältnis stehen. Selbstkritisch müssen ir immer wieder fragen, ob die Erhebungen, die wir ge- etzlich verordnen, auch notwendig sind. Mit dem vor- iegenden Gesetz sollen Informationsnetze aufgebaut nd Doppelerhebungen abgebaut werden. Wir verwenden mehr Verwaltungsdaten und entlasten o die Wirtschaft. Einfach gesagt, wir müssen nicht all as erneut abfragen, was wir an anderer Stelle längst issen. Wir erleichtern die Übermittlung von Daten der inanzbehörden und der Bundesanstalt für Arbeit und erzichten auf Abfragen bei den Unternehmen. Auf unsch der Länder ist dieses Gesetz befristet. Die Län- er befürchten zusätzliche Kostenbelastungen. Wir ge- en allerdings davon aus, dass langfristig dieses Gesetz osten einsparen wird. Die Länder sind gebeten worden, urzfristig konkrete Vorschläge zur weiteren Reduzie- ung von Wirtschaftsstatistiken zu unterbreiten. Lassen Sie mich zusammenfassend sagen: Wir haben iesen Wust an Wirtschaftsstatistiken parteiübergreifend ufgebaut. Lassen Sie uns gemeinsam Verantwortung bernehmen! Offensichtlicher Unsinn sollte als solcher ffen benannt und korrigiert werden. Schön, wenn wir ns dabei gegenseitig überflügeln. Nur auf die Bremse reten soll niemand. Gisela Piltz (FDP): „Verwaltungsdatenverwen- ungsgesetz!“ Wenn man sich dieses Wort auf der Zunge ergehen lässt, kann man kaum glauben, dass mit diesem esetz weniger Verwaltung und Bürokratie erzielt wer- en soll. Jedoch ist es wirklich so, dass dadurch eine erwaltungsvereinfachung und die Entlastung der Wirt- chaft bezweckt werden soll, und das von Rot-Grün! Sie ntschuldigen, wenn ich mich einen Augenblick wun- 4450 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 (A) ) (B) ) In formeller Hinsicht ist in diesem Entwurf hervorzu- heben, dass eine alte Forderung der FDP, Gesetze mit ei- nem Verfallsdatum zu versehen, hier berücksichtigt wurde. Die Bundesregierung lernt! Diese Testphase ist bis 2008 sehr lang geworden. Viereinhalb Jahre Testfall, das gibt es nur bei Rot-Grün. Ob dieser Weg funktioniert oder nicht, wird sich wohl schneller herausstellen. Auch frage ich mich, warum in § 6 des Gesetzent- wurfs die Bundesregierung, zwar mit Zustimmung des Bundesrates, die Anwendung des Gesetzes aussetzen darf. Die Entscheidung darüber sollte doch beim Parla- ment bleiben und nicht an die Bundesregierung abgege- ben werden. Es wäre besser, wenn wir im Rahmen der so genann- ten Jo-Jo-Klausel bei der Rücknahme dieser Testphase als Bundestag beteiligt wären. Mit dieser speziellen Re- gelung für eine Rechtsverordnung hätten wir nicht die Pflicht, sondern das Recht, uns zu beteiligen. Wenn schon in die richtige Richtung, dann bitte konsequent. Wenn es Ihnen wirklich Ernst mit dem Bürokratieab- bau wäre, dann sollten Sie endlich die monatliche Um- satzsteuer-Voranmeldung für mittelständische Unterneh- men an das Finanzamt abschaffen. Alle drei Monate reicht völlig aus. Das, meine Damen und Herren von Rot-Grün, wäre echter Bürokratieabbau! Der Datenschutzbeauftragte hat zwar keine Bedenken gegen dieses Gesetz gehabt, aber an manchen Stellen fragen wir uns, ob der Grundsatz der „Datensparsam- keit“ eingehalten wird. Wir werden die Testphase im Hinblick auf den Datenschutz kritisch begleiten. Als Letztes ist noch auf die Kritik des Bundesrates einzugehen, der ja richtigerweise darauf hinwies, dass auch die Kosten zum Aufbau und der Führung der erfor- derlichen Datenbanken auszuweisen sind, damit eine Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit gewahrt bleibt. Auch ist es bedenklich, dass den Ländern erheb- lich höhere Kosten als bisher entstehen. Trotz dieser Mängel werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen. Liebe Kollegen und Kolleginnen von Rot-Grün, se- hen Sie es als Motivationshilfe für die Bundesregierung an, weiter Bürokratie abzubauen. Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Arbeit: Ein enges Geflecht von Gesetzen, Verordnungen, Vorschriften, Auflagen, Meldepflichten schränkt die Spielräume der Unterneh- men ein und lähmt ihre Initiative. Das Regelwerk, das Selbstständige in unserem Land beim Gründen und Fort- führen ihrer Betriebe zu beachten haben, füllt Regale, und durch die Meldungen, die sie während der laufenden Geschäfte zu erstatten haben, kommen ständig neue Ak- tenordner hinzu. Dieser bürokratische Aufwuchs behindert den Auf- und Ausbau von Unternehmen, er hemmt Investitionen und Innovationen, er kostet viel Zeit, viel Geld und Ner- ven. Wir alle haben dazu beigetragen, dieses Dickicht zu s m d u a n S ü A B t o d n n g E s b u l d z M v s b v d u u E s r z V F d s g s s p n d p u (C (D chaffen – der Bund ebenso wie die Länder und die Ge- einden, aber auch die europäischen Partner in Brüssel. Die Absichten hinter dem Bürokratieaufbau waren abei ja zumeist durchaus wohl gemeint: Wir wollten Rechtssicherheit für Verwaltungsakte, m wirtschaftliches Handeln zu erleichtern. Tatsächlich ber verkomplizierten und verlängerten wir dadurch Ge- ehmigungsverfahren und erschwerten Investitionen am tandort Deutschland. Wir haben hohe Ansprüche an die Handwerksaus- bung gestellt, um die Qualität der Leistungen und der usbildung zu sichern. Tatsächlich aber haben wir den erufszugang zu stark abgeschottet und behindern Exis- enzgründungen. Wir wollten – damit komme ich zum aktuellen Tages- rdnungspunkt – bessere statistische Informationen über ie Wirtschaft, um deren Lage analysieren und gegebe- enfalls Handlungsbedarf frühzeitig erkennen zu kön- en. Tatsächlich belasten wir die Wirtschaft mit Fragebö- en, deren Beantwortung Stunden dauert und zusätzliche rhebungen erfordert und deren Nichtbeantwortung trafbewehrt ist. Sicherlich brauchen wir, brauchen ins- esondere auch Wissenschaft und Forschung aktuelles nd belastbares statistisches Zahlenmaterial – aber wirk- ich in dem Umfang wie heute? Ist es immer noch nötig, as meiste durch Direkterhebungen zu erfragen? Oder eigt der Weg in die Informationsgesellschaft nicht auch öglichkeiten auf, durch Informationsnetze ohnehin orhandene Daten zu nutzen, statt sie in anderem Zu- ammenhang nochmals zu erheben? Mit dem Verwaltungsdatenverwendungsgesetz stre- en wir an, die Dinge einfacher zu machen. Die Abfrage on Daten bei Unternehmen soll ersetzt werden durch ie Nutzung von Verwaltungsdaten der Finanzbehörden nd der Bundesanstalt für Arbeit. Dabei geht es zunächst um die Angaben für Umsätze nd die Zahl der versicherungspflichtigen Beschäftigten. s soll untersucht werden, ob diese Verwaltungsdaten ich vor allem für konjunkturstatistische Zwecke eignen. Das vorliegende Gesetz schafft die rechtlichen Vo- aussetzungen dafür, dass die benötigten Daten künftig usammengeführt werden können, und auch dafür, die erwendbarkeit für den angestrebten Zweck zu testen. allen diese Tests positiv aus, bestätigt sich die Eignung er Verwaltungsdaten für statistische Zwecke, werden ie künftig die entsprechenden Unternehmensbefragun- en obsolet machen. Wir sind überzeugt, dass durch die- es Verfahren mittelfristig beträchtliche Kosten einge- part werden können. Eine solche Entlastung von statistischen Berichts- flichten ist in unserem gemeinsamen Interesse. Denn icht das Ausfüllen statistischer Fragebögen, sondern er Erfolg am Markt und das Schaffen neuer Arbeits- lätze sind die originären unternehmerischen Aufgaben nd Ziele. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4451 (A) ) (B) ) Der Gesetzentwurf ist Bestandteil des Masterplans Bürokratieabbau und ein wichtiges Projekt für das Ziel der Bundesregierung, Bürokratie im Bereich der amtli- chen Statistik abzubauen. Er beruht auf einem mehrjäh- rigen Abstimmungsprozess zwischen Bund und Län- dern. Der Bund ist den Ländern bei der jetzt vorgelegten Fassung nochmals entgegengekommen. So haben wir eine neue Kostenermittlung in Auftrag gegeben, die den Gesetzentwurf ergänzt und erneut die beträchtlichen mit- telfristigen Entlastungsmöglichkeiten durch das in Aus- sicht genommene Vorgehen bestätigt. Die weitergehenden Forderungen des Bundesrates sind mit diesem Ziel nicht vereinbar. Den Zweck des Ge- setzes nur auf Untersuchungen zur Eignung der Verwal- tungsdaten allein für konjunkturstatistische Zwecke zu beschränken und den Übergang in den Echtbetrieb zu streichen würde die erzielbaren Einsparungen und den beabsichtigten Bürokratieabbau infrage stellen. Dies trifft auch auf das dem Bundestag übermittelte Schreiben des Wirtschaftsministeriums von Baden- Württemberg – Ausschussdrucksache 15(9)361 vom 4. April 2003 – zu. Hier werden im Wesentlichen die Ar- gumente wiederholt, die schon im Beschluss des Bun- desrates genannt sind und die von der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung nicht akzeptiert wurden. Jetzt sollten wir erst einmal die Ergebnisse der Tests abwarten. Ich bitte um Ihre Zustimmung zum Gesetz in der Ih- nen vorliegenden Fassung. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über – Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004 (Bundesbesol- dungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 – BBVAnpG 2003/2004) – Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften – Unterrichtung: Zweiter Versorgungsbericht der Bundesregierung (Tagesordnungspunkt 7 a bis c) Hans-Peter Kemper (SPD): Die Situation, in der wir die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund, Ländern und Kommunen diskutieren und be- schließen, ist sehr schwierig. Die Finanzsituationen von Kommunen, Ländern und Bund ist – gelinde gesagt, – dramatisch und das wirkt sich ohne Zweifel auch auf die Stimmung und auf unser Gesetzgebungsvorhaben aus. Ich will vorausschicken, dass ich großes Verständnis für die Wünsche der Länder und Kommunen habe; denn die große Mehrzahl der öffentlich Bediensteten bzw. der Beamten ist bei Ländern und Kommunen beschäftigt. G t K v w t b f T h d a d s f s a T g d s D d h f a n V n V W s K s ß B l m P t H z r d d z s d z e s (C (D Man kann es auf die einfache Formel bringen: Die esetzgebungskompetenz liegt beim Bund, die Bediens- eten und damit die Kosten liegen bei den Ländern und ommunen. Das darf aber nicht dazu führen, dass nun öllig unkritisch jede Landesforderung übernommen ird – bei allem Verständnis für deren prekäre Finanzsi- uation. Es gilt seit langem als ausgemacht, dass die Beamten- esoldung den Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst olgen soll. Es gibt ein großes Maß an Übereinstimmung, dass das arifergebnis inhaltsgleich, nämlich 4,4 Prozent Erhö- ung in drei Schritten, auf die Beamten übertragen wer- en soll. Dies haben sowohl der Bundesinnenminister ls auch die innenpolitischen Sprecher aller Parteien und ie Berichterstatter deutlich gemacht. An diesem Grund- atz wollen wir und werden wir festhalten. Wir werden ür eine inhaltsgleiche Übernahme des Tarifergebnisses orgen. Zwischen den Innenpolitikern aller Fraktionen war ber auch Konsens, dass der Kompensationsteil aus dem arifabschluss ebenfalls auf die Besoldung und Versor- ung übertragen werden muss. Aus diesem Grunde soll ie Besoldungserhöhung erst mit dreimonatiger Ver- chiebung gegenüber dem Tarifbereich in Kraft treten. as bedeutet eine Besoldungserhöhung zum 1. April für ie unteren Besoldungsgruppen und eine Besoldungser- öhung zum 1. Juli für die höheren Besoldungsgruppen. Hierbei handelt es sich lediglich um den Ausgleich ür Regelungen im Tarifbereich, die in dieser Form nicht uf Besoldung und Versorgung übertragen werden kön- en, wie zum Beispiel Wegfall des AZV-Tages, künftige erschiebung des Zahlungstermins etc. Nun hat der Bundesrat mit großer Mehrheit eine Öff- ungsklausel für eine nochmalige bis zu dreimonatige erschiebung der Besoldungsanpassung beschlossen. ir wollen diesem Votum des Bundesrates nicht folgen, ondern es bei dieser dreimonatigen Verschiebung als ompensationslösung belassen. Für eine weitere Ver- chiebung gibt es keine überzeugende Begründung, au- er dem Diktat der leeren Kassen. Das aber würde eine eamtenbesoldung nach Haushaltslage bedeuten. Bei al- en vergangenen und auch künftigen Veränderungen uss der Grundsatz beachtet werden: keine besonderen rivilegien, aber auch keine Sonderopfer für die Beam- en. Der Staat erwartet von seinen Beamten zu Recht volle ingabe. Das bedeute motivierte und engagierte Arbeit um Wohl der Bürger. Die Beamten dürfen allerdings ih- erseits auch zu Recht eine ausreichende Alimentation urch den Staat erwarten. Die Länder haben darüber hinaus strukturelle Verän- erungen in Form von Öffnungsklauseln für die Einmal- ahlungen, sprich Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld, be- chlossen. Dem werden wir zustimmen; zum einen, um en Ländern die dringend nötigen Finanzspielräume ein- uräumen, zum anderen aber auch, weil dieser Gesetz- ntwurf nur mit Bund und Ländern gemeinsam beschlos- en werden kann. 4452 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 (A) ) (B) ) Nach unserem Dafürhalten sollen aber Bund und Län- der für sich und gesondert entscheiden können, ob und in welchem Maße sie die so geschaffenen Möglichkeiten der Öffnungsklausel nutzen wollen. Im Gesetzentwurf des Bundesrates waren diese Ermessensspielräume nur für die Länder vorgesehen. Wir sind der Meinung, dass Bund und Ländern hier gleiche Kompetenzen einge- räumt werden sollen, und werden eine entsprechende Gesetzesänderung beschließen. Ich wäre sehr froh – wir werden es auch auf jeden Fall versuchen –, wenn hier gleichzeitig schrittweise die be- stehenden Unterschiede bei dem Bemessungsfaktor von Sonderzuwendungen zwischen Ost und West beseitigt werden könnten. Bisher ist es immer noch so, dass im Jahre 2002 ein Bemessungsfaktor von 86 Prozent bei den Sonderzuwendungen in Westdeutschland und von 75 Prozent in Ostdeutschland bestand. Das wird von vie- len gerade in den neuen Bundesländern als ungerecht empfunden. Ich möchte auch noch eine kurze Bemerkung zu dem Begehren des Landes Sachsen-Anhalt machen, hier in besonderer Weise Vorruhestandsregelungen einzuführen, und zwar Regelungen mit einer 25-prozentigen Arbeits- leistung bei 83 Prozent Gehalt. Ich habe gerade für die neuen Bundesländer sehr viel Verständnis. Sie haben noch aus der Vergangenheit ein Überangebot an Beamten. Es hat schon früher ähnliche Versuche anderer Länder gegeben, die in die gleiche Richtung gingen und die wir ebenfalls abgelehnt haben. Wir vermögen außerdem einen Spareffekt bei der von Sachsen-Anhalt angedachten Lösung nicht zu erkennen – es sei denn, man unterstellt, dass die auf diesem Wege dann vorzeitig aus dem Dienst ausscheidenden Beamten keine Leistungen erbracht hätten. Lassen Sie mich aber zur formalen Abwicklung noch einige Punkte sagen: Wir sprechen heute über zwei rechtlich unterschiedliche Bereiche. Einmal geht es um die Übernahme des Tarifergebnisses für Besoldung und Versorgung, zum anderen geht es um Strukturverände- rungen. Wir werden diese beiden Bereiche zu einer Ein- heit zusammenführen. Das ist logisch und absolut sinn- voll. Inhaltlich gibt es zwischen beiden Bereichen eine sehr große Nähe. Was mir besonders wichtig erscheint: Von den Betroffenen werden diese Bereiche im Zusam- menhang gesehen. Es handelt sich in beiden Fällen um Bestandteile von Besoldung und Versorgung, die in ih- ren Veränderungen positive oder negative Auswirkungen auf die Beamteneinkommen haben. Ich weiß, dass die jetzigen Regelungen bei den Beam- ten, aber auch bei ihren Berufsorganisationen nicht nur Freude auslösen. Wir müssen heute und auch in Zukunft dem öffentlichen Dienst eine Menge zumuten. Es gibt allerdings keinen anderen Weg, wenn wir einen leis- tungsstarken öffentlichen Dienst und die langfristige Be- zahlbarkeit von Besoldung und Versorgung sichern wol- len. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): An sich könnten wir uns heute die Sache einfach machen. Denn s d d f l f T b d d a s t E u d u g P d d f d k U s a e g d s E c d i r n d z d D g g n 2 0 A v 0 r n i D u s i a n (C (D owohl das Subsidiaritätsprinzip als auch die Erhöhung es Wettbewerbsföderalismus sprechen dafür, den Län- ern das wieder zurückzugeben, was sie freiwillig An- ang der 70er-Jahre an den Bund delegiert haben, näm- ich die Höhe des Urlaubs- und des Weihnachtsgeldes estzulegen. Auch der Umstand, dass der überwiegende eil der 1,7 Millionen Beamte in Deutschland Landes- zw. Kommunalbeamte sind, spricht für die Gewährung er Öffnungsklausel. Aber ganz so leicht ist die Sache, enke ich, doch nicht; denn ich möchte die Länder, aber uch die Bundesregierung davor warnen, sich der Illu- ion hinzugeben, bei den Beamten das große Einsparpo- enzial zu sehen – auch wenn die Versuchung groß ist. ines ist ganz klar festzustellen: Die Kasse des Bundes nd die Kassen vieler Länder sind insbesondere wegen er katastrophalen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik nd der unterbliebenen Strukturreformen durch die rot- rüne Bundesregierung leer. Im Jahr 2002 machten die ersonalausgaben beim Bund 10,8 Prozent, bei den Län- ern 37,7 Prozent und bei den Kommunen 26,8 Prozent er Gesamtausgaben aus. Dies darf allerdings nicht dazu ühren, dass die Beamten nunmehr zu den „Spareseln“ er Nation gemacht werden. An dieser Stelle muss auch largestellt werden, dass die Beamten vollkommen zu nrecht mit einem teilweise negativen Image behaftet ind. Der weit überwiegende Teil der Beamtenschaft ist ußerordentlich leistungsbereit, service- und bürgerori- ntiert. Diese hohe Motivation und dieses enorme En- agement dürfen nicht dadurch beeinträchtigt werden, ass die Beamten zu „Melkkühen“ degradiert werden. Sowohl der Bund als auch die Länder haben eine Für- orgepflicht gegenüber den Beamten, da sie für jeden inzelnen durch Parlamentsbeschluss eine entspre- hende Planstelle geschaffen haben. Auch muss vermie- en werden, dass die Beamten zu den Leidtragenden des n meinen Augen überhöhten und nicht realistischen Ta- ifabschlusses im öffentlichen Dienst werden. Es darf icht so weit kommen, dass der Staat das, was er dem an er einen Seite des Schreibtisches sitzenden Mitarbeiter usätzlich gewährt, sich von dem auf der anderen Seite es Schreibtisches sitzenden Mitarbeiter wieder einspart. iese Gefahr ist nicht konstruiert, sondern vielmehr anz konkret. Wird beispielsweise das Tarifergebnis mit dreimonati- er Verzögerung übertragen und gleichzeitig das Weih- achtsgeld um 25 Prozent gesenkt, ist das Jahresgehalt 003 im Westen nur um 0,1 Prozent und im Osten um ,5 Prozent höher als 2002. Ab der Besoldungsgruppe 12 käme es gegenüber 2002 sogar zu echten Gehalts- erlusten: minus 0,1 Prozent in den neuen und minus ,5 Prozent in den alten Bundesländern. Ein vergleichba- er Angestellter bekommt dagegen auf das Jahr gerech- et in den unteren Vergütungsgruppen 2,4 Prozent bzw. n den oberen Vergütungsgruppen 1,8 Prozent mehr. iese Ungleichbehandlung wäre nicht vermittelbar. Eine m drei Monate verzögerte Anpassung der Beamtenbe- oldung an den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst ist n meinen Augen das Höchste der Gefühle. Daher ist der m vergangenen Freitag getroffene Beschluss des Fi- anzausschusses des Bundesrates, den Länden eine ver- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4453 (A) ) (B) ) zögerte Anpassung um bis zu sechs Monaten zu gewäh- ren, alles andere als akzeptabel und hinnehmbar. An dieser Stelle muss man sich auch in aller Deutlich- keit klarmachen, über was wir eigentlich sprechen. Es ist nicht so, dass die Beamten die Spitzenverdiener der deutschen Gesellschaft sind. Ein Hauptwachtmeister, 38 Jahre, verheiratet, zwei Kinder, der in der Besol- dungsstufe A 4 eingruppiert ist, verdient in den alten Bundesländern 2 083,43 und in den neuen Bundeslän- dern 1 875,09 Euro im Monat. Ein Justizvollstreckungs- sekretär, 40 Jahre, ledig, der in A 6 eingruppiert ist, kommt in den neuen Bundesländern gerade einmal auf 1 704,82 Euro und in den alten Bundesländern auf 1 894,25 Euro monatlich. In diesen Besoldungsstufen spüren es die Beamten sehr wohl und deutlich, wenn ihnen das Urlaubsgeld komplett und das Weihnachtsgeld anteilig gestrichen wird. Außerdem gilt es, entschieden darauf hinzuweisen, dass die Streichung des Urlaubsgeldes sozial nicht aus- gewogen ist, da es in erster Linie die sozial Schwachen trifft. Bei dem Urlaubsgeld handelt es sich um einen fes- ten Betrag, der bei den unteren Besoldungsgruppen we- sentlich stärker ins Gewicht fällt als bei den höheren. Um die Bandbreite zu verdeutlichen: Im Westen beträgt das Urlaubsgeld in der Besoldungsgruppe A 2 spürbare 23,5 Prozent eines Anfangsgrundgehaltes und bei B 11 lediglich nur noch 2,5 Prozent. Ähnlich gravierende Wirkungen sind beim Weih- nachtsgeld zu beachten. Es beträgt derzeit im Westen 86,31 Prozent und im Osten 64,73 Prozent der für De- zember maßgebenden Bezüge. Es macht damit im Wes- ten 6,7 Prozent und im Osten 5,1 Prozent des Jahresge- haltes aus. Wird das Weihnachtsgeld um beispielsweise 25 Prozent gekürzt, entspricht dies einer Absenkung des Jahresgehaltes um 1,7 Prozent in den alten bzw. 1,3 Pro- zent in den neuen Bundesländern. Bei allem sachlichen Für und Wider spricht meines Erachtens für die Gewährung der Zulassung der Öff- nungsklausel ganz deutlich der Umstand, dass das, was der Bundesrat jetzt beantragt, vielerorts bereits Realität ist. Viele Städte und Gemeinden, insbesondere in den neuen Bundesländern, weichen bereits heute in vollem Einvernehmen zwischen Dienstvorgesetzten und Mitar- beitern von der tariflichen Bezahlung nach unten ab, ein- zig und allein um Entlassungen zu vermeiden. Deshalb halte ich es nur für sachgerecht, dass, was in der Praxis ohnehin de facto existiert, rechtlich den Ländern zu er- möglichen. Ich hoffe nur, dass es sich die Länder nicht in einigen Jahren wieder anders überlegen, und uns dieses „Geschenk“ wieder zurück übertragen wollen. Meines Erachtens ist das Thema Beamtenbesoldung zu wichtig, um es zum ewigen Spielball zwischen Bund und Län- dern zu machen. Clemens Binninger (CDU/CSU): Wenn wir heute über Besoldungsanpassungen für Beamte und Öffnungs- klauseln debattieren, so ist dies eine Debatte im Span- nungsfeld zwischen staatlichen Haushalten auf der einen Seite – denen an jeder Ecke das Geld fehlt und die zur Einsparung gezwungen sind – und Berufen wie Polizei- b a A l m V A l z k i n ü W w d e d T f d P m s d v a G h d k z D m n D s w l s h s u d c L a t z M t w i g m (C (D eamte, Krankenschwestern oder auch Soldaten auf der nderen Seite, die unter schwierigsten Bedingungen ihre ufgaben erfüllen und zu Recht an der Gehaltsentwick- ung teilhaben wollen. Es ist auch eine Debatte, die sich it den Fragen nach sozialer Gerechtigkeit und dem erhältnis zwischen Beamten und den Angestellten und rbeitern des öffentlichen Dienstes befasst und hoffent- ich auch eine Debatte, die uns zeigt, was eigentlich noch u tun wäre, wenn wir das Kernproblem, die Personal- ostenbelastung für die öffentlichen Haushalte, wirklich n den Griff bekommen wollen. Wir unterstützen es nachdrücklich, dass die Ergeb- isse der Tarifverhandlungen jetzt auch für die Beamten bernommen werden. Zu den vorgesehenen Terminen: eitere Verschiebungen um noch einmal drei Monate, ie in der Vorlage genannt, lehnen wir kategorisch ab. Dass der Tarifabschluss und auch die Übertragung auf ie Gruppe der Beamten die öffentlichen Haushalte vor ine Kraftprobe stellt, ist unbestritten und gleichermaßen ie Überleitung zum zweiten, ungleich sensibleren hema und schwierigeren Thema, der Öffnungsklausel ür die Sonderzuwendung, also das Weihnachtsgeld und ie Streichung des Urlaubsgeldes. Dass die Länder ihre ersonalkosten zumindest teilweise selbst beeinflussen öchten, ist verständlich. Was wir aber dabei nicht über- ehen dürfen, ist der Umstand, dass diese Öffnung und eren Gestaltung auch Grenzen haben muss. Wir haben on Beginn an den Vorschlag der rot-roten Regierung us Berlin, nämlich eine Öffnungsklausel auch für das rundgehalt einzuführen, kategorisch abgelehnt. Wir ätten uns gleichermaßen gewünscht, dass der Vorschlag es Deutschen Beamtenbundes, das Weihnachtsgeld zu ürzen, dabei aber zu zwölfteln und in das Grundgehalt u integrieren, bei den Ländern eine Mehrheit findet. ies war, trotz anfänglich positiver Zeichen, leider nicht öglich. Was ich aber an dieser Stelle schon noch einmal beto- en und auch herausstreichen muss, ist das Verhalten des eutschen Beamtenbundes. Es ist in diesen Tagen nicht elbstverständlich, dass eine Berufsvertretung, eine Ge- erkschaft, von sich aus einen Vorschlag macht, der etztendlich als Ergebnis eine Gehaltsreduzierung für eine Mitglieder beinhaltet. Während wir heute das Ver- alten der IG Metall erleben müssen, die einen völlig un- innigen Streik für die 35-Stunden-Woche provoziert nd produziert, ist für mich in dieser Zeit das Verhalten es Deutschen Beamtenbundes ein sehr positives Zei- hen, das es auch zu würdigen gilt. Im Ergebnis haben wir jetzt einen Vorschlag, der den ändern die Möglichkeit eröffnet, das Weihnachtsgeld bis uf Null herunterzufahren, in wirtschaftlich besseren Zei- en dieses Weihnachtsgeld aber wieder anzuheben oder es u belassen, wie es heute ist. Wenn dieser Vorschlag eine ehrheit findet, ist es nun an den Ländern, dafür Sorge zu ragen, dass dieses Instrument sozial gerecht angewandt ird und es mit den wirtschaftlichen Lebensverhältnissen m jeweiligen Bundesland übereinstimmt. Dabei dürfen wir das Kernproblem nicht aus den Au- en verlieren: Die Belastung der öffentlichen Haushalte it Personalausgaben liegt doch nicht daran, dass der 4454 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 (A) ) (B) ) einzelne Beamte zu viel verdient. Wer wird denn ernst- haft behaupten, dass ein Polizeibeamter, nach Ausbil- dung, Mitte 30 oder Anfang 40, in einem mittleren Dienstgrad mit etwa 2 200 Euro brutto – eine Kranken- schwester noch weniger, ein Soldat in etwa gleichen Ver- hältnissen – zu viel verdient? Doch ernsthaft niemand! Deshalb müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir diesen Weg einer durch die Öffnung möglichen Kür- zung, die durch die Gehaltserhöhung zwar kompensiert wird, aber letztendlich doch eine Kürzung darstellt, nicht beliebig oft gehen können. Wir sollten endlich auch an- erkennen, dass die Beamten hier wirklich auch ein Opfer erbringen würden, auch die niedrigen Einkommensgrup- pen. Deshalb ist auch die Schlagzeile, die man jedes Jahr von Neuem lesen muss: „Jetzt sollen auch mal die Be- amten ein Opfer bringen“, definitiv falsch. Sie haben es erbracht, die Polizeibeamten, die Krankenschwestern, die Soldaten. Die Kernbotschaft dieser Debatte lautet daher: Nicht Gehaltskürzungen bei Einzelnen, sondern die Reduzie- rung von staatlichen Aufgaben sind der Weg zum weite- ren Abbau des Personalkostenanteils in den öffentlichen Haushalten. Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Gemeinsam haben Bund und Länder den Ergeb- nissen der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst vom 9. Januar 2003 zugestimmt. Mit dem Gesetz- entwurf zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbe- züge stellt die Bundesregierung die inhalts- und wir- kungsgleiche Übernahme für die Beamtinnen und Beamten und Versorgungsempfänger sicher. Wir sind immer wieder gefragt worden, warum die Übernahme der Tarifvereinbarungen für die Beamtinnen und Beamten so lange dauert. Die Bundesregierung hat sich in intensiven Gesprächen mit den Ländern bemüht, die Übernahme einvernehmlich zu regeln. Wie an den zahlreichen Bundesratsanträgen aus den Ländern für je- den deutlich wird, sind es die Länder, die das Einverneh- men infrage stellen. Die Bundesregierung ist in der Frage der Öffnungs- klauseln nicht von sich aus gesetzgeberisch tätig gewor- den. Sie ist dem einmütigen Wunsch aus den Ländern entgegen gekommen und lässt lediglich im engen Rah- men der Sonderzahlungen eine „Öffnungsklausel“ zu: Die Gestaltung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes wird in das Ermessen der Länder gestellt. Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass die Rahmengesetzgebung des Bundes und damit die Bun- deseinheitlichkeit gewahrt werden muss. Weiter gehende Wünsche der Länder nach Streckung der linearen Über- nahme um weitere drei Monate lehnen wir ab. Der ge- meinsam getragene Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst kann jetzt nicht zulasten der Beamtinnen, Beam- ten und Versorgungsempfänger finanziert werden. Diese Schieflage lassen wir nicht zu. Es muss aber auch völlig klar sein, dass die Über- nahme des Tarifabschlusses und die Ermöglichung einer Öffnungsklausel nur im Paket beschlossen werden kön- n t G t w m a U f a t z r g d d S s ö i g ö e s l s e g B 2 d b z i T d n h s d A D k h z g a S m t u d S (C (D en. Wir wollen Klarheit für die Beamtinnen und Beam- en und fordern jetzt eine zügige Verabschiedung des esetzentwurfes im Bundesrat. Zur Anwendung der Öffnungsklausel im Bund konn- en wir in den vergangenen Tagen in den Medien viele idersprüchliche Meldungen lesen. Fakt ist, es ist vieles öglich, aber nichts entschieden. 2003 werden die Be- mtinnen und Beamten des Bundes ihr Weihnachts- und rlaubsgeld ungekürzt erhalten. Der Haushaltsentwurf ür das Jahr 2004 liegt noch nicht vor. Natürlich werden uch globale Minderausgaben im Personalbereich disku- iert. Meine Fraktion wird Vorschläge machen, wie diese u erwirtschaften sind. Möglich sind: Personaleinspa- ungen, neue Arbeitszeitregelungen; für Bundesbeamte ilt die 38,5-Stunden-Regelung. Sollten auch Kürzungen er Sonderzuwendungen diskutiert werden, müssen iese nach unserer Ansicht sozial gestaffelt sein. Lassen Sie mich zum Schluss sagen. Wir sind gegen onderopfer von Beamtinnen und Beamte. Die Ein- chnitte, die zur Entlastung der öffentliche Haushalte im ffentlichen Dienst vorgenommen werden müssen, stehen m Kontext der Agenda 2010. Sie sind Teil der gesamt- esellschaftlichen Anstrengungen zur Konsolidierung der ffentlichen Haushalte. Der öffentliche Dienst braucht ine verlässliche Zukunftsperspektive. Notwendige Ein- parungen müssen in eine umfassende Reform des öffent- ichen Tarifrechts eingebunden werden. Kernpunkte die- er Reform müssen aus grüner Sicht sein: ein transparentes inheitliches Dienstrecht, ein leistungsorientiertes Ent- eltsystem und die Durchlässigkeit des Systems. Ernst Burgbacher (FDP): Mit ihrem Entwurf eines undesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 003/2004 verlangt die Bundesregierung erneut ein Son- eropfer von den Beamten. Sie nutzt und unterstützt damit estehende Vorurteile und wird ihrem Versprechen einer eit- und inhaltsgleichen Umsetzung des Tarifergebnisses m öffentlichen Dienst auf die Beamten nicht gerecht. Die FDP-Bundestagsfraktion hat beim Abschluss der arifverhandlungen im öffentlichen Dienst kritisiert, ass die Verhandlungsführer, insbesondere Bundesmi- ister Schily, damals eingeknickt sind und einem zu ho- en Abschluss zugestimmt haben. Die Folgen davon ind bekannt: Einige Länder überlegen den Ausstieg aus er Tarifgemeinschaft. Baden-Württemberg hat den ustrittsbeschluss gefasst und diesen Montag bestätigt. as Land Berlin ist bereits ausgetreten. Auch die Dis- ussion über Öffnungsklauseln ist eine Folge dieses zu ohen Abschlusses. Nun sollen die Beamten dafür be- ahlen. Tatsache ist jedoch, dass die Beamten in den ver- angenen Jahren weit mehr Sonderopfer gebracht haben ls andere Berufsgruppen. Tatsache ist auch, dass wir als taat Gefahr laufen, im Wettbewerb auf dem Arbeits- arkt um gute Köpfe den Kürzeren zu ziehen. Ein at- raktiver öffentlicher Dienst ist auf hoch qualifizierte nd motivierte Beamte angewiesen. Deshalb muss mit en vordergründigen und populistischen Maßnahmen chluss sein. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4455 (A) ) (B) ) Die FDP wird als Konsequenz aus diesem völlig unbefriedigenden Handeln der Bundesregierung Vor- schläge für ein modernes Besoldungsrecht vorlegen. Wir wollen darin die Einheitlichkeit der Besoldung in Deutschland weiter gewährleisten, wir werden darin zu- sätzliche Möglichkeiten der Dienstherren für mehr Fle- xibilität schaffen. Insbesondere müssen Motivation und Leistungsbereitschaft gefördert werden. Leider haben die meisten Bundesländer die schon be- stehenden Möglichkeiten bisher kaum wahrgenommen. Die bestehenden Differenzierungsmöglichkeiten in der Bezahlung im öffentlichen Dienst werden nicht genutzt. Insbesondere in den Ländern werden Elemente der Leis- tungsbezahlung im Beamtenbereich unzulänglich prak- tiziert. Seit Jahren erzielen die Länder so einseitig Ein- sparungen auf Kosten der Beamten. Die Freigabe der Stellenobergrenzen durch den Bund wird nicht genutzt. Innerhalb der bestehenden Stellenobergrenzen hätten Bund, Länder und Gemeinden ihre Gestaltungsmöglich- keiten seit langem auch zur Straffung von Behörden und zu Einsparungen nutzen können. Die FDP hält an dem Ziel fest, dass der öffentliche Dienst zu modernisieren ist. Modernisierung des öffent- lichen Dienstes ist Daueraufgabe im Interesse von Bür- gern, Gesellschaft und Staat. Die öffentliche Verwaltung muss auf ihre Kernaufgaben konzentriert werden. Dazu gehören die Eingriffsverwaltung, aber auch andere Be- reiche, wo es die Sicherheit des Staates und des öffent- lichen Lebens, die Stabilität staatlichen Handelns und die staatliche Daseinsvorsorge zu gewährleisten gilt. Aufgrund ihrer Organisationshoheit müssen Bund und Länder diesen Kernbereich ausfüllen. Ein funktionsfähiger öffentlicher Dienst ist eine wich- tige Säule unseres demokratischen Rechtsstaats. Dabei hat sich auch das Berufsbeamtentum bei der politischen Entwicklung Deutschlands bewährt. Die FDP hält daher auch weiterhin am Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation fest. Dies schließt den Erhalt des Gleich- klangs von Besoldung und Tarif und die Gleichbehand- lung aller Statusgruppen im öffentlichen Dienst ein, so- weit nicht die Statusunterschiede Unterschiedlichkeit erfordern. Sonderopfer zulasten der Beamten lehnen wir ab. Nicht kurzfristiges Sparen, sondern Modernisierung, Motivationssteigerung und Leistungsoptimierung müs- sen unsere Ziele sein. Dazu tragen beide vorliegenden Gesetzentwürfe leider nicht bei. Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Unter diesem Tagesordnungs- punkt werden heute drei Vorlagen beraten. Schwerpunkt der Aussprache ist aus meiner Sicht die erste Lesung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfes eines Gesetzes über die Anpassung der Dienst- und Versor- gungsbezüge in Bund und Ländern 2003/2004 sowie des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfes eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften. Beide Ge- setzentwürfe haben nicht nur unterschiedliche „Urheber“ – die Bundesregierung auf der einen und den Bundesrat auf der anderen Seite –, sondern haben vor allem verschiedene Regelungsmotive und -ziele zum Inhalt. G z t t u S n a c i p d b M n A s K r s d 8 z i w b n g a e V a D t 4 e s e w V M d e a g e 2 s D a s G h (C (D leichwohl besteht ein enger sachlicher und auch finan- ieller Zusammenhang. Nicht nur die Dienstherren be- rachten die Personalkosten in ihren jeweiligen Haushal- en als Gesamtheit, sondern auch die Mitarbeiterinnen nd Mitarbeiter bewerten stets das, „was im Jahr unterm trich bleibt“. Dies haben die Reaktionen und Stellung- ahmen der Verbände und der Mitarbeiterinnen und Mit- rbeiter zu beiden Gesetzesvorhaben in den letzten Wo- hen und Monaten gezeigt. Deshalb begrüße ich es, dass beide Gesetzesvorhaben n den parlamentarischen Beratungen des Bundestages arallel beraten werden. Möglich geworden ist dies urch die verfahrensmäßige und inhaltliche Abstimmung eider Regelungsinitiativen während der vergangenen onate zwischen Bundesrat und Bundesregierung. Diese Abstimmung mit den Ländern ist einmal mehr otwendig, weil von den Mehrbelastungen, die durch die npassung der Bezüge in den Jahren 2003 und 2004 ent- tehen, in erster Linie die Haushalte der Länder und ommunen betroffen sind. Wenn auch die konkurrie- ende Gesetzgebungskompetenz für Besoldung und Ver- orgung dem Bundesgesetzgeber zusteht, so sind doch ie weitaus meisten Beamtinnen und Beamten – etwa 0 Prozent – im Landes- und Kommunaldienst. Nicht uletzt deshalb hat die Bundesregierung mit der Vorlage hres Gesetzentwurfs zur Besoldungsanpassung abge- artet, bis sich der Bundesrat auf eine Lösung für die egrenzte Öffnung des Besoldungsrechts beim Weih- achts- und beim Urlaubsgeld verständigt hat. Das Er- ebnis liegt nunmehr mit den beiden Gesetzentwürfen uf dem Tisch. Beginnen möchte ich mit dem Regierungsentwurf ines Gesetzes über die Anpassung der Dienst- und ersorgungsbezüge in Bund und Ländern 2003/2004: Der Gesetzentwurf setzt wirkungsgleich den Tarif- bschluss um. Das heißt, wie im Tarifbereich werden die ienst- und Versorgungsbezüge für die Beamten, Rich- er und Soldaten in drei Schritten linear um insgesamt ,4 Prozent angehoben und werden auch die tariflich ver- inbarten Einmalzahlungen übertragen. Untrennbarer Be- tandteil des Tarifabschlusses sind die im Tarifrecht ver- inbarten Entlastungsmaßnahmen. Diese Entlastungen erden mit dem Gesetzentwurf wirkungsgleich durch erschiebung der Erhöhungszeitpunkte um jeweils drei onate nachvollzogen. Durch den Gesetzentwurf ist sichergestellt, dass auch ie Beamten, Richter und Soldaten sowie Versorgungs- mpfänger trotz schwieriger Rahmenbedingungen an der llgemeinen Einkommensentwicklung teilnehmen. Ich ehe davon aus, dass über den vorliegenden Regierungs- ntwurf zur Besoldungs- und Versorgungsanpassung 003/2004 in diesem Hause bereits Einvernehmen be- teht und es keinen Anlass zu langen Erläuterungen gibt. ie wirkungsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses uf die Beamtinnen und Beamten war von Anfang an un- er gemeinsames Regelungsziel. Der vom Bundesrat eingebrachte Entwurf eines esetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften at in den vergangenen Wochen und Monaten zu 4456 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 (A) ) (B) ) kontroversen Diskussionen geführt. Der Bundesrat hat der Gesetzesinitiative im März diesen Jahres nach langen Beratungen ohne Gegenstimmen zugestimmt. Damit erhalten die Länder die Möglichkeit, eigenstän- dige Regelungen im Bereich des Weihnachts- und des Urlaubsgeldes zu erlassen. Mit Blick auf die von mir bereits angesprochene un- terschiedliche Verteilung der Personalkosten hat die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme dem Wunsch der Länder nach mehr Gestaltungsspielraum bei der Festlegung von Weihnachts- und Urlaubsgeld entspro- chen. Ich denke, es ist aber auch eine Selbstverständlich- keit, dass der Bund dabei für seinen Bereich dieselben Regelungsmöglichkeiten für sich in Anspruch nimmt. Dies hat die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme ausdrücklich klargestellt. Im Ergebnis bedeutet das, Bund und Länder können zukünftig durch eigene bun- des- und landesgesetzliche Regelungen das Weihnachts- und des Urlaubsgeld selbst festlegen. Die Diskussion um so genannte Öffnungsklauseln ha- ben die dienstrechtlichen Foren der vergangenen Monate bestimmt. Dabei wird etwa einer „Besoldung nach Kas- senlage“ das Wort geredet. Wer dies durch die Öffnungs- klausel ermöglicht sieht, überschätzt jedoch die Trag- weite dieser Regelungen. Einheitliche Grundstrukturen und dabei einheitliche Standards in der Besoldung sollen auch in Zukunft erhal- ten bleiben. Nur dann kann die Funktionsfähigkeit unse- res öffentlichen Dienstes in allen Bereichen gewahrt werden. Wenn wir jedoch diese einheitliche Grundstruk- turen im öffentlichen Dienst erhalten wollen, müssen wir auch außerhalb dieser Grundstrukturen eine gewisse Elastizität ermöglichen. Wenn wir uns differenzierten Lösungen für unterschiedliche Verhältnisse verschlie- ßen, gerät auf lange Sicht das ganze System ins Wanken. Daher befürwortet die Bundesregierung eine be- grenzte Flexibilisierung. Der Besoldung soll eine Flexi- bilität ermöglicht werden, die aber nicht grenzenlos sein soll, sondern sich vielmehr auf den Bereich von Weih- nachts- und Urlaubsgeld beschränken soll. Dies sind die zwei Seiten der Medaille, die sich auch in der Stellung- nahme der Bundesregierung widerspiegeln. Ob und welche Länder eigene Gesetze zum Weih- nachts- und Urlaubsgeld erlassen, also von der Öff- nungsklausel Gebrauch machen, müssen wir abwarten. Der Bund wird im Jahr 2003 keine entsprechenden Maß- nahmen vornehmen. Hier sollte auch nicht spekuliert, sondern abgewartet werden. Ich bin davon überzeugt, dass die Mehrheit der Beamtinnen und Beamten sich notwendigen Maßnahmen nicht verweigern und als Teil der Solidargemeinschaft ihren Beitrag leisten wird, wenn ein solcher notwendig werden sollte. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über die Anträge: – Die europäische Biopatentrichtlinie von 1998 umsetzen n h s n r e D m w K d s h u i f B le l w a s b d t E d 1 v w p g h i w F H m a s k Z B a t F a (C (D – Rechtssicherheit für biotechnologische Er- findungen durch schnelle Umsetzung der Biopatentrichtlinie (Tagesordnungspunkt 12, Zusatztagesordnungs- punkt 13) Christoph Strässer (SPD): Es ist schön, dass sich ach langer Zeit auch die Opposition eines Themas nä- ert, das viele gesellschaftliche Gruppen aus den unter- chiedlichsten Bereichen und auch die Koalitionsfraktio- en in den letzten Jahren sehr intensiv beschäftigt hat. Gerade angesichts der Tatsache, dass die Bundes- egierung den von der CDU/CSU geforderten Gesetz- ntwurf nunmehr vorgelegt hat und die parlamentarische ebatte über diesen Entwurf beginnen kann, kann ich ich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich hier ieder einmal um den Versuch handelt, Regierung und oalition vorzuführen, und ich sage Ihnen dazu: Bei iesem Thema, dass in Teilbereichen ethische, wissen- chaftliche, ökonomische und auch rechtliche Grenzzie- ungen erfordert, ist dies unangemessen und wird von ns zurückgewiesen! Ihr Antrag ist aber auch in sich widersprüchlich und nhaltlich nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Zum einen ordern Sie die sofortige Umsetzung der europäischen iopatentrichtlinie in nationales Recht. Gleichzeitig wol- n Sie eine nicht näher beschriebene „Weiterentwick- ung“ der Richtlinie durch die Europäische Kommission, ohl wissend, dass ein entsprechendes Initiativrecht usschließlich bei der Kommission liegt. Auch wir sind der Auffassung, dass die Entwicklung eit 1998 in der biotechnologischen Entwicklung wie der ioethischen Diskussion nicht stehen geblieben ist. Ich arf Sie aber darauf hinweisen, dass die Kommission rotz auch dort vorhandener kritischer Bewertungen der ntwicklung darauf besteht – ich zitiere aus dem Bericht er Kommission an das Parlament und den Rat vom . Oktober 2002 –, „dass die Richtlinie unverzüglich ollständig in einzelstaatliches Recht umgesetzt wird, o dies noch nicht geschehen ist.“ Dies – und nur dies – ist die Aufgabe, die nun in der arlamentarischen Beratung vor uns liegt. Dabei gab und ibt es fraktionsübergreifend Differenzen über den In- alt und den Umfang der Umsetzung, Differenzen, die m Übrigen auch von der Kommission durchaus gesehen erden. In dem zitierten Bericht werden die zentralen ragen angesprochen, über die wir uns hier in diesem ause noch sehr ernsthaft werden auseinander setzen üssen: die Frage des Schutzumfangs von Patenten auf us dem menschlichen Körper stammende isolierte Gen- equenzen bzw. Teilsequenzen sowie der Patentierbar- eit menschlicher Stammzellen bzw. daraus hergestellter ellreihen, die Frage also der Geltung des in anderen ereichen des deutschen und europäischen Patentrechts nerkannten umfassenden Stoffschutzes auch für bio- echnologische Erfindungen. Es ergeben sich weitere ragen, die im Entwurf des BMJ dankenswerterweise ufgegriffen worden sind, so die Frage des Herkunfts- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4457 (A) ) (B) ) nachweises, die jetzt im Entwurf in § 34 a geregelt ist, oder des Landwirteprivilegs in § 9 c. Gestatten Sie mir auch einen Hinweis auf Ziffer 4 b Ihres Antrages, in der Sie fordern, dass Pflanzensorten und Tierrassen gemäß dem Urteil des EuGH vom 9. Ok- tober 2001 weitgehend vom Patentschutz unberücksich- tigt bleiben sollen. Hier argumentieren Sie unsauber, da bereits nach der Richtlinie lediglich Eigenschaften wie zum Beispiel eine Resistenz berücksichtigt werden, wenn sie einzelne Tierarten oder Pflanzensorten über- schreiten. Die SPD-Fraktion wird die Erörterung des jetzt vor- gelegten Regierungsentwurfs zügig vorantreiben; zum einen natürlich zur Vermeidung eines Vertragsverlet- zungsverfahrens, zum anderen aber auch gerade deshalb, weil wir sehen, dass Forschung und Wirtschaft, aber auch gesellschaftliche Gruppen wie Gewerkschaften und Greenpeace zu Recht nach Rechtssicherheit rufen. Ver- lässlichkeit ist erforderlich für unsere Wirtschaft. Sie darf und wird aber nicht unter Aufgabe ethischer Grund- überzeugungen in unserer Gesellschaft hergestellt wer- den. Dies ist eine schwierige Gratwanderung, aber sie wird uns gelingen. Der Umstand, dass erst sechs EU- Mitgliedstaaten die Biopatentrichtlinie in nationales Recht umgesetzt haben, zeigt, dass nicht nur wir uns in Deutschland schwer tun, und zwar zu Recht, wie ich meine. Treten Sie mit uns in einen konstruktiven Dialog über diese wichtige Zukunftsfrage ein. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung bietet eine geeignete Grundlage für die Fortsetzung der Diskussion im Parlament. Die SPD- Fraktion ist hier zu einem offenen, aber ergebnisorien- tierten Diskurs bereit. Helmut Heiderich (CDU/CSU): Wir begrüßen es na- türlich, dass Sie auf unsere Initiative, welche ja die Grundlage der heutigen Debatte ist, nun kurzfristig mit einer Gesetzesvorlage reagiert haben. Es ist ja ganz of- fensichtlich, dass wir, die CDU/CSU, mit unserer Akti- vität die Regierung in Zugzwang gebracht haben. Oder wie soll man es erklären, dass Sie nach mehr als vier Jahren Stillstand nun ausgerechnet zur heutigen Debatte endlich aus den Puschen kommen? Sie haben sich die Überschrift unseres Antrags zur Ma- xime genommen. Die Regierung sollte öfter solch direkte Reaktion zeigen. Wenn man Ihre Vorlage betrachtet, fragt man sich allerdings, warum Sie so lange handlungsunfä- hig waren und wieso die deutsche Biotechnikbranche so lange auf die notwendigen rechtlichen Rahmenbedin- gungen warten musste. Immerhin widerlegen Sie nun ih- ren Koalitionspartner, der Ihnen noch vor vier Wochen vorgehalten hat: „die kann nix, will nix, macht nix“. Ich stimme mit Ihnen überein, dass diese Biopatent- richtlinie ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem bishe- rigen Rechtszustand ist; Fortschritt nicht nur deswegen, weil für die neuen Erkenntnisse, die neuen Technologien und Verfahren spezielle Regelungen getroffen werden, die im bisherigen Patentrecht so nicht vorhanden waren. e w k M d b b w h m s w h h l c g A h u w s n d t E h C G s s d B s s h R g s s b l E t s b s t l g u (C (D Sie ist vor allem auch deshalb ein Fortschritt, weil rstmals eindeutige ethische Grundsätze im Patentrecht, elches ansonsten ein reines Wirtschaftsrecht ist, veran- ert werden. So wird der menschliche Körper ebenso vor issbrauch geschützt wie Tiere und Pflanzen. Es wer- en das Verbot des Eingriffs in die Keimbahn, das Ver- ot des Klonens und die Einhaltung des deutschen Em- ryonenschutzgesetzes fest verankert. Diese Fortschritte erden von den Kritikern der Richtlinie gerne überse- en. Andererseits bringt sie den Forschern und Unterneh- ern ein robustes Patentrecht, den so genannten Stoff- chutz, für ihre Erfindungen. Dies ist unumgänglich, eil nur mit einem unanfechtbaren Patentschutz die ho- en Kapitalinvestitionen gesichert werden können, die eute notwendig sind, um biotechnologische Entwick- ungen bis zur Produktreife zu bringen. Ohne einen sol- hen Schutz würde die deutsche Biotechnikindustrie ge- enüber ihren Wettbewerbern deutlich beeinträchtigt. uch in dieser Richtung haben wir mit unserer Initiative eute offensichtlich einen Durchbruch für Wirtschaft nd Forschung in Deutschland geschafft. Wir lassen aber auch nicht außer Acht, welche Ent- icklungen dieser Bereich seit dem europäischen Be- chluss der Richtlinie, also in den letzten fünf Jahren, ge- ommen hat. So haben sich damalige Befürchtungen, urch die Gensequenzierung und die entsprechende Pa- entierung werde der Mensch sozusagen Eigentum der rfinder, nicht bestätigt. Auch die stets wiederholte Be- auptung, die großen globalen Konzerne würden die laims unter sich aufteilen, wurde nicht Realität. Trotzdem gibt es nach dem Urteil des Europäischen erichtshofs von 2001, den Erfahrungen des Europäi- chen Patentamts, den zahlreichen Diskussionen ver- chiedenster Ethikräte sowie parlamentarischer und an- erer Gruppen einige Punkte, denen wir besondere eachtung geschenkt haben. Dazu gehört der möglichst weit gehende Ausschluss trategischer Patente, wie sie der Präsident des Europäi- chen Patentamts, Ingo Kober, kürzlich beklagt hat. Des- alb wollen wir die bereits im Erwägungsgrund 25 der ichtlinie geforderte Beschränkung auf den notwendi- en Kernbereich der beanspruchten Gensequenz ver- tärkt berücksichtigen. Damit wird eine eventuell beab- ichtigte Blockade später kommender Erfinder durch zu reite Patentansprüche ausgeschlossen. Dem gleichen Ziel gilt die Erleichterung bei der Ertei- ung von Zwangslizenzen für ein abhängiges Patent. benso klar muss die Freiheit der Forschung berücksich- igt sein, welche als Forschungsprivileg von der deut- chen Rechtsprechung garantiert ist. Letztlich wollen wir bei der Erteilung von Patenten esonders genau bei humanen Gensequenzen hin- chauen. Dies gebietet die besondere ethische Problema- ik an dieser Stelle. War man 1998 noch im Wesentlichen von der Vorstel- ung „ein Gen – eine Funktion – eine Anwendung“ aus- egangen, wissen wir heute, dass aus einem Gen sehr nterschiedliche Funktionen entstehen können. Deshalb 4458 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 (A) ) (B) ) muss der Schutzumfang eines Patents an dieser Stelle möglichst konkret festgelegt werden. Unser Vorschlag ist, dem Patentanspruch des Anmelders zu folgen und das zu schützen, was er selbst in seinem Anspruch for- muliert hat. Dies bedeutet zwar einerseits eine gewisse Einschränkung des Stoffschutzes bei einem solchen Pa- tent, gibt aber andererseits die Möglichkeit eines eigen- ständigen Patents einer nachfolgenden unabhängigen Er- findung auf demselben Genabschnitt. Die Abwägung zwischen einer Überbelohnung des Ersterfinders durch einen zu weit gehenden Schutzum- fang und der Möglichkeit eines Zweiterfinders, ebenfalls Patentschutz zu erlangen, ist zugegebenermaßen schwie- rig und deshalb im Rahmen dieses Gesetzgebungsver- fahrens noch weiter zu konkretisieren. Was den Schutz der Pflanzen und Tiere angeht, muss der Vorrang des bewährten deutschen Sortenschutzrech- tes erhalten bleiben. Das heißt, die Patentansprüche müs- sen zwischen Sortenzüchter und Patentinhaber geregelt werden. Der Landwirt darf davon in seiner täglichen Praxis nicht beeinträchtigt werden. Wir alle gehen heute einen deutlichen, aber längst überfälligen Schritt nach vorn. Aber die Dynamik dieses Wissenschafts- und Wirtschaftsbereichs hat schon wie- der neue Fragen aufgeworfen. Deshalb wird es notwen- dig sein, auf europäischer Ebene über die Fortentwick- lung dieses Patentrechts zu sprechen. Dabei muss sich die Bundesregierung von Anfang an einbringen und darf nicht wieder vier Jahre zum Nachteil des eigenen Landes ungenutzt verstreichen lassen. Dr. Maria Böhmer (CDU/CSU): Der Schutz bio- technologischer Erfindungen ist ein wichtiger Faktor des internationalen Wettbewerbs. Deshalb muss die EU-Bio- patentrichtlinie ins deutsche Patentrecht umgesetzt wer- den. Die Bundesregierung hat gestern einen Gesetzentwurf beschlossen. Nachdem jahrelang nichts passierte, ist diese Beschleunigung der Dinge offenbar eine Reaktion auf unseren Antrag. Frau Ministerin, die Bundesregierung hat viel wert- volle Zeit für interne Abstimmungsversuche vertan. Es ist richtig: Biopatentschutz ist ein rechtlich und ethisch anspruchsvolles Thema. Die lange Zeit ist leider nicht für eine intensive politi- sche Diskussion genutzt worden. Der Grund war ein an- derer: Wenn man Ihre Ankündigungen und die Aussagen Ihrer Vorgängerin oder des damaligen Staatssekretärs Pick zusammennimmt, dann hat die rot-grüne Bundesre- gierung ihre Meinung zum Patentschutz seit 1998 immer wieder verändert. Wir wollen von uns aus Klarheit in das Verwirrspiel bringen: Die Richtlinie muss auf den aktuellen Stand der wissenschaftlichen und ethischen Diskussion gebracht werden. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, auf europäischer Ebene sofort Verhandlungen über eine Weiterentwicklung zu beginnen. m u E e w r le I E m g s m u Z e E n G s v n s N d r i tr s is d n je w p h w d c d h li b (C (D Trotz der heutigen Mängel der Richtlinie bringt sie ehr Vorteile als Nachteile. Und deshalb wollen wir sie msetzen. Wir zeigen Ihnen mit unserem Antrag, wie aus der U-Richtlinie ein zugleich innovationsförderndes und thisch abgestimmtes Gesetz wird. Ich will aus unseren Vorschlägen nur den besonders ichtigen Punkt „Reichweite des Patentschutzes“ he- ausgreifen. Patentrecht ist Wirtschaftsrecht, aber kein wertneutra- s Feld. Wir müssen das Interesse an einer Stärkung der nnovations- und Wettbewerbskraft unseres Landes in inklang bringen mit der Sorge, die in dem Satz zusam- engefasst wird: Kein Patent auf Leben. In der Vergangenheit wurden in einer Art Goldrausch roße Claims im Land des menschlichen Genoms abge- teckt, buchstäblich Exklusivrechte an der Nutzung des enschlichen Lebens. Dies wollen wir für Deutschland nd die EU ausschließen. Auf der anderen Seite gilt: Forschung verlangt viel eit und Geld. 10 bis 12 Jahre dauert die Entwicklung ines Arzneimittels. Und sie kostet circa 750 Millionen uro. Das Patent sichert die Rentabilität solcher Investitio- en. Es ist der Treibstoff, ohne den der Motor Bio- und entechnologie nicht läuft. Deshalb muss der Biopatent- chutz sachlich und gerecht ausgestaltet werden. Wir schlagen ein funktionsbeschränktes Stoffpatent or. Warum? Das menschliche Gen als Material biotech- ologischer Erfindungen ist nicht irgendeine Substanz, ondern Teil des Bauplans Mensch, ein Teil von uns. ach der Entschlüsselung des menschlichen Genoms ist ie Zahl der bekannten krankheitsrelevanten Gene von und 500 auf 50 000 explodiert. Wenn in einer menschlichen Zelle nur 10 000 Prote- ne wirken – wir können das bisher nur schätzen –, illus- iert das die unvorstellbare Komplexität möglicher Zu- ammenhänge im Organismus. Wenn die menschliche Gensequenz ein Grundstück t, auf dem etwas Segensreiches angebaut werden kann, ann soll – nach unserer Vorstellung gerechter Beloh- ung – nicht der ganze Kontinent mitpatentiert werden, denfalls nicht, solange der größte Teil der Landkarte eiß ist. Denn die Isolation eines Gens und die Prüfung seiner harmakologischen oder medizinischen Relevanz sind eute automatisiert. Damit fehlt der Touch des Genialen, ie er etwa in der gedanklichen Leistung der Erfindung es Penicillins steckte. Professor Winnacker hat gesagt: „Sollen die Entde- ker einer einzigen dieser Eigenschaften zugleich auch ie Rechte für bislang nicht entdeckte Anwendungen er- alten? Wohl kaum!“ Wir wollen – ich bleibe in meinem Bild –, dass mög- chst viele auf Entdeckungstour ins Unbekannte auf- rechen, ohne einem Erstpatentinhaber ständig Wegezoll Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4459 (A) ) (B) ) zahlen zu müssen. Mit einem funktionsbezogenen Stoff- schutz begrenzen wir deshalb das Patent auf eine kon- krete gewerbliche Anwendbarkeit. Das ist kein absoluter Stoffschutz wie von der Bun- desregierung vorgeschlagen, das wäre zu viel Beloh- nung, aber auch kein reines Verfahrenspatent, das wäre zu wenig und vermutlich auch mit der EU-Richtlinie nicht vereinbar. Mit einem funktionsbeschränkten Stoffschutz erhö- hen wir die Chance kleinerer Firmen auf Erstpatente und fördern damit den Wettbewerb. Und ganz wichtig ist: Wir geben damit auch den Men- schen in unserem Land eine überzeugende Antwort, die verhindern wollen, dass sich einige Wenige den Men- schen als Teil der Schöpfung aneignen. In einem alten Lehrbuch zum Patentrecht aus dem Jahr 1878 – Kohler, Deutsches Patentrecht – ist zu lesen, was Sinn und Zweck des gewerblichen Rechtsschutzes ist: „den Vortheil des Producenten mit dem Vortheil des Publikums zu verbinden“. Unser Vorschlag bringt diese Synthese aus kommerziellem Interesse und Allgemein- wohl. Meine Damen und Herren, wir müssen, wenn es um ethische Grundentscheidungen geht, und die Patentie- rung eines menschlichen Gens ist sicher eine solche Ent- scheidung, den Willen haben, einen breiten Konsens zu erzielen und damit ein Signal in unsere Gesellschaft zu senden. Wir sind bereit, mit Ihnen ein innovationsför- derndes und ethisch tragfähiges Gesetz zur Umsetzung der EU-Biopatentrichtlinie zu erarbeiten. Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die EU-Richtlinie zu Biopatenten hat deutliche Schwä- chen: Sie ist zu weit gehend und sie ist vom wissen- schaftlichen Fortschritt überholt. Sie muss überarbeitet werden. Nur unter Ausschöpfung der Interpretations- spielräume ist eine Umsetzung in nationales Recht ein Fortschritt gegenüber der geltenden Rechtslage. Bereits im März haben wir aus diesem Grund eine Doppelstrate- gie vorgestellt: Umsetzung unter Ausnutzung der vor- handenen Spielräume, aber auch Neuverhandlung der EU-Richtlinie. Ich begrüße es sehr, dass inzwischen auch die Union dazugelernt hat und unsere vorgeschla- gene Doppelstrategie – Umsetzung und gleichzeitig Neuverhandlung der EU-Richtlinie – unterstützt. Der seit gestern vorliegende Gesetzentwurf ist ein erster Schritt in die richtige Richtung: Er nutzt beste- hende Spielräume aus – Stichworte sind Herkunftsnach- weis und Auskreuzung. Mit Verabschiedung des Gesetz- entwurfs hat die Bundesregierung außerdem den Beschluss gefasst, sich in Brüssel mit Nachdruck für eine Überarbeitung der Richtlinie einzusetzen. Damit ist eine ganz wichtige Forderung, die wir immer erhoben haben, als Zusage berücksichtigt. Die Regierung will sich auch dafür einsetzen, dass der Herkunftsnachweis im Rahmen internationaler Verhandlungen verbindlich eingefordert wird. g g b G k d g B D k R t s w A d is d f g d A b e B m s s b s n z s d a k m d U s a d F D e k P t s t s n w g k D K (C (D Ich will nicht verhehlen, dass innerhalb der Bundesre- ierung unterschiedliche Auffassungen über die Ausle- ung der Richtlinie bestehen. Das Umwelt- und das Ver- raucherschutzministerium haben dafür gesorgt, dass der esetzentwurf in einigen Punkten verbessert werden onnte: Das gilt vor allem für den Herkunftsnachweis es genetischen Materials, der als Soll-Bestimmung auf- enommen wurde. Das ist vor allem für die Nord-Süd- eziehungen – Stichwort Biopiraterie – von Bedeutung. eutschland hat sich in mehreren internationalen Ab- ommen zum Schutz der biologischen Vielfalt und der echte von Entwicklungsländern verpflichtet. Ein wich- iges Instrument dabei ist, die Herkunft von biologi- chem Material nachvollziehbar zu gestalten. Im Ent- urf ist nun die Forderung aufgenommen, dass die nmeldungen Angaben zum geographischen Herkunftsort ieses Materials umfassen müssen, soweit dieser bekannt t. Darüber hinaus verpflichtet sich die Bundesregierung in em Kabinettsbeschluss, sich auf internationaler Ebene da- ür einzusetzen, dass die Herkunft des in einer Erfindung enutzten biologischen Materials in der Patentanmel- ung zwingend angegeben werden muss. Zudem ist der Schutz von Bauern vor ungewollter uskreuzung von gentechnisch verändertem Material erücksichtigt. Das ist positiv. Landwirte müssen vor iner zufälligen Verunreinigung ihres Saatgutes – zum eispiel durch Pollenflug vom Nachbaracker – und da- it verbundenen patentrechtlichen Ansprüchen ge- chützt werden. Hierzu ist im Gesetzentwurf nun ein ent- prechender Passus enthalten, dass der Patentschutz für iologisches Material, das im Bereich der Landwirt- chaft zufällig oder technisch nicht vermeidbar gewon- en wurde, ausgeschlossen ist. Weiterhin trägt – sollte es u einer Auskreuzung kommen – nicht der Landwirt, ondern der Patentrechtsinhaber die Beweislast. Suboptimal ist, dass im jetzigen Gesetzentwurf nicht ie Möglichkeiten ausgeschöpft werden, das Stoffpatent uf nationaler Ebene deutlich einzuschränken. Gene sind eine Stoffe im üblichen Sinn, sondern beinhalten Infor- ationen, deren Bedeutung von ihrer Position innerhalb es Genoms und der Interaktion zwischen Zellen und mwelt abhängt. Der Entwurf der Bundesregierung ieht vor, dass Patentanmelder eine Funktion eines Gens ngeben müssen, um nur ein Patent zu bekommen, das en Stoff umfasst. So bekommen sie alle aufgefundenen unktionen mit patentiert, die später gefunden werden. ies führt zu Vorratspatentierungen und zu Monopolen inzelner Forscher oder Firmen auf Gene und behindert ünftige Forschung. Die Zunahme dieser strategischen atente wurde erst vor wenigen Wochen von dem Direk- or des Europäischen Patentamtes, EPA, kritisiert. Wir etzen uns weiterhin dafür ein, dass solche ungerechtfer- igten Vorteile durch einen uneingeschränkten Stoff- chutz, die weit über die angemessene Erfinderbeloh- ung hinausgehen, im Biopatentgesetz eingeschränkt erden. Alles andere wäre forschungsfeindlich und un- erecht. Um hier zu einer international wirksamen Lösung zu ommen, ist es wichtig, die EU-Richtlinie zu verbessern. azu gehört, dass die Patentierung von Verfahren zum lonen menschlicher Lebewesen eindeutig ausgeschlos- 4460 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 (A) ) (B) ) sen werden kann und dass Stoffpatente auf konkret be- schriebene Funktionen beschränkt werden können; nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Pflanzen und Tie- ren. Nur so können Vorratspatentierungen und Monopole einzelner Firmen auf Gene verhindert werden. Schon heute melden Konzerne ein Patent an, indem sie nur eine Funktion des Gens angeben. Nachträglich werden alle später aufgefundenen Funktionen dieses Gens mit paten- tiert. Die Nutzung der Spielräume bei der Umsetzung hilft jedoch wenig, wenn es um grundsätzliche Probleme der EU-Richtlinie geht. So ist es zum Beispiel – anders als die CDU behauptet – derzeit möglich, dass die Patente auch Pflanzensorten umfassen. Der jüngste Streitfall beim EPA um ein Patent auf Sojabohnen hat dies wieder deutlich bestätigt. Darum setzen wir uns dafür ein, dass die Richtlinie auf EU-Ebene überarbeitet wird. Ulrike Flach (FDP): Ich hatte in meinen Redeentwurf bereits heftige Kritik an der Bundesregierung hineinge- schrieben, weil Sie noch immer keinen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Biopatentrichtlinie in nationales Recht vorgelegt hatte. Vorgestern erfuhren wir, dass nun doch ein Entwurf das Kabinett passiert hat. Ein Lob kön- nen Sie nur für den Inhalt, nicht aber für die lange Ver- schleppungszeit erwarten. Der Gesetzentwurf hält sich nach erster Durchsicht weitgehend an die Vorgaben der EU-Richtlinie und kommt unserer Forderung nach einer 1:1-Umsetzung sehr nahe. Besorgnis erregend sind aber die Töne, die vom grü- nen Koalitionspartner zu hören sind. Der Abgeordnete Loske teilt mit, die Grünen werden – gemeinsam mit einigen SPD-Kollegen – Änderungsanträge einbringen, die den absoluten Stoffschutz weiter einschränken sol- len. Sogar von schwarz-grünen Anträgen kann man in der Frankfurter Rundschau lesen. Das ist die Übertragung der nordrhein-westfälischen Taktik auf den Bund. Im Kabinett stimmen die Grünen zu, draußen organisieren sie den Widerstand. Das mag gut für das grüne Image sein, dem Standort Deutschland hilft es allerdings nicht weiter. Wir brauchen eine schnelle Umsetzung und nicht weitere quälende Debat- ten. Herr Loske kritisiert, dass sich ein Patent auch auf Funktionen eines Gens beziehen würde, die später ent- deckt werden. Das ist aber nun einmal im Patentrecht ganz normal. Wenn Sie ein Patent für ein Medikament gegen eine bestimmte Krankheit erhalten und Sie stellen später fest, dass das Medikament auch gegen eine andere Krankheit hilft, dann kann es doch nicht sein, dass sie dafür ein separates Patent beantragen müssen. Es ist schließlich derselbe Stoff. Die FDP steht zur Freiheit der Forschung. Zwar ist der uneingeschränkte Schutz eines Patents dort nicht ge- rechtfertigt, wo die Weiterentwicklung der Technik be- hindert würde, denn wir wollen Erfindergeist anspornen. Aber wenn erstmals mit technischen Mitteln ein bisher nicht bekannter Stoff gewonnen wird, ist ein umfassen- d m b t R i d a K t d f t d d a s w m b U K u e b i h l s d A w g P b r g s G g R t d t z s R F (C (D er, ein absoluter Stoffschutz notwendig. Die Patentan- eldung dient ja auch dazu, den Stoff der Allgemeinheit ekannt zu machen und somit eine Grundlage für wei- ere Forschung zu schaffen. Der Antrag der Unionsfraktionen bedeutet einen ückschritt gegenüber dem, was wir heute haben. Das st die Botschaft, die wir aus der Wissenschaft und von en Unternehmen erhalten. Die EU-Richtlinie selbst stellt hohe Anforderungen n die Erfindungshöhe und legt fest, dass Verfahren zum lonen von Menschen oder zur Veränderung ihrer gene- ischen Identität nicht patentierbar sind. Damit wird eutlich, dass es kein Patent auf Leben geben kann. Dies indet sich im Gesetzentwurf wieder. Ein einheitliches europäisches Patentrecht für bio- echnologische Erfindungen bietet große Chancen für ie Forschung. Ohne einen wirksamen Patentschutz wer- en aber die Unternehmen – und sie erbringen den weit- us größten Anteil an Forschungsmitteln – nicht in For- chung investieren und der therapeutische Fortschritt ird verlangsamt. Sicher, neue Medikamente gibt es nicht von heute auf orgen, aber es gibt sie erst recht nicht ohne einen ver- indlichen rechtlichen Patentschutz. Gerade Start-up- nternehmen sind darauf angewiesen, über Patente für ooperationen mit großen Firmen attraktiv zu werden nd Zugang zu Wagniskapital zu erhalten. Ich freue mich, dass die Bundesregierung nun doch inen Entwurf vorgelegt hat und erwarte, dass dieser ald ins Parlament kommt. Eine Einbringung zunächst n den Bundesrat, wie sie in den Medien angeklungen ist, alten wir für eine überflüssige Verzögerungstaktik. Wer will, dass der Biotechnologie-Standort Deutsch- and Rechtssicherheit erhält, der sollte nicht taktieren, ondern handeln. Auf unsere Unterstützung können Sie abei rechnen. Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: Der ntrag der CDU/CSU-Fraktion greift ein Thema auf, elches auch der Bundesregierung am Herzen liegt. Es eht um die Umsetzung der Richtlinie des Europäischen arlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz iotechnologischer Erfindungen, kurz: die Biopatent- ichtlinie. Es handelt sich um eine wichtige Richtlinie. Sie bietet erade für biotechnologische Erfindungen mehr Rechts- icherheit und mehr Klarheit. So werden die ethischen renzen der Patentierbarkeit konkreter festgelegt als im eltenden deutschen Recht. Ein solcher verlässlicher ahmen im rechtlichen Bereich ist für die Nutzer des Pa- entsystems, insbesondere die deutsche Forschung und ie deutsche Industrie, von größter Wichtigkeit. Die be- roffene Wirtschaft und die zuständige Gewerkschaft set- en sich ebenso wie die öffentliche und private For- chung uneingeschränkt für die 1:1-Umsetzung der ichtlinie ein. Ich begrüße daher, dass sich auch die CDU/CSU- raktion nunmehr uneingeschränkt zur Umsetzungsver- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4461 (A) ) (B) ) pflichtung bekennt. Bei der ersten Lesung des Regie- rungsentwurfs in der vergangenen Legislaturperiode hatte sich nämlich der Vertreter der CDU/CSU deutlich skeptischer und eher distanziert geäußert. Das hatte da- mit zu tun, dass wir es uns alle mit dem Thema Biotech- nologie aus guten Gründen nicht leicht machen. Dies sind wir den ethischen und den wirtschaftspolitischen Fragen schuldig, die diesem Thema zugrunde liegen. Trotzdem – auch darauf gilt es in diesem Zusammen- hang nochmals hinzuweisen – mit der Richtlinie und mit ihrer Umsetzung in deutsches Recht wird kein neues Pa- tentrecht für biotechnologische Erfindungen geschaffen. Die Patentierung biotechnologischer Erfindungen erfolgt in Deutschland und Europa bereits seit über 30 Jahren und ist durch die Rechtsprechung anerkannt. Das Gesetz soll vor allem Patentrecht und Patentrechtspraxis in Europa harmonisieren. Auf dieser Grundlage wollen und werden wir das Ergebnis einer ernsthaften und sachge- rechten Interessenabwägung in Gesetzesform bringen. Die Bundesregierung hat hier ihre Hausaufgaben erle- digt: Wir haben bereits im Oktober 2000 unseren Ent- wurf zur Umsetzung der Biopatentrichtlinie vorgelegt, zu dem in diesem Hause verschiedene Anhörungen statt- gefunden haben. Leider konnte das Gesetzgebungsver- fahren nicht mehr abgeschlossen werden, sodass der Entwurf der Diskontinuität anheim fiel. Die Bundesre- gierung hat nun einen neuen Regierungsentwurf be- schlossen. Wir unterstreichen damit unseren Handlungs- willen in dieser Zukunftstechnologie. Der neue Entwurf ist mit seinem Vorgänger im Wesentlichen identisch. Viele Forderungen aus dem heute hier diskutierten Antrag der CDU/CSU-Fraktion waren bereits in dem ersten Regierungsentwurf umgesetzt und sind auch im neuen Entwurf enthalten: von der Erleichterung der Zwangslizenzierung bei abhängigen Patenten bis zur Be- rücksichtigung des Embryonenschutzgesetzes bei der Auflistung der Patentierungsverbote. Besonders hinwei- sen möchte ich in diesem Zusammenhang auf den von uns neu geschaffenen § 34 a des Entwurfs, der eine Ver- pflichtung des Anmelders zur Angabe der Herkunft des in der Erfindung verwendeten biologischen Materials einführt: Damit setzen wir ein deutliches Zeichen im Sinne der Konvention zur Biodiversität! Natürlich wissen wir, dass die Biopatentrichtlinie nicht das letzte Wort in diesem komplexen Rechtsgebiet ist. Die Bundesregierung hat die Europäische Kommis- sion bereits Anfang 2001 darauf hingewiesen. Die Kom- mission hat auf die Entwicklung – nicht nur in Deutsch- land – bereits reagiert. In ihrem Bericht vom Oktober 2002 lehnt sie mögliche Verbesserungen und Präzisie- rungen der Richtlinie keineswegs mehr grundsätzlich ab. Die Bundesregierung wird sich deshalb auch nach In- Kraft-Treten des Gesetzes weiterhin bei der Europäi- schen Kommission für erforderliche Verbesserungen und Präzisierungen der Richtlinie einsetzen. Ein Wort zu der auch in diesem Hause intensiv disku- tierten Frage des so genannten Stoffschutzes, also dem rechtlichen Schutz des durch die Erfindung der Öffent- lichkeit neu zur Verfügung gestellten Stoffes, zum Bei- s F b m w m S p w n D w e l A C S m g B d l w g B u d U u B r d S s t b u N d m d n W z (C (D piel der Teilsequenz eines Genes, einschließlich seiner unktionen. Wir haben hier die vom Patenrecht vorgege- ene grundsätzliche Geltung des absoluten Stoffschutzes it Regelungen flankiert, die dem Missbrauch entgegen- irken werden. Wir wollen vermeiden, dass unange- essen weit reichende Stoffansprüche auf genetische equenzen erteilt oder solche Stoffe im Ergebnis mono- olisiert werden. Unser Gesetzentwurf ist damit auch forschungs- und irtschaftspolitisch notwendig, um Investitionen und In- ovationen in der Biotechnologie effektiv zu fördern. as kommt nicht zuletzt der Forschung und der Ent- icklung wirksamer neuer Medikamente zugute. Ich bin überzeugt, dass wir mit diesem Gesetzentwurf ine gute Grundlage für eine intensive, aber zügige par- amentarische Beratung haben. Ich freue mich darauf. nlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Mehr Sicherheit im Luftverkehr (Tagesordnungspunkt 15) Frank Hofmann (Volkach) (SPD): Dieser Antrag der DU/CSU behandelt zentral die Luftverkehrssicherheit. ie wollen den Eindruck erwecken, die Opposition üsste die Regierung in diesem Bereich zum Jagen tra- en. Das hat der Parlamentarische Staatssekretär beim undesminister des Innern, Fritz Rudolf Körper, ein- rucksvoll widerlegt. Sie haben das Hase-Igel-Spiel ver- oren, denn während Sie bei Ihrem Antrag noch dabei aren, die richtige Formulierung zu finden, hat die Re- ierung bereits gehandelt. Der Schutz der Bevölkerung hat für die rot-grüne undesregierung eine herausragende Bedeutung. Aber ns ist nicht daran gelegen, mit dem Sicherheitsgefühl er Bürgerinnen und Bürger zu spielen. Sie versuchen nsicherheitsgefühle bei der Bevölkerung zu erzeugen nd wenn Ihnen das gelungen ist, dann wollen Sie die undesregierung dafür verantwortlich machen. So betreibt man permanenten Wahlkampf, und zwar ücksichtslos. Dem Schutz der Bevölkerung aber dient ies nicht. Wir dagegen wollen die Sicherheit und das icherheitsgefühl einer wachsamen Bürgergesellschaft tärken. Dazu sollten und könnten auch Sie einen Bei- rag leisten. Die Sicherheit im Luftverkehr war vor dem 9. Novem- er 2001 in Europa und insbesondere in Deutschland hoch nd wir haben permanent Verbesserungen vorgenommen. icht umsonst spielen sich Flugzeugentführungen gerade ort ab, wo die bei uns vorhandenen Sicherheitsmaßnah- en gerade nicht zum Tragen kommen. Schauen Sie och einmal in die Statistiken und Analysen zur Krimi- alität rund ums Flugzeug. Für uns steht die Luftverkehrssicherheit nicht isoliert. ir haben ein ineinander greifendes, abgestuftes Kon- ept zum Schutz der Bevölkerung und der Passagiere. 4462 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 (A) ) (B) ) Der vorliegende Antrag konzentriert sich auf einen einzigen Punkt. Das ist ungefähr so, als ob wir uns beim Schutz vor Wohnungseinbrüchen ausschließlich um die Haustüre kümmern würden. Die Haustüre ist wichtig. Aber die Beratungsstellen der Polizei würden ein ineinander greifendes, abgestuftes Konzept empfeh- len und die Haustüre, die Fenster, den Vorbereich, die Straße und auch gute Beziehungen zu den Nachbarn in den Schutz des Hauses einbeziehen. Genau so, wie wir versuchen, mit einem abgestuften Konzept das Haus zu schützen, verfahren wir auch im Bereich der Terrorismusbekämpfung. Es wäre fatal, sich nur auf einen Teilbereich zu beschränken. Der vorliegende Antrag legt einen Schwerpunkt auf die technischen Standards bei den biometrischen Erken- nungsmerkmalen. Die Technik ist wichtig, aber wir soll- ten nicht auf die Technik alleine setzen. Der Schwer- punkt muss ebenso auf geschultem Personal liegen. Da haben wir unsere Hausaufgaben längst gemacht, wie Sie vom Parlamentarischen Staatssekretär erfahren mussten. Unsere Erfahrung zeigt: Immer, wenn man die techni- schen Sicherungen verbessert, verbessern sich auch die Möglichkeiten der Umgehung, siehe Euro. Dies zeigt: Die Technikgläubigkeit hat ihre Grenzen und darf nicht die Wachsamkeit der Beschäftigten und der Passagiere ersetzen. Das, was Sie hier vorlegen, ist ein Baustein des Kon- zepts, mit dem Frau Merkel, Herr Schäuble und auch Sie in Deutschland ein „Washington en miniature“ – Bettina Gauss, „taz“ – schaffen wollen. Wir erreichen nicht mehr Sicherheit, indem versucht wird, die USA zu kopieren. Wir müssen unseren eigenen Weg gehen, wir gehen diesen eigenen Weg und sichern so den Schutz der Passagiere und der Bevölkerung. Clemens Binninger (CDU/CSU): Mit dem Antrag „Mehr Sicherheit im Luftverkehr“ beraten wir heute über ein Thema, dass eine der zentralen Herausforderun- gen für die innere Sicherheit seit den Anschlägen vom 11. September darstellt. Dass wir dieses Thema, fast zwei Jahre nach den Anschlägen von New York und Washington heute debattieren, liegt an den Versäumnis- sen der rot-grünen Regierung auf diesem Gebiet. Nicht erst die Entführung eines Kleinflugzeuges Anfang Ja- nuar 2003 hat die Defizite bei der Luftsicherheit deutlich zu Tage treten lassen. Bis heute steht die Bundesregie- rung zum Thema „Flugzeug als Waffe von Terroristen“ mit praktisch mit leeren Händen da. Auch ihr gestern vorgelegter und als vertraulich ein- gestufter „Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe Sicherheit im Luftraum“ ändert nichts an der Tatsache, dass nach wie vor die zaghaften Ansätze in den Sicherheitspaketen der Bundesregierung nicht konkret weiterentwickelt worden sind. Und wenn – wie gestern geschehen Kern- ergebnisse dieses vertraulich eingestuften Berichts schon wenig später in der Tageszeitung nachzulesen sind, dann muss ich schon sagen: Mit seriöser Sicherheitspolitik hat das nichts mehr zu tun. Da geht es offensichtlich nur um den Showeffekt o G r e s s U L S a w r B o z n h t ß l A V w i d i n E g t v F ü g v t u f s P b h f v b m d d s E (C (D der der Bundesinnenminister hat seinen Laden nicht im riff – im Zweifel beides. Die Unzuverlässigkeit der Bundesregierung im Be- eich konkreter Maßnahmen für mehr Luftsicherheit hat inen Namen: Otto Schily. Der Minister hat den Innenministern der Länder zuge- ichert, noch vor der Sommerpause ein Air-Police-Ge- etz vorzulegen – bislang Fehlanzeige! Am 19. April 2003 hätte das von der Europäischen nion verlangte nationale Sicherheitsprogramm für den uftverkehr vorliegen müssen – bislang Fehlanzeige! Die geschilderten Versäumnisse gehen zulasten der icherheit der Menschen in unserem Land, die tagtäglich uf die Nutzung von Flughäfen und Flugzeugen ange- iesen sind. Für die Erfüllung der Sicherheitsanforde- ungen sind bei Verkehrsflughäfen Organisationen des undes, der Länder sowie private Sicherheitsorganisati- nen Flughafenbetreiber und Luftverkehrsunternehmen uständig. Diese Vielfalt zeigt, dass Reibungsverluste icht ausgeschlossen sind und zu gravierenden Sicher- eitslücken führen können. Darüber hinaus sind die echnischen Standards innerhalb der Bundesländer äu- erst unterschiedlich. Hier besteht dringender Hand- ungsbedarf. Deshalb fordern wir die Bundesregierung in unserem ntrag auf, endlich aktiv zu werden. Wir fordern die ereinheitlichung der technischen Standards bei der Ab- icklung der Abfragen zur Zuverlässigkeitsüberprüfung nnerhalb der Bundesländer durch den Bund. Wir for- ern, dass die Bundesregierung sich dafür einsetzt, dass n der Zuverlässigkeitsüberprüfung von Flughafenperso- al Anfragen an das Ausländerzentralregister und das inwohnermeldeamt Rahmen der Identitätsprüfung obli- atorisch werden. Wir fordern die Einrichtung einer zen- ral gefühlten Datenbank über Entscheidungen in Visa- erfahren auf die die Länder zurückgreifen können. Als der Innenausschuss vor einigen Wochen den rankfurter Flughafen besucht hat, konnten wir uns alle berzeugen, dass wir bei diesen Dimensionen nicht län- er auf modernste Technik zur Identitätsüberprüfung erzichten können. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, biome- rische Daten zur Identitätssicherung bei den Zugangs- nd Vorfeldkontrollen von Flughäfen grundsätzlich auch ür Passagiere zu ermöglichen. Außerdem muss der Ein- atz biometrischer Merkmale umfassend auf Pässe und ersonalausweise ausgedehnt werden. Zu beiden Vorha- en hören nur Absichtserklärungen bzw. erleben das albherzige Vorantreiben von Pilotversuchen. Hierzu ordern wir, dem Deutschen Bundestag einen Zeitplan orzulegen. Denn eines ist klar: Sicherheit in der Luft eginnt am Boden. Neben den notwendigen gesetzlichen Änderungen uss sich die Bundesregierung aber auch hinsichtlich es Grundgesetzes entscheiden: Wenn sie die Abwehr er Gefahren aus der Luft ernsthaft betreiben will, muss ie im Grundgesetz den notwendigen Rahmen für den insatz der Bundeswehr im Inneren schaffen. Wir sind Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4463 (A) ) (B) ) dazu bereit. Offensichtlich sieht dies die Bundesregie- rung zwischenzeitlich auch so; denn wenn sie auch nur einen Teil des Maßnahmenkatalogs aus dem Ergebnis- bericht der Arbeitsgruppe „Sicherheit im Luftraum“ um- setzen will, kommt dies einer zusätzlichen Ermächti- gungsgrundlage gleich, für es wiederum ohnehin einer Grundgesetzänderung bedarf. Ich fordere Rot-Grün auf, auf der Grundlage unseres Antrages im Ausschuss über die notwendigen Schritte zu sprechen. Dr. Max Stadler (FDP): Nach Aufsehen erregenden Ereignissen, insbesondere nach spektakulären Unglücks- fällen und Verbrechen, setzt häufig eine hektische Ge- setzgebungsaktivität ein. Auch nach der Entführung ei- nes Kleinflugzeuges in Frankfurt am Main Anfang Januar dieses Jahres kam verständlicherweise sofort eine intensive öffentliche Diskussion in Gang, ob die gesetz- lichen Bestimmungen ausreichen würden, um mit sol- chen Vorfällen fertig zu werden. Dann setzte aber offenbar eine anderer Mechanismus ein, nämlich derjenige der Verdrängung. Jedenfalls ist das Thema aus der öffentlichen Debatte praktisch wieder verschwunden, ohne dass man wüsste, welche Position denn die Bundesregierung und die Koalition zu den ur- sprünglich diskutierten Gesetzesänderungen einnehmen. Daher ist es ein Verdienst des Antrags der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, dass das Parlament gezwungen wird, sich mit dieser Frage doch noch einmal eingehend zu befassen. Freilich schießt der Antrag im wahrsten Sinne des Wortes über das Ziel hinaus, wenn er von not- wendigen verfassungsrechtlichen Änderungen für den Einsatz der Bundeswehr bei der Abwehr von Gefahren aus der Luft spricht. Die FDP-Bundestagsfraktion hat hierzu stets die Mei- nung vertreten, dass die Sicherung des Luftraums schon jetzt ganz eindeutig zu den Aufgaben und Befugnissen der Bundeswehr gehört. Deshalb ist eine Verfassungsän- derung nicht notwendig. Auch dann, wenn es sich nicht um einen Angriff von Außen handelt, sondern wenn im Inland ein Flugzeug entführt wird und dadurch eine Gefahr ähnlich den An- schlägen in den USA am 11. September 2001entsteht, kann die Bundeswehr in Amtshilfe zur Gefahrenabwehr tätig werden. Es ist offenkundig, dass die eigentlich hier- für zuständige Polizei hierzu alleine nicht in der Lage wäre. Die Regelung des Art. 35 GG erscheint uns ausrei- chend. Selbstverständlich ist die FDP-Fraktion bereit, diese Frage in den Ausschüssen noch einmal gründlich zu erör- tern. Es bietet sich an, dass wir als Abgeordnete uns hier- bei durch Sachverständige, Verfassungsexperten und Bun- deswehr- sowie Polizeipraktiker beraten lassen. Dabei kann auch der vom Kollegen Dr. Wiefelspütz eingeführte Gedanke eines Ausführungsgesetzes zu Art. 35 GG noch einmal diskutiert werden. Die pauschale Forderung in dem Unionsantrag, die Sicherheitspakete I und II weiterzuentwickeln, wird da- g b A G t m s s s r z B S E v d I t d G W d t d c L g d S z d m f l t e h t h b c d Z t f g Z L l d E (C (D egen von der FDP nicht unterstützt. Wir haben schon ei der Beratung von Schily II klar im Bundestag die uffassung vertreten, dass es zur Abwehr terroristischer efahren nicht am notwendigen gesetzlichen Instrumen- arium fehlt, sondern dass der beste Schutz in einer opti- alen personellen, technischen und finanziellen Aus- tattung der Sicherheitsorgane liegt. In dieser Haltung ehen wir uns durch die Äußerungen vieler Praktiker be- tätigt. Es bleibt also dabei: Auf dem Gebiete der inne- en Sicherheit besteht in Deutschland kein Gesetzesdefi- it, sondern ein Vollzugsdefizit. Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim undesminister des Innern: Mit dem Antrag „Mehr icherheit im Luftraum“ hat die CDU/CSU-Fraktion ein igentor geschossen. Der Antrag verdeutlicht nicht die ermeintlichen Versäumnisse der Bundesregierung, son- ern vielmehr die Unkenntnis der CDU/CSU-Fraktion. ch will daher zunächst einmal zur Sachinformation bei- ragen. Unmittelbar im Nachgang zu den Terroranschlägen es 11. September 2001, bei denen erstmals in der eschichte der zivilen Luftfahrt Passagierflugzeuge als affen benutzt worden sind, wurde das gesamte System er sich bereits auf einem hohen Niveau befindlichen na- ionalen Luftsicherheitsmaßnahmen überprüft und auf iese neue Qualität der Bedrohung erweitert. Entspre- hend wurden zahlreiche Maßnahmen im Bereich der uftsicherheit umgesetzt. Ziel ist die Schaffung eines estaffelten Schutzsystems, mit dem sicherstellt wird, ass auch beim Ausfall einer Maßnahme die weiteren tufen eine Straftat dennoch verhindern. Zusätzlich wurden auch Verbesserungen auf den ein- elnen Kontrollstufen vorgenommen. Ich will hier nur ie wesentlichen Maßnahmen anführen: Bei der Fluggast- und Handgepäckkontrolle erfolgten it dem Erlass eines nationalen Ausbildungsprogramms ür Fluggastkontrollkräfte und der Vorgabe einer einheit- ichen Prüfungsordnung sowie eines Prüfungsfragenka- alogs die entscheidenden Schritte hin zu einer dringend rforderlichen Harmonisierung des Kontrollstandards. Auch bei der Kontrolle des aufgegebenen Gepäcks at das Bundesinnenministerium schon vor dem 11. Sep- ember mit Nachdruck auf eine lückenlose Überprüfung ingewirkt. Seit dem 1. Januar 2003 wird das aufgege- ene Gepäck auf allen deutschen Verkehrsflughäfen lü- kenlos kontrolliert. Zum Schutz vor Innentätern wurde unmittelbar nach en Anschlägen vom 11. September 2001 eine Ad-hoc- uverlässigkeitsüberprüfung von rund 260 000 Beschäf- igten der Luftfahrt- und Flugplatzunternehmen durchge- ührt. Zusätzlich wurden die rechtlichen Voraussetzun- en für bundeseinheitliche, verschärfte und jährliche uverlässigkeitsüberprüfungen geschaffen. Weiterhin wurden in einer Arbeitsgruppe unter der eitung des Bundesministeriums für Verkehr die Mög- ichkeiten zur Verbesserung der technischen Sicherheit es Flugzeugs selbst untersucht. Auf internationaler bene konnte sehr schnell Einigkeit über den Einbau 4464 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 (A) ) (B) ) verstärkter Cockpittüren erzielt werden. Die deutschen Fluggesellschaften haben diese Vorgabe für ihre Transat- lantikflüge bereits im April erfüllt. Seit dem 24. September 2001 setzt der Bundesgrenz- schutz an Bord deutscher Luftfahrzeuge Flugsicherheits- begleiter ein. Zusätzliche Maßnahmen werden fortlaufend auf der Grundlage der Gefährdungsbewertungen der Sicher- heitsbehörden angepasst. In der Natur des Luftverkehrs liegt es, dass die ergrif- fenen nationalen Maßnahmen nur in einem internationa- len Zusammenhang erfolgreich sein können. Dies gilt insbesondere in Europa, wo die Nachbarstaaten oft nur wenige Flugminuten auseinander liegen. Sowohl auf in- ternationaler Ebene als auch auf europäischer Ebene wurden wesentliche Fortschritte erzielt. Durch die am 19. Januar 2003 in Kraft getretene EG-Verordnung über die Festlegung einheitlicher Maßnahmen für die Sicher- heit im Luftverkehr wurden in der EU einheitliche, de- taillierte Standards für die Luftsicherheit festgelegt. Die Behauptung von Versäumnissen bezüglich der Umsetzung der EG-Luftsicherheitsverordnung sind im Hinblick auf das nationale Luftsicherheitsprogramm überholt, im Hinblick auf das nationale Qualitätssiche- rungsprogramm verfrüht; in beiden Fällen jedenfalls haltlos: Das nationale Luftsicherheitsprogramm wurde zeitge- recht zum 19. April 2003 unter Federführung durch das BMVBW gemeinsam mit dem BMI erstellt und von den Ministern gebilligt. Das nationale Qualitätssicherungsprogramm muss nach der EG-Verordnung bis 19. Juli diesen Jahres fer- tiggestellt sein. Ein entsprechender Entwurf wird derzeit abgestimmt und wird fristgerecht vorgelegt. Das Kon- zept enthält im Wesentlichen alle Maßnahmen zur Quali- tätssicherung, also zur Überprüfung, ob die Luftsicher- heitsmaßnahmen umfassend und fehlerfrei durchgeführt werden. Zu diesem Zweck wird neben den Fachauf- sichtsmaßnahmen zusätzlich ein Auditsystem für alle deutschen Verkehrsflughäfen eingeführt, durch das zu- künftig regelmäßig umfassende Prüfungen der Luftsi- cherheitsmaßnahmen durch unabhängige Experten erfol- gen werden. Da die Programme aus Sicherheitsgründen unter dem Verschlusssachengrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft werden, kann eine Veröffent- lichung nicht erfolgen. Dies mag die in dem Antrag der Opposition zutage tretende Unkenntnis erklären. Aber auch in den weiteren Punkten läuft Ihr Antrag ins Leere: Die durch den Chef des Bundeskanzleramts im Som- mer 2002 beauftragte ressortübergreifende Arbeits- gruppe „Sicherheit im Luftraum“ hat Anfang 2003 kon- krete Empfehlungen zu den erforderlichen Strukturen zur Abwehr von Gefahren durch den Missbrauch von Flugzeugen als Waffe vorgelegt. Diese Empfehlungen wurden durch die jeweiligen Leitungsebenen gebilligt und werden, soweit sie Kompetenzen des Bundes betref- fen, bereits umgesetzt. So wird derzeit ein Nationales L A f w n r k g i L l o 2 B l f A d d t w v k w s l i s n E u F m M v S d m E r o t a v D d d d J d F t I (C (D age- und Führungszentrum aufgebaut, das der zentrale nlaufpunkt für alle die Sicherheit im Luftraum betref- enden Meldungen sein soll. Dieses Führungszentrum ird Anfang Juli 2003 seinen vorläufigen Betrieb auf- ehmen und zum 1. Oktober 2003 vollständig einsatzbe- eit sein. Des Weiteren ist im Bundesministerium des Innern urzfristig ein Referentenentwurf eines Luftsicherheits- esetzes (LuftSiG-E) erarbeitet worden, der sich derzeit n der Ressortabstimmung befindet. Der Entwurf eines uftsicherheitsgesetzes zielt darauf ab, für Gefahren- agen wie den Terroranschlägen am 11. September 2001 der der Entführung eines Motorseglers am 5. Januar 003 in Frankfurt/Main klare Zuständigkeiten zwischen und und Ländern zu schaffen. Mit den Entwurfsrege- ungen wird die Grundlage für schnelle und effiziente In- ormations- und Entscheidungsstrukturen geschaffen. usdrücklich geregelt wird der Bundeswehreinsatz in en Fällen, in denen die für die Gefahrenabwehr zustän- igen Stellen der Länder nicht über die personelle und echnische Ausstattung zum Handeln verfügen. Im Ent- urf ist auch eine Novellierung der Regelungen für Zu- erlässigkeitsüberprüfungen im Bereich des Luftver- ehrs vorgesehen, um den Schutz vor Innentätern noch eiter zu verbessern. Der Vorwurf, dass die Bundesregierung untätig gewe- en sei, ist daher absolut verfehlt. Wenn es Ihnen tatsäch- ich auf eine verbesserte Luftsicherheit ankommt, kann ch Sie nur dazu auffordern, sich konstruktiv an dem Ge- etzgebungsverfahren zu beteiligen. Im Hinblick auf den Einsatz biometrischer Erken- ungsmerkmale erscheint der Antrag wenig zielführend: in Pilotversuch in Hessen im Hinblick auf Zugangs- nd Zutrittskontrollen zu den Sicherheitsbereichen von lughäfen ist der Bundesregierung nicht bekannt. Sie üssen hier etwas durcheinander gebracht haben. Das von Ihnen angesprochene Ziel, biometrische erkmale in Personaldokumente aufzunehmen, wird on der Bundesregierung bereits konsequent verfolgt: chon mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz wurden ie Voraussetzungen zur Aufnahme biometrischer Merk- ale in deutsche Personaldokumente geschaffen. Der ntwurf eines Gesetzes, das die Einzelheiten des Verfah- ens regelt, wird noch im Verlauf dieser Legislaturperi- de ausgearbeitet werden. Das Bundesamt für die Sicherheit in der Informa- ionstechnik führt gemeinsam mit dem Bundeskriminal- mt umfangreiche Tests über biometrische Verfahren on Fingerabdrücken, Iris und Gesichtserkennung durch. ie Tests sollen bis Mitte 2004 abgeschlossen sein. Zu- em entwickelt das Bundesministerium des Innern mit er Bundesdruckerei ein modifiziertes Passmuster. Wenn ie Entwicklung des neuen Passmusters Mitte nächsten ahres abgeschlossen ist, wird auch über das anzuwen- ende biometrische Verfahren entschieden werden. Auf der Höhe der Zeit sind Sie auch nicht mit der orderung nach Schaffung einer zentral geführten Da- enbank über Entscheidungen im Visaverfahren. Es ist hnen ganz offensichtlich entgangen, dass im Terro- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4465 (A) ) (B) ) rismusbekämpfungsgesetz längst eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen wurde. Nachdem die infor- mationstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, wer- den in Kürze Daten aller Visaentscheidungen zentral in der im Bundesverwaltungsamt geführten AZR-Visadatei gespeichert. Auf diese Daten können viele Länderstel- len, wie zum Beispiel Polizeivollzugsbehörden und Ausländerbehörden, zugreifen. Nach diesem Überblick dürfte deutlich geworden sein, dass der Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Mehr Sicherheit im Luftraum“ sicher nicht zu mehr Sicherheit im Luftraum führen wird, da nur Sach- verhalte und Vorhaben wieder aufgerollt wurden, deren Bedeutung die Bundesregierung längst erkannt hat, die bereits umgesetzt sind bzw. deren Realisierung sehr bald zu einem Abschluss gebracht werden wird. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über den Antrag: Gentests in Me- dizin, Arbeitsleben und Versicherungen (Tages- ordnungspunkt 16) Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): Lassen sich mich zu- nächst einmal ein Wort an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion richten: Sie werden es kaum glauben, aber ich war beim Lesen ihres Antrags richtiggehend erfreut. Schließlich sind darin praktisch im Verhältnis 1:1 die Forderungen und Empfehlungen wiederzufinden, die die Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ in der 14. Wahlperi- ode zur Gendiagnostik ausgearbeitet hat. Und man freut sich doch immer, wenn eine Arbeit, an der man selbst beteiligt war, Früchte trägt. Ihre Fraktion ist allerdings nicht die erste, die sich bei der Ausarbeitung von Eckpunkten zur Gendiagnostik auf die Vorarbeiten der Enquete-Kommission bezogen hat. Das Eckpunktepapier nämlich, das die SPD schon im vergangenen Juli nach eingehenden Beratungen inner- halb der Fraktion vorgelegt hat, hat sich ebenfalls die Empfehlungen der Enquete-Kommission zu Eigen ge- macht. Diese Übereinstimmung zeigt mir, dass die tra- genden ethischen Grundsätze, von denen ausgehend das schwierige Thema „genetische Diagnostik“ rechtlich zu regeln ist, offenbar breiteste Anerkennung finden. Angesichts der besonderen Sensibilität der Daten, mit denen wir es hier zu tun haben, ist das ja auch kaum ver- wunderlich; denn genetische Daten unterscheiden sich von allen anderen biologischen Daten dadurch, dass sie den Kernbereich unserer körperlichen Existenz, unser individuelles Genom betreffen. Gendiagnostik liefert häufig nicht Daten, die sich auf den aktuellen Zustand eines Menschen beziehen, sondern auf Veranlagungen, zukünftige Entwicklungen etc. Ihre Ergebnisse sagen häufig nur etwas über Wahrscheinlichkeiten und Mög- lichkeiten. Was hilft es jemandem aber, wenn jemand weiß, dass bei ihm ein um 60 Prozent erhöhtes Risiko besteht, einen Herzinfarkt zu bekommen oder an Brust- krebs zu erkranken, wenn nicht einmal klar ist, ob sich d r g f m V g d s k F d n f n s r s G r m 1 G a s m R P R e s f e d a f v a s x s F d b ä v d w g t K S r b S d (C (D iese Veranlagung überhaupt je realisiert? Und liegt da- in nicht die Gefahr massiver Diskriminierung derjeni- en, bei denen solche erhöhten Wahrscheinlichkeiten estgestellt werden, zumal dann, wenn sie sich nicht ein- al manifestieren. Die Gendiagnostik droht hier gewissermaßen eine ielzahl von „Kranken ohne Symptom“ zu schaffen. Zu- leich liefert sie häufig Daten, die nicht nur etwas über en Menschen aussagen, bei dem sie erhoben wurden, ondern zugleich über Familienangehörige – und das ann manchmal erhebliche soziale und psychologische olgen haben. So könnte beispielsweise eine Diagnostik, ie in einer Familie zu medizinischen Zwecken vorge- ommen wird, als „Nebeneffekt“ die Information zutage ördern, dass der „Vater“ des Kindes in Wirklichkeit gar icht der biologische Vater ist. Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbe- timmung und der Schutz vor genetischer Diskriminie- ung im Arbeitsleben, im Versicherungswesen usw. müs- en daher die leitenden Prinzipien der Gesetzgebung zur endiagnostik sein. Was die Gefahren der Diskriminie- ung anbetrifft, haben die Arbeiten der Enquete-Kom- ission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ der 4. Wahlperiode schon mit dazu beigetragen, dass in die rundrechte-Charta der Europäischen Union ein Artikel ufgenommen wurde, der dem Bürger Schutz vor geneti- cher Diskriminierung garantiert. Des Weiteren ist es im Rahmen des Rechts auf infor- ationelle Selbstbestimmung gerade der Schutz des echts auf Nichtwissen, der uns vor knifflige juristische robleme stellt. Ebenso müssen wir klarstellen, wie das echt auf informationelle Selbstbestimmung von Nicht- inwilligungsfähigen zu wahren ist. Dass bei ihnen aus- chließlich solche genetischen Untersuchungen durchge- ührt werden dürfen, die ihrem Wohl dienen, für sie inen medizinischen Nutzen haben, ist ein Grundsatz, en wir hier klar umsetzen müssen. Das gilt übrigens uch für die pränatale Diagnostik, wo das Recht auf in- ormationelle Selbstbestimmung bislang leider oft genug erletzt wird, indem an nicht einwilligungsfähigen Föten uch Tests durchgeführt werden, die keinerlei medizini- chen Nutzen für sie versprechen. Dass eine solche Pra- is auf den sensiblen Bereich der prädiktiven geneti- chen Diagnostik ausgedehnt wird, müssen wir in jedem all vermeiden. Abschließend möchte ich Ihnen noch einmal sagen, ass ich es grundsätzlich begrüße, dass die CDU/CSU eim Nachdenken über das Thema Gendiagnostik zu hnlichen Schlüssen gekommen ist wie die SPD schon or über einem Jahr. Ich möchte Sie allerdings zur Ge- uld mahnen. Wenn wir uns auch in den Eckpunkten eitgehend einig sein mögen, so steckt bei der Gentest- esetzgebung doch häufig der Teufel im Detail. Wir soll- en daher nichts über das Knie brechen, sehr verehrte olleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion. ie wissen selbst, wie kompliziert bei einem so umfang- eichen Projekt, an dem zahllose verschiedene Ressorts eteiligt sind, die Abstimmungsprozesse sind. Lassen ie uns dem nicht durch Schnellschüsse vorgreifen, son- ern die wichtigen Fragen Punkt für Punkt abarbeiten! 4466 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 (A) ) (B) ) Trotz der Komplexität der Materie wird die Bundes- regierung schon nach der Sommerpause im September einen entsprechenden Referentenentwurf vorlegen. Aber Sie wissen ja, wie viele Ressourcen andere Themen der Gesundheitspolitik gegenwärtig beanspruchen. Und dass es im Gesundheitsbereich innerhalb einer Fraktion manchmal aufreibend werden kann, erleben gerade Sie ja derzeit täglich am eigenen Leib. Nichtsdestotrotz: Wenn der Referentenentwurf vor- liegt, können wir die Details gemeinsam durchgehen. Da Sie als größte Oppositionsfraktion die Grundlinien ge- nauso sehen wie wir, bin ich zuversichtlich, dass wir das Gentestgesetz dann zügig und auf einer breiten parla- mentarischen Basis werden verabschieden können. Katherina Reiche (CDU/CSU): Wir befassen uns heute mit einem Thema, dass fast auf den Tag genau vor einem Jahr Gegenstand der Debatte in diesem Hause ge- wesen ist. Bereits damals hat die öffentliche Anhörung der Sachverständigen im Gesundheitsausschuss zu dem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Anwendung von Gentests in Medizin und Versicherungen eindrucks- voll belegt, dass wir in Deutschland dringend eine gesetz- liche Regelung für den Umgang mit Gentests benötigen. Das Parlament ist aufgerufen, beim Umgang mit Genda- ten Leitplanken zu setzen, um die Entwicklung in die von uns vorgeschlagenen gewünschten Bahnen zu lenken. Ich frage Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition, was haben Sie in diesem Jahr getan, um dieser Aufforderung nach zu kommen? Antwort ist: Nichts! Ich möchte hierzu gern den Bundesbeauftragten für den Da- tenschutz, Joachim Jacobs, zitieren, der in seinem Tätig- keitsbericht für die Jahre 2001 und 2002 ausführte: „Wiederholt habe ich in meinen Tätigkeitsberichten da- rauf hingewiesen, dass die Schaffung eines bereichsspe- zifischen Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes dringlicher denn je ist.“ Und weiter heißt es: „Mehrfach hat die Bun- desregierung angekündigt, dass sie unter Einbeziehung von Wissenschaft und Praxis einen Gesetzentwurf zu ei- nem Arbeitnehmerdatenschutz vorlegen will.“ Mittler- weile liegen bereits mehrere wissenschaftliche Stellung- nahmen zum Thema Gentest vor. Ich erinnere hier nur an den Schlussbericht der Enquete-Kommission „Recht und Ethik in der modernen Medizin“ aus der letzten Legisla- turperiode oder die Stellungnahme der Senatskommis- sion für Grundsatzfragen der Genforschung der DFG, in der der politische Handlungsbedarf im Arbeitsrecht for- muliert worden ist. Die Bundesregierung hat jedoch bis zum heutigen Tage keinen Gesetzentwurf hierzu vorgelegt. Im Gegen- satz zu Deutschland existieren bereits in vielen europäi- schen Ländern spezifische Regelungen zur Anwendung von Gentests. Deshalb fordere ich Sie auf, handeln Sie endlich und legen diesem Hause auf der Grundlage unse- rer Eckpunkte einen Gesetzentwurf zum Umgang mit Gentests vor! Die Einführung molekulargenetischer Methoden hat eine neue Ära der Medizin begründet. Die Entschlüsse- lung des menschlichen Erbgutes und die daraus resultie- rende Entwicklung von Gentests können zu beachtlichen F u r s W G d v E g r K d K m w s g p h p A d t k G D r s B a K i g c r w A f d k g n M w e s r M G d k p d w (C (D ortschritten im Bereich der Diagnose, der Prävention nd der Therapie genetisch bedingter Krankheiten füh- en. Bei den verschiedenen Testmöglichkeiten unter- cheiden wir diagnostische und prädiktive Gentests. ährend die Untersuchung mittels eines diagnostischen entests der Bestätigung einer bestehenden Diagnose ient, verstehen wir unter einem prädiktiven Test eine orhersagende Untersuchung auf das Vorliegen einer rbgutveränderung. Unser Antrag bezieht sich im Fol- enden auf die Problematik der prädiktiven Gentests. Aufgrund der neuen Diagnosemöglichkeiten kann be- eits heute schon die Veranlagung zu einer genetischen rankheit festgestellt werden und somit das Risiko oder er Ausbruch unter Umständen verhindert werden. rankheiten wie Alzheimer, Multiple Sklerose oder Hä- ophilie sind heute ebenso leicht in einem Gen nach- eisbar wie bestimmte Krebsarten, etwa Brust-, Eier- tock- und Hautkrebs. Es bedarf der Orientierung an der rundgesetzlich geschützten Menschenwürde, der Res- ektierung des Selbstbestimmungsrechtes, des Gleich- eitsgrundsatzes, der Vertraulichkeit, der Schweige- flicht, der Freiwilligkeit und einer umfassenden ufklärung der Probanden durch qualifizierte Fachärzte. Ziel rechtlicher Regelungen muss es sein, den indivi- uellen und gesellschaftlichen Risiken prädiktiver gene- ischer Diagnostik so weit wie möglich entgegenzuwir- en und zugleich die Chancen von diagnostischen entests so weit wie möglich zur Entfaltung zu bringen. ie gesellschaftliche Herausforderung besteht also da- in, einerseits die Rahmenbedingungen für die viel ver- prechende Forschung in Bezug auf die Vermeidung und ehandlung schwerer Krankheiten zu verbessern und ndererseits die im Rahmen der Verfassung, Ethik und ultur selbstverständlichen individuellen Ansprüche auf nformationelle Selbstbestimmung und auf Schutz vor enetischer Diskriminierung und Stigmatisierung zu si- hern. Beiden Aspekten sind wir in unserem Antrag ge- echt geworden. Wir als CDU/CSU-Fraktion wollen, dass niemand egen seiner genetischen Disposition Nachteile beim bschluss von Versicherungen oder Arbeitsverträgen er- ahren muss. Wir möchten vielmehr sicherstellen, dass ie Möglichkeiten der Gentechnik dem Einzelnen zugute ommen und nicht einseitig von Dritten zu deren Vorteil enutzt werden. Die CDU/CSU-Fraktion legt Ihnen deshalb heute ei- en erweiterten Antrag zur Anwendung von Gentests in edizin und Versicherungen vor, der einen Leitfaden für eitere gesetzliche Regelungen bilden soll. Es reicht ben nicht aus, zu sagen, dass man den gläsernen Men- chen verhindern will, es ist notwendig, jetzt schleunigst echtliche Schritte einzuleiten. Wir haben in unserem Antrag einen umfangreichen aßnahmenkatalog zum Schutz vor dem Mißbrauch von endaten aufgestellt. Damit möchten wir sicherstellen, ass niemand zu einem Gentest gezwungen werden ann. Versicherungen dürfen die Durchführung eines rädiktiven Gentests nicht veranlassen. Dazu hat sich die eutsche Versicherungswirtschaft im Rahmen eines frei- illigen Moratoriums verpflichtet. Die eigene geneti- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4467 (A) ) (B) ) sche Disposition muss für jeden Menschen ein Geheim- nis bleiben. Ebenso muss die Gefahr ausgeschlossen werden, dass Nutzer aus Angst vor einer möglichen Dis- kriminierung auf die Durchführung eines vom Arzt ver- anlassten medizinisch indizierten Gentests verzichten bzw. einen solchen anonym und ohne ärztliche Beratung durchführen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch ein- mal unterstreichen, dass Gentests und die entsprechende Beratung in die Hand des Facharztes gehören und nicht für Hobbymediziner geeignet sind. Angesichts eines ins Haus stehenden „freien Testmarktes“, auf dem Anbieter von insgesamt 1001 genetische Tests über das Internet viel Geld verdienen und durch unzureichende Infor- mation und Interpretation großer Schaden angerichtet werden kann, erscheinen uns entsprechende gesetzliche Regelungen angebracht. Auch der Abschluss von Ar- beitsverträgen darf nicht von Gentests abhängig gemacht werden, denn es gilt die Gefahr einer ungerechtfertigten Arbeitnehmerselektion und Diskriminierung gleich von vornherein auszuschließen. Vielmehr sind Regelungen notwendig, die die Freiwilligkeit und Vertraulichkeit von Gentests garantieren und dem Schutz der Arbeitnehmer dienen. Unser Antrag berücksichtigt zu dem die Forde- rung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Joachim Jacob, unerlaubte Gentests unter Strafe zu stel- len. Die Bundesregierung ist nun aufgefordert, auf der Grundlage dieser Eckpunkte einen entsprechenden Ge- setzentwurf in den Deutschen Bundestag einzubringen. Wir unterbreiten Ihnen damit ein Angebot, mit uns in den Dialog zu treten und im Interesse der Menschen zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das menschliche Genom ist weitgehend entschlüsselt. Die wissenschaftlichen Kenntnisse auf dem Gebiet der Hu- mangenetik schreiten mit hohem Tempo voran. Aus dieser Entwicklung können sich Chancen zu ei- ner Erforschung, Diagnose und vielleicht auch Heilung von Krankheiten ergeben. Durch so genannte Prädisposi- tionstests können manche Krankheiten schon vor dem Ausbrechen erkannt werden. Hier liegt eine Chance, das Ausbrechen solcher Krankheiten durch präventive Maß- nahmen zu verzögern oder gar zu verhindern. Diagnosti- sche Gentests ermöglichen eine effektivere Diagnose von Krankheiten. Mit Gentests werden vielleicht auch Empfindlichkei- ten hinsichtlich bestimmter Stoffe festgestellt werden können. Dann wird es – so die Hoffnung – möglich, indi- viduell festzustellen, ob ein Patient bestimmte Medika- mente verträgt oder welche Medikamente in welcher Wirkstoffzusammensetzung bei ihm am effektivsten wir- ken. Der Einsatz von Gentests birgt aber auch eine Reihe von ernsten und schwerwiegenden Gefahren für den ein- zelnen Menschen und das gesellschaftliche Zusammen- leben. Die umfassende genetische Analyse kann Diskri- minierung und Selektion in verschiedensten Formen e t o n ü o i w b d g s D d s g l u d s s d a s w i r d h T g h G s tä a n r z s D j w d s t m a R r L e f n V (C (D rmöglichen. Es besteht die Gefahr, dass Dritte Informa- ionen über die genetische Konstitution von Menschen hne ihr Wissen oder gegen ihren Willen erfahren. Ge- auso besteht die Gefahr, dass Menschen Informationen ber ihre eigenen genetischen Daten aufgedrängt werden der sie unter Druck geraten, von solchen Daten gegen hren Willen Kenntnis nehmen zu müssen. Hieraus können – je nach Schwere und Maß der Unge- issheit der Information – erhebliche psychische Pro- leme für alle Beteiligten entstehen. Denn für die meisten er genetisch beinflussten oder begründeten Krankheiten ibt es heute noch keine Therapie. Das Wissen weitet ich rasant aus, die Hilfe kommt aber nicht hinterher. er genetische Hintergrund vieler Krankheiten bedingt, ass diese über Generationen in Familien anzutreffen ind und Wissen und Gewissheit eines Familienmit- lieds sich niemals auf dieses Mitglied beschränken ässt. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sieht aus diesen nd vielen weiteren Gründen dringenden Regelungsbe- arf auf dem Gebiet der genetischen Diagnostik. For- chungs- und Wissenschaftsfreiheit, das allgemeine Per- önlichkeitsrecht, zu dem das Recht auf Nichtwissen und as informationelle Selbstbestimmungsrecht gehören, ber auch Verbraucherschutz- und Datenschutzinteres- en müssen dabei abgewogen werden. Im Forschungsbereich müssen Standards definiert erden, die gewährleisten, dass keine Forschung ohne nformierte Zustimmung und mit dem Recht des Wider- ufs durchgeführt wird und Anonymisierungen nicht urchbrochen werden können. Hohe Qualitätsstandards insichtlich der Testverfahren und der Labore, die die ests durchführen, müssen gewährleisten, dass die Er- ebnisse exakt, zuverlässig und nicht überschüssig insichtlich der Fragestellungen sind. Wir wollen eine endiagnostikkommission aus unabhängigen Wissen- chaftlern verschiedener Fachrichtungen, die diese Quali- tsstandards näher definiert und überwacht. Sie sollte uch Forschungsvorhaben bewerten und bewilligen, um icht einwilligungsfähige Menschen vor Ausbeutung ih- es Erbmaterials ohne wissenschaftlichen Nutzen für sie u schützen. Das Gesetz muss ein Diskriminierungsverbot fest- chreiben. Niemand darf aufgrund seiner genetischen isposition benachteiligt werden. Genauso wenig darf emand benachteiligt oder stigmatisiert werden, der sich eigert, an sich einen Gentest durchführen zu lassen. Je- er sollte zudem davor geschützt werden, seine geneti- chen Daten und die Erkenntnisse, die sich daraus ablei- en lassen, gegen seinen Willen zur Kenntnis nehmen zu üssen. Das Recht auf Nichtwissen ist zu gewährleisten. Der Drittbezug von Gentests wirft große Probleme uf. Einen angemessenen Ausgleich zwischen dem echt auf Nichtwissen der Verwandten und dem Inte- esse desjenigen, der sich testen lassen will, weil er seine ebensplanung darauf einrichten will oder weil er auf ine Erkennung und Heilung seiner Krankheit hofft, zu inden, ist schwer. Er kann nach unserer Auffassung och am besten dadurch erreicht werden, dass die freie erfügbarkeit von Gentests für jedermann strikt unter- (A) (C) (B) ) sagt wird. Gentests dürfen nur durch fachlich qualifi- zierte Ärzte angeordnet werden und müssen einen klaren medizinischen Nutzen haben. Vor der Durchführung ei- nes Gentests und vor Bekanntgabe der Ergebnisse muss eine umfassende und fachlich hochwertige Beratung durchgeführt werden, die nicht nur medizinische, son- dern auch psychische und soziale Aspekte umfasst. Die Gendiagnostik wirft aber auch in anderen Berei- chen Fragen auf, die geklärt werden müssen und von uns geklärt werden. So muss es Versicherungen grundsätz- lich untersagt sein, von ihren Versicherungsnehmern die Durchführung eines Gentests vor dem Abschluss eines Versicherungsvertrages zu verlangen oder entsprechende Testergebnisse anzunehmen. Arbeitgeber dürfen weder die Durchführung eines Tests noch die Offenlegung von bereits durchgeführten Tests verlangen oder annehmen. Dies ist zwingend geboten, um Diskriminierung und Se- auf europäischer Ebene in der Biomedizin-Konvention in Art. 11 festgelegt ist, dass „jede Form der Diskri- minierung gegen eine Person wegen ihres genetischen Erbes verboten ist“. Damit ist die Biomedizin-Konven- tion das einzige internationale Vertragswerk, das aus- drücklich das genetische Erbe als Grund für die Nicht- diskriminierung erwähnt. Deutschland sollte diese Konvention nicht nur aus diesem Grund schnellstens unterzeichnen. Obwohl sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft noch 1999 in einer Stellungnahme zu prädikativen Gen- tests gegen gesetzliche Regelungen ausgesprochen und auf die Verantwortung von Wissenschaft und Berufsver- bänden verwiesen hat, sprechen drei Gründe für eine ge- setzliche Regelung, wie sie von der Union vorgeschla- gen wird. Erstens. Es ist fraglich, ob bei einer Ausweitung der Testpraxis die Instrumente der berufs- lektion aufgrund einer genetischen Disposition zu ver- meiden. Etwaige Ausnahmen müssen unabweisbar sein und dürfen weder das Diskriminierungsverbot noch das Persönlichkeitsrecht unterlaufen. Die Koalition wird einen Gesetzentwurf vorlegen, der alle diese Facetten berücksichtigt. Der Antrag der CDU/ CSU, dem ich ausdrücklich bescheinigen will, dass er sich sorgfältig und umfassend mit den Problemen der Gendiagnostik auseinander setzt, ermutigt mich in der Hoffnung, dass es nach Abschluss der parlamentarischen Debatten zu einem Gentestgesetz kommen wird, dem alle Fraktionen werden zustimmen können. Detlef Parr (FDP): Das Schicksal von Terry Seargent, einer 46-jährigen Amerikanerin, sollte uns zu denken geben. Sie ist aufgrund eines Gentests, nach dem eine Erbkrankheit diagnostiziert wurde, arbeitslos und ohne Krankenversicherungsschutz – ein Fall von geneti- scher Diskriminierung, weil es keine klare gesetzliche Regelung in den USA gibt. So stellen wir uns den Fort- schritt der Humangenetik nicht vor. Eine solche Schre- ckensvision der Selektion durch Arbeitgeber oder Kran- kenversicherungen aufgrund von Informationen über das Erbgut darf bei uns nie Realität werden. Das Recht, nicht diskriminiert zu werden, stellt ein fundamentales Menschenrecht dar. Es ist ein Segen, dass r w d C n A w d w K e s d E f s Z e s d d d d M W 53 (D echtlichen Selbstregulierung ausreichen, um Fehlent- icklungen zu verhindern. Zweitens. Die Empfehlungen er Berufsorganisationen haben keinen verbindlichen harakter, solange sie nicht in die ärztliche Berufsord- ung übernommen werden. Drittens. Es muss mit einer usweitung der genetischen Diagnostik in vielen An- endungsfeldern gerechnet werden. Dazu gehört auch ie Zunahme nicht medizinischer Tests. Es hat bereits in der 14. Legislaturperiode der Ent- urf eines Gentestgesetzes vorgelegen. Die Enquete- ommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ mpfiehlt ein umfassendes Gendiagnostik-Gesetz. Wir ollten dieser Empfehlung folgen und darauf drängen, ass die bereits laufenden Vorbereitungen eines neuen ntwurfs beschleunigt werden. Dabei sind für die FDP olgende Prinzipien wesentlich. Erstens das Prinzip, dass ich die Nutzung von Gendiagnostik auf medizinische wecke beschränkt, zweitens der Arztvorbehalt bzw. ine fachärztliche Qualifikation, drittens das Selbstbe- timmungsrecht – Weitergabe der Daten nur mit aus- rücklicher Zustimmung des Einzelnen – und viertens ie Qualitätssicherung von Beratung und Diagnose urch staatliche Zulassung der Einrichtungen. Außer- em darf die Einführung genetischer Tests nicht dem arkt überlassen werden. Wir müssen jede Art von ildwuchs in diesem Bereich vermeiden. 4468 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 91, 1 53. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage4 Anlage 5 Anlage 6
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505300000


Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gebe ich be-
kannt, dass die Kollegin Dr. Erika Ober ihr Amt als
Schriftführerin niedergelegt hat. Die Fraktion der SPD
benennt als Nachfolgerin die Kollegin Gabriele
Lösekrug-Möller. Sind Sie damit einverstanden? – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist die Kollegin
Lösekrug-Möller als Schriftführerin gewählt.

