Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Der Kollege Willy Wimmer feierte am 18. Mai sei-
nen 60. Geburtstag. Im Namen des Hauses gratuliere ich
ihm nachträglich sehr herzlich.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene
Tagesordnung zu erweitern. Die Punkte sind in der Ih-
nen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt:
1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU:
Sofortiger Beginn der Strukturreformen auf dem Arbeits-
markt, in der Finanz-, Haushalts- sowie Sozialpolitik an-
gesichts wegbrechender Steuereinnahmen, dramatischer
Arbeitslosenzahlen und der Nichteinhaltung des Europäi-
schen Stabilitätspakts
2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun Kopp, Hans-
Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Umfassende Politik
für Verbraucher – weg von einem engen Aktionsplan zum
Schutz der Verbraucher – Drucksache 15/1001 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
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Redet
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Tourismus
3 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Mauteinführung
in Deutschland am 31. August 2003 und Harmonisierung
der Wettbewerbsbedingungen – Drucksache 15/1023 –
4 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach
Art. 77 des Grundgesetzes zu dem
Gesetz zur Errichtung einer Verkehrsinfrastrukturfinanzie-
rungsgesellschaft zur Finanzierung von Bundesverkehrs-
15/998 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Ludwig Stiegler
5 Weitere Überweisungen im vereinfachten Ve
gänzung zu TOP 12.)
Erste Beratung des von den Fraktionen der S
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Aber die Horrormeldungen über den Bundeshaushalt2003 nehmen kein Ende und die Bundesregierung, vorallem aber der Bundesfinanzminister, sieht tatenlos zu. ist es ein Skandal, dass Entscheidungeng anscheinend nicht mehr im Kabinettn, sondern nur noch auf Sonderpartei-
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3794 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, es führt kein Wegdaran vorbei: Sie werden bei Leistungsgesetzen Ein-griffe vornehmen und außerdem bei allen Subventionenkürzen müssen. Die FDP ist bereit, Sie dabei zu unter-stützen.
Dazu gehört allerdings, Herr Kollege Tauss, dass Sieendlich ein Haushaltssicherungsgesetz vorlegen, wie wires heute verlangen. Wenn Sie nicht sofort eine Vollbrem-sung beim Bundeshaushalt 2003 machen – Sie solltenalso genau überlegen, wie Sie sich heute entscheiden –,werden Sie gegen Art. 115 unserer Verfassung versto-ßen. Insofern sollten Sie sich wirklich überlegen, ob Sieheute dazwischenkrakeelen.gSzgdstsZehtrnuwtWsDsdgd
Die Fraktion der FDP hat mit Interesse zur Kenntnisenommen, dass es auch aus den Reihen der Grünentimmen dafür gibt, ein Haushaltssicherungsgesetz vor-ulegen. Wenn die Abgeordneten der Grünen, die dasefordert haben, heute mit uns stimmen, dann haben wirie Mehrheit.
Ich wiederhole: Die Fraktion der FDP ist bereit, Ent-cheidungen zur Konsolidierung des Bundeshaushal-es mitzutragen und Sie dabei zu unterstützen. Sie müs-en aber endlich Vorlagen hier im Parlament einbringen.
ur Konsolidierung des Bundeshaushaltes 2003 bedarfs daher eigentlich nur zweier Maßnahmen:Erstens. Die Bundesregierung muss sofort ein Haus-altssicherungsgesetz vorlegen.Zweitens. Der Bundesfinanzminister muss zurücktre-en.
Wer unsere Forderung nach einem Haushaltssiche-ungsgesetz heute ablehnt, der muss seine eigenen Alter-ativen hier und heute auf den Tisch legen
nd der nimmt einen Verstoß gegen das Grundgesetz be-usst in Kauf.
Ich erteile dem Kollegen Walter Schöler, SPD-Frak-
ion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!er hier und heute einen Antrag vorlegt, der sollte aucheine eigenen Konzepte vorlegen. Sie haben aber keine.as ist das Problem, das Sie haben.
Deshalb will ich es gleich an den Anfang setzen: Un-ere Fraktion lehnt es ab, heute hier im Bundestag überen FDP-Antrag zur Vorlage eines Haushaltssicherungs-esetzes zu diskutieren. Es ist nämlich keineswegs so,ass die Staatsfinanzen aus dem Ruder laufen.
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Walter Schöler– Ihr Lachen gilt wahrscheinlich noch dem KollegenKoppelin. – Ich weiß – niemand von uns bestreitet das –,dass wir infolge der wirtschaftlichen Situation vor erheb-lichen Problemen stehen. Gestern Mittag haben wir be-reits über die Ursachen gesprochen, weshalb ich diesenicht wiederholen will. Diese Ursachen liegen im We-sentlichen in der Politik der Vergangenheit, die Sie be-trieben haben.
Ich will Ihnen sagen: Gemeinsam mit der rot-grünen Ko-alition wird die rot-grüne Bundesregierung die anstehen-den Probleme lösen.
Alle Institute, der Sachverständigenrat und interna-tionale Organisationen haben hinsichtlich ihrer Progno-sen der wirtschaftlichen Entwicklung in etwa auf dergleichen Linie gelegen, die sich auch die Bundesregie-rung zu Eigen gemacht hat. Die Bundesregierung hatzum Zeitpunkt der Verabschiedung des Haushaltes 2003keine geschönte, sondern eine realistische Prognose vor-gelegt, die sich auch die Koalition bei der Verabschie-dung zu Eigen gemacht hat. Es wurde also nichts be-schönigt und es wurde auch nicht getäuscht. Auf dieseFeststellung lege ich allergrößten Wert.
Gemäß ihrem Antrag will die FDP die Bundesregie-rung heute auffordern, ein Haushaltssicherungsgesetzvorzulegen. Ich will gar nicht näher darauf eingehen,dass es diesen Begriff im Haushaltsrecht gar nicht gibt;das wissen auch Sie.
In der Finanzverfassung und im Haushaltsrecht istjedenfalls eindeutig festgelegt, dass die so genannteBudgetinitiative ausschließlich bei der Bundesregie-rung und insbesondere beim Bundesfinanzminister liegt.
Nach den rechtlichen Regelungen ist es völlig klar, dasshier die Bundesregierung am Zuge ist.
– Klatschen Sie mir ruhig lauter Beifall. Ich stelle fest,dass ich selten so viel Beifall von Ihnen bekommen habewie gestern und heute. Das ist ein Zeichen dafür, dassSie auf den Weg der Vernunft zurückkehren.
Der von Hans Eichel angekündigte Nachtragshaushalt2003 wird kommen. Ich füge hinzu: Wir gehen davonaus, dass dies im Herbst der Fall sein wird.
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agen Sie doch jetzt einmal den Bürgern, was Sie wol-en! Sie machen das doch gar nicht. Sagen Sie ihnen,as Sie wegnehmen wollen!
Wenn ich Ihren Antrag richtig verstehe, dann wollenie 20 Milliarden Euro einfach einsparen. Dann müssenie den Bürgern sagen, dass das bei der nächsten Ren-enanpassung mindestens 5 Prozent weniger ausmacht.agen Sie, dass Sie an die Renten herangehen wollen!agen Sie, in welcher Höhe Sie das Arbeitslosengeldürzen wollen! Sagen Sie, dass Sie an die Sonntags- undachtzuschläge herangehen wollen oder ob Sie sie strei-hen wollen! Wo wollen Sie sonst Einschnitte machen?
Es bedarf keiner hellseherischen Gaben, um voraussa-en zu können, dass Sie ein solches Konzept nicht habennd keines vorlegen werden. Die Unionsparteien sind iniesen Fragen so zerstritten, dass sie es gar nicht könn-en.Ich fordere Sie deshalb auf, auch wenn Sie die Mehr-eit im Bundesrat haben, wenigstens künftig konstruktivei der Sanierung der Staatsfinanzen mitzuwirken, stattie bisher, zum Beispiel beim Steuervergünstigungsab-augesetz, eine reine Blockadepolitik zu betreiben.
ie sind nicht bereit, etwas zu machen. Wir haben ges-ern festgestellt, dass den Gemeinden durch dieselockadepolitik in den nächsten vier Jahren 6,1 Milliar-en Euro fehlen werden.
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Walter SchölerDieses Geld wird auch den unionsgeführten Ländernfehlen. Deren Finanzminister haben längst die mögli-chen Einnahmen aus diesem Gesetz in ihren Länder-haushalten eingeplant, haben aber andererseits in dop-pelzüngiger Weise die Blockadepolitik im Bundesratbetrieben.
Kollege Schöler, Sie müssen zum Ende kommen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie
sind die Blockierer, Sie sind diejenigen, die die Men-
schen täuschen und ein schäbiges Verwirrungsspiel be-
treiben. Die Menschen merken das langsam.
Sie werden Ihnen Ihre Täuschungs- und Verwirrungspo-
litik nicht mehr abnehmen. Wir lehnen den Antrag heute
auf jeden Fall ab.
Ich erteile das Wort Kollegen Dietrich Austermann,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was derKollege Schöler eben von sich gegeben hat, war eineBankrotterklärung. Er hat gesagt: Wir sitzen hier ange-sichts dieser Situation und warten darauf, dass die Re-gierung etwas tut. Das muss man sich vor Augen führen.Unser Land wurde in die Rezession regiert. Seit drei Jah-ren geht es abwärts.
Das Jahr 2003 ist das Jahr der Negativrekorde, undzwar bei der Arbeitslosigkeit und bei der Nettoneuver-schuldung. Man muss sich einmal das Verfahren vorAugen führen. Der Bundeskanzler versucht auf einerRegionalkonferenz, seine müden Truppen hinter sich zuscharen. Er erklärt da so nebenbei, dass die Neuverschul-dung doppelt so hoch sein wird, wie im Haushalt vorge-sehen. Offensichtlich ist für eine solche Ankündigungdie Regionalkonferenz das geeignete Gremium. Aber imBundestag soll darüber nicht diskutiert werden, in wel-cher Situation sich das Land befindet und welche Maß-nahmen geeignet sind, um das Land aus dieser Situationherauszuführen. Das ist ein unglaublicher Sachverhalt.
Wir haben schon gestern in der Aktuellen Stunde gesagt,– ich wiederhole es heute –, dass sich das Land in einerschlimmen Finanzkrise befindet. Sie haben gefragt, wasgzmtwGnTtng6sgpSSlsdwsEJwswdMhsSHHsaKksbkDmnDs
ie haben uns jahrelang mit falschen Angaben über dieaushaltsdaten zu täuschen versucht. Ich habe imerbst 2000 gesagt, dass wir vor einer konjunkturellchwierigen Lage stehen. Ich habe von dunklen Wolkenm Konjunkturhimmel gesprochen. Sie haben das alsatastrophenmalerei bezeichnet. Es ist aber genau so ge-ommen, wie wir es vorhergesagt haben.Genauso haben wir 1998 vor der Bundestagswahl ge-agt, dass die Investitionen zurückgehen und die Ar-eitslosigkeit steigt, wenn die SPD an die Regierungommt. Genau das ist eingetreten.
er alte Spruch ist gerechtfertigt und heute für jeder-ann nachzuvollziehen: Die Sozis können mit Geldicht umgehen. Sie demonstrieren das jeden Tag.
as gilt in gleicher Weise für die Grünen, die versuchen,ich ein bisschen abzugrenzen.
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Dietrich AustermannDer Finanzminister kneift in dieser Situation. Jetzt ister zwar da und hält sich für mutig, weil er gekommen ist.Aber er könnte sich auch äußern und eine Regierungser-klärung abgeben. Das tut er jedoch nicht, sondern erkneift. Wo bleibt denn die Regierungserklärung zu denMaßnahmen, die getroffen werden müssen, damit unserLand wieder vorankommt?Wir haben eine klare Perspektive. Die erste Maß-nahme, die getroffen werden muss, ist ein Kassensturz,und zwar nicht mit geschönten, sondern mit ehrlichenZahlen.
Zweitens ist eine Haushaltssperre notwendig. Aberinzwischen darf sich jeder zulasten des Finanzministersdelektieren. Herr Trittin darf feststellen, das gehe sonicht weiter; man könne jetzt nicht mehr einsparen. UllaSchmidt sagt ebenfalls, das gehe nicht. Herr Münteferingsagt: „Hans, nun ist mal gut!“ Andere, darunter der Bun-deskanzler, äußern sich ähnlich. Der Finanzministerwird in dieser Situation nicht mehr ernst genommen. Esist klar, dass er keine Regierungserklärung abgebenmöchte, weil er nicht weiß, ob das, was er ankündigt, an-schließend auch von den anderen mit getragen wird.
Deswegen meinen wir, es ist an der Zeit, dass der Fi-nanzminister seinen Hut nimmt.Sie erinnern sich vielleicht daran, dass es vor derBundestagswahl vor etwa einem Jahr ein buntes Plakatgab, auf dem Franz Müntefering und Hans Eichel zu-sammen mit vier Pfeilen, die nach oben zeigten, abgebil-det waren. Hans und Franz haben danach behauptet: Esgeht aufwärts.Die heutige Situation zeigt, dass Hans und Franz ge-scheitert sind, dass es nicht aufwärts, sondern abwärtsgegangen ist, dass die Entwicklung die falsche Richtungeingeschlagen hat und dass eine Kurskorrektur notwen-dig ist. Wir brauchen jetzt einen Nachtragshaushalt undein Haushaltsstrukturgesetz. Denn mit der Beschränkungauf Einsparungen bei nicht gesetzlichen Leistungen istes längst nicht mehr getan. Es wird eine bittere Zeit aufunser Land zukommen. Das haben Sie verursacht und zuvertreten.Um mit Franz Müntefering zu enden – ich bitte dieKollegen meiner Fraktion, das zu entschuldigen –, dergesagt hat „Hans, jetzt ist mal gut!“, sagen wir zum Ab-schluss: Hans, jetzt ist mal gut! Nimm Deinen Hut!
Ich erteile der Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/Die
Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Inder Tat ist die Haushaltsentwicklung im Jahr 2003 sehrschwierig. Wir haben auch gestern im Haushaltsaus-schuss gemäß der Absprache mit der Opposition sehrllndwhSEwimusmwGtdlAgHh–sskremsnnnDlgshhav2Hs
Sie können gerne auch noch auf uns zeigen. Sie müs-en sich aber trotzdem fragen, ob das von Ihnen vorge-chlagene Mittel tauglich ist, Herr Koppelin. Es wirktontraproduktiv.
Ihr Mittel vertieft die Vertrauenskrise, weil es im Be-eich von Investitionen, Innovationen und Forschungs-ntwicklungen vieles abrupt abbrechen würde, wenn wiritten im Jahr mit dem Sparhammer zuschlügen. Hin-ichtlich all der Menschen, die Sie in Ihrem Antrag nen-en, kann man sicherlich feststellen: Denn sie wissenicht, was sie täten. Ich glaube nicht, dass sie andernfallsoch alle darauf stünden.
as müssen Sie doch gerade in einer ernsten Haushalts-age zugestehen.Legen Sie einen ernst gemeinten Antrag vor! Ichlaube, Ihr vorliegender Antrag ist das nicht. Sie verwei-en zwar auf ein Problem, das wir haben; aber er bein-altet keine Lösungsvorschläge.Ich sage das so deutlich für die Grünen, weil Sie be-auptet haben, Herr Austermann, wir versuchten, unsbzusetzen. Nein, wir versuchen nicht, uns abzusetzen;ielmehr haben wir schon vor Beschluss des Haushalts003 festgestellt, dass wir in sehr vielen Bereichen dieaushaltsmittel sehr wohl knapp bemessen und Ein-parungen vorgenommen haben. Sie wollten immer
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Anja Hajduknoch etwas mehr drauflegen. Wir aber haben gesagt:Dieser Rahmen gilt; wenn die wirtschaftliche Entwick-lung jedoch weiter stagniert – wir haben im ersten Quar-tal dieses Jahres sogar eine rückläufige Entwicklung zuverzeichnen –, kann dem nicht mit einem so hohen Volu-men von 10 Milliarden Euro und mehr sozusagen hinter-hergespart werden; das würde die labile konjunkturelleSituation noch stärker abwürgen. Fragen Sie die Wirt-schaftspolitiker in Ihren eigenen Reihen! Sie werden Ih-nen sagen: Die Roten und die Grünen haben bezogen aufdas Jahr 2003 Recht; darin sollten wir sie unterstützen.
Eines möchte ich noch ansprechen, weil Sie das imRahmen der Geschäftsordnungsdebatte gerade noch ein-mal ausbreiten mussten. Dass es Ihnen nicht peinlich ist,auf die schwierige Einnahmesituation der Länder undKommunen hinzuweisen, grenzt an eine Unehrlichkeitin diesem Hause, die nicht mehr zu ertragen ist.
Da haben wir Sie gestern auch an einer Stelle zu fas-sen bekommen. Sie haben sich, obwohl Sie die Zahlenschon kannten – Sie sind nämlich in der Union nicht da-von abhängig, wann der Bund die Steuerschätzungenvorlegt, sondern die Steuereinnahmesituation wird inden Ländern ermittelt und an den Bund gemeldet; sie istfolglich der Union frühzeitig bekannt gewesen –, in die-ser Situation verweigert, Steuersubventionen abzu-bauen. Sie haben aus taktischen Gründen gekniffen. Jetztaber sagen Sie, Herr Austermann, dass die Lage derKommunen dramatisch sei, hätten wir zu verantworten.
Wir haben das in der Tat mit zu verantworten. Aber ichfordere Sie in diesem Zusammenhang auf, die von Ihnenangestrebte Verantwortung auf der Bundesratsebene jetztund in Zukunft einzulösen und sich an dem Subventions-abbau zu beteiligen, und zwar nicht nur in 10-Prozent-Schritten über drei Jahre gestreckt, sondern ein bisschenmutiger. Das ist nämlich notwendig. Hierauf wird es an-kommen.
Für das kommende Jahr will ich zusagen: Wir werdeneinen Haushalt 2004 vorlegen,
der einen Konsolidierungsbedarf von mindestens15 Milliarden Euro enthalten wird.
Dabei bin ich auf Ihre tatkräftige Unterstützung ge-spannt. Sie können versuchen, uns zu überholen. Dastraue ich Ihnen nicht ernsthaft zu. Aber wenn Sie uns dienotwendigen Entscheidungen auf Bundesratsebene tref-fgdTgBCZZ
Wir kommen damit zur Abstimmung. Wer stimmt füren Antrag der Fraktion der FDP auf Erweiterung deragesordnung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-en? – Der Antrag ist mit den Stimmen von SPD undündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/SU und FDP bei einer Enthaltung abgelehnt.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 c sowieusatzpunkt 2 auf:3 a) Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregie-rungAktionsplan Verbraucherschutzb) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungBericht der Bundesregierung – AktionsplanVerbraucherschutz– Drucksache 15/959 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaft
RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Tourismusc) Beratung des Antrags der Abgeordneten GerdaHasselfeldt, Ursula Heinen, Peter H. Carstensen
, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSUBessere Verbraucherinformation bei Lebens-mitteln, Produkten und Dienstleistungen– Drucksache 15/927 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaft
RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten GudrunKopp, Hans-Michael Goldmann, Dr. ChristelHappach-Kasan, weiterer Abgeordneter und derFraktion der FDPUmfassende Politik für Verbraucher – wegvon einem engen Aktionsplan zum Schutz derVerbraucher– Drucksache 15/1001 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaft
RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Tourismus
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Präsident Wolfgang ThierseZur Regierungserklärung liegt ein Entschließungs-antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-rung eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre keinenWiderspruch. Dann ist so beschlossen.
– Bevor ich das Wort erteile, möchte ich diejenigen Kol-leginnen und Kollegen, die der Debatte nicht folgen wol-len, bitten, den Plenarsaal möglichst geräuschlos zu ver-lassen.Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hatdie Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährungund Landwirtschaft, Renate Künast.Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-schutz, Ernährung und Landwirtschaft:Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! MeineDamen und Herren! Nach der Debatte, die wir geradehatten, können wir nun feststellen, ob die Oppositionwirklich in der Lage ist, sich den wichtigen Themen zustellen, die auf der Agenda der Republik oder auf der Ar-beitsagenda der Europäischen Union stehen.Verbraucherschutz hat im Übrigen jede Menge mitWirtschaftspolitik und Wachstum zu tun; denn Verbrau-cherpolitik bezieht sich auf Vertrauen in die Produkteund Vertrauen ist Grundlage für jeden funktionierendenMarkt. Ganz besonders die Unternehmen, die innovativsind bzw. versuchen, innovativ zu sein, brauchen dasVertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher; dennnur so kann es ihnen gelingen, neue Märkte zu erschlie-ßen und Wachstum innerhalb der EU, aber auch über denEU-Binnenmarkt hinaus zu generieren sowie Arbeits-plätze und Einkommen zu schaffen. Ich denke dabei be-sonders an Bereiche wie den des E-Commerce, denelektronischen Handel. Diesen kann man geradezu alsVertrauensmarkt bezeichnen; denn solche Märkte funkti-onieren nur, wenn es Verbraucher gibt, die den in diesemBereich tätigen Unternehmen vertrauen und sagen: Ge-nau hier nehme ich eine Dienstleistung in Anspruch undhier kaufe ich.Was heißt Verbraucherpolitik im 21. Jahrhundert?Das heißt, dass wir Politik für diejenigen Unternehme-rinnen und Unternehmer machen, die in Zukunft inves-tieren wollen, die daran interessiert sind, Innovationspo-tenziale, also Wachstumsbereiche, zu erschließen. Wirmachen Politik für die Sicherheit der Verbraucherinnenund Verbraucher sowie für den Schutz der Verbrauchervor Täuschung. An dieser Stelle grenzen wir uns vonden Damen und Herren der Opposition klar ab, die Ver-braucherpolitik und Verbraucherschutz noch immer sobegreifen, als ob das etwas wäre, was mit der Wirtschaftnicht vereinbar wäre. Das ist ganz klar ein Argumentvon vorgestern.
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Ich muss allerdings zugeben, dass Sie in der Regel – zu-indest gilt das für die CDU/CSU – später klüger werden.as zeigt sich daran, dass Sie letztendlich bei der Formu-ierung Ihrer eigenen Anträge von den rot-grünen Kon-epten abschreiben. Ich denke, das trifft jedenfalls aufen Antrag zu, den jetzt die CDU/CSU vorgelegt hat.Die rot-grüne Bundesregierung hat im Koalitionsver-rag den Verbraucherschutz als wesentlichen Teil der Zu-unftspolitik des 21. Jahrhunderts identifiziert und ihnerankert. Man kann sagen, dass wir ihn aus dem Dorn-öschenschlaf geholt haben.Unser Aktionsplan, also unser Arbeitsplan für dieseegislaturperiode, ist an mehreren Grundsätzen ausge-ichtet.Wir stärken das Prinzip der Vorsorge im Bereich desesundheitlichen Verbraucherschutzes. Wir alle wis-en, wie schwer es war, dieses Prinzip zu verankern undlar zu machen: Das schadet nicht der Wirtschaft, son-ern es ist eine Chance für sie. Ein Viertel der Lebens-ittelindustrie des alten Europas, also der EU der 15,efindet sich in Deutschland. Angesichts des damit ver-undenen Wirtschaftspotenzials und der damit verbunde-en Arbeitsplätze ist es richtig, dass wir ihr beim Aufbaueuer Strukturen, zum Beispiel durch den Aufbau derntsprechenden Behörden, frühzeitig geholfen haben. Esst richtig, deutlich gemacht zu haben: Das Vorsorgeprin-ip des gesundheitlichen Verbraucherschutzes ist gut fürie Verbraucher und für die Lebensmittelindustrie.Die Lebensmittelindustrie selbst hat den Wert diesesrinzips längst erkannt. Ich habe mich gefreut, dass sogarie Lebensmittelindustrie anlässlich des 50. Geburtstagser Verbraucherverbände in Berlin eine große Veranstal-ung durchgeführt hat. Damit hat sie gezeigt: Wir neh-en die Interessen der Verbraucher, also auch ihre Ge-undheit, ernst.
Wir haben des Weiteren den vorsorgenden Schutz beien wirtschaftlichen Interessen der Verbraucherinnennd Verbraucher in unserem Aktionsplan verankert. Wiraben dabei aber nicht vergessen, dass es so etwas wieie Stärkung der Eigenverantwortung gibt. Wir werdenn den nächsten Jahren – nachdem wir zwei neue Bun-esämter geschaffen haben und damit in Europa voran-ehen und sogar schneller als die Europäische Behörde
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Bundesministerin Renate Künastfür Lebensmittelsicherheit sind – im Bereich Lebens-mittelsicherheit weitermachen. Davon wird auch dieWirtschaft profitieren, die sich schon heute auf ein ein-heitliches Lebensmittelgesetzbuch, das Hunderte vonVorschriften zusammenfasst, freut.Wir werden außerdem den Verbraucherschutz aufdem Gebiet der Bedarfsgegenstände, der Kosmetika so-wie der Geräte- und Produktsicherheit weiterentwickeln.Weitere Schwerpunkte werden die Informationsmaßnah-men zur gesunden Ernährung und die verbesserte Kenn-zeichnung von Lebensmitteln sein.Damit komme ich auf das Thema Gentechnik zusprechen; wir können nicht über Lebensmittel reden,ohne über Gentechnik zu sprechen. Der Gentechnik istin diesem Aktionsplan ein eigener Abschnitt gewidmet.Unser Interesse ist es, ein hohes Schutzniveau zu ge-währleisten und sicherzustellen. Wir wollen, dass dieVerbraucherinnen und Verbraucher die Möglichkeit ha-ben, zwischen gentechnisch veränderten und nicht gen-technisch veränderten Lebensmitteln frei zu entscheiden.Zu einer solchen Wahlfreiheit kommt es natürlich nur,wenn es eine entsprechende Kennzeichnung gibt. Wirwollen diese Kennzeichnung und wir setzen sie inEuropa um. Wir sichern damit im Ergebnis das Rechtnachfolgender Generationen, solche Entscheidungenüberhaupt noch treffen zu können, damit sie nicht aus-schließlich gentechnisch veränderte Lebensmittel essenmüssen.Ich bin froh, dass wir es Ende letzten Jahres in der EUgeschafft haben, die Schwellenwerte und die Rückver-folgbarkeit zu regeln. Wir werden die Entscheidung desEuropäischen Parlaments dazu abwarten. Nach dieserEntscheidung wird es sicherlich zu Zulassungen kom-men. Wir lassen uns aber nicht durch die Entscheidungeines Landes dazu verleiten, daraus einen WTO-Vorgangzu machen. Ich bin froh, dass an dieser Stelle auch dieEU-Kommission ganz gelassen reagiert hat, indem siefestgestellt hat, es sei jedermanns freies Recht, Gerichteanzurufen. Es ist aber auch unser Recht, klar zu sagen,dass wir nach dem europäischen demokratischen Verfah-ren vorgehen. Das EP wartet ab. Dann wird es Kenn-zeichnung und Erkennbarkeit für die Verbraucher ge-ben – und das ist gut so.
Verbraucherpolitik ist Vertrauenspolitik. In vielen Berei-chen funktionieren Märkte nicht, wenn man kein Verbrau-chervertrauen hat. Als Beispiel dafür möchte ich – wir ha-ben diesen Punkt im Aktionsplan angesprochen – die0190er-Nummern nennen. Durch diese Nummern sollteursprünglich die Möglichkeit der Bezahlung ohne An-gabe einer Kreditkartennummer gegeben werden. Genauin diesem Bereich fragten sich die Verbraucherinnen undVerbraucher nämlich, wer alles rund um den Globusnach Angabe der Kreditkartennummer Zugang zu per-sönlichen Daten hat, um auf dieser Basis Geschäfte zutätigen.Heute denkt man bei den 0190er-Nummern – sie soll-ten eigentlich eine Hilfe sein – sofort an die interessan-taBztzwddbsguzaadnfuwhnc–WogzbakBdgfBubswZvzwasHWW
Hier outen sich die Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer. –er meint, dass man auf Wirtschaftlichkeit setzen könnte,hne die Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihrenanz konkreten Erwartungen und Bedürfnissen im Blicku haben, rennt unweigerlich in eine Sackgasse.Herr Mehdorn – da bin ich mir sicher – hat das Pro-lem erkannt und wird bei zukünftigen Entscheidungennders planen. In einem ersten Schritt betrifft das kon-ret das Preissystem. Gestern früh gab es in manchenahnen schon ein bisschen Jubel und Freude darüber,ass es zu einer massiven Reduzierung bei den Storno-eb
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt, da die Bahnmzudenken beginnt, habe ich mir gedacht, dass ich sieelohnen sollte. Deshalb fahre ich heute früh nicht Auto,ondern Bahn. – Also wieder einige Fahrgäste neu ge-onnen, Herr Mehdorn!Wir haben große Erwartungen an die Bahn. Sie ist einukunftsunternehmen. Die Bahn bietet uns ganz selbst-erständlich Mobilität – bei allen Diskussionen übrigensuverlässiger als das Auto. Wir wissen: Die Menschenollen nicht immer eine Woche vorher planen, sondernuch spontan die Bahn nehmen können. Was die Men-chen wollen, konnte man gestern bei einem Witz in derarald-Schmidt-Show erkennen. Sie alle kennen dieerbung eines sehr preiswerten Möbelunternehmens:ohnst du noch oder lebst du schon? Harald Schmidt
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003 3801
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Bundesministerin Renate Künasthat das gestern in seiner unnachahmlichen Art auf dieBahn umgemünzt und für sie einen guten Werbesloganerfunden; vielleicht tritt er ihn Herrn Mehdorn ab. BeiHarald Schmidt hieß es nämlich: Fährst du schon oderrechnest du noch?
Dies zeigt präzise, was die Bahnkunden wollen. Viel-leicht haben sich da zwei neue Partner für die Zukunftgefunden.Wir wollen eine starke Bahn, die von den Verbrauche-rinnen und Verbrauchern genutzt wird, weil sie wissen,dass die Bahn einen wirklich positiven Beitrag zu Nach-haltigkeit, zu Mobilität und zum Umweltschutz, zurLuftreinhaltung, leistet. Deshalb haben wir in unserenAktionsplan zwei Kernpunkte zur Verbesserung derKundenorientierung aufgenommen. Das ist einmal dieQualitätsoffensive öffentlicher Personenverkehr, um dieFortentwicklung der Fahrgastrechte im öffentlichen Per-sonenverkehr zu betreiben, und das ist zum anderen diePrüfung der Einrichtung einer unternehmensunabhängi-gen Schlichtungsstelle, was wir uns übrigens auch fürandere Verkehrsträger vorstellen können. Andere habenso etwas schon. Die Versicherungen zum Beispiel habenmit solchen Schlichtungsstellen exzellente Erfahrungengemacht.Wir haben im Aktionsplan aber nicht nur diesen Be-reich bedacht, sondern auch noch so manch anderen. Wirhaben uns auf nachhaltige Entwicklung und nachhalti-gen Konsum konzentriert. Deshalb wollen wir auch daansetzen, wo Umwelt- und Tierschutz Berücksichti-gung finden müssen. Wir wissen – damit will ich spezi-fisch auf die Wirtschaft im Allgemeinen eingehen –,dass die Wirtschaft in Deutschland manche Chancen derKundenbindung noch gar nicht genutzt hat. Wir sehen,dass sie gar nicht die Möglichkeit nutzt, die Kundenemotional an ihre Produkte zu binden, nämlich an derStelle, wo die Kunden Fragen haben. Ich nehme einmaldas Beispiel des fairen Handels. Viele möchten wissen,ob Kinderarbeit drinsteckt. Ich nehme die Beispielenachwachsende Rohstoffe, Holzzertifizierung. Alles dassind Punkte, die die Verbraucher beschäftigen. Wir wol-len, dass sich Verbraucherschutz sozusagen als festerBestandteil in der ökologisch-sozialen Marktwirtschaftverankert, nicht nur in Deutschland, sondern auf allenEbenen bis hin zur WTO. Was wir an Anforderungen ha-ben, sollte bei der WTO in den so genannten Non TradeConcerns Berücksichtigung finden.Es gibt Umfragen, die zeigen, dass sich das Bewusst-sein der Verbraucherinnen und Verbraucher bereits ge-wandelt hat, auch wenn sich das noch nicht durchgehendim Konsumverhalten widerspiegelt. Aber Wirtschaftsollte ja vordenken und überlegen: Was sind eigentlichdie Märkte von morgen und übermorgen?Die Stiftung Warentest wird von allen Unternehmengenutzt. Kaum ein Unternehmen verkauft seine Wasch-md„srdddSzvdIh–wMKmsrwnbnlgswdukgTtPdjTtameew
Ja, nicht einmal die Opposition steht über ihr, oder wasollten Sie mit dem Zwischenruf sagen?
In Zukunft heißt das also: Wer seine Produkte amarkt verkaufen will, muss zusehen, dass er auch diesenriterien gerecht wird. Ich weiß, dass pfiffige Unterneh-erinnen und Unternehmer das längst tun, weil sie wis-en: Als Hochpreisland wird Deutschland nie in Konkur-enz zu den Niedriglohnländern treten können. Wirollen es auch nicht. Wir wollen weder unsere sozialenoch unsere Umweltstandards senken, um die Produkteilliger zu machen. Wir wollen auf Umwelt Rücksichtehmen, weil wir ansonsten zum Beispiel auch im sozia-en Bereich durch staatliche Interventionen wieder Ge-enmaßnahmen finanzieren müssten. Es macht Sinn,ich an dieser Stelle früh darauf einzustellen.
Wir wissen natürlich, meine Damen und Herren, dassir schauen müssen, was eigentlich die klassischen Pro-uktionszweige und Produkte des 21. Jahrhunderts sindnd wo man Innovation und Qualität zusammenbringenann, sodass alle davon profitieren. Ich glaube, hier er-ibt sich für die Entwicklung Deutschlands ein wichtigeshema: Wir müssen jetzt eine Art Scenario building be-reiben, also sozusagen überlegen, wie man, wenn dasfund der Vergangenheit für uns der Maschinenbau,ie Autoindustrie und die chemische Industrie waren,etzt, ohne etwas ganz anderes zu erfinden, auf die neuenechnologien zugehen und die neuen Strukturen vom In-ernet bis zum E-Commerce nutzen kann. Wir müssenber auch schauen, wie wir den Maschinenbau, die che-ische Industrie und die Automobilindustrie so weiter-ntwickeln, dass sie dem Niveau des 21. Jahrhundertsntsprechen. Das heißt, soziale und Umweltkriterien so-ie die Interessen der Verbraucher zu berücksichtigen.
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3802 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003
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Bundesministerin Renate KünastWie der Maschinenbau des 21. Jahrhunderts aussieht,diese Frage müssen wir uns stellen.Wir wissen, dass an dieser Stelle jede Menge zu tunist. Wir haben uns, wie ich glaube, gut aufgestellt. Zumersten Mal gibt es in der Bundesrepublik auch bei denwissenschaftlichen Beiräten einen, der sich mit Ver-braucherinnen und Verbrauchern beschäftigt, also denAdressaten jeder wirtschaftlichen Produktion. Die habenjetzt auch erste Grundsatzpapiere vorgelegt, die selbstdie Opposition für interessant befunden hat. Wir werdenan dieser Stelle weiterarbeiten, weil wir wissen: Es gibtErwartungen an Qualität, die über Produktqualität im al-ten Sinne weit hinausgehen. Die Menschen wollen wis-sen, ob Produkte mithilfe von Kinderarbeit hergestelltwurden, ob ordentliche Löhne gezahlt wurden, ob Naturund Umwelt verträglich behandelt worden sind. Es gehtalso um all das, was heute unter dem Stichwort Nach-haltigkeit genannt wird.Wir sagen im Koalitionsvertrag und haben es auchschon in dem Aktionsplan niedergelegt: Rot-Grün orien-tiert sich am Leitbild eines gut informierten Verbrau-chers, der klug konsumieren kann. Genau da werden wirweiterarbeiten. Deshalb muss ich natürlich zu IhrerFreude auf das Verbraucherinformationsgesetz zusprechen kommen. Ich glaube, ein Verbraucherinforma-tionsgesetz gehört zu einem modernen Land. Die USAzum Beispiel haben mit dem Freedom of InformationAct seit vielen Jahren gute Erfahrungen gemacht; unddie Wirtschaft dort ist nicht untergegangen.Die effektive Selbstverpflichtung der Wirtschaftbei der Information der Verbraucher werden wir berück-sichtigen. Ich freue mich, dass viele längst an diesemThema arbeiten und nicht mehr eine distanzierte Positionvertreten. Ich meine, es ist selbstverständlich, dass dieVerbraucher das an Information bekommen, was auchdie Unternehmen an Information haben. Fast 500 Millio-nen Verbraucherinnen und Verbraucher gibt es im größ-ten Binnenmarkt der Welt.
In diesem EU-Binnenmarkt wird der, der transparentund offen produziert, die besten Chancen haben.Jetzt sagte Herr Deß, wir müssten das Gesetz in Brüs-sel durchsetzen. Sie müssten einfach einmal das Papier,das Sie bekommen haben, lesen. In Brüssel gibt es längstVerordnungen und Richtlinien für die verschiedenenProduktbereiche.
Wir sind verpflichtet, das in nationales Recht umzuset-zen, Herr Deß. Wir leben im 21. Jahrhundert. Die EU hatjede Menge Vorschriften zum Thema Verbraucherinfor-mation erlassen. Lesen Sie sie doch einfach und gebenSie Ihre alte Politik des vergangenen Jahres, die Blocka-depolitik, auf!
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enn sie sich mit diesem Bereich intensiv beschäftigennd Auskunft über den Inhalt des Produkts geben wür-en.An dieser Stelle kann ich ganz klar sagen: Verbrau-herpolitik ist Schutzpolitik für das Individuum. Wir ge-en aber auch davon aus, dass das Individuum nicht ei-es ständigen Schutzes bedarf, sondern vor allem zunformieren ist, damit es Wahlfreiheit hat und klug ent-cheiden kann. Wir wissen ebenso, dass wir jede Mengehancen auf Wachstum in diesem Bereich haben, wennir Verbraucherpolitik zum Bestandteil von ökologisch-ozialer Marktwirtschaft machen. Genau das werden wirn.
Ich erteile das Wort Kollegin Ursula Heinen, CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Meine Kollegin Gerda Hasselfeldt hat es Ihnenchon in der Aussprache zur ersten Regierungserklärungum Verbraucherschutz in dieser Legislaturperiode ge-agt – wir haben es Ihnen auch in der Haushaltsdebattemmer wieder gesagt –: Ihnen fehlt ein wirklich schlüssi-es Konzept zur Verbraucherpolitik.
Diese Worte waren anscheinend ohne Erfolg; dennuch im jetzigen Aktionsplan werden die Probleme nureschrieben; aber es werden im Grunde genommeneine Lösungen aufgezeigt. Der Aktionsplan hat eineneinen Ankündigungscharakter, weil eben nur Absichts-rklärungen gegeben werden.
ntsprechend zurückhaltend ist dieser Plan von der Öf-entlichkeit aufgenommen worden. Die Organisationood Watch, die eher Ihrer politischen Richtung zuzu-rdnen ist, spricht von „vagen Ankündigungen“ und die
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Ursula HeinenVerbraucherzentrale Bundesverband sieht keine großenLinien im Programm. Sie spricht von inhaltlicherSchwäche oder gar von dem Fehlen konkreter Ziele.
Getoppt wird das Ganze noch durch den Entschlie-ßungsantrag der Fraktionen der SPD und der Grünen,der uns heute vorgelegt wird und in dem sozusagennichts mehr enthalten ist. In ihm werden noch nicht ein-mal mehr die Probleme beschrieben, sondern es gibt nurnoch schöne Worte.
Verbraucherschutz in diesem Lande wird nicht besser,wenn man dem Verbraucherschutz schöne Bezeichnun-gen gibt. Das reicht bei weitem nicht aus.
Einig sind wir uns darin, dass der Verbraucherschutzeine Querschnittsaufgabe ist, weil er viele Bereiche destäglichen Lebens betrifft. Aber wie diese Aufgabe zu be-wältigen ist, darüber gehen die Meinungen zwischen Ih-nen und uns doch sehr auseinander. Während bei uns dermündige Verbraucher ganz klar im Vordergrund unsererPolitik steht, besteht Ihre Philosophie hauptsächlich da-rin, zu regulieren und den Verbraucher auch in seinenFreiheitsrechten zu beschränken.
Lassen Sie mich einige Beispiele nennen. Die Minis-terin hat eben schon das Thema Verbraucherinfor-mation angesprochen. Sie kündigen an – so steht es imPlan –, das bereits im vergangenen Jahr gescheiterte Ver-braucherinformationsgesetz in unveränderter Form neueinzubringen. Das halten wir für falsch und das zeigt,dass Sie aus den Fehlern und aus den Diskussionen dervergangenen Legislaturperiode nichts, aber auch garnichts gelernt haben.
Wir haben, Herr Zöllmer – das wird heute mitbera-ten –, Eckpunkte für eine bessere Verbraucherinforma-tion bei Lebensmitteln, bei Produkten und Dienstleistun-gen vorgelegt. Unser Konzept umfasst fünf Säulen.Da ist zum Ersten die verbesserte und vereinfachteKennzeichnung; denn derzeit gibt es eine schier un-überschaubare Vielfalt von Lebensmittelkennzeich-nungsvorschriften.Zum Zweiten wollen wir – das ist der Bereich, in demwir wahrscheinlich am weitesten auseinander liegen –die unternehmerischen Möglichkeiten der Verbraucher-information stärken, aber nicht, wie Sie es vorgesehenhaben, durch einen generellen Auskunftsanspruch derVerbraucher gegenüber den Unternehmen, sondern mitSelbstverpflichtungsinitiativen. Ferner wollen wir dieUnternehmen darin unterstützen – beispielsweise aufHbEüArnWdwnAmfLmdkgfssI–DhVaHwgtudinwvgkPs
nsonsten hätten ausländische Unternehmen auf unse-em Markt Wettbewerbsvorteile gegenüber unseren eige-en Unternehmen. Das können wir nicht zulassen.
Zum Dritten geht es bei unserem Konzept darum, einearnung und aktive Information der Öffentlichkeiturch die Behörden zu ermöglichen. In diesem Punkterden wir sicher zusammenkommen. Aber es gibt ei-en Unterschied: Wenn wir den Länderbehörden neueufgaben – salopp gesprochen – aufs Auge drücken,üssen wir auch dafür sorgen, dass sie die notwendigeinanzielle Ausstattung bekommen. Wenn Sie sagen, dieänderbehörden sollen künftig neue Aufgaben überneh-en und den Verbrauchern gegenüber Auskünfte geben,ann brauchen sie mehr Personal und mehr Geld. Dasönnen sie aus eigener Kraft nicht leisten.Wir brauchen in der Tat ein Verbraucherinformations-esetz, das diese Anforderungen erfüllt. Ich kann Ihnenür meine Fraktion nur anbieten, mit uns darüber zuprechen. Ich sage aber noch einmal ganz deutlich: Ge-präche machen überhaupt keinen Sinn, wenn Sie bloßhren alten Entwurf hervorholen.
Das ist wohl wahr.
arüber hinaus brauchen wir eine Stärkung der unab-ängigen Verbraucherberatung. Es ist wenig sinnvoll,erbraucherberatung sowohl auf der Bundes- als auchuf der Landesebene von den finanziell angespanntenaushaltslagen abhängig zu machen. Deshalb solltenir durchaus überlegen, ob es nicht eine Möglichkeitibt, für die Verbraucherberatung beispielsweise ein Stif-ngsmodell zu entwickeln und die Verbraucherberatungarüber entsprechend finanziell auszustatten.Lassen Sie mich einen weiteren Bereich nennen, der Ihrem Aktionsplan gänzlich stiefmütterlich behandeltird. Ich habe mich gewundert, dass er in Ihrer Redeorgekommen ist, denn im Geschriebenen kommt dasesamte Thema der neuen Medien, der Telekommuni-ation und des Internets kaum vor. Sie lassen zwarroblembewusstsein erkennen, verweisen aber bei die-em Thema gerade einmal auf den Gesetzentwurf des
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Ursula HeinenWirtschaftsministers zu den 0190er-Nummern. Wirsind uns darüber einig, dass dies ein Schritt in die rich-tige Richtung ist, aber er reicht tatsächlich bei weitemnicht aus. Wenn sich der Gesetzentwurf nur auf die0190er-Nummern konzentriert, erwarten wir, dass dieunseriösen Anbieter auf andere Nummerngassen gehen.Damit wäre dem Verbraucher überhaupt nicht gedient.Man hätte zwar ein Fenster geschlossen, aber ein ande-res würde offen bleiben. Das kann nicht der Sinn sein.Deshalb fordern wir, den Anwendungsbereich des Ge-setzes entsprechend zu erweitern.
Fast völlig unbehandelt bleiben im Aktionsplan die sogenannten Spam-Mails. Vorsichtig ausgedrückt – weilunsere Sitzungen hier im Bundestag öffentlich sind – sinddas unverlangt geschickte Mails mit oft auch jugendge-fährdendem Inhalt. Aber außer der Feststellung, dass eshier Missbrauch gibt, steht im Aktionsplan nichts dazu.
– Dann zeigen Sie mir doch die Stelle im Aktionsplan –.5,6 Milliarden Spams sind zurzeit in den Netzen unter-wegs. Haben Sie sich einmal Ihren eigenen E-Mail-Ac-count angesehen? Ich habe meinen Ausdruck mitge-bracht; die Ausdrucke werden bei allen Kollegen etwagleich aussehen.
Die schwarz gekennzeichneten Mails sind die Spams,die wir mittlerweile bekommen, die hell dargestelltensind die ganz normalen E-Mails. Sie können sich vor-stellen, welch eine Aktion es ist, immer wieder dieseSpams herauszufiltern.
Ihre einzige Antwort ist die Änderung der Telekommu-nationskundenschutzverordnung vom August 2002 undder Hinweis – Herr Zöllmer hat das gerade schon ge-sagt – auf die Novelle des Gesetzes gegen den unlaute-ren Wettbewerb. Das reicht aber bei weitem nicht aus.Heute ist der „1. Anti-Spam-Tag“, der von einem In-ternetportal ausgerufen wird. Also könnten wir doch sa-gen: Heute ergreifen wir die Initiative und legen auch inDeutschland ein Antispamgesetz vor. Solche Gesetzegibt es beispielsweise in den USA in einigen Bundes-staaten. Dort sind Werbesendungen mit irreführendemInhalt sowie E-Mails, deren Absender nicht eindeutig er-kennbar ist, verboten. Ich glaube, das wäre auch für unseine gute Sache.
Ein drittes Thema, über das wir auch schon mehrfachim Bundestag diskutiert haben, ist die Koordination derLebensmittelüberwachung und der Gefahrenabwehr.In Ihrem Aktionsplan sagen Sie, dass Sie eine wirksameÜberwachung anstreben und die Rahmenbedingungenfür die Zusammenarbeit von Bund und Ländern überprü-fen und anpassen wollen. Das, Frau Künast, ist aber einbisschen wenig. Die Verbraucher haben ein Recht da-rdlfdgevfdlBcmhgderKdWsuefmagstaudKGsbbIddibwmdne
Aber da wir gerade von der Neuordnung der Behör-en gesprochen haben: Sie haben in der vergangenenoche Andreas Hensel zum Präsidenten des Bundesin-tituts für Risikobewertung ernannt. Deshalb auch vonnserer Fraktion: Herzlichen Glückwunsch an den neurnannten Präsidenten! Wir hoffen, dass er fair und er-olgreich arbeitet, dass er vor allen Dingen von Panik-ache, wie wir es in den letzten Wochen erlebt haben,bsieht und die Öffentlichkeit vernünftig über seine Er-ebnisse informiert.
Lassen Sie mich zum Abschluss an einem sehr prakti-chen Beispiel erläutern, warum der Verbraucherschutzatsächlich eine Querschnittsaufgabe ist. Querschnitts-ufgabe heißt in diesem Fall auch, dass sich die Ressortsntereinander abstimmen müssen. Dies sollte zurzeit beier Bekämpfung der Geflügelpest erfolgen. Das Robert-och-Institut empfiehlt bestimmte Medikamente zumrippeschutz zur Therapie und Prophylaxe, wenn Men-chen mit der Geflügelpest in Berührung kommen. Dasetrifft also meistens die Menschen, die in diesen Betrie-en arbeiten. So weit die Empfehlung des Robert-Koch-nstituts.Nach einem Bericht der „Ärzte-Zeitung“ vom Montagieser Woche fehlen diese Medikamente in dem Entwurfer Positivliste des Bundesgesundheitsministeriums. Esst wirklich ein ungeheuerlicher Vorgang, wenn in einemestimmten Fall Medikamente zur Prophylaxe benutzterden sollen, gleichzeitig das Bundesgesundheits-inisterium aber sagt: Die brauchen wir nicht; die wer-en nicht auf die Positivliste gesetzt; sie werden nicht fi-anziert. Ich glaube, hier besteht zwischen den Ressortsin erheblicher Regelungs- und Abstimmungsbedarf.
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Ursula HeinenIch kann Sie nur ermuntern: Lassen Sie endlich IhrenAnkündigungsworten Taten folgen!
Das wäre ein richtiger, guter Weg für den Verbraucher-schutz.Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Ich erteile Kollegin Jella Teuchner, SPD-Fraktion, das
Wort.
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!Es tut mir Leid: Ich konnte Ihrem Redebeitrag keineneuen Vorschläge entnehmen.
– Doch, doch. Das ist mir schon gelungen.Die Inhalte, die in Ihrem Antrag im Hinblick auf einVerbraucherinformationsgesetz stehen, sind fadenschei-nig. Von daher kann man sich schon die Frage stellen:Warum haben Sie in der letzten Legislaturperiode imBundesrat ein Verbraucherschutzinformationsgesetz ab-gelehnt?
Ein solches hätten Sie schon längst haben können undhätten es hier nicht monieren müssen.Wir haben in der Vergangenheit immer wieder betont– und tun es auch jetzt –, dass Verbraucherpolitik mehrist als nur die Sorge um gesunde Lebensmittel. AuchFrau Heinen hat angesprochen, dass die Verbraucherpo-litik ein Querschnittsthema ist und alle Ressorts an-geht. Zum ersten Mal hat nun die Bundesregierung denAktionsplan „Verbraucherpolitik“ vorgelegt.
Zum ersten Mal werden über die Ressorts hinweg Pro-blemfelder aufgezeigt und Leitlinien für die Verbrau-cherpolitik beschrieben.Die Bundesregierung macht damit deutlich, dass esihr mit der Stärkung der Verbraucherpolitik ernst ist. Siezeigt, dass die Verbraucherpolitik als Querschnittsauf-gabe begriffen wird.Die Verbraucherpolitik steht auf drei Säulen: demSchutz der Gesundheit auf der Basis des Vorsorgeprin-zips, dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen und derStärkung der Eigenverantwortung. Die erste Säule isteindeutig: Der Verbraucher hat ein Recht auf Produkte,dbSwvDVeaDddwukwtvtitDbVDdwusdrdsQsekpng
ie Informationen sind ungleich verteilt. Der Aufwandei der Informationsbeschaffung ist für den einzelnenerbraucher hoch.
ies führt dazu, dass der Preis oft das einzige Entschei-ungskriterium ist oder sogar auf Konsum verzichtetird. Die Verbraucherpolitik muss hier gegensteuernnd für Markttransparenz sorgen.
Der Aktionsplan zeigt Problemfelder und Lösungsan-ätze auf. Im Lauterkeitsrecht werden wir die Stellunges Verbrauchers stärken. Gerade im Dienstleistungsbe-eich werden Qualitätsstandards gesetzt. Ferner werdenie Verbraucherinformationen verbessert.
Der Aktionsplan ist so angelegt, dass mit ihm die ver-chiedenen Politikbereiche umfasst werden. Dieseruerschnittscharakter wird mit der angekündigten Ge-amtstrategie noch stärker in den Vordergrund gestellt.Wir wollen, dass der Verbraucher die Möglichkeit hat,igenverantwortlich und bewusst zu konsumieren. Diesönnen wir vor allem durch eine stärkere Markttrans-arenz erreichen. Dafür ist ein ganzes Bündel an Maß-ahmen vorgesehen. Wir wollen die Kennzeichnungsre-elungen verbessern, Qualitätslabel und Zertifizierungen
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Jella Teuchnersollen Orientierung geben, der Zugang zu Informationensoll verbessert werden und nicht zuletzt muss die Ver-braucherinformation gestärkt werden. Gerade die Ver-braucherorganisationen, insbesondere die Stiftung Wa-rentest, sind hierbei ein unverzichtbarer Baustein.
In Umfragen geben die Verbraucher oft an, dass ihnenQualität wichtig ist und dass sie wissen wollen, wie dieProdukte hergestellt werden und welche Auswirkungensie auf die Umwelt haben.Der Erfolg von Plattformen zum Erfahrungsaustauschim Internet zeigt, dass viele Menschen Verbraucherinfor-mationen suchen. Trotzdem stellen wir auf den Märktenoft ein widersprüchliches Verhalten fest: Während Le-bensmitteldiscounter boomen, etablieren sich Biopro-dukte in den normalen Supermärkten; der einzelne Kon-sument kauft seinen Fernseher erst nach ausführlicherBeratung im Fachhandel und nimmt dann im nächstbes-ten Supermarkt irgendeinen Zehnerpack Eier mit.Der Verbraucher muss sich mit einem vernünftigenMaß an Aufwand über die Produkte informieren können.Nur dann kann er auch die gezielten Entscheidungentreffen. Eine so gestärkte Nachfragemacht gibt der Wirt-schaft wichtige Impulse und kann ein wichtiger Beitragfür einen nachhaltigen Konsum sein.Der Aktionsplan ist ein guter Schritt auf dem Weg,die Stellung der Verbraucher zu verbessern. Die geplanteGesamtstrategie wird einen weiteren großen Schritt nachvorne darstellen. Wir werden diesen Schritt machen,weil wir möchten, dass der eigenverantwortliche Ver-braucher Realität wird.
Ich erteile das Wort der Kollegin Gudrun Kopp, FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen! DieFDP-Fraktion bezeichnet den heute zu diskutierendenAktionsplan als Aktionismusplan. Er enthält viele An-kündigungen, viele Versprechen und es ist wenig Inhaltdahinter.Der Aktionsplan der rot-grünen Bundesregierung istkein ressortübergreifender Handlungsplan. In Teilberei-chen, zum Beispiel im Bereich der Lebensmittelsicherheit,gibt es bis heute – seit der BSE-Krise wird es gefordert –kein umfassendes vorsorgendes Verbraucherschutzkonzept.
