1) Anlage 6.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4449
(A) )
(B) )
schläge zum Bürokratieabbau ab.
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ern muss. Denn bisher lehnen Sie alle unsere Vor-
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
* für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung
des Europarates
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Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Adam, Ulrich CDU/CSU 26.06.2003*
Bindig, Rudolf SPD 26.06.2003*
Breuer, Paul CDU/CSU 26.06.2003
Deittert, Hubert CDU/CSU 26.06.2003*
Dr. Flachsbarth, Maria CDU/CSU 26.06.2003
Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 26.06.2003
Haack (Extertal),Karl Hermann SPD 26.06.2003
Höfer, Gerd SPD 26.06.2003*
Jäger, Renate SPD 26.06.2003*
Kauch, Michael FDP 26.06.2003
Lamp, Helmut CDU/CSU 26.06.2003
Lintner, Eduard CDU/CSU 26.06.2003*
Lohmann, Götz-Peter SPD 26.06.2003
Rauber, Helmut CDU/CSU 26.06.2003*
Riester, Walter SPD 26.06.2003*
Dr. Scheer, Hermann SPD 26.06.2003*
Schmidt (Ingolstadt), Albert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 26.06.2003
Schösser, Fritz SPD 26.06.2003
Sehn, Marita FDP 26.06.2003
Seib, Marion CDU/CSU 26.06.2003
Siebert, Bernd CDU/CSU 26.06.2003*
Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 26.06.2003
Vaatz, Arnold CDU/CSU 26.06.2003
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(D
Anlagen zum Stenografischen Bericht
nlage 2
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung über den Entwurf eines Gesetzes
über die Verwendung von Verwaltungsdaten
für Zwecke der Wirtschaftsstatistiken (Verwal-
tungsdatenverwendungsgesetz – VwDVG) (Zu-
satztagesordnungspunkt 12)
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bürokra-
ieabbau sollte bereits bei der Überschrift von Gesetzen
eginnen. Warum sagen wir nicht einfach: „Abbau von
irtschaftsstatistiken durch Nutzung von Daten der öf-
entlichen Verwaltung“? Dann wissen gleich alle, was
erninhalt des Gesetzes ist.
Zum Aufbau der Bürokratie haben alle ihren Beitrag
eleistet. Wir sollten jetzt nicht herummäkeln, dass hier
ediglich ein kleiner Schritt zum Bürokratieabbau gegan-
en wird. Wir sind nicht gehindert, weiter zu gehen.
Statistik muss sein. Gerade wirtschafts- und finanzpo-
itische Entscheidungen müssen auf einer gesicherten
atengrundlage gefällt werden. Nutzen und Kosten von
tatistischen Erhebungen müssen allerdings in einem
ernünftigen Verhältnis stehen. Selbstkritisch müssen
ir immer wieder fragen, ob die Erhebungen, die wir ge-
etzlich verordnen, auch notwendig sind. Mit dem vor-
iegenden Gesetz sollen Informationsnetze aufgebaut
nd Doppelerhebungen abgebaut werden.
Wir verwenden mehr Verwaltungsdaten und entlasten
o die Wirtschaft. Einfach gesagt, wir müssen nicht all
as erneut abfragen, was wir an anderer Stelle längst
issen. Wir erleichtern die Übermittlung von Daten der
inanzbehörden und der Bundesanstalt für Arbeit und
erzichten auf Abfragen bei den Unternehmen. Auf
unsch der Länder ist dieses Gesetz befristet. Die Län-
er befürchten zusätzliche Kostenbelastungen. Wir ge-
en allerdings davon aus, dass langfristig dieses Gesetz
osten einsparen wird. Die Länder sind gebeten worden,
urzfristig konkrete Vorschläge zur weiteren Reduzie-
ung von Wirtschaftsstatistiken zu unterbreiten.
Lassen Sie mich zusammenfassend sagen: Wir haben
iesen Wust an Wirtschaftsstatistiken parteiübergreifend
ufgebaut. Lassen Sie uns gemeinsam Verantwortung
bernehmen! Offensichtlicher Unsinn sollte als solcher
ffen benannt und korrigiert werden. Schön, wenn wir
ns dabei gegenseitig überflügeln. Nur auf die Bremse
reten soll niemand.
Gisela Piltz (FDP): „Verwaltungsdatenverwen-
ungsgesetz!“ Wenn man sich dieses Wort auf der Zunge
ergehen lässt, kann man kaum glauben, dass mit diesem
esetz weniger Verwaltung und Bürokratie erzielt wer-
en soll. Jedoch ist es wirklich so, dass dadurch eine
erwaltungsvereinfachung und die Entlastung der Wirt-
chaft bezweckt werden soll, und das von Rot-Grün! Sie
ntschuldigen, wenn ich mich einen Augenblick wun-
4450 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003
(A) )
(B) )
In formeller Hinsicht ist in diesem Entwurf hervorzu-
heben, dass eine alte Forderung der FDP, Gesetze mit ei-
nem Verfallsdatum zu versehen, hier berücksichtigt
wurde. Die Bundesregierung lernt!
Diese Testphase ist bis 2008 sehr lang geworden.
Viereinhalb Jahre Testfall, das gibt es nur bei Rot-Grün.
Ob dieser Weg funktioniert oder nicht, wird sich wohl
schneller herausstellen.
Auch frage ich mich, warum in § 6 des Gesetzent-
wurfs die Bundesregierung, zwar mit Zustimmung des
Bundesrates, die Anwendung des Gesetzes aussetzen
darf. Die Entscheidung darüber sollte doch beim Parla-
ment bleiben und nicht an die Bundesregierung abgege-
ben werden.
Es wäre besser, wenn wir im Rahmen der so genann-
ten Jo-Jo-Klausel bei der Rücknahme dieser Testphase
als Bundestag beteiligt wären. Mit dieser speziellen Re-
gelung für eine Rechtsverordnung hätten wir nicht die
Pflicht, sondern das Recht, uns zu beteiligen. Wenn
schon in die richtige Richtung, dann bitte konsequent.
Wenn es Ihnen wirklich Ernst mit dem Bürokratieab-
bau wäre, dann sollten Sie endlich die monatliche Um-
satzsteuer-Voranmeldung für mittelständische Unterneh-
men an das Finanzamt abschaffen. Alle drei Monate
reicht völlig aus. Das, meine Damen und Herren von
Rot-Grün, wäre echter Bürokratieabbau!
Der Datenschutzbeauftragte hat zwar keine Bedenken
gegen dieses Gesetz gehabt, aber an manchen Stellen
fragen wir uns, ob der Grundsatz der „Datensparsam-
keit“ eingehalten wird. Wir werden die Testphase im
Hinblick auf den Datenschutz kritisch begleiten.
Als Letztes ist noch auf die Kritik des Bundesrates
einzugehen, der ja richtigerweise darauf hinwies, dass
auch die Kosten zum Aufbau und der Führung der erfor-
derlichen Datenbanken auszuweisen sind, damit eine
Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit gewahrt
bleibt. Auch ist es bedenklich, dass den Ländern erheb-
lich höhere Kosten als bisher entstehen. Trotz dieser
Mängel werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen.
Liebe Kollegen und Kolleginnen von Rot-Grün, se-
hen Sie es als Motivationshilfe für die Bundesregierung
an, weiter Bürokratie abzubauen.
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Arbeit: Ein enges Geflecht
von Gesetzen, Verordnungen, Vorschriften, Auflagen,
Meldepflichten schränkt die Spielräume der Unterneh-
men ein und lähmt ihre Initiative. Das Regelwerk, das
Selbstständige in unserem Land beim Gründen und Fort-
führen ihrer Betriebe zu beachten haben, füllt Regale,
und durch die Meldungen, die sie während der laufenden
Geschäfte zu erstatten haben, kommen ständig neue Ak-
tenordner hinzu.
Dieser bürokratische Aufwuchs behindert den Auf-
und Ausbau von Unternehmen, er hemmt Investitionen
und Innovationen, er kostet viel Zeit, viel Geld und Ner-
ven. Wir alle haben dazu beigetragen, dieses Dickicht zu
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chaffen – der Bund ebenso wie die Länder und die Ge-
einden, aber auch die europäischen Partner in Brüssel.
Die Absichten hinter dem Bürokratieaufbau waren
abei ja zumeist durchaus wohl gemeint:
Wir wollten Rechtssicherheit für Verwaltungsakte,
m wirtschaftliches Handeln zu erleichtern. Tatsächlich
ber verkomplizierten und verlängerten wir dadurch Ge-
ehmigungsverfahren und erschwerten Investitionen am
tandort Deutschland.
Wir haben hohe Ansprüche an die Handwerksaus-
bung gestellt, um die Qualität der Leistungen und der
usbildung zu sichern. Tatsächlich aber haben wir den
erufszugang zu stark abgeschottet und behindern Exis-
enzgründungen.
Wir wollten – damit komme ich zum aktuellen Tages-
rdnungspunkt – bessere statistische Informationen über
ie Wirtschaft, um deren Lage analysieren und gegebe-
enfalls Handlungsbedarf frühzeitig erkennen zu kön-
en.
Tatsächlich belasten wir die Wirtschaft mit Fragebö-
en, deren Beantwortung Stunden dauert und zusätzliche
rhebungen erfordert und deren Nichtbeantwortung
trafbewehrt ist. Sicherlich brauchen wir, brauchen ins-
esondere auch Wissenschaft und Forschung aktuelles
nd belastbares statistisches Zahlenmaterial – aber wirk-
ich in dem Umfang wie heute? Ist es immer noch nötig,
as meiste durch Direkterhebungen zu erfragen? Oder
eigt der Weg in die Informationsgesellschaft nicht auch
öglichkeiten auf, durch Informationsnetze ohnehin
orhandene Daten zu nutzen, statt sie in anderem Zu-
ammenhang nochmals zu erheben?
Mit dem Verwaltungsdatenverwendungsgesetz stre-
en wir an, die Dinge einfacher zu machen. Die Abfrage
on Daten bei Unternehmen soll ersetzt werden durch
ie Nutzung von Verwaltungsdaten der Finanzbehörden
nd der Bundesanstalt für Arbeit.
Dabei geht es zunächst um die Angaben für Umsätze
nd die Zahl der versicherungspflichtigen Beschäftigten.
s soll untersucht werden, ob diese Verwaltungsdaten
ich vor allem für konjunkturstatistische Zwecke eignen.
Das vorliegende Gesetz schafft die rechtlichen Vo-
aussetzungen dafür, dass die benötigten Daten künftig
usammengeführt werden können, und auch dafür, die
erwendbarkeit für den angestrebten Zweck zu testen.
allen diese Tests positiv aus, bestätigt sich die Eignung
er Verwaltungsdaten für statistische Zwecke, werden
ie künftig die entsprechenden Unternehmensbefragun-
en obsolet machen. Wir sind überzeugt, dass durch die-
es Verfahren mittelfristig beträchtliche Kosten einge-
part werden können.
Eine solche Entlastung von statistischen Berichts-
flichten ist in unserem gemeinsamen Interesse. Denn
icht das Ausfüllen statistischer Fragebögen, sondern
er Erfolg am Markt und das Schaffen neuer Arbeits-
lätze sind die originären unternehmerischen Aufgaben
nd Ziele.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4451
(A) )
(B) )
Der Gesetzentwurf ist Bestandteil des Masterplans
Bürokratieabbau und ein wichtiges Projekt für das Ziel
der Bundesregierung, Bürokratie im Bereich der amtli-
chen Statistik abzubauen. Er beruht auf einem mehrjäh-
rigen Abstimmungsprozess zwischen Bund und Län-
dern.
Der Bund ist den Ländern bei der jetzt vorgelegten
Fassung nochmals entgegengekommen. So haben wir
eine neue Kostenermittlung in Auftrag gegeben, die den
Gesetzentwurf ergänzt und erneut die beträchtlichen mit-
telfristigen Entlastungsmöglichkeiten durch das in Aus-
sicht genommene Vorgehen bestätigt.
Die weitergehenden Forderungen des Bundesrates
sind mit diesem Ziel nicht vereinbar. Den Zweck des Ge-
setzes nur auf Untersuchungen zur Eignung der Verwal-
tungsdaten allein für konjunkturstatistische Zwecke zu
beschränken und den Übergang in den Echtbetrieb zu
streichen würde die erzielbaren Einsparungen und den
beabsichtigten Bürokratieabbau infrage stellen.
Dies trifft auch auf das dem Bundestag übermittelte
Schreiben des Wirtschaftsministeriums von Baden-
Württemberg – Ausschussdrucksache 15(9)361 vom
4. April 2003 – zu. Hier werden im Wesentlichen die Ar-
gumente wiederholt, die schon im Beschluss des Bun-
desrates genannt sind und die von der Bundesregierung
in ihrer Gegenäußerung nicht akzeptiert wurden.
Jetzt sollten wir erst einmal die Ergebnisse der Tests
abwarten.
Ich bitte um Ihre Zustimmung zum Gesetz in der Ih-
nen vorliegenden Fassung.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung über
– Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung
von Dienst- und Versorgungsbezügen in
Bund und Ländern 2003/2004 (Bundesbesol-
dungs- und -versorgungsanpassungsgesetz
2003/2004 – BBVAnpG 2003/2004)
– Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung
dienstrechtlicher Vorschriften
– Unterrichtung: Zweiter Versorgungsbericht
der Bundesregierung
(Tagesordnungspunkt 7 a bis c)
Hans-Peter Kemper (SPD): Die Situation, in der
wir die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen
in Bund, Ländern und Kommunen diskutieren und be-
schließen, ist sehr schwierig. Die Finanzsituationen von
Kommunen, Ländern und Bund ist – gelinde gesagt, –
dramatisch und das wirkt sich ohne Zweifel auch auf die
Stimmung und auf unser Gesetzgebungsvorhaben aus.
Ich will vorausschicken, dass ich großes Verständnis
für die Wünsche der Länder und Kommunen habe; denn
die große Mehrzahl der öffentlich Bediensteten bzw. der
Beamten ist bei Ländern und Kommunen beschäftigt.
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Man kann es auf die einfache Formel bringen: Die
esetzgebungskompetenz liegt beim Bund, die Bediens-
eten und damit die Kosten liegen bei den Ländern und
ommunen. Das darf aber nicht dazu führen, dass nun
öllig unkritisch jede Landesforderung übernommen
ird – bei allem Verständnis für deren prekäre Finanzsi-
uation.
Es gilt seit langem als ausgemacht, dass die Beamten-
esoldung den Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst
olgen soll.
Es gibt ein großes Maß an Übereinstimmung, dass das
arifergebnis inhaltsgleich, nämlich 4,4 Prozent Erhö-
ung in drei Schritten, auf die Beamten übertragen wer-
en soll. Dies haben sowohl der Bundesinnenminister
ls auch die innenpolitischen Sprecher aller Parteien und
ie Berichterstatter deutlich gemacht. An diesem Grund-
atz wollen wir und werden wir festhalten. Wir werden
ür eine inhaltsgleiche Übernahme des Tarifergebnisses
orgen.
Zwischen den Innenpolitikern aller Fraktionen war
ber auch Konsens, dass der Kompensationsteil aus dem
arifabschluss ebenfalls auf die Besoldung und Versor-
ung übertragen werden muss. Aus diesem Grunde soll
ie Besoldungserhöhung erst mit dreimonatiger Ver-
chiebung gegenüber dem Tarifbereich in Kraft treten.
as bedeutet eine Besoldungserhöhung zum 1. April für
ie unteren Besoldungsgruppen und eine Besoldungser-
öhung zum 1. Juli für die höheren Besoldungsgruppen.
Hierbei handelt es sich lediglich um den Ausgleich
ür Regelungen im Tarifbereich, die in dieser Form nicht
uf Besoldung und Versorgung übertragen werden kön-
en, wie zum Beispiel Wegfall des AZV-Tages, künftige
erschiebung des Zahlungstermins etc.
Nun hat der Bundesrat mit großer Mehrheit eine Öff-
ungsklausel für eine nochmalige bis zu dreimonatige
erschiebung der Besoldungsanpassung beschlossen.
ir wollen diesem Votum des Bundesrates nicht folgen,
ondern es bei dieser dreimonatigen Verschiebung als
ompensationslösung belassen. Für eine weitere Ver-
chiebung gibt es keine überzeugende Begründung, au-
er dem Diktat der leeren Kassen. Das aber würde eine
eamtenbesoldung nach Haushaltslage bedeuten. Bei al-
en vergangenen und auch künftigen Veränderungen
uss der Grundsatz beachtet werden: keine besonderen
rivilegien, aber auch keine Sonderopfer für die Beam-
en.
