Protokoll:
15033

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 33

  • date_rangeDatum: 18. März 2003

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 12:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 23:11 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 15/33 1. Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundes- präsidialamt (Drucksachen 15/551, 15/572) . . . . . . . . . 2. Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 15/552, 15/572) . . . . . . . . . 3. Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 15/553, 15/572) . . . . . . . . . Bundesrechnungshof (Drucksachen 15/567, 15/572) . . . . . . . . . Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . Walter Schöler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . Rainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Pinkwart FDP . . . . . . . . . . . . . . Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ 2553 B 2553 C 2553 D 2554 A 2554 D 2558 D 2563 C 2566 C 2571 A 2573 D 2575 C 2577 D 2582 C Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 33. Sitzung Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 I n h a l t : Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2003 (Haushaltsgesetz 2003) (Drucksachen 15/150, 15/402) . . . . . . . . . Zur Geschäftsordnung: Carl-Ludwig Thiele FDP . . . . . . . . . . . . . . . . Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . Abschließende Beratung ohne Aussprache in Verbindung mit 5. Einzelplan 32 Bundesschuld (Drucksache 15/570) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit 6. Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung (Drucksache 15/571) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit 7. Einzelplan 20 2553 B 2554 B 2554 C 2554 A 2554 A 4. Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen (Drucksachen 15/558, 15/572) . . . . . . . . . DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Bernhard Brinkmann (Hildesheim) SPD . . .2553 D 2583 D 2585 D 2588 B II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . Klaas Hübner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung (Drucksachen 15/569, 15/572) . . . . . . . . . Klaus-Peter Willsch CDU/CSU . . . . . . . . . . . Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carsten Schneider SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Ilse Aigner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Bonde BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kretschmer CDU/CSU . . . . . . . Christoph Hartmann (Homburg) FDP . . . . . . Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Rachel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 2625 A Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2625 A 9. Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drucksachen 15/565, 15/572) . . . . . . . . . Antje Tillmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Bettina Hagedorn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jutta Dümpe-Krüger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Scheuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10. Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 15/556, 15/572) . . . . . . . . . Beatrix Philipp CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Klaus Hagemann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Susanne Jaffke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) SPD . . . . . . . . Dorothee Mantel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . Thomas Strobl (Heilbronn) CDU/CSU . . . . . Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . Norbert Barthle CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . 11. Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz (Drucksachen 15/557, 15/572) . . . . . . . . . in Verbindung mit 12. Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 15/566, 15/572) . . . . . . . . . Norbert Barthle CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinz Köhler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU . . . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 20. Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Drucksachen 15/561, 15/572) . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2590 B 2594 A 2596 C 2598 B 2600 A 2600 B 2602 B 2603 C 2605 B 2607 C 2609 A 2610 C 2612 C 2615 A 2617 C 2618 A 2619 C 2621 A 2622 C 2623 B 2627 B 2627 C 2630 C 2634 C 2636 C 2638 A 2640 C 2642 B 2644 C 2645 A 2648 A 2649 B 2650 C 2652 D 2655 B 2657 B 2658 D 2660 A 2661 C 2663 C 2666 C 2667 C 2667 D 2668 D 2669 B 2671 B 2671 B 2671 C 2672 D 2674 A 2675 B 2676 B 2679 B 2680 D 2681 D 2683 C 2685 D 2686 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 III Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Neuabdruck – aus technischen Gründen – einer zu Protokoll gegebenen Rede zur Be- ratung der Anträge: – Für eine nachhaltige Agrarpolitik und einen gerechten Interessenausgleich bei den laufenden WTO-Verhandlun- gen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – WTO-Verhandlungen – Europäisches Landwirtschaftsmodell absichern . . . . (31. Sitzung; Tagesordnungspunkt 11 und Zu- satztagesordnungspunkt 9) Reinhold Hemker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2003; hier: Einzelplan 12 – Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen . . . (Tagesordnungspunkt I.20) Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . Uwe Göllner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . Wolfgang Spanier SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Gunter Weißgerber SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . Norbert Barthle CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2687 A 2687 B 2687 B 2687 C 2688 C 2688 C 2689 A 2689 D 2690 D 2692 B 2693 B 2694 D 2696 B 2697 C 2699 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 2553 (A) (C) (B) (D) 33. Sitzung Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 Beginn: 12.00 Uhr
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    1) Anlage 3 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung waren für die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Der Wider- spruch hält sich in Grenzen. Damit hätte das so beschlos- sen werden können, wenn die beteiligten Fraktionen und insbesondere die benannten Redner nicht großmütig da- rauf verzichtet hätten, ihre angedrohten Reden tatsäch- lich zu halten. (Beifall im ganzen Hause) Tatsächlich haben für die SPD die Kollegen Uwe Göllner, Wolfgang Spanier und Gunter Weißgerber, für die CDU/CSU die Kollegen Bartholomäus Kalb, Arnold Vaatz, Norbert Barthle und Dirk Fischer, für Bündnis 90/ Die Grünen die Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig, für die FDP der Kollege Horst Friedrich und schließlich auch der Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe ihre sorgfältig vorbereiteten Reden zu Protokoll gegeben.1) Dies ist ein beispielhafter Beitrag zur Humanisierung der Arbeitswelt, (Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause) für den ich mich insbesondere im Namen all der Kolle- ginnen und Kollegen bedanken möchte, die ohnehin Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/646: Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Auch dies ist keine Mehrheit. Änderungsantrag der FDP auf Drucksache 15/641: Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag der FDP auf Drucksache 15/642? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- hält sich? – Auch dieser Antrag hat nicht die ausrei- chende Mehrheit. Abstimmung über den Änderungsantrag der FDP auf Drucksache 15/643: Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dieser An- trag hat keine Mehrheit. Abstimmung über den Änderungsantrag der FDP auf Drucksache 15/645: Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Das alles sieht mir sehr nach Absprache aus. (Heiterkeit) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 2687 (A) (C) (B) (D) wirtschaftsmodell absichern (Tagesordnungspunkt 11 und Zusatztagesord- nungspunkt 9) Erstens. Im Jahre 1999 flossen nach Angaben der OECD über Steuern und andere Abgaben 118 Milliarden Euro direkt und indirekt in die Gemeinsame Agrarpoli- Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Neuabdruck, aus technischen Gründen, einer zu Protokoll gegebenen Rede Zur Beratung der Anträge: – Für eine nachhaltige Agrarpolitik und einen gerechten Interessenausgleich bei den lau- fenden WTO-Verhandlungen – WTO-Verhandlungen – Europäisches Land- Reinhold Hemker (SPD): Die Bemühungen Deutsch- lands im Rahmen des Strukturwandels in den ländlichen Regionen sind Teil einer Entwicklung, die zu einem glo- balen Agrarkonzept führen muss. Dabei muss deutlich sein: Die Prinzipien der Kohärenz und Komplementarität sind richtungsweisende, globale Elemente einer gesamt- politischen Ausrichtung der EU. Dieser Ausrichtung ist auch Deutschland verpflichtet. Die laufenden WTO-Ver- handlungen – nicht nur bezogen auf den Agrarteil in Kom- bination mit der Ernährungswirtschaft – legen wesent- liche Bedingungen für diese Entwicklung fest. Und unsere Landwirte und Landwirtinnen leisten in den verschiede- nen Regionen Deutschlands schon jetzt mit einer stand- ortgerechten und auch ökologischen Produktionsweise einen Beitrag dazu. Es geht darum, im Sinne des Dreiklangs der Nachhal- tigkeitskonzeption, die ökonomischen Kriterien mit dem Aufbau und Ausbau der Produktion, die ökologische Notwendigkeit für die Bewahrung der Schöpfung und die sozialen Ziele der Sicherung der Lebensverhältnisse bei der Schaffung und dem Erhalt der Ernährungssicher- heit zu berücksichtigen. Dies gilt für alle am WTO-Ver- handlungsprozess beteiligten Länder. Vor diesem Hinter- grund geht es darum, bei den Verhandlungen einen Ausgleich zwischen der Öffnung der Märkte und den be- rechtigten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anlie- gen der WTO-Partner zu finden. Ich verweise in diesem Zusammenhang exemplarisch auf das EU-Ratsdokument Nr. 11658/02 mit dem inhalt- lichen Schwerpunkt der Bekämpfung der ländlichen Armut, das gestern noch im Ausschuss für Verbraucher- schutz, Ernährung und Landwirtschaft auf der Tages- ordnung stand. Es geht darum, die verschiedenen Poli- tikbereiche bei den WTO-Verhandlungen so aufeinander abzustimmen, dass die Lebensverhältnisse in den ländli- chen Räumen – unter besonderer Berücksichtigung der Agrar- und Ernährungswirtschaft – weiterentwickelt werden. Darum ist es wichtig, den Klärungsprozess zur Konkretisierung der EU-Position in unserem Bereich – also dem Bereich der Agrarwirtschaft – unter Einbe- ziehung der deutschen Interessen zu beeinflussen. Dazu dient unser Antrag und die heutige Debatte. Es ist festzustellen: Der im letzten Monat vorgelegte Modalitätenvorschlag des WTO-Agrarauschussvorsit- zenden Harbinson muss modifiziert werden. Allerdings ist klar, dass ein Erfolg am Ende der Gesamtrunde mit einem zukünftigen Agrarübereinkommen nur möglich sein wird, wenn alle am Verhandlungsprozess Beteilig- ten zu Zugeständnissen bereit sind, worauf Dr. Thalheim für die Bundesregierung bereits in der vergangenen Wo- che hingewiesen hat. Denn gegenwärtig steht die Praxis der internationalen Agrarpolitik noch einer Entwicklung im Sinne des Nachhaltigkeitsprinzipes entgegen. Dazu einige Fakten zur Erinnerung: Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bury, Hans Martin SPD 18.03.2003 Dr. Eberl, Christian FDP 18.03.2003 Falk, Ilse CDU/CSU 18.03.2003 Flach, Ulrike FDP 18.03.2003 Götz, Peter CDU/CSU 18.03.2003 Hartnagel, Anke SPD 18.03.2003 Hennrich, Michael CDU/CSU 18.03.2003 Höfer, Gerd SPD 18.03.2003* Jäger, Renate SPD 18.03.2003* Künast, Renate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.03.2003 Laurischk, Sibylle FDP 18.03.2003 Lengsfeld, Vera CDU/CSU 18.03.2003 Dr. Lucyga, Christine SPD 18.03.2003* Otto (Godern), Eberhard FDP 18.03.2003 Rauber, Helmut CDU/CSU 18.03.2003* Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 18.03.2003 Silberhorn, Thomas CDU/CSU 18.03.2003 Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie SPD 18.03.2003 Dr. Stadler, Max FDP 18.03.2003 Violka, Simone SPD 18.03.2003 Wettig-Danielmeier, Inge SPD 18.03.2003 2688 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 (A) (C) (B) (D) tik, GAP, der EU. Der Umfang der Mittel für die öffentli- che Zusammenarbeit der EU, ODA-Mittel, betrug dage- gen 4,6 Milliarden Euro. Hinzu kommt, dass es nach wie vor große Behinderungen für die Entwicklungschancen durch hohe Subventionen gibt. Zweitens. Die Entwicklungsländer exportierten im Jahre 2001 Agrarprodukte im Wert von 128 Millarden US-Dollar, während die 27 OECD-Staaten ihren Agrar- sektor mit insgesamt 311 Milliarden US-Dollar subven- tionierten. Daran hat sich bis heute qualitativ und quanti- tativ kaum etwas verändert. Und wir alle wissen, dass insbesondere die Mehrheit der LLDCs – der am wenigsten entwickelten Ländern – zu 95 Prozent auf Agrarexporte angewiesen sind. Diese Fakten – ich denke, der Kollege Raabe wird dazu noch mehr sagen – und die damit zusammenhängenden Fehl- entwicklungen waren und sind Gegenstand der WTO- Verhandlungen und sie werden es bleiben. Das müssen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, bei allem Verständnis für die von Ihnen vor- getragenen Forderungen vor Augen haben, wenn wir uns für die Interessen und die damit verbundene Absiche- rung bestimmter Produktionsbereiche einsetzen. Wenn deutlich ist, dass zum Beispiel durch die Ex- portsubventionierung von Milchpulverprodukten die Entwicklung einheimischer Märkte, wie beispielsweise in Tansania und Jamaika geschehen, behindert wird, dann muss man das im Kontext Ihrer Forderung nach „Beibehaltung der Mengensteuerung bei Milch und Zu- cker als vorhandenes Instrument zu Stabilisierung des Weltmarktes“ bewerten. Dabei ist mir klar, dass es nicht von heute auf morgen möglich ist, bisherige Regelungen zu beenden. Das Gleiche gilt für den Zuckerbereich, wo natürlich gegenüber dem Harbinson-Entwurf darauf hingearbeitet werden muss, dass es zu einer Differenzierung – etwa zwischen „kleinen“ Zuckerproduzenten, wie zum Bei- spiel Mauritius oder auch Kuba, und den großen am Zu- ckermarkt beteiligten Ländern wie Brasilien – kommen muss. Hier wird es – das sage ich auch mit Blick auf diese Forderung in Ihrem Antrag – natürlich zu Über- gangs- und auch Sonderregelungen für besonders schutzbedürftige kleinere, arme Länder kommen müs- sen, wie es auch in der Vergangenheit schon gewesen ist. Das gilt auch für den Rindfleischbereich, wobei hier klar sein muss: Deutschland wird sich mit seiner heuti- gen Produktionsweise und den damit verbundenen Men- gen in Zukunft nicht mehr so am Weltmarkt beteiligen können, wie es zurzeit noch geschieht. Welche Wege beschritten und welche Methoden im Übergang praktiziert werden müssen, wird auch im Zu- sammenhang der EU-Agrarreform noch unter quantitati- ven und qualitativen Aspekten zu entscheiden sein. Ich nenne nur Stichworte wie Mutterkuhhaltung, Entkopp- lung – und damit Einzelelemente im Rahmen des Struk- turwandels. Dazu gehören sicher auch andere Bewirt- schaftungsformen auf den Flächen, wo heute noch die Grundlagen für die Zuckerproduktion vorhanden sind. Es geht also auf der einen Seite um eine Neuorientierung der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion im Sinne einer nachhaltigen Produktion sowie den damit verbundenen Umwelt- und Qualitätskriterien, die ja auch im CDU-Antrag angesprochen sind, sowie die Förde- rung der Entwicklungsziele der Entwicklungsländer, wozu Sascha Raabe noch etwas sagen wird, auf der an- deren Seite. Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung – Frau Ministerin – unter Einbeziehung des europäischen Mo- dells einer flächendeckenden, multifunktionalen und da- mit standortgerechten Landwirtschaft auf einen fairen Ausgleich bei den laufenden WTO-Agrarverhandlungen hinwirken wird. Dann wird es im September in Cancun zu einem angemessenen Ergebnis kommen. Ich freue mich auf die Fachdiskussionen auf der Basis der vorliegenden Anträge. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2003; hier Einzelplan 12 – Bundesministerium für Ver- kehr, Bau- und Wohnungswesen (Tagesordnungspunkt I. 20) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Mit Rücksicht auf den veränderten Debattenverlauf will ich nur einige wenige, mir sehr wichtig erscheinende Punkte anspre- chen: Wir erwarten in Kürze den Entwurf für einen neuen Bundesverkehrswegeplan. Er muss den verkehrs- politischen Notwendigkeiten Rechnung tragen und dann auch finanziell entsprechend unterlegt werden. Leis- tungsfähige Verkehrswege sind Grundvoraussetzung für eine leistungsfähige Wirtschaft und insbesondere für die Entwicklung strukturschwacher und revierferner Ge- biete. Das gilt für die neuen Länder ebenso wie für die Problemregionen in den westlichen Bundesländern. Entgegen anderer Behauptungen stehen für den Neu- und Ausbau von Bundesautobahnen und Fernstraßen ef- fektiv immer weniger Mittel zur Verfügung. Zugleich werden die Verkehrsteilnehmer steuerlich bis zur Grenze der Leistungsfähigkeit belastet. Demnächst wird die LKW-Maut eingeführt. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die LKW-Maut die Wirtschaft in revierfernen und peripheren Gebieten über- durchschnittlich belastet und deren Entwicklungschan- cen mindert. Völlig inakzeptabel ist die Mittelverwendung. Ur- sprünglich waren sich alle einig, das Aufkommen aus der LKW-Maut sollte für zusätzliche Investitionen zur Verfügung stehen. Mittlerweile kassiert den größten Teil der Finanzminister. Im Jahr 2003 wird ab 1. September mit Bruttoeinnahmen von rund 900 Millionen gerechnet, für den Fernstraßenbau werden aber gerade einmal 19 Millionen bereitgestellt. Das ist nicht akzeptabel, zu- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 2689 (A) (C) (B) (D) mal die regulären Bundesmittel bereits im Vorgriff gekürzt wurden. Wir fordern daher mit einem Ände- rungsantrag, die Nettoeinnahmen aus der LKW-Maut in Höhe von rund 640 Millionen Euro vollständig für den Fernstraßenbau zur Verfügung zu stellen. Und es ist unabdingbar, dass für das nationale Fuhrgewerbe ein an- gemessener Ausgleich zur Abfederung der Wettbewerbs- nachteile geleistet wird. Ein ganz anderes Thema: Ich halte die Anwendung der Transrapid-Technologie in Deutschland für dringend erforderlich. Wir, die CDU/CSU-Fraktion, hielten das Aus für die Strecke Hamburg–Berlin für falsch. Jetzt geht es um die Realisierung alternativer Strecken. Ich bin dem Kollegen Weißgerber für seine Erklärung im Haushaltsausschuss und dem Kollegen Schöler für seine diesbezügliche Einlassung heute im Plenum dankbar, womit sie klar gestellt haben, dass bei der Beteiligung an den Planungskosten der Freistaat Bayern nicht schlech- ter behandelt werden solle als NRW und die Einstellung von Planungsmittel für Bayern im nächsten Haushalt vorgesehen sei. Ich hoffe, dass es letztendlich gelingt, eine in Deutschland für viel Geld erfolgreich entwickelte Tech- nologie auch hierzulande zum Einsatz zu bringen und marktfähig zu machen. Ich möchte nicht, dass der Trans- rapid wieder das gleiche Schicksal erleidet wie viele an- dere technische Entwicklungen: In Deutschland entwi- ckelt – in Asien und von Asien vermarktet. Uwe Göllner (SPD): Ich möchte beginnen mit mei- nem Dank an die Mitarbeiter des Ministeriums für Ver- kehr, Bau- und Wohnungswesen, die immer bereit wa- ren, alle notwendigen Informationen zu liefern und – wo gewünscht – auch mit Rat zur Verfügung zu stehen. Im Laufe der Beratungen ist mir der Vorwurf begeg- net, die Investitionen im Bereich Bau seien gekürzt wor- den, an den Zahlen könne man dies ablesen. Aber es ist nicht die ganze Wahrheit: Der marginal geringere Betrag von 0,3 Milliarden Euro – bei einem Investitionsvolu- men von immerhin 1,7 Milliarden Euro in eine leistungs- fähige Infrastruktur; das sind 30 Prozent der Gesamtaus- gaben im Baubereich – ist darauf zurückzuführen, dass die Baumaßnahmen durch den Umzug von Parlament und Teilen der Regierung von Bonn nach Berlin fast ab- geschlossen sind. Dieser Umzug ist entgegen vieler Be- fürchtungen, die ich zeitweise auch geteilt habe, im 1994 vereinbarten Kostenrahmen geblieben. Auch wir haben unseren Beitrag zur globalen Minder- ausgabe mit 150 Millionen Euro geleistet. Trotzdem konnten wir durch Umschichtungen innerhalb des Ein- zelplans für den Sozialen Wohnungsbau – und hier spe- ziell für Verdichtungsräume mit besonderem Wohnraum- bedarf in westdeutschen Großstädten – sogar noch etwas drauflegen. Der Bund verpflichtete sich in einer Ermäch- tigung über 50 Millionen Euro für die nächsten Jahre – Baransatz 2003: 7,5 Millionen Euro. Auch an diesem Beispiel können Sie erkennen, dass die nachhaltige kon- solidierende Finanzpolitik von Rot-Grün keine reine Sparpolitik ist. Mit sämtlichen Wohnungsbauprogram- men steigern wir nicht nur die Investitionsquote des Bundes, sondern verbessern wir gleichzeitig die Be- schäftigungssituation im Bau- und Energiegewerbe und forcieren unsere Anstrengungen im Bereich der Energie- einsparung. Ich nenne nur die CO2-Minderung durch Wärmedämmung an Wänden und Fenstern, die Hei- zungssanierung und die Umrüstung von Nachtspeicher- heizungen. Der weitere Aufbau Ost ist ein wichtiger Bestandteil dieses Haushaltes. Die Programme sind auf hohem Ni- veau verstetigt worden. Zu erwähnen sind das zum Bei- spiel Altschuldenhilfegesetz und das Sonderprogramm „Wohneigentumsbildung in innerstädtischen Altbauquar- tieren“. Wir haben im diesjährigen Einzelplan 12 unser Auf- gabenspektrum sogar noch erweitert: Das bei Groß und Klein beliebte Meereskundemuseum in Stralsund soll mit dem Ozeaneum den seit langem gewünschten Erwei- terungsbau bekommen. Die in diesem Haushalt enthal- tene Verpflichtungsermächtigung macht dies in den kommenden Jahren endlich möglich. Der Schwerpunkt des Haushaltes für Bau- und Woh- nungswesen wird künftig noch stärker in Richtung Erhalt und Sanierung bestehender Gebäude verlagert. Wir wer- den mit der Fortsetzung des Metropolenprogramms für die schwierigen Stadtteile in westdeutschen Ballungs- zentren zwar weiter auch Neubau fördern, aber Erhalt und Sanierung an öffentlichen und privaten Gebäuden muss weiter an Bedeutung in unserer Wohnungsbaupoli- tik gewinnen. Weniger Zersiedelung sowie bessere und lebenswertere Innenstädte sind wesentliche Eckpunkte für diese Politik. Der vorliegende Haushalt mit seinen vielfältigen Pro- grammen, in Verbindung mit dem erst vor wenigen Ta- gen aufgelegten Investitionsprogramm für die Städte und Gemeinden, bestehend aus dem Sonderfonds „Wachs- tumsimpulse l + II“ und dem Wohnraum-Modernisie- rungsprogramm, tragen wir der eben vorgetragenen Ten- denz bereits Rechnung. Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Haushalt für Verkehr, Bauen und Woh- nen ist der größte Investitionsetat des Bundeshaushalts, der für unsere Volkswirtschaft von wesentlicher Bedeu- tung ist. Zunächst zu den Fakten: Wir investieren in 2003 4,9 Milliarden Euro in die Straße, 4,6 Milliarden Euro in die Schiene, 700 Millionen Euro in die Binnenschiffahrt und 1,9 Milliarden Euro in Städte- und Wohnungsbau. Dabei noch nicht berücksichtigt ist das 15-Milliarden- Euro-Zinszuschussprogramm bei der KfW für Kommu- nen und Wohnungswirtschaft. Dieses Investitionsvolu- men ist eine große Leistung angesichts der Haushalts- zwänge, denen wir unterliegen. Der Opposition ist das natürlich alles nicht genug. Sie meint, dass sie sich im Haushalt ebenso wenig um die Defizitkriterien kümmern muss wie beim Steuervergüns- tigungsabbaugesetz. Sie hat die virtuellen Spendierhosen angezogen und Anträge über Mehrausgaben von über 1 Milliarde Euro zum Einzelplan 12 gestellt. Das nötige 2690 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 (A) (C) (B) (D) Geld soll der liebe Gott als Manna vom Himmel regnen lassen. Der hat zurzeit aber ganz andere Sorgen. Die FDP möchte den Haushalt noch einmal ganz von vorne beraten – offenbar sind Sie beim Rechnen nicht so schnell mitgekommen – und die CDU/CSU betreibt wie- der einmal nur Augenwischerei. Grundsätzlich muss man sagen: Sie beschweren sich immer wieder, dass Rot-Grün zu wenig Spielraum für Investitionen schafft. Aber Sie selbst haben in der Kohl- Ära die Investitionsspielräume systematisch einge- schränkt. Sie haben vor allem seit der Vereinigung die sozialen Sicherungssysteme so stark mit versicherungs- fremden Leistungen belastet, dass der Bund heute allein die Rentenversicherung mit 78 Milliarden Euro jährlich bezuschussen muss. Und Sie haben sich laut darüber aufgeregt, dass wir die Rentenversicherungsbeiträge durch Zuzahlungen aus der Ökosteuer entlastet haben. Dabei müssten die Beiträge ohne die Ökosteuer in die- sem Jahr um 1,7 Prozent angehoben werden. Jetzt argu- mentieren Sie schon wieder gegen die Pläne des Kanz- lers und der rot-grünen Koalition, die Lohnnebenkosten zu senken, um Wachstumsimpulse in die Wirtschaft zu geben und gleichzeitig den Haushalt zu konsolidieren. Das wichtigste verkehrspolitische Projekt dieses Jah- res ist die Einführung der LKW-Maut. Mit dieser Maut kommen wir in der angemessenen Anlastung verursa- chergerechter Kosten für den LKW-Verkehr auf Auto- bahnen einen großen Schritt voran. Die Maut gilt für in- ländische und für ausländische LKWs gleichermaßen. Das ist für Deutschland als Transitland von großer Be- deutung. Die Differenzen, die es mit Brüssel über die Harmonisierungskosten gab, sind weitgehend ausge- räumt. Was die Mautgebühren angeht, kann es nicht sein, dass Brüssel sich gegen die für Deutschland gutachter- lich ermittelte Höhe stellt, wenn die Maut in Spanien und Portugal ebenso hoch oder höher ist. Mit der LKW-Maut steigen wir schrittweise auf nut- zerfinanzierte Verkehrsinvestitionen um. So weit geht der Konsens unter allen Fraktionen. Die Opposition möchte allerdings mit der Maut ausschließlich Straßen- bau finanzieren. Das wäre aber unverantwortlich; denn zum einen haben Sie jahrzehntelang den Straßenbau in hohem Maße begünstigt, zum anderen ist bis 2015 mit erheblichen Verkehrszuwächsen zu rechnen. Deshalb muss ein größerer Anteil am Gesamtverkehr auf die Schiene umgeleitet werden, und zwar sowohl im Perso- nen- als auch im Güterverkehr. Ansonsten würde der Straßenverkehr im Stau ersticken. Die Koalition verfolgt mit ihren Verkehrsinvestitio- nen insbesondere zwei Ziele: Die Gleichstellung von Schiene und Straße und die Stärkung der Bestandserneu- erung in allen Bereichen der Verkehrsinfrastruktur. Die- sen Prinzipien folgen wir auch bei der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans für die Zeit bis 2015. Dieser wird voraussichtlich Investitionen von über 150 Milliarden Euro für das gesamte Verkehrswegenetz enthalten. Daneben werden wir mit strengeren Wirt- schaftlichkeitskriterien, einer deutlich verbesserten Be- wertung von Umweltrisiken und einer Raumwirksam- keitsanalyse verbesserte Kriterien schaffen. Vor allem aber gilt: Wir werden die vorgesehenen Projekte und den vorhandenen Finanzrahmen in ein angemessenes Ver- hältnis setzen. So eine Fehlplanung wie den um 90 Milliarden DM unterfinanzierten Bundesverkehrswe- geplan der heutigen Opposition wird es bei uns nicht ge- ben. Lassen Sie mich noch einige Worte zum Bauetat sa- gen: Hier haben wir den harten Sparzwängen zum Trotz wichtige Schritte nach vorne getan. Erstens haben wir im Rahmen des sozialen Woh- nungsbaus wiederum das Metropolenprogramm mit ei- nem Verpflichtungsrahmen von 50 Millionen Euro für die westdeutschen Ballungsräume eingestellt. Den Län- dern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen müssen wir aber auch ganz deutlich sagen, dass es unerträglich ist, wie sie nach der Wohnungsbauförderung des Bundes rufen, wenn sie gleichzeitig ihre eigene Bauförderung abschmelzen. Und den Bürgermeistern aus München und Stuttgart, die Bittbriefe um mehr Wohnungsbauför- derung an den Bund richten, muss man sagen: Der Bund hat seine Schuldigkeit getan. Die richtige Adresse zur Forderung umfassender Aufstockungen sind ihre eige- nen finanzstarken Länder. Als Zweites sieht der Haushalt mit 300 Millionen Euro Verpflichtungsrahmen fast eine Verdoppelung der Mittel für die Altschuldenentlastung von ostdeutschen Wohnungsunternehmen, die durch Leerstand in Exis- tenznot geraten sind, vor. Als Drittes haben wir eine deutliche Aufstockung und Ausweitung des CO2-Minderungsprogramms für den Wohnungsbestand vorgenommen, um 160 Millionen Euro jährlich, wie mit dem Ökosteuergesetz im Dezem- ber beschlossen. Zusammen mit dem bereits laufenden Programm von 204 Millionen Euro jährlich fördern wir Investitionen in Klimaschutz am Bau nunmehr mit Zins- subventionen in Höhe von 364 Millionen Euro jährlich. Das ist ein Rekord! Als vierten Schritt geben wir nun mit dem neuen In- vestitionsprogramm je zur Hälfte besondere Impulse für die Kommunen und für Wohnungsbestandserneuerung in einem Rahmen von insgesamt 15 Milliarden Euro. Dadurch stützen wir das regionale Baugewerbe und füh- ren das Wohnungsmodernisierungsprogramm fort, das Klimaschutz und Investitionen in Arbeit verbindet. Zu- sammen mit der vom Kanzler angekündigten Besserstel- lung der Kommunen auf der Einnahmeseite durch eine Gemeindesteuerreform werden wir mit diesem Pro- gramm dazu beitragen, dringend benötigte Infrastruktur- investitionen anzuschieben. Insgesamt ist uns mit dem Einzelplan 12 ein Etat ge- lungen, der trotz der Sparzwänge erhebliche Investitio- nen ermöglicht und sie in die richtigen Bereiche lenkt. Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Der Einzelplan 12 ist ein Dokument der verkehrs- und wohnungspoliti- schen Konzeptionslosigkeit. Rot-grüne Verkehrspolitik – das bedeutet weiterhin „ideologisch“ motivierte Ein- griffe in den Wettbewerb der Verkehrsträger mit Mitteln der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung und sonstigen Zu- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 2691 (A) (C) (B) (D) weisungen aus dem Verkehrshaushalt. Wie sonst wäre es zu erklären, dass die Bahn mehr als zehnmal so viel Zu- wendungen erhält wie die Straße, wenn man dies ins Verhältnis zu den erbrachten Verkehrsleistungen setzt. Die Verteilung der Bundesausgaben in das Verkehrswe- sen stehen in einem grotesken Missverhältnis zum Ge- wicht der einzelnen Verkehrsträger im Verkehrssystem. Der Straßenverkehr ist aus ideologischen Gründen ohne- hin das Stiefkind rot-grüner Verkehrspolitik, aber auch die Binnenschifffahrt wird seit Jahren vernachlässigt, obwohl sie ein „ökologischer“ Verkehrsträger ist und ausreichend Potenziale besitzt, um weiteren Verkehr auf- zunehmen. Die Bundesregierung hängt vielmehr immer noch der Vorstellung an, eine nachhaltige Entlastung der Bundesfernstraßen sei durch Verkehrsverlagerungen auf die Schiene zu bewerkstelligen. Gleichzeitig erschöpft sich die Bahnpolitik allerdings darin, der Bahn Jahr für Jahr mehr Mittel zu geben, als sie überhaupt verbauen kann, und sie im Übrigen tun und machen zu lassen, was sie will. Klare Rahmenbedingungen, wie die bisher un- genutzten Potenziale der Bahn durch mehr Wettbewerb ausgeschöpft werden könnten, fehlen völlig, seit Kurt Bodewig mit seinen Ankündigungen von März 2001 total gescheitert ist. Doch bleiben wir zunächst bei einer verkehrsträger- übergreifenden Betrachtung. Die Konzeptionslosigkeit rot-grüner Verkehrspolitik zeigt sich darin, dass der viel- beschworene „Paradigmenwechsel“ bei der Infrastruk- turfinanzierung gründlich misslungen ist. Von einem echten Einstieg in die Umstellung von Haushaltsfinan- zierung auf Nutzerfinanzierung kann keine Rede sein. Das Trauerspiel um die LKW-Maut belegt dies ein- drucksvoll. Bei der Maut, die eine lupenreine Gebühr mit konsequenter Zweckbindung für den Verkehrswege- bau sein müsste, lassen Sie den Zugriff des Finanzminis- ters zu. Der lässt sich nicht nur die Einnahmeverluste aus der LKW-Vignette in Höhe von 450 Millionen Euro kompensieren, sondern bedient sich mit 750 Millionen Euro aus dem Gebührenaufkommen der LKW-Maut. Dieses Geld geht in allgemeine, verkehrsfremde Haus- haltszwecke. Eine konsequente Umstellung von Haus- haltsfinanzierung auf Nutzerfinanzierung würde auch bedeuten, dass die Einführung von Benutzerentgelten ih- ren Niederschlag in Entlastungen bei den Verkehrssteu- ern findet. Genau das ist bezeichnender Weise nicht der Fall. Die Bundesregierung hat zwar immer behauptet, dass sie wenigstens zu einem Teil das deutsche Güter- kraftverkehrsgewerbe von den Mehrkosten durch die LKW-Maut entlasten will. Aber „überraschenderweise“ ist genau dieser Teil nun aus den Maut-Verordnungen herausgestrichen worden, weil die Kompensationsrege- lungen nicht ordentlich mit Brüssel abgestimmt und nun von Frau Palacio beanstandet wurde. Sie können sich doch nicht ernsthaft beschweren, wenn man Ihnen angesichts dieser Tatsachen vorwirft, Sie hätten die Kompensation nie wirklich gewollt. Was Sie bei der Maut falsch gemacht haben, findet seine Fort- setzung bei der Infrastrukturfinanzierungsgesellschaft, die keine wirkliche Abkopplung vom Bundeshaushalt bringt. Die Finanzierungsgesellschaft bekommt eben nicht alle Einnahmen aus der LKW-Maut und schon gar nicht – was nötig wäre – die verbindliche Zuweisung zu- künftiger Gebühreneinnahmen. Sie bekommt nur das, was der Finanzminister ihr Jahr für Jahr zugesteht. Er hat bei Einnahmezuteilung das letzte Wort und schon jetzt ist klar, dass er sich reichlich für verkehrsfremde Zwecke bedienen wird. In die Bahn pumpen sie dagegen unverändert Geld, obwohl sie nicht einmal in der Lage ist, die zugewiese- nen Mittel zu verbauen. Was aber viel schlimmer wiegt, ist, dass Sie ihre Aufgaben als ordnungspolitischer Rah- mengeber und als Eigentümer der Bahn vernachlässigen. Es ist ein Irrglaube, anzunehmen, dass das Problem der Bahn alleine in einem Investitionsrückstand bestünde. Massive Investitionen sind kein Allheilmittel. Dieser Satz stammt von niemand Geringeren als dem früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt, der schon vor 29 Jahren einen Beitrag zum Thema „Bundesbahn und Bundes- haushalt“ veröffentlicht hat, als er nämlich noch Finanz- minister war. In diesem Aufsatz kann man bereits genau beschrieben finden, was Sie heute wieder falsch machen, nämlich zu glauben, die ungenügende Ertragslage der Bahn könnte durch verstärkte Investitionen gesteigert werden – selbstverständlich auf Kosten des Steuerzah- lers. Das wurde doch alles versucht mit der Bahnreform. Die Bahn wurde vor 8 Jahren komplett entschuldet, das Anlagevermögen um 75 Prozent abgewertet und seither wurden über 75 Milliarden Euro Steuergelder für Inves- titionen, Zuschüsse und Bestellerentgelte an die DB ge- zahlt. Dazu kamen weitere 45 Milliarden Euro an das Bundeseisenbahnvermögen. Das Ergebnis im Jahr 2002: Die Bahn schreibt einen Verlust von fast 500 Millionen Euro vor Steuern. Bei einem Cashflow von weniger als 2 Milliarden Euro sind die Schulden auf rund 20 Milliar- den Euro angewachsen. Der Umsatz dagegen stagniert bei 15 Milliarden Euro. Eine Verkehrsverlagerung zur Schiene hat nicht stattgefunden. Der Marktanteil im Güterverkehr ist weiter gesunken, im Personenverkehr stagniert er auf niedrigem Niveau. Was wir Ihnen politisch vorwerfen, ist nicht die Ver- antwortung für dieses unternehmerische Debakel der Bahn, sondern dass Sie tatenlos zugeschaut haben, wie die Strategie des Bahnvorstands sich seit dem Jahr 2000 vom Kurs der Bahnreform abgewendet hat. Die von der EU und vom deutschen Gesetzgeber gewollte Liberali- sierung und Öffnung werden konterkariert. Es ist beschämend, mit welcher Blauäugigkeit Sie auf die falschen Versprechungen und Behauptungen des Bahn- vorstands hereinfallen. Wenn Ihnen Herr Mehdorn er- zählt, inzwischen würden mehr als 200 Eisenbahnen auf dem Netz der DB herumfahren, dann applaudieren Sie begeistert, statt auch nur den geringsten Versuch zu un- ternehmen, derartig lächerliche Zahlen zu hinterfragen. Auskunft darüber, wie viel Wettbewerb auf der Schiene stattfindet, geben nur die Bilanzzahlen des Netzes, die eindeutig belegen, dass das Aufkommen an Trassenge- bühren durch Dritte auf niedrigstem Niveau stagniert. Nichtbundeseigene Eisenbahnen gab es schon immer und nicht die Anzahl ist entscheidend, sondern die Frage, inwieweit Sie sich im echten Wettbewerb zur gro- ßen Bahn befinden. Da ist fast nichts. 2692 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 (A) (C) (B) (D) Sie glauben alles und jedes, was Ihnen von der Bahn an Märchen präsentiert wird. Ein einfacher Blick in die Bilanzen der Bahn, würde Sie eines Besseren belehren. Von einem abzuarbeitenden Investitionsrückstand und einer im Jahr 2000 angelaufenen Investitionsoffensive kann in Wirklichkeit keine Rede sein. Abgesehen davon, dass bereits seit den 70er-Jahren auf konstant hohem Niveau investiert wird, nämlich rund 4 Milliarden Euro (in Preisen von 1995) – hat es eine Investitionsoffensive bei der Bahn seit dem Jahr 2000 nicht gegeben. Die Investitionen der Bahn liegen im Mittel der 90er-Jahre. Es hat lediglich eine Umstellung von Darlehen auf ver- lorenen Baukostenzuschüsse gegeben, die keinen Ab- schreibungsaufwand und keinen Zinsaufwand auslösen – allerdings spätere Bundeshaushalte auf Kosten des Steu- erzahlers belasten werden, weil es keine Rückflüsse aus zinslosen Darlehen gibt, mit denen nach den Vorstellun- gen des Bundesschienenwegeausbaugesetzes Schie- neninvestitionen eigentlich finanziert werden sollten. Es ist höchste Zeit, zum Konzept der Bahnreform zu- rückzukehren und sich auf die eigentlichen Ziele zu be- sinnen: mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, den Zuschussbedarf zu senken, die Holding überflüssig zu machen, die Wettbewerbsöffnung zu erreichen und schließlich die Verkehrsbereiche der Bahn zu privatisie- ren. Stattdessen finanzieren sie heute mit bedingungslos hingegebenen Milliardenzuwendungen eine Strategie der DB, die aus Angebotsreduzierungen, Machtkonzen- tration bei der Holding, Verhinderung von Wettbewerb und einem Pseudoziel „Kapitalmarktfähigkeit“ besteht. Leider ist das, was Sie Im Bereich des Wohnungsbau- wesen zustande gebracht haben, keinen Deut besser. Obwohl das von Rot-Grün schon in der letzten Legisla- turperiode geplante Tariftreuegesetz – zum Glück – ge- scheitert war, kündigen Sie nun an, diesem Unsinn neues Leben einzuhauchen. Für die ostdeutsche Bauwirtschaft und deren Arbeitnehmer ist dieses Gesetz Gift. Es scha- det dem Wettbewerb in der Bauwirtschaft und führt im Ergebnis zur Verteuerung der Bauaufträge für die Kom- munen. Das ist umso widersinniger, als Sie nun gleich- zeitig ein Konjunkturprogramm auflegen wollen, dass den Kommunen zinsverbilligte Kredite verschaffen soll. Abgesehen davon, dass dies den Kommunen nicht hel- fen wird, weil Sie gar nicht in der Lage sind und es Ihnen großenteils schon durch die Aufsichtsbehörde verboten wurde, weitere Kredite aufzunehmen, würden mögliche Effekte eines solchen Konjunkturprogramms durch das Tariftreuegesetz konterkariert. Weitere Todesstöße ver- passen Sie der Bauwirtschaft mit der Abschaffung der degressiven Gebäudeabschreibung, dem Zusam- menstreichen der Eigenheimzulage und der Begrenzung des Verlustabzuges. Ihnen ist offenbar nicht klar, dass diese Einschnitte bis zu 200 000 Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft und in angrenzenden Bereichen kosten würde. Betroffen wären vor allem wieder Klein- und Handwerksbetriebe, aber die scheinen ja niemanden bei Rot-Grün zu interessieren. Wolfgang Spanier (SPD): Die Debatte über den Haushalt ist eine Gelegenheit, die Leitlinien der eigenen Politik darzustellen und zu prüfen, wie weit der Haushalt 2003 einen Beitrag leistet, um diese Leitlinien umzu- setzen. Deshalb werde ich nicht auf einzelne Haushalts- ansätze eingehen. Das fällt mir auch deswegen leicht, weil es uns gelungen ist, trotz der zwingend notwendi- gen Haushaltskonsolidierung die Mittelansätze des Jah- res 2002 zu verstetigen und in einem ganz wichtigen Punkt sogar deutlich aufzustocken, nämlich mit zusätz- lichen 300 Millionen Euro für die Härtefallregelung für von Insolvenz bedrohte Wohnungsunternehmen in den neuen Bundesländern. Leitlinie unserer Städtebau- und Wohnungspolitik ist die Nachhaltigkeit. Mit dem Stadtumbauprogramm Ost, dem Programm „Soziale Stadt“, dem Gesetz zur sozialen Wohnraumförderung und den deutlich verbesserten För- derprogrammen zur CO2-Senkung im Wohnungsbestand haben wir die Neuorientierung unserer Städtebau- und Wohnungspolitik eingeleitet. Wir werden dies ergänzen durch das zusätzliche KfW-Programm zur Wohnungs- baumodernisierung mit einem Volumen von 8 Milliarden Euro. Wir konzentrieren uns stärker auf den Woh- nungsbestand und seine Modernisierung, wir verzahnen Städtebau- und Wohnungspolitik, wir fördern integrative Ansätze, die auch die Arbeitsmarktpolitik, die Wirt- schaftsförderung, die Sozialpolitik mit einbeziehen. Wir dezentralisieren die Verantwortung und verlagern sie deutlich stärker auf die Kommunen. Das ist sehr abstrakt. Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Beim Stadtumbauprogramm Ost ist Voraussetzung die Erarbeitung von Stadtentwicklungs- konzepten, um eine Förderung zu bekommen. In 270 Ge- meinden hat man sich – in jeder Gemeinde ganz unter- schiedlich – mit den Zukunftsperspektiven der eigenen Stadt auseinander gesetzt und nach einem Fahrplan ge- sucht, wie man den besonders schwierigen Problemen in den ostdeutschen Kommunen entgegenwirken kann. Das erfordert ein Umdenken, das erfordert Kooperation, das erfordert ein ständig neues Nachdenken über die künf- tige Entwicklung der eigenen Stadt. In der Städtebau- und Wohnungspolitik müssen wir langfristige Konzepte entwickeln. Der demographische Wandel, dessen Auswirkungen wir bislang in erster Li- nie bei den sozialen Sicherungssystemen diskutiert ha- ben, hat auch tief greifende Veränderungen in der Städte- bau- und Wohnungspolitik zur Folge. Der Rückgang der Bevölkerung, die Veränderungen im Altersaufbau, ver- änderte Ansprüche an die Qualität des Wohnens müssen rechtzeitig berücksichtigt werden. Wir bauen nicht für vier oder fünf Jahre, sondern für 50 oder gar 100 Jahre. Deshalb gehören auch alle Förderinstrumente auf den Prüfstand. Das gilt auch für das Eigenheimzulagenge- setz, auch wenn es in diesem Haushalt keinen Nieder- schlag findet. Sie haben die fachliche Diskussion schlicht und einfach verweigert. Es wäre ein schwerwie- gender Fehler, wenn wir dieses Gesetz nicht strukturell veränderten. Wir können es uns nicht mehr leisten, fast 11 Milliarden Euro jährlich nach dem Gießkannenprin- zip zu verteilen. Wir können es uns nicht mehr leisten, das obere Drittel der Einkommensschichten üppig mit staatlichem Geld zu subventionieren. Wir können es uns nicht mehr leisten, die Zersiedelung und das Abwandern in das Umland der großen Städte zu fördern, schon gar Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 2693 (A) (C) (B) (D) nicht in den neuen Bundesländern, wo wir ein riesiges Leerstandsproblem haben und gleichzeitig durch die Neubauförderung Fehlentwicklungen in den Städten för- dern, worauf der Bericht der Bauministerkonferenz aus- drücklich hinweist. Gebetsmühlenartig haben Sie immer nur wiederholt, die Struktur der Förderung muss bleiben, wie sie ist, diese Subvention darf nicht gekürzt werden, es muss sogar noch draufgesattelt werden. Aber es gibt auch Lichtblicke. Immerhin schlägt der Freistaat Sachsen vor, in den neuen Bundesländern die Neubauförderung zu halbieren und entsprechend die Förderung des Bestandserwerbs aufzustocken. Das belegt, dass wir mit der Veränderung der Bestands- förderung und der Neubauförderung richtig liegen. Entscheidend ist, dass wir uns grundsätzlich darüber ver- ständigen müssen, welche Ziele wir mit dem Eigenheim- zulagengesetz verfolgen. Ganz entscheidend kommt es auf die Städtebau- und wohnungspolitische Zielsetzung an. Eine der Nachhaltigkeit verpflichtete Städtebau- und Wohnungspolitik muss zu strukturellen Änderungen bei diesem Fördergesetz führen. In dieser Debatte haben Sie in den vergangenen Mo- naten kläglich versagt. Wieder besseres fachliches Wis- sen haben Sie in schlichtem Populismus gemacht. Die Beratungen im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss sind noch einmal eine Chance, die fachlich orientierte Debatte über die Umgestaltung der Eigenheimzulage zu führen. Das schlechteste Ergebnis wäre, wenn es einfach bei der jetzt gültigen Regelung bliebe. Wir hätten eine Chance vertan, unseren Regionen, unseren Städten und Gemeinden zu helfen, neue Entwicklungsperspektiven zu entwickeln und Fehlentwicklungen zu vermeiden, aber auch, einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten. Mit dem Haushalt 2003 haben wir dazu im Einzel- plan 12 einen Beitrag geleistet. Das muss uns auch bei der Eigenheimzulage beim Baugesetzbuch und anderen wichtigen Gesetzesvorlagen gelingen. Arnold Vaatz (CDU/CSU): Vorgelegt hat uns heute der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswe- sen und Aufbau Ost seine Vorstellungen zur künftigen Gestaltung der Regierungspolitik. Er hat uns auch über die beabsichtigte Verwendung der Mittel in seinem Ge- schäftsbereich und über die wichtigsten Projekte berich- tet, die sein Ressort zu verantworten hat. Um es gleich vorwegzunehmen: Zufrieden sind wir nicht. Kollege Dirk Fischer hat das bereits in seinen Ausführungen deutlich zum Ausdruck gebracht. Gerade zur Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bun- desländern hätte ich mir von einem Insider, wie Sie es sind, Herr Minister Stolpe, etwas mehr „Drive" und kon- krete Vorschläge zum Abbau des Infrastrukturdefizits gewünscht. Stattdessen kamen nur die altbekannten Po- sitionen und Ankündigungen. Lassen Sie mich nur einige wenige Beispiele für die Halbwertzeit Ihrer Ankündigungen bringen: Bei Ihrer Amtsübernahme haben Sie erklärt, der Osten werde im Bundesverkehrswegeplan einen Schwerpunkt bilden. Der neue BVWP liegt noch nicht vor, aber zwei Transra- pidprojekte in den alten Ländern mit erheblichem finan- ziellem Mehrbedarf sind von Ihnen bewilligt. Übrigens: Dass Sie sich für die Transrapidstrecke Hamburg–Berlin stark gemacht hätten, habe ich nicht vernommen. Aber dies hier nur am Rande. In einem Interview der Zeitung „Freies Wort“ kündig- ten Sie Anfang Januar 2003 an, die ICE-Strecke über Er- furt nach Nürnberg in den nächsten zwei Jahren beson- ders vorantreiben zu wollen. Genau einen Monat später musste Ihre Staatssekretärin Frau Gleicke in der gleichen Zeitung richtig stellen, dass die ICE-Trasse erst 2015 fertig wird, weil für einen schnelleren Abschluss das Geld fehlt. Am 24. Dezember letzten Jahres meldeten „Dresdner Neueste Nachrichten“ und „Leipziger Volkszeitung“ zu dem von der Schließung bedrohten sächsischen Bahn- werk Delitzsch an: „Rechtzeitig zum Fest wartete Ver- kehrsminister Stolpe mit einer guten Nachricht auf. Die Deutsche Bahn AG habe ein Einsehen gehabt und sei nun zur langfristigen Sicherung des Bahnwerkes De- litzsch bereit, teilte Manfred Stolpe mit.“ Am 23. Januar 2003 lief die Meldung über den Ti- cker: „Bahnchef Mehdorn sieht für die von der Schlie- ßung bedrohten sächsischen Bahnbetriebswerke keine Zukunft mehr im Konzern.“ Ich sage hier frei nach Goethe: Der Ankündigungen sind genug gehört, lasst uns von nun an Taten sehen! Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Gutachten, wissenschaftlichen Abhandlungen, selbst Berichte der Bundesregierung über die Situation beim Aufbau Ost. Alle, insbesondere auch das Sachverständigengutachten, besagen: Defizite in der Verkehrsinfrastruktur sind Stand- ortdefizite. Standortdefizite müssen abgebaut werden. Leider leitet die Bundesregierung hier keinen erhöhten Handlungsbedarf für sich ab. Das Gegenteil ist der Fall: Der Kosten-Nutzen-Faktor, mit dem Ihr Haus die Bau- würdigkeit von Straßenbauvorhaben bewertet, wurde zu- ungunsten der neuen Länder verändert. Begonnene Pro- jekte werden nicht schnell genug fertig gestellt, weil Planungskapazitäten fehlen oder Geld gespart werden muss. Bestes – oder besser: schlechtes – Beispiel dafür: Bei der Fertigstellung des Projektes 17 VDE (Ostdeutsches Wasserstraßennetz mit Wasserstraßenkreuz Magdeburg – Investitionsvolumen: 2,3 Milliarden Euro, bis Ende 2002 verbaut: circa 1 Milliarden Euro) wird es zu Verzögerun- gen kommen. Zitat aus einem Papier des BMVBW: „Die Realisierung dieses Vorhabens genießt innerhalb des Wasserstraßennetzes höchste Priorität bei der Zuteilung von Haushaltmitteln. Trotzdem wird sich die Fertigstel- lung der Streckenabschnitte östlich und westlich der Elbe aufgrund der Haushaltkonsolidierung und der feh- lenden Planungskapazitäten verschieben.“ Ich appelliere an Sie, Herr Minister: Sorgen Sie dafür, dass die bestehenden Infrastrukturdefizite in den neuen Bundesländern schnellstmöglich abgebaut werden. Es 2694 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 (A) (C) (B) (D) kann nicht sein, dass die Einsparungen der Bundesregie- rung zur Wachstumsbremse in Ostdeutschland werden. Besonders dringlich ist: Der größte, bisher noch auto- bahnfreie Raum in Deutschland (zwischen A 7 Hanno- ver–Hamburg, A 24 Hamburg–Berlin, A 10 Berliner Ring und A 2 Berlin–Hannover muss durch den Bau der A 14 schnellstmöglich erschlossen werden. Dabei muss die Finanzierung auf eine solide Basis gestellt werden und darf sich nicht zum Nachteil für andere Infrastruk- turprojekte in Sachsen-Anhalt auswirken. Eine wichtige Ost-West-Achse ist die A 16 von Leipzig nach Cottbus. Dem Vernehmen nach sollen statt dieser Autobahn zwei Bundesstraßen ausgebaut werden. Ich gebe hier zu be- denken: In den neuen Ländern sind die Wachstumskerne noch in der Entwicklung, die künftigen Verkehrsströme können gegenwärtig nur geschätzt werden. Die Planun- gen müssen aber diese Veränderungen berücksichtigen. Auch die Anbindung der regionalen Infrastruktur an die neuen Autobahnen muss gesichert sein. Die Zubrin- ger müssen in einen guten Zustand versetzt und, wenn nötig, neu gebaut werden. Besonders wichtig sind: Bau der B 178; die die Euroregion Neiße mit der A 4 von Gör- litz nach Dresden verbinden soll; Bau des Autobahnzu- bringers von Leipzig über die B 181 zur A 9 und Zubrin- ger vom thüringischen Altenburg über die B 7 zur A 72 Zubringer zur A 17 als Südumfahrung von Pirna. Überhaupt ist das Thema Finanzierung brisanter, als man ahnen könnte. Die Gesamtkosten für den Bau der A-38 Göttingen–Halle wurde auf circa 1,4 Milliarden Euro veranschlagt. Bis Ende 2002 wurden etwa 0,5 Milliarden Euro verbaut, die Streckenabschnitte in Sachsen-Anhalt und Thüringen sollen aber bis 2005 fer- tig gestellt werden. Auch bei VDE Nr. 9 (Schiene) Leipzig–Dresden und beim eingangs geschilderten VDE 8 (Schiene) Nürn- berg–Erfurt–Halle/Leipzig ist zu beobachten, dass bisher nur Teilsummen verbaut worden sind. Häufigste Gründe: fehlende Planungskapazitäten, spärlich fließende Gelder. Schon im Gemeinschaftsgutachten 1999/2000 der Forschungsinstitute über den infrastrukturellen Nachhol- bedarf in den neuen Bundesländern wurde festgestellt, dass die Defizite in der ostdeutschen Verkehrsinfrastruk- tur die Produktivität der ostdeutschen Betriebe um circa 20 Prozent drücken (Erbringen von Leistungen dauert länger und ist aufwändiger und teurer). Herr Minister Stolpe, die neuen Bundesländer brauchen dringend eine bessere und schneller machende Verkehrsinfrastruktur. Und die Bauwirtschaft in den neuen Ländern braucht Aufträge und Arbeit. Bringen Sie beides zusammen und schaffen Sie in Ostdeutschland Wachstum durch Abbau der Infrastrukturdefizite! Eine Stärkung der Investitionstätigkeit bringt Impulse zum Ankurbeln der wirtschaftlichen Dynamik. Machen Sie das Bauen schneller, indem Sie für die neuen Länder Öffnungsklauseln im bundesdeutschen Regelungs- dickicht zulassen. Deregulierung verbessert die Wachstums- bedingungen. Nicht zu verantworten ist der völlige Stopp aller Ar- beiten an den Wasserstraßen von Elbe und Saale. Gerade Wasserstraßen sind ein sehr umweltfreundlicher Trans- portweg, der bei intelligenter und behutsamer Nutzung die Belastung der Straßen durchaus mildern kann. Auch für die EU-Osterweiterung ist die Verkehrsin- frastruktur noch fit zu machen. Zwar gibt es recht unter- schiedliche Schätzungen zu den erwarteten Verkehrs- strömen (Gütertransporte und Personenverkehre); das ist jedoch kein Grund, abzuwarten und nichts zu tun. Das einzige grenzüberschreitende Projekt Richtung Osteuropa ist bislang die A 17. Darüber hinaus gibt es einige Projekte, die bis zur Staatsgrenze gebaut werden. Wie es hinter der Staatsgrenze weitergeht, bleibt vielfach aber offen. Hier ist die Bundesregierung aufgefordert, bei den Beitrittskandidaten klar zu machen, dass nicht nur die von ihnen geplanten Verkehrsachsen in Nord- Süd-Richtung, sondern auch in Ost-West- bzw. West- Ost-Richtung gebraucht werden. Das ist absolut notwen- dig, soll die EU-Osterweiterung gelingen. Auch die kommunale Infrastruktur weist noch immer erhebliche Lücken auf. Das Sachverständigengutachten weist ausdrücklich darauf hin, dass diese Rückstände Ur- sache für Wachstumsschwächen sind. Auch hier herrscht dringender Handlungsbedarf. Sie sollten sich daher als zuständiger Minister für den Aufbau Ost auch dafür einsetzen, dass die Gemein- schaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt- schaftsstruktur“ erhalten und weiterentwickelt wird. Für viele Kommunen ist sie ein unverzichtbares Förder- instrument. Herr Minister Stolpe, die Bundesregierung ist zum Handeln gewählt. Ich erwarte, dass Sie die Ankündigun- gen in punkto Aufbau Ost künftig erfüllen. Das sind Sie den Wählern in den neuen Ländern schuldig. Das sind Sie auch den Menschen in den alten Ländern schuldig, die erwarten, dass es im Osten endlich zu ei- nem sich selbst tragenden Aufschwung kommt. Gunter Weißgerber (SPD): Der Einzelplan 12 ist mit seinen rund 26 Milliarden Euro Ausgabevolumen der drittgrößte Einzeletat im Bundeshaushalt. Gleichzei- tig ist der Einzelplan 12 der Investitionshaushalt an sich. Nahezu 50 Prozent der Bundesinvestitionen kommen aus dem Verkehrs- und Bauressort. In Zahlen sind das rund 11,5 Milliarden Euro für den Verkehrsbereich – zum Bereich Bau- und Wohnungswesen wird mein Kollege Uwe Göllner berichten. Natürlich gestaltete sich die Einzelplanberatung schwierig, mitunter sogar schmerzhaft. Aus der globalen Minderausgabe ergab sich für uns Haushälter die Auf- gabe, allein in diesem Einzelplan 151 Millionen Euro einzusparen. Leider ging das nicht ganz ohne die Bean- spruchung von Investitionstiteln ab. Das zur Erklärung der Schmerzen. Die Opposition sollte sich an dieser Stelle ehrlicher- weise zurückhalten. Wer 16 Jahre bedenkenlos auf Ver- schuldung des Bundeshaushaltes fuhr, der ist in der Pflicht, die notwendige Konsolidierung mitzutragen. Und kommen Sie nicht mit dem Märchen der Schulden- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 2695 (A) (C) (B) (D) freiheit bei gleichzeitigen Steuersenkungen in den 80er- Jahren. Die sozialliberale Koalition hinterließ 1982 300 Milliarden DM Bundesschulden. 1989, vor der deut- schen Einheit belief sich die Bundesschuld bei Kohl und Waigel bereits auf 600 Milliarden DM. Das war also eine Verdopplung der Schulden in kürzester Zeit! Nach 1990 kamen dann großenteils einheitsbedingt weitere 900 Milliarden DM Schulden hinzu. So geht das aber nicht weiter. Selbst die Opposition, wäre Sie jetzt in Verantwortung, könnte die Bürger nicht mehr zulasten des Staates scheinentlasten. Denn in Wahr- heit haben Sie die Bürger damals nicht wirklich entlastet. Unter der Schuldenlast der öffentlichen Hand leiden seit- dem alle, auch die zuvor steuerlich Begünstigten. Allen fehlen die notwendigen Investitionen und wirtschaftsför- dernden Maßnahmen. Auch Ihnen, der jetzigen Opposi- tion, würde Brüssel heute in die Parade fahren. Auch Sie müssten konsolidieren und Schuldenabbau betreiben und bis 2006 ganz auf neue Schulden verzichten. Also tragen Sie die Aufgabe der Konsolidierung ehrlich mit uns, und dann haben wir auch gemeinsam die Chance, Deutsch- land auf einen besseren Weg zu bringen. Der Karren war 1998 schon im Morast. Das Herausziehen braucht seine Zeit. Machen Sie mit. An den Schwerpunkten im Verkehrshaushalt hat sich über die letzten Jahre nichts geändert. Die größten Bro- cken sind und bleiben die Ausgaben für die Bahn mit rund 10,6 Milliarden Euro, davon für die Investitionen in die Eisenbahnen des Bundes 4,4 Milliarden Euro, in die Bundesfernstraßen rund 5,5 Milliarden Euro davon 4,6 Milliarden Euro für Investitionen, in die Verbesse- rung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden rund 1,7 Milliarden Euro und in die Bundeswasserstraßen rund 1,5 Milliarden Euro (davon rund 700 Millionen Euro für Investitionen). Hinzu kommt mittelfristig, so- weit die Planfeststellungsverfahren in NRW und Bayern die Berechtigung geben, die Finanzierung der beiden ak- tuell in der Diskussion stehenden Transrapidstrecken. Zu einigen Schwerpunkten im Einzelnen: Erstens die Mittel für die Bahn. Wie bereits gesagt, werden 10,6 Milliarden Euro insgesamt und davon 4,4 Milliarden Euro für Investitionen bereitgestellt. Das sind gewaltige Anstrengungen. Dafür wollen wir natür- lich von der Bahn auch Gegenleistungen. Erstens warten wir auf die zugesagten schwarzen Zahlen der nächsten Jahre. Zweitens wollen wir Zugverspätungen, schlechten Service und die jetzigen Mängel des neuen Preissystems nur noch rückblickend diskutieren. Das alles muss schnell der Vergangenheit angehören. Drittens muss die Bahn, mindestens solange sie noch die Hand zum Bund hin aufhalten darf – und das wird bei Schienenwegein- vestitionen noch viele Jahre laufen müssen –, strukturpo- litische Hausaufgaben machen. Es kann nicht sein, dass ein einziges Bundesland so- zusagen stellvertretend für andere Bundesländer seine Bahnwerke flächendeckend einbüßt. Herrn Mehdorn kann ich nur sagen, da gibt es noch viel zu klären. Sich die Musik bezahlen lassen und die Titelfolge allein be- stimmen, läuft nicht. Was so auch nicht mehr laufen kann, ist der jährlich zu erwartende Ausgaberest bei den Mitteln für die Bahn. Wir sehen die Verbesserung der Situation, Noch 2001 stand ein mehrfacher Restbetrag der letztjährigen 150 Millionen Euro zu Buche. Doch auch die 150 Millionen Euro von 2002 hätten verbaut werden müssen, und sei es bei der Straße. Zweitens, die Mittel für die Straße belaufen sich auf 5,5 Milliarden Euro insgesamt. Auch das ist eine große und stetige Anstrengung, die Anerkennung verdient. Ziehen wir die nichtinvestiven Ausgaben ab, so investie- ren wir in diesem Jahr 4,6 Milliarden Euro in die Straße, davon 2,7 Milliarden Euro in die „Oststraßen“: Verkehrsprojekte deutsche Einheit, Erhaltungs- und Erweiterungsbauten, Ortsumgehungen usw. Das sind 60 Prozent der Straßeninvestmittel für Ostdeutschland. Betrachte ich Schiene und Straße gemeinsam, so bitte ich meine Grünen-Kollegin Eichstätt um Verständnis, dass ich es bedauere, dass wir uns nicht auf die gegensei- tige Deckungsfähigkeit von Schienen- und Straßentiteln verständigen konnten. Die eine – die Bahn – lässt Geld liegen und die anderen können nicht investieren. Das schmerzt mich. Wo investiert wird, da wird gearbeitet und findet Wertschöpfung sowie Zukunftssicherung statt. Vielleicht kommen wir da in den nächsten Jahren etwas besser zueinander. Wir steigern ja auch den Rad- wegebau in gemeinsamer Anstrengung. Dritter Schwerpunkt sind die Bundeswasserstraßen. Verkehr und Wasserstraßen – gehören weiterhin zusam- men; auch nach der Flut des letzten Jahres. Doch müssen wir sorgfältiger als bisher mit den Wasserstraßen und den ökologischen Erfordernissen umgehen: Wasser- strassen ja, Flutwellenbegünstigung nein. Der Prüfstand für alle Projekte ist richtig, zum Prellbock muss er dort werden, wo andere Mittel, Wege und Verfahren objektiv nicht greifen. Vierter Schwerpunkt der Transrapid. Der Fortschritt ist eine Schnecke, besonders auf dem ideologisch ver- minten Verkehrsgelände in Deutschland. Viele Argu- mente, die bereits vor ein, zwei Jahrzehnten gegen den ICE-Ausbau verschlissen wurden, werden seit Jahren ge- gen den Transrapid in Stellung gebracht. Etwas mehr Gelassenheit auch in diesen Dingen stünde uns allen bes- ser an. Dabei haben wir doch alle nach der deutschen Einheit eine Riesenchance verpasst. Wir hätten Deutsch- land statt mit dem ebenfalls sehr teuren ICE – ein über 150 Jahre altes Rad-Schiene-System – mit einem welt- weit höchst innovativen Magnetschwebebahnsystem verkehrstechnisch modern gestalten können. Das haben wir leider alle miteinander verpasst und können nun an- deren Ländern hinterher hecheln, obwohl die Innovation ein Kind unserer Wirtschaft ist. Doch wie gesagt, die Schnecke Fortschritt gibt es und sie lebt, wenn auch auf kleinen Strecken. Im Bundes- haushalt 2003 wird erstmals Geld für eine Transrapidin- vestition fließen. 