Dieser Aktionsplan offenbart dagegen in wirklichgroßer Klarheit, worum es in erster Linie geht: Unterdem Deckmantel des vermeintlichen Schutzes wird im-mer stärker eine Entmündigung des Verbrauchers ange-strebt. Zwischen den Zeilen kann man die klare Unter-sVIgnbknnRdrscbEPamimzDcrnQishlesWÖPKebtrR
lf Stellen werden ausdrücklich zur Stärkung der neuenolitikausrichtung genutzt. Das ist etwas, das wir nichtkzeptieren können.
Da ich gerade von Anspruch und Wirklichkeit rede,öchte ich sagen: Es ist unverantwortlich, dass gerade Referat „Fleischhygiene“ der Personalbestand redu-iert wurde.
as entspricht überhaupt nicht dem Schutzgedanken.
Ein weiterer Aspekt im Bereich der Lebensmittelsi-herheit sind die Lebensmittelkontrollen. Frau Ministe-in Künast, wir sind uns wohl im Klaren darüber, dassicht erst seit heute, sondern schon seit vielen Jahren dieualität von Lebensmitteln in Deutschland sehr hocht; das gilt sowohl für die Qualität von konventionellergestellten Produkten als auch für die Qualität der bio-ogisch hergestellten Produkte.
Ich möchte ausdrücklich sagen, dass das QS-Labelin hervorragendes Markenzeichen für qualitativ hochtehende Produkte ist, obwohl das QS-Label nicht alserbekampagne staatlich finanziert wird, wie das beimkolabel der Fall war.
Dennoch kann ich nicht verschweigen, dass inzwischenersonalnot bei den Lebensmittelkontrolleuren – für dieontrollen sind die Länder zuständig – herrscht, weil hierin eklatanter Personalabbau stattgefunden hat. Ein Le-ensmittelkontrolleur ist bundesweit für bis zu 1 800 Be-iebe, also Kantinen und Gaststätten, zuständig. Je nachegion schwankt diese Zahl, aber es gibt eindeutig zu
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Gudrun Koppwenig Kontrolleure. Hier müssen Sie, Frau Künast – dasliegt in Ihrer Verantwortung –, mit Blick auf die kata-strophalen Haushaltslagen in Bund-Länder-Gesprächenberaten, wie Sie tatsächlich und nicht nur auf dem Papiermehr Lebensmittelsicherheit schaffen können.
Das ist auch fernab von Geflügelpest und vielen anderenSeuchen mehr ein Problem. Denn wir haben es in Deutsch-land mit immerhin 200 000 Lebensmittelinfektionen proJahr zu tun. 80 000 davon sind Salmonellenvergiftungen.Wir haben hier Bedarf, nicht nur Ankündigungen entge-genzunehmen, sondern uns ganz konkret um Verbesse-rungen zu bemühen.Überhaupt nicht erwähnt haben Sie, Frau Künast, dieEnergiepolitik. Darauf möchte ich einmal zu sprechenkommen. Denn die Bevorzugung des Ökobereichesdurch Rot-Grün in der Agrarwirtschaft setzt sich in derEnergiepolitik fort, nämlich mit unverhältnismäßig ho-hen Subventionen für Stromeinspeiser, insbesondere fürWindmüller.
Diese verursachen Wettbewerbsverzerrungen in Milliar-denhöhe. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten betragenderzeit
– so ist es, Kollege Heinrich – mehr als 2,5 MilliardenEuro. Damit übersteigen diese Subventionen sogar diederzeit gezahlten Steinkohlesubventionen. Beim Sub-ventionsabbau gäbe es hier also sehr viel zu tun.
Bezahlen müssen dies die Stromverbraucher. SteigendeStromkosten sind Gift für die Konjunktur.
– Zukunft hat nur derjenige, der Arbeit hat, der Geld ver-dienen kann, der sein Leben selbstständig organisierenkann, lieber Herr Kollege.Es ist traurig, dass sich Wirtschaftsminister Clementgerade im Energiebereich vielfach nicht durchsetztenkonnte und dass gerade in der Energiepolitik viele Ak-zente ausgerechnet von Umweltminister Trittin gesetztwerden. Das ist schwierig. Wir am Standort Deutschlandbekommen das wirklich zu spüren.Der nächste Problemfall – ich möchte ausdrücklichdarauf zu sprechen kommen – ist die Deutsche Bahn. Inden vergangenen Wochen und Monaten hat die Bahn inbeispielloser Art und Weise Zeugnis von Dienstleis-tungsverweigerung, Intransparenz und Starrheit abge-legt. Wir haben mit mehreren Interventionen versucht,hier zur Umkehr aufzurufen – leider ohne Erfolg.sDmmnDUdvsLVKKwKmVu„dptdEdmZDs
ie Folgen waren Kundenverluste, ein dramatischermsatzeinbruch und jetzt endlich die Bereitschaft beien Bahnvorständen, sich zu rühren.Was wir als FDP-Bundestagsfraktion überhaupt nichterstehen und auch nicht akzeptieren können, ist die Tat-ache, dass der Bahnchef, der für dieses Chaos in ersterinie verantwortlich ist, zur Belohnung auch noch eineertragsverlängerung bekommen hat, Frau Ministerinünast. Das halten wir wirklich nicht für gut.
Kollegin Kopp, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Heinrich?
Mit größtem Vergnügen.
Frau Kollegin Kopp, können Sie uns vielleicht sagen,
elchen Anteil die Verbraucherschutzministerin an der
orrektur der Bahntarife hat, die jetzt wohl vorgenom-
en werden soll? Sie hätte ja schon sehr viel früher ihr
eto einlegen müssen.
Lieber Herr Kollege Heinrich, meiner Beobachtungnd meinem Wissen nach ist der Anteil gleich null.Die Verbraucherschutzverbände und die OrganisationPro Bahn“ haben in der Anhörung zum Thema Bahn,ie wir neulich hatten, in eindrucksvoller Weise ange-rangert, dass gerade der Umgang mit körperbehinder-en Menschen sehr problematisch ist. Auch das hat Bun-esministerin Künast nicht veranlasst, zu versuchen,influss zu nehmen. Rollstuhlfahrer sind nämlich aufen Bahnhöfen häufig nicht in der Lage, Fahrkartenauto-aten zu bedienen. Sie müssen also ihre Fahrkarte imug lösen und zahlen im Zug die höheren Bordpreise.as ist eine Diskriminierung, die schnellstens abge-chafft werden muss.
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Gudrun KoppAuf meine Frage bei der Anhörung, wie die Bahn da-mit in Zukunft umzugehen gedenke, antwortete derBahnvertreter nur, man wisse von dieser Problematiknichts, man könne dazu überhaupt nichts sagen.
Das ist eine sträfliche Vernachlässigung von Dienstleis-tung und Verbrauchern.Wenn jetzt beabsichtigt wird, nur an einigen Punktendes Preissystems Änderungen vorzunehmen, dann binich der Überzeugung, dass das nicht ausreichen wird.Das neue Preissystem kann nur abgeschafft werden. Esmuss durch ein komplett neues Preissystem ersetzt wer-den, das den tatsächlichen Bedürfnissen gerecht wird.Der Managementfehler der Bahn besteht in erster Li-nie darin, dass sie angenommen hat, Hauptwettbewerbersei das Flugzeug. Das ist aber nicht der Fall; Hauptwett-bewerber der Bahn ist vielmehr das Auto.
Von dieser Basis muss man ausgehen und versuchen,hier Wettbewerb herzustellen. Die Kunden müssen durchPünktlichkeit, Flexibilität und entsprechende Preise, dieattraktiv gestaltet sind, zufrieden gestellt werden. Davonist die Bahn im Augenblick meilenweit entfernt.
Für die Bundesregierung bleibt die Aufgabe bestehen,bei diesem Monopolunternehmen einzugreifen. Nachmeiner Überzeugung hilft nur ein kompletter personellerund inhaltlicher Neuanfang.
In der Tat, Wettbewerb ist für Sie ein Fremdwort. Dasgilt auch für den Subventionsabbau. Sie knacken keineMonopole. Ich nenne Ihnen Beispiele – Frau Künast,darauf sind Sie überhaupt nicht eingegangen –: Nebendem Monopol der Bahn, auf das ich eben eingegangenbin, gibt es das Postmonopol. Auch im Energiebereichführt der Weg zurück zur Reregulierung. Es gibt immerweniger Liberalisierung. Das geht zulasten der Verbrau-cher. Dadurch werden sie bevormundet, dadurch wird ih-nen das Geld aus der Tasche genommen. Das macht siezu Ihren Opfern.
Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Ich komme zum Schluss.
Nur auf dem Weg, den die FDP vorgeschlagen hat,
nämlich mit einem entsprechenden umfassenden Kon-
zept zum Verbraucherschutz, können wir den Verbrau-
chern am Markt zu der Stimme verhelfen, die sie eigent-
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Die Verbraucherverbände feierten gerade ihr 50-jäh-iges Bestehen, wozu ich ihnen von hier aus meinenerzlichen Glückwunsch ausspreche. Das will ich zumnlass nehmen, um einen kleinen Rückblick auf die Ent-icklung der Verbraucherpolitik zu geben: Die Arbeitegann mit Preisvergleichen und Warentests zur Wah-ung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen. Aberchon in den 60er-Jahren haben sich die Verbraucher-echte zum Schwerpunkt entwickelt. Mit der Umweltbe-egung traten Anfang der 80er-Jahre die Qualität derroduktion sowie die Frage nach der weltweiten Verant-ortlichkeit für die gesundheitlichen, ethischen, sozialennd umweltbezogenen Auswirkungen als neue Ziele dererbraucherpolitik in den Vordergrund. Es wurden neue,onsumkritische Verbrauchergruppen gegründet, wieum Beispiel die Verbraucher-Initiative. Die erste Dis-ussion über das Thema „Preiswert“ wurde begonnen,ie der Bauernverband jetzt genauso führt. Es gab teilseftige Auseinandersetzungen mit der damaligen AgV.In der Politik wurde zunächst mit wirtschaftsliberalennsätzen ausschließlich auf die Verbesserung des Wett-ewerbs in der Wirtschaft gesetzt. Doch die Notwendig-eit eines eigenständigen Verbraucherschutzes wurdeecht schnell deutlich. 1975 kamen dann aus den USA,ie damals in diesem Punkt sehr fortschrittlich gewesenind, die Grundsätze der Verbraucherpolitik auf die euro-äische Ebene, wo als Erstes eine verbraucherpolitischetrategie erarbeitet wurde, und teilweise in die nationaleesetzgebung. Darauf folgten unter CDU, CSU undDP eine Eiszeit und Ignoranz in diesem Politikbereich.
nter Rot-Grün wird jetzt der Faden der Verbraucherpo-itik wieder aufgegriffen.
Die Grünen haben schon ganz zu Anfang, als sie inen Bundestag gekommen sind, neue Akzente gesetzt.ie sind zum Beispiel wider die Vergewaltigungsstrate-ie bei der Gentechnik oder gegen Chemie in Lebens-itteln eingetreten. Im neuen Koalitionsvertrag haben
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Ulrike Höfkenwir gemeinsam mit der SPD niedergelegt, dass es denParadigmenwechsel gibt, Verbraucherschutz als Quer-schnittsaufgabe aufzufassen.Sie sagen, das Aktionsprogramm sei ein Sammelsu-rium. Ich finde, das ist revolutionär. Seit 30 Jahren gibtes erstmals wieder einen umfassenden Arbeitsplan fürVerbraucherpolitik. Frau Künast hat nie gesagt, dass dasdie Gesamtstrategie ist, aber das ist ein ganz wichtigerTeil der Strategie und ein Gesamtprojekt der Regierung.Das ist tatsächlich vollkommen neu.
Damit haben wir sowohl für den Bundestag als auch fürdie Bundesregierung eine Handlungsgrundlage.An diesem Punkt will ich doch noch einmal zur FDPkommen.
Das kann man einfach nicht so stehen lassen. Der FDP-Antrag trägt nämlich die Überschrift: „Umfassende Poli-tik für Verbraucher – weg von einem engen Aktionsplanzum Schutz der Verbraucher“. Hierzu muss man ganz klarsagen: Das ist keine verbraucherpolitische, sondern eineparteipolitische Strategie. Die FDP will der Verbraucher-politik das Gesicht, den Ansprechpartner nehmen und
sie will sie atomisieren, indem sie sagt, dass Verbrau-cherpolitik zwar überall stattfinden muss, ein Ressortund ein Ausschuss aber nicht gebraucht werden. Das istim Grunde genommen der Generalangriff auf die Institu-tionalisierung und den Erfolg der Verbraucherpolitik.
Das finde ich schon hart.Der Markt entscheidet – sagen Sie – und die FDP be-greift sich offensichtlich als ein Teil des Marktes. Wiesonst sind die Boykottaufrufe von Frau Kopp gegen dieBahn zu verstehen?
Ein Boykott gegen die Bahn ist ja wirklich toll. Manmuss sagen: Auf dem Weg zur Heiligen Johanna derBahnhöfe gerät man schnell aufs Abstellgleis. Das kannnicht jeder.
Bei dem Stichwort Boykott will ich auf die verbrau-cherpolitische Diskussion zurückkommen, die wir amMontag geführt haben. Volkmar Lübke hat noch einmalauf die Schwierigkeiten in der Verbraucherpolitik verwie-sen; denn der Verbraucher ist ja doch reichlich renitent.
Wissen bedeutet nicht automatisch Handeln.vcKfdcsbdvcvssIesdsaUBIwkemltgmdEbdcSsb
Tatsächlich kauft „Ottine“ Normalverbraucher Sa-hen, die sie nicht braucht. Man sollte vielleicht nichton fremden Leuten reden; es reicht ja schon, wenn manich selbst betrachtet. Die Widersprüchlichkeit ist offen-ichtlich. Ich kaufe Sachen, die ich nicht brauche.
ch erliege den Verführungen der Tchibo-Angebote. Beiiner Großinvestition, wie dem Kauf einer Waschma-chine, entscheide ich, ohne mir sämtliche Erkenntnisseer Stiftung Warentest eingeholt zu haben. Und ich esseogar Putenbruststreifen, obwohl es mir graut, wenn ichn deren Erzeugung denke.Letztendlich ist die Wahrheit dazwischen zu suchen.m Menschen zu überzeugen, braucht es Wissen undildung, Anreize und echte Alternativen.
ch komme gleich noch darauf, dass das durchaus sehrichtig ist. Man wirft eben keine Dose und erst rechteine Ölplattform ins Meer. Daneben braucht es einechte Alternative wie bei der „Brent Spar“. Hier konntean sich mit ARAL richtig gut fühlen. Die Tankstelleag aber auch direkt daneben.Genau das ist das Problem. Gerade die FDP – das be-rifft aber auch die CDU/CSU – verweigert sich nämlichenau diesen Alternativen. Die Ökoprodukte im Ladenuss es dann ja auch geben und die gentechnikfreie Pro-uktion muss entsprechend geschützt werden.
s muss auch eine wirkliche Verbraucherinformation ge-en. Sie jammern aber bereits über die Planstellen, dieas Ministerium für genau diese verbesserte Verbrau-heraufklärung geschaffen hat.
Bezüglich der ganzen Pseudodiskussion über dietiftung Warentest, die in die Freiheit zu entlassen sei,age ich Ihnen: Sie wissen ganz genau, dass den Ver-raucherzentralen in einem solchen Fall die Finanzen
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Ulrike Höfkenfehlen. Das, was Sie uns bieten, ist überhaupt keine Al-ternative.
Die CDU/CSU bewegt sich. Sie fordert jetzt auch einVerbraucherinformationsgesetz. Das hat man abernoch nicht gesehen; das steht in ihrem Antrag. Wir könn-ten hier ja einmal versuchen, die ganzen wahltaktischenSpielchen – so nenne ich sie einmal – zu beenden undeine Situation zu erreichen, die übrigens nicht nur in denUSA, sondern genauso gut auch in Großbritannienherrscht. Dort ist es auch gang und gäbe, dass zum Bei-spiel die Schnellwarnungen der EU ins Internet gestelltwerden, und keiner bricht dabei zusammen.Das Thema Bevormundung zieht sich immer durchIhre Reden. Staatliches Handeln zu negieren ist keineverantwortliche Politik. Das sagen gerade die Parteien– das finde ich wirklich scharf –, die uns den gelbenSack verordnet haben – nicht den auf zwei Beinen.
Ich meine die gelben Säcke, die sozusagen eine Zwangs-beglückung eines jeden Haushalts dank CDU, FDP undCSU sind. Also, ich bitte Sie wirklich!Es gibt eine Verpflichtung – das halte ich für einewichtige Begründung für staatliches Handeln und für dasWerben um eine bestimmte Verbraucherpolitik –, die Sievon CDU, CSU und FDP auch eingegangen sind: dieNachhaltigkeitskriterien zu beachten und für den nach-haltigen Konsum ebenso Sorge zu tragen und dafür dieRahmenbedingungen zu setzen. Das ist die Grundlageunseres Regierungshandelns.
Unsere Fraktion und unsere Partei haben die Schwer-punkte gesetzt. Diese sind nachhaltiger Konsum, Wahl-freiheit, Transparenz und schwerpunktmäßig auch dieDienstleistungsprodukte, insbesondere in einer Situa-tion, in der diese durch die Liberalisierung eine immergrößere Bedeutung gewinnen. Nachhaltiges Wirtschaf-ten und nachhaltiger Konsum gehören zusammen. Wirsehen keinen grundlegenden Konflikt zwischen Wirt-schaft und Verbraucherschutz. Wir haben übrigens einegroße Unterstützung von der Industrie selbst erfahren,die dieselben Schwerpunkte setzt. Verbraucherschutzund Eigenverantwortung sind ein wichtiges Leitbild.Zu unserem Ziel der Transparenz gehört nicht nur dasVerbraucherinformationsgesetz. Wir werden auch dieOrientierungshilfen weiterentwickeln und den Schutz dagewährleisten, wo er notwendig ist, nämlich bei Kin-dern, bei der Lebensmittelkontrolle und bei Dienstleis-tungsprodukten. Sie hätten übrigens heute ein Gesetz zuSpam vorlegen können. Das haben Sie nicht gemacht.Das Gesetz zur Mehrwertdiensteregulierung betrifftnicht nur die sehr teuren Dialer, die die Haushalte fastrvmdgCtvkVEpVospswrelsFRzEfinRsDE
Ich erteile das Wort Kollegin Marlene Mortler, CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Ak-ionsplan von Ministerin Künast hagelt es massive Kritikon allen Seiten: Der Aktionsplan Verbraucherschutz isteiner, sondern er ist ein Sammelsurium von Ideen undorschlägen.
s fehlen die notwendigen Bestandteile eines Aktions-lans, nämlich konkret definierte Ziele, Zeitpläne underantwortlichkeiten. Schmerzlich vermisst werden Pri-ritäten.
Diese vernichtende Kritik am Aktionsprogrammtammt nicht, wie Sie vielleicht vermuten, von der Op-osition; sie stammt von Thilo Bode, dem jetzigen Ge-chäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Food-atch und ehemaligen Chef von Greenpeace.
Franz-Georg Rips, Vorsitzender des Verwaltungs-ates der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V., hats etwas milder, in der Sache aber ebenso kritisch formu-iert: Man erwarte nach einem Aktionsplan Verbraucher-chutz nun eine verbraucherpolitische Strategie.
Kritische Stimmen aus der Opposition, sehr geehrterau Ministerin, sind Sie ja gewohnt. Dass aber in deneihen Ihrer Hauptkritiker unter anderem die Vorsit-ende der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.,dda Müller, zu finden ist, gibt schon zu denken. Sie hatestgestellt, der Plan sei wohl ein positives Zeichen, aberhaltlich enttäuschend.
Ihnen wird von den Verbraucherorganisationen zuecht vorgeworfen, dass es sich bei dem Programm wieo oft bei Ihrer Politik um reinen Aktionismus handelt.iesen Aktionismus kennen wir seit Ihrem Amtsantritt.
s fehlt die klare Linie. Viele Prüfaufträge sind unklar.
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Marlene MortlerEin Aktionsplan benötigt aus unserer Sicht ein Kon-zept. Ein solches Konzept kann ich, wie viele andereauch, nicht erkennen.
Ein innerhalb der Bundesregierung abgestimmtes Kon-zept kann es auch noch nicht geben, weil Sie erst imHerbst Ihre verbraucherpolitische Strategie vorlegenwollen.Ich frage mich: Was haben Sie seit Ihrem AmtsantrittAnfang 2000 auf diesem Gebiet – das doch nach Ihreneigenen Aussagen höchste Priorität haben soll – eigent-lich unternommen, wenn Sie nach zweieinhalb Jahrenimmer noch an einer verbraucherpolitischen Konzeptionbasteln?
Ich bin auch über Ihre strategischen Fähigkeiten et-was verwundert. Erst erstellen Sie einen Plan und einhalbes Jahr später soll die Strategie folgen. Das ist eigen-artig.
Ein Blick auf die konkreten Maßnahmen zeigt: Manmuss sie mit der Lupe suchen. Ich habe zwei gefunden:den Entwurf zur Reform des Gesetzes gegen den unlau-teren Wettbewerb und den Entwurf eines Gesetzes zurBekämpfung des Missbrauchs von Mehrwertdiensteruf-nummern.Diese vorgeschlagenen Änderungen sind beileibenicht ausreichend. Dies kritisieren wir, dies kritisierenaber auch die Verbraucherschützer. Dass beide Vorhabennicht in Ihrem Zuständigkeitsbereich erarbeitet wurden,können wir Ihnen jetzt nicht mehr vorwerfen. Dazu hät-ten Sie sich in den Koalitionsverhandlungen durchsetzenmüssen. Anstelle der Erweiterung Ihres Zuständigkeits-bereichs haben Sie ein Initiativrecht erhalten. Jetzt istaber offen zutage getreten – das ist auch heute deutlichgeworden –, dass dieser Trostpreis nicht ausreicht, umIhre Kabinettskollegen im Ernstfall davon zu überzeu-gen, den Verbraucherschutz angemessen in deren Ge-setzentwürfen zu berücksichtigen.
Umso trauriger ist es, wenn Sie Ihren Plan hauptsächlichmit fremden und noch dazu gerupften Federn schmückenmüssen.Ich komme noch kurz zu den Mehrwertdienstleis-tungen, die Ulla Heinen schon angesprochen hat. Ichfrage noch einmal: Warum erfasst der Gesetzentwurfnicht die 0136- und 0137-Nummerngassen? Die Verla-gerung der schwarzen Schafe auf diese Gassen ist dochförmlich absehbar. Warum fehlt die Möglichkeit der Ver-braucher, die Zahlung unberechtigter Forderungen zuverweigern, ohne dass der Anschlussanbieter ihm denTelefonanschluss sperren kann? Warum soll es nicht Sa-che der unseriösen Mehrwertdiensteanbieter sein, ihrezweifelhaften Forderungen einzutreiben? Warum dürfensNwctvlTEednbDzhUmsDsisseulgstEaEgsdnAudzts
Meine Damen und Herren, neben Fragen der Lebens-ittelsicherheit geht es auch um rechtliche und wirt-chaftliche Belange, die uns betreffen.as, was wir alle brauchen, sind zuverlässige, umfas-ende und sachliche Informationen über Produkte. Diesst das A und O für ein eigenverantwortliches Kon-umverhalten. Durch ein Verbraucherinformationsge-etz sollen die bei Behörden vorhandenen Informationenrschlossen werden, wobei die Wahrung von Betriebs-nd Geschäftsgeheimnissen der Unternehmen gewähr-eistet sein muss. Aber auch die Unternehmen sind auf-efordert, ihre Informationspolitik zu verbessern. Hieretzen wir im Gegensatz zu Ihnen auf Selbstverpflich-ungsinitiativen.
in Auskunftsanspruch gegenüber Unternehmen machtus meiner Sicht aber nur Sinn, wenn er auf europäischerbene geregelt wird.Meine Damen und Herren von der Regierung, wir be-rüßen Ihren Entwurf zur Novellierung des UWG. Wirind aber der Meinung, dass er vor allem im Hinblick aufie so genannte Gewinnabschöpfung bzw. den so ge-annten Gewinnabschöpfungsanspruch unausgereift ist.uch wir sehen, dass im Binnenmarkt Defizite bestehennd dass ein einheitlicher Verbraucherschutz innerhalbes Binnenmarkts reibungslos funktionieren muss, wennum Beispiel Verbraucher Ansprüche gegenüber Anbie-ern im Ausland gerichtlich klären und vollstrecken las-en müssen.
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Marlene MortlerIm Bereich der Lebensmittelkennzeichnung gibt esebenfalls erheblichen Verbesserungsbedarf. Hier ver-weise ich auf die nachfolgende Rednerin der Union, UdaHeller. Wichtig und wesentlich sind auch hier verständli-che Produktkennzeichnungen.Bundes- und europaweit einheitliche Standards fürdie Lebensmittelüberwachung sind ein weiterer wichti-ger Faktor, genauso wie die Kommunikation und die Ko-ordination zwischen Bund und Ländern sowie zwischenBund und Europa; denn nationales Vorgehen – fehlendeAbstimmungen zwischen Bund und Ländern müssen wirin den letzten Monaten ja immer wieder erleben – gibtnur Scheinsicherheit.
Ich rufe Sie im Hinblick auf diese Zusammenarbeit undKoordination auf, die Vorschläge, die im Von-Wedel-Gutachten zur Organisation des gesundheitlichen Ver-braucherschutzes enthalten sind, endlich umzusetzen,damit einheitliche Verwaltungsvorschriften im Lebens-mittel-, Futtermittel-, Tierarzneimittel- sowie im Veteri-närbereich erlassen werden können.Wir, die Union, treten für die Unabhängigkeit derVerbraucherberatung ein. Wir sind der Meinung, dasseine Stiftung gegründet werden sollte, über die mit denLändern zu beraten ist, und dass entsprechende Mittelbereitgestellt werden müssen. Auch sind wir dafür, dassdie Stiftung Warentest in die Unabhängigkeit entlassenwird. In unseren Anträgen zu ihrem Haushaltsplan fürdie jetzige Legislaturperiode haben wir im Übrigen auf-gezeigt, dass eine sinnvolle Verteilung des Budgets diesmöglich machen würde. Sie jedoch ziehen es vor, rot-grüne Spielwiesen – ich nenne als Beispiele nur das Pro-jekt Ökolandbau und Ihre Regelungen zur Tierhaltung –zu finanzieren.
Begreifen Sie doch endlich, dass die Zeit viel zu ernstfür rot-grüne Spielwiesen ist!
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Für uns steht der eigenverantwortliche Verbraucher
im Mittelpunkt. Ganz bewusst sehen wir Verbraucher-
schutz als Teilaspekt einer umfassenden Verbraucherpo-
litik, die ein Gleichgewicht zwischen Verbraucher- und
Wirtschaftsinteressen findet, damit Deutschland ein ho-
hes Maß an Lebensqualität erhalten bleibt.
Vielen Dank.
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aher ist es geradezu abwegig, dass die FDP in ihremntrag nun die Meinung vertritt, die Zuordnung der Ver-raucherpolitik zu einem Fachressort habe sich nicht be-ährt. Das Gegenteil ist der Fall.
Der von der Bundesregierung nunmehr vorgelegtektionsplan Verbraucherschutz ist Ausdruck der ge-achsenen Bedeutung des Verbraucherschutzes und deronsequenten Politik der rot-grünen Koalition auf die-em Feld. Er fasst die vielfältigen Aktivitäten in den un-erschiedlichen Ressorts zusammen. Er macht zugleicheutlich, dass Verbraucherschutz eine Querschnittsauf-abe ist und gerade deshalb gebündelt werden muss. DiePD-Fraktion begrüßt daher den Aktionsplan als eineneiteren Schritt auf dem Weg zu einer umfassenden undktiven Verbraucherschutzpolitik, die alle Politikberei-he durchzieht.Bestandteil der verbraucherpolitischen Gesamtstrate-ie, die sich hieraus entwickeln wird, muss unter ande-em eine noch bessere Verbraucherinformation sein,ie Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage ver-etzt, ihre Kauf- und Konsumentscheidungen bewusstnd frei zu treffen.
nabhängige Verbraucherorganisationen und -institutio-en leisten hierzu bereits einen wichtigen Beitrag.In der vergangenen Woche konnten wir 50 Jahre Ver-raucherarbeit in Deutschland feiern. Verbraucherorgani-ationen erfahren – das belegen aktuelle Umfragen – iner Bevölkerung höchste Akzeptanz und Wertschätzung.ugleich ist ihr Rat gefragt wie nie zuvor. Beispielsweiseab es allein in der Verbraucherzentrale meiner Heimat-tadt Köln im vergangenen Jahr 45 000 Anfragen vonürgerinnen und Bürgern zu einer großen Bandbreite vonerbraucherthemen. Dies zeigt, wie gefragt und notwen-ig Informationen für Verbraucherinnen und Verbraucherind. Wir wollen deshalb die Arbeit der unabhängigenerbraucherberatung stärken und auch weiter finanziellnterstützen, und zwar – trotz angespannter Haushalts-age – mit stabilen und sogar wachsenden Beträgen.
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Martin DörmannDarüber hinaus müssen wir Informationsrechte ge-setzlich in einem Verbraucherinformationsgesetz veran-kern. Verbraucherinnen und Verbraucher bedürfen heutemehr denn je eines effektiven Zugangs zu relevanten In-formationen, vor allem zu solchen, die ihre Gesundheitund Sicherheit betreffen. Dabei wird es darauf ankom-men, deutlich zu machen, dass dieser Zugang – sei es beiBehörden oder auch Unternehmen – der Wirtschaft letzt-endlich nutzt und nicht schadet. Die Wirtschaft selbstsollte ein Interesse an möglichst großer Transparenz ha-ben, weil nur so das Vertrauen in ihre Produkte wächst.Leider ist die Haltung der Union hierzu widersprüch-lich. Zwar ist zu begrüßen, dass sich auch die CDU/CSU-Fraktion in ihrem Antrag grundsätzlich für ein Ver-braucherinformationsgesetz ausspricht, allerdings mit ei-ner Vielzahl von erheblichen Einschränkungen.
– Frau Heinen, Sie wollen uns jetzt als große Innovationverkaufen, dass Sie Unternehmen auffordern, mehr In-formationen ins Internet zu stellen. Dies wird ganz si-cher Eindruck machen und den Verbraucherinnen undVerbrauchern weiterhelfen.Folgende Frage sei erlaubt: Wie ernst ist es Ihnenletztendlich? Wir erinnern uns zu genau, dass im vergan-genen Jahr – so kurz ist es erst her – ein Verbraucher-informationsgesetz an der unionsgeführten Mehrheit imBundesrat gescheitert ist, und zwar mit einer Begrün-dung, die sachlich nicht mehr nachzuvollziehen war.
Daher kann ich nur hoffen, verehrte Kolleginnen undKollegen von der CDU/CSU, dass Sie und vor allemIhre Parteifreunde aus den Ländern Ihrer Mitverantwor-tung für einen wirksamen Verbraucherschutz diesmalendlich gerecht werden.
Ich möchte als einen weiteren Punkt hervorheben,dass wir in der Verbraucherpolitik mehr denn je auf dieeuropäische Karte setzen und setzen müssen. BSE undGeflügelpest kennen keine Grenzen. In der neuen euro-päischen Verfassung muss deshalb als eines der Zieleder EU nochmals festgeschrieben werden, ein hohesVerbraucherschutzniveau zu gewährleisten.
Die SPD-Fraktion will ein möglichst hohes Verbrau-cherschutzniveau in der gesamten Europäischen Union.Gleichzeitig muss es den Mitgliedstaaten jedoch erlaubtbleiben, beim Verbraucherschutz Vorreiter zu sein undüber das europäisch festgelegte Maß noch hinauszuge-hen.
Es wäre daher ein Fehler – einige diskutieren das –,wenn sich die Europäische Union auf Maximalstandardsfestlegen würde, die kein Mitgliedstaat überschreitendarf. Richtig ist vielmehr der Weg der MindeststandardsagDlwrswBITaBdbvgTimBcderzüsumcGaHwnnezda
as ist übrigens schon deshalb richtig, weil so auf mög-iche neue Gefahren stets schnell und umfassend reagierterden kann.Mit dem vorgelegten Aktionsplan dokumentiert dieot-grüne Bundesregierung, dass sie den Verbraucher-chutz in allen Politikfeldern weiter nachhaltig stärkenird. Hierfür verdient sie unsere volle Unterstützung.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Dörmann, dies war Ihre erste Rede im
undestag. Herzliche Gratulation und viel Glück für
hre weitere Arbeit!
Ich erteile nun der Kollegin Petra Pau das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dashema Verbraucherschutz wurde in den letzten Jahrenufgewertet, auch politisch. Das begrüßt die PDS imundestag ausdrücklich. Insofern ist es auch gut, wennie Bundesregierung nunmehr einen Aktionsplan Ver-raucherschutz vorlegt. Der Verbraucherschutz ist – daserdeutlicht der heute vorliegende Bericht der Bundesre-ierung – ein komplexes Feld. Er ist aber auch einhema, das häufig nur dann aktuell wird, wenn das Kindm Brunnen liegt. Ob es BSE oder Geflügelpest ist – zu-eist sind es offenbar gewordene Skandale oder akuteedrohungen, die den Verbraucherschutz spannend ma-hen und auch in die Medien transportieren. Ich findeeshalb Vorhaben wie die, zum Beispiel hier in Berlinine lange Nacht des Verbraucherschutzes durchzufüh-en und so grundsätzlich um Zuspruch für dieses Themau werben, durchaus spannend.Nun betont Ministerin Künast gern die Interessen-bereinstimmung, die es beim Verbraucherschutz zwi-chen Kunden und Anbietern, zwischen der Wirtschaftnd Bürgerinnen und Bürgern gibt oder zumindest gebenüsste. Ich setze an dieser Stelle ein großes Fragezei-hen. Der schnelle Euro war noch immer ein lukrativeseschäftsziel. Das kennen wir aus der Lebensmittel-,us der Pharmabranche und aus anderen Industrie- undandelszweigen. Gerade deshalb ist es gut und auchichtig, den Bürgerinnen und Bürgern mehr Informatio-en und bessere Maßstäbe anzubieten. Sie dürfen ebenicht nur Kunde sein; sie müssen auch kundig werden –in Feld, das Verbraucherschutzorganisationen seit Jahr-ehnten beackern.Allerdings – damit komme ich auf den Aktionsplaner Bundesregierung zurück – bewegen Sie sich fastusschließlich in traditionellem Raum. Es geht um
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Petra PauLebensmittelsicherheit, um Ernährung und Gesundheit,um Geschäfts- und Kaufrechte. Ich will das gar nichtkleinreden, aber ein weites und sich rasant ausweiten-des Feld wird dagegen nahezu stiefmütterlich behan-delt. Ich meine die Segnungen moderner Informations-güter. Sie fehlen im Aktionsplan Verbraucherschutzweitgehend, obwohl sie nicht minder wichtig sind alsgesunde Kühe oder ehrliche Reiseverträge.
Ich möchte deshalb ergänzend aus dem jüngsten Jah-resbericht des Datenschutzbeauftragten zitieren unddann einen Vorschlag unterbreiten. Das Zitat:Der technologische Fortschritt eröffnet immer neueMöglichkeiten, an die früher nicht zu denken war.Meist werden die Vorteile herausgestellt, die fürden Einzelnen damit verbunden sind, die oft nega-tive Kehrseite wird vielfach verschwiegen oder zu-mindest heruntergespielt.Der Datenschutzbeauftragte meint Handys, Computer,Navigationssysteme und anderes, was längst Einzug inden Alltag gehalten hat, was gute, aber eben auch Kehr-seiten hat. Wer ein Handy besitzt, sollte wissen, dass erjederzeit abgehört und auch geortet werden kann. Werim Internet surft, sollte die Frage stellen, wie man sichdagegen schützen kann, dass über die eigene Person Per-sönlichkeitsprofile erstellt, gespeichert, gehandelt undauch missbraucht werden.Nun zu meinem Vorschlag. Zu jeder Pille, zu jederArznei gehört ein Beipackzettel über Risiken und Ne-benwirkungen. Jede Zigarettenschachtel hat den Auf-druck: Die Gesundheitsminister warnen. – Wer es mitdem Grundrecht auf informationelle Selbstbestim-mung ernst meint, sollte daher Handys und Computerähnlich prägen mit der Aufschrift: Der Verbraucher-schutz empfiehlt …
Geschehen sollte das nicht als Abschreckung, sondernals Aufklärung, nicht als Handicap für Mobilfunkbetrei-ber oder die Computerwirtschaft, wohl aber als Bremsegegen staatlichen und auch privaten Datenmissbrauch.Damit bin ich bei einem Punkt, Frau Ministerin, dermich nur noch den Kopf schütteln lässt, wenn ich IhrenAktionsplan lese. Wir wissen, dass sich Gesundheitsmi-nisterin Schmidt eine Chipkarte wünscht, die weit überdie bisher übliche Karte der Krankenkassen hinaus-geht. Auf ihr sollen medizinische Daten und mehr ge-speichert werden. Sie, Frau Künast – jedenfalls unter-stelle ich das –, wissen, dass es bislang keine Chipkartegibt, sei sie noch so ausgeklügelt, deren Daten nicht ge-knackt und damit auch missbraucht werden können. WieSie als Verbraucherschutzministerin trotzdem unbedarfteiner so riskanten Chipkarte das Wort reden können, ent-zieht sich schlicht meinem Verständnis.
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Ich erteile das Wort Kollegen Reinhard Loske,ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fürns hat Verbraucherpolitik zwei Dimensionen: Da ist zu-ächst einmal der Schutz des Verbrauchers vor negativeninflüssen, vor Desinformation, vor betrügerischenraktiken und vor allen Dingen vor belasteten Lebens-itteln. Die Zeit des Vertuschens, Verschleierns und He-unterspielens von Problemen ist vorbei; sie muss vorbeiein, denn wir brauchen Offenheit, Transparenz und vorllen Dinge Vorsorge.Das zweite Standbein unserer Verbraucherpolitik istie Aufklärung des Verbrauchers, orientiert am Leitbildes souveränen Konsumenten, der die notwendigen In-ormationen erhält, die er braucht, um gute Entscheidun-en treffen zu können. Zumindest die Ökonomen unterns wissen, dass die Theorie des Marktversagens genauas besagt: Es fehlen häufig zwei Faktoren; es gibt einenangel an Wettbewerb und einen Mangel an Transpa-enz. Insofern ist eine gute Verbraucherpolitik nichts an-eres, als die sozialökologische Marktwirtschaft kom-lett zu machen. Das ist die Aufgabe.
Für uns sind beide Elemente wichtige und zentraleufgaben. Ich will mich in meinem Beitrag nur auf einhemenfeld konzentrieren, nämlich auf das Themaachhaltiger Konsum. Es ist die Frage zu stellen: Wel-hen Beitrag kann die Konsumentin oder der Konsumentur nachhaltigen Entwicklung leisten? Zugleich müssenir als Politiker uns die Frage stellen: Was kann die Po-itik machen? Zunächst einmal muss man sagen, was wiricht machen können. Wir können den Leuten nicht vor-chreiben, was und wie sie zu konsumieren haben. Ichlaube, darüber besteht Einvernehmen, denn ansonstenürde das Ganze ein Geschmäckle dergestalt bekom-en, dass man den Leuten quasi sagt, was sie zu machenätten. Darum kann es nicht gehen. Vielmehr – das un-erscheidet uns doch sehr fundamental von der Unionnd auch der FDP – geht es darum, Rahmenbedingungeno zu setzen, dass nachhaltiger Konsum möglich wird,ttraktiv wird und, was für junge Leute ganz besondersichtig ist, dass er cool und angesagt ist.Es kommt also sehr darauf an, wie man über Verbrau-herschutz redet: ob er nur als Last, als Bürde, als Risikoder als Wettbewerbshemmnis verstanden wird oderber als Chance und als eine Sache, mit der man sichach vorne wendet. Letzteres tun wir, während ich beihnen von der Opposition häufig feststellen muss, dass
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Dr. Reinhard LoskeSie nur die Schattenseiten sehen, nur die Probleme be-nennen und nichts machen. Das ist ein großer Fehler.
Trotzdem ist es, wie ich glaube, realistisch, davonauszugehen, dass wir als Konsumenten ambivalente We-sen sind. Auf der einen Seite sind wir Schnäppchenjäger,auf der anderen Seite wollen wir natürlich Qualität. Essoll billig sein, aber es soll auch gut und haltbar sein.Wir wollen einerseits gut informiert sein, andererseitslassen wir uns aber auch gerne einmal durch die Wer-bung verlocken und verführen. Von dieser Ambivalenzmuss man realistischerweise ausgehen. Viele regen sichüber Kinderarbeit in den Ländern des Südens auf, kaufenaber billige Turnschuhe. Man regt sich über Käfig- undMassentierhaltung auf, will aber billiges Fleisch. Manregt sich über die Emissionen der Industrie auf, drücktaber beide Augen zu, wenn es darum geht, beispiels-weise den eigenen Anteil an den Emissionen zur Kennt-nis zu nehmen. Wir als Politiker müssen darauf hinwei-sen, dass ein solches Verhalten falsch ist.Die Nachfrage- bzw. Verbraucherseite ist in vielenBereichen der Hauptfaktor bei der Umsetzung von nach-haltigen Entwicklungen. Es ist ganz offenkundig, dass,wenn man sich die großen Probleme anschaut – Energie-verbrauch, Ressourcenverbrauch, Flächenverbrauch –,private Haushalte, Mobilität, Freizeit und Tourismushierfür ganz entscheidende Faktoren sind. Deshalb gehö-ren die Konsum- und die Nachhaltigkeitsdiskussion zu-sammen. Das festzuhalten ist ganz wichtig.
Es geht nicht darum, den Verbraucher zu idealisieren,wie es mein Freund Thilo Bode gelegentlich nach demMotto macht: Gebt dem Verbraucher freien Raum, dannwird alles gut. Das ist leider auch nicht der Weisheit letz-ter Schluss, auch wenn es schön wäre. Es geht aber auchnicht darum, die Potenziale, die in einer guten Verbrau-cherpolitik stecken, zu unterschätzen. Das hat übrigensvor über zehn Jahren die Weltgemeinschaft schon er-kannt, denn das Thema nachhaltiger Konsum ist einesder Kernelemente der Agenda 21, die in Rio verabschie-det wurde. Das sollten Sie von der Union eigentlich auchendlich einmal zur Kenntnis nehmen.
Heute wird ja aus makroökonomischer oder aus kon-junktureller Sicht viel davon geredet, wir sollten mehrkonsumieren. Aus der Perspektive der globalen Ökolo-gie müsste man ehrlicherweise sagen: Wir konsumiereneher zu viel als zu wenig, zumindest zu viel Energie, zuviel Ressourcen und zu viel Fläche. Deshalb müssen wirpolitisch versuchen, die Lebensqualität zu einem gro-ßen Teil vom Ressourcenverbrauch abzukoppeln; dennman braucht nicht Tonnen von Material, um glücklich zusein.
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Ich möchte auch die Bereiche nennen, in denen wiroch besser werden können. Eine wichtige und sehr kon-rete Aufgabe ist, die EU-Richtlinie zur CO2-Kenn-eichnung von PKWs endlich umzusetzen, und zwar so,ass die Leute erkennen können, welches Auto bezügliches CO2-Ausstoßes günstig ist und welches wenigerünstig. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Transparenz.Auch bei dem Thema Finanzdienstleistungen kön-en und müssen wir Verbesserungen erreichen. Wir ha-en damals bei der Riester-Rente durchgesetzt, dass dieinanzdienstleister bezüglich der Fonds auch Auskunftber ethische und ökologische Geldanlagen geben müs-en, Stichwort: Berichtspflicht. Die Ergebnisse sind bisetzt eher enttäuschend. Auch da müssen wir besser wer-en.Ganz wichtig ist – das ist der letzte Punkt – die öffent-iche Hand selber. Bund, Länder und Kommunen sindin ganz zentraler Verbraucher. Sie fragen nach; deshalbst das öffentliche Beschaffungswesen in ganz hohemaße an den Kriterien des nachhaltigen Verbrauchs aus-urichten, beispielsweise bei der Beschaffung von Holz,tichwort: FSC-Siegel.
Ich glaube, dass wir auf diesen Feldern wesentlichesser werden können. Aber – Herr Präsident, ichomme zum Schluss – von zentraler Bedeutung ist na-ürlich das Schildchen, auf das die Leute im Wesentli-hen schauen, wenn sie einkaufen, nämlich das Preis-childchen. Daran geht kein Weg vorbei. Deswegen istür uns nach wie vor ein ganz wichtiges politisches Ziel:ie Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen. Wirrauchen in der Finanzpolitik Anreize für nachhaltigeserhalten.Für uns als rot-grüne Koalition ist Verbraucherschutzine zentrale Querschnittsaufgabe. Wir werden beharrlich
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Dr. Reinhard Loskedaran weiterarbeiten und zeigen, dass Verbraucherschutzim Wesentlichen eine Chance ist und keine Bürde.Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort Kollegin Uda Heller, CDU/CSU-
Fraktion.
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Eines ist imVerlaufe dieser Debatte deutlich geworden: Offensicht-lich sind sich alle Parteien hinsichtlich der Notwendig-keit einer verbesserten Verbraucherinformation grund-sätzlich einig.
Verbraucherschutz ist ein wichtiges Politikfeld; dennhier geht es um das Wohlergehen und die Gesundheit un-serer Bürger.
Fakt ist: Mit jedem Skandal und mit jeder Krise wirdder Verbraucher sensibler. Das Interesse an umfassenderInformation wird größer und die Forderung nach wirksa-men Kontrollmechanismen lauter. Von einer Novelle desVerbraucherschutzgesetzes soll nach der Vorstellung derCDU/CSU-Bundestagsfraktion deshalb der Verbraucherprofitieren, ohne dass auf der anderen Seite neuer Büro-kratismus in Unternehmen oder in Verwaltungen ausge-löst wird.
Unangemessene Mehrkosten für Hersteller und Händ-ler sind nicht vertretbar. Kleine und mittlere Unterneh-men dürfen nicht durch Informationspflichten und mög-liche Regressansprüche in ihrer Existenz bedrohtwerden. Ich denke, das ist eine ganz wichtige Aussage.Meine Damen und Herren, nach Auffassung derUnionspolitiker besteht Reformbedarf, insbesondere beider Lebensmittelkennzeichnung, sowohl in Deutsch-land als auch auf EU-Ebene. Richtig ist deshalb der An-satz, einen Schwerpunkt der Verbraucherpolitik imBereich „Ernährung und Gesundheit“ zu setzen, insbe-sondere auch vor dem Hintergrund, dass die ernährungs-bedingten chronischen Krankheiten zunehmen undungünstige Ernährungsgewohnheiten sich verfestigen. InAnbetracht der derzeit völlig unüberschaubaren Rege-lungsvielfalt hinsichtlich der Etikettierung von Produk-ten ist es höchste Zeit, die für den Verbraucher relevan-ten Informationen herauszustellen.
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iele dieser Primärinformationen gerade auf Lebens-ittelverpackungen sind derzeit leider für den Durch-chnittsbürger nur schwer verständlich. Warum ist bei-pielsweise von Sodium die Rede, wenn Salz gemeintt?
er oft verwendete Begriff „probiotisch“ ist vielen Bür-ern unbekannt. Auch komplizierte nummerische Anga-en sind für viele Verbraucher unverständlich. Die An-aben beziehen sich meistens auf 100 Gramm, was einenergleich ermöglicht. Aber tückisch ist es, wenn dasrodukt leichter oder schwerer ist. Produkte für deneutschen Markt sollten deutsche Bezeichnungen tragen.ch denke, das ist eine wichtige Forderung.
Im Grundsatz gilt: Fachbegriffe haben sich an denerständnismöglichkeiten der Verbraucher zu orientie-en. Je klarer und verständlicher die Kennzeichnung,mso leichter kann der Verbraucher eine Lebensmittel-uswahl und damit eine eigenverantwortliche Entschei-ung treffen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Neuregelunger Lebensmittelkennzeichnung ist der Gedanke, dassie Verbraucher nicht möglichst viele, sondern mög-ichst verwertbare Informationen erhalten sollen. Umfra-en haben gezeigt, dass die Mehrzahl der Verbraucheron einem Produkt lediglich erwartet – das wurde vorhinchon gesagt –, dass es gut und billig ist. Die wenigstenerbraucher lesen das Kleingedruckte auf der Verpa-kung. Somit ist es sinnvoll, die Kennzeichnung über dieroduktinhaltsstoffe auf wenige wesentliche Informatio-en zu begrenzen.Zu den wesentlichen Informationen sollte jedoch ne-en der Kennzeichnung von Alkohol, Koffein und Chininuf jeden Fall die klare Ausweisung vorhandener allerge-er Stoffe wie zum Beispiel Milcheiweiß gehören. Es istehr zu begrüßen, dass in Zukunft nach Plänen der Euro-äischen Kommission eine deutliche Verbesserung beier Kennzeichnung von Allergenen in Lebensmittelnnd alkoholischen Getränken erfolgt. Bisher sind zwariele Hersteller dem Informationsbedürfnis der Verbrau-her freiwillig nachgekommen. Aber gerade für diejeni-en Verbraucher, die unter Allergien oder bestimmten ge-undheitsbeeinträchtigenden Unverträglichkeiten leiden,ind diese Informationen von entscheidender Bedeutung.ach Angaben der Allergieverbände steigt der Anteil derevölkerung mit Lebensmittelallergien ständig an.Prozent der Kinder und 3 Prozent der Erwachsenenind EU-weit davon betroffen. Deshalb sind Allergiker
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003 3817
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Uda Hellerauf eine noch umfassendere und genauere Kennzeich-nung der Inhaltsstoffe als bisher angewiesen.
– Dann ist es gut. – Die EU-weite Lebensmittelkenn-zeichnung von Allergenen wird voraussichtlich ab 2004verpflichtend sein, wie es bereits bei gentechnisch ver-änderten Organismen oder Zusätzen wie Farbstoffen ge-handhabt wird.
Ein großes Problem bei der Novellierung der EU-Eti-kettierungsrichtlinie für Lebensmittel stellen die tech-nischen Hilfsstoffe dar, die bei der Produktion benutztwerden, aber im Endprodukt oft nicht mehr vorhandensind. Wir vertreten die Position, dass, wenn keine aller-gieauslösenden technischen Hilfsstoffe im Endproduktverbleiben, von Warnhinweisen abzusehen ist.
Ich bin der Ansicht, dass nur das auf dem Etikett ver-merkt werden kann, was tatsächlich im Produkt enthal-ten ist.
Der Unionsantrag fordert weiterhin eine Verbesse-rung der geographischen Herkunftsbezeichnungenbei rohen und verarbeiteten Produkten, insbesondere tie-rischer Herkunft. Bei verarbeiteten Produkten soll dieHerkunftsangabe lediglich auf die wesentlichen Angabenbeschränkt werden. Die Forderungen nach Herkunftsbe-zeichnung und nach Rückverfolgbarkeit sind jedoch aus-einander zu halten, denn die Herkunftsbezeichnung machtden Produktionsweg für den Verbraucher nicht transpa-renter. Der Verarbeitungsort kann beispielsweise auf-grund traditioneller Rezepturen und handwerklicher Fä-higkeiten für das Produkt wertgebend sein. Daseuropäische Schutzsystem von geographischen Angabenund Ursprungsbezeichnungen beruht derzeit auf Freiwil-ligkeit.Grundsätzlich wichtig für den Verbraucher ist aberauch die Nachvollziehbarkeit, die Transparenz des Pro-duktionsweges. Am Beispiel der Nitrofuran-Funde imGeflügelfleisch im vergangenen Sommer wird deutlich,dass dringend eine EU-einheitliche Kennzeichnungs-pflicht erforderlich ist. Der Nitrofuran-Skandal zeigt:Die bestehende Kennzeichnungspflicht muss dahin ge-hend modifiziert werden, dass der Verbraucher ganz klarzurückverfolgen kann, wo die Aufzucht und die Mastdes Tieres erfolgten.Es stellt sich die Frage, wie nun trotz der bestehendenGesetzgebung und trotz der EU-weiten obligatorischenKontrollen aller Geflügelfleischtransporte das nitrofu-ranbelastete Geflügel nach Deutschland gelangt ist. DieUntersuchung durch die amtlichen Behörden ergab, dassausschließlich Ware aus Nicht-EU-Staaten mit Nitrofu-ran belastet war. Die entsprechende EU-Verordnung zurKennzeichnungspflicht von Geflügelfleisch bezieht sichnur auf Geflügelfleisch, das in unverarbeitetem Zustandaus Drittländern in die EU eingeführt wird. Dies bedeu-tcvvdWTlBcmtSw3wvgINGWFBtrOAknwgnurbs
Frau Kollegin Heller, mir ist gesagt worden, dass das
hre erste Rede war. Deswegen gratuliere ich Ihnen im
amen des Hauses dazu.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Herta Däubler-
melin.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ir begrüßen den Aktionsplan und die Aktivitäten vonrau Ministerin Künast, wir begrüßen den Beschluss derundesregierung und wir halten den Antrag der Koali-ion, der ja noch weit darüber hinaus geht, für absolutichtig.Lassen Sie mich noch hinzufügen: Die Anträge derppositionsfraktionen sind sehr unterschiedlich. Derntrag der CDU/CSU beschränkt sich leider auf einenleinen Teilbereich. Verehrte Kollegin Heller, es wird Ih-en beim Reden wahrscheinlich aufgefallen sein, dassir manches von dem, was Sie inhaltlich gesagt haben,enauso sehen wie Sie, auch wenn das Missverständnisicht stehen bleiben soll, es handele sich bei Nitrofuranm eine Frage der Verbraucherkennzeichnung. Nitrofu-an ist – Gott sei Dank, und damit haben auch wir einisschen zu tun – überall verboten und so soll es ja auchein.
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Dr. Herta Däubler-GmelinMeine Damen und Herren, wir betreiben Verbrau-cherpolitik nach der vorgetragenen Leitlinie vor demHintergrund einer ziemlich langen und guten sozialde-mokratischen Tradition. Diese Tradition hat auch das Ju-biläum „50 Jahre Bundeszentrale Verbraucherschutz“gezeigt. Da war unsere Verbraucherschutzpolitik der70er-Jahre natürlich Gegenstand des Lobes; dies wurdeheute schon im Einzelnen auf unterschiedliche Weiseausgeführt. Damals wurde die Verbraucherberatungdurchgesetzt. Das war, wenn wir uns daran erinnern,nicht immer ganz streitfrei.