Der Staat erwartet von seinen Beamten zu Recht volle
ingabe. Das bedeute motivierte und engagierte Arbeit
um Wohl der Bürger. Die Beamten dürfen allerdings ih-
erseits auch zu Recht eine ausreichende Alimentation
urch den Staat erwarten.
Die Länder haben darüber hinaus strukturelle Verän-
erungen in Form von Öffnungsklauseln für die Einmal-
ahlungen, sprich Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld, be-
chlossen. Dem werden wir zustimmen; zum einen, um
en Ländern die dringend nötigen Finanzspielräume ein-
uräumen, zum anderen aber auch, weil dieser Gesetz-
ntwurf nur mit Bund und Ländern gemeinsam beschlos-
en werden kann.
4452 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003
(A) )
(B) )
Nach unserem Dafürhalten sollen aber Bund und Län-
der für sich und gesondert entscheiden können, ob und in
welchem Maße sie die so geschaffenen Möglichkeiten
der Öffnungsklausel nutzen wollen. Im Gesetzentwurf
des Bundesrates waren diese Ermessensspielräume nur
für die Länder vorgesehen. Wir sind der Meinung, dass
Bund und Ländern hier gleiche Kompetenzen einge-
räumt werden sollen, und werden eine entsprechende
Gesetzesänderung beschließen.
Ich wäre sehr froh – wir werden es auch auf jeden Fall
versuchen –, wenn hier gleichzeitig schrittweise die be-
stehenden Unterschiede bei dem Bemessungsfaktor von
Sonderzuwendungen zwischen Ost und West beseitigt
werden könnten. Bisher ist es immer noch so, dass im
Jahre 2002 ein Bemessungsfaktor von 86 Prozent bei
den Sonderzuwendungen in Westdeutschland und von
75 Prozent in Ostdeutschland bestand. Das wird von vie-
len gerade in den neuen Bundesländern als ungerecht
empfunden.
Ich möchte auch noch eine kurze Bemerkung zu dem
Begehren des Landes Sachsen-Anhalt machen, hier in
besonderer Weise Vorruhestandsregelungen einzuführen,
und zwar Regelungen mit einer 25-prozentigen Arbeits-
leistung bei 83 Prozent Gehalt.
Ich habe gerade für die neuen Bundesländer sehr viel
Verständnis. Sie haben noch aus der Vergangenheit ein
Überangebot an Beamten. Es hat schon früher ähnliche
Versuche anderer Länder gegeben, die in die gleiche
Richtung gingen und die wir ebenfalls abgelehnt haben.
Wir vermögen außerdem einen Spareffekt bei der von
Sachsen-Anhalt angedachten Lösung nicht zu erkennen – es
sei denn, man unterstellt, dass die auf diesem Wege dann
vorzeitig aus dem Dienst ausscheidenden Beamten keine
Leistungen erbracht hätten.
Lassen Sie mich aber zur formalen Abwicklung noch
einige Punkte sagen: Wir sprechen heute über zwei
rechtlich unterschiedliche Bereiche. Einmal geht es um
die Übernahme des Tarifergebnisses für Besoldung und
Versorgung, zum anderen geht es um Strukturverände-
rungen. Wir werden diese beiden Bereiche zu einer Ein-
heit zusammenführen. Das ist logisch und absolut sinn-
voll. Inhaltlich gibt es zwischen beiden Bereichen eine
sehr große Nähe. Was mir besonders wichtig erscheint:
Von den Betroffenen werden diese Bereiche im Zusam-
menhang gesehen. Es handelt sich in beiden Fällen um
Bestandteile von Besoldung und Versorgung, die in ih-
ren Veränderungen positive oder negative Auswirkungen
auf die Beamteneinkommen haben.
Ich weiß, dass die jetzigen Regelungen bei den Beam-
ten, aber auch bei ihren Berufsorganisationen nicht nur
Freude auslösen. Wir müssen heute und auch in Zukunft
dem öffentlichen Dienst eine Menge zumuten. Es gibt
allerdings keinen anderen Weg, wenn wir einen leis-
tungsstarken öffentlichen Dienst und die langfristige Be-
zahlbarkeit von Besoldung und Versorgung sichern wol-
len.
Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): An sich
könnten wir uns heute die Sache einfach machen. Denn
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owohl das Subsidiaritätsprinzip als auch die Erhöhung
es Wettbewerbsföderalismus sprechen dafür, den Län-
ern das wieder zurückzugeben, was sie freiwillig An-
ang der 70er-Jahre an den Bund delegiert haben, näm-
ich die Höhe des Urlaubs- und des Weihnachtsgeldes
estzulegen. Auch der Umstand, dass der überwiegende
eil der 1,7 Millionen Beamte in Deutschland Landes-
zw. Kommunalbeamte sind, spricht für die Gewährung
er Öffnungsklausel. Aber ganz so leicht ist die Sache,
enke ich, doch nicht; denn ich möchte die Länder, aber
uch die Bundesregierung davor warnen, sich der Illu-
ion hinzugeben, bei den Beamten das große Einsparpo-
enzial zu sehen – auch wenn die Versuchung groß ist.
ines ist ganz klar festzustellen: Die Kasse des Bundes
nd die Kassen vieler Länder sind insbesondere wegen
er katastrophalen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik
nd der unterbliebenen Strukturreformen durch die rot-
rüne Bundesregierung leer. Im Jahr 2002 machten die
ersonalausgaben beim Bund 10,8 Prozent, bei den Län-
ern 37,7 Prozent und bei den Kommunen 26,8 Prozent
er Gesamtausgaben aus. Dies darf allerdings nicht dazu
ühren, dass die Beamten nunmehr zu den „Spareseln“
er Nation gemacht werden. An dieser Stelle muss auch
largestellt werden, dass die Beamten vollkommen zu
nrecht mit einem teilweise negativen Image behaftet
ind. Der weit überwiegende Teil der Beamtenschaft ist
ußerordentlich leistungsbereit, service- und bürgerori-
ntiert. Diese hohe Motivation und dieses enorme En-
agement dürfen nicht dadurch beeinträchtigt werden,
ass die Beamten zu „Melkkühen“ degradiert werden.
Sowohl der Bund als auch die Länder haben eine Für-
orgepflicht gegenüber den Beamten, da sie für jeden
inzelnen durch Parlamentsbeschluss eine entspre-
hende Planstelle geschaffen haben. Auch muss vermie-
en werden, dass die Beamten zu den Leidtragenden des
n meinen Augen überhöhten und nicht realistischen Ta-
ifabschlusses im öffentlichen Dienst werden. Es darf
icht so weit kommen, dass der Staat das, was er dem an
er einen Seite des Schreibtisches sitzenden Mitarbeiter
usätzlich gewährt, sich von dem auf der anderen Seite
es Schreibtisches sitzenden Mitarbeiter wieder einspart.
iese Gefahr ist nicht konstruiert, sondern vielmehr
anz konkret.
Wird beispielsweise das Tarifergebnis mit dreimonati-
er Verzögerung übertragen und gleichzeitig das Weih-
achtsgeld um 25 Prozent gesenkt, ist das Jahresgehalt
003 im Westen nur um 0,1 Prozent und im Osten um
,5 Prozent höher als 2002. Ab der Besoldungsgruppe
12 käme es gegenüber 2002 sogar zu echten Gehalts-
erlusten: minus 0,1 Prozent in den neuen und minus
,5 Prozent in den alten Bundesländern. Ein vergleichba-
er Angestellter bekommt dagegen auf das Jahr gerech-
et in den unteren Vergütungsgruppen 2,4 Prozent bzw.
n den oberen Vergütungsgruppen 1,8 Prozent mehr.
iese Ungleichbehandlung wäre nicht vermittelbar. Eine
m drei Monate verzögerte Anpassung der Beamtenbe-
oldung an den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst ist
n meinen Augen das Höchste der Gefühle. Daher ist der
m vergangenen Freitag getroffene Beschluss des Fi-
anzausschusses des Bundesrates, den Länden eine ver-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4453
(A) )
(B) )
zögerte Anpassung um bis zu sechs Monaten zu gewäh-
ren, alles andere als akzeptabel und hinnehmbar.
An dieser Stelle muss man sich auch in aller Deutlich-
keit klarmachen, über was wir eigentlich sprechen. Es ist
nicht so, dass die Beamten die Spitzenverdiener der
deutschen Gesellschaft sind. Ein Hauptwachtmeister,
38 Jahre, verheiratet, zwei Kinder, der in der Besol-
dungsstufe A 4 eingruppiert ist, verdient in den alten
Bundesländern 2 083,43 und in den neuen Bundeslän-
dern 1 875,09 Euro im Monat. Ein Justizvollstreckungs-
sekretär, 40 Jahre, ledig, der in A 6 eingruppiert ist,
kommt in den neuen Bundesländern gerade einmal auf
1 704,82 Euro und in den alten Bundesländern auf
1 894,25 Euro monatlich.
In diesen Besoldungsstufen spüren es die Beamten
sehr wohl und deutlich, wenn ihnen das Urlaubsgeld
komplett und das Weihnachtsgeld anteilig gestrichen
wird. Außerdem gilt es, entschieden darauf hinzuweisen,
dass die Streichung des Urlaubsgeldes sozial nicht aus-
gewogen ist, da es in erster Linie die sozial Schwachen
trifft. Bei dem Urlaubsgeld handelt es sich um einen fes-
ten Betrag, der bei den unteren Besoldungsgruppen we-
sentlich stärker ins Gewicht fällt als bei den höheren.
Um die Bandbreite zu verdeutlichen: Im Westen beträgt
das Urlaubsgeld in der Besoldungsgruppe A 2 spürbare
23,5 Prozent eines Anfangsgrundgehaltes und bei B 11
lediglich nur noch 2,5 Prozent.
Ähnlich gravierende Wirkungen sind beim Weih-
nachtsgeld zu beachten. Es beträgt derzeit im Westen
86,31 Prozent und im Osten 64,73 Prozent der für De-
zember maßgebenden Bezüge. Es macht damit im Wes-
ten 6,7 Prozent und im Osten 5,1 Prozent des Jahresge-
haltes aus. Wird das Weihnachtsgeld um beispielsweise
25 Prozent gekürzt, entspricht dies einer Absenkung des
Jahresgehaltes um 1,7 Prozent in den alten bzw. 1,3 Pro-
zent in den neuen Bundesländern.
Bei allem sachlichen Für und Wider spricht meines
Erachtens für die Gewährung der Zulassung der Öff-
nungsklausel ganz deutlich der Umstand, dass das, was
der Bundesrat jetzt beantragt, vielerorts bereits Realität
ist. Viele Städte und Gemeinden, insbesondere in den
neuen Bundesländern, weichen bereits heute in vollem
Einvernehmen zwischen Dienstvorgesetzten und Mitar-
beitern von der tariflichen Bezahlung nach unten ab, ein-
zig und allein um Entlassungen zu vermeiden. Deshalb
halte ich es nur für sachgerecht, dass, was in der Praxis
ohnehin de facto existiert, rechtlich den Ländern zu er-
möglichen. Ich hoffe nur, dass es sich die Länder nicht in
einigen Jahren wieder anders überlegen, und uns dieses
„Geschenk“ wieder zurück übertragen wollen. Meines
Erachtens ist das Thema Beamtenbesoldung zu wichtig,
um es zum ewigen Spielball zwischen Bund und Län-
dern zu machen.
Clemens Binninger (CDU/CSU): Wenn wir heute
über Besoldungsanpassungen für Beamte und Öffnungs-
klauseln debattieren, so ist dies eine Debatte im Span-
nungsfeld zwischen staatlichen Haushalten auf der einen
Seite – denen an jeder Ecke das Geld fehlt und die zur
Einsparung gezwungen sind – und Berufen wie Polizei-
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eamte, Krankenschwestern oder auch Soldaten auf der
nderen Seite, die unter schwierigsten Bedingungen ihre
ufgaben erfüllen und zu Recht an der Gehaltsentwick-
ung teilhaben wollen. Es ist auch eine Debatte, die sich
it den Fragen nach sozialer Gerechtigkeit und dem
erhältnis zwischen Beamten und den Angestellten und
rbeitern des öffentlichen Dienstes befasst und hoffent-
ich auch eine Debatte, die uns zeigt, was eigentlich noch
u tun wäre, wenn wir das Kernproblem, die Personal-
ostenbelastung für die öffentlichen Haushalte, wirklich
n den Griff bekommen wollen.
Wir unterstützen es nachdrücklich, dass die Ergeb-
isse der Tarifverhandlungen jetzt auch für die Beamten
bernommen werden. Zu den vorgesehenen Terminen:
eitere Verschiebungen um noch einmal drei Monate,
ie in der Vorlage genannt, lehnen wir kategorisch ab.
Dass der Tarifabschluss und auch die Übertragung auf
ie Gruppe der Beamten die öffentlichen Haushalte vor
ine Kraftprobe stellt, ist unbestritten und gleichermaßen
ie Überleitung zum zweiten, ungleich sensibleren
hema und schwierigeren Thema, der Öffnungsklausel
ür die Sonderzuwendung, also das Weihnachtsgeld und
ie Streichung des Urlaubsgeldes. Dass die Länder ihre
ersonalkosten zumindest teilweise selbst beeinflussen
öchten, ist verständlich. Was wir aber dabei nicht über-
ehen dürfen, ist der Umstand, dass diese Öffnung und
eren Gestaltung auch Grenzen haben muss. Wir haben
on Beginn an den Vorschlag der rot-roten Regierung
us Berlin, nämlich eine Öffnungsklausel auch für das
rundgehalt einzuführen, kategorisch abgelehnt. Wir
ätten uns gleichermaßen gewünscht, dass der Vorschlag
es Deutschen Beamtenbundes, das Weihnachtsgeld zu
ürzen, dabei aber zu zwölfteln und in das Grundgehalt
u integrieren, bei den Ländern eine Mehrheit findet.
ies war, trotz anfänglich positiver Zeichen, leider nicht
öglich.
Was ich aber an dieser Stelle schon noch einmal beto-
en und auch herausstreichen muss, ist das Verhalten des
eutschen Beamtenbundes. Es ist in diesen Tagen nicht
elbstverständlich, dass eine Berufsvertretung, eine Ge-
erkschaft, von sich aus einen Vorschlag macht, der
etztendlich als Ergebnis eine Gehaltsreduzierung für
eine Mitglieder beinhaltet. Während wir heute das Ver-
alten der IG Metall erleben müssen, die einen völlig un-
innigen Streik für die 35-Stunden-Woche provoziert
nd produziert, ist für mich in dieser Zeit das Verhalten
es Deutschen Beamtenbundes ein sehr positives Zei-
hen, das es auch zu würdigen gilt.
Im Ergebnis haben wir jetzt einen Vorschlag, der den
ändern die Möglichkeit eröffnet, das Weihnachtsgeld bis
uf Null herunterzufahren, in wirtschaftlich besseren Zei-
en dieses Weihnachtsgeld aber wieder anzuheben oder es
u belassen, wie es heute ist. Wenn dieser Vorschlag eine
ehrheit findet, ist es nun an den Ländern, dafür Sorge zu
ragen, dass dieses Instrument sozial gerecht angewandt
ird und es mit den wirtschaftlichen Lebensverhältnissen
m jeweiligen Bundesland übereinstimmt.
Dabei dürfen wir das Kernproblem nicht aus den Au-
en verlieren: Die Belastung der öffentlichen Haushalte
it Personalausgaben liegt doch nicht daran, dass der
4454 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003
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einzelne Beamte zu viel verdient. Wer wird denn ernst-
haft behaupten, dass ein Polizeibeamter, nach Ausbil-
dung, Mitte 30 oder Anfang 40, in einem mittleren
Dienstgrad mit etwa 2 200 Euro brutto – eine Kranken-
schwester noch weniger, ein Soldat in etwa gleichen Ver-
hältnissen – zu viel verdient? Doch ernsthaft niemand!
Deshalb müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass
wir diesen Weg einer durch die Öffnung möglichen Kür-
zung, die durch die Gehaltserhöhung zwar kompensiert
wird, aber letztendlich doch eine Kürzung darstellt, nicht
beliebig oft gehen können. Wir sollten endlich auch an-
erkennen, dass die Beamten hier wirklich auch ein Opfer
erbringen würden, auch die niedrigen Einkommensgrup-
pen. Deshalb ist auch die Schlagzeile, die man jedes Jahr
von Neuem lesen muss: „Jetzt sollen auch mal die Be-
amten ein Opfer bringen“, definitiv falsch. Sie haben es
erbracht, die Polizeibeamten, die Krankenschwestern,
die Soldaten.
Die Kernbotschaft dieser Debatte lautet daher: Nicht
Gehaltskürzungen bei Einzelnen, sondern die Reduzie-
rung von staatlichen Aufgaben sind der Weg zum weite-
ren Abbau des Personalkostenanteils in den öffentlichen
Haushalten.
Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Gemeinsam haben Bund und Länder den Ergeb-
nissen der Tarifverhandlungen für den öffentlichen
Dienst vom 9. Januar 2003 zugestimmt. Mit dem Gesetz-
entwurf zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbe-
züge stellt die Bundesregierung die inhalts- und wir-
kungsgleiche Übernahme für die Beamtinnen und
Beamten und Versorgungsempfänger sicher.
Wir sind immer wieder gefragt worden, warum die
Übernahme der Tarifvereinbarungen für die Beamtinnen
und Beamten so lange dauert. Die Bundesregierung hat
sich in intensiven Gesprächen mit den Ländern bemüht,
die Übernahme einvernehmlich zu regeln. Wie an den
zahlreichen Bundesratsanträgen aus den Ländern für je-
den deutlich wird, sind es die Länder, die das Einverneh-
men infrage stellen.
Die Bundesregierung ist in der Frage der Öffnungs-
klauseln nicht von sich aus gesetzgeberisch tätig gewor-
den. Sie ist dem einmütigen Wunsch aus den Ländern
entgegen gekommen und lässt lediglich im engen Rah-
men der Sonderzahlungen eine „Öffnungsklausel“ zu:
Die Gestaltung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes wird
in das Ermessen der Länder gestellt.
Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass die
Rahmengesetzgebung des Bundes und damit die Bun-
deseinheitlichkeit gewahrt werden muss. Weiter gehende
Wünsche der Länder nach Streckung der linearen Über-
nahme um weitere drei Monate lehnen wir ab. Der ge-
meinsam getragene Tarifabschluss für den öffentlichen
Dienst kann jetzt nicht zulasten der Beamtinnen, Beam-
ten und Versorgungsempfänger finanziert werden. Diese
Schieflage lassen wir nicht zu.
Es muss aber auch völlig klar sein, dass die Über-
nahme des Tarifabschlusses und die Ermöglichung einer
Öffnungsklausel nur im Paket beschlossen werden kön-
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en. Wir wollen Klarheit für die Beamtinnen und Beam-
en und fordern jetzt eine zügige Verabschiedung des
esetzentwurfes im Bundesrat.
Zur Anwendung der Öffnungsklausel im Bund konn-
en wir in den vergangenen Tagen in den Medien viele
idersprüchliche Meldungen lesen. Fakt ist, es ist vieles
öglich, aber nichts entschieden. 2003 werden die Be-
mtinnen und Beamten des Bundes ihr Weihnachts- und
rlaubsgeld ungekürzt erhalten. Der Haushaltsentwurf
ür das Jahr 2004 liegt noch nicht vor. Natürlich werden
uch globale Minderausgaben im Personalbereich disku-
iert.
Meine Fraktion wird Vorschläge machen, wie diese
u erwirtschaften sind. Möglich sind: Personaleinspa-
ungen, neue Arbeitszeitregelungen; für Bundesbeamte
ilt die 38,5-Stunden-Regelung. Sollten auch Kürzungen
er Sonderzuwendungen diskutiert werden, müssen
iese nach unserer Ansicht sozial gestaffelt sein.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen. Wir sind gegen
onderopfer von Beamtinnen und Beamte. Die Ein-
chnitte, die zur Entlastung der öffentliche Haushalte im
ffentlichen Dienst vorgenommen werden müssen, stehen
m Kontext der Agenda 2010. Sie sind Teil der gesamt-
esellschaftlichen Anstrengungen zur Konsolidierung der
ffentlichen Haushalte. Der öffentliche Dienst braucht
ine verlässliche Zukunftsperspektive. Notwendige Ein-
parungen müssen in eine umfassende Reform des öffent-
ichen Tarifrechts eingebunden werden. Kernpunkte die-
er Reform müssen aus grüner Sicht sein: ein transparentes
inheitliches Dienstrecht, ein leistungsorientiertes Ent-
eltsystem und die Durchlässigkeit des Systems.
Ernst Burgbacher (FDP): Mit ihrem Entwurf eines
undesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes
003/2004 verlangt die Bundesregierung erneut ein Son-
eropfer von den Beamten. Sie nutzt und unterstützt damit
estehende Vorurteile und wird ihrem Versprechen einer
eit- und inhaltsgleichen Umsetzung des Tarifergebnisses
m öffentlichen Dienst auf die Beamten nicht gerecht.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat beim Abschluss der
arifverhandlungen im öffentlichen Dienst kritisiert,
ass die Verhandlungsführer, insbesondere Bundesmi-
ister Schily, damals eingeknickt sind und einem zu ho-
en Abschluss zugestimmt haben. Die Folgen davon
ind bekannt: Einige Länder überlegen den Ausstieg aus
er Tarifgemeinschaft. Baden-Württemberg hat den
ustrittsbeschluss gefasst und diesen Montag bestätigt.
as Land Berlin ist bereits ausgetreten. Auch die Dis-
ussion über Öffnungsklauseln ist eine Folge dieses zu
ohen Abschlusses. Nun sollen die Beamten dafür be-
ahlen. Tatsache ist jedoch, dass die Beamten in den ver-
angenen Jahren weit mehr Sonderopfer gebracht haben
ls andere Berufsgruppen. Tatsache ist auch, dass wir als
taat Gefahr laufen, im Wettbewerb auf dem Arbeits-
arkt um gute Köpfe den Kürzeren zu ziehen. Ein at-
raktiver öffentlicher Dienst ist auf hoch qualifizierte
nd motivierte Beamte angewiesen. Deshalb muss mit
en vordergründigen und populistischen Maßnahmen
chluss sein.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4455
(A) )
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Die FDP wird als Konsequenz aus diesem völlig
unbefriedigenden Handeln der Bundesregierung Vor-
schläge für ein modernes Besoldungsrecht vorlegen. Wir
wollen darin die Einheitlichkeit der Besoldung in
Deutschland weiter gewährleisten, wir werden darin zu-
sätzliche Möglichkeiten der Dienstherren für mehr Fle-
xibilität schaffen. Insbesondere müssen Motivation und
Leistungsbereitschaft gefördert werden.
Leider haben die meisten Bundesländer die schon be-
stehenden Möglichkeiten bisher kaum wahrgenommen.
Die bestehenden Differenzierungsmöglichkeiten in der
Bezahlung im öffentlichen Dienst werden nicht genutzt.
Insbesondere in den Ländern werden Elemente der Leis-
tungsbezahlung im Beamtenbereich unzulänglich prak-
tiziert. Seit Jahren erzielen die Länder so einseitig Ein-
sparungen auf Kosten der Beamten. Die Freigabe der
Stellenobergrenzen durch den Bund wird nicht genutzt.
Innerhalb der bestehenden Stellenobergrenzen hätten
Bund, Länder und Gemeinden ihre Gestaltungsmöglich-
keiten seit langem auch zur Straffung von Behörden und
zu Einsparungen nutzen können.
Die FDP hält an dem Ziel fest, dass der öffentliche
Dienst zu modernisieren ist. Modernisierung des öffent-
lichen Dienstes ist Daueraufgabe im Interesse von Bür-
gern, Gesellschaft und Staat. Die öffentliche Verwaltung
muss auf ihre Kernaufgaben konzentriert werden. Dazu
gehören die Eingriffsverwaltung, aber auch andere Be-
reiche, wo es die Sicherheit des Staates und des öffent-
lichen Lebens, die Stabilität staatlichen Handelns und
die staatliche Daseinsvorsorge zu gewährleisten gilt.
Aufgrund ihrer Organisationshoheit müssen Bund und
Länder diesen Kernbereich ausfüllen.
Ein funktionsfähiger öffentlicher Dienst ist eine wich-
tige Säule unseres demokratischen Rechtsstaats. Dabei
hat sich auch das Berufsbeamtentum bei der politischen
Entwicklung Deutschlands bewährt. Die FDP hält daher
auch weiterhin am Grundsatz der amtsangemessenen
Alimentation fest. Dies schließt den Erhalt des Gleich-
klangs von Besoldung und Tarif und die Gleichbehand-
lung aller Statusgruppen im öffentlichen Dienst ein, so-
weit nicht die Statusunterschiede Unterschiedlichkeit
erfordern. Sonderopfer zulasten der Beamten lehnen wir
ab. Nicht kurzfristiges Sparen, sondern Modernisierung,
Motivationssteigerung und Leistungsoptimierung müs-
sen unsere Ziele sein. Dazu tragen beide vorliegenden
Gesetzentwürfe leider nicht bei.
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister des Innern: Unter diesem Tagesordnungs-
punkt werden heute drei Vorlagen beraten. Schwerpunkt
der Aussprache ist aus meiner Sicht die erste Lesung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfes eines
Gesetzes über die Anpassung der Dienst- und Versor-
gungsbezüge in Bund und Ländern 2003/2004 sowie des
vom Bundesrat eingebrachten Entwurfes eines Gesetzes
zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften. Beide Ge-
setzentwürfe haben nicht nur unterschiedliche „Urheber“
– die Bundesregierung auf der einen und den Bundesrat
auf der anderen Seite –, sondern haben vor allem
verschiedene Regelungsmotive und -ziele zum Inhalt.
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leichwohl besteht ein enger sachlicher und auch finan-
ieller Zusammenhang. Nicht nur die Dienstherren be-
rachten die Personalkosten in ihren jeweiligen Haushal-
en als Gesamtheit, sondern auch die Mitarbeiterinnen
nd Mitarbeiter bewerten stets das, „was im Jahr unterm
trich bleibt“. Dies haben die Reaktionen und Stellung-
ahmen der Verbände und der Mitarbeiterinnen und Mit-
rbeiter zu beiden Gesetzesvorhaben in den letzten Wo-
hen und Monaten gezeigt.
Deshalb begrüße ich es, dass beide Gesetzesvorhaben
n den parlamentarischen Beratungen des Bundestages
arallel beraten werden. Möglich geworden ist dies
urch die verfahrensmäßige und inhaltliche Abstimmung
eider Regelungsinitiativen während der vergangenen
onate zwischen Bundesrat und Bundesregierung.
Diese Abstimmung mit den Ländern ist einmal mehr
otwendig, weil von den Mehrbelastungen, die durch die
npassung der Bezüge in den Jahren 2003 und 2004 ent-
tehen, in erster Linie die Haushalte der Länder und
ommunen betroffen sind. Wenn auch die konkurrie-
ende Gesetzgebungskompetenz für Besoldung und Ver-
orgung dem Bundesgesetzgeber zusteht, so sind doch
ie weitaus meisten Beamtinnen und Beamten – etwa
0 Prozent – im Landes- und Kommunaldienst. Nicht
uletzt deshalb hat die Bundesregierung mit der Vorlage
hres Gesetzentwurfs zur Besoldungsanpassung abge-
artet, bis sich der Bundesrat auf eine Lösung für die
egrenzte Öffnung des Besoldungsrechts beim Weih-
achts- und beim Urlaubsgeld verständigt hat. Das Er-
ebnis liegt nunmehr mit den beiden Gesetzentwürfen
uf dem Tisch.
Beginnen möchte ich mit dem Regierungsentwurf
ines Gesetzes über die Anpassung der Dienst- und
ersorgungsbezüge in Bund und Ländern 2003/2004:
Der Gesetzentwurf setzt wirkungsgleich den Tarif-
bschluss um. Das heißt, wie im Tarifbereich werden die
ienst- und Versorgungsbezüge für die Beamten, Rich-
er und Soldaten in drei Schritten linear um insgesamt
,4 Prozent angehoben und werden auch die tariflich ver-
inbarten Einmalzahlungen übertragen. Untrennbarer Be-
tandteil des Tarifabschlusses sind die im Tarifrecht ver-
inbarten Entlastungsmaßnahmen. Diese Entlastungen
erden mit dem Gesetzentwurf wirkungsgleich durch
erschiebung der Erhöhungszeitpunkte um jeweils drei
onate nachvollzogen.
Durch den Gesetzentwurf ist sichergestellt, dass auch
ie Beamten, Richter und Soldaten sowie Versorgungs-
mpfänger trotz schwieriger Rahmenbedingungen an der
llgemeinen Einkommensentwicklung teilnehmen. Ich
ehe davon aus, dass über den vorliegenden Regierungs-
ntwurf zur Besoldungs- und Versorgungsanpassung
003/2004 in diesem Hause bereits Einvernehmen be-
teht und es keinen Anlass zu langen Erläuterungen gibt.
ie wirkungsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses
uf die Beamtinnen und Beamten war von Anfang an un-
er gemeinsames Regelungsziel.
Der vom Bundesrat eingebrachte Entwurf eines
esetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften
at in den vergangenen Wochen und Monaten zu
4456 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003
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kontroversen Diskussionen geführt. Der Bundesrat hat
der Gesetzesinitiative im März diesen Jahres nach
langen Beratungen ohne Gegenstimmen zugestimmt.
Damit erhalten die Länder die Möglichkeit, eigenstän-
dige Regelungen im Bereich des Weihnachts- und des
Urlaubsgeldes zu erlassen.
Mit Blick auf die von mir bereits angesprochene un-
terschiedliche Verteilung der Personalkosten hat die
Bundesregierung in ihrer Stellungnahme dem Wunsch
der Länder nach mehr Gestaltungsspielraum bei der
Festlegung von Weihnachts- und Urlaubsgeld entspro-
chen. Ich denke, es ist aber auch eine Selbstverständlich-
keit, dass der Bund dabei für seinen Bereich dieselben
Regelungsmöglichkeiten für sich in Anspruch nimmt.
Dies hat die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme
ausdrücklich klargestellt. Im Ergebnis bedeutet das,
Bund und Länder können zukünftig durch eigene bun-
des- und landesgesetzliche Regelungen das Weihnachts-
und des Urlaubsgeld selbst festlegen.
Die Diskussion um so genannte Öffnungsklauseln ha-
ben die dienstrechtlichen Foren der vergangenen Monate
bestimmt. Dabei wird etwa einer „Besoldung nach Kas-
senlage“ das Wort geredet. Wer dies durch die Öffnungs-
klausel ermöglicht sieht, überschätzt jedoch die Trag-
weite dieser Regelungen.
Einheitliche Grundstrukturen und dabei einheitliche
Standards in der Besoldung sollen auch in Zukunft erhal-
ten bleiben. Nur dann kann die Funktionsfähigkeit unse-
res öffentlichen Dienstes in allen Bereichen gewahrt
werden. Wenn wir jedoch diese einheitliche Grundstruk-
turen im öffentlichen Dienst erhalten wollen, müssen wir
auch außerhalb dieser Grundstrukturen eine gewisse
Elastizität ermöglichen. Wenn wir uns differenzierten
Lösungen für unterschiedliche Verhältnisse verschlie-
ßen, gerät auf lange Sicht das ganze System ins Wanken.
Daher befürwortet die Bundesregierung eine be-
grenzte Flexibilisierung. Der Besoldung soll eine Flexi-
bilität ermöglicht werden, die aber nicht grenzenlos sein
soll, sondern sich vielmehr auf den Bereich von Weih-
nachts- und Urlaubsgeld beschränken soll. Dies sind die
zwei Seiten der Medaille, die sich auch in der Stellung-
nahme der Bundesregierung widerspiegeln.
Ob und welche Länder eigene Gesetze zum Weih-
nachts- und Urlaubsgeld erlassen, also von der Öff-
nungsklausel Gebrauch machen, müssen wir abwarten.
Der Bund wird im Jahr 2003 keine entsprechenden Maß-
nahmen vornehmen. Hier sollte auch nicht spekuliert,
sondern abgewartet werden. Ich bin davon überzeugt,
dass die Mehrheit der Beamtinnen und Beamten sich
notwendigen Maßnahmen nicht verweigern und als Teil
der Solidargemeinschaft ihren Beitrag leisten wird, wenn
ein solcher notwendig werden sollte.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung über die Anträge:
– Die europäische Biopatentrichtlinie von
1998 umsetzen
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– Rechtssicherheit für biotechnologische Er-
findungen durch schnelle Umsetzung der
Biopatentrichtlinie
(Tagesordnungspunkt 12, Zusatztagesordnungs-
punkt 13)
Christoph Strässer (SPD): Es ist schön, dass sich
ach langer Zeit auch die Opposition eines Themas nä-
ert, das viele gesellschaftliche Gruppen aus den unter-
chiedlichsten Bereichen und auch die Koalitionsfraktio-
en in den letzten Jahren sehr intensiv beschäftigt hat.