80 Millionen Euro haben wir für das Metrorapidprojekt in NRW eingestellt. Mit Bayern und seinem Transrapid zum Flughafen Erding wird aufgrund des unterschiedlichen Vorlaufs im nächsten Haushalt ein Gleiches passieren, wenn auch in Anbetracht der halben 2696 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 (A) (C) (B) (D) Investitionsgröße lediglich ein Betrag von 40 Millionen Euro. Jetzt liegt es an NRW und Bayern, wie es mit die- ser Technologie weitergeht. Wir stehen zu unserem Wort. Sind die Projekte wirtschaftlich vertretbar, dann werden sie auch gebaut. Allerdings kennen wir die Wirtschaftlichkeit erst, wenn die Planfeststellungen, die wir jetzt bezahlen, dies nachweisen. Also liebe Nordrhein-Westfalen und Bay- ern, der Ball liegt in eurer Spielhäfte. Fünfter Schwerpunkt, die Autobahnmaut. Die Rich- tung stimmt. Alle, die auf unseren Autobahnen nach, in und durch Deutschland fahren, müssen ihren Anteil an den Verkehrsinvestitionen tragen. Die Transporteure, die in Deutschland ihre KFZ-Steuer entrichten, müssen in Deutschland im Gegenzug entlastet werden. Das leisten wir, auch wenn noch immer manches Problem zu klären ist. Reicht die Entlastung? Ist sie in Brüssel akzeptiert? Müssen wir nochmals nachsteuern? Diese Fragen sind wichtig, liegen aber unterhalb der grundsätzlichen Fra- gestellung. Wir wollen die Maut und wollen damit un- sere Verkehrswege verbessern. Diese Grundsatzentschei- dung ist gefallen. Letzte Bemerkung zum Luftverkehr aus Sicht eines Regionalpolitikers: Berlin müht sich seit dem Ende des letzten Jahrtausends um einen neuen Großflughafen. Noch immer erfolglos. Geld hat das natürlich auch schon jede Menge gekostet und wird es noch kosten. Dabei ha- ben die Berliner ihren Großflughafen von Leipzig/Halle. Von Hongkong aus betrachtet, ist Leipzig ein Vorort von Berlin, der ICE Leipzig-Berlin demzufolge mit seinen 45 Minuten Reisezeit die Berliner Vorortbahn. Mit dem Transrapid wären es sogar nur 34 Minuten von Berlin zum Flughafen Leipzig/Halle. Liebe Berliner, denkt bitte mal darüber nach. Volks- wirtschaftlich würde es Sinn machen. Volkswirtschaft- lich macht es jedenfalls keinen Sinn, mit einem neuen milliardenschweren Großflughafen die bereits hervorra- gend funktionierenden Airports in Leipzig und Dresden zu Industriebrachen verkommen zu lassen. Die alte west- deutsche Überflussgesellschaft hat so etwas bedenkenlos getan. Die vereinigte, hochverschuldete Bundesrepublik Deutschland ist dazu nicht mehr in der Lage. Außerdem besitzt der Leipziger Flughafen die 24-Stunden-Flugge- nehmigung, die Schönefeld nie zugestanden wird. Was bleibt, ist der Dank an die Berichterstatter des Einzelplanes 12 sowie an den Minister und seine Mitar- beiter. Wir haben an der Sache entlang engagiert gear- beitet. Unser Ergebnis kann sich sehen lassen. Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Der rot-grü- nen Bundesregierung wird es recht sein, dass der Einzel- plan 12 aufgrund aktueller Ereignisse zu nachtschlafen- der Zeit behandelt wird. Seiner Bedeutung wird eine „Mondscheindebatte“ aber in keiner Weise gerecht! Es handelt sich um den drittgrößten Einzeletat und den größten Investitionshaushalt. Etwa die Hälfte aller Inves- titionen des Bundes werden aus diesem Haushalt geleis- tet. Trotz der späten Stunde ist das rot-grüne Versagen in der Verkehrspolitik aber nicht zu kaschieren: Erstens. Bedarfsgerechte Etatansätze für Ausbau und Unterhalt der Infrastruktur fehlen. Die in den Haushalts- entwurf eingestellten Investitionen in den Bundesfern- straßenbau sind völlig unzureichend. Schon heute ist der Substanzverzehr durch unterlassene Investitionen beim Verkehrsträger Straße größer als der Zuwachs durch In- vestitionen. Deshalb müssen die Einnahmen aus der stre- ckenbezogenen LKW-Maut nach Abzug der Systemkos- ten wieder vollständig zur Verbesserung der Straßen- verkehrsinfrastruktur reinvestiert werden. Die Bedarfs- planmaßnahmen „Bundesautobahnen“ müssen von 1,31277 Milliarden Euro auf 1,67277 Milliarden Euro um 360 Millionen Euro und die Bedarfsplanmaßnahmen „Bundesstraßen“ von 476,006 Millionen Euro auf 758,506 Millionen Euro um 282,5 Millionen Euro erhöht werden. Zudem müssen die Lärmsanierungsmaßnahmen an bestehenden Schienenwegen der Eisenbahnen des Bun- des durch eine Erhöhung der Verpflichtungsermächti- gung von 60 Millionen Euro um 93,39 Millionen Euro auf 153,39 Millionen Euro verstärkt werden, und zwar verteilt auf die Jahre 2004, 2005 und 2006 mit jeweils 51,13 Millionen Euro. Zweitens. Wo bleibt der seit Ende 1998 angekündigte neue Bundesverkehrswegeplan mit den dazugehörigen Ausbaugesetzen für die verschiedenen Verkehrsträger, um den gegenwärtigen gesetzlosen Zustand zu beenden, um die Verteilungsgerechtigkeit der Investitionsmittel nach Länderquoten wiederherzustellen und um den Län- dern Planungssicherheit zu geben? Drittens. Die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ kommen nur schleppend voran. Der Osten braucht aber eine zügige Planung und Finanzierung sowie die zeit- nahe Realisierung der für die neuen Bundesländer so wichtigen Verkehrsprojekte. Viertens. Rot-Grün vernichtet das deutsche LKW-Ge- werbe. Unsere überwiegend mittelständischen Trans- portunternehmen brauchen nämlich dringend einen Stopp der immer höheren fiskalischen Belastungen, eine Harmonisierung der EU-Wettbewerbsbedingungen so- wie schützende Übergangsregelungen bei der EU-Oster- weiterung. Fünftens. Der Luftverkehr wird stranguliert, mal durch Eichel mit der Mehrwertsteuer, mal durch Trittin mit überzogenen Vorstellungen für das Fluglärmschutz- gesetz. Es wäre auch verwunderlich, wenn Rot-Grün ei- nen Verkehrszweig ungeschoren davonkommen ließe! Sechstens. Inzwischen blockiert die Regierung Schröder auch die konsequente Durchführung der Bahnreform. Dadurch wird mehr Wettbewerb im Schienenverkehr verhindert und somit auch dort nicht mehr Verkehr abge- wickelt. Die EU-Vorgaben, den Schienenverkehrsbetrieb Institutionell von der Infrastruktur zu trennen oder aber zumindest auf eine neutrale Stelle zu überführen, sind bis heute nicht umgesetzt worden. Für das Ziel „Wettbe- werb“ ist dies kein befriedigendes Ergebnis. Die DB AG ist faktisch Monopolist im Schienenverkehrsmarkt mit Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 2697 (A) (C) (B) (D) Marktanteilen im Personenfernverkehr von 99,5 Prozent, im Personennahverkehr von 91,5 Prozent und im Güter- verkehr von 97,2 Prozent. Die Anteile des Schienenpersonenverkehrs am Ge- samtverkehrsmarkt sind um nur 1 Prozent von 7 Prozent auf 8 Prozent zwischen 1994 und 2001 gestiegen. Im Schienengüterverkehr haben sich die Verhältnisse in die- sem Zeitraum sogar von 17 Prozent auf 14 Prozent ver- schlechtert. Im Gegensatz dazu ist der Anteil des Güter- verkehrs auf der Straße von 65 Prozent im Jahre 1994 auf 69 Prozent im Jahre 2001 angestiegen. Heißt das etwa „Mehr Güter auf die Schiene!“? Seit Beginn der Bahnreform sind dem Verkehrsträger Schiene 178 Milliarden Euro an Bundesmitteln zugeflos- sen. Ende 1993 wurden die Altschulden des Unterneh- mens in einer Gesamthöhe von 34 Milliarden Euro auf den Bundeshaushalt übernommen. Mit der zwischenzeit- lich bei der DB AG wieder aufgelaufenen Neuverschul- dung von ca. 18,2 Milliarden Euro beläuft sich die Ge- samtbelastung des Bundes auf deutlich mehr als 196 Mil- liarden Euro bis Ende 2001. Für das Jahr 2002 wird zu- dem ein Verlust von rund 500 Milliarden Euro erwartet. Gescheitert ist auch die Wohnungsbaupolitik der rot- grünen Bundesregierung: Wohnungsbaupolitik gestaltet nicht Minister Stolpe, Wohnungsbaupolitik diktiert Mi- nister Eichel. Das so genannte Steuervergünstigungsab- baugesetz ist ausschließlich fiskalpolitischen Überlegun- gen entsprungen. Rot-Grün fährt seit über vier Jahren auf einem Zickzackkurs: Die Bestandserneuerung wird angeblich gestärkt, aber der Vorkostenabzug als zentra- les Förderinstrument für Sanierung und Modernisierung bei der Eigenheimförderung wird abgeschafft. Die „sozi- ale Stadt“ wird großspurig propagiert, der soziale Woh- nungsbau wird aber auf das gesetzliche Minimum redu- ziert. Die Wohngeldleistungen gehen zwar rauf, aber auf Kosten der „Häuslebauer“. Als rot-grüne Grausamkeiten sind dabei zu nennen: die Einschränkung der Verlustver- rechnung, vermieterfeindliche Regelungen bei der Miet- rechtsreform, wettbewerbsverzerrende Regelungen für die Immobilienbranche bei der Förderung der privaten Altersvorsorge und die Kürzung der Einkommensgren- zen im Eigenheimzulagengesetz um ein Drittel. Energiesparkreditprogramme werden aufgelegt, den Investoren aber über die Ökosteuer das Geld aus der Ta- sche gezogen und das Programm „Stadtumbau Ost“ wird durch Überregulierung und Einsparungen bei der Städte- bauforderung und „Wirtschaftsförderung Ost“ zur Wir- kungslosigkeit verdammt. Wenigstens in diesem Punkt können Sie, meine Damen und Herren Koalitionäre, heute gegensteuern: Stimmen Sie dem vorliegenden Änderungsantrag der CDU/CSU- Bundestagsfraktion zu! Erhöhen Sie mit uns gemeinsam die Investitionen für städtebauliche Maßnahmen! Da- durch lässt sich ein hohes gesamtwirtschaftliches Investi- tionsvolumen auslösen, mit positiven Impulsen für Bau- handwerk und Beschäftigung. Von 1999 bis Ende 2001 hat die Bauwirtschaft bereits über 200 000 Arbeitsplätze abgebaut. Im Jahre 2002 sind im Bauhauptgewerbe nochmals gut 75 000 Arbeitsplätze laut Aussage vom Hauptverband der Bauindustrie ver- nichtet worden. Solange das Damoklesschwert „Steuer- vergünstigungsabbaugesetz“ noch schwebt, bleiben die Aussichten trübe: Die Bundesregierung selbst prognosti- ziert minus 1 Prozent bei den realen Bauinvestitionen, der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes sogar minus 2 Prozenz und den Abbau von weiteren 60 000 Ar- beitsplätzen in der Bauwirtschaft zuzüglich 50 000 auf- grund von Einschnitten bei der Eigenheimzulage. Die Liste der Baustellen im Verkehrs- und Baubereich ist lang. Es gibt viel zu tun, fangen Sie an! Norbert Barthle (CDU/CSU): Aller guten Dinge sind drei, also auf eine Neues: Im Einzelplan 12, den wir abschließend beraten, stellt der Bereich Wohnungswesen und Städtebau nur ein ein- ziges Kapitel dar, das Kap. 1225. Die Gesamtausgaben betragen 2003 insgesamt 4,986 Milliarden Euro und da- mit 391 Millionen Euro mehr als 2002. Schaut man je- doch auf den Gesamtetat von etwas über 26 Milliarden Euro, so wird deutlich, dass sich hinter diesem einen Ka- pitel fast ein Fünftel des Haushalts des BMVBW ver- birgt. Aufgrund seines großen Anteils an Zuschüssen und Investitionen ist dieser Bereich für die wirtschaftli- che Entwicklung unseres Landes von großer Bedeutung. Ich betone das deshalb, weil ich hoffe, dass Minister Stolpe sich in Zukunft eben auch als Städte- und Woh- nungsbauminister für ganz Deutschland versteht. Ich biete ihm jedenfalls die konstruktive Zusammenarbeit der CDU/CSU-Fraktion an, wenn es darum geht, im Be- reich des Wohnunqs- und Städtebaus zukunftsfähige Po- litik zu machen. Wenn ich die Beratungen zum Einzelplan 12 in die- sem Zusammenhang Revue passieren lasse, scheint un- sere Unterstützung notwendig zu sein. Es war eine ge- wisse Mut- und Konzeptlosigkeit bei den Vertretern der Regierungsfraktionen nicht zu übersehen, die sich auch in den im Vergleich zu 2002 verringerten Investitionen niederschlägt. Wie ist die Situation, vor allem in den westdeutschen Ballungszentren? Schaut man in Berichte aus den Kom- munen, so ist die Lage häufig dramatisch zu nennen. Die Wohnungsengpässe nehmen zu, die Mieten steigen, für viele Mieterinnen und Mieter gibt es in manchen Groß- städten keinen bezahlbaren Wohnraum mehr, ihnen bleibt als Reaktion nur noch der Wegzug ins Umland. Im letzten Jahr hatte die Bundesregierung die Anre- gungen der Union aufgegriffen und im Bereich der sozi- alen Wohnraumförderung das so genannte „Metropolen- programm“ aufgelegt und mit 70 Millionen Euro zusätzlich ausgestattet. Diesen Schritt in die richtige Richtung haben wir begrüßt und unterstützt. Inzwischen hat sich die Lage in den Ballungsräumen weiter verschärft, die von mir bereits beschriebenen Pro- bleme haben zugenommen. Was würde eine voraus- schauende und kluge Bundesregierung tun? Sie würde das Metropolenprogramm verstetigen und die Mittelaus- 2698 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 (A) (C) (B) (D) stattung gegebenenfalls verbessern. Was macht Rot- Grün? Herr Stolpe überraschte uns mit dem Vorschlag, die Mitte für die soziale Wohnraumförderung wieder auf das bisherige Minimum von insgesamt 230 Millionen Büro zu reduzieren. Mit langfristig angelegter Politik hat das nichts zu tun. Aus diesem Grund hat die CDU/CSU-Fraktion bei den Haushaltsberatungen gefordert, das Metropolenpro- gramm auch in 2003 fortzusetzen und maßvoll aufzusto- cken. Mit insgesamt 100 Millionen Euro – 70 Millionen in den alten und 30 Millionen in den neuen Ländern – hätten deutliche Schritte zum Abbau der Probleme ange- gangen werden können. Leider wurden unsere Anträge abgelehnt. Dennoch begrüße ich Ihre Entscheidung, diese Titel statt um 70 Millionen nur um 20 Millionen Euro zu kürzen. 50 Millionen mehr als in Ihrem Haus- haltsentwurf vorgesehen sind für die Ballungszentren eine gute Botschaft und das ist auch ein Erfolg unseres Einsatzes. Doch die soziale Wohnraumförderung ist ja nicht alles: Meiner Fraktion kommt es zudem darauf an, ange- sichts der überragenden Bedeutung der Investitionen im Bereich des Städtebau- und Wohnungswesens deutliche und spürbare Verbesserungen zu erreichen. Deshalb ha- ben wir gefordert, die Titelgruppe 01, Förderung des Städtebaus, insgesamt um 375 Millionen Euro aufzusto- cken, 200 Millionen Euro für die alten und 175 Millio- nen Euro für die neuen Bundesländer. Mit unseren Vorschlägen, die Sie im Auschuss abge- lehnt haben, wollten wir „die konjunkturelle Entwicklung insbesondere der örtlichen Bauwirtschaft unterstützen und damit zur Stabilisierung des Bausektors beitragen. Dies ist an- gesichts der fragilen konjunkturellen Situation wichtig, denn Maßnahmen im Baubereich sind er- fahrungsgemäß immer mit größeren unmittel- und mittelbaren Beschäftigungs-, Einkommens- und da- mit auch Wachstumswirkungen verbunden." Die letzten beiden Sätze waren wörtliche Zitate aus der Tischvorlage des Bundesfinanzministeriums zur ges- trigen Haushaltsausschusssitzung, Thema: Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen und Modernisierungsmaß- nahmen im Wohnungsbestand durch zinsgünstige Darle- hen! Die Bundesregierung sieht also endlich ein, daß der Multiplikatoreffekt jedes einzelnen investierten Euro zu vielfachen zusätzlichen Investitionen im unmittelbaren und mittelbaren Baubereich führt. Nur: Das richtige Ziel erkennen heißt bei Rot-Grün nicht, dass auch der rich- tige Weg zu diesem Ziel eingeschlagen wird. Um es ganz deutlich zu sagen: Ihr jetziger Weg mit dem Wohnraum- Modernisierungsprogramm 2003/2004 ist falsch. Aus meiner Sicht wird ein kreditfinanziertes Strohfeuer ange- facht, das nicht alle Wirkungen erzielen wird, die Sie sich erhoffen. Auf der anderen Seite will die rot-grüne Bundesregierung mit dem so genannten Steuervergünsti- gungsabbaugesetz die Belastung der Immobilienwirt- schaft drastisch erhöhen. Das geht nicht zusammen, das ist ein Zickzackkurs, der von niemandem in Deutschland mehr verstanden wird. Ich bin froh, dass die CDU-Mi- nisterpräsidenten im Bundesrat dieses Mittelstandsab- baugesetz gestoppt haben! Ein weiterer Kritikpunkt, der die Unverständlichkeit der Kanzlerpläne belegt, ist folgender: Sie begründen die Abbaupläne bei der Eigenheimzulage vor allem damit, dass Sie soziale Mitnahmeeffekte vermeiden wollen – obwohl es dort eine Einkommensgrenze gibt. Jetzt legen Sie ein Programm auf, das Mitnahmeeffekten in keiner Weise vorbeugt oder sie verhindert. Fragwürdig ist auch, dass Sie in dem einen Fall den Eigentumserwerb der Bürger erschweren wollen, wäh- rend in dem anderen Fall, eben diesem Modernisierungs- und Sanierungsprogramm, dem, der Immobilienvermö- gen bereits besitzt, hilfreich unter die Arme gegriffen wird. Ich habe aus den Zeiten unserer Regierungsverant- wortung noch Ihre Umverteilungssprüche im Ohr, die ja derzeit zum Beispiel ein Herr Bsirske wieder aufwärmt, diesmal aber Sie meint. Dieses Programm betreibt doch ebenfalls Umverteilung von unten nach oben, finden Sie nicht? Schließlich sehe ich bei Ihrem Programm auch die Gefahr, dass vor allem kommunale und genossenschaft- liche Wohnungsbestände den warmen Geldsegen abbe- kommen. Die übergroße Mehrheit der Wohnungen in Deutschland wird aber von privaten Eigentümern be- wirtschaftet – und die dürfen nicht leer ausgehen. Oder sollte es etwa so sein, dass Ihnen die privaten Woh- nungseigentümer weniger am Herzen liegen als die ge- nossenschaftlichen? An die eigentlichen Ursachen der Probleme gehen Sie ohnehin nicht heran: Der Grund für die fehlende Bereit- schaft, in Immobilien zu investieren bzw. Wohnungsbe- stände zu sanieren, sind nicht zu hohe Zinsen; denn die Darlehens- und Hypothekenzinsen sind seit Monaten auf einem historisch niedrigen Niveau. Wenn trotzdem nicht oder nur wenig investiert wird, liegt das vor allem an den steuerlichen Rahmenbedingungen. Wer Wertzuwächse von Immobilien mit der geplanten Pauschalsteuer stärker besteuern will und die Altbausanierung mit den alten Re- geln zum anschaffungsnahen Aufwand behindert, sorgt selbst für die Zurückhaltung der Investoren. Hier liegen – unabhängig von diesem Haushalt – die wahren Ursa- chen für die schleppende Baukonjunktur. Hier müssen Sie was tun, da helfen keine Strohfeuer-Programme. Noch ein Wort zum Thema Wohngeld. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätten Sie aus dem zu niedrigen Mittelansatz in 2002 gelernt, die Erhöhung um 550 Mil- lionen DM erscheint mehr als ausreichend. Zieht man jedoch die 409 Millionen Euro ab, die Sie von den Wohngeldausgaben der Länder als Ausgleich für das Grundsicherungsgesetz im Alter übernehmen, bleibt nur noch eine Erhöhung von 141 Millionen Euro übrig. Ob dies den sich im Verhältnis zu 2002 weiter verschlechter- ten Konjunkturdaten gerecht wird, die mit einem erhöh- ten Berechtigtenkreis korrespondieren, bezweifle ich. Auch in diesem Jahr werden wir wieder mit überplanmä- ßigen Ausgaben in diesem Bereich zu rechnen haben. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 2699 (A) (C) (B) (D) Alles in allem gibt das Wohnungs- und Städtebau- kapitel im Einzelplan 12 zu keinen Hoffnungen auf Bes- serung der Lage Anlass. Daher ist Ihnen unsere Ableh- nung gewiss. Dr. Manfred Stolpe, Bundesminister für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen: Die Infrastruktur ist unser stärkster Entwicklungshebel in Ost und West. Daher ist sie auch ein klarer Schwerpunkt der Investitionspolitik der Bundesregierung. Der Einzelplan 12 hat ein Volumen von über 26 Milliarden Euro, davon sind mehr als die Hälfte In- vestitionen. Solch ein Niveau hatten wir bislang noch nicht. 11,5 Milliarden Euro investieren wir in das Ver- kehrssystem. Das ist die Fortführung der Rekordinvesti- tionen des Vorjahres; 1,7 Milliarden Euro setzen wir für Wohnungs- und Städtebau ein und 7 Milliarden Euro wenden wir mit dem Fonds „Aufbauhilfe“ auf für die Beseitigung von Flutschäden in den Kommunen, bei Un- ternehmen und an Privatgebäuden, fast 1 Milliarden Euro davon für die Infrastruktur des Bundes. Politik für eine leistungsfähige Infrastruktur – das ist aktive Wirtschaftspolitik, sie stärkt den Wirtschafts- standort Deutschland und sichert die Zukunft unseres Landes. In der letzten Verkehrsdebatte an dieser Stelle, am 20. Februar, habe ich noch vorsichtig zugesagt, dass wir den Entwurf des neuen BVWP im ersten Halbjahr vorle- gen. Ich kann Ihnen sagen: Den Entwurf des Bundesver- kehrswegeplans 2003 werden wir Ende dieser Woche in die Ressortabstimmung geben. Gleichzeitig versenden wir ihn an die Länder. Die Fraktionen des Deutschen Bundestags bekommen ebenfalls den Entwurf. Mit dem Plan stellen wir aktuelle und belastbare In- formationen über die Perspektiven der deutschen Ver- kehrsinfrastruktur zur Verfügung. Denn wir haben sorg- fältig den Infrastrukturbedarf bis 2015 analysiert. Konkrete Angaben zu Einzelmaßnahmen und Länder- quoten werde ich heute nicht machen. Denn wir wollen ja zunächst noch in den Abstimmungsprozess mit den Ländern. Letztlich werden wir darüber im parlamentari- schen Verfahren beschließen. Dass ich über Einzelheiten gesprächsbereit bin, habe ich Ihnen bereits zugesichert. Aber mir ist wichtig, ei- nige Grundlinien zu erläutern. Denn wir dürfen bei allem verständlichen Für und Wider im Kleinen auf keinen Fall aus dem Blick verlie- ren, was wir mit dem Bundesverkehrswegeplan wollen: unser Land nach vorne bringen, Infrastruktur erhalten und modernisieren und die Mobilitätsadern am Pulsieren halten. Konkret geben wir damit Antwort auf die Herausfor- derungen der Zukunft wie der Osterweiterung der EU und der Globalisierung der Wirtschaft. Für mich persönlich ist ganz wichtig, dass weiterhin gilt: „Aufbau Ost und Ausbau West“ sind untrennbar miteinander verbunden. Wir können unser Land nur ge- meinsam vorwärts bringen. Ein wichtiger Bestandteil des BVWP 2003 werden die Eckpunkte für ein Zukunftsprogramm Mobilität sein, das das Bundeskabinett im März vergangenen Jahres be- schlossen hat. Ich möchte sie erneut kurz aufzählen: erstens. Beseiti- gung von Verkehrsengpässen: Unter anderem werden alle Maßnahmen des Anti-Stau-Programms ebenso wie die Betreibermodelle für den sechsstreifigen Autobahn- ausbau im vordringlichen Bedarf sein; zweitens. Ver- kehrsentlastung und Steigerung der Lebensqualität in Städten und Gemeinden durch den verstärkten Bau von Ortsumgehungen; drittens. Stärkung des maritimen Standortes. Wir machen das mit dem gezielten Ausbau der Hinterlandanbindungen; viertens. Stärkung der Infra- struktur in Ostdeutschland; dazu gehört unter anderem: A 14 Magdeburg-Schwerin; A 72 Leipzig–Chemnitz und Nachholbedarf bei Ortsumgehungen; fünftens: Un- terstützung und Förderung moderner Verkehrstechnolo- gien wie Transrapid oder Galileo. Der Finanzrahmen der BVWP 2003 orientiert sich an dem Spitzenniveau, auf das wir die Verkehrsinvestitio- nen gebracht haben. Dieses Investitionsniveau werden wir dauerhaft verstetigen. Damit ist der BVWP 2003 so- lide finanziert. Der Schwerpunkt der Investitionen muss auf dem Erhalt der bestehenden Infrastruktur liegen. Das zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, aber auch die augenscheinliche Realität. Aber es wird natür- lich auch neu, und ausgebaut. Insgesamt schaffen wir da- mit Planungssicherheit für alle Beteiligten, für die Ver- kehrswirtschaft ebenso wie für die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger. Meine Damen und Herren, wir brauchen in Deutsch- land Mut zu Veränderungen. Hier haben wir unsere Kar- ten auf den Tisch gelegt. Arbeit und Wirtschaft sind – darauf hat der Bundeskanzler am letzten Freitag hinge- wiesen – das Herzstück unserer Reform-Agenda. Wir legen dabei deutliche Akzente auf die Bau- und Wohnungswirtschaft. Das freut mich natürlich als ver- antwortlichen Ressortminister besonders. Wir sind da- bei, das Hartz–Konzept umzusetzen, wir öffnen und fle- xibilisieren den Arbeitsmarkt. Ich meine auch unsere Mittelstandsoffensive. Denn ohne den Mittelstand – also auch den Baumittelstand – ist eine erfolgreiche Politik für mehr Wachstum und Beschäftigung nicht möglich. Wir helfen, die Auftragslage zu verbessern, die Ei- genkapitallage zu stabilisieren und gegen Zahlungsrück- stände wirksamer vorzugehen. Wir packen den Abbau bürokratischer Belastungen an. Auch damit ölen wir den Wachstumsmotor. Und: Mit unserer neuen Außenwirt- schaftsoffensive haben wir kleine und mittlere Unterneh- men im Blick. Meine Damen und Herren, wir alle kennen die volks- wirtschaftliche Bedeutung einer stabilen und zuverlässi- gen Investitionspolitik. Das gilt besonders für wirtschaft- lich schwierige Zeiten, wie wir sie gerade erleben. Die 2700 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 (A) (C) (B) (D) Bundesregierung und der Deutsche Bundestag unter- streichen das mit diesem Bundeshaushalt 2003. von rund 15 Milliarden Euro. Diese Programme laufen über die KfW. Die Gemeinden werden darüber hinaus mit der Neu- ordnung der Gemeindefinanzen in den nächsten Jahren um Milliarden entlastet und gewinnen zusätzlichen Spielraum für Investitionen. Außerdem werden wir, meine Damen und Herren, Haushaltsmittel in Höhe von rund 1 Milliarde Euro für die Vergabe zinsverbilligter Kredite zur Verfügung stellen. Damit können für dringend benötigte Investitionen in die kommunale Infrastruktur deutlich verbilligte Kredite gewährt werden. Mit dem gleichen Engagement gehen wir an die Förderung der Wohnungsmodernisierung he- ran. Insgesamt bewegen wir dazu ein Kreditvolumen tere Milliarde Euro für Kommunen vorgesehen, die in besonders strukturschwachen Gebieten liegen, Kommu- nen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit. Für diese Kommunen wird der Zinssatz für drei Jahre noch einmal zusätzlich sehr stark verbilligt. Dieses Maßnahmenbündel ist vernünftige Politik, die den Kommunen, der Bauwirtschaft und natürlich den Bürgerinnen und Bürgern zugute kommt. Es ist zugleich vorausblickende Politik, weil wir mit Infrastrukturinves- titionen keinen Strohfeueraktionismus auslösen, sondern eine dauerhafte Grundlage bauen, auf der wirtschaftli- ches Wachstum gedeihen kann. den planmäßigen Wiederaufbau fehlt. aufgelegt. Zusätzlich zu diesen 6 Milliarden Euro ist eine wei- Aber wir wissen auch: Für nachhaltiges Wachstum brauchen wir eine moderne, funktionierende Infrastruk- tur. Hier sind vor allem die Kommunen gefordert. Von ihnen kommen zwei Drittel aller öffentlichen Bauinves- titionen. Auch dafür brauchen wir gesunde Finanzen. Dafür brauchen die Kommunen die entsprechenden Mit- tel. Der Bundeskanzler hat das am Freitag deutlich ge- macht: Die Bundesregierung bekennt sich zu ihrer Mit- verantwortung für die Finanzsituation der Kommunen. Deshalb wird sie Maßnahmen zur Verbesserung der kommunalen Einnahmen und zur Förderung notwendi- ger Investitionen ergreifen. Bei der Verbesserung der Einnahmen möchte ich aus- drücklich auf einen wichtigen Punkt hinweisen: Wir wollen die Kommunen von ihrem Beitrag zur Finanzie- rung des Flutopferfonds befreien. Hier geht es um rund 800 Millionen Euro Mehreinnahmen. Wir können das in der Gewissheit tun, dass deshalb kein einziger Euro für Erstens: „KfW-Wohnraum-Modernisierungsprogramm 2003/2004“. Mit diesem bundesweiten Programm wollen wir Anreize für Modernisierungs- und Sanierungsinvesti- tionen an selbstgenutzten und vermieteten Wohngebäuden in ganz Deutschland geben. Für das Programm ist ein Vo- lumen von 8 Milliarden Euro beabsichtigt. Damit sollen ausreichend zinsverbilligte Förderdarlehen vergeben wer- den. Betrachtet man die Erfahrungen mit anderen wohn- wirtschaftlichen Programmen, so ist mit einer Investiti- onssumme von ca. 14 Milliarden Euro zu rechnen. Pro Jahr bedeutet dies die Sicherung von etwa 125 000 Ar- beitsplätzen. Zweitens: der Sonderfonds „Wachstumsimpulse“, der auf dem KfW-Infrastrukturprogramm aufsetzt. Der Son- derfonds richtet sich insbesondere an die Kommunen und deren Eigengesellschaften. Durch die vom Bund getra- gene Zinsverbilligung für diesen Sonderfonds werden sehr günstige Zinskonditionen ermöglicht. Durch die KfW wird ein Kreditvolumen von insgesamt 6 Milliarden Euro 33. Sitzung Berlin, Dienstag, den 18. März 2003 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 3
Gesamtes Protokol
Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503300000


Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-
zung ist eröffnet.

Wir alle haben, glaube ich, das Gefühl, dass, während
wir hier zusammensitzen, entscheidende Dinge passie-
ren, die uns wie auch die Bevölkerung sehr stark be-
schäftigen. Auch wir kennen das Gefühl von Ohnmacht.
Aber wenn einer diesem Gefühl nicht nachgeben darf,
dann sind das die Parlamentarier. Deswegen ist es rich-
tig, dass wir unsere Arbeit tun. Wir werden aber das, was
im Moment alle beschäftigt und was die Welt in diesen
Tagen möglicherweise verändern wird, in der Generalde-
batte sicherlich ausführlich besprechen.

So wollen wir nun mit unserer Arbeit beginnen und
ich rufe Tagesordnungspunkt I auf:

Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2003 (Haushaltsgesetz 2003)


– Drucksachen 15/150, 15/402 –


(Erste Beratung 14. Sitzung)


Wir kommen zur Beratung der Einzelpläne. Zunächst

onslosen Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra
Pau bei Enthaltung der CDU/CSU-Fraktion angenom-
men.

Ich rufe auf:

Einzelplan 02
Deutscher Bundestag

– Drucksachen 15/552, 15/572 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Johannes Kahrs
Paul Breuer
Franziska Eichstädt-Bohlig
Jürgen Koppelin

Wer stimmt für den Einzelplan 02 in der Ausschuss-
fassung? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Der Einzelplan 02 ist mit den Stimmen des gesamten
Hauses angenommen.

Ich rufe auf:

Einzelplan 03
Bundesrat

– Drucksachen 15/553, 15/572 –

Berichterstattung:

stimmen wir über die drei Einzelpläne ab, zu denen
keine Aussprache vorgesehen ist.

Ich rufe auf:

Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt

– Drucksachen 15/551, 15/572 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Klaas Hübner
Franziska Eichstädt-Bohlig
Jürgen Koppelin

Wer stimmt für den Einzelplan 01 in der Ausschuss-
fassung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Einzelplan 01 ist damit mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen, der FDP-Fraktion sowie der beiden frakti-

Abgeordnete Petra-Evelyne Merkel
Albrecht Feibel
Franziska Eichstädt-Bohlig
Otto Fricke

Wer stimmt für den Einzelplan 03 in der Ausschuss-
fassung? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Auch der Einzelplan 03 ist mit den Stimmen des ganzen
Hauses angenommen.

Ich rufe nun auf:

Einzelplan 08
Bundesministerium der Finanzen

– Drucksachen 15/558, 15/572 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme
Bernhard Brinkmann (Hildesheim)







(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Klaas Hübner
Antje Hermenau
Dr. Günter Rexrodt

Einzelplan 32
Bundesschuld

– Drucksache 15/570 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Walter Schöler
Antje Hermenau
Dr. Günter Rexrodt

Einzelplan 60
Allgemeine Finanzverwaltung

– Drucksache 15/571 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Hans-Joachim Fuchtel
Walter Schöler
Antje Hermenau
Dr. Günter Rexrodt

Einzelplan 20
Bundesrechnungshof

– Drucksachen 15/567, 15/572 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Anja Hajduk
Iris Hoffmann (Wismar)

Bernhard Kaster
Otto Fricke

Zu Einzelplan 32 liegen zwei Änderungsanträge der
Fraktion der CDU/CSU vor. Zu Einzelplan 60 liegen je
ein Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und des
Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion der CDU/
CSU sowie zwei Entschließungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU vor. Über die Entschließungsanträge werden
wir am Donnerstag nach der Schlussabstimmung ab-
stimmen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache drei Stunden vorgesehen. – Widerspruch
höre ich keinen. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache.


(Abg. Carl-Ludwig Thiele [FDP] meldet sich zur Geschäftsordnung)


– Es liegt eine Meldung für eine Rede zur Geschäftsord-
nung vor. Bitte, Herr Thiele.


Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Rede ID: ID1503300100


Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, Sie haben die Aus-
sprache gerade eröffnet. Wir beantragen, die Aussprache
zu unterbrechen, bis der Finanzminister anwesend ist.
Ich halte es für einen ungewöhnlichen Vorgang, dass der
Bundeshaushalt erörtert wird und der Finanzminister,
der sogar sprechen soll, nicht anwesend ist. Ich bitte, die
Sitzung bis zu seinem Erscheinen zu unterbrechen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503300200


Es wurde beantragt, die Sitzung zu unterbrechen. –
Mir wird Einverständnis im ganzen Hause signalisiert.
Ist das richtig oder gibt es weitere Meldungen zur Ge-
schäftsordnung? – Das ist nicht der Fall. Hiermit stelle
ich Einvernehmen in der Frage einer Sitzungsunterbre-
chung fest. Es wird Ihnen bekannt gegeben, wann die
Sitzung wieder eröffnet wird.


(Unterbrechung von 12.06 bis 12.10 Uhr)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503300300


Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Der
Finanzminister ist inzwischen eingetroffen. Er bittet um
das Wort für eine persönliche Erklärung.


Hans Eichel (SPD):
Rede ID: ID1503300400


Meine Damen und Herren, meine Verspätung tut mir
Leid. Aufgrund eines Staatsbesuches – ich weiß im Mo-
ment nicht, welcher – waren die Kreuzungen an der Beh-
renstraße und Unter den Linden für eine längere Zeit
vollständig gesperrt. Eine solche Verspätung ist ansons-
ten nicht meine Art.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503300500


Ich kann die Aussprache nun eröffnen. Das Wort hat
zunächst der Abgeordnete Dietrich Austermann für die
CDU/CSU.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dietrich Austermann (CDU):
Rede ID: ID1503300600


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den
letzten Monaten hat auch in Deutschland die Außenpolitik
in der politischen Debatte eine überragende Rolle gespielt.
Die Lage spitzt sich heute zu. Die Verantwortung für diese
Krise und ihre Zuspitzung tragen Saddam Hussein und
diejenigen in seinem Lande, die den Terror unterstützen.
Um der Menschen willen hoffen wir auf eine letzte
Chance für den Frieden.

Unabhängig von der außenpolitischen Lage bleibt
die Verpflichtung, im Inland die Dinge in Ordnung zu
bringen. Angesichts der wirtschaftlichen Folgen der letz-
ten zweieinhalb Jahre Rot-Grün, nach 1 400 Tagen
Finanzpolitik unter Hans Eichel, nach fünf Haushalts-
plänen aus seiner Feder und erst recht in dieser politi-
schen Lage muss man immer mehr den Eindruck gewin-
nen: Was hier von Rot-Grün veranstaltet wird, ist sinnlos.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Man kann das mit den Worten überschreiben, dass der
im Dezember vorgelegte Bundeshaushalt an Realitäts-
ferne nicht zu überbieten ist, dass der Haushalt wegen
dieser Realitätsferne das Vertrauen der Bürger und In-
vestoren in Deutschland weiter zerstört und dass wir da-
raufhin eine Entwicklung in unserem Land haben, die






(A) (C)



(B) (D)


Dietrich Austermann
jeder Bürger in seinem Portemonnaie spürt und die im-
mer mehr Arbeitslose persönlich erleiden und ertragen
müssen. Es gibt kein Vertrauen mehr in die Haushalts-
politik des Bundes. Bundesbank, Bundespräsident und
Bundesrechnungshof fordern Kurskorrekturen, die aber
nicht getroffen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das Frappierende an dieser Situation ist, dass der
Bundesfinanzminister, der die Menschen vor der Bun-
destagswahl belogen und betrogen hat – –


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD – Franz Müntefering [SPD]: Das ist ja ein guter Start! Die Arroganz, die Sie hier vorbringen, könnten Sie sich ersparen!)


– Herr Müntefering, für eine Schätzabweichung von
11 Milliarden Euro im Haushalt gibt es keine andere Er-
klärung als die, dass hier die Wahrheit vorsätzlich ver-
dreht worden ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Dies wurde mit dem Nachtragshaushalt fortgesetzt, der
im November vorgelegt wurde und bei dem die Schät-
zungen wieder um einen fast zweistelligen Milliarden-
betrag von der Realität abgewichen sind.

Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass jede Zahl,
die in der letzten Zeit vom Finanzministerium genannt
worden ist, mit der Realität nichts mehr zu tun hat. Das
ist deshalb dramatisch, weil viele Investoren darauf ver-
trauen wollen, dass es mit der wirtschaftlichen Entwick-
lung in unserem Lande vorangeht, und in diesem Ver-
trauen fast täglich neu enttäuscht werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie haben Ende letzten Jahres eine scheinbar positive
Veränderung in Ihrem Haushalt nur deshalb erreicht,
weil Sie vor allen Dingen im Osten den zweiten Arbeits-
markt konzeptionslos und brutal zusammengeknüppelt
und Mittel eingespart haben, um nicht einen zu hohen
Zuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit ausweisen zu
müssen.

Auch haben Sie, Herr Eichel, die Einnahmen aus der
Mineralölsteuer in Höhe von 1 Milliarde Euro noch
schnell in das Jahr 2002 vorgezogen.


(Hans Eichel, Bundesminister: Nein!)


– Doch, das hat Ihr Staatssekretär im Haushaltsaus-
schuss zugegeben.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


Sie haben Ende Dezember 2002 1 Milliarde Euro einge-
zogen, um die Bilanz etwas zu schönen. Dies hatte im
Januar dieses Jahres entsprechende Konsequenzen in
Form von Steuermindereinnahmen.

Ein weiterer Punkt, an dem man feststellen muss, dass
all die vorhandenen Vorgaben, mit der Realität nicht
mehr in Einklang zu bringen sind, ist das Finanzierungs-
konzept für die Fluthilfe, das grandios gescheitert ist.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ein Unsinn! Woher wissen Sie denn das?)


Steuermehreinnahmen, die das Ganze decken sollten,
sind nicht eingetreten. Jetzt finanzieren Sie die Hilfe für
den Wiederaufbau in den neuen Bundesländern über hö-
here Schulden. Der Bundesbankgewinn wäre in der Tat
das bessere Finanzierungsmodell gewesen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Meine Damen und Herren, die Haushaltspolitik wird
zunehmend irrational. Sie ist kaum noch nachvollzieh-
bar.


(Beifall der Abg. Dr. Angela Merkel [CDU/ CSU])


Mit einer immer stärkeren Belastung von Bürgern und
Betrieben sollen Konjunktur und Investitionen angekur-
belt werden.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das versteht kein Mensch mehr!)


Das begann am Jahresanfang mit einer Fülle von Steuer-
und Energiepreiserhöhungen, die jeder Bürger in seinem
Portemonnaie spürt. Dann setzte es sich – Herr Müntefe-
ring, Sie können gleich wieder aufschreien; ich möchte
das Ganze fast „Steuerterror“ nennen – mit dem Plan
fort, 48 neue Steuern zu erheben bzw. Steuerver-
änderungen vorzunehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Dabei ging es zum Teil um Kinderkram – von der Erhö-
hung der Mehrwertsteuer auf Blumen bis zu allen mögli-
chen anderen Regelungen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)


Damit wollten Sie eine Verbesserung der Haushaltssitua-
tion erreichen.

Sie haben diesem Haushalt ein Steuervergünsti-
gungsabbaugesetz mit Mehreinnahmen unterstellt, ob-
wohl Sie genau wissen, dass dieses so genannte Steuer-
vergünstigungsabbaugesetz im Bundesrat überhaupt
keine Chance hat. Sie rechnen damit, durch die Abgel-
tungsteuer mehr Geld einzunehmen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Weil wir für Steuergerechtigkeit sind! Das ist doch klar!)


– Wenn das, was Sie hier in Deutschland seit zweiein-
halb Jahren machen,


(Joachim Poß [SPD]: Sie tragen doch auch Verantwortung in den Ländern und in den Kommunen!)


Steuergerechtigkeit ist, dann fragen Sie doch bitte die
Wähler in Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein
und – am letzten Sonntag – in Kiel, ob sie das, was Sie
machen, für gerecht halten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)







(A) (C)



(B) (D)


Dietrich Austermann
Die Bundesregierung rechnet laut Jahreswirtschafts-
bericht mit einem geringeren Wachstum. Im Haushalts-
entwurf findet dies aber keine Widerspiegelung.


(Hans Eichel, Bundesminister: Das stimmt nicht!)


Sie ziehen im Haushalt keine Konsequenzen. Immer
mehr kurzfristige Kredite werden aufgenommen, damit
jetzt schnell Geld vorhanden ist. Dabei verschiebt man
die Belastung, die sich aus diesen kurzfristigen Krediten
ergibt, in die Zukunft. Unverändert nehmen die konsum-
tiven Ausgaben zu. Die Verschuldung steigt. Der Rück-
gang der Investitionen zeigt eine Lastenverschiebung in
die Zukunft.

Eine Fülle von Haushaltsposten, von der Kohle bis
zur Raumfahrt, werden in diesem Jahr zu niedrig ange-
setzt. Dies tut man in der Hoffnung, dass die Antragstel-
ler – man muss sich in der Tat einmal mit Vertretern der
Ruhrkohle AG unterhalten – in diesem Jahr das Geld,
auf das sie ein Recht haben, nicht einfordern werden.
Nein, man könnte sich auf den ehemaligen Ministerpräsi-
denten von Niedersachsen, Herrn Gabriel, beziehen – die
älteren Niedersachsen unter Ihnen werden sich noch an
ihn erinnern –,


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


der von „Voodoo-Ökonomie“ gesprochen hat, als er die
Finanzpolitik von Herrn Eichel beschrieben hat.

Ich frage: Welche Konsequenzen wurden in den
Haushaltsberatungen aus diesem unglaublichen Haus-
haltsentwurf gezogen? Insgesamt gab es eine Verände-
rung um 300 Millionen Euro. Auf dem Papier wurden
Mehrausgaben durch Steuermehreinnahmen gegenfinan-
ziert, die – ich habe davon gesprochen – überhaupt nicht
realistisch sind. Neue globale Minderausgaben wurden
eingeplant, andere ausgeplant. Die restliche globale
Minderausgabe in Höhe von 1 Milliarde Euro wird noch
eingespart werden müssen. Im Bereich von Forschungs-
und Verkehrsinvestitionen wurden Kürzungen vorgese-
hen.

Ich möchte den Metrorapid, weil er die Kollegen aus
Nordrhein-Westfalen interessiert, als Beispiel nennen.
Man hat dem Land Nordrhein-Westfalen für dieses Jahr
80 Millionen Euro zugesagt. Wie sind diese Mittel auf-
gebracht worden? Im Verkehrsetat hat man für diese
Mehrausgabe eine Minderausgabe in der gleichen Höhe
vorgesehen. Das bedeutet, dass alle anderen Verkehrsträ-
ger – von der Schiene über die Straße bis zur Wasser-
straße – jetzt das Geld für ein nicht haushaltsreifes und
unsinniges Projekt aufbringen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Verkehrsetat wurde zurechtgestutzt bzw. zusam-
mengestutzt, obwohl im Verkehrsetat eine Mehrein-
nahme in Höhe von 1 Milliarde Euro aus der Maut ver-
anschlagt ist. Vielleicht können Sie sich noch daran
erinnern, dass vor zwei oder drei Jahren davon gespro-
chen wurde, in Deutschland solle ein Anti-Stau-Pro-
gramm aufgelegt, werden, sodass künftig auf allen Auto-
bahnen durchgängig und ständig auf drei oder vier
Spuren gefahren werden könne. Was findet man von die-

sem Anti-Stau-Programm im diesjährigem Haushalt
erstmals wieder? Es ist ein Betrag in Höhe von 20 Mil-
lionen Euro.