Die entsprechende Forschung und die Verbraucherinfor-mation haben wir auch damals in ihren Grundlagen fest-gelegt.Lassen Sie mich hinzufügen: Zwischen 1982 und1998 war in der Verbraucherpolitik nicht viel los; abervorher haben wir so vernünftige Gesetze wie das Abzah-lungsgesetz oder ein Gesetz bezüglich der Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen beschlossen, damals, Frau Kopp – las-sen Sie mich das sagen –, sogar mit der FDP. Das warschwierig, aber es ging. Das sollte wieder so werden.Ab 1998 haben wir die Schuldrechtsmodernisierungoder auch das Schadenersatzänderungsgesetz – all dassind Regelungen, deren Wert und Bedeutung sogar vonIhnen zunehmend anerkannt werden – durchgesetzt.Übrigens: Einzelne Bereiche, in denen wir gut waren,müssen natürlich ergänzt werden. Wir teilen die Auffas-sung von Frau Ministerin Künast, dass zum Beispiel IT-und soziale Dienstleistungen immer wichtiger werden.
– Wir werden etwas tun.Aber ein Orchester wird bekanntlich erst dann sorichtig gut, wenn nicht nur die einzelnen Instrumenten-gruppen brillant spielen, sondern darüber hinaus auchdie Partitur sichtbar wird.
Deswegen begrüßen wir die jetzige Verbraucherstrategieund den Aktionsplan der Bundesregierung.Lassen Sie mich vier wichtige Elemente herausgrei-fen:Zum Ersten ist es völlig klar, dass die Verbraucherwissen und wissen können müssen, was sie eigentlich er-werben. Das ist nicht nur eine Frage des Preises – darinsind wir uns alle, so glaube ich, einig – oder der Be-schaffenheit des Inhalts. Da geht es vielmehr auch umdie Bedingungen der Produktion und um ihre Auswir-kungen und Folgen. Nur wenn das funktioniert, könnendie Verbraucher, wie es ja alle beschwören, Partner inder Wirtschaft sein.wVMkFßbnMrdkaWt–dsigDdmbwrddgDdjsagdvltwdtdstsmd
Aufgabe der Verbraucherpolitik wird es sein – da-über werden wir in den nächsten Monaten streiten –,iese Prinzipien in konkrete Entscheidungen umzuwan-eln. Denn jeder weiß, dass dies Abwägungen zwischenanz wichtigen einzelnen Interessen mit sich bringt.ies werden nicht nur ökologische Interessen sein, son-ern auch Wirtschaftsinteressen, denen sich manche hiera ganz besonders verpflichtet fühlen, und auch Interes-en des sozialen Gefüges, für die wir uns besonders ver-ntwortlich fühlen. Das verlangt klare Entscheidungen.Lassen Sie mich deutlich sagen: Hier wird es darumehen, dass man sich klar zur Sache äußert; ich erhoffeas auch von der Opposition. Was verlangen wir dennom mündigen Verbraucher, den wir alle wollen? Ver-angen wir von ihm, dass er sich sozusagen als Mara-honläufer in der Informationsbeschaffung betätigt – dasäre das Stichwort „Wissen“ – oder dass er – das wäreas Stichwort „Wehren“ – das volle Haftungsrisikorägt? Bedeutet das, dass wir Nachhaltigkeit – das wäreas Stichwort „Wahlfreiheit“ – zu einem individualisti-chen und moralischen Prinzip des Verbraucherverhal-ens degradieren? Das kann es doch wohl nicht sein. Wirind der Auffassung, dass „wissen können“ bedeutenuss, dass die Wirtschaft Informationspflichten hat, anie rechtliche Haftungspflichten geknüpft sind.
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Dr. Herta Däubler-GmelinDas Zerrbild vom überregulierten, verwalteten Verbrau-cher und von der angeketteten Wirtschaft, das uns hiervorgeführt wird, ist undifferenziert und falsch. Das hilftuns überhaupt nicht weiter.Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir nicht allein an dieVerantwortung des Verbrauchers appellieren, sonderndass die Wirtschaft in Form und Inhalt klaren Regelun-gen unterliegt. Diese Regelungen müssen – hier möchteich das aufgreifen, was vielfach gesagt wurde – ver-ständlich und einsichtig sein. Sie müssen auch das euro-päische und globale Wettbewerbsgefüge berücksichti-gen. Diese Regelungen sind aber erforderlich.Das hat natürlich – lassen Sie mich das sehr deutlichsagen – Auswirkungen auf die Wirtschaftsstruktur.Das betrifft auch die Frage, ob die Erzeuger und derHandel immer stärker konzentriert werden oder ob – waswir wollen – auch die Märkte für die kleinen Erzeugerund Handelsunternehmen erhalten bleiben.Unsere Vorhaben sind sehr differenziert. Das hat sichschon in der letzten Legislaturperiode – Stichwort:Schuldrechtsmodernisierung als Verbraucherbibel – ge-zeigt. Bei der Änderung des Schadensersatzrechts ginges unter anderem darum, dass ein Verbraucher, der Arz-neimittel braucht, die erforderlichen Informationen be-kommt, um sich im Zweifelsfall wehren zu können. Indiesem Zusammenhang bedarf es einer Beweislastum-kehr. Das alles haben wir in vernünftiger und richtigerWeise gegeneinander abgewogen und dann geregelt.Soziale Dienstleistungen: Die Frauen und Männer,die soziale Dienstleistungen in Anspruch nehmen wol-len, müssen genau wissen, was auf sie zukommt. Bei derArt der Ausgestaltung der Verpflichtungen darf nichtvergessen werden, dass die Frage der Menschlichkeitund der Transparenz eine große Rolle spielen muss.
Ich greife als nächstes Thema die 0190er-Nummernauf. Ich bin der Meinung, dass jemand, der Schmuddel-nummern – sofern es welche sind – anruft, dafür auchzahlen muss. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Leutenaber, die unwissentlich oder nicht ganz wissentlich abge-zockt werden, müssen wir helfen. Hier stellt sich dieFrage – das betrifft auch große Unternehmen – der Infor-mationspflicht und der rechtlichen Verpflichtungen perGesetz.Lassen Sie mich noch einen weiteren Bereich, diegenmodifizierten Nahrungsmittel, ansprechen. DerStreit darüber wird weitergehen und das ist gut so. Wirmüssen wissen, was verantwortbar und was nicht verant-wortbar ist. Klar muss aber sein, dass eine klare Kenn-zeichnung erforderlich ist. Zudem brauchen wir zu-nächst einmal auf europäischer Ebene eine klareHaftungsregelung für den Fall, dass etwas versprochenwird, das dann nicht eingehalten wird.
Lebensmittel: Frau Heller, im Bereich der Ernährungstimmen wir in vielen Punkten überein. Die Kennzeich-nungspflichten und die Möglichkeit der Rückverfol-gdwmdeIsszudejtHsgm1eVwtnnnMVztltengdudgsnnLg
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Henry Nitzsche.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer840 von Villingen nach Schwenningen reisen wollte,rlebte zugleich eine Reise durch die Zeit. Im badischenillingen galt die Karlsruher Ortszeit, im benachbartenürttembergischen Schwennigen wiederum die Stuttgar-er. Die Uhr umstellen mussten ebenso Reisende in dieahe Schweiz, weil sich die dortigen Uhren an der Ber-er Landeszeit orientierten. Die Uhr wurde um vier Mi-uten vorgestellt, während sie im Schwäbischen um dreiinuten nachging.Diese buntscheckige Zeit störte nicht, solange dererkehr zwischen den Orten so langsam war, dass dieeitliche Verschiebung darin gleichsam versickerte. Un-er diesen Bedingungen war allerdings ein überregiona-er Fahrplan unmöglich, da Abfahrts- und Ankunftszei-en jeweils nur für den Ort galten, um dessen Lokalzeits sich handelte. Für die nächste Station mit ihrer eige-en Zeit galt diese schon nicht mehr. Aber auf die Dauering das nicht so weiter. Ein geregelter Verkehr erfor-erte eine Vereinheitlichung der Zeit.Dies geschah zunächst durch die Bahngesellschaftennd dort auch nur für die Strecken, die sie bedienten. Alsie Gesellschaften mehr und mehr zu kooperieren be-annen, wurde die Greenwich-Zeit als verbindliche Ei-enbahnstandardzeit eingeführt. Aber sie galt zunächstur für den Bahnverkehr; das heißt, die Standardzeit warur Fahrplanzeit.Mit dem enger werdenden Streckennetz wurden dieokalzeiten unhaltbar. In Deutschland wurde die all-emeine Zonenzeit ab 1. April 1893 durch kaiserliches
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Henry NitzscheGesetz eingeführt. Das war nicht nur die Geburtsstundeder Einheitszeit, sondern auch die Geburtsstunde derPünktlichkeit. Es galt nicht mehr das Ungefähr, sonderndas Exakt der deutschen Bahnen. Somit ist die Pünkt-lichkeit als der beste Verbraucherschutz im öffentli-chen Personenverkehr entstanden.
Wie sind heute die Rechte des Kunden festgeschrie-ben, wenn, wie so oft, der Zug nicht pünktlich kommt?Nach bürgerlichem Recht ist der Beförderungsvertragein Werksvertrag; denn der Fahrgast will nicht nur durchdie Gegend gefahren werden,
sondern sein Ziel auch erreichen. Daher hätte der Fahr-gast den Fahrpreis erst nach ordnungsgemäßer Leistungzu zahlen. Bei nicht ordnungsgemäßer Leistung hätte erein Recht auf Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt undSchadensersatz. Außerdem wäre der Fahrplan Grund-lage des Vertrages, für dessen Einhaltung der Unterneh-mer einzustehen hätte.Doch bei der Deutschen Bahn ist alles anders: DerFahrgast hat den Fahrpreis vorher zu bezahlen. Verspä-tungen oder Ausfall eines Zuges begründen keinen An-spruch auf Entschädigung. Die Erstattung von Fahrgeldist ausgeschlossen, selbst dann, wenn die verspäteteFahrt nunmehr sinnlos ist. Kurzum: Der Reisende istrechtlos, die Eisenbahn kann sich jede Art schlechterLeistung sanktionslos erlauben. Spätestens seit der Pri-vatisierung der Bahn 1994 ist dieses Sonderrecht jedochnicht mehr gerechtfertigt.Die Verkehrsunternehmen, insbesondere die Bahn, le-gen in ihren Bedingungen immer Wert darauf, dass einBeförderungsvertrag erst mit dem Betreten des Fahrzeu-ges zustande kommt. Mit dem Kauf einer Fahrkarte er-wirbt der Fahrgast ausschließlich das Recht mitzufahren,falls zufällig ein Zug oder ein Bus vorbeikommen sollte.Die Rechtslage lässt sich damit so beschreiben: EineFahrkarte ist ein Lotterielos zur Teilnahme an einem Ge-winnspiel: Kommt der Zug oder kommt er nicht?
Insofern ergibt sich für unsere Fraktion schon seitJahren der Anspruch, die Rechte von Bahnkunden vor-dringlich zu verbessern. Die Reform der Eisenbahnver-kehrsordnung, wonach bei Ausfall, Verspätung und An-schlussversäumnis Schadensersatz nur dann vorgesehenist, wenn die Reise nicht am selben Tag fortgesetzt wer-den kann, hat keine echte Verbesserung des Verbraucher-schutzes gebracht. Der noch immer geltende Haftungs-ausschluss für Ansprüche des Verbrauchers aufSchadensersatz wegen Verspätung – § 17 der Eisenbahn-verkehrsordnung – sollte ersatzlos gestrichen werden.
Die Beförderungsbedingungen sollten schleunigst vonöffentlich-rechtlichen in privatrechtliche Geschäftsbe-dÜdkkhGgsFdfmgvfJjebsvweBPkeZmtudrimzSrtD
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Michael Müller.
Herr Kollege Nitzsche, wenn man Schivelbusch zi-iert, dann sollte man auch sagen, was er auch schreibt.a geht es um die Schwierigkeit, Zeit in einer Phase zu
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Michael Müller
bemessen, wo der Computer die Zeit bestimmt, und da-rum, welche neuen Probleme und Fragestellungen ent-stehen. Er hat die Strukturierung der Zeit in der Entwick-lung von Tag und Nacht, der Jahreszeiten bis zurKoordinierung der Zeit für die Bahnfahrpläne historischbeschrieben, hat aber auch gesagt, dass wir heute in einervöllig neuen Zeit leben, wo genau diese Strukturierungaufgrund der rund um die Welt immer mehr durch denComputer gleichgeschalteten Zeit nicht mehr funktio-niert. Auch das hätten Sie eigentlich erwähnen müssen,wenn Sie sich schon mit fremden Federn schmücken.Diese Anmerkung möchte ich doch machen; auch anderelesen nämlich.Meine Damen und Herren, worum es in der Verbrau-cherpolitik geht, hat Ludwig Erhard schon 1956 defi-niert. Das ist eine andere Position, als ich sie hier zumTeil von der Opposition gehört habe. Er hat nämlich de-finiert, dass der Markt sich an der Stellung und demWohlergehen des Verbrauchers messen lassen müsse.Heute hat man bei vielen Beiträgen den Eindruck, als seider Markt und nicht das Wohlergehen des Verbrauchersdas Ziel. Bei Ludwig Erhard war es genau umgekehrt.Auf diese Sichtweise wollen wir mit unseren verbrau-cherpolitischen Zielen zurückkommen. Wir wollen klarmachen, dass Wirtschaftspolitik einem Ziel dienen muss,nämlich der Steigerung der Lebensqualität, also der Stel-lung des Verbrauchers und seinem Wohlbefinden. Vor al-lem muss der Mensch – was wir mit dem Stichwort„Nachhaltigkeit“ benennen – auch in Zukunft gut lebenkönnen. Das ist der Kern einer modernen Verbraucher-politik. Genau daran wollen wir anknüpfen.
Meine Damen und Herren, 1953 haben sich die Ver-braucherverbände in der Arbeitsgemeinschaft der Ver-braucherverbände zusammengefunden. Das ist Anlass,diesen Verbänden bei dieser Gelegenheit für ihre Arbeitzu danken. Sie gehören zur Zivilgesellschaft. Sie leistenwertvolle Arbeit. Wir haben allen Grund, dafür dankbarzu sein, was sie für ein gutes Stück Wirtschafts- und Le-bensqualität in unserem Land leisten.
Wir haben eine Phase gehabt, in der sehr viel für dieVerbraucherpolitik getan wurde; das waren die 70er-Jahre. Das ging bis Anfang der 80er-Jahre. Ich erinnerean den Kongress der AgV „Qualitatives Wachstum –qualitativer Konsum“ 1983, der so eine Art Endpunktdieser Phase war.Heute befinden wir uns in einer neuen Phase. Wir ha-ben 1998 wieder angefangen, mehr Verbraucherpolitikzu machen. Es ist leider lange auf diesem Feld wenig ge-schehen, was wir sehr bedauern.
– Doch, das stimmt. Sehen Sie sich einmal eine Über-sicht über die Aktivitäten in diesem Bereich an. Das istauch im Bundestag wunderbar dokumentiert worden. Siesd9DVmrwvnSHagnugVVbDzdlVzbozLcsDDhcddmwenerbtdb
Der zweite Grund geht über den reinen Schutz deserbrauchers hinaus. Wir müssen vom Schutz des Ver-rauchers zu einer aktiven Verbraucherpolitik kommen.as ist mehr; denn vor dem Hintergrund, dass die Gren-en des Nationalstaats immer deutlicher werden undass die Globalisierung eine ungleiche Konkurrenz mög-ich macht, wissen wir, dass gerade in der Stärkung deserbrauchers die Chance liegt, Innovationen durchzuset-en und neue Allianzen zu schmieden. Dies kann dazueitragen, zum Beispiel die ökologische Modernisierungder eine qualitativ bessere Landwirtschaft durchzuset-en. Wir werden beispielsweise die Stärkung unsererandwirtschaft nur über die Qualität der Produkte errei-hen. Aber wir benötigen auch Verbraucher, die bereitind, Produkte in einer solchen Qualität abzunehmen.afür brauchen wir eine aktive Verbraucherpolitik.
as ist mehr als reiner Verbraucherschutz.
Wir dürfen heute also nicht nur den Schutz vor Augenaben; es muss uns auch darum gehen, aktive Verbrau-her zu stärken, die nicht nur an den kurzfristigen Preisenken, sondern die vor allem – das ist ganz wichtig –ie Kosten insgesamt bewerten können. Das ist sehr vielehr. Sie müssen wissen, was kostengünstig ist. Dasird nicht nur durch den Preis bestimmt; sie müssenine qualitative Bewertung des Ganzen vornehmen. Ge-au das wollen wir erreichen. Deshalb ist es durchausin richtiger Gedanke, dass Verbraucherschutz Teil unse-es Bildungssystems werden muss. Wer bewusste Ver-raucher will, muss dieses Ziel auch in der Bildungspoli-ik verankern. Das Ziel ist richtig. Zur Aufklärung gehörtie Vermittlung von sehr viel Bildung, damit die Ver-raucher die Informationen auch verarbeiten können.
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Michael Müller
In diesem Sinne leisten wir mit VerbraucherpolitikBeiträge für eine produktive und innovative Wirtschaft.Insofern ist sie auch ein Beitrag zur Stärkung unsererWirtschaft, gerade unter den Bedingungen der Globali-sierung. Diesen Gedanken wollen wir in den nächstenJahren, vor allem aber in dieser Legislaturperiode, ver-tiefen und ausbauen. Wir wollen deutlich machen, dasser Teil einer modernen Wirtschaftspolitik ist. Man darfin einer modernen Wirtschaftspolitik nicht nur die An-bieterseite sehen, sondern muss auch die Nachfrageseiteberücksichtigen. Diese muss gestärkt werden, nicht nurim Sinne von Kaufkraft, sondern auch im Sinne der be-wussten Entscheidung, des bewussten Verbrauchs.
Hier wurde schon eine Reihe von sehr wichtigen Prin-zipien der Verbraucherpolitik genannt. Ich will die ausunserer Sicht vier wichtigsten Prinzipien zusammenfas-sen.Erstens. Moderne Verbraucherpolitik bedeutet in ers-ter Linie die Übernahme des Prinzips Verantwortung,und zwar auf beiden Seiten: bei den Herstellern, aberauch bei den Händlern. Vor dem Hintergrund der Globa-lisierung kommt bei unüberschaubaren Handelswegenauch dem Händler mehr Verantwortung zu. Auch dasmuss man sehen. Das bedeutet aber auch Stärkung derEigenverantwortung.Der zweite wesentliche Punkt ist – das hat der Kol-lege Loske bereits ausgeführt – das Prinzip der Vorsorge.Dazu zählt vor allem die Internalisierung von Kostenef-fekten. Wir müssen die Externalisierung stoppen.Das dritte Grundprinzip einer modernen Verbraucher-politik ist die Wahlfreiheit. Märkte funktionieren nur,wenn man auswählen kann. Es muss mehr Wettbewerbnicht nur formal, sondern auch in den tatsächlich beste-henden Alternativen organisiert werden.Der vierte Punkt ist das Partnerprinzip. Wir werdenbestimmte Innovationen nur hinbekommen, wenn sieauch von der Nachfrageseite bewusst gefördert werden.Hier gibt es sogar eine Chance für unsere Wirtschaft.Diese wollen wir nutzen.Lassen Sie mich Folgendes abschließend sagen: Wirdiskutieren nicht nur über den Verbraucherschutz, son-dern auch über eine neue Qualität der Wirtschaftspolitik,die einen bewussten Verbraucher benötigt. Genau dafürsetzen wir uns ein. Wir betreiben damit eine Politik fürmehr Freiheit und Verantwortung.
Ich schließe die Aussprache.Der Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD unddes Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 15/1007soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss fürVerbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft undzur Mitberatung an den Rechtsausschuss, die Aus-sFrwFAUD1AsgZ
Fischer , Eduard Oswald, Dr. KlausW. Lippold , weiterer Abgeordneterund der Fraktion der CDU/CSUBundesverkehrswegeplan und die darauf ba-sierenden Ausbaugesetze noch vor der Som-merpause vorlegen– Drucksache 15/928 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
FinanzausschussHaushaltsausschussb) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrach-ten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderungdes Verkehrswegeplanungsbeschleunigungs-gesetzes– Drucksache 15/777 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
RechtsausschussAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Tourismusc) Beratung des Antrags der Abgeordneten HorstFriedrich , Rainer Brüderle, Jörg vanEssen, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder FDPEinsetzung einer Kommission der Bundes-regierung zur Fortsetzung der Bahnreform– Drucksache 15/66 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
FinanzausschussAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionAusschuss für TourismusHaushaltsausschussd) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate
der CDU/CSUInteressen des deutschen Verkehrsgewerbeswirksam erhalten und sichern – Chancen zur
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Vizepräsidentin Dr. Antje VollmerFörderung des deutschen Transportgewerbesnational und international ergreifen– Drucksache 15/926 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionZP 3 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD,der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNENMauteinführung in Deutschland am 31. Au-gust 2003 und Harmonisierung der Wettbe-werbsbedingungen– Drucksache 15/1023 –Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Wi-derspruch gibt es nicht. Dann ist auch so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächstder Abgeordnete Dr. Klaus Lippold.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Unionist es wichtig, mit dieser Debatte deutlich zu machen,dass die Verkehrs- und Infrastrukturpolitik in der Bun-desrepublik Deutschland einen anderen, neuen und bes-seren Stellenwert erhalten muss, als sie ihn unter dieserRegierung hat.
Herr Stolpe, die bisherigen Ansätze sind unzureichend;wir haben das früher schon gerügt. Ich werde das heutenoch an einer ganzen Reihe von Positionen begründen.Wir sind der festen Überzeugung, dass das steigendeMobilitätserfordernis in unserem Land, das mitten imHerzen Europas liegt, anders angegangen werden muss,als Sie das bislang getan haben. Es gibt keine durch-dachte, konsistente und in sich geschlossene Verkehrs-wegeplanung. Der Bundesverkehrswegeplan ist viel zulange hinausgezögert worden. Er wurde noch nicht voll-ständig vorgelegt und er ist in diesem Hause noch nichtdebattier-, diskussions- und beratungsfähig. Wir fordernvon Ihnen, dass wir die notwendigen Daten für den Bun-desverkehrswegeplan und seine Vorlage noch vor Be-ginn der Sommerpause erhalten. Es kann nicht so weiter-gehen, dass so langsam gearbeitet wird und so viel Zeitverspielt wird.Wir stellen fest, dass der Standort Deutschland ins-besondere auch durch das Versagen dieser Regierung inder Arbeitsmarktpolitik, der Arbeitsplatzpolitik und derGesundheitspolitik – ich könnte jetzt noch vieles aufzäh-len – gefährdet ist.
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Wir haben jetzt die Diskussion über die Maut zumbschluss gebracht. Ich will ganz deutlich sagen, dassir in der schlechten Vorlage einige Punkte haben ver-essern können. Aus meiner Sicht ist es schade, dass allie Ziele, mit denen noch eine Verbesserung hätte er-eicht werden können, nicht realisiert werden konnten.ber es ist ein wesentlich besserer Ansatz als der, denie Bundesregierung eingebracht hat.Lassen Sie mich insbesondere sagen, dass sich unsereandschrift darin deutlich zeigt,
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Dr. Klaus W. Lippold
dass wir in wesentlich besserer Form den Bedingungendes deutschen Transportgewerbes Rechnung tragenwollen. Der Harmonisierungsbetrag ist aufgestockt. Wirsagen allerdings sehr deutlich, Herr Minister, dass wirdie Umsetzung der Regelungen zu diesem Harmonie-rungsbetrag sehr kritisch begleiten werden, weil wir na-türlich wissen, dass der Vollzug das eigentlich Entschei-dende ist und die Erleichterungen für das Gewerbegewährt sein müssen und eine Absichtserklärung nichtausreicht.
Deshalb fordere ich Sie auf, die Verhandlungen inBrüssel mit mehr Nachdruck als bislang fortzuführen. Eswäre vielleicht ganz gut, wenn sie nicht nur auf derFachebene, sondern auch auf der Spitzenebene geführtwerden würden. Ich vermisse den nötigen Nachdruck beiden Diskussionen in Brüssel. Ich würde Sie, Herr Stolpe,dringend darum bitten, dieses jetzt zu ändern. Es istzwingend notwendig.Bezüglich der Maut fordern wir weitere Positionenvon Ihnen ein. Ich nenne einen kleineren Punkt, der aberfür das Gewerbe nicht unwichtig ist. Ich bitte Sie drin-gend, dafür zu sorgen, dass die On-Board-Units, die dieLKWs brauchen, in der nötigen Anzahl zur Verfügungstehen.
Es kann nicht sein, dass mit der Einführung der Maut,die wir mit Ihnen gemeinsam tragen wollen, alle mögli-chen bürokratischen Schwierigkeiten gerade für kleinereund mittlere Unternehmen verbunden sind. Das kann eseinfach nicht sein.
– Ich kenne die aktuellen Zahlen, aber ich kenne auchdie aktuellen LKW-Zahlen, Herr Kollege. Wichtig ist,dass sich die Zahlen decken. Die bislang vorliegendenZahlen decken sich nicht. Wir werden mit Schwierigkei-ten und Hemmnissen gerade für die kleinen und mittle-ren Unternehmen rechnen müssen.
Wir wollen das beseitigen. Das kann so nicht bleiben.Es gibt einen weiteren Punkt, bei dem Sie, Herr Mi-nister, gefordert sind. Wir haben uns darauf verständigt,die Einnahmen aus der Maut bindend für Infrastrukturin-vestitionen zu verwenden. Das ist als On-Top-Bindunggedacht. Das heißt, dass dafür an anderer Stelle keineMittel gekürzt werden dürfen. Sie selbst haben gesagt,wenn ich das in den Zeitungen richtig gelesen habe, dassmit einem Wachstum der Verkehrsinvestitionen dennochnoch nicht zu rechnen sei und Herr Eichel angesichts derangespannten allgemeinen Haushaltslage Kürzungenvornehmen werde. So war das von Herrn Pällmann nichtgedacht. Wir wollten im Wesentlichen mehr Straßenin-feafvmvrDnzrIsdzaFsgwgdrsvvdmIgsuS–WkI
as kann man in einer solchen Vereinbarung, Herr Mi-ister Stolpe, nicht erzwingen. Ich möchte deutlich hin-ufügen, dass, wenn diese Regierung es nicht kämpfe-isch durchsetzt, das letzte Instrument, um zusätzlichenvestitionen sicherzustellen, nur ein Regierungswechselein könnte. Denn unser Konzept unterscheidet sich inieser Frage deutlich von Ihrem Vorhaben. Unser Kon-ept ist zukunfts- und arbeitsmarktgerechter; es ist vorllem in sich geschlossen und liegt bereits vor.Deshalb fordere ich Sie auf, Herr Minister, in dieserrage hart zu bleiben. Es geht nicht an, dass sich die Ge-undheitsministerin mit völlig verfehlten Vorstellungenegenüber Herrn Eichel durchsetzt, dass sich aber hier,o die Vorgehensweise vernünftig ist, Herr Eichel Ihnenegenüber durchsetzt. In dieser Frage sollten Sie sichurchsetzen. Wir werden das auch einfordern.Lassen Sie mich abschließend etwas zur Osterweite-ung der Europäischen Union anmerken. Wir hatten Siechon einmal darauf hingewiesen, dass die von Ihnenorgelegten Vorschläge unserer Meinung nach den Sach-erhalt der EU-Osterweiterung – neue EU-Mitgliedslän-er im Osten in Verbindung mit steigenden Verkehrsströ-en – bislang nicht ausreichend berücksichtigt haben.ch fordere dringend von Ihnen ein, dass die notwendi-en Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur, dieich gerade aus diesem Aspekt ergeben, mit eingeplantnd auch umgesetzt werden.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Herr Verkehrsminister Manfredtolpe.
Das ist richtig: der Minister für Verkehr, Bau- undohnungswesen.Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Ver-ehr, Bau- und Wohnungswesen:Das ist noch schlimmer, Frau Präsidentin.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!ch möchte zunächst zur Mauteinführung Stellung neh-
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Bundesminister Dr. h. c. Manfred Stolpemen und dabei eines deutlich zum Ausdruck bringen:Mit den Beschlüssen, die zunächst im Bundestag unddann im Bundesrat anstehen, bzw. mit dem Beschluss,den die Bundesregierung gestern gefasst hat, werden wirsowohl zur Mauteinführung als auch zur Harmonisie-rung der Wettbewerbsbedingungen drei wichtige ver-kehrspolitische Ziele erreichen können.Erstens erfolgt eine Weichenstellung zur Finanzie-rung der Verkehrsinfrastruktur. Statt einer zeitbezogenenGebühr bei der Benutzung durch LKW führen wir eineentfernungsabhängige Gebühr für Schwerlasttransporterunter Berücksichtigung der starken Inanspruchnahmeder Autobahn, die solche Lasten bedeuten, ein. Bekannt-lich beträgt die Belastung der Autobahn durch einenSchwerlasttransport etwa das 60 000fache der Belastungdurch einen PKW.Diese Weichenstellung bedeutet zugleich den massi-ven Einstieg in die Nutzerfinanzierung der Verkehrs-wege. Die Einnahmen stehen grundsätzlich für die Ver-kehrsinfrastruktur zur Verfügung – das ist klar geregelt –,und zwar überwiegend für den Straßenbau. Auch das istdefinitiv geregelt; in dieser Frage gibt es kein Wenn undAber.Das System und die Technologie bieten zugleich aberauch die Möglichkeit einer privaten Finanzierung durchBetreibermodelle. Wir beginnen mit der Maut bzw. mitder Erfassung und der Abrechnung von Gebühren, aberwir haben damit zugleich die Möglichkeit eröffnet, inanderen Bereichen private Finanzierung für die Ver-kehrsinfrastruktur vorzusehen.In dem dramatischen Wettlauf – der Kollege Lippoldhat das eben ausgeführt – zwischen dem wachsendenVerkehrsaufkommen und den Maßnahmen, mit denenwir Infrastruktur vorhalten, haben wir mit der Maut einezusätzliche Trumpfkarte in der Hand. Wir haben dieChance, der Herausforderung begegnen zu können undunserer Verpflichtung, Mobilität zu gewährleisten, auchunter den Bedingungen der Osterweiterung der Europäi-schen Union nachzukommen. Ich sehe das ähnlich wieSie und viele andere. Schätzungen zufolge ist im Laufeder nächsten Jahren mit einer Zunahme des Verkehrsauf-kommens um 65 Prozent zu rechnen. Rechnen wir liebermit 100 Prozent; dann kommen wir der Realität viel-leicht etwas näher.Jetzt können wir handeln und wir werden das in Zu-sammenarbeit mit den Partnern hier im Hause und auchin den Ländern tun.
Die Mauteinführung wird auch die Möglichkeit bie-ten, das hohe Investitionsniveau für die Verkehrsinfra-struktur abzusichern. Sie wissen doch ebenso wie ich,dass die Mittel für die notwendigen Investitionsmaßnah-men seit 1998 einen kräftigen Auftrieb erfahren haben.Zusätzlich sind in den letzten drei Jahren – diese Rege-lung ist befristet – Mittel aufgrund des Zukunftsinvestiti-onsprogramms aufgestockt worden. Wir werden weitersicherstellen, dass das, was erforderlich ist, finanziertwerden kann. Wir haben damit die Grundlagenfinanzie-rung des Bundesverkehrswegeplans gewährleisten kön-nwIsbhfGHtlRWdKgbtuLbZwbkTsdeobteemdeawtsdossuSknsWgb
Mit der Maut – darauf sei hier aufmerksam gemacht – ge-en wir auch ökonomische Anreize für eine verantwor-ngsbewusstere Entscheidung über den Transport vonasten auf unseren Straßen, insbesondere auf den Auto-ahnen. Durch die Maut wird sich mit Sicherheit dieahl der Leerfahrten verringern. Auch die Ladefaktorenerden erhöht. Ich gehe davon aus, dass auch die Ange-ote des Schienentransportes und des kombinierten Ver-ehrs ernsthafter geprüft werden als bisher.Das zweite Ziel ist die Einführung der modernstenechnologie zur Mauterhebung. Das satellitenge-tützte Mauterfassungs- und -abrechnungssystem, dasie Betriebsgesellschaft Toll Collect vorhält, wird es unsrmöglichen, die Mauterhebung und Mauterfassunghne Eingriff in den Verkehrsfluss durchzuführen. Darü-er hinaus – das ist besonders wichtig – kann dieseschnische System weiterentwickelt werden. Es wird unsrmöglichen, auch andere Kommunikations- und Infor-ationsleistungen zu erbringen. Das wird ganz beson-ers bei der Verkehrsleittechnik eine Rolle spielen, diein zusätzlicher Faktor ist, um das Verkehrsaufkommenuf unseren Straßen zu bewältigen.Unser drittes Ziel ist die Erhaltung der Wettbe-erbsfähigkeit der deutschen Güterkraftverkehrsun-ernehmen. Sie befinden sich momentan in einer sehrchwierigen Zangensituation. Auf der einen Seite stehenie westeuropäischen Wettbewerber, die durch Subventi-nen ihrer Heimatländer unterstützt werden. Diese Zu-chüsse laufen zwar aus. Aber noch bestehen sie undind für einige Zeit ein Wettbewerbsvorteil, der zulastennserer Unternehmen genutzt wird. Auf der andereneite stehen die osteuropäischen Wettbewerber, die be-anntlich zu Lohnbedingungen fahren, mit denen bei unsiemand mithalten kann.Fazit: Die Einführung einer Maut ohne eine angemes-ene Harmonisierung – wir haben ja über die Höhe eineeile gestritten; nun gibt es eine großzügigere Re-elung – ist für das deutsche Gewerbe nicht verantwort-ar. Dazu stehe ich in aller Deutlichkeit.
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Bundesminister Dr. h. c. Manfred StolpeDie vorgesehenen Beschlüsse werden in einem Paketvon Maßnahmen münden, mit denen wir die eben ge-nannten Ziele erreichen werden. § 11 des Mautgesetzesenthält eine klare Aussage zur Zweckbindung der Ein-nahmen. Die moderate Einstiegsgebühr in Höhe von12,4 Cent pro Kilometer ist ein deutliches Entgegen-kommen im Hinblick auf die Sorgen des Gewerbes.Schrittweise, und zwar nach den Harmonisierungsmaß-nahmen, wird die Maut auf 15 Cent pro Kilometer ange-hoben. Das Gewerbe wird durch ein ganzes Bündel vonHarmonisierungsmaßnahmen in Höhe von 600 Millio-nen Euro entlastet. Im Einzelnen sind ein Mauterstat-tungsverfahren, eine Senkung der Kfz-Steuer fürSchwerlasttransporter und eine Unterstützung bei derAnschaffung emissionsarmer Lastwagen vorgesehen.Auch weitere Maßnahmen wie zum Beispiel Erleichte-rungen bei Abschreibungen oder eine geänderte Emissi-onsklassenzuordnung können hier greifen.
Mit der Mauteinführung liegen wir auf der verkehrs-politischen Linie der Europäischen Kommission, die inKürze ihrerseits eine Richtlinie erlassen wird. ZahlreicheGespräche sind geführt worden. Herr Kollege Lippold,es ist nicht so, dass ich mich vor der Kommissarinfürchte. Ich habe an vielen Gesprächen teilgenommenund es war wichtig, was unsere Regelungen und unsereTechnologie angeht, eine Grundübereinstimmung herzu-stellen. Unsere Regelungen haben innerhalb der Euro-päischen Union Modellcharakter. Sie finden bei den Bei-trittsländern und über Europa hinaus ein großesInteresse. Wir haben einen technologisch wichtigenSchritt nach vorn getan. Das wird dahin gehend Auswir-kungen haben, dass sich für unsere Wirtschaft neueMöglichkeiten ergeben.
Die Bestimmungen sind das eine, die Absicherungnach allen Richtungen ist das andere. Besonders span-nend dabei ist die praktische Handhabung. Für die ma-nuelle Handhabung – wir gehen davon aus, dass die ma-nuelle Handhabung in der Startphase eine größere Rollespielen wird, als wir zunächst vermutet haben – stehen3 500 Automaten zur Verfügung. Nachdem ich selbst ei-nen dieser Automaten einmal ausprobiert habe – ichhabe sozusagen den Idiotentest gemacht –, kann ich Ih-nen nur sagen: Meine Erfahrungen lassen sich mit demvergleichen, was man mit Fahrkartenautomaten so erle-ben kann.
– Ich meine Fahrkartenautomaten der einfacheren Art imÖPNV. – Was wir vorhaben, ist zu schaffen. Auch aus-ländische Nutzer werden mit diesen Automaten umge-hen können.dtV3wzwdCdmavvsIgHgsmukDLrlgsEbNMMVm
ch möchte mich auch für die kritisch-konstruktive Be-leitung dieses Prozesses durch die Fraktionen diesesauses und durch die Länder – sie waren in der Arbeits-ruppe des Vermittlungsausschusses aktiv; dort habenich einige Personen viel Zeit um die Ohren geschlagen;anche haben ihre Geburtstage
nd manches andere geopfert, um zu einem Ergebnis zuommen – im Vermittlungsausschuss bedanken.
er langen Rede ganz kurzer Sinn: Ich bitte Sie herzlich:assen Sie uns das Projekt jetzt gemeinsam zu Ende füh-en.Schönen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Horst Friedrich.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen! Herr Verkehrsminister, ich habe Ihre Ausführun-en zur Bahn und auch zur Maut mit großer Aufmerk-amkeit verfolgt. Da in dieser Woche bei der Bahnntscheidendes geschehen ist, möchte ich mit der Bahneginnen, auf die Sie nur begrenzt eingegangen sind.ach allem, was passiert ist, war von Ihnen zu hören: Herrehdorn ist der richtige Mann am richtigen Platz. – Herrinister, nach dieser Aussage tragen Sie deutlich mehrerantwortung als bisher für die Zukunft des Unterneh-ens Bahn.
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Horst Friedrich
Das seit Mitte Dezember letzten Jahres geltende neuePreissystem sollte ausweislich der mittelfristigen Fi-nanzplanung der Bahn ein großer Erfolg werden. Durchdie Sitzung des Aufsichtsrats der Bahn am Dienstag unddie Bilanzpressekonferenz wurde bekannt, dass diesesPreissystem eine Umsatzsteigerung im Fernverkehr von4,9 Prozent – davon sollten allein 9,9 Prozent auf dieStrecke Köln–Frankfurt entfallen – bewirken sollte.Herr Mehdorn hat zu Beginn des Jahres erklärt – sohabe ich das noch im Ohr –: Wenn die Kunden das Sys-tem nicht begreifen, dann sind sie eigentlich nur zudumm dazu. – Offensichtlich hat der Kunde gezeigt, waser von dem System hält, aus unserer Sicht leider in nochzu geringem Maße; ein Problem ist nämlich, dass derKunde auf der Schiene keine echte Auswahl hat, dass ersich in weiten Bereichen gar keinen anderen Betreiberaussuchen kann. Da, wo er die Alternative hat, nutzt ersie auch. Überraschenderweise haben die Mitbewerberauf der Schiene deutlich bessere Ergebnisse.Es muss doch zu denken geben, wenn zu einer Schie-nenstrecke die Bahn erklärt, es gebe kein Interesse aufKundenseite, ein Mitbewerber innerhalb eines Jahres diePersonenbeförderung auf dieser Strecke aber um dasFünffache erhöht. Das kann doch nicht an der Streckeliegen; das muss an demjenigen liegen, der sie betreibt.
Nun erklärt Herr Mehdorn: 2004 – das ist schon wie-der etwas relativiert worden – ist die Sanierung der Bahnerledigt und ab dann geht es aufwärts. – Wenn man sichdas genau anschaut, muss man feststellen, dass die Bahn,weil sie an ihre eigenen Voraussagen nicht glaubt, in derBilanz an einigen Punkten Vorsorge getroffen hat, indemsie ab 2000 bis zum Beginn des Jahres 2004 bestimmtePositionen in einem Umfang erhöht, der nicht erklärbarist, und völlig von den bisherigen Zahlen abweicht.Diese sollen nach der Mittelfristplanung der Bahn genauzu dem Zeitpunkt wieder auf das übliche Niveau zurück-fallen, wenn sich 2004 der Aufschwung ergeben soll.
– Herr Kollege Schmidt, ich kann es Ihnen gern privatis-sime erklären.
Wenn ich Personalaufwendungen vorfristig, wenn siealso noch gar nicht anfallen, unter der Position „sonsti-ger betrieblicher Aufwand“ verstecke, indem ich dort er-höhe, damit ein Polster von bis zu 3 Milliarden Euroschaffe, das ich in der Bilanz nicht erkläre, darauf achte,dass Personalaufwendungen in den Teilbilanzen ausge-wiesen sind, in der konsolidierten Bilanz aber nicht, dortvielmehr unter der Position „sonstiger betrieblicher Auf-wand“ erscheinen, und 2004 bestimmte Rückstellungenauflöse, um ein bestimmtes Ergebnis hinzubekommen,dann muss das Aufmerksamkeit erregen. Deswegenhalte ich es nach wie vor für einen Skandal, dass HerrFranz und Herr Koch und andere gehen mussten, demje-nVtegrgsdldhagedfdsSriewerd1t6wsDnrwJsli6dmtst
euch! – Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr wollt sie doch!)ie sie gar nicht selber will – umzusetzen, zumal wennan weiß, dass Teile der Koalition sogar noch behaup-en, die 600 Millionen stellten schon eine Überkompen-ation für das Gewerbe dar, weil dies am Schluss profi-iere?
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Horst Friedrich
Tatsache ist, dass ein großer Teil der mittelständi-schen deutschen Unternehmen – ich nehme hier jetzteinmal den Landesverband Sachsen heraus –, nämlichbis zu 30 Prozent, überhaupt nicht am Mautverfahrenteilnehmen dürfen, weil ihnen von ihren Banken über-haupt nicht die entsprechenden Kreditlinien eingeräumtwerden. Die verabschieden sich also aus diesem Bereich.Zu diesem Thema steht hier überhaupt nichts drin; denndie Zeitspanne zwischen Einführung der Maut und Um-setzung der zugesagten Harmonisierungsmaßnahmen inHöhe von 600 Millionen wird nicht genannt. Sie kannaber bis zu neun Monate betragen. In der Zeit wird sich,wie ich fürchte, bei der ganzen Operation nur eine Statis-tik erhöhen, nämlich die der Arbeitslosen und die der ausdem Erwerbsleben ausscheidenden Selbstständigen. Vordem Hintergrund, dass die Zahl der Insolvenzen im Be-reich der Güterkraftverkehrsunternehmen jedes Jahr,seitdem Sie an der Regierung sind, neue Rekordhöhenerreicht hat, ist die Messlatte an dieses System zu legen,und das wird 2003 nicht besser.Wir betreiben einen riesigen Aufwand, bewegen über3,6 Milliarden Euro, wenn dann 15 Cent erhoben wer-den, von denen dann irgendwann knapp die Hälfte imHaushalt des Verkehrsministers ankommt. Ich sage Ih-nen schon heute voraus: Jeder Euro, der auf dieser Seiteankommt, wird auf der anderen Seite, bei den steuerfi-nanzierten Maßnahmen, abgesenkt. Das Ergebnis wirdsein: Die Ausgaben für den Straßenverkehr werden sichauf genau demselben Niveau wie derzeit bewegen, aberdie Finanzierungsgrundlage wird verändert. Alles anderewäre eine Chimäre.
– Ich bin einmal gespannt, Herr Kollege Weis, wie vielezusätzliche Euro aus den Mauteinnahmen dann tatsäch-lich in Infrastrukturmaßnahmen fließen, wenn Sie denHaushalt 2004 vorlegen, und wie sich all das andere auf-lösen wird.Ich lasse mich gerne im Interesse des Gewerbes vomGegenteil überzeugen. Aber solange ich keine belastba-ren Daten habe, bleibe ich dabei: Diesem Ergebnis kön-nen wir nicht zustimmen. Wir werden uns bei der Ab-stimmung über diesen Punkt enthalten, weil wir glauben,dass die Gefahren mindestens so groß sind wie die Zwi-schenerfolge, die bei den Verhandlungen erreicht wur-den.Danke sehr.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ali Schmidt.Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN):Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Mir hat gestern ein sehr geschätzter CDU-Kollege, der auch Mitglied dieses Hauses ist, erzählt:Noch niemals, seitdem er Abgeordneter ist – und er istsdttBRRdoMvhiddoühKsdltbatrhpldnfNBvvwerndbdhnldgS
ailboxen, Briefkästen, Faxgeräte quellen seit Wochenon Leidensberichten und Beschimpfungen über, dieäufig in dem schönen Satz gipfeln: Tun Sie etwas! – Esst sehr schwer, liebe Kolleginnen und Kollegen, dannen Bürgerinnen und Bürgern klar zu machen, dass seiter Bahnreform die Politik nicht mehr einfach so in dasperative Geschäft eingreifen kann und auch nicht soll,brigens auch nicht der Aufsichtsrat. Der Aufsichtsratat das Fahrpreissystem nicht beschlossen, es ist ihm zurenntnisnahme vorgelegt worden, aber er hat es nie be-chlossen. Das liegt in der Verantwortung des Vorstan-es.Dann kamen nach und nach die Zahlen ans Tages-icht: statt geplanter 13 Prozent plus in der Verkehrsleis-ung im Fernverkehr 14 Prozent minus, das heißt, manleibt fast 30 Prozent hinter den eigenen Zielen zurück;llein im Fernverkehr 133 Millionen Euro Miese. Spä-estens da wurde klar, dass hier nicht irgendwelche Que-ulanten räsonieren, sondern dass die Kunden begonnenaben davonzulaufen. Das tut einem grünen Verkehrs-olitiker in der Seele weh – nach allem, was wir als Vor-eistung der Politik in dieser Koalition gemeinsam fürie Bahn bewegt haben: Rekordsummen für Investitio-en in die Modernisierung des Netzes, Rekordsummenür ein dynamisiertes Regionalisierungsgesetz für denahverkehr, Halbierung des Ökosteuersatzes, um derahn einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Straße zuerschaffen, Anhebung der Pendlerpauschale auf das Ni-eau des Kilometergeldes beim Auto. Deshalb warenir nicht zufrieden, als wir als Gründe für die Umsatz-inbrüche immer nur gehört haben: Hochwasser, Eis-egen, Billigflieger, Konjunktur. Alles war schuld, nuricht das neue Fahrpreissystem. Man konnte nur nochen Kopf schütteln.Am meisten taten mir die Mitarbeiterinnen und Mitar-eiter des Unternehmens Leid,
ie Zugbegleiter, die mir in den Zügen oft ehrlich gesagtaben: Herr Schmidt, wir finden das auch nicht gut. Ei-ige haben mir sogar gesagt: Jede Woche wird der Zugeerer. Das ist deprimierend. Eine solche Stimmung beier Kundschaft und bei den Mitarbeitern ist ein Alarmsi-nal. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, könnenie sicher sein, dass ich dieses Thema mit den Verant-
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Albert Schmidt
wortlichen im Unternehmen hinter verschlossenen Türenum eine ganze Oktave deutlicher diskutiert habe, als esgelegentlich öffentlich hörbar geworden ist.
Zugleich vollzog sich eine fast gespenstisch anmu-tende Debatte über einen unmittelbar bevorstehendenBörsengang des Unternehmens im Jahr 2005. WürdenSie derzeit eine Bahnaktie kaufen? – Sehen Sie! Die Blü-tenträume vom schnellen Börsengang sind mit dem Eis-regen dieses Winters und seinen Auswirkungen auf dieUmsatzzahlen erfroren. Ich bin nicht einmal unglücklichdarüber; denn damit wird endlich bewusst: Nach jahre-langer Vernachlässigung des Verkehrsträgers Bahn mussdieses Unternehmen erst einmal durch die schwierigePhase der Sanierung; es muss erst einmal echte schwarzeZahlen schreiben.
Auch dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht esdoch nicht um einen Börsengang im eigentlichen Sinne– das ist kein verkehrspolitisches Ziel –, sondern es gehtum die Kapitalmarktfähigkeit. Zunächst muss dieDB AG wie jedes andere Unternehmen auch in die Lageversetzt werden, auf dem Kapitalmarkt Kapital akquirie-ren, dieses bedienen und sich aus eigener Kraft refinan-zieren zu können. Das muss doch das Ziel sein. Allesandere kommt mir merkwürdig vor. Oder wollen wirwirklich allen Ernstes den Goldesel Bahn mit den Mil-liarden der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler füttern,damit er am anderen Ende den privaten Shareholdern dieDukaten auf die Hand scheißt, als staatlich garantierteRendite sozusagen? Das ist doch eine alberne Vorstel-lung von Marktwirtschaft und Börse.
Die materielle Privatisierung des Netzes in einem in-tegrierten Konzern ist aus meiner Sicht nur eine neue Va-riante des alten britischen Fehlers, und zwar mit ver-hängnisvollen Folgen. Denn private Shareholder würdennatürlich massiv Druck ausüben, dass sich die Bahn vonunrentablen Teilen des Netzes trennt, um mehr Renditezu erzielen, und zwar zum Schaden einer Infrastruktur,die nach dem Grundgesetz dem Gemeinwohl verpflich-tet ist, und zum Schaden einer Bahn, die in erster Liniefür die Bürger da zu sein hat und nicht für die Börse.
Ich hoffe, dass in Fragen Börsengang jetzt Realismuseinkehrt. Ebenso hoffe ich, dass ein anderer Kommuni-kationsstil einkehrt, ein Kommunikationsstil, der zeigt,dass die Fahrgäste nicht umerzogen, sondern ernst ge-nommen werden sollen.
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Ich verkenne nicht die Zuständigkeiten, die seit derahnreform gelten. Die Verantwortung für die Unter-ehmensentscheidungen ist und bleibt beim Manage-ent. Aber es ist und bleibt eben auch eine verkehrspoli-ische Frage, und zwar eine entscheidende Frage, ob eselingt, im Wettbewerb mit dem Hauptkonkurrentenuto tatsächlich mehr Fahrgäste für die Schiene zu ge-innen oder nicht. Auch in seiner Funktion als Eigentü-er des Unternehmens kann und wird es dem Bundicht gleichgültig sein, wenn massive Umsatzeinbrücheum Beispiel im Fernverkehr neue Finanzrisiken schaf-en. Denn letztlich könnte den Steuerzahlerinnen undteuerzahlern so eine zusätzliche Rechnung präsentierterden.Die Deutsche Bahn AG hat nun substanzielle Kor-ekturen beim Fahrpreissystem angekündigt. Das istut. Es wird nicht länger gemauert, sondern die Kritiker Fahrgastverbände und der Verbraucherverbände wirdndlich ernst genommen. Aber die Absenkung der ab-chreckenden Stornogebühr kann nur ein erster Schrittein, dem weitere folgen müssen. Ich nenne beispiels-eise die Aufhebung der Wochenendbindung bei denlan-und-Spar-40-Preisen und die Einführung einerBahncard Gold“ für günstiges Spontanreisen.
Bahnfahren muss einfacher werden und flexibel blei-en. Vor allem muss der alte Systemvorteil der Bahniederhergestellt werden, dass nämlich jeder Stamm-unde spontan und zugleich preisgünstig Bahn fahrenann.
eit 100 Jahren ging man zum Bahnhof, stieg in den Zugnd fuhr los. Plötzlich aber will man die Fahrgäste umer-iehen, indem man die Spontanreisen verteuert. Dasuss schief gehen. Ich hoffe auf die Einsicht des Unter-ehmens und darauf, dass auch hier nachgebessert wird,nd zwar bald.Ich will noch eines deutlich sagen. Wenn die letztenlten Bahncards, die von Reiseprofis noch schnell am4. Dezember des letzten Jahres gekauft wurden, am4. Dezember dieses Jahres ihre Gültigkeit verlieren undenn sich dann in einer nächsten Welle Stammkundin-en und Stammkunden von der Bahn verabschieden,ann wird es erst richtig bitter.
ch bitte meine Aussagen als einen ebenso freundschaft-ichen wie eindringlichen Rat zu verstehen.
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Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Ich will den Satz noch zu Ende führen. – Diesen
freundschaftlichen und eindringlichen Rat an das selbst-
ständige und eigenverantwortlich handelnde Unterneh-
men Bahn gebe ich aus Liebe zur Bahn und nicht, um zu
meckern, wie manche meinen. – Wer möchte eine Zwi-
schenfrage stellen?
Die Kollegin Blank.
Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Frau Kollegin Blank, bitte.