Gerade angesichts der Tatsache, dass die Bundes-
egierung den von der CDU/CSU geforderten Gesetz-
ntwurf nunmehr vorgelegt hat und die parlamentarische
ebatte über diesen Entwurf beginnen kann, kann ich
ich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich hier
ieder einmal um den Versuch handelt, Regierung und
oalition vorzuführen, und ich sage Ihnen dazu: Bei
iesem Thema, dass in Teilbereichen ethische, wissen-
chaftliche, ökonomische und auch rechtliche Grenzzie-
ungen erfordert, ist dies unangemessen und wird von
ns zurückgewiesen!
Ihr Antrag ist aber auch in sich widersprüchlich und
nhaltlich nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Zum einen
ordern Sie die sofortige Umsetzung der europäischen
iopatentrichtlinie in nationales Recht. Gleichzeitig wol-
n Sie eine nicht näher beschriebene „Weiterentwick-
ung“ der Richtlinie durch die Europäische Kommission,
ohl wissend, dass ein entsprechendes Initiativrecht
usschließlich bei der Kommission liegt.
Auch wir sind der Auffassung, dass die Entwicklung
eit 1998 in der biotechnologischen Entwicklung wie der
ioethischen Diskussion nicht stehen geblieben ist. Ich
arf Sie aber darauf hinweisen, dass die Kommission
rotz auch dort vorhandener kritischer Bewertungen der
ntwicklung darauf besteht – ich zitiere aus dem Bericht
er Kommission an das Parlament und den Rat vom
. Oktober 2002 –, „dass die Richtlinie unverzüglich
ollständig in einzelstaatliches Recht umgesetzt wird,
o dies noch nicht geschehen ist.“
Dies – und nur dies – ist die Aufgabe, die nun in der
arlamentarischen Beratung vor uns liegt. Dabei gab und
ibt es fraktionsübergreifend Differenzen über den In-
alt und den Umfang der Umsetzung, Differenzen, die
m Übrigen auch von der Kommission durchaus gesehen
erden. In dem zitierten Bericht werden die zentralen
ragen angesprochen, über die wir uns hier in diesem
ause noch sehr ernsthaft werden auseinander setzen
üssen: die Frage des Schutzumfangs von Patenten auf
us dem menschlichen Körper stammende isolierte Gen-
equenzen bzw. Teilsequenzen sowie der Patentierbar-
eit menschlicher Stammzellen bzw. daraus hergestellter
ellreihen, die Frage also der Geltung des in anderen
ereichen des deutschen und europäischen Patentrechts
nerkannten umfassenden Stoffschutzes auch für bio-
echnologische Erfindungen. Es ergeben sich weitere
ragen, die im Entwurf des BMJ dankenswerterweise
ufgegriffen worden sind, so die Frage des Herkunfts-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4457
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nachweises, die jetzt im Entwurf in § 34 a geregelt ist,
oder des Landwirteprivilegs in § 9 c.
Gestatten Sie mir auch einen Hinweis auf Ziffer 4 b
Ihres Antrages, in der Sie fordern, dass Pflanzensorten
und Tierrassen gemäß dem Urteil des EuGH vom 9. Ok-
tober 2001 weitgehend vom Patentschutz unberücksich-
tigt bleiben sollen. Hier argumentieren Sie unsauber, da
bereits nach der Richtlinie lediglich Eigenschaften wie
zum Beispiel eine Resistenz berücksichtigt werden,
wenn sie einzelne Tierarten oder Pflanzensorten über-
schreiten.
Die SPD-Fraktion wird die Erörterung des jetzt vor-
gelegten Regierungsentwurfs zügig vorantreiben; zum
einen natürlich zur Vermeidung eines Vertragsverlet-
zungsverfahrens, zum anderen aber auch gerade deshalb,
weil wir sehen, dass Forschung und Wirtschaft, aber
auch gesellschaftliche Gruppen wie Gewerkschaften und
Greenpeace zu Recht nach Rechtssicherheit rufen. Ver-
lässlichkeit ist erforderlich für unsere Wirtschaft. Sie
darf und wird aber nicht unter Aufgabe ethischer Grund-
überzeugungen in unserer Gesellschaft hergestellt wer-
den. Dies ist eine schwierige Gratwanderung, aber sie
wird uns gelingen. Der Umstand, dass erst sechs EU-
Mitgliedstaaten die Biopatentrichtlinie in nationales
Recht umgesetzt haben, zeigt, dass nicht nur wir uns in
Deutschland schwer tun, und zwar zu Recht, wie ich
meine.
Treten Sie mit uns in einen konstruktiven Dialog über
diese wichtige Zukunftsfrage ein. Der Gesetzentwurf der
Bundesregierung bietet eine geeignete Grundlage für die
Fortsetzung der Diskussion im Parlament. Die SPD-
Fraktion ist hier zu einem offenen, aber ergebnisorien-
tierten Diskurs bereit.
Helmut Heiderich (CDU/CSU): Wir begrüßen es na-
türlich, dass Sie auf unsere Initiative, welche ja die
Grundlage der heutigen Debatte ist, nun kurzfristig mit
einer Gesetzesvorlage reagiert haben. Es ist ja ganz of-
fensichtlich, dass wir, die CDU/CSU, mit unserer Akti-
vität die Regierung in Zugzwang gebracht haben. Oder
wie soll man es erklären, dass Sie nach mehr als vier
Jahren Stillstand nun ausgerechnet zur heutigen Debatte
endlich aus den Puschen kommen?
Sie haben sich die Überschrift unseres Antrags zur Ma-
xime genommen. Die Regierung sollte öfter solch direkte
Reaktion zeigen. Wenn man Ihre Vorlage betrachtet, fragt
man sich allerdings, warum Sie so lange handlungsunfä-
hig waren und wieso die deutsche Biotechnikbranche so
lange auf die notwendigen rechtlichen Rahmenbedin-
gungen warten musste. Immerhin widerlegen Sie nun ih-
ren Koalitionspartner, der Ihnen noch vor vier Wochen
vorgehalten hat: „die kann nix, will nix, macht nix“.
Ich stimme mit Ihnen überein, dass diese Biopatent-
richtlinie ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem bishe-
rigen Rechtszustand ist; Fortschritt nicht nur deswegen,
weil für die neuen Erkenntnisse, die neuen Technologien
und Verfahren spezielle Regelungen getroffen werden,
die im bisherigen Patentrecht so nicht vorhanden waren.
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Sie ist vor allem auch deshalb ein Fortschritt, weil
rstmals eindeutige ethische Grundsätze im Patentrecht,
elches ansonsten ein reines Wirtschaftsrecht ist, veran-
ert werden. So wird der menschliche Körper ebenso vor
issbrauch geschützt wie Tiere und Pflanzen. Es wer-
en das Verbot des Eingriffs in die Keimbahn, das Ver-
ot des Klonens und die Einhaltung des deutschen Em-
ryonenschutzgesetzes fest verankert. Diese Fortschritte
erden von den Kritikern der Richtlinie gerne überse-
en.
Andererseits bringt sie den Forschern und Unterneh-
ern ein robustes Patentrecht, den so genannten Stoff-
chutz, für ihre Erfindungen. Dies ist unumgänglich,
eil nur mit einem unanfechtbaren Patentschutz die ho-
en Kapitalinvestitionen gesichert werden können, die
eute notwendig sind, um biotechnologische Entwick-
ungen bis zur Produktreife zu bringen. Ohne einen sol-
hen Schutz würde die deutsche Biotechnikindustrie ge-
enüber ihren Wettbewerbern deutlich beeinträchtigt.
uch in dieser Richtung haben wir mit unserer Initiative
eute offensichtlich einen Durchbruch für Wirtschaft
nd Forschung in Deutschland geschafft.
Wir lassen aber auch nicht außer Acht, welche Ent-
icklungen dieser Bereich seit dem europäischen Be-
chluss der Richtlinie, also in den letzten fünf Jahren, ge-
ommen hat. So haben sich damalige Befürchtungen,
urch die Gensequenzierung und die entsprechende Pa-
entierung werde der Mensch sozusagen Eigentum der
rfinder, nicht bestätigt. Auch die stets wiederholte Be-
auptung, die großen globalen Konzerne würden die
laims unter sich aufteilen, wurde nicht Realität.
Trotzdem gibt es nach dem Urteil des Europäischen
erichtshofs von 2001, den Erfahrungen des Europäi-
chen Patentamts, den zahlreichen Diskussionen ver-
chiedenster Ethikräte sowie parlamentarischer und an-
erer Gruppen einige Punkte, denen wir besondere
eachtung geschenkt haben.
Dazu gehört der möglichst weit gehende Ausschluss
trategischer Patente, wie sie der Präsident des Europäi-
chen Patentamts, Ingo Kober, kürzlich beklagt hat. Des-
alb wollen wir die bereits im Erwägungsgrund 25 der
ichtlinie geforderte Beschränkung auf den notwendi-
en Kernbereich der beanspruchten Gensequenz ver-
tärkt berücksichtigen. Damit wird eine eventuell beab-
ichtigte Blockade später kommender Erfinder durch zu
reite Patentansprüche ausgeschlossen.
Dem gleichen Ziel gilt die Erleichterung bei der Ertei-
ung von Zwangslizenzen für ein abhängiges Patent.
benso klar muss die Freiheit der Forschung berücksich-
igt sein, welche als Forschungsprivileg von der deut-
chen Rechtsprechung garantiert ist.
Letztlich wollen wir bei der Erteilung von Patenten
esonders genau bei humanen Gensequenzen hin-
chauen. Dies gebietet die besondere ethische Problema-
ik an dieser Stelle.
War man 1998 noch im Wesentlichen von der Vorstel-
ung „ein Gen – eine Funktion – eine Anwendung“ aus-
egangen, wissen wir heute, dass aus einem Gen sehr
nterschiedliche Funktionen entstehen können. Deshalb
4458 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003
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muss der Schutzumfang eines Patents an dieser Stelle
möglichst konkret festgelegt werden. Unser Vorschlag
ist, dem Patentanspruch des Anmelders zu folgen und
das zu schützen, was er selbst in seinem Anspruch for-
muliert hat. Dies bedeutet zwar einerseits eine gewisse
Einschränkung des Stoffschutzes bei einem solchen Pa-
tent, gibt aber andererseits die Möglichkeit eines eigen-
ständigen Patents einer nachfolgenden unabhängigen Er-
findung auf demselben Genabschnitt.
Die Abwägung zwischen einer Überbelohnung des
Ersterfinders durch einen zu weit gehenden Schutzum-
fang und der Möglichkeit eines Zweiterfinders, ebenfalls
Patentschutz zu erlangen, ist zugegebenermaßen schwie-
rig und deshalb im Rahmen dieses Gesetzgebungsver-
fahrens noch weiter zu konkretisieren.
Was den Schutz der Pflanzen und Tiere angeht, muss
der Vorrang des bewährten deutschen Sortenschutzrech-
tes erhalten bleiben. Das heißt, die Patentansprüche müs-
sen zwischen Sortenzüchter und Patentinhaber geregelt
werden. Der Landwirt darf davon in seiner täglichen
Praxis nicht beeinträchtigt werden.
Wir alle gehen heute einen deutlichen, aber längst
überfälligen Schritt nach vorn. Aber die Dynamik dieses
Wissenschafts- und Wirtschaftsbereichs hat schon wie-
der neue Fragen aufgeworfen. Deshalb wird es notwen-
dig sein, auf europäischer Ebene über die Fortentwick-
lung dieses Patentrechts zu sprechen. Dabei muss sich
die Bundesregierung von Anfang an einbringen und darf
nicht wieder vier Jahre zum Nachteil des eigenen Landes
ungenutzt verstreichen lassen.
Dr. Maria Böhmer (CDU/CSU): Der Schutz bio-
technologischer Erfindungen ist ein wichtiger Faktor des
internationalen Wettbewerbs. Deshalb muss die EU-Bio-
patentrichtlinie ins deutsche Patentrecht umgesetzt wer-
den.
Die Bundesregierung hat gestern einen Gesetzentwurf
beschlossen. Nachdem jahrelang nichts passierte, ist
diese Beschleunigung der Dinge offenbar eine Reaktion
auf unseren Antrag.
Frau Ministerin, die Bundesregierung hat viel wert-
volle Zeit für interne Abstimmungsversuche vertan.
Es ist richtig: Biopatentschutz ist ein rechtlich und
ethisch anspruchsvolles Thema.
Die lange Zeit ist leider nicht für eine intensive politi-
sche Diskussion genutzt worden. Der Grund war ein an-
derer: Wenn man Ihre Ankündigungen und die Aussagen
Ihrer Vorgängerin oder des damaligen Staatssekretärs
Pick zusammennimmt, dann hat die rot-grüne Bundesre-
gierung ihre Meinung zum Patentschutz seit 1998 immer
wieder verändert.
Wir wollen von uns aus Klarheit in das Verwirrspiel
bringen: Die Richtlinie muss auf den aktuellen Stand der
wissenschaftlichen und ethischen Diskussion gebracht
werden. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf,
auf europäischer Ebene sofort Verhandlungen über eine
Weiterentwicklung zu beginnen.
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Trotz der heutigen Mängel der Richtlinie bringt sie
ehr Vorteile als Nachteile. Und deshalb wollen wir sie
msetzen.
Wir zeigen Ihnen mit unserem Antrag, wie aus der
U-Richtlinie ein zugleich innovationsförderndes und
thisch abgestimmtes Gesetz wird.
Ich will aus unseren Vorschlägen nur den besonders
ichtigen Punkt „Reichweite des Patentschutzes“ he-
ausgreifen.
Patentrecht ist Wirtschaftsrecht, aber kein wertneutra-
s Feld. Wir müssen das Interesse an einer Stärkung der
nnovations- und Wettbewerbskraft unseres Landes in
inklang bringen mit der Sorge, die in dem Satz zusam-
engefasst wird: Kein Patent auf Leben.
In der Vergangenheit wurden in einer Art Goldrausch
roße Claims im Land des menschlichen Genoms abge-
teckt, buchstäblich Exklusivrechte an der Nutzung des
enschlichen Lebens. Dies wollen wir für Deutschland
nd die EU ausschließen.
Auf der anderen Seite gilt: Forschung verlangt viel
eit und Geld. 10 bis 12 Jahre dauert die Entwicklung
ines Arzneimittels. Und sie kostet circa 750 Millionen
uro.
Das Patent sichert die Rentabilität solcher Investitio-
en. Es ist der Treibstoff, ohne den der Motor Bio- und
entechnologie nicht läuft. Deshalb muss der Biopatent-
chutz sachlich und gerecht ausgestaltet werden.
Wir schlagen ein funktionsbeschränktes Stoffpatent
or. Warum? Das menschliche Gen als Material biotech-
ologischer Erfindungen ist nicht irgendeine Substanz,
ondern Teil des Bauplans Mensch, ein Teil von uns.
ach der Entschlüsselung des menschlichen Genoms ist
ie Zahl der bekannten krankheitsrelevanten Gene von
und 500 auf 50 000 explodiert.
Wenn in einer menschlichen Zelle nur 10 000 Prote-
ne wirken – wir können das bisher nur schätzen –, illus-
iert das die unvorstellbare Komplexität möglicher Zu-
ammenhänge im Organismus.
Wenn die menschliche Gensequenz ein Grundstück
t, auf dem etwas Segensreiches angebaut werden kann,
ann soll – nach unserer Vorstellung gerechter Beloh-
ung – nicht der ganze Kontinent mitpatentiert werden,
denfalls nicht, solange der größte Teil der Landkarte
eiß ist.
Denn die Isolation eines Gens und die Prüfung seiner
harmakologischen oder medizinischen Relevanz sind
eute automatisiert. Damit fehlt der Touch des Genialen,
ie er etwa in der gedanklichen Leistung der Erfindung
es Penicillins steckte.
Professor Winnacker hat gesagt: „Sollen die Entde-
ker einer einzigen dieser Eigenschaften zugleich auch
ie Rechte für bislang nicht entdeckte Anwendungen er-
alten? Wohl kaum!“
Wir wollen – ich bleibe in meinem Bild –, dass mög-
chst viele auf Entdeckungstour ins Unbekannte auf-
rechen, ohne einem Erstpatentinhaber ständig Wegezoll
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4459
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zahlen zu müssen. Mit einem funktionsbezogenen Stoff-
schutz begrenzen wir deshalb das Patent auf eine kon-
krete gewerbliche Anwendbarkeit.
Das ist kein absoluter Stoffschutz wie von der Bun-
desregierung vorgeschlagen, das wäre zu viel Beloh-
nung, aber auch kein reines Verfahrenspatent, das wäre
zu wenig und vermutlich auch mit der EU-Richtlinie
nicht vereinbar.
Mit einem funktionsbeschränkten Stoffschutz erhö-
hen wir die Chance kleinerer Firmen auf Erstpatente und
fördern damit den Wettbewerb.