Im Beirat der Regulierungsbehörde für Telekommuni-
kation und Post ist von der Fraktion des Bündnisses 90/
Die Grünen die noch offene Position des stellvertreten-
den Mitglieds zu besetzen. Hierfür wird die Kollegin
Ulrike Höfken vorgeschlagen. Sind Sie auch damit ein-
verstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist
die Kollegin Höfken als stellvertretendes Mitglied im
Beirat der Regulierungsbehörde bestimmt.

Interfraktionell wurde vereinbart, die verbundene
Tagesordnung zu erweitern. Die Punkte sind in der Ih-
nen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt:

1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der SPD und
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Lage auf dem Aus-
bildungssektor (siehe 52. Sitzung)


2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter Hintze,

Redet
Michael Stübgen, Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU: Stand der Beratungen des EU-
Verfassungs-Vertrages – Drucksache 15/1207 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswes
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reakto
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

(C (D ung en 26. Juni 2003 0 Uhr Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss 3 Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Arbeitsrechts Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Haushaltsausschuss 4 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt – Drucksache 15/1204 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Haushaltsausschuss 5 Erste Beratung des von den Abgeordneten Rainer Brüderle, Dirk Niebel, Dr. Heinrich L. Kolb, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung betrieblicher Bündnisse für Arbeit ext – Drucksache 15/1225 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Haushaltsausschuss 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk Niebel, Rainer Brüderle, Dr. Heinrich L. Kolb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Rahmenbedingungen für einen funktionsfähigen Arbeitsmarkt schaffen – Drucksache 15/590 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit huss chuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für Gesundheit und Soziale Sicherung usschuss en rsicherheit Hilfe Innenaussc Rechtsauss Ausschuss Ausschuss Haushaltsa Präsident Wolfgang Thierse 7 a)





(A) )


(B) )

Carmen Freia Heller, Ursula Heinen, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU: Kennzeichnung allergener
Stoffe in Lebensmitteln vernünftig regeln – Druck-
sache 15/1227 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft (f)

Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-Michael
Goldmann, Horst Friedrich, Rainer Brüderle, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der FDP: Neue Chancen für die
Binnenschifffahrt – Drucksache 15/311 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss

8 Beratung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses

(6. Ausschuss)

Übersicht 3 über die dem Deutschen Bundestag zugelei-
teten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
– Drucksache 15/1161 –

9 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU
und der FDP: Haltung der Bundesregierung zu den Streiks
in den neuen Bundesländern und deren Auswirkung auf
den Wirtschaftsstandort Deutschland

10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Bernd Neumann

(Bremen), Günter Nooke, Renate Blank, weiterer Abgeordne-

ter und der Fraktion der CDU/CSU: 50 Jahre Deutsche Welle
– Perspektiven für die Zukunft – Drucksache 15/1208 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

11 Vereinbarte Debatte zur Änderung der Verpackungs-
verordnung

12 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verwendung von

(Verwaltungsdatenverwendungsgesetz – VwDVG)

sache 15/520 – (Erste Beratung 31. Sitzung)

a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für

Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss)

– Drucksache 15/1229 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Gudrun Kopp

b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß
§ 96 der Geschäftsordnung
– Drucksache 15/1237 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Volker Kröning
Kurt J. Rossmanith
Anja Hajduk
Jürgen Koppelin

13. Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainer Funke, Ulrike
Flach, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP: Rechtssicherheit für biotechnologische
Erfindungen durch schnelle Umsetzung der Biopatent-
richtlinie – Drucksache 15/1219 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)


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(C (D Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Kultur und Medien 14 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften – Drucksache 15/1206 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Verteidigungsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soeit erforderlich, abgewichen werden. Außerdem sollen folgende Tagesordnungspunkte abge etzt werden: Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 c – Agrarpoitik –, Tagesordnungspunkt 9 – Hochwasservorsorge –, agesordnungspunkte 10 a und b – Beitragssätze in der rankenund Rentenversicherung –, Tagesordnungsunkt 19, Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln. Darüber hinaus ist vereinbart worden, die Tagesord ungspunkte 7 a bis 7 c – Dienstund Versorgungsbeüge – erst nach der Beratung des Zusatzpunktes 12 – erwaltungsdatenverwendungsgesetz – und den ohne ussprache vorgesehenen Tagesordnungspunkt 24 a – irektwahlakt – erst am Freitag nach der Beratung der ovelle zur Handwerksordnung aufzurufen. Weiterhin mache ich auf nachträgliche Überweisun en im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam: Der in der 43. Sitzung des Deutschen Bundestages berwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich em Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre ilfe zur Mitberatung überwiesen werden: Gesetzentwurf der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, Hartmut Koschyk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU zur Stärkung der Rechte der Opfer im Strafprozess – Drucksache 15/814 – überwiesen: Rechtsausschuss Innenausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuss Der in der 51. Sitzung des Deutschen Bundestages berwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Präsident Wolfgang Thierse Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitberatung überwiesen werden. Antrag der Abgeordneten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, Dr. Heinrich L. Kolb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Altersgrenze für Vertragsärzte beseitigen – Drucksache 15/940 – überwiesen: Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, haben wir einen Geschäftsordnungsantrag zu behandeln. Die Fraktion der FDP hat fristgerecht beantragt, die heutige Tagesordnung um die Beratung ihres Antrags mit dem Titel „Steuersenkung vorziehen“ zu erweitern. Das Wort zur Geschäftsordnung hat Kollege CarlLudwig Thiele, FDP-Fraktion. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das ganze Land debattiert darüber, ob die dritte Stufe der Steuerreform auf das Jahr 2004 vorgezogen wird. Fernsehen, Zeitungen und Talkshows befassen sich mit diesem Thema – nur der Deutsche Bundestag tut es nicht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)





(A) )


(B) )

Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Rede ID: ID1505300100

Die Menschen sind durch den Streit in der Koalition
und durch den Streit zwischen Bund und Ländern über
die weitere Entwicklung zutiefst verunsichert. Die Men-
schen haben ein Recht darauf, zu erfahren, welche Steu-
ern sie auch im nächsten Jahr zahlen müssen. Es ist ein
Skandal, dass dieses Recht der Bürger ignoriert wird.
Deshalb beantragt die FDP, die Tagesordnung der heuti-
gen Sitzung um die Beratung des Antrags „Steuersen-
kung vorziehen“ zu erweitern.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Leo Dautzenberg [CDU/CSU])


Uns ist absolut unverständlich, warum sich die rot-
grüne Koalition und die Union – ich habe gehört, auch
Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der
Union, wollen dem nicht zustimmen; ich kann es noch
nicht glauben, aber wir werden es nachher sehen – wei-
gern, der Aufsetzung dieses Tagesordnungspunktes, der
alle Menschen in unserem Lande bewegt, zuzustimmen.
Ist der Grund etwa, dass Finanzminister Eichel noch kei-
nen Haushaltsentwurf 2004 vorgelegt hat? Oder ist der
Grund, dass immer noch kein Nachtragshaushalt 2003
eingebracht wurde? Oder ist der Grund, dass der Kanzler
in seiner Inszenierungsliebe dies selbst erst am Wochen-
ende nach der Kabinettsklausur verkünden will? Wir
wissen es nicht. Niemand weiß es. Jeder möchte es wis-
sen, auch die FDP möchte wissen, wie es mit unserem
Land weitergeht und wie die Entwicklung unseres Lan-
des weiter gestaltet wird.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D as ist der Grund dafür, dass wir diese Debatte fordern. Hätte Rot-Grün einen solchen Antrag eingebracht, äre er selbstverständlich behandelt worden. Warum geährt man nicht auch der FDP das Recht, dass ein solher Antrag von ihr hier und heute behandelt wird, wo er ehandelt werden muss und wohin er gehört? (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Stimmung und die Lage in Deutschland sind lei-
er verheerend. Die Zahl der Arbeitslosen steigt vermut-
ich auf ein Rekordniveau von fast fünf Millionen. Die
ahl der Insolvenzen steigt. Die Lohnnebenkosten stei-
en auf ein Rekordniveau. Die Neuverschuldung wird in
iesem Jahr vermutlich auf 40 Milliarden Euro oder hö-
er steigen. Im Gegenzug sinken die Zahl der Arbeits-
lätze, das Wachstum und leider auch das Vertrauen in
ie Zukunft. Das Vertrauen in eine verlässliche Politik,
ie Planungssicherheit ermöglicht, ist durch den Zick-
ackkurs, den wir in den letzten Monaten erleben durf-
en, endgültig verloren gegangen.


(Beifall bei der FDP)

eshalb müssen wir leider feststellen, dass Deutschland
irtschafts- und finanzpolitisch vor einem Scherbenhau-
en steht.
Neun Monate nach der Bundestagswahl ist von der
genda 2010, die eine strukturelle Wende in unserem
and einleiten soll, lediglich die Gesundheitsreform in
rster Lesung im Deutschen Bundestag behandelt wor-
en. Wir haben in unserem Land aber keine Zeit zu ver-
ieren. Wir brauchen Wachstum. Trotz Rot-Grün brau-
hen wir dringend ein positives Signal für die
ntwicklung unseres Landes. Das Vorziehen der Steuer-
eform könnte zumindest ein erstes solches Signal sein.


(Beifall bei der FDP)

Die FDP ist dagegen, dass das durch Neuverschul-

ung finanziert wird. Deshalb fordern wir in unserem
ntrag, die Staatsausgaben zu reduzieren. Wir schlagen
ierzu einen linearen Subventionsabbau um 20 Prozent
or. Ferner benötigen wir dringend ein Haushaltssiche-
ungsgesetz, damit auch gesetzlich gebundene Leistun-
en eingeschränkt werden können. Zudem ist nach wie
or nicht einzusehen, warum der Bund mehr als 450 Un-
ernehmen privatwirtschaftlich betreibt. Es ist nicht die
ufgabe des Staates, diese Unternehmen zu betreiben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


iese Unternehmen können privatisiert werden. Das ist
rdnungspolitisch vernünftig und so bekommen wir
uch dringend notwendiges Geld in die Kasse.
Zudem haben wir eine Diskussion über die Arbeits-

eit in unserem Land. Die 35-Stunden-Woche in den
euen Bundesländern ist in dieser Situation absurd. Des-
alb appellieren wir an Arbeitnehmer und an Arbeitge-
er, durch eine Verlängerung der bezahlten Arbeitszeit
ur Steigerung des Bruttoinlandsprodukts beizutragen.
lles, was das Bruttoinlandsprodukt stärkt, stärkt unser
and und stärkt auch die Finanzkraft der öffentlichen






(A) )



(B) )


Carl-Ludwig Thiele
Kassen. Deshalb müssen wir alles dazu Notwendige bei-
tragen.


(Beifall bei der FDP – Katrin Dagmar GöringEckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Witz ist nur, dass Sie nichts dazu beitragen!)


Mit diesen mutigen Schritten wäre das Vorziehen der
Steuerreform gegenfinanziert und wäre die Entlastung
für die Bürger auch tatsächlich spürbar. Lassen Sie uns
doch bitte alle daran arbeiten, dass zumindest dieses Zei-
chen kurzfristig gesetzt wird, ohne dass die Neuver-
schuldung erhöht wird oder den Bürgern an anderer
Stelle in die Tasche gegriffen wird! Ich bitte Sie, dem
Geschäftsordnungsantrag der FDP zuzustimmen, damit
diese Diskussion heute im Deutschen Bundestag stattfin-
den kann. Hier müssen wir später darüber entscheiden.
Deshalb sollten wir dieses Thema heute auch hier disku-
tieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505300200


Ich erteile dem Kollegen Wilhelm Schmidt, SPD-
Fraktion, das Wort.


Wilhelm Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1505300300

Guten Morgen, Herr Präsident! Meine Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wieder
einmal Zeit für eine Geschäftsordnungsdebatte, bean-
tragt von der FDP, unsinnig wie immer und überflüssig
wie ein Kropf.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie versuchen, uns hier mit solchen Dingen in einer
Weise zu überziehen, die der Sache nicht angemesssen
ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – CarlLudwig Thiele [FDP]: Das Thema ist kein Thema?)


Herr Thiele, ich nehme Ihren Hinweis, dass ganz
Deutschland über das Vorziehen der Steuerreform redet,


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig! Dann sollten wir es auch tun!)


gern auf. Aber das verlangt gleichzeitig ein solides Um-
gehen mit diesem Thema. Das ist bei Ihnen nun wahr-
haftig nicht zu erkennen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist bei Ihnen nicht zu erwarten!)


Glauben Sie denn, dass die Gegenfinanzierung für
das, was hierdurch hervorgerufen würde, nämlich ein
weiterer Steuerausfall in Höhe von 18 Milliarden Euro
für den Haushalt 2004,

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(C (D (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Darum geht es nicht!)


infach so aus dem Handgelenk geschüttelt werden kann
n einem Tag wie diesem ohne jede Vorbereitung bei Ih-
en und auch bei anderen hier im Haus? Das geht doch
icht zusammen!


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wann soll es denn beraten werden?)


Ich will Ihnen einmal die Widersprüchlichkeit Ihres
ntrags aufzeigen: Auf der einen Seite schreiben Sie,
ie hätten zu Recht gegen das Steuervergünstigungsab-
augesetz gestimmt, weil so Steuererhöhungen hätten
ermieden werden können. Auf der anderen Seite schla-
en Sie aber vor, die Subventionen pauschal um
0 Prozent zu kürzen. Das ist doch auch eine Steuererhö-
ung in dem Sinne, wie Sie sie verstehen. Das passt
och alles nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist also ein Schnellschuss, wie er gerade diesem
hema nicht angemessen ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ir meinen, dass sorgfältige Beratungen nötig sind und
ir uns darüber auf andere Weise unterhalten sollten.
Um auch noch auf den Zeitfaktor einzugehen, Herr

hiele: Was hat denn die FDP in dieser Woche zustande
ebracht? Auf der Tagesordnung steht ein Antrag, die
aldbesitzer in Deutschland zu schützen und die mittel-
tändische Holzwirtschaft zu schonen. Das ist das Ein-
ige, was von Ihrer Seite in dieser Woche auf die Tages-
rdnung gesetzt wurde. Wenn Sie das, was Sie heute
orgen in der Geschäftsordnungsdebatte fordern, selber
rnst nehmen würden, hätten Sie einen entsprechenden
ntrag vor drei Wochen formulieren können. Dann wäre
eute bzw. in dieser Woche eine ernsthafte Debatte da-
über möglich. Sie sind nicht in der Lage, solche Dinge
uf den Weg zu bringen. Deswegen lassen wir uns auch
icht mit einem Schnellschuss von Ihnen traktieren, um
rgendetwas aus dem Handgelenk heraus zu beraten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will gar nicht weitere Vokabeln wie „lächerlicher
ktionismus“ oder Ähnliches verwenden, womit die
eitungen so etwas ab und zu beschreiben, sondern ap-
elliere an Sie: Nehmen Sie die Sache so ernst, wie Sie
s hier eben dargestellt haben,


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Wir tun das!)

nd versuchen Sie mit uns zu einem Einvernehmen über
en Weg zu kommen, über den wir ja in den nächsten
agen beraten werden! Sie wissen ganz genau, dass das
abinett am Wochenende in Klausur geht. Am Ende
erden Vorschläge unterbreitet werden, wie man mit
iesem Thema umgeht. Das ist der angemessene Weg.
eben Sie doch allen Beteiligten erst einmal die Mög-
ichkeit, sich mit den Dingen auseinander zu setzen und






(A) )



(B) )


Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

eine solide Finanzierung auf den Weg zu bringen! Damit
sorgen Sie dafür, dass wir darüber hier im Deutschen
Bundestag angemessen diskutieren können.

Wir tragen diesen Antrag aus den eben genannten
Gründen nicht mit und bewahren Sie davor, eine
Schnellschusspolitik zu betreiben, indem wir diesen An-
trag ablehnen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505300400


Ich erteile das Wort dem Kollegen Volker Kauder,
CDU/CSU-Fraktion.


Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1505300500

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die Intention des Antrages der FDP ist ja völlig
richtig.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD: Aber?)


Auch wir sagen: Steuererhöhungen sind in der jetzigen
Situation Gift und Steuersenkungen können helfen, den
Standort Deutschland wieder voranzubringen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Trotzdem unterstützen wir den Antrag der FDP, die-

ses Thema auf die heutige Tagesordnung zu setzen,
nicht,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der FDP)


und zwar aus einem einzigen Grund: Wir wissen, dass
die Regierung in Klausur geht. Das ist normalerweise
eine Maßnahme, die in Deutschland als Bedrohung emp-
funden wird, wenn man bedenkt, was dabei bisher her-
auskam.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir sind aber der Auffassung, dass wir einmal abwarten
sollten, was an diesem Wochenende herauskommt, Herr
Finanzminister. Wir sind auch der Auffassung, dass die-
jenigen, die ständig herumtönen, was gemacht werden
soll, wie der Bundeskanzler, der nach dem Motto ver-
fährt: „Man kann es so oder so machen, ich bin für so“,
sagen sollen, wie sie es machen wollen. Sie sollen in
Vorlage treten. Das erwarte ich.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Finanzminister, ich freue mich sehr, dass Sie

noch lächeln. Ich habe nämlich in den letzten Tagen in
der Zeitung nur noch Bilder gesehen, wo Ihnen das La-
chen vergangen war. Lachen Sie heute noch! Am Wo-
chenende wird es wohl für Sie angesichts des Drucks,
den man auf Sie ausübt, nicht so angenehm.

Wir erwarten nächste Woche eine klare Vorlage. Wir
haben deswegen unseren Antrag, der sich mit dem

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(C (D hema Steuer befasst, für nächste Woche auf die Tagesrdnung gesetzt, Herr Kollege Schmidt, damit die Regieung dann vorlegen kann, was sie machen will. Jetzt will ich Ihnen einmal sagen, was wir erwarten: rstens. Wir sind für ein Vorziehen der Steuerreform. amit aber wieder Vertrauen in diesem Land herrscht, üssen zunächst einmal die notwendigen Strukturreforen am Arbeitsmarkt, in der Gesundheitspolitik und in er Rentenpolitik vorgenommen werden. ir wollen, dass hierzu erste Vorlagen erarbeitet weren. Zweitens erwarten wir, dass die Bundesregierung, enn sie einen Vorschlag macht, wie eine solche Steuereform umgesetzt werden kann, nicht wie in den letzten ahren nur an sich denkt, Herr Eichel, sondern auch an ie Finanzsituation der Kommunen und der Länder, die ies mit finanzieren müssen. n diesem Zusammenhang, Herr Finanzminister, wäre es usgesprochen hilfreich gewesen, wenn Sie endlich einal mit der Gemeindefinanzreform vorangekommen ären, einem Projekt, auf dem Sie brüten und bei dem ennoch kein Ergebnis herauskommt. Dies macht die esamte Diskussion um die Steuerreform so schwierig. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben lso allen Grund, uns nächste Woche in einer Debatte ber die Zukunft Deutschlands intensiv zu unterhalten. ir fordern von der Bundesregierung ein klares Konzept ur Steuersenkung, Vorschläge, wie es finanziert werden ann, und vor allem eine klare Aussage, was am Arbeitsarkt zu geschehen hat. Auch dazu haben wir konkrete orlagen gemacht; darüber werden wir heute noch disutieren. Ich nenne ein Beispiel für einen Bereich, bei dem Sie benfalls nicht vorankommen. Auch der Bundeskanzler agt: Was jetzt in den neuen Ländern passiert – der treik, die Diskussion um eine Verkürzung der Arbeitseit, obwohl eine Verlängerung notwendig wäre –, ist icht hilfreich. Wir haben darauf eine Antwort: betrieblihe Bündnisse für Arbeit. Machen Sie mit bei diesem hema! Dann kommen wir in unserem Land voran. Ich erteile das Wort den Kollegen Volker Beck, Bündis 90/Die Grünen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ge chätzte Kollegen von der FDP! Sie müssen wirklich in iner tiefen Sinnkrise stecken, wenn Sie diese Geschäftsrdnungsdebatte brauchen, um ein bisschen Aufmerkamkeit für Ihre Fraktion zu erheischen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505300600
Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505300700






(A) )



(B) )


Volker Beck (Köln)

Besonders erklärungsbedürftig ist – dafür habe ich
von Ihnen, Herr Thiele, keinen guten Grund gehört –,
warum wir uns jetzt mit diesem Antrag beschäftigen sol-
len. Das Kabinett wird sich am Wochenende mit dieser
Frage beschäftigen und dann nächste Woche unsere Vor-
stellungen zur Finanzierung des Vorziehens der Steuer-
reform präsentieren.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Hier im Parlament oder in der Pressekonferenz?)


Wir haben gestern in der Geschäftsführerrunde verein-
bart – hören Sie einmal zu, Herr Gerhardt; vielleicht hat
Herr van Essen Ihnen dies nicht erzählt –, dass wir über
dieses Thema am nächsten Freitag im Deutschen Bun-
destag debattieren werden.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Donnerwetter!)


Warum es dann heute so eilbedürftig ist, das müssten Sie
jetzt doch einmal erklären. Sie schreien so laut, weil Sie
es nicht erklären können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich möchte aber auch den Erkenntnisgewinn der Op-
position, und zwar beider Fraktionen, durchaus würdi-
gen. Wir haben gehört, dass die Opposition das Vorzie-
hen der Steuerreform solide finanzieren will. Das finden
wir auch in beiden Anträgen, bei der CDU/CSU als
Wunsch, während die FDP sogar einen Vorschlag ge-
macht hat. Im Wahlkampf haben wir immer noch gehört,
das finanziere sich alles selbst, wir müssten Steuern sen-
ken, Steuern senken, Steuern senken, koste es, was es
wolle. Ich meine, in einer solchen Debatte sollte man
den Fortschritt durchaus würdigen und feststellen. Das
hilft den weiteren Diskussionen hier im Land.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Aber, meine Kolleginnen und Kollegen von der FDP,
Ihr Antrag ist weder in der Sache glaubwürdig noch kon-
zeptionell überzeugend. Sie bejammern die viel zu hohe
Steuerbelastung. Dazu ist zunächst einmal festzustellen:
Gegenwärtig ist unser entscheidendes Problem die viel
zu hohe Abgabenbelastung des Faktors Arbeit. Da müs-
sen wir ran; das tun wir mit den Strukturreformen im
Rahmen der Agenda 2010, die wir auch heute und mor-
gen hier im Deutschen Bundestag beraten und wozu die
nächsten Gesetzentwürfe in der kommenden Woche hier
behandelt werden. Deshalb sind wir auf einem guten
Weg.

Ein Vorziehen der nächsten Stufe der Steuerreform
kann einen wichtigen wirtschaftlichen Impuls setzen,
obwohl wir sagen müssen: Durch die Steuerreform die-
ser Koalition ist Deutschland hinsichtlich der Steuerbe-
lastung in Europa relativ gut platziert.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist ja Unsinn!)


Das haben wir in den letzten Jahren erreicht. Wenn wir
bei diesen Schritten jetzt noch etwas an Geschwindigkeit
zulegen, wird uns das bei der wirtschaftlichen Entwick-

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(C (D ng weiterhelfen. Aber wir sollten nicht an der falschen telle jammern, sondern die Probleme bei den Hörnern acken. Das tun wir mit der Agenda 2010. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meine Damen und Herren, das Entscheidende beim
orziehen der Steuerreform ist die Frage der Finanzie-
ung. Wenn diejenigen, die das Steuersubventionsabbau-
esetz ausgebremst und gerupft haben, nun als Helden
es Subventionsabbaus durch die Lande ziehen, nimmt
hnen das wirklich niemand ab: niemand im Haus, nie-
and bei der Presse und niemand in der Bevölkerung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Herr Steinbrück und Herr Koch haben in diesem Pro-
ess von Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat die
roße Verantwortung übertragen bekommen, ein schlüs-
iges sowie in Bundesrat und Bundestag mehrheitsfähi-
es Konzept vorzulegen. Ich bin sehr gespannt, was da-
ei herauskommt.
Aber der Vorschlag der FDP, alle Zuwendungen, alle

ubventionen des Staates mit dem Rasenmäher gleicher-
aßen um 20 Prozent zu kürzen, ist so simpel wie
umm und verkehrt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


ie würden auf diese Weise wichtige Mittel für die For-
chung, zum Beispiel Zuwendungen an die Deutsche
orschungsgemeinschaft,


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Was hat das mit der Geschäftsordnung zu tun, Herr Präsident?)


n gleichem Maße streichen wie die Eigenheimzulage.
ch finde, wir müssen zeigen, dass wir auch beim Sub-
entionsabbau gestalten, dass wir die Zukunftspoten-
iale unserer Gesellschaft weiter entwickeln und scho-
en


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

nd dass wir das, was von gestern und vorgestern ist,
as umweltschädlich und veraltet ist, energisch anpa-
ken und abbauen.
Zum Thema Eigenheimzulage will ich Ihnen eines sa-

en:

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist jetzt gar nicht das Thema!)

eutschland ist in weiten Teilen des Landes mit ausrei-
hendem Wohnraum versorgt. Dass wir die Menschen
ntreiben, weiter Immobilien anzuschaffen, indem wir
as staatlich subventionieren, bedeutet eine große Fehl-
nkung von staatlichen Mitteln.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie reden ja einen Quatsch daher!)


ir müssen der Bevölkerung auch angesichts des demo-
raphischen Wandels sagen, dass es nicht gesichert ist,






(A) )



(B) )


Volker Beck (Köln)

dass die Immobilien die Wertsteigerung bringen, die ihr
eine Alterssicherung garantiert.

Deshalb müssen wir dieses Thema angehen. Wir
brauchen wahrscheinlich einen linearen Subventionsab-
bau. Wir brauchen aber gleichermaßen einen energi-
schen Zugriff auf das, was veraltet und nicht mehr zeit-
gemäß ist.

Noch einen letzten kollegialen Hinweis an die Kolle-
gen von der FDP. Wenn es Ihnen mit der Aktualität die-
ses Themas wirklich ernst gewesen wäre, dann hätten
Sie das Instrument der Aktuellen Stunde nutzen können.
Sie haben vorgezogen, heute eine Aktuelle Stunde zum
Thema Tarifautonomie und Streiks in den neuen Län-
dern zu beantragen. Auf diese Weise haben Sie Ihre Mu-
nition verschossen und beweisen, dass es Ihnen mit der
Dringlichkeit dieses Debattenpunktes nicht wirklich
ernst ist,


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Oh Gott! Das ist aber weit hergeholt!)


sondern dass es Ihnen um Klamauk geht. Offensichtlich
kommen Sie aus der Rolle des Klamaukmachens einfach
nicht mehr heraus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505300800


Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für den
Geschäftsordnungsantrag der Fraktion der FDP? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist ge-
gen die Stimmen der FDP-Fraktion abgelehnt.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 f sowie
Zusatzpunkt 2 auf:
3 a) Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregie-

rung zu den Ergebnissen des Europäischen Ra-
tes in Thessaloniki am 20./21. Juni 2003

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ver-
trag vom 16. April 2003 über den Beitritt der
Tschechischen Republik, der Republik Est-
land, der Republik Zypern, der Republik Lett-
land, der Republik Litauen, der Republik Un-
garn, der Republik Malta, der Republik Polen,
der Republik Slowenien und der Slowakischen
Republik zur Europäischen Union

– Drucksachen 15/1100, 15/1200 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ernst
Burgbacher, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Daniel Bahr (Münster), weiteren Abgeordneten
und der Fraktion der FDP eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grund-

(C (D gesetzes entscheids über eine europäische Verfassung – Drucksache 15/1112 – Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss Innenausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union d)

richts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (20. Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Peter Hintze, Peter
Altmaier, Dr. Gerd Müller, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der CDU/CSU
Ein Verfassungsvertrag für eine bürgernahe,
demokratische und handlungsfähige Europäi-
sche Union

– Drucksachen 15/918, 15/1138 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Roth (Heringen)

Peter Altmaier
Anna Lührmann
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (20. Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Daniel
Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP
Initiativen des Brüsseler Vierergipfels zur
Europäischen Sicherheits- und Verteidigungs-
union (ESVU) über den Europäischen Verfas-
sungskonvent vorantreiben

– Drucksachen 15/942, 15/1139 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Hedi Wegener
Peter Hintze
Rainder Steenblock
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

f) Beratung des Berichts des Ausschusses für die
Angelegenheiten der Europäischen Union

(20. Ausschuss) gemäß § 93 a Abs. 4 der Ge-

schäftsordnung zu der Unterrichtung durch die
Bundesregierung
Vermerk des Präsidiums für den Konvent

Organe – Entwurf von Artikeln für Titel IV
des Teils 1 der Verfassung –

CONV691/03
– Drucksachen 15/1041 Nr. 3.1, 15/1163 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Roth (Heringen)

Peter Altmaier
Anna Lührmann
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger






(A) )



(B) )


Präsident Wolfgang Thierse
ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter
Hintze, Michael Stübgen, Peter Altmaier, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Zum Stand der Beratungen des EU-Verfas-
sungsvertrages

– Drucksache 15/1207 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

Zur Regierungserklärung liegen zwei Entschließungs-
anträge der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/
Die Grünen vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-
rung zweieinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505300900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Euro-

päische Union steht vor einer der wichtigsten Weichen-
stellungen ihrer Geschichte. In nur knapp einem Jahr
werden zehn neue Mitglieder aufgenommen. Damit wird
die Teilung unseres Kontinents endgültig aufgehoben.
Der Konvent für eine europäische Verfassung hat seine
Arbeiten vor wenigen Tagen weitestgehend abgeschlos-
sen. Der Weg hin zur Erweiterung und zu einem nötigen
und grundlegenden Integrationsfortschritt in der Euro-
päischen Union ist somit vorgezeichnet.

Vor diesem Hintergrund war der Europäische Rat in
Porto Carras bei Thessaloniki vom 19. bis 21. Juni ein
wichtiges Ereignis. Erstmals nach der Unterzeichnung
der Beitrittsverträge saßen die zehn künftigen Mitglieder
mit am Tisch und waren an den Verhandlungen beteiligt.
Die Erweiterung wird damit immer sichtbarer zur Reali-
tät. Die letzte Etappe auf dem Weg zu einer Europäi-
schen Verfassung wurde in Thessaloniki eingeleitet.

Sowohl im Konvent als auch beim Europäischen Rat
– das war keine Selbstverständlichkeit – haben die künf-
tigen Mitglieder schon vollkommen gleichberechtigt
mitgearbeitet. Dies zeigt: Es gibt zumindest für die er-

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(C (D eiterte Union – das gilt für den Konvent genauso wie ür den Europäischen Rat – keine Unterscheidung zwichen einem neuen und einem alten Europa. Es gibt nur in gemeinsames Europa. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Man kann jetzt mit Fug und Recht sagen, dass sich
nter der griechischen Präsidentschaft die EU nach
orne bewegt hat. Der Rat von Thessaloniki verlief für
uropa sehr erfolgreich. Gerade in Deutschland können
ir mit den Ergebnissen zufrieden sein. Viele unserer
nliegen wurden berücksichtigt und zahlreiche unserer
ositionen durch den Europäischen Rat in den Schluss-
olgerungen bestätigt.
Valéry Giscard d'Estaing, der Präsident des Konvents

ür eine europäische Verfassung, hat nach 16 Monaten
rbeit der griechischen Ratspräsidentschaft den Verfas-
ungsentwurf übergeben. Was noch vor wenigen Jahren
topisch zu sein schien, ist heute Realität: der Entwurf
iner Verfassung für Europa, erarbeitet von einem euro-
äischen Konvent, der zu mehr als zwei Dritteln aus Par-
amentariern bestand.
Auf dem Weg zum Jahrhundertprojekt einer europäi-

chen Verfassung sind wir durch den Konvent einen
ntscheidenden Schritt vorangekommen. Einen solchen
onvent – zusammengesetzt aus Mitgliedern des Euro-
äischen Parlaments, der Nationalparlamente, der natio-
alen Regierungen und der Europäischen Kommission –
at es noch nie gegeben. Ich denke, allein diese Zusam-
ensetzung spricht schon für sich. Dass dieser Konvent
och ein erfolgreiches Ergebnis hervorgebracht hat, ist
eines Erachtens in der Tat eine historische Leistung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


in Dank für diese Leistung gebührt an erster Stelle
elbstverständlich dem Präsidenten des Konvents,
aléry Giscard d’Estaing, aber auch allen anderen Betei-
igten.
16 Monate wurde hart miteinander gerungen; Monate

ntensiver Verhandlungen und Arbeit liegen hinter uns.
ei 28 beteiligten Staaten und noch vielen weiteren Ak-
euren ist jedoch klar: Ein Ergebnis, das gleichermaßen
lle Wünsche und Vorstellungen berücksichtigt, ist per
e nicht denkbar. Das Ergebnis muss vielmehr ein Kom-
romiss sein. Meines Erachtens ist der vorliegende Ent-
urf ein sehr gut ausbalancierter Kompromiss; denn es
andelt sich keinesfalls um ein Minimalergebnis auf
leinstem gemeinsamen Nenner. Es handelt sich viel-
ehr um einen fairen Interessenausgleich, der vor allen
ingen – das war der schwierigste Punkt – bis zum
chluss die Belange der kleinen wie der großen Mit-
liedstaaten in Betracht zieht.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Bei der künftigen europäischen Verfassung geht es
m zwei zentrale Aspekte. Zum einen geht es um ein
ehr an Transparenz, an Bürgernähe und an Demokratie






(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer
in Europa. Hier sieht der Entwurf unter anderem eine
klare Kompetenzordnung vor. Lassen Sie mich an dieser
Stelle die Subsidiaritätsklausel erwähnen. In der Subsi-
diaritätsklausel wird gleichzeitig ein Verfahren definiert,
in dem die Kontrollfunktionen der nationalen Parla-
mente im europäischen Gesetzgebungsverfahren fest-
geschrieben sind. Das heißt, es liegt in den Händen der
europäischen Nationalparlamente, mit dem Subsidiari-
tätsgebot im Gesetzgebungsverfahren tatsächlich ernst
zu machen.

Neben der klaren Kompetenzordnung, die ich gerade
erwähnt habe, will ich noch die Gewährleistung bürger-
naher Entscheidungen, ein neues Bürgerbegehren, das es
EU-Bürgern ermöglicht, die Kommission zu einem Ge-
setzesvorschlag aufzufordern, die enge Einbeziehung
der nationalen Parlamente, die Stärkung der Rechte und
damit – ich will das hinzufügen – die größere Verantwor-
tung des Europäischen Parlaments sowie die Festigung
der Europäischen Union als Wertegemeinschaft nennen.

Zum anderen geht es um die Verbesserung der
Handlungsfähigkeit der Union. Das institutionelle
Dreieck in der erweiterten Union der 25 und mehr wird
insgesamt gestärkt, dabei vor allen Dingen diejenigen
Institutionen, die das Gemeinschaftsinteresse vertreten:
das Europäische Parlament und die Kommission.

Darüber hinaus werden vorgeschlagen: Instrumente
für eine handlungsfähigere Außen- und Sicherheitspoli-
tik unter Einschluss eines europäischen Außenministers,
sodass es eine klarere europäische Stimme nach außen
geben wird, die Ausweitung der Entscheidungen mit
qualifizierter Mehrheit und nicht zuletzt die spürbare
Vereinfachung aller Instrumente und Verfahren.

Beides, mehr Bürgernähe und Demokratie sowie
eine größere Handlungsfähigkeit, waren Kernanliegen
Deutschlands bei den Verhandlungen. Daher können wir
mit dem jetzt offiziell vorliegenden Resultat zufrieden
sein. Deutschland kann über das Ergebnis nur schwer-
lich klagen. Das zeigen auch die positiven Reaktionen
bei uns im Land. Wir freuen uns, dass der Konventsent-
wurf – mit wenigen Ausnahmen – auf allgemeine Zu-
stimmung trifft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich möchte hier ganz besonders betonen, wie gut die
parteiübergreifende Zusammenarbeit innerhalb der deut-
schen Delegation und auch zwischen Bund, Ländern und
den Regionalvertretern gewesen ist. Ganz besonders
möchte ich hervorheben, dass Ministerpräsident Teufel
als Konventsvertreter des Bundesrates und die übergroße
Mehrheit der deutschen Länder das Ergebnis sehr positiv
aufgenommen haben. Wir haben im Konvent mit ihnen
ebenso wie mit den Vertretern des Bundestages, Profes-
sor Jürgen Meyer und Peter Altmaier, eng und, wie ich
finde, sehr konstruktiv zusammengearbeitet. Ich möchte
ihnen allen dafür danken.


(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren, der Entwurf der europäi-

schen Verfassung fand auch in Thessaloniki große

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(C (D ustimmung. Die Staatsund Regierungschefs der EUtaaten und der künftigen Mitglieder haben das Dokuent als gute Grundlage für die Regierungskonferenz ezeichnet. Das heißt nicht, dass es bei einigen Mitgliedtaaten keine Vorbehalte zu dem einen oder anderen unkt gibt. Aber wir dürfen jetzt nicht zulassen, dass die n der Öffentlichkeit ausgehandelten Ergebnisse des onvents hinter den verschlossenen Türen der Regieungskonferenz wieder infrage gestellt werden. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Kurz, intensiv und ergebnisorientiert, so sollte der
erlauf der Regierungsberatungen sein. Es ist daher fol-
erichtig, dass die Konferenz nur auf politischer Ebene
urchgeführt wird. Der Kompromiss, der im Konvent als
aketkonsens erzielt wurde, muss als Ganzes Bestand
aben. Lassen Sie mich auch das klarstellen: Wer den
onsens in einem Punkt öffnet, trägt die Verantwortung
afür, einen neuen Konsens herbeizuführen. Ich wage
ie Prophezeiung: Das wird alles andere als einfach wer-
en.
Wir haben in Thessaloniki beschlossen, die Regie-

ungskonferenz im Oktober dieses Jahres einzuberufen.
ie soll ihre Arbeiten sobald wie möglich abschließen.
enn wir müssen den europäischen Bürgerinnen und
ürgern vor den Wahlen zum Europäischen Parlament
m Juni 2004 genügend Zeit lassen, sich mit den Ergeb-
issen vertraut zu machen. Wir haben weiter beschlos-
en, dass die zehn neuen Mitgliedstaaten gleichberech-
igt an der Regierungskonferenz teilnehmen werden. Die
eitrittskandidaten Rumänien, Bulgarien und die Türkei
erden einen Beobachterstatus besitzen.
Wir sind überzeugt, dass die Regierungskonferenz zu

inem schnellen und zufrieden stellenden Abschluss
ommt. Die europäische Verfassung, unsere europäische
erfassung, ist ein Jahrhundertprojekt. Sie muss den
ürgerinnen und Bürgern die Vorteile Europas verdeutli-
hen, ihnen Vertrauen in die Europäische Union vermit-
eln und die Europäische Union insgesamt nach innen
nd außen handlungsfähiger machen.
Der Gipfel von Thessaloniki hat gezeigt: Die von den

keptikern immer wieder totgesagte Gemeinsame Au-
en- und Sicherheitspolitik der EU ist sehr lebendig.
uf dem Rat wurde eine Vielzahl von außenpolitischen
hemen behandelt. Wir konnten dabei beachtliche Fort-
chritte verzeichnen.
Ein Kernpunkt dabei war die Sicherheitsstrategie

er Europäischen Union. Die Außenminister hatten dazu
chon im Mai die Initiative ergriffen und den Hohen Be-
uftragten für Außen- und Sicherheitspolitik beauftragt,
ine solche Strategie zu erarbeiten. In Thessaloniki hat
avier Solana dem Rat einen ersten Entwurf mit dem
itel „Ein sicheres Europa in einer besseren Welt“ vor-
estellt. Wir waren uns alle einig: Es ist ein viel verspre-
hendes Dokument geworden; Solana hat eine hervorra-
ende Arbeit geleistet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer
Zugrunde liegt diesem Dokument ein umfassender Si-
cherheitsbegriff, der die ganze Bandbreite möglicher Ri-
siken und Gefahren für die europäische Sicherheit und
Stabilität beschreibt. Die neuen Bedrohungen sind nicht
rein militärischer Natur. Deshalb kann gegen sie auch
nicht rein militärisch vorgegangen werden. Diese Erfah-
rung machen wir ja gegenwärtig.

Diesem umfassenden Sicherheitsbegriff entspricht da-
her ein breites Spektrum von Mitteln zum Krisenma-
nagement und vor allen Dingen auch zur Prävention.
Auf diesen Ansatz haben wir besonderen Wert gelegt. Es
kommt darauf an, Konflikte und Krisen durch geeignete
Maßnahmen schon im Vorfeld zu entschärfen oder gar
zu verhindern.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Ziel der Europäischen Union muss bleiben, noch vor
Krisenbeginn angemessen zu reagieren. Der diplomati-
schen Prävention muss daher höchster Stellenwert einge-
räumt werden.

Die Bedrohungsanalyse der Sicherheitsstrategie
Solanas macht drei Hauptgefahren fest: Terrorismus,
Massenvernichtungswaffen und die aus gescheiterten
Staaten resultierenden Gefahren sind die zentralen Be-
drohungen, denen wir uns ausgesetzt sehen. Diesen He-
rausforderungen muss durch eine reaktionsfähigere
Europäische Union begegnet werden, die aktiver und ko-
härenter handelt.

In Zukunft muss die EU bei Fehlentwicklungen frü-
her und entschiedener aktiv werden. Aber an dieser
Stelle sei erneut deutlich gemacht: Auch wenn wir unter
den Zwangsmaßnahmen militärische im Grundsatz nicht
ausschließen können, müssen sie letztes, müssen sie al-
lerletztes Mittel bleiben. Sie dürfen nur in Übereinstim-
mung mit Art. 51 und Kap. VII der Charta der Vereinten
Nationen erfolgen – und nur dann, wenn andere Maß-
nahmen nicht zum Ziel geführt haben. Dies war und ist
auch die Position der Bundesregierung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Javier Solana wurde in Thessaloniki von den Staats-
und Regierungschefs beauftragt, die Strategie auszuar-
beiten und weiterzuentwickeln, und zwar in enger Ab-
stimmung mit den Mitgliedstaaten und der Kommission.
Bis zum kommenden Gipfel Ende des Jahres in Rom
sollen die Arbeiten dazu abgeschlossen werden. Nach
der ermutigenden Aufnahme, die das Dokument in Thes-
saloniki fand, sind wir zuversichtlich, dass dem Hohen
Repräsentanten der Europäischen Union dies gelingen
wird.

Meine Damen und Herren, in Thessaloniki haben wir
uns auch mit dem Konflikt im Nahen Osten befasst. Die
EU ist ein Teil des Quartetts und war an der Abfassung
der Roadmap ganz wesentlich beteiligt. Lassen Sie
mich das sagen: Angesichts dessen, was die viel ge-
scholtene Außenpolitik der Europäischen Union in der
jüngsten Vergangenheit im Nahen Osten geleistet hat, ist

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(C (D re Leistungsfähigkeit bereits heute so schlecht nicht. mso wichtiger ist es, dass wir sie weiter verbessern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die so genannte Nahost-Roadmap hätte es ohne die
uropäische Initiative nicht gegeben. Die Reform der pa-
ästinensischen Behörde und damit die neue Regierung
ätte es ohne den nimmermüden Einsatz vor allen Din-
en des jetzt ausscheidenden Sonderbeauftragten Miguel
oratinos nie gegeben, genauso wenig den neuen Pre-
ierminister. Deswegen möchte ich auch von dieser
telle aus Miguel Moratinos, dem Nahostbeauftragten,
echt herzlich für die vielen Jahre nie ermüdenden Ein-
atzes und nie ermüdender Arbeit danken. Er hat ganz
ntscheidendes geleistet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU] und Ulrich Heinrich [FDP])


Meine Damen und Herren, dasselbe gilt für die He-
anführungsstrategie für die Türkei und für die Assozia-
ionsabkommen, die wir mit Ausnahme von Syrien mit
llen arabischen Anrainerstaaten, aber auch mit Israel
bgeschlossen haben. Das gilt für den Mittelmeerprozess
it den südlichen Anrainerstaaten – das einzige Format
brigens, wo sich selbst in den krisenhaftesten Zeiten Is-
aelis und Araber getroffen haben. Das darf man nicht
ergessen. Erst wenn dieser Prozess nicht mehr durch
en Konflikt im Nahen Osten blockiert wird, wird er
eine eigentliche Dynamik entfalten und das Mittelmeer
u einem Raum des wirtschaftlichen Wachstums, der so-
ialen Sicherheit, des Friedens und des Wohlstandes ent-
ickeln können.
Der Golf-Kooperationsrat, aber auch – das stellen wir
tzt fest – die Verhandlungen mit dem Iran sind gerade
dieser kritischen Situation, in der es zu Recht eine De-
atte über das iranische Atomprogramm gibt, Instru-
ente europäischer Außenpolitik. Die Tatsache, dass wir
urch die Verfassung neue institutionelle Zusammen-
chlüsse und eine entsprechende Repräsentanz schaffen,
erdeutlicht, welche Bedeutung diese Politik für unsere
icherheit im 21. Jahrhundert tatsächlich gewinnen
ann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zurück zum Nahostkonflikt. Die Staats- und Regie-
ungschefs waren sich in Thessaloniki einig, dass die
oadmap eine neue und wichtige Chance darstellt, den
rieden in dieser Region herbeizuführen. Damit diese
hance nicht verpasst wird, muss die Roadmap inner-
alb ihrer klaren zeitlichen Vorgaben umgesetzt werden.
ie Umsetzung ist der entscheidende Punkt. Darüber
ar man sich in Thessaloniki einig. Andauernde Gewalt
or Ort darf die Umsetzung nicht gefährden.
Der Rat begrüßte zudem ausdrücklich das persönliche

ngagement von Präsident Bush für die Roadmap und
nterstrich die Bereitschaft der Europäischen Union, zu
rer Umsetzung umfassend beizutragen.






(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer
Die Erweiterung der Europäischen Union – wie oft
haben wir in diesem Hause darüber gestritten; nicht über
die Sache als solche, sondern eher über die Zeitpläne, die
Ernsthaftigkeit und Ähnliches? – wird mit der Aufnahme
der zehn neuen Länder im nächsten Jahr noch nicht ab-
geschlossen sein. In Thessaloniki haben wir Rumänien
und Bulgarien nochmals bestätigt, dass unser Ziel, sie
2007 in die Union aufzunehmen, weiterhin Bestand hat.
Jetzt sind diese beiden Länder am Zuge. Sie bestimmen
mit ihren Reformen und – das ist noch wichtiger – mit
ihren innerstaatlichen Umsetzungsmaßnahmen selbst
das Tempo ihres Beitrittsprozesses. Wir glauben, dass sie
es bis zu dem geplanten Aufnahmetermin tatsächlich
schaffen können, die Voraussetzungen für eine Auf-
nahme zu erfüllen, wenn sie sich ernsthaft engagieren.

Auf dem Westbalkangipfel, der im Anschluss an den
Rat stattgefunden hat, bekräftigten die Staats- und Re-
gierungschefs der EU nochmals die europäische Per-
spektive aller Länder in dieser Region: Es liegt in der
Hand dieser Staaten, die Kriterien zu erfüllen, die ihnen
die Perspektive eines Beitritts eröffnen. Politische
Preise, politische Kulanzentscheidungen, darf und wird
es dabei aber nicht geben; denn es handelt sich um ob-
jektive Kriterien, die erfüllt werden müssen. Das wurde
im Beschluss von Helsinki für den Beitrittsprozess ins-
gesamt fixiert. Ich finde, das war ein sehr kluger und zu-
kunftsweisender Beschluss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir wollen die Beziehungen der Länder des westli-
chen Balkans zur EU weiter intensivieren, bis hin zur
Perspektive einer späteren Mitgliedschaft. Die Europäi-
sche Union ist bereit, einen substanziellen Beitrag zur
Stabilisierung auf dem Balkan zu leisten. Dabei gilt für
die Länder dieser Region: Eine erfolgreiche Reformpoli-
tik im Inneren ist die Voraussetzung für eine engere Ko-
operation mit den Staaten der Europäischen Union.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Schaffung eines starken und handlungsfähigen

Europas entspricht eindeutig unseren nationalen Interes-
sen; denn einzelne europäische Staaten, selbst die größ-
ten, können weder für sich alleine noch in wechselnder
Allianz ihre Interessen auf Dauer wirksam vertreten. Nur
gemeinsam, als Europäische Union, haben die europäi-
schen Staaten die Chance, das 21. Jahrhundert nachhal-
tig mit zu gestalten. Gerade die Krisen der jüngsten Zeit
haben gezeigt, dass dies die machtpolitische Wirklich-
keit des beginnenden 21. Jahrhunderts ausmacht.

Thessaloniki war ein wichtiger Schritt hin zu diesem
starken und handlungsfähigen Europa. Wir sind zuver-
sichtlich, dass wir auf diesem Weg weiter voranschreiten
werden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


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(C (D Ich erteile das Wort dem Ministerpräsidenten des andes Baden-Württemberg, Erwin Teufel. Erwin Teufel, Ministerpräsident (Baden-Württemerg)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505301000

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Aus der Sicht des Landes Baden-Württemberg,
as in seiner Geschichte unter den deutsch-französischen
riegen und den europäischen Bürgerkriegen ganz be-
onders gelitten hat, bin ich ein überzeugter Europäer.
uropa ist für mich zuerst eine Friedensordnung. Weil
ch will, dass das 21. Jahrhundert so aussieht wie die
weite Hälfte des 20. Jahrhunderts und nicht wie die
rste Hälfte des 20. Jahrhunderts, setze ich mich aus gan-
er Überzeugung für Europa ein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


n diesem Zusammenhang ist die Erweiterung der Euro-
äischen Union um zehn osteuropäische und südosteuro-
äische Länder ein großer Fortschritt für eine umfas-
ende Friedensordnung.
Das europäische Projekt darf nicht scheitern. Es muss

och jedem Europäer zu denken geben, dass Volksab-
timmungen in einigen Ländern gescheitert sind und in
ielen Ländern, auch in Deutschland, die Akzeptanz der
uropäischen Union in den monatlichen Umfragen kon-
inuierlich auf unter 50 Prozent gesunken ist. Aus meiner
icht gibt es dafür einen Hauptgrund: Die Bürgerinnen
nd Bürger übersehen die europäischen Angelegenhei-
en nicht mehr. Sie sind zu wenig transparent, zu weit
eg, zu unübersichtlich und die Bürger haben den
indruck, die Europäische Union kümmere sich um tau-
enderlei Dinge, die auf kommunaler Ebene oder Län-
erebene weit bürgernäher, besser, effizienter und trans-
arenter gelöst werden könnten.
Europa muss also vom Kopf auf die Füße gestellt
erden. Nach dem Subsidiaritätsprinzip muss Europa
on unten nach oben gebaut werden mit dem Vorrang für
ie jeweils kleinere Einheit. Ich bin für ein starkes Eu-
opa, aber Europa ist doch nicht dann stark, wenn es sich
m tausenderlei Dinge kümmert, sondern es ist stark,
enn es sich um die richtigen Aufgaben kümmert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die richtigen Aufgaben lassen sich ganz genau defi-

ieren. Es sind die Aufgaben, deren Bewältigung über
ie Kraft des Nationalstaates hinausgehen, also Fragen
er Außen- und Sicherheitspolitik, der Verteidigungspo-
itik, selbstverständlich Fragen der Währungspolitik,
enn man eine gemeinsame Währung hat, Fragen des
innenmarktes, wenn man einen gemeinsamen Markt
at, Fragen der Außenhandelspolitik, Fragen der grenz-
berschreitenden Umweltpolitik, Fragen der Großfor-
chungspolitik. All das sind klassische europäische Auf-
aben.






(A) )



(B) )


Ministerpräsident Erwin Teufel (Baden-Württemberg)

Diese Zielsetzungen waren die Leitlinien für die Be-
schlüsse des Bundesrates und der Ministerpräsidenten-
konferenz, das spiegelte sich in den vergangenen zehn
oder 15 Jahren nicht nur in hoher, sondern in umfassen-
der Übereinstimmung aller 16 deutschen Länder wider.
Es ist ein hohes Gut, dass wir eine übereinstimmende
Auffassung über die Zukunft der Europäischen Union
haben. Das hat uns in den letzten 15 Jahren im Verhältnis
zum Bund geholfen und das hat uns jetzt bei den Bera-
tungen im Europäischen Konvent sehr geholfen. Für
diese gemeinsame Zielsetzung habe ich mich aus Über-
zeugung eingesetzt. Ich erhielt dabei vielfältige Unter-
stützung von deutschen Konventsteilnehmern, beispiels-
weise von den Vertretern der Bundesregierung,
Professor Glotz und Außenminister Fischer, von den
Vertretern des Bundestages, Professor Meyer und Peter
Altmaier, und von den Vertretern des Bundesrates, Mi-
nister Senff und später Minister Gerhards. Dafür möchte
ich mich ausdrücklich bedanken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


An diesen Zielen messe ich jetzt auch das Ergebnis
des Konvents mit der Überschrift „Viel erreicht, aus der
Sicht der deutschen Länder aber noch einige wichtige
Fragen offen“. Aus der Sicht der Länder möchte ich zu-
nächst einmal sagen, dass wir einige wesentliche Ergeb-
nisse nur durch die direkte Unterstützung von Präsident
Giscard d’Estaing erreicht haben, was ich ganz beson-
ders dankbar vermerken möchte.

Meine Damen und Herren, es wurde viel erreicht. Da-
für möchte ich einige Beispiele nennen. Es gibt in der
Verfassung eine klare Kompetenzordnung. Das hätte
vor einem Jahr, selbst noch vor einem halben Jahr nie-
mand für möglich gehalten. Bisher hat Europa jede Auf-
gabe an sich gezogen, die es bekommen konnte.

Was waren die großen Einfallstore für immer neue
Aufgabenverlagerungen auf die europäische Ebene? Das
erste Einfallstor war der Artikel zum Binnenmarkt, der
den Wettbewerb regelt. Ich muss mich fragen, was ei-
gentlich nicht zum Wettbewerb gehört. Auf diesem Weg
hat sich die EU in alle Bereiche eingemischt, von der
kommunalen Daseinsvorsorge über die Sparkassen bis
hin zur Kultur und zu den Medien.

Das zweite Einfallstor ist die Generalermächtigung
aus Art. 308. Mir sagten zwei Kommissare ganz offen:
Wenn wir in den Verträgen keine Kompetenz gefunden
haben, dann haben wir uns auf Art. 308 gestützt.

Das dritte Einfallstor stellen die allgemeinen Ziele
dar. Jeder europäische Vertrag beginnt auf zwei bis vier
DIN-A4-Seiten mit allgemeinen Zielen. Das ist Lyrik.
Wenn man diese allgemeinen Ziele als Kompetenzbe-
gründung nimmt, dann gibt es kein Halten mehr, dann
gibt es keinen Bereich, für den Europa nicht zuständig
ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D iese Analyse über die bisher bestehenden Einfallstore usste man im Auge haben, wenn man Verbesserungen rreichen wollte. Nun das Ergebnis: Allgemeine Ziele sind nicht mehr ompetenzbegründend. (Beifall des Abg. Albert Deß [CDU/CSU] – Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Genau das ist es!)


as ist ein ganz zentraler Punkt. Wir haben die klare
ompetenzordnung – übrigens durchaus nach dem Mus-
er unseres Grundgesetzes – mit ausschließlicher Zustän-
igkeit der Europäischen Union, geteilten Zuständigkei-
en und ergänzenden Zuständigkeiten.
Genauso wichtig wie diese Kompetenzkategorien ist,

ass die Europäische Union künftig bei alle Aufgaben,
ie sie haben wird, drei Prinzipien beachten muss: ers-
ens die begrenzte Einzelfallermächtigung – das ist das
egenmodell zu den allgemeinen Zielen –, zweitens den
rundsatz der Verhältnismäßigkeit und drittens das Sub-
idiaritätsprinzip.
Diese Prinzipien stehen – das ist außerordentlich
ichtig – nicht als hehre Ziele im Vertrag, so wie bei-
pielsweise das Subsidiaritätsprinzip im Vertrag von
msterdam und – schon früher – im Vertrag von
aastricht, wodurch sich allerdings überhaupt nichts ge-
ndert hat; diese Ziele sind vielmehr zum ersten Mal be-
ehrt. Zum ersten Mal werden die nationalen Parla-
ente zum Zeitpunkt einer Gesetzesinitiative der
ommission sozusagen in einem Frühwarnsystem ein-
eschaltet. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Fort-
chritt für Bundestag und Bundesrat. Es kommt jetzt da-
auf an, dass wir diese Möglichkeit auch nutzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bundestag und Bundesrat können im Rahmen ihrer
uständigkeit Einwände wegen Verletzung des Subsidia-
itätsprinzips einbringen. Zum ersten Mal bekommen sie
in Klagerecht beim Europäischen Gerichtshof, wenn sie
as Subsidiaritätsprinzip und die Kompetenzordnung
erletzt sehen. Durch eine entsprechende innerstaatliche
egelung kann auch das Klagerecht jedes deutschen
undeslandes begründet werden. Wir sind hier auf gu-
em Weg, und zwar einvernehmlich mit der Bundesre-
ierung. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ll dies ist für den Bundestag und den Bundesrat, aber
uch für die Bürgernähe, für ein Europa von unten nach
ben von entscheidender Bedeutung.
Auch in einem anderen Punkt wurde viel erreicht. Die

rundrechtecharta als Ausdruck der Wertegemein-
chaft Europas wird rechtsverbindlich. Alle Teile des
erfassungsvertrags haben die gleiche Rechtsqualität.
as heißt, alle Vertragsänderungen bedürfen der Zustim-
ung aller Mitgliedstaaten.






(A) )



(B) )


Ministerpräsident Erwin Teufel (Baden-Württemberg)

Zum ersten Mal wurde das kommunale Selbstverwal-
tungsrecht in einem europäischen Vertrag verankert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In der gesamten europäischen Geschichte haben vor al-
lem die Städte und Gemeinden Europa getragen. Bisher
sind sie in einem europäischen Vertrag überhaupt nicht
vorgekommen. Vor allem dafür, dass das geändert
wurde, habe ich mich eingesetzt; denn die Gemeinden
und Städte sind das Fundament einer europäischen Ord-
nung.


(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren, es gibt keinen Artikel über

eine offene Koordinierung. Auch das ist ein wichtiger
Fortschritt. Die Regelung des Verhältnisses zwischen
Staat und Kirche bleibt Teil der nationalen Identität und
Zuständigkeit. Es gibt künftig einen Legislativrat, der
öffentlich tagen muss. Es ist doch ein Ding der Unmög-
lichkeit, dass die europäische Gesetzgebung bisher unter
Ausschluss der Öffentlichkeit vollzogen wurde.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es war das einzige demokratische Parlament der Welt,
das nicht öffentlich getagt hat. Dieser Fehler ist behoben
worden und die Änderung ist nun Teil der Verfassung.


(Beifall im ganzen Hause)

Beim Übergang zu Mehrheitsentscheidungen konnten

wir eine doppelte Mehrheit durchsetzen: Mehrheit der
Staaten und sogar eine 60-prozentige Mehrheit der Bür-
ger. Ich glaube, gerade die Bundesrepublik Deutschland
– die Bundesregierung, der Bundestag und der Bundes-
rat – sollte diesen Punkt berücksichtigen und es sich
zehnmal überlegen, bevor sie das Paket wieder auf-
schnürt und diese Möglichkeit unter Umständen wieder
aufs Spiel setzt.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Das Europäische Parlament wurde gestärkt. Auch das

war ein wichtiges Anliegen. Als Bürgerkammer ist es
künftig ein weitestgehend gleichwertiger Gesetzgeber
neben dem Legislativrat. Auch das halte ich für einen
großen Erfolg.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Schließlich bleiben die Mitwirkungsrechte der Länder
im Ministerrat, die wir im Vertrag von Maastricht erst-
mals verankert haben, erhalten.

Meine Damen und Herren, nun verhehle ich nicht,
dass ich mit einigen wesentlichen Ergebnissen nicht zu-
frieden bin. Teilweise können sie noch geändert werden,
nämlich dann, wenn sie Teil III betreffen, über den im
Juli in drei Sitzungen beraten wird. Sie könnten auch in
der Regierungskonferenz geändert werden, falls das Pa-
ket wieder aufgeschnürt wird. Aber wie gesagt: Das soll-
ten wir uns überlegen. Gleichzeitig sollten wir bereit
sein, unsere Änderungswünsche zu allen Teilen der
Verfassung einzubringen, wenn andere das Paket wieder
aufschnüren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Die Aufnahme des Gottesbezugs oder auch nur eine irekte Erwähnung des Christentums als eine der wichigsten Wurzeln Europas in die Verfassung konnte nicht rreicht werden. Erfreulicherweise wurde der Schutz der Kinder auf enommen. Er hängt aber im luftleeren Raum; denn der chutz der Kinder wurde ohne jeden Bezug zur Familie der zur Ehe verankert. Ein ganz zentraler Punkt ist das Ausländerund Asyl echt. Wir wollen eine europäische Einwanderungsolitik, welche das Maß der Einwanderung und des Zuangs zum nationalen Arbeitsmarkt in der Hand der itgliedstaaten belässt. ier verlassen wir uns auch auf das entsprechende Wort es Herrn Bundeskanzlers in Thessaloniki, das ich mit esonderer Aufmerksamkeit gehört habe. (Michael Glos [CDU/CSU]: Das würde ich nie tun! – Gerhard Schröder, Bundeskanzler, zu Abg. Michael Glos [CDU/CSU] gewandt: Ihnen würde ich auch kein Wort geben!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, die Flexibilitätsklausel in
rt. 17 ist zwar nicht mehr so weit gehend wie im alten
rt. 308, aber eine Flexibilitätsklausel ist im Grunde ge-
ommen auch überflüssig, wenn man eine klare Kompe-
enzordnung hat. Die Flexibilitätsklausel ist auf jeden
all zu weit gehend formuliert.
Die in den bestehenden EU-Verträgen geltenden Zu-

tändigkeiten der Mitgliedstaaten bei der Koordinie-
ung der Wirtschaftspolitik, der Beschäftigungspolitik
nd der Sozialpolitik müssen erhalten bleiben. Die Bin-
enmarktklausel in Art. III-62 des Verfassungsent-
urfs, die noch zu beraten ist, muss aus unserer Sicht
räzisiert werden. Die Finanzierung der Europäischen
nion aus Eigenmitteln muss der Kontrolle durch alle
itgliedstaaten unterliegen. Die EU-Finanzierung muss
o ausgestaltet sein, dass finanzielle Risiken für
eutschland begrenzt bleiben. Eine EU-Steuer wäre der
alsche Ansatz.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zu all diesen, den Teil III betreffenden Punkten habe

ch zahlreiche konkrete Änderungsanträge für die fol-
enden drei Sitzungen gestellt. Gestern las ich in einer
pa-Meldung, dass der SPD-Europapolitiker Michael
oth Außenminister Fischer kritisiere, weil dieser für
ie abschließende Beratung im Konvent 57 Änderungs-
nträge gestellt habe.


(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Majestätsbeleidigung!)


ch frage mich, warum das zu kritisieren ist. Teil III der
erfassung wurde bisher nicht nur im Konvent nicht be-
aten. Er wurde uns überhaupt erst vor zehn Tagen vor-
elegt. Er ist noch nicht einmal im Präsidium des Kon-
ents beraten worden. Es ist deshalb logisch, dass wir
nderungswünsche beim Teil III haben und dass wir uns






(A) )



(B) )


Ministerpräsident Erwin Teufel (Baden-Württemberg)

alle bis zur letzten Minute dafür einsetzen, unsere Wün-
sche tatsächlich durchzusetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Abschließend möchte ich sagen: Wir haben viel er-

reicht und wir wollen noch einiges erreichen. Europa
muss eine gute und bürgernahe Verfassung bekommen.
Europa muss in eine gute Verfassung kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505301100


Ich erteile dem Kollegen Günter Gloser, SPD-Frak-
tion, das Wort.


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1505301200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! „Idee Europa. Entwürfe zum Ewigen Frieden“,
so lautet der Titel einer Ausstellung im Historischen
Museum. Wer den ersten Teil dieser Ausstellung be-
trachtet, ist auf der einen Seite von den vielen Missionen
beeindruckt, die in den letzten Jahrhunderten für dieses
Europa entwickelt worden sind. Auf der anderen Seite
aber sieht er, welche Realitäten in diesen Jahrhunderten
geherrscht haben: Angriffskriege, Kriege, mit denen
Vereinigungen herbeigeführt werden sollten, Erbfolge-
kriege und viele mehr. Kurzum: Kriege, Konflikte,
menschliches Leid und viele tote Menschen.

Der zweite Teil zeigt auf, wie sich Europa heute ent-
wickelt. Das ist die Verbindung zur aktuellen Debatte im
Deutschen Bundestag. Für die SPD kann ich – auch in
Anlehnung an diese Ausstellung – sagen: Wir sind dabei,
vom Europa der Utopien zum Europa der Nationen zu
gelangen. Mehr noch: Wir wollen vom Europa der
Nationen zum Europa der Völker und der Bürger ge-
langen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auf diesem Weg – dieser Weg ist nicht immer einfach
gewesen – haben wir Erfolge zu verzeichnen. Diese
wichtigen Erfolge sind für Europa und die Zukunft unse-
res Kontinents von ausschlaggebender Bedeutung: die
Erweiterung der Europäischen Union und die Vertie-
fung des europäischen Integrationsprozesses. Beide
große Themen sind zwei Seiten einer Medaille, die sich
nur zusammen zu einem Ganzen fügen. Das Erreichte
beruht auf dem Willen, die europäische Teilung endgül-
tig zu überwinden, und auf der Einsicht, dass keiner der
Nationalstaaten fähig sein wird, die Herausforderungen
des 21. Jahrhunderts im Alleingang zu meistern. Des-
halb ist es gut und richtig, heute beide Themen in dieser
Europadebatte zusammenzuführen.

Die fortschreitende Einigung Europas, die Erweite-
rung der EU um zunächst zehn neue Mitglieder, die
Schaffung des weltgrößten Binnenmarkts und die ge-
wachsene internationale Verantwortung stellen uns vor
neue Aufgaben, von deren Bewältigung es abhängen

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(C (D ird, ob wir uns als Europäer im 21. Jahrhundert beaupten werden. Der Bundestag – so meine ich – setzt mit der Einlei ung der Ratifizierung der Beitrittsverträge wenige Wohen nach dem Treffen in Athen ein wichtiges Signal. ie SPD-Bundestagsfraktion und auch die SPD-geführte undesregierung haben von Anfang an, seit 1998, das rojekt der Erweiterung immer wieder vorangebracht; it den großen und mit den kleinen Ländern und entgeen mancher Kritik aus der Opposition. (Lachen der Abg. Sabine LeutheusserSchnarrenberger [FDP])


ir haben uns diesem Projekt verschrieben. Wir haben
ns dafür eingesetzt und trotz vieler Einwendungen
Außenminister Fischer hat das vorhin gesagt – über so
enannte Zeitpläne unser Ziel erreicht. Wir werden im
ächsten Jahr in einer feierlichen Zeremonie das Doku-
ent über den Beitritt zehn weiterer Länder unterzeich-
en.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die entsprechende Bewertung des Verfassungskon-
ents durch uns ist ein wichtiges Signal für die Debatten
n den Parlamenten der Nachbarländer. Bei der Beurtei-
ung des Verfassungsentwurfs kann nicht das im Vorder-
rund stehen, was vielleicht wünschenswert, aber nicht
rreichbar war. Im Vordergrund der Bewertung muss
ielmehr stehen, was erreicht worden ist; und das ist
icht wenig.
Wer vor vielen Monaten darüber philosophiert hat,
ie der Konvent ausgehen wird, muss heute zugeben,
ass sich die Unkenrufe nicht bewahrheitet haben. In der
at – Herr Ministerpräsident Teufel, Sie haben das ge-
ade auch bestätigt – hat der Konvent gute Arbeit geleis-
et.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

er hoch gelobte Verfassungsentwurf ist nach meiner
berzeugung geeignet, eine gemeinsame Politik in ei-
em erweiterten Europa zu gestalten, die sich durch
ehr Demokratie, mehr Bürgernähe und Transparenz
owie größere Handlungsfähigkeit auszeichnet. Der er-
eichte Konsens stellt einen ausgewogenen Kompromiss
ar und ist eine gute Grundlage für die europäische Ver-
assung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Viele von uns können sich andere, weiter gehende, in-
egrationsfreundlichere Regelungen vorstellen. Aber es
eht nicht einfach darum, all unsere Positionen, die wir
n Deutschland formuliert haben, durchzusetzen. Es geht
arum, auf der europäischen Ebene mit Ländern, die an-
ere Verfassungstraditionen haben, eine gemeinsame
osition zu finden. Deshalb bin ich froh darüber, dass
uch die Opposition und vor allem die Union wieder zu
inem vernünftigen Weg zurückgefunden hat. Denn vor
enigen Wochen war im „Kölner Stadtanzeiger“ zu le-
en, dass der Landesgruppenchef der CSU gesagt hat






(A) )



(B) )


Günter Gloser
– wenn es richtig zitiert ist –, dass die CSU im Grunde
keine Verfassung Europas wolle. Aber, wie so häufig,
wird Michael Glos einige Tage später von der Wirklich-
keit eingeholt;


(Michael Glos [CDU/CSU]: Ach ja?)

denn es heißt in einem Positionspapier von CDU und
CSU:

Der vorliegende Entwurf ist ein wichtiger Fort-
schritt für die Weiterentwicklung der europäischen
Integration und für eine bessere Wahrnehmung der
berechtigten Interessen von Bund, Ländern und Ge-
meinden.

Wie wahr! So schnell können sich die Zeiten ändern,
Herr Glos.


(Beifall bei der SPD – Michael Glos [CDU/ CSU]: Wo ist der Widerspruch? Erklären Sie das einmal!)


Wir sollten sorgfältiger mit dem Konventsergebnis
umgehen. Herr Ministerpräsident Teufel, es gibt sicher-
lich große Übereinstimmung über das, was Sie vorhin
gesagt haben. Sie haben jedoch vorhin gesagt, was die
EU-Kommission so alles macht, ohne dabei zu erwäh-
nen, dass viele Dinge auf nationale Initiative zurückzu-
führen sind, die letztendlich von der Europäischen Kom-
mission nur umgesetzt worden sind.

Sie haben beispielsweise den leidigen Bankenstreit
angesprochen. Sie wissen genauso gut wie ich, wie der
entstanden ist. Der ist nicht auf Initiative der EU-Kom-
mission, sondern durch die Klage des Verbandes der
deutschen Privatbanken entstanden. Deshalb sollte man
klar zwischen berechtigter Kritik an der Europäischen
Kommission und ebensolcher an nationalen Institutionen
unterscheiden.

Der vereinbarte Fahrplan, so wie ihn Außenminis-
ter Fischer vorhin dargestellt hat, entspricht unseren
Hoffnungen, aber auch unseren Erwartungen. Wichtig ist
aus meiner Sicht, dass die Regierungskonferenz auf der
Ebene der Staats- und Regierungschefs und der Außen-
minister stattfindet. Ich sehe darin einen Garanten dafür,
dass das im Konvent erzielte Konsenspaket nicht wieder
aufgeschnürt wird.

Es ist das Schöne an diesem freiheitlichen Europa,
dass ein frei gewählter Abgeordneter auch einmal etwas
Kritisches anmerken kann, auch wenn der Außenminis-
ter vielleicht eine andere Position dazu hat. Wir haben
uns schließlich dafür eingesetzt, dies in Europa zu errei-
chen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDISSES 90/DIE GRÜNEN – Peter Hintze [CDU/CSU]: Das müsst ihr eurem Kanzler erzählen!)


Vor dem Hintergrund der anstehenden Erweiterung ist
es zwar eine Selbstverständlichkeit, aber ich möchte es
trotzdem noch ausdrücklich würdigen, dass die zehn
Beitrittsländer von Anfang an gleichberechtigt an der
Regierungskonferenz teilnehmen und dass die übrigen
Beitrittsländer einen Beobachterstatus erhalten. Auch

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(C (D enn die Union Kritik daran übt, ist es dennoch wichtig, ass die Türkei diesen Beobachterstatus hat. (Michael Glos [CDU/CSU]: Jetzt haben Sie endlich die Katze aus dem Sack gelassen!)


Die Konventmethode hat sich bewährt. Zum zweiten
al hat ein Konvent getagt. Seine Arbeit – besser ge-
agt: seine Methode – wird sicherlich in naher Zukunft
onseiten der Wissenschaft bewertet werden, die wohl
uch die eine oder andere Kritik vorbringen wird. Aber
ei aller Kritik war es wichtig und richtig, nach dem Eu-
opäischen Rat in Nizza den Weg der herkömmlichen
egierungskonferenzen zu verlassen. Wir freuen uns
uch darüber, dass die Konventmethode immer nach
em Motto „Mehr Demokratie und mehr Parlament wa-
en“ von der Bundesregierung unterstützt wurde. Heute
önnen wir alle feststellen: Es hat sich gelohnt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Akteure, die unser Parlament vertreten haben,
ind bereits erwähnt worden. Ich möchte auch vonseiten
er SPD Professor Jürgen Meyer, der nach dem Konvent
ur Erarbeitung der Europäischen Grundrechte-Charta
chon den zweiten Konvent mit bestritten hat, für seine
rbeit danken. Es gab aber auch – das soll nicht uner-
ähnt bleiben – in der Frage der Ausarbeitung der euro-
äischen Verfassung eine gute Zusammenarbeit zwi-
chen allen Fraktionen im Parlament. Deshalb gilt mein
usdrücklicher Dank Peter Altmaier für die konstruktive
usammenarbeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Der Europäische Rat von Thessaloniki hat in vielen
ereichen – bei der Einwanderung, in Grenz- und Asyl-
ragen, aber auch in der Wirtschafts- und Beschäfti-
ungspolitik – zahlreiche positive Ergebnisse erzielt.
iese sind ein Indikator dafür, dass sich allgemein die
insicht durchsetzt, dass Politik gerade auch in diesen
ereichen nur im gesamteuropäischen Kontext möglich
st.
Wir wissen, dass Europa gestaltungsfähiger Akteur
erden muss, der mehr kann, als nur seine wirtschaftli-
hen Interessen zu vertreten. Gleichzeitig ist aber das zu-
ammenwachsende Europa verpflichtet, angesichts der
efahren des internationalen Terrorismus und der inter-
ationalen Kriminalität nicht nur seinen eigenen Bürgern
as höchstmögliche Maß an Sicherheit zu gewähren.
eshalb muss die EU bereit sein, einen Teil der Verant-
ortung für die globale Sicherheit zu tragen. Europa
uss den ökonomischen, politischen, aber auch ideolo-
ischen Gefahren politisch begegnen. Die Entwicklung
iner neuen europäischen Sicherheitsstrategie ent-
pricht diesen Notwendigkeiten.
Der jetzt gebilligte Entwurf legt eine detaillierte Be-

rohungsanalyse vor und definiert die strategischen Ziele
er Europäischen Union. Er kommt zu dem Ergebnis,
ass keine der neuen Bedrohungen rein militärischer Na-
ur ist und deshalb auch nicht rein militärisch bekämpft






(A) )



(B) )


Günter Gloser
werden kann. Dieser umfassende Sicherheitsbegriff ent-
spricht unserem Anliegen. Unsere Vorstellungen decken
sich auch mit den strategischen Zielen der Europäischen
Union. Diese sind auf die Ausdehnung des Sicherheits-
gürtels in und um Europa, auf die Stärkung der Weltord-
nung und die Verrechtlichung der internationalen Bezie-
hungen ausgerichtet.

Die Schaffung der Beitrittsperspektive für die West-
balkanstaaten hat die Befriedung der Region zweifellos
gefördert. Der von der Europäischen Union in Gang ge-
setzte Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess hat die
Rahmenbedingungen für Stabilität und Sicherheit auf
dem Balkan geschaffen.

Der Westbalkangipfel vom 21. Juni 2003 hat konse-
quenterweise die Beitrittsperspektive für diese Staaten
bekräftigt und die materiellen Voraussetzungen für die
Heranführung an die EU verbessert. Dies ist ein wichti-
ges politisches Signal. Die Balkanländer haben es nun in
der Hand, das Tempo der Annäherung an die Europäi-
sche Union selbst zu bestimmen.

Die EU pflegt seit geraumer Zeit enge, auf Zusam-
menarbeit ausgerichtete Beziehungen im Rahmen des
Barcelonaprozesses. Ich denke, das ist gerade in diesen
Tagen von Bedeutung, in denen eine Parlamentarierdele-
gation aus Marokko im Deutschen Bundestag zu Gast
ist. Ich glaube aber, dass wir es nicht allein bei dieser
Strategie belassen können. Auch hier müssen wir – dazu
hat die Kommission auch Vorschläge unter-breitet – völ-
lig neue Wege beschreiten, die zwar nicht zur Aufnahme
dieser Länder in die Europäische Union führen sollen,
durch die aber diese Nachbarschaft entsprechend ge-
stärkt wird.

Wir haben es nun in der Hand – der Gesetzentwurf
liegt uns heute zur ersten Beratung vor –, den Ratifizie-
rungsprozess maximal zu beschleunigen und als Deut-
scher Bundestag dazu beizutragen, dass der Europäi-
schen Union zum 1. Mai 2004 zehn neue Mitglieder
beitreten können.

Damit sprechen wir auch unsere Anerkennung für die
erheblichen Transformationsprozesse in den zehn Bei-
trittsländern aus. Die Regierungen, aber auch die Bürge-
rinnen und Bürger dieser Länder haben enorme Anstren-
gungen unternommen. Die positiven Ergebnisse der
bisherigen Volksabstimmungen in den Beitrittsländern
sollten uns ein zusätzlicher Ansporn sein, den Beitritts-
vertrag noch vor der Sommerpause zu ratifizieren.

Europas Aufgabe liegt nicht mehr darin und wird
nie wieder darin liegen, die Welt zu beherrschen, in
ihr mit Gewalt seine Vorstellung von Wohlstand
und Gut zu verbreiten oder ihr seine Kultur aufzu-
zwingen, nicht einmal darin, sie zu belehren.

So schreibt Vaclav Havel 1996. Er fährt fort:
Die einzige sinnvolle Aufgabe für das Europa des
nächsten Jahrtausends besteht darin, sein bestes
Selbst zu sein, das heißt, seine besten geistigen Tra-
ditionen ins Leben zurückzurufen und dadurch auf
eine schöpferische Weise eine neue Art des globa-
len Zusammenlebens mitzugestalten.

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(C (D ch glaube, der Gipfel unter griechischer Präsidentschaft, ie vom Konvent erarbeitete Verfassung und der bevortehende Beitritt von zehn neuen Ländern zur Europäichen Union werden dieser Aufgabe gerecht. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias Wissmann [CDU/CSU])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505301300


Ich erteile das Wort der Kollegin Sabine Leutheusser-
chnarrenberger, FDP-Fraktion.


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Rede ID: ID1505301400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Liberale Außenminister und die FDP-Bundes-
agsfraktion haben sich jahrzehntelang für die Einheit
uropas in Frieden und Freiheit eingesetzt. Wir haben
ie Osterweiterung gegen heftige Kritik auch aus diesem
aus immer vorangetrieben und immer auf feste Ter-
ine gedrängt. Heute ist die erste Lesung zur Ratifizie-
ung des Beitrittsvertrages. Gerade das ist auch ein Er-
olg liberaler Politik der letzten Jahrzehnte in der
undesrepublik Deutschland.


(Beifall bei der FDP)

Wir wollten als Liberale immer mehr Europa in den-
nigen Bereichen, in denen die Nationalstaaten nicht
ehr in der Lage sind, die globalen und internationalen
erausforderungen wirklich anzunehmen und ihnen zu
egegnen. Das sind die Bereiche der Außen-, der Sicher-
eits- und der Verteidigungspolitik. Aber natürlich spie-
en auch Fragen der inneren Sicherheit, der Innenjustiz
nd der Rechtspolitik eine große Rolle.
Für die FDP-Bundestagsfraktion ist der jetzt vorlie-

ende Entwurf einer europäischen Verfassung ein ent-
cheidender Schritt für das Zusammenwachsen Europas.
ieser Entwurf bietet die bislang grundlegendste Ant-
ort der Europäischen Union auf die großen Herausfor-
erungen Erweiterung, Demokratisierung und die drin-
end notwendige Bürgernähe. Nur mit den jetzt in einer
erfassung festgelegten rechtsstaatlichen und demokra-
ischen Strukturen und Kompetenzverteilungen kann die
uropäische Union mit 25 – und auch mit mehr – Mit-
liedstaaten handlungsfähig sein. Nur dann, wenn wir
ine wirklich gute Verfassung bekommen, ist ein Gelin-
en der Osterweiterung möglich, die wir alle, glaube ich,
zwischen wollen.


(Beifall bei der FDP)

enscher hat Recht: Thessaloniki wird in die Geschichte
er Europäischen Union als ein wichtiges Datum einge-
en.
Natürlich gibt es auch berechtigte Kritik. Das muss

ein. Auch der FDP-Bundestagsfraktion geht der Verfas-
ungsentwurf in einigen wesentlichen Punkten nicht weit
enug. Aber es darf jetzt nicht aus taktischen oder innen-
olitischen Motiven versucht werden, den vorliegenden
ompromiss von über 200 Konventmitgliedern, ordent-






(A) )



(B) )


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
lichen und stellvertretenden, aus 25 Staaten kleinzure-
den. Im Gegenteil: Es sollte in den Beratungen über den
dritten Teil der Verfassung das hervorgehoben werden,
was gelungen ist, und es sollten Chancen zur Verbesse-
rung dort genutzt werden, wo es noch möglich ist; denn
bei diesen Beratungen wird nicht nur über technische
Fragen verhandelt werden.

Die Vorlage eines im Konsens gefundenen Verfas-
sungsentwurfs ohne Optionen ist für die Regierungskon-
ferenz Verpflichtung, die ersten beiden Teile nicht gene-
rell wieder aufzuschnüren; denn dann kommt im
Zweifelsfall weniger an Demokratie, Transparenz und
Effizienz für Europa heraus, als wir wollen. Dann kann
auch das Gelingen der Osterweiterung wieder gefährdet
sein.


(Beifall bei der FDP)

Wir wollen, dass gerade die Grundrechte-Charta so

schnell wie möglich Wirkung für die Bürgerinnen und
Bürger entfaltet; denn sie stellt eine Wertebasis dar, auf
der Identität und Identifikation mit der Europäischen
Union von unten her, von den Bürgern, entwickelt und
verbessert werden können.

Für uns hat immer im Mittelpunkt gestanden, die De-
mokratiedefizite in der Europäischen Union – sie sind
unstreitig vorhanden – zu beseitigen. Das kann natürlich
nur in einem gewissen Umfang, aber nicht vollkommen
gelingen. Das Europäische Parlament soll gestärkt
werden und in Gesetzgebungsverfahren – sie sollen ein-
facher werden – endlich das Recht der vollen Mitent-
scheidung erhalten. Das wäre für uns ein großer Erfolg.
Wir waren schon immer der festen Überzeugung, dass
der Präsident der Europäischen Kommission vom Euro-
päischen Parlament gewählt werden muss, damit er eine
größere Legitimation, aber auch eine größere Verantwor-
tung und Verpflichtung gegenüber dem Europäischen
Parlament erhält. Entsprechende Schritte werden jetzt
gemacht. Wir begrüßen die Verbesserungen gerade im
Bereich der Demokratisierung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Ministerpräsident Teufel, Sie haben durch die
ausführliche Bewertung der im derzeitigen Entwurf ent-
haltenen Kompetenzordnung verdeutlicht, dass die Eu-
ropäische Union durch seine Umsetzung transparenter
werden wird. Wir unterstützen das, was Sie durch Ihren
Einsatz in den Verhandlungen erreicht haben. Wir, die
Liberalen, wissen, dass es in Ihrer „Familie“ eben nicht
so leicht ist, dies durchzusetzen, weil immer äußerst kri-
tische, sehr einseitige Töne – gerade aus dem Freistaat
Bayern von Ministerpräsident Stoiber – kommen. Das
hat Ihnen Ihr Geschäft nicht erleichtert. Wir begrüßen,
dass diese Kompetenzordnung jetzt deutlich klarer und
verständlicher ist. Im politischen Geschäft in Europa
wird man nämlich merken, dass gerade Ziele nicht mehr
kompetenzbegründend sind. Man wird in Zukunft ganz
besonders merken, dass das Subsidiaritätsprinzip nicht
nur auf dem Papier steht, sondern auch wirklich besser
eingefordert und durchgesetzt werden kann.

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(C (D (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Peter Hintze [CDU/CSU])


Wir von der FDP-Fraktion haben immer gesagt: Der
undestag muss diesbezüglich – auch durch ein Klage-
echt – die Kontrolle haben, aber auch – entsprechend un-
erer internen Verfassungsordnung – der Bundesrat und
amit die Bundesländer. Wir kritisieren, dass in diesem
usammenhang die Landtage nach wie vor keine Rolle
pielen; aber wir werden durch eine Debatte über eine eu-
opäische Verfassung nicht auch noch die Verfassungs-
rdnung in Deutschland verbessern und ändern können.
In einer erweiterten Europäischen Union ist es drin-

end notwendig, Mehrheitsentscheidungen zuzulassen,
m mehr Effizienz zu erreichen. In diesem Bereich geht
ns der Verfassungsentwurf eindeutig nicht weit genug.
erade auf dem Gebiet der Außen-, Sicherheits- und
erteidigungspolitik sehen wir die große Gefahr, dass
nitiativen durch einen europäischen Außenminister
war eingebracht werden können, aber dass es letztend-
ich sehr schwer sein wird, hier zu einem stärkeren ge-
einsamen Handeln Europas zu kommen. Wir wün-
chen uns natürlich, dass bei den noch anstehenden
erhandlungen zum dritten Teil der Verfassung diesbe-
üglich Verbesserungen erreicht werden. Wir wollen na-
ürlich nicht das ganze Paket aufschnüren; aber wir wol-
en die Weichen richtig stellen, damit wir uns 2006 nicht
leich mit der ersten Verfassungsänderung befassen
üssen; denn das könnten wir den Bürgerinnen und Bür-
ern nicht vermitteln.
Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern diese euro-

äische Verfassung nahe bringen. Deshalb haben wir
eute einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Volks-
bstimmung über die europäische Verfassung einge-
racht. Ich glaube, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an
em wir uns nicht mehr damit herausreden können, dass
er Bürger nicht mündig genug sei, dass dies nicht gehe,
eil es das Grundgesetz nicht vorsehe. Wir wollen in un-
erer Verfassung die Voraussetzungen dafür schaffen,
ass die Bürgerinnen und Bürger – begrenzt auf diesen
omplex – beteiligt werden.


(Beifall bei der FDP)

Wir beklagen doch, dass es zu wenig europäische Öf-

entlichkeit und zu wenig Kenntnis über die europäi-
chen Grundlagen gibt. Umso mehr müssen wir diesen
rozess, der jetzt, nach dem Vorliegen einer endgültigen
nd umfassenden europäischen Verfassung, beginnt,
urch eine Einbeziehung der Bürger stärken.
Deshalb fordere ich alle auf, diesen Gesetzentwurf zu

nterstützen. Ich kann eigentlich nicht sehen, dass SPD
nd Grüne etwas dagegen haben könnten; denn sie ha-
en in der Legislaturperiode viel weiter gehende Anträge
orgelegt. Ich freue mich darüber, dass es doch viele
timmen gerade aus dem Süden gegeben hat, unter an-
erem von Ministerpräsident Stoiber, die Bürger zu be-
ragen, und zwar richtig zu befragen und nicht nur eine
onsultative Meinungsbildung herbeizuführen, die letzt-
ich nicht verbindlich ist. Wir haben keine Angst vor der
einung der Bürgerinnen und Bürger.


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Zweifellos sind wir mit dem Verfassungsentwurf je-
ner Vorhersage und Vision George Washingtons, des
Gründungspräsidenten der Vereinigten Staaten von
Amerika, ein gutes Stück näher gekommen. Es war die-
ser große amerikanische Präsident, der vor weit mehr als
200 Jahren an seinen Freund und Mitstreiter für die ame-
rikanische Unabhängigkeit, den französischen Marquis
de Lafayette, die tröstlichen Worte schrieb – ich
zitiere –:

Eines Tages werden sich nach dem Modell der Ver-
einigten Staaten von Amerika die Vereinigten Staa-
ten von Europa bilden... (und) der Gesetzgeber aller
Nationalitäten sein.

Ich würde mir wünschen, der derzeitige Präsident der
Vereinigten Staaten würde sich dieser Worte erinnern,
sie ständig präsent haben und den Prozess der europäi-
schen Einigung unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505301500


Ich erteile der Kollegin Anna Lührmann, Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen, das Wort.


Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505301600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! „Freude, schöner Götterfunken“ heißt es in
der „Ode an die Freude“, unserer Europahymne. Als
Friedrich Schiller diese Zeilen 1786 schrieb, hat er wohl
kaum daran gedacht, dass sich Europa einst eine Verfas-
sung geben würde. Trotzdem passen diese Worte exzel-
lent auf das, was hier heute zur Debatte steht: die erste
europäische Verfassung.

Die Verfassung ist ein Meilenstein in der Geschichte
der europäischen Integration. Es gibt Skeptiker, die
vom Konvent enttäuscht sind, weil sie den Konvent an
der amerikanischen verfassunggebenden Versammlung
von Philadelphia messen. Solche Vergleiche, glaube ich,
helfen uns hier jedoch nicht weiter, weil die Europäische
Union eine andere Qualität als die Vereinigten Staaten
von Amerika hat. Auf die Europäische Union trifft eher
das Sprichwort zu, dass auch Rom nicht an einem Tag
erbaut wurde. Es ist eben ein Wesensmerkmal der Euro-
päischen Union, dass sie sich schrittweise entwickelt:
von der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl
über die Zollunion zum Binnenmarkt und zur Währungs-
union. Jetzt haben wir die europäische Verfassung, die
sich auch in Zukunft sicherlich immer weiter entwickeln
wird.

Das Gleiche kann man auch in der Gemeinsamen Au-
ßen- und Sicherheitspolitik beobachten, die sich mithilfe
des europäischen Außenministers – so hoffen wir doch
alle – immer weiter integrieren wird. Wir sind also noch
lange nicht am Ende der Integration in Europa angekom-
men. Das finde ich auch nicht schlimm. Die Diskussio-
nen über die Finalität der Europäischen Union halte ich

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(C (D hnehin für nicht wirklich zielführend. Sie sind deshalb icht zielführend, weil wir der jungen Generation und en künftigen Generationen nicht vorschreiben dürfen, ie sie Europa eines Tages gestalten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Insgesamt war es die Aufgabe des Europäischen Kon-
ents, dafür zu sorgen, dass die Europäische Union end-
ich auch den grundlegenden Prinzipien entspricht, die in
en vergangenen mehr als 2 000 Jahren in Europa entwi-
kelt wurden, nämlich Demokratie, Gewaltenteilung und
chtung der Menschen- und Bürgerrechte. Mit der Ver-
assung nähern wir uns diesem Ziel des Europas der Bür-
erinnen und Bürger mit einem großen Schritt an. End-
ich ist Europa in guter Verfassung.
Die Konventmethode haben meine Vorredner und

orrednerinnen schon zu Recht gewürdigt. Zum ersten
al hatten alle Menschen in Europa die Möglichkeit,
ine Verfassungsdiskussion zu verfolgen und sich aktiv
n ihr zu beteiligen. Noch nie wurde die Europäische
nion in einer so transparenten Art und Weise refor-
iert. Aber nicht nur das Wie, sondern gerade auch das
as der Reform ist ein großer Schritt für das Europa der
ürgerinnen und Bürger und der Staaten. Die Stärkung
es Europäischen Parlaments ist der zentrale Punkt.
ie Wahl des Kommissionspräsidenten oder der Kom-
issionspräsidentin und die Ausweitung der Mitent-
cheidungsrechte des Europäischen Parlaments sind
ierbei die wichtigen Punkte. Endlich legt die Verfas-
ung ein Gesetzgebungsverfahren als Regelfall fest, bei
em Parlament und Rat gleichberechtigt entscheiden
önnen. Leider gibt es von dieser Regel auch noch ei-
ige Ausnahmen. Trotzdem kann das Europäische Parla-
ent, wie ich denke, als der große Gewinner der neuen
erfassung angesehen werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Peter Altmaier [CDU/CSU])


Eine weitere positive Neuerung in der europäischen
erfassung, die Europa seinen Bürgerinnen und Bürgern
äher bringen wird, ist die Einführung des Unions-
ürgerbegehrens. So können 1 Million Bürgerinnen
nd Bürger bei einem ihnen wichtigen Anliegen die
ommission zum Handeln auffordern. Das ist ein sehr
uter Schritt hin zu mehr direkter Demokratie, die Sie,
iebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, auch
ndlich hier in Deutschland zulassen sollten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Apropos direkte Demokratie: Damit die Verfassung
ie größtmögliche Legitimation erhält, würden wir es
ns wünschen, dass die Bürgerinnen und Bürger sie in
inem Referendum annehmen können.


(Jörg van Essen [FDP]: Also Zustimmung zum FDP-Vorschlag!)


ekanntermaßen fehlen dazu in Deutschland noch die Vo-
aussetzungen im Grundgesetz. Die rot-grüne Koalition
at ja schon in der letzten Legislaturperiode in diesem






(A) )



(B) )


Anna Lührmann
Hause den Antrag eingebracht, direkte Demokratie im
Grundgesetz zu verankern. Ich denke, Frau Leutheusser-
Schnarrenberger, wir dürfen direkte Demokratie nicht
nur auf diesen einen Punkt beschränken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Dann kriegen wir gar nichts!)


Wir als rot-grüne Koalition wollen immer noch
Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid im
Grundgesetz verankern. Dazu gehört auch die Möglich-
keit, ein Referendum über die europäische Verfas-
sung zu veranstalten. Sie können davon ausgehen, dass
entsprechende Anträge auch noch kommen werden.


(Jörg van Essen [FDP]: Rechtzeitig?)

– Natürlich rechtzeitig, wir haben ja noch ein bisschen
Zeit. – Wir befürchten jedoch leider abermals die Blo-
ckade der CDU/CSU. Deshalb wollen wir das sorgfältig
vorbereiten. Ich appelliere nochmals an Sie, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen von der Union: Finden Sie den
Mut, den Bürgerinnen und Bürgern mehr Einfluss zu ge-
ben. Lassen Sie uns die Demokratie in Deutschland und
in Europa auf eine breitere Grundlage stellen! Ich würde
mich freuen, wenn Sie sich in dieser Frage bewegen
würden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mehr Europa für die Bürgerinnen und Bürger, das
heißt auch, dass die Konstruktion der Europäischen
Union endlich transparenter werden muss.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das wollen Sie doch selber nicht!)


Nur wenige Spezialisten haben bislang verstanden, was
es mit den verschiedenen Verträgen und den drei Säulen
auf sich hat. Jetzt haben wir eine Verfassung aus einem
Guss, die mit diesem Chaos aufräumt. Allerdings gibt es
noch immer Sonderbestimmungen für die Justiz- und In-
nenpolitik sowie im Bereich der Außen- und Sicherheits-
politik, sodass die Säulen immer noch nicht ganz ver-
schwunden sind.

Dazu kommt noch der Euratom-Vertrag, den ich hier
einmal als Leftover des verfassungsgebenden Prozesses
bezeichnen möchte. Dieses Fossil bleibt nach wie vor
neben der Verfassung bestehen und widerspricht so dem
Ziel einer einheitlichen Verfassung für Europa. In Anbe-
tracht der Tatsache, dass die große Mehrheit der aktuel-
len und der zukünftigen EU-Mitgliedstaaten entweder
noch nie Atomkraftwerke hatte, wie Deutschland aus der
Atomenergie ausgestiegen ist oder zumindest beschlossen
hat, keine neuen Atomkraftwerke zu bauen, ist Euratom
nicht mehr zeitgemäß.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deshalb sollte dieser Vertrag baldmöglichst nach dem
Konvent abgewickelt werden.

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(C (D Im Gegensatz zum Euratom-Vertrag hat die neue euopäische Transparenz vor dem Rat nicht Halt gemacht. ie Verfassung legt fest, dass der Rat bei der Gesetzgeung künftig öffentlich tagt. Auch die neu eingeführte oppelte Mehrheit ist ein großer Schritt, um die Arbeit es Rates für die Bürgerinnen und Bürger verständlicher u machen. Leider wurde die Möglichkeit zur Bechlussfassung mit qualifizierter Mehrheit nicht auf alle ereiche ausgedehnt; ausgenommen bleiben Teile der ußenund Sicherheitspolitik sowie Teile der Justiznd Innenpolitik. Festhalten möchte ich: Trotz mancher Mängel ist die uropäische Verfassung das beste Fundament, auf dem as europäische Haus je gestanden hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


ie Regierungskonferenz ist deshalb gut beraten, den
erfassungsentwurf nicht wieder ganz neu aufzumachen
nd sich schon beim Europäischen Rat in Rom im De-
ember politisch zu einigen. Ich finde es jedoch gut, dass
ie Verfassung erst nach dem Beitritt der neuen Mit-
liedstaaten unterzeichnet werden soll.
ie Schlussfolgerungen des Europäischen Rats von
hessaloniki legen fest, dass dies „so bald wie möglich
ach dem 1. Mai 2004“ geschehen soll. Dafür mache ich
hnen, Herr Außenminister, jetzt einen konkreten Ter-
invorschlag: den 9. Mai.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Schauen Sie ein bisschen freundlicher, Herr Minister!)


Es gibt keinen besseren Tag als den 9. Mai, denn an
iesem Tag hat Robert Schuman 1950 seinen Plan zur
ründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle
nd Stahl vorgestellt. An diesem denkwürdigen 9. Mai
at die europäische Integration begonnen. Deshalb ha-
en die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel-
reffen 1985 in Mailand beschlossen, dass der 9. Mai zu-
ünftig „Europatag“ heißen soll. Welches Datum wäre
lso angemessener für die Unterzeichnung der europäi-
chen Verfassung als der 9. Mai? Dann werden wir den
. Mai nicht nur als den Tag feiern, an dem die Grund-
age für mehr als 50 Jahre Frieden und Wohlstand zu-
indest im westlichen Teil Europas gelegt wurde, son-
ern wir werden den 9. Mai auch als den Tag feiern, an
em sich das neue, größere Europa eine Verfassung ge-
eben hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin mir sicher, dass zu einem solchen Feiertag

uch Herr Minister Clement nicht Nein sagen wird.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505301700


Ich erteile das Wort Kollegen Peter Hintze, CDU/
SU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1505301800

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Der Bundeswirtschaftsminister scheint von der
Idee, die Frau Kollegin Lührmann hier angesprochen
hat, ganz angetan zu sein;


(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie unterstützen das auch!)


er kann ja dann Festredner für diesen neuen Feiertag
werden. Die Opposition wird diesen Vorschlag kritisch
würdigen, liebe Frau Kollegin.

Meine Damen und Herren, es war ein Akt der politi-
schen Klugheit, dass wir die neue Verfassung für Europa
mehrheitlich in die Hände von Parlamentariern gelegt
haben, und es ist eine beachtliche Leistung von Valéry
Giscard d’Estaing, dass er sich der Suche nach dem
kleinsten gemeinsamen Nenner verweigert hat, zuguns-
ten einer Regelung, die für Europa einen echten Fort-
schritt bedeutet. Wir können feststellen: Die Konvents-
arbeit war interessant und wichtig; sie hat gute
Ergebnisse gebracht. Nie war so viel Demokratie in der
Europäischen Union wie heute.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Für mich ist das ein Sieg der Demokratie über die Diplo-
matie hinter verschlossenen Türen.


(Beifall des Abg. Dr. Christoph Zöpel [SPD])

Auch wir von der CDU/CSU-Fraktion danken Jürgen

Meyer und Peter Altmaier, die den Bundestag im Kon-
vent vertreten haben.


(Beifall des Abg. Dr. Christoph Zöpel [SPD])

Ebenso richte ich ein ausdrückliches Wort des Dankes

an Erwin Teufel, der nicht nur als Ministerpräsident an
dem Verfassungsentwurf mitgewirkt und dabei die Inte-
ressen der Bundesländer wirksam vorgebracht hat, son-
dern mit seinem Parlamentarierherzen – er hat ja auch
heute gesprochen – dafür gesorgt hat, dass wir auch zu-
künftig Raum für genügend eigene Arbeit haben. Man
wird Erwin Teufel nach diesem Verfassungsprozess mit
Fug und Recht den Vater des Subsidiaritätsgrundsatzes
in der europäischen Verfassung nennen können. Dafür
meinen herzlichen Dank!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn wir heute eine Bewertung vornehmen, dann

müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass es um die
Bewertung des ersten großen Hauptwerkes, aber noch
nicht um die Abschlussbewertung geht. Diese können
und wollen wir erst vornehmen, wenn auch der dritte Teil
dieser Verfassung seinen Abschluss gefunden hat. Trotz-
dem können wir auch jetzt schon sagen, dass Beträchtli-
ches erreicht wurde, und dies unter nicht ganz einfachen
Bedingungen. Nie zuvor waren an einer Weiterentwick-
lung der Europäischen Union so viele Staaten beteiligt
wie heute: neben den 15 Mitgliedstaaten die zehn künfti-
gen Mitgliedstaaten sowie die Bewerberstaaten.

Die Tatsache, dass die Staaten Mittel- und Osteuropas
und des Mittelmeerraumes, die im nächsten Jahr dazu-

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(C (D ommen werden, an der Arbeit des Konventes bereits itwirken konnten, war ein wichtiges Signal an die euen Mitgliedstaaten: Über die gemeinsame Zukunft ollen wir auch gemeinsam entscheiden. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine solche Ver assung einen Kompromiss darstellt – Erwin Teufel hat arüber schon gesprochen –, allerdings einen Komproiss, dessen bloße Existenz für mich schon an ein kleies Wunder grenzt. Was haben wir vor Beginn des onventes nicht alles gehört! Es sei unmöglich, die diergierenden Interessen zusammenzuführen. Was haben ir in früheren Regierungskonferenzen erlebt! Man hat mmer weniger verhandelt und erst ganz zum Schluss urde dürftigst der kleinste gemeinsame Nenner vereinart. ier hat der Konvent etwas ganz anderes geliefert. Er at in einem überschaubaren Zeitraum eine Verschmelung der Verträge und eine Generalrevision mit dem Efekt von mehr Transparenz, mehr Effizienz und mehr emokratie vollbracht. Ich denke, wir können auf unsere arlamentarier im Konvent gemeinsam stolz sein. Bei der Bewertung ist für uns eine Frage wichtig: Ist er Zustand mit dieser Verfassung besser als vorher oder icht? Ich habe dazu eine klare Meinung: Wir können es ns nicht erlauben, die Zukunft der Europäischen Union it 25 Mitgliedstaaten in das Regelwerk von Nizza einusperren. Mit dem Vertrag von Nizza ist man damals indeutig zu kurz gesprungen. Es war das Scheitern eier Verhandlung, die allein auf Regierungsebene stattand. Wir müssen erkennen, dass diese Verfassung ein eutlicher Fortschritt gegenüber dem ist, was die Regieungen allein zustande gebracht haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


(Beifall im ganzen Hause)


Wir haben in diesen Debatten oft darüber diskutiert,
ass mehr für den Bürger in Europa herauskommen
uss. Das haben wir geschafft. Wir haben die Grund-
echtecharta rechtsverbindlich aufgenommen. Zum ers-
en Mal erhalten die Bürgerinnen und Bürger verbriefte
bwehrrechte bezüglich des Handelns der europäi-
chen Institutionen, die sie vor dem Europäischen Ge-
ichtshof einklagen können.
Der Kommissionspräsident muss in Zukunft vom Eu-

opäischen Parlament gewählt und entsprechend dem Er-
ebnis der Europawahl ausgewählt werden. Damit haben
ie Bürger ebenfalls zum ersten Mal mit ihrer Wahlent-
cheidung Einfluss auf die politische Spitze, die Exeku-
ive in Europa. Das ist ein weiterer Fortschritt für die
ürgerinnen und Bürger im Land.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen allerdings, Frau Leutheusser-

chnarrenberger, aufpassen, dass wir hier keine Schein-
ortschritte einbauen. Ich bin ausgesprochen skeptisch,
b es klug ist, eine Frage, die man in Wahrheit nur mit Ja
eantworten kann, zum Gegenstand einer Volksbefra-
ung zu machen. Die Länder, die das einmal versucht
aben, haben damit böseste Erfahrungen gemacht. Den-






(A) )



(B) )


Peter Hintze
ken wir an die Volksbefragung zum Vertrag von
Maastricht in Frankreich. Ich fürchte, wir machen mit ei-
nem solchen Vorschlag ein Forum für die Falschen auf.
Aber das werden wir in diesem Hause noch in Ruhe mit-
einander besprechen.