Herr Kollege Schmidt, Sie waren Mitglied des Auf-sichtsrats der Deutschen Bahn AG. Das neue Preissys-tem ist doch nicht vom Himmel gefallen, sondern es istsicherlich im Aufsichtsrat zur Kenntnis genommen odersogar gebilligt worden. Können Sie mir sagen, wie derAufsichtsrat zu diesem neuen Tarifsystem stand?Ich habe noch eine weitere Frage, die eben schon vomKollegen Friedrich aufgeworfen wurde. Laut Aktienge-setz kann der Vertrag des Bahnchefs Mehdorn frühestensein Jahr vor Ablauf verlängert werden. Da er erst im De-zember 2004 ausgelaufen wäre, hätte er nicht schonjetzt, im Mai, verlängert werden dürfen. Hätte man nichtvielmehr eine andere Möglichkeit finden müssen, bei-spielsweise eine vorzeitige Auflösung des alten und denAbschluss eines neuen Vertrages?Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN):Frau Kollegin Blank, ich bin Ihnen für Ihre Fragensehr dankbar, weil Sie mir damit noch einmal die Gele-genheit geben, ein Missverständnis richtig zu stellen.Ich habe es vorhin schon kurz angesprochen, sage esaber gerne noch einmal: Der Aufsichtsrat der DeutschenBahn AG, dem ich damals noch angehörte, hat im Früh-jahr des letzten Jahres – ich glaube, es war im März – ineiner Sitzung das neue Fahrpreissystem in der Tat aufder Tagesordnung gehabt. Die damals verantwortlichenVorstandsmanager, die inzwischen, wie Sie wissen, ent-lassen worden sind, haben die Funktionsweise des neuenSystems vorgestellt.Im Anschluss fand eine kritische Diskussion statt, inder ich jeden einzelnen Kritikpunkt wie beispielsweiseStornogebühren und mangelnde Flexibilität – diesePunkte nenne ich seit Monaten beharrlich – vorgetragenhabe. Der Aufsichtsrat hatte aber über das neue Preissys-tem keinen Beschluss zu fassen; denn er ist nicht für dasoperative Geschäft zuständig und damit auch nicht fürdd2wlemmddVMdSzSsSgdtrKsdStrddKdegddBwkztlFenHr
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zuem zweiten Thema ein paar Gedanken vortragen. Nacher Verständigung über die LKW-Maut vorgestern imermittlungsausschuss steht nunmehr fest: Die LKW-aut auf Autobahnen wird pünktlich zum 31. Augustieses Jahres eingeführt. Damit ist der Einstieg in denystemwechsel geschafft: von einer reinen Steuerfinan-ierung der Verkehrswege hin zu einer Kombination austeuer- und Nutzerfinanzierung.Damit wird – darauf sind wir heute ein bisschentolz – trotz anderer Mehrheiten im Bundesrat einchlüsselprojekt rot-grüner Verkehrspolitik auf den Wegebracht. Vor allem – das wurde schon angesprochen –er Verursachergerechtigkeit wird damit Rechnung ge-agen; denn auch mit den jetzt reduzierten 12,4 Cent proilometer und Fahrzeug im Durchschnitt werden diechweren LKWs etwa zwölfmal mehr für die Benutzunger Straßen zu bezahlen haben als bisher.Die LKW-Maut ist natürlich auch ein wichtigerchritt zur Chancengleichheit zwischen den Verkehrs-ägern Straße und Schiene, denn auf der Schiene gibt esie Maut schon lange, nur heißt sie dort nicht Maut, son-ern Trassenpreis. Jeder Zug muss für jeden genutztenilometer an DB Netz seine Wegekosten abführen undieses Prinzip wird im Sinne der Waffengleichheit nunndlich auch auf der Straße für den schweren LKW ein-eführt.Die LKW-Maut ist auch eine Grundvoraussetzung füras dritte Ziel, die Stauvermeidung auf der Straßeurch die Verlagerung von Gütertransporten auf dieahn und auf das Binnenschiff. Jede LKW-Ladung, dieir von der Straße auf die Schiene bringen, ist ein Stückonkretes Anti-Stau-Programm.Wie sieht nun dieser im Vermittlungsausschuss er-ielte Kompromiss konkret aus? Die Höhe der Maut be-rägt – es ist angesprochen worden – statt der ursprüng-ich geplanten 15 Cent nun zunächst nur 12,4 Cent proahrzeug und Kilometer, wodurch natürlich die Gesamt-innahmen von gedachten 3,4 Milliarden Euro auf nuroch 2,8 Milliarden Euro reduziert werden. Das zeigt,err Kollege Friedrich – das kann ich Ihnen nicht erspa-en –, die Handschrift der FDP.
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Albert Schmidt
Wenn es nach uns gegangen wäre, wäre es bei den300 Millionen geblieben. Die Reduzierung verringertdas verfügbare Investitionsvolumen für die Verkehrs-wege um 600 Millionen Euro. So einfach ist das.
Zudem wurde so eine echte Harmonisierung verhin-dert, da nicht nur deutsche, sondern gleichermaßen auchausländische Spediteure von der Absenkung des Maut-satzes profitieren.
Deshalb war man sich im Grundsatz einig, dass die Bun-desregierung jetzt unverzüglich in Brüssel konkreteMaßnahmen zur Schaffung echter Harmonisierungs-schritte, also vergleichbarer Wettbewerbsbedingungenfür das deutsche Gewerbe im europäischen Vergleich,beantragen wird.
Sobald also die jeweiligen Maßnahmen von der Euro-päischen Union notifiziert sind, wird der Erhebungssatzfür die LKW-Maut um das entsprechende Entlastungs-volumen wieder angehoben. Zum Beispiel würde eineAbsenkung der Kraftfahrzeugsteuer auf das europäischeMindestniveau eine Anhebung der LKW-Maut um0,5 Cent pro Kilometer und Fahrzeug zur Folge haben.Auch diesem Verfahren hat die Bundesratsmehrheit zu-gestimmt.Einigkeit wurde auch darüber erzielt, dass weiterhin,wie beim Anti-Stau-Programm vorgesehen, neben demStraßenbau auch der Ausbau von Schiene und Wasser-straße aus der Maut finanziert werden kann. Die Netto-einnahmen sollen insgesamt in die Infrastruktur fließen,wenn auch „überwiegend“, wie es heißt – also zu min-destens 51 Prozent –, in den Straßenbau. Letzteres aberist schon dadurch gewährleistet, dass das geplante maut-finanzierte Betreibermodell mit einem Volumen über250 Millionen Euro pro Jahr eben nur für den Autobahn-neubau eingeführt wird.Ich will zum Schluss sagen, dass uns die Auswirkun-gen dieses Kompromisses auf diesen Haushalt sicherlichnoch öfter beschäftigen werden. Man muss sich ganznüchtern vor Augen halten, dass der Einnahmeausfallbeim Finanzminister durch den Wegfall der bisherigenLekSmwhsmbrsducVwlswozgbbvdgMßDd1vDvSVS
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Eduard Oswald.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Dieisherige Debatte hat gezeigt, dass wir uns über die He-ausforderungen, die Mobilität an uns stellt, im Grund-atz klar sind: Wir müssen die Mobilität sicherstellen,ie die Bevölkerung wünscht, die die Wirtschaft brauchtnd die langfristig für Mensch und Natur tragbar ist.Deswegen benötigen wir – in den Zielen sind wir si-her nicht immer einer Meinung – eine gut ausgebauteerkehrsinfrastruktur, um im internationalen Standort-ettbewerb mithalten und unsere Aufgaben als Transit-and erfüllen zu können. Eine effiziente Verkehrsinfra-truktur zur Sicherung der Mobilität ist ein ganzichtiger Bestandteil unseres Wirtschaftsstandortes und,bwohl das oft bezweifelt wird, wesentliche Vorausset-ung für Wachstum und Beschäftigung. Deshalb benöti-en wir in unserem Land auch und gerade aufgrund derevorstehenden EU-Osterweiterung einen weiteren Aus-au der Infrastruktur.
Ich will meinen Schwerpunkt heute auf den Bundes-erkehrswegeplan setzen. Sie haben mit der Vorlageieses Bundesverkehrswegeplanes Ihre Chancen nichtenutzt.
it diesem Plan werden Sie den Stau auf unseren Stra-en nicht bekämpfen können.
ie unnützen Kraftstoffe, die in die Luft geblasen wer-en, schaden der Umwelt. Dies sind Jahr für Jahr2 Milliarden Liter. Durch den Stau entstehen jährlicholkswirtschaftliche Verluste von 100 Milliarden Euro.as sind Zahlen, die das Bundesforschungsministeriumerbreitet hat. Auch daraus sollten Sie die notwendigenchlüsse ziehen.Sie müssen sich einige sehr grundsätzliche Fragen zurorbereitung dieses Planes stellen lassen. Wie kommenie dazu, beim Schienengüterverkehr ein Wachstum von
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Eduard Oswald103 Prozent zur Grundlage Ihrer Berechnung zu ma-chen? Mit solch unrealistischen Annahmen wird dasFundament Ihres Bundesverkehrswegeplanes brüchig.Wir wollen die Verlagerung der Verkehre von derStraße auf die Schiene. Wir wollen ein leistungsfähigesUnternehmen im Bereich der Schiene. Aber wir müssenuns natürlich mit den Realitäten auseinander setzen.Sie müssen sich auch die Frage nach den Zuordnun-gen zu den Verkehrsträgern gefallen lassen. Obwohl klarist, dass wir jeden der Verkehrsträger brauchen, ist dochRealität, dass die Straße 85 Prozent des Verkehrs abwi-ckelt, aber nur 50 Prozent der Mittel erhalten darf. DieAutofahrer haben das deutsche Straßennetz über hoheSteuern bereits komplett bezahlt; das ist Fakt. Der Man-gel besteht ja nicht bei den Einnahmen aus dem Straßen-verkehr, sondern in der Verweigerung nötiger Ausgaben.
Das heißt, verkehrliche Abgaben müssen wieder in denVerkehr zurückfließen.Sie selbst gestehen in Ihrem Entwurf ein, dass – manhöre – nur noch 90 Prozent des deutschen Autobahnnet-zes „ohne Gebrauchswerteinschränkung“ nutzbar seien.8 Prozent wiesen „Beeinträchtigungen“ auf und 2 Pro-zent seien „nur eingeschränkt befahrbar“. Bei den Bun-desstraßen gelten nur noch 81 Prozent als unbeschränktbenutzbar. 15 Prozent seien in ihrer Funktion beeinträch-tigt und 4 Prozent erheblich beeinträchtigt. Ähnlichesgilt für die Ingenieurbauwerke. Hier sind rund 15 Pro-zent und damit mehr als 5 000 Bauwerke in einem kriti-schen Zustand; man muss sich das einmal vorstellen.Wenn Sie schon selbst dies alles beschreiben, dann soll-ten Sie daraus auch die notwendigen Schlüsse ziehen.
Die Sicherstellung der Mobilität ist eine der Schlüs-selfragen für die Zukunft und den Erfolg unseres Lan-des. Dabei erfüllt der Verkehr keinen Selbstzweck, son-dern ist ein wichtiger Faktor der Gesellschaft, derWirtschaft und der Arbeitsmarktpolitik. Zur dauerhaftenSicherung einer umweltverträglichen Mobilität be-darf es dreierlei: einer gut ausgebauten Verkehrsinfra-struktur, einer optimalen Vernetzung aller Verkehrsträgerund schließlich entsprechende Verkehrsträger übergrei-fender Informationssysteme. Genau da weist der PlanDefizite auf.Ich will Ihnen sechs Punkte nennen:Erstens. Nicht der zunehmende Infrastrukturbedarf,zum Beispiel durch die Osterweiterung der EU, be-stimmt die Investitionen in die Infrastruktur, sondern dieknappen Kassen des Bundesfinanzministers.Zweitens. Der überwiegende Anteil der im Finanzrah-men bis 2015 vorgesehenen Mittel entfällt – schauen Siesich das einmal genau an! – auf laufende oder bereits festeingeplante Verkehrswege. Anstatt den erforderlichenUmfang an Verkehrsinfrastruktur konkret aufzuführenund die künftige Finanzplanung danach auszurichten,wurden die Projektlisten auf die vorhandene unzurei-chende Finanzausstattung abgestimmt.ridfWeftnpDg5WkmBivznznvdeEphzggnIBdUO
Viertens. Der vordringliche Bedarf für Straßenbau-rojekte muss deutlich erweitert werden.
aran führt kein Weg vorbei. Ihre jetzige Abschneide-renze bei einem Kosten-Nutzen-Koeffizienten von,2 Prozent ist gleich bedeutend mit einem Verzicht aufachstumsimpulse und auf die Lösung drängender Ver-ehrsprobleme in vielen Regionen Deutschlands. Hieruss etwas passieren.
Fünftens. Die Planungsreserve im vordringlichenedarf ist auf mindestens 30 Prozent zu erhöhen. Diesst notwendig, um einen unbürokratischen Austauschon Projekten während der Laufzeit des Bedarfsplanesu gewährleisten. Das ist sinnvoll, da erfahrungsgemäßicht alle Projekte des vordringlichen Bedarfs rechtzeitigum Laufen gebracht werden. Die Anhebung der Pla-ungsreserve eröffnet zusätzlichen Spielraum für denordringlichen Bedarf.
Sechstens. Herr Bundesminister, ich bin sehr dankbar,ass Sie das Thema private Infrastrukturfinanzierungrwähnt haben. Wie halten Sie es damit aber zukünftig?s geht nicht nur um privates Kapital, sondern auch umrivates Know-how. Wenn Ihnen die Bauindustrie vor-ält, das Jahr 2003 sei für die private Infrastrukturfinan-ierung ein verlorenes Jahr, sollte Ihnen das zu denkeneben.Die Arbeitsmarktprobleme lassen sich ohne Bewälti-ung der Baukrise nicht lösen. Mich bedrückt, wie we-ig öffentliche Betroffenheit die Lage am Bau auslöst.ch meine nicht die Betroffenheit über den Zustand einerranche, sondern über den Zustand eines Landes, in demas Wegbrechen von Bauinvestitionen offensichtlich diersache eines spürbar sinkenden Lebensstandards ist.hne Bau – das sage ich Ihnen – kein Wachstum.
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Eduard OswaldEs geht nicht um Subventionen. Ziel muss eine Politiksein, die Deutschland als Investitionsstandort verstehtund entsprechend entwickelt. Ohne eine nachhaltigeWende in der Investitionspolitik kommen wir aus der ge-genwärtigen Situation nicht heraus. Unser Ziel muss lau-ten: Investieren für Mobilität.Wir brauchen jeden Verkehrsträger. Schwerpunktmuss die Vernetzung der unterschiedlichen Verkehrsträ-ger sein, gleich ob dies die Anbindung von Straße undSchiene an Flughäfen oder an Wasserstraßen und Häfenbetrifft. Ich bedauere sehr, dass Sie auch in diesem Jahrnoch kein Wasserstraßenausbaugesetz vorgelegt haben,das dem Binnenschifffahrtsgewerbe und der verladendenWirtschaft die erforderliche Planungssicherheit gäbe, diebei den Verkehrsträgern Schiene und Straße bereits seitlangem gegeben ist. Hier müssen Sie nacharbeiten.Ich bedauere ferner sehr, dass Sie nicht den Mut hat-ten, stärker als bisher Verantwortung für die bundesweiteRahmenplanung im Bereich der Flughäfen zu überneh-men. Auch das ist ein Thema, über das wir reden müs-sen. Wenn wir einen ernst zu nehmenden Bundesver-kehrswegeplan wollen, müssen darin alle VerkehrsträgerBerücksichtigung finden; sonst handelt es sich nur umeinen Teil- oder Rumpfplan. Den Mut dazu hätten Sieaufbringen müssen.
– Immer wenn es hier unruhig wird, fühle ich mich inmeinen Aussagen bestätigt. Denn Unruhe auf der linkenSeite des Hauses bedeutet eigentlich stets, dass ich Rechthabe.
Wir brauchen eine klare Aussage zur Kapazitätsent-wicklung der deutschen Flughäfen. Wir müssen in allenBereichen Farbe bekennen. Beim Schwerpunkt Schienesind wir uns in vielen Punkten einig. Wir müssen hier et-was Entscheidendes tun; denn mehr als 50 Prozent desSchienengüterverkehrs werden im internationalen Ver-kehr abgewickelt.Sie müssen noch nacharbeiten. Bis zu Ihrer Kabinetts-entscheidung müssen Sie an diesem Bundesverkehrswe-geplan noch viel arbeiten. Wir erwarten, dass Sie bei derParlamentsentscheidung – Herr Bundesminister, IhrenWorten entnahm ich das – Flexibilität zeigen. Sie dürfendann nicht sagen: Jetzt ist alles beschlossen; jetzt ma-chen wir nichts mehr.Sie müssen dem Parlament Entscheidungsräume ge-ben. Wir werden unsere Verantwortung für eine gemein-same Verkehrsinfrastruktur wahrnehmen. Bis zur Kabi-nettsentscheidung sind Sie aber selber am Zug. BessernSie diesen Entwurf bis zur Kabinettsentscheidung in denwesentlichen Punkten nach!
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Mir ist auch bewusst, dass wir jetzt in einem erstenchritt mit der abgesenkten Maut nur den zweitbesteneg beschreiten; aber die nächsten Schritte sind vorge-eichnet. Mein Kollege Beckmeyer wird in seinem Bei-rag darauf näher eingehen.
Es hat um die LKW-Maut in den letzten Wochen vielepekulationen gegeben. Die Gegner der Maut habeneine Gelegenheit ausgelassen, ein apokalyptisches Sze-ario zu beschwören. Manche haben gehofft, Widerstandber die EU mobilisieren zu können. Das alles ist nichtelungen. Andere Mautgegner haben dann auf die Oppo-ition und deren langen Arm im Bundesrat gesetzt undehofft, dort würde die Maut doch noch zu Fall gebrachterden. Auch sie wurden eines Besseren belehrt. Letzt-ch hatten die Opposition und die B-Länder schon deut-ch gemacht, dass auch ihnen bewusst ist, dass wir daseue Finanzierungsinstrument für Verkehrsinvestitio-en benötigen.
as hohe Investitionsniveau wird nämlich dadurch ge-alten werden. Das ist die Nachricht, die mit großer Er-ichterung überall aufgenommen werden kann.
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Reinhard Weis
Vor uns stehen jetzt die Beratungen über den Bundes-verkehrswegeplan, mit dem in den Jahren bis 2015 dashohe Investitionsvolumen von 10 Milliarden Euro jähr-lich umgesetzt wird. Das ist Verkehrswegeplanung fürdas 21. Jahrhundert. Sie bedeutet Verlässlichkeit undVerstetigung der Investitionstätigkeit auf hohem und an-spruchsvollem Niveau.Kollege Fischer, gestatten Sie mir in diesem Zusam-menhang eine Anmerkung zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion. Sie üben Kritik daran, dass der Bundesministerfür Verkehr, Bau- und Wohnungswesen an Länder, Ver-bände und die Abgeordneten des Deutschen Bundesta-ges einen Entwurf des Bundesverkehrswegeplanes ge-schickt hat, aber noch keinen richtigen Gesetzentwurf.Diese Kritik ist grotesk und kleinkariert. Freuen Sie sichdoch darüber, dass der Bundesminister Ihnen und denMitgliedern Ihrer Fraktion vollen Einblick in den Pro-zess gegeben hat,
statt den Entwurf im stillen Kämmerlein hinter ver-schlossenen Türen zu beschließen und Ihnen dann denendgültigen Plan zu übersenden. Nie zuvor hat es bei derErarbeitung eines Bundesverkehrswegeplanes eine sol-che Möglichkeit der Mitberatung für Länder und Ver-bände gegeben.
Die CDU/CSU-Fraktion hat wahrscheinlich damit ge-rechnet, dass die Bundesregierung bei der Aufstellungdes Bundesverkehrswegeplanes in die alte Mauscheleiverfällt, wie sie die vorige Regierung praktiziert hat.
Die CDU/CSU-Fraktion hat in einer unserer Ausschuss-sitzungen zu diesem Thema sogar unsere Offenheit, diewir in diesem Prozess an den Tag legen, als unparlamen-tarisches Verhalten bezeichnet. Man muss schon sehrbösartig sein, um so wie Sie zu reagieren.
Ich möchte an dieser Stelle unserem Parlamentari-schen Staatssekretär Achim Großmann ganz besondersfür die Arbeit danken,
die er mit großer Umsicht, viel Fingerspitzengefühl undeinem wunderbaren Gefühl für Ausgleich und faire Kon-sensfindung geleistet hat. Jeder weiß, wie schwierig esist, wenn es um die Verteilung von Investitionsmittelnzwischen Ländern, Regionen und Kommunen geht.Achim Großmann hat die Ningelei, man habe die Abge-ordneten zu früh informiert und mit einem Diskussions-papier quasi belästigt, wirklich nicht verdient. Ihre Frak-tion ist tatsächlich die allererste, die ich kennen gelernthbdMsBcpmcwgdssdwnVedzRgtaVeGGtBdlgaBEdwgsdJEVadDtaD
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– Sie hätte wirklich ein bisschen mehr Applaus aus demganzen Hause verdient. –
In dieser Gesellschaft sind Kompetenz und Erfahrungversammelt. Die DEGES stellt zudem ein Angebot dar,öffentliche Verwaltungsstrukturen zu straffen, ohne dassdie Gefahr besteht, Kapazitäten für die Planung und dieRealisierung von Großprojekten zu verlieren.Dieses Angebot besteht noch. Sie wissen, dass dieDEGES eine Einrichtung ist, die auf Zeit installiertwurde. Je näher wir dem Zeitpunkt kommen, an dem dieRealisierung der Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ausläuft, desto näher kommen wir dem Zeitpunkt, andem dieses Kompetenzzentrum abgewickelt werdenmuss. Ich bitte deshalb die Bundesregierung und auchdie Bundesländer, die Überlegungen zur Verallgemeine-rung der guten Erfahrungen mit der DEGES und dasProjekt der Verwaltungsvereinfachung miteinander zukombinieren. Hierin liegen nach meiner Überzeugungnicht nur Beschleunigungspotenziale, sondern auchSparpotenziale für die Finanzminister.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dirk Fischer.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen!Der Bundesverkehrswegeplan ist … zügig zu über-arbeiten. Dies gilt für die zu aktualisierendenVerkehrs- und Preisprognosen, die Bewertungs-maßstäbe, die verkehrsträgerübergreifenden In-tegrationseffekte und für die Sicherstellung derFinanzierbarkeit einschließlich der Folgekosten.
So ist es in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung vom20. Oktober 1998 zu lesen.
tidAmpuEwEnabBtDbesssgsdAzNnissuv
uch heute, gut viereinhalb Jahre später, hat das Parla-ent noch immer keinen neuen Bundesverkehrswege-lan und die dazugehörigen Ausbaugesetze für Straßend Schiene auf dem Tisch liegen.
s liegt lediglich ein erster Referentenentwurf ohne Ge-ähr auf Endgültigkeit oder Vollständigkeit vor.
s handelt sich nur um eine Beratungsunterlage, dieoch mit den anderen Ressorts und den Bundesländernbgestimmt werden muss.Es war völlig unseriös, dieses unfertige und nicht ver-indliche Arbeitspapier durch den Minister vor derundespressekonferenz bereits am 20. März einer brei-en Öffentlichkeit vorzustellen.
ie Öffentlichkeit und das Parlament wollen etwas Ver-indliches haben. Etwas ist erst dann verbindlich, wennine Kabinettsentscheidung dazu vorliegt. Rohentwürfeind nicht verbindlich.
Einen Tag früher als wir Abgeordneten und der zu-tändige Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-en wurden bereits die Journalisten mit Informationenefüttert. Es hat der besonderen Intervention des Aus-chussvorsitzenden bedurft, dass sich die Regierungazu bequemte, am 2. April dem Ausschuss Rede undntwort zu stehen.Hütchenspieler gehen gelegentlich weniger trickreichu Werke:
ur damit die Grünen daheim bei der Basis sagen kön-en, dass der Investitionsbedarf für die Schiene größert als der für die Straße, hat die Koalition erstmalig undystemfremd die Nahverkehrsfinanzmittel aus GVFGnd Regionalisierungsgesetz zum projektierten Finanz-olumen für den Bereich Schiene hinzugerechnet.
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3836 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003
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Dirk Fischer
Zufälligerweise hat man aber beim Straßenbau dieGVFG-Mittel nicht zugerechnet. Sonst wäre diesesSpielchen nämlich nicht aufgegangen.
Wie man hört, will das Kabinett über den Bundesver-kehrswegeplan offenbar vor der Sommerpause entschei-den, über die Ausbaugesetze aber erst im Herbst. Bisherist beides dem Parlament immer zeitgleich zugeleitetworden. Wir können mit der Beratung erst dann begin-nen, wenn wir die Ausbauänderungsgesetze für Straßeund Schiene auf dem Tisch liegen haben; denn der Bun-desverkehrswegeplan ist nur ein Bedarfsplan, den wirberaten und den wir zur Kenntnis nehmen. Entscheidendsind die Ausbauänderungsgesetze und – im Anhang –die Bedarfspläne.
Wenn ich es richtig sehe, kann es hier im Hause erstEnde Oktober oder Anfang November losgehen; dennvorher findet noch die Sechs-Wochen-Runde im Bun-desrat statt, bei der es jede Menge Stellungnahmen unddazu dann die Gegenäußerungen der Bundesregierunggibt. Wir können also davon ausgehen, dass das Parla-ment frühestens Ende 2003 mit diesen Dingen befasstwird.Meine Fraktion hat in der Ausschussberatung vomMinisterium die Liste mit den jeweiligen Kosten-Nut-zen-Verhältnissen zu den Einzelprojekten und die Pro-grammeinstufung verlangt. Dieses ist am 2. April vomParlamentarischen Staatssekretär Großmann abgelehntworden. Merkwürdig, dass man das, was uns als Parla-ment verweigert wird, schon längst auf den Internetsei-ten des BUND lesen kann. Auch auf der Internetseite desBundesministeriums sind diese Angaben in der letztenWoche eingestellt worden.
Ich halte also fest: Von allen, die zu informieren sind,wird das Parlament, der Deutsche Bundestag, amschlechtesten behandelt.
Die Grünen, die früher immer besonders für die Rechtedes Parlaments eingetreten sind, sollten sich zutiefstschämen.
DsDewrDBhEchzbvmgRLBdßwSdVrAugnndwt
Meine Fraktion fordert die sofortige Vorlage einesndlich vom Kabinett beschlossenen Bundesverkehrs-egeplanes und die gleichzeitige Vorlage der dazugehö-igen Ausbauänderungsgesetze.
ie rot-grüne Bundesregierung manifestiert mit ihremundesverkehrswegeplan auf Planungsebene die dauer-afte Unterfinanzierung des Bundesfernstraßenbaus.s ist also ein typisch rot-grüner Plan.
Wenigstens haben wir eine Einigung über die stre-kenbezogene LKW-Maut auf dem Vermittlungswegeinbekommen. Das verfügbare Mautaufkommen wirdur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur zweckge-unden und überwiegend für den Bundesfernstraßenbauerwendet. Für unser Transportgewerbe wird ein Har-onisierungsvolumen in Höhe von 600 Millionen Euroewährleistet. Das ist das Doppelte von dem, was dieegierung ursprünglich wollte. Dieses Ergebnis ist beiichte besehen doch nur auf Druck der unionsgeführtenundesländer und unserer Kollegen der CDU/CSU-Bun-estagsfraktion zustande gekommen.
Wir werden heute gemeinsam einen Antrag beschlie-en. Das Ergebnis der Verhandlungen entspricht aberahrlich nicht dem ursprünglichen Willen des Ministerstolpe, der Koalition oder der von Ihnen geführten Bun-esländer. Es musste Ihnen mühsam in stundenlangenerhandlungen abgerungen werden. Wir konnten erfolg-eich verhindern, dass die Maut wiederum nur als einbkassierinstrument missbraucht
nd damit zugleich die Nutzerfinanzierung bei den Bür-ern völlig diskreditiert wird, nach dem Motto: Es wirdicht der Infrastruktur zugute kommen, sondern der Fi-anzminister greift zu. Daneben konnte verhindert wer-en, dass unser Transportgewerbe unzumutbar belastetird und die versprochene Harmonisierung ausfällt.Herr Kollege Friedrich, an dieser Stelle hätte ich na-ürlich auch gerne die FDP erwähnt; denn jeder Kompro-
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Dirk Fischer
miss stellt ja nicht die eigene Traumlösung dar. ImÜbrigen darf ich nicht ganz verschweigen, dass auf derA-Seite, auf der die Bundesregierung, die rot-grünenLandesregierungen usw. saßen, auch der FDP-MinisterBauckhage aus Rheinland-Pfalz verhandelt hat.
Er hat in den Verhandlungen über das, was wir erreichenwollten, kräftig gegengehalten, aber gelegentlich auchgeholfen, hinterher Kompromissformulierungen anzu-bieten. Er trägt das Ergebnis jedoch mit.
Deswegen ist es für mich heute immer noch ganz unklar,wie die verbindliche Position der FDP in dieser Frageaussieht; denn Sie sind auf beiden Seiten vertreten.
Entscheidend wird jetzt sein, dass die Bundesregie-rung in Brüssel ein Mautermäßigungsverfahren bzw.Mineralölsteueranrechnungsverfahren durchsetzt. Fraude Palacio hat gesagt, dass sie erst im März von HerrnStolpe erfahren hat, was Deutschland will. Alle Nachfra-gen von uns haben ergeben, dass man nur auf der Ar-beitsebene mit Brüssel im Gespräch gewesen ist. Ichhalte fest: Die Leitungsebene hat sich die ganze Zeitüberhaupt nicht darum gekümmert. Weder ein Ministernoch ein Staatssekretär ist nach Brüssel gereist und hatin einem Frühstadium gesagt, dass man das und das tunwill. Ich halte das Vorgehen des Bundes in Bezug auf dieKommission und die Kommissarin für völlig dilettan-tisch.
Die zusätzlich gewonnenen Finanzierungsspielräumedürfen nicht durch gleichzeitige Kürzungen des regulä-ren Verkehrshaushaltes gleich wieder beseitigt werden.Wenn das geschehen würde, wäre das ein schlimmerVertrauensbruch gegenüber den Ländern.
Im Übrigen will ich an dieser Stelle nur ein Wort zudem, was auch der Kollege Schmidt angesprochen hat,sagen, nämlich zum Aufsichtsrat der DB AG. Mit derAbberufung der Bahnvorstände Franz und Koch sinddoch nur Bauernopfer gefallen. Eine vorzeitige Verlän-gerung des Vertrages mit Mehdorn halte ich zumindestfür sehr voreilig. Herr Schmidt, Sie sollten sich den § 84des Aktiengesetzes einmal genauer durchlesen – ich zi-tiere –:
–bmMProkußddldigHFi
Herr Kollege Fischer, Sie müssen zum Ende kommen.
Das heißt also: Mit dem, was Sie hier gesagt haben,
efinden Sie sich offensichtlich nicht in Übereinstim-
ung mit dem Aktiengesetz.
inister Stolpe hat gesagt, Mehdorn habe sich beim
reissystem verkalkuliert. Deshalb frage ich mich, wa-
um der Kapitän nicht die Verantwortung übernimmt,
bwohl er das Schiff in die Kollision gefahren hat. Man
ann dem Kapitän doch keine Gehaltserhöhung geben
nd zum Ausgleich zwei Matrosen über Bord schmei-
en. Das geht nun wirklich nicht.
Herr Kollege Fischer, achten Sie bitte darauf, dass Sie
ie Redezeit bereits weit überschritten haben.
Deswegen sage ich: Dieser Vorgang ist erklärungsbe-
ürftig, und zwar umso mehr, als Mehdorn noch in den
etzten Tagen gesagt hat, dass das System prima ist und
ass der Einbruch ausschließlich konjunkturell bedingt
st. Das heißt, er hat es bis heute immer noch nicht be-
riffen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Uwe Beckmeyer.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Dirkischer, das, was Sie hier vorgetragen haben, empfandch ein wenig als ein absurdes Theater.
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Uwe BeckmeyerDie Wahrnehmung der Christlich DemokratischenUnion hinsichtlich der Behandlung des Bundesverkehrs-wegeplans entspricht überhaupt nicht der Wahrheit. Einso transparentes Verfahren, wie es diesmal vom Ministe-rium gewählt worden ist – rechtzeitige Einbindung derKommunen und Länder, öffentliche Diskussion über dieMöglichkeiten der Aufstellung, das In-das-Netz-Stel-len –, hat es in der Bundesrepublik in dieser Form nochnie gegeben. Das muss man einmal festhalten.
Sich darüber zu beschweren und anschließend dem deut-schen Volk und dem Deutschen Bundestag klar machenzu wollen, dass das gegen die normale Regel ist, istwirklich absurd. Absurder kann es nicht sein.
Ich will an dieser Stelle aber gar nicht näher daraufeingehen, weil der Bundesverkehrswegeplan weiter mitden Ländern besprochen wird. Für Mitte dieses Jahres istein Kabinettsbeschluss angekündigt. Dieser Kabinetts-beschluss wird eine endgültige Fassung bekommen. Dasist richtig. Aber vor einem Kabinettsbeschluss gibt esArbeitspapiere. Das war in der Vergangenheit so und istauch in der Zukunft notwendig. Der hier zitierte Parla-mentarische Staatssekretär Großmann hat in unseremAusschuss angekündigt, dass Ende April/Anfang Maidie Daten ins Netz gestellt werden. Er hat sein Wort ge-halten. Das wollen wir heute Mittag einmal feststellen.
Ich will etwas zur Maut sagen, weil die Maut einerder entscheidenden Punkte ist, die der Deutsche Bundes-tag heute behandelt. Sie ist ein großer Erfolg fürDeutschland, ein großer Erfolg der Bundesregierung,aber auch ein großer Erfolg des Bundesverkehrsminis-ters. Man muss hier einmal zum Ausdruck bringen, dasswir dafür auch dem Minister persönlich für seinen Ein-satz, den er in den letzten Monaten hierfür gezeigt hat,danken sollten. Der Erfolg gibt ihm letztendlich Recht.
Wir haben große Widerstände auf allen Ebenen ge-habt. Wir haben ein verdecktes Taktieren der EU zurKenntnis nehmen müssen. Wir haben Geschrei aus Ver-bänden und Interessenvereinigungen zur Kenntnis ge-nommen und teilweise die eine oder andere Frage klärenkönnen, die möglicherweise falsch interpretiert wurde.Es hat Mühe gekostet; aber am Ende ist das Ergebnistragfähig.Bei manchen Diskussionsbeiträgen hat man allerdingsden Eindruck gehabt, dass das berechtigte Anliegen vondestruktivem Verhalten kaum noch zu unterscheiden war.Insofern muss ein Signal aus dem Deutschen Bundestagan die Öffentlichkeit und die Verbände hinausgehen, mitdnhiDMBcdFBhRdSAteFgmfeIdkmckHvDsDs
Wir haben einen Quantensprung erreicht. Was wireute verabschieden, hat Modellcharakter für Europa. Esst eine grundlegende Neuorientierung.
ie Finanzierung durch die Nutzer, die wir zum erstenal jetzt in Deutschland auf den Weg bringen, ist etwasesonderes. Ich habe die Diskussion in den letzten Wo-hen teilweise nicht verstehen können. Es wurde gesagt,as sei ein Weg, der nicht dazu beitrage, dass zusätzlicheinanzmittel bereitgestellt werden. Selbst die Deutscheank, die immer nach neuen Geschäften sucht und ruft,at in der neuesten Veröffentlichung der „Deutsche Bankesearch“ das Thema aufgegriffen und lässt sich überie Betreibermodelle für Verkehrsinfrastruktur aus.ie lobt die Möglichkeiten der Finanzierung nach dem- und F-Modell auch des Bundesverkehrswegeplans.Durch die Einführung der Maut werden wir zum ers-n Mal in die Lage versetzt, die Chance der privateninanzierung in Deutschland zu nutzen. Das ist derrößte Erfolg überhaupt, den wir in der Bundesrepublikit der Diskussion über die Maut erreicht haben.
Auf diese Art und Weise können wir privates Kapitalür Autobahn- und Fernstraßenprojekte in Deutschlandinsetzen und die Banken machen mit.
nsofern habe ich die Hoffnung, dass wir nicht nur durchie Mauteinnahmen und die Haushaltsansätze für Ver-ehr, sondern auch durch zusätzliches privates Engage-ent im Bundesfernstraßenbereich zukünftig die mögli-hen Engpässe in der Verkehrsinfrastruktur beseitigenönnen. Ich glaube, das ist richtig und wichtig.Insoweit haben Sie trotz Gegenwind Kurs gehalten,err Minister. Ich denke, wir sind jetzt ein gutes Stückorangekommen.Ich komme zur FDP. Was kann man dazu sagen?
er Kollege Fischer hat es schon versucht. Die FDPtand in den Verhandlungen auf beiden Seiten.
ieser Spagat war dadurch bedingt, dass es solche undolche Koalitionen gibt.
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Uwe BeckmeyerGleichwohl meine ich, dass man nach dieser ganzen Dis-kussion nicht einfach einen Gang zurückschalten undsich enthalten kann. Was Sie hier veranstalten, ist einePolitik der weißen Füße, lieber Herr Friedrich. Ich kannmir nicht vorstellen, dass Sie damit beim Gewerbe auchnur ein Stückchen Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn Sienach Ihrer Haltung und nach der Rolle gefragt werden,die Sie dabei gespielt haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe dieHoffnung, dass wir mit den Vorhaben, die jetzt verab-schiedet werden, Engpassfaktoren in der deutschenVerkehrsinfrastruktur beseitigen können. Denn die Be-seitigung von Engpassfaktoren trägt auch dazu bei, diewirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik nachvorne zu bringen.Ich habe auch die Hoffnung, dass dabei die System-vorteile, die der Lastkraftwagen auf deutschen Auto-bahnen und Fernstraßen zugegebenermaßen auch in Zu-kunft aufweisen wird, genutzt werden können. Denn dieSystemeigenschaften Flexibilität und Schnelligkeit dür-fen nicht ausgeblendet werden. Wir müssen sie berück-sichtigen, ohne dass dabei andere konzeptionelle ver-kehrspolitische Fragen vernachlässigt werden.
Weil meine Redezeit zu Ende geht, will ich an dieserStelle nur noch eines anmerken. Im Road Pricing liegtfür uns die Chance zur Mobilisierung von privatem Ka-pital für Infrastrukturmaßnahmen. Ich glaube, wir habenmit den Nutzerentgelten alle Vorteile in der Hand, dieseChance jetzt auszuspielen.Wir haben bereits ein gutes Stück des Weges hinteruns gebracht, den wir heute zu Ende gehen. Ich habe dieHoffnung, dass sich das Haus – vielleicht bis auf diefreidemokratische Partei – in großer Geschlossenheitentschließen wird, das Ergebnis des Vermittlungsaus-schusses zu akzeptieren. Ich glaube, dabei handelt essich um ein gutes Ergebnis für Deutschland.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Sehr geehrte Gäste! Der Entwurf des Bundesver-kehrswegeplans entspricht beileibe nicht den von derrot-grünen Bundesregierung angekündigten Zusagen.Versprochen war, alle Vorhaben und Projekte wirtschaft-lich und ökologisch zu überprüfen, bevor sie Bestandteildes Bundesverkehrswegeplans werden.ndSGt2amddwWndDwEdd2fwbSAwDhtmCzenRdeavhVinSfggvp–V
ie Prioritätensetzung im Bundesverkehrswegeplan – dasat der Kollege Oswald schon angesprochen – konzen-riert sich kaum auf die wichtigen Schienenprojekte, dieit der EU-Osterweiterung verbunden sind. Diehance, die europäischen Schienenwege nach Osteuropau entwickeln, muss – so finden wir, die PDS – offensivrgriffen werden. Wir brauchen leistungsfähige Schie-enstrecken von Berlin nach Polen und in die baltischenepubliken oder von Dresden nach Prag. Das ist vor-ringlich und muss Priorität haben.
Zu dem Zuruf „Wasserstraßen“ kann ich Ihnen, ver-hrter Kollege, Folgendes sagen: Beim Wasserstraßen-usbau bin ich beeindruckt, wie völlig unbeeindruckton den aktuellen Entwicklungen an Projekten festge-alten wird, die sich überlebt haben. Ich nenne nur daserkehrsprojekt Havelausbau als Beispiel, das ungeprüft den Bundesverkehrswegeplan übernommen wurde.ie halten also an der völlig unsinnigen und fatalen Ideeest, die Flüsse den Schiffen anzupassen, anstatt es um-ekehrt zu machen. Dabei liegen uns doch aktuelle Pro-nosen über den Rückgang des Binnenschiffverkehrsor. Außerdem sind wir alle angesichts der Flutkatastro-he im vergangenen Jahr zu dem Schluss gekommenbei einigen ist das augenscheinlich schon wieder inergessenheit geraten –, dass man die Ausbaupläne für
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Dr. Gesine Lötzschdie Binnenwasserstraßen nicht ungeprüft fortführenkann.
Haben Sie das alles vergessen? Das, was Sie vorhaben,ist nicht nur ökologisch bedenklich, sondern auch fi-nanzpolitisch unhaltbar.
Da es sich um einen Entwurf handelt, haben wir nochdie Chance, den Bundesverkehrswegeplan zu überarbei-ten. Dafür möchte ich Ihnen aus Sicht der PDS einigePunkte nennen. Vorrang müssen aus unserer Sicht dieInstandhaltung und die Instandsetzung vorhandenerBahn-, Straßen-, aber auch der Wasserstraßennetze ha-ben.
Wir brauchen integrierte Verkehrskonzepte auf regiona-ler Ebene und vor allen Dingen Wettbewerbsbedingun-gen, durch die die Schiene nicht benachteiligt, sondernbevorzugt wird. Es gibt aber auch Dinge, auf die manverzichten kann. Die Transrapidprojekte in Bayernund Nordrhein-Westfalen sind unserer Meinung nachnicht gerade zukunftsweisend.
– Regen Sie sich doch bitte nicht so auf! Wir diskutierenlediglich über verschiedene Anträge zur Verkehrspolitik.
Wir brauchen – davon ist überhaupt noch nicht ge-sprochen worden – zielgerichtete Investitionen zur Um-setzung eines nationalen Radwegeverkehrsplanes.
Wir müssen die vorhandene Infrastruktur besser ausnut-zen. Wir brauchen des Weiteren Maßnahmen zur Sen-kung des Verkehrsaufwands und der Verkehrsbelastungsowie – darüber ist heute schon ausführlich gesprochenworden – mehr Kundenorientierung. Wenn Sie sich andiesen Forderungen orientieren, Herr Minister Stolpe,dann werden wir Sie trotz aller Aufregung in Ihrer Frak-tion unterstützen, und zwar nicht nur im Bund, sondernauch in den Ländern.
Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Minister für Wirtschaft, Arbeit
nd Infrastruktur des Freistaates Thüringen, Herr
chuster.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren Abge-rdnete! Als Beauftragter des Bundesrates möchte ichie Gesetzesinitiative zur Verlängerung des Verkehrs-egeplanungsbeschleunigungsgesetzes begründen unden Nachweis führen, dass diese weder voreilig nochberflüssig ist. Dieses Gesetz zählt zu den Regelungen,ie sich in den neuen Ländern besonders bewährt haben.
einen Erfolg verdankt es seiner Beschleunigungswir-ung, zu der insbesondere folgende Bestimmungen bei-etragen haben: erstens strenge Fristen für Behörden,weitens vereinfachte Verfahren der Enteignung bei un-eklärten Eigentumsverhältnissen und drittens Be-chränkung der gerichtlichen Überprüfung von Pla-ungsbeschlüssen auf das Bundesverwaltungsgericht. Esat sich gezeigt, dass trotz der erheblichen Verkürzunger Genehmigungsverfahren der Rechtsschutz der Be-roffenen nicht eingeschränkt wird, insbesondere wennm Rahmen der Planungsverfahren die Bürgerinteressennd die Umweltbelange so berücksichtigt werden, wieies bei uns der Fall ist. Dies wird im Übrigen auch vonen Gerichten bestätigt.
ie getroffenen Planungsentscheidungen haben einererichtlichen Überprüfung nahezu ausnahmslos standge-alten.Dieses Gesetz hat entscheidend dazu beigetragen,ass beim Neu- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur inen neuen Ländern beachtliche Ergebnisse erzielt wur-en.
o wurden allein in Thüringen im Geltungsbereich desesetzes in nur elf Jahren über 350 Planungsverfahrenurchgeführt. Beispielsweise wurden 220 Kilometer Au-obahn aus- bzw. neu gebaut. Außerdem wurde für dieCE-Trasse Nürnberg – Erfurt – Halle/Leipzig durchgän-ig Baurecht geschaffen.Im Rahmen der Planfeststellungsverfahren wurdenie Belange des Natur- und Umweltschutzes in vielfäl-iger Weise berücksichtigt. Im Zuge der Baumaßnahmenurden zahlreiche ökologische Altlasten beseitigt. Umie planungsbedingten Belastungen für die umliegendentädte und Gemeinden gering zu halten, wurden Logis-ikkonzepte entwickelt und realisiert, die das Bauge-chehen auf den vorgesehenen Trassen abwickeln. Be-
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Minister Franz Schuster
rücksichtigt wurden auch die Belange der Land- undForstwirtschaft. Weiterhin wurden in großem Umfangso genannte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmendurchgeführt, die die baubedingten Einschnitte in Naturund Landschaft geheilt haben.Wir haben vor jedes Planfeststellungsverfahren einRaumordnungsverfahren gestellt, um die bürgerschaft-lichen Belange in den Planungsprozess frühzeitig einzu-beziehen. Die Praxis zeigt, dass durch eine frühzeitigebreite öffentliche Diskussion über die Straßenbauvorha-ben und über die Ergebnisse der Umweltverträglich-keitsuntersuchungen sinnvolle Lösungen gefunden unddamit Akzeptanz geschaffen werden konnten.
Weder die Länge eines Genehmigungsverfahrensnoch die Anzahl der Einspruchsmöglichkeiten sind ent-scheidend, sondern die Tiefe der fachlichen Durchdrin-gung und die Breite der öffentlichen Auseinanderset-zung.
Der im Entwurf vorliegende Bundesverkehrswegeplanbeweist, dass in den neuen Ländern weiterhin ein großerBedarf besteht, die Verkehrsinfrastruktur auszubauen.Das ist allseits bekannt.Für die zügige Verwirklichung dieser Projekte ist dieVerlängerung der Geltungsdauer dieses Gesetzes vonsehr großer Bedeutung. Gerade in der jetzigen wirt-schaftlichen Situation dürfen Wachstum und Entwick-lung nicht behindert werden; sie müssen vielmehr geför-dert und unterstützt werden, auch in den neuen Ländern.
Durch eine Verlängerung der Geltungsdauer diesesGesetzes könnten dem Aufbau Ost auch in den kommen-den Jahren nachhaltige Impulse gegeben werden. Nur solässt sich eine weitere Angleichung der Lebensverhält-nisse in Ost und West erreichen. Nur wenn diese Anglei-chung gelingt, können die neuen Länder ihren Beitragzur Stabilisierung des Wirtschaftsstandortes Deutschlandleisten.In dieselbe Richtung zielt auch die Gesetzesinitiativedes Bundesrates zur Änderung des Bundesnaturschutz-gesetzes. Unserer Erfahrung nach werden die neuenLänder bis 2019 brauchen, um die Planungsverfahrenbei allen wichtigen Verkehrsprojekten einzuleiten. EineVerlängerung der Geltungsdauer dieses Gesetzes ist des-halb bis zum 31. Dezember 2019 notwendig. Ich möchteSie daher bitten, diese Initiative des Bundesrates zu un-terstützen und das Verkehrswegeplanungsbeschleuni-gungsgesetz bis Ende 2019 zu verlängern. Damit deckenwir die Geltungsdauer des Solidarpakts II ab.In der gegenwärtigen Situation der neuen Länderwäre eine solche Verlängerung ein wichtiges Signal. DerAsfthdfsVuPmrTddnKggFGPIsftStoDhn
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt
at die Kollegin Karin Rehbock-Zureich das Wort.
Genau! Das letzte Wort hat die Frau.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitem heutigen Tag, mit der Einführung der LKW-Maut,indet ein Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitiktatt. Das bedeutet auch den Einstieg in eine integrierteerkehrspolitik. Das bedeutet auch mehr Wettbewerbnter den Verkehrsträgern.
Wir haben heute schon viel über die Bahn und dasreissystem der Bahn gehört. Eines ist ganz klar – ichöchte das hier noch einmal aufgreifen –: Mit der Bahn-eform – das ist ein wesentliches Merkmal – hat dierennung zwischen der unternehmerischen Aufgabe under staatlichen Aufgabe stattgefunden. Die DB AG hatie Pflicht, ihre unternehmerischen Aufgaben wahrzu-ehmen und sich auch als Dienstleister im Sinne derunden zu begreifen. Bei der Diskussion um die Preis-estaltung ist ganz deutlich geworden, dass der Kundeesprochen hat und dass es darauf ankommen wird, imernverkehr solche Ergebnisse zu erzielen, wie wir alsesetzgeber uns das vorstellen: mehr Verkehr, sowohlersonen- als auch Güterverkehr, auf der Schiene.
ch hätte mir natürlich gewünscht, dass in dieser Diskus-ion um ein neues Preissystem die DB AG schon im Vor-eld die Kritikpunkte aufgenommen hätte, um die Situa-ion, wie wir sie heute haben, zu vermeiden.Aufgabe der Politik, unsere Zuständigkeit, ist es, diechiene als Bestandteil eines integrierten Verkehrssys-ems voranzubringen, das heißt als Erstes, die Investiti-nsmittel für die Schiene auf hohem Niveau zu halten.ass Schiene und Straße endlich auf gleicher Augen-öhe sind, was die Investitionsmittel angeht, auch imeuen Bundesverkehrswegeplan, haben wir geschafft.
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3842 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003
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Karin Rehbock-ZureichWir haben auch die Aufgabe, zusätzlich zu überlegen:Wie befördern wir mehr Güter auf die Schiene? Wir ha-ben uns entschlossen, ein Förderprogramm für Gleis-anschlüsse auf den Weg zu bringen.
Zum Wettbewerb auf der Schiene. Ich gehe jetzt auf denAntrag ein, den die FDP vorgelegt hat und nach demeine Kommission gebildet werden soll, um den Wettbe-werb im Güterverkehr voranzubringen. Wir haben mitder Gründung einer Taskforce dazu beigetragen, dassdie ersten Schritte zur Weiterentwicklung des Allgemei-nen Eisenbahngesetzes gegangen werden. Die Ergeb-nisse der Taskforce werden noch in diesem Jahr in dasAllgemeine Eisenbahngesetz eingearbeitet werden, so-dass der Wettbewerb auf der Schiene gewährleistetsein wird.
Wenn wir uns den Wettbewerb genauer anschauen, somüssen wir feststellen: Die Hauptwettbewerber derSchiene sind das Auto und die Billigflieger. Ich seheeine zukünftige Aufgabe für uns darin, die steuerlicheBevorzugung des Flugverkehrs zu beseitigen. Wir allewissen, dass das schwierig sein wird. Das schaffen wirnur europaweit. Wir haben aber schon erste Schritte un-ternommen, um die Wettbewerber im Gesamtsystem aufgleiche Augenhöhe zu bekommen.
Die Bahnreform ist ohne Alternative. Die FDPschlägt vor – der Antrag ist allerdings schon etwas äl-ter –, eine Kommission einzurichten. Wir haben das aberlängst aufgenommen. Die Taskforce hat Festlegungengetroffen, sodass in Zukunft Transparenz und Wettbe-werb gewährleistet sein werden,
indem nämlich DB Netz eigenständig, ohne Einfluss derHolding, Trassenpreise festsetzt und Trassen vergibt.
Eine unabhängige Trassenagentur wird gegründet, diebeim Eisenbahn-Bundesamt
eingerichtet wird, um die gerechte Vergabe von Trassenzu gewährleisten, sodass wir auch beim VerkehrsträgerSchiene eine Harmonisierung der Wettbewerbsbedin-gungen zustande bringen. Dies bedeutet, für alle, die denVerkehrsträger Schiene nutzen, eröffnen wir die Mög-lichkeit, diskriminierungsfreien Zugang zu erhalten. WirwAAsemAuctWgddsFddfmfsdCDsAisf1s
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen aufen Drucksachen 15/928, 15/777, 15/66 und 15/926 anie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-chlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Zusatzpunkt 3: Wir kommen zur Abstimmung überen Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU undes Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Mautein-ührung in Deutschland am 31. August 2003 und Har-onisierung der Wettbewerbsbedingungen“. Wer stimmtür diesen Antrag auf Drucksache 15/1023? – Gegen-timmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag miten Stimmen der Koalitionsfraktionen und der CDU/SU bei Enthaltung der FDP angenommen.Ich rufe den Zusatzpunkt 4 auf:Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-schusses nach Art. 77 des Grundgesetzes
zu dem Gesetz zur
Errichtung einer Verkehrsinfrastrukturfinanzie-rungsgesellschaft zur Finanzierung von Bundes-
– Drucksachen 15/199, 15/416, 15/863, 15/998 –Berichterstattung:Abgeordneter Ludwig StieglerWird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? –as ist nicht der Fall. Wir kommen dann gleich zur Ab-timmung. Der Vermittlungsausschuss hat gemäß § 10bs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, dassm Deutschen Bundestag über die Änderungen gemein-am abzustimmen ist. Wer stimmt für die Beschlussemp-ehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache5/998? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Be-chlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitions-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003 3843
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solmsfraktionen und der CDU/CSU bei Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 a bis 12 e sowieZusatzpunkt 5 auf:12 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-kommen vom 4. Juli 2001 zwischen der Bun-desrepublik Deutschland und Rumänien zurVermeidung der Doppelbesteuerung auf demGebiet der Steuern vom Einkommen und vomVermögen– Drucksache 15/880 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
Rechtsausschussb) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu demEuropa-Mittelmeer-Abkommen vom 22. April2002 zur Gründung einer Assoziation zwi-schen der Europäischen Gemeinschaft undihren Mitgliedstaaten einerseits und der De-mokratischen Volksrepublik Algerien ande-rerseits– Drucksache 15/884 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
InnenausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Menschenrechte und humanitäre HilfeAusschuss für TourismusAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Unionc) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu demEuropa-Mittelmeer-Abkommen vom 17. Juni2002 zur Gründung einer Assoziation zwi-schen der Europäischen Gemeinschaft und ih-ren Mitgliedstaaten einerseits und der Libane-sischen Republik andererseits– Drucksache 15/885 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
InnenausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Menschenrechte und humanitäre HilfeAusschuss für TourismusAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Uniond) Beratung des Antrags der BundesregierungFortsetzung der deutschen Beteiligung an derInternationalen Sicherheitspräsenz im Ko-sovo zur Gewährleistung eines sicheren Umfel-des für die Flüchtlingsrückkehr und zur mili-tärischen Absicherung der Friedensregelungfür das Kosovo auf der Grundlage der Resolu-tion 1244 des Sicherheitsrats der Ver-einten Nationen vom 10. Juni 1999 und desMilitärisch-Technischen Abkommens zwi-schen der Internationalen Sicherheitspräsenz
und den Regierungen der Bundes-
republik Jugoslawien und der Republik Ser-bien vom 9. Juni 1999– Drucksache 15/1013 –ZtdüFEz
Laurischk, Rainer Funke, Ina Lenke, weitererAbgeordneter und der Fraktion der FDPSorgerecht für nichteheliche Kinder vor In-Kraft-Treten der Kindschaftsrechtsreform re-geln– Drucksache 15/757 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendP 5 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpas-sung von Zuständigkeiten im Gentechnikrecht– Drucksache 15/996 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaft
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungEs handelt sich um Überweisungen im vereinfach-en Verfahren ohne Debatte.Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen anie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zuberweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a bis 13 g auf.s handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen,u denen keine Aussprache vorgesehen ist.Tagesordnungspunkt 13 a:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszu dem Zusatzabkommen vom 27. August2002 zum Abkommen vom 14. November 1985zwischen der Bundesrepublik Deutschlandund Kanada über Soziale Sicherheit– Drucksache 15/881 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Gesundheit und Soziale Sicherung
– Drucksache 15/991 –Berichterstattung:Abgeordneter Michael Hennrich
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3844 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsDer Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherungempfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-sache 15/991, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bittediejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltun-gen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung ein-stimmig angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Ge-genstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf isteinstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 13 b:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszu dem Abkommen vom 12. September 2002zwischen der Bundesrepublik Deutschlandund der Slowakischen Republik über SozialeSicherheit– Drucksache 15/883 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Gesundheit und Soziale Sicherung
– Drucksache 15/992 –Berichterstattung:Abgeordneter Peter DreßenDer Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherungempfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache15/992, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejeni-gen, die zustimmen wollen, um das Handzei-chen. – Ge-genstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist inzweiter Beratung einstimmig angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustim-men wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? – Enthal-tungen? – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 13 c:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszu dem Protokoll betreffend Schwermetallevom 24. Juni 1998 im Rahmen des Überein-kommens von 1979 über weiträumige grenz-überschreitende Luftverunreinigung– Drucksache 15/509 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-heit
– Drucksache 15/866 –Berichterstattung:Abgeordnete Astrid KlugMarie-Luise DöttWinfried HermannBirgit HomburgersemEtusEnttgtmtatKu
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Nicht immer, Herr Kollege, aber immer öfter. Wenn esm die Sache ging, haben wir im Ausschuss gemeinsamösungen erarbeitet.