Und ganz wichtig ist: Wir geben damit auch den Men-
schen in unserem Land eine überzeugende Antwort, die
verhindern wollen, dass sich einige Wenige den Men-
schen als Teil der Schöpfung aneignen.
In einem alten Lehrbuch zum Patentrecht aus dem
Jahr 1878 – Kohler, Deutsches Patentrecht – ist zu lesen,
was Sinn und Zweck des gewerblichen Rechtsschutzes
ist: „den Vortheil des Producenten mit dem Vortheil des
Publikums zu verbinden“. Unser Vorschlag bringt diese
Synthese aus kommerziellem Interesse und Allgemein-
wohl.
Meine Damen und Herren, wir müssen, wenn es um
ethische Grundentscheidungen geht, und die Patentie-
rung eines menschlichen Gens ist sicher eine solche Ent-
scheidung, den Willen haben, einen breiten Konsens zu
erzielen und damit ein Signal in unsere Gesellschaft zu
senden. Wir sind bereit, mit Ihnen ein innovationsför-
derndes und ethisch tragfähiges Gesetz zur Umsetzung
der EU-Biopatentrichtlinie zu erarbeiten.
Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die EU-Richtlinie zu Biopatenten hat deutliche Schwä-
chen: Sie ist zu weit gehend und sie ist vom wissen-
schaftlichen Fortschritt überholt. Sie muss überarbeitet
werden. Nur unter Ausschöpfung der Interpretations-
spielräume ist eine Umsetzung in nationales Recht ein
Fortschritt gegenüber der geltenden Rechtslage. Bereits
im März haben wir aus diesem Grund eine Doppelstrate-
gie vorgestellt: Umsetzung unter Ausnutzung der vor-
handenen Spielräume, aber auch Neuverhandlung der
EU-Richtlinie. Ich begrüße es sehr, dass inzwischen
auch die Union dazugelernt hat und unsere vorgeschla-
gene Doppelstrategie – Umsetzung und gleichzeitig
Neuverhandlung der EU-Richtlinie – unterstützt.
Der seit gestern vorliegende Gesetzentwurf ist ein
erster Schritt in die richtige Richtung: Er nutzt beste-
hende Spielräume aus – Stichworte sind Herkunftsnach-
weis und Auskreuzung. Mit Verabschiedung des Gesetz-
entwurfs hat die Bundesregierung außerdem den
Beschluss gefasst, sich in Brüssel mit Nachdruck für
eine Überarbeitung der Richtlinie einzusetzen. Damit ist
eine ganz wichtige Forderung, die wir immer erhoben
haben, als Zusage berücksichtigt. Die Regierung will
sich auch dafür einsetzen, dass der Herkunftsnachweis
im Rahmen internationaler Verhandlungen verbindlich
eingefordert wird.
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Ich will nicht verhehlen, dass innerhalb der Bundesre-
ierung unterschiedliche Auffassungen über die Ausle-
ung der Richtlinie bestehen. Das Umwelt- und das Ver-
raucherschutzministerium haben dafür gesorgt, dass der
esetzentwurf in einigen Punkten verbessert werden
onnte: Das gilt vor allem für den Herkunftsnachweis
es genetischen Materials, der als Soll-Bestimmung auf-
enommen wurde. Das ist vor allem für die Nord-Süd-
eziehungen – Stichwort Biopiraterie – von Bedeutung.
eutschland hat sich in mehreren internationalen Ab-
ommen zum Schutz der biologischen Vielfalt und der
echte von Entwicklungsländern verpflichtet. Ein wich-
iges Instrument dabei ist, die Herkunft von biologi-
chem Material nachvollziehbar zu gestalten. Im Ent-
urf ist nun die Forderung aufgenommen, dass die
nmeldungen Angaben zum geographischen Herkunftsort
ieses Materials umfassen müssen, soweit dieser bekannt
t. Darüber hinaus verpflichtet sich die Bundesregierung in
em Kabinettsbeschluss, sich auf internationaler Ebene da-
ür einzusetzen, dass die Herkunft des in einer Erfindung
enutzten biologischen Materials in der Patentanmel-
ung zwingend angegeben werden muss.
Zudem ist der Schutz von Bauern vor ungewollter
uskreuzung von gentechnisch verändertem Material
erücksichtigt. Das ist positiv. Landwirte müssen vor
iner zufälligen Verunreinigung ihres Saatgutes – zum
eispiel durch Pollenflug vom Nachbaracker – und da-
it verbundenen patentrechtlichen Ansprüchen ge-
chützt werden. Hierzu ist im Gesetzentwurf nun ein ent-
prechender Passus enthalten, dass der Patentschutz für
iologisches Material, das im Bereich der Landwirt-
chaft zufällig oder technisch nicht vermeidbar gewon-
en wurde, ausgeschlossen ist. Weiterhin trägt – sollte es
u einer Auskreuzung kommen – nicht der Landwirt,
ondern der Patentrechtsinhaber die Beweislast.
Suboptimal ist, dass im jetzigen Gesetzentwurf nicht
ie Möglichkeiten ausgeschöpft werden, das Stoffpatent
uf nationaler Ebene deutlich einzuschränken. Gene sind
eine Stoffe im üblichen Sinn, sondern beinhalten Infor-
ationen, deren Bedeutung von ihrer Position innerhalb
es Genoms und der Interaktion zwischen Zellen und
mwelt abhängt. Der Entwurf der Bundesregierung
ieht vor, dass Patentanmelder eine Funktion eines Gens
ngeben müssen, um nur ein Patent zu bekommen, das
en Stoff umfasst. So bekommen sie alle aufgefundenen
unktionen mit patentiert, die später gefunden werden.
ies führt zu Vorratspatentierungen und zu Monopolen
inzelner Forscher oder Firmen auf Gene und behindert
ünftige Forschung. Die Zunahme dieser strategischen
atente wurde erst vor wenigen Wochen von dem Direk-
or des Europäischen Patentamtes, EPA, kritisiert. Wir
etzen uns weiterhin dafür ein, dass solche ungerechtfer-
igten Vorteile durch einen uneingeschränkten Stoff-
chutz, die weit über die angemessene Erfinderbeloh-
ung hinausgehen, im Biopatentgesetz eingeschränkt
erden. Alles andere wäre forschungsfeindlich und un-
erecht.
Um hier zu einer international wirksamen Lösung zu
ommen, ist es wichtig, die EU-Richtlinie zu verbessern.
azu gehört, dass die Patentierung von Verfahren zum
lonen menschlicher Lebewesen eindeutig ausgeschlos-
4460 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003
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sen werden kann und dass Stoffpatente auf konkret be-
schriebene Funktionen beschränkt werden können; nicht
nur beim Menschen, sondern auch bei Pflanzen und Tie-
ren. Nur so können Vorratspatentierungen und Monopole
einzelner Firmen auf Gene verhindert werden. Schon
heute melden Konzerne ein Patent an, indem sie nur eine
Funktion des Gens angeben. Nachträglich werden alle
später aufgefundenen Funktionen dieses Gens mit paten-
tiert.
Die Nutzung der Spielräume bei der Umsetzung hilft
jedoch wenig, wenn es um grundsätzliche Probleme der
EU-Richtlinie geht. So ist es zum Beispiel – anders als
die CDU behauptet – derzeit möglich, dass die Patente
auch Pflanzensorten umfassen. Der jüngste Streitfall
beim EPA um ein Patent auf Sojabohnen hat dies wieder
deutlich bestätigt. Darum setzen wir uns dafür ein, dass
die Richtlinie auf EU-Ebene überarbeitet wird.
Ulrike Flach (FDP): Ich hatte in meinen Redeentwurf
bereits heftige Kritik an der Bundesregierung hineinge-
schrieben, weil Sie noch immer keinen Gesetzentwurf
zur Umsetzung der Biopatentrichtlinie in nationales
Recht vorgelegt hatte. Vorgestern erfuhren wir, dass nun
doch ein Entwurf das Kabinett passiert hat. Ein Lob kön-
nen Sie nur für den Inhalt, nicht aber für die lange Ver-
schleppungszeit erwarten.
Der Gesetzentwurf hält sich nach erster Durchsicht
weitgehend an die Vorgaben der EU-Richtlinie und
kommt unserer Forderung nach einer 1:1-Umsetzung
sehr nahe.
Besorgnis erregend sind aber die Töne, die vom grü-
nen Koalitionspartner zu hören sind. Der Abgeordnete
Loske teilt mit, die Grünen werden – gemeinsam mit
einigen SPD-Kollegen – Änderungsanträge einbringen,
die den absoluten Stoffschutz weiter einschränken sol-
len. Sogar von schwarz-grünen Anträgen kann man in
der Frankfurter Rundschau lesen.
Das ist die Übertragung der nordrhein-westfälischen
Taktik auf den Bund. Im Kabinett stimmen die Grünen
zu, draußen organisieren sie den Widerstand. Das mag
gut für das grüne Image sein, dem Standort Deutschland
hilft es allerdings nicht weiter. Wir brauchen eine
schnelle Umsetzung und nicht weitere quälende Debat-
ten.
Herr Loske kritisiert, dass sich ein Patent auch auf
Funktionen eines Gens beziehen würde, die später ent-
deckt werden. Das ist aber nun einmal im Patentrecht
ganz normal. Wenn Sie ein Patent für ein Medikament
gegen eine bestimmte Krankheit erhalten und Sie stellen
später fest, dass das Medikament auch gegen eine andere
Krankheit hilft, dann kann es doch nicht sein, dass sie
dafür ein separates Patent beantragen müssen. Es ist
schließlich derselbe Stoff.
Die FDP steht zur Freiheit der Forschung. Zwar ist
der uneingeschränkte Schutz eines Patents dort nicht ge-
rechtfertigt, wo die Weiterentwicklung der Technik be-
hindert würde, denn wir wollen Erfindergeist anspornen.
Aber wenn erstmals mit technischen Mitteln ein bisher
nicht bekannter Stoff gewonnen wird, ist ein umfassen-
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er, ein absoluter Stoffschutz notwendig. Die Patentan-
eldung dient ja auch dazu, den Stoff der Allgemeinheit
ekannt zu machen und somit eine Grundlage für wei-
ere Forschung zu schaffen.
Der Antrag der Unionsfraktionen bedeutet einen
ückschritt gegenüber dem, was wir heute haben. Das
st die Botschaft, die wir aus der Wissenschaft und von
en Unternehmen erhalten.
Die EU-Richtlinie selbst stellt hohe Anforderungen
n die Erfindungshöhe und legt fest, dass Verfahren zum
lonen von Menschen oder zur Veränderung ihrer gene-
ischen Identität nicht patentierbar sind. Damit wird
eutlich, dass es kein Patent auf Leben geben kann. Dies
indet sich im Gesetzentwurf wieder.
Ein einheitliches europäisches Patentrecht für bio-
echnologische Erfindungen bietet große Chancen für
ie Forschung. Ohne einen wirksamen Patentschutz wer-
en aber die Unternehmen – und sie erbringen den weit-
us größten Anteil an Forschungsmitteln – nicht in For-
chung investieren und der therapeutische Fortschritt
ird verlangsamt.
Sicher, neue Medikamente gibt es nicht von heute auf
orgen, aber es gibt sie erst recht nicht ohne einen ver-
indlichen rechtlichen Patentschutz. Gerade Start-up-
nternehmen sind darauf angewiesen, über Patente für
ooperationen mit großen Firmen attraktiv zu werden
nd Zugang zu Wagniskapital zu erhalten.
Ich freue mich, dass die Bundesregierung nun doch
inen Entwurf vorgelegt hat und erwarte, dass dieser
ald ins Parlament kommt. Eine Einbringung zunächst
n den Bundesrat, wie sie in den Medien angeklungen ist,
alten wir für eine überflüssige Verzögerungstaktik.
Wer will, dass der Biotechnologie-Standort Deutsch-
and Rechtssicherheit erhält, der sollte nicht taktieren,
ondern handeln. Auf unsere Unterstützung können Sie
abei rechnen.
Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: Der
ntrag der CDU/CSU-Fraktion greift ein Thema auf,
elches auch der Bundesregierung am Herzen liegt. Es
eht um die Umsetzung der Richtlinie des Europäischen
arlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz
iotechnologischer Erfindungen, kurz: die Biopatent-
ichtlinie.
Es handelt sich um eine wichtige Richtlinie. Sie bietet
erade für biotechnologische Erfindungen mehr Rechts-
icherheit und mehr Klarheit. So werden die ethischen
renzen der Patentierbarkeit konkreter festgelegt als im
eltenden deutschen Recht. Ein solcher verlässlicher
ahmen im rechtlichen Bereich ist für die Nutzer des Pa-
entsystems, insbesondere die deutsche Forschung und
ie deutsche Industrie, von größter Wichtigkeit. Die be-
roffene Wirtschaft und die zuständige Gewerkschaft set-
en sich ebenso wie die öffentliche und private For-
chung uneingeschränkt für die 1:1-Umsetzung der
ichtlinie ein.
Ich begrüße daher, dass sich auch die CDU/CSU-
raktion nunmehr uneingeschränkt zur Umsetzungsver-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4461
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pflichtung bekennt. Bei der ersten Lesung des Regie-
rungsentwurfs in der vergangenen Legislaturperiode
hatte sich nämlich der Vertreter der CDU/CSU deutlich
skeptischer und eher distanziert geäußert. Das hatte da-
mit zu tun, dass wir es uns alle mit dem Thema Biotech-
nologie aus guten Gründen nicht leicht machen. Dies
sind wir den ethischen und den wirtschaftspolitischen
Fragen schuldig, die diesem Thema zugrunde liegen.
Trotzdem – auch darauf gilt es in diesem Zusammen-
hang nochmals hinzuweisen – mit der Richtlinie und mit
ihrer Umsetzung in deutsches Recht wird kein neues Pa-
tentrecht für biotechnologische Erfindungen geschaffen.
Die Patentierung biotechnologischer Erfindungen erfolgt
in Deutschland und Europa bereits seit über 30 Jahren
und ist durch die Rechtsprechung anerkannt. Das Gesetz
soll vor allem Patentrecht und Patentrechtspraxis in
Europa harmonisieren. Auf dieser Grundlage wollen und
werden wir das Ergebnis einer ernsthaften und sachge-
rechten Interessenabwägung in Gesetzesform bringen.
Die Bundesregierung hat hier ihre Hausaufgaben erle-
digt: Wir haben bereits im Oktober 2000 unseren Ent-
wurf zur Umsetzung der Biopatentrichtlinie vorgelegt,
zu dem in diesem Hause verschiedene Anhörungen statt-
gefunden haben. Leider konnte das Gesetzgebungsver-
fahren nicht mehr abgeschlossen werden, sodass der
Entwurf der Diskontinuität anheim fiel. Die Bundesre-
gierung hat nun einen neuen Regierungsentwurf be-
schlossen. Wir unterstreichen damit unseren Handlungs-
willen in dieser Zukunftstechnologie. Der neue Entwurf
ist mit seinem Vorgänger im Wesentlichen identisch.
Viele Forderungen aus dem heute hier diskutierten
Antrag der CDU/CSU-Fraktion waren bereits in dem
ersten Regierungsentwurf umgesetzt und sind auch im
neuen Entwurf enthalten: von der Erleichterung der
Zwangslizenzierung bei abhängigen Patenten bis zur Be-
rücksichtigung des Embryonenschutzgesetzes bei der
Auflistung der Patentierungsverbote. Besonders hinwei-
sen möchte ich in diesem Zusammenhang auf den von
uns neu geschaffenen § 34 a des Entwurfs, der eine Ver-
pflichtung des Anmelders zur Angabe der Herkunft des
in der Erfindung verwendeten biologischen Materials
einführt: Damit setzen wir ein deutliches Zeichen im
Sinne der Konvention zur Biodiversität!
Natürlich wissen wir, dass die Biopatentrichtlinie
nicht das letzte Wort in diesem komplexen Rechtsgebiet
ist. Die Bundesregierung hat die Europäische Kommis-
sion bereits Anfang 2001 darauf hingewiesen. Die Kom-
mission hat auf die Entwicklung – nicht nur in Deutsch-
land – bereits reagiert. In ihrem Bericht vom Oktober
2002 lehnt sie mögliche Verbesserungen und Präzisie-
rungen der Richtlinie keineswegs mehr grundsätzlich ab.
Die Bundesregierung wird sich deshalb auch nach In-
Kraft-Treten des Gesetzes weiterhin bei der Europäi-
schen Kommission für erforderliche Verbesserungen und
Präzisierungen der Richtlinie einsetzen.