Von diesen 20 Millionen Euro – das sind, glaube ich,
zwei oder drei kleinere Straßenbauprojekte irgendwo in
Deutschland – muss man ausgehen, wenn man berück-
sichtigt, dass der Verkehrsetat insgesamt reduziert wor-
den ist. Das heißt: Es wird weniger für Infrastruktur in
Deutschland ausgegeben, obwohl durch die Mautgebüh-
ren 1 Milliarde Euro mehr zur Verfügung stehen soll.

Eichel hat trotz der im Jahreswirtschaftsbericht von
1,5 auf 1 Prozent reduzierten Wachstumserwartungen
praktisch keine Anpassung der Haushaltseckwerte vor-
genommen. Die wesentlichen Schätzansätze wurden aus
anderen Gründen nur geringfügig verändert. Mittler-
weile haben alle kompetenten Institute deutlich gemacht,
dass sie davon ausgehen, dass es in diesem Jahr weder
ein Wachstum von 1,5 Prozent noch von 1 Prozent geben
wird. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft schätzt
0,4 Prozent, das RWI 0,6 Prozent, die OECD hat eben-
falls eine Reduzierung angekündigt. Das alles soll ohne
jede Wirkung auf den Haushalt der Bundesrepublik
Deutschland sein? Wie kann man da den Finanzminister
noch ernst nehmen?

Wir wissen, dass er am Freitag mit dem Bundeskanz-
ler und dem Bundesaußenminister nach Brüssel mar-
schieren muss. Ich bezeichne das als Canossagang, weil
es bedeutet, dass Deutschland darum bitten muss,


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie wissen doch ganz genau, dass das etwas anderes ist!)


dass man trotz der absehbaren Überschreitung der
Maastricht-Kriterien kein Strafverfahren zu gewärti-
gen hat. Vielleicht sagen Sie etwas dazu, Herr Eichel,
was eigentlich der Anlass dieses Termins ist und wie es
mit dem Maastrichter Vertrag in Einklang zu bringen ist,


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist der Europäische Rat!)


dass Ihnen die EU-Kommission diesen Nachlass für
schlechte Arbeit gewähren will. Wir werden in diesem
Jahr aufgrund der veränderten wirtschaftlichen Daten
Steuerausfälle von mindestens 4 Milliarden Euro haben.
Wir werden Mehrausgaben bei der Bundesanstalt für Ar-
beit in der Größenordnung von etwa 5 Milliarden Euro
haben. Wenn Sie sich die Bilanz nach zwei Monaten an-
sehen, Herr Kollege, dann werden Sie sehen, dass der
Bundesanstalt für Arbeit, die nach Regierungsverdikt
mit einem Nullzuschuss in diesem Jahr auskommen soll,
bisher schon 1,6 Milliarden Euro fehlen.

Wenn ich nur diese beiden Daten zusammennehme,
dann heißt das, dass die Nettokreditaufnahme des Bun-
des um 10 Milliarden Euro über dem veranschlagten
Soll, also bei rund 30 Milliarden Euro, liegt. Alfred Boss
vom Institut für Weltwirtschaft geht davon aus, dass wir
bei einem Wachstum von 1 Prozent deutlich über
30 Milliarden Euro liegen würden. Das heißt – die Dra-
matik der Situation ist gar nicht hoch genug einzuschät-
zen –: Der Bundesfinanzminister wird zum zweiten Mal






(A) (C)



(B) (D)


Dietrich Austermann
nacheinander einen Haushalt vorlegen, der der Verfas-
sung nicht entspricht,


(Zuruf von der SPD: Das konnte Theo Waigel besser!)


er wird zum zweiten Mal einen Haushalt vorlegen, der
nicht im Einklang mit europäischem Recht steht. Ich
glaube, es wird deutlich, dass das Königsrecht des Parla-
ments, über den Haushalt zu beschließen und die Ent-
scheidungen zu treffen, die Vertrauen in die Zukunft
schaffen sollen, die zwischen Investitionen und Konsum
abwägen und deutlich machen, in welche Richtung unser
Land in diesem Jahr marschieren soll, zur Farce ver-
kommt, wenn Daten auf dem Tisch liegen, die mit der
Realität nichts zu tun haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


10 Kilo Papier, 3 500 Seiten, aber nicht eine einzige
Andeutung dazu, wie es mehr Chancen für die Menschen
in diesem Land geben soll. Dass mit Steuerminderein-
nahmen und bei der Bundesanstalt für Arbeit mit Mehr-
ausgaben zu rechnen ist, kann gar nicht bestritten werden.

Ein weiteres Risiko für diesen Haushalt liegt in der
Sozialversicherung. Auch da sind nach 1 400 Tagen
Hans Eichel Defizite in allen Bereichen zu beklagen, und
zwar bei der Pflegeversicherung, bei der gesetzlichen
Krankenversicherung und – was haushaltswirksam ist –
bei der Rentenversicherung sowie bei der Sozial- und Ju-
gendhilfe. Überall haben wir eine Defizitwirtschaft,
nachdem wir 1998 eine andere Situation hatten.


(Lachen bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Lächerlich!)


– Es ist unbestreitbar, dass die Pflegeversicherung heute
noch davon lebt, dass wir einen Überschuss erwirtschaf-
tet haben, der aus den Rücklagen von 1998 resultiert.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es ist unbestreitbar, dass die gesetzliche Krankenversi-
cherung – ich sehe den Kollegen Seehofer an – im Jahr
1998 Überschüsse hatte, und es ist unbestreitbar, dass
auch die Rentenfinanzen 1998 in Ordnung waren,


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


und zwar aufgrund einer Rentenreform, nach der Sie
sich heute, da die Zeitungen jeden Tag fragen, wie hoch
denn der Beitrag in diesem Jahr sein wird, die Finger
lecken.


(Widerspruch bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Alzheimer!)


Angesichts der Tatsache, dass wir schon jetzt damit
rechnen müssen, dass der Bund wegen der wegbrechen-
den Schwankungsreserve bei der Rente in Anspruch ge-
nommen wird, ist mir völlig unverständlich, wie man
aufseiten der Koalition dicke Backen machen kann.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wissen Sie, wie hoch die Schwankungsreserven ausgelastet waren?)


Die Folgen einer fehlerhaften Finanz-, Haushalts- und
Wirtschaftspolitik für die Nettokreditaufnahme sind
unübersehbar. Ich will das noch einmal deutlich machen,
weil der Finanzminister gerne den Eindruck erweckt, er
habe nun einen anderen Kurs eingeschlagen, der in die
richtige Richtung führe und etwas mit Konsolidierung zu
tun habe. Viele Wirtschaftsfachleute empfehlen in der
Tat, er möge seinen Konsolidierungskurs fortsetzen. Ich
kann das nur so deuten, dass sich diese Fachleute nicht
mit den Haushaltsdaten beschäftigt haben.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Leider wahr!)


Lassen Sie mich eines konkret feststellen, Herr Minis-
ter Eichel: Die Gesamtausgaben liegen in diesem Jahr
um 16 Milliarden Euro höher als 1998. Das ist ein Plus
von 6,7 Prozent.


(Lachen des Bundesministers Hans Eichel – Hans Eichel, Bundesminister: Das ist unglaublich!)


– Ich will nicht darauf eingehen, wofür es spricht, wenn
man in dieser Situation bei klaren Fakten vor sich hin
grinst. – Die Investitionsquote hat ein historisches Tief
erreicht. Die Ausgaben für den Arbeitsmarkt liegen auf
einem Rekordniveau. Die Nettokreditaufnahme – ich
habe das bereits ausgeführt – liegt zum zweiten Mal
oberhalb der Grenze, die die Verfassung zulässt. Wir ha-
ben im vergangenen Jahr eine Rekordverschuldung ge-
habt und es ist davon auszugehen, dass auch in diesem
Jahr die Maastricht-Kriterien verletzt werden.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr wahr!)


Spricht das alles für einen Konsolidierungskurs oder
für einen geordneten Haushaltskurs?


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nein!)


Nein, vielmehr wird der Schuldenstand in diesem Jahr mit
voraussichtlich 825 Milliarden Euro um 80 Milliarden Euro
höher liegen als 1998. Das ist deshalb interessant, weil Sie
im gleichen Zeitraum den Menschen 70 Milliarden Euro
mehr an Steuern aus der Tasche gezogen und außerdem
noch 50 Milliarden Euro durch den Erlös aus der Verstei-
gerung der UMTS-Lizenzen eingenommen haben.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Leider wahr! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Schlimme Wahrheit!)


Trotz dieser zusätzlichen Rekordeinnahmen durch die
Privatisierung ist eine so kümmerliche Bilanz dieser
Finanz- und Haushaltspolitik zu ziehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die rot-grüne Perspektive ist – soweit man sie aus
dem Haushalt ableiten will – nicht zukunftsorientiert.
Die Ausgaben für den Konsum steigen, die Investitions-
ausgaben sinken. Die Investitionsquote liegt ohne die
Fluthilfe deutlich unter 10 Prozent. Die Bundesregierung
erhöht den Staatsverbrauch bzw. die Staatsquote, um
sich vor notwendigen Reformen zu drücken.

Die Regierungserklärung des Bundeskanzlers, die in
Teilbereichen durchaus eine Kursbegradigung, wenn






(A) (C)



(B) (D)


Dietrich Austermann
auch leider keine Kurskorrektur ist und die in Teil-
bereichen die Rechtslage von 1998 wieder herstellt und
dies als großartigen Erfolg feiert, ist in der Summe ihrer
Ankündigungen leider nicht angetan, in Deutschland
wieder die Dynamik herbeizuführen, die es 1998 in der
wirtschaftlichen Entwicklung gegeben hat. Das ent-
scheidende Kriterium für eine erfolgreiche Finanz- und
Haushaltspolitik muss darin bestehen, ob die Regierung
– soweit sie als staatliche Instanz dazu imstande ist –
einen Beitrag dazu leistet, dass die wirtschaftliche Ent-
wicklung aufwärts verläuft, oder ob sie weiter auf der
Stelle tritt.

Wir sind – um das gleich festzuhalten – eindeutig gegen
das schuldenfinanzierte Investitionsprogramm, das ges-
tern im Haushaltsausschuss im Einzelnen konkret vorge-
stellt wurde. Die Zinsen sind ohnehin auf einem histori-
schen Tiefstand. Das Programm kann deshalb nur eine
nutzlose Subvention bedeuten. Die Investoren werden
zwar die Zinsverbilligungen mitnehmen, aber keinen Cent
mehr investieren. Es wird nicht einmal zu einem Stroh-
feuer kommen. Denn das Stroh ist nass; Kredite sind be-
reits jetzt extrem billig. Ein Kreditprogramm für hoch ver-
schuldete Gemeinden bringt nichts. Diese Gemeinden
brauchen vielmehr frisches Geld und eigene Einnahmen.

Die von Ihnen betriebene Politik in Bezug auf Gewer-
besteuer, Gewerbesteuerumlage, Finanzausgleich, Öko-
steuer und Grundsicherung bedeutet, dass Sie den Bür-
germeistern der Gemeinden die Beine wegschlagen und
ihnen anschließend eine Gehhilfe zur Miete anbieten.
Das tragen wir nicht mit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carl-Ludwig Thiele [FDP])


Als wir im Haushaltsausschuss des Bundestages die
Freistellung der Kommunen von der Fluthilfe gefordert ha-
ben, haben Sie abgelehnt. Immerhin: Jetzt soll dieses Vor-
haben doch umgesetzt werden. Wir haben die Aufstockung
der Mittel für die Forschungsgesellschaften – die Max-
Planck-Gesellschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die
Deutsche Forschungsgemeinschaft und andere – nach
dem mit den Ländern vereinbarten Schlüssel gefordert.
Sie haben das im Haushaltsausschuss abgelehnt. Der Bun-
deskanzler hat zwar am letzten Freitag an dieser Stelle ge-
sagt, das wolle man machen. Er hat bloß das Jahr 2003
ausgespart. Die Mittel sollen also in diesem Jahr noch
nicht zur Verfügung gestellt werden. Ich halte das für eine
unglaubliche Täuschung der Bürger.

Wir wollten beim Haushalt eine Reihe von Verän-
derungen durchsetzen: Stärkung der öffentlichen In-
vestitionen, insbesondere der Verkehrsinvestitionen, Er-
höhung der Städtebauförderung und Stärkung der
Ausgaben im Bereich Bildung und Forschung. Es geht um
Investitionen in die Zukunft, die zurzeit dramatisch ver-
nachlässigt werden. Wir wollten des Weiteren ein natio-
nales Raumfahrtprogramm, mehr Mittel für Meeresfor-
schung und Meerestechnik sowie für die Werften. Wir
wollten vor allen Dingen den neuen Bundesländern eine
größere Chance geben, über höhere Ausgaben zur Verbes-
serung der regionalen Wirtschaftsstruktur beizutragen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir wollten außerdem eine Erhöhung der Mittel für die
Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küsten-
schutz“. Wir wollten auch den Verteidigungsetat anhe-
ben. Es kann doch nicht richtig sein, dass der Bundes-
außenminister von einer Stärkung des Militärischen
spricht, dass aber der Verteidigungsetat durch klamm-
heimliche Zusagen, die gegeben werden mussten, immer
weiter sinkt.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Jawohl!)


An all diesen Stellen wollten wir Akzente in Richtung
Zukunft setzen. Sie haben das alles abgelehnt. Sie haben
die Verantwortung für den vorliegenden Haushaltsent-
wurf zu tragen, der mit der Realität nichts zu tun hat.

Die Denkzettel bei den letzten drei Wahlen, bei den
Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen sowie bei
der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein, sind offen-
sichtlich noch lange nicht genug. Die Bürger haben er-
kannt: Die jetzige Regierung hat es aufgegeben, einen
Beitrag zu einer Finanzpolitik zu leisten, die der Zukunft
zugewandt ist. Eichel hat es schon immer verstanden, die
Zahlen zu verdrehen. Ich glaube, Herr Minister, wenn
Sie heute Bilanz ziehen und versuchen, das, was vor-
liegt, mit der Realität in Einklang zu bringen, dann wer-
den Sie feststellen müssen, dass Sie von ihr meilenweit
entfernt sind. Wer so weit von der Realität entfernt ist
wie Sie, der hat zumindest als Minister in einem Minis-
terium nichts zu suchen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503300700


Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Walter Schöler.


Walter Schöler (SPD):
Rede ID: ID1503300800


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Kollege Austermann hat soeben in der ihm eigenen
Art – wir sind es ja nicht anders gewohnt – den Pinsel
tief in schwarze Farbe getaucht und Schwarzmalerei be-
trieben, wie sie falscher nicht sein kann. Wie gesagt,
Herr Kollege Austermann, ich bin von Ihnen überhaupt
nichts anderes gewohnt. Wir alle wissen, dass Sie einer
der unbegabtesten Propheten in unserem Land sind;
denn mit einer Fülle falscher Einschätzungen und kaum
noch zu zählender unsinniger Forderungen nach Nach-
tragshaushalten in den letzten Jahren haben Sie sich sel-
ber doch völlig disqualifiziert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Austermann hat noch am 19. Dezember des letz-
ten Jahres in diesem Hause vorhergesagt, die Bundes-
anstalt für Arbeit benötige 2002 einen Bundeszuschuss
in Höhe von 10 Milliarden Euro. Benötigt hat die
Bundesanstalt tatsächlich gut 5 Milliarden Euro. Herr
Austermann, Sie lagen also um gut 50 Prozent daneben.
Das ist eine satte Quote für eine Fehleinschätzung. Die
Nettokreditaufnahme haben Sie knapp zwei Wochen vor






(A) (C)



(B) (D)


Walter Schöler
dem Jahresultimo auf 40 Milliarden Euro geschätzt. Hier
lagen Sie um 8 Milliarden Euro neben der tatsächlich be-
nötigten Summe. So sehen Ihre Fähigkeiten der Ein-
schätzung aus. Sie selbst tragen mit Ihren Fähigkeiten
zur Disqualifizierung Ihrer Grundaussagen bei, die Sie
hier gemacht haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Günter Rexrodt [FDP])


– Herr Rexrodt, das ist die Realität.

Ich möchte bei der Realität bleiben. Wir verkennen
keineswegs die schwierige Lage, in der wir alle sind.
Das hat auch der Bundeskanzler in seiner Rede am letz-
ten Freitag deutlich gemacht. Wenn man sieht, welch ein
zerrissenes Bild die Unionsspitze in der Debatte über die
Regierungserklärung abgegeben hat, dann lässt das er-
warten, dass es angesichts der unterschiedlichen Mei-
nungen und Mehrheiten, die es in diesem Hause und im
Bundesrat gibt, nicht leichter werden wird, in den wich-
tigen Zukunftsfragen zu den vom Bundeskanzler aufge-
zeigten Lösungen zu kommen. Aber die Menschen er-
warten in den wesentlichen Fragen mehr Einvernehmen
zwischen Regierung und Opposition, zumindest mehr als
das, was Sie heute Morgen hier gezeigt haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wer die Lösung nur aus seiner Interessenlage betrach-
tet – Sie haben das eben getan; auch die Stellungnahmen
der Opposition zur Freitagsrede, die wir alle kennen, die
schon vorab verkündeten Stellungnahmen zum Haushalt
2003 sowie die Stellungnahmen von Interessenverbän-
den, ich nehme da keinen Verband aus, sind dementspre-
chend –, der liegt absolut falsch. Wir brauchen einen
strikten Konsolidierungskurs und wir brauchen die
Stärkung der Zukunftsaufgaben.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Von Konsolidierung können wir hier nichts erkennen! Steuererhöhungen!)


Das ist die richtige Antwort auf die augenblicklich
sicherlich schwierige wirtschafts- und finanzpolitische
Situation. Wir werden der Wirtschaft mit dem vom Bun-
deskanzler am Freitag vorgestellten Programm zusätz-
liche kräftige Impulse geben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ärgert Sie natürlich, dass wir sofort handeln. Es är-
gert Sie, dass wir auch im Haushalt 2003 sofort reagiert
haben. Das gilt für die Bauwirtschaft, die wir mit einem
15-Milliarden-Euro-Programm unterstützen. Damit hel-
fen wir vor allem kleineren Unternehmen, mittelständi-
schen Betrieben.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das Stroh zündet nicht, Herr Schöler!)


Außerdem werden wir die Finanzausstattung der Ge-
meinden in diesem Jahr um annähernd 2 Milliarden Euro
verbessern. Damit werden kommunale Handlungsspiel-
räume und die Investitionsmöglichkeiten wieder besser.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Nichts da! Die sind doch hoch verschuldet!)


Von unseren Konsolidierungsmaßnahmen weichen
wir deshalb keinen Jota ab.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Diese Maßnahmen sind solide finanziert. Die Nettokre-
ditaufnahme des Bundes wird deshalb um keinen einzi-
gen Euro steigen.

Die Beratungen des Bundeshaushalts 2003 haben sich
angesichts veränderter Konjunkturentwicklungen und
auch angesichts der reduzierten Wachstumserwartungen
schwierig gestaltet. Das geben wir zu. Dabei hatten sich
die Koalitionsfraktionen das ehrgeizige Ziel gesetzt, die
im Regierungsentwurf enthaltene globale Minderaus-
gabe von 1,3 Milliarden Euro durch gezielte Einsparun-
gen zu einem großen Teil aufzulösen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nichts ist verändert worden, Herr Kollege!)


Dieses Ziel haben wir erreicht – Sie haben das nicht für
möglich gehalten – und das ärgert Sie. Das hat auch der
Redebeitrag von Herrn Austermann heute gezeigt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was wir getan haben, war ein schmerzhaftes Unter-
fangen und sicherlich auch mit einem Lernprozess ver-
bunden, sogar in den Ministerien. Wir werden uns mit ei-
ner globalen Minderausgabe dieser Größenordnung im
Haushaltsausschuss künftig wahrscheinlich nicht mehr
befassen müssen; denn diejenigen, die im Kabinett für
eine solche Ausgabe stimmen, werden nicht davon aus-
gehen können, dass sie verschont bleiben. Das zu erken-
nen war nun einmal ein schmerzhafter Prozess.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die Nettokreditaufnahme ist unverändert!)


Es ist uns gelungen, die globale Minderausgabe auf
knapp 400 Millionen Euro zu reduzieren. Das ist ein Be-
trag, der unserer Meinung nach im Haushaltsvollzug ein-
gesammelt werden muss.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie
blieben bei den Beratungen im Haushaltsausschuss
doch jeden Beitrag zur Aufarbeitung der Probleme
schuldig. An unserer Kernarbeit haben Sie sich doch
überhaupt nicht beteiligt!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Typisch!)


Von Ihnen kamen keine konstruktiven Vorschläge. Herr
Fuchtel, nennen Sie mir einen einzigen! Stattdessen setzen
Sie auf Miesmacherei und auf populistische Forderungen
nach ungedeckten Ausgaben. Herr Austermann hat seinen
Wunschkatalog gerade noch einmal vorgetragen. Sie haben
im Haushaltsausschuss Ausgabeanträge mit einem Volu-
men von annähernd 3 Milliarden Euro gestellt, und das
ohne dafür eine seriöse Deckung anbieten zu können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)







(A) (C)



(B) (D)


Walter Schöler
Umso wichtiger ist das Ergebnis unserer Beratungen:

Erstens. Es bleibt – das haben Sie gar nicht für mög-
lich gehalten – bei der Nettokreditaufnahme von
18,9 Milliarden Euro. Das ist die geringste Neuverschul-
dung seit der Wiedervereinigung.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das steht doch nur auf dem Papier!)


Es ist eine Reduzierung gegenüber dem Vorjahr um im-
merhin 13 Milliarden Euro. Das macht eines klar: Wir
bleiben auf Konsolidierungskurs.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch des Abg. Dr. Günter Rexrodt [FDP])


Zweitens. Wir halten am Ziel eines ausgeglichenen
Haushalts ohne Neuverschuldung bis 2006 fest.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Welches 2006?)


– Das Jahr 2006, lieber Steffen! Wir werden das bei an-
derer Gelegenheit sicherlich noch einmal diskutieren
können.

Allerdings wissen wir – das muss ich auch sagen –,
dass der Weg dorthin äußerst steil und auch schwieriger
geworden ist. Deshalb ist er nur bei strikter Ausgaben-
disziplin und bei einer wirtschaftlichen Erholung zu
meistern. Die Ausgaben konnten mit 248,2 Milliarden
Euro nahezu unverändert auf dem Niveau des Regie-
rungsentwurfs gehalten werden. Sie liegen damit im Üb-
rigen um 0,4 Prozent niedriger als 2002. Wenn man zur
besseren Vergleichbarkeit die Sonderbelastung aus dem
Hochwasserhilfefonds herausrechnet, dann zeigt sich,
dass die Ausgaben gegenüber dem Vorjahr sogar um
1,9 Prozent gesunken sind. Das ist ein deutlicher Indika-
tor für Haushaltskonsolidierung.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Steuererhöhung ist das, was Sie da vorlegen!)


Diese Zahlen werden nicht trügen.

Das gilt im Übrigen – nächster Punkt – auch für die
mittelfristige Betrachtung. Der Anteil der Bundesaus-
gaben am Bruttoinlandsprodukt – er betrug 1999 noch
12,5 Prozent – ist inzwischen auf 11,3 Prozent gesunken.
Der Bund hat in diesem Zeitraum den Anteil seiner Aus-
gaben am Bruttoinlandsprodukt also um 1,2 Prozent-
punkte zurückgeführt. Das sind fast 30 Milliarden Euro.
Das widerlegt eindeutig Ihr ständig wiederholtes Gerede
davon, der Bund konsolidiere nur auf der Einnahmeseite,
aber er spare nicht. Das ist nicht der Fall.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auf der Einnahmeseite hatten wir Mindereinnahmen
zu verkraften. Nach der Korrektur der Wachstumsannah-
men Anfang des Jahres war eine Neuschätzung der Steu-
ereinnahmen notwendig. Im Vergleich zur November-
schätzung 2002 ergeben sich daraus Steuerausfälle von
rund 1 Milliarde Euro. Außerdem haben wir den Ansatz
für die Privatisierungserlöse um 700 Millionen Euro ge-
senkt.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wer kauft euch noch was ab?)


Wir halten das für eine reale Haushaltspolitik.

Diesen Mindereinnahmen stehen aber auch Mehr-
einnahmen in Höhe von 2,1 Milliarden Euro aus der
geplanten Kapitalrückholaktion gegenüber. Im Zusam-
menhang mit der geplanten Neuregelung der Zinsbesteu-
erung bieten wir denen, die in der Vergangenheit ihre
steuerlichen Pflichten nicht erfüllt haben – Sie sollten
einmal kritisieren, in welchem Maß das geschehen ist,
und zwar in der Zeit, als Sie an der Regierung waren –,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


die Möglichkeit zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit
an, allerdings befristet. Bis zum 31. Dezember sind
25 Prozent und in dem Halbjahr danach 35 Prozent zu
zahlen.

Angesichts der riesigen Auslandsguthaben haben
wir äußerst vorsichtig geschätzt. Davon, dass im Rah-
men dieser Aktion mindestens 20 Milliarden Euro in
Deutschland nacherklärt werden, können wir aber zu
Recht ausgehen. Bei einer pauschalen Abgabe von
25 Prozent bedeutet das bei diesem Volumen Einnahmen
von 5 Milliarden Euro. Davon erhält der Bund rund
2,1 Milliarden Euro, erhalten die Länder 2,1 Milliarden
Euro und die Gemeinden immerhin 750 Millionen Euro,
die einen Teil des 2-Milliarden-Paketes ausmachen.

Während Ihrer Regierungszeit – ich muss es noch ein-
mal sagen, Herr Fromme – sind diese Milliardenbeträge
an den Steuerkassen vorbei ins Ausland gewandert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diejenigen, die sich daran beteiligt haben, egal ob als In-
haber des Kapitals oder als Berater – die muss man hier
auch einmal erwähnen –, sollten – ich kann dazu nur ra-
ten – die sich ihnen nun bietende Chance der Rückkehr
in die Steuerehrlichkeit wirklich nutzen.

Herr Austermann hat die Verfassungsmäßigkeit des
Haushalts bezweifelt. Dazu kann ich nur feststellen: Der
Haushalt ist auch verfassungsfest. Die Nettokreditauf-
nahme liegt mit 18,9 Milliarden Euro


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Auf dem Papier! – Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Auf dem Papier!)


wesentlich unter dem Investitionsvolumen von
26,7 Milliarden Euro und damit deutlich unter der Ver-
schuldungsgrenze, die das Grundgesetz in Art. 115 zieht.

Mit dem Haushalt leistet der Bund – das haben Sie
ebenfalls falsch gesagt, Herr Austermann – auch seinen
Beitrag zur Einhaltung der EU-Stabilitätskriterien. Da-
bei sind die Arbeitsmarktreform, das Steuervergünsti-
gungsabbaugesetz und Reformen in der Sozialversiche-
rung die wesentlichen Bausteine zur Reduzierung des
deutschen strukturellen Defizits, so wie es die EU fordert.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht!)







(A) (C)



(B) (D)


Walter Schöler
Auch bei einer Wachstumsannahme von nur noch
1 Prozent liegen wir noch unterhalb der magischen Drei-
prozentgrenze, wenn nicht nur der Bund, sondern auch
die Bundesländer und die Gemeinden einen strikten
Konsolidierungskurs fahren. Das setzt voraus, dass die
unionsgeführten Länder bei den Beratungen im Vermitt-
lungsausschuss die mit dem Steuervergünstigungsabbau-
gesetz erzielbaren Einsparungen in der Höhe mittragen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Jetzt haben wir also Schuld für Ihre miese Politik!)