Ich will an dieser Stelle den Kolleginnen und Kolle-en der Koalition und der Opposition im Ausschusserzlich danken. Es waren sehr zügige, sehr gute undachlich orientierte Beratungen, die am Ende dazu füh-en werden, dass wir mit der Umsetzung des Fallpau-chalensystems weiterkommen.Es wird immer wieder gefragt, wie der Istzustand ist,elche Kliniken für die Fallpauschalen optiert habennd was tatsächlich abgerechnet wird. Aus Anlass dieserebatte haben wir uns beim AOK-Bundesverband erkun-igt, wie viele Kliniken nach dem neuen System abrech-en. Ich fand es sehr ermutigend, dass 355Kliniken, dieür das neue System optiert haben, auch tatsächlich be-eits danach abrechnen. Zwei Drittel der Kliniken habenich für das neue System entschieden. Es ist ein ermuti-endes Zeichen, dass die Einführung des neuen Systemsicht nur angekündigt wird, sondern dass es in der Praxis wenn auch noch budgetneutral – anwendbar ist und da-ach abgerechnet werden kann.Diese Zahl von 355 Kliniken straft all diejenigen Lü-en, die immer wieder behauptet haben, das neue Systemei unpraktikabel und schließe auch diejenigen von derullrunde aus, die ihre Beteiligung am neuen Verfahrenur ankündigen. Es wurde auch gesagt, das neue Systemei nicht umsetzbar und werde in der Praxis scheitern.as Gegenteil ist der Fall. Bei der Umstellung auf dieeuen Fallpauschalen haben wir gute Erfahrungen ge-acht. Entsprechende konkrete Ergebnisse liegen vor.
Für das Jahr 2003 haben insgesamt 1 281 Kranken-äuser erklärt, dass sie das DRG-Vergütungssystem vor-eitig anwenden, also nach Fallpauschalen abrechnenollen. Auch das ist eine gute Nachricht. Man kann alsoavon ausgehen, dass die Kompetenz vieler Kranken-äuser und Kliniken der unterschiedlichsten Fachrich-ungen in die Erarbeitung der Fallpauschalen einbezogenerden kann.Es ist sehr interessant, dass sich mittlerweile zum Teiluch diejenigen, für die die Dauer von Ausnahmetatbe-tänden verlängert wurde, an dem neuen Verfahren betei-gen. Es handelt sich um rund 40 Kinderkliniken und -ab-ilungen. Sie sehen also, dass sich die Probleme, die füren Fall der Einführung des neuen Systems im Bereicher Pädiatrie und Geriatrie vorausgesagt wurden, in derraxis zum Teil erledigt haben. Immer mehr Klinikenommen daher zu der Überzeugung, dass das neue Fall-auschalensystem eine Chance bietet, wenn man mit der
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Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-MerkUmsetzung rechtzeitig beginnt und die Umstellungspro-bleme meistert.Uns ist sehr wohl bewusst, dass der bürokratischeAufwand bei der Umstellung in den Kliniken erheblichist.
Es ist auf der einen Seite unbestritten, dass die Probleme,die sich aufgrund der Umstellung ergeben, in der Zu-kunft gelöst werden müssen. Beispielsweise kann derbürokratische Aufwand nicht so hoch bleiben, wie erjetzt ist. Auf der anderen Seite gilt aber: Wenn mannichts Neues wagt und Probleme in der Umstellungs-phase nicht in Kauf nimmt, dann würde sich das Kran-kenhauswesen nicht fortentwickeln. Deswegen bin ichder Meinung, dass man während der Umstellungsphasefür die notwendige Flexibilität sorgen und gleichzeitigdiejenigen ermuntern muss, die die ersten Schritte tun.Fehler können immer wieder vorkommen. Wir haben einlernendes System mit einer kostenneutralen Umstel-lungsphase, damit Erfahrungen mit dem neuen Systemgemacht werden können.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,über Ihren Entschließungsantrag habe ich mich etwasgewundert, weil Sie die Änderung des Fallpauschalenge-setzes im Ausschuss mit uns im Konsens und in großerEinmütigkeit beschlossen haben. Jetzt machen Sie wie-der alte Kampflinien auf, indem Sie eine Studie ausAmerika zitieren, wonach sich nach der Einführung vonFallpauschalen Probleme wegen zu früher Entlassungenergeben haben.Wir haben uns noch einmal sachkundig gemacht. Esgibt internationale Studien in einer Anzahl im dreistelli-gen Bereich zu all den Ländern, die nach Fallpauschalenabrechnen. Die Mehrheit dieser Studien kommt zu ei-nem anderen Ergebnis. Danach ist nach Schwierigkeitenin der Umstellungsphase – die sollen doch gar nicht ge-leugnet werden – am Ende die Qualität gleich gebliebenund die Verweildauer in den Kliniken hat sich verkürzt.Wenn es uns mit diesem Fallpauschalenänderungsge-setz gelingt, mehr Flexibilität zu organisieren, wenn wiram Ende gemeinsam zu der Überzeugung kommen, dassden Patienten die gleiche oder sogar mehr Qualität ga-rantiert wird, wenn die Liegezeiten in den Kliniken ver-kürzt werden und wenn wir nach der Lösung der Über-gangsprobleme ein neues leistungsfähiges und fairesVergütungssystem für die Kliniken haben, dann ist beiallen Problemen, die wir im Moment im Gesundheitswe-sen haben, am Ende allen geholfen: den Patientinnenund Patienten, den Beschäftigten und auch uns.Deswegen noch einmal ein herzlicher Dank an alleKolleginnen und Kollegen im Fachausschuss. Ich werteden Entschließungsantrag so, als wollten Sie ein Stückweit vielleicht die alten Schlachten nochmals schlagen.Ich würde mich freuen, wenn Sie zu der im Ausschusspraktizierten neuen Sachlichkeit zurückkehren würden.Vielen Dank.
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iesem Treiben hat dann der edle Theseus ein Ende be-eitet, indem er den Räuber seiner eigenen Prozedur un-erzog.So wie dieser Räuber mit den armen Reisenden um-ing, verfahren Sie, meine Damen und Herren von denegierungsfraktionen, mit den DRG-Fallpauschalen inen Jahren 2003 und 2004.
adurch, dass Sie aus dem Referentenentwurf die For-ulierung „nicht sachgerechte Abbildung“ für dieseahre herausgenommen haben und nur auf die Nichter-assung abzielen, können faktisch sämtliche Kranken-ausleistungen in das Prokrustesbett gezwungen undergütet werden, gleichgültig ob sachgerecht oder nicht.egründet wird das von Ihnen mit der Budgetneutralitäter Jahre 2003 und 2004, wobei Sie bewusst die Gefahrer Fehlsteuerung über die Folgejahre in Kauf nehmen.ier wünschte ich mir dringend den edlen Theseus, derie misshandelten Fallpauschalen, die Krankenhäusernd die betroffenen Patienten aus rot-grüner Gewalt be-reit.Was wird denn passieren? Erstens. Wir haben wenignreize, bei dem von Rot-Grün so gepriesenen lernen-en System angemessene Lösungen für Einzelproblemeu finden. Zweitens. Wir haben beim Jahreswechsel004/2005 einen gewaltsamen Übergang mit Systembrü-hen zu erwarten. Drittens werden Fehlschlüsse auf-rund von Verzerrungen zu Fehlsteuerungen und Fehl-lanungen führen.Dennoch, wir sind ja schon froh, dass Sie anerkennen,ass unsere Forderung aus dem Entschließungsantragom 12. Dezember 2001, „ausreichende Öffnungsklau-eln einzuführen, um Finanzierungslücken zu verhindernnd innovative Behandlungsmethoden sowie die Be-andlung seltener Krankheiten sicherzustellen“, berech-igt war.
Sie selbst bringen in Ihrem Gesetzentwurf zum Aus-ruck, dass in Deutschland die Rahmenbedingungen zurristgerechten Einführung und Weiterentwicklung des
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Dr. Hans Georg FaustFallpauschalensystems noch verbesserungsbedürftigsind. Nur, viele von den Änderungen und Verbesserun-gen, die Sie jetzt mit dem Fallpauschalenänderungsge-setz verabschieden wollen, hätte man gleich haben kön-nen, wenn Sie damals auf unsere mahnende Stimmegehört hätten.
So ist es auch heute wieder. Sie haben im Gesund-heitsausschuss unseren Antrag, die sachgerechte Vergü-tung ab jetzt gelten zu lassen, niedergestimmt und damitneuen Nachbesserungsbedarf geschaffen. Das Systemsoll lernen dürfen; die Regierungskoalition braucht nichtzu lernen – so die kurze und knappe Diagnose. Dies istjammerschade in einer Zeit schwierigster Probleme imGesundheitswesen und besonders in den deutschenKrankenhäusern.Aus dem eingeführten Fallpauschalensystem wird au-genscheinlich doch vielfach gelernt. Die Krankenhäuserlernen, dass sich Kniegelenke nicht nur spiegeln, son-dern auch häufiger operieren lassen. Auch bei anderenDiagnosen gibt es häufiger die Notwendigkeit weiter ge-hender Eingriffe oder die Berücksichtigung von Kompli-kationen oder schwereren Fällen. Die Krankenkassenlernen, dass die Ausgaben steigen; zumindest berichtendas die DAK und die Barmer.Da hilft auch der Hinweis unserer Gesundheitsminis-terin auf eine irreführende Darstellung insoweit nicht,als die Krankenhausbudgets natürlich nach der alten Ab-rechnungsmethode verhandelt wurden. Aber wenn Sie,Frau Schmidt, sagen, das System lerne mit und das Sys-tem korrigiere sich, wenn es zu teuer werde, selbst, dannvergessen Sie, dass der Mehrerlösausgleich die Ausga-ben der Krankenkassen eben nicht zu 100 Prozent aus-gleicht und zudem auch noch zeitverzögert wirkt, sodassbei den chronisch klammen Krankenkassen zusätzlicheLiquidationsengpässe auftreten werden.
In unserem Entschließungsantrag von heute fordernwir die Bundesregierung auf, das Fallpauschalengesetzgrundlegend zu überarbeiten und neben der sachgerech-ten Abbildung eine Regelung für den Erlösausgleich zufinden, die die Effekte der Codierung, die den Kranken-häusern keine Vorteile bringen dürfen, von der zu be-rücksichtigenden Veränderung der Leistungsstruktur, desCase-Mix-Index, scharf trennt.Leider findet auch die Rechtsprechung des Europäi-schen Gerichtshofs zum Bereitschaftsdienst als Ar-beitszeit keine Berücksichtigung im Fallpauschalenän-derungsgesetz, obwohl es sich angeboten hätte. Denndiese Rechtsprechung wird Einfluss auf die Bewertungder Fallpauschalen haben, bei denen regelmäßig Bereit-schaftsdienstanteile anfallen.
Im Übrigen wäre ein solches Vorgehen das längst über-fällige Signal gewesen, dass man sich auf die unabwend-bare Rechtsprechung einstellt und endlich den Ärztenund den Krankenhäusern die personellen Perspektivengibt, die sie für die Zukunft brauchen.ARnAuagutziAitdirÜsAfwdbgatttPwsPwlDvneSdPegVecfsuEa
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ch denke, das sind wir den noch 2 239 Krankenhäusernit über 1 Million Mitarbeitern und den in den Einrich-ungen betreuten Patienten schuldig.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Selg vom Bünd-
is 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-en! Wirklich schade, Herr Dr. Faust, dass Sie am Endeiner langen Debatte wieder in die Schublade der verba-en Aufrüstungsrhetorik greifen.
ir haben viele Ihrer wertvollen Vorschläge, die Sie inen Ausschussdiskussionen gemacht haben, in den Ge-etzentwurf eingearbeitet. Schade, dass Sie jetzt schonieder davon sprechen, dass wir uns bei einer dringendnstehenden Reform, von der Sie so gut wie ich wissen,ass wir sie brauchen, eher verhaken als einigen werden.as finde ich wirklich sehr schade.
Ich halte es nicht für Mist. Sie wissen noch gar nicht,as kommen wird, und sprechen schon wieder vonMist“. Das ist bezeichnend für die FDP.Im Zuge der Gesundheitsreform 2000 haben wir miten Fallpauschalen ein neues Abrechnungssystem fürie Krankenhäuser auf den Weg gebracht. Ich bin immer
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Petra Selgnoch der Ansicht, dass das ein richtiger Schritt war. SeitAnfang des Jahres 2003 nutzt bereits ein großer Teil derdeutschen Krankenhäuser dieses neue System und ab2004 werden alle deutschen Krankenhäuser über Fall-pauschalen abrechnen.Im Bereich der Krankenhausfinanzierung stellt dieserSystemwechsel einen Quantensprung dar, und zwarnicht nur für die Finanzierung, sondern auch für die Pa-tienten; denn bislang rechneten Kliniken nach Belegta-gen ab. Bezahlt wurden also die Tage, die der Patient imKrankenhaus lag, und die tatsächlich am Patienten er-brachte Leistung oder Behandlung spielte für die Vergü-tung kaum eine Rolle. Deshalb gab es Anreize, die Patien-ten möglichst lange im Krankenhaus liegen zu lassen undsie gleichzeitig möglichst immer weniger zu behandeln.Das wollten wir ändern und das haben wir geändert.Aus diesem Grund fließt dank der Fallpauschale in Zu-kunft das Geld für die erfolgte Behandlung und nichtmehr für die Liegezeit. Schließlich wird auch der Friseurnicht dafür bezahlt, dass er die Kunden möglichst langein seinen Stühlen sitzen lässt, sondern dafür, dass er ih-nen die Haare schneidet. Das Gleiche gilt auch für dieDRGs.Das heißt vereinfacht gesprochen: In Zukunft wird fürjede Diagnose eine feste Pauschale vergütet. Die Höheder Pauschale richtet sich danach, wie aufwendig es ist,eine bestimmte Diagnose zu behandeln. Meiner Ansichtnach macht das durchaus Sinn, für die Patienten, abervor allem für die Qualitätssicherung.Herr Dr. Faust, ich möchte Ihnen widersprechen: Ichdenke, nicht jedes kleine Zwergkrankenhaus kann wieein Gemischtwarenladen die nötige Qualität, die bei be-stimmten Operationen erforderlich ist, erbringen. Esmacht durchaus einen Unterschied, ob einmal im Jahr einegroße Darmoperation durchgeführt wird oder 500-mal imJahr. Das wissen auch Sie. Deshalb sollten Sie keine po-pulistischen Sprüche klopfen.
Als wir dieses System auf den Weg brachten, wusstenwir, dass eine so komplexe Systemumstellung immerwieder Anpassungen durch den Gesetzgeber erfordernwürde. Deshalb haben wir das Fallpauschalensystemals lernendes System entwickelt. Ziel war und ist einHöchstmaß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, umschnell auf neue und unerwartete Entwicklungen und Si-tuationen reagieren zu können.Mit dem Fallpauschalenänderungsgesetz bleiben wirdiesem Ansatz treu. Wir geben der Selbstverwaltungdurch Krankenhäuser und Krankenkassen erweiterteRechte. Bis maximal Ende 2006 können sie bestimmteBehandlungsleistungen und Spezialkliniken, wie zumBeispiel Zentren für Epilepsie, schwer Brandverletzteoder Pädiatrie, aus dem neuen System herausnehmen.Auf Basis der bisher verfügbaren Daten ist es nochnicht möglich, in diesen speziellen Bereichen kostenge-rechte Fallpauschalen zu bestimmen. Deshalb bestündeot–mudDvitk1AfZAfdebPgrezkccdgftdbswgdgDdzwm
Wir lernen eigentlich ziemlich schnell. Wir lernenanchmal schneller, als Sie denken können.
Um negative Auswirkungen auf die Versorgung undngleiche Wettbewerbsbedingungen zu vermeiden, sindiese Ausnahmeregelungen sinnvoll und notwendig.as heißt aber keineswegs, dass wir uns von dem Zielerabschieden, letztendlich möglichst viele Leistungenm Fallpauschalensystem zu erfassen.Wir Deutschen haben immer diesen Maximalperfek-ionismus. Aber ich bin einfach viel zu ehrlich; denn ichomme aus der Praxis und glaube deshalb nicht, dass wir00 Prozent erreichen werden.
ber weil wir auch ein Völkchen sind, das bei jeder Re-orm zuerst sagt, was alles nicht geht, sollten wir diesesiel zuerst einmal bestehen lassen. Darum haben wir dieusnahmeregelung bis zum Ende des Jahres 2006 be-ristet. Denn wir gehen nach wie vor davon aus, dassann die Datenbasis gut und umfangreich genug ist, umntsprechende Fallpauschalen zu berechnen. Das Zielleibt weiterhin, das bisher bestehende Mischsystem ausflegesätzen, Sonderentgelten und Fallpauschalen weit-ehend abzuschaffen.Um sicherzustellen, dass die Ausnahmeregelungenechtzeitig in Kraft treten, hat das Ministerium das Rechtrhalten, der Selbstverwaltung Fristen für eine Einigungu setzen. Werden diese Fristen nicht eingehalten, soann das Ministerium per Ersatzvornahme die entspre-henden Regelungen auf den Weg bringen. Damit ist si-hergestellt, dass auf jeden Fall ab 1. Januar 2005, wennas neue DRG-System Einfluss auf die tatsächliche Ver-ütung der Häuser hat, diese Ausnahmeregelungen grei-en. Deshalb werden wir – entgegen teilweise geäußer-en Befürchtungen – keine unerwünschte Fehlsteuerungurch teilweise noch ungenaue DRGs haben. Dafür ha-en wir mit diesem Gesetz vorgesorgt.Vor diesem Hintergrund kann ich mich über den Ent-chließungsantrag der CDU/CSU nur wundern. Dortird die Bundesregierung aufgefordert, „für eine sach-erechte Abbildung der Indikationen und damit verbun-enen. Leistungen in den Fallpauschalen Sorge zu tra-en“. Genau das tun wir doch.
urch die jetzige Gesetzesänderung wird sichergestellt,ass nur sachgerechte Fallpauschalen bei der Abrechnungum Einsatz kommen. Die CDU/CSU fordert also etwas,as wir mit diesem Gesetz ohnehin tun. Jetzt frage ichich schon: Haben Sie überhaupt genau nachgelesen?
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Petra SelgFolglich wäre es konsequent, wenn auch die CDU/CSU-Fraktion diesem Entwurf zustimmen würde. Ichhabe zur Kenntnis genommen, dass sie das tun wird.Eine weitere Forderung im genannten Entschlie-ßungsantrag lautet, „den Bereitschaftsdienst als Arbeits-zeit“ in die Fallpauschalen einzurechnen. Dabei wirdvöllig außer Acht gelassen, dass im vorliegenden Gesetzbis zu 100 Millionen Euro für verbesserte Arbeitszeitbe-dingungen in den Krankenhäusern vorgesehen sind. Wirkümmern uns also bereits um eine angemessene Lösunghinsichtlich des Bereitschaftsdienstes.
Populistische Radikalforderungen nach einer voll-ständigen Einbeziehung des Bereitschaftsdienstes in dieFallpauschalen kommen wahrscheinlich in den Kranken-häusern gut an. Wohlweislich sagt die CDU/CSU-Frak-tion in ihrem Entschließungsantrag aber wie immernichts dazu, wie das finanziert werden soll. Das gingenämlich beim Status quo nur durch weitere Beitrags-satzerhöhungen auf dem Rücken der Versicherten.Wir wollen deshalb zunächst einmal sehen, inwieweitwir mit innovativen Arbeitszeitmodellen in den Kran-kenhäusern auskommen. Da kann ich Ihnen aus dempflegerischen Bereich sagen: Im ärztlichen Bereich istdurchaus Luft.
Erst wenn wir diese Modelle eingeführt haben, lässt sichklar erkennen, wie viel Mehrbedarf wir tatsächlich ha-ben. Dann ist auch der richtige Zeitpunkt, um über dieweitere Finanzierung zu reden.Ich denke, der vorliegende Gesetzentwurf trägt dengegensätzlichen Interessen der Beteiligten im Gesund-heitswesen sehr ausgewogen Rechnung. Er wird wesent-lich dazu beitragen, dass die Einführung des Fallpau-schalensystems zügig voranschreitet. Ich freue michdennoch, wenn Sie auch in Zukunft mit sachlichen undkonstruktiven Beiträgen daran mitarbeiten.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Dieter Thomae von
der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Vor einigen Monaten haben wir dieses Gesetzes-werk mit auf den Weg gebracht. Sie wissen, die Libera-len wollen die Fallpauschalen. Auch ich halte das füreinen richtigen Weg, weil es hier zu Wettbewerb kom-men kann.
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Nein, Sie sind auch mit dabei. Lenken Sie nicht immerb!Wir wissen – auch das hat Herr Faust schon gesagt –,ass dadurch die Liegezeiten verkürzt werden. Dochas passiert mit den Patienten, die noch der Pflege oderer Betreuung bedürfen, die aus medizinischer Sichtber entlassen werden könnten? Für diese haben Sie sout wie keine Anschlussbehandlung organisiert. Ich ma-he mir die Sorge, dass in unserem System die Fallpau-chalen deswegen kritisiert werden könnten, weil wireine vernünftige Anschlussversorgung organisiert ha-en. Dennoch sage ich: Wir müssen in diese Richtungeitergehen. In den anderen Ländern hat sich gezeigt,ass durch die Einführung der Fallpauschalen die Liege-eiten verkürzt werden konnten.Herr Faust, ein Fachmann, der aus dem Krankenhaus-ereich kommt, hat aber deutlich gesagt, was es bedeu-et, wenn in den Krankenhäusern, die für die Versorgungändlicher Gebiete zuständig sind, die Spezialisierungassiv vorangetrieben wird. Was wollen Sie dort nochrganisieren? Es ist eine wichtige Aufgabe für die Bür-er, aber auch für die Ärzteschaft vor Ort, das zukunfts-rientiert zu regeln.
Fragen zur externen Qualitätssicherung sowie zurualitätssicherung insgesamt sind von großer Bedeu-ung. Welche Maßnahmen bringen Sie hierzu auf deneg? Sie haben noch nichts formuliert. Im Gegenteil:ie haben dadurch, dass Sie Änderungsanträge abge-ehnt haben, die wir eingebracht haben, versäumt, diesu thematisieren.Ich kann aber ganz ruhig bleiben. All die Anträge, dieir eingebracht haben, kommen wieder, weil die CDU/SU und die Liberalen einen Vorteil haben: Wir denkenerspektivisch sehr weit voraus.
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Dr. Dieter ThomaeDas ist eine große Chance. Ich freue mich, zu sehen,dass Sie nach wenigen Monaten eine Änderung durchge-führt haben, die wir schon bei der Gesetzgebung ange-mahnt hatten.
Man kann nur schmunzeln, dass es so lange dauert, bisSie kapieren, wohin der Zug fährt.Ich muss mich, wenn Sie solche Gesetze formulieren,immer fragen, wie viele Ihrer Mitglieder in die Praxisgehen, mit den Praktikern reden und sich überlegen müs-sen, wie es funktionieren kann. Wir haben Ihnen schonfrühzeitig Krankheitsbilder genannt, die nicht in dasSystem der Fallpauschalen hineinpassen; da können Siemachen, was Sie wollen. Aber nein, Sie gehen noch im-mer von 100 Prozent aus. Wenn wir ehrlich sind, dannwissen wir, dass der Satz bei 80 bis 85 Prozent liegt. Eswäre gut, das zu akzeptieren. Alles andere ist nicht ehr-lich. Das werden Sie auch nicht schaffen.
Das Thema Mehrerlöse – das ist eines der schwierigs-ten Themen – haben Sie ausgeklammert. Sie werden ander Lösung dieser Thematik nicht vorbei kommen. Dassage ich Ihnen heute voraus.Dennoch bin ich der Meinung, dass wir diesen Wegauch weiterhin beschreiten müssen. Das ist vernünftig.Es ist der richtige Weg. Wir haben weitere Krankenhäu-ser mit auf den Weg genommen, weil wir ihnen den An-reiz gegeben haben, nicht von der Nullrunde betroffenzu sein.Wir sollten meiner Meinung nach einen Umstand be-achten, der mir Sorge macht. Was glauben Sie, welcheKosten in den Verwaltungen und in den Datensyste-men verursacht werden, wenn Sie immer wieder neueGesetze auf den Weg bringen? Sprechen Sie einmal mitden einzelnen Krankenhäusern, was die Umstellung beiden Daten an Kosten verursacht. Denn es sind meistensExperten, die diese Änderungen umsetzen müssen. Soviele Experten gibt es dafür nicht. Wenn Sie von der rot-grünen Bundesregierung darüber einmal nachdenkenwürden und wenn das in Zukunft nicht mehr passierenwürde, dann wäre ich sehr zufrieden. Wenn Sie die Vor-schläge der Opposition früher aufgreifen würden, dannbrauchten wir nicht alle drei Monate ein Änderungsge-setz auf den Weg zu bringen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Helga Kühn-Mengel
von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-gen! In den vergangenen Wochen wurde, gerade auch inden Dialogen mit den so genannten Leistungserbringern,viel Zutreffendes über dieses Gesetz und das Fallpau-sahvSdDdogHeFhlsFsDsFwdvnlwLvgtVfwgEdhedKspA
ie DRG-Krankenhäuser und all diejenigen, die sich iniesem System bewegen wollen und die an der Qualitätder der Struktur arbeiten, waren von der Nullrunde aus-enommen. Auch diese Behauptung stimmt also nicht.
err Dr. Thomae, selbstverständlich ist die Erstellungines Preissystems ein Ziel. Heute führen wir hier eineeinabstimmung durch. Auch die Präsenz der Kranken-ausversorgung auf dem Lande wird berücksichtigt. Vie-es von dem, was Sie heute hier wieder gesagt haben, isto also nicht in Ordnung.Richtig ist aber, dass wir mit der Einführung einesestpreissystems für Behandlungsleistungen in deut-chen Krankenhäusern ein veraltetes System ablösen.ieses alte System war weder an ökonomischen Interes-en noch an den Interessen der Patienten ausgerichtet.ür die meisten Behandlungsleistungen im Krankenhausurde die Höhe des Entgeltes in der Vergangenheit aner Liegedauer des Erkrankten bemessen. Das hat selbst-erständlich dazu geführt, dass Patienten und Patientin-en häufiger über die medizinisch notwendige Behand-ungszeit hinaus im Krankenhaus geradezu festgehaltenurden. Das ist kein Vorwurf an die Kliniken in unseremand, soll aber zeigen, dass diese Form der Bezahlungon Leistungen durch die Krankenversicherungen drin-end abgeschafft werden muss. Wir handeln hier eindeu-ig im Interesse der Kranken, aber auch der gesundenersicherten in unserem Land.
Wir haben uns in der Regierungskoalition für die Ein-ührung von DRG-Pauschalen ausgesprochen. Dieseerden – es ist bereits von der Frau Staatssekretärin dar-estellt worden – in vielen anderen Ländern mit gutemrfolg für die Patienten und Patientinnen, die Kliniken,ie Weiterentwicklung der Qualität und vor allem die Er-öhung der Transparenz angewandt. Wir haben uns fürine möglichst wettbewerbsnahe Einführung entschie-en. Deshalb sagen wir im Fallpauschalengesetz: Dierankenhäuser und die Partei der Krankenversichererind zur Systementwicklung und zur Systempflege ver-flichtet. Das umfasst ausdrücklich auch die technischeuswahl der DRG-Systematik.
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Helga Kühn-MengelSehr geehrte Damen und Herren, es ist die Partei derSelbstverwaltung, die sich für das australische Systemals Arbeitsgrundlage entschieden hat. Der heute vorlie-gende Antrag der CDU/CSU-Fraktion macht deutlich,wie wenig Verständnis Sie für das System haben. Nichtdie Bundespolitik hat sich für diese Arbeitsgrundlageentschieden, sondern es waren die Fachexperten dereben genannten Selbstverwaltungsparteien, also die Par-tei der Krankenversicherer und die Deutsche Kranken-hausgesellschaft.
Die Regierungskoalition hat im Zusammenhang mitdiesen Gesetzen den Begriff des lernenden Systems ge-prägt; das ist richtig. Diese Formulierung präzisiert, dassder Aufbau dieser neuen Vergütungssystematik kompli-ziert ist und eines ständigen Managementprozesses be-darf. Ich kann überhaupt nichts Nachteiliges daran er-kennen, dass wir in der Politik sagen, dass wir mitdiesem neuen System lernen und auch weiterhin im Dia-log mit den Leistungserbringern stehen und mit ihnendiskutieren müssen.
In der öffentlichen Diskussion wird gerne vergessen,dass die Entwicklung dieses Systems keinesfalls ein ris-kantes Experiment für unsere Krankenhauslandschaftist.
Im Fallpauschalengesetz werden die Jahre 2003 und2004 ausdrücklich als budgetneutral – faktisch heißt das:als kostenneutral – bezeichnet. Somit ergeben sich fürdie Anwender keine finanziellen Risiken.Es stimmt mich nachdenklich, dass Sie als gesund-heitspolitische Fachpolitiker der Opposition in IhremEntschließungsantrag alles Mögliche fordern und ver-sprechen. Sie fordern zum Beispiel die sachgerechte Ab-bildung von Behandlungsleistungen.
Nun kehren Sie einen Moment in sich und versuchenSie, mir diesen Begriff einmal konkret zu definieren! Ichdenke, es ist nicht unsere Aufgabe, diese medizinischenAbgrenzungen vorzunehmen.
Wir haben uns dazu entschlossen, diese Aufgabe in denHänden der medizinisch-fachlich versierten Selbstver-waltung zu belassen. Das ist auch richtig so.
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iese regulieren wir jetzt mit diesem Gesetz.Dieses Gesetz ebnet auch den Weg für die sachge-echte Fortführung der Einführung von Fallpauschalen.s sorgt für die Versorgungssicherheit sowohl der gro-en als auch der kleinen Spezialkliniken. Kein Betroffe-er einer selten vorkommenden Erkrankung oder eineromplexen Erkrankung muss befürchten, dass er inukunft nicht mehr nach dem Maß des medizinisch Not-endigen in unseren stationären Einrichtungen behan-elt wird. Das Gegenteil ist der Fall: Die Selbstverwal-ungspartner werden in die Lage versetzt, für bestimmteomplexe Erkrankungen in der Kinderheilkunde, dereriatrie, der Epileptologie und für die Behandlungchwerst behinderter Menschen eine korrekte Vergütunger stationären Behandlung zu finden.
ie entsprechenden Ausnahmetatbestände werden iniesem Gesetz fixiert.So sind wir dann auch davon überzeugt, dass an die-em neuen Entgeltsystem kein Weg vorbeiführt. Mittler-eile ist auch die Einführung in der Praxis längst ange-ommen. Wir sind ganz sicher, dass wir uns auf eineeue Zukunft des Wettbewerbs in diesem Bereich ein-tellen müssen.
nsere Gesetze ebnen den Weg in eine wettbewerblicherdnung. Sie werden dafür sorgen, dass mehr Qualitätnd mehr Transparenz in diesem System entstehen. Füreue Arbeitszeitmodelle – das ist bereits gesagt wor-en – ist nicht nur Platz, sondern sie werden in erheb-ichem Maße bezuschusst, sodass wir davon ausgehenönnen, dass die Einrichtungen und die Patienten undatientinnen profitieren.Ich danke Ihnen.
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Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen
Dr. Dieter Thomae das Wort.
Einige Punkte haben Sie angesprochen, aber einen
wichtigen Punkt nicht, der mich sehr berührt. Er betrifft
die Ausbildung der Ärzteschaft im Krankenhaus und die
Belastung der Ärzteschaft. Wie wollen Sie das in Zu-
kunft wirklich gut organisieren?
Lassen Sie mich noch eine Zusatzbemerkung machen.
Das BMGS hat leider übersehen, dass der Gesetzesbe-
fehl in Art. 3 fehlt. Ich möchte Sie bitten, das nachzuho-
len.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Wolfgang Zöller von
der CDU/CSU-Fraktion.
Grüß Gott, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kol-leginnen und Kollegen! Wenn Außenstehende die Redenvon Rot-Grün hören, müssen sie eigentlich den Eindruckgewinnen, als hätte Rot-Grün durch neue ErkenntnisseVerbesserungen im Fallpauschalengesetz vorgeschlagen.
Tatsächlich korrigieren Sie doch nur einen Teil IhrerFehler, die wir schon damals bei der Verabschiedung desGesetzes angesprochen hatten.
Ich versichere Ihnen, dass diese Maßnahmen wie-derum nicht ausreichen werden, um eine gute medizini-sche Versorgung in den Krankenhäusern leistungsge-recht zu vergüten. Sie werden abermals nachbessernmüssen.
Sie sprechen doch immer von einem lernenden Sys-tem. Ich glaube, die Krankenhäuser wären heilfroh,wenn sie einmal eine lernende Regierung erleben könn-ten.
Bereits am 19. März sind nämlich im Rahmen der erstenLesung zu dem Fallpauschalenänderungsgesetz von unsgenau die Punkte angesprochen worden, die deutlichmachen, warum Sie jetzt korrigieren müssen.Wenigstens haben Sie jetzt Konsequenzen aus denlängst bekannten Fehlentwicklungen gezogen. All dashat die Union von Anfang an gefordert. Es geht dabeium die Fälle, die in diesem System eben nicht zu100 Prozent abbildbar sind. Wenn die Bundesgesund-heitsministerin, Ulla Schmidt, dieses System immer wie-der als „lernendes System“ bezeichnet, dann bleibt nurzu hoffen, dass sie damit nicht eine vorgezogene Pau-sbtmlgzvbBZziässnmtVdwGnEvagzdNggvnAdßFKfzstdgdDdVrSdc
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3854 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003
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Gute Sachargumente dürfen nicht aufgrund ideologi-scher Überlegungen auf der Strecke bleiben. Wir dürfennicht vergessen, dass Gesetze nicht in den luftleerenRaum gestellt werden, sondern letztendlich die Gestal-tung der Lebenswirklichkeit der Menschen – in unseremFall: der Kranken in den Krankenhäusern – verbessernhelfen sollen. Hierfür tragen wir alle Verantwortung. Wirals Opposition leisten unseren Beitrag dazu.
Das Wort hat jetzt der Kollege Horst Schmidbauer
von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Er-folg braucht Akzeptanz. Wir haben bei den Bezahlsyste-men für Krankenhäuser Erfolg in Deutschland. Für die-sen Erfolg haben wir gearbeitet; denn Akzeptanz gibt esndüazEdsdnDgs–ePkBntezDalePDZstäsDODrnnAzDeBtudhb
Wir werden bei der Erfüllung unserer Aufgabenichts überstürzen. Wir müssen – das ist ganz klar –usnahmeregelungen schaffen, um den Menschen Zeitu geben. Wir wollen auch Strukturelemente fördern.eswegen wollen wir Zentren in Krankenhäusern, dieine besondere Aufgabe haben, fördern. Das gilt zumeispiel im Hinblick auf die Verbesserung der Vergü-ng von Personen, die in einem Krankenhaus arbeiten,as ein interdisziplinär arbeitendes Zentrum für Kinder-eilkunde hat. Der dort anfallende Mehraufwand musserücksichtigt werden.
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Horst Schmidbauer
Wir bleiben dabei: Auch wir zeigen Lernfähigkeit.Wir nehmen heute die erste Feinabstimmung vor. DenKolleginnen und Kollegen von der Opposition will ichdeutlich sagen: Angesichts der Schaffung eines so kom-plizierten Systems wird es nicht bei einer Feinabstim-mung bleiben.
Dass ein System lernt, setzt rechtzeitige, weiter gehendeund ordentliche Feinabstimmungen voraus. Nur wenndas geschieht, kann das System seine Funktionalität2007 voll unter Beweis stellen.
Man wird sehen, dass wir dann ein gutes Regelwerk fürDeutschland geschaffen haben.
Herr Kollege Zöller, man sollte nicht sagen: Die Zeitbis 2007 ist zu knapp. Unser Fraktionsvorsitzender hatvor kurzem gefragt: Warum brauchen wir in Deutsch-land zur Einführung eines solchen Vergütungssystemsfünf Jahre? Ist das nicht in einer kürzeren Zeit möglich?Wenn die Entwicklung weiterhin so dynamisch verläuft,dann könnte man natürlich früher zu einem Ergebniskommen. Ich glaube aber, wir sollten keinen unnötigenDruck erzeugen. Diejenigen, die in den Krankenhäuserneine verantwortliche Position innehaben, sollten ihreChance haben.
Wir brauchen ein ganzheitliches System. Den Vergü-tungen im Krankenhausbereich müssen ein ganzheitli-ches Menschen- und Krankheitsbild zugrunde liegen.Wir wollen aus der Zersplitterung im Gesundheitswesenherauskommen. Ich wiederhole: Wir müssen die Dingeganzheitlich betrachten. Was schwierige Bereiche wieGeriatrie, Epileptologie und Kinderheilkunde angeht,muss den verantwortlichen Menschen genug Zeit gege-ben werden, damit sie sich auf Abrechnungsformen ein-stellen können, die der Komplexität einer ganzheitlichenBehandlung, eines ganzheitlichen MenschenbildesRechnung tragen.
Die Epilepsiefachleute in Bethel und im Berliner Epi-lepsiezentrum sagen – das hat mir sehr gefallen; die Epi-lepsie ist ein sehr schwieriges Gebiet; wir kennen ausAustralien nur zwei Abrechnungsgruppen –: Wir wollenmit der Fachgesellschaft in Kürze zusätzliche Fallgrup-pen für dieses schwierige Gebiet schaffen; wir sind inder Lage, das in einer Frist von einem oder eineinhalbJahren zu bewerkstelligen.
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ir müssen ganz deutlich machen: Wenn wir das, wasir uns vorgenommen haben, nicht schaffen, dann wirds in den Krankenhäusern in vielen Bereichen zur Bil-ung von Randgruppen kommen. Das kann nicht unseriel sein.Wir wollen nicht die Verhältnisse in Australien kopie-en. Wir wollen ein „German DRG“ schaffen. Das heißt,ir wollen ein Vergütungssystem schaffen, das die deut-che Krankenhauskultur widerspiegelt. Daran führt keineg vorbei. Wir müssen die angestrebte Differenzierungustande bringen. Wir haben gute Chancen, dieses Zielu erreichen.Unser Ziel ist – das ist deutlich geworden –: Wir müs-en den Patienten in den Mittelpunkt stellen.
enn wir das tun, dann werden wir merken: Es kannicht mehr sein, dass der Patient nach der Zahl von Ta-en bezahlt, die er ein Bett belegt hat. Vielmehr muss deratient in die Lage versetzt werden, nach der Leistunges Krankenhauses zu bezahlen. Wir müssen dafür sor-en, dass letztlich die erbrachte Qualität und nichts an-eres der Maßstab ist, nach dem bezahlt wird. Dazuüssen wir unseren Beitrag leisten.
Wir werden nicht nur sagen, dass wir den informier-en Patienten wollen. Wer den informierten Patientenill, muss auch im Krankenhaus für Transparenz sor-en. Ohne Transparenz gibt es keinen informierten Pa-ienten. Deswegen werden wir auch als Gesetzgebernseren Beitrag dazu leisten, dass wir in den Kranken-äusern zum informierten Patienten kommen und dassransparenz hergestellt wird. Letztlich wollen wir mitnserem Strukturgesetz, das in nächster Zeit zu beratenst, erreichen, dass wir bei der Wahlfreiheit der Patientin-en und Patienten vorankommen.Sie können sicherlich verstehen, dass wir auf die Ent-icklung stolz sind und bei uns eine gewisse Zufrieden-eit herrscht. Ich verstehe, dass Sie uns diesen Erfolgicht so recht gönnen mögen.
ie versuchen natürlich, über Ihren Oldtimer hinwegzu-ommen. Wir wollen uns hier im Hause doch nichts vor-achen: Sie haben in Sachen Fallpauschalen in Deutsch-nd einen Fehlversuch gestartet und sind mit dereehoferschen Konzeption von Fallpauschalen vollstän-ig im Sand stecken geblieben.
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Horst Schmidbauer
Bei 20 bis 25 Prozent Fallpauschalen sind Sie mit IhremOldtimer stecken geblieben.
Mehr haben Sie für Deutschland nicht erreichen können.Mehr als 20 bis 25 Prozent haben Sie über die Jahrenicht geschafft. Obwohl Ihr Ziel 70 Prozent waren, sindSie bei 20 Prozent hängen geblieben und haben es nichtvorangebracht. Sie haben nur eines in Deutschland ge-schafft, nämlich dass bei den Krankenhäusern ein Rosi-nenpicken losging; die Krankenhäuser haben Möglich-keiten genutzt, die wir nicht wollten.Ich habe großes Unverständnis für Ihren Entschlie-ßungsantrag. Heute sind 1 100 Vertreterinnen und Ver-treter von Krankenhäusern in Berlin. Heute Morgen hatder Herr Staatssekretär verkündet, dass gestern im Ge-sundheitsausschuss die Weiterentwicklung des Fallpau-schalengesetzes einstimmig beschlossen worden ist. DieFolge war, dass bei diesen 1 100 Vertreterinnen und Ver-treter der Krankenhäuser große Erleichterung eintrat,
weil sie das erste Mal spürten, dass das Thema Fallpau-schalen endlich aus der parteipolitischen Schiene heraus-kommt.
Das hat nur für kurze Zeit angehalten; denn natürlichwar nur Minuten später die Information da, dass Sie ei-nen Entschließungsantrag nachreichen und letztlich ver-suchen, da wieder auf Ihre alte Position zu kommen.
Dieser Vorwurf ist so alt wie die Medizin. Ich habe mirdas einmal genau angeguckt und empfehle Ihnen alsKolleginnen und Kollegen: Schauen Sie sich doch ein-mal in den Krankenhäusern um!ÜwlnsrncderrwwrKudKAHsatskdTFegssdmA
berprüfen Sie einmal, welcher Aufwand notwendig ist,enn ein Krankenhaus heute eine Privatrechnung erstel-en muss, und welcher Aufwand notwendig ist, wenn esach den neuen Fallpauschalen geht! Sie werden fest-tellen, dass der Aufwand für letzteres entschieden ge-inger ist.Wir machen uns nichts vor: Wer meint, dass Abrech-ungen in einem Krankenhaus in Zukunft ohne ausrei-hende Dokumentation und ohne ausreichende Detail-arstellung möglich sind, wird die Krankenhäuser aufinen falschen Weg führen.Ich meine, wir haben es deutlich gemacht: Im Inte-esse der Patientinnen und Patienten, aber auch im Inte-esse der Menschen, die in den Krankenhäusern Verant-ortung tragen und Leistungen erbringen müssen,ollen wir das Gesetz präzise entwickeln. Uns wurdeückgekoppelt – das freut uns am allermeisten –, dass dierankenhäuser in Deutschland kräftig mitziehen, umns voranzubringen, auch wenn die Opposition noch aufer Bremse steht.
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen
laus Kirschner das Wort.
Herr Präsident! Als Vorsitzender des zuständigen
usschusses will ich klarstellen, was der Berichterstatter
err Kollege Dr. Thomae gesagt hat, damit nichts Fal-
ches im Protokoll steht: Der Gesetzentwurf ist in Bezug
uf den Text korrekt. In der Synopse hat sich beim Über-
ragen ein Fehler eingeschlichen. Aber ich lege als Aus-
chussvorsitzender Wert darauf, dass der Gesetzentwurf
orrekt ist.
Herr Kollege Thomae ist nicht anwesend und kannaher nicht darauf erwidern.Damit sind wir am Ende der Rednerliste zu diesemagesordnungspunkt. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von denraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grüneningebrachten Entwurf eines Fallpauschalenänderungs-esetzes, Drucksache 15/614. Der Ausschuss für Ge-undheit und Soziale Sicherung empfiehlt unter Nr. 1einer Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/994,en Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzuneh-en. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in derusschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solmschen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist derGesetzentwurf in zweiter Beratung einstimmig ange-nommen.Wir kommen zurdritten Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zuzustimmen wünschen, sich zu erheben.– Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurfist einstimmig angenommen.Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent-schließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU aufDrucksache 15/1012. Wer stimmt für diesen Entschlie-ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthältsich? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmender Koalitionsfraktionen bei Zustimmung von CDU/CSU und FDP abgelehnt.Der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherungempfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 15/994, den von der Bundesregierung einge-brachten Entwurf eines Fallpauschalenänderungsgeset-zes auf Drucksache 15/897 für erledigt zu erklären. Werstimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstim-men? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung isteinstimmig angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Innenausschusses zudem Antrag der Abgeordneten WolfgangBosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl
, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSUDeutschland wirksam vor Terroristen und Ex-tremisten schützen– Drucksachen 15/218, 15/990 –Berichterstattung:Abgeordnete Hans-Peter KemperTobias MarholdClemens BinningerSilke Stokar von NeufornGisela PiltzNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinenWiderspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat derKollege Hans-Peter Kemper von der SPD-Fraktion dasWort. – Würden Sie den Kollegen freundlicherweisedurchlassen, damit er zum Rednerpult gehen kann?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirdiskutieren heute innerhalb kürzester Zeit zum zweitenMal ein wichtiges Thema, nämlich das Thema der inne-ren Sicherheit. Bei der letzten Debatte über diesesTAwuIusEhsdshTWMbeguShPRrsDtDWavvzudsDrMs
Wenn es überhaupt noch eines Beweises bedurftätte, dann hätten uns die blutigen Anschläge der letztenage in Casablanca, Riad, Israel und anderswo in derelt dies in drastischer Weise deutlich gemacht. Unseritgefühl gilt den Opfern und den Angehörigen dieserlindwütigen Anschläge und den betroffenen Staaten.Ich halte dennoch Ihren Antrag für überflüssig, weilr ein Sammelsurium aus alten populistischen Forderun-en enthält
nd weil Sie sich nichts Neues haben einfallen lassen.ie bringen bei jeder Gelegenheit Ihre Forderung nachärteren Strafen vor. Gestern hat der Innenminister dieolizeiliche Kriminalstatistik bekannt gegeben. Ihreeaktion darauf war wie immer reflexartig die Forde-ung nach höheren Strafen. Dabei ist klar, dass der Ge-etzesrahmen bisher überhaupt nicht ausgeschöpft wird.ie bestehenden Gesetze reichen aus, nur die Instrumen-arien müssen verbessert werden; das ist keine Frage.
a sind auch wir mit dabei.
ir wollen die Anwendung von DNA-Untersuchungenusweiten, wir wollen andere Ermittlungsmöglichkeitenerbessern. Aber Sie, lieber Herr Strobl, sollten nichtersuchen, die derzeit unsichere weltpolitische Lageum Anlass zu nehmen, den Leuten Angst einzujagennd sie glauben zu machen, die innere Sicherheit sei beiieser Bundesregierung in schlechten Händen. Das istie nämlich nicht, ganz im Gegenteil.
Deutschland ist ein sicheres und ein freies Land.iese beiden Punkte widersprechen sich nicht, sie gehö-en zusammen, sie sind zwei Seiten einer Medaille. Dieenschen können ihre Freiheit nur erleben, wenn sieich sicher fühlen.
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Hans-Peter KemperAngst und Unsicherheit macht unfrei. Es ist ein Grund-anliegen unserer sozialdemokratischen Politik, dafür zusorgen, dass die Menschen in diesem Land ohne Angstleben können, denn ein Leben ohne Angst schafft mehrLebensqualität; dafür sorgen wir.
Wir haben engagierte und motivierte Sicherheits-dienste in diesem Land. Das reicht von den Polizeienüber die Dienste bis hin zu den verschiedenen Organisa-tionen des Katastrophenschutzes. Wir waren erst vor we-nigen Tagen mit unserer Arbeitsgruppe beim Bundesamtfür Verfassungsschutz in Köln und haben uns vor Ortwirklich von der engagierten Arbeit dieses Dienstesüberzeugt. Die Dienste sind gut, die Bediensteten sindgut und auch die Gesetze sind gut.
Es gibt ein ausgewogenes Konzept, das die Waage zwi-schen Repression und Prävention hält.Wer allerdings die Menschen glauben machen will,dass mit noch so harten Gesetzen oder noch so hartemEinschreiten eine hundertprozentige Sicherheit zu errei-chen wäre, der täuscht die Menschen ganz bewusst undmacht ihnen Angst; er schürt die öffentliche Angst. Esgab eine Reihe von fürchterlichen Anschlägen, vom11. September 2001 in den USA über Djerba, Bali bishin zu den Anschlägen in Casablanca, Riad und Israel inden letzten Tagen, die viele Menschen das Leben gekos-tet und viele Menschen verletzt haben. Sie haben aberauch deutlich gemacht, dass noch so harte Sicherheitsge-setze und noch so scharfe Kontrollen keine hundertpro-zentige Sicherheit bewirken können.Die amerikanischen und israelischen Sicherheitsge-setze zählen zu den härtesten und schärfsten Gesetzender Welt. Auch deren Dienste sind diejenigen, die amhärtesten einschreiten. Dennoch haben es weder die Ge-setze noch die Dienste vermocht, diese verheerendenAnschläge, die sich wie eine blutige Spur durch die Ge-genwart ziehen, zu verhindern. Ich bin der festen Über-zeugung, dass es auch zu einer seriösen Politik gehört,den Menschen zu sagen, dass keine Regierung der Weltabsolute Sicherheit garantieren kann.
Es ist zudem die Frage, ob, wenn wir das versuchen wür-den, das Leben bei uns dann noch lebenswert wäre.
Diese Regierung tut alles, um ein Höchstmaß an inne-rer Sicherheit zu produzieren. Wir werden darauf achten,dass wir ein Höchstmaß an Sicherheit erreichen, ohnedie Freiheitsrechte der Menschen unnötig einzu-schränken. Wir haben eine Vielzahl Ihrer Forderungen inunseren Antiterrorgesetzen und in anderen Gesetzen, aufdie mein Kollege Tobias Marhold gleich noch eingehenwPuddwBfPaAaAMszEgd–S–wdDiedim
ber wie scheinheilig Ihre Forderung ist, will ich Ihnenn einem Beispiel deutlich machen. Wir haben mit denntiterrorgesetzen dafür gesorgt, dass biometrischeerkmale in Personalpapieren längst Rechtswirklichkeitind. Sie wissen aber genau, dass eine praktische Umset-ung nur auf europäischer Ebene möglich ist.
s hilft uns absolut nicht, wenn in Frankreich der Au-enhintergrund vermessen wird und diese Merkmale inie Personalpapiere aufgenommen werden – –
Sofort, wenn der Präsident sie zulässt.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
trobl?
Ich wollte Ihnen nicht vorgreifen, aber sehr gerne.
Sowieso.
Herr Strobl.
Herr Kollege Kemper, wir sind uns in dieser Frage, soie Sie es darstellen, völlig einig. Das Problem ist nur,ass Sie nichts tun.
as Lavieren mit dem Verweis auf die EU-Ebene findech inakzeptabel. Ich habe mich heute Vormittag nochinmal rückversichert und bitte Sie, zu bestätigen, dassie Bundesregierung auf der EU-Ebene keine Vorstößen Sachen Biometrie gemacht hat, dass sie bei der Bio-etriearbeitsgruppe der G-8-Staaten keine Rolle spielt.
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Thomas Strobl
Herr Kollege Kemper, ich schließe eine Frage an.Heute steht in der Zeitung, dass die Staatsministerin imAuswärtigen Amt, Frau Müller, sagt, man werde in Be-zug auf Visumpapiere mit biometrischen Merkmalennichts unternehmen, denn man wolle die Ergebnisse vonVersuchen in Nigerias Hauptstadt Lagos und demnächstin Jakarta abwarten.
Teilen Sie meine Auffassung, Herr Kollege Kemper,dass wir in der Bundesrepublik Deutschland schon wei-ter waren als in Nigeria und Jakarta?
Herr Kollege Strobl, ich bin Ihnen in zweierlei Hin-
sicht dankbar für die Frage: Zum einen ist die Redezeit
sehr knapp geworden und ich habe jetzt die Möglichkeit,
etwas ausführlicher dazu Stellung zu nehmen. Von daher
vielen Dank.
– So sind Sie nun einmal.
Herr Kollege Kemper, in der Geschäftsordnung ist al-
lerdings vorgesehen, dass sowohl die Fragen als auch die
Antworten kurz und präzise sind.
Zum anderen will ich Ihnen das noch einmal klar dar-legen. Ich habe – das wissen Sie aus unseren Innenaus-schussdebatten – immer gesagt, dass wir biometrischeMerkmale in den Personalpapieren brauchen. Wir wer-den das auch durchsetzen.
Das ist eine klare Aussage. Wir haben in diesem PunktRechtssicherheit geschaffen; das ist bereits Rechtswirk-lichkeit.
– Hören Sie doch zu, dann wissen auch Sie es endlichund brauchen nicht mehr dazwischenzurufen! Ich willSie vor schwerwiegenden Irrtümern bewahren.