Ein Wort zu der auch in diesem Hause intensiv disku-
tierten Frage des so genannten Stoffschutzes, also dem
rechtlichen Schutz des durch die Erfindung der Öffent-
lichkeit neu zur Verfügung gestellten Stoffes, zum Bei-
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piel der Teilsequenz eines Genes, einschließlich seiner
unktionen. Wir haben hier die vom Patenrecht vorgege-
ene grundsätzliche Geltung des absoluten Stoffschutzes
it Regelungen flankiert, die dem Missbrauch entgegen-
irken werden. Wir wollen vermeiden, dass unange-
essen weit reichende Stoffansprüche auf genetische
equenzen erteilt oder solche Stoffe im Ergebnis mono-
olisiert werden.
Unser Gesetzentwurf ist damit auch forschungs- und
irtschaftspolitisch notwendig, um Investitionen und In-
ovationen in der Biotechnologie effektiv zu fördern.
as kommt nicht zuletzt der Forschung und der Ent-
icklung wirksamer neuer Medikamente zugute.
Ich bin überzeugt, dass wir mit diesem Gesetzentwurf
ine gute Grundlage für eine intensive, aber zügige par-
amentarische Beratung haben. Ich freue mich darauf.
nlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Mehr Sicherheit im
Luftverkehr (Tagesordnungspunkt 15)
Frank Hofmann (Volkach) (SPD): Dieser Antrag der
DU/CSU behandelt zentral die Luftverkehrssicherheit.
ie wollen den Eindruck erwecken, die Opposition
üsste die Regierung in diesem Bereich zum Jagen tra-
en. Das hat der Parlamentarische Staatssekretär beim
undesminister des Innern, Fritz Rudolf Körper, ein-
rucksvoll widerlegt. Sie haben das Hase-Igel-Spiel ver-
oren, denn während Sie bei Ihrem Antrag noch dabei
aren, die richtige Formulierung zu finden, hat die Re-
ierung bereits gehandelt.
Der Schutz der Bevölkerung hat für die rot-grüne
undesregierung eine herausragende Bedeutung. Aber
ns ist nicht daran gelegen, mit dem Sicherheitsgefühl
er Bürgerinnen und Bürger zu spielen. Sie versuchen
nsicherheitsgefühle bei der Bevölkerung zu erzeugen
nd wenn Ihnen das gelungen ist, dann wollen Sie die
undesregierung dafür verantwortlich machen.
So betreibt man permanenten Wahlkampf, und zwar
ücksichtslos. Dem Schutz der Bevölkerung aber dient
ies nicht. Wir dagegen wollen die Sicherheit und das
icherheitsgefühl einer wachsamen Bürgergesellschaft
tärken. Dazu sollten und könnten auch Sie einen Bei-
rag leisten.
Die Sicherheit im Luftverkehr war vor dem 9. Novem-
er 2001 in Europa und insbesondere in Deutschland hoch
nd wir haben permanent Verbesserungen vorgenommen.
icht umsonst spielen sich Flugzeugentführungen gerade
ort ab, wo die bei uns vorhandenen Sicherheitsmaßnah-
en gerade nicht zum Tragen kommen. Schauen Sie
och einmal in die Statistiken und Analysen zur Krimi-
alität rund ums Flugzeug.
Für uns steht die Luftverkehrssicherheit nicht isoliert.
ir haben ein ineinander greifendes, abgestuftes Kon-
ept zum Schutz der Bevölkerung und der Passagiere.
4462 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003
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Der vorliegende Antrag konzentriert sich auf einen
einzigen Punkt. Das ist ungefähr so, als ob wir uns
beim Schutz vor Wohnungseinbrüchen ausschließlich
um die Haustüre kümmern würden. Die Haustüre ist
wichtig. Aber die Beratungsstellen der Polizei würden
ein ineinander greifendes, abgestuftes Konzept empfeh-
len und die Haustüre, die Fenster, den Vorbereich, die
Straße und auch gute Beziehungen zu den Nachbarn in
den Schutz des Hauses einbeziehen.
Genau so, wie wir versuchen, mit einem abgestuften
Konzept das Haus zu schützen, verfahren wir auch im
Bereich der Terrorismusbekämpfung. Es wäre fatal, sich
nur auf einen Teilbereich zu beschränken.
Der vorliegende Antrag legt einen Schwerpunkt auf
die technischen Standards bei den biometrischen Erken-
nungsmerkmalen. Die Technik ist wichtig, aber wir soll-
ten nicht auf die Technik alleine setzen. Der Schwer-
punkt muss ebenso auf geschultem Personal liegen. Da
haben wir unsere Hausaufgaben längst gemacht, wie Sie
vom Parlamentarischen Staatssekretär erfahren mussten.
Unsere Erfahrung zeigt: Immer, wenn man die techni-
schen Sicherungen verbessert, verbessern sich auch die
Möglichkeiten der Umgehung, siehe Euro. Dies zeigt:
Die Technikgläubigkeit hat ihre Grenzen und darf nicht
die Wachsamkeit der Beschäftigten und der Passagiere
ersetzen.
Das, was Sie hier vorlegen, ist ein Baustein des Kon-
zepts, mit dem Frau Merkel, Herr Schäuble und auch Sie
in Deutschland ein „Washington en miniature“ – Bettina
Gauss, „taz“ – schaffen wollen.
Wir erreichen nicht mehr Sicherheit, indem versucht
wird, die USA zu kopieren. Wir müssen unseren eigenen
Weg gehen, wir gehen diesen eigenen Weg und sichern
so den Schutz der Passagiere und der Bevölkerung.
Clemens Binninger (CDU/CSU): Mit dem Antrag
„Mehr Sicherheit im Luftverkehr“ beraten wir heute
über ein Thema, dass eine der zentralen Herausforderun-
gen für die innere Sicherheit seit den Anschlägen vom
11. September darstellt. Dass wir dieses Thema, fast
zwei Jahre nach den Anschlägen von New York und
Washington heute debattieren, liegt an den Versäumnis-
sen der rot-grünen Regierung auf diesem Gebiet. Nicht
erst die Entführung eines Kleinflugzeuges Anfang Ja-
nuar 2003 hat die Defizite bei der Luftsicherheit deutlich
zu Tage treten lassen. Bis heute steht die Bundesregie-
rung zum Thema „Flugzeug als Waffe von Terroristen“
mit praktisch mit leeren Händen da.
Auch ihr gestern vorgelegter und als vertraulich ein-
gestufter „Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe Sicherheit
im Luftraum“ ändert nichts an der Tatsache, dass nach
wie vor die zaghaften Ansätze in den Sicherheitspaketen
der Bundesregierung nicht konkret weiterentwickelt
worden sind. Und wenn – wie gestern geschehen Kern-
ergebnisse dieses vertraulich eingestuften Berichts schon
wenig später in der Tageszeitung nachzulesen sind, dann
muss ich schon sagen:
Mit seriöser Sicherheitspolitik hat das nichts mehr zu
tun. Da geht es offensichtlich nur um den Showeffekt
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der der Bundesinnenminister hat seinen Laden nicht im
riff – im Zweifel beides.
Die Unzuverlässigkeit der Bundesregierung im Be-
eich konkreter Maßnahmen für mehr Luftsicherheit hat
inen Namen: Otto Schily.
Der Minister hat den Innenministern der Länder zuge-
ichert, noch vor der Sommerpause ein Air-Police-Ge-
etz vorzulegen – bislang Fehlanzeige!
Am 19. April 2003 hätte das von der Europäischen
nion verlangte nationale Sicherheitsprogramm für den
uftverkehr vorliegen müssen – bislang Fehlanzeige!
Die geschilderten Versäumnisse gehen zulasten der
icherheit der Menschen in unserem Land, die tagtäglich
uf die Nutzung von Flughäfen und Flugzeugen ange-
iesen sind. Für die Erfüllung der Sicherheitsanforde-
ungen sind bei Verkehrsflughäfen Organisationen des
undes, der Länder sowie private Sicherheitsorganisati-
nen Flughafenbetreiber und Luftverkehrsunternehmen
uständig. Diese Vielfalt zeigt, dass Reibungsverluste
icht ausgeschlossen sind und zu gravierenden Sicher-
eitslücken führen können. Darüber hinaus sind die
echnischen Standards innerhalb der Bundesländer äu-
erst unterschiedlich. Hier besteht dringender Hand-
ungsbedarf.
Deshalb fordern wir die Bundesregierung in unserem
ntrag auf, endlich aktiv zu werden. Wir fordern die
ereinheitlichung der technischen Standards bei der Ab-
icklung der Abfragen zur Zuverlässigkeitsüberprüfung
nnerhalb der Bundesländer durch den Bund. Wir for-
ern, dass die Bundesregierung sich dafür einsetzt, dass
n der Zuverlässigkeitsüberprüfung von Flughafenperso-
al Anfragen an das Ausländerzentralregister und das
inwohnermeldeamt Rahmen der Identitätsprüfung obli-
atorisch werden. Wir fordern die Einrichtung einer zen-
ral gefühlten Datenbank über Entscheidungen in Visa-
erfahren auf die die Länder zurückgreifen können.
Als der Innenausschuss vor einigen Wochen den
rankfurter Flughafen besucht hat, konnten wir uns alle
berzeugen, dass wir bei diesen Dimensionen nicht län-
er auf modernste Technik zur Identitätsüberprüfung
erzichten können.
Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, biome-
rische Daten zur Identitätssicherung bei den Zugangs-
nd Vorfeldkontrollen von Flughäfen grundsätzlich auch
ür Passagiere zu ermöglichen. Außerdem muss der Ein-
atz biometrischer Merkmale umfassend auf Pässe und
ersonalausweise ausgedehnt werden. Zu beiden Vorha-
en hören nur Absichtserklärungen bzw. erleben das
albherzige Vorantreiben von Pilotversuchen. Hierzu
ordern wir, dem Deutschen Bundestag einen Zeitplan
orzulegen. Denn eines ist klar: Sicherheit in der Luft
eginnt am Boden.
Neben den notwendigen gesetzlichen Änderungen
uss sich die Bundesregierung aber auch hinsichtlich
es Grundgesetzes entscheiden: Wenn sie die Abwehr
er Gefahren aus der Luft ernsthaft betreiben will, muss
ie im Grundgesetz den notwendigen Rahmen für den
insatz der Bundeswehr im Inneren schaffen. Wir sind
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4463
(A) )
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dazu bereit. Offensichtlich sieht dies die Bundesregie-
rung zwischenzeitlich auch so; denn wenn sie auch nur
einen Teil des Maßnahmenkatalogs aus dem Ergebnis-
bericht der Arbeitsgruppe „Sicherheit im Luftraum“ um-
setzen will, kommt dies einer zusätzlichen Ermächti-
gungsgrundlage gleich, für es wiederum ohnehin einer
Grundgesetzänderung bedarf.
Ich fordere Rot-Grün auf, auf der Grundlage unseres
Antrages im Ausschuss über die notwendigen Schritte zu
sprechen.
Dr. Max Stadler (FDP): Nach Aufsehen erregenden
Ereignissen, insbesondere nach spektakulären Unglücks-
fällen und Verbrechen, setzt häufig eine hektische Ge-
setzgebungsaktivität ein. Auch nach der Entführung ei-
nes Kleinflugzeuges in Frankfurt am Main Anfang
Januar dieses Jahres kam verständlicherweise sofort eine
intensive öffentliche Diskussion in Gang, ob die gesetz-
lichen Bestimmungen ausreichen würden, um mit sol-
chen Vorfällen fertig zu werden.
Dann setzte aber offenbar eine anderer Mechanismus
ein, nämlich derjenige der Verdrängung. Jedenfalls ist
das Thema aus der öffentlichen Debatte praktisch wieder
verschwunden, ohne dass man wüsste, welche Position
denn die Bundesregierung und die Koalition zu den ur-
sprünglich diskutierten Gesetzesänderungen einnehmen.
Daher ist es ein Verdienst des Antrags der CDU/CSU-
Bundestagsfraktion, dass das Parlament gezwungen
wird, sich mit dieser Frage doch noch einmal eingehend
zu befassen. Freilich schießt der Antrag im wahrsten
Sinne des Wortes über das Ziel hinaus, wenn er von not-
wendigen verfassungsrechtlichen Änderungen für den
Einsatz der Bundeswehr bei der Abwehr von Gefahren
aus der Luft spricht.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat hierzu stets die Mei-
nung vertreten, dass die Sicherung des Luftraums schon
jetzt ganz eindeutig zu den Aufgaben und Befugnissen
der Bundeswehr gehört. Deshalb ist eine Verfassungsän-
derung nicht notwendig.
Auch dann, wenn es sich nicht um einen Angriff von
Außen handelt, sondern wenn im Inland ein Flugzeug
entführt wird und dadurch eine Gefahr ähnlich den An-
schlägen in den USA am 11. September 2001entsteht,
kann die Bundeswehr in Amtshilfe zur Gefahrenabwehr
tätig werden. Es ist offenkundig, dass die eigentlich hier-
für zuständige Polizei hierzu alleine nicht in der Lage
wäre. Die Regelung des Art. 35 GG erscheint uns ausrei-
chend.
Selbstverständlich ist die FDP-Fraktion bereit, diese
Frage in den Ausschüssen noch einmal gründlich zu erör-
tern. Es bietet sich an, dass wir als Abgeordnete uns hier-
bei durch Sachverständige, Verfassungsexperten und Bun-
deswehr- sowie Polizeipraktiker beraten lassen. Dabei
kann auch der vom Kollegen Dr. Wiefelspütz eingeführte
Gedanke eines Ausführungsgesetzes zu Art. 35 GG noch
einmal diskutiert werden.
Die pauschale Forderung in dem Unionsantrag, die
Sicherheitspakete I und II weiterzuentwickeln, wird da-
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egen von der FDP nicht unterstützt. Wir haben schon
ei der Beratung von Schily II klar im Bundestag die
uffassung vertreten, dass es zur Abwehr terroristischer
efahren nicht am notwendigen gesetzlichen Instrumen-
arium fehlt, sondern dass der beste Schutz in einer opti-
alen personellen, technischen und finanziellen Aus-
tattung der Sicherheitsorgane liegt. In dieser Haltung
ehen wir uns durch die Äußerungen vieler Praktiker be-
tätigt. Es bleibt also dabei: Auf dem Gebiete der inne-
en Sicherheit besteht in Deutschland kein Gesetzesdefi-
it, sondern ein Vollzugsdefizit.
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim
undesminister des Innern: Mit dem Antrag „Mehr
icherheit im Luftraum“ hat die CDU/CSU-Fraktion ein
igentor geschossen. Der Antrag verdeutlicht nicht die
ermeintlichen Versäumnisse der Bundesregierung, son-
ern vielmehr die Unkenntnis der CDU/CSU-Fraktion.
ch will daher zunächst einmal zur Sachinformation bei-
ragen.
Unmittelbar im Nachgang zu den Terroranschlägen
es 11. September 2001, bei denen erstmals in der
eschichte der zivilen Luftfahrt Passagierflugzeuge als
affen benutzt worden sind, wurde das gesamte System
er sich bereits auf einem hohen Niveau befindlichen na-
ionalen Luftsicherheitsmaßnahmen überprüft und auf
iese neue Qualität der Bedrohung erweitert. Entspre-
hend wurden zahlreiche Maßnahmen im Bereich der
uftsicherheit umgesetzt. Ziel ist die Schaffung eines
estaffelten Schutzsystems, mit dem sicherstellt wird,
ass auch beim Ausfall einer Maßnahme die weiteren
tufen eine Straftat dennoch verhindern.
Zusätzlich wurden auch Verbesserungen auf den ein-
elnen Kontrollstufen vorgenommen. Ich will hier nur
ie wesentlichen Maßnahmen anführen:
Bei der Fluggast- und Handgepäckkontrolle erfolgten
it dem Erlass eines nationalen Ausbildungsprogramms
ür Fluggastkontrollkräfte und der Vorgabe einer einheit-
ichen Prüfungsordnung sowie eines Prüfungsfragenka-
alogs die entscheidenden Schritte hin zu einer dringend
rforderlichen Harmonisierung des Kontrollstandards.
Auch bei der Kontrolle des aufgegebenen Gepäcks
at das Bundesinnenministerium schon vor dem 11. Sep-
ember mit Nachdruck auf eine lückenlose Überprüfung
ingewirkt. Seit dem 1. Januar 2003 wird das aufgege-
ene Gepäck auf allen deutschen Verkehrsflughäfen lü-
kenlos kontrolliert.
Zum Schutz vor Innentätern wurde unmittelbar nach
en Anschlägen vom 11. September 2001 eine Ad-hoc-
uverlässigkeitsüberprüfung von rund 260 000 Beschäf-
igten der Luftfahrt- und Flugplatzunternehmen durchge-
ührt. Zusätzlich wurden die rechtlichen Voraussetzun-
en für bundeseinheitliche, verschärfte und jährliche
uverlässigkeitsüberprüfungen geschaffen.