(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Andere Länder machen es auch!)


Zu einer bürgernahen Union gehört, dass jeder weiß,
wer für was zuständig ist. Es ist gelungen, eine klare
Kompetenzordnung, eine klare Normenhierarchie und
vor allen Dingen klare Kompetenzausübungsregeln auf-
zustellen. Ich denke, das ist ein Stück Arbeit, in das un-
ser Kollege Peter Altmaier besonders viel Herzblut in-
vestiert hat. Er hat sich hierüber mit den Kollegen im
Europaausschuss permanent ausgetauscht, wie das auch
unserer früherer Kollege Jürgen Meyer stets getan hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein wichti-
ger Punkt – ein Einzelpunkt, aber unerlässlich für mehr
Demokratie – ist das Konzept der qualifizierten Mehr-
heit, wie es sich nun im Vertrag findet. Nach den kom-
plizierten und – so muss man sagen – fast verkorksten
Regelungen, die in den Vertrag von Nizza Eingang ge-
funden haben, haben wir nun eine klare Regelung:
Mehrheit muss jetzt immer Mehrheit der Bürger in Eu-
ropa bedeuten. Das wird zu Transparenz und Akzeptanz
führen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, wie man in Europa
in Zukunft die gemeinsame Außenpolitik gestaltet. Ein
Fortschritt ist ohne Frage die Einführung des Amtes ei-
nes europäischen Außenministers. Das ist ein sicht-
bares Signal dafür, dass Europa in der Außenpolitik in
Zukunft mit einer Stimme sprechen möchte. Meine
Hoffnung ist, dass der künftige Inhaber dieses Amtes


(Michael Glos [CDU/CSU]: Nicht Fischer heißt!)


klug ausgewählt wird und er durch seine Person und sein
Handeln gewährleistet, dass Europa einig handelt und
man fair miteinander umgeht, dass sich Europa in einer
engen transatlantischen Partnerschaft mit unseren Freun-
den und Partnern in den Vereinigten Staaten von Ame-
rika und Kanada versteht


(Michael Glos [CDU/CSU]: Der einen anständigen Lebensweg hat!)


und dass die praktizierten Leitideen der europäischen
Außen- und Sicherheitspolitik, die über Jahrzehnte un-
sere Sicherheit und unseren Erfolg bewahrt haben, eine
kluge Fortsetzung finden. – Das wären meine Auswahl-
kriterien für dieses Amt. Es mag jeder für sich entschei-
den, welche Kriterien er zur Beurteilung diverser Kandi-
daten anlegt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Gernot Erler [SPD]: War das eine Bewerbung, Herr Kollege?)


– Der Kollege Gloser hat mich mit dem Zwischenruf
provoziert, ob das eine Bewerbung sei.


(Günter Gloser [SPD]: Jetzt bin ich wieder Schuld! – Heiterkeit bei der SPD)


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(C (D as die Bewerbung angeht, will ich sagen: Wir haben m Europaausschuss in öffentlicher Sitzung am 21. Mai on Herrn Bundesaußenminister Fischer ein sehr starkes nd absolut glaubwürdiges Dementi gehört. Er hat beont, dass er dieses Amt nicht übernehmen wolle und ass er einem entsprechenden Ruf nicht folgen werde. päter hat das Auswärtige Amt erklärt, seine Ausführunen in öffentlicher Sitzung seien scherzhaft gemeint geesen. ch muss sagen: Das ist eine interessante Aussage; denn igentlich erwarten wir vom Bundesaußenminister im uropaausschuss keine Aussagen, die zunächst ernst geeint sind und nachher als Scherz qualifiziert werden. s gibt schon einen Unterschied zwischen ernsthaften nd scherzhaften Äußerungen. Herr Bundesaußenminister Fischer, ich finde es auch nteressant, dass Sie gestern im Ausschuss kein Wort zu em folgenden Punkt gesagt haben: Unter den 57 Anträen, die Sie für die Schlussrunde des Konvents gestellt aben – viele Anträge beinhalten Wünsche diverser Resorts; darüber ist hier bereits gesprochen worden; Herr ollege Roth hat schon einen kleinen Rüffel des Buneskanzlers bekommen –, efindet sich ein Antrag zur beachtlichen Aufblähung nd zur Ausweitung des europäischen diplomatischen ienstes. Das bestärkt mich in der Vermutung, dass Sie och noch interessiert auf dieses europäische Amt chauen und dass Sie Ihre Tätigkeit im Konvent jetzt azu nutzen wollen, dieses Amt entsprechend auszugetalten. Das ist zwar nicht unzulässig. Aber unsere Bitte, err Bundesaußenminister, ist, dass Sie jetzt nicht in Erartung eines neuen Amtes die Hände in den Schoß leen und eine gewisse demonstrative Lustlosigkeit bei er Vertretung der wahren deutschen Interessen an den ag legen, sondern dass Sie die deutschen Anliegen geade in der Schlussphase der Konventsberatung – da geht s um die letzte Abgrenzung und um eine Kompetenzreelung; das sind alles Punkte, die Erwin Teufel genannt at – als wirklicher Sachwalter deutscher Interessen verreten. Das ist meine Aufforderung an Sie. Ein Wermutstropfen ist allerdings, dass es nicht ge ungen ist, in der Gemeinsamen Außenund Sicherheitsolitik zur qualifizierten Mehrheit überzugehen. Das esthalten am Einstimmigkeitsprinzip wird die künfige Gestaltung einer Außenpolitik in Europa mit 25 oder ar mehr Staaten erschweren. Ich will dazu noch einige kurze Bemerkungen machen. undesminister Fischer hat heute Morgen das Solanaapier angesprochen; es ist ein interessantes und lesensertes Papier. Ich bitte die Bundesregierung, es gründich zu lesen. Gerade dem Bundeskanzler kann ich diese ektüre nur empfehlen. Neben der großen Übereinstimung mit der amerikanischen Außenpolitik, die sich in iesem Papier findet, gibt es den wichtigen Hinweis, ass die Verteidigungsetats in Europa für diese neuen Peter Hintze Aufgaben nicht ausgelegt sind. Wenn der Bundesverteidigungsminister mitteilt, der Verteidigungsetat werde erst im Jahr 2007 erhöht, dann spricht er zum einen von einem Zeitpunkt, zu dem diese Regierung hoffentlich längst abgewählt ist, und zum anderen ist dieser Zeitpunkt deutlich zu spät für eine Erhöhung des Verteidigungsetats. Lassen Sie mich noch ein Schlusswort zur Erweiterung sagen. Wir begrüßen von ganzem Herzen die Erweiterung der Europäischen Union um die neuen Mitglieder. Es ist ein politischer, wirtschaftlicher und ein kultureller Gewinn. Wir werden das im Deutschen Bundestag durch unsere Zustimmung zur Erweiterung zum Ausdruck bringen. (Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Auch die CSU?)


(Lachen bei der CDU/CSU)


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Nein, nein!)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ganz getrennt davon ist die Frage zu betrachten, nach
welcher Vorschrift des Grundgesetzes wir diesem Bei-
tritt zustimmen sollen. Ich persönlich bin der Auffas-
sung, dass die Zustimmung mit verfassungsändernder
Zweidrittelmehrheit erfolgen sollte, damit der besonde-
ren Qualität dieser Erweiterung Rechnung getragen
wird. Diese Erweiterung führt nämlich zu einer Vergrö-
ßerung der Europäischen Union und auch zu einer
grundlegenden Gewichtsverlagerung in den Institutio-
nen, die sich unmittelbar auf das relative Stimmenge-
wicht Deutschlands auswirken. Das bedeutet nach mei-
ner Auffassung eine materielle Verfassungsänderung, die
erst mit diesem Zustimmungsgesetz rechtlich gültig wird
und die nicht bereits mit der Ratifizierung des Vertrages
von Nizza in Kraft trat.
Aus diesem Grund möchte ich zu bedenken geben, ob
wir nicht aus rechtlichen und demokratietheoretischen
Gründen gut beraten wären, die Zustimmung auf Grund-
lage des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79
Abs. 2 des Grundgesetzes zu erklären und die Eingangs-
formel des Gesetzes entsprechend zu ändern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn wir über die Erweiterung sprechen, dann müs-

sen wir uns auch darüber im Klaren sein, dass die Euro-
päische Union nicht grenzenlos erweitert werden kann.
Wir müssen diese wichtige Erweiterung durchführen
und uns Zeit geben, über einige Jahre hinweg zu evaluie-
ren, wie sie sich ausgewirkt hat. Vorfestlegungen dürfen
nicht bereits heute erfolgen.

Deswegen, Herr Bundesaußenminister, haben wir et-
was Sorge über den Entscheid des Europäischen Rates,
dass zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen
Union die Türkei, obwohl mit ihr noch keine Beitritts-
verhandlungen geführt werden, voll – wenn auch nicht
mit Stimme – an der Regierungskonferenz beteiligt wird.
Wir haben Sie im Verdacht, einen Automatismus einzu-
leiten, sodass Sie hinterher sagen: Daran konnten wir
jetzt nichts mehr ändern; die Dinge haben sich eben so
entwickelt.

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(C (D Wir wollen, dass diese Fragen klug bedacht und richig entschieden werden. Wir sind für eine europäische trategie im Verhältnis zur Türkei. Aber wir können en Automatismus in Richtung einer Vollmitgliedschaft eute und jetzt nicht billigen. Da hat der Europäische at aus meiner Sicht einen schweren Fehler gemacht. Wir werden auch darüber sprechen müssen, wie wir ns im Hinblick auf die vielen Staaten des Westbalans verhalten werden. Natürlich muss es auch hierfür ine europäische Strategie geben. Aber mir stellt sich chon die Frage, ob für all diese Staaten – mit Ausnahme on Kroatien – eine Vollmitgliedschaft das letzte Wort ein muss oder ob nicht eine spezielle Partnerschaft richiger ist. Darüber muss man in Ruhe sprechen. Wir fordern die Regierung auf, dem Deutschen Bun estag die Möglichkeit einzuräumen, darüber politisch u sprechen und zu entscheiden. Man sollte uns nicht urch Vorfestlegungen quasi in einen moralischen Zugwang bringen, aus dem wir nicht mehr herauskommen. enn Sie in diesem Sinne handeln, dann haben Sie unere Unterstützung. Wenn Sie dagegen verstoßen, weren wir das hier im Deutschen Bundestag kristallklar beennen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Damit ist klar, dass Ihre Begründung keine juristische, sondern eine politische ist!)


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505301900


Ich erteile dem Kollegen Michael Roth, SPD-Frak-
ion, das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1505302000

Lieber Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen!
eine Damen! Meine Herren! Lieber Herr Ministerprä-
ident, gelegentlich sagt man ja, der Teufel stecke im
etail. So war das möglicherweise auch beim Lesen des
resseartikels. Ich könnte eine ganze Menge dazu sagen.
lücklicherweise bin ich mit meiner Kritik im Einklang
it Rainder Steenblock und Anna Lührmann; da fühlt
an sich schon viel wohler.
Einmal ganz unabhängig davon: Es wurde ja der Got-

esbezug angesprochen. Herr Außenminister, ich hoffe,
ie stimmen mit mir darin überein, dass die Kritik an ei-
em Mitglied der Regierung keine Gotteslästerung dar-
tellt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

or diesem Hintergrund sehen Sie es mir also bitte nach,
ass ich gelegentlich – und hoffentlich auch zukünftig –
as eine oder andere sage, was vielleicht dem einen oder
nderen in der Regierung nicht schmeckt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Unabhängigkeit Michael Roth des Parlaments, Herr Außenminister! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Oh! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Karriereende!)





(A) )


(B) )


– Es mag für Sie, vor allem für die CSU-Mitglieder, un-
gewöhnlich sein, dass man ein Regierungsmitglied gele-
gentlich kritisiert. Aber das gehört, so glaube ich, zum
parlamentarischen Selbstbewusstsein,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


zumal dieses Projekt, über das wir uns heute freuen kön-
nen, maßgeblich durch Parlamentarierinnen und Parla-
mentarier zustande gekommen ist,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


die dafür gekämpft und gestritten haben sowie Überzeu-
gungsarbeit – gelegentlich auch bei Vertretern der Regie-
rung – leisten mussten.

Wir auf unserer Seite freuen uns heute natürlich ganz
besonders. Denn die europäische Verfassung war und ist
ein sozialdemokratisches Projekt,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Volker Kauder [CDU/CSU]: Setzen, sechs!)


für das viele große Sozialdemokratinnen und Sozialde-
mokraten engagiert gestritten haben. Wenn man sich den
Verfassungsentwurf anschaut, dann wird man vieles le-
sen, was zum sozialdemokratischen Selbstverständ-
nis gehört. In diesem Verfassungsentwurf wird ein Be-
kenntnis zur sozialen Marktwirtschaft, zur nachhaltigen
Entwicklung, zum sozialen Fortschritt abgegeben. Da
machen sich Sozialdemokraten stark für die Bekämp-
fung der sozialen Ausgrenzung, für die Gleichstellung
sowie für die Solidarität zwischen den Generationen.
Deswegen sind wir sehr stolz auf dieses Verfassungspro-
jekt. Es ist maßgeblich durch nationale Parlamentarier
und Europaparlamentarier zustande gekommen, natür-
lich auch durch Regierungsvertreter, aus immerhin
28 europäischen Staaten. Sie haben im Konvent mehr er-
reicht als in den vergangenen Regierungskonferenzen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Mit dieser Verfassung wird Europa – das ist nun

schon mehrfach gesagt worden – endlich handlungsfähi-
ger, demokratischer und bürgernäher. In Europa wird
künftig besser erkennbar, wer die Verantwortung für
welche Entscheidung trägt. Was mir besonders wichtig
ist – unser geschätzter ehemaliger Kollege Jürgen Meyer
hat dafür ja sehr engagiert gestritten –: Mit der Grund-
rechtecharta verfügt die europäische Politik über ein ei-
genes, solides Wertefundament.

Mit ihren anspruchsvollen Zielen und Werten klärt die
europäische Verfassung zugleich, wo die Grenzen der
Europäischen Union liegen. Dieses ambitionierte Projekt
macht deutlich: Europa teilt Werte. Europa ist nicht nur
ein Europa der Handelsströme, des Marktes und der
Ökonomie. Das freut sicherlich viele Bürgerinnen und

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(C (D ürger, die mit Europa und mit der Union gelegentlich ur den Binnenmarkt und irgendwelche Richtlinien bzw. ettbewerbsregelungen verbinden. Nur wer bereit ist, diesem ambitionierten Wertefundaent gerecht zu werden, und wer bereit und in der Lage st, dies in den nächsten Jahren und Jahrzehnten umzuetzen, der kann Mitglied der Europäischen Union weren. Wir können nicht häufig genug – gerade auch in dieser ebatte – die parlamentarische Methode des Konvenes loben. Diesem Lob, das viele auf allen Seiten schon um Ausdruck gebracht haben, möchte ich mich ausrücklich anschließen. Ich beziehe da vor allem Jürgen Meyer ein, mit dem ir hervorragend zusammengearbeitet haben, der immer m Europaausschuss war, der immer berichtet hat, der ns stellvertretend für den Deutschen Bundestag in diees große Projekt eingebunden hat. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das Lob geht natürlich auch an dich, Peter Altmaier,
er du regelmäßig im Ausschuss oder informell für die
ine oder andere zu klärende Frage zur Verfügung ge-
tanden hast.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP])


Lob zollen will ich aber auch Außenminister Fischer,
em Staatsminister für Europa Bury und Klaus Hänsch,
er im Präsidium eine großartige Arbeit geleistet hat.
Ich nehme auch voller Respekt zur Kenntnis, was

lmar Brok geleistet hat. Elmar Brok hat dem Konvents-
räsidenten Valéry Giscard d’Estaing öfter einmal den
arsch geblasen. Ich fand toll und eindrucksvoll, wie er
as gemacht hat. Frau Leutheusser-Schnarrenberger, er
at das sicherlich auch in unserem Interesse getan.
Herr Ministerpräsident Teufel, Sie haben vor allem

egen Ihren bayerischen Kollegen gekämpft. Das
ommt ja nicht so häufig vor – auch dafür unseren
espekt und unsere Dankbarkeit!


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Wir sollten mit dem Selbstbewusstsein noch nicht
um Abschluss kommen. Denn ich glaube, dass der
onvent als mehrheitlich parlamentarisch besetztes Or-
an nicht nur zu mehr Demokratie und Transparenz ge-
ührt hat, sondern auch zu besseren Ergebnissen. Gerade
n der entscheidenden Endphase haben die Parlamenta-
ier wesentlich dazu beigetragen, dass tragfähige Kom-
romisse erzielt wurden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo Licht ist, da ist

atürlich auch Schatten. Wir hatten gestern im Europa-
usschuss schon einmal Gelegenheit, im Gespräch mit
em Außenminister, mit Jürgen Meyer und Peter
ltmaier darüber zu diskutieren, wo der Schatten liegt.






(A) )



(B) )


Michael Roth (Heringen)

Da möchte ich Herrn Kollegen Müller direkt anspre-
chen, der mir vorwarf, ich sei dafür, überhaupt nicht
mehr zu diskutieren. Selbstverständlich wird jeder hier
im Plenarsaal mindestens einen Punkt finden, wo er mit
dem Verfassungsentwurf nicht zufrieden ist. Die Frage
aber ist doch: Wie gehen wir mit unserer Kritik um? Da
wünschte ich mir vor allem auch von der CSU ein Stück-
chen mehr Verantwortungsethik. Denn wir alle wissen
doch: Wenn wir diesen Sack noch einmal aufschnüren,
dann wird das Ergebnis schlechter werden als das, was
wir vielleicht in einzelnen Teilen bekritteln. Ich stelle Ih-
nen, Herr Kollege Müller, die Frage: Was machen Sie,
wenn Ihre Kritikpunkte nicht umgesetzt werden? Ich
weiß, die CSU hat Erfahrung in der Ablehnung von Ver-
fassungen. Sie haben ja auch das Grundgesetz abgelehnt.
Aber das sollte nicht die Grundlage für das europäische
Verfassungsprojekt sein.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505302100


Kollege Roth, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Müller?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1505302200

Selbstverständlich.

Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1505302300

Herr Kollege Roth, können Sie bestätigen, dass zu

dieser Debatte keinem Mitglied des Deutschen Bundes-
tages der vollständige Vertragsentwurf vorliegt? Wir de-
battieren auf der Basis von Zeitungsberichten.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1505302400

Herr Kollege Müller, Sie haben doch, ebenso wie

viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen aus der CSU, be-
reits bevor das Ergebnis zum Abschluss gebracht wurde,
deutlich gemacht, dass Sie keine Verfassung wollen,
dass Sie das ganze Projekt ablehnen, dass Sie hier und
dort etwas zu bekritteln haben.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Beantworten Sie die Frage! Weichen Sie nicht aus!)


Sie müssen in Ihren eigenen Reihen klären, wohin die
Reise Ihrer Meinung nach gehen soll. Wollen Sie das
Verfassungsprojekt konstruktiv begleiten oder wollen
Sie dem Verfassungsprojekt Steine in den Weg legen?
Das ist die Frage.

Herr Kollege Müller, ich dachte bisher, dass wir in
diesem Hause alle der Meinung sind, dass es um eine
konstruktive, kritische Begleitung dieses Verfassungs-
projektes geht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben heute schon viel über Handlungsfähigkeit
gesprochen. Die Handlungsfähigkeit ist der entschei-
dende Lackmustest für Europa. Deswegen müssen wir
das Prinzip der nationalen Vetos überwinden. Wer
glaubt, dass wir dem nationalen Interesse dienen, indem
wir in allen Fragen auf dem Einstimmigkeitsprinzip be-
harren, der irrt.

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(C (D (Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


ir bringen Europa im Sinne der Bürgerinnen und Bür-
er nur voran, wenn wir den Mut aufbringen, auch in
ielen zentralen Politikfeldern auf das Einstimmigkeits-
rinzip zu verzichten; denn ohne ein handlungsfähiges
uropa können wir die Globalisierung mit ihren Risiken
nd Chancen nicht demokratisch gestalten. Das muss
ns allen klar sein. Deswegen treten wir für den Grund-
atz ein – das haben wir in allen diesbezüglichen Bun-
estagsbeschlüssen manifestiert –, dass Mehrheitsent-
cheidungen die Regel sein müssen.


(Beifall bei der SPD)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505302500


Herr Kollege Roth, gestatten Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Ramsauer?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1505302600

Selbstverständlich, Frau Präsidentin.

Dr. Peter Ramsauer (CSU):
Rede ID: ID1505302700

Herr Kollege Roth, nachdem Sie der Frage des Kolle-

en Dr. Müller ausgewichen sind, weil diese Frage Ihnen
nd den Regierungsfraktionen – das vermute ich – unan-
enehm ist, möchte ich sie noch einmal stellen und prä-
isieren: Liegt dieses Dokument vor oder nicht? Meines
issens liegt es nicht vor. Außerdem möchte ich wissen,
ie Sie das Fehlen des Dokuments bewerten.

Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1505302800

Herr Kollege Ramsauer


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Jetzt nicht ausweichen!)


ich weiche überhaupt nicht aus –, was wollen Sie denn
un von mir?


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ich habe Ihnen eine Frage gestellt!)


ben haben Sie moniert, ich kritisiere die Regierung und
en Außenminister, weil die Regierung mit Unterstüt-
ung der Ressorts 57 Änderungsanträge vorgelegt hat,
nd jetzt fragen Sie mich, ob das Projekt abgeschlossen
ei. Die Verfassung liegt vor. Wir ringen noch gemein-
am darum, was im dritten Teil stehen soll.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sie sollen meine Frage beantworten und nicht mit rhetorischen Tricks ausweichen!)


Herr Ramsauer, Sie waren doch gar nicht dabei. Ich
rage mich, warum Sie diese Frage stellen. Ich wende
ich an den Kollegen Müller.
Die Frage, die wir hier zu klären haben, ist: Begleiten
ir den Verfassungsprozess konstruktiv oder fangen wir
chon frühzeitig an herumzukritteln, sodass sich eine
blehnung abzeichnet? Das müssen Sie innerhalb der
nion klären. Das können wir Sozialdemokratinnen und
ozialdemokraten nun wirklich nicht für Sie klären.






(A) )



(B) )


Michael Roth (Heringen)


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU]: Thema verfehlt! Die SPD soll den Redner zurückziehen!)


Lassen Sie mich zur Handlungsfähigkeit zurückkom-
men. Die Staaten, die gemeinsam handeln und gestalten
wollen, werden Wege aus der Vetofalle suchen und fin-
den. Eine Avantgarde integrationswilliger Staaten
– innerhalb der Union hat es vor vielen Jahren Kollegen
gegeben, die ein entsprechendes Modell skizziert haben –
wäre die einzige Alternative zu einem Europa des Still-
standes. Wir wollen das nicht. Weil wir das nicht wollen,
müssen wir für die Abschaffung des Einstimmigkeits-
prinzips in der Europäischen Union streiten und kämp-
fen. Die eine oder andere Überzeugungsarbeit müssen
wir in diesem Zusammenhang noch leisten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mit dem Verfassungsentwurf allein ist der Reformbe-
darf in der europäischen Politik aber noch längst nicht
gestillt. Den Reformbedarf gibt es vor allem bei den na-
tionalen Parlamenten, die die Rolle der Mitgestalter von
Politik innehaben.

Die SPD-Bundestagsfraktion wird die Stärkung der
parlamentarischen Dimension zur Leitlinie bei der inner-
staatlichen Umsetzung des Konventergebnisses machen.
Wir müssen unsere europapolitische Aufgabe im Plenum
des Deutschen Bundestages noch intensiver als bislang
wahrnehmen. Wir müssen die uns zur Verfügung stehen-
den Instrumente und Mechanismen konstruktiv, aber
auch entschlossen und selbstbewusst nutzen. Nur so
können wir unsere Rolle als Partner und Mitgestalter der
europäischen Politik wirklich ausfüllen.

Wer den Konvent und die parlamentarische Methode
lobt, muss auch national die entsprechenden Konsequen-
zen ziehen. Ich schlage daher vor, dass wir unsere bishe-
rige Arbeit kritisch hinterfragen, Konsequenzen aus der
europäischen Verfassung ziehen und Reformvorschläge
unterbreiten. Es muss darum gehen, die parlamentari-
sche Mitgestaltung des Deutschen Bundestages in der
europäischen Politik innerstaatlich zu stärken. Auch hier
gilt es, mehr Demokratie zu wagen.

Es gibt viele Fragen, die wir beantworten müssen:
Wie behandeln wir die europapolitischen Themen hier
im Plenum? Sitzen hier nur die üblichen Verdächtigen
oder betrifft das Thema auch die anderen Fachbereiche,
die Arbeitsgruppen und die Ausschüsse? Wie effektiv
nutzt der Europaausschuss seine Kontroll- und Mitwir-
kungsrechte? Wie sollen wir künftig mit dem in der
europäischen Verfassung verankerten Klagerecht eigent-
lich umgehen? Wir müssten zu gegebener Zeit auch ein-
mal mit dem Bundesrat besprechen, wie wir dieses Mit-
tel konstruktiv zu nutzen bereit und in der Lage sind.

Es kann natürlich nicht darum gehen, dass sich der
Bundestag zu einem Blockadeinstrument europäischer
Politik entwickelt; das wünschen sich wohl nur manche
Kolleginnen und Kollegen aus den Reihen der CSU.
Aber wir müssen Regierungshandeln konstruktiv und
aktiv mitgestalten. Das ist eine große Aufgabe, die vor

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(C (D ns steht und die wir erledigen müssen. Ich hoffe, dass ir die Debatte um die europäische Verfassung auch hier m Parlament dazu nutzen können, dort Fortschritte zu rzielen, wo wir möglicherweise feststellen, dass wir och nicht weit genug sind. Das sollte unsere gemeiname Anstrengung sein. Viel ist schon über das EU-Referendum gesprochen orden. Ich meine, dass auf Seiten dieser Koalition nieand überzeugt werden muss, wenn es um mehr direkte eteiligung der Bürgerinnen und Bürger geht. Das forern wir seit 1998. (Markus Löning [FDP]: Dann stimmen Sie doch unserem Antrag zu!)


ber, Herr Kollege Löning und Frau Leutheusser-
chnarrenberger, es kann doch nicht darum gehen, dass
ir diese Frage hier isoliert betrachten, wenn es um das
uropäische Referendum geht.


(Markus Löning [FDP]: Das wäre doch mal ein erster Schritt!)


er den Bürgerinnen und Bürgern in europapolitischen
ragen mehr zutraut und ihnen mehr Entscheidungsmög-
ichkeiten gestatten will – da sind wir auf einer Linie –,
er muss es doch auch auf nationaler Ebene tun. Der
uss bereit sein – das ist unser Angebot an die CDU/
SU –, auch auf der nationalen Ebene im Grundgesetz
ie Instrumente für mehr direkte Demokratie zu schaf-
en.


(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Wer zu viel will, erreicht gar nichts! Das ist der Punkt!)


n dieser Frage, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, sind
ir doch überhaupt nicht auseinander und dafür müssen
ir kämpfen. Da können Sie Überzeugungsarbeit leis-
en, wir werden das an entsprechender Stelle auch tun.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Das wird mit unserem Antrag am leichtesten gelingen!)


ürgen Meyer ist dafür schon gelobt worden. Wer hat
enn für ein Bürgerbegehren in der europäischen Verfas-
ung gestritten? – Das waren doch Sozialdemokratinnen
nd Sozialdemokraten und niemand sonst. Mehr Bürger-
eteiligung gibt es entweder ganz oder gar nicht, das ist
nsere Position. Deswegen würden wir uns freuen, wenn
ich alle Fraktionen an einem sorgfältig geschnürten Ge-
amtpaket beteiligten.
Der Konvent – damit komme ich zum Fazit – hat gute
rbeit geleistet und wir alle haben diesem Konvent zu
anken. Diese Verfassung gibt Antworten auf drängende
ragen vieler Menschen. Wie können wir die Risiken
nd die Chancen der Globalisierung demokratisch und
ozial gestalten? Und vor allem: Wie sichern wir Frieden
nd Wohlstand gerechter und nachhaltig? Die europäi-
che Verfassung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ver-
ag aber nur dann zu einem Projekt der Bürgerinnen
nd Bürger zu werden, wenn wir Parlamentarier hier im






(A) )



(B) )


Michael Roth (Heringen)

Bundestag Europa endlich als unsere gemeinsame Auf-
gabe begreifen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505302900


Nächster Redner ist der Kollege Dr. Werner Hoyer,
FDP-Fraktion.


Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1505303000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Sozialdemokraten als Paten des Verfassungsgedan-
kens? Wenn ich mich recht erinnere, haben wir unseren
Freund Guy Verhofstadt, den liberalen belgischen Minis-
terpräsidenten, erfolgreich bedrängt, einen Verfassungs-
konvent in Laeken einzuberufen, als Sie noch das Ergeb-
nis von Nizza schöngeredet haben. Das ist für mich eine
bemerkenswerte Bewertung.


(Beifall bei der FDP)

Was die Frage des Referendums angeht, Herr Kollege

Roth: Ich bin schon der Auffassung, dass man nicht sa-
gen kann, wir hätten hier eine europapolitische Entschei-
dung wie jede andere zu treffen. Es geht vielmehr um
eine fundamentale Entscheidung, die auf Jahrzehnte,
wenn nicht länger, die Zukunft unseres Kontinents und
auch unseres Landes bestimmen wird. Ich halte es für ei-
nen richtigen Gedanken, bei einer solchen Entscheidung
die grundsätzliche Zustimmung der Bevölkerung, des
Volkes, einzuholen,


(Beifall bei der FDP)

ohne dass man grundsätzlich darüber entscheidet, wie
man sonst mit Bürgerbeteiligung umgeht.

Meine Damen und Herren, es liegt ein vorläufiges Er-
gebnis vor; das ist vollkommen richtig. Wir müssen auch
weiterhin aufpassen, denn es sind noch wesentliche Ar-
beiten zu leisten, gerade im dritten Teil. Ich denke nur an
das Thema Sozialunion. Wir müssen bis zuletzt darauf
achten, dass die Sozialunion nicht durch die Hintertür
doch in dem Vertrag festgeschrieben wird. Diese könn-
ten wir uns nicht leisten und die Bürgerinnen und Bürger
würden sie auch nicht mittragen. Zum Beispiel vor dem
Hintergrund, dass Rot-Grün gerade angekündigt hat, die
Rentenerhöhung nicht stattfinden zu lassen, können wir
keinen großen Sozialtopf in Brüssel aufmachen. Das
wäre nicht gut.


(Beifall bei der FDP – Günter Gloser [SPD]: Das haben Sie missverstanden!)


Eine Zwischenbewertung: Das, was hier vorgelegt
wird, ist beachtlich und weit mehr, als ich bis vor kur-
zem erwartet habe. Denn gerade in der letzten Zeit sind
erhebliche Verbesserungen durchgesetzt worden. Das
begrüße ich außerordentlich.

Es kommt natürlich aus allen Richtungen auch Kritik,
die durchaus nachvollziehbar ist. Diese Kritik kann man
in drei Strömungen einteilen: Die erste Gruppe von Kri-

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(C (D ikern will allen Frust abladen, den sie schon immer über uropa hatten. Darauf muss man nicht großartig eingeen. Die zweite Gruppe bezieht ihre Kritik darauf, ob der ext im Grundsatz und in Details Gefahren birgt. Als eispiel ist zu nennen, ob die Tür zur weiteren Bürokraisierung und Zentralisierung geöffnet wird. Ich denke, as ist nicht der Fall. Ministerpräsident Teufel hat übereugend dargestellt, wie durch die Kompetenzordnung, ber auch durch die Subsidiaritätsregelung tatsächlich ine gute Barriere geschaffen worden ist, um Schlimmes u verhindern. Ich denke, Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen im eutschen Bundestag, sind sich noch nicht darüber im laren, was auf Sie zukommt. as bedeutet richtig viel Arbeit. Frau Präsidentin, das räsidium des Bundestages muss sich einmal damit beassen, wie diese geleistet werden soll. Mit der klassichen Methode des Europaausschusses, der sich einmal n der Woche von der Bundesregierung informieren lässt nd ein paar Dinge durchwinkt, wird es in Zukunft nicht etan sein. Das wird für den Deutschen Bundestag eine anz andere Qualität der Arbeit in der Europapolitik beeuten. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


Die dritte Kritik betrifft den Punkt – auch ich habe
ich das gefragt –, ob dieser Text weit genug geht.
iese Kritik nehme ich am wichtigsten, weil sie mir na-
ürlich auch am sympathischsten ist. Ich hätte natürlich
eiter gehende Ambitionen gehabt und hätte mir ge-
ünscht, man hätte Europa vollständig föderal durchde-
liniert. Ich hätte mir natürlich eine geradezu architekto-
ische Ästhetik und bestechende Schlichtheit wie die der
ntwürfe von Philadelphia oder Herrenchiemsee ge-
ünscht.
Das ist aber nicht zu erwarten gewesen, auch vor dem

istorischen Hintergrund; denn es haben nicht nur die
effersons, Washingtons oder die Carlo Schmids und die
denauers gefehlt, sondern wir sind in einer ganz ande-
en Situation. Das ist keine Verfassung, die nach einer
istorischen Katastrophe, nach einem furchtbaren Krieg
der nach einer Revolution entsteht, sondern eine Ver-
assung, die auf dem aufbaut, was ist und was die Natio-
en, die Regionen, die Kulturen und die Religionen be-
ahren wollen. Das ist das Europa der Einheit in Vielfalt
nd nicht der Zwietracht in Einfalt.
Es ist doch die Erkenntnis des letzten Jahrhunderts


(Zuruf des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Herr Minister, diese Bemerkung war nicht besonders
fiffig –, dass ein Verfassungsentwurf, der versucht, die
ereinheitlichung, den Schmelztiegel, den melting pot,
erbeizuführen, der keine Rücksicht auf die gestandenen
raditionen und Kulturen nimmt, der nicht erkennen






(A) )



(B) )


Dr. Werner Hoyer
lässt, dass Europa seine Stärke in dieser Verschiedenheit,
in dieser Diversität hat zum Scheitern verurteilt ist. Un-
ter diesem Gesichtspunkt ist das, was hier vorliegt, ein
großer Entwurf.

Deswegen ist es auch völlig irrelevant, darüber zu
streiten, wo wir in der Entwicklung vom Staatenbund
zum Bundesstaat stehen. Es ist etwas ganz Einzigartiges,
was wir hier entstehen lassen. Das ist eine Herausforde-
rung, die Europa noch nie hat bewältigen müssen. Es
geht um die Organisation der Selbstbehauptung der
Europäer im globalen Wettbewerb.


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


Wirtschaftlich haben wir das schon lange begriffen.
Mit den Römischen Verträgen haben ihre mutigen Väter
und Mütter etwas Erstaunliches, etwas Einzigartiges zu-
stande gebracht. Jetzt kommt die Dimension des Rechts
und der inneren Sicherheit hinzu. Aber wenn wir die
Außenpolitik als äußere Sicherheit im weitesten Sinne
verstanden nicht dazu bringen, dann wird das Gesamt-
projekt scheitern. Deswegen ist es wichtig, dass wir auch
in dem Bereich der äußeren Sicherheit im weitesten
Sinne, in der Außen-, der Sicherheits- und der Verteidi-
gungspolitik, vorankommen, auch bei den Methoden
und den Institutionen. Das ist der Punkt, an dem ich
zwar all denjenigen voll zustimme, die sagen, das Ganze
jetzt nicht aufzudröseln – das wird hinterher eine Ver-
schlimmbesserung geben und nichts Besseres –,


(Beifall des Abg. Michael Roth [Heringen] [SPD])


aber wenn es gelingen sollte – ich bitte die Bundesregie-
rung, sich nach Kräften darum zu bemühen –, in den
Entscheidungsverfahren in der Außen- und Sicherheits-
politik einen großen Fehler zu vermeiden, dann sollte al-
les daran gesetzt werden.


(Beifall bei der FDP)

Nach den Erfahrungen mit der Schlussakte von Hel-

sinki und den damaligen Blockademöglichkeiten, die
dem einzelnen Land eingeräumt waren, kann es nicht
sein, dass Europa in diese Falle hineintappt. Wir brau-
chen zumindest so etwas wie n minus 1 oder eine super-
qualifizierte Mehrheit in der Außenpolitik.

Abschließend noch eine Anmerkung zum europäi-
schen diplomatischen Dienst. Hier verstehe ich die Auf-
regung überhaupt nicht. Wenn Europa als globaler Ak-
teur ernst genommen werden will, dann braucht es einen
wirklichen Auswärtigen Dienst.


(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dabei kann es sich nicht einfach um die Übertragung der
Delegationsprinzipien der Kommission handeln.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Aber nicht zusätzlich! Das müssen wir national abbauen!)


Die Delegationsbüros der Kommission sind keine diplo-
matischen Vertretungen, sondern sie sind in den meisten
Fällen Handelsmissionen oder Entwicklungsagenturen.

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(C (D ir brauchen einen wirklichen diplomatischen Dienst, er zum Beispiel auch die Konsequenzen aus dem Inenund Rechtskapitel zieht, der Rechtsund Konsularngelegenheiten bewältigt und der für klassische Fragen er Außenund Sicherheitspolitik der Diplomatie zutändig ist. (Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Müller, natürlich muss das so geschehen, dass
an Synergien schafft und vom nationalen Bereich
inge auf die europäische Ebene überträgt und zusam-
enführt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

ertun wir uns aber nicht: Die Betonmischer sind schon
berall am Werke, sowohl in der Kommission als auch
n den nationalen Regierungen.
Meine Damen und Herren, die Europäer leisten sich

inen insgesamt doppelt so großen Auswärtigen Dienst
ie die Amerikaner.


(Beifall bei der SPD)

ei uns sind es 40 000 Personen, bei den Amerikanern
ind es 20 000.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505303100


Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1505303200

Meine Redezeit ist zu Ende. Deswegen werde ich dies

icht weiter ausführen.
Wenn es uns nicht gelingt, diese Synergien zwischen

er nationalen und der europäischen Ebene zustande zu
ringen, dann wird ein ganz wesentliches Element, näm-
ich die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen
nion, ein Torso bleiben.
Danke.


(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505303300


Nächster Redner ist der Kollege Rainder Steenblock,
ündnis 90/Die Grünen.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Noch vor wenigen Wochen haben hier in diesem
ause eine ganze Reihe von Kollegen das Ende der Ge-
einsamen Außen- und Sicherheitspolitik vorausge-
agt. Der Gipfel von Thessaloniki hat all diesen Zweif-
ern und Schwarzmalern einen Strich durch die
echnung gemacht. Ich hätte mir gewünscht, dass heute
on der Opposition – auch von Ihnen, Herr Hoyer und
err Hintze – deutlich gesagt worden wäre, dass sich die
efürchtungen, die Sie hier geäußert haben, nicht be-
ahrheitet haben.






(A) )



(B) )


Rainder Steenblock
Gerade die deutsche Bundesregierung hat es mit ihren
Initiativen und ihrer Strategie, aber auch mit ihren Inhal-
ten geschafft, nach wenigen Wochen dieser Differenzen
eine gemeinsame europäische Sicherheitsstrategie auf
den Weg zu bringen und abgestimmt vorzulegen. Das ist
ein ganz großer Erfolg, der auch von Ihnen hätte gewür-
digt werden müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Noch vor wenigen Jahren erschien uns allen eine eu-
ropäische Sicherheitsstrategie doch als eine ferne Vision.
Jetzt haben sich die Regierungen Europas darangemacht,
dass diese Vision eine europäische Realität wird. Ich
möchte Ihnen sehr deutlich sagen: Natürlich hat der
Hohe Repräsentant der EU, Solana, einen ganz wichti-
gen Anteil daran gehabt, aber auch die deutsche Bundes-
regierung und unser Außenminister haben einen ganz
wichtigen Baustein dazu beigetragen, diese Strategie zu
unterstützen. Dafür möchte ich mich im Namen meiner
Fraktion sehr herzlich bedanken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich glaube, dass wir von dem, was in den letzten Wo-
chen und Monaten in Europa in der Außenpolitik ge-
schehen ist, nichts beschönigen dürfen. Diese sehr
schwierige außenpolitische Situation hat den Bürgerin-
nen und Bürgern Europa und unsere Regierungen eher
als zerstritten dargestellt. Wir müssen aber auch erken-
nen, dass sich die Kraft der europäischen Gedanken
durchgesetzt hat. Wir haben gesehen, was auf den Stra-
ßen und Plätzen dieses Europas los war. Die Menschen
in diesem Europa wollen eine gemeinsame Sicherheits-
politik und eine Identität Europas in dieser Frage. Wenn
wir gesehen haben, wie schnell es die Regierungen jetzt
geschafft haben, dem Weg zur europäischen Identität
und dem Wunsch der Menschen Europas, zu einer ge-
meinsamen Sicherheitsstrategie zu kommen, zu folgen
und ihn zu realisieren, dann wissen wir, dass das den Eu-
ropäern wirklich Vertrauen für die Zukunft gibt, dass
diese Kraft der europäischen Gedanken auch in Politik
umgesetzt werden kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


In Thessaloniki hat Europa gerade in diesem Bereich
zu seinen Grundlagen zurückgefunden. Europa war und
ist ein Friedensprojekt. Friedens- und Sicherheitspoli-
tik bedeutet für uns sehr viel mehr, als Europa nur vor
Kriegen zu bewahren. Die europäische Sicherheitsstrate-
gie, wie sie in Thessaloniki vorgestellt wurde, geht von
einem modernen und umfassenden Verständnis von Frie-
dens- und Sicherheitspolitik aus. Frieden und Sicherheit
bewahren heißt natürlich auch, dass wir uns den neuen
Risiken und Bedrohungen mit neuen Methoden zu stel-
len haben. Dafür ist kein europäischer Nationalstaat ge-
wappnet. Das kann die Europäische Union nur als ge-
meinsam handelnder politischer Akteur realisieren.

Die Strategie, die Solana in Thessaloniki vorgelegt
hat, enthält die notwendige Mischung aus Instrumenten.
Sie enthält politische, ökonomische und natürlich auch

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(C (D ilitärische Instrumente. Dieses Konzept einer umfasenden – das sage ich sehr deutlich – und mit dem chwerpunkt auf Vorbeugung orientierten Sicherheitsolitik, die als letzten Aspekt militärische Maßnahmen nthält, war für die rot-grüne Koalition immer handungsleitend. Ich bin froh, dass diese Grundlagen einer orbeugenden Friedenspolitik für die europäische Siherheitsstrategie identitätsstiftend geworden sind. Dieses umfassende Verständnis von Sicherheit basiert uf den Prinzipien der Multilateralität. Wir müssen diese ber den europäischen Kernraum hinausgehende Strateie weiterentwickeln. Das gilt auch für unsere Nachbarn, u denen wir ein gutes Verhältnis entwickeln wollen und üssen und die Teil dieser Sicherheitsstrategie sind. Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Wort zur Türkei agen. Als unser östlicher Nachbar im Mittelmeerraum st sie Teil dieser Strategie. Der Kollege Hintze hat heute ieder einmal an diesem Verhältnis gezündelt und seine opulistische Argumentation mit der Frage des Beitritts er Türkei zur Europäischen Union verbunden. Dies alte ich für ausgesprochen gefährlich und gegenüber en Entwicklungen, die in der Türkei zurzeit ablaufen, ür kontraproduktiv. Wenn wir ein Interesse daran haben, iese Region zu stabilisieren und Menschenrechte urchzusetzen, wenn das, was wir als Kopenhagener riterium bezeichnen, Eingang in die Politik der Türkei nd die gemeinsame Politik der Europäischen Union finen soll, dann verbietet sich hier jede populistische und nnenpolitisch motivierte Agitation insbesondere aus ichtung der CDU/CSU. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


ir haben ein Interesse an Sicherheit. Diese darf nicht
illigen populistischen Sprüchen geopfert werden, auch
enn in Bayern Wahlkampf herrscht. Das geht so nicht.
Das Dach dieser Sicherheitspolitik – auch das hat

olana sehr deutlich gemacht – ist die Stärkung interna-
ionaler Organisationen. Der Handlungsrahmen ist die
harta der Vereinten Nationen und deren Unterstüt-
ung. Auch wenn wir militärische Gewalt als letztes
ittel nicht ausschließen, so sagen wir doch sehr deut-

ich – darin sind wir uns mit allen europäischen Regie-
ungen, die sich in diesem Bereich zusammengefunden
aben, einig –: Diese Möglichkeit bleibt an Kap. VII der
harta der Vereinten Nationen gebunden. Ich bin zutiefst
avon überzeugt: Nur ein effektiver Multilateralismus
ewahrt auf diesem Planeten langfristig Frieden und Si-
herheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


Diese Strategie stattet uns aber auch mit etwas ande-
em Notwendigen aus: Wir alle haben betont, dass ein
utes transatlantisches Verhältnis im Interesse der Euro-
äischen Union liegt. Durch die Vorlage dieses Strate-
iepapiers von Solana hat die Europäische Union eine
ernünftige Grundlage erhalten, um mit unseren Freun-
innen und Freunden in Amerika eine gemeinsame Si-
herheitsstrategie zu entwickeln, bei der wir als Euro-






(A) )



(B) )


Rainder Steenblock
päer auf der Grundlage unserer Interessen und
Vorstellungen zusammen mit den Amerikanern ein Si-
cherheitskonzept entwickeln. Diese Einigkeit der euro-
päischen Staaten ist eine wichtige Voraussetzung, um
hier voranzukommen.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich
möchte auch Folgendes sagen – denn das ist ebenfalls
Bestandteil der Außen- und Sicherheitspolitik der Euro-
päischen Union –: Wir müssen aktiver werden. Wir müs-
sen als Europäer, als europäischer Akteur, global stärker
auftreten. Das liegt an unserer größeren Verantwortung.
Wir müssen Krisen frühzeitiger erkennen und dann han-
deln können. Unsere Aktionen müssen kohärenter wer-
den. Diplomatische Bemühungen müssen am gleichen
Strang ziehen. Wir müssen eine Außenpolitik betreiben,
die mit der Entwicklungspolitik und der Handelspolitik
kohärent ist. Diese Synergieeffekte müssen wir nutzen.

Das geht nur dann, wenn wir auch einen gemeinsa-
men europäischen diplomatischen Dienst haben. Nur
auf diesem Feld werden wir die Möglichkeit haben, sol-
che Strategien in den einzelnen Ländern auch materiell
umzusetzen oder auch Vorwarnsituationen schon sehr
frühzeitig politisch umsetzen. Deshalb haben wir großes
Interesse daran, dass der Antrag der Bundesregierung,
die Europäische Union bzw. den europäischen Außenmi-
nister mit einem aktionsfähigen diplomatischen Dienst
zu versehen, angenommen und dies auch durchgesetzt
wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Dann schaffen wir ihn aber zu Hause ab! – Michael Glos [CDU/ CSU]: Wir sind froh, wenn er weg ist!)


– Kollege Müller, in dem Punkt, dass dies Konsequen-
zen für die nationalen diplomatischen Dienste haben
muss, sind wir uns überhaupt nicht uneinig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir in den Bereichen der europäischen Sicher-
heitsstrategie und der europäischen Außenpolitik eine
Priorität setzen wollen, dann müssen wir auch ehrlicher-
weise sagen, dass die nationalen Möglichkeiten be-
schränkt und begrenzt werden müssen und dass wir hier
zu Einsparungen kommen müssen. Das ist überhaupt
keine Frage.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Jawohl! – Günter Gloser [SPD]: Dann braucht man zum Beispiel keine bayerische Botschaft in Brüssel mehr! – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Wir sind viel realistischer als Ihr!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich zum Schluss noch einen Gedanken äußern: Im eu-
ropäischen Raum von Freiheit und Sicherheit besteht ein
Problem, das wir lösen müssen. Ich hoffe, dass die deut-
sche Bundesregierung hier auch wieder handlungsfähi-
ger wird. Es geht um das Thema Einwanderung und
Asyl. Wir sind – das sage ich für die Bündnisgrünen –
ein bisschen enttäuscht, dass wir auf diesem Gipfel noch
nicht, wie von uns gewünscht, in der Lage waren, die

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(C (D lüchtlingsrichtlinie unter griechischem Vorsitz zu verbschieden. Das wäre an dieser Stelle ein gutes Signal ewesen. Leider sind wir durch die innenpolitische Sitution blockiert. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Op osition, Sie müssen sich Folgendes überlegen: Die Sitution, die wir im Bereich unserer Asyl-, Einwanderungsnd Flüchtlingspolitik haben, dass wir nämlich auf euroäischer Ebene an dieser Stelle von vielen als Bremser argestellt werden, hängt auch sehr stark damit zusamen, dass Sie nicht in der Lage sind, für die Bundesreublik Deutschland ein fortschrittliches Einwanderungsesetz zu realisieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505303400


Herr Kollege Steenblock, Ihre Zeit ist deutlich über-
chritten.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Ich komme zu meinem letzten Satz. – Das macht sehr

eutlich, dass Sie, wenn Sie denn mitgestalten können,
icht diejenigen sind, die nach vorne schauen, sondern
ass Sie, wenn es um konkrete Sachpolitik geht, leider
m Bremserhäuschen der europäischen Politik sind.
Wir wollen Europa gemeinsam gestalten und weiter-

ntwickeln. Dafür stehen die Grünen.
Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505303500


Nächster Redner ist der Kollege Peter Altmaier,
DU/CSU-Fraktion.


Peter Altmaier (CDU):
Rede ID: ID1505303600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
olleginnen und Kollegen, der Entwurf des Verfas-
ungsvertrages ist, wie er bis jetzt in den Teilen I und II
orliegt, sicherlich weit davon entfernt, perfekt zu sein.
s gibt vieles, was man an ihm kritisieren kann. Sicher-
ich gibt es auch viele Kritikpunkte, die man zu Recht an
en Konvent richten kann. Wenn ich mir allerdings an-
ehe, wie schwer sich nationale Regierungen bisweilen
amit tun, auch nur einen einigermaßen verfassungskon-
ormen Haushalt vorzulegen oder sich auf das Vorziehen
iner Steuerreform zu einigen, dann, meine ich, ist das,
as der Konvent in den letzten eineinhalb Jahren zu-
tande gebracht hat, mit Recht als historisch zu bezeich-
en.
Wir haben das geschafft, und zwar entgegen vieler
nkenrufe und vor dem Hintergrund der Zerstrittenheit
uropas in der Irakkrise, die viele dazu veranlasst hat, zu
agen, dass die Europäische Union noch nicht so weit ist,
emeinsam zu handeln: Sie ist an einem wichtigen Punkt






(A) )



(B) )


Peter Altmaier
gescheitert. Trotzdem hat es der Konvent geschafft, sich
auf einen Entwurf zu einigen, der von 98 Prozent aller
Delegierten im Konvent unterschrieben werden wird.

Das heißt, mit Ausnahme eines dänischen Nationalis-
ten und eines britischen Abgeordneten haben wir alle,
von links über die Mitte bis rechts, von den Liberalen bis
hin zu den Grünen, es geschafft, uns auf einen Entwurf
zu einigen. Das ist ungeachtet des konkreten Inhalts ein
entscheidendes Signal dafür, dass die Europäische Union
schon heute mehr ist als eine reine Wirtschaftsgemein-
schaft. Es zeigt vielmehr, dass sich die Politiker ihrer
Verantwortung für die Zukunft der Europäischen Union
bewusst sind.

Dass die Einigung auf den Verfassungsentwurf gelun-
gen ist, ist zum einen dem Prinzip der Öffentlichkeit zu
verdanken. Der Europäische Konvent hat in der Öffent-
lichkeit, das heißt unter der Kontrolle der Medien und
der Bürgerinnen und Bürger, getagt. Das hat im Gegen-
satz zu Regierungskonferenzen und Verhandlungen hin-
ter verschlossenen Türen die Möglichkeit, offensichtlich
unsinnige Positionen zu vertreten, erheblich reduziert.

Zum anderen lag der Einigung das Bewusstsein zu-
grunde, dass es nach dem Scheitern der Regierungskon-
ferenz in Nizza nur diese eine Chance gab, die Europäi-
sche Union am Vorabend der Erweiterung zukunftsfähig
zu machen. Wenn der Konvent scheitern würde, gäbe es
so schnell keine zweite Chance für die Europäische
Union. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns für die ersten
beiden Teile auf ein Ergebnis geeinigt haben. Ich hoffe,
dass wir die Kraft finden, dies im Juli auch für den drit-
ten und vierten Teil des Konvents zu erreichen.

Ich bedauere es, wie andere Redner auch, dass es
nicht gelungen ist, einen eindeutigen Bezug auf die
Transzendenz – das heißt einen Bezug zu Gott oder zu
den christlichen Traditionen und Überlieferungen Eu-
ropas – in den Verfassungsvertrag aufzunehmen. Wir ha-
ben dafür gekämpft, weil wir glauben, dass dies bei al-
lem Respekt gegenüber Andersdenkenden ein wichtiger
Beitrag gewesen wäre, um die europäische Identität nach
innen wie nach außen sichtbar zu machen.

Ich stelle fest, dass sich der Bundesaußenminister
nach seiner Audienz beim Papst – offenbar wurde er
vom Heiligen Geist überzeugt – in dieser Frage stärker
als in der Vergangenheit konstruktiv eingesetzt hat. Da-
für bedanke ich mich ausdrücklich bei ihm. Ich hätte
mich allerdings gefreut, wenn es zu gemeinsamen Anträ-
gen der Vertreter von CDU/CSU und Rot-Grün im Kon-
vent zu diesem Thema gekommen wäre.

Trotzdem ist das, was wir erreicht haben, nicht wenig
und nicht unbeachtlich. Erstmals wird auf die religiösen
Überlieferungen Europas Bezug genommen. Es gibt ei-
nen strukturierten Dialog mit den Kirchen; des Weiteren
ist die Anerkennung ihrer rechtlichen Stellung nach na-
tionalem Recht zu nennen.

Vor allen Dingen ist durch die Aufnahme der Grund-
rechte-Charta in den Verfassungsvertrag Art. 1 Abs. 1
Satz 1 der Grundrechte-Charta – er lautet: Die Würde des
Menschen ist unantastbar – rechtsverbindlich geworden.
Dieser Satz ist identisch mit Art. 1 Satz 1 des deutschen

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(C (D rundgesetzes. Das macht zusammen mit dem Wertekaon der Grundrechte-Charta insgesamt deutlich, dass iese Europäische Union eine Wertegemeinschaft ist. ies wird weit über die Europäische Union hinaus auch n der Dritten Welt und in Ländern, in denen der Demoratisierungsprozess noch im Gange ist, seine Wirkung ntfalten. Meine Damen und Herren, wenn Sie wie die Mitglie er des Konvents in öffentlichen Veranstaltungen über as Ergebnis reden, werden Sie feststellen, dass der erfassungsentwurf auf ein sehr positives Echo stößt, uch wenn den Bürgerinnen und Bürgern die Einzelheien nicht bekannt sind. Denn die Menschen haben das efühl, dass am Vorabend der Erweiterung und angeichts der unglaublichen Veränderungen, die sich welteit im Rahmen der Globalisierung und der kriegerichen Konflikte der vergangenen beiden Jahre ergeben, otwendig ist, der Europäischen Union eine Verfassung n Form eines Vertrages zu geben, die nicht nur ihre dentität, sondern auch ihre Rechte bestimmt und gleicheitig abgrenzt und die Sicherheit für die europäischen ürger und die Akteure auf europäischer Ebene vermitelt. Wir haben mit diesem Verfassungsvertrag die Voraus etzungen dafür geschaffen, dass eine europäische Öfentlichkeit zustande kommt. Die Schaffung des Euroäischen Legislativrates, der in Zukunft in öffentlicher itzung über die europäische Gesetzgebung zu entscheien hat, ist ein entscheidender Schritt weg von einer unurchsichtigen Europäischen Union, in der Entscheidunen hinter verschlossenen Türen getroffen werden, hin u einer Parlamentarisierung des politischen Prozesses n Europa. Dass der Kommissionspräsident in Zukunft vom Eu opäischen Parlament gewählt wird – zwar auf Vorschlag es Europäischen Rates, aber unter Berücksichtigung er Ergebnisse der Wahlen zum Europäischen Parlaent –, wird dazu führen, dass die Bürgerinnen und Bürer bei zukünftigen Europawahlen auch über die euroäische Regierung und über politische Alternativen abtimmen können. Das wird wiederum zu einer olitischen Debatte in Europa führen, so wie sie das undesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Vertrag on Maastricht eingefordert hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Ich verhehle nicht, dass wir in einem Bereich nicht so
eit gekommen sind, wie ich persönlich mir das ge-
ünscht hätte. Das ist die Ausdehnung des Prinzips der
ntscheidungen mit qualifizierter Mehrheit auf fast
lle Politikbereiche. Wir haben es zwar geschafft, von
em sehr komplizierten Prinzip der Stimmgewichtung
emäß dem Vertrag von Nizza zu einem einfachen Sys-
em der doppelten Mehrheit, das heißt der Mehrheit der
itgliedstaaten und der Mehrheit der Bevölkerungen,
berzugehen, was dazu führt, dass auch die deutsche Be-
ölkerungszahl mehr als bisher ihren Niederschlag in
uropäischen Entscheidungen findet. Wir haben es aber
icht geschafft, uns zum Prinzip der Mehrheitsentschei-






(A) )



(B) )


Peter Altmaier
dung in all den Bereichen zu bekennen, die keinen ver-
fassungsändernden Charakter haben oder die nichts mit
der Finanzausstattung der Europäischen Union zu tun
haben. Ich persönlich bin aufgrund meiner langjährigen
Erfahrungen als Beamter in der Europäischen Union und
als Abgeordneter im Europaausschuss des Deutschen
Bundestages überzeugt, dass das Einstimmigkeitsprinzip
überall dort, wo es im konkreten politischen Alltag zur
Anwendung kommt, dazu führt, dass die Entscheidun-
gen länger dauern sowie schlechter und teurer werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir konnten in den letzten Wochen und Monaten im
Konvent beobachten, dass sich, ausgehend von den Be-
reichen der Außen-, der Sicherheits- und der Verteidi-
gungspolitik, in denen die Irakkrise die Atmosphäre ver-
giftet und das Vertrauen zerstört hat, zunehmend die
Erkenntnis durchgesetzt hat, dass wir noch nicht im-
stande sind, überall zum Prinzip der Mehrheitsentschei-
dungen überzugehen.

Damit komme ich zu einem Punkt, der für die ab-
schließenden Beratungen des Konvents in den nächsten
Wochen sicherlich von großer Bedeutung sein wird. Das
ist die Frage, wie wir mit dem Bereich der Zuwande-
rung und des Asyls umgehen sollen. Selbstverständlich
– das bestreitet sicherlich niemand in diesem Hohen
Hause – kann man über die Fragen des Asyls von Bür-
gerkriegsflüchtlingen und der Zuwanderung auf europäi-
scher Ebene diskutieren und kann die damit zusammen-
hängenden Probleme in vielen Bereichen nur auf
europäischer Ebene lösen. Deshalb hat die damalige
CDU/CSU-FDP-Bundesregierung in Maastricht und
Amsterdam dafür gesorgt, dass eine entsprechende Zu-
ständigkeit in den europäischen Verträgen festgeschrie-
ben wird.

Ich glaube allerdings – das möchte ich mit der glei-
chen Deutlichkeit sagen –, dass wir angesichts der enor-
men Unterschiede in der Wirtschaftskraft und insbeson-
dere angesichts der augenblicklichen wirtschaftlichen
Situation der Mitgliedstaaten gut daran getan hätten, da-
rüber nachzudenken, ob wirklich alle Entscheidungen in
diesem Bereich auf europäischer Ebene getroffen werden
müssen. Das wäre auch ein Signal dafür gewesen, dass es
möglich ist, Zuständigkeiten, die einmal auf Europa
übertragen worden sind, wieder auf die nationale Ebene
zurückzuübertragen. Zuständigkeit für Bürgerkriegs-
flüchtlinge? – Selbstverständlich! Zuständigkeit für
Asylfragen? – Selbstverständlich! Aber sind wir wirklich
der Auffassung, dass die Zuwanderung zum nationalen
Arbeitsmarkt für alle europäischen Länder gleich gere-
gelt und in Brüssel zentral entschieden werden muss?
Diese Frage könnte man bejahen, wenn es überall gleiche
Wirtschaftsbedingungen gäbe. Aber in einer Situation, in
der die Arbeitslosigkeit zum Beispiel bei uns in Deutsch-
land dreimal so hoch ist wie die in Großbritannien, Lu-
xemburg, Portugal oder in Österreich, wäre es sinnvoll
gewesen, diese Frage – jedenfalls in den nächsten Jahren –
in nationaler Zuständigkeit zu belassen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Der Umstand, dass wir im Konvent über die Frage der erechten Verteilung von Kompetenzen in der Sache icht diskutiert haben, weil es dagegen politische Widertände gab und weil auch die Zeit gefehlt hat, hat letzten ndes dazu geführt, dass auch wir – die Bundesregieung unterstützt diese Position – zumindest Einstimmigeit bei zukünftigen Entscheidungen in diesem Bereich ordern. Ich hoffe im Interesse von uns allen und der Euopäischen Union, dass es uns in den nächsten Wochen elingen wird, die Zahl der Ausnahmen, in denen Eintimmigkeit notwendig ist, nicht zu groß werden zu lasen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505303700


Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
bgeordneten Schily?

Peter Altmaier (CDU):
Rede ID: ID1505303800

Mit dem allerhöchsten Vergnügen.

Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1505303900

Herr Kollege Altmaier, ich teile Ihre Auffassung, dass
ir bei der Regelung der Zuwanderung aus wirtschaftli-
hen, sozialen und anderen Gründen die nationalen Un-
erschiede beachten müssen. Mein Standpunkt in dieser
rage kommt dem Ihren offenbar sehr nahe. Halten nicht
uch Sie es für notwendig, dass die Mitgliedstaaten der
uropäischen Union ihre jeweilige Migrationspolitik
ufeinander abstimmen? Es könnten sich ja nationale
ntscheidungen durchaus auf die Situation in den Nach-
arstaaten auswirken. Beispielsweise könnte Spanien
ine Immigrationspolitik mit der Perspektive betreiben,
ass die Zuwanderer spanische Staatsbürger und damit
nionsbürger werden. Das würde auch Einfluss auf die
ituation in Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten
aben. Ist es unter Beachtung der Unterschiede – Sie ha-
en darauf hingewiesen – nicht sinnvoll, dass die Immi-
rationspolitik auf europäischer Ebene aufeinander ab-
estimmt wird?


Peter Altmaier (CDU):
Rede ID: ID1505304000

Herr Bundesinnenminister, unsere Standpunkte liegen

n dieser Frage mit Sicherheit nicht auseinander. Man
uss allerdings zwischen der Frage, ob man etwas auf
uropäischer Ebene abstimmt, und der Frage, ob man et-
as auf europäischer Ebene zentral regeln muss, unter-
cheiden.


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Richtig!)


Was die europäische Wirtschaftspolitik angeht, ent-
ält der Vertrag beispielsweise eine Koordinierungsmög-
ichkeit. Damit verbunden ist aber nicht die Möglichkeit
er Europäischen Union, rechtlich verbindliche Ent-
cheidungen zu treffen. Aus meiner Sicht ist es deshalb
öllig in Ordnung, dass man auf europäischer Ebene bei-
pielsweise sogar mit Verordnungen und Gesetzen da-
über entscheidet, wie es mit der Freizügigkeit derjenigen






(A) )



(B) )


Peter Altmaier
aussieht, die aufgrund nationaler Entscheidungen Zu-
gang zum Arbeitsmarkt finden und sich anschließend
zehn, 15 Jahre oder länger rechtmäßig in einem Mit-
gliedstaat aufhalten. Fragen dieser Art müssen euro-
päisch geregelt werden.

Das lässt aber die Möglichkeit offen, auch in Zukunft
in nationaler Zuständigkeit zu entscheiden, wie viele
Bürger aus Drittstaaten aus Afrika, aus Asien und von
woanders – ich denke nicht an Bürger der Europäischen
Union oder der Kandidatenländer, die der Europäischen
Union zum 1. Mai nächsten Jahres beitreten werden –
neu auf den Arbeitsmarkt kommen. Ich wiederhole: Das
soll und muss auch in Zukunft in nationaler Zuständig-
keit entschieden werden können.

Als dieses Problem im Konvent erörtert wurde, war es
nicht möglich, dass die deutschen Konventsdelegierten
– in Kenntnis der Position der Bundesregierung; ich
glaube, sie ist vom Grundsatz her von der unseren gar
nicht so weit entfernt – einen gemeinsamen Brief an den
Vorsitzenden des Konvents Giscard d’Estaing schreiben,
in dem gestanden hätte: Wir treten dafür ein, dass die
Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, den Zugang der Zu-
wanderer zu ihrem Arbeitsmarkt selbst zu regeln, von
den übrigen Regelungen unberührt bleibt.

Die jetzt vorgesehene Einstimmigkeit ist im Grunde
genommen nur die zweitbeste Lösung. Sie bedeutet, dass
in Zukunft alle 25 Mitgliedstaaten ein Vetorecht haben,
mit dem sie verhindern können, dass im Ministerrat Ent-
scheidungen getroffen werden, die gegen die eigenen In-
teressen gerichtet sind. Meine Befürchtung ist: Diese
Regelung wird im besten Fall dazu führen, dass gar
nichts geregelt wird, und sie wird nicht dazu führen, dass
etwas wirklich gut geregelt wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505304100


Herr Kollege Altmaier, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Müller?


Peter Altmaier (CDU):
Rede ID: ID1505304200

Bitte, mit dem gleichen Vergnügen.

Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1505304300

Herr Altmaier, wir haben hier in dieser für Deutsch-

land so zentralen Frage der Regelung der Zuwanderung
Übereinstimmung zwischen Opposition und Bundesre-
gierung festgestellt. Wie erklären Sie angesichts dessen,


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Dass es noch kein Zuwanderungsgesetz gibt!)


dass die Position, die Sie vertreten und die hier mittler-
weile auf Zustimmung stößt, bei der entscheidenden
Debatte im europäischen Konvent vom Vertreter der
Bundesregierung nicht in einem Änderungsantrag einge-
bracht wurde, obwohl ein entsprechender Änderungsan-
trag des Bundesaußenministers mir heute – nachdem der
Gipfel getagt hat und sämtliche Beschlüsse gefasst wor-
den sind – im Internet überraschenderweise zugänglich
war?

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(C (D Herr Abgeordneter Müller, ich habe heute Morgen in inem Interview im Deutschlandfunk gehört, wie die raktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen verucht hat, die Position der Koalition zu den anstehenden aushaltsberatungen zu erklären. Das war bereits chwierig genug. Ich bitte deshalb um Verständnis dafür, ass ich mich darauf beschränke, die Position von CDU nd CSU zu erklären. Unsere Position war in den Konventsberatungen von nfang an sehr klar. Wir waren bereit, Europa in allen ereichen zu stärken. Wir waren bereit, weitestgehend u Mehrheitsentscheidungen überzugehen, waren aber er Auffassung, dass in dem zentralen Bereich der Zuanderung zum Arbeitsmarkt weiterhin die nationale uständigkeit gewahrt werden sollte. Herr Kollege Altmaier, es gibt eine weitere Zusatzrage des Abgeordneten Schily. – Bitte. Herr Kollege Altmaier, zunächst einmal freue ich ich darüber, dass wir da vom Grundsatz her offenbar bereinstimmung haben. Alles andere wäre von der Sahe her auch gar nicht plausibel zu machen. Aber ist icht doch die Erklärung des Herrn Bundeskanzler „Beor wir zur Mehrheitsentscheidung übergehen, müssen ir uns erst einmal darüber verständigen, wie in Zukunft m europäischen Rahmen Zuwanderungs-, Asylund lüchtlingspolitik gestaltet werden soll“ die richtige Einassung dazu? Können wir nicht erst dann zu den richtien Entscheidungen im Rahmen der Verfassung komen? Herr Bundesinnenminister, Sie werden mir sicherlich arin zustimmen, dass die Erklärungen des Bundeskanzers zwar von Bedeutung sind – wir alle hören sie auch ern –, aber weder rechtsverbindlich sind, noch irgendetas an den konkreten Beratungen des Konvents ändern. eshalb wird es darauf ankommen, dass wir in den verleibenden 14 Tagen – heute Mittag tagt das Präsidium, m 4. Juli werden wir im Plenum des Konvents diskutieen – mit Unterstützung der Bundesregierung in den öfentlichen Debatten im Konvent klar machen, dass dies in ganz wichtiges Anliegen ist, das wir durch geeignete egelungen sichergestellt haben möchten. Auf Erklärunen verlasse ich mich da lieber nicht. (Beifall bei der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist bei diesem Bundeskanzler auch vernünftig!)

Peter Altmaier (CDU):
Rede ID: ID1505304400
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505304500
Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1505304600
Peter Altmaier (CDU):
Rede ID: ID1505304700

Wir werden im Konvent noch zwei oder drei Wochen
ang über die letzten Einzelfragen zu reden haben. Es
ind wichtige Einzelfragen. Es geht nicht nur um Zu-
anderung. Es geht auch um viele andere Fragen zur
bgrenzung der Kompetenzen zwischen der europäi-
chen und der nationalen Ebene. Wir alle werden gut da-
an tun, gemeinsam daran zu arbeiten, dass das Ergebnis,






(A) )



(B) )


Peter Altmaier
das am 10. Juli vorliegen wird und am 18. Juli der italie-
nischen Präsidentschaft übergeben werden wird, so aus-
fällt, dass wir eine Tradition in diesem Haus fortsetzen
können, die wir in den 60er-Jahren begründet haben,
nämlich dass alle wesentlichen Zukunftsentscheidungen
zu Europa von allen demokratischen Parteien in diesem
Hause gemeinsam getragen werden. Für dieses Ziel
lohnt es sich, zu arbeiten. In diesem Sinne wünsche ich
uns allen einen erfolgreichen Verlauf der nächsten Wo-
chen im europäischen Konvent.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505304800


Das Wort hat der Staatsminister für Europa Hans
Martin Bury.


Hans Martin Bury (SPD):
Rede ID: ID1505304900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Europa wagt mehr Demokratie – so könnte man die Ar-
beit des Konvents, seine Ergebnisse und deren Auf-
nahme beim Gipfel in Thessaloniki in einem Satz zu-
sammenfassen. Europa bekommt eine Verfassung.
Auch wenn uns das nach den langen und intensiven Be-
ratungen im Plenum des Deutschen Bundestags und im
Europaausschuss schon fast selbstverständlich erscheint,
so ist es am Beginn dieses Beratungsprozesses keines-
wegs eine Selbstverständlichkeit gewesen. Denken Sie
an Großbritannien! Die Briten kennen im eigenen Land
keine geschriebene Verfassung und mussten sich mit
dem Gedanken an eine geschriebene europäische Verfas-
sung erst anfreunden. Auch in Deutschland gab es vor
wenigen Jahren noch kaum jemanden, der das Projekt ei-
ner europäischen Verfassung für mehr als eine kühne
Vision gehalten hätte.

Jetzt wird diese Vision Realität. Europa wird hand-
lungsfähiger, transparenter und damit bürgernäher. Im
Verfassungsentwurf werden nicht nur die grundlegenden
Werte und Ziele der Europäischen Union, sondern auch
die Regeln und Prinzipien ihres Handelns beschrieben.
Diese für die Bürgerinnen und Bürger wesentlichen Teile
würden sogar den Jack-Straw-Test bestehen. Der briti-
sche Außenminister hat als Kriterium für eine gute Ver-
fassung einmal genannt, dass sie in seine Hemdtasche
passen muss.

Auch wenn wichtige Themen, die im dritten Teil ge-
regelt werden, in den abschließenden Beratungen des
Konvents noch sorgfältiger Verhandlung bedürfen, kön-
nen wir heute feststellen: Deutschland hat im Konvent
zentrale Anliegen durchsetzen können. Am vordring-
lichsten für uns war, dass mit dem Verfassungsentwurf
die Voraussetzung für die erfolgreiche Erweiterung der
Europäischen Union geschaffen und die Handlungs-
fähigkeit Europas auch bei 25 und mehr Mitgliedern der
EU gewährleistet wird. So kann die Erweiterung und da-
mit die endgültige Überwindung der Teilung Europas
jetzt zu einem guten Abschluss gebracht werden.
Deutschland hat als Land in der Mitte Europas daran ein
besonderes Interesse.

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(C (D Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in eutschland gute Erfahrungen damit gemacht, Entscheiungen möglichst nahe an den betroffenen Bürgern und nternehmen treffen zu lassen. Bürgernahe Entscheiungen und die Lösung lokaler und regionaler Probleme irekt vor Ort sind ein Schlüssel für die Erfolgsgechichte der deutschen Nachkriegsdemokratie und ihre reite Akzeptanz. Im Verfassungsentwurf wird das Subidiaritätsprinzip auch in Europa gestärkt. Es wird ein ntsprechendes Frühwarnsystem geben und für beide ammern der nationalen Parlamente ein Klagerecht bei erstößen gegen das Subsidiaritätsprinzip, damit auf euopäischer Ebene nur solche Entscheidungen getroffen erden, die nicht auf nationaler oder lokaler Ebene beser getroffen werden könnten. Entsprechend positiv ist die Aufnahme des Entwurfs ei den Ländern, jedenfalls bei den meisten. Der bayeriche Ministerpräsident kritisierte, dass die neue Verfasung die Hoheitsrechte der Länder missachte und ein ntschiedenes Bekenntnis zur christlichen Staatsauffasung fehle. Das klingt wie Stoiber. Die zitierte Kritik tammt allerdings vom bayerischen Ministerpräsidenten es Jahres 1949 und galt dem Entwurf des Grundgesetes, dem die Mehrheit der CSU-Vertreter im Parlamentaischen Rat die Zustimmung verweigerte. Es heißt ja, eine Damen und Herren, in Bayern gingen die Uhren nders. Mir scheint, bei einigen dort ist die Uhr längst tehen geblieben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das ist ja eine Wahrnehmung! – Günter Gloser [SPD]: Nur bei einigen!)


Meine Damen und Herren, wer unterschiedliche Tra-
itionen und Vielfalt in Europa bewahren will, muss
um Kompromiss bereit sein. Entscheidend für mich ist
icht, ob eine Verfassung alle Partikularinteressen voll-
tändig berücksichtigt – diesen Anspruch kann keine eu-
opäische Verfassung erfüllen –, sondern ob sie zwei ent-
cheidenden Kriterien genügt: Sie muss eine Verfassung
er Bürger und eine Verfassung für die Bürger sein.
Eine Verfassung der Bürger ist der vorliegende Ent-
urf, weil er das Ergebnis einer lebendigen Diskussion
n einem Konvent ist, der die innere Vielfalt der Mit-
liedstaaten widerspiegelt. Das Ergebnis geht weit über
as hinaus, was in Regierungskonferenzen zuvor jemals
rreicht wurde. Die Konventsmethode hat sich bewährt
nd soll daher auch für künftige Reformen genutzt wer-
en.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Dann könnten wir ja die Parlamente abschaffen!)


Herr Kollege Müller, es gehört ja zur Stärke des Kon-
ents, dass neben Regierungsvertretern und Vertretern
er Kommission Parlamentarier sowohl der nationalen
arlamente als auch des Europaparlaments an diesen Be-
atungen beteiligt wurden. Insofern geht Ihr Zwischenruf
öllig in die Irre.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Staatsminister Hans Martin Bury
Eine Verfassung der Bürger ist der Entwurf auch, weil
er auf bewährte Selbstregulierungsmechanismen entwi-
ckelter europäischer Gesellschaften vertraut. Er ist Aus-
druck und Spiegelbild der Zivilgesellschaften der Mit-
gliedstaaten und verschafft diesen neue Freiräume auf
europäischer Ebene.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505305000


Herr Kollege Bury, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Müller?


Hans Martin Bury (SPD):
Rede ID: ID1505305100

Aber ja.

Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1505305200

Herr Staatsminister, bei der Betrachtung des Kon-

vents haben Sie zu Recht darauf hingewiesen, die natio-
nalen Parlamente sollten dort vertreten sein. Könnten Sie
dem Hohen Haus mitteilen, welches Mitglied des Deut-
schen Bundestages Vollmitglied – mit vollem Stimm-
und Sprechrecht – des 105-köpfigen Konvents war?


Hans Martin Bury (SPD):
Rede ID: ID1505305300

Herr Kollege Müller, ich habe nicht darauf hingewie-

sen, dass die nationalen Parlamente im Konvent vertre-
ten sein sollten, sondern darauf, dass Parlamentarier im
Konvent vertreten sind und sogar die Mehrheit der Mit-
glieder des Konvents stellen. Der Deutsche Bundestag
hat entschieden, als Vertreter des deutschen Parlaments
den Kollegen Jürgen Meyer und als seinen Stellvertreter
den Kollegen Altmaier, den wir gerade gehört haben, zu
entsenden. Als föderaler Staat haben wir darüber hinaus
als Vertreter des Bundesrates Herrn Ministerpräsidenten
Teufel und als seinen Stellvertreter Herrn Minister
Gerhards in diesem Verfassungskonvent gehabt. Sie ha-
ben mit den Vertretern der Bundesregierung sehr inten-
siv und konstruktiv zusammengearbeitet. Ich glaube, wir
können selbstbewusst miteinander feststellen: Wir haben
bei dieser Zusammenarbeit gemeinsam viel erreicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Aber kein Vollmitglied des Deutschen Bundestages!)


Eine Verfassung für die Bürger ist der vorliegende
Entwurf, weil er die Handlungsfähigkeit der Union nach
außen und ihre Transparenz im Inneren stärkt und damit
die berechtigten Erwartungen der Europäerinnen und
Europäer an das Funktionieren der Union erfüllt. Trans-
parenz nach innen bedeutet, dass die Union durch die ge-
plante Verfassung bürgernäher wird. Die Anzahl der
Rechtsinstrumente wird verringert und sie werden den in
den Mitgliedstaaten vertrauten angenähert. Damit wer-
den die Entscheidungsverfahren nachvollziehbar. Es
wird klar, wer was entscheidet – ein wichtiges Element,
um der verbreiteten Skepsis zu begegnen, die nicht zu-
letzt auf mangelnder Transparenz beruht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Stärkung
der außenpolitischen Handlungsfähigkeit Europas kön-
nen wir darauf bauen, dass sich ein gemeinsames euro-

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(C (D äisches Bewusstsein und ein abgestimmtes Handeln der uropäischen Zivilgesellschaften im Bereich der Außenolitik bereits entwickeln. Wir haben das in der Auseinndersetzung um den Irakkonflikt in eindrucksvoller eise erlebt. Der Verfassungsentwurf gibt uns jetzt erste nstrumente in die Hand, den Wunsch der Bürgerinnen nd Bürger Europas nach einer Stärkung des gemeinsaen außenpolitischen Handelns Europas schrittweise mzusetzen. Durch die Schaffung des Amts eines europäischen ußenministers geben wir der europäischen Außenpoliik ein Gesicht. Damit die gemeinsame europäische ußenpolitik auch mit einer Stimme sprechen kann, rauchen wir darüber hinaus eine Ausweitung von Entcheidungen mit qualifizierter Mehrheit, auch und geade im Bereich der Außenund Sicherheitspolitik. och scheinen einige Partner nicht so weit zu sein. Ich age: „Noch nicht“, weil ich sicher bin, dass sich schritteise die Erkenntnis durchsetzen wird, dass ein Europa it 25 und mehr Staaten bei Beibehaltung des Vetoechts jedes einzelnen Mitgliedstaates den Erwartungen einer Bürgerinnen und Bürger auf Dauer nicht gerecht erden könnte. Auch die Fähigkeit Europas zur Durchsetzung seiner icherheitspolitischen Interessen muss verbessert weren. Europa hat deshalb mit der Ausarbeitung einer icherheitsstrategie begonnen, deren erster Entwurf in hessaloniki vorgestellt wurde. Auf Grundlage der speifischen europäischen Erfahrungen sieht sie ein breites pektrum möglicher Maßnahmen vor: von der Ausweiung der Zone der Sicherheit und Stabilität in Europa ber die Stärkung der internationalen Ordnung bis hin zu iner möglichst frühen Bekämpfung konkreter Bedroungen mit den jeweils am besten geeigneten Mitteln. ilitärische Gewalt kann dabei nur das letzte Mittel ein. Europas Außenpolitik kann in Krisensituationen je och nur dann erfolgreich sein, wenn wir in der Lage ind, unsere Forderungen notfalls mit einer Androhung nd im Extremfall, im letzten Fall, auch mit dem Einsatz ilitärischer Gewalt durchzusetzen. Europa muss desalb auch seine militärischen Fähigkeiten ausbauen. ichtig ist daher, dass im Bereich der europäischen icherheitsund Verteidigungspolitik das Instrument er verstärkten Zusammenarbeit genutzt werden kann nd eine Avantgarde der Mitgliedstaaten die Möglicheit erhält, die Integration auch in diesem Bereich voranutreiben: nicht als Closedshop, nicht als exklusiver Proess, sondern in einem offenen Prozess, an dem sich alle eutigen und alle zukünftigen Mitgliedstaaten der Euroäischen Union beteiligen können, nicht gegen die ATO, sondern zur Stärkung des europäischen Pfeilers er transatlantischen Partnerschaft. Meine Damen und Herren, Europa ist dort stark, wo ie Integration bereits fortgeschritten ist, etwa im Beeich der Handelsund Währungspolitik und beim Binenmarkt. Hier spüren die Bürgerinnen und Bürger nmittelbar, dass Europa funktioniert. Der Verfassungsntwurf ist ohne Zweifel ein Kompromiss, aber ein, wie ch meine, guter Kompromiss und auf jeden Fall ein ge Staatsminister Hans Martin Bury waltiger Schritt nach vorn, ein Schritt, der vor wenigen Jahren kaum vorstellbar gewesen wäre. Er ist aber vor allem nicht der Endpunkt der europäischen Integration, sondern der Rahmen für die erfolgreiche Entwicklung der Europäischen Union, die auch in Zukunft weiter zusammenwachsen muss und weiter zusammenwachsen wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505305400


Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gerd Müller,
CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1505305500

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Wenn diese Verfassungsdebatte von historischer
Bedeutung sein soll, dann muss dieses Parlament sie
auch ernst nehmen. Dazu müsste – so sollte man anneh-
men – der Vertragstext, über den wir diskutieren, den
Abgeordneten des Deutschen Bundestages vorliegen.
Das ist aber eine falsche Annahme: Keinem Mitglied des
Hauses liegt der Text, über den wir reden, vor.

Meine Damen und Herren, der Bundesaußenminister
nimmt dieses Parlament nicht ernst. Wir haben gestern
eine Schlussdebatte über die Ergebnisse des europäi-
schen Gipfels am Wochenende und über den europäi-
schen Verfassungsvertrag geführt. In dieser Debatte
hieß es, in der Juli-Sitzung seien nur noch technische
Veränderungen nötig. Es war nicht, Herr Bundesaußen-
minister, von den 57 Änderungsanträgen die Rede, die
Sie in der Nacht via Internet für die Konventsitzung ein-
gebracht haben.

Mit dem Inhalt dieser Änderungsanträge bestätigen
Sie in vielen Punkten den Kurs unserer Partei: Sie grei-
fen die Koordinierung der Wirtschaftspolitik auf, Sie
stellen den Antrag, die Zuwanderung in der Kompetenz
der Mitgliedstaaten zu belassen, Sie stellen einen Antrag
zum Thema Kernenergie usw. Ich stelle mir die Frage:
Warum sind Sie nicht zu dem Zeitpunkt aktiv geworden,
als die Themen im Konvent verhandelt wurden und als
noch etwas zu bewegen war? Was Sie jetzt machen, ist
Schaumschlägerei.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505305600


Herr Kollege Müller, gestatten Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Lührmann?


Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1505305700

Ja, bitte.

Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505305800

Herr Müller, wenn ich mich richtig entsinne, dann

waren Sie gestern bei der Sitzung des Europaausschus-
ses anwesend. Wenn ich mich weiter richtig entsinne,
dann lag in dieser Sitzung der Entwurf für die europäi-
sche Verfassung vor uns auf dem Tisch. Ich gehe davon

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(C (D us, dass die Mitglieder des Europaausschusses Bundesagsabgeordnete sind. Daher möchte ich Sie fragen, wie ie zu dem Schluss kommen, dass keinem Mitglied diees Hauses der Entwurf für eine europäische Verfassung orliegt. (Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Das hat er gar nicht gesagt!)



Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1505305900

Der Verfassungsvertragsentwurf, wie er in Thessalo-

iki behandelt wurde, liegt den Mitgliedern des Deut-
chen Bundestages einschließlich mir nicht vollständig
or.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, der ent-

cheidende Bereich III, in dem es um die Kompetenz-
estlegung geht, soll im Juli noch einmal verhandelt wer-
en. Dazu liegen die 57 Änderungsanträge vor. Die
taats- und Regierungschefs hingegen haben gesagt, es
ehe nur noch um technische Veränderungen.
Ich wiederhole meine Feststellung: Wenn es ein histo-

ischer Vertrag sein soll, muss man anders miteinander
iskutieren. Wir wollen über die Inhalte diskutieren.
Das jetzt vorliegende Ergebnis ist ambivalent. Wir se-

en die vielen positiven Vorstöße und Vorschläge von
errn Teufel, Herrn Altmaier, unseren Vertretern im
onvent. Sie finden Anerkennung. Die Weiterentwick-
ung zur doppelten Mehrheit, die Reform des Minister-
ats, das Subsidiaritätsprinzip, das sind wichtige und
ichtige Punkte. Aber – Herr Teufel, ich greife gerne auf,
as Sie in Ihrer Rede gesagt haben – die Allzuständig-
eit der Europäischen Union war in der Vergangenheit
as Hauptärgernis. Dies war auch der Auslöser, den Auf-
rag zu einer klaren Kompetenzabgrenzung zu geben:
as macht zukünftig Brüssel, was macht Stuttgart und
as macht Berlin, wo liegen die Zuständigkeiten?
In dieser Frage der Kompetenzabgrenzung ist der

ntwurf absolut nicht befriedigend. Es wird jetzt eine
eue Aufteilung geben – Sie haben das dargestellt –:
usschließliche und geteilte Zuständigkeiten, koordinie-
ende Funktion, Unterstützungs- und Ergänzungsfunk-
ionen; kaum noch Durchsicht, kaum noch Transparenz.
ahinter, so sagen Sie, Herr Teufel, stecke das Bundes-
taatsmodell für Europa, ein Aufbau, wie wir ihn in
eutschland kennen. Da frage ich: Was ist bei diesem
undesstaatsmodell der konkurrierenden Zuständigkei-
en in Deutschland den Landtagen noch verblieben außer
em Erziehungs- und Unterrichtsgesetz? Ich meine nicht
ie Landesregierungen – Sie verstehen mich –, sondern
ie Landtage.
So wird auch der Prozess in Europa angelegt. Wir
erden uns in fünf Jahren fragen: Was bleibt bei diesem
odell in Zukunft noch der Ebene der nationalen Parla-
ente? Die Länder, in Deutschland die Bundesländer,
aben relativ gut abgeschnitten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Abgren-

ung der Zuständigkeiten war eigentlich der Kernpunkt.
rsprünglich sollte – auch das wurde hier angespro-
hen – die Ermächtigungsklausel abgeschafft werden.






(A) )



(B) )


Dr. Gerd Müller
Eingeführt wurde aber eine Supergeneralklausel, die
Herr Bundesaußenminister Genscher in einem Ände-
rungsantrag herauszubringen versucht.


(Peter Hintze [CDU/CSU]: Fischer! – Dr. Werner Hoyer [FDP]: Schön wär’s!)


– Bundesaußenminister Fischer, ja. Ich denke bei Europa
natürlich an die großen deutschen Außenminister wie
Hans-Dietrich Genscher, Klaus Kinkel und andere.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Da fällt mir natürlich weder im Unterbewusstsein noch
im Bewusstsein Joschka Fischer ein.

Wir alle sind angeblich gegen eine europäische
Steuer. Dennoch bekräftigen wir die entsprechende
Rechtsgrundlage.

Europa soll sich auf das Große beschränken und den
Mitgliedstaaten die Regelung der Details überlassen.
Das war immer unsere Vorgehensweise. Der neue Ver-
fassungsvertrag schafft neue Zuständigkeiten für die
Europäische Union – damit mich jeder richtig versteht:
das kann man wollen, aber man muss wissen, über was
man entscheidet; natürlich kann man diesen Weg gehen,
aber man muss auch wissen, wohin er führt – in den Be-
reichen Gesundheitspolitik, berufliche Bildung, Jugend-
politik, Sport, Kultur, Zivilschutz, Energiepolitik, For-
schungspolitik, Innen- und Justizpolitik, Koordinierung
der Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie neue Zustän-
digkeiten in Bezug auf die Zuwanderung in die EU.

Da stellt sich natürlich die Frage: Was bleibt über-
haupt noch in nationaler oder in Länderkompetenz? Ich
sehe überhaupt keinen Bereich mehr, in dem es Kompe-
tenzen ausschließlich der Mitgliedstaaten und der Län-
der gibt. Das heißt, in Zukunft wird es keinen Politikbe-
reich mehr geben, in dem die Europäische Union nicht
mitentscheidet und Kompetenz hat. Das kann man zwar
wollen – aus der Sicht von Brüssel ist das vielleicht der
richtige Weg –, aber es ist der Weg in Richtung Zentrali-
sierung der Entscheidungsebenen. Wir sind für einen
Weg der klaren Abgrenzung und für einen Weg des Fö-
deralismus, der der Zentralisierung entgegensteht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Für mich ist wichtig, noch auf einen weiteren Punkt

hinzuweisen: Die christlichen Grundwerte und der
Gottesbezug fehlen. Die Präambel ist praktisch inhalts-
und wertlos. Jean Monnet hat einmal gesagt, dass er die
Kultur in den Vordergrund stellen würde, wenn er heute
noch einmal mit der europäischen Einigung beginnen
würde. Nur durch die Bezugnahme auf die Wurzeln der
christlich-abendländischen Kultur, die Kultur der An-
tike, der Römer, der Griechen, des Judentums, sowie
durch den Bezug auf den Humanismus und auf Gott be-
kommen wir ein inhaltliches Fundament für die europäi-
sche Einigung und schaffen die Voraussetzungen für die
Gestaltung der Zukunft. Herr Fischer, solange Sie diese
Bezüge auf Gott und auf die christliche Tradition Euro-
pas leugnen, wird Ihnen auch kein großer Schöpfungsakt
gelingen.

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(C (D (Joseph Fischer, Bundesminister: Wer leugnet denn das?)


Die Bundesregierung hat kein Gesamtkonzept, aber
00 Änderungsanträge vorgelegt. Das Gesamtkonzept
urde von der Union vorgelegt. Das Schäuble-Bocklet-
apier wäre der richtige Weg gewesen. Sie verstecken
ich mit Ihren Vorschlägen hinter Frankreich. Sie ma-
hen sich mehr für türkische als für deutsche Interessen
tark.


(Zurufe von der SPD: Oh!)

Natürlich muss die Frage gestellt werden, mit welcher
erechtigung die Türkei an der Regierungskonferenz zur
erabschiedung dieses Verfassungsvertrages teilnimmt.
Wenn wir dieses Projekt auf diese Weise zu Ende

ringen, dann habe ich hinsichtlich der Zuwanderung in
ie EU die Befürchtung, dass der zukünftige Chefaußen-
inister Fischer in Brüssel einen türkischen Zuwande-
ungskommissar aus Ankara benennen wird. Ich will
icht, dass diese Vorstellung in der Europäischen Union
Zukunft wahr wird.


(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Spielen Sie doch nicht auf der Klaviatur des Populismus!)


Nach meinen Ausführungen zur Kompetenzabgren-
ung, zum Wertebezug und Gottesbezug möchte ich
och eine Schlussbemerkung machen: Schaffen wir
irklich mehr Demokratie? Es würde sich lohnen, dazu
ine eigene Debatte zu führen. Ich bin der Meinung, wir
chaffen weniger Demokratie. Mehr Brüssel heißt weni-
er Volksnähe. Wir schaffen die Entparlamentarisie-
ung der Gesetzgebung. Es ist nämlich so, dass das,
as uns an Kontrollmöglichkeiten genommen wird, dem
uropäischen Parlament nicht zufällt. Deshalb sind die
egierungen alle so glücklich mit diesem Vertragsent-
urf. Die Parlamentarier müssen endlich aufwachen und
rkennen: Dieser Verfassungsentwurf bedeutet eine Ent-
achtung der Parlamente.


(Beifall bei der CDU/CSU)

lle Macht der Exekutive! Dies ist eine Exekutivdemo-
ratie. Nein, wir brauchen die Mitsprache und die Kon-
olle der Parlamente im europäischen Bereich. Wir
rauchen sie weiterhin auf nationaler Ebene und auf
andesebene. Wir wollen ein Europa, das das Volk mit-
immt und das sich von unten nach oben föderal und
icht zentralistisch organisiert.
Deshalb setzen wir darauf, im Laufe der nächsten
onate und im Laufe der Regierungskonferenz wesent-
che Änderungen durchzusetzen. Die Schlussbewer-
ng dieses Entwurfes bleibt deshalb offen.
Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505306000


Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege
oschka Fischer.






(A) )



(B) )

Joseph Fischer (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Frau Präsidentin, gestatten Sie mir, dass ich ganz kurz
auf den verehrten Kollegen Vorredner,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Müller heißt er!)

auf Herrn Dr. Müller, eingehe, der es geschafft hat, ein
weiteres Mal das Niveau dieser Debatte weit nach unten
zu drücken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Ich lasse mir vieles gefallen. Nur, dass Sie der Bundes-
regierung vorwerfen – natürlich, ihr habt in Bayern
Wahlkampf –, sie vertrete keine deutschen Interessen,
sondern türkische und verstecke sich hinter Frankreich,
kann ich nicht akzeptieren.

Ich gehe einmal konkret auf das ein, was Sie gesagt
haben, nämlich dass ein möglicher deutscher Kandidat
für die Position des EU-Außenministers einen türkischen
Zuwanderungskommissar benennen würde. Das wollen
Sie nicht. Gestatten Sie mir einen Blick in den Verfas-
sungsentwurf; niemand denkt daran, dieses System zu
ändern! Mit voller Unterstützung Ihrer Parteifreunde, die
das genauso sehen und dies wichtig finden, wird es in
Zukunft so aussehen: Der EU-Kommissionspräsident
wird – Herr Hintze hat das vorhin zu Recht angeführt; er
sieht darin einen großen Demokratisierungsfortschritt;
ich stimme ihm darin zu – im Lichte der Ergebnisse der
Europawahlen vom Europäischen Rat nominiert werden.
Dann wird dieser Kommissionspräsident vom Europäi-
schen Parlament gewählt werden. Dieser Kommissions-
präsident – und nicht der Außenminister – wird dann aus
einem ganzen Paket von Vorschlägen – pro Land drei –
die Kommissare auswählen.

Ich frage mich, warum Sie es nötig haben – der baye-
rische Wahlkampf kann so wichtig auch nicht sein –, in
einer so zentralen historischen Debatte eine solche Ver-
zerrung der Tatsachen zum Gegenstand Ihrer Äußerun-
gen zu machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505306100


Zur Beantwortung hat das Wort der Kollege Müller.


Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1505306200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Niveau

hin oder her: Wir müssen über diese Fragen diskutieren.
Das sind die Fragen, die das Volk interessieren.


(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Sie allenfalls aufhetzen! – Zurufe von der SPD)


Sie können davon ausgehen: Wenn sich der Bundesau-
ßenminister nicht intensiv mit dieser Frage beschäftigt
hätte, hätte er sich jetzt nicht in die Debatte eingeschal-
tet. Ein Kernpunkt ist: Wohin steuert Europa? Wer wird
Mitglied der Europäischen Union?

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(C (D Sie haben uns im Europaausschuss sehr deutlich geagt, dass Sie mit aller Vehemenz den Weg der Türkei in ie Europäische Union befördern und unterstützen weren. Das ist nicht unsere Position. Wir sind der Meinung, ass die Europäische Union mit 25 Mitgliedstaaten vor ine große Herausforderung gestellt ist und dass wir jetzt ine innere Vertiefung vornehmen müssen. Wir müssen ie nächsten zehn Mitgliedstaaten integrieren. Da haben ir ungeheuer viele Aufgaben vor uns. Dann kann es um eitere Schritte gehen. Sie aber haben sich dafür eingeetzt, dass die Türkei ab Oktober Mitglied der Regieungskonferenz mit Beobachterstatus wird. (Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine gemeinsame Entscheidung der europäischen Regierungen! Was Sie sagen, ist Volksverdummung!)


as ist die Vorstufe für eine Mitgliedschaft.
Herr Außenminister, Sie haben sich sehr differenziert
it Ihren zukünftigen und mit Ihren nicht bestehenden
echten als europäischer Außenminister auseinander ge-
etzt. Sie haben sich diese Dinge ganz bewusst zurecht-
eschneidert. Nun kann ich Ihnen sagen: Wenn die Euro-
äische Union die Türkei als europäisches Mitgliedsland
ufnimmt, dann ist sie Mitglied im Europäischen Parla-
ent und dann kann ein griechischer, ein spanischer
der ein italienischer Kommissionspräsident aus dem
weitgrößten Mitgliedsland, aus der Türkei, einen Kom-
issar berufen. Natürlich kann dieser für Zuwande-
ungsfragen zuständig sein. Die Zuwanderungsfragen
er Türkei sind dann gelöst. Denn wenn sie Mitglied ist,
ann sie sich der vollen Freizügigkeit innerhalb der Eu-
opäischen Union bedienen.
Das ist ein Punkt – da danke ich Ihnen für die Inter-

ention –, über den wir mit der Bevölkerung diskutieren
üssen: ob wir diesen Weg gehen wollen. Man kann
iesen Weg ja gehen wollen, so wie Sie. Nur muss man
as dann der deutschen Öffentlichkeit sagen und ein Vo-
um vom Volke dafür einholen, nicht von bürokratischen
tuben der Regierungen.
Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505306300


Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulrike Höfken,
ündnis 90/Die Grünen.


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505306400

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen

nd Kollegen! Ich will gleich mit einem weiteren Ver-
uch des Kollegen Dr. Müller aufräumen, hier Volksver-
ummung zu betreiben. Die Teile I und II der Verfassung
iegen Ihnen vor und lagen in Thessaloniki vor. Die
eile III und IV werden am 10. und 11. Juli abschließend
ehandelt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Haben wir ja doch Recht gehabt!)







(A) )



(B) )


Ulrike Höfken
Der Entwurf liegt Ihnen ebenfalls vor. Hätten Sie Ihren
Kollegen, Ministerpräsident Teufel und allen anderen,
zugehört! Genau das ist die Grundlage unserer heutigen
Diskussion. Daran hat niemand gezweifelt.

Heute können wir wichtige und erfolgreiche Schritte
in der europäischen Entwicklung verzeichnen. Es liegt
das Ergebnis von Thessaloniki inklusive seiner sicher-
heitspolitischen Bereiche vor, die schon diskutiert wur-
den. Vor allem liegen uns der Gesetzentwurf zu dem
Vertrag über den Beitritt von zehn Ländern und der Ver-
trag über eine europäische Verfassung vor. Das alles ist
– das muss man deutlich sagen – keine Selbstverständ-
lichkeit, sondern vieler Arbeit der Beteiligten im Kon-
vent zu verdanken, insbesondere der deutschen Bundes-
regierung, die dieses Ergebnis von Thessaloniki mit
zustande gebracht hat.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Eine Selbstverständlichkeit ist es im Übrigen auch
nicht, dass heute der Beschluss des Agrarministerrates
zur Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik zustande
gekommen ist – ebenfalls eine zwingende Voraussetzung
für die Osterweiterung und die weitere Entwicklung der
Europäischen Union.

Nicht alle unsere Ziele hat der Konvent erfüllt. Schon
lange laufen die Anstrengungen, die EU-Agrarpolitik
nachhaltiger, marktgerechter usw. zu gestalten. Aber es
ist unsinnig, unrealistisch, undemokratisch und auch
fortschrittsfeindlich, zu verkennen, dass es unterschiedli-
che Positionen bisheriger und künftiger Mitgliedsländer
gibt, und diese zu ignorieren.

Ein gemeinsames Ergebnis muss tragfähig sein und
getragen werden. Am Konvent waren – das ist bereits
deutlich gemacht worden – 28 Regierungen, nationale
Parlamente, EU-Parlament und -Kommission beteiligt,
ebenso übrigens auch die Türkei – ohne irgendeinen
Konflikt.

Ich bin sehr beeindruckt von der Leistung der Bei-
trittsländer, die die Voraussetzungen für den Beitritt mit
seinen scharfen Kriterien erfüllt haben, und von ihren er-
folgreichen Referenden. Die bedeuten nämlich auch,
dass die Länder ihre Bevölkerungen in diese Diskussion
einbezogen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir sollten das als Ansporn und Verpflichtung nehmen,
unsere Bevölkerung ebenfalls für Europa und die euro-
päischen Entwicklungen zu sensibilisieren und aktiv da-
für zu werben.

Angesichts der auch in unserer Nähe weiter stattfin-
denden Terroranschläge und Kriege ist die Sensibilität
gewachsen. Die Sicherheit und der Frieden Europas sind
Grundvoraussetzungen und Grundmotivation. Ich darf
gleich noch einmal auf den Punkt Türkei eingehen.

Es gilt natürlich auch, die Ängste der Menschen ernst
zu nehmen – aber nicht, sie zu schüren – und eine Ein-
heit in Vielfalt zu unterstützen, die Fragen der Erweite-

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(C (D ung und des Europas der Bürger aufzunehmen und zu iskutieren. Insbesondere bei meinen Besuchen in den eitrittsländern sehe ich natürlich, dass die Sorgen in der ändlichen Bevölkerung sehr ausgeprägt sind. Das verindet sich sehr stark mit der Agrarpolitik. Insofern will ch doch noch auf den Agrarkompromiss von heute acht eingehen. Ich will in allererster Linie der Ministerin Künast da ür danken, dass sie diesen Verhandlungsmarathon erolgreich beendet hat und dass sie dabei eine sehr erfolgeiche Vermittlerrolle gespielt hat. Übrigens bleibt es in iesem Bereich beim Erfordernis der Einstimmigkeit. aran sieht man, dass die Agrarpolitik mit der Außenpoitik und der Wirtschaftspolitik schon lange sehr stark erbunden ist. Hier gilt das, was überall gilt: Die Politik uss gemeinsam getragen werden. Zu dem Kompromiss insgesamt muss man sagen, ass viele von Deutschland eingebrachte Elemente realiiert wurden. Diese Elemente bilden eine Säule der weieren EU-Entwicklung. Dazu gehört, dass der Prozess fianzierbar ist, dass die WTO-Kompatibiliät erreicht urde und dass ländliche Räume stärker unterstützt weren. Das gilt insbesondere für Beitrittsländer wie Polen, ukünftig aber auch für Rumänien, das über einen hohen nteil an ländlichen Räumen verfügt. Durch die Vermeiung von Überschussproduktionen wurde für mehr arktgerechtigkeit gesorgt. Nachhaltigkeit, Verbrauherund Tierschutz sind ebenfalls Elemente, die erfolgeich einbezogen und umgesetzt werden konnten. Ich verhehle nicht, dass es noch eine ganze Reihe von roblemen gibt, die aber einen anderen Stellenwert haen und zum allergrößten Teil aus alten Beschlüssen reultieren. Die für die neuen Beitrittsländer erreichten bergangsregelungen sind zu implementieren und weren erfolgreich sein. Auf der jetzt geschaffenen Grundlage kann Europa eiter ausgebaut werden. Das gilt für Bulgarien und umänien, die 2007 beitreten sollen. Die Wirtschaftsreormen, die Justizreformen und die Reformen der öffentichen Verwaltung haben Priorität. Im Dezember dieses ahres wird der Europäische Rat in Rom die bisher geachten Fortschritte bewerten. Es geht auch um die Westbalkanländer und – das will ch deutlich sagen – die Türkei. Herr Dr. Müller, es ist och verrückt, dieses Thema als deutsche Spielwiese zu etrachten, auf der man den bayerischen Wahlkampf ustragen kann, indem man die Menschen dafür instruentalisiert. (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Das ist ein unglaublicher Vorwurf!)


s geht um die Beschlüsse von Helsinki. Die Türkei ist
in Beitrittskandidat und soll ein ehrliches Angebot er-
alten. Ansonsten würde man die Glaubwürdigkeit aller
uropäischen Regierungen infrage stellen und sie völlig
iskreditieren. Die Türkei entwickelt sich in die richtige
ichtung; sie macht Fortschritte. Sie haben offensicht-
ich etwas dagegen.






(A) )



(B) )


Ulrike Höfken
Für uns ist es selbstverständlich wichtig, dass die
Menschenrechte gewahrt und die Kopenhagener Krite-
rien erfüllt werden.


(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Was diese Entwicklung angeht, kann man sehr positiv
gestimmt sein.


(Zuruf von der CDU/CSU: Da haben wir aber andere Informationen!)


Mit dem Beitritt der Türkei – das ist ganz klar – wird die
EU und insbesondere Deutschland in ökonomischer und
sicherheitspolitischer Hinsicht gewinnen. Diesen Pro-
zess darf die Union nicht gefährden; das dürfen auch Sie
im bayerischen Wahlkampf nicht tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich möchte eine ganz persönliche Bemerkung hinzu-
fügen: Ich sehe enge Verbindungen zwischen der Bevöl-
kerung unseres Landes und jener der Türkei. Auch das
ist für mich ein Grund, diese Verhandlungen zu unter-
stützen.

Ich will noch kurz auf die westlichen Balkanstaaten
zu sprechen kommen. Ich wage keine Vorhersage, wann
sie beitreten werden. Aber allein der Prozess des Bei-
tritts bietet den jungen Menschen, die sich in diesen Län-
dern in einer sehr schwierigen Situation befinden, die
Hoffnung auf neue Perspektiven, die Chance, den Hass
und die Risse zu überwinden. Er bietet die Möglichkeit,
auch auf regionaler Ebene neue Formen der Zusammen-
arbeit und des Zusammenlebens zu entwickeln. Das al-
lein ist es wert, diesen Prozess zu führen.

Die Agenda von Thessaloniki stellt an diese Länder
hohe Anforderungen, die sie erfüllen wollen. Sie ist für
diese Länder eine Chance, aus ihrer jetzigen Situation
herauszukommen.

Ein Schlusssatz.

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505306500


Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist aber überschritten.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505306600

An die CDU richte ich die Aufforderung und die

Bitte, den Ratifizierungsprozess, was die zehn neuen
Beitrittsländer und den vorliegenden Gesetzentwurf an-
geht, nicht zu verhindern und durch unangemessene, for-
male Debatten zu belasten.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Völlig überflüssige Bemerkung!)


Mit der Zustimmung zum Vertrag von Nizza haben Sie
der Übertragung hoheitlicher Aufgaben zugestimmt.
Stimmen Sie in der nächsten Woche der Ratifizierung
zu, in Würde und im Sinne der neuen Beitrittsländer.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


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(C (D Das Wort zu einer Kurzintervension hat der Abgeordete Pflüger. Frau Kollegin Höfken, Sie haben eben die Behaup ung aufgestellt – sie klang bereits eben in den Ausfühungen des Außenministers an –, von unserer Seite erde die Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU nur eshalb kritisch angesprochen, weil es einen Wahlkampf u bestreiten gebe. Ich möchte deutlich machen, dass ieses Thema für uns ein sehr ernstes Anliegen ist und ichts mit Wahlkampfpolemik zu tun hat. Wenn Sie sich die Debatten ansehen, die über dieses hema schon lange vor diesem Wahlkampf geführt wuren, stellen Sie fest, dass es auf unserer Seite immer die olgende Überlegung gab: Für uns ist die Türkei ein norm wichtiger Partner, ein befreundetes Land und ein ATO-Partner, den wir auch in Zukunft dringend benöigen. Wir wollen die Türkei immer enger an die EU heanführen. Ich glaube, darüber gibt es in diesem Haus onsens. Wir kritisieren aber, dass ohne ausreichende iskussion in der Bevölkerung quasi eine grenzenlose U geschaffen wird und wir auf eine Rutschbahn komen, sodass wir keine Chance haben, an irgendeinem unkt vielleicht zu sagen: Wir wollen das nicht. Wenn die Türkei Mitglied der Regierungskonferenz ird, wenn bereits heute quasi feststeht, dass demnächst it der Türkei EU-Verhandlungen aufgenommen weren – darüber haben wir bereits eine Debatte geführt –, enn in dieser Art und Weise an der Bevölkerung vorbei orentscheidungen getroffen werden, dann muss man as mit allem Ernst hier in diesem Parlament ansprehen. Wir sagen nicht, dass die Türkei für alle Zeit nicht ach Europa gehört, sondern wir sagen: Es ist angesichts er Lage in der Türkei, angesichts der Größe und der chwierigkeiten dieses Landes und vor allen Dingen anesichts der enormen Aufgaben, die wir mit dem Beitritt er zehn neuen Staaten und der eventuellen Aufnahme er Balkanstaaten zu bewältigen haben, völlig verfrüht, n Sachen Türkei schon jetzt vollendete Tatsachen zu chaffen. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Angelica Schwall-Düren [SPD]: Lassen Sie die Unterstellungen, Herr Pflüger!)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505306700
Dr. Friedbert Pflüger (CDU):
Rede ID: ID1505306800

Jetzt sagen Sie: Es sind ja keine vollendeten Tatsa-
hen. Dazu sagen wir Ihnen: Wenn Sie die Türkei an der
egierungskonferenz beteiligen,


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Gibt es keinen Weg zurück!)


enn Sie die Verhandlungen wegen der Aufnahme in die
uropäische Union beginnen, werden Sie irgendwann
ur mit größten Kosten diese Rutschbahn in Richtung
ollmitgliedschaft beenden können. Wir fordern, dass
an solche weit reichenden Entscheidungen, bevor man
ie trifft, mit der Bevölkerung diskutiert; denn eine euro-
äische Verfassung muss von der Bevölkerung getragen






(A) )



(B) )


Dr. Friedbert Pflüger
werden und dann muss man auch über die Grenzen der
EU ein offenes Wort miteinander sprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505306900


Das Wort zur Beantwortung hat Frau Kollegin
Höfken.


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505307000

Herr Kollege Hintze, ich glaube, Sie konnten bei mir

und bei anderen die Interpretation nicht entkräften, dass
Sie den Beitritt der Türkei für Wahlkampfzwecke in-
strumentalisieren.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Entschuldigung, das war Herr Pflüger!)


Das ist doch verrückt angesichts der Situation, dass die
Türkei schon 1963 das erste Angebot erhalten hat, der
EU


(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Da hatten wir noch keine EU!)


– damals der EG, ich weiß – beizutreten. Über diesen
Prozess wird mit Fug und Recht schon seit vielen Jahren
diskutiert. Ich bin nicht die Türkeiexpertin, aber ich
frage Sie – viele Menschen in unserem Land fragen sich
das auch –: Was passiert, wenn Sie der Türkei nach die-
sem Prozess über so viele Jahre hinweg jetzt Nein sagen
und ihr dieses Angebot, das ein ehrliches Angebot sein
muss, verweigern, wenn sie – es gibt keinen Automatis-
mus – alle Kriterien erfüllt?


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Dann können Sie das der Ukraine, Israel und Marokko auch nicht verweigern!)


Das ist ein sicherheitspolitisches Risiko. Wir treiben ein
Land in eine Situation, die uns allen schaden wird und
die zu einem Ungleichgewicht und zu einer Gefährdung
der Stabilität führen wird. Das finde ich unverantwort-
lich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505307100


Das Wort hat der Bundesaußenminister Joschka
Fischer.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505307200

Meine Damen und Herren von der Opposition, so wie

Sie mit der Türkei-Frage umgehen, kann das nicht ste-
hen bleiben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Carl-Ludwig Thiele [FDP])


– Entschuldigung, ich meine nicht die FDP, ich meine
CDU und CSU. Das war ein richtiger Zwischenruf.