Es ist doch wenig sinnvoll, wenn wir keine einheit-lichen Lösungen erzielen. Es gibt verschiedene biometri-sche Merkmale, die man erfassen kann, zum BeispielFingerabdrücke. Dafür bin ich, weil das einfach, wenigbelastend, einmalig und unverwechselbar ist.AfsswpdwdwkwILbAeEDgcggdDedzieokwMmmFDuv
ußerdem gibt es beispielsweise die Möglichkeit der Er-assung des Augenhintergrunds und Gesichtsvermes-ungsverfahren. Wenn jetzt die verschiedenen europäi-chen Staaten nationale Insellösungen anstrebenürden, dann könnten Sie, wenn Sie aus der Bundesre-ublik mit dem biometrischen Merkmal des Fingerab-rucks nach Frankreich fahren, dort nicht kontrollierterden. Das ist bei Ihnen nicht nötig, das weiß ich; aberas gilt auch für andere. Sie könnten nicht kontrollierterden, weil die Franzosen diese Auswertungsmöglich-eit nicht hätten.Von daher ist die ganze Geschichte nur sinnvoll, wennir von nationalen Insellösungen wegkommen und imnteresse der inneren Sicherheit mindestens europäischeösungen – bis Jakarta will ich gar nicht gehen – anstre-en; weltweite Lösungen wären noch viel besser.
ber da wir bescheiden sind und uns am Nachbarn ori-ntieren, wird das erst einmal auf der europäischenbene geschehen. Das machen wir jetzt.
Ich will zur Kronzeugenregelung nichts mehr sagen.ie Kronzeugenregelung hat immer wieder eine Rolleespielt, sie hat sich aber nicht bewährt. Wir werden si-herlich eine andere Lösung finden. Mit der Kronzeu-enregelung haben wir bisher keinen schwierigen Fallelöst.Ich bin auch nach der heutigen Debatte der Meinung,ass Ihr Antrag überflüssig ist.
eshalb werden wir ihn auch ablehnen. Deutschland istin freies und sicheres Land. Die Ehrlichkeit gebietet es,en Menschen auch zu sagen, dass es keine hundertpro-entige Sicherheit gibt. Man muss ihnen sagen, dass esn der Bundesrepublik eine latente Gefährdung gibt, dasss eine Bedrohungslage gibt, die man auch durch mehrder schärfere Gesetze und Verordnungen nicht wegbe-ommt.Aber eines ist in den letzten Tagen genauso klar ge-orden: dass nämlich noch so viele Raketen undarschflugkörper nicht in der Lage sind, die Terroris-usgefahr zu beseitigen und terroristisches und extre-istisches Gedankengut aus den Köpfen verblendeteranatiker zu vertreiben.
a sind wir an einem ganz wichtigen Punkt, an dem wirns unterscheiden: Wir wollen durch Prävention undernünftige Gesetze die innere Sicherheit herstellen und
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Hans-Peter Kemperden Terrorismus bekämpfen, nicht durch Marschflugkör-per oder Raketen.Schönen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Thomas Strobl von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren!Trotz der Zerschlagung der al-Qaida-Basen inAfghanistan ist der Terror durch diese Gruppe nochlange nicht gebannt. Im Gegenteil: Die Komman-dos formieren sich gerade neu und sind weltweitverstreut …
So der renommierte Terrorismusforscher Tophoven voreinigen Monaten. Wie Recht er doch hat! Heute nach denschlimmen Anschlägen von Riad und Marokko – KollegeKemper hat zu Recht darauf hingewiesen – ist seine Ein-schätzung leider traurige Realität geworden.Unsere Dienste berichten uns allerdings immer wie-der von zunehmenden Aktivitäten terroristischer Organi-sationen auch hier bei uns in Deutschland. Für unserLand gilt: Auch in Deutschland müssen wir von einer er-höhten abstrakten Bedrohungslage ausgehen.
Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes sagt:Wir sehen derzeit keine Entwarnung. Wir sehenderzeit eher ein Anwachsen dieser Aktivitäten ... Esfinden Rekrutierungen statt.Deutschland ist nicht nur Vorbereitungsraum, sondernauch Ziel für Attentate. So das Bundeskriminalamt inseinem Lagebericht von gestern.Richtigerweise betont auch die Bundesregierung im-mer wieder, dass die Bedrohung durch den internationa-len islamistisch-fundamentalistischen Terrorismus zuge-nommen hat und auch Deutschland potenziellesAngriffsziel von al-Qaida und anderen Organisationensein kann. Dem können wir nur beipflichten. Der Kampfgegen den Terror ist noch lange nicht gewonnen und er-höhte Wachsamkeit ist vonnöten.
Wenn wir uns also, von einigen unverbesserlichenGrünen und Linken in der SPD einmal abgesehen, indiesem Hohen Hause bei der Analyse der Bedrohungs-lagen einig sind, Herr Kollege Kemper, dann sollten wirazDÜpshdcnHsaHRVbsgsvKntTmmvmIfilbshVtseARgddcnr
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und dass es eben in aller Regel zu spät ist, wenn man ab-wartet, bis der Nachweis erbracht ist.
Herr Kollege Strobl, erlauben Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Sonntag-Wolgast?
Gern.
Herr Kollege, nur, damit wir uns bei diesem heiklen
Punkt einig sind: Sie haben eben Zahlen mutmaßlicher
Extremisten genannt. Würden Sie mir zustimmen, dass
bei den Sicherheitsbehörden nur ein ganz geringer Teil
als wirklich gewaltbereit gilt im Sinne dessen, was Sie
gerade ausbreiten, nämlich wahrscheinlich weniger als
2 000? Ich meine, es ist wichtig, das vor der Öffentlich-
keit auch korrekt darzustellen.
Frau Kollegin Sonntag-Wolgast, ich habe zitiert, dass
über 50 000 Ausländer Anhänger oder Mitglieder extre-
mistischer Organisationen sind, und ich habe gesagt,
dass über 30 000 davon islamistischen Organisationen
angehören. Die Zahl derer, bei denen eine potenzielle
Gewaltbereitschaft anzunehmen ist, ist selbstverständ-
lich niedriger. Aber die Zahl von über 30 000 Anhängern
islamistischer Organisationen ist für die Bundesrepublik
Deutschland eine hohe Zahl. Sie werden sicher nicht in
Abrede stellen können, dass der gewaltbereite Islamis-
mus für die Sicherheitslage in der Bundesrepublik
Deutschland ein großes Problem ist. Wenn nicht, dann
bitte ich Sie, den gestern vorgestellten Verfassungs-
schutzbericht Ihres Bundesinnenministers nachzulesen.
Meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass wir ein
Gesamtkonzept für die innere Sicherheit entwerfen.
Die bisherigen Maßnahmen greifen zu kurz. So ist etwa
der Zivil- und Katastrophenschutz in der Vergangenheit
vernachlässigt worden. Hier muss nachhaltig investiert
werden.
Ich möchte einen letzten Satz sagen. Teil dieses Ge-
samtkonzeptes muss auch die Bundeswehr sein. Es ist
nicht zu verstehen, dass Rot-Grün sich sperrt und wei-
gert, die Bundeswehr in bestimmten Fällen auch im In-
land einzusetzen. In besonderen Gefährdungslagen kann
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Sie sind am Ende Ihrer Redezeit.
Ich dachte, der Kollege Kemper wollte noch eine
wischenfrage stellen, die ich ihm gestattet hätte.
Ich möchte Sie, meine Damen und Herren von Rot-
rün, auffordern, nicht weiter in Untätigkeit zu verhar-
en. Es geht um die Sicherheit unserer Bürgerinnen und
ürger – ein hohes Gut, hinter dem wir von der Union
tehen. Sie sollten es auch tun. Stimmen Sie unserem
ntrag zu!
Besten Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Christiantröbele, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!iebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Der Kollege Beck hator einigen Monaten, als wir hier schon einmal über die-en Beschlussentwurf der CDU/CSU beraten haben, ge-agt: Nach der Wahl in Hessen sollten Sie das Ganzeegpacken, weil in dem Entwurf sowieso nichts Neuesteht, weil ein Teil der Forderungen bereits umgesetztorden ist und wir uns mit dem anderen Teil eh schonuseinander gesetzt haben.Nun habe ich mich gefragt: Warum haben Sie dasicht gemacht? Warum legen Sie diesen Entwurf heuteieder vor? Da fiel mir auf: Wir haben am Sonntag jachon wieder Wahlen.
ie haben das Thema offenbar heute wieder auf die Ta-esordnung gesetzt, damit Sie es noch einmal hochzie-en können. Ich sage Ihnen dazu: Es ist unanständig, mituseinandersetzungen über den Kampf gegen den Ter-orismus Wahlkampf führen zu wollen. Das gehört sichicht.
Ich will jetzt nicht auf Einzelheiten eingehen, weil wirber alle Punkte, von der Kronzeugenregelung bis zuiometrischen Merkmalen, schon häufig diskutiert ha-en und die Argumente ausgetauscht sind. Ich will nurrei kleine Anmerkungen dazu machen.
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Hans-Christian StröbeleErstens. Bei den biometrischen Merkmalen müssenSie sich doch auch einmal auf die Diskussion über dieFrage einlassen: Ist das effektiv? Bringt das mehrSicherheit für Personalausweise, Pässe und Ähnlichesund welche biometrischen Merkmale könnten dieseSicherheit erzielen?Ich kann nur immer wieder darauf hinweisen: In mei-nem Wahlkreis hier in der Nähe, in Kreuzberg, ist dieBundesdruckerei. Die erklären, dass die heutigen Perso-nalausweise, die damals als fälschungssicher eingeführtworden sind, fälschungssicher sind und bleiben
und dass auch biometrische Merkmale in Personalaus-weisen nachgemacht werden können. Sie können einenneuen Ausweis herstellen, indem Sie Ihre biometrischenMerkmale in einen auf meinen Namen ausgestelltenAusweis einfügen. Das heißt, ein solches Vorgehen führtzu nichts.Genauso ist es mit der Kronzeugenregelung. Im Zu-sammenhang mit der Kronzeugenregelung erwecken Siein der Öffentlichkeit immer den Eindruck, als ob es ei-nen Weg geben müsse, Menschen dazu zu ermuntern,vor Gericht oder bei der Staatsanwaltschaft Geständnisseabzulegen, um möglicherweise Straftaten zu verhindernoder Straftaten aufzuklären. Sie verschweigen dabei,dass es in allen Gerichten – hier in Moabit und genausoin München und Stuttgart – tägliche Praxis ist, dass auchim Terrorismusbereich
und sogar bei der Frage – das ist fast contra legem –, obbei Mordvorwürfen „lebenslänglich“ zu verhängen istoder nicht, das Aussageverhalten von Angeklagten bzw.Beschuldigten im Strafverfahren strafmildernd berück-sichtigt wird. Das war zuletzt hier in Berlin im La-Belle-Verfahren, das drei Jahre gedauert hat, der Fall. Auch dasind die Geständnisse bzw. die Hilfen, die zwei der An-geklagten dem Gericht im Rahmen ihrer Aussagen gege-ben haben, erheblich strafmildernd berücksichtigt wor-den.Letztlich ist es genauso bei den in Ihrem Antrag ange-führten §§ 129 a und 129 b Strafgesetzbuch. Bei diesenParagraphen wird gerne gesagt: Hier muss draufgesatteltwerden; dann geht das mit dem Terrorismus zu Ende.Das alles ist Unsinn; denn auch heute ist es nicht so.Sie fordern, Untersuchungshaft solle auch ohneHaftgrund verhängt werden können, wenn der Verdachtder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung be-steht. Auch heute entkommt keiner, der verdächtigt wird,an einer Straftat nach § 129 b beteiligt gewesen zu sein,also Unterstützer einer ausländischen terroristischenVereinigung zu sein, der Untersuchungshaft. Denn derVorwurf enthält quasi die Fluchtgefahr. Das heißt, dabraucht man keine zusätzliche Strafbestimmung.ddTcahdrifdGTrstizvisinssvCsgsgMsgarhfdssamdawute
Warum kommen Menschen dazu, solche terroristi-chen Attentate zu begehen, wobei sie von Anfang da-on ausgehen, dass sie dabei sterben, dass sie keinehance haben, weil die Attentate so geplant sind, dassie selber dabei umkommen? Warum tun sie das? Ichlaube nicht, dass Armut der Grund für die meisten die-er Täter ist. Warum tun die so etwas? Reicht es, zu sa-en: „Diejenigen, die so etwas tun, sind blutrünstigeonster, die wir nicht verstehen, die völlig ausgerastetind“? Ich sage Ihnen: Wenn wir dabei stehen bleiben,reifen wir zu kurz und dann finden wir keine Rezepte.Die Rezepte sind vielmehr – das haben schon Klügerels ich aufgeschrieben –: Wir müssen den Ursachen, wa-um Menschen zu so etwas fähig sind, auf den Grund ge-en. Eine ganze Reihe von Ursachen sind schon heuteestgestellt worden. Ich nenne zum Beispiel: Wir dürfenie Menschen nicht demütigen. Wir dürfen die Men-chen nicht ungerecht behandeln. Wir dürfen die Men-chen in anderen Ländern nicht ausbeuten. Wenn wir dasber tun, bringen wir immer mehr Menschen dazu, sichit einem solchen schrecklichen Tun anzufreunden undabei mitzumachen.
Nur wenn wir wirklich die Würde aller Menschenchten und alle Menschen gerecht behandeln, könnenir dem Einhalt gebieten und dann werden Bin Ladennd andere für ihre Kommandos nicht mehr so leicht Tä-r finden, wie das bisher der Fall gewesen ist.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003 3863
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Ich möchte das auf die aktuelle Politik beziehen. Ichglaube, dass die Weigerung der Bundesrepublik Deutsch-land und der Bundesregierung am Krieg gegen den Irakteilzunehmen, für viele islamistisch geprägte Länder undGesellschaften im arabischen Raum ein Signal war, dasses nicht um einen Kampf der Kulturen geht, dass es nichtdarum geht, dass das Abendland gegen das MorgenlandKrieg führt, dass es nicht darum geht, dass die christlicheReligion die islamische Religion domestizieren will.
Indem wir uns diesem Krieg verweigert haben, habenwir gezeigt, dass es im Abendland durchaus Länder undVölker gibt, die gegen solche ungerechten Kriege pro-testieren.
Solche Signale bewirken in diesen Ländern eine diffe-renziertere Herangehensweise.
Wenn wir so handeln würden, wie Sie das wollen, wäremit dem Terrorismus in dieser Generation nicht Schluss.Sie würden das Entstehen neuen Hasses und neuer Wut,die aufgrund von Demütigung und Ungerechtigkeit ent-standen sind, mit verantworten, was wiederum neue Ter-roristen – möglicherweise mehr Täter – hervorbringenwürde.
Ich komme auf den Gesetzentwurf zurück. Ihr Ge-setzentwurf enthält die Forderung nach der Aufnahmeder Daten über die ethnische und religiöse Zugehörig-keit. 20 Punkte Ihres Forderungskataloges sind auf Aus-länder, Zugewanderte, Eingewanderte und Besucher inDeutschland gerichtet.
Gegen diese Menschen fordern sie mehr Repressionen.Das fördert in der Welt den Eindruck, dass Sie sich ge-gen ganze Völker und ganze Kulturen richten. In IhremAntrag sprechen Sie von „bestimmten Völkern“. Dabeibleiben Gerechtigkeit und Würde auf der Strecke.
Herr Kollege Ströbele!
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Damit leisten Sie dem Terrorismus eher Vorschub, als
ass Sie dazu beitragen, ihn zu verhindern.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Gisela Piltz.
Nur, weil ich nicht Ihrer Meinung bin, bin ich nochange nicht bei den Grünen.Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ie alle kennen bestimmt das Lied „Morning has bro-en“ von Cat Stevens. Sollte dieser Antrag der CDU/SU in die Tat umgesetzt werden, bricht für diesen In-erpreten in Deutschland kein ruhiger Morgen mehr an.er vor mehr als 20 Jahren zum Islam übergetreteneänger würde bei Einreise in die Bundesrepublikeutschland unter den Generalverdacht des Terrorismusallen. Das kann nicht Sinn der Sache sein.
Nur, weil Sie dazwischenreden, haben Sie noch langeicht Recht.
Nur allzu gern fordert man aus dem Gefühl der Unsi-herheit, Angst und Bedrohung heraus schnell neue undärtere Gesetze, die Schutz vor Terror und Extremistenringen sollen. Schaut man sich die Problematik aber ge-auer an, kann die Antwort nur lauten: So, wie Sie esorschlagen, ist das nicht möglich. Sie machen sich dasirklich zu einfach. Die Aufgabe der Politiker ist dochchließlich, Sorgen und Nöte der Bürger ernst zu neh-en und ihnen nicht einfach pauschal nachzugeben.
Der Antrag der CDU/CSU greift nur einzelne Punkteeraus. Er bedeutet eine erhebliche Einschränkung desersönlichkeitsrechts, bringt aber keinen umfassendennd wirksamen Schutz vor Terroristen.
Das Anliegen, die Einreise von Terroristen zu verhin-ern, ist sicher gut und richtig. Ich glaube, dass sich dieehrheit in diesem Haus dabei im Grunde einig ist.
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3864 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003
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Gisela PiltzWie soll bei der Einreise der Terrorismusverdacht nach-gewiesen werden? Bestimmt nicht, indem Sie die Religi-onszugehörigkeit als das Erkennungsmerkmal heranzie-hen und speichern.
Damit stellen Sie Ausländer, die einen anderen Glaubenhaben, unter pauschalen Terrorismusverdacht. Das ist zueinfach.Der Aktionismus nach dem 11. September war sehrgroß und in Teilen auch richtig. Dass übereilt und ober-flächlich gearbeitet worden ist, konnte man spätestensam Sicherheitspaket II des Bundesinnenministers se-hen. Der „Otto-Katalog II“, wie er gern genannt wird,hält sich nicht an die datenschutzrechtlichen Vorgabendes Bundesverfassungsgerichts.
– Genau! Wir haben ihm deshalb nicht zugestimmt.
Es ist aus unserer Sicht bedenklich, sich nicht an dieVorgaben des Verfassungsgerichts zu halten. Auch Ihrheutiger Forderungskatalog missachtet diese Vorgaben.Sicher waren wir alle betroffen, als wir erfuhren, dasssich Schläfer vor allen Dingen in Hamburg, damit inDeutschland, aufgehalten haben. Ebenso haben uns dieAnschläge der letzten Wochen auf der ganzen Welt be-troffen gemacht. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegenvon der CDU/CSU: Könnte auch nur ein Schläfer mehraufgedeckt werden, wenn Ihre Forderungen heute umge-setzt würden? – Nein, aus meiner Sicht ist das nicht derFall. Man muss aber immer auch nach der Effektivitätder Maßnahmen, die Sie hier vorschlagen, fragen. Ausunserer Sicht sind sie nicht effektiv.Wir werden immer nach der Effektivität fragen und
dabei befinden wir uns in guter Gesellschaft. Der Daten-schutzbeauftragte Jacob hat in seinem Bericht einen hö-heren Stellenwert des Datenschutzes angemahnt. Daspasst Ihnen mit Sicherheit nicht. Freiheitsrechte werdengern als Hindernis einer wirksamen Terrorismusbekämp-fung dargestellt. Das ist aus unserer Sicht nicht so.
Werden endlich die bestehenden Gesetze angewandt,zentrale Koordinierungsstellen zur Terrorismusbekämp-fung errichtet und die Terrorismusbekämpfung auch aufeuropäischer und internationaler Ebene vernetzt und ge-meinsam in Angriff genommen, dann bleiben Freiheits-rechte gewahrt und ein wirkungsvoller Schutz wird er-reicht.Darüber hinaus wurden von der rot-grünen Koalitionbereits einzelne Forderungen des Antrages umgesetzt.Zu den biometrischen Daten ist heute schon viel gesagtworden. Im Übrigen gehen die Ansätze der Koalition,mzwsAdJwafaPeSuIdirkdTspgstAarussDhawPDLld
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Tobias Marhold.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ie Bundesregierung ist sich der anhaltenden Bedro-ung, die vom Terrorismus sowohl innerhalb als auchußerhalb unseres Landes ausgeht, sehr wohl bewusst,ie man auch den Ausführungen meines Kollegen Hans-eter Kemper entnehmen konnte. Allerdings isteutschland im internationalen Vergleich ein sicheresand. Dazu hat die Bundesregierung ihren Beitrag ge-eistet.Während unserer Regierungszeit wurden zunächst dieeutschen Sicherheitsbehörden, deren tatkräftiges En-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003 3865
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Tobias Marholdgagement für ein Höchstmaß an Sicherheit in unseremLande sorgt, finanziell und personell besser ausgestattet.Ihnen wurden zusätzliche Kompetenzen verliehen, dieden Datenaustausch zwischen den Sicherheitsdienstenverbessert und die Kooperation auf nationaler und aufinternationaler Ebene erheblich gestärkt haben. DieseMaßnahmen waren offensichtlich erfolgreich, wie welt-weite Ermittlungserfolge mittlerweile demonstrieren.Infolge der schrecklichen Attentate des 11. Septemberhaben wir in den Antiterrorgesetzen I und II zahlreicheMaßnahmen zu einer wirksamen Terrorbekämpfung ein-geleitet. Auf einzelne wesentliche Maßnahmen möchteich im Folgenden eingehen.In ihrem Antrag fordert die CDU/CSU-Fraktion unteranderem, die Einreise von Terroristen nach Deutsch-land zu verhindern. Genau das wollen auch wir.
Daher möchte ich den Kolleginnen und Kollegen derCDU/CSU empfehlen, sich einmal näher mit der Neure-gelung der ausländerrechtlichen Vorschriften zu befas-sen,
hier insbesondere mit §§ 45 und 47 des Ausländergeset-zes. In § 8 findet sich die Regelung, dieses bereits er-möglicht, dass eine Person, die „die freiheitliche demo-kratische Grundordnung oder die Sicherheit derBundesrepublik Deutschland gefährdet oder sich ... anGewalttätigkeiten beteiligt oder ... zu Gewaltanwendungaufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder ... einerVereinigung angehört, die den internationalen Terroris-mus unterstützt, oder ... eine derartige Vereinigung un-terstützt“, nicht nach Deutschland einreisen darf.In diesem Zusammenhang mache ich Sie darauf auf-merksam, dass, wenn sich Ausländer im Sinne des § 45Ausländergesetz bereits im Land befinden, sie nach § 8des Ausländergesetzes wieder ausgewiesen werden.Ihre Forderung nach Regelanfragen beim Verfas-sungsschutz und nach erkennungsdienstlicher Behand-lung zur Feststellung der Identität und der Staatsangehö-rigkeit halte ich schlicht für überflüssig.
Denn nach § 41 des Ausländergesetzes existieren dieseMöglichkeiten bereits, Herr Koschyk. Sie werden nachmeiner Kenntnis von allen Bundesländern praktiziert.
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ieles von dem, was Sie jetzt fordern, ist darin geregelt.
ie waren es doch, die die Verbesserungen zu Fall ge-racht haben. Selbst jetzt wollen Sie dem Gesetz nichtustimmen. Wenn es Ihnen mit Ihren Forderungen wirk-ch ernst ist, kann ich Sie nur dazu auffordern, das end-ch nachzuholen.Des Weiteren haben wir das Vereinsgesetz verändertnd das Religionsprivileg unter bestimmten Vorausset-ungen abgeschafft – eine längst überfällige Maßnahme.
ie haben all dieses nicht getan. Wir machen Ihnen jaeine Vorwürfe, liebe Kolleginnen und Kollegen von derDU/CSU. Jedoch sollten Sie diese Leistungen auchinmal anerkennen. Denn Metin Kaplan, auch „Kalifon Köln“ genannt, hat seine Tätigkeit nicht erst aufge-ommen, als wir regierten.
Infolge der Attentate des 11. September, einer ganzeuartigen und besonders unmenschlichen Demonstra-ion des Terrors, hat die Bundesregierung insbesondereuch Maßnahmen zur Verbesserung der Luftsicherheitingeführt. In einem Bereich, der gemeinhin als beson-ers anfällig und sensibel für terroristische Anschlägeilt, wurden beispielsweise die Bestreifungen, die Zu-angskontrollen, die Gepäckkontrollen sowie die Kon-rollen der Fluggäste und des Personals entscheidenderbessert.Mit dem Aufbau einer Flugbegleitung, der so genann-en Sky Marshals, hat die Bundesregierung ein Übrigesetan, um für mehr Sicherheit auch in der Luft zu sor-en, wenngleich – da stimme ich mit unserem Innenmi-ister, Otto Schily, überein – die Verhinderung der An-chläge am Boden sehr viel einfacher und effizienter ist.enn sich die Maschine mit den Terroristen erst einmal
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)
)Tobias Marholdin der Luft befindet, ist der Katastrophenfall ja bereitseingetreten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich muss jetzt im Zusammenhang vortragen; sonst
schaffe ich das nicht. Ich habe noch so viel zu sagen. Hö-
ren Sie einfach zu!
Die Bekämpfung des Terrorismus hatte und hat für
die Bundesregierung höchste Priorität. Jegliche Form
von Extremismus und Gewalt muss durch entschlosse-
nes, aber gleichzeitig besonnenes Handeln des Rechts-
staats bekämpft werden. Dabei sind wir auf einem guten
Weg.
Nun möchte ich noch auf Ihre Vorschläge zur Neuord-
nung und Stärkung des Katastrophenschutzes zu spre-
chen kommen. Auch hier beklagen Sie die Folgen Ihrer
eigenen Politik. War es nicht Ihr Innenminister Kanther,
der in Ihrer Regierungszeit aufgrund der veränderten Be-
drohungslage nach der Wiedervereinigung den massiven
Abbau unserer Zivilschutzkapazitäten betrieben hat?
Wir brauchen einen starken und leistungsfähigen Ka-
tastrophenschutz. Diese Bundesregierung hat das er-
kannt und hat das Steuer endlich herumgerissen. Sie hat
sowohl die Finanzen für den Katastrophenschutz als
auch die Kompetenzen in diesem Bereich nachhaltig ge-
stärkt. Schauen Sie einmal in den Einzelplan 06 des letz-
ten Haushaltes, der kürzlich hier beraten worden ist. Sie
müssten noch in Erinnerung haben, dass erhebliche Auf-
wüchse gerade in den sicherheitsrelevanten Bereichen zu
verzeichnen sind. Ich möchte hier nur einige Beispiele
nennen: Beim THW plus 21 Prozent, beim Zivilschutz
plus 37 Prozent, beim Bundesgrenzschutz plus
12 Prozent, beim Bundeskriminalamt plus 20 Prozent
und beim Bundesamt für Verfassungsschutz ein Plus von
über 22 Prozent.
Das sind Aufwüchse, wie sie in Ihrer Regierungszeit nie
erreicht worden sind.
Desgleichen stellen Sie sich heute hin und beklagen
das Fehlen von Alarmierungssystemen. Sie selbst waren
es doch, die den Sirenenalarm abgeschafft haben, noch
dazu ohne für einen geeigneten Ersatz zu sorgen. Das
halte ich in der Tat für äußerst heuchlerisch.
Diese Regierung macht eine sehr gute Politik, eine
olitik zugunsten der Sicherheit der Menschen und zum
chutz unserer freiheitlich-demokratischen Grundord-
ung. Hier können Sie mithelfen, liebe Kolleginnen und
ollegen von der CDU, indem Sie Einfluss auf die von
hnen geführten Bundesländer nehmen, damit diese das
rinzip des Föderalismus nicht höher bewerten als eine
inheitlich stabile Sicherheitslage in Gesamtdeutschland
zw. in ganz Europa. Von daher kann ich Sie wie Hans-
eter Kemper und die Kollegin von der FDP nur auffor-
ern: Ziehen Sie Ihren Antrag zurück und unterstützen
ie diese Bundesregierung auf ihrem erfolgreichen Weg
m Bereich der inneren Sicherheit!
Vielen Dank.
Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort dem Ab-
eordneten Strobl.
err Marhold, darauf können Sie dann antworten.
Herr Kollege, ich finde es bedauerlich, dass Sie zu der
ichtigen Problematik der Gefahr terroristischer An-
riffe aus der Luft sowie anderen Gefahren aus der Luft
o wenig gesagt haben. Es ist offenkundig, dass eine
chwierige rechtliche Situation besteht, was den Einsatz
er Bundeswehr in solchen Fällen angeht.
Der 11. September 2001 ist einige Zeit her. Tatsache
t, dass Sie in dieser Zeit gesetzgeberisch nichts, aber
uch gar nichts auf den Weg gebracht haben, außer dass
er Bundesinnenminister viel von Air Policing geredet hat
nd eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden ist. Ich hätte
s gut gefunden, wenn Sie uns hier über Ergebnisse dieser
rbeitsgruppe berichtet hätten. Ansonsten müssen wir lei-
er konstatieren, dass es seit dem 11. September 2001 und
er Einrichtung einer Arbeitsgruppe heißen muss: Außer
pesen nichts gewesen.
Herr Strobl, Sie haben meinen Ausführungen anschei-end nicht richtig gelauscht. Aber Sie haben ja auch im-er laut dazwischengerufen. Sie wissen, dass der Ein-atz der Bundeswehr in Ausnahme- und Notfällenereits schon jetzt grundsätzlich möglich ist und dass wir
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Tobias Marholdeine Verfassungsänderung vornehmen müssten, wenn et-was anderes gewünscht ist. Wir befinden uns in einemDiskussionsprozess.
– Wir sind eben sehr gründlich. Bereits im Januar wärees der Bundeswehr möglich gewesen, einzugreifen,wenn sie angefordert worden wäre. Das ist aber nicht ge-schehen. Von daher erübrigt sich das Weitere.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Dorothee Mantel.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Bundesinnenminister Schily hat gesterndie Polizeiliche Kriminalstatistik 2002 vorgestellt. DieSprachregelung der Bundesregierung entspricht jedochnicht der Realität. Von einem hohen Sicherheitsniveaukann bei einem dramatischen Anstieg der Gewalt nichtdie Rede sein.Vergangene Woche wurde der Verfassungsschutz-bericht 2002 vorgestellt. Auch den hätten Sie aufmerk-sam lesen sollen, meine Damen und Herren von der Ko-alition; denn sonst würden Sie heute nicht so leichtfertigmit Ihren Behauptungen umgehen.Die Bundesregierung hat – im Gegensatz zur domi-nierenden Mehrheit der Fraktionen von Rot-Grün – denErnst der Lage zumindest teilweise begriffen. Ich zitieremit Erlaubnis der Präsidentin aus der Kurzfassung desBerichtes:
Zur herausragenden Bedrohung für die internatio-nale Staatengemeinschaft hat sich der islamistischeTerrorismus entwickelt.Die weltweite Bedrohungslage ist also sehr ernst zu neh-men. Sie ist zu ernst, als dass man mit leichtfertigenBehauptungen jeglichen Handlungsbedarf verneinenkönnte.
Aufgrund der schrecklichen Anschläge in Saudi-Ara-bien und Marokko haben die USA ihre Terrorwarnstufegerade erhöht. Reden Sie also nicht davon, was allesschon verwirklicht sei, sondern machen Sie endlich IhreHausaufgaben!hkbeWnGuW–uDrDdmhMSdERdrEDtV
Lassen Sie mich nur eines der unzähligen Beispieleerausgreifen: Es gibt in einem Einbürgerungsverfahreneine bundesweit einheitliche zwingende Regelanfrageeim Verfassungsschutz. Defizite haben hier wiederinmal SPD-regierte Länder.
ir können es uns nicht leisten, vorliegende Informatio-en nicht zu berücksichtigen und aus vorgeschobenenründen nachlässig mit der Sicherheit der Bevölkerungmzugehen.
ir müssen entschlossen handeln, um allen BürgernDeutschen wie Ausländern – Sicherheit und Freiheit innserem Land garantieren zu können.
azu will ich drei Ziele nennen:Erstens. Schon im Vorfeld muss die Einreise von Ter-oristen und Extremisten verhindert werden.Zweitens. Terroristen und Extremisten, die sich ineutschland befinden, müssen ausfindig gemacht wer-en.Drittens. Gewaltbereite Terroristen und Extremistenüssen Deutschland verlassen.
Wer diese drei Forderungen nicht mittragen will, derandelt vollkommen verantwortungslos.
eine Damen und Herren von der Regierungskoalition,ie müssen der Bevölkerung sagen, warum Sie dieserei Forderungen heute nicht unterstützen wollen.
rsparen Sie uns Ihre Ausflüchte, dass die rechtlichenegelungen bereits vorhanden sind. Die Wahrheit istoch, dass Sie nicht noch einen Koalitionsbruch riskie-en wollen.
in bekannter Spruch lautet: So sicher wie der grüneaumen. In Ihrer Koalition hat er aber eine neue Bedeu-ung: Hat Grün den Daumen erst mal drauf, geb ich meinorhaben ganz schnell auf.
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3868 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003
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Dorothee MantelIch will Ihnen ein Beispiel nennen – es tut mir sehrLeid, dass Herr Wiefelspütz offensichtlich schon bei denFeierlichkeiten der SPD ist –:
Der Kollege Wiefelspütz hat im April für eine deutlicheAusweitung der DNA-Analyse plädiert. Die DNA-Ana-lyse sollte nicht auf Sexualstraftaten beschränkt bleiben.Herr Wiefelspütz wollte eine Ausweitung auch auf an-dere Straftaten.
Daraufhin gab es eine prompte Reaktion der Grünen – ichzitiere die Überschrift der Pressemitteilung der grünenBundestagsfraktion –: „SPD-Innenpolitiker auf DNA-Ab-wegen“.
Danach wurde der Vorschlag offenbar still beerdigt. Ichfrage mich doch, ob die Befindlichkeiten in der Koali-tion wichtiger sind als der Schutz der Bevölkerung.Ich lasse jetzt etwas aus, weil ich noch auf einenwichtigen Punkt eingehen möchte, der mir heute frühwirklich sehr auf der Seele gebrannt hat.
Frau Sonntag-Wolgast, Sie waren anwesend.
Dass Sie zugestimmt haben, hat mich schon sehr er-staunt; das habe ich mit Befremden zur Kenntnis genom-men.Heute Morgen fand die Preisverleihung des Bündnis-ses für Demokratie und Toleranz statt. Ich muss sagen,dass ich sehr gerne diesem Bündnis beigetreten bin, zu-mal der Untertitel lautet: Gegen Extremismus undGewalt. Herr Hartenbach hat ein sehr ordentliches Gruß-wort gesprochen; das möchte ich an dieser Stelle aucheinmal erwähnen.
Von Ute Vogt war ich aber tief enttäuscht; das möchteich hier doch einmal ansprechen. Frau Vogt hat in ihremGrußwort ausschließlich Parteipolemik gebracht
und sie hat davon gesprochen, dass Initiativen gegen denRechtsextremismus unterstützt werden. Der Linksextre-mismus wurde wieder einmal vollkommen geleugnet.Dbn–WdthsdgdWtddnzzaail–w
as ist ganz typisch, sie nutzt hier ihr Amt aus. Neben-ei hat sie noch den Atomausstieg als die größte Seg-ung der letzten Jahrtausende hingestellt.
Sie waren da und haben es beklatscht, Frau Sonntag-olgast. Es ist ein Skandal.
Hiermit appelliere ich an die Regierungskoalition,ass Sie endlich einmal auf Ihre ideologischen Ansich-en verzichten und die Koalitionsbefindlichkeiten nichtöher bewerten als den Schutz der Bevölkerung.Herzlichen Dank.
Für die Bundesregierung hat nun der Parlamentari-
che Staatssekretär Fritz Rudolf Körper das Wort.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ichlaube, die Höhe der Stimmlage verstärkt nicht unbe-ingt die Glaubwürdigkeit der Argumente.
as die Einschätzung der Bedrohungslage durch den in-ernationalen Terrorismus anbelangt, so ist es wichtig,ass wir trotz der gegenwärtigen Situation das Kriteriumer Objektivität und der sachgemäßen Einschätzungicht außer Acht lassen. Wenn man versucht, Emotionenu wecken, Angst zu schüren oder Vorurteile zu produ-ieren, wird das der Sachlage nicht gerecht. Man kann esuf einen einfachen Punkt bringen: Aufmerksamkeit istngebracht, aber zur Panikmache besteht kein Grund. Esst wichtig, dass man das deutlich macht.Es ist gut, einmal die letzten Jahre Revue passieren zuassen.
Herr Geis, das ist schon wichtig.Das Handeln der Bundesregierung ist sachgemäß undird den Herausforderungen gerecht. Ich sage dabei aus-
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Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körperdrücklich ein Dankeschön für die Unterstützung durchdie Koalitionsfraktionen
bei der Verabschiedung der Sicherheitspakete I und II.
– In der Tat, Sie haben zugestimmt, Herr Koschyk. Daswird anerkannt, das ist gar keine Frage.
Aber in welcher Form gehen Sie denn damit um? Im Si-cherheitspaket I wurde die Streichung des Religionspri-vileges veranlasst. Erst diese Maßnahme hat es uns er-möglicht, Vereinsverbote zu erlassen. Diese Initiative hatder Bundesinnenminister am 6. September 2001 verkün-det, unabhängig von den terroristischen Anschlägen. Erhat die Herausforderungen erkannt und gehandelt, imGegensatz zu Ihnen. Sie haben es jahrelang schleifenlassen. Das ist Fakt.
– Ich rege mich deshalb ein bisschen auf, weil Sie etwaspropagieren, was Sie selbst nicht fertig gebracht haben.
Ich bin auch dafür dankbar, dass wir als eine Maß-nahme die Möglichkeit polizeilicher Flugbegleitung indas Gesetz aufgenommen haben. Das nicht privaten Si-cherheitsdiensten zu überlassen
war im Grunde genommen richtig.Herr Kollege Tobias Marhold hat schon deutlich ge-macht, wie die Bundesregierung und die sie tragendenKoalitionsfraktionen bei den Haushaltsberatungen denSicherheitsbereich unterstützt hat, zum Beispiel dasBundeskriminalamt, den Bundesgrenzschutz und die an-deren Einrichtungen. Den Menschen, die in diesen Si-cherheitsbehörden unter hohen Belastungen arbeiten,gilt unser herzliches Dankeschön. Sie haben wesentlichdazu beigetragen, dass wir die schwierige Situation sogut meistern.
Die von uns erhöhten Mittelansätze führen beispiels-weise dazu, dass wir in diesem Jahr 7 200 Beförderun-gen beim Bundesgrenzschutz aussprechen können. DieBeschäftigten haben das verdient und das ist eine Aner-kennung wert.tBühsrBwDsmDtsIne–gdldeanDdhDbStIS
Wir haben in dem Sicherheitspaket Maßnahmen ge-roffen, die uns wichtige Erkenntnisse im präventivenereich bringen: Erkenntnisse über Reisebewegungen,ber den Verlauf von Finanzströmen und über die Vorge-ensweise beim Identitätswechsel von Terroristen. Wirind auf dem richtigen Weg im Kampf gegen den Terro-ismus. Alle diejenigen, die in dem Zusammenhang denegriff Schutzlücke in den Mund nehmen, wissen nicht,ovon sie reden.
ie Zahl der Ermittlungsverfahren in Deutschland kannich sehen lassen. Derzeit sind 176 Ermittlungsverfahrenit islamistisch-terroristischem Hintergrund im Gange.avon werden 65 beim BKA geführt. Das zeigt eindeu-ig, dass keine Rede davon sein kann, dass wir untätigind. Hören Sie auf mit diesem Vorwurf!
ch bin fest davon überzeugt, dass man sich nicht in ei-er emotionalen Art und Weise mit diesen Fragen aus-inander setzen sollte.
Herr Koschyk, da gebe ich Ihnen Recht. Ich sage aberanz offen: Ihr Antrag ist kein konstruktiver Beitrag fürie richtige und wichtige Bekämpfung des internationa-en Terrorismus.
Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Sie for-ern beispielsweise, das Strafmaß als Voraussetzung fürine Regelausweisung solle von drei Jahren Freiheitsstrafeuf ein Jahr ohne Bewährung gesenkt werden. Leider ken-en Sie offensichtlich das geltende Recht nur ungenügend.er Regelausweisungsgrund des § 47 Abs. 2 Nr. 1 Auslän-ergesetz setzt lediglich die Verurteilung zu einer Frei-eitsstrafe voraus.
as heißt, Ihre Forderung geht völlig an der Sache vor-ei. Sie kennen die Gesetzesgrundlage nicht. Studierenie diese einmal, bevor Sie solche Vorschläge unterbrei-en!
ch halte das für sehr wichtig.Sie versuchen, einen Eindruck zu erwecken, der derachlage nicht gerecht wird. Das gilt im Übrigen auch
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3870 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003
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Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körperim Hinblick auf eine so schwierige Frage wie die derbiometrischen Merkmale. Diese Frage ist – ich gebedas ganz offen zu – in der Tat eine schwierige Frage, undzwar aus einem banalen Grund.
– Das hat nichts mit den Grünen zu tun. Wir sind mit un-serem Koalitionspartner zufrieden.
Wir diskutieren über den richtigen Weg. Unsere bisheri-gen Entscheidungen im Bereich der inneren Sicherheitbeispielsweise zeigen deutlich, dass wir handlungsfähigsind und richtige Entscheidungen treffen.
Was die Frage der biometrischen Frage anbelangt, –
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischen-
frage?
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– so halte ich es für wichtig, Frau Präsidentin, eines
zu beachten, –
Ich habe Sie gerade gefragt, ob Sie eine Zwischen-
frage gestatten.
F
– nämlich dass Insellösungen und nationale Allein-
gänge an dieser Stelle nicht der richtige Weg sind. Wir
müssen gemeinsam handeln. – Diesen Gedanken wollte
ich noch zu Ende führen.
Herr Staatssekretär, ich möchte gleichwohl wissen,
was für die Bundesregierung gilt. Herr Kemper hat
sich – wenn auch auf europäischer Ebene – für die Ein-
führung biometrischer Merkmale ausgesprochen. Herr
Ströbele hat festgestellt, das bringe nichts; er sei dage-
gen. Würden Sie mir mitteilen, wie die Bundesregierung
zu dieser Frage steht?
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Wir führen im Visaverfahren mit Nigeria einen Mo-ellversuch durch, der auf drei Stellen ausgedehnt wer-en soll. Ich bin der Auffassung, dass es vor der Einfüh-ung eines solchen Instruments wichtig ist, es in derraxis zu erproben. Wenn Sie sich gegen solche Modell-ersuche aussprechen, dann verstehe ich die Welt nichtehr.
as ist völlig richtig. Darüber besteht kein Dissens. Ichalte das für wichtig; außerdem muss eine sorgfältigeberprüfung und Auswertung erfolgen.
Es gibt keinen Widerspruch zwischen Kemper undtröbele. Tatsache ist, dass es in Europa beispielsweiseine Debatte darüber gibt, welches biometrische Merk-al gegebenenfalls am besten herangezogen werdenollte.
as ist doch auch legitim. Ich empfehle jedenfalls, eherorgfältig als einfältig an eine solche Frage heranzuge-en.
Das ist keine Ausrede, Herr Kollege Strobl, sondern esst einfach so. Ich denke, unsere Initiativen in Europand im Übrigen auch auf dem G-8-Gipfel zeigen, dassir dieses Thema in der Sache voranbringen wollen.
ir können das nur gemeinsam tun. Das ist unsere Ziel-etzung. So werden wir auch fortfahren.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003 3871
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Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf KörperMeine Damen und Herren, Ihr Antrag enthält bei-spielsweise Vorschläge zur Informationsweitergabedurch das Bundesamt für die Anerkennung ausländi-scher Flüchtlinge an das Bundesamt für Verfassungs-schutz und die Landesverfassungsschutzämter. Das istein Bereich, der längst gut und sorgfältig geregelt ist undnicht solcher umständlichen Vorschläge bedarf, wie siein Ihrem Antrag enthalten sind.Ich will noch auf einen weiteren Punkt eingehen. Siehaben mit Blick auf die Aufdeckung das berühmte Stich-wort Regelanfrage immer wieder auch mit den so ge-nannten Schläfern in Zusammenhang gebracht. DieserZusammenhang zeigt eindeutig Ihre Praxisferne; dennSchläfer zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass siesich bis zu ihrem Einsatz konsequent unauffällig verhal-ten. Daten zu ihrer Person liegen den Sicherheitsbehör-den natürlich nicht vor; sonst wären es keine Schläfer.Sie bringen also Dinge in einen Zusammenhang, wo einsolcher überhaupt nicht herzustellen ist. Das zeigt diePraxisferne Ihrer Vorschläge. Ich sage Ihnen ganz deut-lich, dass sie nichts taugen.
– Schauen Sie sich Ihren Antrag einmal genau an!Ich finde es auch interessant, was Sie in Ihrem Antragzum Zivil- und Katastrophenschutz festgestellt haben.Erinnern Sie sich doch einmal daran, was Sie insbeson-dere in den Jahren 1990 bis 1996 in diesem Bereich ent-schieden haben.
Sie haben die Sirenen abgeschafft, ohne für eine Alter-native zu sorgen. Im Vergleich zu Ihrer Politik ist unserebis heute alternativlos.
Wir haben schon im Oktober 2001 ein entsprechendesWarnsystem in Gang gesetzt, das fortentwickelt wird. ImBereich des Zivil- und Katastrophenschutzes darf esnicht zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund undLändern kommen, nach dem Motto: Wer ist eigentlichfür was zuständig? Wir brauchen vielmehr Synergieef-fekte zwischen Zivil- und Katastrophenschutz; dennletztendlich ist effektives und effizientes Helfen eine ge-meinsame Sache von Bund und Ländern. Dem solltenwir verpflichtet sein. Das wird auch die Messlatte derBundesregierung in diesem Politikfeld sein.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Michael Grosse-
Brömer.
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3872 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003
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Was sollen Solidaritätsbüros, Abzeichen oder Aushänge,die für Terrorgruppen werben, in Deutschland? Ich kannnatürlich verstehen, dass Herr Ströbele beispielsweise ei-nige Relikte aus seiner Spontizeit nicht aufgeben will.
Nehmen Sie sich doch ein Beispiel an Ihrem staatstra-genden Außenminister! Auch der läuft mittlerweile nichtmehr randalierend durch die Straßen, sondern joggt nurnoch ab und zu. Wenn Sie sonst nichts annehmen, versu-chen Sie es ausnahmsweise einmal mit Vernunft und er-teilen Sie jeder Art extremistischer, terroristischer Sym-pathiewerbung eine Abfuhr! Das wäre der richtige Weg.
Diese Gruppen sind nämlich nicht sympathisch, son-dern potenziell gefährlich. Jede Art der Unterstützung,der Sympathiewerbung ist es deshalb ebenfalls und mussnach unserer Auffassung strafbar sein. Wir wollen keineSympathisanten von Terroristen in Deutschland. Geis-tige Brandstifter kommen ungeschoren davon, wenn diealte Fassung des § 129 a StGB nicht wieder eingeführtwird. Unterstützen Sie unseren Antrag, damit dieser un-haltbare Zustand beendet wird!
Zweitens. Wir brauchen dringend die Wiedereinfüh-rung einer Kronzeugenregelung. Sie hat sich unsererAuffassung nach sehr wohl bewährt. Der internationaleTerrorismus ist durch konspirative Strukturen geprägt.Der innere Zusammenhalt religiös gebundener Täter-gruppen ist besonders fest. Man vertraut stark der eige-nen Umgebung und misstraut stark allen Außenstehen-dpgzAluIrWmhAtiSlütNsgEfHWcvßgzMsVzeTnBdSfsfusm
chließen Sie also mit uns diese gravierende Sicherheits-cke!Drittens. Auch bei der Problematik der so genanntenerroristischen Schläfer besteht Handlungsbedarf.ach § 112 StPO darf die Untersuchungshaft eines Be-chuldigten angeordnet werden, wenn er einer Tat drin-end verdächtig ist und zusätzlich ein Haftgrund besteht.in solcher Haftgrund liegt beispielsweise bei Fluchtge-ahr vor. Lebt jemand aber, wie Mohammed Atta inamburg, als sozial eingebundene Person mit festemohnsitz, so wird regelmäßig ein Grund für die Untersu-hungshaft fehlen. Meiner Auffassung nach gehen Sieon falschen rechtlichen Voraussetzungen aus.Wir von der Union wollen diese Gesetzeslücke schlie-en. Wir wollen die Einführung eines besonderen Haft-rundes für Personen, die verdächtig sind, mit Terroristenusammenzuarbeiten. Untersuchungshaft muss unserereinung nach auch dann möglich sein, wenn ein Be-chuldigter dringend verdächtig ist, eine terroristischeereinigung im In- oder Ausland unterstützt zu haben.
Die präventive Maßnahme der Sicherungshaft mussum Schutz der Allgemeinheit erlaubt sein. Wir könnens uns nicht leisten, dass in Deutschland möglicherweiseerroranschläge durch so genannte Schläfer stattfinden,ur weil wir hier nicht für den notwendigen Schutz derevölkerung über das Strafprozessrecht gesorgt haben.Ich komme zum Schluss. Die von der CDU und voner CSU gewollte neue Sicherheitsarchitektur zumchutz unserer Bevölkerung erfordert auch eine Schär-ung unserer strafrechtlichen und strafprozessualen In-trumente. Diese Bundesregierung und die Koalitions-raktionen haben die wirtschaftliche Sicherheit innserem Lande verspielt. Heute können sie mit der Zu-timmung zu unserem Antrag dazu beitragen, dass zu-indest die innere Sicherheit stabiler wird.Herzlichen Dank.
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Herr Kollege, ich möchte Ihnen zu Ihrer ersten Rede
in diesem Parlament im Namen des ganzen Hauses gra-
tulieren.
Jetzt hat der Abgeordnete Clemens Binninger das
Wort.
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Am Ende einer langen De-batte mit vielen Emotionen möchte ich auf einen Rede-beitrag des Innenministers vom 16. Januar zu der glei-chen Sache hinweisen. Er hat damals gesagt: Das ThemaTerrorismusbekämpfung ist viel zu ernst, als dass es sichfür parteipolitische Polemik eignen würde.
Wenn ich mir dann aber die Beiträge von Rot-Grünheute Nachmittag vor Augen führe, muss ich sagen: Dawar sehr viel Überheblichkeit, Arroganz, Oberlehrerhaf-tigkeit dabei – alles, nur keine verantwortungsvolle Si-cherheitspolitik.
In nicht einem Ihrer Beiträge haben Sie sich mit derBedrohungslage intensiver auseinander gesetzt. Das warfür Sie alle immer nur einen Satz wert, nämlich „DieLage ist ernst“, und dann sind Sie sofort auf das zurück-gekommen, was Sie in der Vergangenheit getan haben.
Wir haben nie bestritten, dass Sie nichts gemacht haben.Wenn Sie anders verfahren wären, hätten Sie ein paarFakten nennen müssen, auch der Öffentlichkeit in die-sem Land gegenüber, nämlich dazu, wie sich die Bedro-hungslage darstellt.
Sie hätten zum Beispiel sagen müssen, dass der In-nenminister unser Land im Zielspektrum einer sehr erns-ten Gefahr sieht und dass der Innenminister sagt, die Be-drohung durch al-Qaida sei heute größer als vor dem11. September. Sie hätten auch sagen können, dass derPräsident des Bundeskriminalamts davon ausgeht, dasssich in Deutschland bereits mehrere Hundert Terroristenvon al-Qaida aufhalten könnten.–SscusbSdpSihvFa3snGfZOBc–waagDSS–s
Das alles sind Aussagen, die eine Rolle spielen, Herrtröbele. Die sollte man nicht verschweigen. Sie habenie heute Nachmittag allesamt verschwiegen.
Wenn Sie anders verfahren wären, wären Sie mögli-herweise auch zu anderen Schlüssen gekommen, wasnseren Antrag betrifft. Aber Sie haben in diesem sen-iblen Bereich die Lebenswirklichkeit komplett ausge-lendet. Nun muss ich sagen: Sie bleiben sich da eintück weit treu. In der Sicherheitspolitik sind Sie jetzta, wo Sie in der Wirtschaftspolitik, in der Arbeitsmarkt-olitik oder in der Gesundheitspolitik schon lange sind:ie blenden die Lebenswirklichkeit aus und igeln sich inrem rot-grünen Elfenbeinturm ein. – Das hat nichts miterantwortungsvoller Politik zu tun.
Wir haben uns bei unserem Antrag vor allem von denakten überzeugen lassen. Ich möchte ein paar Faktenus dem aktuellen Verfassungsschutzbericht nennen.0 000 Islamisten sind in unserem Land. So harmlosind die nicht, Herr Ströbele; sie haben ein Ziel,
ämlich unsere Demokratie abzuschaffen und unsererundordnung zu ändern. Lesen Sie die Papiere des Ver-assungsschutzes! Darin steht eindeutig: Die haben einiel.Diese 30 000 sind auf mehr als 22 unterschiedlicherganisationen verteilt. Das macht deutlich, vor welcheredrohungslage wir uns bewegen. Dabei agieren man-he dieser Organisationen sehr offen gegen unseren Staat das werden Sie nicht bestreiten –; andere agieren mehrie der Wolf im Schafspelz. Sie fordern ihre Mitgliederuf, möglichst schnell die doppelte Staatsbürgerschaftnzunehmen, damit sie bei kriminellem und rechtswidri-em Verhalten nicht mehr abgeschoben werden können.
as ist genau die Gefahr, auf die wir bei der doppeltentaatsbürgerschaft immer wieder hingewiesen haben.ie haben sie ignoriert.
Ich sehe Ihnen nach, dass Sie sich mit den Faktenchwer tun.
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Clemens BinningerAber das sind nun einmal die Fakten aus dem aktuellenVerfassungsschutzbericht. Den können Sie selbst nachle-sen. Wenn Sie andere Fakten finden, zeigen Sie es mirbitte! Sie werden aber keine anderen Fakten finden.Bei Ihnen vermisse ich etwas völlig, Herr Ströbele,und da war ich schon leicht entsetzt. Sie begeben sich ineine Falle, glaube ich. Sie tun so, als ob wir mit unseremAntrag die Welt in Religionen aufteilen wollen. Genaudas wollen wir nicht. Wir wollen keine Aufteilung nachReligionen, Kulturen oder Völkern, sondern wir wolleneine Aufteilung in friedliebende Demokraten auf der ei-nen Seite und fanatische Terroristenunterstützer und Ter-roristen auf der anderen Seite. Das sind die zwei Ziel-gruppen, um die es geht, um sonst nichts.
Wenn wir das tun, was Sie in Ihrer gesamten Rede ge-sagt haben, dann laufen wir Gefahr, dass wir nie zu ei-nem Ergebnis kommen werden und dass sich die fal-schen Gruppen solidarisieren. Genau das wollen wirverhindern.Was wir brauchen – darüber besteht vielleicht sogarEinigkeit –, sind Maßnahmen gegen den Terrorismus,mit denen wir den Kontrolldruck auf diese Szene undauch das Entdeckungsrisiko erhöhen.