Weiterhin wurden in einer Arbeitsgruppe unter der
eitung des Bundesministeriums für Verkehr die Mög-
ichkeiten zur Verbesserung der technischen Sicherheit
es Flugzeugs selbst untersucht. Auf internationaler
bene konnte sehr schnell Einigkeit über den Einbau
4464 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003
(A) )
(B) )
verstärkter Cockpittüren erzielt werden. Die deutschen
Fluggesellschaften haben diese Vorgabe für ihre Transat-
lantikflüge bereits im April erfüllt.
Seit dem 24. September 2001 setzt der Bundesgrenz-
schutz an Bord deutscher Luftfahrzeuge Flugsicherheits-
begleiter ein.
Zusätzliche Maßnahmen werden fortlaufend auf der
Grundlage der Gefährdungsbewertungen der Sicher-
heitsbehörden angepasst.
In der Natur des Luftverkehrs liegt es, dass die ergrif-
fenen nationalen Maßnahmen nur in einem internationa-
len Zusammenhang erfolgreich sein können. Dies gilt
insbesondere in Europa, wo die Nachbarstaaten oft nur
wenige Flugminuten auseinander liegen. Sowohl auf in-
ternationaler Ebene als auch auf europäischer Ebene
wurden wesentliche Fortschritte erzielt. Durch die am
19. Januar 2003 in Kraft getretene EG-Verordnung über
die Festlegung einheitlicher Maßnahmen für die Sicher-
heit im Luftverkehr wurden in der EU einheitliche, de-
taillierte Standards für die Luftsicherheit festgelegt.
Die Behauptung von Versäumnissen bezüglich der
Umsetzung der EG-Luftsicherheitsverordnung sind im
Hinblick auf das nationale Luftsicherheitsprogramm
überholt, im Hinblick auf das nationale Qualitätssiche-
rungsprogramm verfrüht; in beiden Fällen jedenfalls
haltlos:
Das nationale Luftsicherheitsprogramm wurde zeitge-
recht zum 19. April 2003 unter Federführung durch das
BMVBW gemeinsam mit dem BMI erstellt und von den
Ministern gebilligt.
Das nationale Qualitätssicherungsprogramm muss
nach der EG-Verordnung bis 19. Juli diesen Jahres fer-
tiggestellt sein. Ein entsprechender Entwurf wird derzeit
abgestimmt und wird fristgerecht vorgelegt. Das Kon-
zept enthält im Wesentlichen alle Maßnahmen zur Quali-
tätssicherung, also zur Überprüfung, ob die Luftsicher-
heitsmaßnahmen umfassend und fehlerfrei durchgeführt
werden. Zu diesem Zweck wird neben den Fachauf-
sichtsmaßnahmen zusätzlich ein Auditsystem für alle
deutschen Verkehrsflughäfen eingeführt, durch das zu-
künftig regelmäßig umfassende Prüfungen der Luftsi-
cherheitsmaßnahmen durch unabhängige Experten erfol-
gen werden. Da die Programme aus Sicherheitsgründen
unter dem Verschlusssachengrad „VS – Nur für den
Dienstgebrauch“ eingestuft werden, kann eine Veröffent-
lichung nicht erfolgen. Dies mag die in dem Antrag der
Opposition zutage tretende Unkenntnis erklären.
Aber auch in den weiteren Punkten läuft Ihr Antrag
ins Leere:
Die durch den Chef des Bundeskanzleramts im Som-
mer 2002 beauftragte ressortübergreifende Arbeits-
gruppe „Sicherheit im Luftraum“ hat Anfang 2003 kon-
krete Empfehlungen zu den erforderlichen Strukturen
zur Abwehr von Gefahren durch den Missbrauch von
Flugzeugen als Waffe vorgelegt. Diese Empfehlungen
wurden durch die jeweiligen Leitungsebenen gebilligt
und werden, soweit sie Kompetenzen des Bundes betref-
fen, bereits umgesetzt. So wird derzeit ein Nationales
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age- und Führungszentrum aufgebaut, das der zentrale
nlaufpunkt für alle die Sicherheit im Luftraum betref-
enden Meldungen sein soll. Dieses Führungszentrum
ird Anfang Juli 2003 seinen vorläufigen Betrieb auf-
ehmen und zum 1. Oktober 2003 vollständig einsatzbe-
eit sein.
Des Weiteren ist im Bundesministerium des Innern
urzfristig ein Referentenentwurf eines Luftsicherheits-
esetzes (LuftSiG-E) erarbeitet worden, der sich derzeit
n der Ressortabstimmung befindet. Der Entwurf eines
uftsicherheitsgesetzes zielt darauf ab, für Gefahren-
agen wie den Terroranschlägen am 11. September 2001
der der Entführung eines Motorseglers am 5. Januar
003 in Frankfurt/Main klare Zuständigkeiten zwischen
und und Ländern zu schaffen. Mit den Entwurfsrege-
ungen wird die Grundlage für schnelle und effiziente In-
ormations- und Entscheidungsstrukturen geschaffen.
usdrücklich geregelt wird der Bundeswehreinsatz in
en Fällen, in denen die für die Gefahrenabwehr zustän-
igen Stellen der Länder nicht über die personelle und
echnische Ausstattung zum Handeln verfügen. Im Ent-
urf ist auch eine Novellierung der Regelungen für Zu-
erlässigkeitsüberprüfungen im Bereich des Luftver-
ehrs vorgesehen, um den Schutz vor Innentätern noch
eiter zu verbessern.
Der Vorwurf, dass die Bundesregierung untätig gewe-
en sei, ist daher absolut verfehlt. Wenn es Ihnen tatsäch-
ich auf eine verbesserte Luftsicherheit ankommt, kann
ch Sie nur dazu auffordern, sich konstruktiv an dem Ge-
etzgebungsverfahren zu beteiligen.
Im Hinblick auf den Einsatz biometrischer Erken-
ungsmerkmale erscheint der Antrag wenig zielführend:
in Pilotversuch in Hessen im Hinblick auf Zugangs-
nd Zutrittskontrollen zu den Sicherheitsbereichen von
lughäfen ist der Bundesregierung nicht bekannt. Sie
üssen hier etwas durcheinander gebracht haben.
Das von Ihnen angesprochene Ziel, biometrische
erkmale in Personaldokumente aufzunehmen, wird
on der Bundesregierung bereits konsequent verfolgt:
chon mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz wurden
ie Voraussetzungen zur Aufnahme biometrischer Merk-
ale in deutsche Personaldokumente geschaffen. Der
ntwurf eines Gesetzes, das die Einzelheiten des Verfah-
ens regelt, wird noch im Verlauf dieser Legislaturperi-
de ausgearbeitet werden.
Das Bundesamt für die Sicherheit in der Informa-
ionstechnik führt gemeinsam mit dem Bundeskriminal-
mt umfangreiche Tests über biometrische Verfahren
on Fingerabdrücken, Iris und Gesichtserkennung durch.
ie Tests sollen bis Mitte 2004 abgeschlossen sein. Zu-
em entwickelt das Bundesministerium des Innern mit
er Bundesdruckerei ein modifiziertes Passmuster. Wenn
ie Entwicklung des neuen Passmusters Mitte nächsten
ahres abgeschlossen ist, wird auch über das anzuwen-
ende biometrische Verfahren entschieden werden.
Auf der Höhe der Zeit sind Sie auch nicht mit der
orderung nach Schaffung einer zentral geführten Da-
enbank über Entscheidungen im Visaverfahren. Es ist
hnen ganz offensichtlich entgangen, dass im Terro-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4465
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rismusbekämpfungsgesetz längst eine entsprechende
Rechtsgrundlage geschaffen wurde. Nachdem die infor-
mationstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, wer-
den in Kürze Daten aller Visaentscheidungen zentral in
der im Bundesverwaltungsamt geführten AZR-Visadatei
gespeichert. Auf diese Daten können viele Länderstel-
len, wie zum Beispiel Polizeivollzugsbehörden und
Ausländerbehörden, zugreifen.
Nach diesem Überblick dürfte deutlich geworden
sein, dass der Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem
Titel „Mehr Sicherheit im Luftraum“ sicher nicht zu
mehr Sicherheit im Luftraum führen wird, da nur Sach-
verhalte und Vorhaben wieder aufgerollt wurden, deren
Bedeutung die Bundesregierung längst erkannt hat, die
bereits umgesetzt sind bzw. deren Realisierung sehr bald
zu einem Abschluss gebracht werden wird.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung über den Antrag: Gentests in Me-
dizin, Arbeitsleben und Versicherungen (Tages-
ordnungspunkt 16)
Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): Lassen sich mich zu-
nächst einmal ein Wort an die Kolleginnen und Kollegen
von der CDU/CSU-Fraktion richten: Sie werden es
kaum glauben, aber ich war beim Lesen ihres Antrags
richtiggehend erfreut. Schließlich sind darin praktisch
im Verhältnis 1:1 die Forderungen und Empfehlungen
wiederzufinden, die die Enquete-Kommission „Recht
und Ethik der modernen Medizin“ in der 14. Wahlperi-
ode zur Gendiagnostik ausgearbeitet hat. Und man freut
sich doch immer, wenn eine Arbeit, an der man selbst
beteiligt war, Früchte trägt.
Ihre Fraktion ist allerdings nicht die erste, die sich bei
der Ausarbeitung von Eckpunkten zur Gendiagnostik auf
die Vorarbeiten der Enquete-Kommission bezogen hat.
Das Eckpunktepapier nämlich, das die SPD schon im
vergangenen Juli nach eingehenden Beratungen inner-
halb der Fraktion vorgelegt hat, hat sich ebenfalls die
Empfehlungen der Enquete-Kommission zu Eigen ge-
macht. Diese Übereinstimmung zeigt mir, dass die tra-
genden ethischen Grundsätze, von denen ausgehend das
schwierige Thema „genetische Diagnostik“ rechtlich zu
regeln ist, offenbar breiteste Anerkennung finden.
Angesichts der besonderen Sensibilität der Daten, mit
denen wir es hier zu tun haben, ist das ja auch kaum ver-
wunderlich; denn genetische Daten unterscheiden sich
von allen anderen biologischen Daten dadurch, dass sie
den Kernbereich unserer körperlichen Existenz, unser
individuelles Genom betreffen. Gendiagnostik liefert
häufig nicht Daten, die sich auf den aktuellen Zustand
eines Menschen beziehen, sondern auf Veranlagungen,
zukünftige Entwicklungen etc. Ihre Ergebnisse sagen
häufig nur etwas über Wahrscheinlichkeiten und Mög-
lichkeiten. Was hilft es jemandem aber, wenn jemand
weiß, dass bei ihm ein um 60 Prozent erhöhtes Risiko
besteht, einen Herzinfarkt zu bekommen oder an Brust-
krebs zu erkranken, wenn nicht einmal klar ist, ob sich
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iese Veranlagung überhaupt je realisiert? Und liegt da-
in nicht die Gefahr massiver Diskriminierung derjeni-
en, bei denen solche erhöhten Wahrscheinlichkeiten
estgestellt werden, zumal dann, wenn sie sich nicht ein-
al manifestieren.
Die Gendiagnostik droht hier gewissermaßen eine
ielzahl von „Kranken ohne Symptom“ zu schaffen. Zu-
leich liefert sie häufig Daten, die nicht nur etwas über
en Menschen aussagen, bei dem sie erhoben wurden,
ondern zugleich über Familienangehörige – und das
ann manchmal erhebliche soziale und psychologische
olgen haben. So könnte beispielsweise eine Diagnostik,
ie in einer Familie zu medizinischen Zwecken vorge-
ommen wird, als „Nebeneffekt“ die Information zutage
ördern, dass der „Vater“ des Kindes in Wirklichkeit gar
icht der biologische Vater ist.
Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbe-
timmung und der Schutz vor genetischer Diskriminie-
ung im Arbeitsleben, im Versicherungswesen usw. müs-
en daher die leitenden Prinzipien der Gesetzgebung zur
endiagnostik sein. Was die Gefahren der Diskriminie-
ung anbetrifft, haben die Arbeiten der Enquete-Kom-
ission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ der
4. Wahlperiode schon mit dazu beigetragen, dass in die
rundrechte-Charta der Europäischen Union ein Artikel
ufgenommen wurde, der dem Bürger Schutz vor geneti-
cher Diskriminierung garantiert.
Des Weiteren ist es im Rahmen des Rechts auf infor-
ationelle Selbstbestimmung gerade der Schutz des
echts auf Nichtwissen, der uns vor knifflige juristische
robleme stellt. Ebenso müssen wir klarstellen, wie das
echt auf informationelle Selbstbestimmung von Nicht-
inwilligungsfähigen zu wahren ist. Dass bei ihnen aus-
chließlich solche genetischen Untersuchungen durchge-
ührt werden dürfen, die ihrem Wohl dienen, für sie
inen medizinischen Nutzen haben, ist ein Grundsatz,
en wir hier klar umsetzen müssen. Das gilt übrigens
uch für die pränatale Diagnostik, wo das Recht auf in-
ormationelle Selbstbestimmung bislang leider oft genug
erletzt wird, indem an nicht einwilligungsfähigen Föten
uch Tests durchgeführt werden, die keinerlei medizini-
chen Nutzen für sie versprechen. Dass eine solche Pra-
is auf den sensiblen Bereich der prädiktiven geneti-
chen Diagnostik ausgedehnt wird, müssen wir in jedem
all vermeiden.
Abschließend möchte ich Ihnen noch einmal sagen,
ass ich es grundsätzlich begrüße, dass die CDU/CSU
eim Nachdenken über das Thema Gendiagnostik zu
hnlichen Schlüssen gekommen ist wie die SPD schon
or über einem Jahr. Ich möchte Sie allerdings zur Ge-
uld mahnen. Wenn wir uns auch in den Eckpunkten
eitgehend einig sein mögen, so steckt bei der Gentest-
esetzgebung doch häufig der Teufel im Detail. Wir soll-
en daher nichts über das Knie brechen, sehr verehrte
olleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion.
ie wissen selbst, wie kompliziert bei einem so umfang-
eichen Projekt, an dem zahllose verschiedene Ressorts
eteiligt sind, die Abstimmungsprozesse sind. Lassen
ie uns dem nicht durch Schnellschüsse vorgreifen, son-
ern die wichtigen Fragen Punkt für Punkt abarbeiten!
4466 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003
(A) )
(B) )
Trotz der Komplexität der Materie wird die Bundes-
regierung schon nach der Sommerpause im September
einen entsprechenden Referentenentwurf vorlegen. Aber
Sie wissen ja, wie viele Ressourcen andere Themen der
Gesundheitspolitik gegenwärtig beanspruchen. Und dass
es im Gesundheitsbereich innerhalb einer Fraktion
manchmal aufreibend werden kann, erleben gerade Sie
ja derzeit täglich am eigenen Leib.
Nichtsdestotrotz: Wenn der Referentenentwurf vor-
liegt, können wir die Details gemeinsam durchgehen. Da
Sie als größte Oppositionsfraktion die Grundlinien ge-
nauso sehen wie wir, bin ich zuversichtlich, dass wir das
Gentestgesetz dann zügig und auf einer breiten parla-
mentarischen Basis werden verabschieden können.
Katherina Reiche (CDU/CSU): Wir befassen uns
heute mit einem Thema, dass fast auf den Tag genau vor
einem Jahr Gegenstand der Debatte in diesem Hause ge-
wesen ist. Bereits damals hat die öffentliche Anhörung
der Sachverständigen im Gesundheitsausschuss zu dem
Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Anwendung
von Gentests in Medizin und Versicherungen eindrucks-
voll belegt, dass wir in Deutschland dringend eine gesetz-
liche Regelung für den Umgang mit Gentests benötigen.
Das Parlament ist aufgerufen, beim Umgang mit Genda-
ten Leitplanken zu setzen, um die Entwicklung in die von
uns vorgeschlagenen gewünschten Bahnen zu lenken.
Ich frage Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der
Koalition, was haben Sie in diesem Jahr getan, um dieser
Aufforderung nach zu kommen? Antwort ist: Nichts! Ich
möchte hierzu gern den Bundesbeauftragten für den Da-
tenschutz, Joachim Jacobs, zitieren, der in seinem Tätig-
keitsbericht für die Jahre 2001 und 2002 ausführte:
„Wiederholt habe ich in meinen Tätigkeitsberichten da-
rauf hingewiesen, dass die Schaffung eines bereichsspe-
zifischen Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes dringlicher
denn je ist.“ Und weiter heißt es: „Mehrfach hat die Bun-
desregierung angekündigt, dass sie unter Einbeziehung
von Wissenschaft und Praxis einen Gesetzentwurf zu ei-
nem Arbeitnehmerdatenschutz vorlegen will.“ Mittler-
weile liegen bereits mehrere wissenschaftliche Stellung-
nahmen zum Thema Gentest vor. Ich erinnere hier nur an
den Schlussbericht der Enquete-Kommission „Recht und
Ethik in der modernen Medizin“ aus der letzten Legisla-
turperiode oder die Stellungnahme der Senatskommis-
sion für Grundsatzfragen der Genforschung der DFG, in
der der politische Handlungsbedarf im Arbeitsrecht for-
muliert worden ist.