Ich finde es unerträglich, wie Sie mit diesem zentra-
len und wichtigen Thema umgehen. Ich will Ihnen auch

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(C (D agen, warum: Es war nicht eine rot-grüne Bundesregieung, die zu EWG-Zeiten mit dem Assoziationsabkomen Verpflichtungen eingegangen ist. Es war auch nicht ine rot-grüne Regierung, die beim Luxemburger Gipfel 997 die dortigen Beschlüsse mitgetragen hat. Ich habe errn Glos die Beschlüsse, damals noch unter Beteiliung einer CDU/CSU-FDP-Regierung gefasst, einmal orgelesen und ihm aufgezeigt, welche Perspektive dort er Türkei gegeben wurde. Sie sprechen jetzt von Rutschbahn“ und sagen: Es gibt kein Halten mehr bei nderen Beitritten. Ich sage Ihnen: Es ist völlig klar, dass ir aus Ihrer Zeit Verpflichtungen gegenüber der Türkei aben. Das muss man hier einmal klipp und klar festchreiben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Gerd Müller [CDU/ CSU]: Keine Verpflichtung zur Mitgliedschaft!)


ir werden zukünftig in Bezug auf die Außengrenzen
m Zusammenhang mit der Ukraine, mit Moldawien und
or allem mit Weißrussland, was die Polen zunehmend
uf die Tagesordnung setzen werden, vor schwierigen
ragen stehen. Aber dort gibt es keinerlei Verpflichtun-
en, die mit denen vergleichbar sind, die Sie gegenüber
er Türkei eingegangen sind.
Im Zusammenhang mit dem Maghreb stellt sich diese

rage nicht. Das alles weiß der Kollege Pflüger ganz ge-
au.
Gerade die Menschen, die zugewandert sind, hoffen

uf eine Europäisierung der Türkei. Lesen Sie heute in
er „Süddeutschen Zeitung“ einmal den Artikel von
rau Schlötzer. Darin schreibt sie, dass in der Türkei im
ahmen des Beitrittsprozesses, um EU-kompatibel zu
erden, das Verhältnis des Militärs zu den Gesetzen
ehr und mehr im Vordergrund der Debatte stehe, dass
ine Debatte über das Verhältnis zur kurdischen Minder-
eit begonnen habe und das Thema nicht länger tabui-
iert werde und dass die Frage der wirtschaftlichen Re-
ormen angegangen werde. Gleichzeitig stellen Sie sich
in und fordern, dass wir im Kampf gegen den Terroris-
us energischer vorgehen sollen. Ich sage Ihnen: Die
uropäisierung der Türkei wird einer der wichtigsten
eiträge im Kampf gegen den internationalen islamisti-
chen Terrorismus sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP])


Der formidable Herr Müller stellt sich dann hin und
ragt – das muss ich hier in diesem Hohen Hause einmal
uf den Tisch bringen –, was wäre, wenn es einen grie-
hischen Kommissionspräsidenten und gleichzeitig ei-
en türkischen Zuwanderungskommissar gäbe. Ich kann
hnen nur sagen: Das sind primitivste Vorurteile, die Sie
ier vorbringen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP] – Widerspruch bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer
Ich will Ihnen auch sagen, warum. Wenn die Mehrheit
der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und das Eu-
ropäische Parlament einen griechischen Kandidaten als
Kommissionspräsidenten benennen, dann habe ich zu
diesem Mann oder dieser Frau dasselbe Vertrauen wie zu
einem deutschen oder niederländischen Kommissions-
präsidenten oder einem Kommissionspräsidenten aus ei-
nem anderen Land.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP] – Zurufe des Abg. Dr. Gerd Müller [CDU/CSU])


Er wird entweder der Mehrheit der Linken oder der
Rechten angehören – das ist in diesem Zusammenhang
egal – und wird denselben europäischen Verfassungs-
grundsätzen und europäischen Interessen verpflichtet
sein wie alle anderen. Das gilt auch für die Kommissare,


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Also doch ein türkischer Zuwanderungskommissar!)


egal aus welchem Land sie kommen, ob aus Bayern oder
einem anderen Staat.


(Weitere Zurufe des Abg. Dr. Gerd Müller [CDU/CSU] Ich sage Ihnen nochmals, Herr Müller: Das ist primitivstes Niveau. Sie verbreiten aus innenpolitischen Wahlkampfinteressen letztendlich nichts anderes als Vorurteile. Das ist das Gegenteil von dem, was wir in Europa brauchen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP] – Fortgesetzte Zurufe des Abg. Dr. Gerd Müller [CDU/ CSU])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505307300


Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege
Peter Hintze.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Ersparen Sie uns das! – Weiterer Zuruf von der SPD: Si tacuisses! – Gegenruf des Abg. Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Er hat noch gar nichts gesagt!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1505307400

Herr Bundesaußenminister, Sie haben eben in der De-

batte Niveau eingefordert.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Er hat in die Schmutzkiste gegriffen! – Dreckschleuder! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Schauen Sie sich einmal Ihre Finger an!)


Wir bitten Sie herzlich darum, das von Ihnen eingefor-
derte Niveau in dieser Aussprache einzuhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Ich muss Ihnen allerdings sagen: Falls Sie diesen Veruch unternommen haben sollten, sind Sie dabei auf der anzen Linie gescheitert; enn Sie sind hier nicht auf den politischen Punkt eingeangen, der strittig ist, sondern sind in die Rolle gefallen das erheitert das Parlament immer wieder –, in der Sie ebelkerzen in den Raum werfen. Ich will benennen, worum es in der Sache geht. Es eht nicht um die Frage, ob wir eine europäische Strateie für die Türkei brauchen – das hat der Kollege Pflüger ben, wie ich finde, sehr deutlich gemacht –, und auch icht darum, dass die Türkei ein wichtiger Partner ist. Es ing auch im Rahmen der Assoziierung 1963 nicht daum, dass die Türkei Vollmitglied wird. Es geht heute uch nicht darum, dass man über diese Frage nicht so der so sprechen kann. Es geht vielmehr darum, ob wir in der Europäischen nion als Ganzer, in der Bundesrepublik Deutschland nd im Deutschen Bundestag noch die Freiheit haben, ber diese Frage zum rechten Zeitpunkt in Ruhe entcheiden und abwägen zu können, ob die Vollmitgliedchaft der richtige Weg ist oder andere Formen einer enen Partnerschaft. Ohne Ihre Fantasie überstrapazieren u wollen: Es besteht der Wunsch der Ukraine, in die uropäische Union zu kommen. Der italienische Miniserpräsident, der zu unserer Parteienfamilie gehört, hat ie Diskussion angeregt, ob nicht sogar Russland dazuommen soll. Das alles sind Fragen – Sie haben sie nicht ufgeworfen –, die damit im Zusammenhang stehen. Wir können nicht akzeptieren, Herr Bundesaußenmi ister, dass Sie uns hier sagen, es bestehe eine Zwangsäufigkeit und jeder, der das infrage stelle, würde gegen rgendwelche Prinzipien, die in Europa gemeinsam entickelt wurden, verstoßen. So klang es. (Joseph Fischer, Bundesminister: Das ist grotesk! – Gegenruf von der CDU/CSU: Genau so!)


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


(Zuruf von der SPD: Das ist dummes Zeug!)

Wir möchten gerne, dass wir uns in der Europäischen
nion darüber verständigen, wie viel Erweiterung wir
ertragen, was unsere inhaltliche Grundausrichtung ist
nd ob, wann und mit wem was in Zukunft verwirklicht
erden kann. Wir haben die große Frage zu beantwor-
en, was mit den Balkanstaaten wird; Thessaloniki hat
ie aufgeworfen. Das alles sind Dinge, die noch zu ver-
raften und zu überlegen sind. Deswegen bitten wir Sie,
u sachlichen Überlegungen zurückzukommen und hier
einen falschen Popanz aufzubauen.
Ich habe das in meiner Rede angesprochen: Es ist

icht unproblematisch.

(Otto Schily, Bundesminister: Sie stellen sich gegen alle europäischen Regierungen!)

Bitte?


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Minister, Sie dürfen von der Regierungsbank nicht dazwischenrufen!)







(A) )



(B) )


Peter Hintze
– Das stimmt, aber weil der Einwand durchaus interes-
sant war, will ich doch darauf eingehen. Herr Schily, Sie
haben dazwischengerufen, wir würden uns hier gegen
alle europäischen Regierungen stellen. Wenn man mit
den Vertretern der europäischen Regierungen darüber
spricht, wie das in Helsinki beispielsweise bezüglich der
Beschlüsse über den Beitrittsstatus war, dann kann sich
niemand so recht daran erinnern, weil es im Schnellgang
geschah.


(Joseph Fischer, Bundesminister: Oh, waren Sie dabei?)


– Doch, so war es. – Leider beruft sich hier jeder auf den
anderen und es tritt dann ein Automatismus ein, zu dem
wir sagen: Es ist klüger, einen solche Schicksalsfrage
Europas in Ruhe zu beantworten und sich nicht auf einen
Automatismus zu stützen.

Im Übrigen kann uns niemand das Denken und das
Entscheiden abnehmen. Wir erkennen sehr wohl, dass in
unserer Parteienfamilie dazu auch andere Auffassungen
herrschen.


(Joseph Fischer, Bundesminister: So ist es!)

Das ist absolut korrekt. Darüber sind wir uns im Klaren.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505307500


Herr Kollege Hintze, Sie haben für eine Kurzinter-
vention drei Minuten Zeit. Sie sind schon deutlich darü-
ber.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1505307600

Ja, das ist vollkommen zutreffend. Ich komme zum

Schluss.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Ich schließe damit, dass ich die Regierung auffordere,
auch in dieser Frage zur Sachlichkeit zurückzukehren
und uns das Niveau zu bieten, das Sie Ihrerseits von uns
eingefordert haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505307700


Herr Außenminister, Sie können auf diese Kurzinter-
vention antworten.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Das ist aber nicht zwingend!)



Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505307800

Herr Kollege Hintze, zur Richtigstellung: Diesem Be-

schluss haben alle Staats- und Regierungschefs in Thes-
saloniki zugestimmt. Ich füge aus meiner parteipoliti-
schen Sicht hinzu: Leider gehört deren Mehrheit in
Europa heute der EVP-Familie, also der konservativen
Familie, Ihrer Familie, an.


(Zuruf von der CDU/CSU: Gott sei Dank!)

– Sie sagen: Gott sei Dank. – Dieser Beschluss war nur
möglich, weil er einstimmig gefasst wurde, also mit den
konservativen Stimmen.

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(C (D Es geht darum, weiterhin die Entscheidung umzuseten, nach der die Kandidatenländer, die noch nicht beireten werden, also Bulgarien, Rumänien und die Türkei, inen Beobachterstatus haben. Aus diesem Beobachtertatus wird kein Automatismus entstehen. Insofern muss an hier nicht über Automatismus reden. Es gibt verindliche Zusagen aus Helsinki. Wenn die Türkei die ntsprechenden Entscheidungen nicht nur auf dem Paier und mit der Mehrheit im Parlament trifft und sie msetzt, dann werden die Verhandlungen mit ihr begonen. Auf dem Gipfel in Kopenhagen wurde avisiert, dass s nach den Europawahlen in der zweiten Hälfte des Jahes 2004 einen Bericht der Kommission geben soll. Das können Sie beklagen, beweinen oder beschreien. as sind die Fakten, die jeweils einstimmig beschlossen urden, und zwar nicht, weil sie vom Himmel herabfieen oder weil es in Helsinki ein Polarlicht namens Türkei egeben hat und die Staatsund Regierungschefs nicht ussten, was sie da in Kopenhagen und jetzt in Thessaniki beschlossen haben. Nein, dies geschah in vollem ewusstsein. Die Mehrheit der konservativen Staatsnd Regierungschefs, die Ihnen nahestehen, waren geau dieser Überzeugung. Sie klagen hier die Bundesregierung an, wir seien chuld am Untergang des europäischen Abendlandes. as darf doch nicht wahr sein, Herr Hintze. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Abg. Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU] meldet sich zu einer Kurzintervention)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505307900


Das Wort hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.

(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Entschuldigung! Das geht nicht! – Joseph Fischer, Bundesminister: So ist das mit der Präsidentin! Sie entscheidet! – Dr. Gerd Müller [CDU/ CSU]: Es muss eine weitere Kurzintervention zugelassen werden!)


Ich wiederhole: Das Wort hat die Kollegin Dr. Gesine
ötzsch.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Das war eine gute Tat, Frau Präsidentin! – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Dann weisen wir die Vorwürfe des Außenministers mit Abscheu und Empörung zurück!)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1505308000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erst-
als seit ihrem Bestehen droht die Europäische Union
it der Anwendung militärischer Gewalt gegen Län-
er, die Abrüstungsverpflichtungen ignorieren und Mas-
envernichtungswaffen verbreiten.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Frau Präsidentin, endlich haben wir einmal eine interessante Debatte und dann wird sie abgewürgt! – Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Wozu ha Dr. Gesine Lötzsch ben wir denn ein Parlament? – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das ist doch unglaublich!)





(A) )


(B) )



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505308100


Das Wort hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.
Ich sage an dieser Stelle noch einmal: Es gibt keine

Kurzintervention auf eine Kurzintervention.

(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Aber ich wurde persönlich angegriffen!)

Ich möchte nun darum bitten, dass man der Kollegin das
Mikrofon und auch das Wort überlässt.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Mit Verlaub, Herr Fischer, Sie sind kein Edelmann!)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1505308200

Meine Herren, ich möchte Sie bitten, dass ich nun

meine Rede fortsetzen darf.
Der Bundesaußenminister und auch andere Redner

der Grünen haben heute Morgen versucht, uns diesen
Beschluss der EU-Außenminister als mit dem Völker-
recht und der Charta der Vereinten Nationen in Überein-
stimmung stehend zu erklären. Ich muss Ihnen sagen,
Herr Außenminister: Meine Kollegin Petra Pau und
mich haben Sie damit nicht überzeugt.

Der Konvent hat in Art. 3 Abs. 4 des Verfassungsent-
wurfs die strikte Einhaltung des Völkerrechts und die
Wahrung der Grundsätze der UN-Charta beschrieben.
Ich denke, dazu sind auch Sie verpflichtet.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

In dieser Charta ist schon die Androhung von militäri-
scher Gewalt zur Lösung von Konflikten untersagt.
Nach diesen Beschlüssen der Außenminister muss man
den Eindruck gewinnen, dass die Verfassung, bevor sie
überhaupt beschlossen wird, Makulatur ist. Das ist nicht
zu akzeptieren.

Im „Spiegel“ ist eine Umfrage zu genau diesem Be-
schluss der Außenminister veröffentlicht worden:
80 Prozent der Befragten haben erklärt, dass sie diese
von den EU-Außenministern verkündete Gewaltandro-
hungsstrategie strikt ablehnen. Nur eine verschwindende
Minderheit war dafür. Das sollte Ihnen zu denken geben.
Herr Bundesaußenminister, Sie haben damit und auch
mit Ihrer Erklärung von heute Morgen den Eindruck er-
weckt, dass Sie sehr vieles unterschreiben würden, um
bloß den begehrten Posten des europäischen Außenmi-
nisters zu erhalten.

Über den Konvent wurden heute schon viele lobende
Worte geäußert. Die Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne
Kaufmann von der PDS ist Mitglied dieses Konvents.
Ich will sie mit Erlaubnis der Präsidentin kurz zitieren:

Die wichtigsten Fortschritte sehe ich im Bereich der
Demokratie. So sind das Europäische Parlament
und auch die nationalen Parlamente deutlich ge-
stärkt worden.

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(C (D ir von der PDS halten die Einführung eines europäichen Bürgerbegehrens für einen sehr wichtigen chritt. Von daher ist es aus der Sicht der PDS nur folgeichtig, dass die Verfassung durch ein Referendum in llen Mitgliedstaaten der EU bestätigt werden muss. Im Vorfeld des EU-Gipfels spielte auch die Zuwande ung nach Europa eine Rolle. Die Festlegung gemeinsaer Rechtsvorschriften in der Einwanderungsund sylpolitik ist in der EU seit 1999 vorgesehen. Doch egelungen sind bisher unter anderem an der deutschen egierung gescheitert. In Großbritannien hatten einige egierungsvertreter sogar die Idee, Asylsuchende vor en Grenzen der Europäischen Union in geschlossenen agern zu internieren. Dieser Vorschlag ist – gelinde geagt – nicht nur geschmacklos. Er zeigt auch, das die EU ein vernünftiges Konzept im Umgang mit Flüchtlingströmen hat. Wir kritisieren, dass die EU augenscheinlich nicht be eit ist, mehr über die Ursachen dieser Flüchtlingsströme achzudenken. Dies sind Krieg, wirtschaftlicher Niederang und Hunger. Die EU könnte die Ursachen zum Beipiel auch dadurch bekämpfen, dass sie sich gegen ihre igene Agrarlobby durchsetzen und die Einfuhren von andwirtschaftlichen Produkten aus den armen Ländern frikas zumindest erleichtern würde. In Thessaloniki gab es einen Gegengipfel. In den Me ien wurde vor allem über mehrere Hundert Jugendliche erichtet, die Krawalle initiiert haben. Diese Krawalle berdeckten den friedlichen Protest von 50 000 Teilnehern des Gegengipfels. Hunderte von Veranstaltungen, orkshops, Seminare und Jugendcamps fanden statt. Es urde über ein soziales Europa diskutiert. Vorschläge, ie man auch ohne eine EU-Eingreiftruppe Konflikte in ieser Welt lösen könnte, wurden gemacht. Doch die Reierungschefs wollten davon nichts hören. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass iese Krawalle einigen Politikern sehr gelegen kamen, atten sie doch so die Möglichkeit, das Gespräch mit deen, die die Inhalte ihrer Politik kritisch betrachten, zu ermeiden. Norman Mailer schreibt in seinem neuen Buch „Hei iger Krieg: Amerikas Kreuzzug“: Demokratie ist etwas Lebendiges. Sie verändert sich. Sie verändert sich unablässig. Demokratie darf man nicht als etwas Selbstverständliches hinnehmen. Sie ist immer in Gefahr. emokratie ist heute weniger durch Bin Laden als vielehr durch George Bush in Gefahr. Der Präsident der SA hat sein Land in einen dauerhaften Kriegszustand eführt und die demokratischen Rechte seiner Bürgerinen und Bürger dramatisch eingeschränkt. Wir haben arüber viel in den Zeitungen gelesen und Erfahrungsbeichte gehört. Europa darf sich auf diese fatale Logik nicht einlas en. Deshalb, aber nicht nur deshalb fordere ich die Bunesregierung auf, die Zustimmung zu präventiven Abüstungskriegen, die in der EU besprochen wurden, Dr. Gesine Lötzsch zurückzunehmen und nach europäischen Lösungen zu suchen, die außerhalb der Logik von George Bush liegen. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Christoph Zöpel, SPD-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Debatten, an deren Beginn man richtig optimistisch ist, dass der Fortschritt der Aufklärung und der Vernunft wirklich über die bösen Reflexe der europäischen Geschichte siegt. Zu diesen hoffnungsvollen Reden gehörte die des Kollegen Teufel. Herzlichen Dank dafür! In der letzten halben Stunde wird man wieder resignativ, aber man soll das überwinden. (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Das war doch sehr sachlich von uns!)


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])





(A) )


(B) )


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
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Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1505308400

– Auch falsche Argumente können sachlich vorgetragen
werden.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Ist das ein Tabuthema?)


Dann wird man wieder resignativ und sieht, dass die
Aufklärung weiter ihre Aufgaben hat. Ich mache eine
ganz persönliche Bemerkung: Die Aufklärung in der
Formulierung Immanuel Kants in die Präambel zu
schreiben, das wäre mein Vorschlag für einen Zusatz zur
europäischen Verfassung.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb möchte ich noch einmal daran erinnern, was
Europa ausmacht. Europa macht aus, zu überwinden,
dass es Trennungen


(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Richtig!)

aufgrund religiöser Gegensätze gibt,


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Es gibt aber Unterschiede!)


dass es Trennungen aufgrund von Grenzverschiebungen
durch Militärerfolge gibt, und schließlich, dass es Tren-
nungen durch den tragischsten Irrtum der europäischen
Geschichte gibt, nämlich dass völkische, rassistische,
ethnische Kriterien in irgendeiner Weise natürliche
Grenzen zwischen Menschen sein könnten. Dies zu
überwinden ist die Idee Europas.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich bin schon sensibel, wenn ich das Wort Volk höre. Es
hat seine Assoziation zu „völkisch“.


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(C (D (Widerspruch bei der CDU/CSU – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: „Volk“ zu „völkisch“? Unglaublich!)


Herr Kollege Müller, ich sehe es so. Dass Sie es anders
ehen, weiß ich. Ich halte das, was Sie sagen, im euro-
äischen Sinne in der Tat für gefährlich. Damit müssen
ie leben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

CSU]: Das ist unglaublich!)

Gestatten Sie mir einige Bemerkungen zu der Konfe-
enz mit einigen Staaten Südosteuropas in Thessaloniki.
ch sage bewusst Südosteuropa, weil schon die Formu-
ierung „Westbalkan“ ein Teil westeuropäischen Hoch-
uts gegenüber diesen Staaten ist.


(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

er Balkan ist ein Gebirge in Bulgarien. Kroatien als ein
and des Westbalkans zu bezeichnen ist geographisch
twa so richtig, wie Niedersachsen als ein Nordalpen-
and zu bezeichnen.
Der zweite Gesichtspunkt ist, dass von vielen Staaten

esprochen wird. Zumindest mit dem Verfassungsent-
urf haben wir jetzt die Europäische Union der Bürger.
n der Europäischen Union der Bürger sind für mich alle
enschen gleich: gleich vor dem Gesetz, gleich vor der
uropäischen Verfassung. Nur diese Gleichheit garan-
iert ihnen übrigens, dass sie ihre kulturellen Unter-
chiede leben können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


eswegen beachten Sie bitte, bevor wir über diese vielen
taaten – geographisch auch noch falsch bezeichnet –
prechen, die Zahlen der Bürger. 380 Millionen Bürger
at die EU bereits. 70 Millionen sind jetzt dazugekom-
en. Rumänien und Bulgarien werden 30 Millionen
eitere europäische Bürger zu uns bringen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat das beschlossen?)


n den südosteuropäischen Staaten, über die wir reden,
eben noch 25 Millionen Menschen. Das sind so viele
inwohner, wie Nordrhein-Westfalen und Hessen zu-
ammen haben. So viel zur Bevölkerungsdimension des
roblems.
Es gibt historische Verpflichtungen, diese Staaten in

ie Europäische Union aufzunehmen. Diese Verpflich-
ungen erfordern immer wieder zu prüfen, in welcher
orm vor allem die Staaten im Zentrum Europas im Gu-
en wie im Tragischen zum Schicksal anderer europäi-
cher Staaten beigetragen haben. Die Staaten, von denen
ch spreche, wurden über Jahrhunderte von der Republik
enedig, einige Zeit von Frankreich, mehrere Jahrzehnte
on der habsburgischen Monarchie und – schon in der
ragischen Phase des 20. Jahrhunderts – von dem Mittel-
ing zwischen Königreich und Republik, das Italien da-
als war, beherrscht. Diese Staaten sind historisch stär-
er in Europa integriert als manche Staaten am
ördlichen oder westlichen Rand.






(A) )



(B) )


Dr. Christoph Zöpel
Die bestehenden Probleme lassen sich anhand der
Kopenhagen-Kriterien festmachen. Erlauben Sie mir
in diesem Zusammenhang eine prinzipielle Bemerkung.
Es kann keinen Zweifel daran geben, dass diese Krite-
rien auf dem gesamten Territorium der Europäischen
Union gelten müssen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie werden aufgrund der Verfassung auch auf EU-Ebene
gelten. Wie Günter Verheugen immer wieder betont hat,
war das bisher nicht der Fall.

Fraglich ist in diesem Zusammenhang, wie die Krite-
rien zu verstehen sind. Dienen sie zur Abwehr, mit dem
Argument: Weil sie nicht gelten, könnt ihr nicht kom-
men? Oder sind sie ein Instrument, mit dem weitere
Staaten in die Europäische Union hineingeholt werden
sollen? Im Interesse der Menschen in den betreffenden
Staaten und in der Europäischen Union befürworte ich
die zweite Auslegung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ein immer wieder vorgebrachter Einwand lautet: In
diesen Staaten herrschen Schmuggel, Drogenhandel und
Kriminalität. – Schmuggel funktioniert aber vor allem
dort, wo es überflüssige Grenzen gibt. Er wird einge-
stellt, wenn diese Grenzen wegfallen. Wirtschaftskrimi-
nalität auf niedriger Stufe herrscht dort, wo es wegen
mangelnder Integration in übergeordnete Märkte zu we-
nige wirtschaftliche Chancen gibt. Die Lösung des Pro-
blems im Interesse der Menschen dort und in der Euro-
päischen Union besteht in der Integration. Deshalb muss
schnell gehandelt werden.

Ein weiterer Punkt sind die Statusfragen im Zusam-
menhang mit dem Kosovo und mit Albanien. Auch da-
rüber führen wir absurde Debatten. Selbst wenn alle Al-
baner zusammen einen Staat bilden würden – was die
politisch Verantwortlichen nicht wollen –, dann hätte ein
solches Großalbanien Millionen Bürgerinnen und Bür-
ger weniger als Bayern. Über ein Großbayern wird aber
meines Wissens nicht debattiert.


(Heiterkeit bei der SPD)

Fatos Nano, der albanische Ministerpräsident, spricht

zu Recht von fünf Staaten mit sieben Hauptstädten. Das
illustriert das Problem. Ich habe dazu einen klaren Vor-
schlag: Wir sollten einen Beitrittsvertrag für diese Staa-
ten entwerfen. Dann wird nämlich deutlich, was auf bila-
teraler Ebene – zum Beispiel zwischen Serbien und
Montenegro – nicht mehr geregelt werden muss, weil ein
Großteil der Statusfragen bereits durch das europäische
Recht geregelt wird. Das würde diesen Vorgang erkenn-
bar beschleunigen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Erlauben Sie mir eine kurze Bemerkung zu dem euro-
päischen Interesse an der Integration der erwähnten
25 Millionen Menschen. In den vergangenen Wochen
haben wir wieder viel über außenpolitische Hand-

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(C (D ngsfähigkeit gelernt. Die Vereinigten Staaten haben ns dazu veranlasst. Wir haben eines gelernt: Außenpolische Handlungsfähigkeit verlangt die territoriale Interität dessen, der handelt. Ich habe aus den vergangenen onaten die Lehre gezogen, dass die Europäische Union ie vollständige Integration des Territoriums, auf dem er Kosovo-Krieg ausgetragen wurde, braucht, um auenpolitisch voll handlungsfähig zu werden. Alle Siherheitspobleme in diesem Teil Europas sind Probleme er inneren Sicherheit in Europa. Wir müssen niemanen bitten, uns dabei zu helfen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


iese Erkenntnis ist für mich in dieser historischen Situ-
tion der entscheidende Grund, mich dafür einzusetzen,
ass wir die Mitgliedschaft der fünf südosteuropäischen
taaten ohne Zögern befördern.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505308500


Herr Kollege Zöpel, schauen Sie bitte einmal auf die
hr!

Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1505308600

Frau Präsidentin, ich danke für den Hinweis und

omme zu meinem letzten Satz.
Es gehört zu den Ritualen der europäischen Diploma-

ie, immer wieder mitzuteilen: Wir nennen kein Datum.
as hat einen funktionellen Sinn, ist aber manchmal
uch überflüssig. Zumindest ein Parlament sollte manch-
al den Mut haben, Daten zu nennen, vielleicht auch
ymbolische Daten. Ich selber glaube, dass wir Europäer
ns vornehmen sollten – das müssen wir auch wollen –,
ass im Jahr 25 nach 1989, dem Jahr der europäischen
reiheit, alle europäischen Länder der Europäischen
nion angehören. Ich setze nicht nur für mich, sondern
uch für viele andere das Ziel: 2014 muss das geschafft
ein.
Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505308700


Ich gebe das Wort zu einer Kurzintervention zuerst
em Kollegen Pflüger und dann dem Kollegen Dr. Gerd
üller. Auf diese beiden Kurzinterventionen wird der
err Kollege Zöpel zusammenfassend antworten.

Dr. Friedbert Pflüger (CDU):
Rede ID: ID1505308800

Herr Kollege Zöpel, zuerst eine kurze Vorbemerkung:
enn Sie mit dem Ausdruck „deutsches Volk“ nichts an-

angen können und dabei sofort an „völkisch“ denken,
ann ist das Ihr Problem. Wir teilen diese Sichtweise
icht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

s gibt ein deutsches Volk und zu ihm bekennen wir uns.
as hat mit völkischen Traditionen nichts zu tun. Da gibt
s einen großen Unterschied.






(A) )



(B) )


Dr. Friedbert Pflüger
Es geht aber eigentlich um Folgendes: Sie haben sich
– wie einige Ihrer Vorredner – erneut darüber aufgeregt,
dass wir in sachlicher Art und Weise die Frage gestellt
haben, ob es klug sei, sich schon jetzt auf eine Rutsch-
bahn in Richtung Vollmitgliedschaft der Türkei zu be-
geben. Das hat nichts mit Wahlkampf und antieuropäi-
schen Gefühlen zu tun. Ich bin mit Ihnen einer Meinung,
dass Europa dazu dient, Grenzen und Trennendes zu
überwinden sowie Frieden zu schaffen. Aber: Gilt das
für alle? Man muss die Frage stellen dürfen, wo die
Grenzen Europas liegen. Müssen wir nicht genau dann,
wenn wir wollen, dass Europa handlungsfähig wird,
ganz bestimmte Kriterien an jedes einzelne Land anle-
gen?

Es gibt die Kopenhagener Kriterien von 1993. Eines
dieser Kriterien – es wird sehr oft unter den Teppich ge-
kehrt – ist die Aufnahmefähigkeit der EU. Wir haben
gerade beschlossen, zehn neue Länder in die EU aufzu-
nehmen. Das ist eine gewaltige Aufgabe von historischer
Dimension. Meine Fraktionskollegen und ich waren die
Ersten, die gesagt haben: Dieser historischen Aufgabe
stellen wir uns. Aber ist es klug, bevor der jetzt begin-
nende Erweiterungsprozess abgeschlossen ist, bereits
eine neue große Aufgabe anzugehen? Darüber kann man
unterschiedlicher Meinung sein. Ich räume ein, dass es
Argumente dafür gibt. Wir haben aber auch gehört, dass
Herr Fischer gegenüber dem dänischen Außenminister
zugegeben hat, dass es Argumente dagegen gibt. Der dä-
nische Außenminister hat uns neulich mitgeteilt, Herr
Fischer habe an einem Abend drei verschiedene Meinun-
gen zu diesem Thema geäußert. Das macht deutlich, wie
schwierig dieses Thema ist. Deshalb bitte ich Sie, uns
hier nicht zu verunglimpfen und zu behaupten, wir woll-
ten antieuropäische Gefühle hervorrufen oder die Türkei
ausgrenzen.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja!)


Wir stellen lediglich die Frage, ob eine so große EU
handlungsfähig sein kann und ob wir uns selbst und der
europäischen Idee einen Gefallen tun, wenn wir den Ein-
druck vermitteln, wir könnten jedes Land aufnehmen,
und zwar allein aufgrund des wirklich gut gemeinten
Wunsches, zu allen Staaten gute Beziehungen zu haben.

Die Kollegin Höfken hat vorhin behauptet, wir hätten
der Türkei mit dem Assoziierungsvertrag ein Beitritts-
versprechen gegeben. Ich mache darauf aufmerksam,
dass dieser Vertrag mit der EWG, also mit einer Wirt-
schaftsgemeinschaft, geschlossen worden ist. Inzwi-
schen – darüber reden wir doch und hier sind wir in vie-
len Punkten einer Meinung – gibt es aber eine EU und
eine EU-Verfassung. Das ist eine ganz andere Form der
Integration. Über die Frage, ob sich die Aufnahme der
Türkei damit verträgt, sollte jedenfalls mit der Bevölke-
rung diskutiert werden, bevor wir uns auf eine Rutsch-
bahn begeben.

Ich habe gerade zur Kenntnis genommen, dass der
Kalif von Köln nicht an die Türkei ausgewiesen werden
darf, weil ihm dort angeblich Folter droht. Zum jetzigen
Zeitpunkt mit einem Land, in dem eventuell Folter droht
und aus dem Menschen kommen, die in Deutschland

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(C (D syl begehren, Verhandlungen über einen EU-Beitritt ufzunehmen und ein solches Land vollberechtigt an den egierungskonferenzen zu beteiligen ist ein Fehler. Das agen wir in aller Freundschaft zu den Türken und in em vollen Bewusstsein, dass die Türkei auch in Zuunft ein wichtiger Partner für uns sein wird. Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Gerd Müller. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der ollege Pflüger hat unsere Position zur Türkei dargeegt. Der Bundesaußenminister hat diese Frage im Europa usschuss, aber auch in der Öffentlichkeit einmal abwäend behandelt. Als es vor einem Jahr um die Frage Beitritt der Türkei zur Europäischen Union – ja oder ein?“ ging, kam er selbst zu der Einschätzung: 9 Prozent sprechen für den Beitritt, 51 Prozent dageen. Mittlerweile hat er sich auf die Seite derjenigen gechlagen, die dafür sind, den Beitritt der Türkei massiv u befördern. Herr Zöpel, das zeigt aber doch auch, dass iejenigen, die gegen den Beitritt der Türkei sind, nicht anz falsch liegen können, wenn Sie, Herr Zöpel, vor ölkischen oder nationalen Gefahren warnen. Ich gehöre u denjenigen, die zum Beitritt der Türkei zu diesem eitpunkt Nein sagen. Der Beitritt der Türkei wird jetzt numkehrbar eingeleitet. Die Türkei kann dann selbsterständlich genauso wie Griechenland den Präsidenten er EU-Kommission oder einen EU-Kommissar – daurch, dass unter anderem Deutschland auf den Posten ines Kommissars verzichtet, werden Plätze frei – stelen. Warum nicht? In der Türkei gibt es hoch qualifiierte Personen. Wir, CDU und CSU, haben den jetzt anstehenden Bei ritt der zehn mittelund osteuropäischen Staaten vorbeeitet. Es war Helmut Kohl, der die Osteuropäer erstmals um EU-Gipfel eingeladen hat. Damit hat er ihrem Beiritt den Weg bereitet. Zur dynamischen Gestaltung des or uns liegenden Prozesses sagen wir uneingeschränkt a. Ich komme auf ein anderes Reizthema zu sprechen. ie wollen das Volk ausschließen. ie wollen das Parlament an der Diskussion über diese entralen Fragen nicht beteiligen. Sie wollen, dass politiche Entscheidungen im Hinterzimmer getroffen weren, also Geheimdiplomatie. Wir ratifizieren nächste oche das Gesetz, das den Beitritt von zehn mittelund steuropäischen Staaten zur Europäischen Union vorieht. Die Bundesregierung und die Regierungsfraktioen sind nicht bereit, zuzugestehen, dass dieser historiche Schritt einer Zweidrittelmehrheit des Deutschen undestags bedarf. Wir bestehen natürlich darauf, dass iese Ratifikation mit einer Zweidrittelmehrheit erfolgt. Dr. Gerd Müller Auch wir wollen Ja zum Beitritt der mittelund osteuropäischen Staaten zur Europäischen Union sagen. Wir müssen den Blick auch darauf richten, welche Probleme zu lösen sind. Stichwort: Agrar/Finanzen. Es geht darum, die Frage zu beantworten, wie wir die mit diesen Problemen verbundenen Herausforderungen – insbesondere im Hinblick auf den Arbeitsmarkt – bewältigen. Das interessiert natürlich unsere Bürger. Wir wollen ganz aktiv mitgestalten. Außerdem stellt sich die Frage – Kollege Pflüger hat auf diesen Punkt in dieser Debatte zu Recht hingewiesen –: Wo ist das Ende der Erweiterung? Wir sind der Meinung, dass es noch andere Möglichkeiten als die Vollmitgliedschaft gibt. Deutschland ist ein Freund und ein Partner der Türkei. Wir sind für eine privilegierte Freundschaft mit der Türkei und mit vielen anderen Staaten. Die EU-Kommission ist da wesentlich weiter; sie hat eine sehr positive Strategie entwickelt. Auf diesem Gebiet müssen wir einmal kreativ werden. Herr Kollege, denken Sie bitte daran, dass eine Kurzintervention drei Minuten dauern soll! Der Bundesaußenminister ist es eben nicht. Er ist ein Medienmensch, er ist plakativ. Er ist ein Gaukler, der auf der europäischen Ebene in den Medien brilliert; er brilliert aber nicht durch seine Sachkompetenz. Danke schön. Herr Kollege Zöpel, Sie haben das Wort zur Erwiderung. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin auf zwei Zusammenhänge angesprochen worden. Auf einen dieser beiden Zusammenhänge war ich gar nicht eingegangen. Das kann ich aber jetzt tun. Zunächst möchte ich etwas zu meiner Skepsis gegenüber dem Begriff Volk sagen. Ich kenne in der Tat nur zwei vernünftige Kriterien für die Abgrenzung zwischen Menschen: die Sprache und die Staatsangehörigkeit. Die sprachliche Trennung wollen wir durch bilingualen, ja multilingualen Unterricht überwinden. Die Trennung in unterschiedliche Staatsangehörigkeiten in Europa wollen wir durch eine europäische Staatsbürgerschaft, die wir in diesem Verfassungsentwurf festgelegt haben, aufheben. Wenn die sprachliche Trennung und die Trennung durch unterschiedliche Staatsbürgerschaften aufgehoben sind, dann gibt es meiner Meinung nach keine nachvollziehbaren Kriterien, Völker voneinander abzugrenzen. ß ß n h – s k c m t d D ü s d h s u f W F S h w z d w l K g d k d W I t s k u g k (C (D Ich stehe in der preußischen Staatstradition. Die Preu en wären nie auf die Idee gekommen, von einem preuischen Volk zu reden. Preußen war bekanntlich derjeige Staat in Europa, der am langsamsten geschossen at. (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Mit dieser Meinung stehen Sie allein in Europa! Fragen Sie einmal die Franzosen!)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505308900
Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1505309000

(Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Unerhört!)





(A) )


(B) )


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505309100
Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1505309200

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505309300
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1505309400

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ob ich damit so allein stehe, bezweifle ich. Ich be-
chäftige mich viel mit Preußen. Es gibt viele, die er-
annt haben, dass Vielvölkerstaaten wesentlich friedli-
her als andere waren.
Herr Kollege Pflüger, es ist hochinteressant, sich da-
it auseinander zu setzen, was Franzosen unter „Na-
ion“ verstehen;


(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Sagen Sie, was die Griechen darunter verstehen!)


enn das unterscheidet sich völlig von dem, was viele
eutsche damit verbinden – das zeigt die Diskussion
ber das Staatsbürgerschaftsrecht –: nämlich die deut-
che Abstammung. Es gehört zum tragischen Versagen
er deutschen Konservativen, 200 Jahre gebraucht zu
aben, um die Vernunft des französischen Staatsbürger-
chaftsrechts anzuerkennen. Es waren Sozialdemokraten
nd Grüne, die das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht re-
ormiert haben.


(Beifall bei der SPD)

er immer noch in diesen Kategorien denkt, hinkt der
ranzösischen Revolution 200 Jahre hinterher. Denken
ie einmal darüber nach!
Zur Türkei. Nachdem Sie mich darauf angesprochen

aben, obwohl ich gar nicht auf die Türkei eingegangen
ar, habe ich jetzt die große Chance, etwas zur Türkei
u sagen. Ich halte es für offen, ob die Türkei Mitglied
er Europäischen Union werden wird, und zwar deshalb,
eil ich heute nicht weiß, ob die große Mehrheit des po-
itischen Systems und der Bevölkerung in der Türkei den
riterien, die eben genannt habe – Europa dient der reli-
iösen Vielfalt, der kulturellen und sprachlichen Vielfalt,
en Entwicklungsmöglichkeiten jeder sprachlichen und
ulturellen Minderheit und dem endgültigen Überwin-
en der Grenzen –, genügen wird. Die Türkei ist auf dem
ege. Die Türkei war aus tragischen Gründen an den

rrweg der nationalen Abgrenzung – aus Europa impor-
iert – in einer Weise gebunden, dass sie ihn bisher nicht
o überwunden hat wie die meisten Europäer. Der Dis-
ussionsprozess ist im Gange.
Wir Europäer sollten mit der Türkei allmählich so

mgehen wie sonst mit unserer Geschichte. Da wird es
anz merkwürdig.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505309500


Herr Kollege Zöpel, Sie haben nur drei Minuten. Sie
önnen nicht mehr lange Ausführungen machen.






(A) )



(B) )


Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1505309600

Frau Präsidentin, ich gehe auf zwei relativ ausführ-

liche Kurzinterventionen ein, die die Präsidentin, die vor
Ihnen die Sitzung geleitet hat, in ihrer Großmut zugelas-
sen hat.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Die Frau Präsidentin wird nicht kritisiert!)


Ich komme aber zum letzten Satz.
Europa muss darüber nachdenken, in welchen Phasen

und Zusammenhängen die Türkei schon in die europäi-
sche Geschichte hineingezogen wurde. Das alles sollte
man mit reflektieren. Wenn man das tut, kommt man
nicht auf Abgrenzungskriterien wie die, die ich kritisiert
habe.

Die Türkei ist in der ersten Hälfte des 16. Jahrhun-
derts durch den allerchristlichsten König von Frankreich
in die europäische Geschichte gezogen worden, der
nämlich gestützt auf das Bündnis mit dem Osmanischen
Reich die deutsche Kaiserkrone erlangen wollte. So weit
reicht das zurück. Wir sollten all das berücksichtigen,
die Kriterien, die ich eben genannt habe, im Auge haben,
mit der Türkei über religiöse, ethnische und kulturelle
Vielfalt sprechen und sie dazu auffordern, den National-
staat in Europa zu überwinden. Dabei sollten wir uns be-
wusst machen, was wir Europäer mit der Türkei schon
alles angestellt haben. Zum Beispiel hat man sich mit ihr
entgegen religiösen Gründen machtpolitisch verbunden.
Andere vergessen ihre Geschichte oft viel langsamer als
wir deutsche Europäer.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505309700


Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Thomas
Silberhorn.


Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1505309800

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Der geradezu irrwitzige Beitrag des Kollegen Zöpel – er
hat mit dem Wort Volk schon deshalb Probleme, weil er
es offenbar mit völkischen Traditionen in Verbindung
bringt – zeigt, dass wir uns um etwas mehr Differenzie-
rung in der Debatte bemühen müssen. Ich lade Sie herz-
lich dazu ein,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

wenn ich jetzt zum Thema des EU-Verfassungsvertrags
zurückkehre und einen spezifischen Aspekt heraus-
greife, der meines Erachtens bislang noch nicht die ge-
botene Aufmerksamkeit findet, nämlich die Frage, wel-
che Rolle wir als Deutscher Bundestag in der
Europäischen Union künftig noch spielen werden.

Der Konvent hat hier durchaus Fortschritte erzielt, die
unsere Position stärken, jedenfalls soweit es um die Beach-
tung des Subsidiaritätsprinzips geht. Ich nenne das Früh-
warnsystem, das es uns ermöglicht, an Rechtssetzungsver-

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(C (D ahren direkt auf EU-Ebene mitzuwirken. Wenn die uropäische Union gegen das Subsidiaritätsprinzip erstößt, werden Bundestag und Bundesrat künftig jeeils für sich Klage beim Europäischen Gerichtshof ereben können. Diese Ergebnisse des Konvents begrüßen ir ausdrücklich. Sie sind sicherlich eine bedeutende ufwertung auch für den Deutschen Bundestag. Nach dem vorliegenden Entwurf des Verfassungsver rags werden aber auch bestehende Rechte des Bundesags massiv beschnitten. Ich will mich hier auf nur ein eispiel beschränken, und zwar auf die Bestimmungen ber die Finanzmittel der EU: Der Entwurf des Konents sieht vor, dass nur noch die Obergrenze für die Fianzmittel der Union durch einen einstimmigen Bechluss des Ministerrates und nach Zustimmung der itgliedstaaten festgelegt wird. Alle anderen Beschlüsse ber die Finanzmittel können dagegen künftig im Miniserrat mit einfacher Mehrheit und ohne jede Beteiligung on Bundestag und Bundesrat getroffen werden. Das bedeutet für Deutschland: Wenn der Ministerrat twa den Mehrwertsteueranteil verändert, den alle Mitliedstaaten an die Europäische Union zahlen, dann üssen wir die Verteilung des Umsatzsteueraufkomens zwischen Bund und Ländern zwingend neu regeln. enn nach unserem Grundgesetz wird das Umsatzsteuraufkommen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden o aufgeteilt, dass Bund und Länder gleichmäßig Anpruch auf die Deckung ihrer notwendigen Ausgaben haen. Wenn jetzt die notwendigen Ausgaben des Bundes teigen, weil der Mehrwertsteueranteil, den der Bund an ie EU abzuführen hat, erhöht wird, dann müssen auch ie Länder diese zusätzliche Belastung mittragen, weil ur so die Deckungsquoten von Bund und Ländern wieer in Ausgleich zu bringen sind. Das heißt also: Ein Bechluss über die Finanzierung der EU kann uns zu einer euregelung der innerstaatlichen Finanzverteilung wingen. Hierfür haben wir dann ein Gesetz im Bundesag zu beschließen, das der Zustimmung des Bundesrates edarf. Und dafür soll ein Beschluss des Ministerrates enügen, der ohne jede Beteiligung von Bundestag und undesrat zustande kommt und gegebenenfalls sogar geen die Stimmen der Bundesrepublik als größtem Nettoahler innerhalb der Europäischen Union? Das ist geraezu absurd. Es ist ganz offensichtlich so, dass diese gravierenden uswirkungen von der Bundesregierung überhaupt nicht edacht worden sind. Jedenfalls will ich es ihr zugute halen, dass sie dem nicht mit Bedacht zugestimmt hat. Das acht die Sache allerdings auch nicht besser. Ich darf Sie eshalb damit vertraut machen, dass Sie für solche chnitzer, soweit sie nicht noch repariert werden können, inen Preis werden zahlen müssen. Dieser Preis wird dain bestehen, dass wir eine erhebliche Verstärkung der eteiligung von Bundestag und des Bundesrates in ngelegenheiten der Europäischen Union fordern. Wie unsere Vorschläge im Detail aussehen werden, ird maßgeblich davon abhängen, in welchem Umfang ie unsere Anliegen im Konvent mit unterstützen und in er Regierungskonferenz durchsetzen. Selbstverständ Thomas Silberhorn lich erwarten wir vom Bundesaußenminister, dass er unsere inhaltlichen Forderungen mindestens mit der gleichen Verve verfolgt, mit der er nach dem Amt des europäischen Außenministers trachtet. Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung, dass es im gemeinsamen Interesse aller Abgeordneten des Deutschen Bundestages liegt, dass wir bei EU-Angelegenheiten künftig wirkungsvoller als bisher mitwirken können. Ich meine, dass wir auch diesen Schritt gehen müssen, wenn wir die Europäische Union demokratischer und transparenter gestalten wollen. Herzlichen Dank. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Markus Meckel von der SPD. Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir merken in dieser Debatte, dass Europa ein spannendes Thema ist, und es bleibt spannend. In den letzten 13 Jahren, in denen ich die Ehre hatte, diesem Hohen Hause anzugehören, und in denen ich die Entwicklung nach den Umbrüchen von 1989/90 von Beginn an miterlebt habe, hatten wir immer wieder intensive Debatten über Europa. Es gab diejenigen, die sich für die Erweiterung einsetzten und bezüglich der Vertiefung skeptisch waren. Anders herum gab es eine ganze Menge derer, die sagten: Wir müssen erst einmal Europa im Westen bauen, dann erst können wir die anderen hineinlassen, sonst gehen die nicht mit uns auf dem Weg, den wir in Europa gehen wollen. Wir Deutschen – das kann ich wohl parteiübergreifend feststellen – waren uns tendenziell immer einig, dass beides zu erfolgen hat. Dass diese Prozesse parallel verlaufen sind, ist nicht zuletzt ein wichtiger Erfolg aller Bundesregierungen seit 1990. Dass wir an diesem Tag beides zusammen debattieren, eine europäische Verfassung und die Erweiterung, hätte sich vor einiger Zeit niemand träumen lassen. So war es vor wenigen Jahren ein Erlebnis, als der französische Präsident im Namen Frankreichs in diesem Hause erstmalig von einer europäischen Verfassung sprach. Damit wurde die Möglichkeit eröffnet, den Weg zu beschreiben, den wir jetzt miteinander gegangen sind. Dann gibt es die Staaten, in denen nicht der Westen gesiegt hat, sondern in denen Demokratie und Freiheit siegten und die sich auf einen langen, schwierigen Weg eingelassen haben, der nicht nur ihre Wirtschaft, sondern alle Bereiche ihrer Gesellschaft verändert hat, hin zu diesem institutionalisierten Europa, das wir jetzt gemeinsam gestalten. Das war kein Weg zurück nach Europa; denn Prag, Warschau oder Budapest, aber auch Bukarest oder Riga gehörten immer zum wesentlichen Bestand Europas; dies war von Beginn an klar. Insofern geht es h d b T h F r b k p z w n g c a t n d l e f w d J d m p s r p W 2 l t b g f R d F U P u s r U c l a g s w G w (C (D ier durchaus um die Frage der Identität Europas. Auch ie Debatte über die Türkei hat wesentlich damit zu tun. In einem Punkt stimme ich dem Kollegen Zöpel ganz esonders nachdrücklich zu: Auch ich weiß nicht, ob die ürkei dieses Ziel erreichen wird und ob es die Mehreit in die Türkei erreichen will. Das ist die zentrale rage, die wir stellen müssen. Selbstverständlich ist es ichtig, dass man nicht mit einem Land Verhandlungen eginnen kann, in das man niemanden zurückschicken ann, weil man Angst haben muss, dass er dann Opfer olitischer Verfolgung wird. Die Todesstrafe ist zwar inwischen in Friedenszeiten abgeschafft, aber gefoltert ird weiterhin. Aber wer sagt denn, dass dies Ende ächsten Jahres noch so ist? Natürlich gehört dazu, dass in diesem Land andere esellschaftliche Kräfte, übrigens auch christliche Kirhen, frei agieren können. Im Augenblick ist die Türkei uch in diesem Punkt noch weit davon entfernt, den Krierien für die Aufnahme in die Europäische Union zu geügen. Gleichzeitig müssen wir die zurzeit dort statthaben en Prozesse beachten. Wer von uns hätte sich träumen assen – der Bundesaußenminister hat es vorhin schon rwähnt –, dass in der Türkei eine solche Debatte stattindet, wie sie zurzeit über die Rolle des Militärs geführt ird? Wir haben immer gesagt: Es ist schon komisch, ass man ein Militär braucht, um Demokratie zu sichern. etzt wird als Teil demokratischer Reformen die Rolle es Militärs neu diskutiert. Diesen Prozess sollten wir it allen Kräften unterstützen. Es ist gut, dass die Euroäische Union dies tut; denn es wird unser aller Vorteil ein, wenn es der Türkei gelingt, auf diesem Weg erfolgeich zu sein. Davon werden auch wir in starkem Maße rofitieren. Zu Südosteuropa hat Kollege Zöpel bereits das ichtigste gesagt: Es muss unser Interesse sein, diesen 5 Millionen Menschen zu helfen, so schnell wie mögich integriert zu werden. Wir sollten eben nicht abwaren und ihnen sagen: Seht einmal zu, dass ihr eure Proleme regelt! Wenn ihr den Kriterien irgendwann enügt, könnt ihr auch Mitglied werden. – Dies ist auch ür uns ein zentrales Anliegen. Viele Probleme in dieser egion können auf dem Weg der Integration gelöst weren, aber das ist natürlich kein Automatismus. Als weiteren wesentlichen Punkt spreche ich die rage der Nachbarschaften der Länder der Europäischen nion an. Die Kommission hat hierzu am 11. März ein apier vorgelegt, das ich für ausgesprochen wichtig halte nd mit dem wir uns beschäftigen sollten; denn sie verucht, genau diese Nachbarschaften stärker zu struktuieren, deutlich zu machen, dass wir als Europäische nion strukturierte Beziehungen zu den Nachbarn brauhen. Leider hat sie den Südkaukasus vergessen. Glückicherweise ist dies bei dem Ministertreffen im Juni und uch jetzt beim Gipfel angesprochen worden. Natürlich ehört der Südkaukasus, gehören Georgien, Aserbaidchan und Armenien zu den Nachbarschaftsregionen, die ir stabilisieren müssen. Übrigens müssen wir auch in esprächen mit Russland deutlich machen, dass es eine esentliche Verantwortung hat, zur Stabilisierung dieser Markus Meckel Region beizutragen. Dafür ist ein breites Spektrum an Instrumentarien vorgesehen, bis hin zu Finanzhilfen, die angeboten werden können. Ich halte es für wesentlich, unser Verhältnis zu den Nachbarn im Norden Afrikas, im Nahen Osten und eben im Osten intensiv zu gestalten. – Vielen Dank. Als einen weiteren zentralen Punkt spreche ich die gemeinsame Sicherheitsund Außenpolitik an. Ich benutze jetzt bewusst diese Reihenfolge der Begriffe, weil ich es für sehr wichtig halte, dass wir die sicherheitspolitische Dimension klarer gestalten – dies betrifft Fragen bis hin zu unserem verteidigungspolitischen Konzept – und dazu gehören Fragen wie diese: Inwieweit sind wir bereit, in Europa arbeitsteilig voranzugehen? Dies ist nicht nur eine Frage der Finanzen, die wir für das Militär aufbringen müssen – das ist nötig und wird in den nächsten Jahren noch nötiger sein –, sondern vor allem eine Frage der Strukturen. Es kommt darauf an, dass nicht mehr jeder alles alleine macht, sondern dass wir als Europäer gemeinsame Strukturen, ein gemeinsames militärisches Vorgehen ansteuern und damit partnerschaftsfähig im Hinblick auf die Vereinigten Staaten werden. Ich denke, das ist unser gemeinsames Ziel. Das heißt, dass Sicherheitspolitik zwar auch militärisch, aber in erster Linie politisch und ökonomisch agieren muss. Weltweit kann und sollte neben den Vereinigten Staaten nur die Europäische Union in der Außenund Sicherheitspolitik tätig werden. Dafür müssen wir das gesamte Instrumentarium der Einzelstaaten besser koordinieren und kohärenter gestalten. Unsere Außenbeziehungen müssen von einem gemeinsamen politischen Willen getragen sein. Dies ist der wesentliche Erfolg, den wir mit dieser Verfassung und einem europäischen Außenminister erzielen werden. Wir sollten alles tun, um diese Institution zu stärken, zu der dann selbstverständlich auch Diplomaten gehören. Alles andere wäre irrwitzig. Ich danke Ihnen und wünsche uns einen guten Erfolg auf dem Weg in Europa. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Das war keine schlechte Rede!)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505309900
Markus Meckel (SPD):
Rede ID: ID1505310000




(A) )


(B) )


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505310100


Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zu den Entschließungsanträgen der

Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen.
Abstimmung über den Entschließungsantrag auf

Drucksache 15/1213. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koa-
litionsfraktionen und der FDP gegen die Stimmen der
CDU/CSU bei Enthaltung der beiden fraktionslosen Ab-
geordneten angenommen worden.

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( r D B g d A t E o d P t d n w a v d Z (C (D Der Entschließungsantrag auf Drucksache 15/1212 oll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für ie Angelegenheiten der Europäischen Union und zur itberatung an den Auswärtigen Ausschuss, den echtsausschuss und den Ausschuss für Umwelt, Naturchutz und Reaktorsicherheit überwiesen werden. Sind ie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die berweisung so beschlossen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf en Drucksachen 15/1100, 15/1200 und 15/1112 an die n der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgechlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? – Nein. ann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus chusses für die Angelegenheiten der Europäischen nion auf Drucksache 15/1138 zu dem Antrag der Frakion der CDU/CSU mit dem Titel „Ein Verfassungsverrag für eine bürgernahe, demokratische und handlungsähige Europäische Union“. Der Ausschuss empfiehlt, en Antrag auf Drucksache 15/918 abzulehnen. Wer timmt für diese Beschlussempfehlung des Ausschuses? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Bechlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsraktionen gegen die Stimmen der CDU/CSU bei nthaltung der FDP angenommen. Beschlussempfehlung des Ausschusses für die Ange egenheiten der Europäischen Union auf Drucksache 5/1139 zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem itel „Initiativen des Brüsseler Vierergipfels zur uropäischen Sicherheitsund Verteidigungsunion ESVU)

antreiben“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf
rucksache 15/942 abzulehnen. Wer stimmt für diese
eschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltun-
en? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen
er Koalitionsfraktionen und der beiden fraktionslosen
bgeordneten gegen die Stimmen der FDP bei Enthal-
ung der CDU/CSU angenommen worden.
Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der

uropäischen Union gemäß § 93 a Abs. 4 der Geschäfts-
rdnung auf Drucksache 15/1163 zu der Unterrichtung
urch die Bundesregierung mit dem Titel „Vermerk des
räsidiums für den Konvent; Organe – Entwurf von Ar-
ikeln für Titel IV des Teils 1 der Verfassung“. Kann ich
avon ausgehen, dass Sie den Bericht zur Kenntnis ge-
ommen haben? – Gut.
Wir kommen zum Zusatzpunkt 2. Interfraktionell
ird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/1207
n die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
orgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist
er Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe die Zusatzpunkte 3 bis 6 auf:

P 3 Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/
CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Modernisierung des Arbeitsrechts

(ArbRModG)


– Drucksache 15/1182 –






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Haushaltsausschuss

ZP 4 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zu Reformen
am Arbeitsmarkt

– Drucksache 15/1204 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Haushaltsausschuss

ZP 5 Erste Beratung des von den Abgeordneten Rainer
Brüderle, Dirk Niebel, Dr. Heinrich L. Kolb, wei-
teren Abgeordneten und der Fraktion der FDP
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Si-
cherung betrieblicher Bündnisse für Arbeit

– Drucksache 15/1225 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Haushaltsausschuss

ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk
Niebel, Rainer Brüderle, Dr. Heinrich L. Kolb,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Rahmenbedingungen für einen funktionsfähi-
gen Arbeitsmarkt schaffen

– Drucksache 15/590 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt der Herr Bun-
desminister Wolfgang Clement.

Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft
und Arbeit:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Es geht heute um weitere wichtige Schritte auf
dem Weg zur Modernisierung unseres Wirtschafts- und
Arbeitslebens sowie unseres Arbeits- und Sozialrechts.
Wir diskutieren diese Fragestellungen vor dem Hinter-
grund eines außerordentlich geringen Wachstums, einer
ausgeprägten Wachstumsschwäche, und einer außeror-
dentlich hohen und verhärteten Arbeitslosigkeit.

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(C (D Wir müssen den Teufelskreis aus schwachem Wachsum und hoher Arbeitslosigkeit endlich durchbrechen. ie außerordentlich hohe und verhärtete Arbeitslosigkeit st zu einer Wachstumsbremse geworden. Sie bremst die onsummöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger und amit die Produktionskapazitäten und sie beraubt uns icht zuletzt, sondern zuallererst unserer Möglichkeiten, ie wir aufgrund der Qualifikation der Menschen in dieem Land haben. Seit über zwei Jahrzehnten registrieren wir in eutschland Unterbeschäftigung in Millionenhöhe. enn man die so genannte stille Reserve einrechnet, von er Sachverständige sprechen, dann muss man sagen, ass es 6 Millionen Menschen gibt, die zwar erwerbsfäig sind, aber außerhalb des Arbeitslebens stehen. Wenn an diese Zahl zu den 37 Millionen bis 38 Millionen Ererbstätigen ins Verhältnis setzt, dann wird klar, wie ramatisch die Wachstumsund Wohlstandsverluste aufrund der außerordentlich hohen Arbeitslosigkeit und nterbeschäftigung in Deutschland wirklich sind. Das st der Grund, weshalb alles auf den Prüfstand muss, was en Zugang zu regulärer Arbeit behindern könnte. Wir müssen registrieren, dass bis heute – mit Aus ahme der Jahre 2000 und 2001 – die so genannte Sokelarbeitslosigkeit nach jeder Phase von Wachstumschwäche angestiegen ist. Sie hat sich gewissermaßen on Wachstumsschwäche zu Wachstumsschwäche, von bschwung zu Abschwung höher aufgetürmt. Gemessen aran – das will ich klar sagen – ist die Eingliederungseistung unserer arbeitsmarktpolitischen Instrumente auerordentlich erfolglos. Sie sind nicht nur ineffizient, ondern auch volkswirtschaftlich nicht mehr vertretbar. s ist aus meiner Sicht auch nicht gerecht, so weiterzuachen. (Beifall der Abg. Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] sowie des Abg. Dirk Niebel [FDP])


Aus meiner Sicht ist es demgegenüber nicht unge-
echt und auch nicht unsozial, wenn wir die Arbeits-
arktförderung und das Arbeitsrecht einer strengen Er-
olgskontrolle im Hinblick auf ihre Leistung bei der
ingliederung in den Arbeitsmarkt unterziehen.


(Beifall des Abg. Dirk Niebel [FDP])

enn es uns mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
nd auch mit der Schaffung von Gerechtigkeit ernst ist
und es ist uns bitterernst –, dann müssen wir alles tun,
m zu verhindern, dass weiterhin millionenfach Talente
nd Begabungen in der Arbeitslosigkeit verloren gehen
der vergeudet werden.
Ich verstehe die Flexibilisierung des Arbeitsmark-

es auch als einen Beitrag zu größerer Gerechtigkeit,
eil wir so die Chancen des Einzelnen und der Einzel-
en auf Arbeit, auf persönliche Entfaltung und Wohl-
tand verbessern und dadurch am Ende des Tages sehr
iel mehr Menschen bessere Arbeits- und Lebensbedin-
ungen vorfinden können.


(Beifall des Abg. Dirk Niebel [FDP] – Dirk Niebel [FDP]: Was ist mit euch Sozis los? Da sagt er etwas Richtiges und keiner klatscht!)







(A) )



(B) )


Bundesminister Wolfgang Clement
Für diese Flexibilisierung und Modernisierung des
Wirtschafts- und Arbeitsrechts haben wir bereits eine
Reihe von Maßnahmen unternommen. Wir haben auf der
Grundlage der Vorschläge der Hartz-Kommission mit
der Schaffung von neuen Beschäftigungsmöglichkeiten
begonnen. Dazu gehören die Minijobs und die Möglich-
keit, sich im kleingewerblichen Bereich etwa in Form
der Ich-AG selbstständig zu machen. Diese Maßnahme
ist wesentlich erfolgreicher, als manche vorausgesagt ha-
ben.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Herr Minister, das glauben Sie doch selber nicht!)


Wir haben die Möglichkeiten der Leih- und Zeitarbeit,
für die es jetzt Gott sei Dank Tarifverträge gibt, die auch
angewandt werden, erweitert. Wir haben eine Reihe von
zusätzlichen Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Was reden Sie sich eigentlich ein? – Dirk Niebel [FDP]: Die Rede hat so stark angefangen!)


– Wenn Sie, Herr Kollege Hinsken, daran Kritik üben
wollen, dann muss ich Sie darauf hinweisen, dass al-
lein in diesem Jahr etwa 100 000 Menschen in Deutsch-
land den Weg aus der Arbeitslosigkeit in die Selbst-
ständigkeit gegangen sind. Die Experten rechnen mit
etwa 200 000 Menschen, die diesen Weg gehen wollen.
Nach den Erfahrungen, die wir bislang mit dem so ge-
nannten Brückengeld und mit der Ich-AG gemacht ha-
ben – beide Maßnahmen laufen parallel –, kann man sa-
gen, dass nach etwa zwei bis drei Jahren zwei Drittel
dieser Unternehmen überlebensfähig sind. Sie sind
ebenso wie andere Existenzgründungen bestandskräf-
tig. Das mag viele überraschen, ist aber von besonderer
Bedeutung.

Übrigens schaffen sie nach den Erfahrungen, die wir
bisher haben, innerhalb dieser Zeit zwei bis drei Arbeits-
plätze. Es empfiehlt sich also, die neuen Beschäftigungs-
möglichkeiten, die wir gemeinsam geschaffen haben,
mit einiger Zuversicht zu betrachten. Wir werden davon
weiterhin mit allem Nachdruck Gebrauch machen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben ferner, was das Arbeitsrecht und den Ar-

beitsmarkt angeht, neue Vermittlungsbedingungen ge-
schaffen: Erwartungen an die Mobilität und an die Auf-
nahme von zumutbaren Arbeitsplätzen, Jobs. Einiges
davon wird erst jetzt, am 1. Juli, in Kraft treten: bei-
spielsweise die Regelung, die wenig beachtet wird, dass
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, denen gekün-
digt wird, unverzüglich, das heißt gewissermaßen am
Tag der Kündigung, zur Arbeitsvermittlung gehen müs-
sen, damit keine Zeit zwischen drohendem Arbeitsplatz-
verlust und Vermittlung in einen neuen Arbeitsplatz ver-
säumt wird.

Dies ist ein Thema von außerordentlicher Bedeutung,
wie ich mir vor kurzem bei einem Besuch in London in
einem dortigen Jobcenter, die wir auch in Deutschland
aufbauen werden, habe anschauen können. In Großbri-
tannien gelingt es in der Regel, Arbeitslose innerhalb
von im Durchschnitt 21 Wochen nach dem Verlust ihres

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(C (D rbeitsplatzes in einen neuen zu vermitteln. In der undesrepublik Deutschland dauert dies gegenwärtig 3 Wochen. Wer sich vor Augen führt, dass eine Woche ein rechnerisch etwa 100 000 Arbeitslose oder einen ostenfaktor von knapp 1,5 Milliarden Euro ausmacht, er weiß, dass wir hier über Themen von großer Bedeuung sprechen, die teilweise, was die gesetzlichen rundlagen angeht, in ihren Wirkungen unterschätzt erden. Heute geht es darum, diesen Prozess an zwei Stellen ortzusetzen. Dabei geht es um das Arbeitsrecht, konkret esprochen insbesondere um den Kündigungsschutz, nd um Fragen des Arbeitslosengeldes, das heißt des eistungsrechts auf dem Arbeitsmarkt. Wir werden diese ebatte schon morgen fortsetzen, wenn es um die Moernisierung des Handwerksrechts geht, um auch auf iesem Sektor für Bewegung, Offenheit und Flexibilität u sorgen. Wir werden dies im Rahmen der Debatte über die ächsten Schritte nach dem 13. August fortsetzen. Ich ehe davon aus, dass das Kabinett dann weitere Bechlüsse gefasst haben wird, die den wichtigsten Teil ieser Reform betreffen, nämlich die Zusammenlegung on Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe und die Zusamenführung in Jobcentern, in denen dann eine andere ermittlungsarbeit geleistet werden kann, als uns das isher in Deutschland gelungen ist. Dies geht Hand in and mit einer umfassenden Reform der Bundesanstalt ür Arbeit zur Agentur für Arbeit in Deutschland. Ich ehe davon aus, dass wir den Arbeitsmarkt mit diesen chritten tief greifend verändern können und der Areitslosigkeit auf diese Weise deutlich erfolgversprehender als bisher zu Leibe rücken. Die Bundesregierung bzw. die Fraktionen der Regie ungskoalition schlagen behutsame Veränderungen des ündigungsschutzes vor. Um es klar und deutlich zu saen: Der Kündigungsschutz ist auch aus meiner Sicht as wichtigste Grundrecht der Arbeitnehmerinnen und rbeitnehmer. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ir höhlen deshalb den Kündigungsschutz nicht aus und
eseitigen ihn nicht, sondern wollen ihn dort, wo er sich
öglicherweise als Hemmschwelle für den Eintritt in
as Arbeitsleben erweisen könnte oder erwiesen hat,
uflockern. Um es klar zu sagen: Wir sprechen hier über
nternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten. Für diese
leinunternehmen gilt bisher kein Kündigungsschutz.
ir wollen, dass in Zukunft Arbeitnehmerinnen und Ar-
eitnehmer über diese Schwelle von fünf Beschäftigten
inaus befristet eingestellt werden können, damit sich
iese Betriebe, wenn notwendig, wenn gewünscht oder
enn geboten, vergrößern können, ohne deshalb in den
ündigungsschutz hineinzuwachsen.
Diese Frage so anzugehen ist deshalb vernünftig, weil
ir aus Umfragen wissen, dass eine nicht zu unterschät-
ende Zahl von Kleinstunternehmen bereit sein könnte,
rbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzustellen,
enn die Folge daraus nicht ein Hineinwachsen in einen






(A) )



(B) )


Bundesminister Wolfgang Clement
dauerhaften Kündigungsschutz wäre. Ob dies so ist,
weiß niemand von uns. Es gibt dazu Umfragedaten und
oberflächliche Untersuchungen. Es gibt in keiner Volks-
wirtschaft – weder in der amerikanischen noch in einer
europäischen – ein klares Datenmaterial über diese
Frage.

Deshalb empfiehlt es sich, außerordentlich vorsichtig
und behutsam mit diesem Thema umzugehen. Das tun
wir mit unserem Vorschlag. Ich sehe hier – wir werden
darüber in der Folgezeit noch genauer debattieren – ei-
nen klaren Gegensatz zum Vorschlag der CDU/CSU-
Fraktion, die vorsieht, in Unternehmen mit weniger als
20 Mitarbeitern bei Neueinstellungen den Kündigungs-
schutz auszusetzen. Ich halte den Weg, den Sie dazu vor-
schlagen, für nicht gangbar – um das deutlich zu
sagen –, weil er die Belegschaften in Beschäftigte mit
und ohne Kündigungsschutz aufspaltet.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Oh Gott! – Dirk Niebel [FDP]: Dann nehmen wir doch unseren Vorschlag! Da passiert das nicht!)


Ich frage mich erstens, ob dies sachlich zu rechtfertigen
ist, und zweitens, ob dies verfassungsrechtlich überhaupt
haltbar ist. Ich habe da schwerste Bedenken.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber wir werden das sicherlich noch genauer debattie-
ren.

Was die Bundesregierung weiter vorschlägt, ist vor
allem dem Ziel gewidmet, bei der so genannten Sozial-
auswahl bei betriebsbedingten Kündigungen für mehr
Rechtssicherheit zu sorgen. In Zukunft sind nur noch
drei Kriterien zu berücksichtigen: Alter, Betriebszugehö-
rigkeit und Unterhaltsverpflichtungen.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist der Wortlaut der Regelung, die Sie 1998 abgeschafft haben!)


Dazu sehen wir vor, dass die so genannten Leistungsträ-
ger in Betrieben und die Personalstruktur beachtet und in
die Überlegungen bei betriebsbedingten Kündigungen
einbezogen werden können. Dies ist heute schon gel-
tende Rechtsprechung; wir übernehmen diese Regelun-
gen ins Gesetz.

Wir schaffen einheitliche Klagefristen von drei Wo-
chen für alle. Wir schaffen besondere Möglichkeiten für
Existenzgründer, nämlich Beschäftigungsverhältnisse in
den ersten vier Jahren nach der Existenzgründung sach-
grundlos befristet eingehen zu können. Dies sind Instru-
mente, die die Beschäftigungsschwelle senken. Sie tra-
gen dazu bei, Arbeitsuchenden – in Großbritannien
spricht man übrigens interessanterweise von „job see-
kers“ – den Eintritt in den Arbeitsmarkt zu erleichtern.
Sie gefährden aber nicht die Rechtssicherheit derer, die
im Arbeitsmarkt sind. Das ist der Unterschied zwischen
den Vorschlägen, die zu dieser Debatte vorliegen.

Eine besonders weit reichende Reform, die wir ange-
hen, ist die des Arbeitslosengeldes. Uns allen ist vermut-
lich klar, dass der Vorschlag, den wir dazu machen, näm-
lich die Dauer des Bezuges von Arbeitslosengeld in der
Regel auf zwölf Monate und für über 55-Jährige auf

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(C (D 8 Monate zu begrenzen, eine sehr tief greifende Veränerung bedeutet. Um dies klar zu sagen: Sie ist aus unerer Sicht geboten, weil die lange Zahlung von Arbeitsosengeld – bis zu 32 Monaten, wie es zurzeit die echtslage gebietet – dazu führt, dass Unternehmen vor allem Großunternehmen – Arbeitnehmerinnen und rbeitnehmer unter Zuhilfenahme der Finanzmittel der eitragszahler in den vorgezogenen Ruhestand schicken. Erstens ist es nicht in Ordnung, dass Unternehmen, ie sich über die hohen Lohnnebenkosten in Deutschand beklagen, gleichzeitig die hohen Lohnnebenkosten urch die Nutzung dieses Instrumentariums mitverursahen. Das ist zweifellos eine Fehlnutzung dieses Instruentariums. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


m wirklich offen miteinander zu reden: Auch ich war
aran beteiligt. Wir haben dieses Instrumentarium natür-
ich auch im Ruhrgebiet und in vielen anderen Regionen
enutzt, vor allem als es in der Vergangenheit um tiefe
mbrüche am Arbeitsmarkt in den Industrieregionen
ing. Aber dieser Prozess muss nun einen Abschluss fin-
en. Er überfordert die Kräfte der öffentlichen Kassen,
er Kassen der Beitragszahler.
Zweitens ist dieser Schritt aus unserer Sicht notwen-

ig, weil wir erreichen müssen, dass die Tendenz zum
rühzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsleben in
eutschland gebrochen wird. Wir müssen erreichen,
ass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass wir alle
änger im Berufsleben bleiben, als es heute in Deutsch-
and Praxis ist. Wir haben eine Pensionsgrenze von
5 Jahren. Wir haben ein tatsächliches Pensionsalter
on etwa 60,5 Jahren. Dieser Durchschnitt ist in der letz-
en Zeit etwas angestiegen: von gut 59 auf gut 60 Jahre.
ber wir haben uns innerhalb der Europäischen Union
erpflichtet, die tatsächliche Dauer der Erwerbstätigkeit
is zum Jahr 2010 deutlich zu erhöhen, und zwar um bis
u etwa fünf Jahre. Dies ist nur zu erreichen, wenn wir
en Trend zum vorzeitigen Ausscheiden durchbrechen.
Dies ist auch vor dem Hintergrund der ständig steigen-

en Lebenserwartung, die wir – gottlob! – in Deutsch-
nd haben, richtig und vernünftig. Auch ich freue mich
ber die gestiegene Lebenserwartung und profitiere da-
on hoffentlich noch ziemlich lange. Aber sie bedeutet
atürlich eine gravierende Veränderung gegenüber den
akten, die wir zum Zeitpunkt der Entstehung unserer so-
ialen Sicherungssysteme hatten. Vor 30, 40 Jahren, als
ie sozialen Sicherungssysteme aufgebaut wurden, hat-
en die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Le-
enserwartung, die nur vier Monate über die damalige
ensionsgrenze hinausging. Heute liegt die Lebenser-
artung der Menschen im Durchschnitt etwa 20 Jahre
ber der Pensionsgrenze. Wenn man sich dies vor Augen
ührt, weiß man, dass eine Reform der sozialen Siche-
ungssysteme angegangen werden muss.
All diese Gründe sprechen auch für eine Veränderung

eim Arbeitslosengeld. Dies kann aber nur in Verbin-
ung mit der Reform der Arbeitslosenhilfe und der So-
ialhilfe, die wir im August vorlegen werden, betrachtet
erden. Hier besteht nämlich ein enger Zusammenhang.






(A) )



(B) )


Bundesminister Wolfgang Clement
Wir wollen, dass vor allem die über 50-jährigen Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Beruf bleiben
können oder, sofern sie ihren Arbeitsplatz verlieren,
rasch einen neuen finden. Wir müssen auf diesem Gebiet
eine Veränderung vollziehen. Wir müssen sie unter ande-
rem auch vollziehen, weil die Schülerabgangszahlen ab
etwa 2006 deutlich sinken werden. Das bedeutet, dass
wir in Deutschland dann vor einer Phase des wirklichen
Fachkräftemangels stehen werden.

Wir bieten Instrumente, Gesetze an – einige haben
wir im Deutschen Bundestag bereits beschlossen, andere
befinden sich im Gesetzgebungsverfahren –, damit Men-
schen, die über 50 Jahre alt sind, ihren Arbeitsplatz
behalten können bzw. so rasch wie möglich vermittelt
werden können: Wir bieten die Förderung von Qualifi-
zierungsmaßnahmen für über 50-jährige Arbeitnehmer
in kleineren und mittleren Unternehmen an. Wir bieten
beim Übergang in eine schlechter bezahlte Beschäfti-
gung eine Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer an.
Die Bundesanstalt für Arbeit ersetzt 50 Prozent des Dif-
ferenzbetrages zwischen dem vorherigen und dem neuen
Einkommen. Wir bieten den Arbeitgebern einen Bei-
tragsbonus für die Einstellung älterer Arbeitnehmer an.
Außerdem gibt es die Sozialplanförderung und Weiteres.

Wir sind an möglichst kreativen Vorschlägen interes-
siert, wie wir noch bessere Instrumente entwickeln kön-
nen, damit Unternehmerinnen und Unternehmer alles
tun, um die Erfahrungen und Kompetenzen ihrer älteren
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für ihr Unterneh-
men zu erhalten. Außerdem sind wir an Vorschlägen in-
teressiert, die dafür sorgen, dass ältere Arbeitnehmer im
Arbeitsleben gehalten werden können.

Bei den weit reichenden Veränderungen, die wir vor-
nehmen, gilt Vertrauensschutz. Es ist nicht gerechtfer-
tigt, eine so tief greifende Veränderung wie die, die wir
beim Arbeitslosengeld vornehmen, von heute auf mor-
gen umzusetzen. Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer, die bereits Arbeitslosengeld empfangen oder in
nächster Zeit Arbeitslosengeld empfangen werden, gibt
es Vertrauensschutz. Dieser Vertrauensschutz gilt – das
beruht auf dem, was die Experten entwickelt haben – für
26 Monate. Das bedeutet, dass die neuen Fristen für das
Arbeitslosengeld erst ab 2006 in Kraft treten. Wir haben
also ausreichend Zeit, um insbesondere am Arbeitsmarkt
zu den Veränderungen zu kommen, die wir heute anstre-
ben.

Das ist der Kern unseres heute vorliegenden Gesetz-
entwurfs. Es handelt sich um Veränderungen im Arbeits-
recht und bezüglich des Leistungsgeldes. Das sind wich-
tige Veränderungen, die den Arbeitsmarkt in Bewegung
bringen sollen. Sie sollen dazu beitragen, dass Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer eher in den Arbeits-
markt vermittelt werden können, dass ältere Arbeitneh-
mer eher auf dem Arbeitsmarkt gehalten werden können
und dass die Arbeitslosigkeit insgesamt überwunden
wird, die zur Geißel der Bundesrepublik Deutschland
geworden ist, weil sie das Wirtschafts- und Arbeitsleben
vergiftet.

Wir stehen vor weit reichenden Anstrengungen, die
nicht allein mithilfe gesetzgeberischer Maßnahmen ge-

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(C (D eistert werden können. Es geht darum – wir haben das estern anhand der Ausbildungssituation in Deutschland iskutiert –, dass wir dem Thema Arbeit insgesamt und er Vermittlung in Arbeit sowie der Rückgewinnung von rbeitsplätzen im Besonderen einen wesentlich höheren ang einräumen. Eine Aufgabe ist in diesem Zusammenhang die Be ämpfung der in Deutschland außerordentlich stark verreiteten Schwarzarbeit. Wir werden das morgen geauer diskutieren, wenn wir darüber reden, dass es in eutschland – geschätzt – 5 bis 6 Millionen Schwarzrbeiter gibt. Offensichtlich gibt es sehr wohl Beschäftiungsmöglichkeiten, diese müssen wir in die Legalität urückholen. Das sind die Aufgaben, vor denen wir stehen. Wir ollen heute einen wichtigen Schritt tun, um im Kampf egen die Arbeitslosigkeit voranzukommen. Ich bin berzeugt, dass wir in diesem Kampf Erfolg haben weren. Der Erfolg wird sich nicht von heute auf morgen instellen; aber er wird sich einstellen. Die ersten positiven Bewegungen, die auf das, was ir in diesem Jahr beschlossen haben, zurückgehen, sind pürbar und erkennbar. Sie sind natürlich noch absolut nzureichend. Sie werden noch von der gegenwärtig errschenden wirtschaftlichen Wachstumsschwäche vereckt. Wir werden auf diesem Weg aber weiter voranchreiten und die strukturellen Reformen voranbringen. ie sind selbstverständlich in eine Wirtschafts-, Finanznd Sozialpolitik eingeordnet, die als Ganzes verstanden erden muss. Dazu gehört es, dass private und öffentiche Investitionen gesteigert und verstetigt werden. Aus diesem Grunde diskutieren wir ja über Steuer nd Abgabensenkungen. Deshalb diskutieren wir daüber, wie wir die Kreditfähigkeit des Bankensektors n Deutschland verstärken, damit die kleinen und mittleen Unternehmen Kapital aufnehmen können, und zwar nbürokratischer und offener, als dies zur Stunde überall ewährleistet ist. Deshalb diskutieren wir über eine Veresserung der Investitionsfähigkeit der Kommunen. (Dirk Niebel [FDP]: Dann machen wir es doch! Das ist besser, als zu diskutieren!)


Ich weiß nicht, warum Sie darüber lachen. Ich kann Ih-
en gern Auskunft geben über die Situation im Kreditge-
erbe in Deutschland; dann würde Ihnen das Lachen
ielleicht vergehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: Nein! Wir sollen es machen und nicht nur diskutieren!)


as ist nämlich eines der Probleme, mit denen wir es zu
un haben. An diesem Problem wird übrigens deutlich,
ass es, obwohl nach Ihrem Verständnis die rot-grüne
undesregierung für alles verantwortlich ist, vielleicht
inzelne Sektoren gibt, in denen auch andere Mitverant-
ortung tragen. Deshalb sind wir darauf angewiesen,
ass der Modernisierungs- und Erneuerungsprozess die
esamte Wirtschaft und den gesamten Wirtschafts- und
rbeitsmarkt erreicht und alle daran mitwirken, die hier






(A) )



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Bundesminister Wolfgang Clement
in der Verantwortung stehen – in der Politik, in den Un-
ternehmen, in den Verwaltungen. Darauf setzen wir.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Friedrich Merz
für die CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Friedrich Merz (CDU):
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Wir hatten in den letzten Monaten verschiedent-
lich Gelegenheit, Vorschläge der Bundesregierung und
Vorschläge der Unionsfraktion zu den großen Problemen
unseres Landes zu diskutieren.


(Dirk Niebel [FDP]: Unsere auch!)

Wir hatten noch nie eine so gute Gelegenheit, dies zu
tun, wie am heutigen Tag, denn heute liegen dem Deut-
schen Bundestag zwei Gesetzentwürfe vor,


(Dirk Niebel [FDP]: Nein, drei!)

ein Gesetzentwurf von Sozialdemokraten und
Bündnis 90/Die Grünen und ein Gesetzentwurf der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion


(Dirk Niebel [FDP]: Und einer der FDP!)

– und einer der FDP –, aus denen sich eine ganze Reihe
von Gemeinsamkeiten, aber auch eine ganze Reihe von
fundamentalen Unterschieden ergeben.

Bevor ich auf das, was uns bei den Vorschlägen für
die Lösung der Probleme eint, und auf das, was uns
trennt, zu sprechen komme, erlauben Sie mir, meine Da-
men und Herren, dass ich zunächst den Versuch unter-
nehme, auch mit Ihnen, Herr Clement, Einigkeit in der
Beschreibung der Ausgangslage in unserem Land her-
beizuführen.

Das, was Sie hier gerade gesagt haben, ist in der
Grundausrichtung nicht falsch, aber wenn Sie wiederholt
von einer Konjunktur- und Wachstumsschwäche spre-
chen, so wie Sie das eben auch getan haben, dann ist das
eine aus meiner Sicht viel zu optimistische Beschreibung
der tatsächlichen Lage.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben in Deutschland nicht eine Konjunkturschwä-
che, die sich sozusagen parallel zur Konjunkturschwä-
che der gesamten Weltwirtschaft darstellt, sondern wir
haben – und das ist keine Schwarzmalerei der Opposi-
tion, sondern ein Befund, den uns die Wirtschafts-
forschungsinstitute und die internationalen Institutionen
sowie alle diejenigen, die sich mit der Lage unserer
Volkswirtschaft befassen, geben – eine tief greifende
strukturelle Wachstums- und Beschäftigungskrise.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es!)


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(C (D Wie Sie vor diesem Hintergrund am heutigen Tag zu er Aussage kommen können, es seien ja erste Zeichen er Besserung zu erkennen, mit Verlaub, Herr Clement, erstehe ich nicht. ür drei Monate, für die Monate März, April und Mai 003, wurde die höchste Arbeitslosigkeit seit der Wieervereinigung festgestellt. Zur Erinnerung: Auf der egierungsbank sitzt jemand, der der deutschen Öffentichkeit zugesagt hat, die Arbeitslosigkeit auf unter ,5 Millionen zu senken, und der erklärt hat, wenn er ies nicht schaffen würde, dann habe er es nicht verient, wiedergewählt zu werden. ch sage das nicht, um über den vergangenen Wahlkampf achzukarten, aber ich möchte Sie und uns alle davor beahren, dass wir erneut mit einer fundamentalen Fehlinschätzung über die tatsächliche Tiefe der Probleme an ie Lösung der Probleme herangehen. Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, dass ich twas über die tatsächliche Lage sage. Die Arbeitslosigeit ist hoch und es gibt eine dramatische Verschiebung n der Struktur der Arbeitslosigkeit: Während Arbeitsosigkeit, jedenfalls Langzeitarbeitslosigkeit, in früheren ahren und Jahrzehnten – wir befassen uns mit der Areitslosigkeit seit der Mitte der 70er-Jahre, seit der ersn Ölpreiskrise und der ersten großen Weltkonjunkturrise – überwiegend ein Problem der älteren und der chlecht qualifizierten Menschen war, wird sie heute berwiegend zu einem Problem der jüngeren und der gut ualifizierten Menschen. as ist eine dramatische Verschiebung innerhalb der ohehin viel zu hohen Arbeitslosigkeit. Vor diesem Hintergrund kann ich Sie nur zu der Ein icht beglückwünschen, die Sie – offenbar unbemerkt on Ihrer Bundestagsfraktion – zum Besten gegeben haen. Sie haben nämlich gesagt – das habe ich mitgechrieben –, dass die Eingliederungshilfen der letzten ahre außerordentlich erfolglos gewesen seien. Jawohl, err Clement, das stimmt. Auch die Programme wie das UMP-Programm und wie sie alle heißen, die Sie und hr Amtsvorgänger mit großer Emphase von diesem latz aus verkündet und durchgesetzt haben, sind außerrdentlich erfolglos gewesen. Wir müssen eine dramatische Entwicklung bei den nsolvenzen verzeichnen. Sie haben in diesem Zusamenhang die Banken angesprochen. Möglicherweise ibt es eine Kreditklemme. Aber jenseits dieser Probleatik und ganz unabhängig davon, ob es genügend oder u wenig Darlehen für die Unternehmen in Deutschland ibt, haben wir es mit einer katastrophalen Eigenkapitalchwäche der deutschen Unternehmen zu tun. Da hilft hnen auch kein funktionsfähiger, viel besserer Kreditarkt. Das Entscheidende ist, dass die Unternehmen in Friedrich Merz Deutschland zu wenig verdienen, zu geringe Erträge haben, zu wenig reinvestieren können und eine viel zu hohe Fremdkapitalisierungsquote aufweisen. Das ist das Problem. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: So ist es!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





(A) )


(B) )


Bevor ich gleich auf die Arbeitsmarktreformen zu
sprechen komme, lassen Sie mich vorweg Folgendes sa-
gen: Diese Unternehmen bekommen in doppelter Hin-
sicht Probleme; in einer konjunkturellen Abschwung-
phase, in einer Krise, sind sie viel schneller als andere
von der Insolvenz bedroht. Aber mindestens genauso
dramatisch ist, dass diejenigen, die eine solche Krise
überleben, in der Phase des wirtschaftlichen Auf-
schwungs nicht stark genug sind, um Schritt halten zu
können und sich an die Spitze zu setzen. Das ist das ei-
gentliche Problem, das wir noch an anderer Stelle, näm-
lich im Zusammenhang mit Ihrer Steuerpolitik, diskutie-
ren müssen. So wie Sie Politik betreiben, schaffen Sie
nicht das notwendige Vertrauen, damit es gerade bei
kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland wie-
der aufwärts geht. Diese finden so kein Vertrauen in die
Beständigkeit der Politik; aber dies an anderer Stelle.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Behauptung der Bundesregierung der letzten Mo-

nate und Jahre, dass sich die Stärke der deutschen Volks-
wirtschaft an den Exportzahlen ablesen ließe, haben
Sie, Herr Clement, von diesem Platz aus dankenswerter
Weise nicht wiederholt; denn sie ist schlicht falsch. Der
Anteil der deutschen Volkswirtschaft am Welthandel
nimmt nicht zu, sondern ab. Wir sind noch nicht einmal
in der Lage, mit der Entwicklung des Welthandels
Schritt zu halten.


(Wolfgang Clement, Bundesminister: Nein, das ist falsch!)


Der relative Anteil der Bundesrepublik Deutschland am
Welthandel geht kontinuierlich zurück. Ich gebe aller-
dings zu: Das ist nicht erst seit dem Regierungswechsel
so, weist aber seit dem Regierungswechsel ein beschleu-
nigtes Tempo auf.


(Doris Barnett [SPD]: Ach ja?)

Das ist ein weiteres Problem unserer Volkswirtschaft
und ihrer Wettbewerbsfähigkeit.

Letzter Punkt zu den Vorbemerkungen und zur Be-
schreibung der Lage – hier stimmen wir in der Tat über-
ein –: In Deutschland gibt es Arbeit genug. Das haben
Sie in Ihrem Beitrag gerade deutlich zum Ausdruck ge-
bracht, als Sie darauf hingewiesen haben, dass wir eine
rasant wachsende Schattenwirtschaft haben. Die rasant
wachsende Schattenwirtschaft unseres Landes zeigt,
dass wir ein viel größeres Arbeitskräftepotenzial, ja so-
gar ein viel größeres Wachstumspotenzial in Deutsch-
land haben, als es gegenwärtig im regulären Arbeits-
markt zum Ausdruck kommt und dort umgesetzt werden
kann.

Damit komme ich nun zu den Lösungen dieser Pro-
bleme. Herr Clement, zunächst will ich die Punkte vo-

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(C (D ausschicken, bei denen wir einer Meinung sind. Ich belückwünsche Sie, dass Sie heute endlich, nach langen onaten der Diskussion und des Streites in der SPD, ier einen Vorschlag zur Änderung des Kündigungschutzes gemacht haben. Das hätten wir aber schon früer haben können. Manches von dem, was Sie hier heute esagt haben und was richtig ist, hätten wir seit 1998 och immer haben können; denn es war diese Koalition, ie manches rückgängig gemacht hat. Ich würde uns gerne davor bewahren, dieses Thema n doppelter Hinsicht zu überhöhen. Er ist sicherlich icht das entscheidende Thema zur Lösung der Proleme auf dem Arbeitsmarkt – ich komme noch auf ein nderes Thema zu sprechen, das ich für wichtiger halte – nd ganz gewiss auch nicht, wie Sie gesagt haben, das ichtigste Grundrecht der Arbeitnehmer. Wenn das so äre, dann stellte sich ja die Frage, warum er in den Berieben, die nur weniger als fünf oder sechs Beschäftigte aben, nicht gilt. (Dirk Niebel [FDP]: In 1,5 Millionen Betrieben!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


arum wird den Arbeitnehmern in den kleinen Betrie-
en das wichtigste Grundrecht der Arbeitnehmer in
eutschland vorenthalten?


(Dirk Niebel [FDP]: Sie sind alle entrechtet und geknechtet!)


lso: Gemach, gemach. Lassen Sie bei der Beschrei-
ung dieses Sachverhaltes die Kirche im Dorf.
Richtig ist, dass der Kündigungsschutz eine beträcht-

iche Eintrittsschwelle in den Arbeitsmarkt darstellt. Ich
eglückwünsche Sie zu dieser Erkenntnis. Wir helfen Ih-
en auch gegen den Widerstand in Ihren eigenen Reihen
erne dabei, eine vernünftige Lösung dazu durchzuset-
en. Ich habe bereits gesagt, dass wir die Sozialauswahl,
ie früher schon galt, längst hätten haben können. Sie
ommen also zum alten Recht zurück.
Ich beglückwünsche Sie auch zu der Erkenntnis, dass

ie am Arbeitslosengeld etwas korrigieren müssen.
ies hat über den eigentlichen Sachverhalt hinaus eine
eit reichende Bedeutung. Ich gebe zu, dass auch wir
ine sehr schwierige Diskussion dazu in unseren eigenen
eihen geführt haben.
Entscheidend ist – das haben Sie hier richtig ausge-

ührt –, dass das Arbeitslosengeld keine Ersatzrentenver-
icherung ist. Das sollten wir all denjenigen sagen, die
ich mit dieser Thematik beschäftigen und vielleicht so-
ar von ihr betroffen sind. Es wird – auch wir haben
urch eigenes Tun in den letzten Jahren und Jahrzehnten
eider dazu beigetragen – häufig so verstanden, dass das
rbeitslosengeld zulasten der Beitragszahler und der
undesanstalt für Arbeit sozusagen eine vorgezogene
entenversicherung ist. Das ist die Arbeitslosenversi-
herung nicht. Sie ist eine reine Risikoversicherung, die
om ersten Tag der Beitragszahlung an eintritt. Das ist
er Sinn einer Risikoversicherung. Das Risiko der Ar-
eitslosigkeit wird vom ersten Tag an versichert. Die
ersicherung muss im Grundsatz und im Prinzip unab-






(A) )



(B) )


Friedrich Merz
hängig von Beitragszeiten und vom Alter des Betroffe-
nen mit der gleichen Leistung eintreten.

So weit, so gut. Für viele Betroffene muss es aber hei-
ßen: So weit, so schlecht; denn insbesondere diejenigen,
die älter sind, arbeitslos werden und in Zukunft richti-
gerweise nicht mehr mit einer Arbeitslosenhilfe in dieser
Höhe rechnen können, müssen einen Vertrauensschutz in
Anspruch nehmen können, den wir alle zusammen ihnen
gegeben haben. Insofern ist auch hier eine Übergangslö-
sung richtig.

So weit reichen die Gemeinsamkeiten zur Lösung der
Probleme. Noch einmal: Ich biete Ihnen hier ausdrück-
lich an, dass wir zu vernünftigen gemeinsamen Lösun-
gen kommen. Wir liegen auch nicht so weit auseinander,
als dass es nicht möglich sein könnte, solche Lösungen
zu erzielen. Aber: Die entscheidende Herausforderung
zur Neugestaltung unseres Arbeitsrechtes haben Sie,
meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten
und den Grünen, mit Ihrem Gesetzentwurf überhaupt
nicht angesprochen.

Sie geben zu, dass der Kündigungsschutz, die Über-
regulierung des Arbeitsmarktes und zu kurze Arbeitszei-
ten ein Problem sind. Wenn dies aber richtig ist, dann
hätten Sie konsequenterweise auch eine Antwort auf die
Frage geben müssen, ob unsere Lohnfindungssysteme
in Deutschland insgesamt reformbedürftig sind.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dass sie reformbedürftig sind, sieht man daran, was ge-
genwärtig in der ostdeutschen Metall- und Elektroindus-
trie geschieht.

Ich will das sehr ruhig und sachlich sagen: Dass hier
in der vierten Woche für die Herabsetzung der Wochen-
arbeitszeit gestreikt wird, wodurch der einzige Wettbe-
werbsvorteil, den die ostdeutsche Industrie gegenüber
der westdeutschen Industrie noch hat, beseitigt würde,
zeigt die ganze Absurdität des ritualhaft vorgetragenen
Arbeitsstreites bzw. Arbeitskampfes in der Metallindus-
trie.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn weniger als 10 Prozent der Beschäftigten einen

Streik auslösen können und gleichzeitig aus dem Westen
herbeigekarrte IG-Metall-Funktionäre


(Dirk Niebel [FDP]: Mit Zahnpasta!)

den Versuch unternehmen, vernünftige ostdeutsche Ar-
beitnehmer, die nicht streiken wollen, am Zugang zu den
Betrieben zu hindern, sodass sie einen Spießrutenlauf
machen müssen, um an ihren Arbeitsplatz zu kommen,
dann müssen wir im Deutschen Bundestag über das
Tarifvertragsrecht in Deutschland reden. Es gibt einen
erheblichen Reformbedarf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Herr Clement hätte hierzu was sagen müssen! – Zurufe von der SPD)


Frau Kollegin Barnett und andere, ich habe mit diesen
Zwischenrufen gerechnet. Dass Ihnen das nicht gefällt,

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(C (D ann ich verstehen und nachvollziehen. Ich will aber aran erinnern, dass nicht wir es waren, sondern dass er Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, erhard Schröder, vor gar nicht langer Zeit, nämlich am 4. März, diesen Reformbedarf in seiner Regierungsrklärung von diesem Platz aus selbst angemahnt hat. ch zitiere Bundeskanzler Gerhard Schröder: Ich erwarte also, dass sich die Tarifparteien entlang dessen, was es bereits gibt – aber in weit größerem Umfang –, auf betriebliche Bündnisse einigen, wie das in vielen Branchen bereits der Fall ist. Geschieht das nicht, wird der Gesetzgeber zu handeln haben. as Protokoll verzeichnet Beifall bei der SPD und dem ündnis 90/Die Grünen. Warum ist das, was ich Ihnen eute mit den gleichen Worten wie der Bundeskanzler m 14. März sage, plötzlich bei Ihnen nicht mehr zutimmungsfähig? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Wo ist der Beifall? – Dirk Niebel [FDP]: Die haben nicht einmal bei Clement geklatscht!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir müssen etwas ändern. Daher machen wir an dieser
telle einen Vorschlag. Wir schlagen vor, das Tarifver-
agsgesetz zu ändern und zusammen mit einer Änderung
Betriebsverfassungsgesetz betriebliche Bündnisse

ür Arbeit in Deutschland gesetzlich zu ermöglichen.
ch will denjenigen, die uns zuhören und die an den un-
erschiedlichen Konzepten von Opposition und Regie-
ung sehr interessiert sind, erläutern, worum es geht. Wir
ollen nicht die Tarifautonomie infrage stellen. Die Ta-
ifautonomie hat Verfassungsrang. Selbstverständlich er-
eben sich aus der Tarifautonomie – auch der Bundes-
anzler hat dies so begründet – nicht nur Rechte,
ondern auch Pflichten. Daraus ergibt sich insbesondere
ie Pflicht, auf die gesamtwirtschaftlichen Auswirkun-
en von Tarifverhandlungen und deren Ergebnisse
ücksicht zu nehmen.
Flächentarifverträge bleiben nach unserer festen
berzeugung auch in Zukunft das entscheidende Instru-
ent einer weiterhin notwendigen überbetrieblichen
ohnfindung. Nur der Flächentarifvertrag begründet die
riedenspflicht in den Unternehmen. Wir wollen die Ta-
ifautonomie nicht so verstanden wissen, dass in Zukunft
arifverhandlungen und Tarifabschlüsse nur noch auf
etrieblicher Ebene stattfinden. Aber unter dem Dach
er Flächentarifverträge muss es möglich sein, auf be-
rieblicher Ebene von den Kernbestandteilen der Flä-
hentarifverträge nach unten und oben abzuweichen.
ies betrifft Entgeltregelungen, Urlaubsregelungen und
nsbesondere Arbeitszeitregelungen. Es gibt dazu eine
ielzahl von Fällen, die Sie alle kennen und die zum Teil
echtsgeschichte in Deutschland geschrieben haben. Ich
ill sie an dieser Stelle aus Zeitgründen nicht aufzählen.
Um es klar und deutlich zu sagen: Es geht niemandem

on uns darum, in Tarifverträge in der Weise einzugrei-
en, dass in Zukunft niedrigere Löhne in Deutschland ge-
ahlt werden. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer






(A) )



(B) )


Friedrich Merz
in Deutschland haben im Zweifel nicht zu hohe Löhne,
sondern viel zu niedrige Nettolöhne, weil die Schere
zwischen Netto und Brutto immer weiter aufgeht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Auf der einen Seite stehen viel zu hohe Bruttoarbeits-
kosten. Auf der anderen Seite stehen im Zweifel zu
niedrige Nettolöhne der Arbeitnehmer. Es geht also nicht
in erster Linie um die Entgeltregelungen, sondern um die
Arbeitszeitregelungen.

Herr Clement, aus dem, was Sie gerade gesagt haben,
müssten Sie eigentlich auch für das Tarifvertragsgesetz
und das Betriebsverfassungsgesetz die richtige und not-
wendige Konsequenz ziehen. Sie lautet: Wir müssen die
gesetzlichen Grundlagen schaffen, damit die Menschen
in diesem Land zur Erhaltung des Sozialprodukts und
des Wohlstand in Zukunft wieder mehr arbeiten. Ich ver-
mute, dass dies auch für einen großen Teil der Bevölke-
rung in Deutschland erklärungsbedürftig ist.

Viele Menschen in Deutschland glauben bis heute, ir-
regeleitet durch die Propaganda eines Teils der deut-
schen Gewerkschaften, dass uns nur ein statisches Ar-
beitsvolumen zur Verfügung steht, das man möglichst
gerecht auf die Menschen verteilen müsse, um am Ende
Vollbeschäftigung zu erreichen. Das ist ein großer Irr-
tum, mit dem wir uns seit mehreren Jahren, vielleicht so-
gar seit zwei Jahrzehnten hätten befassen müssen; denn
die Politik der Arbeitszeitverkürzung hat erkennbar nicht
zu einer Lösung des Beschäftigungsproblems geführt,
sondern hat über eine kontinuierliche Verteuerung der
Arbeit in Deutschland zu dieser hohen Massenarbeits-
losigkeit entscheidend beigetragen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es geht also darum, dass wir in Zukunft gemeinsam

wieder ein höheres Sozialprodukt erwirtschaften, indem
wir mehr arbeiten. Mehr Arbeit schafft ein höheres
Wachstum und nicht umgekehrt. Wir sind uns darüber
einig, dass Deutschland unter einer Wachstums- und Be-
schäftigungskrise leidet. Wir erreichen ein höheres
Wachstum aber nur dann, wenn wir zuvor gemeinsam
ein höheres Sozialprodukt durch mehr und nicht durch
weniger Arbeit erwirtschaften.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Nun gibt es auch an dieser Stelle einige, die völlig zu

Recht darauf hinweisen, dass sie schon heute weit über
die tarifliche Arbeitszeit hinaus arbeiten. Das ist zwar
wahr, aber genau an dieser Stelle schließt sich doch der
Kreis jeder vernünftigen Argumentation. Wir müssen
dafür sorgen, dass Einstellungen in den Betrieben wieder
möglich sind, sie erleichtert und nicht durch eine Über-
reglementierung und Überregulierung unseres Arbeits-
marktes künstlich verhindert werden. So schließt sich an
dieser Stelle der Kreis zu unseren Vorschlägen zum
Kündigungsschutzrecht. Wenn wir mehr arbeiten müs-
sen, dann wird es auch mehr Arbeitsplätze geben. Sie
wird es nicht in der Schattenwirtschaft geben und es
wird auch nicht mehr Überstunden geben, sondern sie
wird es, wenn die Betriebe eine Perspektive erkennen, in
regulären Beschäftigungsverhältnissen geben. Dadurch

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(C (D ntsteht mehr Arbeit und durch mehr Arbeit entsteht ehr Wachstum in Deutschland. err Clement, nach dem, was Sie heute Morgen hier geagt haben, müsste Ihnen das eigentlich klar sein. Ich erstehe, dass Sie es im Augenblick in den eigenen Reien sehr schwer haben, diese Widerstände zu überwinen, weil manches von dem, was sich da festgesetzt hat, n einem mühsamen Erkenntnisprozess überwunden erden muss, dem Sie ein Stück vorauseilen. Ich biete Ihnen ausdrücklich unsere Hilfe an, dass wir ei dem schwierigen Prozess der Modernisierung des rbeitsrechts einen Weg einschlagen, bei dem die Moernisierung kein Stückwerk bleibt, sondern ein wirklihes Konzept zur Modernisierung des Arbeitsrechts im esten Sinne für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nd Betriebe in Deutschland möglich wird. Wir haben azu heute unsere konkreten Vorschläge auf den Tisch elegt. Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Bei fall bei der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505310400


Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Thea Dückert.

Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505310500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich
öchte angesichts der seit Jahren überfälligen notwendi-
en strukturellen Reformen zu Beginn meiner Rede ei-
en interessanten Gedanken von Herrn Merz aufgreifen.
atürlich geht es, wenn wir das große Projekt der Über-
indung der strukturellen Probleme am Arbeitsmarkt an-
ehen wollen, auch darum, zu bilanzieren, wo Einigkeit
esteht und wo das Trennende ist. Sie haben insoweit
echt, als bei der Analyse und bei bestimmten Vorschlä-
en Einigkeit besteht. Bei dem Zusammenschustern der
inijobregelung ist das sogar Realität geworden.
Es ist klar, dass die Höhe der Lohnnebenkosten eine

klatante Bedeutung für die Beschäftigungsentwicklung
at. Aber, Herr Merz, ich glaube, das Trennende liegt im
rundsätzlichen, das heißt, in der arbeitsmarktpoliti-

chen Philosophie. Das sieht man auch daran, wie die
eute vorliegenden Anträge von Ihnen aufgenommen
erden.
Sie schreiben in Ihrem eigenen Antrag, wir müssten
ehr „Flexicurity“ am Arbeitsmarkt herstellen. Wir ha-
en uns gefreut, als wir das gelesen haben, weil das ein
egriff ist, den auch die Grünen verwenden. Wenn man
ber schaut, wie Sie mit dem Kündigungsschutz, dem
orschlag, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes zu
erändern, und dem JUMP-Programm umgehen, dann
ieht man eines: Sie haben nicht begriffen, dass „Flexi-
urity“ heißt, auf der einen Seite Dynamik und Flexi-
ilität herzustellen und Barrieren zu überwinden, auf der
nderen Seite aber berechtigte Interessen der Arbeitneh-
erinnen und Arbeitnehmer zu schützen. Genau das
ollen Sie mit Ihren Anträgen nicht.






(A) )



(B) )


Dr. Thea Dückert
Beim Kündigungsschutz wollen Sie so etwas wie
eine Zweiklassenregelung in den Betrieben einführen.
Der Minister hat zu Recht darauf hingewiesen, dass man
die Debatte über den Kündigungsschutz nicht überhöhen
sollte. Aber eines ist schon klar: Es muss beim Kündi-
gungsschutz darum gehen, Einstellungen zu ermögli-
chen, und nicht darum, Kündigungsschutz für diejeni-
gen, die ihn haben, abzubauen. Das tun wir auch nicht.
Es geht darum, gerade für kleine und mittlere Betriebe
eine flexible Lösung zu finden, damit diese am Arbeits-
markt reagieren können, wenn es einen Silberstreif am
Horizont gibt. Es geht darum, eine Balance bei Beibehal-
tung des Kündigungsschutzes zu finden. Der Kündi-
gungsschutz wird den Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmern nicht weggenommen. Wir wollen den sozialen
Schutz sichern, gleichzeitig aber eine flexible Lösung
finden. Das würde ich „Flexicurity“ nennen. Das ist die
Idee, die dahinter steht.

Nehmen wir Ihren Vorschlag, das JUMP-Programm
zu streichen, der heute wieder gemacht wurde und den
ich zutiefst unsozial und ignorant gegenüber der jetzigen
Situation auf den Arbeitsmärkten finde. In verschiede-
nen Anträgen haben Sie auch ausgeführt, mit der Strei-
chung des JUMP-Programms – das würde 1 Milliarde
Euro jährlich ausmachen – könnten die Lohnnebenkos-
ten gesenkt werden.

Aufgrund schlimmer konjunktureller Entwicklungen
und starker struktureller Defizite gibt es in diesem Land
junge Leute, die Schwierigkeiten haben, in den Arbeits-
markt hineinzukommen. Sie selbst haben eben zu Recht
darauf hingewiesen, dass dies für junge Leute immer
schwieriger wird. In dieser Situation mit dem Hinweis
auf die Entwicklung der Lohnnebenkosten die Strei-
chung von JUMP vorzuschlagen, ist ein arbeitsmarktpo-
litischer Irrweg, der nichts mit der Realität und ihrer Be-
wältigung zu tun hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal etwas zum Erfolg des JUMP-Programms!)


Ich glaube, dass eines der größten Reformprojekte im
Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt vor uns liegt. An-
gefangen mit dem Hartz-Konzept und dem Job-AQTIV-
Gesetz sind bereits viele Schritte unternommen worden.
Wir haben viele neue Maßnahmen eingeleitet. Heute
geht es nur um zwei Bausteine, die eher eine strukturelle
und nachhaltige Wirkung entfalten werden, als dass sie
bereits zum Jahresende Entlastungen bringen.

Ein Baustein ist die Senkung der durchschnittlichen
Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes. Die CDU/CSU
wendet sich auch gegen diesen Ansatz. Die Dauer der
Arbeitslosigkeit beträgt in Deutschland durchschnittlich
32 Wochen. Seit Mitte der 80er-Jahre hat sich die durch-
schnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit immer weiter er-
höht. Das ist ein Skandal. Die durchschnittliche Dauer
der Arbeitslosigkeit ist in Deutschland doppelt so hoch
wie in den Nachbarländern. Mit jedem Tag Arbeitslosig-
keit mehr verringern sich für die Menschen die Chancen,
in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Deswegen müssen
wir dieses Problem angehen.

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(C (D Hinzu kommt, dass die Frühverrentungsrate in eutschland exorbitant hoch ist. Bei uns stehen nur noch 8 Prozent der Menschen über 55 Jahre im Erwerbsleen; in anderen Ländern sind es 60 bis 70 Prozent. Die rsachen dafür sind nachweisbar. Das DIW hat dies soeen belegt. Die von CDU/CSU und FDP in den 80erahren vorgenommene Verlängerung der Bezugsdauer es Arbeitslosengeldes ür ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat achweislich dazu geführt, dass die Frühverrentungsrate eit Mitte der 80er-Jahre gestiegen ist und dass sich die urchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit Schritt für chritt erhöht hat. Sie haben die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes erlängert, wohl wissend, dass ein solcher Effekt eintreen kann, weil Sie den Bundeshaushalt von den Ausgaen für die Arbeitslosenhilfe entlasten wollten. Sie haen die Kosten für die längere Bezugsdauer des rbeitslosengeldes der Arbeitslosenversicherung aufgeürdet. Durch diese Verschiebung haben Sie den Druck uf die Lohnnebenkosten verstärkt. Die Parteien, die ich die Senkung der Lohnnebenkosten auf die Fahne eschrieben haben, haben mit solchen Instrumenten ersens den Druck auf die Lohnnebenkosten so verstärkt, ass sie gestiegen sind, und zweitens die Dauer der Areitslosigkeit erhöht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


(Dirk Niebel [FDP]: Mit Dreßler!)


Gegen unser Vorhaben, die Bezugsdauer des Arbeits-
osengeldes auf zwölf bzw. 18 Monate zu senken, argu-
entieren Sie meiner Meinung nach sehr populistisch
nd vordergründig. Aber wie sehen Ihre Vorschläge aus?
Nach den bestehenden Regelungen wird nach einem

ahr Berufstätigkeit der Anspruch auf eine Bezugsdauer
es Arbeitslosengeldes von sechs Monaten erworben;
ach zwei Jahren sind es zwölf Monate. Wir wollen die
ezugsdauer grundsätzlich auf zwölf Monate begrenzen,
ediglich für Arbeitnehmer über 55 Jahre kann sie bis zu
8 Monate betragen.
Was schlagen Sie unter dem sozialen Deckmantel vor?
ach Ihren Vorstellungen muss ein Arbeitnehmer oder
ine Arbeitnehmerin zehn Jahre arbeiten, um den An-
pruch auf ein Jahr Arbeitslosengeld zu erwerben, bzw.
0 Jahre für zwei Jahre Arbeitslosengeld. Außerdem
ollen Sie noch einen Karenzmonat einführen, das heißt,
ass das Arbeitslosengeld im ersten Monat des Bezugs-
eitraums auf das Sozialhilfeniveau gesenkt wird.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505310600


Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Zeit!

Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505310700

Junge Leute, die 23 Monate arbeiten und dann arbeits-

os werden, würden nach Ihren Vorstellungen völlig leer
usgehen. Leute, die einen Monat länger arbeiten, wür-
en sechs Monate Arbeitslosengeld bekommen, müssten
ber im ersten Monat auf Sozialhilfeniveau leben.






(A) )



(B) )


Dr. Thea Dückert
Wo leben Sie eigentlich? Es geht doch um junge
Leute in der Phase der Familiengründung. Die jungen
Leute haben heutzutage keine bruchlose Erwerbsbiogra-
fie vor sich, wie es bei uns oder unseren Eltern noch der
Fall war. Sie müssen sich vielmehr mit Patchwork-Er-
werbsbiografien auseinander setzen. Mit Ihrem Vor-
schlag streichen Sie diesen Menschen, wenn sie Über-
gangsprobleme haben und von einem Job in den anderen
wechseln wollen, auch noch die Möglichkeit auf ein an-
ständiges Arbeitslosengeld, nur um weiterhin die Früh-
verrentung finanzieren zu können. Das aber ist ein Irr-
weg. Den Weg, den Sie bei der Bezugsdauer des
Arbeitslosengeldes beschreiten, ist völlig falsch. Unter
dem Deckmäntelchen des Sozialen schlagen Sie hier et-
was vor, was auf Kosten –


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505310800


Frau Kollegin, das geht jetzt auf Kosten des nächsten
Redners Ihrer Fraktion.


Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505310900

– der jungen Menschen und damit auf Kosten der Ge-

nerationengerechtigkeit sowie zulasten des Arbeitsmark-
tes geht.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505311000


Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dirk Niebel.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1505311100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Herr Minister Clement, ich muss zugeben, dass
Sie bei Ihrer Rede stark begonnen haben, besonders als
es um die Beschreibung der momentanen Situation auf
dem Arbeitsmarkt in Deutschland ging. Sie haben zu
Recht festgestellt, dass sich die Leistungen eines Sozial-
staates nicht an der Höhe der Transferleistungen, son-
dern an der Zahl der zur Verfügung stehenden Arbeits-
plätze bemessen lasse und dass ein Großteil der von der
alten Bundesregierung, aber auch viele der von der
neuen Bundesregierung mit schönen Namen versehenen
und eingeführten arbeitsmarktpolitischen Instrumenta-
rien schlichtweg gescheitert seien. Das wissen wir spä-
testens seit der Eingliederungsbilanz der Bundesanstalt
für Arbeit, in der nachzulesen ist, dass ohne Folgeförde-
rung bundesweit nur 35 Prozent aller Maßnahmen dazu
geführt haben, dass ein Arbeitsloser sechs Monate nach
Maßnahmeende einen Arbeitsplatz bekommen hat. Das
ist herausgeschmissenes Geld.