– Steffen Kampeter, wenn das eure einzige Schuld wäre,
dann ginge es ja noch, aber es gibt noch ganz andere
Dinge in der Vergangenheit, für die ihr die Verantwor-
tung zu tragen habt.

Die CDU/CSU steht in den Ländern auch in erhebli-
chem Maß in der Mitverantwortung.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)


Was für ein Verhalten wird da an den Tag gelegt? Unser
Gesetz zur Steuervereinfachung und zum Abbau von un-
gerechtfertigten Vergünstigungen und Subventionen zu
kritisieren, die daraus erzielbaren Einnahmen durch die
Landesfinanzminister in den Länderhaushalten veran-
schlagen zu lassen


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie wissen, dass das nicht zutrifft, Herr Kollege Schöler!)


und anschließend im Bundesrat das Gesetz zu blockie-
ren, das ist Doppelzüngigkeit, die Sie und die von ihnen
geführten Bundesländer betreiben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Damit – das sage ich Ihnen – werden Sie von der Oppo-
sition nicht weiterkommen. Ich bin davon überzeugt: Sie
werden letztlich im Vermittlungsausschuss einer Eini-
gung – dazu müssen wir kommen – zustimmen.

Im Übrigen: Unsere Konsolidierung geht nicht, wie
Sie gesagt haben, zulasten von Wachstum und Beschäfti-
gung; denn die Investitionen übersteigen in einem erheb-
lichen Maß – um 1,7 Milliarden Euro – den Ansatz des
Vorjahres. Wichtige Vorhaben in den Bereichen Familie,
Infrastruktur, Bildung und Forschung haben wir auf ho-
hem Niveau verstetigt oder sogar verstärkt. Am Beispiel
der Forschungstitel, die Sie angesprochen haben – wir
haben uns eine Zusammenstellung sämtlicher For-
schungstitel des Bundeshaushalts fertigen lassen –, kön-
nen wir nachweisen, dass wir diese über alle Einzelpläne
hinweg seit 1998 von rund 6 auf 7 Milliarden Euro
erhöht haben. Der Bereich Forschung und Bildung hat
sogar eine Steigerung von rund 7 auf insgesamt
10 Milliarden Euro erfahren. Das können Sie im Haus-
halt nachlesen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Rot-Grün setzt damit seine wachstumsstärkende Re-
formpolitik fort. Die Bundesregierung will grundlegende
Reformen, die zur Regierungszeit von CDU/CSU und
Kanzler Kohl noch Tabus waren. Wir werden diese Refor-
men durchsetzen. Ich nenne nur die Zusammenlegung von
Arbeitslosen- und Sozialhilfe und die Reform im Gesund-
heitswesen. Das sind dringend erforderliche Reformen,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Dass Ihnen das jetzt endlich mal auffällt!)


die wir jetzt anpacken und in den nächsten Wochen und
Monaten beraten werden.

Zentralen Stellenwert hat auch die Gemeindefinanz-
reform. Sie haben hier gerade das Hohelied des Jam-
merns der Kommunen vorgetragen. Diese Gemeinde-
finanzreform gibt den Kommunen wieder eine tragfähige
Grundlage. Der Bundeskanzler hat mit seiner Rede Klar-
heit geschaffen, wofür ich sehr dankbar bin. Als ersten
Schritt erhalten die Gemeinden 2 Milliarden Euro,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Im Haushalt steht nichts!)


die sich aus der Stornierung des Beitrages für die Flut-
opferhilfe, dem Steuervergünstigungsabbaugesetz und
der Auslandskapitalrückholaktion ergeben.


(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Wo steht das?)


– Herr Fuchtel, fuchteln Sie hier nicht so herum! Die Ge-
setzentwürfe werden eingebracht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der 1. Januar 2004 ist ein unverrückbares Datum für
diese Gemeindefinanzreform. Es wird eine erneuerte
Gewerbesteuer geben, die die Einnahmen verstetigt und
den Gemeinden mehr Eigenverantwortung gibt. Die vor-
gesehene Ausweitung des Kreises der Steuerpflichtigen
ist nicht nur geeignet, die Kommunen aus ihrer Abhän-
gigkeit von nur noch ganz wenigen Steuerzahlern zu be-
freien. Herr Professor Peffekoven hat hierzu vor einigen
Tagen ausdrücklich erklärt, dass kommunale Abgaben
für die Bürger und die örtliche Wirtschaft auch spürbar
sein müssen, damit diese ihrer Verantwortung für das
Gemeinwesen gerecht werden.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Das ist ja eine tolle Argumentation!)


– Das hat Professor Peffekoven gesagt. Ich weiß nicht,
warum Sie ihm widersprechen wollen.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Na! Herr Peffekoven selbst hat aber kein gutes Haar an Ihrer Finanzpolitik gelassen!)


Im Übrigen werden wir – auch das ist angekündigt –
die Kommunen ab dem 1. Januar 2004 von der Zahlung
für die arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger entlasten.

Sie haben es jahrelang versäumt, eine Gemeindefinanz-
reform anzupacken. Wir führen diese Reform jetzt durch.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – CarlLudwig Thiele [FDP]: Wann denn? Wie denn? Wo denn? Wer denn?)







(A) (C)



(B) (D)


Walter Schöler
Ihre letzte Reform auf diesem Gebiet erfolgte 1970, um
das einmal in Erinnerung zu rufen. Sie haben es in den
16 Jahren Ihrer Regierungszeit vollkommen verpasst,
eine entsprechende Reform anzugehen. Deshalb sage ich
Ihnen: Konjunkturpessimismus ist nicht angebracht, er
ist sogar schädlich. Was Sie machen, ist nicht in Ord-
nung. Sie machen mies, statt mitzumachen. Aber Mitma-
chen ist jetzt die Devise.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, es ist nicht daran herumzu-
deuteln: Der im Jahreswirtschaftsbericht 2003 ange-
nommene Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts im
Jahresschnitt auf rund 1 Prozent liegt um 1,5 Prozent unter
den Erwartungen, die wir noch vor einem Dreivierteljahr
hatten. Das ist ein Wert, der uns prognostiziert worden
war, den wir uns also nicht selber ausgedacht haben. Des-
halb hat der Bundesfinanzminister, deshalb hat die Bun-
desregierung nach ihrem ersten Entwurf im September ge-
handelt und den Dezemberentwurf korrigieren müssen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wo denn?)


Dieser Entwurf beinhaltet auch ein umfassendes Paket
von ausgabenmindernden und einnahmenverbessernden
Maßnahmen zum Ausgleich der konjunkturbedingten
Belastungen.

Ich erinnere an das Hartz-Konzept. Durch dessen
Umsetzung werden die in der Arbeitsmarktpolitik einge-
setzten Mittel effizienter verwendet. Mit weniger Mitteln
wird mehr erreicht, um Voraussetzungen für Mehrbe-
schäftigung in der Zukunft zu schaffen. Auf dieser Grund-
lage wollen wir trotz der Verschlechterung am Arbeits-
markt ohne Zuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit
auskommen und den Ansatz für die Arbeitslosenhilfe ein-
halten. Auch Sie wissen, dass man im Kessel einen gewis-
sen Druck halten muss, damit Maschinen funktionieren.
Diesen Druck erzeugen wir mit unseren Maßnahmen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Macht doch gar keinen Haushalt! Das ist am besten!)


Den zweiten Teil des Konsolidierungspakets im Haus-
halt bilden Maßnahmen zur Stabilisierung der Steuerein-
nahmen. Durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz
werden Schlupflöcher und ökonomisch wie ökologisch
ungerechtfertigte Ausnahmeregelungen beseitigt. Das
mag Sie zwar stören, weshalb Sie es Steuererhöhungsge-
setz nennen; wir aber nennen das eine gerechtere und
transparentere Systematik im Steuerrecht.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Ihnen letzten Freitag eingefallen!)


Außerdem wird damit sichergestellt, dass die Steuerein-
nahmen sich wieder etwa parallel zum Wachstum entwi-
ckeln und sich nicht weiter davon abkoppeln. Sie zeigen
hier nur populistische Verweigerungshaltung; das hat Ihr
Beitrag klar gemacht.

Im Übrigen: Hätte die Kohl-Regierung rechtzeitig mit
der Konsolidierung begonnen, statt dies sträflich zu ver-
säumen,


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das ist ein alter Hut!)


hätten Sie eine ehrliche, gerechte Lastenverteilung auch
im Rahmen der Finanzierung der vereinigungsbedingten
Kosten vorgenommen, so stünden wir heute wesentlich
besser da.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Hätten wir eine andere Regierung, dann stünden wir besser da! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


– Herr Kampeter, es ist schon sehr erstaunlich, dass Sie
sich angesichts der hemmungslosen Verschuldungspoli-
tik während Ihrer Regierungszeit heute als Mahner für
eine solide Haushaltspolitik profilieren wollen und
gleichzeitig den Bürgern völlig unsolide, weil nicht fi-
nanzierbare Versprechen machen. Mit uns und mit Hans
Eichel ist der Marsch in den Schuldenstaat gestoppt wor-
den, nicht mit Ihnen, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im Gegensatz zu Ihren Behauptungen sind unsere An-
sätze für Investitionsmaßnahmen so hoch wie lange
nicht mehr. Aus Zeitgründen will ich mir die Einzelhei-
ten ersparen. Im Übrigen werden die Kolleginnen und
Kollegen der Fachbereiche zu den verschiedenen Inves-
titionen noch das Wort ergreifen.

Ich will nur einen Punkt aus dem Verkehrsbereich
aufgreifen, Herr Kollege Austermann: Jetzt kritisieren
Sie, dass der Metrorapid in Nordrhein-Westfalen von
der Bundesregierung finanziert werden soll.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist eine Straßenbahn!)


Wir haben dafür eine VE in Höhe von 2,3 Milliarden
Euro eingestellt. Sie hätten es noch vor einigen Wochen
doch gar nicht für möglich gehalten, dass wir in diesem
Jahr vorzeitig und erstmalig Barmittel in Höhe von
80 Millionen Euro einsetzen.

Seien Sie im Übrigen bitte vorsichtig: Wir haben auch
eine Zusage an Bayern gemacht; diese Zusage gilt. Ich
weiß ganz genau, auch von Mitgliedern der Bayerischen
Staatsregierung, dass sie es sich nicht mehr erlauben
werden, in der Weise, wie Sie es hier kritisieren


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist ja eine miese Drohung! – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Soll das eine Drohung sein!)


– das ist keine Drohung –, auf Nordrhein-Westfalen zu
zeigen. Alle werden froh und dankbar sein,


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Nein, das ist falsch!)


sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Bayern,
wenn wir diese Maßnahmen mitfinanzieren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Walter Schöler Austermann [CDU/CSU]: Eine schnelle S-Bahn!)





(A) (C)


(B) (D)


– Sagen Sie Ihrem Ministerpräsidenten Stoiber, dass es
eine bessere S-Bahn sei, die zum Münchener Flughafen
gebaut werden soll!

Meine Damen und Herren, Sie sehen also: Mit Inves-
titionen in vielen Bereichen wird Deutschland für die
Herausforderungen der Zukunft fit gemacht. Bei den an-
stehenden weitreichenden Strukturreformen scheuen
wir keine Konflikte mit Interessengruppen. Es geht
darum, überkommene Strukturen aufzubrechen, die zu
hohen Effizienzverlusten geführt haben.

Rot-Grün wird sich bei den anstehenden Reformvor-
haben auf die Veränderungsbereitschaft der Bürgerinnen
und Bürger stützen. Wir wissen, dass wir uns auf die Ihre
nicht stützen können; die Bürgerinnen und Bürger sind
jedoch zu viel mehr Maßnahmen bereit, als Sie hier sug-
gerieren wollen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das werden wir dann sehen!)


Konsolidierung und sinnvolle Reformen der sozialen Si-
cherungssysteme schaffen Vertrauen in die Zukunft und
stärken das Wachstumspotenzial unseres Landes. Des-
halb gibt es zu unserer Politik der Erneuerung auf lange
Sicht keine Alternative.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch Gelegen-
heit nehmen, mich abschließend beim Finanzminister
und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seines Hau-
ses für die Zusammenarbeit zu bedanken, ebenso beim
Sekretariat des Haushaltsausschusses.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich schließe in diesen Dank alle Mitglieder des Haus-
haltsausschusses ein, auch wenn das Abstimmungsver-
halten unterschiedlich war. Mein besonderer Dank gilt
unserem Vorsitzenden, der sicherlich zu einem positiv
veränderten Klima bei den Beratungen beigetragen
hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir wissen auch zu schätzen, dass Sie bereit waren, den
Antrag mitzutragen, die Beratungen des Haushalts, die
inhaltlich nicht reduziert werden, um einen Tag zu ver-
kürzen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das Kompliment geben wir gern zurück!)


Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503300900


Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Günter Rexrodt
für die FDP-Fraktion.


Dr. Günter Rexrodt (FDP):
Rede ID: ID1503301000


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Kollege Schöler, Sie haben in der Sache den Mund wirk-
lich sehr voll genommen. Sie haben von Doppelzüngig-
keit gesprochen. Wer ist denn hier doppelzüngig? Auf
der einen Seite sprechen Sie vom Festhalten am Konsoli-
dierungskurs und von Stabilität. Auf der anderen Seite
knüpft der Herr Bundesfinanzminister das Einhalten der
Defizitkriterien an Voraussetzungen und Bedingungen,
von denen wir alle wissen, dass sie nicht einzuhalten
sind.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir brauchen uns in diesem Land nur umzuschauen:
Wer erwartet in diesem Jahr 1 Prozent Wirtschafts-
wachstum und keinen signifikanten Anstieg der Arbeits-
losigkeit? Sie wollen 2,1 Milliarden Euro durch die so
genannte Steueramnestie einnehmen. Außerdem gehen
Sie in Ihrem Rechenwerk davon aus, dass rund
1,6 Milliarden Euro durch das so genannte Steuerver-
günstigungsabbaugesetz eingespart werden.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Das ist lächerlich!)


Das ist schon an einer Hürde gescheitert und wird bald
endgültig scheitern.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das ist auch gut so!)


Das Rechenwerk ist mit dem Vorlegen des Haushalts
heute schon Makulatur, Herr Bundesfinanzminister.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Deutschland wird die Defizitkriterien von Maastricht
wieder nicht einhalten. Wir haben unsere Schularbeiten
nicht gemacht. Die Finanzpolitik, einstmals das Vorzei-
geprojekt rot-grüner Politik, ist kläglich gescheitert.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Der Bundeskanzler hat am letzten Freitag in seiner
spät- und halbeinsichtigen Grundsatzrede wie folgt for-
muliert:

Deshalb halten wir am Ziel der Haushaltskonsoli-
dierung ... fest. Nur: Dieser Pakt darf nicht statisch
interpretiert werden.


(Elke Ferner [SPD]: Recht hat er!)


Er lässt Raum ... für Reaktionen auf unvorhergese-
hene Ereignisse.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist eine falsche und höchst gefährliche Aussage,


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Unsinn!)


abgesehen davon, dass an der wirtschaftlichen Entwick-
lung hier in Deutschland nichts unvorhergesehen war.
Wir haben es vielmehr seit langem gewusst und davon
gesprochen.


(Lothar Mark [SPD] Aber nichts gemacht!)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. Günter Rexrodt
Das Entscheidende, Herr Kollege Mark, ist: Der
Stabilitäts- und Wachstumspakt lässt keinen anderen
Spielraum als den des Einsatzes der so genannten auto-
matischen Stabilisatoren.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Das sind bestimmte zinspolitische, fiskalpolitische und
ausgabenpolitische Maßnahmen


(Elke Ferner [SPD]: Wir wissen das!)


mit dem Ziel, die vorgegebenen Defizitkriterien einzu-
halten, aber nicht zu verletzen, wie Sie das wollen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es widerspricht dem Geist und den Buchstaben dieses
Vertrages, hier Raum für Interpretation zu sehen. Das ist
Mauschelei und ein Zerstören von wichtigen Basisele-
menten der Wirtschafts- und Finanzpolitik.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Weil ich hier riesige Gefahren sehe, will ich mit gro-
ßem Nachdruck sagen, was von Rot-Grün an dieser
Stelle hineingemogelt wird. Die Bundesbank, eine, wie
wir wissen, in der Spitze sozialdemokratisch besetzte In-
stitution, schreibt in einem Papier vom Februar dieses
Jahres – also ganz aktuell –:

Nur eine klare finanzpolitische Linie, die eine auf
Ausgabenbegrenzung ausgerichtete ... Konsolidie-
rungsperspektive aufweist, kann bei Konsumenten
und Investoren bestehende Befürchtungen weiterer
Belastungen seitens der Finanzpolitik ausräumen
und ... Vertrauen schaffen.


(Lothar Mark [SPD]: Genau das machen wir!)


Das klingt ein bisschen wissenschaftlich, aber es trifft
den Nagel auf den Kopf. Die deutsche Wirtschaft leidet
unter einer Vertrauenskrise. Die Verbraucher sind verun-
sichert. Deutschland ist gegenüber seinen Partnerländern
zurückgefallen.

Die Realität des Jahres 2003, Herr Eichel, wird darin
bestehen, dass wir einen Nachtragshaushalt haben wer-
den, verbunden mit einer signifikanten Erhöhung der
Nettoneuverschuldung. Das ist so sicher wie das Amen
in der Kirche.

Wenn es nach Herrn Fischer ginge, dann würden die
Kosten für die Aufrüstung in Europa – er begründet das
europapolitisch – auch noch eingebaut werden. Das kos-
tet Geld.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)


So sicher wie das Amen in der Kirche werden wir eine
höhere Nettoneuverschuldung und einen Nachtragshaus-
halt haben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie müssen da gar nicht so erstaunt schauen. Das ha-
ben wir schon in der letzten Haushaltsdebatte gesagt. Sie
haben das zurückgewiesen; aber es ist eingetreten und es

wird wieder eintreten. Wir bedauern das. Einen solchen
Haushalt unter diesen Bedingungen vorzulegen und
dann noch davon zu sprechen, die Kriterien einhalten zu
können, ist einfach eine Täuschung des Parlaments und
der Öffentlichkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Denken Sie an meine Worte: Es wird kein Jahr dauern,
Herr Eichel.

Die Bundesregierung ist im Übrigen nicht nur in der
Finanzpolitik, ihrem Vorzeigeprojekt, sondern vor allem
auch – die Finanzpolitik liefert hierfür den rechentechni-
schen Nachweis – in der Wirtschafts- und Arbeitsmarkt-
politik gescheitert.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Leider wahr!)


Arbeitsplätze entstehen dann, wenn ausreichend in-
vestiert wird.


(Lothar Mark [SPD]: Aber wir können nicht investieren bei den hohen Zinszahlungen! Wir zahlen 40 Milliarden Zinsen!)


Die Investitionsneigung in unserem Lande ist seit Jahren
zu niedrig und in letzter Zeit sogar rückläufig. Investitio-
nen leiden unter Unsicherheit. Sie werden wegen einer
unsteten, unkalkulierbaren und widersprüchlichen Politik
verzögert oder unterlassen. Investitionen versprechen zu
wenig Ertrag. Die Politik der Unstetigkeit geht auf die
Bundesregierung und die rot-grüne Koalition zurück.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich bin so fair, zu sagen: Sie haben es mit Ihren unseli-
gen Arbeitsmarktgesetzen – das war 1999 und 2000 –,
mit Ihrer am Ende als ungerecht und verkorkst wahrge-
nommenen Steuerreform, mit Ihrer bürokratischen Ren-
tenreform und mit Ihrem Unvermögen, die Lohnneben-
kosten, so wie Sie es lauthals angekündigt hatten, zu
senken – die Aufzählung dieser Versäumnisse ließe sich
beliebig fortsetzen –, nicht auf diese Unsicherheit ange-
legt. Aber zu verantworten haben Sie sie.

Vorhalten lassen müssen Sie sich in diesem Zusam-
menhang, Herr Kollege Schöler, dass jeder Reforman-
satz der alten Koalition in der Steuerpolitik, in der Sozi-
alpolitik und in der Ostförderung – ich gebe zu, da war
nicht alles Gold, was glänzte – von den Sozialdemokra-
ten und den Grünen mit demagogischen Argumenten be-
kämpft und blockiert worden ist. All das, was verändert
werden sollte, wurde blockiert und mit demagogischen
Argumenten in die Ecke gestellt. So kann man keine Po-
litik betreiben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nun muss und will der Bundeskanzler – wir haben
seine Rede vom Freitag letzter Woche noch im Ohr –
dieses Land in eine andere Richtung bewegen. Halbher-
zig muss er das tun. Wir Liberalen haben seit vielen Jah-
ren davon gesprochen, was zu tun und was zu lassen ist.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Gesprochen“ ist richtig! – Elke Ferner Dr. Günter Rexrodt [SPD]: 16 Jahre lang! – Weiterer Zuruf von der SPD: Was war denn zu Ihrer Regierungszeit?)





(A) (C)


(B) (D)


Sie bewegen sich nun in diese Richtung; das ist der
Punkt. Sie wollen doch nicht etwa sagen, dass Sie sich in
lafontainesche Kategorien begeben? Sie begeben sich in
Kategorien, die von der anderen Seite des Hauses seit
Jahren vertreten werden. Nur, Sie tun sich schwer dabei;
das merken wir.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wie schreibt die Bundesbank: Die hartnäckige Wirt-
schaftsflaute habe tief greifende gesellschaftspolitische
Ursachen. Kennzeichnend dafür seien eine niedrige Ge-
burtenrate


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die gibt es erst seit Rot-Grün? So ein Quatsch!)


und überzogenes Anspruchsdenken. Die „verbandsstaat-
lichen und exekutiv-konsensualen Formen der Politik
verhindern vielfach notwendige Reformen; die Folgen
sind Beharrung und Besitzstandsdenken“.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Meine Damen und Herren, die Bündnisse für alles
und jedes waren erklärtermaßen Kernpunkt der Politik in
der vorigen Legislaturperiode. Diese Bündnisse für alles
und jedes und damit auch Ihre Politik sind gescheitert.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nun soll alles besser werden, hat der Bundeskanzler
gesagt;


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Recht hat er!)


zunächst einmal mit einem Konjunkturprogramm.
Dies wird – bei der KfW – kreditfinanziert; die dafür
notwendigen Zinsverbilligungen kommen aus dem
Haushalt. In Bezug auf den Wohnungsbau wird nichts
passieren; da wird es Mitnahmeeffekte geben. Bei den
Kommunen wird deshalb nichts geschehen, weil die
Kommunen hoch verschuldet sind und diese Kredite gar
nicht bedienen können.

Sie sagen – zunächst noch folgerichtig –: Wir wollen
die Finanzlage der Kommunen verbessern. – Das ist
schön. Wir waren aber immer der Meinung, dass man die
Finanzlage der Kommunen dadurch verbessern sollte,
dass die Gewerbesteuer abgeschafft und den Kommunen
ein Hebesatzrecht bei der Einkommensteuer und der
Körperschaftsteuer eingeräumt wird. Das tun Sie nicht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie wollen bei der Gewerbesteuer Veränderungen vor-
nehmen; das wird wieder nach hinten losgehen. Herr Ei-
chel, ich sage Ihnen: Das ist keine gute Politik.

Nun zur Bundesanstalt für Arbeit. Die Bundesregie-
rung geht von 4,1 Millionen Arbeitslosen aus. Leider

werden wir mehr haben. Zuschüsse aus dem Bundes-
haushalt sind für die Bundesanstalt nicht vorgesehen.
Wenn wir uns die Januar- und Februarzahlen dieser Insti-
tution angucken, dann sehen wir, dass sie aber bereits
darauf hindeuten: Leider wird es gewaltige Zuschüsse
geben müssen, Herr Eichel, die Sie nicht in den Haushalt
eingestellt haben.


(Walter Schöler [SPD]: Warten Sie es doch erst einmal ab!)


Dabei würdige ich positiv die Anstrengungen des
neuen Präsidenten Gerster und seiner Mannschaft,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Na ja!)


diesen traditionsbelasteten Moloch Bundesanstalt für
Arbeit mit Organisations- und Führungsmethoden, die
sich in der Wirtschaft bewährt haben, in einen modernen
Dienstleistungsbetrieb zu verwandeln. Das Konzept der
Personal-Service-Agenturen ist prinzipiell richtig. Ich
glaube auch, dass es bessere Vermittlungserfolge geben
wird, weil ein neuer Wind weht. Das muss gesagt wer-
den. Aber eine bessere Bundesanstalt ist das eine, rich-
tige Weichenstellungen in der Arbeitsmarktpolitik sind
das andere.


(Beifall bei der FDP)


Hier gebietet es wiederum die Fairness, zu sagen, dass
die Rede des Bundeskanzlers wichtige Vorschläge ent-
hält, zum Beispiel die Zusammenfassung von Arbeitslo-
sen- und Sozialhilfe. Es ist richtig, verbesserte Anreize
für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen vorzuse-
hen. Auch bei den Vorschlägen zum Kündigungsschutz
sind erste wichtige Schritte getan worden, aber wie-
derum nur halbherzige. Das Ganze scheitert daran, dass
Sie keine Veränderungen im Tarifrecht wollen, die für
uns Liberale der Kernpunkt für eine Reform des Arbeits-
markts sind.


(Beifall bei der FDP)


Der Flächentarifvertrag schafft eben nicht, wie der Bun-
deskanzler sagt, gleiche Konkurrenzbedingungen in ei-
ner Branche. Er bewirkt das Gegenteil und deshalb be-
darf es gesetzlicher Maßnahmen, um auf betrieblicher
Ebene zu besseren Vereinbarungen zu kommen. Diese
gesetzlichen Veränderungen müssen schnell stattfinden.
Wir haben das immer gefordert. Sie sind der Schlüssel
zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.


(Beifall bei der FDP – Walter Schöler [SPD]: Wir machen mit! Wir machen es!)


Wenn es einen gibt, der mit Herz und Seele dagegen
arbeitet, dann sind es die Gewerkschaften, eine Institu-
tion, der Sie seit Jahrzehnten verbunden sind. Sie sind
mittlerweile eine strukturkonservative Einrichtung.


(Zuruf von der SPD: In welcher Welt leben Sie eigentlich?)


Jede Bewegung und jede Veränderung wird von den Ge-
werkschaften blockiert und das ist die Ursache für die
Arbeitslosigkeit in diesem Land.


(Beifall bei der FDP)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. Günter Rexrodt
Noch einige wenige Bemerkungen in Stichworten,
weil ich nicht mehr Zeit habe: Nichts ist so überfällig
wie die Reform des Rentensystems. Da sind Sie auf hal-
ber Strecke stehen geblieben. Im Gesundheitssystem
sind Sie noch gar nicht voran gekommen. Jetzt verwen-
det der Bundeskanzler Begriffe,


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wo ist er denn?)


die wir seit Jahren predigen: Wettbewerb der Kassen,
Durchforstung der Leistungen, Selbstbehalt und die
Frage, ob es so viele Kassen geben muss. Das alles sagen
wir seit Jahrzehnten. Bei Ihnen ist das alles nur halbher-
zig.


(Elke Ferner [SPD]: Warum haben Sie denn 16 Jahre lang geruht?)


Ich bin Liberaler. Wir haben immer dafür gekämpft.


(Beifall bei der FDP – Lachen bei der SPD)


Wir haben auch in der Union nicht immer den notwendi-
gen Rückhalt gehabt, aber wir haben es immer gewollt
und immer dafür gekämpft.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP], an die SPD gewandt: Sie wollen es doch gar nicht! Wo ist denn die Vorlage?)


Nur ihr habt auf einen Schelm immer anderthalbe ge-
setzt. Und jetzt geht ihr kleinlaut und halbherzig diesem
Kurs hinterher. Das ist die Tatsache.


(Beifall bei der FDP)


Meine Damen und Herren, dieser Bundesregierung
sieht man an: Sie sind die Getriebenen, nicht die Trei-
benden. Das gilt auch für Sie, Herr Eichel, der Sie uns
ein Rechenwerk vorlegen, an das Sie selbst nicht glau-
ben können. Das Parlament müsste Ihnen bei diesem
Haushalt antworten: Thema verfehlt, Wiedervorlage in
drei Monaten auf realistischer Grundlage.