Die Bundesregierung hat jedoch bis zum heutigen
Tage keinen Gesetzentwurf hierzu vorgelegt. Im Gegen-
satz zu Deutschland existieren bereits in vielen europäi-
schen Ländern spezifische Regelungen zur Anwendung
von Gentests. Deshalb fordere ich Sie auf, handeln Sie
endlich und legen diesem Hause auf der Grundlage unse-
rer Eckpunkte einen Gesetzentwurf zum Umgang mit
Gentests vor!
Die Einführung molekulargenetischer Methoden hat
eine neue Ära der Medizin begründet. Die Entschlüsse-
lung des menschlichen Erbgutes und die daraus resultie-
rende Entwicklung von Gentests können zu beachtlichen
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ortschritten im Bereich der Diagnose, der Prävention
nd der Therapie genetisch bedingter Krankheiten füh-
en. Bei den verschiedenen Testmöglichkeiten unter-
cheiden wir diagnostische und prädiktive Gentests.
ährend die Untersuchung mittels eines diagnostischen
entests der Bestätigung einer bestehenden Diagnose
ient, verstehen wir unter einem prädiktiven Test eine
orhersagende Untersuchung auf das Vorliegen einer
rbgutveränderung. Unser Antrag bezieht sich im Fol-
enden auf die Problematik der prädiktiven Gentests.
Aufgrund der neuen Diagnosemöglichkeiten kann be-
eits heute schon die Veranlagung zu einer genetischen
rankheit festgestellt werden und somit das Risiko oder
er Ausbruch unter Umständen verhindert werden.
rankheiten wie Alzheimer, Multiple Sklerose oder Hä-
ophilie sind heute ebenso leicht in einem Gen nach-
eisbar wie bestimmte Krebsarten, etwa Brust-, Eier-
tock- und Hautkrebs. Es bedarf der Orientierung an der
rundgesetzlich geschützten Menschenwürde, der Res-
ektierung des Selbstbestimmungsrechtes, des Gleich-
eitsgrundsatzes, der Vertraulichkeit, der Schweige-
flicht, der Freiwilligkeit und einer umfassenden
ufklärung der Probanden durch qualifizierte Fachärzte.
Ziel rechtlicher Regelungen muss es sein, den indivi-
uellen und gesellschaftlichen Risiken prädiktiver gene-
ischer Diagnostik so weit wie möglich entgegenzuwir-
en und zugleich die Chancen von diagnostischen
entests so weit wie möglich zur Entfaltung zu bringen.
ie gesellschaftliche Herausforderung besteht also da-
in, einerseits die Rahmenbedingungen für die viel ver-
prechende Forschung in Bezug auf die Vermeidung und
ehandlung schwerer Krankheiten zu verbessern und
ndererseits die im Rahmen der Verfassung, Ethik und
ultur selbstverständlichen individuellen Ansprüche auf
nformationelle Selbstbestimmung und auf Schutz vor
enetischer Diskriminierung und Stigmatisierung zu si-
hern. Beiden Aspekten sind wir in unserem Antrag ge-
echt geworden.
Wir als CDU/CSU-Fraktion wollen, dass niemand
egen seiner genetischen Disposition Nachteile beim
bschluss von Versicherungen oder Arbeitsverträgen er-
ahren muss. Wir möchten vielmehr sicherstellen, dass
ie Möglichkeiten der Gentechnik dem Einzelnen zugute
ommen und nicht einseitig von Dritten zu deren Vorteil
enutzt werden.
Die CDU/CSU-Fraktion legt Ihnen deshalb heute ei-
en erweiterten Antrag zur Anwendung von Gentests in
edizin und Versicherungen vor, der einen Leitfaden für
eitere gesetzliche Regelungen bilden soll. Es reicht
ben nicht aus, zu sagen, dass man den gläsernen Men-
chen verhindern will, es ist notwendig, jetzt schleunigst
echtliche Schritte einzuleiten.
Wir haben in unserem Antrag einen umfangreichen
aßnahmenkatalog zum Schutz vor dem Mißbrauch von
endaten aufgestellt. Damit möchten wir sicherstellen,
ass niemand zu einem Gentest gezwungen werden
ann. Versicherungen dürfen die Durchführung eines
rädiktiven Gentests nicht veranlassen. Dazu hat sich die
eutsche Versicherungswirtschaft im Rahmen eines frei-
illigen Moratoriums verpflichtet. Die eigene geneti-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003 4467
(A) )
(B) )
sche Disposition muss für jeden Menschen ein Geheim-
nis bleiben. Ebenso muss die Gefahr ausgeschlossen
werden, dass Nutzer aus Angst vor einer möglichen Dis-
kriminierung auf die Durchführung eines vom Arzt ver-
anlassten medizinisch indizierten Gentests verzichten
bzw. einen solchen anonym und ohne ärztliche Beratung
durchführen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch ein-
mal unterstreichen, dass Gentests und die entsprechende
Beratung in die Hand des Facharztes gehören und nicht
für Hobbymediziner geeignet sind. Angesichts eines ins
Haus stehenden „freien Testmarktes“, auf dem Anbieter
von insgesamt 1001 genetische Tests über das Internet
viel Geld verdienen und durch unzureichende Infor-
mation und Interpretation großer Schaden angerichtet
werden kann, erscheinen uns entsprechende gesetzliche
Regelungen angebracht. Auch der Abschluss von Ar-
beitsverträgen darf nicht von Gentests abhängig gemacht
werden, denn es gilt die Gefahr einer ungerechtfertigten
Arbeitnehmerselektion und Diskriminierung gleich von
vornherein auszuschließen. Vielmehr sind Regelungen
notwendig, die die Freiwilligkeit und Vertraulichkeit von
Gentests garantieren und dem Schutz der Arbeitnehmer
dienen. Unser Antrag berücksichtigt zu dem die Forde-
rung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz,
Joachim Jacob, unerlaubte Gentests unter Strafe zu stel-
len.
Die Bundesregierung ist nun aufgefordert, auf der
Grundlage dieser Eckpunkte einen entsprechenden Ge-
setzentwurf in den Deutschen Bundestag einzubringen.
Wir unterbreiten Ihnen damit ein Angebot, mit uns in
den Dialog zu treten und im Interesse der Menschen zu
einer gemeinsamen Lösung zu kommen.
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das
menschliche Genom ist weitgehend entschlüsselt. Die
wissenschaftlichen Kenntnisse auf dem Gebiet der Hu-
mangenetik schreiten mit hohem Tempo voran.
Aus dieser Entwicklung können sich Chancen zu ei-
ner Erforschung, Diagnose und vielleicht auch Heilung
von Krankheiten ergeben. Durch so genannte Prädisposi-
tionstests können manche Krankheiten schon vor dem
Ausbrechen erkannt werden. Hier liegt eine Chance, das
Ausbrechen solcher Krankheiten durch präventive Maß-
nahmen zu verzögern oder gar zu verhindern. Diagnosti-
sche Gentests ermöglichen eine effektivere Diagnose
von Krankheiten.
Mit Gentests werden vielleicht auch Empfindlichkei-
ten hinsichtlich bestimmter Stoffe festgestellt werden
können. Dann wird es – so die Hoffnung – möglich, indi-
viduell festzustellen, ob ein Patient bestimmte Medika-
mente verträgt oder welche Medikamente in welcher
Wirkstoffzusammensetzung bei ihm am effektivsten wir-
ken.
Der Einsatz von Gentests birgt aber auch eine Reihe
von ernsten und schwerwiegenden Gefahren für den ein-
zelnen Menschen und das gesellschaftliche Zusammen-
leben. Die umfassende genetische Analyse kann Diskri-
minierung und Selektion in verschiedensten Formen
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rmöglichen. Es besteht die Gefahr, dass Dritte Informa-
ionen über die genetische Konstitution von Menschen
hne ihr Wissen oder gegen ihren Willen erfahren. Ge-
auso besteht die Gefahr, dass Menschen Informationen
ber ihre eigenen genetischen Daten aufgedrängt werden
der sie unter Druck geraten, von solchen Daten gegen
hren Willen Kenntnis nehmen zu müssen.
Hieraus können – je nach Schwere und Maß der Unge-
issheit der Information – erhebliche psychische Pro-
leme für alle Beteiligten entstehen. Denn für die meisten
er genetisch beinflussten oder begründeten Krankheiten
ibt es heute noch keine Therapie. Das Wissen weitet
ich rasant aus, die Hilfe kommt aber nicht hinterher.
er genetische Hintergrund vieler Krankheiten bedingt,
ass diese über Generationen in Familien anzutreffen
ind und Wissen und Gewissheit eines Familienmit-
lieds sich niemals auf dieses Mitglied beschränken
ässt.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sieht aus diesen
nd vielen weiteren Gründen dringenden Regelungsbe-
arf auf dem Gebiet der genetischen Diagnostik. For-
chungs- und Wissenschaftsfreiheit, das allgemeine Per-
önlichkeitsrecht, zu dem das Recht auf Nichtwissen und
as informationelle Selbstbestimmungsrecht gehören,
ber auch Verbraucherschutz- und Datenschutzinteres-
en müssen dabei abgewogen werden.
Im Forschungsbereich müssen Standards definiert
erden, die gewährleisten, dass keine Forschung ohne
nformierte Zustimmung und mit dem Recht des Wider-
ufs durchgeführt wird und Anonymisierungen nicht
urchbrochen werden können. Hohe Qualitätsstandards
insichtlich der Testverfahren und der Labore, die die
ests durchführen, müssen gewährleisten, dass die Er-
ebnisse exakt, zuverlässig und nicht überschüssig
insichtlich der Fragestellungen sind. Wir wollen eine
endiagnostikkommission aus unabhängigen Wissen-
chaftlern verschiedener Fachrichtungen, die diese Quali-
tsstandards näher definiert und überwacht. Sie sollte
uch Forschungsvorhaben bewerten und bewilligen, um
icht einwilligungsfähige Menschen vor Ausbeutung ih-
es Erbmaterials ohne wissenschaftlichen Nutzen für sie
u schützen.
Das Gesetz muss ein Diskriminierungsverbot fest-
chreiben. Niemand darf aufgrund seiner genetischen
isposition benachteiligt werden. Genauso wenig darf
emand benachteiligt oder stigmatisiert werden, der sich
eigert, an sich einen Gentest durchführen zu lassen. Je-
er sollte zudem davor geschützt werden, seine geneti-
chen Daten und die Erkenntnisse, die sich daraus ablei-
en lassen, gegen seinen Willen zur Kenntnis nehmen zu
üssen. Das Recht auf Nichtwissen ist zu gewährleisten.
Der Drittbezug von Gentests wirft große Probleme
uf. Einen angemessenen Ausgleich zwischen dem
echt auf Nichtwissen der Verwandten und dem Inte-
esse desjenigen, der sich testen lassen will, weil er seine
ebensplanung darauf einrichten will oder weil er auf
ine Erkennung und Heilung seiner Krankheit hofft, zu
inden, ist schwer. Er kann nach unserer Auffassung
och am besten dadurch erreicht werden, dass die freie
erfügbarkeit von Gentests für jedermann strikt unter-
(A) (C)
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sagt wird. Gentests dürfen nur durch fachlich qualifi-
zierte Ärzte angeordnet werden und müssen einen klaren
medizinischen Nutzen haben. Vor der Durchführung ei-
nes Gentests und vor Bekanntgabe der Ergebnisse muss
eine umfassende und fachlich hochwertige Beratung
durchgeführt werden, die nicht nur medizinische, son-
dern auch psychische und soziale Aspekte umfasst.
Die Gendiagnostik wirft aber auch in anderen Berei-
chen Fragen auf, die geklärt werden müssen und von uns
geklärt werden. So muss es Versicherungen grundsätz-
lich untersagt sein, von ihren Versicherungsnehmern die
Durchführung eines Gentests vor dem Abschluss eines
Versicherungsvertrages zu verlangen oder entsprechende
Testergebnisse anzunehmen. Arbeitgeber dürfen weder
die Durchführung eines Tests noch die Offenlegung von
bereits durchgeführten Tests verlangen oder annehmen.
Dies ist zwingend geboten, um Diskriminierung und Se-
auf europäischer Ebene in der Biomedizin-Konvention
in Art. 11 festgelegt ist, dass „jede Form der Diskri-
minierung gegen eine Person wegen ihres genetischen
Erbes verboten ist“. Damit ist die Biomedizin-Konven-
tion das einzige internationale Vertragswerk, das aus-
drücklich das genetische Erbe als Grund für die Nicht-
diskriminierung erwähnt. Deutschland sollte diese
Konvention nicht nur aus diesem Grund schnellstens
unterzeichnen.
Obwohl sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft
noch 1999 in einer Stellungnahme zu prädikativen Gen-
tests gegen gesetzliche Regelungen ausgesprochen und
auf die Verantwortung von Wissenschaft und Berufsver-
bänden verwiesen hat, sprechen drei Gründe für eine ge-
setzliche Regelung, wie sie von der Union vorgeschla-
gen wird. Erstens. Es ist fraglich, ob bei einer
Ausweitung der Testpraxis die Instrumente der berufs-
lektion aufgrund einer genetischen Disposition zu ver-
meiden. Etwaige Ausnahmen müssen unabweisbar sein
und dürfen weder das Diskriminierungsverbot noch das
Persönlichkeitsrecht unterlaufen.
Die Koalition wird einen Gesetzentwurf vorlegen, der
alle diese Facetten berücksichtigt. Der Antrag der CDU/
CSU, dem ich ausdrücklich bescheinigen will, dass er
sich sorgfältig und umfassend mit den Problemen der
Gendiagnostik auseinander setzt, ermutigt mich in der
Hoffnung, dass es nach Abschluss der parlamentarischen
Debatten zu einem Gentestgesetz kommen wird, dem
alle Fraktionen werden zustimmen können.
Detlef Parr (FDP): Das Schicksal von Terry
Seargent, einer 46-jährigen Amerikanerin, sollte uns zu
denken geben. Sie ist aufgrund eines Gentests, nach dem
eine Erbkrankheit diagnostiziert wurde, arbeitslos und
ohne Krankenversicherungsschutz – ein Fall von geneti-
scher Diskriminierung, weil es keine klare gesetzliche
Regelung in den USA gibt. So stellen wir uns den Fort-
schritt der Humangenetik nicht vor. Eine solche Schre-
ckensvision der Selektion durch Arbeitgeber oder Kran-
kenversicherungen aufgrund von Informationen über das
Erbgut darf bei uns nie Realität werden.
Das Recht, nicht diskriminiert zu werden, stellt ein
fundamentales Menschenrecht dar. Es ist ein Segen, dass
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echtlichen Selbstregulierung ausreichen, um Fehlent-
icklungen zu verhindern. Zweitens. Die Empfehlungen
er Berufsorganisationen haben keinen verbindlichen
harakter, solange sie nicht in die ärztliche Berufsord-
ung übernommen werden. Drittens. Es muss mit einer
usweitung der genetischen Diagnostik in vielen An-
endungsfeldern gerechnet werden. Dazu gehört auch
ie Zunahme nicht medizinischer Tests.
Es hat bereits in der 14. Legislaturperiode der Ent-
urf eines Gentestgesetzes vorgelegen. Die Enquete-
ommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“
mpfiehlt ein umfassendes Gendiagnostik-Gesetz. Wir
ollten dieser Empfehlung folgen und darauf drängen,
ass die bereits laufenden Vorbereitungen eines neuen
ntwurfs beschleunigt werden. Dabei sind für die FDP
olgende Prinzipien wesentlich. Erstens das Prinzip, dass
ich die Nutzung von Gendiagnostik auf medizinische
wecke beschränkt, zweitens der Arztvorbehalt bzw.
ine fachärztliche Qualifikation, drittens das Selbstbe-
timmungsrecht – Weitergabe der Daten nur mit aus-
rücklicher Zustimmung des Einzelnen – und viertens
ie Qualitätssicherung von Beratung und Diagnose
urch staatliche Zulassung der Einrichtungen. Außer-
em darf die Einführung genetischer Tests nicht dem
arkt überlassen werden. Wir müssen jede Art von
ildwuchs in diesem Bereich vermeiden.
4468 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003
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53. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2003
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage4
Anlage 5
Anlage 6