(Beifall bei der FDP)

All das war richtig. Ich gebe zu, dass das für einen

Minister ein starker Auftritt war. Nur schade, dass kein
einziger Kollege aus den Regierungsfraktionen applau-
diert hat.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D as bestärkt mich in meiner Sorge, dass die die Regieung tragenden Fraktionen noch immer mit einem gewisen Maß an Realitätsverweigerung an die Lösung der robleme des deutschen Arbeitsmarktes herangehen. as sieht man auch daran, dass zwar vor über drei Moaten die Kanzlerrede mit viel medialem Drumherum als roßer Befreiungsschlag angekündigt wurde, dass aber ie Gesetzentwürfe, die drei Monate später vorgelegt erden, mit der Durchschlagskraft eines Wattebäuschhens versehen sind. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das Kündigungsschutzgesetz ist ein Einstellungs-
emmnis und sorgt dafür, dass die Menschen in diesem
and oft nicht die Möglichkeit haben, ihren Lebensun-
erhalt selbst zu finanzieren. Das sieht man an folgenden
ahlen: In Deutschland gibt es 1,46 Millionen Betriebe
it weniger als fünf Mitarbeitern, aber nur 260 000 Be-
riebe mit sechs bis neun Mitarbeitern und 200 000 Be-
riebe mit zehn bis 19 Mitarbeitern. Daran kann man se-
en, dass es hier eine Hemmschwelle gibt, die es
rschwert, mehr als fünf Mitarbeiter einzustellen. Des-
alb geht man den Weg der Zeitarbeit und der Überstun-
en. Man geht aber noch einen anderen Weg – diesen ha-
en Sie schon beschrieben –: Es gab Zeiten in
eutschland, in denen Wayss & Freytag einer der großen
rbeitgeber war. Heute ist es „Schwarz & Samstag“.
as hat nicht nur etwas mit dem Kündigungsschutzge-
etz, sondern unter anderem auch mit den Rahmenbedin-
ungen in der Bundesrepublik Deutschland zu tun, die es
ttraktiver machen, in der Schattenwirtschaft und im
raubereich als in der regulären Wirtschaft zu arbeiten.
Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzentwurf, den

ie vorgelegt haben, nur die Durchschlagskraft eines
attebäuschchens. Sie haben es geschafft, sich in relativ
leinen Schritten auf den Rechtszustand von 1998 zu-
ückzubewegen. Im Jahre 1996 hat die alte Bundesregie-
ung zum Beispiel drei Kriterien für die Sozialauswahl
estgelegt und – um Rechtssicherheit zu schaffen – Na-
enslisten eingeführt. Im Rahmen der rot-grünen Reform-
rgie von 1998 haben Sie das alles abgeschafft. Damit
aben Sie Ihre Versprechen eingelöst, aufgrund derer Sie
ie Bundestagswahl gewonnen haben und der DGB Sie
inanziell so stark unterstützt hat. Jetzt stellen Sie suk-
essive – wortgleich – den Rechtszustand von 1998 wie-
er her. Ich muss sagen: Willkommen im Klub! Fünf
erschenkte Jahre für Deutschland!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

en entscheidenden Schritt gehen Sie aber nicht. Die
ozialauswahl muss zwar klar definiert werden, aber die
etriebe – wer außer diesen könnte besser definieren,
er Leistung erbringt und wer nicht? – müssen die Mög-
ichkeit haben, dafür zu sorgen, dass die Leistungsträger
leiben und dass die Luschen gehen. Es darf nicht umge-
ehrt sein, wie es heute oft der Fall ist.
Sie haben eine Regelung für kleine Betriebe gefun-

en, weil Sie festgestellt haben, dass es eine Hemm-
chwelle gibt, die es schwer macht, mehr als fünf Arbeit-
ehmer einzustellen. Aber Ihre Regelung hebt nur auf






(A) )



(B) )


Dirk Niebel
die befristeten Beschäftigungsverhältnisse ab. Damit
verlagern Sie das Problem des Schwellenwerts in die
Zukunft, und zwar bis zum Ende des längstmöglichen
Befristungszeitraums. Spätestens da wirkt sich der
Schwellenwert wieder voll aus. Ein Arbeitgeber steht
dann nämlich vor folgender Entscheidung: Entweder er
stellt einen eingearbeiteten Mitarbeiter fest ein und an-
schließend genießen alle Beschäftigten denselben Kün-
digungsschutz oder er entlässt diesen Mitarbeiter und
muss jemand anders einstellen, der eingearbeitet werden
muss. Was Sie vorhaben, schafft keine dauerhaften, gesi-
cherten Beschäftigungsverhältnisse. Sie fördern das, was
Ihre Kolleginnen und Kollegen immer als prekäre Ar-
beitsverhältnisse bezeichnet haben. Sie gehen den fal-
schen Weg.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Im Hinblick auf den Arbeitslosengeldbezug sind Sie

endlich in der Realität angelangt. Ich bedauere sehr, dass
die Blüms und Dreßlers der beiden großen sozialdemo-
kratischen Parteien den Weg der Ausweitung der Be-
zugsdauer damals – ich war damals noch nicht Mitglied
dieses Hauses – eingeschlagen haben. Wir alle wissen
jetzt: Er war falsch.

Mittlerweile wissen wir doch auch, dass sich die Ar-
beitslosenversicherung von ihrem eigentlichen Zweck
einer Ausfallbürgschaft zur Absicherung des Lebensun-
terhaltes für einen klar definierten Suchzeitraum weg-
und hin zu einer Daueralimentierung entwickelt hat. Das
hat dazu geführt, dass manch einer, der wirtschaftlich
klar denken kann, mit dem Klammerbeutel gepudert sein
müsste, wenn er einen Arbeitsplatz annimmt: Beispiels-
weise lohnt sich für einen 56-Jährigen nach zweijähriger
Arbeitslosigkeit die Annahme eines Arbeitsplatzes ange-
sichts der Tatsache, dass er bis zu 32 Monate ein Ar-
beitslosengeld in Höhe von 60 Prozent seines letzten
Nettolohns beziehen kann, wirtschaftlich überhaupt
nicht; das liegt auch an der Dauer des Arbeitslosengeld-
bezugs. Das müssen wir ändern. Auch an dieser Stelle
gilt: Willkommen im Klub! Über die Details müssen wir
in den Ausschussberatungen noch streiten.

Nichtsdestotrotz haben Sie zwei ganz entscheidende
Punkte übersehen:

Der eine Punkt – Herr Kollege Merz hat ihn schon an-
gesprochen; wir haben hier eine entsprechende Geset-
zesvorlage eingebracht – betrifft das Tarifrecht.

Der andere Punkt betrifft die Rahmenbedingungen,
die darüber hinaus vorhanden sein müssen, damit mehr
Menschen auf dem Arbeitsmarkt wieder eine Chance ha-
ben.

Zunächst möchte ich auf das Tarifrecht eingehen. Im
Osten der Bundesrepublik Deutschland sehen wir gerade
ganz aktuell: Wenn sich weniger als 10 Prozent der in ei-
ner Branche Beschäftigten für einen Arbeitskampf ent-
scheiden und wenn Betriebsräte von Siemens von der
IG Metall auf Solidaritätsreise in den Osten geschickt
werden, um dazu beizutragen, dass diejenigen ausgepfif-
fen werden, die arbeiten gehen, dann stimmt doch irgend-
etwas nicht mehr. „Der Spiegel“ zitiert aus dem IG-Me-

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(C (D all-Aufruf in seiner Ausgabe vom 16. Juni folgendermaen: … Mitnehmen solltet Ihr … Zahnbürste und Zahncreme, Deo, Waschlappen und Handtuch zum Frischmachen, heißt es in der Einladung. an muss schon feststellen, dass die Metaller, die im sten ihre arbeiten wollenden Kollegen ausgepfiffen haen, sehr sauber sind. Das zeigt: Das Problem besteht darin, dass Funktio ärszentralen auf beiden Seiten des Arbeitsmarktes aufrund von Eigeninteressen oftmals gegen die Interessen erjenigen agieren und Politik betreiben, die in den Berieben arbeiten und ihren Lebensunterhalt erwirtschafen wollen. as muss sich ändern. Deswegen wollen wir, dass im arifvertragsrecht und im Betriebsverfassungsrecht die öglichkeit von betrieblichen Bündnissen für Arbeit estgeschrieben wird. Die Chance, an Entscheidungen ber die eigene Zukunft mitzuwirken, macht dann Sinn, enn andere Kollektive gegen einen arbeiten. Was die sonstigen Rahmenbedingungen angeht, frage ch mich, weshalb Sie heute Morgen eigentlich verhinert haben, dass wir über das Vorziehen der Steuerreorm debattieren. Wir wollten gern hier, im Deutschen undestag, hören, was die Bundesregierung dazu sagt. ir alle sind doch der Meinung, dass das Nettoeinkomen der Menschen steigen muss. Das heißt, vom Bruttoinkommen muss ihnen mehr übrig bleiben. Um dieses iel zu erreichen, muss es neben der Reform der soziaen Sicherungsysteme zu einem einfachen und gerechten teuersystem mit einer niedrigen Steuerlast kommen. Ein erster kleiner Schritt in diese Richtung wäre, die teuerreform – sie ist überhaupt erst durch den Kollegen ainer Brüderle und die Vertreter der Landesregierung on Rheinland-Pfalz im Vermittlungsausschuss möglich eworden – vorzuziehen, damit die Menschen wieder uft zum Atmen und die Betriebe wieder Geld für Invesitionen haben; damit sie wieder Zukunftschancen haben nd Hoffnung entwickeln. Heutzutage investieren weder nternehmer noch vermögende Privatpersonen, weil sie hrer Politik schlichtweg nicht mehr vertrauen. Dass die Menschen wieder Vertrauen in die Politik aben, ist eine wichtige Voraussetzung, um wirtschaftlihes Wachstum in der Bundesrepublik Deutschland geerieren zu können. Ihre Rede fing zwar stark an, danach aben Sie aber leider nachgelassen. Bemerkenswertereise haben die Sie tragenden Fraktionen genau da pplaudiert. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: War nicht überwältigend! War sehr mau! Kollege Brandner hat nicht geklatscht!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP)


Ich weiß, der Beifall war sehr vage. Wir wollen Ihnen
ern dabei helfen, Ihre Truppen hinter sich zu scharen.






(A) )



(B) )


Dirk Niebel
Das Grundproblem besteht darin, dass sich einige we-
nige Mitglieder dieser Regierung, die verstanden haben,
was zu tun ist, nicht durchsetzen können und sich nicht
trauen, die Opposition zu Rate zu ziehen. Das Beste
wäre es, den Regierungsauftrag zurückzugeben und die
Wählerinnen und Wähler erneut entscheiden zu lassen.
Das Beste für Deutschland, aber auch für Nordrhein-
Westfalen wäre, wenn es Neuwahlen gäbe.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: So weit zum Thema Hilfe für Herrn Clement!)


Nur so bekommen wir Zukunftschancen für diese Repu-
blik. Nur so können wir es bewerkstelligen, dass die
Menschen, die heute außen vor stehen, wieder eine
Chance haben, selbst für ihren Lebensunterhalt zu arbei-
ten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505311200


Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Klaus Brandner.

(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Der sagt doch das Gegenteil von dem, was Clement gesagt hat!)



Klaus Brandner (SPD):
Rede ID: ID1505311300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Die heutige Debatte ist aus meiner
Sicht eine sehr zentrale; denn mit dem Entwurf eines Ge-
setzes zu Reformen am Arbeitsmarkt setzen wir einen
weiteren Schwerpunkt der Agenda 2010 um und zeigen
damit, wie entschlossen wir sind und wie ernst wir es mit
den Reformen in diesem Lande meinen. Zusammen mit
dem Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz, der No-
vellierung der Handwerksordnung, der Modernisierung
der Bundesanstalt für Arbeit, der Stärkung der Gemein-
definanzen sowie der Zusammenlegung von Arbeitslo-
senhilfe und Sozialhilfe haben wir damit einen Reform-
schwung, der von allen internationalen Instituten
unterstützt wird.

Ziel ist es, Einstellungshemmnisse im Arbeitsrecht zu
beseitigen und die Lohnnebenkosten, was den Teil Ar-
beitslosenversicherung betrifft, zu senken. Wir werden
den Kündigungsschutz für Unternehmer und Arbeitneh-
mer leichter handhabbar machen. Wir werden Einstel-
lungen erleichtern. Handwerker und kleine Gewerbe-
treibende werden ermutigt, Mitarbeiter neu einzustellen.
Zumindest können insbesondere Sie von der Opposition
künftig nicht mehr auf ein zu starres Kündigungsschutz-
recht verweisen.

Durch den Gesetzentwurf der Koalition bleibt der
Kündigungsschutz in seiner Substanz voll erhalten.
Heuern und Feuern wird es mit Sozialdemokraten nicht
geben.


(Beifall bei der SPD)

Wir schaffen einen fairen Ausgleich zwischen Arbeitge-
bern, Arbeitnehmern und Arbeitsuchenden. Davon kann
bei dem Entwurf, den Sie von der CDU/CSU vorgelegt

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(C (D aben, freilich nicht die Rede sein. Danach soll drastisch n Schutzrechte der Arbeitnehmer eingegriffen werden. assen Sie mich dazu ganz konkret ein Beispiel nennen. Sie schlagen vor, den Kündigungsschutz auf neu ein estellte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so lange icht anzuwenden, bis das Unternehmen 20 Arbeitneher beschäftigt. Dort, wo heute Kündigungsschutz gilt, ürde die Belegschaft aufgespalten und würden bereits eschäftigte Arbeitnehmer mit Kündigungsschutz neben eu eingestellten Arbeitnehmern ohne Kündigungschutz tätig sein. Wie wollen Sie eigentlich rechtfertien, dass neu eingestellte Arbeitnehmer bis zu einer Bechäftigungsschwelle von 20 Arbeitnehmern auf Dauer hne Kündigungsschutz bleiben? (Dr. Reinhard Göhner [CDU/CSU]: Das passiert bei Ihrem Entwurf auch!)


ine solche Diskriminierung belastet das Betriebs-
lima, Herr Göhner. Das Betriebsklima ist auch aus
irtschaftspolitischer Sicht ganz entscheidend. Es ist ein
anz wesentlicher Produktivfaktor.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Ihr spaltet doch genauso auf! – Dirk Niebel [FDP]: Ihr spaltet in Arbeitnehmer und Arbeitslose!)


eshalb wenden wir uns gegen Spaltungspolitik auf der
etrieblichen Ebene. Wir sind für ein gutes Betriebs-
lima.


(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,
it Ihren Vorschlägen zum Tarifvertragsrecht erklären
ie die Entrechtung der Arbeitnehmer zum Programm.
hre Vorstellungen laufen darauf hinaus, Arbeitnehme-
innen und Arbeitnehmer zu Bittstellern gegenüber ihren
rbeitgebern zu degradieren.


(Unruhe)

Hören Sie gut zu! – Genau das träte ein, wenn von Ta-
ifverträgen abweichende Regelungen ohne Beteiligung
er Tarifvertragsparteien vereinbart werden könnten.


(Dirk Niebel [FDP]: So ein Quatsch!)

ie Funktion der Tarifverträge würde damit ad ab-
urdum geführt; denn auf diese Art und Weise würden
rbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leicht zu Tagelöh-
ern gemacht. Das setzt leichtfertig aufs Spiel, was
eutschland stark gemacht hat, nämlich Stammbeleg-
chaften, die für ihre Betriebe durch dick und dünn ge-
en. Wettbewerb kann doch wohl nicht allein auf die
rage reduziert werden, wer sein Personal am schlech-
esten bezahlt.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Übelste Kiste ist das!)


Jeder in diesem Land, der nicht ideologisch verbohrt
st, weiß doch inzwischen, dass die Tarifverträge in den
etzten zehn Jahren erheblich flexibilisiert und auch stän-
ig weiterentwickelt worden sind. Die Beispiele für ta-
ifliche Öffnungsklauseln sind zahlreich: Einstiegsklau-
eln für Langzeitarbeitslose, Regelungen für variable
ntlohnung, Arbeitszeitkorridore, befristete Arbeitszeit-






(A) )



(B) )


Klaus Brandner
reduzierung ohne Lohnausgleich, Aussetzen von Tarif-
erhöhungen, Härtefallklauseln für Krisenfälle. Insgesamt
kann man feststellen, dass wir insbesondere in der Ar-
beitszeitgestaltung die flexibelsten tarifvertraglichen Re-
gelungen in ganz Europa haben.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Deshalb haben wir so viele Arbeitslose!)


– Wenn Sie den Tarifvertrag zum Sündenbock für die
Höhe der Arbeitslosigkeit erklären, dann liegen Sie na-
türlich nicht richtig. Dass es auch andere Faktoren für
die Höhe der Arbeitslosigkeit gibt, davon kann man
wohl überzeugt sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: Diese Bundesregierung zum Beispiel!)


Verträge haben aber nur dann Wirkung, wenn sie für
beide Seiten verbindlich sind. Deshalb kommen für uns
gesetzliche Öffnungsklauseln nicht infrage.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Betriebsvereinbarungen dürfen nicht unterlaufen wer-
den, auch nicht solche, die mit dem schönen Etikett „Be-
triebliches Bündnis für Arbeit“ versehen sind.


(Dr. Reinhard Göhner [CDU/CSU]: Der Bundeskanzler hat eine andere Auffassung!)


– Der Bundeskanzler vertritt keine andere Auffassung,
Herr Göhner.

Offenbar geht es Ihnen aber weniger um inhaltliche
Weichenstellungen innerhalb eines grundsätzlich akzep-
tierten Betriebsvertragssystems. Sie schüren mit Ihren
Vorhaben die Existenzängste von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern und kündigen den gesellschaftlichen
Konsens insbesondere in Fragen der Tarifautonomie auf.
Das führt jedoch nicht zu der von Ihnen erhofften Auf-
bruchstimmung.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist DGBVokabular!)


Sie zementieren alte Feindbilder, die sich längst überholt
haben, Herr Hinsken, und der politischen Gegenwart aus
meiner Sicht nicht gerecht werden. Es lohnt sich ange-
sichts der bislang guten Erfahrungen mit der Sozialpart-
nerschaft schon, darüber nachzudenken, ob die Bundes-
republik Deutschland auf harten Konfrontationskurs, der
erhebliche soziale Spannungen mit sich bringt, ein-
schwenken soll oder ob nicht doch das Erfolgsmuster
des Konsensprinzips der angemessenere Weg ist.

Sie wollen die Gewerkschaften am liebsten ganz klein
halten.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Ach Gott! Daher kommt das!)


Ich zitiere als Beleg nur Herrn Merz, der sagt, er halte
nichts von Tarifverträgen. Das ist auch keine Mutma-
ßung, Herr Hinsken, wenn ich mich direkt auf Herrn
Merz berufe. Ich zitiere Sie doch wohl richtig, Herr

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(C (D erz, wenn ich als Ihre Aussage wiedergebe, dass Sie it Verweis auf die Gewerkschaften sagten: „Wenn man inen Sumpf trocken legen will, darf man nicht die Fröche fragen.“ as sagt Herr Laumann, was sagt Ihre Christlich-Demoratische Arbeitnehmerschaft dazu? Wir jedenfalls steen zu den Gewerkschaften und den Betriebsräten, weil ir wissen, dass sie in diesem Land nicht Bremser, sonern Gestalter des sozialen Fortschritts sind. Deshalb assen wir nicht zu, dass sie auf diese Art und Weise in ie Ecke der Blockierer gedrängt werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Recht hat er!)


Meine Damen und Herren, zu den Neuregelungen be-
üglich der Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld
öchte ich Sie auf Folgendes hinweisen. Wir nehmen
ur Kenntnis, dass die deutsche Wirtschaft Arbeitnehmer
enseits des 50. Lebensjahrs zum alten Eisen erklärt.
anze Stäbe von Personalmanagern in den größeren Un-
ernehmen haben über Jahre daran gefeilt, wie sie ältere
rbeitnehmer möglichst kostengünstig freisetzen kön-
en. Unter kostengünstig verstehen sie dabei auch, die
igenen Personalprobleme in möglichst großem Umfang
ulasten der Sozialversicherungssysteme und unter
chonung der eigenen Kassen zu lösen. Auch dazu hät-
en wir, Herr Göhner, gerne ein offenes Wort beispiels-
eise der BDA, des BDI und des DIHT gehört. Wir
ussten das leider vermissen. Hier wäre ein gemeinsa-
es Vorgehen angebracht, denn die Senkung der Lohn-
ebenkosten und der Missbrauch der Sozialkassen ist
eine Angelegenheit nur einer Gruppe in der Gesell-
chaft, sondern hier ist gemeinsames Handeln erforder-
ich.
Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, handeln ent-

chlossen, weil wir zum einen diesen Missbrauch nicht
ehr zulassen wollen und zum anderen die Chancen für
ie älteren Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt durch eine
eihe von aktivierenden Maßnahmen erhöhen, die dazu
eitragen, dass die Beschäftigungsfähigkeit Älterer lang-
ristig erhalten bleibt. Ich will jetzt nicht alle Maßnah-
en im Einzelnen auflisten. Hier wird aber unsere Stra-
egie klar und deutlich: Falsche Anreize, die zur
elastung der Sozialsysteme führen, müssen weg; inte-
rierende Anreize für mehr Beschäftigung älterer Ar-
eitnehmer werden konsequent aufgebaut.
Wir haben die Kohlen aus dem Feuer geholt und die

ehr schwierige öffentliche Debatte um die Agenda 2010
eführt. Wir haben Sie durch öffentlichen Druck aus der
eckung gezwungen. Regierungstauglich – da darf ich
ie FDP zitieren – sind Sie, meine Damen und Herren,
adurch aber noch lange nicht geworden.


(Dirk Niebel [FDP]: Ihre Rede war auch nicht klasse!)


ichtig ist, dass die Positionen klar geworden sind – in
er heutigen Debatte ganz besonders. CDU/CSU und
DP wollen im sozialen Bereich deutlich abbauen;


(Zuruf von der FDP: Quatsch!)







(A) )



(B) )


Klaus Brandner
SPD und Grüne wollen den Sozialstaat umbauen. Zum
Umbauen reichen wir Ihnen die Hand; insofern sind wir
gesprächs- und konsensbereit. Zum Abbau steht diese
Koalition nicht zur Verfügung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: Man muss viele Frösche küssen, bevor man einen Prinzen findet!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505311400


Das Wort hat jetzt der Kollege Karl-Josef Laumann.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1505311500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ziel unseres
Gesetzentwurfes, den wir heute in den Bundestag ein-
bringen, ist es, zu mehr Beschäftigung in Deutschland zu
kommen. Es ist eine Tatsache, dass wir in Deutschland
ein Wachstum von gut 2 Prozent brauchen, bis überhaupt
ein positiver Arbeitsmarkteffekt messbar ist.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Mindestens 2 Prozent!)


Es gibt Länder, in denen das anders ist. In Amerika sagt
man, dass ein Wachstum von 0,5 Prozent ausreicht, um
einen Arbeitsmarkteffekt zu erreichen. In unserem Nach-
barstaat Niederlande sagt man, 1 Prozent Wachstum rei-
che aus, um mehr Beschäftigung zu erreichen. Insofern
müssen wir uns in der Tat überlegen – darüber gibt es
auch viele Studien –, warum wir in Deutschland ein rela-
tiv hohes Wachstum brauchen, um überhaupt einen posi-
tiven Effekt auf dem Arbeitsmarkt feststellen zu können.

Wenn das, was die Bundesregierung sagt, zutrifft,
nämlich dass wir für dieses Jahr ein Wachstum von
0,75 Prozent bekommen, dann bedeutet das – nach dem
Zusammenhang, den ich eben erklärt habe –, dass es in
diesem Jahr mit der Arbeitslosigkeit eher schlimmer als
besser wird.


(Ilse Aigner [CDU/CSU]: Leider!)

Wenn das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung
Recht hat, das sagt, die von der Bundesregierung ange-
nommenen 0,75 Prozent stimmten gar nicht,


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das hat auch Clement in der Zwischenzeit gesagt!)


vielmehr müssten wir von einer schrumpfenden Wirt-
schaft ausgehen, dann macht dies umso deutlicher, wo
wir am Ende dieses Jahres landen werden.


(Dirk Niebel [FDP]: 5 Millionen Arbeitslose! – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es!)


Es gibt Mitglieder der Bundesregierung wie den Außen-
minister, der vor kurzem in einem öffentlichen Interview
die Zahl von 5 Millionen in Bezug auf die Arbeitslosen-
entwicklung in diesem Jahr in den Mund genommen hat.

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(C (D (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Prognostiziert hat!)


Deswegen müssen wir, wie in unserem Gesetzentwurf
orgesehen, Instrumente einführen, mit denen wir den
ersuch unternehmen, Wachstum über mehr Beschäfti-
ung zu erreichen. Es ist immer die Rede davon, dass
ir für Beschäftigung Wachstum brauchen; aber viel-
eicht sollten wir einfach einmal überlegen, ob wir nicht
urch mehr Beschäftigung auch mehr Wachstum errei-
hen können.
Aus diesem Grund hat unser Gesetzentwurf im
runde genommen drei Ziele. Erstens geht es um Kos-

ensenkung. Wir sind uns im Großen und Ganzen einig,
ass wir zu Einsparungen bei der Arbeitslosenversiche-
ung kommen müssen. Frau Dückert, wir haben nur ei-
en etwas anderen Ansatz. Sie legen bei der Tabelle, wie
ie das Arbeitslosengeld in Zukunft gestalten wollen,
as Lebensalter zugrunde, während wir Beschäftigungs-
ahre zugrunde legen.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

Ich bin durchaus der Meinung, dass ein Mensch, der

ange Zeit Steuern und Beiträge gezahlt hat – vor allem
m Blick darauf, dass wir die Arbeitslosenhilfe mit der
ozialhilfe auf Sozialhilfeniveau zusammenführen –,
uch über eine längere Zeit Schutz genießen soll, bis er
n ein bedürftigkeitsabhängiges System fällt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

ies haben wir eben in Beschäftigungsjahren gemessen.
as kann man sehr wohl rechtfertigen.


(Wolfgang Clement, Bundesminister: Aber nicht bei einer Risikoversicherung!)


Daneben haben wir unsere Intention in das Gesetz
ufgenommen, die Schwellenwerte, die bei der letzten
nderung des Betriebsverfassungsgesetzes von Riester
rhöht wurden, wieder auf das Niveau von 1998 zurück-
uführen. Das hat nichts damit zu tun, dass wir Betriebs-
äte für etwas Unvernünftiges hielten, aber man muss
olgendes wissen: Vor 1998 gab es in Deutschland kei-
esfalls eine heftige Bewegung, aufgrund derer man die
nzahl der Betriebsräte und der Freistellungen unbe-
ingt hätte vergrößern müssen. Es gab damals keine
riefe von Betriebsräten, dass das alles so kommen
üsse, sondern – erinnern wir uns! – das war das Danke-
chön von Herrn Riester für die Wahlkampfunterstüt-
ung von 8 Millionen DM im Wahlkampf 1998.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Dass wir nun eine Regelung wieder abschaffen wol-
en, die lediglich zustande gekommen ist, weil diese Re-
ierung den Gewerkschaften Danke sagen wollte für die
Millionen DM im Wahlkampf, das müssen Sie verste-
en. Das erfordert schon unsere Ehre. Deswegen beab-
ichtigen wir, diese Schwellenwerte wieder so festzuset-
en, wie sie vor 1998 galten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

as spart natürlich auch Kosten.






(A) )



(B) )


Karl-Josef Laumann
Ein zweiter Grundsatz ist mehr Flexibilität. In die-
sem Zusammenhang ist das betriebliche Bündnis für Ar-
beit unstreitig ein wichtiges Thema. Lieber Herr Kollege
Brandner, Sie sind ja Bevollmächtigter der IG Metall in
Gütersloh. Ich möchte nicht wissen, wie viele solcher
funktionierenden betrieblichen Bündnisse es in Ihrem
Wahlkreis gibt.


(Dr. Reinhard Göhner [CDU/CSU]: Jede Menge!)


Sie nehmen diese schlicht und ergreifend nicht zur
Kenntnis. Aber der normale Mensch muss doch vom Ge-
setzgeber verlangen können, dass dieser für Rechtssi-
cherheit sorgt. Deswegen meine ich: Wenn wir wissen,
dass es viele solcher Bündnisse gibt, warum stellen wir
sie dann nicht auf rechtlich einwandfreie Füße und zei-
gen einen rechtlich einwandfreien Weg auf? Nicht mehr
und nicht weniger tun wir hier.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Gewerkschaften sagen, das sei ein Angriff auf

den Flächentarifvertrag, und lehnen das deswegen ab.
Gut; aber wenn ich mir jetzt die Diskussion über den
Streik in Ostdeutschland und die Wahrnehmung dieses
Streiks in den Medien anschaue, dann sage ich ganz of-
fen: Herr Peters hat der IG Metall mit diesem Vorgehen
in Ostdeutschland einen Bärendienst erwiesen, denn das
war sehr ungeschickt. In einer Zeit, in der das Land über
die größte Wirtschaftskrise redet und die Menschen
diese Wirtschaftskrise immer mehr spüren, fordert man
dort, weniger arbeiten zu müssen, obwohl jeder weiß,
dass in einer schwierigen Situation mehr gearbeitet wer-
den muss. Das ist ein Naturgesetz. Wer dagegen ver-
stößt, muss sich nicht wundern, wenn er in eine be-
stimmte Ecke gestellt wird.

Aber dieses Thema macht deutlich, dass wir betriebli-
che Bündnisse brauchen. Überlegen Sie – auch Sie, Herr
Bundesminister – einmal, ob man durch diese Bündnisse
nicht sogar den Flächentarifvertrag in sich stärkt, weil
man die Flucht aus den tarifvertragschließenden Verbän-
den damit ein Stück weit verhindert. Der Tarifvertrag
wird als eine Art Richtschnur schon bestimmen, wie
hoch die Löhne sind. Aber ich finde, wenn es zur indivi-
duellen Beschäftigungssicherung notwendig ist, muss es
Abweichungen geben können. Wenn man zwei Drittel
einer Belegschaft von Veränderungen überzeugen will,
muss man sicherlich sehr gute Gründe in die Argumenta-
tion einbringen. Das scheint mir schon ein vernünftiger
Schutz zu sein.

In dem dritten Punkt in unserem Gesetzentwurf geht
es um mehr Chancen für Beschäftigung. Damit sind
wir beim Kündigungsschutz und der Schwelle von
20 Beschäftigten bei Neueinstellungen. Jeder von uns
weiß, dass die mittelständischen Unternehmen gerade
das Thema Kündigungsschutz immer als Argument da-
für gebracht haben, warum sie sich mit Einstellungen so
schwer tun. Wir fordern, dass das Kündigungsschutzge-
setz nicht für Neueinstellungen bei Unternehmen mit
weniger als 20 Beschäftigten gelten soll. Nun sage ich
als Vertreter der Arbeitnehmer: Liebe mittelständische
Unternehmer, jetzt beweist einmal, dass das, was ihr im-

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(C (D er gesagt habt, wirklich euer Anliegen war! Es müssen lle Reserven genutzt werden, um zu mehr Beschäftiung zu kommen. Das werden wir in einigen Jahren essen können. An dieser Frage wird sich die Glaubwürdigkeit derje igen messen lassen, die den Kündigungsschutz zu eiem zentralen Punkt beim Thema Neueinstellungen geacht haben. Ich glaube im Übrigen, dass es verantwortbar ist, das ündigungsschutzgesetz in diesen Unternehmen nicht nzuwenden; denn meine ganze Lebenserfahrung sagt ir: In einem Betrieb bis zu 20 Beschäftigten hat jeder rbeitnehmer für den Inhaber, für den Chef ein Gesicht nd ist nicht nur eine Akte. Deswegen ist die emotionale ürde, jemanden zu entlassen, hier mit Sicherheit geauso hoch wie die Hürde durch das beste Kündigungschutzgesetz. Vertrauen wir also ruhig einmal auf den esunden Menschenverstand und ein normales Verhalten diesem Bereich! Alles in allem enthält der Gesetzentwurf der Union eit reichende Vorschläge zum Arbeitsrecht, aber es ind auch bis ins Detail formulierte Alternativen zu dem, as die Regierung vorlegt. Ich bin sicher, dass es für iesen Antrag, wenn wir uns ohne Ideologie darüber unrhalten würden, im Bundestag eine Mehrheit gäbe. enn wir uns mit Ideologie darüber unterhalten, werden hre Trippelschritte Beschlusslage des Bundestages weren. Dann werden wir uns Weihnachten über Millionen Arbeitslose unterhalten müssen. Schönen Dank. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Markus Kurth. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr aumann, wenn Ihre Empörung über die Verkürzung der ezugsdauer des Arbeitslosengeldes für Ältere, die Sie chon am 20. März dieses Jahres von dieser Stelle geußert haben, jetzt darin mündet, dass Sie in der Arbeitsosenversicherung vom Risikoprinzip zum Äquivalenzrinzip übergehen wollen, dann finde ich das schon eichlich merkwürdig. Ich erinnere mich noch genau an en 20. März, als Sie von hier aus versprochen haben, ns von Podiumsdiskussion zu Podiumsdiskussion zu jaen, (Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das mache ich auch!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505311600
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505311700

m die – nach Ihren Worten – unsoziale und unanstän-
ige Politik anzugreifen.
Ich kann Ihre emotionale Empörung im ersten Mo-
ent durchaus verstehen; ich schätze auch Ihren Einsatz
n diesem Bereich. Aber ich scheue die Diskussion
icht: Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die über-
ange Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für ältere






(A) )



(B) )


Markus Kurth
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als eine Schein-
wohltat. Sie hat doch nicht zu einer höheren Beschäfti-
gungssicherheit geführt, sondern zu einer gesunkenen
Erwerbsquote bei älteren Beschäftigten. Wir müssen
doch einmal zur Kenntnis nehmen, dass bei den über
60-Jährigen weniger als ein Drittel noch erwerbstätig
ist.

Jetzt kann man natürlich die Auffassung vertreten
– das sagen beispielsweise Sie, das sagen auch viele in
meiner Partei –: Gerade weil ältere Arbeitnehmer am Ar-
beitsmarkt offenbar nicht gefragt sind, müssen wir die
passiven Leistungen der Arbeitslosenversicherung für
diesen Personenkreis großzügig ausgestalten. Aber um-
gekehrt wird ein Schuh daraus: Gerade weil die passiven
Leistungen für ältere Arbeitnehmer so lange so großzü-
gig ausgestaltet worden sind, ging ihre Zahl am Arbeits-
markt zurück.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505311800


Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Laumann?


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505311900

Noch einen Moment, bitte. Ich will noch eine Bemer-

kung machen.
Der jüngste Wochenbericht des DIW weist noch ein-

mal darauf hin, dass 1986/87, als die Bezugsdauer aus-
geweitet worden ist, die Rate für den Zugang in die
Arbeitslosigkeit dieser Personengruppe von 2,5 auf
12,9 Prozent gestiegen ist. Sie hat sich verfünffacht. Die
empirischen Belege für meinen Standpunkt liegen also
vor.

Jetzt Ihre Zwischenfrage, bitte.


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1505312000

Herr Kollege Kurth, die Beitragsdauer in der Arbeits-

losenversicherung ist – Stichwort: Äquivalenzprinzip –
ein Faktor für die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld.
Geben Sie mir Recht, dass man diesen Zusammenhang
auch bei der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe
und Sozialhilfe sehen muss?


(Klaus Brandner [SPD]: Das ist ja ganz etwas Neues!)


Wenn bei einer Zusammenführung auf Höhe des So-
zialhilfeniveaus nur eine bedürftigkeitsabhängige Leis-
tung erbracht wird – wobei man beachten muss, dass
Ihre Mehrheit die Vermögensfreigrenzen bei der Arbeits-
losenhilfe stark abgesenkt hat –, sollte man dann nicht
denjenigen, der in Deutschland 25 oder 30 Jahre Steuern
und Beiträge bezahlt hat, länger davor bewahren, in die-
ses bedürftigkeitsabhängige System zu kommen, als
denjenigen, der erst wenige Jahre Steuern und Beiträge
gezahlt hat? Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass wir es
in Deutschland in wenigen Monaten wahrscheinlich mit
einem ganz anderen System, nämlich mit einem System,
das auf der Bedürftigkeitsabhängigkeit basiert, zu tun
haben werden! Dieses neue System gilt auch für Men-
schen, die in der Vergangenheit lange Jahre gearbeitet

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(C (D aben. Wenn über einen langen Zeitraum Steuern und eiträge gezahlt worden sind, dann muss das eine Ausirkung auf die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes haen. Herr Laumann, zunächst Folgendes: Die neuen Leis ungen des Arbeitslosengeldes II wollen wir so gestalten wir haben das Problem der Altersvorsorge ganz fest im lick –, dass es dort noch gewisse Möglichkeiten gibt. ber das Prinzip der Arbeitslosenversicherung ist nicht as Äquivalenzprinzip. Es geht auch darum, dass diejeigen, die noch nicht lange eingezahlt haben, sich auf iesen Mindestschutz – ein Jahr lang Arbeitslosengeld – erlassen können. Wenn innerhalb der Rahmenfrist eine eitragszeit von zwei Jahren vorliegt, dann hat man geau ein Jahr Anspruch auf Leistungen. In der Krankenersicherung ist es ja auch nicht so, dass man etwas zuückbekommen kann, wenn man lange Jahre Beiträge ingezahlt hat und lange Zeit gesund war. Das ist nicht as Solidarprinzip im Sozialversicherungssystem. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505312100

Es haben sich Förderketten entwickelt, die für ältere
rbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Orkus der
eschäftigungslosigkeit führen: zwei Jahre Struktur-
urzarbeitergeld, 32 Monate Arbeitslosengeld und dann
rühverrentung. So wurde eine halbe Generation von äl-
eren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ruhig ge-
tellt. Sie wissen auch, dass man nach 32-monatigem
ezug von Arbeitslosengeld keine realen Chancen mehr
at, in den ersten Arbeitsmarkt zurückzukehren.
Wir setzen noch zusätzlich an einem anderen Punkt

n. Wir sind uns durchaus darüber bewusst, dass das
rbeitslosengeld II eine Leistung ist, die aufgrund ihrer
edürftigkeitsabhängigkeit für viele Menschen eine pre-
äre Situation bedeutet. Aber statt einen Ausschluss vom
rbeitsmarkt hinzunehmen, wird das Ganze um eine
ktive Förderung ergänzt. Auf diese aktive Förderung
etzen wir; die brauchen wir.
Nehmen Sie den demographischen Wandel – dies

st schon angesprochen worden –: Ab 2006 sinken die
chulabgängerzahlen, ab 2020 sinkt die Zahl der Fach-
rbeitskräfte, ab 2015 besteht ein Akademikermangel.
enn meine Generation – ich bin Jahrgang 1966 – in
ente gehen wird, haben wir eine riesige Bugwelle von
lteren Menschen, die arbeiten müssen. Dann muss eine
ultur der Altersarbeit entstehen; denn wir werden einen
rbeitskräftemangel haben. Da wird es uns um jede ar-
eitsfähige Person Leid tun, die wir verloren haben, weil
ir jetzt eine Förderung unterlassen haben.
Deswegen muss man nicht nur die flankierenden

unkte im Gesetzentwurf, die Herr Clement genannt hat,
ehen, sondern auch die Programme der aktiven
rbeitsmarktpolitik. Dazu gehört selbstverständlich
uch das JUMP-Programm. Denn wir wollen keinen
enschen unter 25 Jahre verlieren. Wir dulden nicht,
ass die Beschäftigungsfähigkeit derjenigen, die noch






(A) )



(B) )


Markus Kurth
40 Jahre auf dem Arbeitsmarkt vor sich haben, verloren
geht.

Ich finde es wirklich unsäglich, dass Sie das JUMP-
Programm und die aktive Arbeitsmarktförderung immer
wieder verunglimpfen, statt dazu beizutragen, dass sich
das zu einem ehrlichen zweiten Arbeitsmarkt weiterent-
wickelt. Sie wischen den gesamten Bereich der aktiven
Förderung einfach weg und behaupten, das bringe
nichts, das sei unsinnig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir müssen neben der Umstellung des passiven Leis-
tungssystems die aktive Förderung und den aktiven
Aufbau – das gehört verzahnt – im Blick haben. Genau
darin besteht das Besondere des Umbaus des Arbeits-
marktes. Beim Umbau – Herr Brandner hat das richtig
festgestellt – sind Sie willkommen; aber beim Abbau
sind wir natürlich sehr weit auseinander.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505312200


Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1505312300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Leutheusser-Schnarrenberger hatte dieser Tage
empfohlen, die parlamentarische Sommerpause auszu-
setzen oder zumindest zu verkürzen.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist aber nicht meine Meinung! – Gudrun Kopp [FDP]: Guter Vorschlag!)


Sie verwies auf den Reformstau und darauf, dass so viel
zu tun sei. Gerade das, finde ich, spricht dafür, dass wir
uns eine Besinnungspause gönnen sollten. Denn bei all
dem, was derzeit im Bundestag vorangebracht wird,
kommt nichts Gutes heraus. Der heute zu diskutierende
Gesetzentwurf im Rahmen des Hartz-Konzeptes gehört
dazu.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Sie sprechen von einer Reform des Arbeitsmarktes.
Sie versprechen damit weniger Arbeitslosigkeit. In
Wirklichkeit entlasten Sie bestenfalls die Statistik, in-
dem Sie Arbeitslose weiter belasten. Sie laden Ihr politi-
sches Versagen bei den ohnehin Beladenen ab. Oben-
drein bitten Sie diese zur Kasse. Das ist der Kern der so
genannten Reformen, die heute auf dem Tisch dieses
Hauses liegen.

Die vermeintliche Reform des Arbeitslosengeldes
zeigt dies ganz exemplarisch. Sie wollen erreichen, dass
mehr über 55-Jährige am Arbeitsleben teilhaben können;
so sagen Sie. Also denkt man mit normalem Menschen-
verstand: Aha, die wollen mehr Arbeitsmöglichkeiten
schaffen oder zumindest fördern. Doch Pustekuchen! Ihr
Hartz-Verstand rät, den Arbeitslosen noch tiefer in die

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(C (D asche zu greifen, damit diese nicht übermütig werden. m im Bild zu bleiben: So viel Übermut war noch nie. ie Zahl der offiziell registrierten Arbeitslosen nähert ich inzwischen der Fünfmillionenmarke. Ihre Bechlüsse werden daran nichts ändern; denn sie lösen das esellschaftliche Problem nicht. Sie verlagern es nur; sie rivatisieren es. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel demonstrie en: Beim Arbeitsamt Dortmund gibt es aktuell circa 8 500 Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitsloseneld; rund 40 Prozent sind 45 Jahre und älter. Anders geagt, Sie greifen rund 6 000 Personen im Raum Dortund in die Tasche. Sie nehmen ihnen Ansprüche, die ie durch Beiträge erworben haben – und das alles ohne egenleistung und ohne realistische Hoffnung auf einen euen Arbeitsplatz. Ich finde, die Raubritter im Mittelaler waren direkter. Sie haben nie gesagt: „Wir machen ine Reform“, sondern klipp und klar: Geld oder Leben! (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


iese Ehrlichkeit unterschied sie von der SPD des
1. Jahrhunderts.
Rot-Grün hat das CDU/CSU-Bild vom oberfaulen
rbeitslosen übernommen. Sie hören nicht einmal mehr,
ie es im Grabe von August Bebel und Willy Brandt
umpelt. Vollends grotesk werden aber Ihre Vorschläge
ngesichts der Lage in den neuen Bundesländern. In
ecklenburg-Vorpommern gibt es derzeit knapp vier-
inhalb offene Stellen für 100 Arbeitsuchende. In Sach-
en und in Thüringen sieht es nicht besser aus.
Die „Harald-Schmidt-Show“ hat sich in der vergange-

en Woche an den Mathematikaufgaben der Klasse 5 zur
ISA-Studie versucht – mit Erfolg. Ich glaube, die Bun-
esregierung würde selbst an diesen Aufgaben scheitern.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


ie PDS im Bundestag hat Ihnen schon mehrfach vorge-
echnet, dass Ihre Hartz-Fantasien vollends ungeeignet
ind, Abhilfe zu schaffen. Denn wo keine Arbeitsplätze
ngeboten und geschaffen werden, können eben auch
eine Arbeitsmöglichkeiten ergriffen werden. So simpel
st es manchmal im richtigen Leben außerhalb dieses
lenarsaals. Übrigens gilt diese einfache Rechnung auch
ür strukturschwache Gebiete in den alten Bundeslän-
ern.
Und doch haben Ihre Anträge Methode. Sie folgen

er gleichen Philosophie, die auch Ihre Agenda 2010
urchzieht. Sie bauen den Sozialstaat ab, um die Wirt-
chaft zu hofieren, anstatt die Wirtschaft zu motivieren,
en Sozialstaat zu stärken.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Das alles ist ein Irrweg, allemal wenn man sich so-
ialdemokratisch wähnt. Innerparteilich können Sie das
ielleicht auf Parteitagen mit professioneller Regie und
it Rücktrittsdrohungen des Kanzlers noch einmal ka-
chieren. Die Betroffenen Ihrer Politik können das nicht.






(A) )



(B) )


Petra Pau
Sie bekommen zu spüren, was Sie als Reform feiern.
Deshalb lehnt die PDS im Bundestag diese Vorschläge
ab.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505312400


Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Reinhard Göhner.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Reinhard Göhner (CDU):
Rede ID: ID1505312500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In die-

sen Wochen findet in den neuen Bundesländern ein Ar-
beitskampf statt, der die Frage nahe legt, ob der Gesetz-
geber, wenn er eine Modernisierung des Arbeitsrechtes
diskutiert, an den Sachverhalten, die sich dort abspielen,
vorbeigehen kann.

Wir haben in Deutschland eine Krise der Tarifauto-
nomie, die, glaube ich, unbestritten ist. Immer mehr Ar-
beitnehmer und Arbeitgeber entziehen sich einer Tarif-
bindung. Die Akzeptanz von Branchentarifverträgen
nimmt ab. Die Akzeptanz dessen, was die Tarifpartner
machen, nimmt in der Öffentlichkeit ab. Diese Erosion
des Flächentarifvertrages – eigentlich und präzise: der
zumeist regionalen Branchentarifverträge – zeigte sich
Anfang dieses Jahres auch in der Tarifflucht in einer Ta-
rifrunde für den öffentlichen Dienst, mit verheerenden
Ergebnissen. Berlin ist seit längerem an der Spitze der
Tarifflucht.

Nun kann man sagen: Diese Entwicklung ist uns
egal. – Sie reagieren darauf mit dem Versuch, Tarif-
zwang zu organisieren: bei der Vergabe öffentlicher
Aufträge, bei der Zeitarbeit oder durch mehr Allgemein-
verbindlichkeitserklärungen und die Erweiterung ge-
setzlicher Spielräume dazu.

Ich glaube, der Weg aus dieser Krise der Tarifautono-
mie führt nur über eine Rückbesinnung auf die ord-
nungspolitischen Grundüberlegungen, die Grundlagen,
die im Spannungsverhältnis zwischen Tarifautonomie
und Vertragsautonomie liegen.

Die Tarifautonomie – natürlich verfassungsrechtlich
geschützt – beruht letztlich auf einem privatrechtli-
chen Vorgang, nämlich der Bevollmächtigung der Ge-
werkschaften und der Arbeitgeberverbände durch ihre
Mitglieder, die Bedingungen des Tarifvertrages für sie
auszuhandeln. Wenn nun im Vollzug dieser Bevoll-
mächtigung ein Vertrag ausgehandelt wurde und die
Vollmachtgeber, also Arbeitnehmer und Arbeitgeber,
anschließend feststellen: „Was die da ausgehandelt ha-
ben, passt in unseren Betrieb nicht; wir brauchen hier
eine Abweichung“, dann müsste es eigentlich wie bei
jedem anderen Vertrag sein, der durch Bevollmäch-
tigte geschlossen wird: Die Vollmachtgeber haben die
Möglichkeit, die Vereinbarung abzuändern.

Es gibt ein einziges Argument, mit dem man begrün-
den kann, dass das bei Arbeitsverträgen anders sein
muss, nämlich dass man die Arbeitnehmer besonders
schützen will, damit sie vom Arbeitgeber nicht über den

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(C (D isch gezogen werden können. Akzeptiert, einverstanen! Wer wird aber über den Tisch gezogen, wenn weit ber 90 Prozent der Arbeitnehmer bei Viessmann, urda, Mohndruck und vielen anderen überall im Lande agen: „Wir wollen mehr als 35 Stunden arbeiten“, der anze Betriebsrat dafür ist und der Arbeitgeber den Areitnehmern im Gegenzug eine Beschäftigungsgarantie erspricht, betriebsbedingte Kündigungen für die Laufeit dieser Vereinbarung ausschließt, die Stärkung der ettbewerbsfähigkeit durch zusätzliche Investitionen erspricht und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen will? er wird bei dieser Vereinbarung über den Tisch gezoen? er wird eigentlich über den Tisch gezogen, wenn der esamte Betriebsrat von der Gewerkschaft verklagt ird, weil er in Abweichung vom Tarifvertrag einer Verängerung der Arbeitszeit von 35 auf 38 Stunden zugetimmt hat? Wer die Bevormundung der Arbeitnehmer durch die ewerkschaften und ihre Funktionäre will, kann selbsterständlich nicht für betriebliche Bündnisse für Arbeit ein. Bei Licht betrachtet, ist die Bevormundung der Beegschaften und der Betriebsräte der Kern der Krise der arifautonomie, die zurzeit herrscht. Diese Art der Bevormundung spiegelt dieselbe Denke ider wie das, was wir in Sachsen erlebt haben, als treikposten aus Bayern und Baden-Württemberg vor ächsischen Fabriktoren standen, um arbeitswillige Areitnehmer dieser Betriebe davon abzuhalten, ihrer Areit nachzugehen. as geschah nach dem Motto: „Wir Gewerkschaftsfunkionäre aus dem Westen wissen das besser als ihr Arbeitehmer im Betrieb im Osten.“ Was für den einzelnen Areitnehmer im Betrieb wirklich günstiger ist, das weiß iemand besser als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitehmer selbst. Tarifautonomie – im Spannungsverhältnis zur Privataunomie – heißt eben nicht Entmündigung der Arbeitneher, heißt nicht, dass man auf seinen Arbeitsvertrag keinen influss mehr haben kann, wenn man einer Tarifpartei einal beigetreten ist. Das von der Rechtsprechung durch uslegung, durch Erweiterung – ich kann auch sagen: urch Verengung – interpretierte Günstigkeitsprinzip des arifvertragsgesetzes beinhaltet ein aus heutiger Sicht eradezu skurriles Verbot: Bei Vereinbarungen zu einem etrieblichen Bündnis für Arbeit dürfen die Auswirkunen auf die Sicherheit der Arbeitsplätze im Betrieb nicht erücksichtigt werden. Wenn die Arbeitnehmer eines Betriebes einzelver raglich, aber durchaus gemeinsam mit Zustimmung des etriebsrates mit dem Arbeitgeber vereinbaren, dass in inem bestimmten Punkt vom Tarifvertrag abgewichen Dr. Reinhard Göhner wird – das ist häufig bei der Arbeitszeit der Fall –, im Gegenzug eine Beschäftigungsgarantie gegeben wird, dann verbietet das noch geltende Recht, die Beschäftigungsgarantie bei der Abwägung, ob das für den Arbeitnehmer günstiger ist, überhaupt zu berücksichtigen. Das ist eine verfassungsrechtlich höchst bedenkliche Einschränkung der Vertragsfreiheit, die Teil der Vertragsautonomie und der Tarifautonomie ist. Das Verbot, bei abweichenden Vereinbarungen die Auswirkungen auf die Sicherheit der Arbeitsplätze im Betrieb zu berücksichtigen, muss dringend vom Tisch, weil es anachronistisch ist. Die Krise der Tarifautonomie wird natürlich nicht allein durch eine Regelung zu den betrieblichen Bündnissen gelöst. Der Schlüssel liegt – das ist keine Frage – bei den Tarifparteien selbst. Ohne eine Regelung, die Arbeitnehmern und Betriebsräten die Freiheit zurückgibt, bei Vereinbarungen in ihrem Betrieb auch die Auswirkungen auf die Sicherheit der Arbeitsplätze berücksichtigen zu dürfen, wird sich die Krise der Tarifautonomie verschärfen. Die einzige Alternative dazu ist nämlich die Tarifflucht, der Versuch, sich der Tarifbindung zu entziehen. Das betriebliche Bündnis bei Burda – um nur einen prominenten Fall zu nennen – hat nur deshalb gehalten, weil nachträglich bewiesen werden konnte, dass dieser Betrieb nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes war. Das bedeutet: Wer die Möglichkeiten der betrieblichen Bündnisse für Arbeit ablehnt, wer eine rechtssichere Grundlage ablehnt, begeht Anstiftung zur Tarifflucht. Jeder muss sich selbst die Frage stellen, ob dies langfristig wirklich vernünftig ist und nicht ein Beitrag zur Verschärfung der Krise der Tarifautonomie ist. Der einzelne Arbeitnehmer, die gesamte Belegschaft eines Betriebes, die Betriebsräte und die Arbeitgeber wissen sehr wohl selber am besten, was für sie günstiger ist. Unser Vorschlag einer gesetzlichen Regelung folgt eigentlich nur einem einzigen Gedanken: Es soll nicht ein Dritter kommen, zum Beispiel eben eine Gewerkschaft, und sagen: Das wissen wir besser als ihr im Betrieb. Es geht darum, die Entscheidung darüber, was für sie günstiger ist, den Betrieben, den Arbeitnehmern und den Betriebsräten zurückzugeben. Es geht in diesem Sinne um ein Stück Freiheit. Tarifund Vertragsautonomie sind nach unserem Grundgesetz Freiheitsrechte und nicht Rechte zur Bevormundung. Meine Damen und Herren, die beiden Gesetzent würfe, sowohl der der Regierung als auch der der CDU/ CSU, haben eine Reihe von Gemeinsamkeiten, die wir jenseits dieses Streits nicht übersehen wollen. Es gibt Nuancen bei der Frage des Arbeitslosengeldes, aber es ist vor allem bemerkenswert, dass Sie den Versuch machen, den Fehler, den Sie nach 1998 gemacht haben, zu korrigieren. Die Verriesterung des Arbeitsrechtes, immer mehr Regulierung, nehmen Sie zum Teil zurück. Sie führen Regelungen, die Sie 1998 abgeschafft haben, wieder ein, zum Beispiel bei der Sozialauswahl. Das kann man nur begrüßen. Ich finde, dass sich diese Trendumkehr g j m n D G t m l d d B d d n K a s f l u d d b f m a g d d W s f W h S 6 w s (C (D egenüber der Verriesterung des Arbeitsrechts, die Sie etzt vornehmen, auch auf das Tarifrecht erstrecken üsste. Es würde der Tarifautonomie in unserem Lande utzen. Vielen Dank. Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin oris Barnett, SPD-Fraktion. Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Unser esetzentwurf zeigt, dass wir im Gegensatz zur Opposiion – davon bin ich fest überzeugt – bei diesen Probleen des Landes nicht jammern, lamentieren und am iebsten, wie Sie eben wieder, alles in den Orkus kippen, ass wir über Reformen nicht nur reden, sondern haneln. Drei Monate nach der Regierungserklärung des undeskanzlers legen wir jetzt konkrete Vorschläge auf en Tisch, wie wir arbeitsrechtliche Beschäftigungshinernisse, wo es sie tatsächlich gibt, abbauen und Lohnebenkosten senken werden. Jeder weiß, dass uns insbesondere die Änderungen im ündigungsschutz nicht leicht gefallen sind. Ich will uch gar nicht verschweigen, das wir einzelne Vorchläge der Opposition und des Bundesrates aufgegrifen haben, die uns vernünftig erschienen. Aber frohocken Sie jetzt nicht zu früh, denn unser Konzept nterscheidet sich in Intention und Ziel sehr deutlich von en Vorschlägen der Opposition, a die CDU/CSU mit ihrem Gesetzentwurf in alle Areitnehmerrechte mit der Rasenmähermethode eingreien will, statt die berechtigten Interessen der Arbeitneherschaft, der Unternehmen und der Arbeit suchenden usgewogen zu berücksichtigen. Ihren eben wieder voretragenen Totalangriff gegen die Gewerkschaften und ie Tarifverträge werden wir zu verhindern wissen, denn er soziale Frieden im Betrieb ist für uns ein wichtiger ert. Er sollte auch für Sie ein Wert sein. (Dirk Niebel [FDP]: Sie waren aber schon während der ganzen Zeit bei dieser Debatte, oder?)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Dirk Niebel [FDP]: Pfui!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505312600
Doris Barnett (SPD):
Rede ID: ID1505312700

(Dirk Niebel [FDP]: Das stimmt doch nicht!)


Zurück zum Gesetz. Wir schaffen den Kündigungs-
chutz nicht ab, sondern gestalten ihn beschäftigungs-
reundlicher.


(Dirk Niebel [FDP]: Das hat keiner anders vorgehabt!)


ir haben neue Lösungen gefunden. Wir legen keinen
öheren Schwellenwert im Kündigungsschutz fest.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist aber ein Fehler!)

ie haben vor, alle neu Eingestellten in Betrieben mit
bis 20 Beschäftigten – da gab es doch schon einmal et-
as, das in die Hose ging – auf Dauer vom Kündigungs-
chutz auszuschließen, in Sachsen will man diese






(A) )



(B) )


Doris Barnett
Grenze sogar bei 80 Beschäftigten ziehen. Wir dagegen
flexibilisieren die Anwendungsschwelle des Gesetzes,
indem befristet Beschäftigte nicht auf den Schwellen-
wert von fünf Arbeitnehmern angerechnet werden.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Also weichen Sie auch aus!)


Das nimmt keinem Beschäftigten den Kündigungsschutz
und führt auch nicht zu einer Zweiklassengesellschaft im
Betrieb,


(Dirk Niebel [FDP]: Das fördert prekäre Beschäftigungsverhältnisse!)


nämlich zu Beschäftigten mit und ohne Kündigungs-
schutz, wie Sie das wollen.


(Dirk Niebel [FDP]: Unbefristeter Kündigungsschutz, unbefristete Quote!)


Dass damit natürlich leichter herrschen und regieren ist
nach dem Motto „Teile und herrsche“, kann ich mir vor-
stellen, Herr Niebel. Aber mit uns ist das nicht zu ma-
chen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: So ein Unsinn! Sie teilen die Gesellschaft in Arbeitslose und Arbeitnehmer!)


Wir setzen genau dort an, wo die jetzige Schwelle Hand-
werker und kleine Gewerbetreibende oft davon abhält,
neue Arbeitnehmer einzustellen, obwohl die Auftragsbü-
cher überquellen. Statt neue Arbeitnehmer einzustellen,
lassen die nämlich ihre Leute einfach nur länger arbei-
ten.

Wenn wir uns nach fünf Jahren wieder sprechen, wer-
den Sie sehen, wie weit wir damit gekommen sind, denn
wir haben auch ins Gesetz geschrieben, dass es nach fünf
Jahren überprüft werden soll.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das kennen wir! Nach fünf Jahren Überprüfung!)


Vergleichen Sie doch einmal unseren Gesetzentwurf
mit Ihren Vorschlägen zur Abfindung bei Kündigungen.
Die Entscheidung eines Arbeitnehmers für einen Ver-
zicht auf Kündigungsschutz und für eine Abfindungs-
zahlung vor der Einstellung wäre nicht freiwillig. Dieser
Arbeitnehmer hätte in Wahrheit keine Wahl, wenn er den
Arbeitsplatz wirklich haben will. Andererseits dürfte
sich aber auch kaum ein Arbeitgeber finden, der sich auf
eine solche dubiose Abfindungsregelung einlässt; denn
im Gegensatz zum geltenden Recht müsste er bei Ihrer
Lösung befürchten, auch dann zahlen zu müssen, wenn
er zu Recht gekündigt hat. Nach dem von uns vorge-
schlagenen Abfindungsmodell müssen sich Arbeitgeber
und Arbeitnehmer erst dann entscheiden, wenn eine
Kündigung konkret ansteht.

Aus der Mottenkiste sind auch Ihre Vorschläge zur
Teilzeit. Sie wollen den Teilzeitanspruch auf die Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer beschränken, die Kinder
bis zwölf Jahre oder pflegebedürftige Angehörige haben.
Glauben Sie wirklich, dass dieser Ansatz beschäfti-

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(C (D ungs-, familienund gleichstellungspolitisch richtig t? Sie nehmen nicht zur Kenntnis, dass das von uns ein eführte Teilzeitmodell ein Erfolgsmodell geworden ist. ie Zahlen zeigen es. Im Jahr 2002 waren annähernd Millionen Menschen teilzeitbeschäftigt. Das ist gegenber den Zahlen vom 1. Januar 2001 ein Aufwuchs um 60 000 Personen. Auch hier kann ich nur sagen: Wähend Sie 16 Jahre lang lamentiert haben, dass die Teileitquote in Deutschland so niedrig sei und dass sie steien solle – die Niederlande waren Ihr Vorbild –, aber ichts auf die Reihe gebracht haben, haben wir gehanelt. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. ie Zahlen belegen eindeutig, dass wir die richtige Straegie für den Ausbau von Teilzeit fahren. Für viele Arbeitnehmer ist der Wunsch nach mehr eit für die Familie der wichtigste Beweggrund für Teileitarbeit, aber neben der Kinderbetreuung kommen uch andere Motive für die Teilzeitwünsche in Betracht. ierzu zählt zum Beispiel der Wunsch der Menschen, ich nach ihren eigenen Interessen auf eigene Kosten nd in eigener Zeit weiterzubilden, aber auch der unsch nach Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkei en, in denen sich viele engagieren wollen. Das führt azu, dass sie ihre Arbeitszeit verringern wollen. Das ann man bei Ihrem Modell nicht, weil Sie die Möglicheiten massiv einschränken. Glauben Sie wirklich, dass as den modernen Frauen von heute hilft, wenn nur dieenigen einen Teilzeitanspruch haben, die Kinder bis wölf Jahre haben? Von Gender Mainstreaming haben ie auf jeden Fall noch nichts gehört. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ebenso undifferenziert ist auch Ihr Vorschlag zu den
chwellenwerten. Die unterschiedlichen Schwellen-
erte im Arbeitsrecht rechtfertigen sich durch die unter-
chiedlichen Zielsetzungen der arbeitsrechtlichen Rege-
ungen. Sie können nicht auf einen einheitlichen
chwellenwert zurückgeführt werden. Da, wo es sachge-
echt ist, muss es bei unterschiedlichen Regelungen blei-
en. Wie gesagt: Die Rasenmähermethode mag wohl
hre Methode sein, unsere ist es nicht.
Es gibt vielmehr eine Reihe von guten Gründen, von

iner pauschalen pro-rata-Berücksichtigung der teilzeit-
eschäftigten Arbeitnehmer abzusehen. Davon sind Sie
n den 16 Jahren Ihrer Regierungszeit auch ausgegangen.
as Sie jetzt reitet, das alles aufzugeben, werden Sie uns
icherlich bei gegebener Gelegenheit erklären.
Lassen Sie mich ein weiteres Beispiel erwähnen. Der
etriebsrat repräsentiert die Arbeitnehmerinnen und Ar-
eitnehmer des Betriebes unabhängig von ihrem Ar-
eitszeitvolumen. Schließlich ist ein Teilzeitbeschäftig-
er von den Entscheidungen des Arbeitgebers ebenso
etroffen wie seine in Vollzeit beschäftigten Kollegen.
asselbe gilt übrigens auch für die Auszubildenden, die
ie bei der Berechnung der Arbeitnehmergrenzzahlen
icht berücksichtigen wollen. Ihr Vorschlag auf Herauf-
etzung der Schwellenwerte wird die betriebliche Mitbe-
timmung geradewegs zurück in die 70er-Jahre katapul-






(A) )



(B) )


Doris Barnett
tieren. Denn durch die zusätzlich geforderte pro-rata-
Anrechnung von Teilzeitbeschäftigten und den Aus-
schluss von Auszubildenden bei der Berechnung der
Schwellenwerte für die Betriebsratsgröße und die Frei-
stellung von Betriebsratsmitgliedern schwächen Sie das
wichtigste demokratische Element im Betrieb.

Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, dass wir auf die
Mithilfe der vielen engagierten Frauen und Männer in
den Betriebsräten bei der Bewältigung der drängenden
Herausforderungen in unserem Land in Zukunft verzich-
ten können. Das wissen mittlerweile selbst die Unterneh-
men in diesem Land, nur Sie noch nicht. Auch die Un-
ternehmen wollen, dass die Betriebsräte Verantwortung
bei der Sicherung und Förderung des Standortes sowie
der Zahl der Beschäftigten übernehmen. Deshalb brau-
chen die Betriebsräte auch ausreichende personelle Res-
sourcen.

Ich kann zum Schluss nur sagen: Mit der
Agenda 2010 haben wir ein Reformkonzept mit Augen-
maß vorgelegt. Die Umsetzung der Vorschläge wird
dazu beitragen, die strukturellen Probleme zu lösen, die
wir zurzeit auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland haben,
allerdings nicht über Nacht.

Wenn das, was die CDU/CSU hier vorgelegt hat, mo-
derne Arbeitsmarktpolitik sein soll, dann können wir alle
nur froh sein, dass Sie noch lange auf der Oppositions-
bank bleiben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505312800


Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf

den Drucksachen 15/1182, 15/1204, 15/1225 und 15/590
an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor-
geschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das
ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so be-
schlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 23 a bis 23 o sowie
Zusatzpunkte 7 a und 7 b auf:
23 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-

gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung und Ergänzung des Entschädigungsgesetzes

(Entschädigungsrechtsänderungsgesetz – EntschRÄndG)


– Drucksache 15/1180 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur
Änderung des Zollverwaltungsgesetzes und
anderer Gesetze

– Drucksache 15/1060 –

(C (D Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss Innenausschuss c)

gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abwick-
lung der Bundesanstalt für vereinigungsbe-

(BvSAbwicklungsgesetz – BvSAbwG)


– Drucksache 15/1181 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

d) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpas-
sung von Zuständigkeiten im Gentechnikrecht

– Drucksache 15/1222 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

e) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ver-
trag vom 25. Februar 2002 über die Änderung
des Grenzvertrages vom 8. April 1960 zwi-
schen der Bundesrepublik Deutschland und
dem Königreich der Niederlande

– Drucksache 15/1053 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

f) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ver-
trag vom 24. Juni 2002 zwischen der Bundes-
republik Deutschland und dem Königreich
Thailand über die Förderung und den gegen-
seitigen Schutz von Kapitalanlagen

– Drucksache 15/1054 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Auswärtiger Ausschuss

g) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
kommen vom 17. August 2002 zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Islami-
schen Republik Iran über die gegenseitige För-
derung und den gegenseitigen Schutz von Ka-
pitalanlagen

– Drucksache 15/1055 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Auswärtiger Ausschuss

h) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Übereinkommen vom 9. September 1996 über






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
die Sammlung, Abgabe und Annahme von Ab-
fällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt

– Drucksache 15/1056 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

i) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes
zu dem Übereinkommen vom 9. September
1996 über die Sammlung, Abgabe und An-
nahme von Abfällen in der Rhein- und Bin-
nenschifffahrt

– Drucksache 15/1061 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

j) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
kommen vom 30. März 1998 zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und Brunei
Darussalam über die Förderung und den ge-
genseitigen Schutz von Kapitalanlagen

– Drucksache 15/1057 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Auswärtiger Ausschuss

k) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur
Änderung des Europawahlgesetzes und eines
Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des
Europaabgeordnetengesetzes

– Drucksache 15/1205 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung

l) Erste Beratung des von der Bundesregierung einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag
vom 5. März 2002 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Schweizerischen Eidgenos-
senschaft über den Verlauf der Staatsgrenze in
den Grenzabschnitten Bargen/Blumberg, Barz-
heim/Hilzingen, Dörflingen/Büsingen, Hüntwan-
gen/Hohentengen und Wasterkingen/Hohenten-
gen

– Drucksache 15/1187 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss

m) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zu-
satzabkommen vom 5. November 2002 zum
Abkommen vom 11. April 1967 zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und dem König-
reich Belgien zur Vermeidung der Doppelbe-
steuerungen und zur Regelung verschiedener
anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern
vom Einkommen und vom Vermögen ein-

Z

t

(C (D schließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern – Drucksache 15/1188 – Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit n)

Wright, Reinhard Weis (Stendal), Sören Bartol,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Franziska Eichstädt-
Bohlig, Volker Beck (Köln), Peter Hettlich, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN
Ergänzung der Fahrerlaubnisverordnung

– Drucksache 15/1093 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung

o) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Michael Goldmann, Birgit Homburger, Daniel
Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP
ILO-Arbeiten an einem internationalen Aus-
weis für Seeleute unterstützen

– Drucksache 15/939 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

P 7a)Beratung des Antrags der Abgeordneten Julia
Klöckner, Uda Carmen Freia Heller, Ursula
Heinen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
Kennzeichnung allergener Stoffe in Lebens-
mitteln vernünftig regeln

– Drucksache 15/1227 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft (f)

Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Michael Goldmann, Horst Friedrich (Bayreuth),
Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP
Neue Chancen für die Binnenschifffahrt

– Drucksache 15/311 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss

Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach-
en Verfahren ohne Debatte.






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Die Vorlage auf Drucksache 15/1181, Tages-
ordnungspunkt 23 c, soll federführend im Haushaltsaus-
schuss beraten werden. Die Vorlage auf Drucksache
15/939, Tagesordnungspunkt 23 o, soll – abweichend
von der Tagesordnung – zusätzlich und federführend an
den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit überwiesen
werden. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.
Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 b bis 24 e sowie
Zusatzpunkt 8 auf. Es handelt sich um die Beschlussfas-
sung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgese-
hen ist.

Tagesordnungspunkt 24 b:
Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. Juli
2001 zwischen der Bundesrepublik Deutsch-
land und Rumänien zur Vermeidung der Dop-
pelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern
vom Einkommen und vom Vermögen

– Drucksache 15/880 –

(Erste Beratung 46. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-
schusses (7. Ausschuss)

– Drucksache 15/1220 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Lydia Westrich
Manfred Kolbe

Der Finanzausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/1220,
den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben.
– Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetz-
entwurf ist mit den Stimmen des ganzen Hauses ange-
nommen.

Tagesordnungspunkt 24 c:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (15. Ausschuss) zu der
Verordnung der Bundesregierung
Verordnung zur Änderung der Verordnung
über Verbrennungsanlagen für Abfälle und
ähnliche brennbare Stoffe und weiterer Ver-
ordnungen zur Durchführung des Bundes-Im-
missionsschutzgesetzes

– Drucksachen 15/947, 15/1038 Nr. 2.1, 15/1173 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Petra Bierwirth
Marie-Luise Dött
Winfried Hermann
Birgit Homburger

Der Ausschuss empfiehlt, der Verordnung auf Drucksa-
che 15/947 zuzustimmen. – Wer stimmt für diese Be-

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(C (D chlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die eschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und rünen gegen die Stimmen der CDU/CSU und der FDP ngenommen. Tagesordnungspunkt 24 d: Beratung der Ersten Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zu 444 gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüchen – Drucksache 15/1150 – Berichterstattung: Abgeordnete Erika Simm Hermann Bachmaier Hans-Joachim Hacker Petra-Evelyne Merkel Dr. Hans-Peter Friedrich Manfred Grund Thomas Strobl Jerzy Montag Jürgen Koppelin Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Geenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung st mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Tagesordnungspunkt 24 e: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 44 zu Petitionen – Drucksache 15/1131 – Wer stimmt für Sammelübersicht 44 auf Drucksache 5/1131? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Samelübersicht 44 ist mit den Stimmen des ganzen Hauses ngenommen. Zusatzpunkt 8: Beratung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Übersicht 3 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht – Drucksache 15/1161 – Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Ge enprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung st ebenfalls mit den Stimmen des ganzen Hauses angeommen. Ich rufe Zusatzpunkt 9 auf: Aktuelle Stunde Haltung der Bundesregierung zu den Streiks in den neuen Bundesländern und deren Auswirkung auf den Wirtschaftsstandort Deutschland Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP haben iese Aktuelle Stunde verlangt. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Veronika Bellmann, CDU/CSU-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Gewerkschaft vertritt die Interessen der Arbeiter und Angestellten – normalerweise. (Rainer Brüderle [FDP]: Das ist schon lange her!)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU)

Veronika Bellmann (CDU):
Rede ID: ID1505312900

Beim gegenwärtigen Streik stellt sich die Frage, ob die-
ser nicht nur den Interessen der Gewerkschaftsfunktio-
näre dient.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Initiative zum Metallerstreik ging nicht von den Ar-
beitern im Osten aus, sondern er wurde von den Gewerk-
schaftszentralen im Westen quasi verordnet – als ob man
uns zum Jagen tragen müsste. Wenn es nicht so traurig
wäre, so könnte man auch von einem so genannten
Zahnpastastreik sprechen, denn die westdeutschen Ge-
werkschafter haben denen, die nach Dresden zu den
Streiks gefahren sind, Zahnpasta, Deo, Waschlappen so-
wie Essen und Trinken reichlich mitgegeben.

Vielleicht liegt diese vermeintliche Unterstützung der
westdeutschen Gewerkschafter an der schwachen Basis
der Gewerkschaften im Osten. Von 130 000 Metallern
haben 10 000 an der Urabstimmung teilgenommen, das
sind 7,6 Prozent; davon waren 8 000 für den Streik,
ganze 6,1 Prozent. Von diesem Minderheitenvotum auf
die Allgemeinheit zu schließen, finde ich schon abenteu-
erlich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das, was stellenweise vor den Werktoren in Dresden
passiert, erfüllt glattweg den Tatbestand der Nötigung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das Streikrecht ist geschützt und vollkommen legi-

tim. Ebenso legitim ist es, sich für die Einheit der Le-
bens- und Arbeitsverhältnisse in Ost und West einzuset-
zen. Aber Gleichheit ist eben nicht immer Gerechtigkeit,
zumal es hier um den Erhalt von Arbeitsplätzen und gan-
zen Existenzen geht. Die Frage muss erlaubt sein, ob der
Zeitpunkt und die eingesetzten Mittel angemessen sind.
Auch Tarifparteien sind dem Gemeinwohl verpflichtet.
Man muss kein Wirtschaftsexperte sein, um zu erken-
nen, dass gerade die geringeren Arbeitskosten bisher ein
wesentlicher Standortvorteil Ostdeutschlands waren.

Mit der Durchsetzung der 35-Stunden-Woche
schwächt die Gewerkschaft diesen Standortvorteil.


(Klaus Brandner [SPD]: Woher wissen Sie das eigentlich?)


Unternehmen werden sich künftig noch genauer überle-
gen, ob sie im Osten neu oder weiter investieren oder
nicht doch lieber in Regionen gehen, in denen sie lang-
fristig bessere Produktionsbedingungen vorfinden. In
Polen, Tschechien und Rumänien liegt die Arbeitszeit

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(C (D ei weit über 40 Stunden und die Löhne und Lohnnebenosten sind, wie wir wissen, dramatisch niedrig. Vor dieem Hintergrund zu fordern, dass zur Angleichung der ebensverhältnisse kürzer gearbeitet werden muss, ist ift für den wirtschaftlichen Aufbau Ost. Mühselige Investorenakquise wird mit einem Schlag aputtgemacht. Wer dennoch einen Streik vom Zaune richt, muss sich nicht wundern, für Stillstand und achstumsschwäche mit verantwortlich gemacht zu erden. Hauptverantwortlich für die schwierige Lage in eutschland, insbesondere im Osten, ist aber – das war uch schon vom Kollegen Merz zu hören – die Bundesegierung. (Klaus Brandner [SPD]: Die streikt jetzt auch gleich!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


eit dem Regierungsantritt von Rot-Grün ist der Aufhol-
rozess Ost nachweislich ins Stocken geraten.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

ach fünf verlorenen Jahren liegt noch immer kein
anzheitliches Konzept vor.


(Klaus Brandner [SPD]: Bei Kohl war sie noch nicht geboren!)


elbst Schröders Agenda 2010 hat, auf Ostdeutschland
ezogen, weniger Inhalt, als 4711 Duftstoffe hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das Motto dieser Bundesregierung lautet: „Wir wis-

en nicht, was wir wollen, aber das mit ganzer Kraft.“
ut ist, dass dieses Motto nicht für die unionsgeführten
undesländer gilt; denn sonst wäre es gerade auch in den
euen Bundesländern nicht gelungen, zahlreiche Unter-
ehmen der Automobil-, Metall- und Zulieferindustrie in
hren Regionen anzusiedeln.


(Klaus Brandner [SPD]: Geht es hier um die Heiligsprechung der CDU im Osten?)


ls Vorbild nenne ich Sachsen mit Porsche, BMW und
W.
Ob in Zukunft solche Ansiedlungen in Ostdeutsch-
nd noch erfolgen können, hängt entscheidend von den
rgebnissen der morgen beginnenden Tarifverhandlun-
en ab. Es ist wichtig, dass eine rasche Einigung erfolgt.
benso wichtig ist es, diese Entscheidung an die Verhält-
isse der ostdeutschen Wirtschaft zu binden. Nach einer
mfrage wollen 70 Prozent der Ostdeutschen länger ar-
eiten, um dafür ihren Arbeitsplatz zu erhalten. Wenn
asso Düvel von der IG Metall stattdessen mit der Aus-
eitung des Streiks auf den Westen droht, dann schädigt
r das Ansehen und Vertrauen nicht nur in den Wirt-
chaftsstandort Ost, sondern in ganz Deutschland.
Es kann aber auch sein, dass sich die Gewerkschaft

ür diejenigen Westdeutschen instrumentalisieren lässt,
ie ganz offen sagen: Schluss mit den Wettbewerbsvor-
eilen Ostdeutschlands, Schluss mit den längst prakti-
ierten Bündnissen für Arbeit und Haustarifen, Schluss
it den Ziel-1-Fördergebieten in der EU, Schluss mit
orteilen bei Lohn und Lohnnebenkosten und Schluss






(A) )



(B) )


Veronika Bellmann
mit der Investitionszulage. Diesen Spaltpilzen kann der
Bundesminister für Wirtschaft, Herr Clement, am
3. Oktober getrost einen vollen Arbeitstag verordnen;
denn den Tag der Deutschen Einheit als Feiertag zu be-
gehen, haben diese Menschen nicht verdient.

Ich komme zum Abschluss. Ich appelliere an die Ge-
werkschaften, ihre sozialromantischen Ideologien end-
lich an den Nagel zu hängen. Sie gefährden damit
Wachstum, Arbeitsplätze, den ostdeutschen Produk-
tionsstandort und damit letztlich eine wesentliche Säule
unserer Wirtschaftsordnung, die Tarifautonomie.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505313000


Frau Kollegin, Sie müssen wirklich zum Abschluss
kommen. Sie haben Ihre Redezeit deutlich überschritten.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Schade! So eine gute Rede!)



Veronika Bellmann (CDU):
Rede ID: ID1505313100

Ich komme zum letzten Satz: Ich plädiere für betrieb-

liche Bündnisse für Arbeit statt Verordnung starrer Tarif-
regelungen für alle. Kreativität und Flexibilität statt
Klassenkampf in der Tarifpolitik,


(Klaus Brandner [SPD]: Druschba!)

das ist das Gebot der Stunde.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505313200


Nächste Rednerin ist die Kollegin Anette Kramme,
SPD-Fraktion.


Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1505313300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Lassen Sie mich vorab den Kolleginnen und
Kollegen von der CDU/CSU und der FDP die Bedeu-
tung des Wortes „Tarifautonomie“ erklären.


(Beifall bei der SPD – Klaus Brandner [SPD]: Die haben es nötig! – Zurufe von der CDU/ CSU und der FDP: Oh!)


Sie verstehen es nicht und sie wollen es offensichtlich
nicht verstehen. Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes ge-
währt Tarifautonomie. Das heißt: Arbeitnehmer und Ar-
beitgeber legen in freier Vereinbarung


(Dirk Niebel [FDP]: Oberschlaumeier!)

in den Unternehmen ohne regelndes Eingreifen des Staa-
tes die Arbeitsbedingungen fest. Auch das Bundesver-
fassungsgericht hat Sinn und Zweck der Tarifautonomie
sehr gut beschrieben:

Mit der grundrechtlichen Garantie der Tarifautono-
mie wird ein Freiraum gewährleistet, in dem die Ar-
beitnehmer und Arbeitgeber ihre Interessengegen-
sätze in eigener Verantwortung austragen können.


(Klaus Brandner [SPD]: Aufpassen!)



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(C (D Diese Freiheit findet ihren Grund in der historischen Erfahrung, dass auf diese Weise eher Ergebnisse erzielt werden, die den Interessen der widerstreitenden Gruppen und dem Gemeinwohl gerecht werden als bei einer staatlichen Regelung. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das hat Ihnen der DGB falsch aufgeschrieben!)

Das hat nicht der DGB falsch aufgeschrieben. Schauen
ie sich einmal die Entscheidungen des Bundesverfas-
ungsgerichts an! Dann werden Sie es feststellen.
Viele Köche verderben den Brei. Dieses Sprichwort

rifft hier den Nagel auf den Kopf. Meine Damen und
erren von der CDU/CSU und der FDP, kochen Sie Ihr
igenes Süppchen und lassen Sie die Finger von der Ta-
ifpolitik, von der Sie ohnehin nichts verstehen!


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! Das nehmen Sie sofort zurück!)


nsbesondere Sie, Kolleginnen und Kollegen von der
DP, sollten sich als Vertreter einer liberalen Partei zu-
ückhalten, meinen Sie doch grundsätzlich, dass eine
irtschaftsordnung um so erfolgreicher ist, je mehr sich
er Staat zurückhält. Es ist ganz offensichtlich, warum
ie seitens der Opposition den Streik in den neuen Bun-
esländern zum Thema einer Aktuellen Stunde machen.
ie versuchen, wie schon so oft, die Tarifpolitik auszu-
öhlen. Sie beabsichtigen, Tarifautonomie und Streik-
echt Fesseln anzulegen. Damit begeben Sie sich auf ein
efährliches Terrain. Sie verlassen demokratischen
rundkonsens.


(Rainer Brüderle [FDP]: So werden Sie nie Ministerin!)


Wir haben andere Aufgaben, als uns in die Tarifpoli-
k der Gewerkschaften einzumischen und eine vernünf-
ge Einigung zu erschweren. Wir haben für die Tarifver-
agsparteien funktionsfähige Arbeitsbedingungen zu
etzen, nicht mehr und nicht weniger. Staatliche Politik
at nun einmal staatliche Aufgaben zu bewältigen. Si-
herlich ist der Zeitpunkt des Streiks gerade in der der-
eit schwierigen wirtschaftlichen Lage vielleicht nicht
ptimal gewählt. Aber wann gibt es den optimalen Zeit-
unkt für einen Streik?
Meine Damen und Herren der CDU/CSU und der

DP, bevor Sie die IG Metall weiter an den Pranger stel-
en,


(Dirk Niebel [FDP]: Das macht die schon selbst!)


estatte ich mir, Ihnen die Hintergründe des Streiks nä-
er zu erläutern. Anscheinend herrscht hierüber Verwir-
ung. Anders kann ich mir Ihre Äußerungen nicht erklä-
en.


(Rainer Brüderle [FDP]: Sie können sich nichts erklären!)


m letzten Jahr haben sich IG Metall und Arbeitgeber
ertraglich dazu verpflichtet, 2003 über einen Stufenplan
ur Angleichung der Wochenarbeitszeit zu verhandeln.
ach neun Tarifrunden und verschiedenen Angeboten






(A) )



(B) )


Anette Kramme
seitens der IG Metall war die Reaktion der Arbeitgeber
weiterhin null. Ein Streik war damit unausweichlich und
auch legitim.

Anzumerken ist, dass zunächst wichtige Zulieferer
vom Streik ausgenommen blieben. Doch weiterhin keine
Reaktion bei den Arbeitgebern. Beim wichtigen
Getriebehersteller ZF wurden die Streiks nun ausgesetzt.
BMW kann also aufatmen. Die IG Metall zeigt Kompro-
missbereitschaft.


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Reden Sie für die SPD oder für die Gewerkschaft?)


Nun sollte auch die Arbeitgeberseite einen Schritt nach
vorne wagen.

Polemische Zeitungsanzeigen – auf polnisch und
tschechisch wird sich für die 35-Stunden-Woche be-
dankt –, hollywoodreife Hubschraubereinlagen – beim
Automobilzulieferer Federal Mogul ließ die Firmenlei-
tung Angestellte per Hubschrauber auf das Werksge-
lände fliegen – sind fehl am Platz.


(Dirk Niebel [FDP]: So weit ist es schon gekommen!)


Die IG Metall will die Angleichung der Wochenar-
beitszeit von 38 auf 35 Stunden erreichen. Das ist auch
sinnvoll. Die Einkommensunterschiede zwischen West
und Ost sind immer noch offensichtlich. Allein schon als
ermutigendes Signal gegen die hohe Abwanderung sind
Angleichungsschritte wichtig. Dafür haben sich auch
Politiker ausgesprochen.

Ich will die Notwendigkeit einer Angleichung kon-
kretisieren. Im Jahr 2001 verdienten die ostdeutschen
Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie etwa 73
bis 75 Prozent des westdeutschen Niveaus. Die Arbeits-
zeit der ostdeutschen Beschäftigten ist jedoch um 7 bis
8 Prozent länger als die der westdeutschen Beschäftig-
ten.

Was will die IG Metall? Sie will nichts sofort und auf
einmal. Es geht vielmehr um einen Stufenplan und um
eine Regelung, die es den Betrieben ermöglicht, gege-
benenfalls schrittweise unter Berücksichtigung der ört-
lichen Gegebenheiten zu handeln. Sie ist mit einer Revi-
sionsklausel einverstanden.

Ich rate beiden Seiten, Kompromissbereitschaft zu
zeigen. Aber die Anliegen der IG Metall sind legitim.
Mischen Sie sich hier bitte nicht ein!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505313400


Nächster Redner ist der Kollege Rainer Brüderle,
FDP-Fraktion.


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1505313500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn

man in diesen Tagen nach Deutschland blickt, meint
man, hier würde absurdes Theater inszeniert. Die Ar-

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(C (D eitslosigkeit steigt von Monat zu Monat. Für 20 Prozent er Bürgerinnen und Bürger in Deutschlands Osten berägt die Arbeitszeit null Stunden. Ihnen bieten sich eine Chancen und Möglichkeiten. Bei der VW-Tochter Skoda in unserem Nachbarstaat, er Tschechischen Republik, beträgt die Wochenarbeitseit 42,5 Stunden bei einem Stundenlohn von 3 Euro. Die G Metall aber hat nichts Besseres zu tun, als dem Osten it eingeflogenen Gewerkschaftsfunktionären – freigetellten Betriebsräten aus dem Westen – mit der 35-Stunen-Woche ein Arbeitsplatzvernichtungsprogramm aufudrängen. Das ist unglaublich! In der heutigen Ausgabe der „FAZ“ wird der Streik ührer und Gewerkschaftsoberbonze Düvel zitiert. (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD – Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Keine Diffamierung!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich kann ihn nicht anders bezeichnen; er richtet sich
chließlich gegen die Interessen der Arbeitnehmer.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Düvel sagte der „FAZ“ zufolge:
Die Einführung der 35-Stunden-Woche müsse …
von einem finanziellen Förderprogramm der Ban-
ken und der öffentlichen Hand begleitet werden.

etzt sollen also die Steuerzahler den Irrsinn noch finan-
ieren. Wir sind doch hier nicht im Irrenhaus! Das ist
ine wirtschaftspolitische Tollwutpolitik!


(Beifall bei der FDP)

Herr Peters hat erklärt, Deutschland sei eine Bananen-

epublik, weil die Arbeitszeit im Osten und Westen nicht
leich ist. Die IG Bergbau, Chemie, Energie hat aus
uten Gründen bis 2009 die 40-Stunden-Woche fest-
eschrieben. Sind das denn alles Idioten, wenn sie im
hemiesektor die 40-Stunden-Woche festschreiben?
issen nur die Oberbonzen von der IG Metall, wie man
s richtig macht? – Absurdes Theater von A bis Z!
Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Erich Klemm von
aimler-Chrysler hat Herrn Peters als tarifpolitischen
eisterfahrer bezeichnet.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ür Bundeswirtschaftsminister Clement ist das ein Streik
ur falschen Zeit am falschen Ort für das falsche Thema
nd den falschen Weg. Damit hat er völlig Recht.
Meine Damen und Herren, welches Fehlverhalten zu-

asten der Steuerzahler und der Arbeitnehmer müssen
ir uns denn noch gefallen lassen?


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Durch den Irrsinn, der in den neuen Bundesländern

eschieht, gibt es in Bayern und Niedersachsen Kurz-
rbeit. Die anderen Arbeitnehmer und auch die Steuer-
ahler zahlen für diesen Blödsinn. Die Bundesanstalt für






(A) )



(B) )


Rainer Brüderle
Arbeit zahlt pro Woche 10 000 Personen Kurzarbeiter-
geld in Höhe von insgesamt 1,7 Millionen Euro.

Es kann nicht so weitergehen, dass sich einige, die die
Welt nicht verstanden haben und nicht wissen, wie ein
Arbeitsplatz entsteht, zulasten der Allgemeinheit – dazu
gehören die Steuerzahler wie auch diejenigen, die keinen
Arbeitsplatz haben, und die, die durch Zwangskurzarbeit
Einkommen verlieren – austoben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meines Erachtens müssten die Gewerkschaften jetzt

am Defizit der Bundesanstalt für Arbeit finanziell betei-
ligt werden.


(Anette Kramme [SPD]: Das ist doch ein Witz!)


Es müssen für solche Fälle Haftungsgrundsätze erarbei-
tet werden; denn es kann nicht angehen, dass eine Min-
derheit der Mehrheit ihren Willen aufzwingt. Im Osten
Deutschlands sind schließlich weniger als 8 Prozent der
Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert. Den Ge-
werkschaften laufen Monat für Monat die Mitglieder
weg. 300 000 bis 500 000 Mitglieder treten jedes Jahr
aus dem DGB aus, weil sie von einer Politik, die sich ge-
gen die elementaren Rechte und Belange der Arbeitneh-
mer richtet, die Schnauze voll haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Anette Kramme [SPD]: Gucken Sie sich mal Ihre eigenen Mitgliederzahlen an!)


Es ist unglaublich, was sich einige Gewerkschaftsfunk-
tionäre in diesem Land erlauben und wie sie sich austo-
ben. So können wir jedenfalls keine Perspektiven eröff-
nen. Wie wollen wir eine Angleichung zwischen Ost und
West schaffen, wenn wir dazu noch nicht einmal eine
Chance geben?

Einer der wenigen Wirtschaftssektoren, der zur Er-
folgsstory der neuen Bundesländer gehört, ist die Auto-
mobilindustrie. Die Ansiedlung von Automobilbetrieben
in den neuen Bundesländern war strategisch wichtig.
Hier sind Paradeinvestitionen getätigt worden. Aber aus-
gerechnet die Automobilbetriebe, die sich dort angesie-
delt haben, sollen für ihren Mut abgestraft werden, in-
dem man sie zwingen will, den ihnen noch verbliebenen
kleinen Vorteil bei der Arbeitszeitgestaltung aufzugeben.

Ich wiederhole: Bei der VW-Tochter Skoda in der
Tschechischen Republik, nur wenige Stunden von den
neuen Bundesländern entfernt, werden 3 Euro pro Ar-
beitsstunde verdient und gilt die 42,5-Stunden-Woche.
Vor diesem Hintergrund ist das, was die Gewerkschaften
vorhaben, ein Arbeitsplatzvernichtungsprogramm. Das
wissen auch Sie. Selbst der Bundeskanzler hat das schon
gerügt. Tun Sie bitte also nicht so, als ob bei Ihnen alle
über diesen Unfug glücklich wären. Wenn einige völlig
die Balance verloren haben und die Realität nicht mehr
erkennen, muss man doch die Kraft haben, Korrekturen
vorzunehmen. Ich sage Ihnen: Jede Stunde des jetzigen
Streiks ist ein Schlag in das Gesicht der Arbeitslosen in
der Bundesrepublik und insbesondere in den neuen Bun-
desländern und verringert die Chancen, in den neuen
Bundesländern Betriebe anzusiedeln.

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(C (D Man darf nicht vergessen, dass die ganze Welt über iesen Streik informiert ist. Man wird sich im Ausland ragen, was bei uns los ist, ob wir den Bezug zur Realität öllig verloren haben und ob wir nicht mehr wissen, dass wei plus zwei vier ist. Was muss denn noch geschehen, is endlich etwas geschieht? Ich sage Ihnen: Das Tarifertragsrecht muss so geändert werden, dass die Rechte er Arbeitnehmer gestärkt werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


5 Prozent der Arbeitnehmer wollen eigene Regelungen
aben. Sie müssen das Recht haben – es geht schließlich
m ihren Job, ihr Leben und ihre Lebensperspektive –,
igene Entscheidungen zu treffen. Sie wollen nicht mehr
urch Gewerkschaftsfunktionäre fremdbestimmt wer-
en. Es darf nicht sein, dass man – ich wiederhole das –
urch Gewerkschaftsbonzen,


(Anette Kramme [SPD]: Gewerkschaftshasser!)


ie nicht wissen, wie die Realität aussieht, daran gehin-
ert wird, eine vernünftige Regelung zu erarbeiten.
amit muss Schluss sein. Dafür schreie ich. Wenn Sie
twas anderes vertreten, dann sollten Sie sich dafür schä-
en.

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505313600


Herr Kollege Brüderle, Sie müssen zum Schluss kom-
en. Gleiches Recht für alle! Diesen Grundsatz pflege
ch einzuhalten.


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1505313700

Frau Präsidentin, ich komme sofort zum Schluss.
ber Sie haben Ihre Parteigenossen ein bisschen länger
eden lassen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505313800


Herr Kollege Brüderle!

Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1505313900

Ich finde zwar, dass Sie bei anderen ein bisschen

roßzügiger waren. Aber ich gehe schon.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Simone Violka [SPD]: Weder Anstand noch Achtung!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505314000


Nächster Redner in dieser Debatte ist der Kollege
erner Schulz, Bündnis 90/Die Grünen.
Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Op-

osition hat die heutige Aktuelle Stunde beantragt, um
twas über die Haltung der Bundesregierung zu den
treiks in der ostdeutschen Metallindustrie zu erfahren.
ber Ihre Worte, Kollege Brüderle, lassen bei mir eher
en Eindruck aufkommen, dass es Ihnen nicht darum






(A) )



(B) )


Werner Schulz (Berlin)

geht, die Sichtweise der Regierung zu erfahren, sondern
darum, die Gewerkschaften zu beschimpfen, was Sie
auch getan haben.

Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie nicht wissen, was
Tarifautonomie ist. Sie wissen das sehr wohl. Wenn Sie
aber auf die Zeit zurückschauen, in der Sie selbst Regie-
rungsverantwortung hatten – das ist zwar schon ein paar
Jahre her; aber man kann sich durchaus noch erinnern –,
dann werden Sie feststellen, dass die Wortwahl ganz an-
ders war, als Anfang der 90er-Jahre die Arbeiter in Ost-
deutschland gestreikt und protestiert haben, weil der
Aufbau Ost nicht vorankam – die damalige Regierung
hatte keine Mittel dafür eingestellt – und weil die Löhne
hinten und vorne nicht ausreichten. Damals hieß es:

Die Bundesregierung sieht mit großer Sorge, dass
die Tarifauseinandersetzungen in einen Konflikt ge-
führt haben. Es liegt im Interesse der Bundesregie-
rung, dass sich die Tarifpartner möglichst schnell
auf eine tragfähige und wirtschaftlich vernünftige
Lösung verständigen.

Diese Haltung hat man offenbar, wenn man in der Regie-
rung ist. Wenn man aber in die Opposition kommt, dann
wird man auf einmal radikal. Ich verstehe ja, dass man,
wenn man nie in seinem Leben radikale Neigungen
hatte, wenigstens einmal radikal werden und ein biss-
chen über die Stränge schlagen möchte.


(Zuruf von der FDP)

– Das kommt noch. Dafür verbleibt mir noch genügend
Redezeit.

Das momentane Problem ist folgendes: Die Tarifpart-
ner sind gerade dabei, sich zu einigen und den Streik zu
beenden, der in der jetzigen Situation sicherlich
schmerzhaft ist. Auf der anderen Seite kann ich verste-
hen, dass diese Gewerkschaft 13 Jahre nach der deut-
schen Einheit endlich die Angleichung der Arbeits- und
Lebensbedingungen verlangt, die die Politik den Men-
schen von Anfang an versprochen hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Frau Bellmann, in der letzten Legislaturperiode – Sie

waren damals noch nicht Abgeordnete – hat Ihre Frak-
tion – es ist nur zwei Jahre her – einen Antrag mit dem
Titel „Leitbild für ein modernes Deutschland“ einge-
bracht. Dieser Antrag formulierte das Ziel, eine stufen-
weise Angleichung der Tarife im öffentlichen Dienst in
Deutschland bis 2007 zu erreichen. Warum sollte gerade
der öffentliche Dienst Schrittmacher dafür sein? Warum
sollte das, was dem öffentlichen Dienst recht ist der Pri-
vatwirtschaft an dieser Stelle nicht billig sein? Das ist
doch der Punkt.

Der Weggang junger Leute ist doch auch das Ergebnis
dessen, dass die Standortfaktoren des Ostens für die Be-
schäftigten offenbar nicht so attraktiv sind und dass man
die Arbeits- und vor allem die Einkommensverhältnisse
im Westen als etwas attraktiver empfindet. Das ist die
Kehrseite dieses Standortfaktors.

Eigentlich geht es nicht um die 35-Stunden-Woche.
Die Arbeitgeber würden 35 Stunden gern bezahlen,

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(C (D enn dafür 40 Stunden gearbeitet würden. Ich glaube, as ist der eigentliche Punkt, um den es in dieser Auseinndersetzung geht. Bei dieser ganzen Auseinandersetung um Arbeitszeitverlängerung geht es im Grunde geommen um Lohnkürzungen. Egal ob Feiertage bgeschafft werden, ob Zuschläge reduziert werden solen, zum Beispiel das Weihnachtsgeld: In Wirklichkeit eht es um Lohnkürzungen. Ich frage Sie: Auf welches iveau müssten die Löhne Ihrer Meinung nach sinken, amit wir wettbewerbsfähig sind? Auf polnisches, auf krainisches oder auf chinesisches vielleicht? (Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!)


Eine Diskrepanz in diesem Land besteht darin, dass
ich Unternehmensvorstände an internationalen Spitzen-
erten orientieren, während sich die Belegschaft die Ge-
älter von Arbeitern in weniger entwickelten Ländern
um Vorbild nehmen soll.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich kenne die ideologischen Auseinandersetzungen
m die 35-Stunden-Woche. Man kann sich darüber treff-
ich streiten. Ich glaube, dass beide Seiten die Effekte
er 35-Stunden-Woche überschätzen. Aus der Einfüh-
ung der 35-Stunden-Woche per Gesetz in Frankreich
önnen wir erkennen, dass sie Effekte hat: Es sind zwar
icht, wie man sich erhofft hatte, 700 000 Arbeitsplätze
ntstanden, aber immerhin knapp 400 000. Der franzö-
ische Unternehmerverband – er war anfangs sehr skep-
isch und gegen die Einführung – verteidigt heute die
5-Stunden-Woche. Sie hat zu einer Modernisierung der
esellschaft und zur Belebung der Dienstleistungsbran-
he geführt. Sie hat in einer gewissen Weise auch etwas
ür das Familienleben und für die Konkurrenzfähigkeit
ieses Land getan.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Nein, Werner Schulz! Das ist ganz deutlich nicht der Fall!)

Sie sollten Ihr Augenmerk nicht nur auf die Senkung

er Lohnkosten richten. Ökonomisch betrachtet, sind
icht nur die Lohnkosten, sondern auch die Energiekos-
en, die Materialkosten, die Produktivitätsentwicklung
nd die Arbeitsproduktivität, also die Lohnstückkosten,
ntscheidend. Was diese Bereiche angeht, hat der Osten
n den letzten Jahren enorme Vorteile erzielt. Das Niveau
m Osten liegt heute 10 Prozent unter dem im Westen.
Die entsprechenden Mittel können schon verteilt wer-

en. Die Gewerkschaften fordern keinen Ruck, sondern
inen Stufenplan, also das, was man unter Planungs-
icherheit versteht. Die Gewerkschaften sind in einer ge-
issen Weise moderat vorgegangen, indem sie gesagt
aben: Für schwächere Betriebe sollen längere Fristen
elten; wir haben eine Revisionsklausel vorgesehen usw.
Es ist keine starre Situation.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505314100


Herr Kollege Schulz, denken Sie bitte an Ihre Rede-
eit.






(A) )



(B) )

Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Die Politik wäre gut beraten, sich aus diesem Konflikt
herauszuhalten und darauf zu setzen, dass sich die bei-
den Tarifpartner vernünftig einigen, wie es auch der Fall
war, als Sie regierten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505314200


Nächster Redner ist der Kollege Alexander Dobrindt,
CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Endlich mal einer, der was davon versteht!)



Alexander Dobrindt (CSU):
Rede ID: ID1505314300

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kollegin Kramme, ich kann eigentlich nur hoffen,
dass die Mehrzahl der Mitglieder Ihrer Fraktion Ihren
Thesen hier nicht folgt. Schauen Sie doch einmal nach
draußen!
Wir haben in unserem Land zurzeit eine Abfolge von
Geschehnissen, die sich einer rationalen Nachvollzieh-
barkeit entziehen und die in der Summe eigentlich nur
noch bezeichnet werden können als Drama – aus meiner
Sicht mit einem Hang zur tragischen Komödie, die be-
kanntlich mit der Niederlage des Helden, motiviert
durch seine menschlichen Schwächen, endet. Das lässt
Interpretationsspielraum.

Mir geht es um den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Wir sind das Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum in
Europa.


(Erika Lotz [SPD]: Jetzt kommt diese Leier wieder!)


Der Wirtschaftsminister kündigt für dieses Jahr inzwi-
schen ein Nullwachstum an. Die Arbeitslosenzahlen sind
auf einem Rekordniveau seit der Wiedervereinigung.
Die Bundesanstalt für Arbeit benötigt über 8 Milliarden
Euro Zuschuss aus dem Bundeshaushalt, Tendenz wei-
terhin steigend. Die Arbeitslosenzahlen werden im Win-
ter möglicherweise – das wäre erschreckend – auf über
5 Millionen steigen. Unsere Sozialsysteme haben die
Grenzen ihrer Finanzierbarkeit schon weit überschritten.
Wir haben eine katastrophale Situation auf dem Ausbil-
dungsmarkt. Und da wird in einer Zeit, in der wir über
mehr Arbeit und über Mehrarbeit diskutieren, um die
Wirtschaft in Deutschland wieder voranzubringen, ein
Arbeitskampf geführt, der die wirtschaftlich schwächste
Region in Deutschland noch schwächer machen wird!


(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine Reduzierung der Arbeitszeit von 38 Stunden auf

35 Stunden bei Lohnausgleich wird den Wirtschaftsplatz
Ostdeutschland zum Verlierer im Wettbewerb um Unter-
nehmensansiedlungen, zum Verlierer im Wettbewerb um
Arbeitsplätze und zum Verlierer bei der Bekämpfung der
Massenarbeitslosigkeit machen. Das kann nicht unser

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(C (D iel sein. Deshalb müssen wir auch von dieser Stelle aus eutlich sagen, dass wir eine Verkürzung der Wochenareitszeit ablehnen. Die Reduzierung der Arbeitszeit beeutet eine Erhöhung der Lohnkosten um – das muss an sich auf der Zunge zergehen lassen – 8,6 Prozent. as gefährdet kurzfristig 20 000 Arbeitsplätze – vom angfristigen Schaden für die Region ganz zu schweigen. Der letzte wichtige, entscheidende Standortvorteil stdeutschlands, nämlich die längere Arbeitszeit, darf icht dem Machtspiel zwischen den Gewerkschaftsbosen zum Opfer fallen. Ich sage „Gewerkschaftsbosse“. Anere sprechen von tarifpolitischen Geisterfahrern. Sie kenen sie alle. Im Ergebnis werden die wirtschaftlichen robleme im Osten größer werden. Die Arbeitslosigkeit ird steigen. Die Abwanderung der mobilen Arbeitnehmer ach Westdeutschland wird ebenfalls steigen. Dabei darf an nicht vergessen – das ist schon erwähnt worden –: Die ehrzahl der Arbeitnehmer will diesen Streik nicht und rägt diesen Streik nicht mit. Nach einer Umfrage des Alensbach-Instituts vom Februar dieses Jahres waren 6 Prozent der Metaller im Osten mit ihrer Arbeitszeit zurieden. Gleichzeitig wird bei allen Umfragen festgestellt, ass der Erhalt des Arbeitsplatzes heute zum wichtigsten hema geworden ist, was bei 40 000 prognostizierten nternehmenspleiten ja auch verständlich ist. Die 35-Stunden-Woche in Deutschland hat noch nie inen einzigen Arbeitsplatz geschaffen. Das Versprechen er Gewerkschaften in den 80er-Jahren, durch Umverteiung von Arbeit neue Arbeitsplätze zu schaffen, wurde ie eingelöst. Ich garantiere Ihnen: Was im Westen nicht unktioniert hat, wird auch im Osten nicht funktionieren. inkende Arbeitszeiten führen zu steigenden Arbeitskosen. Steigende Arbeitskosten führen zu Rationalisierunen und zum Arbeitsplatzabbau. Zusätzlich bringen sie eistungsverdichtung und Stress für die Arbeitnehmer it sich. Das sind die Auswirkungen der 35-Stundenoche. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das hat doch in Bayern geklappt, oder?)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich bin froh darüber, dass sich diese Erkenntnis lang-
am durchzusetzen scheint und auch unser Bundeswirt-
chaftsminister die Auffassung vertritt: In Deutschland
uss wieder mehr gearbeitet werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

ch muss dem Herrn Wirtschaftsminister allerdings sa-
en: Wir brauchen keine Feiertagsdiskussion. Wir müs-
en über höhere Wochenarbeitszeiten nachdenken, um
ie Produktionskosten in Deutschland maßgeblich zu
enken und somit wieder wettbewerbsfähiger zu werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

as schafft mittel- und langfristig die Arbeitsplätze, die
ir brauchen. Wir müssen neue Arbeitsmodelle mit Zeit-
orridoren für den flexiblen Einsatz der Arbeitskraft fin-
en. Damit werden unsere Unternehmen wieder leis-
ungsfähiger und es entstehen neue Jobs in Deutschland.






(A) )



(B) )


Alexander Dobrindt
Es wird Zeit, dass alle Beteiligten begreifen: Das Pro-
jekt 35-Stunden-Woche ist gescheitert. Wenn die Ge-
werkschaften jetzt eine vertretbare Lösung für Ost-
deutschland propagieren wollen, dann müssen sie die
Forderung nach der 35-Stunden-Woche aufgeben, sich
für den Erhalt der bestehenden Arbeitsplätze einsetzen,
endlich das Prinzip der Umverteilung von Arbeit aufge-
ben und nach dem Prinzip „Arbeit schafft Wachstum und
Wachstum schafft Arbeit“ handeln.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505314400


Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Wend, SPD-
Fraktion.


Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1505314500

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Natürlich ist dieser Tarifkonflikt einer Bewer-
tung zugänglich. Bei näherer Betrachtung muss man sa-
gen, dass es gute moralische Argumente für die
IG Metall gibt, diesen Tarifkonflikt zu führen, es aber
auch gute ökonomische Argumente gibt, diesen Tarif-
konflikt nicht zu führen.

Es ist richtig, dass sich Arbeitgeber und IG Metall am
18. Mai 2002 in Berlin darauf verständigt haben, über
eine schrittweise Reduzierung der Arbeitszeit in Ost-
deutschland zu verhandeln. Vor diesem Hintergrund sind
die Forderungen der IG Metall zu verstehen. Wahr ist
auch, dass die IG Metall eine schrittweise Einführung
der 35-Stunden-Woche bis zum Jahre 2009 verlangt und
bereit ist, bei Veränderung der wirtschaftlichen Rahmen-
bedingungen auch an diesem Zeitkorridor noch Verände-
rungen zuzulassen. Das zeigt also: Wer angesichts dieses
Tarifkonflikts ausschließlich von Verantwortungslosig-
keit aufseiten der Gewerkschaften spricht, vergisst, dass
diese aktuelle Auseinandersetzung in bestimmten frühe-
ren Vorgängen wurzelt.

Die ökonomischen Gründe, die aufgeführt wurden,
lassen es aber auch aus meiner Sicht nach einer differen-
zierten Bewertung am Ende unvernünftig erscheinen,
diesen Tarifkonflikt zu führen. Das will ich nicht ver-
schweigen.


(Beifall des Abg. Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Ich möchte auf drei Dinge hinweisen, die mich in dieser
heutigen Debatte stören.

Punkt Nummer eins: Es wurde mehrfach gesagt, Ge-
werkschaftssekretäre aus dem Westen werden eingeflo-
gen, um vor den Toren der Betriebe in Ostdeutschland
Streikbrecher am Betreten zu hindern.


(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Das ist die Realität!)


Es wird gesagt, dass in den Gewerkschaftszentralen im
Westen entschieden wurde, ob dieser Arbeitskampf ge-
führt wird oder nicht.

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(C (D (Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Auch richtig!)


azu will ich Ihnen sagen: Wenn wir einen Streik in
ayern oder Baden-Württemberg hätten und aus Schles-
ig-Holstein Streikposten kämen


(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Das wäre eine Schweinerei!)


der in Frankfurt entschieden würde, ob gestreikt wird
der nicht,


(Dirk Niebel [FDP]: Genauso schlimm!)

ürde keiner davon reden, dass der Norden dem Süden
inen Streik aufzwingt. Sie beleben an dieser Stelle – das
erfe ich Ihnen vor – wieder Vorurteilsstrukturen und
auen in den Köpfen wieder Mauern zwischen West und
st auf. Das weisen wir an dieser Stelle zurück.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Die zweite Sache, die ich Ihnen vorwerfe – das hat
sbesondere Herr Göhner beim vorherigen Tagesord-
ungspunkt getan –, ist, dass Sie die auch nach meiner
einung schwierige tarifpolitische Auseinandersetzung
azu benutzen, um die Tarifautonomie insgesamt infrage
u stellen. Dazu sage ich Ihnen ein bisschen selbstiro-
isch, dass es sich mit der Tarifautonomie wie mit der
emokratie verhält: Wie oft habe ich mir nach Kommu-
al- oder Landtagswahlen, die schlecht für uns ausgin-
en, gewünscht, dass man es vielleicht mit der Demokra-
e nicht so ganz ernst nehmen müsste. So ist das auch
it der Tarifautonomie. Nur weil einem einmal ein Er-
ebnis nicht gefällt, kann man nicht das bewährte Prin-
ip der Tarifautonomie aufs Spiel setzen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Damit hängt auch die Bewertung der Vergangenheit
usammen. Sehen Sie sich doch einmal an, wie die Ge-
erkschaften in dieser Republik mit Tarifverträgen um-
egangen sind: Die tarifpolitische und die lohnpolitische
urückhaltung der letzten Jahre war angesichts unserer
esamtökonomischen Situation vorbildlich. Tarifver-
äge bilden seit den 50er- und 60er-Jahren ein sinnvol-
s Rückgrat unserer Ökonomie. Von daher sollten Sie
icht der Versuchung erliegen, um eines kurzfristigen
orteils willen eine schwierige tarifpolitische Situation
uszunutzen und die Tarifautonomie insgesamt infrage
u stellen. Das wäre schädlich.
Dritter Punkt – hier liegt vielleicht die größte Ge-

ahr –: Ich greife Ihr Wort, Herr Brüderle, von den Ge-
erkschaftsbonzen auf. Ich will nun nicht über Begriff-
chkeiten streiten – hier liegen mir Worte auf der
unge, die ich lieber herunterschlucke, weil ich auch
eiß, dass Sie, Herr Brüderle, sonst ein ganz netter
erl sind –, aber ich habe das Gefühl, es geht CDU/
SU und FDP hier um etwas anderes. Sie wollen die,
ie auch ich finde, schwierige wirtschaftliche Situa-
on, die tarifpolitische Situation und die – auch das






(A) )



(B) )


Dr. Rainer Wend
räume ich ein – suboptimale intellektuelle Beweglich-
keit einiger Gewerkschaftssekretäre


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Wunderbar!)


nutzen, damit am Ende der politische Einfluss der Ge-
werkschaften in dieser Republik auf null zurückgefahren
wird. Das werden wir Sozialdemokraten nicht zulassen;
da können Sie sicher sein, meine Damen und Herren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gewerkschaften sind nicht immer einfach. Das wis-

sen wir Sozialdemokraten aus den letzten Wochen. Ich
sage Ihnen aber eines: Eine Demokratie, wie sie in unse-
rem Lande mithilfe von Gewerkschaften aufgebaut
wurde, ist stabil.

Ich wünsche mir Gewerkschaften, die die Reformnot-
wendigkeiten verstehen, die auf dem sozialen Ausgleich
bei diesen Reformen bestehen, die ein wichtiger politi-
scher Faktor in unserer Republik sind und nicht, wie von
Ihnen gewünscht, beiseite gestellt werden, die vielmehr
mit dabei sind und Einfluss haben. Ich wünsche mir,
dass uns dies in den nächsten Monaten noch besser ge-
lingt, als es zurzeit der Fall ist. Ich wünsche mir in die-
sem Sinne starke und weltoffene Gewerkschaften.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben Scheuklappen!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505314600


Nächster Redner ist der Kollege Joachim Günther,
FDP-Fraktion.


Joachim Günther (FDP):
Rede ID: ID1505314700

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Frau Kollegin Kramme, Sie haben hier eine tolle
Lehrstunde zur Tarifautonomie abgeliefert. Ich stelle die
Frage: Wann waren Sie zum letzten Mal im Osten und
haben sich die Realität vor Ort angeschaut? Denn darum
geht es doch heute.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich möchte damit einmal Folgendes in Verbindung

bringen: Im Osten stehen 1 Million Wohnungen leer;
62 000 Bürger haben im vergangenen Jahr zum Beispiel
mein Heimatland Sachsen verlassen.


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Fragen Sie einmal, warum!)


Von der Kommunalpolitik bis zur Bundespolitik macht
man sich Gedanken darüber, wie Arbeitsplätze dort ge-
halten werden können. Denn wegen des Mangels an Ar-
beitsplätzen verlassen die Bürger ihre Heimat.

Zaghaft sind in letzter Zeit neue Ansiedlungen ent-
standen: in der Industrie, im Gewerbe und vor allem in
der Metall- und in der Autozulieferindustrie. Die Stand-
orte dieser neuen Arbeitsplätze standen im harten inter-
nationalen Wettbewerb mit anderen Standorten. Es war

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(C (D icht einfach, es war keine Selbstverständlichkeit, dass ie im Osten entstanden sind. Kollege Brüderle hat am eispiel der Tschechei und Polens gezeigt, wie hart dieer Wettbewerb ist. Viele haben sich für diese Standortorteile, für diesen Standort Ost engagiert, die Kommuen durch die Ausweisung von Gewerbegebieten, die änder durch die Bereitstellung von Fördermitteln, benso der Bund; das ist richtig. Aber nicht zuletzt haen sich auch die Arbeitnehmer mit ihrer Arbeitszeit enagiert. Aus all diesen Gründen begann langsam etwas zu achsen. Es entstanden moderne, hochproduktive Beriebe. Jetzt muss man den Eindruck bekommen: Irgendemandem scheint das ein Dorn im Auge zu sein. Wenn an die Streiks in Ostdeutschland unter diesen Voreichen betrachtet, dann – so müssen Sie schon zugesteen – kann man auch auf üble Gedanken kommen. Sehen Sie sich doch einmal die Lage der Gewerk chaften an; Sie haben anhand der Situation bei sich zu ause geschildert, wie deren Lage dort ist. Im Osten ind 30 Prozent der Arbeitnehmer im Metallund Elekrobereich gewerkschaftlich organisiert. 8 Prozent haen an dieser Abstimmung teilgenommen. Selbst wenn ch davon ausgehe, dass in einem Betrieb 30 Prozent der rbeitnehmer organisiert sind und 80 Prozent dafür getimmt haben, so haben keine 25 Prozent der Belegchaft für diesen Streik gestimmt. So sieht die Realität or Ort aus. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Eine Minderheit verhindert Arbeit!)


ngesichts dessen muss man sich schon die Frage gefal-
en lassen: Wenn es die Gewerkschaften im Osten auf
iese Weise nicht schaffen, einen Streik auf die Beine zu
tellen, wie machen sie es dann? Dann werden eben bus-
eweise die Leute angekarrt, von Frankfurt oder Düssel-
orf dirigiert; sie stehen vor den Werktoren, sie sind
treikerfahren und sie verwehren im Regelfall denen, die
rbeiten wollen, den Einlass in den Betrieb.