Nur wenn wir dies beides schaffen, haben wir eineChance, dieser Gefahr zu begegnen. Ich weiß nicht, wasSie tun wollen. Wie ich Sie verstanden habe, sollten wirdie Terroristen sich einmal fünf oder zehn Jahre austo-ben lassen und dann darauf hoffen, dass die Bedrohungvon alleine aufhört. Das wäre ja tollkühn.
– Herr Ströbele, Sie können nicht ernsthaft erwarten,dass wir das mitmachen.
Wer islamistische Positionen vertritt und Gewalt be-jaht, muss damit rechnen, dass wir alles tun, um ihnaußer Landes zu bringen. Das kann nicht nur für jene Per-sonen gelten, die nach den Regelungen des Ausländer-rechts abgeschoben werden können, sondern muss auchfür Islamisten gelten, die inzwischen die deutsche Staats-bürgerschaft besitzen.
– Das tun Sie gerade nicht. Ihre heute Nachmittag geäu-ßerten Positionen haben sich davon deutlich unterschie-den.Daher greife ich noch einmal drei Maßnahmen ausunserem Antrag heraus und begründe, warum wir sie fürnotwendig halten.Wir sind dafür, endlich eine bundesweit einheitlicheRegelanfrage beim Verfassungsschutz einzuführen.Von einer solchen Einheitlichkeit sind wir sehr weit ent-febUoWdsswfDkWmt–lenicwnDheBzjeerddddsS–Es
Aber das ist noch kein Ausweisungsgrund, Herr Kol-ge Ströbele; darin liegt das Problem. Ich habe von ei-em Ausweisungsgrund gesprochen;
h habe nicht bestritten, dass es strafbar ist. Aber wirollen solche Menschen, die Terroranschläge gutheißen,icht hier bei uns im Land haben.
arum geht es. Die Strafbarkeit solcher Äußerungenabe ich nicht bestritten.
Als dritte Maßnahme wollen wir den Bundeswehr-insatz im Inneren des Landes für drei klar begrenzteereiche: erstens für die Abwehr bei ABC-Angriffen,weitens bei der Luftsicherheit und drittens beim Ob-ktschutz. Denn die Polizei ist – das müssen wir heuteinfach sehen – angesichts dieser Bedrohungslage wederechtlich noch technisch oder personell in der Lage,iese Aufgabe zu bewältigen. Jetzt einmal ehrlich: Es ister deutschen Bevölkerung doch nicht zu vermitteln,ass unsere Bundeswehr in der ganzen Welt für dieserei Aufgaben eingesetzt wird – Sie stimmen diesen Be-chlüssen ja auch zu –, das aber im eigenen Land zumchutz unserer Bevölkerung nicht erlaubt ist.
Herr Reichenbach, ich weiß, dass Sie sich mit Ihrenrfahrungen beim THW gern positionieren. Allerdingsind Sie noch kein Sicherheitsexperte, nur weil Sie ein-
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Clemens Binningermal ein paar Stunden lang blaue Gummistiefel getragenhaben.
Herr Kollege Binninger, ich weise Sie jetzt darauf
hin, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist.
Das eigentliche Problem ist, dass die Positionen von
Rot und Grün so weit wie nur irgend möglich auseinan-
der liegen. Wir wissen ganz genau, dass die SPD sehr
viel mehr Maßnahmen mittragen würde, wenn sie so
könnte, wie sie wollte – aber die Grünen blockieren.
Frau Präsidentin, gestatten Sie, dass ich noch einen
Satz der Kollegin Stokar, immerhin innenpolitische
Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen, zitiere.
Sie sagte vor gut einem halben Jahr – ich zitiere –:
Wir haben zurzeit in Deutschland keine konkrete
Gefahr. Es macht überhaupt keinen Sinn, alle denk-
baren Sicherheitslücken durch immer neue Geset-
zesverschärfungen schließen zu wollen.
Vielleicht treten Sie für Sicherheitspolitik ein. Aller-
dings frage ich mich – –
Herr Kollege, jetzt müssen Sie aber wirklich zum
Schluss kommen.
Meine Damen und Herren, wenn Ihnen die Sicherheit
der Menschen in diesem Land wichtig ist, dann stimmen
Sie unserem Antrag zu.
Herzlichen Dank.
Damit schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Innenaus-
schusses auf Drucksache 15/990 zu dem Antrag der
Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Deutschland
wirksam vor Terroristen und Extremisten schützen“.
Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Druck-
sache 15/218 abzulehnen. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung des Ausschusses? – Gegenstim-
men? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP
gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen wor-
den.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Gabriele
Hiller-Ohm, Gabriele Lösekrug-Möller, Sören
Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
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Das Fangverbot ist der höchste Schutzstatus, der fürWale in der IWC erreicht werden kann. Wir dürfen esnicht aufs Spiel setzen.Ich verfolge mit großer Sorge die Diskussionen umdie Einführung eines neuen Systems der Bewirtschaf-tung der Walbestände, die zurzeit laufen. Ebenso ver-folge ich mit großer Sorge den Vorschlag Schwedens,Walfang in Küstennähe wieder zuzulassen. Das ist nichtder richtige Weg. Wir müssen an dem Fangverbot fest-halten.
Um den Walschutz langfristig abzusichern, muss derSchutzcharakter der IWC gestärkt werden. Die Walfang-Kommission muss zu einer Walschutzkommission um-gewandelt werden. Das Kräfteverhältnis von Walfangbe-fürwortern und Walfanggegnern darf sich nicht weiterzulasten der Walschützer in der IWC verschieben. Durchden Eintritt Islands scheint dies jetzt der Fall zu sein. Damüssen wir verdammt wachsam sein.Zweitens. Wir fordern ein striktes Exportverbot inBezug auf Walprodukte. Ein Exportverbot allein nütztnichts. Es muss auch überwacht werden und es müssenSloasInWwblmSesrEswwßbmbIIglBgtteADdgtse
Drittens. Wir wollen, dass weitere Walschutzgebieteusgewiesen werden. 1979 wurde nach heftigen und an-trengenden Diskussionen das erste Walschutzgebiet imndischen Ozean eingerichtet. Dann passierte 15 Jahreichts. Erst 1994 gelang es, in der Antarktis ein zweitesalschutzgebiet einzurichten.Das reicht aber noch immer nicht aus; denn wie wirissen, haben die Wale sehr weite Wanderungswege. Sierauchen also auch sehr große Schutzgebiete. Erforder-ich ist eine Vernetzung der Schutzgebiete über die Welt-eere hinweg. Wir müssen die Schutzgebiete auf denüdpazifik und den Südatlantik ausdehnen. Es muss unsndlich gelingen, auch dort Schutzgebiete einzurichten.
Viertens. Die Forschungstätigkeit der IWC muss ge-tärkt werden. Ein Schwerpunkt muss dabei auf dem Be-eich Verschmutzung und Verlärmung der Meere liegen.s ist ganz wichtig, dass die Auswirkungen durch Ver-chmutzung und Verlärmung der Meere auf die Tiereeiter erforscht und untersucht werden.Fünftens. Wir fordern ein Verbot des so genanntenissenschaftlichen Walfangs, wie er seit Jahren in gro-em Stil von Japan verfolgt wird. Dieses Verbot ist unsesonders wichtig. Es darf nicht länger unter dem Deck-antel der Wissenschaft kommerzieller Walfang betrie-en werden.
nternationale Abkommen wie das Walfangverbot derWC dürfen nicht zu zahnlosen Tigern verkommen. Da-egen, meine Damen und Herren, müssen wir uns mit al-er Kraft zur Wehr setzen.
Das sind unsere zentralen Forderungen, die wir derundesregierung für die Jahrestagung mit auf den Wegeben. Es ist uns gelungen, einen interfraktionellen An-rag zustande zu bringen. Grüne und FDP haben sich be-eiligt. Ich bedanke mich dafür recht herzlich. Ich hättes prima gefunden, wenn auch die CDU/CSU unserenntrag mitgetragen hätte.
as ist leider nicht der Fall. Ich bin aber ganz sicher,ass Sie unserem Antrag Ihre Zustimmung nicht verwei-ern werden. Dies wäre ein gutes Signal für die Jahres-agung vom 16. bis zum 19. Juni. Ich freue mich, wie ge-agt, dass es gelungen ist, diesen gemeinsamen Antraginzubringen.
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Gabriele Hiller-OhmIn Zeiten von Wahlen sind wir uns in diesem Hausenicht oft einig. Bei den Walen ist uns aber ein großerKonsens gelungen. Das freut mich als Neue im Bundes-tag ganz besonders.Danke schön.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Gitta Connemann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sindmitten im „Walkampf“. Wir kämpfen also nicht umStimmen und nicht um Wähler, sondern für die größtenMeeressäuger dieser Welt. Wir kämpfen für eine Lö-sung, um allen Walarten eine realistische Chance für einÜberleben zu geben.Für dieses Ziel hatten wir uns schon in der Vergan-genheit eingesetzt – parteiübergreifend. Deutschland ist1982 der Internationalen Walfang-Kommission IWCbeigetreten und hat sich seit 1986 für das Verbot deskommerziellen Walfangs eingesetzt sowie die Schaf-fung von Walschutzgebieten unterstützt. Wir waren unsdarin alle einig. Uns verbindet die Erkenntnis, dass wirdie Wale schützen und sie vor der Ausrottung bewahrenmüssen.Wale sind ein einzigartiger Teil der Schöpfung undein Symbol. Der britische Naturforscher Sir Peter Scotthat es zutreffend beschrieben:Wenn wir die Wale nicht retten können, dann kön-nen wir gar nichts mehr retten – einschließlich dermenschlichen Spezies. Wale sind ein Symbol desÜberlebens, vielleicht das Symbol allen Bewah-rens.
Im Wissen um diese Verantwortung haben alle Bun-desregierungen seit der Regierung Kohl das Verbot deskommerziellen Walfangs aktiv unterstützt. Das Morato-rium soll den Walen Gelegenheit geben, sich von derjahrzehntelangen dramatischen Dezimierung ihrer Be-stände zu erholen, einer Dezimierung, die ihre Ursachenaber auch in der Verschmutzung der Weltmeere, derLärmbedrohung und im Beifang hat – nicht durchDeutschland, aber durch viele andere Fischfangnationen.Das Verbot soll ein Beitrag zur Gesundung der Be-stände sein. Dabei hat die IWC seit ihrer Gründung auchdie häufig übersehene Zielsetzung, gesunde Walbeständezu nutzen. Einige Bestände haben seit dem Verbot tat-sächlich zugenommen, wie der Bestand an Grauwalenim Nordostpazifik und Zwergwalen in der südlichen He-mGWWrg5ooFbztWa2dwBnzduZguwdNwskavsNuwsslesvdmngueDps
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ir haben, wie dargestellt worden ist, nach wie vor inerschiedenen Teilen der Welt erhebliche Probleme mitem Walfang.Insoweit kann man keineswegs sagen: Das Morato-ium war ein Erfolg, an dessen Ende wir unsere Hände inen Schoß legen können. Im Gegenteil: Das Moratoriumar so etwas wie ein Strohhalm, den die internationaletaatengemeinschaft ergriffen hat, um das Walsterben zuremsen. Dies hat in einigen Bereichen zu einem großenrfolg geführt.
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Parl. Staatssekretär Matthias BerningerMan kann in der Tat darüber diskutieren, wie sicherdie verschiedenen Zahlen sind. Aber fest steht, dass sichdurch das Moratorium eine ganze Reihe von Beständenerholt hat. Das ist nicht nur bei den Meeressäugern derFall. Das betrifft vielmehr auch die Fischereipolitik,weswegen sich die Bundesregierung im Hinblick auf dieFischereipolitik wünscht, dass in vielen Regionen, in de-nen die Meere überfischt sind, das Instrument des Mora-toriums stärker als bisher genutzt wird. Ich glaube, dassdie Ökosysteme, insbesondere das Ökosystem Meer, ei-nen wesentlichen Beitrag zur Erholung von Beständenleisten können.
Frau Connemann hat in ihrem Redebeitrag ein Unbe-hagen zum Ausdruck gebracht, das ich ausdrücklich tei-len möchte: Es reicht nicht, wenn sich diejenigen Län-der, die der Meinung sind, dass wir die Wale schützensollen, das nur gegenseitig versichern. Das Bundesmi-nisterium für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-wirtschaft hat auf allen Ebenen den Dialog mit verschie-denen Gesprächspartnern gesucht. Die Ministerin istbeispielsweise nach Island gereist; ich selbst habe Ge-spräche in Japan geführt. Denn wir halten es für sehrwichtig, gerade mit diesen Ländern den Dialog fortzu-setzen. Natürlich ist eine kulturelle Kluft deutlich ge-worden, die ich einmal so zusammenfassen möchte: Indiesen Ländern wird gesagt, dass auch wir in den Waldgehen, um zu jagen, dass wir ihnen also nicht den Wal-fang verbieten sollten.Der Unterschied zu unserer Situation besteht darin,dass es unstrittig ist, dass die Walbestände erheblich inGefahr sind. Die einfachen Wahrheiten, die in diesemZusammenhang zum Teil vorgetragen werden, weisenwir entschieden zurück. Ein Beispiel: Wir alle wissen,dass die Investitionen in immer erfolgreicher und effek-tiver arbeitende Fangflotten und die steigende Nachfragenach Fisch dazu geführt haben, dass die Meere in vielenTeilen der Welt überfischt worden sind. Wenn man dannaber sagt, das sei nicht so, daran seien vielmehr die Waleschuld, weil sie die gesamten Fischbestände auffräßen,macht dies deutlich, dass solche Argumente ein solchniedriges Niveau haben, dass man Walfang befürworten-den Nationen mit aller Entschiedenheit sagen muss: Dasist nicht die sachliche Ebene, auf der wir diskutieren. –Das sollte auch auf der Jahrestagung hier in Berlin sehrdeutlich zum Ausdruck gebracht werden.Ein weiterer Punkt, warum ich glaube, dass diesesUnbehagen zwar auf der einen Seite richtig ist, man aufder anderen Seite trotzdem mit Entschiedenheit vorge-hen sollte, ist, dass nicht überall das Kind in den Brun-nen gefallen ist. Island hat jahrelang keine Wale gefan-gen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dassIsland gut daran täte, auch weiterhin keine Wale zu fan-gen. Daran werden wir massiv arbeiten.
dz–dgnFdZamnehdkiudDdHlwVSatsesddGwnaBzthidbMozfsfdfc
Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass gerade dieerschmutzung der Meere an der einen oder anderentelle zum Schutz der Wale beiträgt. Wir wissen, dassuch auf dem japanischen Markt eine große Zurückhal-ung bei Walfleisch und -fett, so genanntem Blubber, be-teht, weil dieser mit chlorierten Kohlenwasserstoffenxtrem belastet ist. Das ist meines Erachtens ein äußerstpannender Punkt. Er macht erstens deutlich, wie sehrie Meere heute schon verschmutzt sind, und zweitens,ass hinter den Kulissen eine Auseinandersetzung imrunde nur über eine Frage stattfindet, nämlich darüber,ie man mit dem Walfleisch möglichst viel Geld verdie-en kann. Das war in der Vergangenheit so und ist heuteuch noch so.Deswegen ist eines der wichtigsten Anliegen derundesregierung, auf der IWC-Tagung klar und deutlichu sagen: Wir lehnen diese vorgeschobene Argumenta-ion, Walfang sei aus wissenschaftlichen Gründen in dereute üblichen Form notwendig, ab. Frau Connemann,ch glaube in diesem Punkt habe ich die Unterstützunges ganzen Hauses. Sie sind zwar gegen den Antrag, ha-en aber deutlich darauf hingewiesen, dass es durchausöglichkeiten gibt, Bestandsforschung zu betreiben,hne die Tiere umzubringen. Diese Methoden werdenum Beispiel auch von der Bundesforschungsanstaltür Fischerei durchgeführt. Bestandsforschung findettatt; man muss die Tiere dafür nicht umbringen.Der ganze Widersinn des wissenschaftlichen Wal-angs von Japan ist einfach zu erkennen: Sie schneidenen Walen die Bäuche auf, stellen fest, dass Wale Fischeressen, und zählen die Fische ganz genau. Der eigentli-he Grund für den Fang ist aber, dass sie das Fleisch der
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Parl. Staatssekretär Matthias Berningergefangenen Wale auf dem japanischen Markt hochprei-sig absetzen. Das muss deutlich gesagt werden.Die Verbraucher haben eine gewisse Mitverantwor-tung. Island verdient mit Whale Watching sehr vielGeld. Es gibt Touristen, die nach Island fliegen, um sichdort Wale in freier Wildbahn anzusehen. Das habe auchich gemacht. Das ist ein sehr beeindruckendes Ereignis.Es ist klar, dass sich ein Land, das damit Geld verdient,nicht in die Liste der Walfänger einreihen sollte. Zumin-dest gefährdet es damit eine viel profitablere und vielnachhaltigere Nutzung der Wale massiv. Wir bitten diejeweiligen Länder, auch das zu bedenken.Bei der IWC-Tagung sind viele Abläufe ritualisiert.Die Art und Weise, wie einige Länder den Beitritt ande-rer Länder mit Entwicklungshilfe kaufen, ist zu kritisie-ren, weil so die Mehrheit zugunsten des Walfangs ver-schoben wird. Die Japaner haben im Jahr 2001 inLondon, nachdem es ihnen schwarz auf weiß bewiesenwurde, eingestanden, dass sie sich in der Tat mit Ent-wicklungshilfe Unterstützung erkaufen. Das möchtenwir unterbinden.Von der IWC-Tagung in Berlin soll an die Beitritts-länder der Europäischen Union vielmehr das Signal aus-gehen, dass es sich durchaus lohnt, sich dem ThemaWalschutz stärker zu widmen und der IWC beizutreten.Dafür wollen wir mit Überzeugung eintreten, und nichtmit Dollars oder Yen. Das ist der einzig vernünftige undnachhaltige Weg.Auf der IWC-Tagung ist vieles ritualisiert. Die An-träge auf Einrichtung neuer Walschutzgebiete im Süd-pazifik und im Südatlantik, die in den letzten Jahren ge-stellt wurden, sind zwar gescheitert; das ist die eine Seiteder Medaille. Diese Anträge haben aber jedes Jahr mehrUnterstützung erhalten; das ist die andere Seite der Me-daille. Darum werden wir beharrlich daran arbeiten, dassder Schutz der Wale verbessert wird. Wir werden denDialog mit den Walfangländern führen. Zum Dialog ge-hört aber auch, dass man sich an das alte türkischeSprichwort „Guten Freunden muss man auch die Wahr-heit sagen“ hält.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Christel Happach-
Kasan.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wale, Delfine und Tümmler sind faszinierende Tiere.Dennoch, über einige Arten wissen wir gut Bescheid, beianderen Arten sind die Kenntnisse äußerst gering. DieBestände der in Küstengewässern vorkommenden Walelassen sich gut einschätzen. Für andere Arten, wie denPottwal, sind alle Meere Lebensraum. Wie groß die Po-pulation wirklich ist und wie die Altersstruktur aussieht,ihwnDShRdWdeWEdtwcnadignlnhdfdfhpewdIgdpCddlBgrditdFene
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Die Zunahme der Fischerei hat dazu geführt, dass derunbeabsichtigte Beifang von Meeressäugern zum Pro-blem geworden ist. Wir lehnen die Industriefischerei inNord- und Ostsee ab, die wahllos Meerestiere zur Ver-arbeitung zu Fischöl und Fischmehl fängt. Wir wolleneine deutliche Minderung des Beifangs von Meeressäu-gern.Die einzige in deutschen Gewässern vorkommendeWalart ist der Schweinswal. 1970 waren die Schweins-wale an der niederländischen und der deutschen Nord-seeküste durch den Walfang fast vollständig verschwun-den. Derzeit leben in der Nordsee wieder etwa 264 000Schweinswale – ein Beispiel dafür, dass Walschutz Er-folg hat.
Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass der Bestandin der östlichen Ostsee auf 600 Schweinswale vermin-dert ist. Diese Population ist ernsthaft gefährdet. Wirmüssen für ihren Schutz sehr viel mehr als bisher tun.Vor Amrum und Sylt wurde in der Nordsee ein Wal-schutzgebiet eingerichtet. Dort gibt es genügend Wale.In den nördlichen Küstengewässern Dänemarks landendagegen in jedem Jahr über 7 000 in den Stellnetzen.Man fragt sich: Wozu ein Walschutzgebiet, wenn diedort aufgezogenen Jungwale hinterher im Stellnetz lan-den?Wir als Nation sind nicht glaubwürdig, wenn wirkommerziellen Walfang mit dem Ziel der Nutzung ver-bieten, aber den unbeabsichtigten Beifang geschehenlassen. Das muss sich ändern.Wir müssen weiter darauf achten, dass unsere heimi-schen Meeressäuger nicht durch Aktivitäten in denKüstenregionen wie den Bau von Offshoreanlagen unddas Verlegen von Kabeln im Bestand gefährdet werden.Wir müssen die Einträge in die Meere aus den besiedel-ten Gebieten deutlich vermindern.Die Waljagd in früheren Jahrhunderten hat Maler undDichter inspiriert. Das bekannteste Beispiel ist der Ro-man „Moby Dick“. Etwas weniger Berühmtheit hat dasfolgende Gedicht erlangt:Wollt ihr mal ein Untier sehn,dann müsst ihr hin nach Grönland gehn.DLggzhwstrvSCdvnkDs–bDleuHdter
as wäre das Letzte, was wir uns in dieser Sache wün-chen könnten.
Ich bekomme ganz gerne Zwischenfragen. Aber ichin nicht geneigt, auf Zwischenrufe zu antworten.
Ich ahne, dass es an Mut zur Entscheidung mangelt.as ist neu. Zur letzten IWC-Konferenz haben wir mit al-n Stimmen des Hauses ganz klar gesagt: Wir sprechenns aus lauter guten Gründen für das Moratorium aus.err Staatssekretär hat darauf hingewiesen, dass wir lei-er lauter Gründe dafür haben, dass es Not tut, dies wei-r aufrechtzuerhalten. Mit der Position, die wir formulie-en, stärken wir andere Staaten, sich aus Überzeugung so
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Gabriele Lösekrug-Möllerzu verhalten. Insofern hätte ich mir heute ein anderes Er-gebnis gewünscht. Mein dringender Appell ist, dass amEnde der Anhörung und der Behandlung im Ausschussrechtzeitig ein deutliches Votum steht.Nun kann man sich offenbar darüber streiten, was da-rin enthalten sein muss. Wir haben aber in weiten TeilenÜbereinstimmung. Ich habe bisher niemanden gehört,der bestreitet, dass ein vermeintlich wissenschaftlicherWalfang zu diskriminieren ist. Es ist genau dargelegtworden, worin die Aushöhlung und Unterwanderung be-stehen. Wir können sie nicht gutheißen und dabei blei-ben wir.Sehr zu Recht ist auch darauf hingewiesen worden,dass wir in der Tat einen großen Forschungsbedarf ha-ben. Es gibt vermutlich mehr, was wir über Wale nichtwissen, als wir über Wale wissen. An einer Stelle hat sichder Forschungsbedarf ganz sicher geändert: In der Ver-gangenheit ging die größte Bedrohung sicherlich vomFang aus. Nach wie vor ist es der Mensch, der den Wal-bestand am meisten gefährdet. Aber die Gefahren gehenheute eindeutig mehr von der Verschmutzung unsererMeere aus. Es ist nahe liegend, dass für die Wale diestärkste Gefährdung die ist, dass wir unsere Meere mitLärm verschmutzen. Indem wir ihre Orientierung undKommunikation beeinträchtigen, sorgen wir leider dafür,dass wir mit unserem technischen Fortschritt große Wal-bestände massiv und nachhaltig bedrohen.Es ist sicher unbestritten, dass das Walfangverbotdazu geführt hat, dass sich die Bestände teilweise erholthaben; Zahlen dazu wurden vorgetragen. Allerdingswurde zu Recht darauf hingewiesen, dass viele dieserZahlen und Quantifizierungen fraglich sind. Es ist in derTat so, dass keine Zahl alleine ausreicht, um an dieserStelle Entwarnung zu geben. Ganz im Gegenteil: Wirstellen fest, dass es nötig ist, die Wale weiterhin massivzu schützen. Deshalb müssen wir uns nachdrücklich da-für einsetzen, dass all jene Schutzgebiete, die in Planungsind, endlich Wirklichkeit werden. Das gilt für Teile desSüdatlantiks wie auch für Teile des Südpazifiks.Ich teile uneingeschränkt die Haltung der Bundesre-gierung, die sagt: Wir sollten mit guten Argumentenüberzeugen und nicht mit Euro, Dollar oder Yen – ihnmuss man der Vollständigkeit halber erwähnen – den nö-tigen Nachdruck verleihen, dass unsere Positionen über-nommen werden. Das ist nicht unser Weg. Wir sagen,wir haben gute Argumente auf unserer Seite, und hoffendarauf, dass sie genügend Gewicht haben werden.Kollegin Connemann, ich möchte noch eine Anmer-kung zu der Frage machen, ob wir die Isländer bei ih-rem Wunsch, sich mit Walfleisch ernähren zu dürfen, sobehandeln sollten wie die Tschuktschen oder die Eski-mos in Alaska. Bei den Tschuktschen kann ich das ver-stehen; eine solche Ernährung liegt eindeutig in ihrerGeschichte begründet. Auch bei den Alaska-Eskimoskann man sagen, dass eine solche Ernährung ihr Ur-sprung ist.
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Peter Bleser.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrterau Lösekrug-Möller, ich sage Ihnen ganz klar vorne-eg: Die CDU/CSU-Fraktion tritt entschieden für denmfassenden Schutz der Walbestände ein. Damit gibt esberhaupt keinen Zweifel an unserer Position. Daserde ich Ihnen im Laufe meiner Ausführungen nocherdeutlichen.Wir freuen uns, dass die 55. Jahrestagung der Interna-ionalen Walfangkommission im Juni dieses Jahres ineutschland stattfinden wird. Wir hoffen sehr, dass sichie Teilnehmerstaaten ihrer Verantwortung für das Über-eben der Wale, der größten Tiere der Erde, bewusst sind.Die Sorge, dass eine Vielzahl von Walarten für immererschwinden könnte, ist nicht erst mit dem Aufkommener Ökobewegung entstanden. Bereits im 19. Jahrhun-ert wurden die Walbestände durch die Einführung derarpunenkanone in einer Art und Weise dezimiert, diean nur als Massaker bezeichnen kann. So sollen da-als noch 250 000 Exemplare von Blauwalen, dem Kö-ig der schwimmenden Säugetiere, existiert haben.eute sind es – so ist die Schätzung – weniger als000 Tiere. Obwohl der Blauwal schon 1965 unterchutz gestellt wurde, hat sich dessen Population biseute nicht erholt.Speziell bei den großen Walen haben wir die Situa-ion, dass schon ein geringer Eingriff in das ökologischeleichgewicht das Aussterben dieser hoch entwickelteniganten zur Folge haben kann. Das wäre sicher einicht wieder gutzumachender Verlust. Dagegen müssenir Parlamentarier quer durch alle Parteien aufstehennd handeln.
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Peter BleserWale bringen nur in mehrjährigen Abständen jeweilsein Jungtier zur Welt. Dieses muss weit über ein Jahrlang bei der Mutter verbleiben, bis es überlebensfähigist. Eine Überjagung oder eine Dezimierung in Form vonNahrungsentzug durch Überfischung oder andere Um-welteinflüsse – sie wurden im Laufe der Debatte schongenannt – kann deswegen nur in sehr langen Zeiträumenwieder ausgeglichen werden.Nach dem Scheitern der Durchsetzung der Walfang-begrenzungen von 1965 forderte die UN-Konferenz fürMensch und Umwelt in Stockholm 1972 ein zehnjähri-ges Verbot des kommerziellen Walfangs. Dieses wurde1982 von der IWC als Moratorium beschlossen. Seit1986 ist es in Kraft. Nun steht dieses Moratorium erneutauf dem Prüfstand. Da sich einzelne Länder durch ver-schiedene rechtliche Schlupflöcher gemogelt haben undweiter ungehindert kommerziellen Walfang betreiben, istdie Walpopulation keineswegs auf Dauer gesichert. Des-wegen ist es zu verurteilen, dass zum Teil aus formalju-ristischen Gründen, zum Teil aber auch unter dem Deck-mantel der Wissenschaft weiter Walfang betrieben wird.Bei aller Freundschaft liegt es an uns, die Länder, diedies tun, beim Namen zu nennen. Vor allem Japan machtunter dem Deckmantel der Wissenschaft weiterhin Jagdauf Wale. Laut eines „FAZ“-Artikels vom 4. Novemberletzten Jahres erlegt Japan im Jahr nach wie vor550 Zwergwale – davon über 400 im Schutzgebiet derAntarktis – sowie 10 Pottwale, 50 Seiwale und50 Brydswale im Nordpazifik. Diese in meinen Augenillegalen Walfänge reichen der japanischen Walfangin-dustrie aber noch nicht aus. Auf IWC-Tagungen, wie zu-letzt in Shimonoseki, starten sie immer wieder den Ver-such, die Fangquoten zu erhöhen und die auch formalkommerzielle Jagd auf Wale wieder zuzulassen.Bislang sind diese Forderungen zum Glück abge-wehrt worden. Darüber hinaus ist man dort aber weiterbestrebt, trotz des Washingtoner Artenschutzabkommenswieder Möglichkeiten in Bezug auf die Aufhebung desVerbots zu erhalten, mit Walfleisch und -speck zu han-deln. Zwei entsprechende Anträge Japans vom Novem-ber des letzten Jahres sind zum Glück fehlgeschlagen.Japan begründete seine Anträge damals damit, dass sichdie Population der Zwergwale auf der Nordhalbkugel soweit erholt habe, dass sie das Meer buchstäblich leer frä-ßen.Meine Damen und Herren, auch Norwegen muss sichvorhalten lassen, entgegen den Beschlüssen der interna-tionalen Organisationen weiterhin Walfang zu betreiben.711Tiere haben sie sich selber als Fangquote für Zwerg-wale genehmigt. Sie behaupten, dass das deswegen rech-tens sei, weil sie damals gegen dieses Moratorium Ein-spruch erhoben haben.Damit stehen wir vor der Kernfrage, nämlich der Be-urteilung, ob die Population einzelner Walarten Über-schüsse hervorbringt, die eine kommerzielle Nutzungohne eine Bestandsgefährdung ermöglichen oder nicht.Das IWC ist nicht in der Lage, diese Beurteilung selbstvorzunehmen. Deswegen hat es sich bis heute für dieBeibehaltung des Moratoriums beim Walfang ausge-sb1DSfmteWkencbwdvingbzdgtrAaakdWaWWnesdwA–KbAHeuzbw
Nein, ich habe unsere Position dargestellt, Frauumpf. – Wir werden jedenfalls das Thema vertieftereraten und nehmen uns deshalb vor, im Ausschuss einenhörung dazu durchzuführen, um die Daten und dieintergründe zu erfahren, die eine längerfristige Politikrmöglichen – Frau Connemann hat das angesprochen –,m die Länder, die sich bisher verweigern, mit ins Bootu holen. Das geht nur mit Argumenten und indem manereit ist, mit denen über ihre Position zu streiten. Dasollen wir gerne tun.
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Peter BleserIch will mit einer allgemeinen Feststellung schließen:Gerade beim Walfang wird sichtbar, dass sich die inter-nationale Staatengemeinschaft bewusst werden muss,dass der Umgang mit und die Nutzung der Natur nichtunter rein ökonomischen Gesichtspunkten möglich sind.Hoffentlich erreichen wir noch bei den WTO-Verhand-lungen, dass diese Erkenntnisse auch in der Lebensmit-telproduktion um sich greifen und nicht ein Raubbau amBoden, am Gewässer, am Klima und an den Tieren ent-steht. Insofern haben Landwirte und Wale durchaus et-was gemeinsam.Ich bedanke mich für das Zuhören.
Danke schön. Ich schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf
Drucksache 15/995 federführend an den Ausschuss für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und
mitberatend an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit zu überweisen. Sind Sie damit
einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überwei-
sung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Michael Goldmann, Birgit Homburger,
Dr. Christel Happach-Kasan, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der FDP
Antragsverfahren bei Agrardiesel deutlich
vereinfachen
– Drucksache 15/833 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung haben wir
für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei
die FDP fünf Minuten erhalten soll. – Widerspruch gibt
es nicht. Dann werden wir so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
die Abgeordnete Birgit Homburger.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!In der letzten Legislaturperiode hat in der Koalitionsver-einbarung der rot-grünen Bundesregierung gestanden,dass man Bürokratie abbauen wolle.
Das Ergebnis war, dass nach der Legislaturperiode 300zusätzliche Gesetze sowie 1 000 zusätzliche Verordnun-gen beschlossen waren – netto gerechnet; was abge-schafft wurde, ist bei dieser Zahl schon abgezogen – undeine ganze Reihe von Bürokratisierungen bei anderenVerfahren dazu gekommen ist.tzdLfrsäswFtedtedtegleszuddsims3AwadeicWnsskdaab
Insofern stellt sich hinsichtlich der früheren Gasölbe-riebsbeihilfe und jetzt im Rahmen des Agrardieselgeset-es für die Landwirte die Frage nach der Erstattung. Beier Gasölbetriebsbeihilfe waren bis Mitte 2001 dieandwirtschaftsämter zuständig. In der Regel gab es da-ür ein einseitiges Antragsformular mit einigen Erläute-ungen. Damit war die Sache erledigt.Seit 2001 gilt das Agrardieselgesetz. In diesem Zu-ammenhang wurde das Verfahren von den Hauptzoll-mtern übernommen. Dagegen haben wir nichts;chließlich gehören die Landwirtschaftsämter zur Land-irtschaftsverwaltung und die Hauptzollämter zurinanzverwaltung. Insofern macht das durchaus Sinn.Was allerdings keinen Sinn macht, meine sehr verehr-n lieben Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, ist,ass der Antrag im Zuge dieser Änderung auf zehn Sei-n aufgestockt worden ist, bestehend aus fünf Seiten,ie auszufüllen sind, denen jeweils eine Seite mit Erläu-rungen beiliegt. Weil das alles offenbar nicht reicht,ibt es weitere 18 Seiten mit Anleitungen zum Ausfül-n. Das scheint allerdings immer noch nicht genug zuein, jedenfalls nicht für die Bearbeitung in den Haupt-ollämtern. Denn für diesen Zweck gibt es ein 53 Seitenmfassendes Regelwerk für die Bearbeitung der Anträgeurch die Finanzverwaltung.
An dieser Stelle müssten wir doch alle gemeinsam zuer Feststellung kommen, dass dieser Bürokratiewahn-inn beendet werden muss.
Im Bereich der Land- und Forstwirtschaft und auch Gartenbaubereich sind ungefähr 440 000 Betriebe an-pruchsberechtigt. 2002 sind in diesem Zusammenhang10 000 Anträge gestellt worden. Wir haben eine Kleinenfrage zu dem damit verbundenen bürokratischen Auf-and an die Bundesregierung gerichtet, auf die uns ge-ntwortet wurde, dass 300 Beamte mit der Bearbeitungieser Anträge beschäftigt sind und dass die Bearbeitungines Antrags im Schnitt eine Stunde dauert. Das halteh für viel zu viel und für völlig überflüssig.
ir meinen, dass die Antragsverfahren bei Agrardieseleben anderen bürokratischen Belastungen, denen un-ere Landwirte ausgesetzt sind, einen weiteren Mühl-tein am Hals unserer Land- und Forstwirte darstellen.
Es geht aber nicht allein um den zunehmenden Büro-ratieaufwand; vielmehr zahlen die Land- und Forstwirtearüber hinaus bei uns auch noch mehr Mineralölsteueruf Agrardiesel – das macht ungefähr 400 Millionen Eurous – als die Land- und Forstwirte in anderen Ländern,eispielsweise in unserem Nachbarland Frankreich.
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Angesichts des europäischen Wettbewerbs in diesemBereich können wir uns das nicht mehr leisten und des-wegen fordern wir Sie auf, endlich mit den nationalenAlleingängen in diesem Bereich aufzuhören.
Die komplizierten Verfahren, die Sie einführen, sindsozusagen nur ein klitzekleiner Mosaikstein, der denländlichen Raum und die Landwirtschaft betrifft. Ange-sichts der Bürokratie, mit der die Land- und Forstwirteinsgesamt überzogen werden, muss festgestellt werden,dass wir endlich etwas gemeinsam dagegen unterneh-men müssen. Ich fordere Sie auf: Stoppen Sie den Crash-kurs gegen die Landwirte und gegen den ländlichenRaum in diesem Land!
In der Antwort auf unsere Kleine Anfrage hat uns dieBundesregierung mitgeteilt – Herr Berninger ist freund-licherweise anwesend; das kann man in einer solchenDebatte aber auch erwarten –,
der Vorteil des neuen Antragsverfahrens bestehe darin,dass es bundeseinheitlich sei. Wenn das der Fall ist, for-dere ich Sie auf: Stoppen Sie den bürokratischen Wahn-sinn! Reduzieren Sie den Umfang des Antrags auf eineSeite, wie wir es in unserem Antrag fordern!
Der Gewinner ist der Staat; Gewinner sind aber auch dieLandwirte.Ich hoffe auf eine konstruktive und einvernehmlicheBeratung in den Ausschüssen und bitte Sie, dem Antragzuzustimmen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Lydia Westrich.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Erst heute früh haben Sie, liebe Kolleginnen und Kolle-gen von der FDP, mit ganz dramatischen Worten ange-mahnt, dass wir uns im Parlament mit den brennendenProblemen dieser Republik beschäftigen sollten, stattüber Verkehrspolitik oder Verbraucherschutz zu debat-tieren. Sie sollten sich an die eigene Nase fassen
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Auf der einen Seite beklagen Sie die Nachteile, diensere Land- und Forstwirte sowie unsere Gärtner durchie Agrardieselförderung im europäischen Vergleich er-eiden. Auf der anderen Seite fordern Sie selbst munteren Abbau von Subventionen, wohl wissend, dass diesericht an der Landwirtschaft vorbeigehen könnte. Weilie diese Doppelzüngigkeit sicherlich nicht noch stärkernterstreichen wollen, beschränken Sie sich in Ihremorliegenden Antrag auf die Ihrer Meinung nach beste-enden bürokratischen Hemmnisse bei dem Antragsver-ahren auf Vergütung der Mineralölsteuer.Ich weiß nicht, Frau Homburger, mit welchen Land-irten Sie Umgang pflegen bzw. Gespräche führen.
Auch ich komme aus dem ländlichen Bereich. Mirönnen Sie also gar nicht so viel vormachen.Sicherlich hat es vor ein paar Jahren auch bei denauern große Unsicherheiten darüber gegeben, wie dasrstattungssystem in Zukunft funktionieren wird. Sieollten bei ihrer Kreisverwaltung bleiben, wie sie es ge-ohnt waren. Es wurde auch kritisch angemerkt, dassiemand wisse, wie sich die Zollbehörden verhaltenürden. Nach dem, was ich gehört habe, funktioniert daslles inzwischen reibungslos. Wir haben damit zu einemleinen Teil auch die Forderung der Kommunen erfüllt,on Auftragsverwaltung entlastet zu werden, wie es Frauomburger formuliert hat. Dafür hat der Bund immerhin00 Beamte bereitgestellt.
Ich gebe gerne zu, dass wir in Deutschland schon eineorliebe für die Gestaltung von Formularen haben. Einormularpaket mit 28 Seiten sieht auf den ersten Blickurchterregend aus. Dass man davon nur fünf Seiten aus-üllen muss und dass die praktischen Beispiele, die iner Ausfüllhilfe gegeben werden, sehr nützlich für dieandwirte sind, haben zumindest die Landwirte inheinland-Pfalz schon letztes Jahr registriert. Als ichetztes Jahr in einer Bauernversammlung nachgefragtabe, habe ich festgestellt, dass der überwiegende Teiler dortigen Landwirte keine Probleme hatte, dietammdaten in das Formular einzutragen, obwohl derntrag neu und daher ungewohnt war.
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Lydia WestrichDas liegt sicherlich auch daran, dass er übersichtli-cher als vorher ist. Das sagt selbst der Deutsche Bauern-verband.
– Jawohl, übersichtlicher als vorher. – 2003 geben dieLandwirte lediglich die Bankverbindung und den Ver-brauch ein; denn der Rest ist bereits vorgedruckt. Einfa-cher kann man es im elektronischen Zeitalter nicht mehrmachen: Bankverbindung, Verbrauch, Unterschrift – fer-tig!
Die Formulare sind bundeseinheitlich. Natürlich könnenmoderne Landwirte sie auch am Bildschirm ausfüllen.Die Landwirtschaftsverbände wussten, dass es bei derUmstellung des Verfahrens im ersten Jahr sicherlich An-laufschwierigkeiten geben wird. Sie hatten das bereitsim Voraus akzeptiert. Wünschen vonseiten der Verbändenach Erhebung von Daten, die für sie von Relevanz sind,wurde dabei Rechnung getragen. Es werden also mitdem Antrag mehr Daten erhoben, als von Amts wegengebraucht werden.
Frau Kollegin Westrich, gestatten Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Homburger?
Klar, wenn sie es will.
Ganz offensichtlich; jedenfalls habe ich den Ein-
druck.
Frau Kollegin, da Sie so vehement darauf bestehen,
dass es keine Probleme gebe, möchte ich Sie fragen, wa-
rum die Bundesregierung in ihrer Antwort auf unsere
Kleine Anfrage vom 28. Februar –
Dieses Jahres?
– ja, 2003; wir waren recht schnell und sehr aktuell –
Folgendes mitteilt:
Die Antragstellung wird voraussichtlich noch im
laufenden Jahr mittels eines elektronisch ausfüllba-
ren und in sich plausibilisierten Vordrucks ermög-
licht, was die Fehlerquote verringert.
Warum muss man etwas plausibler und einfacher ma-
chen – das sagt ja die Bundesregierung selber –, wenn es
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ragen Sie die Bauernverbände, die Forstwirte und dieärtner! Wir befinden uns schon im zweiten Jahr derntragsverfahrensumstellung. Die Praktiker werden Ih-en bestätigen, dass diese Umstellung ein voller Erfolgar.Wie gesagt, ich gebe gerne zu, dass man Gutes immeroch besser machen kann. Wenn man noch etwas findet,as man besser machen kann, dann arbeiten wir an einererbesserung sicherlich gerne mit. Aber es gibt im Mo-ent wirklich ganz andere Felder, in die wir unsereräfte hauptsächlich stecken sollten.
Das Thema Bürokratieabbau wird uns noch langeicht verlassen. Es ist eines der Schlagworte, das ständign aller Munde ist. Wenn es ans Eingemachte, an kon-rete Details geht, stößt man an hohe Mauern – auch beihnen; siehe Handwerksordnung, siehe HOAI und dieiskussionen dazu, an denen Sie sich mit den unter-chiedlichsten Aussagen wacker beteiligen, und zwareist nicht als Fürsprecher des Bürokratieabbaus.Wenn sich die Bürgerinnen und Bürger einmal vorugen führten, in wie vielen Jahren Regierungszeit ineutschland die FDP daran mitgewirkt hat, bürokrati-che Verfahren, Gesetze und Verordnungen zu schaffen,nd wie wenig die FDP ihre Chancen zur Vereinfachungon Vorgängen genutzt hat, dann würden sie erkennen,ie unglaubwürdig sich die FDP mit diesem Antrag iminblick auf wirkliche Erleichterungen für die Men-chen, was bürokratische Verfahren betrifft, macht.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003 3887
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Lydia WestrichIch wünschte, Sie könnten verwaltungstechnischeHemmnisse wirklich von denjenigen Verfahren unter-scheiden, die, wie das Antragsverfahren beim Agrardie-sel, längst eingespielt und angenommen sind. Erst wennsie bereit sind, dies zu unterscheiden, können wir nächs-tes Mal über einen handfesten Bürokratieabbau reden.Dann lohnt sich das.Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Albert Deß, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Mehr Bürokratie für weniger Geld, so könnte man
das Ganze umschreiben. Aber schlimmer ist: Die rot-
grüne Bundesregierung zeichnet sich bekanntlich da-
durch aus, dass sie anders handelt, als sie redet.
Das gilt auch für Ihre Ankündigungen zum Bürokratie-
abbau und zur Deregulierung.
Im Januar 2003, also in diesem Jahr, hat Bundesmi-
nister Clement von diesem Rednerpult aus großspurig
Eckpunkte einer so genannten Mittelstandsoffensive an-
gekündigt. Im Februar 2003 hat das Bundeskabinett die
Eckpunkte eines umfassenden Bürokratieabbaus für den
Mittelstand beschlossen. Von einer Verminderung von
bürokratischen Lasten für die Landwirtschaft ist hier
aber nicht die Rede. Unsere Bauern sind aber Mittel-
stand pur.
Herr Kollege Deß, der Kollege Carstensen fühlt sich
zu einer Zwischenfrage veranlasst. Gestatten Sie sie?
Gerne. Dem zukünftigen Ministerpräsidenten von
Schleswig-Holstein muss man immer das Wort geben.
Herr Kollege Deß, mich hat Ihre Aussage ein biss-
chen gewundert, dass hier anders gehandelt als geredet
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Ich wurde gefragt, wo die Bundesregierung andersandelt, als sie redet. Ich habe ein ganz treffendes Bei-piel gebracht.
Die Unionsfraktion unterstützt den FDP-Antrag aufereinfachung des Antragsverfahrens bei Agrardieselanz nachdrücklich. Man kann nicht oft genug auf daschwerfällige und umfangreiche Antragsverfahren hin-eisen. Ich würde es begrüßen, wenn die Bundesregie-ung dieses Verfahren vereinfacht.Mehr als 300 000 landwirtschaftliche Betriebe müs-en sich mit den Rückerstattungsanträgen, die 28 Seitenmfassen, herumschlagen. Die Anträge – das ist schonngesprochen worden – müssen dann von 300 Beamtenn den Hauptzollämtern bearbeitet werden. Ich möchteen Beamten in den Hauptzollämtern, die sich in diesechwierige Materie eingearbeitet haben, Anerkennungnd Lob aussprechen. Bei mir zu Hause ist das Haupt-ollamt Regensburg zuständig. Als Kreisobmann desayerischen Bauernverbandes konnte ich feststellen,ass sich die Beamten dort sehr bemüht haben, diechwierigkeiten dieses Antragsverfahrens zu meistern.
Unsere Bauern wollen produktiv in Feld und Wald so-ie im Stall tätig sein und nicht von Landwirten zuchreibwirten werden, die die Hälfte ihrer Arbeitszeit imüro und am Computer verbringen müssen.
Eine Vereinfachung des Antragsverfahrens könntechon dadurch erreicht werden, dass auf eine Reihe vonngaben verzichtet wird. Über die Ankündigung, dassas für das nächste Jahr, also rückwirkend für das lau-ende Jahr, der Fall sein wird, habe ich mich gefreut. Ichchlage vor, dass man wieder das Antragsverfahrenählt, wie es früher war. Da umfasste der Antrag zwei
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Albert DeßSeiten. Das hat ausgereicht, um die Rückerstattung zubekommen.Noch einfacher wäre es, wenn – da möchte ich überden Antrag der FDP hinausgehen – eine Erstattung nachdem InVeKoS vorgenommen würde, wie es der Bayeri-sche Landtag vorgeschlagen hat. Jetzt sind die Flächen-daten vorhanden. Man könnte auch eine pauschale Er-stattung vornehmen. Das würde außerdem dazu führen,dass der Biodieseleinsatz in der Landwirtschaft zu-nimmt.Es gäbe eine dritte Möglichkeit – darüber könnten wirauch diskutieren –, nämlich dass ähnlich wie in Frank-reich in der Landwirtschaft Heizöl für die Traktoren ver-wendet werden darf. Dann bedürfte es überhaupt keinesAntragsverfahrens mehr.
Jedes Fahrzeug, das in der Landwirtschaft, in der Forst-wirtschaft oder im Gärtnereiwesen eingesetzt wird, be-käme eine Plakette und jedes Fahrzeug, das eine solchePlakette hat, dürfte mit Heizöl fahren. Die Kontrollewäre ganz einfach und der bürokratische Aufwand gingegegen null. Auch darüber könnten wir diskutieren.
Diesel ist der wichtigste Energieträger in der Land-wirtschaft. Nur ein geringer Teil, nämlich 10 Prozent,wird für den Transport auf der Straße verwendet. Das istmit ein Grund dafür, dass es bisher eine Rückerstattunggegeben hat und dass in der Landwirtschaft jetzt ein er-mäßigter Steuersatz verwendet wird. Aber die deutscheLandwirtschaft wird massiv benachteiligt, was die Höhedes Steuersatzes anbelangt. Die deutschen Bauern müs-sen, ohne Mehrwertsteuer, 25,6 Cent Steuern je Literzahlen. In den Niederlanden sind es 19,8, in Italien 11,8,in Spanien 7,8, in Frankreich 8,1, in Großbritannien 5,2und in Dänemark 0 Cent je Liter. Die Bundesregierungist gefordert, darauf hinzuwirken, dass die deutschenBauern den Bauern in den übrigen EU-Mitgliedstaatengleichgestellt werden.Ich habe das einmal für einen landwirtschaftlichenBetrieb von 100 Hektar mit einem Dieselverbrauch von15 000 Litern durchgerechnet. 1998 hat der Landwirt inDeutschland eine Steuerbelastung von 1 611 Euro ge-habt – ich habe das umgerechnet –, der französischeKollege eine solche von 1 215 Euro. Wir wissen, dass erauch zu unserer Regierungszeit etwas weniger bezahlthat. Das war ein Unterschied von 396 Euro. Inzwischenzahlt der deutsche Landwirt 3 840 Euro, der französi-sche Landwirt nach wie vor 1 215 Euro. Der deutscheLandwirt muss also, ohne Mehrwertsteuer, 2 625 EuroSteuern mehr bezahlen. Das ist eine eklatante Wettbe-werbsverzerrung.
Wir haben einmal für einen Betrieb in Deutschlanddurchgerechnet, welche Nachteile allein durch die rot-grüne Bundesregierung geschaffen worden sind. Ichkann es aus Zeitgründen nicht aufzählen. Tatsache istaber zum Beispiel, dass ein Betrieb auf der deutschenRMhMdsudMNdddsBNuwttDSOBd–tSzLgAdAib
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damennd Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Vorenigen Tagen noch hat die FDP auf ihrem Bremer Par-eitag die neue Sachlichkeit und das Ende der Spaßpoli-ik verkündet.
er vorliegende Antrag der FDP ist in der Tat keinepaßpolitik mehr; dieser Antrag ist ein Witz.
der wollen Sie von der FDP ernsthaft den Deutschenundestag über jedes einzelne Formular dieses Landesiskutieren lassen?
Frau Homburger, ich denke, wir haben wirklich Wich-igeres zu tun.Zu Punkt 1 Ihres Antrages: Es trifft zu, dass derteuersatz für Agrardiesel immer noch über den Sät-en liegt, die die Bauern in den meisten anderen EU-ändern zahlen. Deshalb setzen wir uns auch seit lan-em für eine EU-weite Regelung ein.
ber die Wettbewerbssituation zwischen Betrieben inen verschiedenen EU-Ländern lässt sich nicht allein amgrardiesel festmachen. Zum Beispiel gibt es nirgendwon der EU eine so hohe Investitionsförderung beim Stall-au wie in Deutschland.
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Friedrich OstendorffIn keinem anderen EU-Land wird pro Bäuerin und Bauerein vergleichbarer Zuschuss in die Sozialversicherungbezahlt oder ist die Hofübergabe an Junglandwirte billi-ger. Meine Damen und Herren von der Opposition, werüber Wettbewerbsbedingungen reden will, der muss ehr-licherweise auch diese Dinge erwähnen.
Doch nun zu Punkt 2 des vorliegenden Antrags. DasAnliegen Entbürokratisierung ist natürlich voll undganz zu unterstützen. Bürokratischen Aufwand, den wirden Bürgerinnen und Bürgern, den Betrieben und derVerwaltung ersparen können, sollten wir uns sparen. Dasgilt nicht nur, aber auch für Bäuerinnen und Bauern.
In dieser Hinsicht haben wir in den unterschiedlichstenBereichen auch noch einiges aus der Vergangenheit zuverbessern.Wir reden heute über die Agrardieselbesteuerung so-wie den Aufwand, den landwirtschaftliche Betriebe zubewältigen haben, um für den im Betrieb eingesetztenDiesel eine teilweise Rückvergütung der Mineralölsteuerzu bekommen. Dieses Verfahren ist 2001 sehr mühevollgeändert worden. Die bis dahin gezahlte Gasölbeihilfefür landwirtschaftliche Betriebe wurde abgeschafft;stattdessen wurde ein über die Jahre gleich bleibendergeminderter Agrardieselsteuersatz von 50 Pfennigenbzw. von heute 25,56 Cent pro Liter eingeführt. Ich willdiese Diskussion nicht wieder aufrollen, aber wir hättenuns natürlich auch andere Lösungen vorstellen können,zum Beispiel, Diesel einzufärben.
Aber auch das ist an Ihrem Widerstand gescheitert.Aus meiner eigenen Praxis als Bauer weiß ich sehrwohl, dass die Neuregelung der Agrardieselbesteuerungden Betrieben bei der ersten Antragstellung im Jahr2002 für das Jahr 2001 etwas mehr Aufwand bereitethat. Ein neues Formular muss man beim ersten Mal et-was genauer lesen. Dieser Mehraufwand begründetsich – das wurde schon von Frau Westrich angeführt, diedas Verfahren sehr gut dargestellt hat – aus der Übertra-gung der Zuständigkeit von den Landwirtschaftsämternoder -kammern auf das Hauptzollamt. Aber jetzt, in denFolgejahren, zahlt sich dieser Mehraufwand aus; denndie Angaben, die sich nicht jedes Jahr ändern, sind nunin den folgenden Anträgen vom Zollamt schon vorge-druckt. In diese Felder muss nur derjenige etwas hinein-schreiben, bei dem sich etwas geändert hat. Damit redu-ziert sich der Aufwand für den fünfseitigen Antrag abdiesem Jahr gegenüber früheren Anträgen erheblich.Die Angaben, die erhoben werden, entsprechen im We-sentlichen denen der alten Anträge, die in jedem Bundes-land anders aussahen und deren Umfang von drei bis achtSeiten reichte. Somit liegen wir mit nun fünf Seiten An-trag – nicht 28 Seiten, wie der Antrag der FDP besagt – inder Mitte. Natürlich könnten wir die Kästchen auch sokAaskvgTzbSSbdssAchnbNwrJsdmTdamkdhmrnbSrnBAI
Frau Kollegin Homburger, ich denke nicht, dass Sieit dem Ausfüllen eines solchen Formulars, das ich ge-ade hoch gehalten habe – ich kann es Ihnen gleich auchoch einmal zeigen –, schon überfordert wären. Sierauchen es ja auch nicht unter Beweis zu stellen, dennie sind ja keine Bäuerin. Ich denke aber, unsere Bäue-innen und Bauern sind in der Lage, dies zu tun. Sie kön-en da ganz unbesorgt sein: Unsere Bäuerinnen undauern bekommen das hin.