(Beifall bei der FDP)


Wir Freien Demokraten sagen Ihnen das heute, wir
sagen es Ihnen sehr deutlich


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Es wird auch so kommen!)


und Sie werden sehen, dass wir leider Recht haben wer-
den, Herr Eichel, weil Sie mit Ihrer Politik, auch mit Ih-
rer Finanzpolitik, vor allem aber mit Ihrer Wirtschafts-
und Arbeitsmarktpolitik, total gescheitert sind. Jetzt sind
Sie die Getriebenen. Die Menschen im Lande sehen das
und halten Sie nicht mehr für glaubwürdig.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1503301100


Das Wort hat jetzt die Kollegin Antje Hermenau vom
Bündnis 90/Die Grünen.


Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503301200


Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
Es sind ziemlich ernste Zeiten, in denen wir über den
Bundeshaushalt debattieren. Um das Gedächtnis der
FDP aufzufrischen:


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Zwischen 1982 und 1998 sind die Lohnnebenkosten von
34 Prozent auf 42 Prozent angestiegen, Herr Rexrodt.
Wahrscheinlich haben Sie das vergessen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es liegt ja auch schon fünf Jahre zurück.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Herr Rexrodt hat hart gearbeitet, dass es so hoch geht!)


Nachdem ich mir Ihre Rede angehört habe, muss ich
sagen: Sie haben ein solides Feindbild; daran haben Sie
jahrelang gemeißelt, spätestens seit fünf Jahren sind Sie
an der Arbeit. Aber das hilft uns hier nicht weiter.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Der Haushalt ist in einer schwierigen Lage. Es gab
schon früher schwierige Haushaltsjahre: Die deutsche
Einheit musste verkraftet werden;


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ach, nein?)


1997 ging es um Maastricht. Auch dieses Jahr war
schwierig. Ich bin lange genug im Ausschuss, um das
einschätzen zu können.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Was war es denn diesmal?)


Herr Rexrodt, wir sind nicht mit dem Prinzip der
Nachhaltigkeit gescheitert, jetzt muss es sich bewähren.
Die Debatte darüber – das gebe ich gern frank und frei
zu – hat in beiden Koalitionsfraktionen fast ein halbes
Jahr gedauert. Wir haben aber die Kraft und den Mut
aufgebracht, um am Prinzip der Nachhaltigkeit der
Staatsfinanzen festzuhalten, damit das öffentliche Leben
solide und tragfähig finanziert werden kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Und wie habt ihr das geschafft?)


Das manifestiert sich auch im Haushalt 2003. Das er-
kennen Sie daran, dass wir an der Nettoneuverschuldung
von 18,9 Milliarden Euro festgehalten haben, obwohl es
viele gab, auch in den eigenen Reihen, die gern mehr
Schulden aufgenommen hätten. Wir werden versuchen,
das Niveau zu halten.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Obwohl die Realität eine andere ist!)


Wir haben versucht, das Sparpaket umzusetzen. Sie
haben Störfaktoren eingebracht, indem Sie im Bundesrat
versuchten, den Steuervergünstigungsabbau zu hinter-
treiben. Wir mussten das im Haushalt schultern und noch
mehr Einsparungen vornehmen, um Ihre Drohgebärden
zu verarbeiten. Aber auch das haben wir gemacht.






(A) (C)



(B) (D)


Antje Hermenau

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben sogar Zukunftsinvestitionen stabilisieren
können. Das betrifft die Bereiche Integration – sie
müsste Ihnen eigentlich politisch am Herzen liegen –, er-
neuerbare Energien, Mittelstandsförderung und Ganz-
tagsschulen.


(Walter Schöler [SPD]: Alles Fremdwörter!)


Damit ist ein wesentlicher Punkt für das strukturelle De-
fizit benannt. Wenn man die Ganztagsbetreuung nicht
gewährleisten kann, steht man automatisch vor dem Pro-
blem, dass Frauen keiner Beschäftigung nachgehen und
damit am Bruttosozialprodukt nicht teilhaben können.


(Walter Schöler [SPD]: Alles Fremdwörter für die Union!)


Vergleichen wir uns doch mit Frankreich: Dort ist die
Frauenerwerbsquote eine ganz andere als in Deutsch-
land. Das hat etwas mit Ganztagsbetreuung zu tun, ob
Ihnen das politisch passt oder nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das ist doch Sache der Länder! Gebt ihnen das Geld! – Dagmar Wöhrl [CDU/ CSU]: Gebt den Ländern das Geld! Warum tut ihr es nicht?)


Da gerade auf der Investitionsquote herumgehackt
wurde, möchte ich einen Vergleich zwischen den kon-
sumtiven Ausgaben und den Investitionen vornehmen
– das wird ein historischer Exkurs –: 1995 lagen die In-
vestitionen bei 38 Milliarden Euro, das ist eine Menge
Geld. 1998 wurden sie bereits von der alten Regierung
auf 29,2 Milliarden Euro herunterkorrigiert,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wo lagen sie im letzten Jahr?)


und zwar aus verschiedenen Gründen. Wir fahren seit
drei Jahren einen Konsolidierungskurs in den Haushal-
ten. Trotzdem haben wir in diesem Jahr die Investitionen
auf 26,7 Milliarden Euro,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist weniger als 29 Milliarden Euro!)


also nur ein wenig unter dem Niveau von 1998, festge-
legt. Dazu gehören noch die 3,4 Milliarden Euro – das
wissen Sie auch, Herr Austermann –, die aufgrund des
Investitionsförderungsgesetzes an die Länder verteilt
worden sind.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ein historisches Tief!)


Wenn Sie die noch drauflegen, kommen wir auf über
30 Milliarden Euro. Wenn man ganz fair und sauber
rechnet, kann man noch 2,5 Milliarden Euro abziehen,
die im Flutopferfonds enthalten sind. Das will ich auch
gern machen; denn wir sind dann immer noch bei einer
sehr guten, erklecklichen Investitionsquote von ungefähr
28 Milliarden Euro.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Historisches Tief! Kläglich, nicht erklecklich!)


– Sie können so viel dazwischenbrüllen, wie Sie wollen,
Herr Austermann, die Zahlen sprechen eine eigene Spra-
che.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist richtig! – Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Die niedrigste Investitionsquote seit Bestehen der Bundesrepublik!)


Es wurde immer gefragt: Was sind eigentlich Ziel und
Zweck der nachhaltigen Finanzpolitik? Diese Frage hat
die Kanzlerrede beantwortet.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Um Gottes willen!)


Es geht um unsere Zukunft.

Frau Merkel stand hier am Rednerpult und meinte
voller Verve, es gehe der CDU/CSU und ihr um
Deutschland. Wenn man der Rede zugehört und sie mit
der von Herrn Stoiber verglichen hat, dann musste man
sich fragen: Meinte Frau Merkel das vergangene
Deutschland – Herr Stoiber war am vergangenen Freitag
deutlich mehr allgemeinwohlorientiert und zukunftswei-
sender als Frau Merkel.

Offensichtlich haben Sie politisch überhaupt noch
nicht entschieden, ob Sie versuchen wollen, diese Regie-
rung durch Fundamentalopposition – hier muss ich als
Grüne natürlich feixen; Sie werden das verstehen – zu
stürzen – Herr Glos hat es, glaube ich, so formuliert: Die
müssen weg, mit allen demokratischen Mitteln –;


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Guter Satz!)


oder ob Sie begriffen haben, dass die Situation so ernst
ist – das hat Herr Henkel Ihnen bereits nahe gelegt –,
dass Sie jetzt kooperieren müssen, auch wenn Ihnen das
politisch vielleicht nicht gefällt.

Sie wollen gern zurück an die Macht; das kann ich
verstehen, aber im Moment steht das nicht zur Debatte.
Sie können sich aber in produktiver Weise über Ihre Ein-
flussnahme im Bundesrat an der Macht beteiligen, das
steht Ihnen offen und diese Möglichkeit sollten Sie mei-
nes Erachtens auch ergreifen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn wir die Reformen, die der Kanzler zum Teil
in seiner Rede am Freitag angekündigt hat, nicht
durchführen, ergibt sich für die Haushaltsplanung der
nächsten Jahre eine schwierige und düstere Perspek-
tive. Man muss davon ausgehen, dass dann bereits im
Jahre 2006 ungefähr 60 Prozent aller Ausgaben des
Bundes trotz niedrigen Zinsniveaus nur noch für Zins-
zahlungen und für den Rentenzuschuss ausgegeben
werden müssen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das sind heute schon 70 Prozent!)







(A) (C)



(B) (D)


Antje Hermenau
Dann bleiben nur noch 40 Prozent für Investitionen in
die Gegenwart und in die Zukunft. Das ist zu wenig.
Deswegen müssen wir diese Reformen machen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Dann fangt endlich an!)


Der wesentliche Punkt dabei ist: Man muss diese Re-
formen parallel durchführen. Man darf sie nicht in der
Hoffnung auf den nächsten Konjunkturaufschwung
verschieben.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Woher soll der bei dieser Politik denn kommen?)


Ich glaube, das ist die Denkschleife, in der Sie immer
verharren. Das ist genau der Fehler.

Die Menschen – egal in welchem Land – haben längst
begriffen, dass die fetten, friedensreichen Zeiten für die
Industriestaaten offensichtlich erst einmal vorbei sind.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Sie haben begriffen, was Rot-Grün bedeutet! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Rot-Grün macht arm!)


Das erkennen Sie an dem Anwachsen der Sparquoten; üb-
rigens auch in Amerika. Die Sparquote ist im letzten Jahr
auch in den USA gestiegen und das ist ein ganz untypi-
sches Verhalten für den amerikanischen Konsumenten.

Wenn man das weiß, kann man nicht mit Rezepten
aus den 70er-Jahren versuchen, irgendwelche Strohfeuer
zu entfachen, sondern man muss nachhaltig sowie solide
und tragfähig durchfinanzieren und die Reformen ma-
chen, um die Staatsausgaben auf Dauer senken zu kön-
nen. Das ist kein schöner Prozess, er ist aber überlebens-
notwendig. Deswegen packen wir ihn an.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Bei den letzten zwei Jahrzehnten der deutschen Finanz-
politik handelt es sich um eine Geschichte des Anhäufens
von Schulden und des Hoffens auf bessere Zeiten. Es gab
eine Art Verschuldungsoptimismus, der immer darin gip-
felte, dass man seine Finanzpolitik nach den Konjunktur-
zyklen ausrichtete. Das muss man durchbrechen. Denn
unabhängig von den Konjunkturzyklen ist die Verschul-
dung immer stetig angewachsen. Damit hat man das Pro-
blem für jeden deutlich erkennbar beschrieben: Die klassi-
schen Instrumente versagen inzwischen. Das haben Sie an
Japan und auch an den USA gesehen.

Inzwischen steuert auch Frankreich um. In den letzen
Tagen hat der französische Finanzminister Mer deutlich ge-
macht, dass jetzt auch darüber diskutiert wird, ob man das
Steuersenkungspaket, das Präsident Chirac versprochen
hat, wirklich durchführen kann. Es werden Ausgabenkür-
zungen vorgenommen. Das wurde bereits angekündigt. Ich
wette mit Ihnen: Spätestens zum Jahresende werden wir
auch aus Paris Ankündigungen einer Strukturreform hören.

Die Konservativen in Frankreich haben sich längst
der Diskussion über eine nachhaltige Finanzpolitik ange-
schlossen. Die einzige konservative Partei in Europa, die

ich kenne und die das noch nicht macht, ist die CDU/
CSU in Deutschland.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist ja nicht mehr ernst zu nehmen!)


Es ist ganz wesentlich, sich die zwei Prozesse vor Au-
gen zu führen, die mit unterschiedlichem Tempo und un-
ter unterschiedlicher Verantwortung laufen. 1997, dem
Maastricht-Jahr, haben wir einen Teil unserer Haushalts-
kompetenz nach Brüssel abgegeben. Das weiß auch je-
der. Das hatte auch seine Vorteile. So ist zum Beispiel
die Gemeinschaftsverpflichtung auf bestimmte Ziele
sehr segensreich, sodass die Nationalregierungen versu-
chen müssen, Kurs zu halten, weil man in der Gruppe
sonst immer wieder rechtfertigen muss, warum man das
nicht tut. Das halte ich für sehr vernünftig. Demgegen-
über muss zum Beispiel bei externen Schocks wie jetzt
vielleicht einem anhaltend hohen Ölpreis und anderen
Dingen durch die Irakkrise in Brüssel eine gemeinsame
Lösung für einen Konjunktureinbruch im Euroraum ge-
funden werden.

Heute treffen wir hier die Berliner Entscheidung über
den nationalen Haushalt, der nach bestem Wissen und Ge-
wissen sowie Einschätzungsvermögen das widerspiegelt,
was im Moment Realität ist. Sie werden verstehen, dass
Konjunkturfragen, die sich aus der Irakkrise ergeben, in
Brüssel und frühestens im Sommer, wenn man einschätzen
kann, welche Auswirkungen diese Krise auf den EU-Raum
wirklich gehabt hat, beantwortet werden. Insofern halte ich
es für unredlich, diese beiden Debatten miteinander zu ver-
mischen und uns zu unterstellen, dass wir den Konsolidie-
rungskurs verlassen würden. Das trifft einfach nicht zu.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Den haben Sie gar nicht richtig beschritten! Sie sind ja noch gar nicht drauf!)


Einen Teil der finanz- und strukturpolitischen Souve-
ränität haben wir an die EU abgegeben. Den anderen Teil
müssen wir selber wahrnehmen. Ich habe mir einmal an-
gesehen, wie Mitte der 80er-Jahre der Dollarkurs dras-
tisch eingebrochen ist, weil es in den Vereinigten Staaten
von Amerika ein Zwillingsdefizit gegeben hat, also ein
Haushaltsdefizit und ein Leistungsbilanzdefizit. Das
heutige Haushaltsdefizit der USA ist ein bisschen niedri-
ger als damals; jedoch ist das heutige Leistungsbilanzde-
fizit sogar noch höher. Das kann heißen, dass die USA
damit für Europa als langfristiger Konjunkturmotor aus-
fallen. Das müsste Ihnen eigentlich klar sein.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Um so mehr brauchen wir einen eigenen Boom!)


Ich habe vorhin von einem Ansteigen der Sparquote
der amerikanischen Bevölkerung gesprochen. Asien hat
sich noch nicht erholt. Asien hat vor zehn Jahren, als ein
Krieg ausbrach, den Rückgang der US-Konjunktur auf-
fangen müssen und kann das nicht noch einmal.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Trotzdem ist der Export der einzige Motor, der läuft!)







(A) (C)



(B) (D)


Antje Hermenau
Das alte Europa hat sich – wie ich finde – diesem
Krieg im Irak nicht nur aus politischer Weitsicht, son-
dern auch aus ökonomischer Klugheit verweigert. Ich
finde, das ist völlig korrekt. Dieses Argument ist ange-
messen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Schon im Maastricht-Vertrag ist festgelegt, wie man
damit umgehen muss, wenn im europäischen Konjunk-
turraum ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um
mindestens 0,75 Prozentpunkte zu verzeichnen ist. Diese
Situation könnte – das habe ich schon erwähnt – in die-
sem Jahr durchaus eintreten. Man könnte, wenn man
wollte – das ist schon jetzt geregelt; man muss nichts än-
dern –, die strikte Ausgabendisziplin aussetzen. Ich halte
aber nichts davon, im Kaffeesatz zu lesen, um herauszu-
finden, ob und inwieweit Effekte auf den europäischen
Konjunkturraum durchschlagen werden. Wenn nur ein-
zelne Länder betroffen sind, dann müssen nur diese da-
mit umgehen. Wenn dagegen wirklich der gesamte EU-
Raum betroffen sein sollte, dann muss es eine EU-weite
Regelung dazu geben. Das ist aber vielleicht erst im
Frühling oder im Sommer zu erwarten.

Das darf man, wie ich glaube, aber nicht als Freibrief
benutzen. Das gilt auch für unsere Bundesländer. Wenn
ich mir ansehe, was im Rahmen des nationalen Stabili-
tätspakts versucht wurde festzulegen, dann muss ich
feststellen, dass das vollkommen unbefriedigend ist. Es
gibt keine Sanktionsbewehrung. Der Ministerpräsident
von Sachsen, Herr Milbradt, hat den Vorschlag gemacht,
eine Sanktionsbewehrung einzuführen. Die Bundeslän-
der, die mehr Schulden machen, als sie eigentlich dürf-
ten, müssten dann Strafe zahlen, so wie das Deutschland,
Frankreich oder Portugal eventuell in Brüssel machen
müssen.

Eine Sanktionsbewehrung gibt es allerdings nicht.
Man hat sich nur darauf geeinigt, dass der Bund
45 Prozent zum Defizit beitragen dürfe und die Länder
55 Prozent. Diese 55 Prozent wurden unter den Ländern
aber nicht aufgeteilt. Kein Land weiß also genau, wie
viele Schulden es machen darf.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Die Roten machen jedenfalls am meisten!)


Jedes Land wurstelt nur so vor sich hin. Mecklenburg-
Vorpommern hat bereits erklärt, dass es in diesem Jahr die
angestrebte Höhe der Neuverschuldung deutlich über-
schreiten werde. Niedersachsen hat einen Doppelhaushalt
gemacht und befindet sich auch in 2003 empfindlich nah
an der Maastricht-Grenze. Auch in Hessen ist das der Fall.
So kann es aber natürlich nicht funktionieren.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1503301300


Frau Kollegin Hermenau, erlauben Sie eine Zwi-
schenfrage des Kollegen Schauerte?


Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503301400


Ich glaube, dass der Kollege Schauerte nach meiner
Rede sicherlich eine Kurzintervention machen wird. Ich

will nun keine Frage von ihm beantworten. Wir diskutie-
ren schon oft genug miteinander.

Für mich ist es wesentlich, darauf zu achten, dass die
Bundesländer ihrer Verantwortung nachkommen. Ich
habe Ihnen schon gesagt: Das haben auch Sie in der
Hand. Sie können mitmachen. Sie werden in Ihrer Frak-
tion – es war doch kein Zufall, dass Frau Merkel und
Herr Stoiber am Freitag so unterschiedlich akzentuierte
Reden gehalten haben –


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Bauen Sie doch keinen Popanz auf!)


noch Diskussionen darüber führen müssen, wie produk-
tiv Sie mitarbeiten oder wie lange Sie sich noch verwei-
gern wollen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ich darf noch nicht einmal eine Frage stellen!)


Das müssen Sie entscheiden. Ihre Haltung wird sich aber
im nationalen Stabilitätspakt niederschlagen. In diesem
Rahmen werden wir sie erkennen.

Ich komme noch einmal auf die Nebelkerzen zu spre-
chen, die hier gerne geworfen werden. Ich gehe nicht nä-
her auf die „Bild“-Zeitung ein, die versucht hat, zu sug-
gerieren, dass es nur darum gehen müsse, die Steuern zu
senken. Die Steuerquote in Deutschland liegt im Mo-
ment bei 21,5 Prozent. Diese Höhe ist nicht problema-
tisch. Das wirkliche Problem ist die Abgabenlast. Das
hat die FDP messerscharf erkannt; Herr Thiele hat das in
der ersten Lesung deutlich gesagt. Das ist völlig korrekt:
Wir haben nicht unbedingt ein Problem mit den Steuern,
sondern ein Problem mit den Lohnnebenkosten. Insofern
ist die Opposition hinsichtlich des Abbaus der Steuerver-
günstigungen nicht ganz stringent. Die Lohnnebenkosten
sind zwischen 1982 und 1998 – das habe ich eben schon
beschrieben – von 34 auf 42 Prozent angestiegen. Dage-
gen hat die FDP zumindest nicht lautstark protestiert.
Das müssen Sie konzedieren, Herr Thiele. Das muss
man festhalten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Walter Schöler [SPD]: Da war Herr Brüderle ja noch gar nicht da!)


Wenn Sie sich die Reformagenda ansehen, dann müs-
sen Sie feststellen, dass die Haushälter ihr Ziel eingehal-
ten haben und einen sehr knapp bemessenen Haushalt
vorgelegt haben. Wir hatten in beiden Koalitionsfraktio-
nen viele Anfeindungen auszuhalten; denn jeder wollte
gerne ein wenig mehr an Bewegungsspielräumen haben.
Wir haben strenge Vorgaben gemacht. Es ist ein Spar-
haushalt und deswegen knapp bemessen. Das war die
Voraussetzung dafür, dass die Reformagenda klar und
deutlich formuliert werden konnte. Natürlich werden wir
keinen Zuschuss für die BA einstellen, damit der Re-
formdruck erhalten bleibt. Wir wollen doch nicht so tun,
als ob wir unseren eigenen Reformen nicht trauen wür-
den. Das hätten Sie vielleicht gerne, aber wir sehen das
anders. Wir wollen erreichen, dass die Reformen umge-
setzt werden.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das hat mit Realität nichts zu tun!)







(A) (C)



(B) (D)


Antje Hermenau
– Herr Austermann, abgerechnet wird am Schluss. Das
wissen Sie. Am 31. Dezember 2003 reden wir weiter.

Die Reformagenda ist der richtige Weg. Herr Rürup
wird heute mit der Schlagzeile in der „Financial Times“
zitiert, er wolle gerne die jungen Arbeitnehmer spürbar
entlasten. Das ist genau der Punkt, auf den es ankommt.
Darum geht es bei der Absenkung der Lohnnebenkosten.
Darum geht es, wenn wir darüber sprechen, dass Struk-
turreformen vorgenommen werden müssen. Die Abga-
benlast muss abgesenkt werden. Arbeit muss billiger
werden. Sie können zu Recht behaupten, das hätten Sie
schon immer gesagt. Dagegen habe ich nichts einzuwen-
den. Aber man muss es auch tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die FDP hat letzte Woche einen Entschließungsantrag
zur Rede des Bundeskanzlers eingebracht.


(Rainer Brüderle [FDP]: Sehr gut! – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Guter Antrag!)


In diesem Antrag steht:

Subventionen und Zuwendungen müssen umge-
hend linear um 20 Prozent gekürzt werden.

Das klingt superschick und richtig sparpolitisch.

Die größte Zuwendung in Deutschland ist der Ren-
tenzuschuss, den wir aus dem Bundeshaushalt finanzie-
ren.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Wer hat den erhöht?)


Ich habe einmal ausgerechnet, was die Umsetzung Ihres
Antrages bedeuten würde. Bei den Zuwendungen zum
Rentenzuschuss würde es zu Kürzungen in Höhe von
16 Milliarden Euro kommen.


(Elke Ferner [SPD]: Die wollen den Rentnern ans Geld! – Gegenruf des Abg. Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ach Gottchen!)


Das würde bedeuten, dass die Renten innerhalb weniger
Monate um 7,5 Prozent gekürzt würden. Bei einer unter-
stellten Rente von 500 Euro ergäbe sich eine Kürzung
um 37,5 Euro und bei einer Rente von 1 000 Euro ergäbe
sich eine Kürzung um 75 Euro. Wir reden nicht von ei-
nem langsamen Anstieg oder von Nullrunden. Ich sage
es ganz konkret: Sie wollen die Renten um 7,5 Prozent
kürzen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Jetzt wissen wir endlich, was ein Milchmädchen ist! – Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Da haben Sie sich aber verrechnet!)


Das war Ihr Vorschlag in Ihrem Entschließungsantrag.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Eine weitere interessante Sache ist Ihr Vorschlag, die
Subventionen zu kürzen. Die Chance hatten Sie. Die
größte Subvention ist mit 8 Milliarden Euro die Eigen-
heimzulage.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Dass Ihnen das aus ideologischen Gründen nicht passt, kann ich verstehen!)


Sie vergleichen sie immer mit der Steinkohlensubven-
tion. Diese ist deutlich niedriger als die Eigenheimzulage.

Die Union kam im Haushaltsausschuss mit sehr vie-
len Erhöhungsanträgen


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Und Kürzungsanträgen!)


und hat in der Endrunde bei der allgemeinen Finanzpla-
nung und Bundesschulden versucht, dem mit unsoliden
Finanzierungsvorschlägen entgegenzutreten. Bei den Ge-
währleistungen haben Sie eine Einnahmeverbesserung
von 1 Milliarde Euro vorgeschlagen. Das ist massiv kon-
junkturabhängig. Herr Austermann, hier widersprechen
Sie sich selber; das ist unsolide. Wenn Sie zweifeln, dass
sich die Konjunktur erholt, können Sie nicht mit Hinweis
auf die Konjunktur eine Einnahmeverbesserung bezogen
auf die Gewährleistung vorschlagen; das geht nicht.

Des Weiteren haben Sie eine Absenkung des Disagios
vorgeschlagen und eine globale Minderausgabe ein-
gebracht. Das war eine klare Unterveranschlagung der
Zinsausgaben. Auch das ist unsolide. Wir haben schon
niedrige Zinsen. Viel niedriger werden sie nicht mehr.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Wer hat die denn am Montag gekürzt?)


Bei der IT-Ausrüstung haben Sie eine globale Minder-
ausgabe vorgeschlagen. Das ist die Rasenmähermethode.
Meine Meinung ist: Wenn man die Bürokratie effizienter
machen und den Bürokratieabbau vorantreiben will,
dann sollte man den Mitarbeitern nicht die Computer
wegnehmen. Das kann aber jeder für sich entscheiden.

Heute stand in der Zeitung, das Kardinal Georg
Sterzinsky zur Finanzkrise des Berliner Erzbistums ge-
sagt hat:

Ich gestehe, dass ich notwendige Entscheidungen
nicht getroffen oder nicht durchgesetzt habe.


(Walter Schöler [SPD]: Das ist auch ein Schwarzer! – Dr. Günter Rexrodt [FDP]: So weit ist Herr Eichel noch nicht!)


Diese Entschuldigung ist nobel. Alle Parteien in diesem
Haus sollten jetzt genug Mut und Kraft aufbringen, um
sich auch so verhalten zu können.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Eichel muss jetzt die Osterbeichte ablegen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1503301500


Das Wort hat jetzt der Kollege Friedrich Merz von der
CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(B) (D)


Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1503301600


Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Vielleicht geht es dem einen oder anderen so wie
mir. Ich habe in diesen Minuten das Gefühl, dass im
Deutschen Bundestag zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich
andere Themen diskutiert werden müssten als der
Bundeshaushalt 2003 in zweiter und dritter Lesung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wenn ich Sie alle hier so sehe – vor allem die Regie-
rungsbank –, dann kann ich mich des Eindrucks nicht er-
wehren, dass es Ihnen vielleicht ganz recht ist, dass diese
Karikatur eines Bundeshaushaltes in dieser Woche im
Schatten einer internationalen Krise durchgebracht wer-
den kann, ohne dass es die verdiente öffentliche Auf-
merksamkeit findet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unangemessen! – Walter Schöler [SPD]: Das ist eine Unverschämtheit! Das ist eine typisch merzsche Unverschämtheit! Lümmel!)


Meine Damen und Herren, die Trostlosigkeit des
Haushaltes wird nur noch durch die Trostlosigkeit derer,
die auf der Regierungsbank Platz genommen haben, un-
terboten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein Bundesminister und eine Hand voll Staatssekretäre
zeigen, wie ernst die Regierung der Bundesrepublik
Deutschland diese Debatte nimmt.


(Hans Eichel, Bundesminister: Hier sitzen 100 Prozent Minister mehr!)


– Entschuldigung, Herr Minister, hier sitzen zwei Bun-
desminister. Immerhin sind wir jetzt bei 10 Prozent des
Bundeskabinetts angekommen. Ich gratuliere Ihnen
herzlich.


(Walter Schöler [SPD]: Auch das ist falsch gerechnet! Es ärgert Sie vielleicht, dass das Kabinett für Sie nicht anwesend ist!)