(Beifall des Abg. Dr. Michael Luther [CDU/ CSU])


Meine Damen und Herren, ich sage es ganz deutlich:
it dieser Aktion haben sich die deutschen Gewerk-
chaften aus der gesellschaftlichen Verantwortung für
en Aufbau Ost verabschiedet.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das kann man auch ganz deutlich an den Reaktionen

n der Presse und im Fernsehen der letzten Tage verfol-
en: Von internationalen Investoren in Aussicht genom-
ene oder in Vorbereitung befindliche Objekte werden
torniert. Die Investoren überlegen, ob sie den Schritt
ach Ostdeutschland unter den jetzigen Bedingungen
och tun sollen. Das bedeutet weniger Arbeitsplätze in
en neuen Bundesländern. In diesem Zusammenhang
ann durchaus die Frage gestellt werden: Ist das viel-
eicht eine gewollte Aktion? Will die Gewerkschaft da-
urch im Endeffekt den Aufbau von Arbeitsplätzen im






(A) )



(B) )


Joachim Günther (Plauen)

Osten verhindern, um ihren Einfluss im Westen konstant
zu halten?


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Glauben Sie, was Sie sagen?)


Ich lehne diese Klientelpolitik auf dem Rücken des
Wirtschaftsstandortes Ost eindeutig ab, meine Damen
und Herren.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Rainer Wend [SPD]: Das ist ja Schwachsinn!)


Es ist höchste Zeit, dass wir über diese Art von Arbeits-
kampfritualen nachdenken. Es ist höchste Zeit, dass wir
dem Osten eine faire Chance für die Entstehung von Ar-
beitsplätzen geben, damit nicht noch mehr Menschen
dieses Gebiet verlassen. Entsprechend lautet meine Auf-
forderung an die Bundesregierung – weil Sie gefragt ha-
ben –: Nehmen Sie Stellung, wie Sie Einfluss darauf
nehmen wollen, dass es zu keinem weiteren Abbau in
dieser Richtung kommt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb wollen wir uns aus den starren Flächentarif-
verträgen verabschieden. Wir wollen den Beschäftigten
in den Betrieben mehr Spielraum geben. Wenn es ge-
lingt, dass die Mehrheit in einem Betrieb für etwas eine
Entscheidung trifft, dann muss dies allgemein akzeptiert
werden. In diesem Sinne stehen wir hinter den Arbeit-
nehmern in Ostdeutschland und in diesem Sinne blockie-
ren wir nicht den Aufbau Ost.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505314800


Nächster Redner ist der Kollege Hubert Ulrich, Bünd-
nis 90/Die Grünen.


Hubert Ulrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505314900

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke,

eben ist zu Recht in den Vordergrund gestellt worden,
wie wichtig die Tarifautonomie der Gewerkschaften und
der Arbeitgeber ist. Daran führt kein Weg vorbei und
darüber brauchen wir hier auch nicht zu streiten.

Auf der anderen Seite muss es erlaubt sein und ist es
notwendig, dass sich dieses Parlament mit Fehlentwick-
lungen in diesem Bereich befasst. Deshalb halte ich die
heutige Aktuelle Stunde zu diesem Thema nicht unbe-
dingt für falsch. Es ist aber ein völlig falscher Ansatz
– das kam eben ganz stark aus den Reihen der FDP, teil-
weise auch aus den Reihen der CDU/CSU –, die Ge-
werkschaften hier insgesamt zu attackieren. Dass man
Gewerkschaftsfunktionäre wie Herrn Peters wegen der
völlig falschen Linie, die er vertritt, brandmarkt, kann
ich nachvollziehen. Das sage ich als jemand, der seit
30 Jahren Mitglied der IG Metall ist. Aber Peters steht
nicht für die ganze IG Metall; dort gibt es auch Leute,
die andere Positionen vertreten.


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(C (D (Veronika Bellmann [CDU/CSU]: Er ist der designierte Vorsitzende!)


Wie gesagt, ich kritisiere Herrn Peters ganz offen,
eutlich und laut von dieser Stelle aus.
Man muss sich einmal klar machen – damit komme

ch zum Thema –, wie die Gesamtsituation in Deutsch-
and im Moment aussieht. Wir sind in einer ganz schwie-
igen wirtschaftlichen Situation. Aber im Moment sieht
an einen Silberstreif am Horizont, und zwar aufgrund
erschiedener Anzeichen: Der Ifo-Geschäftsklimaindex
eist nach oben, der Leitzins hat mittlerweile ein histori-
ches Tief erreicht, die Steuerreform wird vermutlich
orgezogen, die Aktienkurse haben sich von ihrem Tief-
tand wieder erholt, auch dort sieht es langsam wieder
esser aus. In dieser Situation einen solchen Streik zu in-
zenieren ist einfach falsch; das muss man offen sagen.


(Beifall der Abg. Christa Nickels [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] sowie bei der CDU/CSU und der FDP)


Das Ziel, das dabei verfolgt wird, nämlich die 35-Stun-
en-Woche, ist im Westen bereits 1984 durchgesetzt wor-
en. Man muss sich einmal genau anschauen: Wozu hat
enn die 35-Stunden-Woche im Westen geführt? Für die
acharbeiter hat sich dadurch nicht viel verändert. Das
roblem bestand darin, dass die gering qualifizierten Ar-
eitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Arbeits-
arkt herausgedrängt wurden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

iese Gefahr besteht auch jetzt, wenn man die Linie ver-
olgt, die 35-Stunden-Woche im Osten einzuführen. Der
tandortvorteil, den der Osten heute noch hat, ginge da-
ei verloren; das ist nun einmal Fakt.


(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: So ist es!)

ie soll man denn ein Unternehmen im Westen heute
och motivieren, sich im Osten anzusiedeln, wenn auch
er letzte Vorteil wegfällt?


(Beifall der Abg. Christa Nickels [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] sowie bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Osten hat ein Sonderproblem, nämlich die Pro-
uktpalette. Die Produktpaletten in vielen Betrieben im
sten sind heute nicht mehr weltmarktfähig. Wir brau-
hen im Osten neue, innovative Betriebe. Aber innova-
ive Betriebe müssen insbesondere im Bereich Forschung
nd Entwicklung einiges zu bieten haben. Gerade For-
chung und Entwicklung sind jedoch nun einmal ein so
enannter Engpassfaktor, der durch die Arbeitszeitver-
ürzung noch verstärkt würde. So kann es nicht gehen.


(Beifall der Abg. Christa Nickels [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] sowie bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben noch Plätze frei! – Dr. Rainer Wend [SPD]: Pass auf, wohin du dich gleich setzt!)


Man muss einmal ganz nüchtern die entsprechenden
ahlen betrachten: Die gesamtwirtschaftliche Produkti-
itätslücke zwischen dem Westen und dem Osten beträgt






(A) )



(B) )


Hubert Ulrich
40 Prozent. Wenn sich die Gewerkschaften mit ihrer
Forderung durchsetzen würden, würde diese Lücke noch
größer werden.

Man muss die Dinge so sehen, wie sie sind: Die IG-
Metall-Forderung macht einfach keinen Sinn.


(Beifall der Abg. Christa Nickels [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Mit Blick auf die Gesamtsituation muss man sagen, dass
es der falsche Zeitpunkt ist. Mit Blick auf den Osten
muss man sagen, dass es der falsche Ort ist. Angesichts
der Auswirkung auf den Westen kommt man ebenfalls
zu der Schlussfolgerung, dass diese Forderung völlig
falsch ist und keinen Sinn macht.

Wir brauchen die 35-Stunden-Woche im Osten ge-
nauso wenig wie ein Loch im Kopf.


(Beifall der Abg. Christa Nickels [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] sowie bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505315000


Nächster Redner ist der Kollege Max Straubinger,
CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Rainer Wend [SPD]: Jetzt rede du für uns!)



Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1505315100

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Ich

kann dem Kollegen Ulrich in vielen Punkten nur bei-
pflichten. Die IG Metall hat einen Streik vom Zaun ge-
brochen, der volkswirtschaftlich völlig sinnlos ist und
der vor allen Dingen den Wirtschaftsstandort Ost-
deutschland massiv schädigt und dort den Verlust von
Arbeitsplätzen bewirkt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir von der Union halten es deshalb mehr mit den
Forderungen des Bundeswirtschaftsministers: Um die
Krise in Deutschland zu überwinden, ist es notwendig,
dass wieder mehr und nicht weniger in Deutschland ge-
arbeitet wird.


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: „In Ostdeutschland“ müssen Sie sagen!)


Mehr arbeiten bedeutet natürlich Vollbeschäftigung.

(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: 38-Stun den-Woche für Bayern!)

– Darauf komme ich gleich noch, Frau Kollegin Wolff.

Ich möchte einmal zurückblicken. 1960 hatten wir un-
ter Ludwig Erhard Vollbeschäftigung. Die Deutschen ha-
ben damals 90 Tage mehr gearbeitet. Dies ist ein Beleg
dafür, dass die 35-Stunden-Woche gescheitert ist; denn
wir werden bei 5 Millionen Arbeitslosen anlangen –


(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Leider ist es so!)


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(C (D o die Prognose der Bundesregierung für den Winter diees Jahres. Wir müssen also zur Vernunft zurückkehren. er Streik, den die IG Metall vom Zaun gebrochen hat, st zu verurteilen. Ich glaube, dass vor allen Dingen die IG Metall eine roße Doppelzüngigkeit an den Tag gelegt hat. Sie streiet für die 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland. Es gibt ngeblich eine Gerechtigkeitslücke, weil es im Westen ine 35-Stunden-Woche und im Osten eine 38-Stundenoche in den Metallund Elektrobetrieben gibt. Ich als iederbayer kann mich noch gut daran erinnern, wie unerschiedlich die Arbeitszeiten früher in der Bundesrepulik Deutschland waren. Wir haben über 30 Jahre geraucht, bis Bayern den Anschluss an Westdeutschland rreicht hatte. Es wird immer unterschiedliche Arbeitseiten in Deutschland geben. Ich betrachte es als Zynismus, wenn die Gewerk chaft vorgibt, sie würde für Gerechtigkeit streiten, sie ber in Wirklichkeit für Arbeitsplätze im Westen und geen Arbeitsplätze im Osten streitet. Heute wurde an die elegschaft des BMW-Werks in Dingolfing von der G Metall ein Flugblatt verteilt, in dem es unten ganz lakativ heißt: „35-Stunden-Woche sichert 2 000 Areitsplätze bei BMW in Dingolfing“. (Lachen bei der CDU/CSU – Manfred Grund [CDU/CSU]: Das ist unglaublich! – Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Ein Skandal!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


ie Begründung unter der Überschrift „Was haben wir
om Arbeitskampf?“ lautet:

Immer mehr Unternehmen führen Vergleiche …
durch, um herauszufinden, wo am billigsten produ-
ziert werden kann. Wenn gleiche Arbeitsbedingun-
gen bestehen, können Belegschaften an verschiede-
nen Standorten nicht mehr gegeneinander
ausgespielt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Forderung der IG Metall ist sozusagen, keine Ar-

eitsplätze im Osten entstehen zu lassen, sondern alle an
estehenden Standorten zu konzentrieren. Dies passt
icht damit zusammen – die Gewerkschaften gehen ja
mmer so großartig mit dem Wort „Solidarität“ um –,
ass man Solidarität üben und einen Beitrag für den Auf-
au Ost leisten will. Das ist eine falsche Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wie der Streik von den Menschen in Deutschland be-
ertet wird, hat die IG Metall erfahren. Ich habe mich
rst heute mit Betriebsräten von BMW in Dingolfing,
ie der Christlichen Gewerkschaft


(Anette Kramme [SPD]: Das ist eine Gewerkschaft?)


ngehören, unterhalten. Sie sagten, bei der IG Metall
ürden die Austrittsscheine nur so gesammelt werden.


(Anette Kramme [SPD]: Das konnte ich bislang nicht feststellen!)







(A) )



(B) )


Max Straubinger
Darüber hinaus kommt die Position der Menschen auf
der Homepage der IG Metall zum Ausdruck.

Gestern wurde in der „Welt“ getitelt: „Gewerkschafts-
deppen ab nach Kuba.“


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Da gehören sie hin!)


Dies zeigt sehr deutlich, wie sich die Bevölkerung und
vor allen Dingen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer gegen den Druck und die Bevormundung der Ge-
werkschaften gegenüber arbeitswilligen Menschen weh-
ren. Dies muss für die Gewerkschaften ein Alarmzeichen
sein. Diese haben auch eine gesellschaftspolitische Ver-
antwortung und eine Verantwortung für den Wirtschafts-
standort Deutschland. Deshalb sind sie aufgefordert, die-
sen nutzlosen Streik sofort abzubrechen


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Und in die CSU einzutreten!)


und darüber hinaus dafür zu sorgen, dass zukünftig wie-
der einheitliche Lebensverhältnisse in Deutschland ge-
schaffen werden. Dafür steht unsere Politik. Deshalb
sind die Gewerkschaften aufgefordert, einen Beitrag zu
leisten und den Streik zu beenden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505315200


Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
Gerd Andres.

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Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1505315300


Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wer der Debatte zuhört, stellt fest, dass hier, po-
litisch beabsichtigt, massiv geholzt wird.


(Renate Blank [CDU/CSU]: Am meisten holzt die Gewerkschaft!)


Das ist legitim; das ist zulässig. Man kann Tarifausein-
andersetzungen bewerten, wie man möchte. Es ist legi-
tim, eine politische Bewertung der Tarifauseinanderset-
zungen vorzunehmen.

Ich will erstens festhalten: In der Debatte zuvor hat
der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-
Fraktion erklärt: „Die Tarifautonomie hat Verfassungs-
rang.“ Er hat darüber hinaus erklärt: „Flächentarifver-
träge bleiben … das entscheidende Instrument einer …
Lohnfindung.“ Wer den Verfassungsrang der Tarifauto-
nomie ernst nimmt, muss natürlich zur Kenntnis neh-
men, dass zur Tarifautonomie zwei Tarifparteien gehö-
ren, dass diese Tarifparteien ihre Angelegenheiten
autonom bestimmen und aushandeln können


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Aber auch verantwortlich! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Den Schaden hat die Politik!)


und dass es in diesem Land nach Art. 9 des Grundgeset-
zes im Rahmen der Tarifautonomie ein entwickeltes Ar-
beitskampfrecht gibt, für das ganz bewusst kein einziger

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(C (D atz gesetzlich fixiert worden ist. Es gibt ein Richterecht, das sich entwickelt hat und bestimmte Regeln und edingungen festhält. Dass dies so richtig ist, ist die ausrückliche Haltung der Bundesregierung. Denn wir sind er Auffassung, dass es zur Tarifautonomie keine Alterative gibt und sich die Tarifautonomie in diesem Lande ewährt hat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zum Zweiten muss man festhalten: Wenn man sich
ie Entwicklung der Tarifautonomie im Verlauf der Jahr-
ehnte anschaut, dann stellt man fest, dass wir bestimm-
en Bedingungen und Veränderungen unterworfen sind.
uch in der Debatte zuvor haben manche Redner von
er Krise der Tarifautonomie gesprochen. Das kann sich
n vielerlei Dingen ausdrücken, zum Beispiel darin, wie
tark die Tarifbindung in bestimmten Bereichen ist, wie
iele Arbeitgeber auf der einen Seite überhaupt noch zu
rbeitgeberverbänden gehören und welche Bindekraft
uf der anderen Seite Gewerkschaften haben, wie sich
ewerkschaften organisieren können und ob Gewerk-
chaften überhaupt in der Lage sind, tarifliche Forderun-
en durchzusetzen. Das sind ganz wichtige Fragen, die
ine Rolle spielen, wenn hier Gewerkschaftsorganisatio-
en kritisiert werden. All diese Fragen spielen eine
olle. Man muss sie sich, wie ich finde, sehr genau an-
chauen. Wer die Tarifautonomie will, wer die Tarifauto-
omie für richtig hält, der muss ein Interesse daran ha-
en, dass es Tarifparteien gibt, die in der Lage sind,
twas durchzusetzen, dass es Tarifparteien gibt, die auf
leicher Augenhöhe miteinander umgehen können.


(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: So wie jetzt!)


enn das nämlich nicht mehr gewährleistet ist, dann
etzt sich eine der beiden Tarifvertragsparteien durch
nd die Tarifautonomie verkommt zur Farce.
Damit bin ich beim dritten Punkt – meine sehr verehr-

en Damen und Herren, ich will dem überhaupt nicht
usweichen; ich finde das völlig richtig –: Der Bundes-
anzler hat am Rande des Gipfels in Thessaloniki er-
lärt, die Tarifparteien täten gut daran, sich lieber eine
tunde früher als eine Stunde später zu einigen; denn die
konomische Entwicklung im Osten könnte Schaden
ehmen.
Die Haltung der Bundesregierung ist – ganz beson-

ers in der gegenwärtigen ökonomischen Situation –,
ass jede Stunde, die der Streik länger dauert, schädlich
st. Deswegen wäre es ganz wichtig, dass sich die Tarif-
ertragsparteien auf den Weg machen, zu Gesprächen
ommen und sich verständigen.
Damit sind wir bei einem Prinzip, das hier gerne un-

erschlagen wird – manchen nehme ich das gar nicht
bel; sie sind halt so gestrickt –: Ein Streik ist ein Mittel
n einer Tarifauseinandersetzung. Es ist völlig legitim,
ieses anzuwenden. Manche, die aus den neuen Bundes-
ändern kommen, wissen, dass sie früher in einer Gesell-
chaftsordnung lebten, in der aus ganz bestimmten
ründen Streik verpönt, ja sogar verboten war, und dass






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Gerd Andres
die, die gestreikt haben, mit Gefängnis und politischer
Verfolgung bedroht wurden.

Das Streikrecht ist ein legitimes Mittel in unserem
Lande. Damit ein Streik beendet werden kann, muss man
zu einer Vereinbarung kommen, die voraussetzt, dass
sich zwei Tarifvertragsparteien auf den Weg machen.


(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: So kann nur einer reden, der nicht aus dem Osten kommt!)


– Sie können so viel dazwischenreden, wie Sie wollen.
Sie werden mich nicht daran hindern, das zu sagen, was
ich für richtig halte – damit Sie das genau wissen, Herr
Kollege.


(Beifall bei der SPD – Elke Wülfing [CDU/ CSU]: Es ist unmöglich, den Kollegen so abzumeiern!)


Deswegen sage ich: Die Bundesregierung hat ein gro-
ßes Interesse daran, dass es morgen bei den Gesprächen
zu einer Einigung kommt, die möglichst dazu führt, dass
der Streik so schnell wie möglich beendet werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit bin
ich bei einer weiteren Bewertung. Was Sie hier mit der
Beantragung dieser Aktuellen Stunde abziehen, ist eine
sehr offensichtliche Angelegenheit.


(Veronika Bellmann [CDU/CSU]: Wir weisen Sie nur auf die Probleme im Osten hin, die Sie immer wieder vergessen!)


Dies ist insbesondere bei Herrn Brüderle als Redner von
der FDP zum Tragen gekommen, der sich echauffiert
und aufgeblasen hat und der Menschen in einer Art und
Weise beschimpft hat, die ich überhaupt nicht unterstüt-
zen kann.


(Vera Lengsfeld [CDU/CSU]: Was machen Sie denn jetzt hier? Bleiben Sie mal sachlich!)


Man kann sich sachlich politisch auseinander setzen; das
ist überhaupt keine Frage. Aber diese Art und Weise! Ich
habe schon gedacht: Man muss aufpassen; sonst bekom-
men Sie hier noch einen Schlaganfall. – So haben Sie
sich erregt, Herr Kollege Brüderle.

Beim Nachlesen Ihrer Rede, stößt man auf ein paar
Probleme, mit denen man sich in der Tat auseinander
setzen muss. Das finde ich völlig richtig. Sie haben drei-
mal das Beispiel gebracht, dass in der Automobilindus-
trie in Tschechien, bei Skoda, 3 Euro Stundenlohn ge-
zahlt werden. Gut, Herr Brüderle, was lehrt uns das?
Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus? Ich kann
Ihnen eine Schlussfolgerung nennen, die ich daraus
ziehe und die die Bundesregierung ziehen muss: Die
Standortvorteile, die es in manchen Regionen der Bun-
desrepublik Deutschland gibt, muss man nicht nur zwi-
schen Ost und West abwägen.

Ich kann viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
in den neuen Bundesländern verstehen, die darüber ver-
bittert sind und das auch öffentlich vortragen, dass es
13 Jahre nach Herstellung der staatlichen Einheit in vie-
len Fragen noch Unterschiede gibt. Das kann ich verste-

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(C (D en und das muss man auch öffentlich aussprechen könen. Deswegen ist nicht alles Quatsch, was streikende Me aller erklären. Sie beziehen sich nämlich auf eine Verinbarung zwischen den Arbeitgebern in der Metallund lektroindustrie und der IG Metall, abgeschlossen am 4. Mai dieses Jahres, über Arbeitszeitverkürzungen in tufen zu verhandeln. Ich will Sie darauf aufmerksam achen, dass es für die Stahlindustrie bereits eine solche rbeitszeitverkürzung gibt. Eine stufenweise Arbeitseitverkürzung wurde zunächst bis zum Jahr 2009 verabedet. Gleichzeitig wurde festgelegt, dass davon abgewihen werden kann, wenn die ökonomische Entwicklung ine solche Arbeitszeitverkürzung nicht möglich macht. ch bitte Sie sehr herzlich, auch das zur Kenntnis zu nehen. Ich will aber meinen vorherigen Gedanken fortsetzen: elbstverständlich konkurriert ein bestimmter Industrieereich in den neuen Bundesländern (Veronika Bellmann [CDU/CSU]: Bestimmter Bereich? Alle Bereiche!)


(Beifall bei der SPD)


icht nur mit den Bedingungen, die im Westen herr-
chen. Vor dem Hintergrund der Erweiterung der Euro-
äischen Union gibt es auch einen Standortwettbewerb
it den östlichen Beitrittsländern.


(Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: So ist es!)

as muss man im Auge behalten und damit muss man
ich auseinander setzen. Das bedeutet, dass man auf die
ndeutung von Herrn Brüderle bezüglich der 3 Euro
tundenlohn reagieren muss. Man kann so etwas in den
aum stellen; entscheidend ist aber, wie man darauf rea-
iert.
Ich will auf einen Punkt zu sprechen kommen, der

icht neu ist. Ich kann mich daran erinnern, dass wir uns
or zwei Jahren in einer Aktuellen Stunde – das können
ie in den Parlamentsprotokollen nachlesen – zu den Ta-
ifverträgen – Stichwort „5 000 mal 5 000“ – in Wolfs-
urg auseinandergesetzt haben. Damals haben Sie sich
ber das Verhalten der IG Metall aufgeregt. Damals
urfte ich hier reden und habe auch über Tarifautonomie
esprochen. Ich habe zum Ausdruck gebracht, dass ich
ir sehr sicher bin, dass die Tarifvertragsparteien zu ei-
er Lösung kommen werden und es zu einem Tarifver-
rag zu der Bedingung „5 000 mal 5 000“ kommt. Das
at Sie aber nicht daran gehindert, das Thema aufzubla-
en und propagandistisch so zu nutzen, wie Sie das auch
eute hier wieder tun.
Meine politische Bewertung lautet wie folgt: Wer in

er jetzigen Situation, in der die Tarifvertragsparteien
ngekündigt haben, miteinander zu reden, eine Aktuelle
tunde in der Form nutzt, wie Sie das getan haben, der
eigt, dass er nur ein Interesse daran hat, ordentlich Öl
ns Feuer zu gießen, und kein Interesse an einer vernünf-
igen Regelung zwischen den Tarifvertragsparteien hat.


(Beifall bei der SPD)







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(B) )


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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1505315400
Wir ha-
ben in den letzten Wochen erlebt, dass in Frankreich, in
Österreich und in Italien große Streikbewegungen statt-
gefunden haben. Jeder, der sich die Entwicklung der
Streiktage in Deutschland im internationalen Vergleich
in den letzten zehn Jahren ansieht, der stellt fest, dass
wir dabei auf dem drittletzten Platz landen. Auch das be-
ruhigt mich.

Ich fordere die Tarifvertragsparteien auf, morgen zu
einer Einigung zu kommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505315500


Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Luther,
CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1505315600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Herr Andres, Sie haben mir ein Stichwort ge-
liefert: 13 Jahre nach der deutschen Einheit müssen end-
lich gleiche Arbeits- und Lebensbedingungen in Ost und
West geschaffen werden. Das sei eine Sache der politi-
schen Vernunft und Gerechtigkeit. Das sagte gestern in
einem Interview der designierte IG-Metall-Vorsitzende
Jürgen Peters.

Geht es wirklich darum, dass den so ungerecht behan-
delten Arbeitnehmern bei VW in Zwickau jetzt endlich
auch die 35-Stunden-Woche zugestanden werden muss?
Ist das die entscheidende Gerechtigkeitslücke, für die es
sich lohnt, ungeachtet der Folgen für den Wirtschafts-
standort neue Bundesländer, ungeachtet der Folgen für
den Wirtschaftsstandort Deutschland, ungeachtet der Fol-
gen für die wichtigste Wirtschaftsbranche in Deutschland,
nämlich die Automobilindustrie, diese lahm zu legen? Ich
beantworte diese Fragen wie folgt – Herr Schulz, ich
komme auf das zurück, was Sie gesagt haben –: Die Ge-
rechtigkeitslücke, die größte soziale Ungerechtigkeit
zwischen Ost- und Westdeutschland, ist die im Osten
doppelt so hohe Arbeitslosigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Man kann natürlich auf die Idee kommen, dass hinter

diesem Streik vielleicht das Bestreben steckt, durch die
35-Stunden-Woche mehr Arbeitsplätze in Deutschland
zu schaffen. Bringt die 35-Stunden-Woche mehr Ar-
beitsplätze? Ich will aus der „Süddeutschen Zeitung“
von gestern zitieren:

Aber was hat den Westdeutschen die 35-Stunden-
Woche gebracht? Deutschland hat heute die kürzes-
ten Arbeitszeiten und das niedrigste Wachstum in
der EU, die Beschäftigtenzahlen werden im interna-
tionalen Vergleich immer schlechter, die Arbeitslo-
sigkeit wird sich im nächsten Winter der Marke von
fünf Millionen nähern.

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(C (D as kann es also auch nicht gewesen sein; denn die Erahrungen mit der 35-Stunden-Woche in Deutschland eigen: Sie bringt nicht mehr Arbeit. Ich denke, das weiß die Gewerkschaft. Deshalb halte ch die Argumentation von Herrn Peters für vorgeschoen. Worum geht es dann? Lassen Sie mich noch einmal us einer Zeitung zitieren, dieses Mal aus der „Frankfurer Rundschau“, die wahrlich nicht als unionsnah beannt ist. Sie bringt es auf den Punkt, indem sie sagt: er IG Metall kommt „der Streikzeitpunkt kurz vor eiem Führungswechsel an der Gewerkschaftsspitze für en künftigen Chef gerade richtig“. (Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Darum geht es!)


s geht also nicht um die Arbeitnehmer, sonst würde
an wesentlich stärker für mehr Arbeitsplätze in den
euen Bundesländern streiten. Ich glaube, es geht hier
m die Profilierung einzelner Gewerkschaftsbosse.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dieser Streik kommt zur Unzeit. Wir müssen die wirt-

chaftliche Lage in Deutschland und vor allem die kata-
trophale Lage der Wirtschaft in den neuen Bundeslän-
ern betrachten. Wir alle diskutieren hier im Deutschen
undestag darüber, dass wir mehr Reformen und Entlas-
ungen bei den Lohnkosten brauchen, weil die Lohnkos-
n je Arbeitsstunde zu hoch sind. Für mich ist es ökono-
isch nicht einzusehen, weshalb man die Arbeitszeit von
8 auf 35 Stunden pro Woche verringern muss. Was die
enschen in den neuen Bundesländern brauchen – ich

ede nicht von 3 Euro –, sind auskömmliche Einkommen.
b man diese auskömmlichen Einkommen in 35, 38
der 40 Stunden pro Woche verdient, ist möglicherweise
ine wichtige Frage; aber das ist in dieser Situation
weitrangig und nebensächlich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Lohnkosten und die Lohnnebenkosten müssen
bsolut erarbeitet werden. Bei den Beiträgen zur Renten-
nd Krankenversicherung kommt es darauf an, dass sie
oche für Woche erarbeitet werden. Bei einer längeren
öchentlichen Arbeitszeit würden sich die Kosten bes-
er verteilen und Deutschland bekäme wieder einen
tandortvorteil. Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir in
eutschland Abschied nehmen von dem Holzweg zu
ürzerer Arbeitszeit. Wir müssen endlich wieder zurück
uf einen richtigen Weg, nämlich zu vernünftigen Ar-
eitszeiten in Deutschland. Das ist aus meiner Sicht ganz
estimmt nicht die 35-Stunden-Woche.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deshalb will ich an dieser Stelle ganz deutlich an die
ewerkschaften appellieren: Kommen Sie wieder zur
ernunft.


(Peter Dreßen [SPD]: Wer denn?)

ommen Sie zu vernünftigen Entscheidungen in Ihrer
olitik. Stellen Sie diesen Streik ein, bevor es zu spät ist.






(A) )



(B) )


Dr. Michael Luther
Ich habe jetzt noch ein Zitat vorzutragen, das ich ges-
tern in der „Welt“ gefunden habe:

Bis heute ist nicht vergessen, wie die britische Pre-
mierministerin Maggie Thatcher in den 70er-Jahren
dem hochmütigen Führer der Bergarbeitergewerk-
schaft, Scargill, die Stirn bot.

(Klaus Barthel [Starnberg] [SPD]: Die ist wohl Ihr Vorbild! – Dr. Rainer Wend [SPD]: Können Sie außer Zeitunglesen noch etwas?)

Nach wochenlangem Streik, während Frau Thatcher
hart blieb, gaben die Bergarbeiter auf. Damit wurde
die Wende zu einem neuen Aufbruch Großbritanni-
ens eingeleitet.

Meine Damen und Herren, ich halte viel von Tarifau-
tonomie und ich halte viel von starken Gewerkschaften.
Wenn aber die Gewerkschaft auf dem jetzigen Weg wei-
ter geht, befürchte ich, dass auch wir zu einer englischen
Lösung kommen. Das will ich nicht. Deswegen fordere
ich die Gewerkschaft zur Vernunft auf.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505315700


Nächster Redner ist der Kollege Wilfried Schreck,
SPD-Fraktion.


Wilfried Schreck (SPD):
Rede ID: ID1505315800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich gebe zu: Ich stehe hier heute mit einem gewissen Un-
behagen. Das liegt nicht am Thema, zu dem ich wohl
eine Meinung habe, die ich auch sagen werde, sondern
das liegt am Ort. Ich bin wie einige meiner Vorredner der
Meinung, dass wir uns in diesem Hause aus aktuellen
Tarifauseinandersetzungen heraushalten sollten.


(Beifall bei der SPD – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ach so, Arbeitsplätze gehen uns also nichts an!)


Das sage ich auch in Richtung meiner eigenen Partei und
in Richtung unseres Koalitionspartners.

Ich habe zu dem Thema einen ganz persönlichen Be-
zug. Als Abgeordneter aus dem Osten und als Betriebs-
rat der ersten Stunde habe ich schon vor der Wende Ge-
werkschaftsarbeit gemacht. Sie können sich vorstellen,
dass das nicht immer leicht war; denn wir hatten große
Probleme. Eines der Hauptprobleme, das mich am meis-
ten gestört hat, war die ständige Einmischung der allge-
genwärtigen und scheinbar allmächtigen Partei. Ich erin-
nere mich daran, dass wir zur Zeit der Wende Stunden
und Tage über das Streikrecht diskutiert haben. Zum
Glück haben wir jetzt andere politische Verhältnisse, wir
haben Freiheit und Demokratie. Wir haben heute große
Vorzüge. Ein ganz wichtiger Vorzug ist für mich die Ta-
rifautonomie. Ich bin dafür, dass wir dieses Grundrecht
gemeinsam hochhalten, und fordere Sie auf, das zu un-
terstützen.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Zu meinen eigenen Erfahrungen beim Thema Tarifanleichung im Osten nur so viel: Ich bin Betriebsrat in eiem großen europäischen Unternehmen. Der deutsche eil besteht aus vier Unternehmen – sie wachsen in dieer Zeit zusammen –, und wie der Teufel es will, komen zwei aus dem Westen und zwei aus dem Osten. Wir aben die Probleme, über die gegenwärtig diskutiert ird, im eigenen Haus: Die Arbeitszeiten in den vier eilfirmen liegen zwischen 35 und 38 Stunden, nach wie or gibt es große Differenzen in der Bezahlung. Aufgrund der kurz bemessenen Zeit möchte ich nur wei Stichworte nennen und kurz darauf eingehen. tichwort Produktivitätsunterschied zwischen Ost und est. Gott sei Dank gibt es inzwischen Branchen, in deen die produktiveren Unternehmen im Osten stehen. iese Betriebe produzieren billiger, allerdings arbeiten ie Menschen mit höherer Arbeitszeit und geringerer ezahlung. Ich sage Ihnen: Es ist nicht einfach, darauf ntworten zu finden, wenn man nach dem Warum geragt wird. Ich will in diesem Zusammenhang auf ein anderes hänomen hinweisen. In dieser Stadt sitzen Kolleginnen nd Kollegen aus Ost und West an einem Schreibtisch; r müsste eigentlich ein Gefälle aufweisen, da es ein Taifgefälle gibt. Der Kollege aus dem Westen verdient bei ürzerer Arbeitszeit mehr als der Kollege aus dem Osen. Ich sage Ihnen: Das wird nicht so bleiben. Zudem abe ich schon Verständnis für unsere Kollegen. Diese ustände, wie eben beschrieben, werden im Osten als iefe Ungerechtigkeit empfunden. In Kürze, am 1. Juli, begehen wir einen sehr markan en Tag – Sie werden sich sicherlich erinnern –, den 3. Jahrestag der Wirtschafts-, Währungsund Sozialnion. Ich bin der Auffassung, dass es unser gutes Recht st, über diese Themen auch auf der Ebene der Gewerkchaften zu debattieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


uch den Ost-West-Konflikt, den Sie mit Ihrer Diskus-
ion hervorgerufen haben – darauf hat der Kollege Wend
chon hingewiesen –, empfinde ich genauso, ich will
ieses Thema aber nicht weiter ausführen.
Zum Stichwort Standortvorteil: Natürlich sind im Os-

en Bezahlung und Arbeitszeit wichtige Standortvorteile.
ber wenn sie so wichtig sein sollen, wie hier immer ge-
agt wird, dann muss ich mich schon wundern, dass wir
Osten, nachdem dieser Zustand so lange angehalten

at, nicht mehr Betriebe und mehr Unternehmensansied-
ngen aufweisen können.
Ich möchte mich in den Bereich der Kollegen der

G Metall keinesfalls einmischen. Ihre Diskussion kann
ch verstehen. Ich weiß aber auch, dass andere Branchen
nd andere Gewerkschaften einen anderen Stil pflegen.
an kann sich seinen Sozialpartner aber nicht aussu-
hen. Ich bin aber auch der Auffassung, dass die Kolle-
en der IG Metall zum Beispiel beim Abschluss in der
tahlindustrie verantwortlich gehandelt haben. Es ist
chon angesprochen worden: 2009 – also 19 Jahre nach
er deutschen Einheit – wird es, wenn es bis dahin keine






(A) )



(B) )


Wilfried Schreck
Zwischenfälle gibt, die gleiche Arbeitszeit geben. Ich
denke, das ist vernünftig.

Ich möchte meine Hoffnung aussprechen, dass das
heutige Spitzengespräch und die morgige Verhandlung
erfolgreich sein werden. Ich hoffe, dass wir am Wochen-
ende eine entsprechende Lösung haben werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Das war eine klare Meinung!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505315900


Das Wort hat die Kollegin Petra Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1505316000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zwei Argumente gegen den Streik, die auch heute in die-
ser Debatte vorgetragen wurden, will ich gleich ausräu-
men. Das erste Argument lautet, es sei die falsche Zeit.
Richtig ist: Ich habe von Arbeitgeberseite noch nie ge-
hört, jetzt sei die richtige Zeit für einen Streik. Das wäre
auch schizophren.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Das zweite Argument lautet, der Streik vernichte Vor-
teile des Ostens. Richtig ist: In den neuen Bundesländern
wird für weniger Geld mehr gearbeitet als in den alten
Bundesländern. Die Arbeitslosigkeit ist dennoch im-
mens höher.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie kann noch höher werden!)


Die Logik der Billiglohnpropheten stimmt auch hier
nicht. Es muss wohl noch andere Standortfaktoren ge-
ben, die einwirken.

Mich bewegen in dieser Debatte ganz andere Fragen.
Zum Beispiel: Die Forderung „gleicher Lohn für gleiche
Arbeit“ ist zwar uralt, aber mitnichten überholt.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Was also setzt die Streikenden vermeintlich ins Unrecht,
obwohl sie nichts anderes wollen als gleichen Lohn für
gleiche Arbeit?

Zweitens. Die Angleichung der Ostlöhne an die im
Westen üblichen ist ein erklärtes Ziel der rot-grünen Re-
gierung. Warum wenden sich also auch Minister der rot-
grünen Bundesregierung flugs gegen die Streikenden?


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Drittens. Das Grundgesetz gilt für alle. In ihm wird
gefordert, dass alle gleich behandelt werden. Gilt dieses
Gebot für Ossis nicht?


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


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(C (D Meines Erachtens ist der Oststreik auch ein Westprolem. Das gilt aber nicht so sehr, weil jetzt Zulieferketen reißen, sondern vielmehr, weil die gegenwärtigen stmissstände künftig zur Westregel werden könnten. ir haben unter einem der vorangegangenen Tagesordungspunkte gerade darüber debattiert. Auch der Parlaentarische Staatssekretär hat das nicht dementiert und er Wirtschaftsminister schon gar nicht, weil er ja offenichtlich als soziale Abbrechstange berufen worden ist. r leistet zum Beispiel mit der Umsetzung der Hartz-Geetze ganze Arbeit. Dann brauchen wir allerdings auch olche Tarifauseinandersetzungen nicht mehr. Ein letzter Punkt: Zeitgleich zum Streik und zu den useinandersetzungen um diesen Streik gab es die Deatte um mehr Ausbildungsplätze für Jugendliche und m eine Ausbildungsplatzabgabe. In diesem Fall wollte ie Bundesregierung nicht Partei ergreifen. Sie meinte, ass das die Tarifpartner klären sollten. Ich finde, das ist cheinheilig; denn es gehört auch in diesen Konflikt hiein. Sie haben im Moment kein soziales und auch kein emokratisches Profil, da Sie sich mit den aktuellen Fraen der Arbeitsmarktpolitik sowohl für Jugendliche als uch für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer icht auseinander setzen. Danke schön. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505316100


Das Wort hat der Kollege Manfred Grund, CDU/
SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1505316200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mehrere
edner – zuletzt der Kollege Schreck, aber auch der
ollege Andres – haben hier mit Verweis auf die Tarif-
utonomie die Frage gestellt, warum sich das Parlament
berhaupt mit Tarifauseinandersetzungen beschäftigt.
as ginge uns doch eigentlich nichts an. Meine lieben
reunde, ich glaube, es geht uns eine ganze Menge an,
eil die Politik im Zweifel für die Folgen verantwortlich
emacht wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Zusammenhang damit, dass jemand für Tarifab-

chlüsse verantwortlich gemacht wird, erinnere ich an
en ersten Tarifabschluss in der ostdeutschen Wirtschaft
ach der Wende. Damals wurde in der Wirtschaft der-
elbe Tarif angenommen wie im öffentlichen Dienst. Das
at dazu geführt, dass trotz der Arbeitsproduktivität von
ur ungefähr einem Drittel im Vergleich zum Westen ein
ohnniveau von zwei Dritteln – also von 66 Prozent –
es Westniveaus erreicht wurde, wodurch in den neuen
undesländern massenhaft Arbeitsplätze verloren ge-
angen und uns die Probleme vor die Haustür gekehrt
orden sind. Wir sind also gut beraten, uns hier damit zu
eschäftigen.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Manfred Grund
Dieser Tarifabschluss 1990/91 war im Nachhinein
fast wie eine Verabredung von Politik, Gewerkschaften
und Wirtschaft gegen den Standort Ost. Die Politik – alle
mit eingeschlossen – wollte Wähler, die Gewerkschaften
wollten Mitglieder und die Wirtschaft West wollte keine
Konkurrenz im Osten. In einer ähnlichen Situation be-
finden wir uns heute wieder.

Der Kollege Wend, Vorsitzender des Ausschusses für
Wirtschaft und Arbeit, hat in seiner bemerkenswerten
Rede von vorhin bezogen auf die Gewerkschaftsfunktio-
näre den Begriff der „suboptimalen Beweglichkeit“ ge-
prägt. Er hat in Richtung der Opposition gesagt, dass sie
eigentlich das Geschäft der Ost-West-Spaltung betreibt.
Kollege Wend, dazu braucht es in diesem Haus nicht die
Opposition;


(Beifall des Abg. Wilfried Schreck [SPD])

denn dazu hat schon das geführt, was Gewerkschafts-
funktionäre mit diesem unsäglichen Streik in Ost und
West herbeigeführt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vor einigen Tagen war in einer Münchener Abendzei-

tung zu lesen: Weil Ossis streiken, muss BMW kurzar-
beiten. Meine Damen und Herren, ich möchte es hier
noch einmal festhalten: Es ist kein Streik der Ossis und
es ist erst recht kein Streik der Ossis gegen BMW. Die
Metaller im Osten sind nicht im Streik, sie werden be-
streikt. Das ist ein fundamentaler Unterschied.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: So ein Unsinn!)


– Das ist kein Unsinn, meine liebe Kollegin.
Man sieht das zum Beispiel vor den Werkstoren von

Federal-Mogul in Dresden. Von den 300 Beschäftigten
in diesem Betrieb sind ganze 25 vor den Toren. Am Dia-
lekt – man hört ihn, wenn Interviews gegeben werden –
und an den Autokennzeichen aus Stuttgart, Schweinfurt
und Göttingen erkennt man, von wo die Leute herbeige-
karrt worden sind, um die Betriebe zu bestreiken, in de-
nen die eigenen Leute lieber arbeiten würden, als für
35 Stunden einzutreten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Hier wird davon gesprochen, dass Streikende aus dem

Stuttgarter Raum vor den Toren stehen und damit einen
Zulieferer für ein Konkurrenzunternehmen in München
eine Zeit lang aus dem Markt herausnehmen; das ist pi-
kant. Daran kann man erkennen, welche Auswirkungen
dieser Streik mit der herbeigerufenen Streikhilfe aus
Westdeutschland tatsächlich hat. Das kann es weiß Gott
nicht sein.

Man fragt sich: Warum wurde dieser Streik jetzt be-
gonnen, vom Zaun gebrochen? Warum eskaliert er?
Wem nutzt er? Wer hat davon einen Vorteil? Nutzt er den
Beschäftigten der ostdeutschen Metallbranche,


(Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)

die froh sind, einen Arbeitsplatz zu haben und
38 Stunden arbeiten zu können? Sie gehören nämlich

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(C (D it einem Arbeitsplatz in den neuen Bundesländern zu en Privilegierten. Nutzt er dem Standort neue Bundesänder insgesamt, o wir um jeden Arbeitsplatz Klimmzüge machen, um n Investitionen zu kommen? Oder, Herr Kollege Ulrich, utzt er möglicherweise dem designierten IG-Metallorsitzenden Peters auf seinem Weg an die Gewerkchaftsspitze? ch glaube, solche Fragen beantworten sich eigentlich elbst. Ein weiterer Punkt. Der Kollege Luther hat erklärt: ieser Streik wird unter dem Thema Gerechtigkeitslüke geführt. Tatsächlich ist es so: Wir haben im Osten erechtigkeitslücken. Dazu gehört an erster Stelle die rbeitsplatzlücke in Form der doppelt so hohen Arbeitsosigkeit. An zweiter Stelle steht die Ausbildungsplatzücke. An dritter Stelle ist die Frage der Vermögensbilung zu nennen. Die Ostdeutschen sind nach 14 Jahren mmer noch weit davon entfernt, Vermögen als Altersorsorge für später zu bilden. Dabei hat doch heute der undesfinanzminister – ich habe diese Nachricht zuminest gelesen – beschlossen, den Rentnern im nächsten ahr eine Nullrunde zu verordnen. Man fragt sich: Wer ird von dieser Nullrunde bei den Renten am stärksten etroffen sein? – Das werden wohl die sein, die keine eiene Vorsorge haben treffen können. Dieser Streik wird lso zur Unzeit und am falschen Platz geführt. Ich habe vorhin die Frage gestellt: Wem nutzt dieser treik? Dabei dürfen wir in dieser ganzen Diskussion eies nicht vergessen: In der unzweifelhaft wirtschaftlich ramatischen Situation, in der sich Deutschland im Moent befindet, wird es zu einer Frage der Legitimation, m Osten 38 Stunden zu arbeiten, was möglich ist, und m Westen nur 35 Stunden. Wirtschaftsminister Clement at mit Verweis auf die Feiertage vorgeschlagen, man olle versuchen, Probleme durch mehr Arbeit zu lösen. ir sind der Meinung: Die wirtschaftlichen Probleme in eutschland sind durch mehr und nicht durch weniger rbeit zu lösen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)


(Zurufe von der SPD: Nein!)


Die Gewerkschaften verweisen bei der Gerechtig-
eitsdiskussion immer wieder auf den Vergleich von Ost
nd West. Hier ist auch vom Kollegen von der FDP da-
auf hingewiesen worden, dass das eigentliche Problem
m Osten liegt. Die Sonne geht zwar tatsächlich im Os-
en auf, aber 80 Kilometer von hier entfernt beginnt ein
anz anderer Osten, wo die Sonne früher aufgeht. Dort
ind die tatsächlichen Herausforderungen für die Be-
riebe in den neuen Bundesländern. Auch das sollte von
er IG Metall bedacht werden.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505316300


Herr Kollege Grund, bitte achten Sie auf Ihre Rede-
eit.






(A) )



(B) )


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1505316400

All die, die zum Streik aufgerufen haben, leisten dem

Osten einen Bärendienst. Lassen Sie davon ab!
Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505316500


Letzte Rednerin dieser Debatte ist die Kollegin
Waltraud Wolff, SPD-Fraktion.


Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1505316600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Eine Frage, die mir immer und immer wieder
gestellt wird, wenn ich in meinem Wahlkreis in Sachsen-
Anhalt unterwegs bin, ist: Wann kommt denn nun die
Angleichung des Ostens an den Westen?


(Vera Lengsfeld [CDU/CSU]: Mit dem Streik bestimmt nicht! – Michael Kretschmer [CDU/ CSU]: Mit Sicherheit nicht mit der 35-Stunden-Woche!)


Ich weiß nicht, ob die Kollegen von der Opposition aus
den neuen Bundesländern, die hier gesprochen haben,
andere Wahlkreise haben. Ich will nur sagen: Alle Men-
schen warten auf die Angleichung.


(Beifall bei der SPD)

Zum Thema: Streik ist schlecht. Wenn man Menschen

nach ihrer Meinung fragt, dann ist diese ganz eindeutig:
Streik verhindert Produktion, Streik kostet viel Geld und
zieht oft Unbeteiligte in Mitleidenschaft, Streik verunsi-
chert, reibt Nerven auf und entzweit, Streik schädigt mo-
mentan die Volkswirtschaft. All das ist richtig. Aber
richtig ist auch, dass Streik das allerletzte Mittel von Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist, um nach un-
endlichen Versuchen der Konsensbildung ihren berech-
tigten Forderungen Ausdruck zu verleihen.


(Beifall bei der SPD)

Nicht umsonst gibt es in Deutschland ein Streikrecht.

Glaubt irgendjemand hier im Hause, dass es den Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmern in den neuen Bundes-
ländern leicht fällt, gerade in dieser Arbeitsmarktsitua-
tion die Arbeit niederzulegen?


(Zuruf von der CDU/CSU: Die tun das ja nicht freiwillig!)


Ich finde es schon sehr überheblich und anmaßend, den
Streikenden in Ostdeutschland Leichtfertigkeit zu unter-
stellen.


(Beifall bei der SPD)

Gewerkschaften erfüllen keinen Selbstzweck, son-

dern sie setzen sich für die Rechte der arbeitenden Be-
völkerung ein.


(Zuruf von der CDU/CSU: So sollte es eigentlich sein!)


Was war noch einmal die Forderung? Die Forderung
war: Angleichung der Arbeitszeit. Wann wurde dieses

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(C (D ersprechen gegeben? Im Einigungsvertrag. Wir sind eute im Jahr 14 nach der Wende. Wenn der sächsische irtschaftsminister die gebotene Neutralität vermissen ässt und sich in ganz plumper Weise auf die Seite der rbeitgeber schlägt, dann, finde ich, hat er seine Aufabe weit verfehlt. (Beifall bei der SPD – Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Er hat aber die Wahrheit gesagt!)


iel wichtiger wäre es gewesen, dass er als Moderator
ie Verhandlungspartner wieder an einen Tisch geholt
ätte. Deshalb gehört, auch wenn es hier nicht jedem ge-
ällt, das Thema Arbeitszeit auf den Tisch. Nur durch
achstum allein werden wir die Arbeitslosigkeit in den
euen Bundesländern nicht bekämpfen.


(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Wodurch denn sonst? Was außer Wachstum soll denn helfen?)


eder kann selber nachrechnen: Für Vollbeschäftigung in
en neuen Bundesländern brauchen wir ein Wachstum
on 50 Prozent, und zwar sofort.
Was kenne ich aus meinem Bundesland und auch aus
iedersachsen? Arbeitszeitverkürzung hat Lehrern und
rziehern Arbeitsplätze gerettet. Herr Hartz – das ist
orhin auch schon einmal angesprochen worden – hat
usammen mit der IG Metall durch Arbeitszeitverkür-
ung Zigtausende von Arbeitsplätzen gerettet. Das
urde damals von allen gefeiert. Ist das heute nicht mehr
ahr?


(Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Ohne Lohnausgleich!)


Niedrigere Löhne, längere Arbeitszeit und EU-
öchstfördergebiet sollen Standortvorteile für Ost-
eutschland sein. Wenn das stimmen würde, hätten wir
icht eine solche hohe Arbeitslosigkeit. Außerdem
üssten die Investoren noch heute Schlange stehen und
icht in Frankfurt am Main oder München, wo alles sehr
iel teurer ist. Ostdeutschland ist als Dumpingsektor
icht erfolgreich gewesen. Das hat sich nicht bewährt.
Das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle ermit-

elte, dass die Arbeitsproduktivität im Osten bei
0 Prozent liegt, die Arbeitskosten dagegen bei
3 Prozent. Das führt dazu – das ist auch schon einmal
esagt worden –, dass die Lohnstückkosten in den neuen
undesländern circa 10 Prozent unter denen der alten
undesländer liegen, Tendenz fallend.
Wir alle beklagen die Abwanderung junger qualifi-

ierter Menschen aus den neuen Bundesländern. Wie
ber wollen wir Perspektiven schaffen, wenn Unterneh-
en nicht einmal bereit sind, gleichen Lohn und gleiche
rbeitszeit zu gewährleisten? Soll weiterhin die Devise
elten: Abwanderung muss sich lohnen?
Zuletzt komme ich zum Gipfel der Infamie. Manche
rbeitgeberfunktionäre und Politiker – das hat sich
eute auch in dieser Debatte gezeigt – versuchen, wieder
ie Mauer in den Köpfen hochzuziehen. Die Streikenden
m Osten werden wegen des Stillstandes der Produktion






(A) )



(B) )


Waltraud Wolff (Wolmirstedt)

im Westen an den Pranger gestellt. Ich frage: Würde je-
mand diese Debatte hier führen, wenn es sich, wie mein
Kollege schon gesagt hat, um Hamburg, Dortmund oder
eine andere Stadt handeln würde?


(Beifall bei der SPD – Vera Lengsfeld [CDU/ CSU]: Da stehen ja auch keine Streikposten aus den neuen Ländern!)


Ganz sicher wäre diese Debatte nicht begonnen worden.

(Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Sicher würde die geführt werden!)

Es liegt auch nicht in der Verantwortung der Arbeitneh-
mer, dass die Wirtschaft immer enger verflochten ist.
„Just in time“ ist der Ausdruck der Rationalisierung und
Kostensenkung als unternehmerischer Strategie. Das
weiß doch jeder. Auch die Sachsen, die eigentlich die
Einigung blockieren und die IG Metall an dieser Stelle
vorführen wollen, sollten sich das einmal durch den
Kopf gehen lassen. Sie beklagen selbst das, was sie ge-
schaffen haben. Mit dieser neuen Ost-West-Spaltung
agieren solche Arbeitgeber aus meiner Sicht politisch
sehr gefährlich.

Morgen werden die Verhandlungen auf Initiative der
IG Metall fortgesetzt. Ich wünsche mir von Herzen, dass
sie zu einer guten Einigung kommen, dass sie es schaf-
fen, eine stufenweise Angleichung in dieser Frage zu be-
kommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505316700


Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 sowie den Zusatz-

punkt 10 auf:
5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Monika

Griefahn, Eckhardt Barthel (Berlin), Detlef
Dzembritzki, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten
Dr. Antje Vollmer, Claudia Roth (Augsburg),
Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN
50 Jahre Deutsche Welle – Zukunft und Mo-
dernisierung des Deutschen Auslandsrund-
funks

– Drucksache 15/1214 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

ZP 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Bernd
Neumann (Bremen), Günter Nooke, Renate

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(C (D Blank, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU 50 Jahre Deutsche Welle – Perspektiven für die Zukunft – Drucksache 15/1208 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Kultur und Medien Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre einen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle in Monika Griefahn, SPD-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der sehr ntensiven Debatte in der Aktuellen Stunde haben wir etzt ein schönes Thema zu diskutieren: Am 3. Mai ährte sich die Gründung der Deutschen Welle zum 0. Mal. Morgen werden wir dieses Ereignis gemeinsam it Bundespräsident Rau in Bonn feiern. In diesen Tagen wird viel über die Deutsche Welle be ichtet, die sonst in der Öffentlichkeit ein eher unbeachetes Dasein fristet. (Renate Blank [CDU/CSU]: In Deutschland, aber nicht im Ausland!)

Monika Griefahn (SPD):
Rede ID: ID1505316800

ir sind uns nach Jahren der Diskussion in diesem
ause weitgehend einig, wie das Deutsche-Welle-Gesetz
ovelliert werden muss.
Heute steht die Deutsche Welle als Auslandsrund-

unksender vor neuen Herausforderungen. Mit dem Um-
ug in das neue Funkhaus in Bonn, das wir morgen
inweihen dürfen, ist die Deutsche Welle dabei, in tech-
ischer Hinsicht zum modernsten Sender Europas zu
erden. Beides zusammengenommen hebt die Deutsche
elle aus der deutschen Rundfunklandschaft heraus.
leichzeitig bedarf der Sender der Neuregulierung, die
ir nach der Sommerpause gemeinsam angehen werden.
Ich möchte der Deutschen Welle heute für die in den

ergangenen 50 Jahren geleistete Arbeit danken. Sie hat
dieser Zeit sehr viel dazu beigetragen, das Bild
eutschlands im Ausland positiv zu prägen.
Die Arbeit des jetzigen Intendanten und seiner Vor-

änger sowie aller seiner 1 500 Mitarbeiter weltweit
ägt täglich dazu bei, die Menschen in über 60 Ländern
u verschiedenen Zeiten in rund 30 verschiedenen Spra-
hen mit Informationen aus und über Deutschland zu
ersorgen und vielfach auch dafür zu sorgen, dass die
enschen etwas über ihre eigene Region erfahren.
So hilft die Deutsche Welle in Afghanistan, einen

ernsehsender aufzubauen. Im Kosovo wurden Familien






(A) )



(B) )


Monika Griefahn
zusammengeführt. Auch wird durch die Programme der
Deutschen Welle die Informationsfreiheit in vielen
Ländern gewahrt. Die Deutsche Welle wendet sich an
Menschen in aller Welt, die Interesse an Deutschland
und Europa – ich glaube, das ist heutzutage besonders
wichtig – haben, wie auch an Multiplikatoren und die so
genannten Infoeliten.

Für Deutsche, die zeitweise oder auf Dauer im Aus-
land leben, ist die Deutsche Welle eine Brücke zur Hei-
mat geworden. Das zunächst in den USA als Pay-TV
neu gestartete German TV wird demnächst über Kabel in
verschiedenen Regionen der USA ausgestrahlt, damit
noch mehr Menschen erreicht werden. Des Weiteren
wird zurzeit erprobt, auch Kanada zu erreichen.

1953 startete die Deutsche Welle mit den guten Wün-
schen von Theodor Heuss, zur Entkrampfung der deut-
schen Außenbeziehungen beizutragen. Dies ist gelun-
gen. Seit 1959 tragen arabische Radioprogramme zur
Erfüllung dieses Wunsches bei. In den 60er-Jahren
wurde das Angebot um mehr als 20 Sprachen erweitert.

Seit 1966 hat die Deutsche Welle 17 000 Rundfunk-
fachkräfte aus Entwicklungsländern und Osteuropa aus-
gebildet, die heute zum Teil als Botschafter, Intendanten
oder Minister in ihren Heimatländern arbeiten. Insofern
hat die Deutsche Welle einen bedeutenden Beitrag zur
Meinungsvielfalt geleistet.

Zwei Drittel der Menschheit leben in autoritär oder
totalitär regierten Staaten, in denen die fehlende Mei-
nungsfreiheit den Informationszugang erschwert. Diese
Menschen können sich durch die Deutsche Welle inten-
siv informieren.

Während der Regierungskrisen in der Tschechoslowa-
kei und in Griechenland 1968 und 1969 hat die Deutsche
Welle ihre erste Bewährungsprobe als Krisenrundfunk
bestanden, was bis heute den guten Ruf des Senders als
freies Informationsmedium in Krisen und Konflikten be-
gründet und seine Fortsetzung in Ruanda und im ehema-
ligen Jugoslawien ebenso wie derzeit in Afghanistan ge-
funden hat.

Sie ist als einziger Fernsehsender mit dem Wieder-
aufbau des afghanischen Fernsehens beauftragt. Darü-
ber hinaus produziert die Deutsche Welle eine tägliche
Nachrichtensendung in den Landessprachen Dari und
Paschtu für Kabul, Kandahar und Djalalabad und andere
afghanische Regionen sowie ein Programmfenster in
arabisch für die arabischen Staaten.

Begeistert hat mich das neue Projekt „100 Klassen-
zimmer für Afghanistan“, mit dem über das Internet
Spenden gesammelt werden, um konkrete Ausbildungs-
möglichkeiten für Schülerinnen und Schüler in Afgha-
nistan zu schaffen. Das zeigt, wie das neue Medium In-
ternet praktische Hilfe vor Ort leisten kann.


(Beifall bei der SPD)

Zwar gab und gibt es immer wieder Debatten über

Sinn und Unsinn der Deutschen Welle im Ausland, über
ihre Programme und Zielgruppen. Solche Debatten sind
aber notwendig; denn ohne sie kann die Deutsche Welle
nicht das leisten, was sie leisten soll. In den letzten Jah-

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(C (D en hat sie sich zu einem modernen Sender entwickelt, er in der so genannten medialen Außenrepräsentanz der undesrepublik eine entscheidende Rolle spielt. Dieser egriff besagt allerdings nicht allzu viel. Es geht nun daum, der Deutschen Welle eine zeitgemäße Basis zu eben, die den Herausforderungen der internationalen olitik und vor allen Dingen der internationalen Kulurbeziehungen gerecht werden kann. Vor allem der rogrammauftrag im Deutsche-Welle-Gesetz muss daruf ausgerichtet und entsprechend konkretisiert werden. Wir brauchen auch bei der Deutschen Welle das, was ir in der allgemeinen auswärtigen Kulturpolitik als Ziel erankert haben: eine Zweibahnstraße mit Fernsehen, örfunk und Internet, das das ideale Medium für den ialog zwischen Deutschland und den anderen Ländern st. Allein durch die Kooperation mit anderen europäichen Auslandssendern hat die Deutsche Welle bereits ezeigt, dass sie dafür gerüstet ist. So wird sie heute zuammen mit Radio France International in Paris mit dem eutsch-Französischen Journalistenpreis 2003 in er Kategorie Hörfunk für die Produktion einer CD um 40-jährigen Jubiläum des Élysée-Vertrags ausgeeichnet. Dazu kann ich nur sagen: Herzlichen Glückunsch! Die deutsche Sprache bleibt für die Deutsche Welle as wichtigste Verständigungsmittel. Auch das ist wichig zu wissen. Die Kooperation mit dem Goethe-Institut ur Entwicklung und Verbreitung von Deutschkursen ber das Internet ist ein anderes Beispiel für erfolgreiche usammenarbeit, mit der diejenigen Menschen erreicht erden, die vor Ort kein Goethe-Institut, keine deutsche chule oder eine andere deutsche Einrichtung haben. as sind Bausteine, die helfen, dass die Deutsche Welle icht mehr nur ein reiner Nachrichtensender ist, sondern ass sie auch – im Austausch mit den Hörern, Zuschaurn und Onlinenutzern – ein Forum des Dialogs in und ber Deutschland ist, eine Vermittlerin für Wirtschaft, olitik, Kultur und Wissenschaft. So erfahren wir die nsichten der anderen und können gleichzeitig im Diaog unsere Sichtweisen mitteilen und darstellen. So stelle ch mir einen modernen Auslandsrundfunk vor, der eben icht mehr ein reines Transportmittel für „deutsche Aufassungen zu wichtigen Fragen“ – so ist es in § 4 des eutsche-Welle-Gesetzes noch beschrieben – ist. Die lobale Präsenz der Deutschen Welle trägt dazu bei, ulturelle Brücken zwischen Deutschland und der Welt u bauen. Auch das müssen wir nach der Sommerpause n dem neuen Gesetz verankern. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall im ganzen Hause)


Unkenntnis ist immer ein Grund für Vorurteile, Hass
nd Intoleranz und macht Verständigung unmöglich. Wir
rauchen aber die geistig-kulturelle Verständigung und
en Austausch. Das hilft nämlich auch beim wirtschaftli-
hen Handeln. Wenn das Bild Deutschlands nicht von
er Vergangenheit, sondern von dem, was heute passiert,
estimmt ist, dann haben wir die Chance, ein zeitgemä-
es, der Lebenswirklichkeit nahe kommendes Image zu
tablieren. Ich glaube, dass das sehr wichtig ist; denn in






(A) )



(B) )


Monika Griefahn
vielen Ländern, die man heutzutage als Deutscher be-
sucht, wird man gefragt, ob es denn noch Hitler gebe.
Selbst in uns nahe stehenden Ländern wie den USA oder
Frankreich ist das Bild und das Wissen übereinander
manchmal erschreckend lückenhaft, wie eine gerade er-
schienene Studie des Deutsch-Französischen Jugend-
werks wieder zeigt. Zwar haben seit 1963 circa 7 Millio-
nen Jugendliche am deutsch-französischen Jugendaus-
tausch teilgenommen. Trotzdem haben sie noch immer
Vorurteile übereinander, auch wenn sie die Beziehungen
zwischen Frankreich und Deutschland als gut bis sehr
gut einschätzen. Ihr Wissen ist zum Teil sehr stark von
Stereotypen geprägt, wie „Baguette“, „Eiffelturm“ und
„Käse“ auf deutscher Seite und „Zweiter Weltkrieg“,
„deutsche Automarken“ und „deutsche Küche“ auf fran-
zösischer Seite. Hier ist noch viel zu tun. Deswegen darf
der Dialog nie aufhören.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Vor diesem Hintergrund ist auch die Zielgruppenori-
entierung sehr bedeutsam. Das Internet ist gerade für
Jugendliche ein wichtiges Medium. Die Präsenz der
Deutschen Welle in den Telemedien ist entscheidend,
wenn es darum geht, Multiplikatoren zu gewinnen und
– das gilt besonders für den Jugendbereich – den Dialog
über Deutschland zu führen. Mit Radio und Fernsehen
alleine lässt sich das nicht erreichen.

Der krisenpräventive Bereich ist ebenfalls sehr wich-
tig. Wir haben immer zeigen können, dass die Deutsche
Welle ein ehrlicher Makler ist. Das wollen wir mit der
Internetpräsenz noch verstärken. Dafür ist es aber auch
notwendig, eine enge Zusammenarbeit mit den Verfas-
sungsorganen zu organisieren. Bisher stellte die Zulei-
tung der jährlichen Aufgabenplanung an den Bundestag
quasi Anfangs- und Endpunkt der Zusammenarbeit dar.
Die Formalien waren eingehalten.

Wir wollen zukünftig einem transparenten Prozess,
der es der Deutschen Welle in einer Art Selbstevaluation
ermöglicht, in Konsultationen mit dem Bundestag, mit
der Bundesregierung und mit der Öffentlichkeit über
Zielgruppen, Aufgabenplanung, Sendegebiete und Ver-
triebswege zunächst selbst zu bestimmen und dann in
einem offenen Prozess zu justieren. Das Parlament
bekommt somit die Möglichkeit, sich mit der Arbeit der
Deutschen Welle intensiver als bisher auseinander zu
setzen, sich in diesen Prozess einzuklinken und darüber
zu diskutieren, wo die Schwerpunkte der Zukunft liegen.
Sicherlich muss auch das im Gesetz geregelt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Deutsche Welle soll sich weiterhin bei der Ver-
breitung von Sprachkursen engagieren. Wichtig ist au-
ßerdem, dass sie mittelfristig Planungssicherheit be-
kommt. Das Parlament will ihre Arbeit weiterhin
wohlwollend begleiten. Dafür muss aber ein Dialog mit
dem Parlament vorhanden sein. Die Vermittlung von
Demokratie und Menschenrechten und ihre praktische
Umsetzung in der täglichen medialen Arbeit sind eben
ein ganz wichtiger Punkt. Wir müssen die technischen

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(Beifall im ganzen Hause)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505316900
Bernd Neumann (CDU):
Rede ID: ID1505317000

Vorsichtig! – Dennoch werden sich auch bei diesem
hema einige Anmerkungen zur Verantwortung von
ot-Grün nicht vermeiden lassen. An sich ist es ange-
ehmer, Geburtstagsreden auf Empfängen zu halten;
enn da sind einfach mehr Menschen, die zuhören.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Selbst beim großen Land Bremen ist das so!)


ch danke Ihnen allen sehr herzlich, dass Sie hier sind,
bwohl dieser Empfang nicht mit einem Buffet verbun-
en ist.


(Beifall)

Zum Geburtstagskind: Herzlichen Glückwunsch den
500 Mitarbeitern der Deutschen Welle und ihrem In-
endanten Erik Bettermann! Die Deutsche Welle ist mit
0 Hörfunkprogrammen in 30 Sprachen, die weltweit
mpfangen werden können, sowie mit dem seit 1992
inzugekommenen Fernsehprogramm, das dreisprachig
ebenfalls weltweit – ausgestrahlt wird, der entschei-
ende Faktor außenmedialer Repräsentanz der Bundes-
epublik Deutschland. Man schätzt, dass die Deutsche
elle weltweit etwa 30 Millionen Menschen über Hör-

unk und 25 Millionen Menschen über das Fernsehen er-
eicht. Diesen Menschen wird ein umfassendes Bild
eutschlands vermittelt. Die Deutsche Welle ist deshalb
in unverzichtbarer Eckpfeiler im Rahmen auswärtiger
ulturpolitik.
Ich habe noch Verständnis dafür, dass die zuständige
inisterin, die Staatsministerin im Kanzleramt für die






(A) )



(B) )


Bernd Neumann (Bremen)

Angelegenheiten der Kultur und Medien, heute nicht auf
der Regierungsbank sitzt, weil sie sich mit den Minister-
präsidenten trifft, um über ein vergleichbares Thema zu
sprechen. Ich habe allerdings überhaupt kein Verständnis
dafür – die Deutsche Welle ist ein wichtiger Faktor der
auswärtigen Kulturpolitik –, dass noch nicht einmal ein
Staatssekretär aus diesem Ressort – Herrn Fischer habe
ich ohnehin nicht erwartet; er versteht davon auch zu
wenig – hier anwesend ist. So missachten Sie den
50-jährigen Geburtstag einer Rundfunkeinrichtung, die
sie selbst finanzieren. Ich finde, das ist unmöglich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

50 Jahre Deutsche Welle, das ist ein Grund, einmal

die Leistungen der Vergangenheit herauszustellen; es ist
aber natürlich auch Anlass, lieber Kollege Marschewski,
nicht über Ihre, sondern über die Zukunft der Deutschen
Welle nachzudenken.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Ich dachte, über meine!)


Die gravierenden politischen und kulturellen Verän-
derungen und Umbrüche in Europa und in vielen Teilen
der Welt, auch die Veränderungen im Bereich der Kom-
munikationstechnologie, stellen die Deutsche Welle vor
neue Herausforderungen und Aufgaben, die eine No-
vellierung des Deutsche-Welle-Gesetzes unverzichtbar
machen. Umso mehr bedauern wir, verehrte Kollegin
Griefahn, dass die in der Koalitionsvereinbarung von
1998 von SPD und Bündnis 90/Die Grünen angekün-
digte und von der Bundesregierung mehrfach zugesagte
Neugestaltung des deutschen Auslandsrundfunks bis
heute nicht erfolgt ist. Seit fünf Jahren versprochen –
bisher nicht vorgelegt. Das ist kein gutes Zeichen zum
50. Geburtstag.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Sehr wahr!)


Wir haben in dem vorliegenden Antrag unsere Posi-
tionen zur Zielsetzung der Novellierung klar gemacht.
Lassen Sie mich einige Anmerkungen dazu machen:

Die Hauptzielsetzung des Auslandsrundfunks muss
die Vermittlung eines umfassenden Bildes des politi-
schen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens in
Deutschland mittels Hörfunk, Fernsehen und neuerdings
natürlich auch Internet sein und bleiben. Nichts gegen
den Dialog der Kulturen – er gehört dazu –, aber er ist
nicht prioritär; prioritär ist die Vermittlung eines Bildes
von Deutschland in der Welt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

In Ländern ohne oder mit eingeschränkter Informa-

tionsfreiheit kann die Deutsche Welle als Stimme der
Freiheit eine zusätzliche wichtige Aufgabe wahrnehmen.
In diesem Zusammenhang kommt der Deutschen Welle
nämlich die wichtige Aufgabe zu, gerade nach dem Ende
des Kalten Krieges Programme in die Länder Ost- und
Südosteuropas auszustrahlen. Weder in Russland noch in
der Ukraine oder gar in Weißrussland herrscht Presse-
freiheit, wie wir sie im Westen Europas kennen. In der
Regel sind die elektronischen Medien in den meisten
GUS-Republiken staatlich gelenkt. Folglich sind die

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(C (D enschen in diesem für Deutschland wichtigen Teil uropas auf die Programme der Deutschen Welle oder nderer westlicher Auslandssender angewiesen, wenn ie beispielsweise mehr über den wahren Verlauf des rieges in Tschetschenien, die Verfolgung von Menchenrechtsaktivisten oder auch die deutsche Position um Beispiel in der so genannten Beutekunstfrage erfahen wollen. Nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union erden die Länder Ukraine, Weißrussland oder auch das ebiet Kaliningrad an die EU grenzen. Deshalb fördert as russischund das ukrainischsprachige Hörfunkproramm der Deutschen Welle den Demokratisierungsproess. Mit diesen Programmangeboten leistet die Deutche Welle einen wichtigen Beitrag zur Integration des uropas der 25. Ausdrücklich begrüßen möchte ich das Engagement es deutschen Auslandssenders in den zentralasiatischen US-Ländern, in denen, wie Sie wissen, die Pressefreieit unterdrückt wird, ehemalige sowjetische KP-Funkonäre die Macht in den Händen haben und islamistiche Gruppierungen Zulauf erhalten. Es war richtig, dass die Deutsche Welle gleich nach en Ereignissen des 11. September 2001 Programme für ie 60 Millionen Menschen in den zentralasiatischen US-Staaten eingerichtet hat. Dieses Programm erreicht ie Multiplikatoren in dieser Region und gilt bei allen örern als seriöse Informationsquelle. Bei Krisen und onflikten in anderen Ländern – Frau Griefahn hat das ngesprochen – sollte in einzelnen, politisch begründen Fällen die Deutsche Welle als Krisenpräventions ender wirken. Das geht sicherlich nicht überall; denn azu haben wir zu viele Krisengebiete. Frau Kollegin riefahn, dass sich die Deutsche Welle in Afghanistan ngagiert, ist aber zu loben. (Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Sehr wahr!)


Beim künftigen Auftrag der Deutschen Welle, den wir
eu formulieren wollen, müssen die Förderung der deut-
chen Sprache und ihre Bedeutung als Vermittlungsin-
trument im Hörfunk- und Fernsehprogramm im Gesetz
nmissverständlich verankert werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

ch sage dies deshalb, weil in einem Nida-Rümelin-Pa-
ier – Nida-Rümelin war der frühere BKM – im Jahr
002 entgegengesetzte Zielsetzungen formuliert waren.
an hatte vorgesehen, das deutschsprachige Programm
u reduzieren. Das ist inakzeptabel. Der umgekehrte
eg ist der richtige.
Ein ganz wichtiger Punkt ist die Staatsunabhängig-

eit der Rundfunkanstalt Deutsche Welle. Diese muss
uch in Zukunft gewährleistet sein. Die Deutsche Welle
at zwar einen gesetzlich definierten Auftrag im Dienste
er Bundesrepublik Deutschland zu erfüllen. Sie ist aber
ls Mitglied der ARD eine Rundfunkanstalt, bei der der
taatseinfluss den verfassungsrechtlichen Kriterien ge-
ügen muss. Hiermit meine ich die Rundfunkfreiheit,
ie sie in Art. 5 Grundgesetz normiert ist. Auch wenn






(A) )



(B)


Bernd Neumann (Bremen)

die Deutsche Welle aus dem Bundeshaushalt finanziert
wird, muss die Staatsferne ihres Programms gewährleis-
tet sein. Aussagen wie jene aus einem Papier des frühe-
ren BKM – der heutige ist leider nicht vertreten – vom
September 2000, in denen die Meinung vertreten wird,
die Deutsche Welle habe „politische Überzeugungsarbeit
zu leisten“ und die Programmangebote müssten sich an
„politischen Leitentscheidungen ausrichten“, sind völlig
abwegig.


(Horst Kubatschka [SPD]: Das ist alles überholt! Alles Schnee von gestern!)


– Es ist ja schön, dass das Schnee von gestern ist. Das
ändert aber nichts daran, dass einer Ihrer Staatsminister
so gedacht hat. Allein der Gedanke ist abwegig. Sie soll-
ten solche Gedanken gar nicht äußern.


(Beifall bei der CDU/CSU – Horst Kubatschka [SPD]: Das ist dann Gedankenunterdrückung! – Zuruf der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505317100


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, da einige von Ih-
nen gleich noch reden werden, muss jetzt nicht alles
gleichzeitig vorgetragen werden.


Bernd Neumann (CDU):
Rede ID: ID1505317200

Die Wahrheit ist manchmal unangenehm; sie darf

aber nicht verschwiegen werden. Deshalb ist die Deut-
sche Welle in vielen Ländern vertreten.

Natürlich muss das Parlament im Deutsche-Welle-
Gesetz den Rahmen, wenn auch weit gefasst, für den
Programmauftrag festlegen. Die geplante Selbstevalu-
ation der Ziele und Aufgaben der Deutschen Welle sollte
selbstverständlich in regelmäßigen Abständen in Kon-
sultation mit dem Bundestag und der Bundesregierung
stattfinden; aber Eingriffe in die Programmverantwor-
tung und Einflussnahme auf das Programm seitens der
Politik sind unzulässig. Um dies sicherzustellen, treten
wir in Abstimmung mit unseren Haushaltspolitikern da-
für ein, dass die Finanzierungshöhe wie bei den Landes-
rundfunkanstalten von einer unabhängigen Kommission
ermittelt wird. Das Ergebnis kann dann dem Parlament
als Anhaltspunkt für seine Beschlussfassung dienen.


(Beifall des Abg. Dr. Heinz Riesenhuber [CDU/CSU])


Um die Unabhängigkeit des Auslandsrundfunks von
aktuellen politischen Lagen sicherzustellen, muss wie
bei den Landesrundfunkanstalten eine mittelfristige, das
heißt mehrjährige, Finanz- und Planungssicherheit ge-
währleistet sein. Ohne Finanz- und Planungssicherheit
kann man eine Rundfunkanstalt im Grunde genommen
nicht führen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es zu miss-
billigen – ich kann es Ihnen nicht ersparen –, dass unter
Ihrer Verantwortung, also unter der Verantwortung der
rot-grünen Bundesregierung und der sie tragenden Frak-
tionen, in den letzten Jahren bei der Deutschen Welle
ohne jedwedes Konzept und ohne Aufgabenkritik ein fi-
nanzieller Kahlschlag erfolgt ist, und zwar von 1999 bis

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(C (D 003 in einer Größenordnung von insgesamt mehr als 35 Millionen Euro. Dieses Vorgehen passt nicht zu Ihen schönen Worten zum 50. Jahrestag der Gründung der eutschen Welle. Ich komme zum Schluss. Um deutlich zu machen, ass die Deutsche Welle nicht der verlängerte Arm der eweiligen Parlamentsmehrheit ist, wäre es wünschensert, dass die gravierenden Veränderungen am Deutche-Welle-Gesetz, die jetzt bevorstehen, von einer breien Mehrheit getragen werden. Das war in der ergangenheit so; so sollte es aus unserer Sicht auch leiben. Dies setzt allerdings voraus, dass im Hinblick uf die von mir dargestellten Essentials ein Konsens ereicht wird. Bei den Verantwortlichen bei der Deutschen elle selbst ist er vorhanden. Das Eckpunktepapier vom KM geht in dieselbe Richtung. Daher bin ich optimisisch – Sie haben es zum Schluss auch zum Ausdruck ebracht, verehrte Frau Kollegin Griefahn –, dass wir die eutsche Welle durch eine Entscheidung in einem groen gemeinsamen Konsens unter veränderten Bedingunen noch zukunftsfähiger machen. Vielen Dank. Das Wort hat nun die Kollegin Dr. Antje Vollmer, ündnis 90/Die Grünen. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge urtstagsreden im Parlament sind immer leicht probleatisch. Man ist in der Gefahr, sich erstens zu wiederhoen und zweitens, wie Herr Kollege Neumann eben ewiesen hat, sie parteipolitisch zu missbrauchen und amit der Geburtstagsrede einen Tort anzutun. Ich werde ersuchen, beides zu vermeiden. Auch ich übermittle natürlich herzliche Glückwün che. Morgen wird die erste Sendung der Deutschen elle aus dem Schürmannbau in Bonn gesendet – aufertanden aus den Fluten. Fast genau vor 50 Jahren lief die rste Sendung der Deutschen Welle. Vieles hat sich seit ieser Zeit verändert: Die Sendungen richten sich nicht ehr nur an die lieben Landsleute in aller Welt, wie heodor Heuss sich damals ausdrückte. Sehr bald stellte ich heraus, dass auch in anderen Sprachen über eutschland informiert werden kann. Das Fernsehen am hinzu, ebenso das Internet als drittes wesentliches tandbein. Mittlerweile sendet die Deutsche Welle in 0 Sprachen über das Radio sowie in drei Sprachen im ernsehen und ist in 31 Sprachen im Internet vertreten. ie Deutsche Welle ist ein modernes, international agieendes Unternehmen geworden. Pünktlich zum Geburtstag beschäftigt sich nun auch as Parlament mit diesem Sender. Alle Beteiligten wisen, dass wir noch im Herbst das Gesetz über die Deutche Welle gründlich reformieren und in diesem Zusamenhang auch über Detailfragen reden wollen, die wir )


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505317300
Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505317400






(A) )



(B) )


Dr. Antje Vollmer
heute nur anreißen können. Natürlich muss sich das Par-
lament mit der Deutschen Welle beschäftigen; denn im-
merhin macht das Budget der Deutschen Welle von in
diesem Jahr 277 Millionen Euro ungefähr ein Drittel des
gesamten Kulturhaushalts des Bundes aus. Das ist ein er-
heblicher Batzen, den man nicht kleinreden sollte, zumal
in heutigen Zeiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Kennen Sie die Vergleichszahlen?)


– Wir leisten uns damit auch etwas. Aber nicht nur aus
diesem Grunde beschäftigen sich die Parlamentarier da-
mit, sondern auch, weil sie eine wichtige mediale Visi-
tenkarte für die Bundesrepublik ist.

Damit nicht nur Schönes und Gutes gesagt wird,
wozu es viel Grund gibt, möchte ich auch einige Punkte
festhalten, über die wir ernsthaft und teilweise auch kri-
tisch miteinander diskutieren müssen.

Die Finanzen sind nicht nur heute, angesichts unserer
Gesamtlage, ein zentraler Punkt. Ich verstehe das Be-
dürfnis des Senders nach möglichst langfristiger Pla-
nungssicherheit und einem großzügigen Budget natür-
lich sehr gut. Jeder von uns möchte das, gerade die
Institutionen, die vom Bund auf doch relativ sicheren
Grund gestellt werden. Allerdings muss inzwischen auch
allen Beteiligten deutlich geworden sein, wie knapp un-
ser Haushalt ist. Es gilt also, mit den vorhandenen Mit-
teln sehr sorgfältig umzugehen. Genau dies bietet aber
immer die Chance, Prioritäten zu setzen, und über diese
Prioritäten müssen wir sehr offen diskutieren.

Wir müssen darüber diskutieren, in welche Richtung
sich die Deutsche Welle eigentlich entwickeln soll, wel-
che Zielgruppen auf welchen medialen Kanälen und zu
welchem Zweck angesprochen werden sollen. Hier ist
meines Erachtens eine Besinnung auf relativ wenige
Grundaufgaben und eine Schwerpunktsetzung auf be-
stimmte Regionen notwendig, nämlich auf die Regionen,
in denen das Interesse an Deutschland eine ganz beson-
dere Rolle spielt. In diesem Zusammenhang denke ich in
erster Linie an Asien, an Zentralasien und an Osteuropa.
Dort gibt es ein riesiges Bedürfnis, Kontakt zu unserem
Land zu haben, und eine ebenso starke Orientierung auf
unser Land hin. Dies müssen wir auch in der Bildungs-
politik berücksichtigen, weil so viele Eliten zu uns kom-
men wollen. Für sie ist die Deutsche Welle häufig das
Einstiegstor.

In diesem Zusammenhang bitte ich die Verantwortli-
chen aber auch um Mut und Ehrlichkeit in der Einschät-
zung des Projektes German TV. Nach einer sehr harten
Anfangszeit sind die ersten 5 000 Abonnenten in den
USA gewonnen.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Das ist ja Wahnsinn!)


Ein Konkurrent, der Pleite ging, mag auch dazu beigetra-
gen haben. Die darüber hinaus notwendigen 65 000 Abon-
nenten müssen in den nächsten Jahren noch gewonnen
werden. Wenn das gelingt, ist es schön; gelingt es nicht,

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(C (D ollten wir daraus allerdings ehrlich Konsequenzen zieen. Ich weise darauf hin, dass wir diesem Projekt von nfang an sehr kritisch gegenübergestanden haben. Der Prozess des Prioritätensetzens ist meist schmerz aft, aber sehr heilsam. Er wird auch der Qualität des ournalismus der Deutschen Welle einen Schub geben. Im Zusammenhang mit der Prioritätenund Zielset ung weise ich noch einmal auf die bereits diskutierte olle der deutschen Sprache hin. ie Deutsche Welle sollte sich nicht von der deutschen prache verabschieden. Für manche Zwecke, zum Beipiel zur Aufklärung in Krisengebieten, mag die engliche Sprache erste Priorität haben. Aber für das, was wir angfristig aufbauen wollen, nämlich Interesse an unseem Land, Elitenkontakte, Kontakte zu den Menschen, ür die das Modell Deutschland zur Überwindung eines otalitären Regimes und zum Aufbau einer stabilen deokratischen Kultur wichtig ist, hat die deutsche Sprahe eine besondere Bedeutung. Deshalb müssen wir die erbreitung ausbauen. Das unterstützt auch die Sondertellung dieser unserer Deutschen Welle. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall des Abg. Dr. Werner Hoyer [FDP])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505317500


Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
ollege Dr. Werner Hoyer für die FDP-Fraktion.


Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1505317600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

abe drei Minuten, um diesem großartigen Sender meine
everenz zu erweisen. Bitte, lieber Herr Bettermann, ge-
en Sie davon aus: Ich schließe mich allen guten Worten
nd Dankesworten an die Kolleginnen und Kollegen bei
er Deutschen Welle von Herzen an.
Ich möchte mich auf einige wenige Punkte konzen-

rieren. Man könnte jetzt natürlich auch etwas zu der
chwierigen Stellensituation und zu der schwierigen Si-
uation der freien Mitarbeiter sagen. Aber all das kann
etzt hier nicht hinreichend gewürdigt werden.
Die Deutsche Welle ist ein Instrument der Außen-

olitik. Das ist ein wichtiger Punkt. Natürlich ist sie im
esonderen ein Instrument der auswärtigen Kulturpoli-
ik, aber ihre Existenz begründet sich nicht auf dem
rundversorgungsauftrag der übrigen öffentlich-rechtli-
hen Rundfunkanstalten. Das muss man immer im Kopf
ehalten. Das heißt nicht, dass man irgendeine Ein-
chränkung an Grundprinzipien wie der Rundfunkfrei-
eit vornehmen dürfte; das würden Liberale nie tun.
ber der Auftrag ist ein außenpolitischer, der, wie ich
enke, im Wesentlichen hervorragend wahrgenommen
ird. Die Flexibilität, die die Deutsche Welle in Krisen-
ituationen aufgebracht hat, nach dem Umbruch im
sten, auf dem Balkan in den 90er-Jahren, jetzt in Zen-
ralasien und überhaupt im asiatischen Bereich, in Af-






(A) )



(B) )


Dr. Werner Hoyer
rika, ist eine hervorragende Leistung. Damit wird auch
der außenpolitische Auftrag erfüllt.

Deshalb bin ich der Auffassung: Wenn wir über das
neue Gesetz sprechen, müssen wir darüber reden, ob es
richtig ist, die Deutsche Welle, die früher dem BMI zu-
geordnet war, jetzt beim BKM anzusiedeln, oder ob
nicht eine Ansiedlung beim Auswärtigen Amt konse-
quenter und angemessener wäre.


(Bernd Neumann [Bremen] [CDU/CSU]: Die beide nicht da sind!)


– Das ist allerdings der Hammer. Wenn ich so scharf da-
rauf wäre, die Deutsche Welle in meinen Bereich hinü-
berzuziehen, wie der Bundesaußenminister, der das ganz
gerne sehen würde, dann hätte ich dafür gesorgt, dass
das Auswärtige Amt heute hier vertreten ist. Das kann
ich nur deutlich unterstreichen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die große Rolle der Deutschen Welle ist auch nicht

dadurch kleinzureden, dass man fragt: Wer hört denn
heute noch Kurzwelle oder Mittelwelle? Die Menschen,
die in Unfreiheit leben, die sehr daran interessiert sind,
eine glaubwürdige Informationsquelle geboten zu be-
kommen, nutzen jedes Medium, das ihnen zur Verfügung
steht. Wenn sie das Internet nutzen können, nehmen sie
diese Möglichkeit sicher gerne wahr, aber sie werden im
Zweifel auch auf Langwelle, Kurzwelle oder Mittelwelle
zurückgreifen. Nicht immer wird die Möglichkeit beste-
hen, mit einem örtlichen UKW-Anbieter zusammenzuar-
beiten. Auf jeden Fall darf man diese Aufgabe der Deut-
schen Welle nicht kleinreden. In manchen Gebieten ist
dieses Medium nach wie vor als seriöse und überaus
wichtige Informationsquelle erforderlich.

Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Vollmer hat
zu Recht angesprochen, dass es Fehlentwicklungen gibt;
diese sehe auch ich. Ich bin nicht glücklich darüber, wie
schwer es seit vielen Jahren ist – das weiß ich auch
durch meine frühere Tätigkeit im Verwaltungsrat der
Deutschen Welle –, die Synergieeffekte zwischen der
Deutschen Welle und den öffentlich-rechtlichen Rund-
funkanstalten zu organisieren,


(Monika Griefahn [SPD]: Das ist aber schon viel besser geworden!)


und wie gemauert wird, wenn es im Hinblick auf Rechte
darum geht, aus dem Programm der öffentlich-rechtli-
chen Rundfunkanstalten in die Deutsche Welle einzu-
speisen. Es ist sehr viel besser geworden; komischer-
weise war German TV dabei eine Brücke, die
beschritten worden ist.


(Monika Griefahn [SPD]: Das ist genau der Punkt!)


Es ist in der Tat sehr ärgerlich, dass die Zusammenar-
beit erst funktioniert, nachdem es zu der Fehlentwicklung
des German TV gekommen ist. Das ist ein Skandal.


(Monika Griefahn [SPD]: „Skandal“ ist übertrieben!)


Ich finde es ziemlich unerträglich, dass wir die Welt über
German TV mit deutschen Seifenopern beglücken und

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(C (D ass wir damit in erheblichem Maße Steuergelder binen, was nicht durch Grundversorgung oder irgendetwas nderes zu rechtfertigen ist. (Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Das ist aber eine Reduzierung des Programms, Herr Kollege!)


iese Gelder werden auf Dauer bei der normalen Fern-
ehversorgung durch Deutsche Welle TV und eines Ta-
es möglicherweise sogar im Rundfunkbereich fehlen.
Jetzt hören wir, wir hätten von den 65 000 – andere

agen 80 000 – erforderlichen Abonnenten gerade ein-
al 5 000 gewonnen. Das war schon mühsam genug.
eute, begrabt das Projekt und steckt das Geld dahin, wo
s bei der Deutschen Welle dringend gebraucht wird!


(Beifall bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505317700


Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf

en Drucksachen 15/1214 und 15/1208 an die in der Ta-
esordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. –
amit sind Sie offensichtlich einverstanden. Dann sind
ie Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Günter

Nooke, Bernd Neumann (Bremen), Renate
Blank, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
Fusion der Kulturstiftung der Länder und der
Kulturstiftung des Bundes

– Drucksache 15/1099 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Joachim Otto (Frankfurt), Helga Daub, Rainer
Funke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Fusion der Kulturstiftung des Bundes mit der
Kulturstiftung der Länder

– Drucksache 15/1113 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Innenausschuss
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für
iese Debatte eine halbe Stunde vorgesehen. – Auch
azu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so be-
chlossen.
Ich erteile als erstem Redner dem Kollegen Günter
ooke, CDU/CSU, das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Günter Nooke (CDU):
Rede ID: ID1505317800

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Dass

gerade heute im Deutschen Bundestag ein wichtiges
Thema der Kulturpolitik auf der Tagesordnung steht, ist
kein Zufall. Dass die Debatte verhältnismäßig früh – bei
Tageslicht – stattfindet, unterstreicht zusätzlich, dass es
uns mit diesem Thema ernst ist. Wenn noch dazu zwei
Anträge der Opposition – aber kein Antrag der Regie-
rungskoalition – die Gründe für die Debatte sind, dann
weiß jeder: Hier ist Gefahr im Verzug, aber es besteht
noch eine kleine Chance, das Schlimmste zu verhindern.

Worum geht es? Es geht darum, die seit vielen Jahren
erfolgreich arbeitende und vom Bund und den 16 Län-
dern gemeinsam finanzierte Kulturstiftung der Länder
und die erst vor einem Jahr gegründete Kulturstiftung
des Bundes zu fusionieren. Ihre Fördermaßnahmen über-
schneiden sich teilweise. Das allein wäre ein Grund für
eine Zusammenführung. Aber auch die Wahrnehmung
ihrer Aktivitäten könnte bei einer Zusammenlegung ver-
bessert werden. Wir haben also nichts gegen eine Fu-
sion. Ich denke, alle hier im Haus sind der gleichen Mei-
nung.

Doch was in dem Eckpunktepapier der Staatsminis-
terin für Kultur und Medien vorgeschlagen wird, ist aus
unserer Sicht die schlechteste der denkbaren Möglich-
keiten, diese Fusion zu gestalten. Im Prinzip soll nämlich
alles beim Alten bleiben. Es soll nur ein neues gemeinsa-
mes Dach entstehen.

Wir debattieren heute und zu dieser Stunde darüber
im Bundestag, weil dieses Eckpunktepapier am späteren
Nachmittag, also zur selben Stunde, Grundlage der Bera-
tungen der Ministerpräsidenten beim Kanzler über die
Stiftungsfusion ist. Insofern haben wir ein gewisses Ver-
ständnis, dass die Staatsministerin nicht anwesend ist.
Aber dieses Verständnis hält sich in Grenzen, weil es
besser gewesen wäre, wir hätten erst einmal im Parla-
ment über diese Punkte gesprochen, ehe man sich an-
hört, was die Wünsche der Ministerpräsidenten sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es ist unnötig, zu betonen, dass unser Antrag die bes-

sere Grundlage für diese Beratung ist. Zusätzlich muss
man betonen, dass unser Antrag auch die bessere Grund-
lage für die Position der Bundesregierung in den Ver-
handlungen mit den Ländern wäre; denn wir vertreten
keineswegs nur Länderinteressen. Auch die Länder ha-
ben ein Eckpunktepapier vorlegt, das der ehemalige
Staatsminister für Kultur und Medien, Herr Naumann,
heute in der „Zeit“ als „bürokratisches Monstrum“ be-
zeichnet hat. Wenn man sich dieses Papier ansieht, dann
muss man sagen, dass es sich nicht nur gegen die Kultur-
förderung in Deutschland richtet, sondern auch alle
Hoffnungen auf eine Reform des Föderalismus ad ab-
surdum führt. Wir wollen nicht ausschließen, dass un-
sere Debatte noch dazu beiträgt, dass die Einsicht an ei-
ner anderen Stelle in dieser Stadt noch zunimmt und
etwas Vernünftiges aus dieser Fusion der Kulturstiftun-
gen hervorgeht.

Es ist wichtig, festzustellen, dass 50 Millionen Euro
verteilt werden. Damit handelt es sich um die größte

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(C (D ulturstiftung in Europa überhaupt. Die Gelegenheit der usammenführung sollte genutzt werden, um die inhaltche Ausrichtung der künftigen Stiftung und ihr Förerprofil unter die Lupe zu nehmen, anstatt kritiklos die ufgaben der beiden bisherigen Stiftungen einfach zu ddieren: auf der einen Seite die Aufgaben der Kulturtiftung der Länder, die vom Bund und den Ländern fianziert werden, und auf der anderen Seite die Aufgaben er Kulturstiftung des Bundes, für die der Bund zahlt nd auch inhaltlich verantwortlich ist. Das Interessante ist, dass nach den jetzigen Plänen och ein Aufgabenbereich hinzukommt, in dem man ich um diejenigen Fälle kümmern will, bei denen nicht anz klar ist, wer sich eigentlich darum kümmern soll. est steht: Der Bund bezahlt, entscheidet aber nicht unedingt. So habe ich mir die Wahrung und Wahrnehung der durch die Verfassung festgelegten föderalen rdnung nicht vorgestellt. Sicher, in der Außenwahrnehung und für die meisten Projektantragsteller wird das eine Rolle spielen. Vor dem Hintergrund der seit Jahren ontrovers diskutierten Entflechtung von Zuständigeiten in der Kulturförderung ist mit diesem Vorschlag ber eben keiner Seite gedient. Im Gegenteil: Hier wird rneut verflochten – und das auf eine Weise, die keiner ehr versteht. Die Kulturstiftung soll die Kulturnation Deutschland ach innen und außen repräsentieren. Gerade deshalb ist ie paritätische Vertretung der Zuwendungsgeber in den remien notwendig und sinnvoll. Sie beinhaltet aber, enn man sie für notwendig und sinnvoll hält, wiederum ine Folgerung: eine paritätische Finanzierung. Ich öchte die Länder ausdrücklich ermutigen, sich an der eu entstehenden Stiftung mit erkennbarem Engagement u beteiligen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Horst Kubatschka [SPD]: Das sagen Sie mal Herrn Stoiber!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


nstatt weiter wie zuletzt im Mai dieses Jahres – das
abe ich schon erwähnt – Papiere zu erstellen, in denen
omplizierteste Konsultationsverfahren für den Fall kon-
truiert werden, dass der Bund die Kultur überhaupt för-
ern wolle.
Wo, wenn nicht in der entstehenden Stiftung, könnte

nser föderales Prinzip der Kulturförderung sinnfälliger
emacht werden? Wir sollten uns gemeinsam von der
rage leiten lassen: Was dient der Kulturförderung in
eutschland am besten? Denn am Ende wird sich die
usammenführung der Stiftungen daran messen lassen
üssen, ob sie zur Förderung von Kreativität in
eutschland einen Beitrag geleistet hat. Es geht im
runde um nichts anderes als um Kulturförderung im
eiten und besten Sinne.
Um unseren Antrag nicht zu wiederholen, greife ich

ur kurz einige Aspekte auf, die uns bei der Zusammen-
ührung der beiden Stiftungen wichtig sind: Um eine
auerhafte Konkurrenz zu dieser Förderung durch an-
ere bestehende und künftige Förderinstrumente, vor






(A) )



(B) )


Günter Nooke
allem im Rahmen des Hauptstadtkulturfonds, auszu-
schließen, sind Modalitäten zu formulieren, die eine un-
bürokratische und sich ergänzende Arbeit überhaupt
möglich machen. Bestehende andere Förderinstrumente
sind im Zuge der Neugestaltung daraufhin zu überprü-
fen, ob sie Teil der Stiftung werden und in das neue Ge-
bilde mit eingebaut werden könnten. Bei internationalen
Projekten ist die Abstimmung mit den Trägern der aus-
wärtigen Kulturpolitik und auch der Bildungspolitik zu
gewährleisten.

Besonders wichtig ist aus unserer Sicht: Das Instru-
ment der allgemeinen Projektförderung muss erhalten
bleiben, also die Möglichkeit von Künstlern, Kulturein-
richtungen und anderen, Anträge zur Förderung zu stel-
len. Das ist im Eckpunktepapier der Staatsministerin
nicht mehr vorgesehen.


(Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Doch!)

Der derzeit bestehende grundsätzliche Ausschluss der
institutionellen Förderung im Rahmen der Kulturstiftung
des Bundes ist nicht in die neu entstehende Stiftung zu
übernehmen.

Ich wünsche mir alles in allem, dass sich diese Ge-
sichtspunkte in den künftigen Gesprächen wiederfinden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das würde die Chance erheblich erhöhen, dass es künf-
tig eine gemeinsame Stiftung von Bund und Ländern
und darüber hinaus eine von allen Fraktionen des Deut-
schen Bundestages gemeinsam beschlossene Deutsche
Kulturstiftung gibt.

Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505317900


Nächster Redner ist der Kollege Eckhardt Barthel,
SPD-Fraktion.


Eckhardt Barthel (SPD):
Rede ID: ID1505318000

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Herr Nooke, ich weiß nicht, warum es mir so geht;
aber jedes Mal, wenn ich Sie höre – ich will Ihnen einen
Tipp geben –, habe ich das Bedürfnis, Ihnen zuzurufen:
Denken Sie doch bloß einmal positiv!


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Wir haben vorhin Geburtstagsreden zum 50-jährigen
Bestehen der Deutschen Welle gehört. Was wir jetzt ma-
chen, könnte man vielleicht so beschreiben: Wir befin-
den uns in einer Geburt, die bereits seit 30 Jahren andau-
ert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt schaffen wir es endlich, etwas umzusetzen, was
wir, zumindest die Kulturpolitiker auf Bundesebene,
aber auch viele Kulturpolitiker auf Landesebene, schon

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(C (D mmer umsetzen wollten. Darüber sollte man, zum Donerwetter, auch einmal fröhlich sein! Seit 30 Jahren wird diese Diskussion geführt. Was eiß ich, wer sich alles damit schon beschäftigt hat! Ich enne nur Günter Grass und Willy Brandt. Viele haben s versucht und nicht viel erreicht. Vor zwei Jahren kam s zu dem Beschluss, die Bundeskulturstiftung zu ründen. Darüber waren wir wirklich sehr froh. An der esonanz haben wir gesehen, wie wichtig das für viele ar. Es war eine gewaltige Kraftanstrengung. Wir haben ies jetzt erreicht und darüber bin ich froh. Bereits bei der Entscheidung damals war es das iel – ich bitte Sie, daran zu denken –, beide Stiftungen u fusionieren. Wir sind jetzt in der letzten Etappe auf em Weg zu diesem Ziel hin. Warum hat das so lange gedauert? Das sollte man sich in bisschen vergegenwärtigen, übrigens auch um die robleme, die aus meiner Sicht im Eckpunktepapier entalten sind, verstehen zu können. Es hat so lange gedaurt, weil wir all die Jahre diesen verteufelten Kompeenzstreit mit den Ländern in Fragen der Kulturpolitik nd der Kulturförderung hatten. Übrigens bestand der onflikt in der Regel – das muss ich differenzieren – icht mit allen Ländern, sondern nur mit den reichen ändern. Es ging immer um die Kulturhoheit – welch chreckliches Wort! –, wobei bislang in der Regel die oheit gesiegt und die Kultur verloren hat. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Beifall der Abg. Monika Griefahn [SPD])


Ich weiß, dass ich nicht der Einzige hier im Saal bin,
er es zutiefst bedauert hat, dass wir diesen Föderalis-
usstreit ausgerechnet auf dem Rücken der Kultur aus-
etragen haben.


(Dr. Norbert Lammert [CDU/CSU]: Bis auf die Formulierung „wir“ stimme ich dem ausdrücklich zu!)


a bin ich mit vielen einig. Insofern finde ich erfreulich,
ass dieser Streit in letzter Zeit durchaus etwas abge-
lungen ist und dass, während wir hier über Verfahrens-
nd Gestaltungsanträge debattieren, der Bundeskanzler
nd die Bundesregierung mit den Regierungschefs der
änder über eine Systematisierung – ich lege Wert auf
ieses Wort anstelle von „Entflechtung“ – diskutieren
nd versuchen, den erforderlichen Rahmen zu schaffen.
ch bin eigentlich ziemlich sicher: Es wird ein positives
rgebnis geben. Das werde ich an den Umständen bzw.
en Kräfteverhältnissen der beiden Parteien messen.
Im Rahmen dieser Systematisierung bekennen sich

er Bund und die Länder zu einer engen Zusammenar-
eit in der Kulturförderung. Diese Aussage ist schon
ehr schön. Ich darf zitieren:

Die Stärkung der Kulturstaatlichkeit Deutschlands
und die Förderung des kulturellen Lebens im Innern
und nach außen ist gemeinsame politische Aufgabe
von Bund und Ländern






(A) )



(B) )


Eckhardt Barthel (Berlin)

– und jetzt kommt etwas, was mich in der Erwartung be-
stärkt, dass der Kompetenzstreit auch in Zukunft nicht
gänzlich verfliegen wird –

im Rahmen ihrer jeweiligen Verantwortung.
Darüber werden wir uns im Einzelfall sicher noch häufig
zu unterhalten haben.

Bei allem, was man an diesem Eckpunktepapier kriti-
sieren kann, hoffe ich aber, dass Auseinandersetzungen
in Zukunft – wenn es sie schon gibt – wenigstens ratio-
naler als bisher werden. Ich will in dem Bild bleiben:
Vielleicht gelingt es, dass bei solchen Konflikten der
erste Blick der Kultur und erst der zweite der Hoheit gilt.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


In den parallel zu unserer Debatte laufenden Gesprä-
chen geht es um die Festlegung von Eckpunkten für die
Systematisierung der Kulturförderung von Bund und
Ländern und ganz konkret und logischerweise um die
Eckpunkte für die Fusion beider Stiftungen. Es geht um
Eckpunkte, um nicht mehr und nicht weniger.

Dann stellt sich logischerweise die Frage – das klang
bei Herrn Nooke an; auch andere werden das fragen –:
Welche Rolle spielt der Bundestag in diesem Prozess?


(Günter Nooke [CDU/CSU]: Der Haushaltsausschuss entscheidet!)


– Das ist sowieso vorausgesetzt, weil von dort die Finan-
zierung kommt, die übrigens Sie und die FDP eigentlich
abschaffen wollen; Sie wollen eine Sockelfinanzierung.


(Cornelia Pieper [FDP]: Davon hätten wir wirklich etwas!)


Sie haben 2 Milliarden Euro vorgeschlagen. Ich kenne
keinen hier im Raum, der dem nicht sofort zustimmen
würde. Aber sagen Sie uns dann bitte auch, woher das
Geld kommen soll.


(Günter Nooke [CDU/CSU]: Wir privatisieren ein paar Bundesunternehmen!)


Die CDU war in diesem Punkt ehrlicher. Sie hat gesagt:
Das machen wir längerfristig. Ein gewisser Realitätssinn
ist dem nicht abzusprechen. Aber Sie von der FDP wol-
len ja gleich 2 Milliarden Euro. Das ist mehr als das
Doppelte des Haushaltes der BKM.

Man muss ehrlich sagen: Wir sind bei dieser Konstel-
lation nicht Herr des Verfahrens. Über Ihre Klage, Sie
würden zu wenig beteiligt, will ich doch meine Verwun-
derung ausdrücken. Auch Sie – wir alle im Kulturaus-
schuss – kannten das Eckpunktepapier.


(Zuruf der Abg. Cornelia Pieper [FDP])

– Sie sind gar nicht im Kulturausschuss. Herr Otto kennt
es.


(Cornelia Pieper [FDP]: Ich kenne das Thema!)


– Das reicht manchmal nicht.

(Heiterkeit bei der SPD)


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(C (D as Eis, auf dem Sie laufen wollen, ist ein bisschen zu ünn. Alle wussten seit Wochen, dass heute die Veranstal ung mit dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenen stattfindet. Ich bin ein bisschen erstaunt, dass erst etzt diese beiden Anträge gekommen sind. Das hat mich berrascht. Auch wir haben ein riesiges Interesse daran – ich laube, hier decken sich unsere Vorstellungen –, dass wir n dem Prozess der Ausgestaltung dieser Eckpunkte inensiv beteiligt werden. Über manche Punkte des Antrages der CDU/CSU bin ch doch ein wenig erstaunt. Haben Sie mit den Ministerräsidenten der unionsgeführten Länder darüber gesprohen? Ich würde gern wissen, was sie Ihnen dazu gesagt aben. Ich habe das Gefühl, Ihnen sind die Rahmenbeingungen, unter denen wir diese schwierige Geburt beerkstelligen müssen, ziemlich egal. Ich will Sie davor arnen, die Latte zu hoch zu hängen: Es kann einen unkt geben, wo man von der Frage, wie es gemacht ird, auf die Frage, ob es gemacht wird, kommt. chließlich gibt es einen Konsens darüber, dass diese usion stattfinden soll. Über die Projektförderung – es gibt noch andere unkte –, die die FDP in ihrem Antrag nennt, müssen ir in der Tat noch reden. Ich habe ein paar Bedenken das gestehe ich ganz offen –, dass durch diese Kontruktion zu viel bürokratischer Sand ins Getriebe getreut wird. (Beifall der Abg. Monika Griefahn [SPD] und der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


it der Fusion der Stiftungen ist nämlich auch das Ziel
erbunden – jedenfalls glaube ich das –, die Worthülse
kooperativer Kulturföderalismus“ mit Inhalt zu füllen.
ch zitiere den von mir hoch verehrten Michael Naumann:
s darf „kein neues bürokratisches Monstrum des Föde-
alismus“ dabei herauskommen. Diese Meinung teile
ch. Es wird unsere Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass
as nicht passiert.
Nebenbei bemerkt: Ich bin froh darüber, dass unsere

artner in Zukunft nicht mehr die Staatskanzleien, son-
ern für Kultur Verantwortliche sein werden. Ich glaube,
as wird die Arbeit mächtig erleichtern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich kann es mir nicht verkneifen, zum Antrag der
DP noch ein Wort zu sagen: Sie hat in ihrem Antrag ge-
chrieben, sie wolle die „Konkurrenzen zwischen Bund
nd Ländern in der Kulturförderung beenden“. Dazu
age ich Ihnen – es ist erstaunlich, dass ich das an die
dresse der FDP sage –: Ich habe gar nichts gegen Kon-
urrenz.


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ch hatte kein Problem mit der Konkurrenz, sondern mit
er Blockierung von Vorhaben des Bundes durch die






(A) )



(B) )


Eckhardt Barthel (Berlin)

Länder. Das ist der Punkt. Die Blockade muss beendet
werden, nicht die Konkurrenz.


(Beifall bei der SPD)

Ich weiß nicht, warum ich mich jetzt an der FDP auf-

hänge; vielleicht, weil es so schön ist. Einiges ist merk-
würdig: Vor vier Wochen haben Sie eine Presseerklärung
herausgegeben, die sich inhaltlich auf das bezieht, was
heute verabschiedet werden soll. Ich zitiere:

Der Grund für die Einbeziehung der Stiftung Kul-
turfonds ist nicht ersichtlich.

Im Antrag schreiben Sie:
Die Integration der Stiftung Kulturfonds ist denk-
bar.

Sie sollten sich besser abstimmen. Ich halte die Integra-
tion der Fonds in diese Stiftung in der Tat für sinnvoll,
weil das die Arbeit gewaltig erleichtert.

Mit dieser Fusion schaffen wir die größte Kulturstif-
tung Europas. Es ist in der Tat richtig, dass der Bund
38 Millionen Euro zahlt, weitere 8 Millionen Euro wer-
den über die Länderstiftung eingebracht. Herr Nooke
– leider telefonieren Sie gerade –, ich wünschte mir
auch, dass sich aus dieser ungleichen Verteilung der Mit-
tel auch eine ungleiche Entscheidungskompetenz er-
gibt. Bei einigen Säulen ist das ja so; das sollte man
nicht ganz vergessen. Trotzdem hätte ich mir ein stärke-
res Gewicht gewünscht.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


In der Politik habe ich aber gelernt, dass man erst das
Problem erkennen muss, bevor man es lösen kann. Dem-
entsprechend wird unsere Arbeit an diesem Eckpunktpa-
pier aussehen. Wir werden dieses Thema aufnehmen und
diskutieren. Ich bin mir sicher, dass wir an viele Punkte
noch ein Fragezeichen setzen werden.

In der Grundtendenz sind wir uns aber darüber einig,
dass wir diese Fusion wollen. Wir wissen, dass wir sie
nur – ob uns das gefällt oder nicht – zusammen mit den
Ländern erreichen können. Ich glaube, dass am Ende ein
positives Ergebnis herauskommen wird. Die CDU/CSU
und die FDP begrüßen in ihren Anträgen die Fusion.


(Günter Nooke [CDU/CSU]: Sehen Sie ein, wie positiv wir das sehen!)


– Ja, das haben Sie aber nicht geschrieben. Herr Nooke,
das ist eine schöne Arbeitsteilung: Wir machen die Fu-
sion und Sie begrüßen sie. Das ist eine schöne Regelung.

Danke.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1505318100


Das Wort hat jetzt die Kollegin Cornelia Pieper von
der FDP-Fraktion.


Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1505318200

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Herr Barthel, mich wundert und enttäuscht Ihr Vor-

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(C (D urf meiner Person gegenüber, ich hätte mich für die ultur zu wenig engagiert. (Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Das habe ich nicht gesagt! – Ute Kumpf [SPD]: Im Kulturausschuss!)


Gut, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie das zurückneh-
en. Ich will Sie nur daran erinnern, dass wir beide zu
em Thema schon Podiumsdiskussionen geführt haben,
ass ich neben meinem Kollegen Otto Initiatorin des An-
rages zu dem Thema „Kulturstiftung des Bundes“ bin
nd dass wir in der Sache an sich an einem Strang gezo-
en haben, sonst hätten wir wahrscheinlich das Thema
Kulturstiftung des Bundes“ heute nicht auf der Tages-
rdnung.
Lassen Sie mich noch einmal sagen: Für mich ist es

erwunderlich, dass das Hohe Haus, das Parlament, bei
ieser Debatte über die Fusion der Kulturstiftung des
undes mit der Kulturstiftung der Länder nicht beteiligt
ird. Das hat der Kollege Nooke zu Recht angemahnt.
on daher kann ich nur sagen: Um Kultur muss sich je-
er Abgeordnete dieses Hauses kümmern. Ein Eck-
unktepapier, das von der zuständigen Staatsministerin
orgelegt und dann nicht mit den Kulturpolitikern im
arlament diskutiert wird, finde ich schon eigenartig.


(Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Das ist es doch! Ihr habt es doch alle!)


Dann legen Sie es bitte auch dem Parlament vor und
etrachten es nicht nur als ein Dokument, mit dem Sie
m Kulturausschuss umgehen.
Meine Damen und Herren, ich will mich zur Sache

ußern und ganz klar sagen: Die geplante Fusion der
ulturstiftung des Bundes und der Kulturstiftung der
änder wird von der FDP-Bundestagsfraktion grund-
ätzlich begrüßt.


(Beifall bei der FDP)

u denken gibt uns aber, was wir aus den Staatskanz-
eien der Länder hören. Auch Äußerungen der Staatsmi-
isterin sind für uns eher unbefriedigend. Heute warnt
hr Vorgänger in der „Zeit“ sogar vor einer Fusion. Er
chreibt, sie könne zur Entwertung der Bundesbehörde,
es Staatsministers für Kultur, führen. Michael Nau-
ann nennt die Tatsache, dass der Kulturausschuss bis-
er in die Konsultationen nicht einbezogen wurde, sogar
inen „Skandal im Skandal“. Recht hat er und wie Recht
r hat, zeigt sich heute. Frau Weiß – ich sagte es schon –
at offensichtlich kein Interesse daran, sich in der Sache
it dem Parlament auseinander zu setzen.


(Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ist doch in der Verhandlung!)


Was wahr ist, muss wahr bleiben. Wir glauben, dass
ie Fusion in die falsche Richtung geht. Deshalb haben
ir unsere Forderungen zu Papier gebracht.