Nachdem ich 35 Jahre lang Erfahrungen mit demusfüllen solcher Anträge sammeln durfte, kann ichhnen, Frau Homburger, nur sagen: Dieser Antrag ist
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Friedrich Ostendorffwesentlich leichter als der alte zu bearbeiten. Da habeich wahrlich schon Schlimmeres gesehen.Sie von der Opposition sollten sich gut überlegen, obes sinnvoll ist, die Agrardieselsubventionen so sehr zuthematisieren. Ich weiß nicht, ob diese Diskussion dazubeiträgt, dass die Hilfen für die Landwirtschaft erhaltenbleiben.
Meine Damen und Herren, der Antrag der FDP ist ab-solut überflüssig. Deshalb lehnen wir den Antrag ab.Vielen Dank.
Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege
Norbert Schindler, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! VerehrteZuhörer und Zuhörerinnen! Herr Ostendorff, auch ichhabe schon viele Anträge ausgefüllt. Ich lade Sie gernedazu ein. Vielleicht ist es bei Ihnen so einfach, weil Sienur einen Lieferanten haben. Aber es gibt auch Land-wirte, die Sonderkulturen haben und so wie ich 266 Be-legquittungen einzeln zusammenrechnen und vorlegenmüssen.
Reden Sie nicht davon, wie einfach alles geworden ist,reden Sie vielmehr davon, wie einfach das System in derVergangenheit war, als die Kreisverwaltungen zuständigwaren.
Wir als Bauern mussten vier Seiten ausfüllen, jetzt sindes mehr. Dahin zielt ja auch der Antrag der FDP, denman nur unterstützen kann: hier Bürokratie abzubauen.Ich erinnere mich an die Diskussion um das Verfah-ren, die wir vor zwei Jahren geführt haben. Staatssekre-tär Diller war ja im Finanzministerium für dieses Themazuständig. Es war damals eine gute Regelung, die Zu-ständigkeit bei den Kreis- oder Landratsämtern bzw. denLandwirtschaftsämtern anzusiedeln. Jetzt wurden 300 Stel-len – ich zweifele diese Zahl an, sie wird nämlich nochhöher liegen – gemäß der Angabe der Bundesregierungauf eine Kleine Anfrage der FDP in der Zollverwaltungfür die Bearbeitung der neuen Anträge neu geschaffen.Vorher saßen unsere Ansprechpartner in den Kreisver-waltungen; auch heute sind sie dort noch beschäftigt.MmPßgvbwgdczsnmwatgTtfpksRiLzdldAsutdwbÖMbphaodfKgmW
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Hören Sie gut zu, Frau Homburger. – Die Aussage ei-es Betriebsleiters lautete, dass in seinem Betrieb einerau das Antragsverfahren in der Hand habe und es im-er sehr einfach laufe, wenn Frauen das machen, weilie sich mit diesen Dingen leichter tun.
uf der anderen Seite hat der Inhaber eines kleinen Fa-ilienbetriebs gesagt, das Ausfüllen des Formulars seihm zu anstrengend und er habe den Vorgang seinemteuerberater gegeben.
Fakt ist – das haben Sie heute mehrfach gehört undas werden Sie auch in Zukunft hören –: Kein Betriebuss das ganze Prozedere jährlich von vorn beginnen.ie Zollämter schicken – mein Kollege Ostendorff hats schon gesagt – im zweiten Antragsjahr die Formulareu. Viele Angaben sind schon voreingetragen; es gibtlso nicht mehr viel auszufüllen.
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Waltraud Wolff
In Ihrem Antrag sprechen Sie trotzdem davon, dassdie Formulare zu umfangreich seien.
Wir haben heute schon gehört, was alles auszufüllen ist.Erklärungshilfen, Frau Homburger, dienen der Erläute-rung und müssen nach meiner Kenntnis nicht ausgefülltwerden.
Von den Befragten wurde das Personal des Zollamtsausdrücklich gelobt. Ich möchte auch von hier aus einherzliches Dankeschön sagen, weil diese Mitarbeiterüberaus hilfsbereit sind.Nun zum Kritikpunkt, die Erstattung käme zum Teilrecht spät. Man muss einmal feststellen, dass die Ab-rechnungsanträge im gesamten Folgejahr, also von Ja-nuar bis Dezember, gestellt werden können. Für das Jahr2002 waren es insgesamt 310 000 Anträge. Wenn alleinim Dezember, also im letzten Monat kurz vor Ultimo,80 000 Anträge eingehen, dann ist es doch logisch, dasses einen Antragsstau gibt. Das bedeutet natürlich, dassdiejenigen, die ihre Anträge sehr früh im neuen Jahr stel-len, von Wartezeiten betroffen sind. Aber ich garantiereIhnen: Wenn wir die Antragsfristen auf die Zeit bisOktober verkürzen würden, dann hätten wir zwar einenreibungslosen Ablauf, aber Sie von der FDP wären dieErsten, die mit einem Aufschrei die staatliche Überregle-mentierung anprangern würden.Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht hier umBundesmittel in Höhe von rund 370 Millionen Euro,Tendenz steigend. Tatsache ist, dass wir für das Jahr2003 mit fast 430 Millionen Euro Beihilfe zu rechnenhaben. Die Opposition weiß sehr gut, dass wir uns keinlasches Antragsverfahren leisten können; immerhin sindwir dem Steuerzahler verpflichtet.Was Sie auch wissen müssen: Der Berufsstand befür-wortet das jetzige verbrauchsbezogene Verfahren. Au-ßerdem haben wir mit der möglichen Teilvergütung fürdas erste Halbjahr einen ganz guten Weg gefunden unddie übermäßige Belastung durch Vorfinanzierung ver-hindert.Natürlich kann die FDP nicht darauf verzichten, in ih-rem Antrag den im Vergleich zum EU-Ausland höherenSteuersatz für Agrardiesel ins Feld zu führen. Noch ein-mal zur Erinnerung, damit Sie es nicht vergessen: Wirhaben 2002 den Steuersatz für Agrardiesel noch einmalgesenkt auf heute 25,56 Cent je Liter.
Ich erinnere auch noch einmal daran, dass es die unions-geführten Bundesländer waren, die zum Jahr 2000 diegesamte Agrardieselreform mit überzogenen Forderun-gen gefährdet haben. Ihre eigenen Finanzminister hättendas nie mitgetragen. Sie wollen uns heute hier hoffent-lich nicht weismachen, dass das im Sinne des Berufs-standes gewesen ist.dBdazMesmvsdrsWAskdrdfcAbssA
ir unterstützen die Betriebe, aber Ihr konservativernsatz, der in keiner Weise Umwelt- und Verbraucher-chutz angemessen honoriert, findet bei uns keinen An-lang.Schönen Dank.
Frau Kollegin Wolff, es wird Sie sicher beruhigen,ass wir Ihre Überschreitung der Redezeit genauso tole-iert haben wie die kritisierte Überschreitung bei den an-eren Kollegen.Wir sind damit am Schluss dieser Aussprache. Inter-raktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksa-he 15/833 an die in der Tagesordnung aufgeführtenusschüsse vorgeschlagen, wobei die Federführungeim Finanzausschuss liegen soll. – Ich stelle Einver-tändnis zu diesem Vorschlag fest. Dann ist die Überwei-ung so beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Peter
der CDU/CSUDeutsch als dritte Arbeitssprache auf europäi-scher Ebene – Verstärkte Förderung vonDeutsch als lernbare Sprache im Ausland– Drucksache 15/468 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Kultur und Medien
Auswärtiger AusschussRechtsausschussAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
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Vizepräsident Dr. Norbert Lammerthöre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos-sen.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-nächst dem Kollegen Dr. Peter Gauweiler für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Der Antrag zielt auf zwei Dinge: Erstens wollenwir die ständige Benachteiligung unserer Sprache in denGremien der Europäischen Union endlich beenden undzweitens eine Behinderung der Menschen, die auf derganzen Welt Deutsch als Fremdsprache erlernen wollen,beseitigen.
Ich glaube, die Menschen, die sagen, das sei kein Ne-benthema, haben Recht. Parlament kommt von „parlare“und das heißt „sprechen“. Die Umweltschützer unter Ih-nen wissen, dass wir unsere Sprache schützen müssenwie unsere Gewässer.
Unser Ziel ist, in der Europäischen Union die SpracheDeutsch neben Englisch und Französisch als dritte Ar-beitssprache gleichberechtigt durchzusetzen, was bisherin gar keiner Weise der Fall ist. Unser zweites Ziel isteine verstärkte Förderung des Deutschunterrichts imAusland. Wir bitten alle sehr herzlich, diese Intention zuunterstützen. Wir räumen gern ein, dass es auf allen Sei-ten dieses Hauses eindrucksvolle Bemühungen gibt, die-sem Ziel näher zu kommen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sieheute Abend nach dem Heimfahren wider Erwarten vonder Politik die Nase voll haben sollten und nicht denpolitischen Teil der Zeitungen lesen, sondern sich in denKulturteil flüchten, dann können Sie dort in allen großendeutschen Zeitungen eindrucksvolle Nachrufe auf dennicht sehr bekannten, aber sehr tragfähigen GermanistenWalter Höllerer lesen. Der Germanist Walter Höllerer,an den wir heute anlässlich dieser kulturpolitischen De-batte in Dankbarkeit und mit Anerkennung denken, hattesein ganzes Werk mit einer großen Überschrift versehen.Diese Überschrift lautet: Macht euch verständlich, undzwar in allen Differenzierungen, zu denen eure Sprachefähig ist!Jeder von uns weiß, dass dies in einer fremden Spra-che, zum Beispiel in Englisch oder Französisch, nur beiperfekter Kenntnis dieser fremden Sprache möglich ist.Dies ist bei uns allen und bei Ihnen, meine sehr verehr-ten Damen und Herren auf der Tribüne, selbstverständ-lich der Fall, aber es gibt eine Mehrheit von Menschen,bei denen dies nicht so ist. Bei allem Respekt vor derWeltsprache Englisch, die zu Recht bereits im Kinder-garten gelehrt wird: Gerade in meiner Generation kön-nen die Differenzierungen und Verästelungen einer2 000-jährigen Sprachkultur nicht durch 20 Unterrichts-stunden in der Berlitz-Schule aufgeholt werden.dutlsrEtmbwWgozsrVEvtNszdUsDmednzkFznzD
Wir alle wissen: Im politischen Streit, in der Argu-entation oder in beidem muss kein Gegensatz sein. Wiremühen uns, Wörter zu benutzen, mit denen wir sagenollen, was wir denken. Wir bemühen uns, dafür guteörter zu wählen. Bevor man etwas schreibt, muss manenau wissen: So oder so würde ich sprechen.Dies ist den Menschen, die nicht perfekt Englischder Französisch können – ich spreche vier Wörter fran-ösisch: „la patrie des patries“; Vaterland der Vaterländeroll das heißen –, im Umgang mit den Gremien der Eu-opäischen Union jedoch nicht möglich. Es gibt eineerordnung zur Regelung der Sprachenfrage, in der iminzelnen die Amtssprachen der Europäischen Unionon Finnisch bis Spanisch festgelegt worden sind.Es gibt zudem eine Erklärung zu den größten, wich-igsten Sprachen der Kommission, zur Arbeitssprache.ach der Erklärung der Kommission zur Arbeits-prache ist das Deutsche mit dem Englischen und Fran-ösischen völlig gleichberechtigt. Dies ist kein Zufall;enn für die meisten Menschen in der Europäischennion, 91 Millionen Menschen, ist Deutsch die Mutter-prache. Zählt man diejenigen Menschen dazu, dieeutsch als erste Fremdsprache gelernt haben, sind esehr als 130 Millionen Menschen. Nach der EU-Ost-rweiterung werden es noch mehr Menschen sein.Es gibt eine Untersuchung über die Sprachenpolitiker Europäischen Union in der Praxis. Darin wird da-ach gefragt, wer mit wem kommuniziert. Man kommtu folgendem Ergebnis: Beamte der EU-Kommissionommunizieren mit EU-Organen zu 69 Prozent aufranzösisch, zu 30 Prozent auf Englisch und zu 1 Pro-ent auf Deutsch. Beamte der EU-Kommission kommu-izieren mit EU-Staaten zu 54 Prozent auf Französisch,u 42 Prozent auf Englisch und zu 3 Prozent aufeutsch. Beamte der EU-Kommission kommunizieren
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Dr. Peter Gauweilermit Nicht-EU-Staaten zu 30 Prozent auf Französisch, zu69 Prozent auf Englisch und zu 1 Prozent auf Deutsch.Der Sympathie der EU-Gremien gegenüber den Deut-schen dienen diese Zahlen nicht.
Ich erkenne sehr an, dass die jetzige Regierung in vie-len Fällen, insbesondere im Bereich der EuropäischenKommission, auf der Ebene der Minister, im Rat derStändigen Vertreter und auch in den Arbeitsgruppen,keine Konflikte gescheut hat, um zumindest eine Über-setzung ins Deutsche durchzusetzen. Die Verhältnissesind so – ich sage das ohne jeglichen Zynismus –, dassman für diese Selbstverständlichkeit dankbar sein muss.In den eigentlichen Verwaltungen der EuropäischenUnion, in den Generaldirektionen und in den Ministe-rien, ist dies mitnichten der Fall. Das Gleiche gilt für dieeinzelnen Referate und den internen Schriftverkehr. Daskann auch gar nicht der Fall sein, weil die überwiegendeMehrzahl der Beamten der Europäischen Union und derGeneraldirektionen, sofern sie keine deutschen Mutter-sprachler sind – und das ist keine überwältigend großeZahl –, nicht deutsch sprechen. Das hängt damit zusam-men, dass in jedem deutschen Gymnasium mittlerweilemindestens zwei Fremdsprachen verlangt werden, diesbei anderen Mitgliedsländern der Europäischen Unionaber nicht der Fall ist.Frankreich hat 1973 beim Beitritt Großbritanniensdurchgesetzt, dass alle britischen EU-Beamten französi-sche Sprachkenntnisse nachweisen müssen. Die franzö-sischen EU-Beamten haben als erste Fremdsprache – ichhätte beinahe gesagt: selbstverständlich – Englisch. Diesführt dazu, dass weniger als 10 Prozent der Beamtenüberhaupt in der deutschen Sprache kommunizierenkönnen. Wir halten das für nicht richtig.
Wirtschaftsrelevante Daten der EU-Außenkommu-nikation werden fast ausschließlich in Englisch undFranzösisch veröffentlicht. Die EU-Wirtschaftsdaten-banken arbeiten vorwiegend mit diesen Sprachen. Die240 000 Ausschreibungen jährlich werden fast aus-schließlich in Englisch und/oder Französisch veröffent-licht. Jeder von Ihnen kann sich in einen Firmeninhaberoder Firmenbeauftragten hineinversetzen, der erst um-ständliche und langwierige Übersetzungen einholenmuss, bevor er die meist auch noch fristgebundenenAusschreibungen überhaupt zur Kenntnis nehmen kann.Das hausinterne Mitteilungsblatt der EU-Kommis-sion „Commission en direct“ – ich nenne das nur bei-spielhaft – erscheint ausschließlich auf Englisch undFranzösisch. Interessanterweise wird von den Bewer-bern mittlerweile Englisch als Muttersprache verlangt.Das hat zwar eine Fülle von Protesten verschiedensterOrganisationen hervorgerufen, die bisher aber völligwirkungslos geblieben sind.
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Ich spreche jetzt betont einfach. Darum dauert es länger
ls drei Sekunden, wenn ich das noch darf, Herr Präsi-
ent.
Ja, aber sicher.
Nur dann ist ein Einleben in die deutsche Sprachfami-ie tatsächlich möglich.
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Dr. Peter GauweilerIn den letzten zehn Jahren wurde bei den Goethe-Ins-tituten und den deutschen Schulen im Ausland ein dra-matischer Abbau vorgenommen. In unserer Geschichtesind noch niemals so viele Menschen aus dem Auslandnach Deutschland gekommen wie in den letzten zehnJahren und noch niemals ist der Deutschunterricht imAusland so stark abgebaut worden wie in den letztenzehn Jahren. Ich glaube, dies sollte geändert werden.Herr Präsident, ich möchte zum Schluss noch vierZeilen von Heinrich Heine vorlesen. Als er im „Winter-märchen“ von Frankreich her die deutsche Grenze er-reicht, sagt er, was alle Menschen beim Thema Spracheempfinden, mit leiser Ironie, aber eben auch in dem Be-wusstsein, dass uns diese Sprache anvertraut ist:Und als ich die deutsche Sprache vernahm,Da ward mir seltsam zumute;Ich meinte nicht anders, als ob das HerzRecht angenehm verblute.Es soll nicht ausbluten, aber wir wollen uns auch in Zu-kunft auf Deutsch verständigen können. Ich bitte umIhre Unterstützung.
Herr Kollege Gauweiler, das war nicht Ihre erste Par-
lamentsrede, aber Ihre erste Rede im Deutschen Bundes-
tag, zu der ich Ihnen herzlich gratuliere.
Ich bin nicht sicher, ob im Bayerischen Landtag nach
der Ankündigung, noch drei Sekunden zu brauchen, eine
weitere Minute Redezeit durchgegangen wäre. Sie mö-
gen daran sehen, wie anständig die Bayern – jedenfalls
von Westfalen – im Präsidium behandelt werden.
– Daran habe ich keinen Zweifel, Frau Kollegin.
Nun erteile ich das Wort dem Staatsminister Hans
Martin Bury für die Bundesregierung.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eu-ropa ist ein Kontinent mit vielen Sprachen, Sprachen mitunterschiedlichen Wurzeln, ihrer spezifischen Ge-schichte und Prägung durch nationale Erfahrungen,Sprachen, deren Vielfalt zum kulturellen Reichtum Eu-ropas gehört.Vor gut fünf Wochen wurde in Athen – dem Ursprungeuropäischer Demokratie und Kultur – der Vertrag zumBeitritt von zehn ost- und südosteuropäischen Ländernzur Europäischen Union unterschrieben. Europa wirdvereinigt. Wir nutzen die großartige Chance, ein Europades Friedens, der Sicherheit und des Wohlstandes zuschaffen.duN1qsuDEGSuKsetftudScswWmdvvndhndailbbwsGbuKtg4sds
Für die Organe der Europäischen Union müssen aller-ings andere Regeln gelten, damit deren Handlungsfä-igkeit gewahrt bleibt. In allen europäischen Institutio-en gibt es deshalb schon jetzt spezielle Sprachregime,ie an die neuen Gegebenheiten nach der Erweiterungngepasst und modernisiert werden müssen. Unser Zielst dabei auch, die finanziellen Belastungen für Deutsch-and gering zu halten.Für den Europäischen Rat und die Ministerräte soll esei einer Dolmetschung in alle EU-Amtssprachen blei-en. Das entspricht der Bedeutung dieser Organe undird auch in Zukunft unproblematisch zu gewährleistenein. Auch viele der anderen Organe, Institutionen undremien der Union können ihr bisheriges Sprachregimeeibehalten. So sollen zum Beispiel Deutsch, Englischnd Französisch weiterhin die Arbeitssprachen derommission und des Ausschusses der Ständigen Vertre-er bleiben.Veränderungen sind allerdings bei den 181 Arbeits-ruppen des Rates notwendig, die jedes Jahr zu über000 Sitzungen zusammenkommen. Bei 20 Arbeits-prachen und 380 denkbaren Sprachkombinationen stößtas bisherige Vollsprachenregime hier zwangsläufig aneine logistischen und finanziellen Grenzen.
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Staatsminister Hans Martin BuryMeine Damen und Herren, wir hätten hier bessereAusgangsbedingungen, wenn die frühere Bundesregie-rung unter Helmut Kohl nicht 1993 bei den Verhandlun-gen über den Maastrichter Vertrag eine Einschränkungdes bewährten Sprachenregimes im Bereich der Gemein-samen Außen- und Sicherheitspolitik hingenommenhätte.
Ob es der Regierung Kohl damals an nationalem Selbst-bewusstsein oder an Interesse mangelte, vermag ichnicht zu beurteilen. Sie haben aber damals akzeptiert,dass auf der Arbeitsebene in der GASP nicht mehr ge-dolmetscht, sondern nur noch Englisch und Französischgesprochen wird.
Damit wurde eine Regelung geschaffen, die heute na-türlich von all denen, die für die EU ein reines Zwei-sprachenregime anstreben, als Präzedenzfall herange-zogen und uns vorgehalten wird. Die griechischePräsidentschaft wollte diese Regelung auf alle Ratsar-beitsgruppen der Bereiche Allgemeines und Außenbe-ziehungen ausdehnen. Es ist uns gelungen, dies gemein-sam mit Frankreich, Spanien, Italien und Österreich zuverhindern.Die Bundesregierung unterstützt hier das so genannteMarktmodell. Dessen Kerngedanke ist, dass das Rechtauf Dolmetschung erhalten bleibt, jeder Mitgliedstaat je-doch für die Dolmetschung bezahlt, die er beantragt hat.Dabei sollte es nach unseren Vorstellungen eine festeBasisgruppe von Sprachen geben, die immer gedol-metscht werden. Dazu zählen neben Deutsch Englisch,Französisch, Spanisch und Italienisch.Wir sind der Meinung, dass das Marktmodell die An-forderungen an ein praktisch umsetzbares Sprachenre-gime für Arbeitsgruppen am besten erfüllt. Es ist gerechtund transparent, da es jedem Land die Entscheidungselbst überlässt, Dolmetschung zu beantragen oder da-rauf zu verzichten. Es berücksichtigt weiterhin das Prin-zip der Gleichheit aller Sprachen, ohne es zu einerunzeitgemäßen Prestigefrage zu machen. Schließlichwerden die vom Marktmodell ausgehenden Steuerungs-effekte dazu beitragen, die Effizienz der Arbeitsgruppenzu erhalten und zu verbessern und die Kosten für Dol-metschung in der EU insgesamt zu senken.Die griechische Präsidentschaft hat die Arbeiten andiesem Marktmodell vorangebracht. Es gibt in der Zwi-schenzeit einen grundsätzlichen Konsens über die Ziel-setzung. Wir sind entschlossen, die Präsidentschaft auchweiterhin bei der Suche nach einer konsensfähigen Lö-sung, die berechtigte deutsche Interessen wahrt, zu un-terstützen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Festigung derdeutschen Sprache als europäische Amts- und Arbeits-sprache neben Englisch und Französisch ist ein wichti-ger Beitrag zur Stärkung der Position der deutschenSprache in Europa. Aber noch wichtiger ist es, dassDsbMtdPmbdnWhsucsGgFPsrddtRknzdNnsdElfhlNdSNotWfrS
ur dann gibt es genügend Raum für eine Fremdspracheeben Englisch. Nur dann hat auch Deutsch als Fremd-prache in Europa eine Zukunft.Wir haben in einer ganzen Reihe von Mitgliedstaatener Europäischen Union erfreuliche Tendenzen, was dasrlernen der deutschen Sprache angeht, in Frankreich al-erdings zunehmende Probleme in den Schulen. Ichinde das Projekt „Deutsch-Mobil“ vorbildlich, weilier durch die Vermittlung von Freude, von Spaß am Er-ernen der Sprache Hemmnisse abgebaut werden undeugier geweckt wird. Damit wird die Voraussetzungafür geschaffen, dass wieder mehr Schülerinnen undchüler unsere Sprache erlernen.Die Lust auf fremde Menschen und ihre Sprache,eugier auf ein interessantes Land und dessen Kulturder auch der Wunsch, in einem anderen Land zu arbei-en, sind Motive, um eine Fremdsprache zu erlernen.enn dies auch noch mit Spaß, Unterhaltung und Er-olgserlebnissen verbunden wird, dann sind das gute Vo-aussetzungen dafür, dass das Interesse an der fremdenprache nicht nachlässt.
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Staatsminister Hans Martin BuryIch habe in der Vergangenheit häufig erstaunt festge-stellt – etwa vor zehn Jahren bei einer Reise nach Südost-asien –, wie viele der ausländischen Gesprächspartnerflüssig unsere Sprache sprechen. Viele von ihnen habenin Deutschland studiert. Ihre Kinder studieren heute inKanada oder Australien. Als die Bundesregierung vordrei Jahren gemeinsam mit der UnternehmensinitiativeD 21 die Greencard, das Angebot für hoch qualifizierteExperten, geschaffen hat, bei uns im Bereich der Infor-mations- und Kommunikationstechnologie zu arbeiten,haben manche von ihnen gezögert, dieses Angebot anzu-nehmen, obwohl sie gute Stellen hätten antreten können.Sie wollten nicht in ein Land, das ihnen keine dauerhaftePerspektive anbieten konnte. Noch heute haben wir inDeutschland wegen der Blockadepolitik von CDU/CSUkein zeitgemäßes Zuwanderungsrecht.
Wir sprechen heute in dieser Debatte in großer Ein-mütigkeit über die Notwendigkeit der Förderung derdeutschen Sprache. Das Interesse an einer Sprache stehtin unmittelbarem Zusammenhang mit der Attraktivitätdes Landes, in dem sie gesprochen wird. Lassen Sie unsgemeinsam daran arbeiten, unser Land moderner und zu-kunftsgerichteter zu machen.Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Hans-Joachim Otto für
die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geradebei diesem Thema ist es besonders wichtig, dass diesesParlament über die Grenzen der Fraktionen hinweg dasnationale Interesse an dieser Frage deutlich macht unddass auch die Opposition die Bundesregierung bei ihrenBemühungen unterstützt, den Einsatz der deutschenSprache auf der europäischen Ebene zu stärken.
Da es sich Herr Staatsminister Bury aber nicht ver-kneifen konnte, bei mehreren Punkten in seiner Rede,beispielsweise zum Maastricht-Vertrag, einige kleineparteipolitische Einsprengsel zu bringen, will ich daraufin einigen Sätzen parteipolitischer Art – es sind die Ein-zigen dieser Art – erwidern. Ich teile Ihre Auffassungnicht, dass in den Jahren seit 1998 die deutsche Spracheauf der europäischen Ebene stärker gefördert worden seials vorher. Ich habe eher das Gefühl, dass sich der Trendgegen die deutsche Sprache seit 1998 weiter verstärkthat. Ihre optimistische Einschätzung kann ich leidernicht teilen.Wir sind uns aber in dem Ziel einig, den Einsatz derdeutschen Sprache auf der europäischen Ebene und inEhwmÜrleBbbfEtM9tvuh–twe–UkgltdmaedidmscGsmZwgt
Ich möchte aber auch auf einen kulturellen Aspektinweisen. In der geplanten europäischen Verfassunginsoweit ist das völlig ohne jeden Streit – ist die kul-urelle Vielfalt als ein Verfassungsziel vorgegeben. Des-egen sollten wir auch aus kulturpolitischen Gründeninem drohenden Unilateralismus bzw. Bilateralismusich habe eher das Gefühl, es handelt sich um einennilateralismus – bei der Sprache entgegenwirken. Dieulturelle Vielfalt erfordert es, dass sich die am meistenesprochene Sprache in der Europäischen Union, näm-ich Deutsch, auch in ihren Gremien wiederfindet.
Meine Damen und Herren, bei dem, was nunmehr zuun ist, habe ich ein paar Wünsche auch im Hinblick aufen Antrag der CDU/CSU. Ich hoffe sehr und möchteeiner Hoffnung nachhaltig Ausdruck geben, dass wirm Ende dieses Diskussionsprozesses in den Gremien zuinem einstimmigen Beschluss kommen, der die Bun-esregierung ermächtigt, ermutigt und auch befähigt,hre Position mit der gesamten Kraft des Deutschen Bun-estages vorzutragen.Lieber Herr Dr. Gauweiler, in diesem Zusammenhangeine ich, dass Sie mit Ihrem Antrag ein wenig kurz ge-prungen sind. Bei der Vermittlung der deutschen Spra-he als lernbare Sprache im Ausland stellen Sie imrunde auf die Deutsche Welle und das dortige deutsch-prachige Programm ab. Ich teile Ihre Auffassung. Wirüssen aber auch selber unsere Hausaufgaben machen.u unseren Hausaufgaben zählt es zum Beispiel, dassir uns als Volksvertreter dieses Landes bei Dele-ationsreisen ins Ausland – jedenfalls dort, wo es Vertre-er gibt, die der deutschen Sprache mächtig sind – auch
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Hans-Joachim Otto
dieser Sprache bedienen und nicht in andere Sprachenausweichen.
Wir müssen ein überzeugendes Beispiel geben unddie Kraft der Bundesregierung in dieser Frage unterstüt-zen, indem wir als Parlament die Mittel für die Aus-landsschulen und Mittlerorganisationen – Goethe-Institut Inter Nationes und IfA – erhöhen.
Wir können im Parlament nicht ständig die Mittel kürzenund gleichzeitig der EU-Kommission sagen, dass sie diedeutsche Sprache stärken muss; das geht nicht gut. Wirmüssen auch selber unsere Hausaufgaben machen. Da-bei sind wir alle gefordert.Kurzer Rede kurzer Sinn: Wir unterstützen die Bun-desregierung in ihrem Bemühen. Ich habe auch keineKritik an dem bisherigen Einsatz zu äußern. Ich glaubeauch, dass es wichtig ist, dass Sie in Brüssel, Straßburgund Luxemburg deutliche Signale dafür senden können,dass das die übereinstimmende Meinung aller Fraktio-nen dieses Hauses ist. Darüber hinaus dürfen wir dieBundesregierung aber nicht nur mit wohlfeilen Wortenunterstützen, sondern wir müssen als Abgeordnete die-ses Deutschen Bundestages auch dazu beitragen, dasswir uns nicht in innere Widersprüche begeben. Wenn wirDeutsch als lernbare Sprache im Ausland fördern wol-len, dann müssen wir auch die entsprechenden Haus-haltsentscheidungen treffen. Diese betreffen die Deut-sche Welle, die deutschen Auslandsschulen und dieMittlerorganisationen.In diesem Sinne appelliere ich an Sie, in diesemHause die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass dasgemeinsame Ziel, Deutsch zu fördern, erreicht werdenkann.Vielen Dank.
Das Wort hat nun die Kollegin Dr. Antje Vollmer,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Na-türlich konnten wir alle es nicht erwarten, die Jungfern-rede von Herrn Gauweiler hier zu hören. Ein klein wenighätten wir aber doch noch warten können; denn dannwäre das erreicht gewesen, worum sich der KollegeBarthel bemüht hat, nämlich die Erstellung eines ge-meinsamen Antrages über alle Fraktionsgrenzen hinweg.Ich hoffe, dass wir am Ende des Debattenprozesses ge-nau dieses schaffen;
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ier können wir manches von den Franzosen lernen. Wirrbeiten ja auch sonst eng mit Ihnen zusammen. Geradeies ist ein guter Brückenschlag zwischen unseren bei-en Ländern.Es ist auch richtig, darauf hinzuweisen, dass es fürnsere hoch qualifizierten Bewerber auf der EU-Ebeneehr viel schwieriger ist als für Bewerber aus anderenändern. Das muss sich ändern, weil wir aufgrund desroßen Anteils, den die deutsche Sprachfamilie hat, auchn den Gremien mit entsprechend vielen Personen vertre-en sein müssen.Ich meine aber, dass nicht nur dieser Bereich wichtigst. Es geht auch um die Information der EU-Bürger überas, was vonseiten der EU veröffentlicht wird. Als Bei-piel nenne ich die Ausschreibungen. Viele – ich denkensbesondere an kleine und mittlere Betriebe – sind auchegen der Sprachbarrieren daran gehindert, sich um ei-en entsprechenden Auftrag zu bewerben. Deswegeneht es bei der Erhöhung des Anteils der deutschen Spra-he auch um die Chancengleichheit.Staatsminister Bury hat schon gesagt, dass wir einigesetan haben und dass es unser Verdienst war, dasarktmodell für das Dolmetschen in den Arbeitsgrup-en des Rates der EU durchgesetzt zu haben. Das ist einehr praktikables Modell. Hier wird nur in die Sprachenbersetzt, die in einer bestimmten Sitzung tatsächlichebraucht werden. Es geht also nicht um eine unnötigeufblähung der Übersetzungen, sondern nur um das,as gebraucht wird, und Deutsch wird eben auch ge-raucht.Auch die Förderung der deutschen Sprache im Aus-and halte ich für ein ganz wichtiges Ziel. Damit könnenir auf unterschiedliche aktuelle Tendenzen reagieren.s gibt ein Interesse an unserer Sprache. Es ist schon ge-agt worden, dass früher die deutsche Sprache führendum Beispiel in der Medizin oder in der Grundlagenfor-chung war.
Auf die Literatur komme ich noch. – Aber wir wissen,arum wir in diesen Bereichen nicht mehr führend sind.s ist nämlich ein Erbe der Nazidiktatur, dass wir dieroße Anerkennung in der Welt, die es gegeben hat, auchn Bezug auf die deutsche Sprache verloren haben.
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Dr. Antje VollmerUmso mehr gibt es eine große Chance auf ein wach-sendes Interesse im Bereich der Geisteswissenschaftenund übrigens auch im Bereich der Kultur. Denn wennman sich unsere ganz besonderen Kulturlandschaften an-schaut, ob das die Museen und die Theater sind oder obes der Musikbereich ist, dann stellt man fest, dass wirfaktisch die Talentschule sehr vieler Künstler gerade ausOsteuropa und Asien sind, die bei uns das Know-howlernen und hier die Ausbildungsmöglichkeiten haben,um irgendwann weltweit anerkannte Künstler zu sein.Sie alle brauchen die deutsche Sprache, um zu unskommen zu können, ebenso wie die Immigranten, die zuuns kommen, natürlich sehr viel besser integriert werdenkönnen, wenn sie vorweg in ihrem Heimatland schonDeutsch lernen.
Da ist ein Terrain zu verteidigen. Das gibt es übrigensauch wegen der guten Sprachschulen der früheren DDRin vielen osteuropäischen Ländern. Denken wir nur anviele kleinere Länder auch in Asien, zum Beispiel Nepal,Vietnam oder die Mongolei, die einen hohen Anteil anDeutschsprachigen haben!Richtig ist auch, dass diejenigen, die die Sprache ler-nen – und das sind sehr viele – hier durch Stipendien undUniversitäten, die sie aufnehmen, aufgefangen werdenmüssen. Es muss einen Wettbewerb um die Eliten derWelt geben, die noch Interesse an uns haben. UnsereDiskussionen mit dem Goethe-Institut zielen genau da-rauf ab, diesem Interesse in den Ländern, in denen es be-sonders groß ist, entgegenzukommen.Ich finde es auch wichtig, dass man, wenn man sichschon für die deutsche Sprache einsetzt, sie auch spre-chen muss. Ich will ein typisches Beispiel nennen, überdas ich mich immer ärgere. Ich war am Wochenende aufeiner großen Konferenz in Italien. Herr Genscher undich haben vorher darauf bestanden, dass man auchdeutsch sprechen sollte. Die Russen sprachen russisch,die Italiener sprachen italienisch und die Franzosen na-türlich französisch. Wir setzten also durch, dass manauch deutsch sprechen konnte. Deutsch sprachen alsoHerr Genscher, interessanterweise Tadeusz Mazowieckiaus Polen, aber General Naumann sprach englisch.
Solche persönlichen Eitelkeiten müssen dem gemeinsa-men Interesse untergeordnet werden.Ich erinnere mich auch an eine sehr komische Szenein Schanghai, als ein deutscher Wirtschaftsminister voreinem überwiegend deutschsprachigen chinesischen Pu-blikum englisch gesprochen hat, was auch nicht so pas-send war.
Ich glaube, dass sich die Einzelnen entsprechend verhal-ten und unsere Kultur verteidigen müssen.nGIaDmCsEgHsNHVssEnSohljFneccnaowsEgtsmi
Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Olav Gutting,
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es istchon eine Weile her, da spielten deutsche Forscher undrfinder in der Welt der Wissenschaft eine herausra-ende Rolle. Damals diente die deutsche Sprache alsauptverständigungsmittel im internationalen Wissen-chaftsbetrieb. Diese Zeiten sind aber längst vorbei.icht mit dem Fehlen eines Zuwanderungsgesetzes,err Staatsminister Bury, sondern mit dem allmählichenerlust unserer Spitzenstellung in Forschung und Wis-enschaft nahm und nimmt auch die Bedeutung der deut-chen Sprache ab.
Heute müssen deutschsprachige Wissenschaftler innglisch publizieren, um international zur Kenntnis ge-ommen zu werden. Besserung ist auch hier nicht inicht: zum einen, weil den deutschen Forschungsinstuti-nen und -organisationen nach den rot-grünen Haus-altskürzungen hohe zweistellige Millionenbeträge feh-en, und zum anderen, weil sich Deutschland unter deretzigen Regierung aus wichtigen, zukunftsträchtigenorschungsbereichen wie der Kernenergie und der grü-en Gentechnik zurückgezogen hat.Die deutsche Sprache ist im internationalen Umgangrheblich ins Hintertreffen geraten. Das ist umso bedauerli-her, als Deutsch die als Muttersprache am meisten gespro-hene Sprache in der EU ist. Sie wird von fast 100 Millio-en Menschen in der Europäischen Union – das ist mehrls ein Viertel aller EU-Bürger – gesprochen.Obwohl Deutsch als Muttersprache in der EU in Eur-pa mit großem Abstand den ersten Rang einnimmt, ob-ohl der deutschsprachige Raum das höchste Brutto-ozialprodukt in Europa erwirtschaftet und obwohl imU-Parlament die deutschsprachigen Abgeordneten dierößte Gruppe stellen, wird derzeit nur 1 Prozent der ex-ernen Kommunikation durch die EU-Beamten in deut-cher Sprache geführt. Um diesen Zustand zu ändern,uss der Verbreitung und Pflege der deutschen Sprachem Ausland ein höherer Stellenwert zukommen.
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Olav GuttingDabei geht es nicht nur um die eigentlich selbstverständ-liche Verpflichtung, die Sprache der deutschen Dichterund Denker zu fördern und zu pflegen, sondern es gehtauch um handfeste wirtschaftliche Interessen.Schauen wir uns doch einmal die wirtschaftspoliti-schen Aspekte an, die mit der ungenügenden Berück-sichtigung der deutschen Sprache als Arbeitssprache zu-sammenhängen! In Punkt 2 unseres Antrages heißt esunter anderem:Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregie-rung auf, … dafür Sorge zu tragen, dass Deutschbei allen Veröffentlichungen, Datenbanken, Stan-dards, Konferenzen und Ausschreibungen denSprachen Englisch und Französisch gleichgestelltwird.Wer sich die Mühe macht, eine europäische Ausschrei-bung zu lesen, der weiß, vor welchen Problemen eindeutscher Auftragnehmer steht. Man hat einen Wust vonPapieren in der Hand und kommt auch dann, wenn mandie englische Sprache einigermaßen beherrscht, kaumüber den ersten Absatz hinaus.In einer Wirtschaftslage, die vom Nachfrageausfallder öffentlichen Hände – insbesondere bei den Kommu-nen – gekennzeichnet ist, in einer Situation, in der Mit-telstand und Handwerk der Insolvenz näher sind als demgoldenen Boden und in der unsere Volkswirtschaft stag-niert – einige sprechen sogar von Rezession –, wären zu-sätzliche öffentliche Aufträge gerade aus dem europäi-schen Raum dringend notwendig. Aufträge in diesemBereich wären für viele Betriebe ein rettender Stroh-halm. Ich spreche von einem erheblichen ökonomischenFaktor.Man muss sich die Zahlen einmal vor Augen halten:Die Gesamtausgaben im europäischen Auftragswesenbewegen sich derzeit zwischen 1 Billion und 1,5 Billio-nen Euro. Davon entfallen rund 250 Milliarden Euro aufdeutsche Auftraggeber. Wenn es um die Verteilung die-ses Auftragsvolumens geht, dürfen unsere deutschen Fir-men nicht zu kurz kommen. Das setzt aber Chancen-gleichheit bei der Informationsbeschaffung voraus.Ich bin ja aus Baden-Württemberg und kenne michdeshalb mit Deutsch ganz besonders gut aus.
Ich komme aber aus einer grenznahen Region. Viele Be-triebe in meinem Wahlkreis würden sich gerne an einerder insgesamt 240 000 Ausschreibungen der EU-Kom-mission beteiligen. Für Großunternehmen stellen diemeistens in Englisch abgefassten Ausschreibungsbedin-gungen keine allzu große Hürde dar, da sie über Spezia-listen verfügen, die sich in der entsprechenden Materiebestens auskennen. Aber für einen kleinen Mittelständleroder Handwerker ist es einfach zu aufwendig, ja auch zukostspielig, eine Übersetzung ins Deutsche anfertigen zulassen.Viele Informationen, die die europäische Vergabepra-xis betreffen, lassen sich auch im Internet finden. DieewbTteUwfSDaGwsNdkncinBbwsliAdmwgpdmSSznMnsusdgvIms
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003 3901
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Ich hoffe, dass es auch nicht die letzte sein wird.Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bishe-rige Debatte könnte man mit dem Satz überschreiben: Soviel Konsens war nie. Abgesehen von meinem Vorredner– bei ihm hatte ich manchmal das Gefühl, dass er diedeutsche Sprache ein wenig zu sehr für ökonomischeZwecke instrumentalisiert – ist hier ein breiter Konsensdarüber vorhanden, dass wir die Stellung der deutschenSprache im Ausland gemeinsam fördern wollen. Ich er-innere in diesem Zusammenhang an das, was Herr Ottogesagt hat: Wir Kulturpolitiker waren bei der Konsens-findung schon recht weit. Ich gestehe aber, HerrGauweiler, dass wir die Sache bisher nur unter kulturpo-litischen Gesichtspunkten betrachtet haben. Wer sind wirdenn, wenn wir keine europapolitischen Aspekte einbe-ziehen?Da die Zustimmung hier so groß ist, kann ich sagen:Wenn wir unser Ziel beibehalten, werden sich sowohlKultur- als auch Europapolitiker auf einen gemeinsamenAntrag zu diesem wichtigen Thema einigen. Die bisheri-gen Erfahrungen sprechen dafür; also habe ich diesbe-züglich keine Sorgen.
Gemeinsamkeit ist aber kein Selbstzweck. Ich glaube,dass ein interfraktioneller Antrag auf europäischerEbene eine höhere Bedeutung hätte.
Das ist der Hauptgrund, warum wir für einen interfrak-tionellen Antrag sind. Ich bin mir sicher: Keiner wirdsich diesem Ziel widersetzen. Da so viel Übereinstim-mung bestand, erlaube ich mir jetzt, gewissermaßen einAusrufezeichen zu setzen.Wir müssen bei der Durchsetzung eines höheren Stel-lenwertes der deutschen Sprache allerdings auch ein biss-chen vorsichtig und sensibel sein. Beim Bemühen um dieVerbreitung der deutschen Sprache dürfen wir nämlichnie auch nur in den Verdacht geraten, andere Sprachenverdrängen oder in ihrer Bedeutung herabsetzen zu wol-len. Deswegen meine ich: Jedes Bemühen, die deutscheSprache zu stärken, ist schon von vornherein zum Schei-tern verurteilt, wenn nicht die notwendige Sensibilität beider Verfolgung dieses Zieles vorhanden ist.Europa, das heißt eben auch Vielfalt der Kulturen,die es zu pflegen und zu fördern gilt. Deshalb haben wirin einem unserer Anträge – ich glaube, er ist vorhin er-wähnt worden – die Forderung formuliert, in der euro-päischen Verfassung die Vielfalt der Kulturen und auchder Medien sowohl als Wert als auch als Ziel zu veran-kern. Darüber bin ich sehr froh.gAbnSKda–cTgSsßeleDlskMlsnsmdwmsafCSlicaetommda
prache ist Kultur.
eine Kultur und keine Sprache in Europa oder an-erswo hat einen höheren oder geringeren Wert als einendere. Deswegen möchte ich es an dieser Stelle wagen ich versuche auch hier, gewissermaßen ein Ausrufezei-hen zu setzen –, einen Blick über den europäischenellerrand zu werfen. Die 70 Sprachen, die in Europaesprochen werden, machen lediglich 1 Prozent allerprachen in der Welt aus. Das verdeutlicht die Dimen-ion, mit der wir es zu tun haben. Der Blick „nach drau-en“ ist beängstigend: Von den 15 000 Sprachen, die esinmal gab, hat bis heute nicht einmal die Hälfte über-ebt. Alle zwei Wochen – das zeigt die Statistik – stirbtine Sprache.
er britische Linguist David Crystal hat diese Entwick-ung mit dem „globalen Trend zur kulturellen Anpas-ung“ begründet. Darüber sollten wir einmal nachden-en.In Europa gibt es Sprachen, die von relativ wenigenenschen gesprochen werden, und solche, die von vie-en gesprochen werden. Die Zahl derjenigen, die deutschprechen, ist bereits genannt worden; ich will sie jetzticht wiederholen. Wenn wir den Stellenwert der deut-chen Sprache erhöhen wollen, dann sollten wir uns klarachen, dass es nicht nur um eine Wertung geht, son-ern um Quantitäten, die sich auf europäischer Ebeneiderspiegeln müssen. Es geht auch nicht – das wird im-er wieder behauptet – um eine Verdrängung des Engli-chen; denn kein vernunftbegabtes Wesen wird Englischls Lingua franca heute noch infrage stellen. Ich jeden-alls sehe niemanden, der das tut.In den ersten beiden Punkten des Antrags der CDU/SU geht es um das – auch das ist ein schönes Wort –prachregime. Im dritten Punkt geht es um mehr, näm-ch um die Verbreitung und Pflege der deutschen Spra-he im Ausland generell. Es ist richtig – das finde ichuch –, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland mitrwähnt wird. In der Tat: Es ist auch ein Wirtschaftsfak-r. Eines habe ich in der Kulturpolitik gelernt: Wennan für eine kulturelle Angelegenheit wirbt, dann hatan immer mehr Chancen auf Umsetzung, wenn manarauf hinweisen kann, welch positive Wirkungen dasuch für die Wirtschaft hat.
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3902 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003
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Eckhardt Barthel
Es geschieht auch eine Menge. Wir sollten das nichtherunterreden. Ich nenne nur das Goethe-Institut InterNationes, die deutschen Auslandsschulen und – damitwollen wir uns in nächster Zeit beschäftigen – die Deut-sche Welle. Gerade die Deutsche Welle ist in diesemBereich sehr stark tätig. Wenn wir in nächster Zeit überdas Deutsche-Welle-Gesetz reden, wird auch die Ver-mittlung der deutschen Sprache Thema sein. Es ist alsoschon eine Menge geschehen und dies wollen wir auchfortsetzen.Wir werden auf Dauer nur eine Chance haben, diedeutsche Sprache im Ausland zu verbreiten, wenn wirsie auch im Inland pflegen und entwickeln. Die Präsi-dentin des Goethe-Instituts, Frau Jutta Limbach, dieheute erfreulicherweise schon mehrfach zitiert wurde,hat vor einigen Tagen eine Pressemitteilung herausgege-ben. Danach registriert sie, dass in vielen Teilen der Weltein steigendes Interesse an der deutschen Sprache be-steht. Ich zitiere:Das Interesse am Deutschlernen ist, entgegen allergegenteiliger Gerüchte, unverändert groß. Die Zahlvon 20 Millionen Deutschlernern weltweit ist eineindrucksvoller Beleg …Das ist die positive Nachricht von ihr, doch sie klagtauch, zum Beispiel darüber, dass in der Wirtschaft und inder Wissenschaft immer mehr englisch kommuniziertwird. Noch ein Zitat, weil es so schön ist:Wir stellen einen bemerkenswerten Verzicht aufden Gebrauch der eigenen Sprache fest.
Auch das ist eine Aussage der Präsidentin des Goethe-Instituts, die ich hier gern zitiere.Ich denke – wie es erwähnt worden ist – an die über-flüssigen und auch ausgrenzenden Anglizismen, die sichin der deutschen Sprache festgesetzt haben; besser ge-sagt: Sie haben sich nicht festgesetzt; das ist aktiv ge-macht worden. Wir hatten in der letzten Legislaturperi-ode – ich erinnere mich noch sehr gut daran – zu zweiAnfragen zu diesem Thema eine heftige Diskussion. Ichfrage mich nur: Was ist daraus geworden? – Wenn ichjetzt einen Begriff wie Jobfloater höre,
dann weiß ich: Sehr erfolgreich war unsere Diskussionbestimmt nicht.Der Respekt vor anderen Sprachen setzt den Respektvor der eigenen Sprache voraus. Da liegt eine ganz wich-tige bildungspolitische Aufgabe. Das alles hat auch et-was mit dem Antrag zu tun, den wir hier behandeln. Las-sen Sie mich abschließend sagen: Wir können nichtetwas ins Ausland tragen, was im Inland verkümmert.Insofern schließt sich hier der Kreis. Ich würde auch sa-gen: Auswärtige Kulturpolitik beginnt im Innern. Inso-fern müssen wir das verbinden: den Transport der deut-schen Sprache nach außen und die Pflege der deutschenSprache im Innern. Das halte ich für eine wichtige Auf-gabe. Aufgrund des Konsenses, den wir hier haben, wer-dgRbumÜissewABbtFbages
Ich schließe die Aussprache.Ich danke allen Rednern dafür, dass sie sich dem zuecht kritisierten zunehmenden Verzicht auf den Ge-rauch der deutschen Sprache nicht angeschlossen habennd selbst dann, wenn sie aus Baden-Württemberg kom-en, Hochdeutsch gesprochen haben.Ich unterstelle, dass Sie mit der vorgeschlagenenberweisung der Vorlage auf Drucksache 15/468 an dien der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse einver-tanden sind. – Das ist so. Dann ist die Überweisung be-chlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten KlausBrähmig, Ernst Hinsken, Edeltraut Töpfer, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSUSchaffung einer familienfreundlichen, ver-kehrsentlastenden und wirtschaftsförderndenFerienregelung– Drucksache 15/934 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionAusschuss für Kultur und MedienDafür war nach einer interfraktionellen Vereinbarungine halbe Stunde vorgesehen. Die benötigen wir nicht,eil die gemeldeten Rednerinnen und Redner, nämlichnnette Faße, Klaus Brähmig, Grietje Bettin und Ernsturgbacher, ihre vorbereiteten Reden zu Protokoll gege-en haben. Ob es bei diesem Thema einen ähnlich brei-en Konsens gibt, wie das in der vorherigen Debatte derall war, bitte ich also der Lektüre der zu Protokoll gege-enen Reden zu entnehmen.Interfraktionell ist auch die Überweisung der Vorlageuf Drucksache 15/934 an die in der Tagesordnung auf-eführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damitinverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überwei-ung so beschlossen.Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 11 auf:Erste Beratung des von den Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Daniel Bahr ,Rainer Brüderle, weiteren Abgeordneten undder Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003 3903
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Vizepräsident Dr. Norbert Lammerteines Gesetzes zur Änderung des Baugesetz-buchs – § 246 –– Drucksache 15/360 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
RechtsausschussAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftHierzu war nach einer interfraktionellen Vereinba-rung ebenfalls eine halbe Stunde Debattenzeit vorgese-hen, wobei die FDP fünf Minuten erhalten soll. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist das dem Grundsatznach so beschlossen.Für den Antragsteller erteile ich dem KollegenMichael Goldmann das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Diese fünf Minuten müssen sein. Ich ver-zichte nämlich nicht auf den Gebrauch der deutschenSprache. Ich will die Gelegenheit, vor so vielen Zuhö-rern zu sprechen, auch nicht missbrauchen.Es geht hier um ein wichtiges Anliegen; sicherlich ha-ben Sie die Vorlage gelesen. § 246 Baugesetzbuch inVerbindung mit § 35 Baugesetzbuch schafft eine zusätz-liche Möglichkeit, den agrarstrukturellen Wandel, derim ländlichen Raum von enormer Bedeutung ist – jeder,der sich dort auskennt, weiß, vor welchen Herausforde-rungen wir dabei stehen –, aus der speziellen Situationdieses Raumes heraus abzufedern. Dies ist der erste As-pekt der vorgeschlagenen Änderung.Zum Beispiel entstehen in Niedersachsen sehr großeProbleme, weil die sehr intensive marktwirtschaftlichausgerichtete Landwirtschaft die alten Hofstellen ver-lässt und dadurch Brachen entstehen und Dorfstrukturenzerstört werden, was erhebliche Auswirkungen auf dasdörfliche Miteinander hat.Die bisherigen Regelungen waren zu eng gefasst undließen Sonderregelungen der einzelnen Bundesländernicht zu. Deswegen wollen wir einen Antrag auf denWeg bringen, der dies ausweitet, der sowohl die Zeit-spanne als auch die Möglichkeit der Nachnutzung aus-dehnt. Wir glauben damit einen Beitrag zu leisten, derder Sache dienlich ist.Es gibt einen zweiten Aspekt, der gerade in den letz-ten Tagen wieder aktuelle Bedeutung bekommen hat. Ichmeine die Nachnutzung frei gewordener militärischerLiegenschaften. Sicherlich haben Sie in der Presse undim Fernsehen verfolgt, was dies beispielsweise für einenLandkreis wie Friesland oder für eine Stadt wie Jever be-deutet, wo sich ein großer Geschwaderstandort befindet.Es ist sehr wichtig, sich Gedanken darüber zu machen,wie wir diese frei gewordenen Flächen einer klugen Nut-zung zuführen können. Beide Gesichtspunkte werden inunserem Gesetzentwurf berücksichtigt und eine Lösungdafür wird auf den richtigen Weg gebracht.
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3904 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003
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Die Kollegen Wolfgang Spanier, Peter Götz und
Franziska Eichstädt-Bohlig geben ihre Reden zu Proto-
koll.
Damit kann ich die Aussprache zu diesem Tagesord-
nungspunkt schließen.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/360 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das scheint der Fall zu sein. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Den Kolleginnen und Kollegen der SPD wünsche ich
eine schöne Geburtstagsfeier anlässlich des 140-jährigen
Bestehens ihrer Partei,
die neben dem Stolz auf die Vergangenheit vielleicht
auch Mut für die Zukunft hervorbringt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 4. Juni 2003, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.