(Monika Griefahn [SPD]: Das war beschlossen! Es gab eine Anhörung! Das ist genau das parlamentarische Verfahren! Nehmen Sie das mal bitte zur Kenntnis!)







(A) )



(B) )


Cornelia Pieper
– Frau Griefahn, es wäre besser, Sie hörten sich an, was
die Opposition dazu zu sagen hat.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1505318300


Frau Kollegin Pieper, erlauben Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Barthel?


Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1505318400

Nein, ich möchte meine Gedanken zur Fusionsdebatte

hier fortführen und vortragen können, Herr Präsident.
Erstens. Die Aufgaben und Ziele der Deutschen Kul-

turstiftung müssen nach unserer Auffassung aus den bis-
herigen Stiftungszwecken der Kulturstiftung des Bundes
und der Kulturstiftung der Länder resultieren. Notwen-
dig erscheint uns aber auch die Evaluation der bisherigen
Arbeit beider Stiftungen, und zwar vor deren Zusam-
menschluss und durch ein unabhängiges, mit Kunst- und
Kultursachverständigen besetztes Gremium.

Zweitens. Der institutionellen Kulturförderung
müssen Bund und Länder weiterhin gerecht werden, wo-
bei eine Kontrolle der Mittelvergabe durch die jeweili-
gen Parlamente gewahrt bleiben muss.

Drittens. Ein für die Liberalen entscheidender Punkt
ist, dass weder der Bund noch die Länder oder die Ge-
meinden Antragsteller sein dürfen. Antragsteller müssen
die Produzenten, die Künstler oder die Beteiligten an ei-
nem zu fördernden Projekt sein.


(Beifall bei der FDP)

Nur so ist gewährleistet, dass alle sich um Förderung be-
mühenden Projekte von der Stiftung auch begutachtet
werden.


(Beifall bei der FDP – Günter Nooke [CDU/ CSU]: Sonst gibt es eine neue Bürokratie!)


Viertens. Die Arbeit der Stiftung muss transparent
sein. Die Vergabe von Mitteln durch die Stiftung muss
klar und nachvollziehbar sein. Deswegen fordern wir,
dass die Vergabe finanzieller Mittel auf ein unabhängi-
ges Kuratorium übertragen wird. Bei der Schaffung der
Kulturstiftung dürfen wir es nicht versäumen, effiziente
Strukturen aufzubauen. Es muss eine neue Personal-
struktur aufgebaut werden – das sage ich ganz klar zur
Regierungskoalition –, weil es nicht sinnvoll ist, die Per-
sonalstellen aus beiden Stiftungen einfach nur zu addie-
ren. Wie bei der Fusion des Goethe-Instituts mit Inter
Nationes muss die so genannte Fusionsrendite nach un-
serer Auffassung aber der Kultur erhalten bleiben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1505318500


Frau Kollegin Pieper, kommen Sie bitte zum Schluss.


Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1505318600

Ich komme gleich zum Ende, Herr Präsident.
Fünftens. Herr Barthel, wir glauben – das möchte ich

nur noch ganz kurz sagen –, dass der beste Weg, um eine
größtmögliche Unabhängigkeit der Kulturstiftung zu er-

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(C (D eichen, eine haushaltsunabhängige Finanzausstattung st. (Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Das ist richtig!)


eswegen fordern wir vehement ein Stiftungskapital.
afür kämpfen wir. Das würde neue Finanzierungsmög-
ichkeiten für die Bundesstiftung eröffnen.
Als Letztes möchte ich folgenden Punkt erwähnen:
ir wissen, dass nicht alle Länder dieser Fusion zustim-
en werden. Ich habe aus dem Kultusministerium in
achsen-Anhalt gehört, dass eine Zustimmung infrage
estellt wird, und weiß, dass es einige Länder gibt, die
ur Bedingung machen werden, dass der Sitz der künfti-
en Stiftung nach Berlin kommt. Ich hoffe, dass sich die
undesregierung der herausragenden Rolle Halles, des
ulturreichen Standortes in Mitteldeutschland mit seinen
rancke’schen Stiftungen, bewusst ist und dass Sie, Herr
arthel, sich auch weiterhin für diesen Ort einsetzen
erden.
Vielen Dank, Herr Präsident, für Ihre Rücksicht-

ahme.

(Beifall bei der FDP – Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Aus welchem Bundesland kommen Sie denn?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1505318700


Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Antje Vollmer,
ündnis 90/Die Grünen.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505318800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

rau Kollegin Pieper, die Staatsministerin befindet sich
m Moment mit den Ministerpräsidenten in der Verhand-
ung, über die wir die ganze Zeit gesprochen haben. Das
at sie dem Kulturausschuss vorher mitgeteilt. Sie ist
lso wirklich entschuldigt.
Auch an dem parlamentarischen Prozess gibt es

ichts zu kritisieren. Wir alle, auch Ihre Kollegen, haben
as Eckpunktepapier rechtzeitig bekommen. Wir haben
och in der gestrigen Sitzung einen Sachstandsbericht
ekommen. Es wurde angekündigt, dass uns in der
ächsten Sitzung ein Bericht über diese Verhandlung
orgelegt wird. Wir haben gemeinsam beschlossen, dass
ir noch eine Anhörung durchführen werden. Sorgfälti-
er kann man einen Prozess in dieser Phase parlamenta-
isch nicht begleiten.


(Beifall bei der SPD)

Weil das so aktuell ist, denke ich manchmal sogar, wir

ollten einige Kerzen anstecken; denn man muss über-
innliche Kräfte haben, um diesen unglaublich hartnä-
kigen Widerstand der Ministerpräsidenten und der Län-
er endlich zu überwinden. Ich finde, es spricht für die
ompetenz und den Charme der Staatsministerin, dass
ie geschafft hat, woran so viele Männer vor ihr geschei-
ert sind.


(Beifall bei der SPD)







(A) )



(B) )


Dr. Antje Vollmer
Mit der Fusion werden wir die größte Kulturstiftung
Europas bekommen. Ich freue mich, dass das auch die
Opposition grundsätzlich begrüßt. Die Fusion war über-
fällig. Wir alle haben aber noch über den Prozess und die
weiteren Inhalte zu diskutieren und darüber, dass es, wie
Michael Naumann in einem wirklich brillanten Artikel
in der aktuellen Ausgabe der „Zeit“ geschrieben hat,
nicht zu einer bloßen Scheinehe zwischen zwei extrem
verfeindeten Bürokratien kommen wird. Es wird viel
von den Beteiligten abhängen, wie sich das entwickeln
wird.

Es ist deswegen, glaube ich, das Beste, an den Grün-
dungsmythos dieser Stiftung zu erinnern. Die Grund-
ideen wurden 1973 von Willy Brandt und Günter Grass
formuliert und 1998 von Michael Naumann – unterstützt
von Gerhard Schröder – wieder aufgenommen. Es ging
im Wesentlichen um den Erhalt des kulturellen Erbes
Deutschlands und um unser Agieren im europäischen
Raum. Ich stimme, wegen der Erinnerung an den Grün-
dungsmythos auch dem Teil des Antrags der CDU/CSU
zu – ich finde ihn interessant –, der von „Bewahrung und
Rückerwerb national wertvollen Kulturgutes“ als einer
zentralen Aufgabe der neuen Stiftung ausgeht, was bis-
her immer Aufgabe der Länderstiftung gewesen ist.

In Zeiten, in denen uns in den Städten und Kommu-
nen Kulturinstitutionen reihenweise wegbrechen, in Zei-
ten, in denen Theater und Museen ums Überleben kämp-
fen, müssen wir von einer flüchtigen Eventkultur
wegkommen, welche das publikumswirksame Ereignis
höher schätzt als die gewachsenen kulturellen Traditio-
nen und Institutionen unseres Landes.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es macht Sinn, dass wir die größte Kulturstiftung Eu-
ropas bekommen, weil wir auch die größte und tradi-
tionsreichste Kulturlandschaft Europas haben. Dass wir
inzwischen in allen Bereichen, in den Bereichen Musik,
Theater und Museum, Ausbildungsstätte vieler junger
Talente sind – sie kommen vor allem aus Osteuropa –,
hat damit zu tun. Das heißt, wir müssen auch das Be-
wusstsein für diese Kulturlandschaft stärken. Die Auf-
gabe der gemeinsamen Stiftung muss genau dem dienen.

Während in der Gegenwartskultur eine Vielzahl von
zivilgesellschaftlichen Förderungen vorhanden ist, ist
der Staat beim Erhalt des kulturellen Erbes der zentrale
und maßgebliche Akteur. Deswegen und weil daraus al-
les in allem schließlich auch ein bedeutender Wirt-
schafts- und Standortfaktor für Deutschland heraus-
kommt, muss der Wert der Kulturpolitik auch in den
parlamentarischen Debatten steigen. Das, was wir getan
haben und was wir unter anderem demnächst mit der
Einrichtung der Enquete-Kommission tun werden, dient
genau dieser wachsenden Bedeutung.

Ich finde, es ist auch ein guter Vorschlag im Antrag
der Opposition, zu überlegen, ob die Förderung der im
Blaubuch aufgeführten einzelnen Kulturstandorte nicht
auch in die deutsche Kulturstiftung überführt werden
könnte. Ich halte das jedenfalls für eine interessante

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(C (D berlegung, über die wir dann auch diskutieren können, enn wir demnächst die Anhörung darüber durchführen. Im Übrigen wünsche auch ich mir bei der Ausarbei ung der gemeinsamen Satzung eine Einbeziehung und eschlussfassung dieses Parlaments. Ich glaube, das ist as gemeinsame Interesse aller Parlamentarier. Ich inde: Wenn dieses Haus in so schwieriger Zeit schon ine so große Anstrengung unternommen hat, um diese undeskulturstiftung zu schaffen, dann gehört auch eine aire Beteiligung des Parlaments an der Arbeit dieser tiftung, aber auch an der Beschlussfassung über ihre atzung auf jeden Fall dazu. Ich denke, dass sich alle arlamentarier darin einig sind, dass wir dies an dieser telle einfordern. In dem Sinne hoffen wir, dass diese extrem schwie ige Geburt, dieses mittelalterliche Eheritual, wie ckhardt Barthel es genannt hat, nicht weit von uns jetzt irklich stattfindet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1505318900


Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
er Kollege Dr. Norbert Lammert von der CDU/CSU-
raktion das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505319000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
enn das Anliegen nicht so ernst und seine Behandlung
icht so zäh wäre, dann könnte man die gleichzeitige Be-
andlung dieses unendlichen Themas Kulturstaat
eutschland und Kulturstiftung des Bundes und der
änder heute Nachmittag an zwei Orten mit unterschied-
ichen Akteuren, bei denen die einen in einer Pressekon-
erenz in wenigen Minuten sagen, was sie tun wollen,
ährend wir hier darüber debattieren, wie es vielleicht
esser wäre, für eine Operette halten. Nur: Operetten
ind in der Regel auch deshalb unterhaltsam, weil man
hren Inhalt besser nicht allzu ernst nehmen sollte.


(Horst Kubatschka [SPD]: Sie haben ein Happy End!)


Ihren Zwischenruf nehme ich als Motivationshilfe be-
onders gerne zur Kenntnis.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

n der jungen Formation des Bundestages in der Kultur-
olitik bin ich lange genug persönlich engagiert, um mir
ie Zuversicht auf eine am Ende halbwegs überzeugende
ösung bewahrt zu haben.
Das Anliegen, über das wir reden, ist in der Tat ernst.
ir können es gar nicht ernst genug nehmen. Ich habe
uch bei niemandem, der heute dazu gesprochen hat, den
indruck gewonnen, als wolle man das mal eben ein we-
ig herunterfahren. Im Kern reden wir über die Zukunft
es Kulturstaates Deutschland, und zwar nicht deswe-
en, weil die Kulturstiftung des Bundes oder gar die
ulturstiftung der Länder, die bei genauerem Hinsehen






(A) )



(B) )


Dr. Norbert Lammert
die erste Kulturstiftung des Bundes war, Kerne des deut-
schen Kulturstaates wären oder werden könnten, son-
dern weil deren beabsichtigte Fusion im Kontext einer
angestrebten Entflechtung von Zuständigkeiten und ei-
ner Systematisierung der Aufgabenstellung von Bund
und Ländern liegt, wobei es im Übrigen schon eine sub-
tile Logik hat, dass gemäß ein und demselben Eckpunk-
tepapier der erste konkrete Beitrag zur Entflechtung der
Zuständigkeiten die Zusammenführung von zwei Stif-
tungen des Bundes und der Länder unter gemeinsamer
Verantwortung sein soll.

Das soll vielleicht nur ein weiterer Hinweis an alle
Beteiligten dafür sein, dass man die Veränderungswut
nicht mit fundamentalistischem Eifer betreiben sollte,
schon gar nicht, wenn man beim ersten konkreten Bei-
spiel zu besseren Einsichten kommt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte gerne das aufgreifen, was auch mehrere

meiner Vorredner angesprochen haben. Wie halten wir
es mit dieser Systematisierung? Wir haben dazu schon
bei früherer Gelegenheit eine Debatte geführt. Dabei ha-
ben wir mehr oder weniger übereinstimmend zu Proto-
koll gegeben, dass es für eine stärkere Entflechtung von
Bundes- und Länderaufgaben sicher manche gute Argu-
mente gibt. Ich wiederhole, dass mich bis heute niemand
davon hat überzeugen können, dass diese Entflechtung
im Kulturbereich besonders dringlich wäre


(Beifall der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


und dass mit der angestrebten Entflechtung eine Verbes-
serung der Kulturförderung in Aussicht stünde. Ich sage
voraus: Am Ende dieser Entflechtung wird es nicht mehr
Geld für die Förderung von Kunst und Kultur geben.
Aber es wird mehr Bürokratie in Form von mehr Gre-
mien, Genehmigungs-, Antrags- und Anzeigeverfahren
geben, was wir in diesem famosen Eckpunktepapier
nachlesen können.

Die Lösung, die hier angestrebt wird, ist sicher gut
gemeint. Sie ist aber so, wie sie jetzt konzipiert ist, hoff-
nungslos misslungen. Damit keine Missverständnisse
entstehen, sage ich noch einmal: Wir sind für eine Zu-
sammenführung dieser beiden Stiftungen, weil es sich
bei genauem Hinsehen ohnehin um zwei Bundeskultur-
stiftungen handelt. Aber wir sind nicht bereit, die Addi-
tion von zwei unbefriedigenden Zuständen für die Lö-
sung zu halten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Hier geht es wirklich nach dem Prinzip: manches an-

ders, aber nichts besser. Herr Kollege Barthel, ich kann
buchstäblich nichts erkennen, was nach dem jetzt vorlie-
genden Vorschlag besser werden soll, zumal die Skurrili-
täten des Status quo, dass sich nämlich die Kulturstif-
tung der Länder vornehmlich mit Aufgaben beschäftigt,
die man für originäre Bundesaufgaben halten könnte,
während sich die später gegründete Kulturstiftung des
Bundes gewissermaßen kompensatorisch um Aufgaben
kümmert, die eigentlich Länderangelegenheiten sind, auf
Dauer beibehalten werden sollen. Es sollen nämlich


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(C (D Sektionen“ gebildet werden, deren Zuständigkeiten geau so konserviert werden sollen, wie wir sie schon bei er Gründung der Kulturstiftung des Bundes für veränerungsbedürftig gehalten haben. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, so, wie s hier geplant ist, darf es nicht werden. Leider ist der erdacht nur allzu berechtigt, dass es bei diesem Papier, it dem sich – das muss man zur Verdeutlichung der usgangslage vielleicht sagen – nicht die Kulturminister er Länder, sondern die Chefs der Staatskanzleien bechäftigt haben, mehr um das Austragen von Eitelkeiten nd Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund und Länern geht als um die Beförderung der Anliegen und Inteessen der Kultur. Ich jedenfalls bin nicht bereit, mich an ieser Art von grandioser Umkehrung der eigentlichen ufgabenstellung zu beteiligen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)


Herr Kollege Barthel, wenn Sie Ihre im Unterschied
u meinen schlappen fünf Minuten üppige Redezeit von
lf Minuten dazu genutzt hätten


(Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Gönnen Sie mir doch auch einmal etwas!)


ich gönne sie Ihnen durchaus –, den heutigen „Zeit“-
rtikel von Michael Naumann hier vorzulesen, dann
ätten wir im Protokoll stehen, warum es nicht so wer-
en darf, wie es die Bundesregierung – möglicherweise
emeinsam mit den Ministerpräsidenten der Länder –
orschlägt. Das, was hier vorliegt, ist die Selbstpersi-
lage des deutschen Kulturföderalismus. Ich kann nur
lle, die die Kultur ernst nehmen und für nicht weniger
ichtig als die Politik halten, herzlich bitten, sich an die-
er drohenden Fehlentwicklung nicht zu beteiligen.
enn im Übrigen das, was hier vorgeschlagen wurde,
ie Systematisierung der Kulturförderung in Deutsch-
and ist, dann gebe ich hier zu Protokoll, dass ich ein lei-
enschaftlicher Anhänger einer unsystematischen Kul-
urförderung bin.
Nun befinden wir uns glücklicherweise am Beginn

ieses Verfahrens. Die vorliegenden Anträge werden in
ie Ausschüsse überwiesen. Ich habe noch in lebhafter
rinnerung – darauf will ich mich gerne beziehen, Herr
ollege Kubatschka –, dass gerade die Kulturpolitiker
ller Fraktionen im Regelfall sehr kooperativ miteinan-
er umgehen und sich um eine gemeinsam tragfähige
ösung bemühen. Diese muss ich allerdings ausdrück-
ich einfordern. Wir dürfen uns – mit oder ohne polemi-
che oder unfreundliche Bemerkungen über den bisheri-
en Verfahrensgang – bei der geschilderten Sachlage
icht zum Notar von Regierungsvereinbarungen machen
assen. So richtig es ist, dass die Ministerpräsidenten der
änder und auch der Regierungschef des Bundes nicht
nbedingt den Empfehlungen der Parlamentarier folgen
üssen, so gilt dies bitte schön auch umgekehrt.
Ich jedenfalls mache mir diese Eckpunkte ausdrück-

ich nicht zu Eigen. Ich werde mit Nachdruck dafür
ämpfen, dass es zu einer völlig anderen Lösung kommt






(A) )



(B) )


Dr. Norbert Lammert
als der, die jetzt vorgesehen ist. Bevor diese beschlossen
wird, bin ich eher bereit, den bisherigen Zustand noch
eine Weile zu ertragen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505319100


Eine Kurzintervention des Kollegen Barthel.


Eckhardt Barthel (SPD):
Rede ID: ID1505319200

Herr Kollege Lammert, Ihr Kampf, den Sie uns ge-

zeigt haben, macht Sie mir sehr sympathisch. Aber ich
finde, dass wir bei der Frage der Fusion bzw. Nichtfu-
sion auch daran denken müssen, wer die Spieler in dieser
Arena sind. Sie wissen genau, dass dann, wenn wir die
Fusion der Kulturstiftung der Länder und der des Bundes
alleine herbeiführen könnten, die Lösung anders ausse-
hen würde als die, die jetzt aufgrund des notwendigen
Kompromisses mit den Ländern entstehen kann.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Trauen Sie sich einmal etwas zu!)


– Ich traue mir viel zu, aber ich möchte am Ende ein po-
sitives Ergebnis haben. Trauen ist die Voraussetzung,
aber Ergebnis ist das Ziel. Deswegen kann man hier so
locker sagen, dass man dieses andere auch möchte.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Es zählt, was hinten herauskommt!)


Ich habe mich etwas gewundert, Herr Lammert, dass
Sie die beiden Stiftungen, so wie sie jetzt funktionieren,
so negativ sehen. Man kann immer an der Vergabepraxis
für dieses oder jenes Projekt Kritik äußern. Aber unter
dem Strich – das bestätigen alle, die diese beiden Stiftun-
gen beobachten – sind es positive Stiftungen. Ich wun-
dere mich, dass Sie gesagt haben, dass es um die Zusam-
menlegung von zwei negativen Stiftungen geht.

Ihre Fraktion hat über das Eckpunktepapier anders
gesprochen, als Sie es jetzt getan haben. Das möchte ich
einmal festhalten. Sie vertreten eine Einzelmeinung, für
die Sie erstaunlicherweise von den Leuten Beifall erhal-
ten, die im Ausschuss ganz anders geredet haben. Das ist
eine merkwürdige Konstellation.


(Günter Nooke [CDU/CSU]: Jetzt wird es unfair, Kollege!)


Was geschieht, wenn das Gespräch zwischen dem Bun-
deskanzler und den Ministerpräsidenten negativ aus-
geht?


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist eine Kurzintervention!)


Dann bleibt es so, wie es ist. Damit sind Sie ja zufrieden.
Aber diese eine Stiftung, die wir wollten, ist weg.

Jetzt sage ich einmal, was ich zufällig erfahren habe:
Dieses Gespräch ist geplatzt. Es ist am Widerstand des
Landes Bayern gescheitert.


(Günter Nooke [CDU/CSU]: Wäre die Ministerin mal besser hergekommen!)


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(C (D ch finde nicht, dass das ein positives Ergebnis ist. Alle aben hier den Wunsch bekundet, die beiden Stiftungen u fusionieren. Was wir gerade gehört haben, ist keine rohe Botschaft und dient nicht unserem gemeinsamen iel. Herr Kollege Barthel, erstens ist die Verkündung fro er Botschaften nicht die vorrangige Aufgabe parlamenarischer Debatten. Zweitens käme ich als einer der Väter und Mütter des euen Stiftungsrechts gar nicht auf die Idee, irgendeine er bestehenden Stiftungen als „negative Stiftung“ zu ezeichnen. Ich habe das nicht andeutungsweise getan. ielmehr habe ich gesagt, dass der Zustand der beiden ebeneinander operierenden Stiftungen unbefriedigend st und dass dieser unbefriedigende Zustand durch Addiion nicht besser wird. Ich will aber – wenn Sie das für otwendig halten – gerne klarstellen, dass ich der Kulurstiftung der Länder wie der des Bundes im Prinzip orzügliche Arbeit attestiere und dass es nicht um die eurteilung der Leistungsfähigkeit dieser beiden Stiftunen, sondern um die Zweckmäßigkeit der Bedingungen hrer Zusammenführung geht, um nicht mehr und nicht eniger. Drittens könnte ich Ihrem Argument, was die Notendigkeit der Berücksichtigung von Länderinteressen etrifft, vielleicht folgen, wenn es die Kulturstiftung des undes noch nicht gäbe und es jetzt um die Bedingunen ihres Zustandekommens unter Berücksichtigung erfassungsrechtlicher Einwände der Länder ginge. Das st aber doch nicht die Lage. Beide Stiftungen bestehen. evor wir sie in einer nun wirklich miserablen Weise zuammenführen, ziehe ich die Aufrechterhaltung des Zutandes, den wir jetzt haben, einer auf Dauer angelegten iserablen Lösung vor; nicht mehr und nicht weniger. Wenn wir im Übrigen in einer in der Vergangenheit ewährten Kooperation einen wirklich konstruktiven ufstand des Parlaments gegenüber einem nicht ausreihenden Verhandlungsstand der Regierungschefs hinbeommen sollten und das in der Weise konkretisieren ürden, wie es durch diese Debatte interfraktionell erennbar wurde, dann hätten wir gemeinsam einen famoen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit des deutschen Kulurstaates geleistet. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Horst Kubatschka [SPD]: Das Letztere kann ich beklatschen!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505319300


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505319400


Ich erlaube mir, noch einmal an meine Bemerkung
ber die beiden Kerzen zu erinnern. Manchmal sind
och höhere Mächte notwendig.


(Heiterkeit)

Ich schließe die Aussprache.






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 15/1099 und 15/1113 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Die Vorlage auf Drucksache 15/1113 soll zusätzlich an
den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung überwiesen werden. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überwei-
sungen so beschlossen.

Ich rufe Zusatzpunkt 11 auf:
Vereinbarte Debatte
zur Änderung der Verpackungsverordnung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
der Herr Bundesminister Jürgen Trittin.

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit An-
fang des Jahres wird vollzogen, was unter Klaus Töpfer
verabschiedet worden ist, nämlich die Einführung der
Pfandpflicht für Einwegverpackungen. Festzustellen
ist, dass die Pfandpflicht wirkt. Das Gesetz wirkt genau
so, wie es diejenigen, die es seinerzeit verfasst haben,
beabsichtigt haben.

Anders, als vor einem Vierteljahr von einigen Unter-
nehmen behauptet wurde, ist nicht etwa massenhaft
Mehrweg ausgelistet und Einweg eingelistet worden.
Vielmehr stellen Supermarktketten, die noch vor einem
Jahr erhebliche Mengen an Einweg ausgelistet haben, in-
zwischen komplett auf Mehrweg um.

Die Pfandpflicht wirkt, weil sie den Prozess der Ver-
nichtung von Zehntausenden von Arbeitsplätzen in den
kleinen Brauereien und in den mittelständischen Geträn-
kefachhandlungen gestoppt hat.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Sie sind ein großer Märchenerzähler!)


Im Gegenteil: Nach Auskunft des Verbandes des Deut-
schen Getränke-Einzelhandes und des Bundesverbands
des Deutschen Getränkefachgroßhandels sind in den
kleinen und mittelständischen Brauereien seit Jahresbe-
ginn 10 000 neue Arbeitsplätze entstanden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/ CSU: – Werner Wittlich [CDU/CSU]: Das können Sie doch gar nicht belegen!)


Warum haben die großen Handelsunternehmen denn
über all die Jahre hinweg massenhaft Mehrweg
ausgelistet? — Weil sie die Kosten für Rücknahmesys-
teme sparen wollten. Diesen Trend haben wir mit dem
Vollzug der Pfandpflicht gestoppt bzw. umgekehrt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


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(C (D Wir haben einen Entwurf zur Änderung der Verpakungsverordnung vorgelegt, den wir bereits im Febuar mit den Bundesländern und den Fraktionen besprohen haben. Wir haben dann diese Eckpunkte zu der erordnung 1 : 1 umgesetzt. Diese Verordnung hebt icht mehr – wie es noch unter Frau Merkel üblich war – uf den Getränkeinhalt ab. Es kommt nicht mehr darauf n, ob eine Dose Cola auch Schnaps enthält oder nicht. enn Cola in der Dose ist, dann wird sie entsprechend epfandet, und zwar nicht aus Willkür, sondern weil die ose gegenüber Mehrwegverpackungen in ökologischer insicht eklatant nachteilig ist. Dazu gibt es ausführliche Ökobilanzen, Herr Kollege. as können Sie gerne nachlesen. (Horst Kubatschka [SPD]: Der hat keine Ahnung! – Peter Dreßen [SPD]: Ein Dinosaurier ist das!)


(Zuruf von der CDU/CSU: Wer sagt das?)


enn sich heute noch jemand in diesem Hause dafür
tark macht, dass Blech ökologisch vorteilhafter ist als
ehrweg, dann verkneife ich mir die Bemerkung, dass
as, was Sie dazwischenrufen, Herr Kollege, auch Blech
t.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Werner Wittlich [CDU/ CSU]: Aber Sie reden auch Blech! Die ganze Zeit schon!)


Was wir erreichen müssen, meine Damen und Herren,
t Investitionssicherheit für die Wirtschaft. Mit der
nderung der Verpackungsverordnung wollen wir – des-
egen haben wir sie mit den Ländern abgestimmt – auch
icherheit für die Verbraucher erreichen. Die Ände-
ung der Verordnung zielt nicht auf eine Ausweitung der
fandpflicht; im Gegenteil: Sie begrenzt sie. Wenn wir
uwarten würden, wenn wir also den Fehler wiederholen
ürden, den der Bundesrat schon 2001 gemacht hat,
ann würden aller Voraussicht nach zum nächsten Jah-
eswechsel auch Kartons und Weinflaschen der Pfand-
flicht unterliegen. Das kann niemand ernsthaft wollen.
eil wir das nicht wollen, haben wir uns mit den Län-
ern auf die vorliegende Novelle verständigt. Dabei ha-
en wir die Erkenntnisse gerade jener Ökobilanzen be-
ücksichtigt, deren Richtigkeit Sie immer so gerne
ezweifeln, zum Beispiel den Umstand, dass heutige
artonverpackungen und Mehrwegverpackungen in
kologischer Hinsicht gleichwertig sind.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Niemand von uns bestreitet das!)


eswegen stellt die vorliegende Novelle zur Verpa-
kungsverordnung auch ein Stück Innovation dar.
Was bedeutet das für die Verbraucher? Die Verbrau-

her werden ab kommenden Herbst ein Rücknahmesys-
em an allen Kiosken, Tankstellen und Bahnhöfen


(Zuruf der Abg. Tanja Gönner das gilt auch für den Bahnhof in Hannover, werte Kolgin – vorfinden. Soweit sie mobil sind, können sie es lso gut erreichen. Aber auch bei den Discountern wie Bundesminister Jürgen Trittin Spar und Netto wird es ein solches System geben. Wir werden erleben, dass Mehrweg eine neue Chance hat. Seit der Einführung der Pfandpflicht gibt es zum Beispiel wieder Erfrischungsgetränke in 0,5-Liter-Mehrwegflaschen. So etwas gab es jahrelang nicht mehr. Schließlich wird es dort, wo der Vormarsch von Einweg organisiert wurde, nämlich in den großen Einkaufsmärkten, fast nur noch Mehrwegverpackungen geben. In diesem Sinne stellt die Novelle zur Verpackungsverordnung einen Schritt nach vorne dar. Wir haben damit unseren Teil der Vereinbarung umgesetzt. Ich erwarte vom Bundesrat und auch von der Wirtschaft, dass sie ihre Zusagen vom Dezember letzten Jahres mit der gleichen Beharrlichkeit und Vertragstreue umsetzen, wie es der Bundesumweltminister mit seinen Zusagen getan hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Werner Wittlich [CDU/ CSU]: Bei weitem noch nicht, Herr Minister! Sie haben noch viel vor! – Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Das war jetzt aber überzogen!)





(A) )


(B) )



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505319500


Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Tanja Gönner.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Tanja Gönner (CDU):
Rede ID: ID1505319600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der
heutigen Debatte geht es einmal mehr um die unendliche
Geschichte des Dosenpfandes. Wir diskutieren zum
wiederholten Mal über ein Gebiet der Abfallpolitik, das
sage und schreibe 4,3 Prozent des Hausmülls ausmacht.
Herr Minister Trittin hat aber die Dose zum Staatsfeind
Nummer eins erklärt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Scheinbar gibt es in der Umweltpolitik kein dringen-

deres Thema mehr. Da dem nicht so ist, möchte ich Ih-
nen einige wichtige umweltpolitische Themen ins Ge-
dächtnis rufen. Eine grundsätzliche Novellierung des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sollte dringend
in Angriff genommen werden. Aber nein, hier wird kein
Bedarf gesehen. Wir diskutieren lieber noch immer über
die Pfandregulierung. Des Weiteren steht die Novelle
des EEG vor der Tür. Aber nein, Herr Trittin, Sie müssen
erst davon überzeugt werden, dass Ihr Verpackungsver-
ordnungsentwurf in der jetzigen Fassung nicht tragbar
ist. Die Umsetzung des Kioto-Protokolls, Klimaschutz,
Emissionshandel und Nachhaltigkeitsstrategie sind die
weiteren Themen, mit denen wir uns momentan ausein-
ander setzen sollten. Stattdessen beißt sich der Umwelt-
minister an der Dose fest und verschiebt die wirklichen
Herausforderungen auf morgen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Werner Wittlich [CDU/CSU]: Eine Blechblase!)


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(C (D ätte sich der Minister offen gegenüber konstruktiven orschlägen gezeigt, könnten wir heute schon einen groen Schritt weiter sein. Die Herausnahme der Milchproukte aus der Pfandpflicht war im Laufe der bisherigen iskussion ein erfreuliches, wenn auch leider seltenes eispiel dafür, dass Sie manchmal Argumenten doch och zugänglich sind. Im Übrigen war die Einführung der Verpackungs erordnung durch CDU/CSU und FDP 1991 ein großer urchbruch. Sie legte den Grundstein dafür, dass das nde der Ex-und-hopp-Gesellschaft eingeläutet werden onnte. Produzenten und Verbraucher wurden damals ufgefordert, Umweltschutz aktiv in ihr Leben zu interieren. Dieses Konzept wurde akzeptiert und setzte sich urch. Deutschland entwickelte sich in wenigen Jahren um Mülltrennungsweltmeister. Vermeidung und hochrangige Verwertung von erpackungsabfällen waren die Ziele, die sich Klaus öpfer und Angela Merkel gesetzt haben. Die Verpakungsverordnung hat diese hoch gesteckten Ziele ohne weifel erreicht. Wenn das Ziel erreicht ist, dann ist es n der Zeit, mithilfe der gesammelten Erfahrungen und er neuen technischen Erkenntnisse einen Schritt weiter u gehen und neue Ziele zu definieren. Die Rahmenbeingungen für die Verpackungsverordnung und den Entorgungsmarkt müssen zukunftsfähig gestaltet werden. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass ie CDU/CSU-Fraktion wie im Übrigen auch die uninsgeführten Länder im Bundesrat in der letzten Novelierungsdebatte – sie fand 2001 statt – durchaus für eine rundlegende und umfassende Novellierung eingetreten ind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Das ist die Wahrheit!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


ie, Herr Minister, waren derjenige, der sich diesem
eg verweigert hat – nicht der Bundesrat.
Unsere Aufgabe ist es nun, Schadensbegrenzung zu

etreiben. Wir brauchen schnellstmöglich eine zweck-
äßige Lösung im Interesse des Verbrauchers und der
irtschaft. Deswegen hat die Union die jetzige Debatte
onstruktiv begleitet


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Seit wann denn das?)


nd vier Mindestanforderungen vereinbart, und zwar
it den Ländern, mit denen Sie keinerlei Einigung er-
ielt haben, auch wenn Sie das hier immer anders dar-
tellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: So ist es! Sie haben keine Einigung herbeigeführt!)


Erstens. Wir wollen für alle der Pfandpflicht unterlie-
enden Getränkeverpackungen im Interesse der Verbrau-
her ein einheitliches Pfand in Höhe von 25 Cent.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Tanja Gönner
Zweitens. Wir wollen, dass Einweggetränkeverpa-
ckungen mit einem Füllvolumen von mehr als drei Li-
tern ebenfalls von der Pfandpflicht freigestellt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Drittens. Sie haben alle Einwegverpackungen für

Milch von der Pfandpflicht bereits freigestellt. Viertens.
Wir wollen, dass im Rahmen einer so genannten Innova-
tionsklausel Möglichkeiten geschaffen werden, dass
ökologisch vorteilhafte Verpackungen anerkannt und
dann aus der Pfandpflicht herausgenommen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Noch nicht einmal diesen Mindestanspruch erfüllt der
vorliegende Entwurf.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Genauso ist es!)

Um den für uns ganz zentralen Punkt herauszugrei-

fen, möchte ich auf die Innovationsklausel noch einmal
eingehen. Der Begriff „ökologisch vorteilhaft“ ist in der
Novelle noch nicht einmal ansatzweise definiert.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Jawohl!)

Stattdessen soll der Status quo, der anhand statischer und
rückwärts gerichteter Kriterien misst, welche Verpa-
ckungen der Mehrwegglasflasche als Grundlage der Be-
urteilung gleichkommen und welche nicht, festgelegt
werden. Gerade die Einweggetränkeverpackungen wur-
den in den letzten Jahren ökologisch immer besser. Wol-
len wir diese Entwicklung in Zukunft wirklich dadurch
stoppen, dass wir der Industrie keine kalkulierbare Mög-
lichkeit einräumen, ihre Verpackungen auch künftig
ökologisch zu optimieren?

Nach den Vorstellungen des Bundesumweltministers
müssen Bilanzen erstellt werden und muss jede einzelne
neue Verpackung ein langwieriges Prüfverfahren und
das gesetzgeberische Verfahren durchlaufen, um neu
eingestuft zu werden. Der Zeitraum, bis eine neue Verpa-
ckung Marktreife erlangt hat, wird sich vervielfachen.
Dies führt zu Wettbewerbsverzerrungen und unterbindet
jeden Anreiz zu Innovationen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Birgit Homburger [FDP])


Gerade kleine und mittelständische Unternehmen, die
den Verpackungsmarkt prägen, werden durch diese
Hemmnisse geschwächt.

Wir befinden uns mit dieser Regelung in der geradezu
grotesken Situation, dass neue Verpackungsformen, die
wir heutzutage im Übrigen noch nicht einmal kennen,
von vornherein als schlecht eingestuft werden.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: So ist es!)

Nehmen wir also einmal an, dass die Bewertung und
Kontrolle von Verpackungsinnovationen durch Sachver-
ständige und durch vom Umweltbundesamt anerkannte
Institute durchgeführt wird. Nennen Sie mir ausrei-
chende Argumente dafür, dass eine Verpackung noch
den in dieser Novelle vorgesehenen Weg durchlaufen
soll, bevor sie den Status „ökologisch vorteilhaft“ erhält!


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Genauso ist es!)


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(C (D Lassen Sie mich einige weitere Schwachpunkte dieer Novelle ganz kurz ansprechen. Die Entscheidung des enkungsausschusses, die Vorbereitungen für ein eineitliches Rücknahmesystem einzustellen, zeigt, dass ich Handel und Wirtschaft mit der bestehenden Rechtsnsicherheit nicht abfinden wollen. Es geht um erheblihe Summen, die in das Rücknahmesystem investiert erden müssen. Die Beteiligten haben ein Recht auf lare Zukunftsperspektiven und stabile Rahmenbedinungen. Investitionen setzen Planungssicherheit voraus. enn man dies als Gesetzgeber nicht leisten kann, dann ekommt man die Quittung dafür. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Birgit Homburger [FDP])


Herr Minister, es ist eine Unverfrorenheit, den
chwarzen Peter einfach weiterzuschieben und den Han-
el des Rechtsbruchs zu bezichtigen. Sie, Herr Minis-
er, sind momentan nicht in der Position, andere Men-
chen über einen Rechtsbruch zu belehren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe nur alle Prozesse gewonnen!)


ach der aktuellen Rechtslage müssten Getränkeverpa-
kungen durchaus bepfandet werden. Dass Sie – in die-
em Fall aber auch erfreulicherweise – in Absprache mit
er betroffenen Wirtschaft beschlossen haben, in diesem
all eine Ausnahme zu machen, heißt noch nicht, dass
ie sich im Einvernehmen mit dem Recht befinden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie von mir erwarten, dass ich das jetzt gnadenlos vollziehe, dann sprechen Sie das aus!)


Sie sollten nur nicht beim einen etwas tun und beim
nderen nicht. Man sollte vorsichtig sein, jemanden des
echtsbruchs zu bezichtigen, wenn man selbst das Ge-
etz nicht einhält, Herr Minister.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lächerlich!)


Es zeigt sich, warum die Union immer eine große No-
elle wollte.


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Was?)

m Übrigen: Die SPD-Kollegin Conrad, Umweltminis-
erin in Rheinland-Pfalz, bemerkte zutreffend: Aus mei-
er Sicht ist eine große Novelle unverzichtbar. – Als
nion können wir uns dem nur uneingeschränkt an-
chließen.
Ein weiterer erstaunlicher Aspekt: Glasrecycling.
an muss sich auf der Zunge zergehen lassen, dass ein
rüner Umweltminister gerade das altbewährte und gut
unktionierende Glasrecycling mit Rücklaufquoten von
0 Prozent gefährdet. Der erwartete Rückgang beläuft
ich auf 30 Prozent. Es wird zu einem Downrecycling
ommen. Es wird nicht mehr sortenrein eingesammelt
erden. Das bedeutet, dass ein hochwertiger Rohstoff
ur noch unter großen Qualitätsverlusten wieder verwer-






(A) )



(B) )


Tanja Gönner
tet werden kann. Auf diese Weise verliert man wertvolle
Rohstoffe und verschwendet zusätzliche Energien.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wie viele Fehlschläge wollen Sie eigentlich noch hin-

nehmen, bevor Sie ernsthaft handeln? Sie haben die In-
sellösungen und die Auslistung vieler Einwegprodukte
hingenommen. Die Verwirrung und Zusatzbelastung der
Verbraucher haben Sie stoisch hingenommen. Sie haben
hingenommen, dass es kein einheitliches Rücknahme-
system geben wird und damit der Verbraucher in Mitlei-
denschaft gezogen wird. Die Gefährdung von Arbeits-
plätzen im Einweg- und Brauereibereich ebenso wie die
Gefährdung des etablierten Glasrecyclings berühren Sie
kaum. In diesem Zusammenhang geht es darum, den
Saldo bei den Arbeitsplätzen im Blick zu haben.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Sie dürfen nicht nur gucken, wie viele Arbeitsplätze im
Bereich Mehrweg entstehen, sondern Sie müssen auch
sehen, wie viele Arbeitsplätze bereits vernichtet worden
sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Birgit Homburger [FDP])


Glauben Sie wirklich, dass alle diese Aspekte und die
entstehenden Parallelstrukturen im Sinne der Umwelt
und der Nachhaltigkeit sind? Im Gegenteil: Mit Ihrer Hal-
tung gefährden Sie sogar die Erfolge, die Klaus Töpfer
und Angela Merkel für die Umwelt bereits erzielt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Birgit Homburger [FDP])


Wir müssen heute mit Rücksicht auf alle drei Säulen
der Nachhaltigkeit die Ziele einer Verordnung ganz
klar festlegen. Der Ansatz der vorgelegten Novelle geht
viel zu kurz und wird diesem Anspruch in keiner Weise
gerecht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Birgit Homburger [FDP])


Ich fordere Sie auf, Herr Minister: Zeigen Sie Verant-
wortung und prüfen Sie die Möglichkeiten für die von uns
geforderte Innovationsklausel! Die CDU/CSU bietet gern
ihre konstruktive Mitarbeit an. Ich zitiere erneut Ihre Kol-
legin Conrad, die gerade erst bestätigte: Die Innovations-
klausel ist gewollt. – Erzählen Sie uns also nicht, es gäbe
keine Möglichkeiten für eine derartige Klausel!

Wir sollten gemeinsam prüfen: Gibt es ein Verfahren,
durch das die Überprüfung eines Antrags in einer be-
stimmten Zeit nach definierten Vorgaben stattfinden
kann? Gibt es die Möglichkeit, Kriterien festzulegen, aus
denen sich klar ergibt, wann eine Verpackung ökolo-
gisch vorteilhaft ist und wann nicht? Ist für eine solche
Innovationsklausel eine Kombination aus beidem, Ver-
fahren und Kriterien, denkbar? Alle drei Möglichkeiten
führen für sich allein zu einer sinnvollen und zuverlässi-
gen Bewertung von innovativen Produkten.

Herr Minister, wenn der Bundeskanzler Sie im Kabi-
nett schon aufgefordert hat, mit dem Bundesrat ein ver-

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(C (D infachtes Verfahren zu entwickeln, mit dem dem Anlieen der Innovationsklausel inhaltlich voll Rechnung etragen werden soll, dann sage ich zu Ihnen: Nehmen ie das Parlament ernst und bringen Sie diesen Aspekt tzt in die laufenden Beratungen des Bundestages ein! n diesem Fall wären wir bereit, dem Verordnungsenturf zuzustimmen, um zu retten, was zu retten ist. Anonsten können Sie nicht mit der Zustimmung der Union u dieser Novelle rechnen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Auch im Bundesrat nicht!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505319700


Ich gratuliere Ihnen im Namen des Hauses zu Ihrer
rsten hier vorgetragenen Rede; Sie haben, glaube ich,
chon einmal eine Rede zu Protokoll gegeben.


(Beifall)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Gerd Friedrich
ollmann.

Gerd Bollmann (SPD):
Rede ID: ID1505319800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

iebe Kollegen! Wieder einmal sprechen wir über die
fandpflicht für Getränkeverpackungen. Der heutige
nlass ist das Einbringen der Novelle der Verpackungs-
erordnung durch die Bundesregierung. Wir sind der
einung, diese Novelle schafft ökologisch und ökono-
isch sinnvolle Regelungen und ist verbraucherfreund-
ich. Vor allen Dingen aber hoffen wir, dass wir mit dem
inbringen der Novelle die Diskussion versachlichen
nd zügig eine einvernehmliche Regelung verabschie-
en können.


(Beifall bei der SPD)

Bevor ich näher auf die Verpackungsnovelle eingehen
erde, möchte ich jedoch zunächst noch einige deutliche
orte zu dem Streit der letzten Wochen sagen. Dieser

treit um das Dosenpfand, der auch die Bürger unseres
andes bewegt, ging von Handel und Industrie aus. Die
eteiligten Kreise der Wirtschaft sind zu Recht – im Üb-
igen auch von CDU-Ministern wie der Umweltministe-
in von Sachsen-Anhalt – kritisiert worden. Man kann
ogar mit Fug und Recht behaupten: Was sich die Vertre-
er von Handel und Industrie erlaubt haben, hat unsere
epublik noch nicht erlebt.


(Peter Dreßen [SPD]: Gesetzesbrecher sind das!)

Über zehn Jahre sank trotz der Pfanddrohung in der

nter Umweltminister Töpfer verabschiedeten alten Ver-
ackungsverordnung der Mehrweganteil kontinuierlich.
ie Wirtschaft hatte es damals selbst in der Hand, das
flichtpfand zu vermeiden. Der Markt wurde jedoch mit
n Dosen und Plastikflaschen abgefüllten Getränken
berschwemmt; mit anderen Worten: Die Wirtschaft hat
as Pfand selber ausgelöst.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Gerd Friedrich Bollmann
Nachdem der Mehrweganteil unter 72 Prozent gesunken
war und Anfang 2002 feststand, das Pfand würde kom-
men, legten Handel und Industrie demonstrativ die
Hände in den Schoß. Statt mit dem Aufbau eines einheit-
lichen Rücknahmesystems zu beginnen, setzten sie auf
Konfrontation und versuchten mit zahlreichen Klagen,
die Einführung des Pfandes zu verhindern.


(Georg Girisch [CDU/CSU]: Alter Hut!)

Erst nachdem klar war, dass das Pflichtpfand nicht

abzuwenden sei, lenkten sie ein. Im Dezember letzten
Jahres verpflichtete sich die Wirtschaft, bis zum
1. Oktober 2003 ein einheitliches Rücknahmesystem
aufzubauen. Die Bundesregierung ist dabei der Wirt-
schaft entgegengekommen, indem sie eine neunmona-
tige Übergangsfrist zur Installierung eines einheitlichen
Pfandsystems gewährt hat. Mit ihrer Ankündigung, den
Aufbau eines solchen Systems zu stoppen, brachen Teile
von Handel und Industrie ihre verbindliche Zusage und
geltendes Recht. Sie veranstalteten ein absurdes Theater,
um sich ihren Verpflichtungen zu entziehen.


(Beifall bei der SPD)

Besonders grotesk waren die Begründungen für den

Bruch der Vereinbarungen. In irreführender Weise wurde
ein Brief der Brüsseler Umweltkommissarin Margot
Wallström als Beweis für fehlende Rechtssicherheit her-
angezogen. Darin hatte Frau Wallström im Gegenteil den
zügigen Aufbau eines Rücknahmesystems gefordert und
nur die jetzige, wenig verbraucherfreundliche Über-
gangsregelung kritisiert. Frau Wallström hat auch sofort
klargestellt, dass ihr Brief vollkommen missverständlich
interpretiert worden sei und sie nichts gegen das Dosen-
pfandmodell als solches habe.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ebenso wenig greift das Kostenargument: Erstens
spart die Getränkeindustrie seit Januar dieses Jahres die
Lizenzgebühren für den Grünen Punkt, circa 160 Millio-
nen Euro pro Halbjahr. Zweitens verdient der Handel
durch den Pfandschlupf zurzeit circa 50 Millionen Euro
pro Monat.


(Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schlecht! – Werner Wittlich [CDU/CSU]: Unsinn!)


Durch das jetzige, verbraucherunfreundliche System
werden also von Januar bis Juni 2003 dem Bürger rund
300 Millionen Euro vorenthalten.


(Elke Ferner [SPD]: Skandalös!)

Drittens werden sich die Kosten für ein Rücknahmesys-
tem auf maximal 1 Cent pro Dose belaufen.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht! So ein Schwachsinn!)


Ein Finanzierungsproblem dürfte also für Handel und In-
dustrie nicht gegeben sein.

Der geschätzte Pfandschlupf bei einem funktionieren-
den Rücknahmesystem beläuft sich dagegen auf circa
100 Millionen Euro pro Jahr. Der Aufbau eines einheitli-

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(C (D hen Rücknahmesystems kommt also dem Verbraucher ugute. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir verurteilen die en Bruch von Vereinbarungen und das Verhalten von eilen der Wirtschaft aufs Schärfste. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


s darf in unserer Republik nicht zur Gewohnheit wer-
en, dass bindende Zusagen, Vereinbarungen und Ge-
etze nach Gutdünken aufgekündigt werden. Als Konse-
uenz daraus müssen wir uns überlegen, ob in Zukunft
as Instrument der Selbstverpflichtung der Wirtschaft
och akzeptiert werden kann.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Jetzt stellt er schon die Selbstverpflichtung infrage!)


eine Damen und Herren von CDU/CSU und FDP,
uch bei unterschiedlichen Auffassungen in Einzelfra-
en sollten wir dieses Verhalten der beteiligten Wirt-
chaftskreise gemeinsam verurteilen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


eile des Handels haben inzwischen eingesehen, dass to-
le Verweigerung und Gesetzesbruch der falsche Weg
ind, und den Aufbau eines Rücknahmesystems ange-
ündigt.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Seien Sie mal vorsichtig mit Ihrem „Gesetzesbruch“!)


Mit der heute eingebrachten Novelle zur Verpackungs-
erordnung sorgen wir für die nötige Rechtssicherheit
nd schaffen eine ökologisch sinnvolle und verbraucher-
reundliche Regelung beim Dosenpfand. Grundsätzlich
ilt dann, dass auf alle Einwegverpackungen Pfand erho-
en wird. Ausgenommen davon sind nur ökologisch vor-
ilhafte Verpackungen wie Getränkeverbundkartons,
chlauchbeutel und Folienstandbeutel sowie Wein, Spi-
ituosen, diätetische Getränke, Milch und Milchmixge-
änke mit einem Mindestanteil von 50 Prozent Milch.
amit wird die von allen Seiten als unübersichtlich und
erbraucherunfreundlich kritisierte bisherige Regelung
erbessert. Zukünftig wird sich die Pfandregelung nicht
ehr am Getränkeinhalt orientieren, sondern an der Ver-
ackungsart. Unser Ziel ist es, Mehrwegsysteme und
mweltfreundliche Verpackungen zu fördern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, mit dieser Regelung schaf-
en wir eine für den Verbraucher übersichtliche Rege-
ng. Genau das ist es, was die Bürger unseres Landes
ollen.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Das Gegenteil wollen Sie! Sie wollen es einfacher haben!)


ie überwiegende Mehrheit begrüßt das Dosenpfand,
ber die Bürger wollen vor allem klare Regelungen be-
üglich der Pfandpflicht und der Rückgabemöglichkei-
n.






(A) )



(B) )


Gerd Friedrich Bollmann
In der Novelle wird klar geregelt, dass alle Vertreiber
von pfandpflichtigen Getränkeverpackungen mit einer
Verkaufsfläche von mehr als 200 Quadratmetern die
pfandpflichtigen Verpackungen zurücknehmen müssen.
Kleinere Läden und Vertreiber von Verkaufsautomaten
haben sicherzustellen, dass in zumutbarer Entfernung
eine Rückgabemöglichkeit vorhanden ist.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Also machen sie zu!)


Mit diesen Vorschriften haben wir eine eindeutige
Grundlage geschaffen; nun muss der Handel entspre-
chende Rücknahmesysteme aufbauen.

Ich begrüße hier ausdrücklich, dass die Firma
Lekkerland ein Rücknahmesystem für Kioske, Tank-
stellen und kleinere Läden aufbauen will.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin überzeugt, dass sich weitere Händler diesem Sys-
tem anschließen werden. Ich fordere die Verweigerer von
Handel und Industrie auf, ihre destruktive Blockadehal-
tung aufzugeben und sich zugunsten des Verbrauchers am
Aufbau eines Rücknahmesystems zu beteiligen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die heute vorge-
legte Novelle beruht auf den Vorstellungen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen sowie auf den Vereinbarungen
des Bundesumweltministeriums mit den Bundesländern.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Vorsicht! Woher haben Sie das denn, Herr Kollege Bollmann?)


Wir Sozialdemokraten sind überzeugt, dass das Pflicht-
pfand im Sinne der Verbraucher sowohl ökologisch als
auch ökonomisch die beste Lösung ist. Bereits jetzt zei-
gen sich ökologisch positive Effekte: Der Dosenmüll in
der Landschaft ist zurückgegangen.


(Beifall bei der SPD – Werner Wittlich [CDU/ CSU]: Dafür liegt Glas da!)


Der Anteil von Mehrwegverpackungen hat wieder zuge-
nommen. Ich empfinde die gestern öffentlich gewordene
Nachricht, dass Deutschlands Brauereien aktuell unter ei-
nem akuten Mangel an Mehrwegflaschen leiden und dass
den rund 1 200 Braustätten insgesamt 1 Million Leergut-
kästen fehlen, als eine durchaus positive Nachricht. Die
Nachfrage nach Bier in Pfandflaschen ist im Jahr 2003 er-
heblich gestiegen. Genauso wichtig ist es, dass der durch
die Dosenflut hervorgerufene Wettbewerbsnachteil mit-
telständischer Brauereien aufgehoben wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Gleichzeitig gibt es aber noch große Unsicherheit be-
züglich der Zukunft des Pfandes. Ich appelliere an Sie,
meine Damen und Herren von Union und FDP sowie an
die unionsgeführten Bundesländer, konstruktiv und vor
allem rasch an einer einvernehmlichen Lösung mitzuar-
beiten. Eine schnelle Lösung liegt im Interesse des Ver-
brauchers und der Verpackungsindustrie. Der mit den
Bundesländern ausgehandelte Kompromiss, der die

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(C (D rundlage für die Novelle der Bundesregierung bildet, ietet dafür eine gute Basis. Ich weiß, dass es noch einige streitige Punkte gibt. nsbesondere wird eine Innovationsklausel gefordert. ir Sozialdemokraten lehnen eine Innovationsklausel hne Beteiligung des Parlaments ab. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Damit ist die Sache doch wieder gescheitert!)


nserer Auffassung nach darf die parlamentarische Zu-
tändigkeit nicht ausgehöhlt werden. Dafür gibt es auch
ute Gründe. Ökobilanzen werden nach naturwissen-
chaftlichen Kriterien erarbeitet, aber die Gewichtung
er Kriterien ist eine politische Aufgabe. Die Ergebnisse
on Ökobilanzen, aber insbesondere die Prioritäten der
riterien müssen politisch bewertet werden.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Das ist es ja gerade! Genau das wollen wir nicht!)


ine demokratische Kontrolle ist daher unerlässlich.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Peter Paziorek [CDU/ CSU]: Das war jetzt entlarvend!)


Ebenso ist die Pfandhöhe umstritten. In der Tat lie-
en die Pfandbeträge in den europäischen Nachbarlän-
ern niedriger. Wir haben aber bewusst die Bevorzugung
er Mehrwegsysteme über die Pfandhöhe gewählt; denn
as Ziel der Verordnung sind die Stützung und der Aus-
au von Mehrwegsystemen.
Meine Damen und Herren, trotz dieser Streitpunkte

nd einiger weniger Einzelpunkte ist diese Novelle zwi-
chen Parlament, Bundesregierung und Bundesländern
onsensfähig.


(Beifall der Abg. Michaele Hustedt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


ch denke, dass wir uns über die streitigen Punkte eini-
en können. Eine schnelle Einigung ist im Interesse der
erbraucher und der Wirtschaft. Die Verpackungsindus-
rie, zum Beispiel auch die Dosenhersteller, brauchen
ringend Planungs- und Investitionssicherheit.
Ich habe vor einiger Zeit mit den Betriebsräten und

en Besitzern der Firma Nacanco in Gelsenkirchen ge-
prochen. Sie haben gesagt: Wir brauchen dringend klare
ngaben, wie das Rücknahmesystem demnächst funkti-
nieren soll, wir brauchen Planungs- und Investitionssi-
herheit. – Ich denke, dafür werden wir sorgen, insbe-
ondere mit dieser Novelle.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Arbeitsplatzvernichtungsnovelle!)


Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass die
ovelle der Bundesregierung eine gute Lösung ist, und
itte um Ihre Zustimmung.
Danke schön.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505319900


Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Birgit Homburger.


Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1505320000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir debattieren heute endlich über die Novelle der Ver-
packungsverordnung. Ich frage mich, Herr Minister
Trittin, warum Sie diese Novelle eigentlich nicht früher
vorgelegt haben, wenn Sie hier so stark betonen, dass es
um Investitionssicherheit für die Wirtschaft gehe.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: So ist es!)

Sie verschweigen bei dieser Gelegenheit nämlich,

dass Investitionssicherheit mit dem Verfahren, das Sie
vorhaben, überhaupt nicht erreicht wird.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Denn selbst wenn der Bundesrat, der sich damit eben-
falls noch befassen muss, über die Novelle in der nächst-
möglichen Sitzung abschließend beraten würde, was gar
nicht zu erwarten steht, weil es Änderungswünsche gibt,
dann wäre das erst am 26. September und mithin vier
Tage vor dem 1. Oktober. Nun frage ich Sie, was das für
eine Investitionssicherheit für die Betriebe sein soll,
wenn diese erst vier Tage vor der Umsetzung vielleicht
wissen, um was es geht!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Deswegen müssen Sie sich schon Folgendes anhören:

Im Februar haben Sie hier einen Kompromiss mit den Län-
dern verkündet – den es so nicht gibt, wie wir wissen –, der
dem entspricht, was in diesem Entwurf steht. Heute füh-
ren wir eine vereinbarte Debatte über dieses Thema.
Nächsten Freitag soll abschließend darüber beraten wer-
den. Am nächsten Mittwoch soll es dazu von 10 bis
13 Uhr eine Anhörung im Ausschuss geben. Nach einer
Pause von zwei Stunden wird dann um 15 Uhr darüber
entschieden.

Dazu kann ich Ihnen nur sagen, Herr Minister Trittin:
Ich finde, Sie legen im Umgang mit diesem Hause eine
unglaubliche Arroganz an den Tag.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Peter Dreßen [SPD]: Ach, Gott im Himmel!)


Ich verstehe nicht, warum die Kolleginnen und Kollegen
von der SPD und den Grünen sich von Ihnen dazu miss-
brauchen lassen, dieses Thema im Schweinsgalopp
durch den Deutschen Bundestag zu peitschen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Ulrich Heinrich [FDP]: Unerhört!)


Dabei gibt es erheblichen Klärungsbedarf; das wissen
auch Sie. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Ar-
beit hat angekündigt, es wolle eine Studie in Auftrag ge-
ben, um die Kosten für die Rücknahmesysteme zu klä-
ren, weil es da unterschiedliche Zahlen gibt. Wie soll
denn das funktionieren? Wenn wir dieses Thema schon
am 4. Juli abschließend im Bundestag beraten, sollten
Sie die Kosten für dieses Gutachten sparen und sich lie-
ber in der Regierung einigen.

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(C (D (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: So ist es! Das Gutachten kommt später! Das ist ein Unding!)


Es geht nicht nur darum, was ökologisch vorteilhaft ist, es
eht – die Innovationsklausel wurde angesprochen – auch
m Transparenz. Ihre Regelung ist nicht transparent und
chon gar nicht unbürokratisch, sondern sie ist sehr bü-
okratisch. Angesichts dessen frage ich mich, warum Sie
en offensichtlichen Klärungsbedarf verneinen. Selbst
er Herr Bundeswirtschaftsminister Clement hat im Ka-
inett eine Protokollnotiz abgegeben, in der es heißt,
ass es in diesem Punkt ein Problem gibt. Wieso lassen
ie uns im Deutschen Bundestag nicht vernünftig darü-
er beraten?


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Es gibt nach wie vor kein flächendeckendes Rück-

ahmesystem. Auch das müssen Sie einräumen. Sie ha-
en keine Klarheit für die Verbraucherinnen und Ver-
raucher geschaffen. Stattdessen gibt es das Problem
it den Insellösungen, von denen wir hier schon gehört
aben. Damit haben Sie in der Tat ein europarechtliches
roblem;


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Genau so ist es!)

enn Frau Wallström hat schon deutlich gemacht, dass
ie nur ein bundeseinheitliches Rücknahmesystem und
ichts anderes akzeptieren wird.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich sage Ihnen ganz klar: Die Verwirrung hört nicht

uf. Sie verlagern die Verwirrung zwischen Cola und
hiskey-Cola sozusagen ins Kühlregal zu Kefir und
olke. Da gibt es dasselbe Problem mit der Verpackung:
ie eine Verpackung wird bepfandet und die andere
icht. Auch was Sie zur Vermüllung der Landschaft ge-
agt haben, stimmt in dieser Form nicht. Genauso wenig
timmt die generelle Aussage, dass das Pfand wirkt.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505320100


Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Zeit.


Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1505320200

Noch eine letzte Bemerkung, Frau Präsidentin. – Herr
inister Trittin, Sie vergessen nämlich, dass sich die Si-

uation wieder ändern wird, wenn erst einmal Rücknah-
eautomaten installiert sind. Deswegen fordere ich Sie
uf: Machen Sie den Menschen draußen im Lande nicht
in X für ein U vor! Nutzen Sie die Chance für eine um-
assende Novelle der Verpackungsverordnung!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505320300


Ich schließe die Debatte. Da es eine vereinbarte De-
atte war, gibt es keine Überweisung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Christoph Hartmann (Homburg), Gudrun Kopp,






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Otto Fricke, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP
Bergschäden regulieren – kohlepolitische Wei-
chenstellung vornehmen

– Drucksache 15/475 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
FDP fünf Minuten erhalten soll. – Ich höre keinen Wi-
derspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt der Abgeord-
nete Christoph Hartmann für die FDP.


Christoph Hartmann (FDP):
Rede ID: ID1505320400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Stellen Sie sich vor, es gäbe heute hier einen
Antrag, der folgendermaßen lauten würde: Wir fordern
eine Beschäftigungsoffensive für 43 000 Arbeitsplätze,
die 3 Milliarden Euro kostet. Das bedeutet eine staatli-
che Subvention pro Arbeitsplatz von 70 000 Euro. – Sie
würden den Antragsteller – offen gestanden – für ver-
rückt erklären, und das vollkommen zu Recht.

Aber die Realität ist, dass wir genau dieses in Deutsch-
land im Moment haben. Trotz leerer Haushaltskassen leis-
ten wir uns eine Alimentierung einer sterbenden Industrie.
3 Milliarden Euro könnte man besser ausgeben, als die
deutsche Steinkohle damit zu subventionieren.

Das häufig angeführte Argument, dass wir die deut-
sche Steinkohle zur Energiesicherung brauchen, trägt
nicht mehr. Denn nur knapp über 10 Prozent des Gesamt-
energieverbrauchs in Deutschland werden von der hei-
mischen Steinkohle gedeckt. Durch Importkohle aus kri-
sensicheren Ländern wie Australien, Polen oder
Südafrika könnte die heimische Steinkohle substituiert
werden. Importkohle ist preisgünstiger, sie ist qualitativ
hochwertiger und sie ist umweltfreundlicher


(Elke Ferner [SPD]: Das ist wirklich Quatsch!)

als die Steinkohle, die wir in unserem Lande aus der
Erde holen.

Es gibt immense Schäden durch den Abbau der Stein-
kohle. Der Kohleabbau unter dem Rhein, der Schäden
wie Absenkungen von Deichen hervorruft, ist nicht ver-
antwortbar; das Elbehochwasser sollte jedem von uns
noch im Gedächtnis sein. Zu den umweltpolitischen Pro-
blemen kommen die Eigentumsschäden hinzu, die die
persönliche Lebensumwelt und die wirtschaftliche Lage
der betroffenen Bewohner stark beeinflussen.

Ich will Ihnen einmal ein Beispiel aus meiner saarlän-
dischen Heimat nennen. Fürstenhausen ist ein Stadtteil
von Völklingen. Völklingen hat 50 000 Einwohner und
liegt in der Nähe von Saarbrücken. Laut einem Brief des
Oberbürgermeisters von Völklingen an Bundeswirt-
schaftsminister Clement wurden allein im letzten Jahr

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(C (D 4 Millionen Euro unter diesem Stadtteil verbuddelt, ämlich für die Regulierung von Bergschäden. Es gibt in ürstenhausen 720 Gebäude. Das heißt, pro Haus und Jahr erden für Schadensregulierung mehr als 47 000 Euro ausegeben. Das alles ist aber nur Statistik. Es geht um die inzelschicksale, die dahinter stecken, um Menschen, ie sich ihre Häuser mühsam aufgebaut haben. Zu dem, was heute als „kleinere Schäden“ betrachtet ird, liegt mir ein Beispiel vor: Seit 1995 wurden mehr ls 100 000 Euro für ein einziges Haus aufgewendet. enn das kleinere Schäden sind, was sind denn dann ittlere Schäden, was große Schäden? 80 Prozent der äuser in Fürstenhausen haben eine Gaswarnanlage. Die reise der Immobilien, die die Altersvorsorge der betrofenen Menschen darstellen, sinken dramatisch. Die Menchen wandern aus den betroffenen Gebieten ab, allein m Bereich Fürstenhausen in den letzten zehn Jahren 2 Prozent. Wer kümmert sich eigentlich um die Einuße an Lebensqualität in diesem Bereich? Deswegen stellen wir heute in diesem Zusammen ang einen Antrag. Er kommt zum richtigen Zeitpunkt. enn es geht derzeit um die Verhandlungen über eine nschlussregelung der Steinkohlefinanzierung. Wir ollen Gerechtigkeit, und zwar nicht nur für die betrofenen Mitarbeiter, sondern endlich auch für die betroffeen Bewohner. (Elke Ferner [SPD]: Dafür hatten Sie 16 Jahre Zeit, als Sie an der Regierung waren!)


(Beifall bei der FDP)


nser Antrag stellt keine Maximalforderung dar. Wir
ollen lediglich zum ersten Mal über alle Aspekte des
ergbaus sprechen, also auch über die Belange der Berg-
aubetroffenen.
Die Bundesregierung erklärt immer, sie sei für Sozial-

erträglichkeit. Dabei meint sie aber immer nur die Mit-
rbeiter im Bergbau. Wenn wir über Sozialverträglich-
eit sprechen, dann wollen wir, dass dies auch für die
om Bergbau betroffenen Menschen gilt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deswegen haben wir in unserem Bundestagswahlpro-
ramm die Forderung des Abbaustopps unter bewohn-
em Gebiet festgeschrieben. Unseren Ankündigungen
assen wir Taten folgen. Das unterscheidet uns von den
rünen. Die hatten in ihrem Bundestagswahlprogramm
ie gleiche Forderung. Der Kollege Ulrich im Saarland
chreibt auf seine Plakate: „Abbaustopp sofort!“ Aber
enn diesen Worten Taten folgen sollen, dann fallen die
rünen um. Sie müssen jetzt beweisen, ob es sich dabei
ur um Lippenbekenntnisse handelt oder ob Sie wirklich
twas für die betroffenen Menschen in der Region tun
ollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht um

inen Paradigmenwechsel in der deutschen Steinkohle-
olitik. Es geht darum, die Umwelt und die betroffenen
ewohner vor weiteren Schäden zu schützen. Geben Sie
nserem Antrag Ihre Stimme!






(A) )



(B) )


Christoph Hartmann (Homburg)

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505320500


Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Ulrich
das Wort.


Hubert Ulrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505320600

Lieber Kollege Hartmann, Sie sagen es natürlich rich-

tig:

(Elke Ferner [SPD]: Das ist gar nicht richtig!)


Wir als Grüne im Saarland haben Positionen, die sich in
weiten Teilen mit dem decken, was Sie in Ihrem Antrag
formuliert haben. Der deutsche Steinkohlebergbau rich-
tet in der Tat sowohl an der Saar als auch an der Ruhr
enorme Schäden an – so enorme Schäden, dass auch ich
der Meinung bin, dass das in dieser Art und Weise nicht
weiter tragbar ist. Aber deshalb treten die Grünen so-
wohl hier im Deutschen Bundestag als auch in Nord-
rhein-Westfalen und im Saarland dafür ein, dass der
Steinkohlebergbau bis zum Jahre 2010 gegen null gefah-
ren wird.

Was in den Gebieten geschieht, wo unter bewohntem
Gebiet abgebaut wird, ist ein Sonderproblem. Man sollte
sich das – ob das in Nordrhein-Westfalen oder im Saar-
land ist – einmal anschauen.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505320700


Herr Kollege, Sie dürfen hier nicht einfach eine Rede
halten. Sie sollten schon irgendwie auf den Kollegen
Hartmann eingehen.


Hubert Ulrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505320800

Ich komme gleich zum Kollegen Hartmann. – Diese

Menschen dort leiden unter echtem Psychoterror; das
kann man nicht von der Hand weisen.

Nur, Herr Hartmann – jetzt komme ich zur FDP –, man
muss einmal die Frage stellen: Wer hat uns denn diese
ganzen Steinkohlesubventionen mit eingebrockt? Als die
Steinkohlesubventionen hier im Deutschen Bundestag
beschlossen wurden, war ein FDP-ler Bundeswirt-
schaftsminister. Als der Kohlepfennig vom Bundesver-
fassungsgericht gekippt wurde, hat ein FDP-Bundeswirt-
schaftsminister dafür gesorgt, dass diese Gelder fortan
aus dem Bundeshaushalt geflossen sind – ohne dass es
eine Deckung gegeben hätte. Die FDP ist also einer der
ursprünglichen Verursacher der Steinkohlesubventionen.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Und Fischer hat damals mit diesen Leuten demonstriert!)


Insofern ist es schon ein wenig heuchlerisch, wenn
Sie heute hier so tun, als seien Sie der Kämpfer für den
Abbau der Subventionen im Steinkohlebergbau. Sie
selbst haben das verursacht, worunter wir heute in die-
sem Lande leiden.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Gisela Piltz [FDP]: Das ist R D l D v S w k M e d u s A H F S J d O N b b s w le li B v S r u ö A u (C (D eine abenteuerliche Argumentation, Herr Kollege! Da klatschen nur wenige aus Ihrer Fraktion!)



Christoph Hartmann (FDP):
Rede ID: ID1505320900

Herr Kollege Ulrich, für wen reden Sie eigentlich?
eden Sie für sich oder reden Sie für Ihre Fraktion?
enn für Ihre Fraktion redet, glaube ich, gleich die Kol-
egin Hustedt, die eine ganz andere Position vertritt.
iese Regierungskoalition wird – so haben Sie schon
erlauten lassen – unserem Antrag nicht zustimmen.


(Elke Ferner [SPD]: Weil er großer Quatsch ist!)

ie sind also in Ihrer Fraktion isoliert. Wenn Ihnen das,
as die grüne Fraktion hier erzählt, nicht gefällt, dann
önnen Sie gerne aus den Grünen austreten.
Es geht jetzt endlich um die Frage, was wir für die
enschen in diesem Land tun können. Deswegen geht
s nicht mehr um Worte, sondern um Taten. Wir haben
iesen Antrag gestellt, weil endlich Taten folgen müssen
nd weil es mit den Lippenbekenntnissen endlich vorbei
ein muss.


(Beifall bei der FDP – Elke Ferner [SPD]: Sie haben ja 16 Jahre lang Zeit gehabt! – Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lambsdorff! Rexrodt!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505321000


Wir fahren jetzt in der Debatte fort. Das Wort hat der
bgeordnete Dieter Grasedieck.


Dieter Grasedieck (SPD):
Rede ID: ID1505321100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Nicht alles darf man kritisieren, was die alte
DP eigentlich ganz gut gemacht hat: die Einstielung der
ubventionen. Genau hier wollen wir in den nächsten
ahren weitermachen. Darauf legen wir Wert.
Vor allem aber finden wir, dass die Diskussion, welche

ie FDP heute führt, nur zur Verschleierung beiträgt. Ihr
berziel ist die Streichung der Kohlesubventionen; nur als
ebenprodukt sprechen Sie den Bergschaden an. Die Pro-
leme des Bergschadens werden natürlich auch vom Berg-
au gesehen. Er bietet Problemlösungen an und bemüht
ich nach Kräften. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Hartmann,
ohne ich in einem Bergschadensgebiet. Ich sehe die vie-
n Bemühungen des Bergbaus und weiß, wie verantwort-
ch unser Bergbau bei Schadensregulierungen vorgeht:


(Christoph Hartmann [Homburg] [FDP]: Da sind Sie aber allein!)


Zum Beispiel baut man in Wohngebieten flächig ab,
ruchkanten sind so ausgeschlossen. Das wissen Sie
ielleicht nicht. Schauen Sie sich das etwas genauer an!
chäden an Wohngebäuden, die auf Bruchzonen basie-
en, will der Bergbau so vermeiden. In Waldgebieten
nd Weidegebieten versucht man, den Bergbau durch
kologische Planungen zu begleiten. Man hat viele gute
nsätze wie die Haldenbegrünung gefunden. Ich meine,
nser Bergbau geht da wirklich verantwortlich vor.






(A) )



(B) )


Dieter Grasedieck
Seit einigen Jahren sind auch Servicezentren in den
Bergwerken eingerichtet. In dem großen Servicezentrum
in Duisburg zum Beispiel können Fragen und Probleme
erläutert werden, immer mit dem Ziel, die Bergschäden
möglichst schnell zu regulieren. Genau das wird auch er-
reicht.

Herr Hartmann, Sie führen jetzt eine große Debatte
über die Streichung der Kohlesubventionen. Vielleicht
wissen Sie nicht, dass die Kosten für die Regulierung der
Schäden sowieso weiter übernommen werden müssen;
diese liegen bei etwa 1,5 Milliarden Euro. Ein Teil der
Subventionen muss allein für diesen Bereich eingesetzt
werden.

Unser Bergbau steht zu seiner Verantwortung. Die
FDP hingegen sieht nur die Probleme, nicht die Stärken
des Bergbaus: Der Mittelstand wird durch unseren
Bergbau gefördert.


(Beifall bei der SPD)

Das ist ein Vorteil. Weitere Beispiele sind zu nennen:
Beim Bau des Tunnels zwischen Dover und Calais wur-
den deutsche Bergmaschinen eingesetzt und sind deut-
sche Firmen bei der Vermessungstechnik beteiligt. Deut-
sche Unternehmen produzieren auch die Maschinen für
den Gotthardtunnel.

Unser Bergbau treibt Innovationen voran. Der Dreh-
strommotor des ICE ist für den Bergbau entwickelt wor-
den. Auch das muss gesehen werden. Unser Bergbau
fördert und sichert Arbeitsplätze, sowohl im Osten als
auch im Westen, sowohl im Norden als auch im Süden.
Der Mittelstand wird so unterstützt.

Unser Bergbau fördert auch die Zukunft. Betrachten
wir den Quantensprung bei der Hobelmaschine! Sie ist
ein Exportschlager: 40 Prozent höhere Geschwindigkeit
beim Abbau.

Das bedeutet natürlich Vorteile. Dadurch wird der
Mittelstand gefördert. Die Mittelstandsförderung ist
doch ein Spezialthema – offensichtlich eher ein Schein-
thema – der FDP. Die Hobelanlage ist ein Exportschla-
ger: Amerikaner, Russen und Chinesen sind daran betei-
ligt. In der Bergtechnik hat das Markenzeichen „Made in
Germany“ wirklich noch einen guten Ruf. Das ist keine
Frage.


(Beifall bei der SPD)

Die FDP spricht in ihrem Antrag von klaren Rahmen-

bedingungen für die Zukunft. Natürlich brauchen wir
diese Planungssicherheit für unseren Bergbau auch über
2010 hinaus. Wir brauchen auch für unseren Mittelstand
Planungssicherheit über 2010 hinaus, weil viele Betriebe
Teile für unsere Bergmaschinen produzieren.

Im Bergbau gibt es 7 500 Ausbildungsplätze. Dort
werden Industriemechaniker, Elektroniker und IT-Kauf-
leute ausgebildet. Die Qualität der Ausbildung steht au-
ßer Frage; sie ist allgemein anerkannt. Die ausgebildeten
jungen Leute werden von der Industrie übernommen.

Zusammenfassend können wir feststellen:

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(C (D Erstens. Unser Bergbau steht bei Bergschäden zu seier Verantwortung. Zweitens. Unsere Bergmaschinen werden ständig chneller, stabiler und mit feinster Elektronik ausgestatet. „Made in Germany“ hat in diesem Bereich noch eien hohen Stellenwert. Drittens. Unser Bergbau macht junge Menschen fit ür die Zukunft. Deshalb brauchen wir unseren Bergbau auch nach 010. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Pfeiffer. (Ute Kumpf [SPD]: Ich wusste gar nicht, dass es Bergbau auch in der Stuttgarter Region gibt!)


(Beifall bei der SPD)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505321200


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1505321300

Frau Kumpf, auch Sie sollten wissen, dass Bergbau

twas mit Energie zu tun hat.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Ich möchte einige grundsätzliche Bemerkungen
ur Steinkohle machen. Die Rolle und Bedeutung der
teinkohle hat sich in den letzten Jahrzehnten bekannter-
aßen drastisch verändert. Einst war die Steinkohle von
erausragender nationaler strategischer Bedeutung für
ie Energie- und Wärmeerzeugung, sowohl was die
irtschaft und die Haushalte betrifft als auch was die
ersorgungssicherheit generell betrifft als auch zur Si-
herung der Unabhängigkeit vom Ausland. Vor allem
ar sie aber ein dominanter Wirtschafts- und Beschäfti-
ungsfaktor.
Hierzu nenne ich nur einige Zahlen und Fakten: 1960

ab es im Steinkohlebergbau in Deutschland noch
00 000 direkt Beschäftigte. In über 150 Bergwerken
urden circa 150 Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten
efördert. Wie war die Entwicklung? 1980 waren es nur
och rund 190 000 Beschäftigte; heute sind es knapp
0 000 Beschäftigte. Bis zum Jahr 2005 wird ein weite-
er Rückgang auf 36 000 Beschäftigte prognostiziert. Im
leichen Zeitraum sank die Förderung von 87 Millionen
onnen 1980 auf 26 Millionen Tonnen im Jahr 2002. Die
nzahl der Zechen sank von den genannten 150 auf 39
m Jahr 1980 und auf 10 im Jahr 2002. Die Schließung
weier weiterer Zechen steht bereits fest.
Warum erzähle ich Ihnen das? Weil im Ergebnis fest-

ustellen ist, dass die wirtschafts- und beschäftigungspo-
itische Bedeutung des Steinkohlebergbaus nicht nur in
er nationalen Dimension sehr viel geringer geworden
st, sondern er und die mit ihm verbundenen Implikatio-
en mittlerweile nur noch von regionaler Bedeutung
ind.


(Ute Kumpf [SPD]: Herr Pfeiffer, von Autos verstehen Sie mehr!)







(A) )



(B) )


Dr. Joachim Pfeiffer
Sie beschränken sich im Wesentlichen auf zwei Bun-
desländer, nämlich auf das Saarland und Nordrhein-
Westfalen. Das Saarland hat den Mut zum konsequen-
ten Strukturwandel. Der Steinkohlebergbau wird im
Saarland auslaufen. Die neue Regierung unter Peter
Müller stellt sich dieser unangenehmen Wahrheit


(Elke Ferner SPD: Das hört sich vor Ort mittlerweile aber ganz anders an!)


und ist dabei, dem Wirtschaftsstandort Saar ein neues,
zukunftsfähiges Profil zu geben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ein sehr guter Mann, der Müller!)


Das Thema Steinkohle befindet sich dort sozusagen in
Abwicklung und ist abgehakt. Es bleibt Nordrhein-
Westfalen. In Nordrhein-Westfalen wird der heimischen
Steinkohle eine, wenn auch zunehmend weiter schwin-
dende, Zukunft gegeben.

Vor diesem Hintergrund stelle ich mir die Frage: Wel-
che Rolle soll bzw. muss der Bund in einer ehemals nati-
onalen, jetzt aber überwiegend regional – politischen
Themenstellung überhaupt noch spielen? Kommt ihm
dabei überhaupt noch eine Rolle zu?


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505321400


Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Ulrich?


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1505321500

Nein.
Darüber hinaus ist in der Schule die Frage zu beant-

worten, welche Zukunftsoptionen es gibt.
Klar ist – auch das ist angeklungen –, dass der Stein-

kohlebergbau in Deutschland allein aus tektonischen
Gründen auf dem Weltmarkt niemals wettbewerbsfähig
sein kann und sein wird. Dies ist keine Frage der Pro-
duktivität und auch keine Frage der technischen Mög-
lichkeiten.

Welche Zukunftsfragen sind also zu klären? Erstens
geht es – das wurde gerade von Ihnen angesprochen –
um die Frage der Erhaltung und Weiterentwicklung der
Export- und Technologiekompetenz im Bergbau, der
Kernkompetenz in der Gewinnungs- und Fördertechno-
logie, um auf dem Weltmarkt erfolgreich zu bleiben.
Was ist hierfür notwendig? Brauchen wir Referenzanla-
gen in Deutschland und, wenn ja, wie viele?


(Elke Ferner [SPD]: Bei der Kernkraft brauchen wir sie!)


Brauchen wir dafür einen Sockel aus heimischer Förde-
rung und, wenn ja, wie hoch muss er sein? Müssen wir
langfristig einen Zugang zur Steinkohleförderung auf-
rechterhalten? Alles Fragen, die es in diesem Prozess zu
beantworten gilt.

Ein zweites Thema ist die Rolle der Steinkohle im zu-
künftigen Energiemix. Gegenwärtig kommt ungefähr
die Hälfte der bei der Steinkohleverstromung in

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(C (D eutschland verwendeten Kohle aus heimischer Steinohle. Welche Rolle kann und wird diese in der Zukunft ier noch spielen können? Versorgungssicherheit spielt ier ebenso eine Rolle wie auch die Umweltund Klimaolitik. Wie sieht es mit den so genannten Clean Coal echnologies aus? Welche Rolle kann die Steinkohletromerzeugung, ob aus Importoder Exportkohle, dort n der Zukunft spielen? Alles Fragen, die dringend einer lärung zugeführt werden müssen. Es gibt viele offene Fragen, aber die Bundesregierung erweigert bisher leider den Dialog. Nicht nur hier und zuständigen Wirtschaftsausschuss wird ständig aus ewichen und vertröstet, auch gegenüber den Ländern, um Beispiel im Umgang mit dem Saarland, wird der ialog verweigert. (Elke Ferner [SPD]: Das Saarland verweigert doch den Dialog!)


Ich fordere Sie auf: Kommen Sie Ihrer Regierungs-
erpflichtung nach und sagen Sie, was Sie wollen. Der
teinkohlebergbau und die Menschen, die davon betrof-
en sind, haben es verdient. Die CDU war immer ein Ga-
ant dafür.


(Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist konkrete Opposition! Sehr pointiert!)


ie jetzige Regelung von 1997 kam unter Führung der
DU zustande. Es gab Planungssicherheit. Jetzt dauert
s nur noch zweieinviertel Jahre, bis der Vertrag aus-
uft, und bis heute wurde nichts vorgelegt.


(Elke Ferner [SPD]: Es ist ja unglaublich, was Sie sagen! Alle zwei Jahre haben Sie in der Vergangenheit diese Frage gestellt!)


nsofern stimmen wir dem Antrag der FDP zu.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dieter Grasedieck [SPD]: So ein junger Abgeordneter und schon ein Auslaufmodell!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505321600


Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Michaele Hustedt.


Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505321700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bis

005 gilt der Kohlekompromiss von 1997. Während der
aufzeit dieses Kompromisses, also bis 2005, wird die
ohlesubvention von 4,73 Milliarden auf 2,81 Milliar-
en Euro, Bundesanteil 2,17 Milliarden Euro, herunter
efahren. Wenn man ehrlich ist, muss man sagen, dass
as durchaus ein klarer Degressionspfad ist. Er zeigt
ber auch deutlich, dass die deutsche Steinkohle im in-
ernationalen Vergleich eben nicht konkurrenzfähig ist
nd deshalb die Subventionen herunter gefahren werden
üssen. Hinzu kommt noch eine so genannte Bugwelle,
ämlich die Mittel aus der Finanzverpflichtung nach
em Steinkohlebeihilfengesetz von 1997. In den Jahren
006 bis 2008 kommen daraus im Bund 700 bis
00 Millionen und in NRW 500 bis 600 Millionen Euro
uf uns zu.






(A) )



(B) )


Michaele Hustedt
In diesem Jahr muss die Nachfolgeregelung für die
Zeit nach 2005 gefunden werden. Die Koalition wird
deshalb über diesen Punkt verhandeln. Da wir mit dem
Steinkohlebeihilfengesetz ein Bundesgesetz ändern wol-
len und werden, muss das mit Zustimmung beider Frak-
tionen geschehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu sage ich Ihnen, Kollege Hartmann: Anträge sind
noch keine Taten. Anträge sind Worte.


(Elke Ferner [SPD]: So ist es!)

Wir werden mit unserer Mehrheit hier im Bundestag ei-
nen gemeinsamen Beschluss fassen und dann werden
unseren Worten Taten folgen. Sie werden sehen, dass wir
zum richtigen Zeitpunkt einen gemeinsamen Vorschlag
auf den Tisch legen werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Christoph Hartmann [Homburg] [FDP]: Da sind wir aber gespannt!)


Für uns Grüne ist das durchaus eine energiepolitisch
bedeutsame Frage. Allerdings muss man sagen: Wenn
die deutsche Steinkohle durch Importkohle ersetzt wird,
hat man natürlich umweltpolitisch auch nichts gewon-
nen. Viel sensibler ist die Frage: Wie viel Subventionen
können wir uns in knappen Haushaltszeiten leisten?
Diese Frage wird im Zentrum der Diskussionen stehen.


(Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht viel und keine Kohle!)


Wir diskutieren zurzeit darüber, ob wir die nächste
Stufe der Steuerreform vorziehen können. Das machen
wir davon abhängig, dass wir tatsächlich Subventionen
abbauen. Das ist also auch in diesem Zusammenhang
wichtig.

Die Grünen waren schon immer für Sinkflug und nicht
für Sturzflug. Dazu stehen wir auch weiterhin. Unser Ziel
ist – ähnlich wie das der EU-Kommission –, bis zum Jahr
2010 zu einem Abschluss zu kommen. Ich weiß, dass die
SPD in dieser Frage eine andere Position hat;


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das stimmt ausdrücklich!)


das muss ich gar nicht unter den Teppich kehren. Aber
ich bin davon überzeugt, dass wir einen Kompromiss
finden werden. Ein Kompromiss deutet sich schon darin
an, dass die EU das Jahr 2010 als Zeitfenster vorgibt. Ich
finde, auf dieses Zeitfenster sollten wir uns in den Ge-
sprächen auch konzentrieren.

Man muss sich natürlich auch mit den Folgeschäden
auseinander setzen. Dazu zählen die deutliche Erhöhung
der Überschwemmungsgefahr, Grundwasseranstieg und
Trinkwasserverschwendung, die es in großem Maße
gibt. Außerdem sind die drastischen Absenkungen zu
nennen, die teilweise bis zu 14 Meter betragen. Wenn
man sich das konkret vor Ort ansieht, dann weiß man,
dass die Menschen, die dort Häuser gebaut haben, sehr
stark betroffen sind.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)


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(C (D Ich bin der Meinung, dass die FDP in diesem Zusamenhang nur Krokodilstränen vergießt. Wo waren Sie on der FDP denn bei Garzweiler II? Es ging dabei um anze Dörfer, die abgebaggert werden mussten. Es ging abei aber auch um echte Klimaschutzund Umweltchutzfragen. Es war gerade die FDP in Nordrhein-Westalen, die mit fliegenden Fahnen für Garzweiler II geämpft hat. Da kann ich nur sagen: Lassen Sie Ihre rokodilstränen! Wenn, dann müssen Sie stringent arguentieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Bei einer Nachfolgeregelung zur Kohlesubvention
uss es – das sage ich ganz deutlich – einen weiteren
egressionspfad geben. Wenn wir den bisher bestehen-
en Degressionspfad fortsetzen, dann bedeutet das circa
00 Millionen Euro pro Jahr weniger. Das ist die Größe,
n der wir uns messen lassen müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus sind wir der Meinung, dass wir bei

en Überlegungen, welche Zechen geschlossen werden
ollen, auch Qualitätskriterien berücksichtigen müssen,
lso welche Folgeschäden es bei der jeweiligen Zeche
ibt. Warndt/Luisental oder Walsum sind zwei Zechen,
ie besonders weit reichende Folgeschäden hervorrufen.
ch fände es gut, wenn wir zu dem Kompromiss kom-
en würden, dass dies die nächsten Zechen sind, die ge-
chlossen werden.
Abschließend komme ich auf die Rechte der Betroffe-

en zu sprechen. Das Bundesberggesetz stammt noch
us preußischer Zeit. Ich glaube nicht, dass es noch un-
erem heutigen Demokratieverständnis entspricht. In
ordrhein-Westfalen gibt es den scherzhaften Spruch:
erfassung bricht Bundesrecht, Bergrecht bricht Verfas-
ung. Ich glaube, wir sollten im Zusammenhang mit der
teinkohlesubvention auch darüber sprechen, ob wir
icht, was die Rechte der Betroffenen betrifft, das Bun-
esberggesetz an das heutige Niveau anpassen. Ich
inde, es gehört zu einem Gesamtpaket dazu, dass die
echte der Betroffenen gestärkt werden.
Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505321800


Ich erteile das Wort dem Kollegen Karl-Josef
aumann, CDU/CSU-Fraktion.

Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1505321900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Ich glaube, dass es unter den heutigen Natur-
chutz- und Umweltschutzgesichtspunkten eine Selbst-
erständlichkeit sein muss und dass es an der Zeit ist,
ass sich der Gesetzgeber angesichts der Entwicklung
twa im Abbaugebiet Dinslaken, der großen Sorgen, die
ie Menschen dort haben – diese kann man nicht igno-
ieren; das sieht man auch an der Stärke der Bürgerinitia-
ive –, oder auch angesichts der Auswirkungen der Un-
ertunnelung des Rheins etwa auf den Wasserhaushalt in






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Karl-Josef Laumann
der Region überlegt, wie durch ein modernes Bergrecht
diese Gedanken des Umweltschutzes, die früher bei wei-
tem nicht die Bedeutung gehabt haben wie heute, stärker
berücksichtigt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich vertrete einen Wahlkreis, zu dem auch das Berg-

baugebiet Ibbenbüren gehört. Ich weiß sehr wohl, wie
schwer es ist, eine ländliche Region, die seit vielen Ge-
nerationen vom Bergbau geprägt ist, umzustrukturieren,
um den Menschen in dieser Region auch ohne Bergbau
eine Perspektive zu geben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben in den vergangenen Jahren vieles geschafft.

Vor 20 Jahren waren auf dem Bergwerk, von dem ich
gerade gesprochen habe, noch 8 000 Leute beschäftigt.
Heute arbeiten auf diesem Bergwerk noch 2 600 Leute.
Im Arbeitsamtsbezirk Rheine im Kreis Steinfurt – das
liegt im Tecklenburger Land – haben wir die niedrigste
Arbeitslosenquote in ganz Nordrhein-Westfalen. Das
heißt, diese Region hat einen guten Teil der Umstruktu-
rierung mit einem lebenden Bergbau geschafft. Ich
glaube, dass diese Umstrukturierung nur Schritt für
Schritt und mit einem lebenden Bergbau möglich ist.

Ich will ein weiteres Beispiel nennen. Als ich 1990 in
den Bundestag kam, damals war die Kohlepolitik auch
wieder einmal Thema – das ist temporär alle paar Jahre
der Fall –,


(Elke Ferner [SPD]: Bei Ihnen ist es temporär, ja!)

konnten wir uns – daran kann ich mich gut erinnern – eine
Ruhrkohle AG als einen der industriellen Kerne im Ruhr-
gebiet ohne die Steinkohle gar nicht vorstellen.


(Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehen Sie mal, wie fantasielos Sie damals schon waren!)


Schauen wir uns die Ruhrkohle AG heute einmal an.
Sie macht in Deutschland mehr Umsatz mit Chemie und
Immobilien als mit der Steinkohle. Es ist gut, dass ein so
wichtiger Arbeitgeber für Nordrhein-Westfalen diese
Umstrukturierung mit einem lebenden Bergbau Schritt
für Schritt geschafft hat. Für Nordrhein-Westfalen und
die Menschen, die bei der RAG beschäftigt und dort auf
Arbeit und Brot angewiesen sind, ist das eine gute Ent-
wicklung. Im Übrigen hat die Union diese Entwicklung
bei der RAG politisch schon unterstützt, als die SPD im
Ruhrgebiet das noch für Vaterlandsverrat gehalten hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Natürlich hat die FDP in einem Punkt ihres Antrages

Recht: Die Bundesregierung muss mit der Deutschen
Steinkohle AG noch in diesem Jahr darüber reden, wie
es ab 2005 weitergehen soll; denn gerade im Bergbau
braucht man Planungssicherheit und vernünftige Vor-
läufe.


(Elke Ferner [SPD]: Ganz genau!)

Das ist aber auch der einzige Punkt, den ich in Ihrem
Antrag unterschreibe.

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(C (D Ich meine, wenn die Bundesregierung das jetzt tun will, ann muss sie ein energiepolitisches Gesamtkonzept haen. Dieses kann ich bei der Bundesregierung zurzeit icht erkennen. (Beifall bei der CDU/CSU – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Fehlanzeige!)


ch glaube auch, dass die Steinkohle nur in einem Ener-
iemix aus Kernenergie, fossilen Brennstoffen und rege-
erativen Energien darstellbar ist. Deswegen bedauere
ch es sehr, dass diese Koalition den Ausstieg aus der
ernenergie im Grunde beschlossen hat.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das war gut! – Elke Ferner [SPD]: Nicht „im Grunde“, sie hat es beschlossen!)


Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die Subventi-
nen für die erneuerbaren Energien über den Strompreis
ie Subventionen für den Steinkohlebergbau im nächs-
en Jahr zum ersten Mal übersteigen werden.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr!)


och einmal ganz ruhig: Die Subventionen für die er-
euerbaren Energien über den Strompreis werden die
ubventionen für den deutschen Steinkohlebergbau im
ächsten Jahr übersteigen.


(Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Position im Bundeshaushalt ist das denn?)


Ich habe ja gesagt: über den Strompreis.
Ich sage Ihnen: Diese Subvention, die Sie für die er-

euerbaren Energien über den Strompreis organisieren,
ichert in Deutschland nur etwa ein Zehntel der Kilo-
attstunden, die die Steinkohle mit der gleichen Sub-
ention produziert. Ich finde, auch das muss man dabei
edenken.
Ich glaube auch, dass wir gut überlegen sollten, ob
ir am Ende nicht doch einen lebenden Restbergbau
ber das Jahr 2010 hinaus behalten müssen,


(Beifall des Abg. Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU] sowie bei der SPD)


eil es in Deutschland – das muss man bedenken – auch
ergbautechnologie gibt.


(Elke Ferner [SPD]: So ist das! – Dieter Grasedieck [SPD]: Ja, genau!)


s ist unstreitig, dass die Steinkohle, dieser fossile
rennstoff, in diesem Jahrhundert für die Energieversor-
ung dieser Erde eine enorme Bedeutung haben wird.


(Elke Ferner [SPD]: Ganz genau! Mehr Steinkohle!)


Wenn ich richtig informiert bin, dann liefert der deutsche
aschinenbau etwa 45 Prozent der Bergbautechnologie,
ie weltweit gekauft wird. Mir wird gesagt, dass diese
erkäufe oft nur deswegen zustande kommen, weil die
eute aus China, Südamerika und Russland vor Ort se-
en, wie diese Maschinen arbeiten.






(A) )



(B) )


Karl-Josef Laumann

(Christoph Hartmann [Homburg] [FDP]: Das muss auch vor Ort geschehen! Sie können sich das ja auch nirgendwo anders anschauen!)


– Wir haben modernste Zechen.

(Elke Ferner [SPD]: Das ist wohl wahr!)


Viele hier im Bundestag sagen, dass wir den Metro-
rapid in Deutschland brauchen, weil wir diese Technolo-
gie verkaufen wollen. Ich glaube, das könnte auch ein
Argument für eine weltweit so wichtige Technologie wie
die Bergbautechnologie sein, was man mit berücksichti-
gen sollte.


(Beifall des Abg. Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU] sowie bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505322000


Herr Kollege Laumann, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Ulrich?


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1505322100

Ich gestatte gern eine Zwischenfrage.

Hubert Ulrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505322200

Wenn die Logik, die Sie für den Referenzbergbau an-

führen, auch für andere Zweige gilt, dann müssten wir
im Prinzip für alle Produkte, die Deutschland stark in die
Welt exportiert, Referenzanlagen vorweisen können.

Ich frage Sie: Ist das so? Ich nenne als Beispiel Meer-
wasserentsalzungsanlagen. Wo laufen diese denn in
Deutschland? Sie werden doch trotzdem von Deutsch-
land exportiert. Ich halte Ihr Argument mit den Refe-
renzanlagen für völlig falsch und an den Haaren herbei-
gezogen.


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1505322300

Ich sage noch einmal ganz ruhig: Ich glaube, dass es

sich eine Volkswirtschaft, die Wohlstand und soziale Si-
cherung nur über exportfähige Produkte verteidigen
kann, gut überlegen sollte, ob sie aus einem Markt, der
weltweit noch viele Jahre, wahrscheinlich noch dieses
Jahrhundert, eine riesige Rolle spielt, schlicht und er-
greifend aussteigt.


(Beifall bei der SPD)

Dies gilt in besonderem Maße, weil wir in diesem Be-
reich schon Anteile am Weltmarkt haben. In anderen Be-
reichen müssen wir sie uns erst erkämpfen. Dies ist zu
berücksichtigen.

Ich finde es in Ordnung – das sage ich deutlich –, dass
sich bis jetzt in Deutschland nur eine Partei klar geäußert
hat, wie sie sich das mit der Kohle in Zukunft vorstellt,
nämlich die CDU in Nordrhein-Westfalen.


(Lachen bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Die CDU gibt es aber nicht nur in Nordrhein-Westfalen!)


Der CDU-Landesverband Nordrhein-Westfalen hat klar
gesagt, dass zwar eine weitere Degression bei den Koh-

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(C (D ebeihilfen nötig sein wird und eine Halbierung dieser eihilfen bis 2010 gut vorstellbar ist, weil er sieht, dass in Abbau der Kohlesubventionen notwendig ist, um in nderen staatlichen Bereichen sowohl auf der Landesbene wie auf der Bundesebene für Zukunftsaufgaben andlungsfähiger zu werden. Aber wir werden deutlich or 2010 die Frage beantworten müssen: Haben wir gute ründe, einen Restbergbau zu behalten? Aus meiner ersönlichen Sicht gibt es schon heute dafür Gründe. Schönen Dank. Es ist allzu schade, dass ich zur Position der CDU in ordrhein-Westfalen von dieser Stelle aus nichts vortraen darf, obwohl mir dazu manches einfiele. Nun hat die Kollegin Elke Ferner für die SPD-Frak ion das Wort. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr artmann, der Antrag, den Sie fabriziert haben, ist – das uss ich schon sagen – der klassische Schaufensteranrag. n Ihrem Wahlprogramm haben Sie noch gefordert, den esamtsubventionsbetrag für den Zeitraum 2002 bis einchließlich 2005 zu halbieren, danach überhaupt keine eihilfen mehr zu zahlen und natürlich auch betriebsbeingte Kündigungen in Kauf zu nehmen. Davon steht in em heute von Ihnen vorgelegten Antrag überhaupt ichts. Die Debatte um den Subventionsabbau wird im Übri en sehr scheinheilig geführt. Alle sind für Subventionsbbau. Wenn es aber konkret wird, dann fällt den meisen die Steinkohlefinanzierung ein, aber nicht die brigen Subventionstatbestände. Ich will noch einmal die Zahlen nennen, damit sie ndlich zur Kenntnis genommen werden: Von 1996 bis 003 sind die Beihilfen um 2 Milliarden Euro zurückgeangen; das sind über 43 Prozent. Im Jahr 2005 wird iese Summe bei knapp 2,1 Milliarden Euro liegen; das st eine Reduzierung der Subvention des deutschen teinkohlebergbaus von über 55 Prozent in zehn Jahren. lle können einmal nachrechnen, was das in anderen ubventionsbereichen bedeutete, egal ob in der Landirtschaft oder in anderen Bereichen. Aber falls es dazu ommen sollte, werden hier am Pult andere stehen, um u erklären, warum das nicht möglich ist. 1997 waren im deutschen Steinkohlebergbau noch 8 000 Menschen beschäftigt. Die Zielgröße für 2005 iegt bei 36 000 Beschäftigten. Bei der Reduzierung des ersonals hat der deutsche Steinkohlebergbau also eine eutliche Vorleistung gebracht. Man muss ebenfalls Elke Ferner erwähnen, dass all dies sozialverträglich geschehen ist. Dies sollte auch in Zukunft so sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505322400

(Heiterkeit)

Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1505322500

(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)





(A) )


(B) )


Wir dürfen nicht vergessen, dass mit den Kohlebeihilfen
nicht nur die 46 100 Arbeitsplätze bei der Deutschen Stein-
kohle gesichert werden, sondern dann, wenn man den Fak-
tor 1,3 unterstellt, indirekt auch weitere 60 000 Arbeits-
plätze bestehen bleiben. Das heißt, wir reden hier über
100 000 Arbeitsplätze, die direkt und indirekt von den
Kohlebeihilfen abhängen. Wer in Zeiten hoher Arbeits-
losigkeit meint, 100 000 Arbeitsplätze seien vernachläs-
sigbar, der soll bitte schön mit den Menschen und ihren
Familien in den ohnehin von Arbeitslosigkeit überpro-
portional betroffenen Regionen reden. Dort wird er an-
deres zu hören bekommen.


(Beifall bei der SPD)

Dann kommt das beliebte Argument, das Herr

Hartmann eben auch gebracht hat, nämlich die Summe
der Kohlebeihilfen durch die Anzahl der im Kohleberg-
bau Beschäftigten zu dividieren. Dann kommt man auf
einen Betrag x je Arbeitsplatz. Dabei wird völlig verges-
sen, dass noch wesentlich mehr Arbeitsplätze in anderen
Bereichen vom Bergbau abhängen, es wird vergessen,
dass Mehrwertsteuer, Lohnsteuer und Unternehmen-
steuer gezahlt werden und, wenn 100 000 Leuten gekün-
digt würde, auch Arbeitslosengeld zu finanzieren ist.
Das fällt nicht vom Himmel. Es muss auch irgendwo
herkommen.


(Beifall bei der SPD)

Vielleicht sollten Sie sich alle einmal die Mühe machen,
diese Rechnung aufzumachen. Sie werden dann sehen,
dass Sie zu anderen Ergebnissen kommen.

Es wird immer wieder gesagt, dass der Bergbau eine
Auslauftechnik ist. Ich fordere Sie auf, sich die Technik
einmal unter Tage anzuschauen.


(Christoph Hartmann [Homburg] [FDP]: Das habe ich schon!)


Ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal unter Tage ge-
wesen sind. Das ist Hochtechnologie, was wir dort ha-
ben. Wenn es so ist, dass die Bergbautechnik – im Übri-
gen auch die Kraftwerkstechnik – in Deutschland zur
Weltspitze gehört


(Beifall bei der SPD)

und wir deutliche Vorteile beim Export auf dem Welt-
markt haben, dann muss man sich vergegenwärtigen,
was das für die Zukunft bedeutet. Wenn Schwellenländer
wie China und andere in den nächsten Jahrzehnten einen
höheren Energiebedarf haben werden und diesen durch
ihre Kohlevorräte decken werden, dann wären wir doch
mit dem Klammersack gepudert, wenn wir es nicht
schaffen würden, die modernsten Anlagen der Bergbau-
technik und der Kraftwerkstechnik dorthin zu exportie-
ren. Denn das, was wir dort durch die moderne Techno-
logie an CO2 einsparen, könnten wir hier selbst dann

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(C (D icht einsparen, wenn wir die Steinkohleverfeuerung anz einstellen würden. ch möchte noch einmal auf unser schönes Bundesland urückkommen, Herr Hartmann, aus dem wir beide ommen. Dass jemand, der Landesvorsitzender einer artei im Saarland ist, im Zusammenhang mit der künftien Finanzierung des Bergbaus negiert, dass insgesamt 5 000 Arbeitsplätze direkt und indirekt vom Bergbau bhängen, finde ich schon etwas merkwürdig. Sie gehen berhaupt nicht darauf ein, was kommen soll, wenn die ubventionen ab 2005 wegfallen. (Christoph Hartmann [Homburg] [FDP]: Das steht ja gar nicht im Antrag! Wer lesen kann, der ist im Vorteil!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ch muss eines zum Thema Planungssicherheit sagen.
ie Regierung aus CDU/CSU und FDP, die vor 1998 im
mt war, hat alle zwei bis spätestens drei Jahre angefan-
en, die Vereinbarungen, die über längere Zeiträume ge-
olten haben, infrage zu stellen und damit Verunsiche-
ung bei den Unternehmen, den Beschäftigten und den
enschen in den Regionen hervorgerufen.
Diese Bundesregierung hat den Kohlekompromiss

on 1997 eingehalten. Wir werden eine tragfähige An-
chlussfinanzierung finden. Darauf haben wir uns im
oalitionsvertrag verständigt. Wenn man sich das alles
nschaut, dann ist klar, dass wirtschaftliche und indivi-
uelle Interessen vor Ort in den Bergbauregionen bei
en Bergschäden aufeinander stoßen. Ich würde mir
uch wünschen, dass es an der einen oder anderen Stelle
twas unbürokratischer zugeht und vielleicht noch weni-
er als bisher von den Gerichten in der Frage der Scha-
enregulierung geklärt werden müsste. Aber die Alter-
ative kann nicht sein, dass der Ausstieg aus dem
teinkohlebergbau in Deutschland beschlossen wird. Ich
laube, damit würden wir uns allen einen Bärendienst
rweisen.
Deshalb können wir Ihren Antrag nur ablehnen.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505322600


Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 15/475 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 12 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über die Verwendung von Verwaltungsdaten für

(Verwaltungsdatenverwendungsgesetz – VwDVG)


– Drucksache 15/520 –






(A) )


)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert

(Erste Beratung 31. Sitzung)

a) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-


(9. Ausschuss)

– Drucksache 15/1229 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Gudrun Kopp


(8. Ausschuss)

– Drucksache 15/1237 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Volker Kröning
Kurt J. Rossmanith
Anja Hajduk
Jürgen Koppelin

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung war für
diese Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Da es
dazu keinen Widerspruch gibt, ist das so beschlossen,
wenngleich wir diese damit vereinbarte Zeit vermutlich
nicht gänzlich brauchen, weil von den angemeldeten
Rednern, nämlich dem Parlamentarischen Staatssekretär
Gerd Andres und dem Kollegen Fritz Kuhn und der Kol-
legin Gisela Piltz, die sorgfältig vorbereiteten Reden zu
Protokoll gegeben werden1). Der Parlamentarische
Staatssekretär Gerd Andres hat das mit der Erwartung
verbunden, dass seine besonders sorgfältig vorbereitete
Rede in Marmor gemeißelt und in Glasvitrinen aus-
gestellt wird.

Das kann ich – schon wegen des Risikos von Wieder-
holungsfällen – ausdrücklich nicht zusagen. Dennoch
nehmen wir das Angebot, die Rede zu Protokoll zu ge-
ben, dankbar zur Kenntnis.

Ich erteile nun dem Kollegen Hartmut Schauerte das
Wort und weise ihn ausdrücklich darauf hin, dass ihm
keineswegs die gesamte eingesparte Redezeit zur Verfü-
gung steht.


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1505322700

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Ich gehöre zu der kleiner werdenden Minderheit in
diesem Haus, die dem Wort den Vorrang gegenüber der
in Marmor gemeißelten Schrift gibt.

Ich wende mich jetzt kurz dem vorliegenden Gesetz-
entwurf zu. Wir alle wollen, dass insbesondere zuguns-
ten des Mittelstands unnötiger Ballast durch statistische
Erhebungen verringert bzw. beseitigt wird. Das soll mit
dem Gesetzentwurf erreicht werden. Wir halten dieses
Gesetz für ungeeignet, um das angestrebte Ziel zu errei-
chen.

Wir haben ein besonderes Anliegen: Wir würden es
begrüßen, wenn ein solches „Gesetzchen“, um das es
heute geht und das der Zustimmung des Bundesrates be-
darf, vorher mit dem Bundesrat abgestimmt wird, damit
eine Chance besteht, dass es zur Verabschiedung kommt.
Sie beschäftigen das Parlament im zunehmenden Maße

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1) Anlage 2

(C (D it Initiativen, bei denen nichts herauskommt. Ich kann hnen schon jetzt versichern, dass der Bundesrat den Geetzentwurf nicht akzeptieren wird. Deswegen wird er ann an den Vermittlungsausschuss überwiesen und ereut im Parlament beraten werden. Der Gesetzentwurf ist nicht solide genug vorbereitet. eswegen werden wir ihn in der zweiten und dritten Beatung ablehnen. (Abg. Gerd Andres [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Wenn es darum geht, mir eine Frage zu stellen, würde
ch sie ausnahmsweise zulassen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505322800


Nun erhält der Kollege Andres das Wort für eine in
armor gemeißelte Zwischenfrage.


Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1505322900

Herr Kollege Schauerte, Sie wissen, dass ich auch da-

in geübt bin, frei zu sprechen. Das verleitet mich zu der
rage, ob es möglich ist, dass Sie nicht dazu gekommen
ind oder nicht die Gelegenheit hatten, ein Manuskript
nzufertigen, und dass Sie dieser Sachverhalt zwingt,
ine Rede zu halten.


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wäre es nicht jenseits des generellen Vorwurfs an die
undesregierung, dass wir alles schlampig und schlecht
orbereitet hätten, möglich, alle Redebeiträge zu diesem
agesordnungspunkt zu Protokoll zu geben, weil sie
ahrscheinlich keinen Menschen mehr interessieren?

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1505323000

Wir hatten verabredet, dass ich Sie nur zwei Minuten

ufhalten würde, aber jetzt zwingen Sie mich, daraus
rei zu machen.


(Heiterkeit im ganzen Hause)

Ich sehe mich in diesem Hohen Hause absolut auf der

ichtigen Seite; denn wir werden immer wieder dazu er-
ahnt, nicht abzulesen, wie Sie es wahrscheinlich getan
ätten, sondern frei zu sprechen.


(Beifall bei der FDP)

arum habe ich mich bemüht. Ich meine aber, dass wir
ie Debatte an dieser Stelle abbrechen können. Arbeiten
ie in Zukunft etwas weniger an der schriftlichen Vorbe-
eitung Ihrer Reden und dafür etwas solider an den Ge-
etzen!
Herzlichen Dank.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(B)







(A) )



(B) )


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505323100


Um eine völlig unnötige Kontroverse über die Ge-
schäftsordnung zu vermeiden, weise ich zu dem Disput
zwischen den Kollegen Andres und Schauerte abschlie-
ßend auf § 33 unserer Geschäftsordnung mit der Über-
schrift „Die Rede“ hin:

Die Redner sprechen grundsätzlich in freiem Vor-
trag. Sie können hierbei Aufzeichnungen benutzen.

Ich füge der Vollständigkeit hinzu: Aufzeichnungen,
die man nicht hat, kann man auch nicht benutzen.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Nun schließe ich die Aussprache.
Ich komme zur Abstimmung über den von der Bun-

desregierung eingebrachten Entwurf eines Verwaltungs-
datenverwendungsgesetzes auf Drucksache 15/520. Der
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit empfiehlt in seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/1229, den Ge-
setzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung gegen die
Stimmen der CDU/CSU-Fraktion angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben.
– Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist
dieser Gesetzentwurf mit der gleichen Mehrheit auch in
dritter Beratung angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a bis 7 c auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-

gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die An-
passung von Dienst- und Versorgungsbezügen in

(Bundesbesoldungsund -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 – BBVAnpG 2003/2004)

– Drucksachen 15/1186, 15/1223 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO

b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines... Gesetzes zur Änderung
dienstrechtlicher Vorschriften

– Drucksache 15/1021 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss

c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung
Zweiter Versorgungsbericht der Bundesregie-
rung

– Drucksache 14/7220 –

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1)

(C (D Überweisungsvorschlag: Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Verteidigungsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung war auch ierzu eine Aussprache von 30 Minuten vorgesehen. (Gerd Andres, Parl. Staatssekretär: Alle freien Reden werden zu Protokoll gegeben!)


ie Kollegen Hans-Peter Kemper, Stephan Mayer,
lemens Binninger und Ernst Burgbacher geben ihre
eden zu Protokoll.1)


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Und die des Parlamentarischen Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auch! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meine auch!)


Ich bitte um Nachsicht. Wir nehmen selbstverständlich
uch diese zu Protokoll. Ich konnte eben nur die Namen
erjenigen förmlich mitteilen, die mir annonciert waren.
as ist einer der seltenen Augenblicke, in denen das Prä-
idium nicht alles weiß. Wir ergänzen aber gerne.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen

uf den Drucksachen 15/1186, 15/1223, 15/1021 und 14/
220 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus-
chüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? –
as ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so be-
chlossen.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Siegmund Ehrmann, Karin Kortmann, Detlef
Dzembritzki, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo
Hoppe, Hans-Christian Ströbele, Volker Beck

(Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion

des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Auf dem Weg zur Erreichung der Millennium
Development Goals (MDGs) – Probleme bei
der Zielerreichung erkennen und bewältigen

– Drucksache 15/1005 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

Keine Sorge, der Antrag ist in deutscher Sprache ver-
asst.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache ebenfalls eine halbe Stunde vorgesehen. –
azu gibt es keinen Widerspruch.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-

er das Wort dem Kollegen Klaus Werner Jonas für die
PD-Fraktion.

Anlage 3






(A) )



(B) )


Klaus Werner Jonas (SPD):
Rede ID: ID1505323200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um Nachsicht, dass
ich Sie jetzt strapaziere. Aber ich glaube, es gibt nichts
Besseres, als seine Jungfernrede in heiterer Runde zu
halten. Aus diesem Grunde habe ich mich in Absprache
mit unserer Geschäftsführung dazu entschlossen, zu re-
den.

Über 50 Jahre hat sich die Welt drastisch verändert.
Die Grenzen in Europa sind in diesem Zeitraum größten-
teils verschwunden. Die Mauern sind gefallen. Die
neuen Informations- und Kommunikationstechnologien
bringen die Menschen näher zueinander. Es ist eine viel
versprechende Welt, aber auch eine Welt, in der leider
ein großer Teil der Menschen von den Errungenschaften
der Technologie und der Kultur ausgeschlossen ist.
Während ein Sechstel der Weltbevölkerung eine Lebens-
qualität genießt, wie es sie noch nie gegeben hat, leidet
ein anderes Sechstel der Weltbevölkerung unter großem
Hunger, Krankheit, Armut und höchster Unsicherheit.
1,2 Milliarden Menschen leben in unserer Welt mit we-
niger als 1 US-Dollar pro Tag und sind damit als extrem
arm einzustufen.

Angesichts dessen wird der eine oder andere sicher-
lich fragen: Was gehen uns diese Zahlen an, da wir doch
zu dem besser gestellten Sechstel der Weltbevölkerung
gehören? Obwohl wir unsere eigenen Probleme haben
– die Arbeitslosigkeit, die Entwicklung in den neuen
Bundesländern, die anstehenden Reformen in den Ge-
sundheits- und Sozialsystemen –, gibt es in der Bevölke-
rung Verständnis für die Notwendigkeit der Entwick-
lungszusammenarbeit. Hier möchte ich ganz deutlich
feststellen: Armut, Krankheit, Kriege, ob hier oder auf
anderen Kontinenten, diese Probleme gehen uns sehr
wohl etwas an; denn sie haben Auswirkungen bis in un-
sere Hemisphäre. Gerade in dieser Woche haben wir im
Europarat zu diesem Thema feststellen müssen, dass die
Auswirkungen für uns von erheblicher Bedeutung sind.
Ich denke nur an das Problem des Menschenhandels in
Zentralasien. Ich nenne in Bezug auf die Umwelt als
Stichworte nur den Klimawechsel und die Umweltkata-
strophen, in Bezug auf unsere Gesellschaft die Migration
und – aus ökonomischer Sicht – die Weltwirtschafts-
krise.

Als die Staats- und Regierungschefs die Millenniums-
erklärung der Vereinten Nationen unterzeichnet ha-
ben, haben sie diese Tatsache offiziell anerkannt. Nir-
gendwo werden die Herausforderungen, vor denen wir
stehen, besser als in dieser Millenniumserklärung be-
schrieben. Mit dieser Erklärung haben die Staaten einen
bemerkenswerten Schritt getan, indem sie sich verpflich-
teten, gemeinsam die globalen Probleme anzugehen. In
dieser Erklärung manifestieren sich konkrete und zum
Teil klar bezifferte Ziele, etwa die Halbierung der Armut
in der Welt bis 2015, aber auch die Themen Frieden, Si-
cherheit, Abrüstung, Demokratie, Entwicklung, Um-
weltschutz und Menschenrechte. Halbierung der Armut
der Welt bezieht sich auf diejenigen Menschen, die mit
weniger als 1 Dollar pro Tag leben müssen.

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(C (D Die Millenniumserklärung gibt einen roten Faden vor, n dem wir unser politisches Handeln orientieren müsen, insbesondere im Bereich der wirtschaftlichen Zuammenarbeit und der Entwicklungszusammenarbeit. eit September 2000 wurden konkrete Schritte eingeleiet, um die Millenniumserklärung umzusetzen und die rmutsbekämpfung in den Mittelpunkt zu stellen. Im März 2002 fand in Monterrey eine Konferenz über ie Finanzierung der Entwicklung statt. Daraufhin verflichtete sich die Europäische Union, die Mittel ihrer itgliedstaaten für die Entwicklungshilfe auf durchchnittlich 0,39 Prozent des Bruttoinlandsproduktes anuheben. Mitgliedstaaten, deren Beitrag unter diesem ert lag, wurden aufgefordert, ihre Mittel für die Enticklungszusammenarbeit auf mindestens 0,33 Prozent es Bruttoinlandsproduktes anzuheben. In diesem Konext hat auch die Bundesregierung im Jahr 2002 die aushaltsmittel für die Entwicklungszusammenarbeit uf 0,27 Prozent des Bruttoinlandsproduktes angehoben nd will sie bis 2006 schrittweise auf 0,33 Prozent erhöen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im April 2001 wurde das Aktionsprogramm 2015
om Bundeskabinett beschlossen, in dem Deutschland
einen Beitrag zur Erreichung der Millennium Develop-
ent Goals festlegt. Trotz der Bemühungen sowohl auf
nternationaler als auch auf nationaler Ebene gibt es aber
eträchtliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung.
Aus dem Bericht des UN-Generalsekretärs vom Herbst

002 über die Umsetzung geht hervor, dass 13 Jahre vor
er gesetzten Frist die Fortschritte in der Armuts-
ekämpfung weitgehend unzureichend sind. Während
avon ausgegangen werden kann, dass Teile Süd- und
stasiens die festgelegten Ziele erreichen können, wenn
ie ihren Kurs fortsetzen, haben Regionen wie Lateiname-
ika, Afrika und große Teile Zentralasiens nur kleine Fort-
chritte, wenn nicht sogar tragische Rückschritte zu ver-
eichnen. Deshalb stellen wir diesen Antrag.
Die Probleme müssen erkannt werden. Von der Bun-

esregierung muss erwartet werden, dass sie in ihrer Po-
itik Fortschritte macht. Der Bundestag hat die Aufgabe,
ie Bundesregierung hierbei nachhaltig zu unterstützen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch der Deutsche Bundestag muss seinen Beitrag zu
er beispiellosen Anstrengung der Völker und der Staa-
en leisten, die Globalisierung aktiv mitzugestalten, in-
em er der Bundesregierung den Rücken stärkt und dort,
o es nötig ist, auch Lösungsansätze vorträgt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In diesem Antrag benennen wir die einzelnen anste-
enden Aufgaben. Ich bitte Sie ganz herzlich: Unterstüt-
en Sie diesen Antrag! Stimmen Sie zu! Zeigen wir, dass
er Deutsche Bundestag die Armutsbekämpfung als ei-
en der Eckpfeiler der deutschen Außenpolitik betrach-
et! Wir werden in Zukunft Nutznießer sein, wenn die






(A) )



(B) )


Klaus Werner Jonas
Armut in der Welt nachhaltig gesenkt wird; denn es ent-
bindet uns von vielen anderen Aufgaben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505323300


Herr Kollege Jonas, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ers-
ten Rede im Deutschen Bundestag, verbunden mit allen
guten Wünschen für die weitere parlamentarische Ar-
beit.


(Beifall)

Nun hat der Kollege Dr. Ralf Brauksiepe für die

CDU/CSU-Fraktion das Wort. Ich glaube, das ist min-
destens schon seine zweite Rede.


Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1505323400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Jonas, ich schließe mich der Gratulation
ausdrücklich an, auch wenn ich sagen muss: Ich hätte
mir gut vorstellen können, diese Debatte hier bei einer
größeren Präsenz – auch von meiner Arbeitsgruppe – zu
führen. Da aber der FDP-Redner noch nicht da ist,


(Dirk Niebel [FDP]: Langsam! Ganz langsam!)


muss ich Ihnen jetzt ziemlich langsam, aber hoffentlich
deutlich ein paar Dinge zu den Millennium Development
Goals ins Stammbuch schreiben.

CDU und CSU unterstützen die so genannten Millen-
niumsentwicklungsziele, die die Vereinten Nationen – es
ist schon angesprochen worden – unter anderem mit ih-
rer Millenniumserklärung im Jahr 2000 und auch im
Monterrey-Konsens verkündet haben. Diese Ziele liegen
inhaltlich in der Kontinuität unserer jahrzehntelang be-
triebenen Politik und sind für die Zukunft auch eine
durchaus nützliche, stetige Mahnung an die Menschheit,
entschieden gegen Hunger, Armut und Umweltzerstö-
rung einzutreten.

Nun ist es sicherlich sinnvoll, sich auch ehrgeizige
politische Ziele zu setzen, wenn denn dieser Ehrgeiz
dazu führt, dass zur Zielerreichung zumindest auch das
maximal Mögliche unternommen wird. Schlecht ist
allerdings, wenn ehrgeizige, als konkrete politische
Handlungsvorgabe eher wenig geeignete Ziele lediglich
ständig propagiert werden, in der harten entwicklungs-
politischen Alltagsarbeit aber keinen Niederschlag fin-
den. Das ist nun einmal genau die Situation, die wir in
der deutschen Entwicklungspolitik festzustellen haben.
Der Versuch, insbesondere das Millenniumsziel der Hal-
bierung der weltweiten absoluten Armut bis zum Jahr
2015 in ein nationales Aktionsprogramm zu gießen, ist
leider kläglich gescheitert. Deswegen drängt sich für uns
der Verdacht auf, dass Sie diese Ziele mehr wie eine
Monstranz vor sich hertragen, um den stetigen sowohl
finanziellen als auch qualitativen Niedergang der deut-
schen Entwicklungspolitik zu kaschieren. Sie werden

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(C (D erständnis dafür haben, dass wir diese Ablenkungsstragie nicht mitmachen. Es ist schon so. Sie haben zu dem Thema einen Antrag vorgelegt. Ich eiß nicht, wer von Ihnen diesen Antrag gelesen hat. Er t sehr lang. Zugegebenermaßen ist es kein Vergnügen, ich da durchzukämpfen. Ich habe das einmal gemacht nd mein Eindruck ist: Darin steht manches, was Ihre eienen engagierten Entwicklungspolitikerinnen und Enticklungspolitiker nicht so schön finden, wie sich das uf dem Papier vielleicht liest. Ich lese da zum Beispiel: Zur Erreichung der Millenniumsziele sind sowohl enorme Eigenanstrengungen der von Hunger und Elend betroffenen Nationen als auch grundlegende Reformen auf internationaler Ebene erforderlich. as ist so weit richtig, ist aber auch nicht alles. Es sind icht nur die Empfängerländer gefordert und es sind icht nur internationale Organisationen gefordert, sonern auch wir selbst sind gefordert, verstärkte Anstrenungen zu unternehmen. Der Drehund Angelpunkt dieer Debatte, die wir zu führen haben, ist – das zu hören ann ich Ihnen auch zu dieser vorgerückten Zeit nicht erparen –, dass die Höhe unserer eigenen entwicklungsolitischen Anstrengungen in Deutschland völlig unzueichend ist. Das ist seit Jahren so und die Tendenz sieht icht besser aus. Sie bekennen sich in dem Antrag noch einmal dazu, ie öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen zu erhöen. Sie nennen die Zahl von 0,39 Prozent des Bruttoinndsprodukts. Sie sind bisher aber nicht einmal in der age, den auf europäischer Ebene für das Jahr 2006 festelegten Mindestzielwert von 0,33 Prozent zu erreichen. (Karin Kortmann [SPD]: Wo Sie ihn 1998 heruntergebracht haben!)


(Zuruf der Abg. Karin Kortmann [SPD])


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben in einer Anfrage die Bundesregierung aus-
rücklich gebeten, einmal zu konkretisieren, wie das er-
eicht werden soll. Nichts! Fehlanzeige! Sie sind nicht in
er Lage, Mindestziele darzustellen, und tragen doch
ohe Ziele wie eine Monstranz vor sich her.
Sie schreiben in Ihrem Antrag als Erfolgsmeldung,

ass dem BMZ die federführende Koordination für den
msetzungsprozess zur Erreichung der Millenniums-
iele übertragen worden ist. Das klingt auch so weit gut.
ber einig sind wir uns darüber: Besser als eine feder-
ührende Koordinierung wären mehr finanzielle Mittel
ür die Entwicklungszusamenarbeit, wie Sie sie immer
ersprochen haben, was Sie aber bis heute nicht einge-
alten haben.
Sie haben durch Ihre Bundesministerin im letzten

ahr wiederholt erklären lassen, Sie wollten den Ent-
icklungshilfeetat langsam steigern und den Anteil der
ntwicklungshilfeleistungen am Bruttoinlandsprodukt
angsam steigern. Da war von 0,28 Prozent für das letzte






(A) )



(B) )


Dr. Ralf Brauksiepe
Jahr die Rede. Nicht einmal das haben Sie erreicht. Sie
sind bei den 0,27 Prozent stehen geblieben. Über eines
sind wir uns sicherlich einig: Das lag nicht daran, dass
das Bruttoinlandsprodukt im letzten Jahr so unerwartet
stark gestiegen ist. 0,2 Prozent mehr, das spricht nun
wirklich nicht dafür, dass Sie von Ihrem eigenen Wirt-
schaftswachstum geradezu überrascht und überwältigt
worden sind.

Wir können Sie im Übrigen auch nur davor warnen,
aus falscher Rücksichtnahme gegenüber unseren Part-
nerländern politische Augenwischerei zu betreiben. Es
mag ja sein, dass nach Aussagen der Afrikanischen Ent-
wicklungsbank – Sie zitieren das in Ihrem Antrag – circa
30 effizient wirtschaftende afrikanische Staaten die öf-
fentliche Entwicklungszusammenarbeit hinreichend nut-
zen. Das hieße, dass in mehr als der Hälfte der afrikani-
schen Staaten mit öffentlichen Entwicklungshilfegeldern
effizient gewirtschaftet wird. Bei allem Respekt: Ich
glaube nicht, dass wir davon ernsthaft ausgehen können.
Es nützt auch den Menschen in Afrika nichts, wenn wir
die Illusion nähren, es wäre anders.

Die Europäische Kommission ist da übrigens in ihren
Berichten sehr viel kritischer.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie als Koali-
tionsfraktionen eher zahme Forderungen an die eigene
Regierung stellen, ist ja durchaus nachvollziehbar. Ich
höre gelegentlich von älteren Fraktionskolleginnen und
-kollegen, dass das früher bei uns auch einmal so war.
Sie sollten aber durchaus das zur Kenntnis nehmen, was
die Regierung früher schon einmal gemacht hat. Deswe-
gen geht Ihre Forderung an die Bundesregierung, Instru-
mente wie die Devisentransaktionssteuer, die Sie ja als
innovativ bezeichnen, zu prüfen, in die falsche Richtung.
Das BMZ – die Parlamentarische Staatssekretärin wird
das bestätigen können – hat genau zu diesem Thema be-
reits eine Studie vorgelegt. Sie müssen jetzt einfach ent-
scheiden, ob Sie sich die Forderung nach diesem Instru-
ment, die sich bisher immer nur die PDS auf die Fahnen
geschrieben hat, jetzt zu Eigen machen. Sie haben dazu
eine Untersuchung gemacht; jetzt müssen Sie sich ent-
scheiden. Wir haben dazu eine klare Position und sind
gern bereit, das mit Ihnen zu diskutieren. Die richtigen
Ansätze für eine moderne Entwicklungspolitik im Inte-
resse effizienter Armutsbekämpfung und globaler Zu-
kunftssicherung finden sich nach unserer Überzeugung
aber in anderen Bereichen. Wir haben das bei der De-
batte über die Regierungserklärung der Frau Bundesmi-
nisterin bereits deutlich zum Ausdruck gebracht.

Die deutsche Entwicklungspolitik hat ja in den ver-
gangenen Jahrzehnten überwiegend unter unionsgeführ-
ten Bundesregierungen durchaus beachtliche Erfolge bei
der Armutsbekämpfung erzielt. In unserer globalisierten
Welt gilt es nun, die bilaterale Entwicklungszusam-
menarbeit auch konzeptionell diesen veränderten Rah-
menbedingungen anzupassen und gleichzeitig die längst
überfällige Reform der multilateralen Entwicklungs-
zusammenarbeit mit aller Kraft anzugehen. Wir stellen
aber unser Konzept einer internationalen sozialen
Marktwirtschaft als globale Regelarchitektur, mit der
für Kohärenz zwischen wirtschafts-, finanz- und ent-

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(C (D icklungspolitischen Konzeptionen, für marktwirtchaftliche Effizienz und soziale Balance gleichermaßen esorgt werden kann, Ihrer so genannten internationalen trukturpolitik, die aus unserer Sicht nach wie vor eher minös ist, entgegen. An erster Stelle fordern wir Sie in diesem Zusammen ang wiederum auf, endlich Anstrengungen zu unternehen, um mindestens das erste vereinbarte Zwischenziel on 0,33 Prozent Anteil der Entwicklungshilfe an den ffentlichen Ausgaben bis zum Jahr 2006 zu erreichen. it einem „Weiter so wie in den letzten fünf Jahren!“, ie Sie es hier propagieren, wird uns das nicht gelingen. as würde genau in die falsche Richtung gehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Karin Kortmann [SPD]: Herr Brauksiepe, Ihre Fraktion hört nicht mehr zu!)


Ja, aber das ist bei uns auch Konsens, Frau Kollegin.

(Karin Kortmann [SPD]: Aha, dann hört man nicht mehr zu?)

er Kollege Marschewski als mein erfahrener Ruhr-
ebietskollege wird sich jetzt aus Solidarität bestimmt
leich hinsetzen.
Wir fordern Sie weiterhin auf, die Strukturen der

ffentlichen deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu
erbessern, die Entscheidungen, die seit 1998 Fehlent-
icklungen eingeleitet haben, zurückzunehmen und da-
ei auch verstärkt die großen Potenziale von Kirchen,
ichtregierungsorganisationen und politischen Stiftun-
en zu nutzen. Wir fordern Sie auf, die richtigen Priori-
äten bei unseren Kooperationssektoren zu setzen; das
eißt, verstärkt auf Bildung und Ausbildung sowie auf
ie Verbesserung der staatlichen Rahmenbedingungen in
en Entwicklungsländern selbst, verstärkt auf Demokra-
isierung und gute Regierungsführung sowie auf eine
erstärkte Förderung gerade des mittelständischen Pri-
atsektors zu setzen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir fordern Sie auch auf, einmal den Mut zu haben,

icht nur von Schwerpunktländern zu reden, was ja bei
hnen einen großen Teil der Welt umfasst, sondern wirk-
ich den Mut zu haben, eine klare Schwerpunktsetzung
uf bestimmte Länder vorzunehmen. Außer auf Länder
it Willen und Engagement zu guter Regierungsführung
das wurde bereits angesprochen – müssen nach unserer
berzeugung die Schwerpunkte auch auf islamische
ntwicklungsländer gelegt werden, um die Rahmenbe-
ingungen dort zu verbessern und den Politik- und Kul-
urdialog mit ihnen zu intensivieren. Genauso wollen wir
inen Schwerpunkt auf die Wirtschafts-, Wissenschafts-
nd Hochschulbeziehungen mit Schwellenländern legen,
m auch hier zu einer Intensivierung zu kommen. Diese
chwerpunktsetzung liegt im gegenseitigen Interesse.
ir bekennen uns im Gegensatz zu Ihnen auch dazu,
ass Entwicklungspolitik den Interessen von Geber- und
ehmerländern gleichermaßen dienen soll. Das ist unser
erständnis von wirtschaftlicher Zusammenarbeit.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Dr. Ralf Brauksiepe
Nicht zuletzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, for-
dern wir Sie als Regierungskoalition auf, endlich Ihre
Anstrengungen zur Reform der europäischen Entwick-
lungszusammenarbeit zu intensivieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es kann doch uns alle nicht ruhen lassen, was wir in die-
sem Bereich beobachten: Allein im Bereich der Zusam-
menarbeit mit den AKP-Staaten – das berühmte Kern-
und Herzstück der europäischen Entwicklungszusam-
menarbeit – haben sich bereits 29 Milliarden Euro nicht
abgeflossener Mittel angestaut.

Ich will jetzt gar nicht über die Inhalte reden. Denn
natürlich geht es nicht nur darum, das Geld einfach aus-
zugeben; vielmehr soll es für sinnvolle Projekte verwen-
det werden. Über die Sinnhaftigkeit muss man dann im
Einzelnen noch reden. Aber es kann nun wirklich nicht
der Sinn der Sache sein, 29 Milliarden Euro nur in der
Pipeline zu haben, die nicht für die Bekämpfung von
Hunger und Armut zur Verfügung stehen. Da dieses
Geld zu einem erheblichen Teil aus deutschen Steuergel-
dern stammt, meine ich, dass wir aufgefordert sind, ge-
meinsam etwas zu unternehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Karin Kortmann [SPD]: Da haben Sie Recht!)


Nach unserer festen Überzeugung brauchen wir einen
verstärkten deutschen Einfluss auf die Entwicklungs-
politik der EU-Kommission. Die EU-Entwicklungspoli-
tik wird nicht zukunftsfähig sein, wenn sie weiter in den
überkommenen, künstlichen und sachlich nicht zu recht-
fertigenden regionalen Schubladen denkt. Wir werden
demnächst in diesem Hause auch dazu Initiativen ergrei-
fen.

Frau Kollegin Kortmann, ich bin für Ihren Zwischen-
ruf dankbar und hoffe, dass wir auch dann zusammenfin-
den, wenn es konkret wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, all diese Grundpfei-
ler unserer Entwicklungspolitik stehen nicht im Wider-
spruch zu den Millenniumsentwicklungszielen der Ver-
einten Nationen; im Gegenteil: Nach unserer festen
Überzeugung fördern sie deren Erreichung. Nur ist es
jetzt eben Ihre Aufgabe, neben der Propagierung dieser
hehren Ziele im internationalen Bereich auch national
Ihre Hausaufgaben zu machen. Dazu fordern wir Sie auf;
CDU und CSU werden Sie dabei weiter kritisch be-
gleiten, möglicherweise auch – der Redner der FDP ist
mittlerweile auch eingetroffen – die gesamte Opposition.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505323500


Bevor dieser nun das Wort erhält, ist aber zunächst
der Kollege Thilo Hoppe für Bündnis 90/Die Grünen an
der Reihe.


(Dirk Niebel [FDP]: Jetzt haben wir uns so darauf gefreut!)


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(C (D Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! err Dr. Brauksiepe, ich habe eben gedacht, wir befänen uns bereits in der Haushaltsdebatte; es geht heute jeoch um die Millenniumsziele und nicht um die Finanierung des Einzelplans 23. Aber ich kann Sie auch in ieser Hinsicht beruhigen: Wir bleiben auf dem Kurs. ir werden das 0,33-Prozent-Ziel erreichen. Die Klauur steht jetzt bevor; ich denke, dort wird hart darum geämpft werden, dass der Etat für die Entwicklungszuammenarbeit nicht gerupft wird. Darauf will ich jetzt aber nicht eingehen, auch nicht arauf, dass hier ständig die bilaterale gegen die multilaerale Entwicklungszusammenarbeit ausgespielt wird; as kommt immer wieder. Heute geht es um die Milleniumsziele. Hinsichtlich ihrer Erreichung muss es in der at Fortschritte geben, und zwar nicht im Schneckenempo, sondern in einer Geschwindigkeit, bei der wirkich deutlich wird: Es geht vorwärts. Kofi Annan hat im Herbst einen Zwischenbericht zur msetzung der Millenniumsziele vorgelegt. Dieser Beicht fällt je nach Region sehr unterschiedlich aus. Er erzeichnet durchaus auch Fortschritte, so in China, in ndien, in Thailand und Vietnam; aber es gibt auch Stilltand und dramatischen Rückschritt, ganz besonders in frika südlich der Sahara. Interessant ist übrigens, dass ausgerechnet die Länder n den letzten Jahren eher Fortschritte gemacht haben, ie sich der Weltwirtschaft nur sehr behutsam, selektiv nd graduell geöffnet haben, während Länder wie Samia oder Haiti oder auch Argentinien, die unter dem Einluss des Weltwährungsfonds am schnellsten und bedinungslosesten liberalisiert haben, damit Schiffbruch rlitten. Das sei besonders denen gesagt, die sehr einseiig auf die Heilkraft des Marktes vertrauen und glauben, ass der Freihandel allein alle Probleme löse. Hierbei ommt es auf die Rahmenbedingungen an, auf die Spielegeln, auf das richtige Tempo und die richtige Dosieung von Liberalisierung. Wir haben in unserem Antrag deutlich gemacht, dass uf zwei unterschiedlichen Ebenen sehr viel mehr gechehen muss, wenn die Millenniumsziele nicht nur in inigen Regionen, sondern weltweit verwirklicht werden ollen. Es sind sowohl enorme Eigenanstrengungen der änder notwendig, die von Hunger und Elend betroffen ind; aber mindestens genauso wichtig sind grundleende Reformen auf internationaler Ebene. Wir brauhen eine Globalisierung, bei der es nicht nur um Profitaximierung für die transnationalen Konzerne geht, ondern um eine Weltwirtschaftsordnung mit stabilen ozialen und ökologischen Leitplanken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505323600

Die WTO-Verhandlungen stecken in der Krise. Vor
llem die USA, aber auch die Europäische Union muss
ich bewegen, besonders beim Subventionsabbau; sonst
ann die Doha-Runde ihrem Anspruch, Entwicklungs-
unde zu sein, nicht gerecht werden.






(A) )



(B) )


Thilo Hoppe
Um die Millenniumsziele zu erreichen, bedarf es gro-
ßer Anstrengungen und Aktivitäten in vielen Bereichen.
Ich möchte angesichts meiner kurzen Redezeit nur zwei
Bereiche herausstellen.

Erstens: zum Energiebereich. Es gibt Entwicklungs-
länder, die mittlerweile 80 bis 100 Prozent ihrer gesam-
ten Exporterlöse für die Einfuhr von fossilen Energieträ-
gern, also für Erdöl und Gas, ausgeben. Der Ölpreis wird
weiter steigen. Die Preise für Nichtenergierohstoffe, also
für Produkte, die die meisten Entwicklungsländer expor-
tieren, sind in den letzten 20 Jahren um rund 50 Prozent
gefallen. Daran wird deutlich, dass die Abhängigkeit
vom Öl für viele Entwicklungsländer zu einer furchtba-
ren Armutsfalle geworden ist. Daraus folgt, dass auch im
Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit eine Politik
weg vom Öl und hin zu den erneuerbaren Energien von
ganz zentraler Bedeutung ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich freue mich, dass in genau einem Jahr – im Juni
nächsten Jahres – die große Weltkonferenz zum Thema
erneuerbare Energien hier in Deutschland stattfindet und
dass sich bereits jetzt, im Vorfeld dieser Konferenz, inte-
ressante Kontakte zwischen der Bundesregierung und
vielen Entwicklungs- und Schwellenländern anbahnen.
So wird beispielsweise zwischen Brasilien und Deutsch-
land über eine strategische Partnerschaft auf diesem Ge-
biet geredet. Eine Delegation aus Brasilien war jetzt so-
gar in meiner Heimatregion, in Ostfriesland, und hat sich
dort über die Anwendung der Windenergie informiert
und viele Anregungen mit nach Hause genommen.

Zweitens: zum Bereich Landwirtschaft. Um die Zahl
der Hungernden deutlich zu senken, brauchen wir keinen
genmanipulierten Mais, also nicht die Art von Nah-
rungsmittelhilfe, die momentan durch George Bush pro-
pagiert wird, sondern wir brauchen Strukturreformen im
internationalen Agrarhandel und eine Trendwende in der
bilateralen und multilateralen Entwicklungszusammen-
arbeit, hin zu einer stärkeren Förderung des ländlichen
Raumes.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dort leben mehr als 70 Prozent – fast 80 Prozent – der
Hungernden, aber dort liegt auch das Potenzial, durch
eine nachhaltige und angepasste Landwirtschaft die Ver-
sorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln zu
sichern und regionale Märkte wieder aufzubauen und zu
stärken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sowohl in der Energiepolitik als auch in der Agrarpoli-
tik gilt, dass wir nur dann die Länder des Südens davon
überzeugen können, hier Reformen in Angriff zu nehmen,
wenn wir selber mit gutem Beispiel vorangehen. Ener-
giewende – weltweit und bei uns! Agrarwende – weltweit
und bei uns! Das haben wir uns vorgenommen. Auf die-
sem Weg gibt es natürlich viele Hindernisse. Zu diesem
Weg, nämlich Politik so zu gestalten und so zu leben,

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(C (D ass die Menschheit überleben kann, gibt es aber keine lternative. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505323700


Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Markus
öning, FDP-Fraktion.

Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1505323800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP

nterstützt das Millenniumsentwicklungsziel, die abso-
ute Armut in der Welt bis 2015 zu halbieren, selbstver-
tändlich; denn ein Leben ohne Armut und ein Leben
hne Hunger ist ein Leben in Würde. Es ist das Ziel je-
er Entwicklungspolitik, ein solches Leben für die Men-
chen in den Entwicklungsländern zu erreichen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie setzen allerdings mit diesem Antrag aus unserer
icht falsche Prioritäten, Sie setzen falsche Akzente an
ieser Stelle. Ich will anhand von drei Beispielen versu-
hen, das deutlich zu machen.
Eines der wichtigsten Entwicklungsziele, die in den
illennium Development Goals genannt werden, ist die
ekämpfung von Aids. In Ihrem Papier taucht zwar das
ort „Aids“ auf; in den 17 – ich betone: 17 – konkreten
orderungen, die Sie stellen, taucht die Aidsbekämpfung
ber nicht auf.


(Dirk Niebel [FDP]: Pfui!)

ch weiß nicht, ob das vorauseilender Gehorsam gegenü-
er der Bundesregierung ist, die sich an dieser Stelle
icht gerade mit Ruhm bekleckert, da sie die zugesagten
ittel an den globalen Aidsfonds nicht fließen lässt


(Dirk Niebel [FDP]: Unglaublich!)

nd da sie jetzt – wir haben es gerade wieder erlebt –
lockiert, dass aus Europa 1 Milliarde Euro an zusätzli-
hen Mitteln für die Bekämpfung von Aids zur Verfü-
ung gestellt werden. Die FDP fordert die Regierung
nd die sie tragenden Fraktionen auf: Sorgen Sie dafür,
ass dieses Geld fließt, damit Aids gerade im südlichen
frika wirkungsvoller bekämpft werden kann!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

ids ist dort eine der wichtigsten Ursachen für die Ar-
ut.
Es gibt noch andere Punkte, die ich erwähnen möchte. Sie

etzen sich sehr unkritisch mit dem Thema Entschuldung
useinander. Herr Hoppe, Sie haben vorhin die Tobin-
ax angesprochen. Sie sollten sich einmal anschauen,
as passiert ist. Man muss doch aus dem, was geschehen
st, Lehren ziehen und versuchen, es in Zukunft besser
u machen. Sie können doch nicht einfach sagen, dass es
o, wie es in Bolivien gelaufen ist, auch in Zukunft






(A) )



(B) )


Markus Löning
laufen soll. Es hilft den Armen dort nicht und kostet den
deutschen Steuerzahler viel Geld. Das muss anders,
nämlich besser geregelt werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das Wichtigste ist: In dem gesamten Antrag wird
kein roter Faden und kein Konzept deutlich. Es wird eine
Vielzahl von Einzelforderungen aufgezählt. Aber auf die
wichtigen Forderungen, auf die es ankommt, wird kein
Akzent gesetzt.

Es kommt eben darauf an, Rechtsstaatlichkeit und
Demokratie zu fördern. Es kommt darauf an, in den Ent-
wicklungsländern Bildung und Ausbildung zu ermögli-
chen. Es kommt auch – Herr Hoppe, das ist so, so Leid
es mir tut – auf Marktwirtschaft und freien Handel an.
Ich erinnere zum Beispiel an die Gespräche mit dem Di-
rektor des UNDP, der diese Punkte deutlich genannt hat.
Das sind die Säulen für Entwicklung. Es bedarf eben
auch der Marktwirtschaft und des freien Handels.

Auch wenn es Ihnen nicht gefällt, Herr Hoppe, muss
ich Ihnen sagen: Das sind die Voraussetzungen dafür,
dass sich die Länder der Dritten Welt ihren Wohlstand
aus eigener Kraft erarbeiten können.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dafür setzen wir uns ein. Wir fordern Sie auf, das eben-
falls zu tun.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505323900


Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Siegmund Ehrmann, SPD-Fraktion.


Siegmund Ehrmann (SPD):
Rede ID: ID1505324000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Brauksiepe und
Herr Löning, ich habe Sie während der Ausschussarbeit
als durchaus vernunftbegabte Menschen kennengelernt.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Sehr richtig beobachtet!)


Aber hier habe ich nur rituelles Gemäkel bemerken kön-
nen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das hat mich doch sehr erstaunt.
Ich will konkret werden. Wer hat denn dieses hetero-

gene Geflecht Ihrer bilateralen Aktivitäten strukturiert
und methodisch aufbereitet, um die Entwicklungszusam-
menarbeit sorgfältiger auszurichten?


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Was?)

Ich gebe Ihnen Recht, Herr Dr. Brauksiepe: Es gibt Pro-
bleme, was die EZ der Europäischen Union anbelangt.
Darüber haben wir gemeinsam diskutiert. Da Sie die Ge-
berkoordination angesprochen haben, muss ich Ihnen sa-

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(C (D en, dass Sie die Signale der letzten Tage nicht vernomen haben. Das will ich Ihnen erläutern. Die Wahrheit ist letztendlich konkret. Bei der Ausein ndersetzung mit den Millenniumszielen täte es vieleicht gut, sich daran zu erinnern, was wir gestern im usschuss zu dem gesamten Komplex der Afrikapolitik rfahren haben. Ich möchte mich ausdrücklich für den ngagierten Vortrag bedanken, den Sie, Frau Staatsseketärin Eid, dort gestern gehalten haben. (Ulrich Heinrich [FDP]: Den haben wir auch unterstützt! Der Vortrag war gut! Nur die Politik ist schlecht!)


Ja, den Vortrag haben Sie unterstützt. Auch er gehört in
en Kontext der Millenniumsziele.
Ausgehend von den MDGs müssen wir uns damit

useinander setzen, dass wir speziell im Bereich von
ubsahara-Afrika Probleme haben. Da stellen sich natür-
ich die Fragen, die auch Sie formuliert haben: Sind die
iele realistisch? Gibt es eine Chance? Überfordern wir
ns nicht gegenseitig in dem, was wir da tun?
Ich habe gestern deutlich verspürt – daran sollten wir

ns in der Entwicklungspolitik immer gegenseitig erin-
ern –, dass es sich um das Bohren dicker Bretter und
m einen langfristigen Prozess handelt, der unendlich
iel Geduld erfordert. Der griechische Philosoph Epiktet


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Wie heißt der?)


at uns folgende weise Erkenntnis mit auf den Weg ge-
eben:

Nicht die Dinge selbst, sondern die Meinungen
über dieselben beunruhigen die Menschen.

uf die Entwicklungschancen Afrikas bezogen interpre-
iere ich dies so: Ja, es gibt Konflikte, die verabscheu-
nswürdig ausgetragen werden. In manchen Regionen
roht ein sozialer, humanitärer und ökologischer Kol-
aps. Und dennoch: Afrika besinnt sich auf seine vorhan-
enen ökonomischen und intellektuellen Energien.
Es wäre deshalb mehr als fahrlässig, die afrikanischen
illenniumsperspektiven ausschließlich aus dem ersten
tatusbericht des UN-Generalsekretärs abzuleiten und
anach zu beurteilen. Was sich in den letzten Jahren in
frika auf der Ebene guter Regierungsführung entwi-
kelt hat – Herr Löning, damit sind wir bei den Aspekten
echtsstaat und Menschenwürde –, ist eine gute Voraus-
etzung dafür, dass wir auf längere Sicht auch in Afrika
ie ehrgeizigen Millenniumsziele erreichen.
Auch der internationale Dialog mit und über Afrika

at sich weiterentwickelt. Im Juli 2001 haben die G-8-
taaten in Genua auf die aus Afrika selbst erwachsene
eformbewegung NEPAD reagiert. Die afrikanische
elbstverpflichtung mit dem Bekenntnis zu tief greifen-
en wirtschaftlichen Reformen, zu Eigenverantwortung
nd zur Achtung universell gültiger Werte belegt die ge-
achsene innerafrikanische Kooperationsfähigkeit.
Julius Nyerere hat den Begriff der Self-Reliance for-
uliert: Afrika mobilisiert eigene Energien und will






(A) )



(B) )


Siegmund Ehrmann
endgültig die langen Schatten des Kolonialismus, des
Neokolonialismus und der Despotie hinter sich lassen.
Darauf aufbauend gibt es G-8-Aktionspläne. In Evian ist
ein Statusbericht vorgestellt worden; weitergehende
Ziele sind verabredet worden. Dies alles zeigt: Es be-
wegt sich etwas. Die Früchte des Ringens um eine gute
Regierungsführung aus dem afrikanischen Kontext he-
raus sind erkennbar.

Dies wird von den Industriestaaten, von den G-8-Staa-
ten, aufgenommen und erwidert, indem wir etwas tun,
was ich geradezu als Beleg für eine kohärente Außen-, Si-
cherheits- und Entwicklungspolitik im internationalen
Kontext bewerte. Wenn wir die afrikanischen Staaten be-
fähigen, eigene Konfliktlösungsmechanismen zu entwi-
ckeln und die Konfliktprävention auszubauen, und wir
als Deutsche die Aktivitäten in der Entwicklungs- und
Bildungszusammenarbeit unterstützen, dann ist dies ein
sehr wichtiger Ansatz, an zentraler Stelle die afrikani-
sche Stabilität demokratisch auszubauen, die Zivilgesell-
schaft zu stärken und auf diese Art und Weise solche
Rahmenbedingungen zu entwickeln, dass die konkrete
Entwicklungszusammenarbeit nachhaltig Früchte trägt
und nicht durch wetterwendische Despoten zum Schei-
tern verurteilt ist.

Insofern soll mit den Millenniumszielen eine wesent-
liche globale Herausforderung gestaltet werden. Eine
gute Regierungsführung und die Entmilitarisierung von
Konfliktlösungen, das ist der Humus, der auch die Ent-
wicklung in Subsahara-Afrika fördern wird.

Herr Dr. Brauksiepe, gehen wir den bisherigen Ergeb-
nissen nicht rituell mäkelnd nach!


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Jetzt sind Sie aber ungerecht! Jetzt sind Sie aber gemein!)


Gehen wir im Dialog mit den Partnern nach dem Motto:
„Stärken stärken und Schwächen schwächen – und das
mit Geduld und Optimismus“ vor, dann werden wir die
Probleme lösen und dann haben die Industriestaaten ei-
nen wertvollen Beitrag dazu geleistet, die Entwicklungs-
länder insbesondere im Gebiet Subsahara-Afrika auf ei-
nem richtigen Weg zu begleiten.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505324100


Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf

Drucksache 15/1005 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 mit dem
Zusatzpunkt 13 auf:

12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Helmut
Heiderich, Dr. Norbert Röttgen, Dr. Maria
Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU

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1)

(C (D Die europäische Biopatentrichtlinie von 1998 umsetzen – Drucksache 15/1024 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union P 13 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainer Funke, Ulrike Flach, Daniel Bahr terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Rechtssicherheit für biotechnologische Erfindungen durch schnelle Umsetzung der Biopatentrichtlinie – Drucksache 15/1219 – Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Kultur und Medien Nach einer interfraktionellen Vereinbarung war ierzu für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. ie Kollegen Christoph Strässer, Helmut Heiderich, Proessor Maria Böhmer, Dr. Reinhard Loske, Ulrike Flach nd für die Bundesregierung Frau Ministerin Zypries geen ihre Reden zu Protokoll.1)

nterfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf
en Drucksachen 15/1024 (neu) und 15/1219 an die in
er Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse sowie zu-
ätzlich an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
eaktorsicherheit vorgeschlagen. Die Vorlage auf
rucksache 15/1219 im Rahmen des Zusatzpunktes 13
oll zusätzlich an den Ausschuss für die Angelegenhei-
en der Europäischen Union und – abweichend von der
agesordnung – nicht an den Ausschuss für Kultur und
edien überwiesen werden. Sind Sie einschließlich der
orgetragenen Änderungen damit einverstanden? –
uch das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so
eschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform

(Geschmacksmusterreformgesetz)


– Drucksache 15/1075 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft

Anlage 4






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Auch hierzu ist interfraktionell eine Aussprache von
30 Minuten vorgesehen. – Dazu höre ich keinen Wider-
spruch. Dann haben wir das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Bundesministerin der Justiz, Frau Zypries.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1505324200

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren Kollegen! Eigentlich ist es schade, dass wir um diese
Uhrzeit zu diesem Thema debattieren. Denn parallel
hierzu findet die Veranstaltung „100 Jahre Marken-
verband“ statt, von der ich gerade komme. Leider
musste ich vorzeitig – genauer gesagt: nach einer halben
Stunde – gehen. In gewisser Weise ist die Marke ja die
Schwester des Geschmacksmusters. Die beiden haben
eine Menge miteinander zu tun. Ich stehe hier am Ge-
schmacksmuster Pult. Eine Marke wäre das, wenn es als
solche geschützt wäre; ich weiß nicht, ob das der Fall ist.

Das Markenrecht wird heute 100 Jahre alt. Ähnlich alt
ist das Geschmacksmusterrecht. Seit 1876 gibt es in
Deutschland ein Gesetz betreffend das Urheberrecht an
Mustern und Modellen. Damals war das ein sehr zu-
kunftsweisendes Gesetz. 1998 hat die Europäische
Union erkannt, dass Deutschland das alles recht ordent-
lich gemacht hat. Sie hat eine Richtlinie erlassen, die im
Wesentlichen das deutsche Recht aufgenommen hat.
Diese Richtlinie setzen wir jetzt mit dem eingebrachten
Gesetzentwurf um. Sicherlich auch deshalb ist er von ei-
nem relativ breiten Konsens getragen. Denn wir bleiben
im Wesentlichen bei dem Recht, das wir in der Vergan-
genheit gehabt haben.

Es werden – das zeigt, wie akzeptiert das Ge-
schmacksmusterrecht in Deutschland ist – im Durch-
schnitt jährlich 60 000 Muster oder Modelle beim Deut-
schen Patent- und Markenamt als Geschmacksmuster
angemeldet. Diese Zahlen belegen die erhebliche wirt-
schaftliche Bedeutung des Geschmacksmusterschutzes.

Die Änderungen, die wir aufgrund der Richtlinie vor-
nehmen, sind relativ marginal. Zum Beispiel verlängern
wir die Schutzdauer von derzeit maximal 20 Jahren um
fünf Jahre auf dann höchstens 25 Jahre.

Die Verbände, die Organisationen und die übrigen in-
teressierten Kreise haben den Gesetzentwurf sehr be-
grüßt. Auch die Reaktionen auf unsere Antwort zum
Thema „Schutz von Ersatzteilen“ sind insgesamt gut
und ermutigend. Sie wissen sicher, dass die Frage des
rechtlichen Schutzes von Bauteilen eines komplexen Er-
zeugnisses – natürlich ist dies vor allen Dingen bei den
Kraftfahrzeugersatzteilen wichtig – der schwierigste Teil
dieser Reform ist. Ausgerechnet zu diesem Thema ent-
hält die Richtlinie keinerlei Vorgaben. Sie räumt den
Mitgliedstaaten vielmehr die Möglichkeit ein, die in ih-
rem Bereich bestehenden Rechtsvorschriften zunächst
beizubehalten.

In Deutschland sieht das geltende Geschmacksmus-
tergesetz keine Einschränkungen des rechtlichen Schut-
zes von Ersatzteilen vor, sodass zum Beispiel Einzelteile
einer Fahrzeugkarosserie wie der Kotflügel oder die Mo-
torhaube geschützt werden können, vorausgesetzt, sie er-

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(C (D üllen eigenständig – losgelöst vom Gesamtdesign des ahrzeugs – die Voraussetzungen des Schutzes als Gechmacksmuster. Diese Rechtslage hat sich bei uns sehr ut bewährt. Sie hat einen freien Ersatzteilmarkt in eutschland ermöglicht. Diese Tätigkeit, die vor allen ingen den Mittelstand betrifft, wollen wir erhalten. Das t das Ziel unseres Gesetzentwurfes. Ausdrücklich unterstützen uns darin zum Beispiel der erband der Automobilindustrie und der BDI. Das wundert uns nicht. Aber es ist ja auch vernünftig. arum sollten sie uns bei vernünftigen Sachen nicht un erstützen? Die Automobilhersteller haben uns darüber hinaus lar und eindeutig versichert, dass sie dem freien Handel nd Vertrieb keine Marktanteile durch unangemessene nanspruchnahme von Schutzrechten streitig machen erden. Wir haben, meine Damen und Herren von der pposition, in der Vergangenheit mit solchen Absprahen gute Erfahrungen gemacht. Die Balance, die sich in en vergangenen Jahren zwischen Autoindustrie und reien Ersatzteilherstellern entwickelt hat, kann fortbetehen. Sie hat in der Vergangenheit funktioniert. Warum ollten wir annehmen, dass sie künftig nicht mehr funktioieren wird? Wir haben deshalb in dem vorliegenden Gesetz hin ichtlich des Schutzes von Ersatzteilen die Fortgeltung er alten Rechtslage vorgesehen. Die Richtlinie sieht or, dass spätestens im Jahre 2005 eine gemeinschaftseite Regelung verabschiedet werden soll. Bis dahin assen wir die Entwicklung offen. Sie ist auch in ganz uropa offen. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! Nur die Hälfte der Länder hat einen Schutz!)


(Rainer Funke [FDP]: Wen wundert das?)


(Beifall bei der SPD)


Darüber können wir vielleicht im Ausschuss diskutie-
en.
Ich kann Ihnen versichern, dass wir die Entwicklung

elbstverständlich – wie wir es auch sonst tun – beo-
achten werden. Wir werden sehen, ob es notwendig ist
u reagieren. Gegebenenfalls würden wir – das haben
ir schon einmal getan – unsere Haltung überprüfen.
unächst gilt aber: Lieber keine Gesetze machen, son-
ern freiwillige Übereinkünfte und Absprachen treffen.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Lieber mit der Industrie verhandeln!)


ie wissen, dass das für alle Beteiligten besser ist. Wir
ollen Gesetze schließlich nur dann machen, wenn sie
irklich nötig sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich gehe davon aus, dass wir über den von uns vorge-
chlagenen Gesetzentwurf im Rechtsausschuss diskutie-
en werden und uns in dem von uns vorgeschlagenen
inne verständigen werden.






(A) )



(B) )


Bundesministerin Brigitte Zypries
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit zu dieser späten
Stunde.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505324300


Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Günter Krings
für die CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1505324400

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren, die Sie trotz des Sommerfestes der Parlamentari-
schen Gesellschaft ausgeharrt haben! Der eine oder an-
dere unserer Fraktionskollegen wäre vielleicht aus Neu-
gier zu dieser Debatte gekommen, als er das Stichwort
„Geschmacksmusterrecht“ auf der Tagesordnung dieser
Woche sah, weil er dabei vermutlich eher an Lebensmit-
telpolitik dachte. Wir konnten die Kollegen inzwischen
aufklären: Es geht hier um ein wesentliches Immaterial-
güterrecht unserer Rechtsordnung, um den Schutz von
Design.

In einer Konsumgesellschaft, die Produkte nicht nur
nach ihrer Funktionalität, sondern auch nach ihrem Aus-
sehen bewertet, ist der Schutz eines bestimmten Designs
von entscheidender wirtschaftlicher und ideeller Bedeu-
tung. Auch eine bestimmte Formgebung ist geistige
Schöpfung. Design ist sozusagen Kunst, die sich nütz-
lich macht. Schon von daher hat der Entwerfer eines
Musters ebenso wie der Urheber oder der Erfinder An-
spruch auf Schutz durch unsere Rechtsordnung. Wir be-
grüßen es deshalb ganz ausdrücklich, dass gemäß § 10
des Gesetzentwurfes nunmehr erstmalig auch dem Ent-
werfer das Recht eingeräumt wird, im Rahmen der An-
meldung genannt und gewürdigt zu werden.

Dieser Gesetzentwurf setzt die im Jahre 1998 erlas-
sene Richtlinie der EU – Frau Ministerin, Sie wiesen
darauf hin – über den rechtlichen Schutz von Mustern
und Modellen um. Leider müssen wir übermorgen, am
Samstag, ein wenig schönes Jubiläum begehen. Dann
wird die Umsetzungsfrist für diese Richtlinie nämlich
um exakt 20 Monate überschritten sein.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Diese Jubiläen häufen sich!)


Das halte ich – um beim Thema zu bleiben – für alles an-
dere als mustergültig. Deutschland ist offenbar wieder
dabei, einen europäischen Spitzenplatz zu erobern – lei-
der allerdings nur, was die Überschreitung der Umset-
zungsfristen von EU-Recht angeht.

Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten,
über die Ausgestaltung des Geschmacksmusterschutzes
aber schon; denn daran hängen Unternehmen, Arbeits-
plätze und Verbraucherinteressen in Deutschland. Derje-
nige, der in Deutschland ein Geschmacksmuster anmel-
den will, hat die Wahl, ob er das beim europäischen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt in Alicante
oder beim Deutschen Patent- und Markenamt in Mün-
chen tut. Im ersten Fall gilt die Geschmacksmusterver-
ordnung der Europäischen Union.

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(C (D Der Regierungsentwurf tut gut daran, dem europäichen Vorbild der EU-Verordnung in fast allen Punkten u folgen. In einem entscheidenden Punkt tut er das aber icht: Anders als die EU-Verordnung enthält er keine eparaturklausel für die Hersteller und Händler von rsatzteilen. Während sich die Europäische Union bei hrer Verordnung ebenso wie die Mehrzahl der Mitgliedtaaten, die die Richtlinie bereits umgesetzt haben, für ie rechtliche Absicherung des freien Ersatzteilemarktes ntschieden haben, ermöglicht der Entwurf der deutchen Bundesregierung weiterhin die Bildung von Moopolen. Damit setzt er in zentraler Hinsicht ein falsches ignal. Es geht hier um die Frage, welchen rechtlichen chutz ein Einzelelement in einem komplexen Gesamtrodukt erfährt. Spannend wird das natürlich – wie önnte es anders sein? – bei Ersatzteilen von Kraftahrzeugen. Nicht etwa der Wortlaut des geltenden Gechmacksmustergesetzes, sondern lediglich ein nicht unmstrittenes Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem ahre 1986 hat den Weg dafür geebnet, dass jetzt in eutschland vermehrt Scheinwerfer, Karosserieteile, ensterformen und andere Gestaltungselemente von Auos geschmacksmusterrechtlich in München angemeldet erden. Die deutsche Rechtslage droht von der europäichen wegzudriften, eine nicht gute Entwicklung. Entscheidet sich ein deutscher oder ausländischer Auto ersteller, den mit Gebühren in München erkauften Deignschutz auch auszuüben, so ist die Folge vorprogrammiert: r wird, sozusagen über Nacht, seinen Ersatzteilmarkt moopolisieren und der Verbraucher ist ab dem Kauf eines ahrzeugs seinem Produzenten auf Gedeih und Verderb auseliefert, weil er alternative Produkte eben nicht mehr beommen kann. Das verstehen wir als CDU/CSU nicht unter erbraucherschutz. Meine Damen und Herren, lieber Kollege anzewski, wir wissen und Sie wissen aus der Urheber echtsdebatte, dass ich mich für den Schutz geistigen igentums sehr engagiere. (Dirk Manzewski [SPD]: Jetzt kommt das schlechte Gewissen!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU)


ch engagiere mich für den Schutz geistigen Eigentums,
ber nicht für den Schutz von Monopolrenten. Darum
eht es an dieser Stelle. Das Auto unterscheidet sich von
er Musik und vom Buch dadurch, dass es bei der Musik
nd beim Buch keinen Ersatzteilemarkt gibt. Wenn
eine Musik-CD defekt ist, kaufe ich eine neue. Ist aber
ein Auto defekt, beispielsweise der Außenspiegel ab-
ebrochen, kaufe ich normalerweise kein neues Auto
nd entsorge das alte, sondern lasse den Spiegel reparie-
en.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt noch mehr Unterschiede!)


Für Ersatzteile, für die es aus technischen Gründen
eine Designalternative gibt, enthalten die deutsche
nd die europäische Rechtsordnung aus gutem Grund






(A) )



(B) )


Dr. Günter Krings
die Aussage: keine Designalternative – kein Schutz.
Wenn Sie, etwa nach einem Unfall, den linken Kotflügel
Ihres Autos austauschen müssen, sind technisch viele
Möglichkeiten denkbar. Ich bin aber überzeugt, dass je-
dermann hier im Saal niemals einen linken Kotflügel
einbauen ließe, dessen Design nicht dem des rechten
Kotflügels entspricht.


(Ilse Falk [CDU/CSU]: Das würden nicht mal Frauen tun!)


Jeder wird auf ein Produkt zurückgreifen, das wie das
Original aussieht. Es gibt also praktisch und ökonomisch
keine Alternative. Deshalb verstehen wir nicht, warum
nicht auch hier der Grundsatz gilt: keine praktische
Designalternative – kein Schutz.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Nun wissen wir, dass der amtierende Bundeskanzler

sich besonders wohl fühlt in der Nähe der Automobilin-
dustrie. Das ist an sich an dieser Stelle nicht zu kritisie-
ren. Allerdings kritisieren wir, wenn ein Autokanzler
Schröder diese Chance der ersten grundlegenden
Neufassung des Geschmacksmusterrechts nach 125 Jah-
ren verstreichen lässt, ohne der Ersatzteileindustrie
endlich Planungssicherheit für ihre Investitionen zu ge-
ben. Diese Chance wird vertan, aber das werden wir als
Opposition so nicht durchgehen lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zu der Aus-

sage der Regierung – Frau Ministerin, Sie haben das
freundlicherweise selbst schon vorgetragen, ich wieder-
hole es trotzdem –, die Automobilindustrie habe ihr, der
Bundesregierung, gegenüber – ich zitiere wörtlich aus
dem Gesetzentwurf – „klar und eindeutig erklärt, dass es
ihr nicht darum geht, den Wettbewerb und den Ersatz-
teilmarkt zum Nachteil der Ersatzteilehersteller und des
Handels zu beeinträchtigen.“

Es geht ihr also nicht darum, aber wenn es passiert, ist
es wahrscheinlich einfach Pech für den Ersatzteilehan-
del. Im Klartext soll das wohl heißen: Die Automobilin-
dustrie will von dem gesetzlichen Musterschutz eigent-
lich keinen Gebrauch machen.

Als Rechtspolitiker habe ich meine Probleme damit,
wenn die Bundesregierung uns einen Musterschutz für
Ersatzteile vorschlägt und ihn damit rechtfertigt, die In-
dustrie wolle ihn ja gar nicht nutzen.


(Dirk Manzewski [SPD]: So etwas gibt es schon!)


Das Versprechen seiner Nichtanwendung, egal ob es
sich um ein altes oder ein neues Gesetz handelt, ist im-
mer eine denkbar schlechte Begründung für ein Gesetz,
unabhängig von der bisherigen oder zukünftigen Rechts-
lage. In ein neues Gesetz sollten wir Rechte, die niemand
haben will, auch nicht hineinschreiben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Der von mir eben zitierte Satz aus der Vorlage ist we-

nig geeignet, uns zu beruhigen; er stimmt uns in der Tat
eher misstrauisch. Ich frage: Welche Rechts- und Pla-

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(C (D ungssicherheit bieten Sie, meine Damen und Herren ier links im Saal, eigentlich den mittelständischen Eratzteileproduzenten für ihre Investitionen, wenn Sie re Geschäftstätigkeit vom guten Willen der Automoilhersteller abhängig machen wollen? Ich darf mit einer Bitte schließen, die ich vor allem an ie Verbraucherschutzpolitiker der Koalition richte: gnorieren Sie nicht die Problematik des Geschmacksusterrechts. Nicht nur die Lebensmittelbranche, sonern auch die Autobesitzer in Deutschland verdienen hre Aufmerksamkeit. 47 Millionen Verbraucher profieren von der Möglichkeit der Auswahl unter verschieenen Produkten, nicht nur beim Kauf, sondern auch bei er Reparatur ihrer Wagen. Danke schön. Das Wort hat nun der Kollege Jerzy Montag, ündnis 90/Die Grünen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei Ihrer emerkungen zu der Rede der Frau Ministerin verdienen rwähnung. Die Frau Ministerin hat gesagt, dass wir für ieses Gesetz von der Automobilindustrie gelobt weren. Das fanden Sie unanständig. Ich hoffe, dass sich die utomobilindustrie das merkt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Günter Krings [CDU/ CSU]: Das haben wir nicht gesagt!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505324500
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505324600

Unsere Überlegungen, zuerst auf den freien Markt
nd auf Selbstverpflichtungen der Wirtschaft zu setzen,
uittieren Sie damit, dass Sie nach einem Gesetz rufen.
as werden wir Ihnen in den Wirtschaftsdebatten der
ommenden Wochen entgegenhalten können. Es war
ine interessante Erfahrung, das von Ihnen zu hören.
Zur Sache. Das Geschmacksmustergesetz stammt
die Ministerin hat es ausgeführt – aus dem Jahre 1876.
hm haftet durchaus nicht der Ruf eines gesetzgeberi-
chen Jahrhundertwerkes an. Es gilt in der Praxis als an-
iquiert und unübersichtlich und war den europäischen
nforderungen nicht gewachsen. Deswegen ist es zu be-
rüßen, dass die Bundesregierung die EU-Richtlinie
ber den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen
um Anlass genommen hat, das Gesetz zu modernisie-
en.
Ich persönlich hätte mir auch eine Modernisierung

es Titels gewünscht. Es wäre vielleicht besser gewesen,
nstatt von Geschmacksmuster von einem Design- oder
estalt- und Formenmuster zu sprechen. Aber das nur
m Rande.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Auch die deutsche Sprache muss geschützt werden!)


Das Gesetz wird Innovation und Kreativität in der
roduktgestaltung fördern, indem es durch einen weiten






(A) )



(B) )


Jerzy Montag
Schutzumfang die notwendigen Anreize schafft. Ich will
einige Beispiele dazu nennen:

Das neue Geschmacksmusterrecht stärkt die Rechts-
stellung des Rechteinhabers. Er erhält ein Ausschließ-
lichkeitsrecht, darf alleine über sein Muster verfügen
und es wirtschaftlich verwerten. Damit wird der Schutz-
umfang, verglichen mit dem bisherigen Schutz vor
Nachahmung, erweitert.

Die Höchstschutzdauer wird von 20 auf 25 Jahre ver-
längert.

Bei der Beurteilung der Neuheit und der Eigenart des
Musters bleiben künftig nicht sechs, sondern zwölf Mo-
nate vor der Anmeldung außer Betracht. Dies schützt
den Entwerfer vor missbräuchlichen Handlungen Dritter
in dieser Zeit.

Das Merkmal der Eigentümlichkeit des Erzeugnisses
wurde durch das Merkmal der Eigenart ersetzt. Damit
wird es für eine Rechtsbegründung ausreichend sein,
wenn noch kein identisches Muster offenbart worden ist.
Das ist zu begrüßen; denn die schützenswerte Innovation
beginnt jetzt da, wo eine gestalterische Neuheit geschaf-
fen wird, ohne dass daran überzogene Anforderungen
gestellt werden.

Das Geschmacksmusterrecht wird sich mit dem vor-
liegenden Gesetz zu einem eigenständigen gewerblichen
Schutzrecht emanzipieren. Das Gesetz ist aber auch des-
wegen zu begrüßen, weil es Rechtsklarheit schafft. Es
enthält Legaldefinitionen für wichtige Begriffe wie Mus-
ter, Erzeugnis und andere. Es befähigt damit die vom
Gesetz betroffenen Personen, die Schutzrichtung des Ge-
setzes konkret und klar zu ermessen. Es ist deswegen
anwenderfreundlich.

Dies alles erwähne ich, um klar zu machen, dass es
nicht nur um die Reparaturklausel geht, über die es in
den letzten Wochen Auseinandersetzungen gegeben hat.
Damit bin ich bei dem Thema Reparaturklausel, zu dem
auch ich einiges sagen will. Der Gesetzentwurf enthält
tatsächlich keine Reparaturklausel. Deswegen können
äußerlich sichtbare Ersatzteile eines Autos auch weiter-
hin als Geschmacksmuster geschützt werden.

In der Diskussion um die Reparaturklausel werden
die Ersatzteilehersteller nicht müde, zu betonen, dass
durch diese gesetzgeberische Entscheidung der freie Er-
satzteilemarkt zerstört werden würde.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: So ist das auch!)


Das ist alleine schon deswegen nicht richtig, weil das
Gesetz überhaupt keine Änderung der Rechtslage vor-
sieht.

In diesem Gesetz gibt es keine Regelung für das auch
bisher ungelöste Problem. Die Interessenvertreter des
Großhandels für Kfz-Teile beziffern ihren Anteil an dem
entsprechenden Markt selber zurzeit mit 40 Prozent.
Deswegen vermag ich auch nicht zu erkennen, warum
der Ersatzteilemarkt durch das Gesetz nachteilig verän-
dert oder zerstört werden sollte.

Der Verzicht ist ja auch nicht endgültig. 2005 wird die
Kommission dazu Stellung nehmen. Dann wird der

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(C (D ationale Gesetzgeber, auch in Deutschland, das Gechmacksmusterrecht in eine vereinheitlichte Form brinen. Es ist sicherlich richtig, dass der Gesetzgeber beobchten muss, ob die Selbstverpflichtung des Marktes nd der Automobilindustrie, diese Schutzrechte nicht ermehrt in Anspruch zu nehmen, eingehalten wird; das erden wir auch tun. Herr Kollege Dr. Röttgen, wenn es ier zu dramatischen Änderungen kommt, dann werden ir – da können Sie sich sicher sein – schneller sein als ie und die Maßnahmen ergreifen, die nötig sind, um en Ersatzteilemarkt zu schützen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeu-
ung, dass das vorliegende Gesetz Innovation und Krea-
ivität bei der Produktgestaltung fördern wird. Es wird
etzt an den kreativen Gestaltern und Designern liegen,
ie Rechte, die durch das Gesetz gewährt werden, in An-
pruch zu nehmen und so bei diesem Gesetz im wahrsten
inne des Wortes auf den Geschmack zu kommen.
Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505324700


Das Wort hat nun der Kollege Rainer Funke, FDP-
raktion.


Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1505324800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses
esetz ist trotz des etwas altertümlichen Namens wirt-
chaftspolitisch sicherlich ganz besonders wichtig. Hier
eht es unter anderem darum, einen Milliardenmarkt
u verteidigen bzw. aufzuteilen.
In meinen Augen kommt diese Reform viel zu spät.
ir diskutieren über dieses Gesetz schon „seit Jahren-
en“, wie wir in Hamburg sagen würden. Wegen der Re-
araturklausel wurde darüber bereits in den Jahren 1994
is 1998 intensiv mit der Europäischen Union diskutiert.
iese Reparaturklausel war in der Bundesregierung im-
er streitig. Die Haltung richtete sich immer danach, ob
arüber im Bundeswirtschaftsministerium oder im Bun-
esjustizministerium verhandelt wurde.
Das Bundesjustizministerium hat bis zur jetzigen Vor-

age durch die Ministerin immer die Auffassung vertre-
en, dass der Mittelstand und die Teileverkäufer aus ord-
ungspolitischen Gründen besonders geschützt werden
üssen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat immer
ie Interessen der geringen Zahl an Großbetrieben auf
iesem Gebiet vertreten. Nunmehr ist das BMJ offen-
ichtlich dem Drängen des Bundeswirtschaftsministers
rlegen. Es hat ein Geschmacksmustergesetz vorgelegt,
as mit der Reparaturklausel nichts im Sinn hat.
Wenn keine Reparaturklausel in dieses Gesetz aufge-

ommen wird, dann werden wir von der FDP es aus ord-
ungspolitischen Gründen – wir wollen nämlich den
ittelstand schützen – ablehnen,


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Rainer Funke
obwohl es sonst, Frau Ministerin, durchaus unsere Zu-
stimmung finden könnte; denn es enthält in der Tat eine
Reihe von guten Regelungen. Die grundlegende Frage
der Reparaturklausel ist aber nicht geregelt. Aus diesem
Grunde müssen wir dieses Gesetz ablehnen.

Die Bundesregierung verweist auf die Zusage der Au-
tomobilhersteller.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Denen trauen Sie nicht, gell?)


– Ich habe keine Zweifel, dass sie durchaus in der Lage
sind, eine solche Vereinbarung einzuhalten. Diese Ver-
einbarung könnte man aber doch auch in Gesetzesform
gießen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich sehe überhaupt nicht ein, warum das nicht geschieht.
Es muss andere Gründe dafür geben, dass die Reparatur-
klausel nicht in Gesetzesform gegossen worden ist. Das
macht mich natürlich sehr skeptisch.

Sie sprechen immer von einer Art Revisionsklausel
für das Jahr 2005. Das stimmt nicht ganz. Wenn Sie die
Richtlinie der EU lesen, stellen Sie fest, dass die Zeitbe-
fristung für das Jahr 2005 vom Jahr 2001 an zählt. Es
geht also um eine Revisionszeit von vier Jahren. Da aber
diese Richtlinie bisher noch nicht von allen umgesetzt
worden ist, wird diese Revisionsklausel allenfalls im
Jahr 2007 zur Anwendung kommen. Ich meine, dass die
Zeit bis dahin vertan wird.

Herr Montag, Sie hören doch sonst immer auf die
Verbraucherschutzverbände. Sie wissen doch, dass der
ADAC und andere Verbraucherschutzverbände die Re-
paraturklausel fordern. Wir sollten im Rechtsausschuss
hierüber etwas intensiver diskutieren. Vielleicht kom-
men wir dann zu einem vernünftigen Ergebnis.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505324900


Nächster Redner ist der Kollege Dirk Manzewski für
die SPD-Fraktion.


Dirk Manzewski (SPD):
Rede ID: ID1505325000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debat-

tieren heute über das Geschmacksmusterreformgesetz.
Im Grunde genommen ist bei diesem Gesetz – das hat
man den Redebeiträgen entnehmen können – nur eine
Frage streitig, und zwar die so genannte Reparaturklau-
sel. Über die weiteren Maßnahmen streiten wir nicht.

Kollege Krings, ich hatte bei Ihrer Rede den Ein-
druck, als hörte ich einen Vortrag des Gesamtverbandes
Autoteile-Handel. Sie haben im Grunde genommen das
vorgebracht, was der Verband in seinem an uns alle ge-
richteten Schreiben gefordert hat.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Und der ADAC und die Verbraucherschutzverbände!)



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(C (D Sie werden sich wundern, wie diese Verbände in der nhörung, die wohl bald stattfinden wird, reagieren weren. Es wäre schön gewesen, Kollege Krings, wenn Sie ie Behauptungen nicht einfach übernommen, sondern uch überprüft hätten. Dann ergibt sich nämlich eine etas andere Rechtslage. Es wird zum Beispiel vom GVA behauptet, dass die eparaturklausel im Widerspruch zur Gruppenfreistel ungsverordnung der EU im Kraftfahrzeugsektor stehe. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das habe ich nicht vorgetragen!)

Kollege Krings, ich habe gesagt, dass dies von der
VA, vorgebracht wird, nicht, dass Sie es vorgetragen
ätten. Diese Behauptung ist völliger Quatsch, weil das
ine mit dem anderen überhaupt nichts zu tun hat. Bei
er Gruppenfreistellungsverordnung der EU geht es al-
in um Wettbewerbs- und Kartellrecht. Es wird über-
aupt keine Aussage zum geistigen Eigentum gemacht.
Sie haben eine weitere Behauptung übernommen,
ollege Krings. Sie haben erklärt, die Einheitlichkeit der
U-Rechtsordnung sei gefährdet, weil die Gemein-
chaftsgeschmacksmusterverordnung eine entsprechen-
e Klausel enthalte. Das stimmt nicht.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Art. 110!)

Lassen Sie uns darüber diskutieren. Diese Verordnung
nthält keine Reparaturklausel. Kollege Krings, Sie müs-
en bedenken, die Gemeinschaftsgeschmacksmusterver-
rdnung – auch auf EU-Ebene gilt nämlich vorrangiges
echt – ist gegenüber der Richtlinie nachrangig. In der
ichtlinie wird aber über die Reparaturklausel nicht ent-
chieden. Daher sind auch in der Gemeinschaftsge-
chmacksmusterverordnung dazu keine Regelungen ge-
roffen worden. Es wird abgewartet, was auf der Ebene
es höherrangigen Rechts beschlossen wird. Die Ent-
cheidung, abzuwarten, was in der Richtlinie im
ahr 2005 entschieden wird, war vernünftig.
Kollege Krings, Sie haben wahrscheinlich etwas

alsch verstanden. Da ein Gemeinschaftsgeschmacks-
uster innerhalb der gesamten EU Geltung hätte, sollen
rsatzteile aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen
eurteilung, die auch Sie erwähnt haben, hiervon zu-
ächst ausgenommen bleiben. Das ist vollkommen
chlüssig.
Nehmen wir einmal Ihr Beispiel auf: Sie melden in
licante ein Geschmacksmuster für einen Kotflügel an.
n der Konsequenz würde dieses Geschmacksmuster bei
inem positiven Entscheid auch zum Beispiel in Groß-
ritannien Geltung haben. Sie wissen aber, dass in Groß-
ritannien bereits eine Reparaturklausel gilt. Da dies im
iderspruch zu dem Entscheid stände, wird in Art. 110
er Richtlinie geregelt, dass eine Entscheidung bis zum
n-Kraft-Treten der Richtlinie abgewartet werden muss.
nsonsten funktioniert das Ganze nicht. So muss man
en Art. 110 interpretieren, nicht anders.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Dirk Manzewski
Mir ist offen gestanden völlig unverständlich, warum
Sie die Reparaturklausel präferieren. Sie vertreten damit
eine Maximalposition. Erst einmal hat der GVA – und
Sie haben es auch so gesagt, so habe ich es jedenfalls
verstanden, Kollege Krings – einfach behauptet, wir
würden Designschutz schaffen. Der Kollege Montag
und die Ministerin haben darauf hingewiesen, dass wir
diesen nicht zu schaffen brauchen, weil er bereits exis-
tiert. Designschutz für Ersatzteile gibt es bei uns bereits.
Das heißt, wir verändern am Status quo überhaupt
nichts. Das ist momentan die Praxis.

Wie sieht es auf EU-Ebene aus? Wir haben dort völlig
unterschiedliche Positionen. Auf der einen Seite ist
Großbritannien, das als einziges Land die Reparatur-
klausel tatsächlich positivrechtlich verankert hat. Auf
der anderen Seite ist Frankreich, das momentan den um-
fassendsten rechtlichen Schutz von Ersatzteilen hat.
Ganz interessant ist es, dazu die Renault-Rechtspre-
chung zu lesen.

Wir müssen uns einmal vergegenwärtigen, um was es
eigentlich in diesem Zusammenhang geht. Als Ge-
schmacksmuster wird, vereinfacht gesagt, die äußere
Formgebung von Erzeugnissen geschützt. Es geht hier
also um geistiges Eigentum. Sie haben immer nur die
Wirtschaftsbelange angesprochen. Mich hat gewundert,
dass Sie den Begriff des geistigen Eigentums hier über-
haupt nicht erwähnen.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Den habe ich auch erwähnt!)


Mir ist nicht klar, warum der Kotflügel eines fabrik-
neuen Fahrzeuges dem Schutz unterliegen soll, dieser
Schutz aber bei einem unfallbedingten Ersatz verloren
gehen soll. Das ist für mich unter der Prämisse des geis-
tigen Eigentums nicht erklärlich.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sie haben schlecht zugehört!)


Sie mögen mir einmal – das werden Sie vielleicht
nächste Woche tun, wenn wir im Rechtsausschuss darü-
ber diskutieren – die Rechtssystematik dazu erklären,
auch im Zusammenhang mit dem bisherigen deutschen
Geschmacksmusterrecht.

Sie verweisen einfach auf England oder andere Län-
der. Ich empfehle Ihnen, sich anzuschauen, wie diese
Problematik dort geregelt ist. Wir können unsere Situa-
tion nicht mit dem britischen Rechtssystem vergleichen.
Dort sieht es völlig anders aus, Kollege Krings. Das ist
auch das große Problem der entsprechenden Richtlinien,
über die wir heute debattieren, weil die Systeme des
Schutzes völlig unterschiedlich sind. Die Briten – das ist
das Entscheidende – lassen zum Beispiel noch nicht ein-
mal die Zulassung des Geschmacksmusters auf alle Ori-
ginalteile und dementsprechend natürlich auch nicht auf
Reparaturteile zu. Das muss man wissen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505325100


Herr Kollege Manzewski, möchten Sie kurz vor Ende
Ihrer Redezeit


(Heiterkeit im ganzen Hause)


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(C (D ieselbe durch eine Zusatzfrage des Kollegen Funke verängern lassen? Vom Kollegen Funke immer, weil ich dann noch die hance habe, etwas einzuflechten. Herr Kollege, Sie sind, wenn ich das recht verstanden abe, bislang gegen Monopole. Meinen Sie nicht, dass s vielleicht auch für den Verbraucher gut wäre, wenn er icht dem Monopol, Daimler-Benz beispielsweise, auseliefert wäre, sondern für die Reparatur seines Fahreugs zwischen mehreren Lieferanten auswählen dürfte? (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit wann ist Mercedes ein Monopol?)

Dirk Manzewski (SPD):
Rede ID: ID1505325200
Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1505325300


Dirk Manzewski (SPD):
Rede ID: ID1505325400

Kollege Funke, ich würde da schon differenzieren.

ch kann das nicht so stehen lassen, wie Sie das sagen.
s ist ja auch vom Kollegen Krings behauptet worden,
ass ein Monopol auf die Ersatzteilproduktion bestehen
ürde, wenn wir diese Reparaturklausel nicht einführen
ürden.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Richtig!)

as würde gegenüber den Einzelteilherstellern ausgenutzt
erden, was wiederum zu Arbeitsplatzverlust führen
ürde. Der Kollege Montag hat aber schon darauf hinge-
iesen, dass gerade der boomende Ersatzteilhandel in
eutschland genau das Gegenteil zeigt.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


ie Automobilhersteller, Kollege Funke, haben aus uns
uristen bekannten Gründen kein großes Interesse – blei-
en Sie bitte stehen, ich bin mit der Beantwortung der
rage noch nicht fertig; ich will das noch ein bisschen
usnutzen, weil sonst meine Zeit abgelaufen wäre –,


(Heiterkeit im ganzen Hause)

ieses geltend zu machen. Wir wissen doch, dass das Ge-
chmacksmusterrecht – so deutlich muss man das sagen –
in Anmelderecht ist. Es erfolgt keine Überprüfung.
ine Überprüfung würde erst stattfinden, Kollege Funke,
enn es tatsächlich zu einem Verfahren kommt. Das
eißt, dass es ganz schnell passieren kann, dass der Klä-
er zum Beklagten wird. Aus diesem Grund ist es auch
rklärlich, dass in den letzten Jahren nur ganz wenige
erfahren tatsächlich betrieben worden sind.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505325500


Herr Kollege Manzewski, jetzt muss ich Sie doch da-
auf aufmerksam machen, dass ich Ihre Redezeit nicht so
ange verlängern kann, wie Sie den Kollegen Funke
erne stehen ließen.


(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)







(A) )



(B) )


Dirk Manzewski (SPD):
Rede ID: ID1505325600

Herr Präsident, ich lasse ihn ja nicht im Regen stehen.
Ganz kurz noch zwei Sätze dazu. Kollege Funke, wir

sind ja Rechtspolitiker. Das ist eigentlich für mich bei
dieser Frage das entscheidende Argument.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505325700


Das wäre eigentlich ein schöner Schlusssatz gewesen.

(Heiterkeit im ganzen Hause)



Dirk Manzewski (SPD):
Rede ID: ID1505325800

Nein. – Kollege Funke, die Liberalisierung ver-

meintlicher Monopole kann doch nicht die Aufgabe des
Geschmacksmusterrechts sein.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Warum denn nicht?)


Hier geht es um die Frage des Schutzes von geistigem
Eigentum und von nichts anderem. Mich wundert schon
sehr, dass diejenigen, die beim Urheberrecht hier noch
die Rächer der Enterbten gegeben haben, weil wir im
Rahmen der zulässigen Schrankenregelung, immerhin
unter Beibehaltung des Urheberrechtsschutzes, für Bil-
dung und Forschung Ausnahmen gemacht haben, nun
das geistige Eigentum wegen des schnöden Mammons
verhökern wollen. Das kann ich offen gestanden nicht
nachvollziehen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber jetzt darf er sich setzen!)


– Jetzt darf er sich setzen. Ich komme auch gleich zum
Schluss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe bereits
dargestellt – Sie wissen es auch selbst –, dass innerhalb
der EU sehr verhärtete Fronten bestehen. Ich glaube of-
fen gestanden nicht, dass sich eine der Maximalpositio-
nen durchsetzen wird. Ich glaube nicht, dass es zu einem
so weit reichenden Schutz wie in Frankreich kommen
wird. Ich glaube allerdings auch nicht, dass eine Repara-
turklausel nach britischem Vorbild eingeführt wird, und
zwar schon deshalb nicht, weil die EU-Richtlinie in
Art. 3 Abs. 3 von einer selbstständigen Schutzfähigkeit
von Ersatzteilen ausgeht. Ich befürchte fast, dass Sie das
übersehen haben.

Meiner Auffassung nach wird das Ergebnis irgendwo
dazwischen liegen. Denkbar wäre zum Beispiel eine Lö-
sung – meines Wissens haben Sie, Herr Kollege Funke,
das in der Vergangenheit präferiert – in Form von Li-
zenzgebühren. Das würde aber bedeuten, dass der
Schutz weiterhin den Automobilherstellern obliegt.

Eine andere Lösung, die ich mir vorstellen könnte,
wäre ein befristeter Rechtsschutz, der, meine ich, in
Griechenland bereits praktiziert wird. Dort läuft der
Rechtsschutz fünf Jahre nach dem In-Verkehr-Bringen
eines Fahrzeugs aus. Griechenland soll damit gute Er-
fahrungen gemacht haben.

Ich komme zum Schluss. Einer Entscheidung der EU
vorzugreifen, um nach kurzer Zeit wieder zurückrudern

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(C (D u müssen, halte ich unabhängig von der Frage des geisigen Eigentums derzeit nicht für vernünftig. Ich plädiere afür, dass wir gemeinsam dem Vorschlag der Bundesreierung folgen, den ich für sehr vernünftig halte. Ich ehe dazu keine Alternative. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Wenig Inhalt, aber sonst ganz gut! – Gegenruf des Abg. Dirk Manzewski [SPD]: Der Einzige mit Inhalt, glaube ich!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505325900


Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
ollege Kurt Segner für die CDU/CSU-Fraktion.


Kurt Segner (CDU):
Rede ID: ID1505326000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das über

25 Jahre alte Geschmacksmustergesetz soll durch ein
eues Gesetz abgelöst und der Richtlinie der Europäi-
chen Union angepasst werden.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen wir schon!)


ieser Gesetzentwurf hat eine große Bedeutung für un-
ere heimische Wirtschaft.
Wir begrüßen den Gesetzentwurf im Ansatz, da es

ich bei dem Geschmacksmuster um ein ausschließliches
echt mit Sperrwirkung handelt. Damit verbleibt die-
es Schutzrecht in der Tradition des deutschen gewerbli-
hen Rechtsschutzes.
Erfinderische und gestalterische Leistungen werden

ls ein absolutes Recht festgelegt. Mit der EU-Verord-
ung wurde ein für die gesamte EU wirksames Gemein-
chaftsgeschmacksmuster mit einer Reparaturklausel
um Schutz des Ersatzteilmarktes eingeführt.
In dem vorliegenden Gesetzentwurf hat Rot-Grün lei-

er auf die Einführung einer Reparaturklausel verzichtet.

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)

amit geht Rot-Grün wieder einen eigenen Weg


(Zuruf von der CDU/CSU: Den falschen!)

nd schadet Handwerk, Handel und Verbrauchern.
Durch die Nichtübernahme der Reparaturklausel wird

er Wettbewerb auf dem deutschen Ersatzteilmarkt weit-
ehend ausgeschaltet. Freie mittelständische Zulieferer
der Teilehersteller – wie viele von Ihnen sie in Ihrem
igenen Wahlkreis haben – verlieren ihren Absatzmarkt.
er Jobmotor Mittelstand wird dadurch weiterhin ge-
chwächt,


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch nicht richtig!)


nd das bei einer Zahl von mehr als 4,7 Millionen Ar-
eitslosen. Aber der Gesetzentwurf ohne Reparaturklau-






(A) )



(B) )


Kurt Segner
sel hat auch Auswirkungen auf die 48 Millionen Auto-
besitzer als Verbraucher in Deutschland.

Ich frage mich, ob es die Absicht der rot-grünen Bun-
desregierung ist, den Verbraucher zu bevormunden.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Wir wollen die Autobesitzer quälen!)


Wir von der CDU/CSU jedenfalls wollen den Ver-
braucher selber entscheiden lassen, welches Produkt er
in sein Fahrzeug einbaut. Wir von der CDU/CSU wollen
den mündigen Verbraucher und nicht den „gefesselten“
Verbraucher.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja etwas ganz Neues! Das fällt Ihnen aber erst in der Opposition ein!)


Denn ohne die Reparaturklausel schaffen Sie weniger
Wettbewerb. Wir wollen dagegen mehr Wettbewerb und
weniger Bürokratie.

Nach Aussage der Bundesregierung sollen die Aus-
wirkungen der Richtlinie Ende 2004 von der Europäi-
schen Kommission überprüft werden und eventuell soll
2005 die Reparaturklausel übernommen werden.


(Dirk Manzewski [SPD]: Nein, das hat sie nicht gesagt!)


Ich frage Sie: Wollen Sie wirklich in zwei Jahren schon
wieder einen Gesetzentwurf vorlegen und damit die Bü-
rokratie aufblähen?

Meine Damen und Herren von Rot-Grün, geben Sie
sich einen Ruck und machen Sie ein Gesetz aus einem
Guss!

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505326100


Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-

wurfs auf Drucksache 15/1075 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Dazu
gibt es offenkundig keine anderweitigen Vorschläge.
Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Siegfried Kauder (Bad Dürrheim), Dr. Nobert
Röttgen, Andreas Storm, weiteren Abgeordneten
und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Op-
ferentschädigungsgesetzes

– Drucksache 15/1002 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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(C (D Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss Interfraktionell sind für die Aussprache 30 Minuten orgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das o beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort als rstem dem Kollegen Siegfried Kauder für die CDU/ SU-Fraktion. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen ie mich über Margery Fry und Ingeborg Geisendörfer erichten und lassen Sie mich außerdem für diejenigen prechen, die im Ausland Opfer von Straftaten geworden ind. Ich finde es betrüblich, dass niemand vom zustänigen Fachministerium Solidarität mit diesen Opfern eigt; denn man muss wissen, dass die zuständige Fachinisterin nicht die Frau Justizministerin – sie ist danenswerterweise anwesend –, sondern die Bundesminiserin für Gesundheit und Soziale Sicherung ist. Lassen Sie mich die Geschichte der Opferentschä igung in drei Bildern schildern. Wenn man diese drei ilder nebeneinander hält, stellt man fest, dass sie naezu Kopien voneinander sind. Im Jahr 1957 berichtete argery Fry, die erste Frau, die in England zum Richtermt zugelassen wurde, unter der Überschrift „Justice for ictims“ im „Observer“ über einen dramatischen Fall. as Opfer eines Überfalls war erblindet. Das englische ivilgericht hatte dem Opfer eine Entschädigung von 1 500 Pfund zugesprochen, für die die beiden Täter aufommen sollten. Da sie aber im Gefängnis saßen, wurde hnen zugestanden, diese Summe in monatlichen Raten on je 20 Schilling zu zahlen. Danach hätte das Opfer rst nach 422 Jahren seine gesamte Entschädigung geabt. So etwas kann noch heute deutschen Staatsbürgern nd ihnen gleichgestellten EU-Ausländern zustoßen; enn das deutsche Opferentschädigungsgesetz deckt chäden im Ausland nicht ab. Der erwähnte Artikel von Margery Fry hat England nd viele andere Länder dazu bewegt, Opferentschädiungsgesetze zu verabschieden. Sie waren aber nicht orbild für Deutschland. Konnten wir zu wenig Engisch? Es war wieder einmal die Presse, die auf die beondere Gefahrenund Gefährdungslage der Opfer von traftaten hingewiesen hat. Es war im Jahr 1970, als Quick“ anklagte: Der Staat lässt hilflose Menschen im tich! Wir müssen Ingeborg Geisendörfer dankbar sein, ass sie im selben Jahr eine Anfrage in den Deutschen undestag eingebracht hat, in der sie von der damaligen undesregierung wissen wollte, wie sie dieses Problem eurteilt. Die Antwort war so, wie ich es auch heute imer wieder erlebe. Der zuständige Parlamentarische taatssekretär erklärte der Kollegin Geisendörfer, man abe sich im Ministerium der Justiz seit längerem dieses roblems angenommen. Dann war Ruhe. Doch Ingeborg eisendörfer hakte nach. Im Jahr 1971 bat sie um Auskunft darüber, ob die robleme im damaligen Justizministerium – es war unter Siegfried Kauder der Regierung Brandt/Scheel – inzwischen behoben seien. Sie waren aber nicht behoben. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion legte deshalb am 27. Juli 1971 mit einem Gesetzentwurf zur Entschädigung von Opfern nach. Grundlage war der Gedanke, dass man Opfer in ihrer sozialen Not, in die sie aufgrund einer Straftat geraten seien, nicht allein lassen dürfe. Es ging bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 1972 nicht weiter. Dann war alles versackt. Im Jahr 1974 ging man dieses Problem noch einmal an. Es dauerte aber bis zum 16. Mai 1976, bis in Deutschland das Opferentschädigungsgesetz erlassen worden ist. Man hat sich an das Verbrechensentschädigungsgesetz, das bereits wenige Jahre vorher in Österreich erlassen worden war, gehalten. Das österreichische Gesetz enthielt allerdings eine wichtige Abweichung: Österreich gewährte schon damals auch den Opfern von Straftaten, die im Ausland Opfer geworden sind, eine Entschädigung. In Deutschland hat man das Territorialitätsprinzip vorgezogen: Nur wer in Deutschland Opfer einer Straftat wird, kann eine Entschädigung erhalten. Ich habe einen Fall betreut, in dem es um eine junge Deutsche ging, die auf einem Campingplatz in Spanien vergewaltigt worden ist. Sie hat bis heute keine Opferentschädigung erhalten, obwohl es in Spanien ein Entschädigungssystem gibt, das allerdings anders als in Deutschland ausgestaltet ist. Diese Lücke gilt es zu schließen. In der letzten Legislaturperiode gab es mehrfach Anfragen und Anregungen, allerdings im Wesentlichen auf die Opfer von terroristischen Gewalttaten fokussiert. Für das Opfer ist es aber völlig egal, ob der Täter Terrorist, rechtsoder linksradikal ist. Für das Opfer ist der Ausgleich der sozialen Notlage, die durch die Straftat entstanden ist, entscheidend. Wir haben am 11. April 2003 über die Opferentschädigung diskutiert. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat einen Antrag eingebracht, der bewirken sollte, dass die Bundesregierung das Opferentschädigungsgesetz korrigiert. Wie schon in zurückliegenden Zeiten kam der Einwand, das alles sei so schwierig und furchtbar kompliziert; man kenne das Problem und werde es bearbeiten. Diese Reaktion war mir durch das, was ich gerade geschildert habe, noch in Erinnerung. Deswegen befürchtete ich, alles werde genauso wie damals bei Ingeborg Geisendörfer ablaufen: dass man über die Angelegenheit diskutiert und dass irgendwann am Ende der Legislaturperiode alles versackt. Im Hinterkopf hatte ich immer noch den Fall der Deutschen, die in Spanien Opfer einer Verbrechens geworden ist. Dieser Frau konnte ich bis heute nicht helfen. Das hat mich bewegt. Ich kam zu dem Ergebnis: Wir dürfen es nicht dabei bewenden lassen, zu sagen, das alles sei so schwierig und kompliziert. Deswegen habe ich am Ende dieser Debatte zugesagt, kurzfristig, am nächsten Tag – zugegebenermaßen war es der übernächste Tag; denn es war ein Sonntag, Herr Kollege Montag – e D d T D O u A b G s e n r – s p o s j H e E d s F b t g E I s w i e u B B e g f t n d e (C (D inen ausformulierten Änderungsantrag einzureichen. ieses Versprechen habe ich gehalten. Ich bin der Meinung, dass Opferentschädigung und as Schicksal von Tatopfern kein parteipolitisches hema sein sollte. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Siegfried Kauder (CDU):
Rede ID: ID1505326200




(A) )


(B) )


(Heiterkeit)


ieses Hohe Haus ist herausgefordert, die Lücke im
pferentschädigungsgesetz zügig zu schließen.
Wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben

ns sehr viel Mühe gegeben, das zu berücksichtigen, was
bgeordnete anderer Fraktionen in diese Debatte einge-
racht haben. Wir haben versucht, einen ausgewogenen
esetzentwurf vorzulegen, durch den nicht nur den deut-
chen Staatsangehörigen nach einer Straftat im Ausland
ine Entschädigung zugestanden wird, sondern auch ih-
en gleichgestellten ausländischen Mitbürgern, die be-
eits eine gewisse Zeit in Deutschland leben.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht alle!)


Man kann das Fass ganz aufmachen; aber beim Erlas-
en eines Gesetzes spielen auch fiskalische Gesichts-
unkte eine Rolle. Das wissen Sie so gut wie ich.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Deswegen haben wir gesagt: Nicht alle deutschen Tat-
pfer im Ausland, nämlich nicht diejenigen, die ihren
tändigen Wohnsitz im Ausland haben, sondern nur die-
enigen, die noch einen engen räumlichen Bezug zum
eimatland haben – grob gesagt: die Touristen –, sollen
ntschädigt werden. Ich bin der Meinung, dass dieser
ntwurf wohl ausgewogen ist.
Nun kann man die Einwendung erheben, das sei für

ie ausländischen Behörden, für die Konsulate, ein zu-
ätzlicher personeller Aufwand. Wir haben uns in unserer
raktion kundig gemacht und haben einen Sach-
earbeiter der zuständigen Behörde aus Österreich – ös-
erreichische Staatsangehörige können nach dem dorti-
en Recht auch als Opfer im Ausland eine
ntschädigung erhalten – bei uns gehabt. Nach dessen
nformationen sind es nur wenige Fälle, die zu bearbeiten
ein werden. Man darf auch nicht verkennen: Der Auf-
and ist schon heute vorhanden. Wohin anders als an die
m Ausland befindlichen deutschen Behörden soll sich
in deutsches Tatopfer im Ausland wenden?
Wir wissen, dass diese Gesetzesänderung Kosten ver-

rsacht. 40 Prozent der Opferentschädigung trägt der
und, 60 Prozent tragen die Länder. Ich danke der Frau
undesjustizministerin, dass sie hier ist. Wir wissen, dass
s zwei Titel im Haushalt des Bundesjustizministeriums
ibt, die nicht ausgeschöpft sind. Das betrifft den Fonds
ür die Opfer terroristischer und rechtsextremer Gewalt-
aten. Dieses Geld steht den Opfern zu. Ich bin der Mei-
ung, dass man mit den Ländern verhandeln kann und
ann, wenn ein gesetzlicher Anspruch begründet wird,
inen Teil dieser Fondsmittel auf sie übertragen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Siegfried Kauder (Bad Dürrheim)

Auch wenn es nur wenige sind, die von dieser Ände-
rung profitieren, wäre es ein deutliches Zeichen dafür,
dass sich der Deutsche Bundestag der Bedürfnisse von
Tatopfern gewärtig ist, dass er bereit und in der Lage ist,
kurzfristiger als in den Anfängen der Opferentschädi-
gung solche Gesetzgebungsvorhaben umzusetzen. Ich
freue mich auf die Diskussion in den Ausschüssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505326300


Nun hat der Kollege Karsten Schönfeld für die SPD-
Fraktion das Wort.


Karsten Schönfeld (SPD):
Rede ID: ID1505326400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Kriminalstatistik zeigt: Deutschland ist eines der sichers-
ten Länder in der Welt. Doch auch wenn wir statistisch
von einem Rückgang der Zahl schwerer Straftaten spre-
chen können, so dürfen wir nicht vergessen, dass hinter
jeder Zahl ein Einzelschicksal steht.

Viele Tausende von Menschen werden jedes Jahr di-
rekt oder indirekt Opfer von Gewalt und Kriminalität. Es
ist schwer vorstellbar, was viele dieser Opfer durchge-
macht haben und oft ein Leben lang durchmachen müs-
sen. Wenn wir von Opferhilfe sprechen, dann geht es da-
bei nicht allein um Geld. Die Menschen brauchen
seelischen und psychischen Beistand. Viele Organisatio-
nen nehmen sich dieser Aufgabe an. Bundesweit einzig-
artig ist sicherlich der Weiße Ring. Seit seiner Gründung
vor 25 Jahren wurden über 150 000 Gewaltopfer, Ge-
schädigte vom Weißen Ring materiell unterstützt. Min-
destens ebenso wichtig ist aber auch die psychische
Betreuung der Opfer und deren Angehörigen. Hierbei
leisten Organisationen wie der Weiße Ring eine hervor-
ragende Arbeit.

Wir dürfen Verbrechensopfer nicht allein auf die
rechtlichen Ansprüche gegenüber den Tätern verweisen;
denn dann würden sie wohl oft ganz leer ausgehen, wie
auch das Beispiel, das Sie, Kollege Kauder, angespro-
chen haben, belegt.

Mit dem Opferentschädigungsgesetz hat die Bundes-
republik ein Rechtsmittel geschaffen, um für die Betrof-
fenen eine schnelle Hilfe unabhängig von ihren Rechts-
ansprüchen zu gewährleisten. Wie sich an den Zahlen
zeigt, ist dies nicht nur ein Lippenbekenntnis. Fast
10 000 Anträge werden jedes Jahr gestellt und Mittel in
Höhe von über 100 Millionen Euro werden von Bund
und Ländern bereitgestellt. Dennoch: Wir müssen auf
diese Zahlen nicht stolz sein. Mir wäre es lieber – das
gilt, glaube ich, für uns alle –, wenn weniger Menschen
einen Antrag stellen müssten.

Leider erleben wir in jüngster Zeit immer öfter, dass
deutsche Staatsangehörige Opfer von Straftaten oder von
Anschlägen im Ausland werden. Der Terroranschlag von
Djerba ist ein solch erschreckendes Beispiel; das trifft
ebenso auf die Anschläge von Bali oder jüngst auf die
Entführung von Saharatouristen in Algerien zu.

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(C (D Das Auswärtige Amt geht von einer fortbestehenden eltweiten Gefahr von terroristischen Anschlägen aus. as betrifft nicht nur die Länder des Nahen und Mittleen Ostens. Eine terroristische Bedrohung besteht benso in Europa und nach wie vor natürlich in den SA. Von Reisen in elf Länder rät das Auswärtige Amt erzeit ganz ab. Darunter befinden sich nicht nur offenichtlich gefährliche Staaten wie Afghanistan und Irak, ondern auch Haiti oder der Jemen, wo sich jedes Jahr ehr viele Touristen aufhalten. Geltungsbereich des OEG ist das Territorium der undesrepublik. Vor dem eben geschilderten Hinterrund sehen wir einen zunehmenden Handlungsbedarf; enn immer mehr Deutsche werden im Ausland Opfer on Verbrechen. Die Regierungskoalition hat sich dieses roblems aufgrund seiner Dringlichkeit angenommen. ir haben bereits am 11. April einen Antrag im Bundesg eingebracht, in dem wir die Bundesregierung aufforern, entsprechende Möglichkeiten zu prüfen. Wir wisen, dass das nicht nur ein Problem ist, das in den ufgabenbereich des Bundesministeriums für Gesundeit und Soziale Sicherung fällt; es ist natürlich auch ein uristisches Problem. Ich glaube, dass es deshalb auch ut ist, dass die Bundesregierung mit der Bundesjustizinisterin und der Parlamentarischen Staatssekretärin m Bundesgesundheitsministerium hier vertreten ist. Es geht insbesondere um die Frage, ob der Geltungs ereich des OEG auf Straftaten, die an Deutschen im usland begangen werden, ausgedehnt werden kann der ob diesen Opfern in anderer Weise ein Anspruch uf Entschädigung zuerkannt werden kann. Die derzeige Prüfung, ob die Stellung der Opfer verbessert weren kann, findet nicht nur auf Bundesebene statt. Diese rage hat zumindest eine europäische Dimension. Auf der Grundlage des Grünbuchs „Entschädigung für pfer von Straftaten“ hat die EU-Kommission im Herbst tzten Jahres eine Richtlinie zur Harmonisierung der pferentschädigung erlassen. Dabei werden von der ommission drei zentrale Forderungen erhoben: erstens ie Gewährleistung, dass Opfer in der Europäischen nion eine staatliche Entschädigung erhalten können, das eißt ein Sicherheitsnetz für alle, die in der Europäischen nion ihren Wohnsitz haben; zweitens die Aufhebung on Ungerechtigkeiten, die sich aus dem unterschiedlihen Entschädigungsniveau in den einzelnen Mitgliedtaaten für die Bürger ergeben – es darf zukünftig eben icht mehr entscheidend sein, ob man in Österreich, in panien oder in Deutschland lebt – und drittens die Ereichterung des Zugangs zu staatlicher Entschädigung für pfer in Situationen mit grenzüberschreitenden Bezügen. as heißt, für eine Entschädigung darf es keine Rolle pielen, in welchem Land die Straftat begangen wurde. Die Richtlinie wird derzeit in den Ländern der Euro äischen Union kontrovers diskutiert. Vor allem Länder ie Italien oder Griechenland, die bislang noch gar eine Opferentschädigung kennen, müssen hier mit ins oot geholt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns beusst, dass das Thema sehr wichtig ist, zu wichtig, um s weiter auf die lange Bank zu schieben. Unabhängig Karsten Schönfeld von den derzeitigen rechtlichen Überlegungen hat die Bundesregierung deshalb schnell auf aktuelle Ereignisse reagiert. Das Kabinett hat unmittelbar nach den Anschlägen von Djerba am 11. April letzten Jahres als Zeichen der Solidarität mit den Opfern einen Hilfsfonds eingerichtet. Im Bundeshaushalt 2002 wurden dafür außerplanmäßige Mittel in Höhe von 10 Millionen Euro zur Verfügung gestellt; in diesem Haushaltsjahr sind es 9 Millionen. Zahlungen aus dem Fonds können rückwirkend für Fälle ab dem 1. Januar 2001 geltend gemacht werden, sodass Betroffene und Angehörige der Anschläge vom 11. September, von Djerba, von Bali und zuletzt auch Entführungsopfer aus der Sahara entschädigt werden können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns wohl darin einig, dass in einer Zeit, in der sich Bundesbürger auf der ganzen Welt bewegen, die aber durch größere weltweite Gefahren gekennzeichnet ist, etwas für die Opfer von Verbrechen im Ausland getan werden muss. Ich glaube jedoch, dass wir den vorliegenden Entwurf der Union kritisch betrachten müssen; denn er enthält einige Problempunkte, die hier noch zu klären sind. So stellt sich die Frage, ob wir wirklich alle Straftaten im Ausland aufnehmen wollen. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kauder? Ja, bitte. Herr Kollege, sind Sie mit mir einig, dass erhebliche Bedenken in Bezug auf die Regelungskompetenz der europäischen Ebene hinsichtlich der Opferentschädigung bestehen? Weder die sozialrechtlichen Vorschriften sind einschlägig, weil diese Entschädigung nicht mit dem Arbeitsmarkt in Zusammenhang steht, noch ist der interjustizielle Bereiche betroffen, weil Opferentschädigung nicht mit strafrechtlichen Sanktionen, sondern mit Sozialrecht zusammenhängt; auch die Subsidiaritätsklausel spielt eine Rolle. Sind Sie mit mir einig, dass aus dem von Ihnen erwähnten Fonds das von mir angesprochene Opfer, dem in Spanien eine Straftat widerfuhr, nicht entschädigt werden kann? (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das kann doch alles geprüft werden!)





(A) )


(B) )

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505326500
Karsten Schönfeld (SPD):
Rede ID: ID1505326600
Siegfried Kauder (CDU):
Rede ID: ID1505326700


Karsten Schönfeld (SPD):
Rede ID: ID1505326800

Da ich den konkreten Fall des von Ihnen angespro-

chenen Opfers in Spanien nicht kenne, kann ich auf die-
sen Punkt nicht eingehen. Ich glaube dennoch, dass es in
Zeiten zunehmender europäischer Harmonisierung da-
rauf ankommt, hierzu eine europäische Regelung zu tref-
fen; darauf richtet sich auch unser Bemühen.

Aber noch einmal zurück zu Ihrem Antrag: Wenn wir
alle Straftaten im Ausland aufnehmen, werden wir am

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(C (D nde wahrscheinlich große Schwierigkeiten bei der Abrenzung und Aufklärung bekommen! Fraglich ist auch, b eine bewusste Selbstgefährdung von Touristen beücksichtigt werden sollte. Ich habe von den Warnungen, ie vom Auswärtigen Amt herausgegeben werden, geprochen. In diesem Zusammenhang muss man auch die rage erörtern, ob Straftaten an Menschen, die sich ganz ewusst in Regionen bewegen, in denen Gefahren besteen, genauso bewertet werden sollen wie entsprechende traftaten in Frankreich oder Italien. Lassen Sie noch eine Zusatzfrage des Kollegen auder zu? In meiner restlichen Redezeit möchte ich gerne im usammenhang vortragen. (Siegfried Kauder [Bad Dürrheim] [CDU/ CSU]: Das ist ein Ausschlusstatbestand nach OEG!)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505326900
Karsten Schönfeld (SPD):
Rede ID: ID1505327000

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man muss an die
enschen appellieren, sich der Risiken einer Reise im
orfeld bewusst zu sein. Dazu gehört auch, sich darüber
larheit zu verschaffen, ob der Versicherungsschutz, den
an in Deutschland genießt, im Ausland gleichermaßen
ilt oder ob man sich oder seine Familie zusätzlich
chützen muss, beispielsweise durch eine Unfall- oder
uslandskrankenversicherung. In einer Zeit, in der viel
ber die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme
eredet wird und gerade von Ihnen in der Union mehr
igenverantwortung gefordert wird, kann es nicht sein,
ass der Staat eine Pauschalversicherung für Abenteuer-
ouristen übernimmt.


(Siegfried Kauder [Bad Dürrheim] [CDU/ CSU]: Nichts verstanden!)


Was ich in Ihrem Entwurf ebenfalls nicht nachvollzie-
en kann, ist die Dreimonatsausschlussfrist. Das Krite-
ium des vorübergehenden Aufenthalts für längstens drei
onate scheint – Sie haben es in Ihrer Rede bestätigt,
err Kollege Kauder – weitgehend auf Touristen zuge-
chnitten zu sein. Eine plausible Begründung dafür, wa-
um ein deutscher Staatsbürger, der sich länger im Aus-
and aufhält, keinen Anspruch auf Opferentschädigung
aben soll, gibt es nicht. So hätte beispielsweise ein Ar-
eitnehmer, der für länger als drei Monate – sei es auch
ur für ein halbes Jahr – von seinem Arbeitgeber ins
usland entsandt wird, keinen Anspruch auf Opferent-
chädigung, seine Familie, die ihn für ein paar Tage oder
ochen besucht, aber gleichwohl.
Sie sehen, es gibt noch viel zu klären. Dazu werden
ir das parlamentarische Verfahren nutzen. Ich wünsche
ir, dass wir möglichst bald eine Regelung – möglichst
ine EU-einheitliche Regelung – hinbekommen.
Ich bedanke mich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505327100


Das Wort hat nun die Kollegin Sibylle Laurischk,
FDP-Fraktion.


Sibylle Laurischk (FDP):
Rede ID: ID1505327200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits im

April des vergangenen Jahres wurde von der FDP-Frak-
tion eine Ergänzung des Opferentschädigungsgesetzes
beantragt, weil angesichts der internationalen Terroran-
schläge in den vergangenen Jahren offenkundig wurde,
dass davon betroffene deutsche Opfer keine Entschädi-
gung nach dem Opferentschädigungsgesetz erhalten
konnten. Hier besteht nach wie vor eine Regelungslücke,
die angesichts der Belastung der Opfer nicht länger hin-
zunehmen ist. Dementsprechend hat die FDP-Fraktion
im November des vergangenen Jahres die Bundesregie-
rung erneut aufgefordert, das Opferentschädigungsge-
setz zugunsten von Opfern von Terroranschlägen im
Ausland zu ergänzen. Wir verlangen weiter, zu prüfen,
ob die Opfer bei der Durchsetzung rechtlicher Ansprü-
che durch die Bundesregierung oder die deutschen Bot-
schaften unterstützt werden können.

Der vorliegende Gesetzentwurf der CDU/CSU-Frak-
tion hat die von der FDP-Fraktion verfolgte Zielsetzung
aufgegriffen. Die Bundesregierung hat noch in der ver-
gangenen Legislaturperiode erklärt, dass sie die erste
Initiative der FDP-Fraktion ebenfalls unterstütze.

Es wird ständig über terroristische Übergriffe im Aus-
land berichtet, sodass es deutschen Bürgerinnen und
Bürgern nicht länger zuzumuten ist, im Ausland hin-
sichtlich ihrer Opferentschädigungsansprüche schlechter
gestellt zu sein als in Deutschland, nur weil sie nicht in
Deutschland Schaden erleiden. Wie in der Begründung
zum Antrag auch ausgeführt, handelt es sich aber eben
nicht nur um die Entschädigung von Terroropfern, son-
dern auch von Opfern allgemeiner Straftaten. Als Bei-
spiel wird unter anderem der Fall einer traumatisierten
Mutter angeführt, die vom Bundessozialgericht keine
Opferentschädigung zuerkannt bekam, nachdem ihre
Kinder vom Vater im Ausland ermordet wurden. Auf-
grund entsprechender Traumatisierung hätte sie wohl
eine Opferentschädigung bekommen, wenn sich dieser
Fall in Deutschland, also im Inland, ereignet hätte.

Herr Kollege Kauder, Sie haben auch sehr persönlich
von Fällen gesprochen, die Sie selbst begleitet haben.
Ich habe einen solchen Fall wie den gerade geschilderten
selbst in meiner beruflichen Praxis begleitet. Ich muss
sagen, es ist einer der dramatischsten Fälle, die ich erlebt
habe, gerade auch angesichts der Hilflosigkeit solcher
Opfer, die auf weitere Begleitung und Hilfestellung
staatlicherseits angewiesen sind. Nur weil das Ausland
der entscheidende Faktor ist, bekommen sie keinen An-
spruch auf Entschädigung zuerkannt. Solche Konse-
quenzen sind Opfern von Gewalttaten nicht vermittelbar.
Für sie ist es unerheblich, wo sie betroffen werden; sie
müssen letztendlich eine angemessene Versorgung ha-
ben, unabhängig vom Ort der Straftat.

Die FDP hat in ihrer Aufforderung an die Bundesre-
gierung, gesetzgeberisch tätig zu werden, auch die Unter-
stützung der Opfer bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche

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(C (D m Ausland für erforderlich erachtet. Ich halte diese Forerung nach wie vor für dringlich und würde es sehr berüßen, wenn im Interesse der Opfer auch dieser Geichtspunkt Eingang in die Gesetzgebung finden könnte. ie Durchsetzung von Ansprüchen vor Ort kann nämlich on Fall zu Fall im Rahmen einer Kollisionsregelung nsprüche nach deutschem Opferentschädigungsrecht achrangig gestalten, sodass eine effektive Unterstütung der Durchsetzung von Ansprüchen im Ausland leichermaßen im Interesse von Opfern und deutschem iskus sein kann. In diesem Zusammenhang möchte ich auf § 2 des Op erentschädigungsgesetzes hinweisen: Es gibt auch Veragungsgründe; man muss sich im Ausland kümmern önnen und braucht dazu von Fall zu Fall Unterstützung. Ich gehe davon aus, dass in diesen Detailfragen in der usschussberatung vernünftige Lösungen zu finden sind nd Opfer von Straftaten im Ausland letztendlich eine ntschädigung bekommen können, sofern die Voraussetungen für eine Entschädigung nach dem Opferentschäigungsgesetz vorliegen. Wir diskutieren über eine Regelungslücke, die bei ntsprechender Initiative der Bundesregierung längst gechlossen sein könnte. Die FDP-Fraktion begrüßt eine aldige Lösung dieses Problems. Ich danke Ihnen. Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der ollege Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grüen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505327300
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
err Kollege Kauder, aus Ihren Zwischenfragen und Zu-
ufen kann man ein wenig den Eindruck gewinnen, dass
ie es als Aufgabe des Deutschen Bundestages ansehen,
hre Opfer – damit meinen Sie wohl die von Ihnen ver-
retenen Opfer – zu versorgen, also für sie eine Regelung
u finden.


(Siegfried Kauder [Bad Dürrheim] [CDU/ CSU]: Das ist zynisch gegenüber den Opfern, Herr Kollege!)


as Problem ist aber wesentlich umfassender und weist
ehr viel mehr Details auf.


(Siegfried Kauder [Bad Dürrheim] [CDU/ CSU]: Das ist zynisch gegenüber Kollegen, die sich für Opfer interessieren!)


Ich habe vor etwa zehn Jahren die Angehörigen der
ürkischstämmigen Opfer des Anschlages von Mölln an-
altlich vertreten.


(Siegfried Kauder [Bad Dürrheim] [CDU/ CSU]: Da geht es auch um Ihre Opfer! Es geht aber um alle Opfer!)







(A) )



(B) )


Hans-Christian Ströbele
Wir mussten feststellen, dass die Angehörigen der
Nichte – bei den Angehörigen der ermordeten Mutter lag
der Fall anders –, die dort zu Besuch war und ebenfalls
bei dem Brandanschlag ermordet worden ist, keine Ent-
schädigung bekommen konnten, weil die Regelung in
Deutschland vorsieht, dass man mit dem getöteten Fami-
lienangehörigen in gerader Linie verwandt oder mit ihm
verheiratet sein muss. Das war bei der Nichte nicht der
Fall. Deswegen bekamen ihre Angehörigen keine Ent-
schädigung. Wir haben uns Mitte der 90er-Jahre an die
damalige Bundesregierung und auch an den Bundestag
gewandt, weil den Angehörigen nur sehr schwer zu ver-
mitteln war, dass es diese Unterscheidung gibt.

Sie erkennen also, dass auch ich einen Regelungsbe-
darf sehe. Die Koalition hat bereits im letzten Jahr die
Initiative ergriffen und eine Reihe von Forderungen auf-
gestellt. Auch wir sehen natürlich nicht ein, warum Op-
fer einer Tat in Deutschland, zum Beispiel auf Sylt, ent-
schädigt werden, aber Opfer einer Tat auf Mallorca – das
war ein konkreter Fall –, einer Tat auf Djerba oder auf
Bali nicht entschädigt werden bzw. keinen Rechtsan-
spruch auf Entschädigung haben. In dem konkreten Fall
ist versucht worden, zu helfen. Das war richtig, aber
trotzdem muss man nachbessern.

Herr Kollege Kauder, man kann es sich aber nicht so
leicht wie Sie machen. Es sind schon eine ganze Reihe
von Problemen aufgezeigt worden. Es gibt beispiels-
weise fiskalische Probleme, die man natürlich im Auge
haben muss. Wir können nämlich nicht Geld verspre-
chen und Ansprüche schaffen, die nachher nur schwer
oder überhaupt nicht erfüllt werden können. Dieser As-
pekt muss also genau überdacht werden.

Es muss aber auch überlegt werden, wer unter eine
solche Regelung fallen soll. Sie haben einen Vorschlag
gemacht, der – wenn ich das richtig verstanden habe –
einen Schritt weiter geht als der Vorschlag, den Sie in
der letzten Debatte gemacht haben. Jetzt wollen Sie EU-
Bürgern aus Deutschland, die im Ausland betroffen sind,
einen Anspruch auf Entschädigung zubilligen.

Aber Sie gehen diesen Schritt nicht weit genug. Wir
meinen, dass auch Nicht-EU-Bürger, die in Deutsch-
land drei Jahre oder länger wohnen und die während ei-
nes Urlaubs nicht nur in der Türkei, sondern auch in an-
deren Ländern wie beispielsweise Griechenland von
einer Tat betroffen sind, nicht anders behandelt werden
sollen als der Deutsche oder der EU-Bürger aus der
Nachbarschaft, der mit ihm zusammen dort Urlaub
macht. Es gibt also vieles zu bedenken, um eine gerechte
und richtige Lösung zu erreichen.

Es ist auch zu überlegen, ob etwa mit den Ländern, in
denen sich viele Deutsche aufhalten, weil sie dort bevor-
zugt Urlaub machen, Gegenseitigkeitsregelungen ge-
troffen werden können, was eine Erstreckung deutscher
Regelungen auf diese Länder überflüssig macht. All das
müssen wir beobachten, prüfen und im Ausschuss erör-
tern.

Dann sollten wir zu einer Regelung kommen, die über
das hinausgeht, was Sie in Ihrem Gesetzentwurf in Be-
zug auf einen Paragraphen vorgelegt haben.

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( N d i d D f d 1)

2)

(C (D Ich muss Ihnen zugestehen, dass das aus CDU/CSUicht ein Schritt in die richtige Richtung gewesen ist. (Siegfried Kauder [Bad Dürrheim] [CDU/CSU]: Jetzt muss nur noch Ihr Schritt kommen!)


enn vorher haben Sie nur von denjenigen Deutschen
esprochen, die, wenn sie im Ausland durch eine Ge-
alttat einen Körperschaden erleiden, entschädigt wer-
en sollen. Lassen Sie uns also gemeinsam in diese
ichtung weitergehen!


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Machen Sie doch einmal einen Vorschlag!)


assen Sie uns ein Gesetz finden, das zu einer gerechten
ösung führt! Da können wir zusammenarbeiten. Sie
ind aufgerufen, daran mitzuwirken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505327400


Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
urfes auf Drucksache 15/1002 an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
azu anderweitige Vorschläge? – Das ist offensichtlich
icht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Clemens
Binninger, Wolfgang Bosbach, Hartmut
Koschyk, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU
Mehr Sicherheit im Luftverkehr

– Drucksache 15/747 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Hierzu geben die Kollegen Frank Hofmann
Volkach)1), Clemens Binninger, Silke Stokar von
euforn, Dr. Max Stadler und für die Bundesregierung
er Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper
hre Reden zu Protokoll2).
Bevor ich Tagesordnungspunkt 16 aufrufe, sollten wir

er Ordnung halber die Überweisung der Vorlage auf
rucksache 15/747 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse beschließen. Dazu besteht offenkun-
ig Einverständnis. – Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Katherina Reiche, Hubert Hüppe, Thomas
Rachel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU

Wird zu einem späteren Zeitpunkt abgedruckt.
Anlage 5.






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsident Dr. Norbert Lammert

Gentests in Medizin, Arbeitsleben und Versi-
cherungen

– Drucksache 15/543 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

Die hierzu vorgesehenen Redner Wolfgang Wodarg,
Katherina Reiche, Jerzy Montag und Detlef Parr geben
ihre Reden ebenfalls zu Protokoll1).

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/543 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlos-
sen.

Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-
nung.

Ich wünsche den verbliebenen Kollegen und Kolle-
ginnen einen schönen Rest dieses Abends.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Freitag, den 27. Juni 2003, 9 Uhr,
ein.

Die Sitzung ist geschlossen.