Wenn der Bundesfinanzminister gleich das Wort er-
greift, werden wir hier vermutlich wieder einige der in
mehreren Reden lang erprobten und vorgestanzten For-
mulierungen über die Solidität der Staatsfinanzen und
den guten Weg, auf dem wir uns alle befinden, seit Rot-
Grün dieses Land regiert, hören. Vielleicht erlauben Sie
mir, zu dem, was gleich von ihm zu erwarten ist – Herr
Eichel hat in der Regel immer dieselbe Rede in der Ta-
sche, wenn er hier ans Rednerpult geht –, einige Bemer-
kungen zu machen. Sie werden behaupten, dass wir seit
dem Regierungswechsel 1998 auf dem Weg heraus aus
der Schuldenfalle sind. Herr Bundesfinanzminister, seit
Sie Ihr Amt von Ihrem Vorgänger Oskar Lafontaine
übernommen haben, haben Sie den Gesamtschulden-
stand des Bundes nicht gesenkt, sondern drastisch er-
höht. Sie haben einen Schuldenstand von 743 Milliarden
Euro übernommen. Ausweislich Ihrer Finanzplanung für
das Jahr 2003 liegt der zu erwartende Schuldenstand bei
814 Milliar-den Euro. Sie müssen damit rechnen – da-

rauf komme ich gleich zu sprechen –, dass sich dieser
Schuldenstand um noch einmal 10 Milliarden Euro er-
höht.


(Walter Schöler [SPD]: Noch ein Prophet!)


Das heißt im Klartext: Vier Jahre Rot-Grün haben dafür
gesorgt, dass die Gesamtverschuldung des Bundes um
rund 80 Milliarden Euro angestiegen ist. So sieht der rot-
grüne Weg aus der Schuldenfalle aus.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nun haben wir alle am letzten Freitag eine große
Rede des Herrn Bundeskanzlers gehört.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Erwartet, nicht gehört!)


– Richtig, nach seinem eigenen Urteil. Wenn ihn schon
keiner lobt, dann muss er sich eben selbst loben. Das hat
er am Wochenende dann auch getan; er hat sich ja selbst
Noten gegeben.

Wir haben eine große Rede erwartet; er selbst meint,
eine große Rede gehalten zu haben. Wir haben uns am
Wochenende die Frage gestellt: Was haben die Ausfüh-
rungen des Bundeskanzlers nun für Auswirkungen auf
den Bundeshaushalt? Das, was er am letzten Freitag an-
gekündigt hat, wird zum Teil tief greifende Veränderun-
gen haben, die auf den Bundeshaushalt 2003 Auswir-
kungen hätten haben müssen. Aufschluss darüber, wie
ernst die Koalitionsfraktionen diese Rede nehmen, gibt
ein heute vorliegender Änderungsantrag, der sich auf
das Haushaltsgesetz 2003 bezieht. Dort heißt es:

Der Bundestag wolle beschließen:

In § 1

– gemeint ist das Haushaltsgesetz –

wird die Angabe „248 200 000 000“ durch die An-
gabe „248 199 000 000“ ersetzt.

Ende des Änderungsantrages.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Die rot-grüne Koalition nimmt die Rede des Bundes-
kanzlers vom Freitag der letzten Woche so ernst, dass sie
das Haushaltsgesetz des Jahres 2003 um sage und
schreibe 1 Million Euro korrigiert. Wir haben eine wirk-
lich bedeutungsvolle Rede gehört.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das volkswirtschaftliche Wunder, das wir durch diese
Änderung zu erwarten haben, schlägt sich in den Ankün-
digungen nieder, die mit dieser 1 Million Euro verbun-
den sein sollen: Damit sollen 800 Millionen Euro Flut-
hilfe an die Gemeinden zurückgezahlt werden. Damit
soll ein Programm aufgelegt werden, mit dem Investitio-
nen in die Infrastruktur der Gemeinden im Umfang von
7 Milliarden Euro zinsverbilligt werden. Damit soll ein
Programm für die Bauindustrie aufgelegt werden, mit
dem Investitionen in Wohnraum, in Infrastruktur usw. in
Höhe von 8 Milliarden Euro zinsverbilligt werden. Alles
in allem hat das eine volkswirtschaftliche Wirkung von






(A) (C)



(B) (D)


Friedrich Merz
über 15 Milliarden Euro. Demgegenüber steht ein Ände-
rungsantrag mit einem Volumen von 1 Million Euro. In
dieser Bundesregierung sitzen wahre Finanzpolitiker.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Walter Schöler [SPD]: Das ist absolut dummes Zeug!)


Wir werden vermutlich vom Bundesfinanzminister
gleich hören, dass ein großer Teil der Probleme, die im
Bundeshaushalt nach wie vor zu bewältigen sind, mit der
falschen Finanzierung der deutschen Einheit zusam-
menhängt. Die falsche Finanzierung der deutschen Einheit
ist eine Entschuldigung, die nicht nur die rot-grüne Koali-
tion seit viereinhalb Jahren vor sich herträgt, sondern die
in diesen Tagen auch in öffentlichen Meinungsäußerun-
gen von verschiedensten Seiten immer wieder vorgetra-
gen wird. Ich nehme diese Vorwürfe auf, weil diese Be-
hauptung nicht unwidersprochen stehen bleiben kann.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)


Zur Erinnerung: Das, was 1989/1990 und in den Fol-
gejahren gemacht werden musste, konnte zum damali-
gen Zeitpunkt in seiner Dimension niemand wirklich vo-
raussagen.


(Lachen des Abg. Jörg Tauss [SPD] – Volker Kauder [CDU/CSU]: Doch, Herr Tauss!)


– Als Reaktion auf den Kollegen Tauss will ich daran er-
innern, dass es die beiden Ministerpräsidenten Schröder
und Lafontaine gewesen sind – insbesondere der Letzt-
genannte –, die im Zuge der Verhandlungen über den
Einheitsvertrag im Jahre 1990 im Bundesrat versucht ha-
ben, eine Protokollerklärung durchzusetzen, derzufolge
der Erlös aus der Tätigkeit der Treuhandanstalt – ich
habe mich nicht versprochen: der Erlös! – zwischen
Bund und Ländern hälftig aufgeteilt werden sollte.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Als die Treuhandanstalt am 31. Dezember 1993 ihre
Tätigkeit eingestellt hat, stand nicht ein Erlös, sondern
ein dreistelliges Milliardendefizit in den Büchern. Von
dem Tag an war allerdings von einer Teilung zwischen
Bund und Ländern bei den Damen und Herren der So-
zialdemokraten nicht mehr die Rede. Auch das gehört
zur historischen Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Heute, zwölf Jahre später, möge hier also bitte niemand
sagen, dass der eine oder andere besser vorausgesehen
hätte, welche Lasten zu schultern seien.


(Jörg Tauss [SPD]: Immer bei der Wahrheit bleiben!)


Ich lege schon Wert darauf, dass dies gesagt wird, da-
mit nicht ständig diese Behauptungen wiederholt werden:
Das, was seinerzeit entschieden worden ist, bedeutete eine
anteilige Finanzierung – nicht der Lasten der deutschen
Einheit, sondern der Überwindung der deutschen Teilung –
in etwa folgendem Verhältnis: ein Drittel durch höhere
Steuern, ein Drittel durch höhere Verschuldung und ein
Drittel über die sozialen Sicherungssysteme.

Dies war in etwa die Größenordung, wie sie in den
Jahren 1990 und 1991 politisch entschieden wurde. Da-
nach wurde sie, meine Damen und Herren von der Re-
gierungskoalition, zwar immer wieder von Ihnen kriti-
siert. Aber wenn Sie diese Planungen heute immer noch
für falsch halten, dann spricht nichts dagegen, dass sie
die Methode der Finanzierung der deutschen Einheit, die
uns ja nach wie vor beschäftigt, heute ändern. Stellen Sie
also entweder Ihre Kritik, die Sie hier mehrfach vorge-
tragen haben, ein oder ändern Sie die Methode! Aber hö-
ren Sie auf, hier ständig Märchen zu erzählen, um von
Ihren eigenen Problemen abzulenken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Gleich werden wir vom Bundesfinanzminister ver-
mutlich hören, dass wenigstens die Zinslasten im Bun-
deshaushalt zurückgegangen sind;


(Jörg Tauss [SPD]: Die Zinsen kann man nicht mehr ändern!)


wahrscheinlich wird er versuchen, dies durch die Ent-
wicklung der Zinssteuerquote zu belegen.


(Hans Eichel, Bundesminister: Das habe ich doch gar nicht vor!)


Auch dies, meine Damen und Herren, ist leider falsch.
Wahr ist, dass die Zinssteuerquote gesunken ist. Richtig
ist allerdings: Die Ursache dafür ist nicht eine niedrigere
Verschuldung des Bundes. Vielmehr handelt es sich im
Wesentlichen um drei Ursachen:

Erstens: Vereinnahmung der UMTS-Lizenzerlöse. Ich
kritisiere das nicht. Auch damals haben wir das nicht kri-
tisiert, weil wir die Situation nicht richtig eingeschätzt
haben. Aber heute wissen wir, dass das damalige Vorge-
hen eine schwere Belastung für die Branche darstellte
und dass es so, wie es damals gemacht worden ist, falsch
war. Sie haben 50 Milliarden Euro einkassiert. Über die
Abschreibungen ging das übrigens zulasten der Länder
und Kommunen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie haben sich geweigert, den Ländern und Kommunen
auch nur einen einzigen Euro davon zurückzugeben, ob-
wohl die Abschreibungen den Bund, die Länder und die
Gemeinden betrafen. Sie haben diese 50 Milliarden Euro
für sich vereinnahmt.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Ich habe immer geglaubt, das war eine unternehmerische Entscheidung! – Walter Schöler [SPD]: Freier Wettbewerb war das!)


Zweitens profitieren Sie von einem sehr viel niedrige-
ren Zinsniveau als in den Jahren 1998 und 1999.

Drittens – Herr Eichel, für die ersten beiden Punkte
können Sie nichts, aber dies werfen wir Ihnen vor – ha-
ben Sie die Schuldenfinanzierung des Bundes weitge-
hend von Langläufern auf Kurzläufer umgestellt. Dies
hat natürlich erhebliche Konsequenzen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ja, warten Sie einmal ab!)







(A) (C)



(B) (D)


Friedrich Merz
Im Augenblick profitieren Sie von dem sehr niedrigen
Zinsniveau. Aber in dem Augenblick, wo die Zinsen im
Zyklus der Zinsschwankungen wieder steigen, enden
Ihre kurzfristigen Finanzierungen. So werden Sie Ihrem
Nachfolger ein beträchtliches Zinsrisiko überlassen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit!)


Meine Damen und Herren, dies sind die Gründe dafür,
dass wir heute eine niedrigere Zinssteuerquote haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Vermutlich wird der Bundesfinanzminister in seiner
Rede gleich voller Stolz darauf verweisen, dass wenigs-
tens die Investitionsquote des Haushaltes gestiegen ist.
Aber auch hier sieht die Realität leider anders aus, als sie
von der rot-grünen Koalition immer wieder beschrieben
und beschworen wird. Sie haben im Jahre 1998 eine In-
vestitionsquote des Bundeshaushalts von 12,5 Prozent
übernommen. Diese Investitionen – in die öffentliche In-
frastruktur, in Wissenschaft und Forschung, also in all
die Bereiche, die ein Land zukunftsfähig machen – sind
seit Ihrem Regierungsantritt kontinuierlich zurückge-
führt worden.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: 10,2 Prozent!)


Zuerst lagen sie bei 11,6 Prozent, dann waren es
11,5 Prozent, daraufhin 11,2 Prozent und schließlich
9,9 Prozent. Jetzt berühmen Sie sich der 10,8 Prozent
und verschweigen der Öffentlichkeit, dass darin etwa in
der Höhe von einem Prozentpunkt reine Mittel für die
Fluthilfe enthalten sind. Tatsächlich kommen wir im lau-
fenden Haushalt ohne die Fluthilfe auf eine Investitions-
quote von nur noch 9,8 Prozent. Das ist ein historischer
Tiefstand – zu einem Zeitpunkt, wo wir eigentlich nicht
weniger, sondern mehr in Forschung, Bildung und Infra-
struktur investieren müssten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Walter Schöler [SPD]: Das tun wir!)


Da ich aus den Reihen der Sozialdemokraten Zurufe
wie „Das machen wir auch!“ höre, möchte ich Ihnen ein-
mal kurz die traurige Realität vorstellen, so wie sie bei den
Betroffenen ankommt. Wir argumentieren hier zwar mit
hohen Milliardenbeträgen, aber wie ist denn die Realität
derer, die in den Forschungseinrichtungen unmittelbar
von den Kürzungen betroffen sind, die Sie in diesen Tagen
beschließen? Ausbau und Neubau von Hochschulen: mi-
nus 40 Millionen Euro; Europäische Weltraumorganisa-
tion: minus 20 Millionen Euro; naturwissenschaftliche
Grundlagenforschung: minus 2,2 Millionen Euro; natio-
nales Weltraumprogramm: minus 2,5 Millionen Euro;
Forschung mit adulten Stammzellen – ein außergewöhn-
lich wichtiges Thema vor dem Hintergrund des bis heute
nicht wirklich zu Ende diskutierten Streits um die For-
schung an embryonalen Stammzellen; die Alternativfor-
schung wurde vom Bundeskanzler immer wieder als
besonders wichtig betont –: minus 5 Millionen Euro;
Meeres- und Polarforschung: minus 2,5 Millionen Euro.

Dann die großen Forschungsgesellschaften – was machen
Sie mit diesen Gesellschaften? –: Max-Planck-Gesellschaft:
minus 14 Millionen Euro; Zentren der Helmholtz-Gesell-

schaft: minus 36 Millionen Euro; Fraunhofer-Gesellschaft:
minus 10 Millionen Euro; Forschungseinrichtungen der
Leibniz-Gesellschaft: minus 6 Millionen Euro; Akade-
mieprogramm: minus 1 Million Euro; schließlich die Deut-
sche Forschungsgemeinschaft: minus 7,5 Millionen Euro.


(Jörg Tauss [SPD]: Aufwuchs! Sie sollten Zahlen lesen können!)


Sie können sagen, dass das alles kleine Beträge sind,
die in der Gesamtschau des Haushalts nur wenig ausma-
chen, aber entscheidend ist doch, dass Sie den For-
schungseinrichtungen in unserem Land zu einem Zeit-
punkt, zu dem sie mehr bräuchten, jetzt die Mittel
entziehen, die notwendig wären.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1503301700


Herr Kollege Merz, erlauben Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Tauss?


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Jetzt will sich der Tauss blamieren!)



Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1503301800


Ja, bitte.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1503301900


Bitte schön, Herr Tauss.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1503302000


Vielen Dank, Herr Präsident und lieber Herr Merz.
Das gibt mir die Gelegenheit, einige Missverständnisse
aufzuklären und Sie zu bitten, heute Mittag an der De-
batte zum Forschungshaushalt teilzunehmen.

Würden Sie bitte freundlicherweise zur Kenntnis neh-
men, dass Ihre Aussage bezüglich der DFG schlicht
falsch ist. Wir haben bei der DFG ausweislich des Haus-
haltsentwurfs 2003 einen Aufwuchs von 2,5 Prozent.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist der Entwurf! Ist reduziert worden!)


Dies entspricht – in exakten Zahlen – 17,684 Millionen
Euro. Von einer Kürzung, wie Sie gerade gesagt haben,
kann nicht die Rede sein. Würden Sie bitte die Zahlen
zur Kenntnis nehmen?


Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1503302100


Herr Tauss, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar,
dass Sie ausnahmsweise nicht nur Zwischenrufe ma-
chen, sondern auch eine Zwischenfrage stellen.

Nachdem der Bundeskanzler angekündigt hat, dass er
die Ganztagsbetreuung in Deutschlands Schulen auch
über den Bundeshaushalt finanzieren will, hat es Korrek-
turen im Einzelplan 30 – Bildung und Forschung – gege-
ben. Ich habe Ihnen hier aus der amtlichen Statistik der
Bundesregierung vorgetragen und die genauen Kürzun-
gen – in einem Gesamtvolumen von 72 Millionen Euro






(A) (C)



(B) (D)


Friedrich Merz
bei den einzelnen Positionen und mit einem Kürzungs-
betrag von insgesamt 75 Millionen Euro – benannt, von
denen die Einrichtungen betroffen sind.


(Joachim Poß [SPD]: Das hat er aber nicht gefragt!)


Sie haben gegenüber dem Haushaltsentwurf zur Finan-
zierung des Ganztagsbetreuungsprogramms die Kürzun-
gen vorgenommen, die ich Ihnen gerade vorgetragen
habe. Wir sagen: Das ist eine falsche Entscheidung, die
Sie getroffen haben, weil sie schlecht ist für den Wissen-
schafts- und Forschungsstandort Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Die Frage kann er nicht beantworten! Wenn es konkret wird, wird es immer ärmlich mit Merz!)


Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, dass ich
auf ein zweites Thema zu sprechen komme, das der Bun-
deskanzler ebenfalls am Freitag hier angesprochen hat,
nämlich den Maastrichter Vertrag. Herr Bundesfinanz-
minister, wir erwarten, dass Sie vor dem Deutschen Bun-
destag gleich eine klare Aussage dazu machen, wie Sie
beabsichtigen, die Risiken des Haushalts so unter Kon-
trolle zu halten,


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: So ist es!)


dass Sie am Donnerstag der EU-Kommission gegenüber
wirklich mit gutem Gewissen die Zahl vertreten können,
die Sie dem Jahreswirtschaftsbericht zugrunde gelegt ha-
ben und nach der das Defizitkriterium nicht überschrit-
ten wird, sondern es bei einem Defizit von 2,8 Prozent
verbleibt.

Zur Erinnerung: Dass unsere kritischen Fragen nicht
ohne Grund vorgetragen werden, zeigt das letzte Jahr.
Wir haben im letzten Jahr sehr frühzeitig darauf hinge-
wiesen, dass Sie ein immer größeres Risiko tragen, den
Maastrichter Vertrag nicht erfüllen zu können. Sie haben
diese Kritik auch von dieser Stelle aus abgebürstet und
uns der Schwarzmalerei bezichtigt. Sie haben uns Pessi-
mismus und eine Falschinformation der Öffentlichkeit
vorgeworfen.

In Wahrheit haben Sie die Öffentlichkeit falsch infor-
miert, wie nicht zuletzt auch durch den Untersuchungs-
ausschuss festgestellt worden ist. Sie sind vom Anfang
des Jahres 2002 an von viel zu optimistischen Annahmen
ausgegangen und haben deshalb am Ende des Jahres ein
ziemliches Desaster erlebt. Ich sage Ihnen voraus: Wenn
Sie so weitermachen, dann werden Sie auch im Jahr 2003
ein ziemliches Desaster erleben; denn was Sie jetzt mit
2,8 Prozent hier zugrunde legen, das hält einer Überprü-
fung schon heute, am 18. März 2003, nicht mehr stand.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich will Ihnen dazu nur einiges kurz vortragen: Sie gehen
im Bundeshaushalt davon aus, dass die Bundesanstalt für
Arbeit am Ende des Jahres keinen Zuschussbedarf haben
wird. Schon zum Ende des Monats Februar liegt das Defizit
der Bundesanstalt für Arbeit bei 1,5 Milliarden Euro. Wenn
das Wachstum nur um 0,5 Prozentpunkte niedriger ausfal-

len wird als in der Größenordnung von 1 Prozent, die Sie
zugrunde legen – Sie sind einer der wenigen, der noch von
einem Wachstum in Höhe von 1 Prozent ausgeht; die For-
schungsinstitute gehen durch die Bank von einem viel ge-
ringeren Wachstum aus –, dann werden Ihnen in jenem
Haushalt 2,5 Milliarden Euro fehlen.

In Ihrem Gesetzentwurf gehen Sie immer noch davon
aus, dass das Steuervergünstigungsabbaugesetz zustande
kommt. Sie erwarten durch dieses Gesetz Mehreinnah-
men in Höhe von 3,4 Milliarden Euro insgesamt bzw.
1,6 Milliarden Euro für den Bund. Herr Bundesfinanz-
minister, schminken Sie sich doch endlich dieses Gesetz
ab! Es wird nicht zustande kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Des Weiteren – das ist der besonderen Erwähnung
wert – stellen Sie 5 Milliarden Euro aus der Nacherklä-
rung finanzieller Mittel, die ins Ausland geflossen sind,
im Rahmen Ihres Amnestiegesetzes in den Bundeshaus-
halt ein. Ich frage mich, ob Sie immer noch daran glau-
ben, dass Sie dieses Gesetz so durchsetzen können, wie
Sie es konzipiert haben, und dass Sie, falls Ihnen das ge-
lingen sollte, tatsächlich Steuermehreinnahmen in einem
solchen Umfang erzielen werden. Der Bundeskanzler hat
einmal von 100 Milliarden Euro schwadroniert, die nach
Deutschland zurückfließen würden. Sie, Herr Eichel, ge-
hen jetzt von 20 Milliarden Euro aus. Wörtlich:

Die Bundesregierung erwartet, dass im Rahmen der
angesprochenen gesetzlichen Maßnahmen rund
20 Milliarden Euro in 2003

– das ist im laufenden Jahr –

in Deutschland nacherklärt werden. Die Nacherklä-
rung eines solchen Volumens führt zu Steuermehr-
einnahmen von 5 Milliarden Euro.

Herr Bundesfinanzminister, es wird erst dann zum
Rückfluss von finanziellen Mitteln nach Deutschland
kommen, wenn die Steuern gesenkt werden und wenn
eine Brücke in die Legalität gebaut wird.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Wenn die Menschen Vertrauen in die Regierung haben!)


Im Grunde stimmen wir hierin mit Ihnen ausdrücklich
überein; wir haben bereits im vergangenen Jahr den Vor-
schlag gemacht, eine solche Regelung zu treffen. Der
Bundeskanzler hat das übrigens auch vorgeschlagen.
Seinerzeit hat es zwischen Ihnen beiden einen großen
Streit gegeben. Jetzt gehen Sie offenbar dazu über, den
Weg über eine Abgeltungsteuer in Verbindung mit einer
entsprechenden Regelung ebenfalls zu befürworten.
Aber die Mittel fließen nur dann zurück, wenn diejeni-
gen, die das Geld nach Deutschland zurückbringen sol-
len, auch Vertrauen haben, ihr Geld in Deutschland ein-
setzen und investieren zu können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Volker Kauder [CDU/CSU]: Und wenn diese Regierung weg ist!)


Glauben Sie im Ernst, dass dieses Vertrauen entsteht,
wenn Sie an Ihrem Plan festhalten, in Deutschland flächen-
deckend Kontrollmitteilungen einzuführen? Glauben Sie






(A) (C)



(B) (D)


Friedrich Merz
im Ernst, dass dieses Vertrauen entsteht, wenn Sie mit Ih-
rer rot-grünen Mehrheit in diesem Hause bis heute nicht
zu der Erkenntnis gefunden und den Mut aufgebracht ha-
ben, endgültig auch das Vermögensteuergesetz formell
aufzuheben?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carl-Ludwig Thiele [FDP])


Ich sage Ihnen voraus: Wenn Sie bei diesen Vorhaben
bleiben – ich wiederhole: wenn er vernünftig gestaltet
wird, werden wir den Weg mitgehen, über eine solche
Abgeltungsteuer mit einer entsprechenden Übergangs-
regelung für Fluchtkapital die Mittel nach Deutschland
zurückzuholen –, werden Sie nur dann das notwendige
Vertrauen schaffen, wenn Sie gleichzeitig unseren Anträ-
gen folgen, erstens das Vermögensteuergesetz auch
förmlich aufzuheben und zweitens auf Kontrollmittei-
lungen zu verzichten. Anders werden Sie keinen einzi-
gen Euro zurückbekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Damit sind die Risiken des Bundeshaushaltes fast hin-
reichend beschrieben. Allein in den Positionen, die ich
eben erläutert habe – das Defizit bei der Bundesanstalt für
Arbeit, das geringere Wirtschaftswachstum, das Schei-
tern des Steuervergünstigungsabbaugesetzes und der Ver-
such, über die Abgeltungsteuer Kapital nach Deutschland
zurückzuholen –, ist ein Risiko von 12 Milliarden Euro
enthalten. Sie befinden sich mit 2,8 Prozent – das sind ge-
rade 4 Milliarden Euro – nur knapp von der Überschrei-
tung des Defizits entfernt. Herr Bundesfinanzminister,
wenn Sie so weitermachen, dann werden Sie zum Jahres-
ende – wenn Sie dann noch im Amt sind; wir haben alle
damit gerechnet, dass Ihnen Herr Gabriel nachfolgen
wird, aber das war wohl doch etwas zu arg –


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)


wieder feststellen müssen, dass Sie keine Chance gehabt
haben, den Maastricht-Vertrag einzuhalten. Wenn Sie
das zugeben müssen, Herr Eichel, dann lassen wir Ihnen
eines nicht durchgehen: dass das Wirklichkeit wird, was
der Bundeskanzler am vergangenen Freitag angekündigt
hat. Dieser nämlich hat ganz offen den Maastricht-Ver-
trag infrage gestellt und deutlich gemacht, dass die Bun-
desregierung nicht mehr die Absicht hat, sich an diesen
Vertrag zu halten.

An dieser Stelle hört aber der Spaß auf. Wir können
uns auf innenpolitischer Ebene über viele Fragen streiten
und Meinungsverschiedenheiten austragen. Aber wer
wie diese rot-grüne Bundesregierung den Maastricht-
Vertrag infrage stellt und nicht bereit ist, sich an das
Korsett dieses Vertrags zu halten, das auch für konjunk-
turell schwierige Zeiten ausreichende Flexibilität bietet,
gefährdet mehr als nur die Volkswirtschaft der Bundes-
republik Deutschland. Sie gefährden nicht nur in der Au-
ßenpolitik, sondern jetzt auch in der Finanzpolitik den
Zusammenhalt innerhalb der Europäischen Union. Das
aber lassen wir Ihnen nicht durchgehen, Herr Eichel.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1503302200


Das Wort hat der Bundesminister Hans Eichel.


Hans Eichel (SPD):
Rede ID: ID1503302300


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Zuerst möchte ich mich bei Ihnen allen im Deut-
schen Bundestag dafür bedanken, dass Sie bereit waren,
die Tagesordnung für die Haushaltsberatungen so umzu-
stellen, dass die zuständigen Mitglieder der Bundesre-
gierung, das heißt der Kanzler, der Außenminister und
der Finanzminister, am kommenden Freitag an der Sit-
zung des Europäischen Rates in Brüssel teilnehmen
können. Das nämlich ist der alleinige Grund – und kein
anderer, Herr Austermann –, weswegen ich am kommen-
den Freitag nicht im Hause sein kann. Herzlichen Dank,
dass Sie bereit waren, das umzustellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es ist keine Frage, selten sind Haushaltsberatungen
unter so völlig unsicheren Rahmenbedingungen ge-
führt worden, wie wir sie heute haben. Ich habe überlegt
und erinnerte mich, dass es das letzte Mal vor zwölf Jah-
ren eine vergleichbare Situation gab: Auch seinerzeit
wurde der Bundeshaushalt – wie es nach einer Bundes-
tagswahl traditionell der Fall ist – später, also nicht am
Ende des Vorjahres, sondern in der ersten Hälfte des je-
weiligen Folgejahres, verabschiedet. Damals brach der
Golfkrieg aus und auch diesmal sind wir alle, glaube ich,
nicht sehr optimistisch, dass es noch gelingen wird, den
Krieg im Nahen Osten zu verhindern.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Es war schon vorher schlecht!)


– Natürlich war die Situation schon vorher schlecht. Ich
werde noch auf Sie zurückkommen, Herr Kollege Aus-
termann.

Trotzdem sage ich: Es ist vernünftig, jetzt den Haus-
halt zu verabschieden, und zwar mit all den Risiken,
Herr Kollege Rexrodt und Herr Kollege Merz, die er im
Hinblick auf das laufende Jahr in sich birgt. Wir müssen
bei diesen Risiken gegensteuern.

Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklä-
rung „Mut zum Frieden und Mut zur Veränderung“ am
Freitag die notwendigen Veränderungen genannt. Die
ersten Reaktionen belegen: Man hat in Deutschland
kaum noch eine Chance, ungestört Politik zu machen –
sei es, dass es gilt, eine Regierungserklärung vorzuberei-
ten; sei es, dass ein Gesamtkonzept entwickelt werden
soll. Im Wege von Indiskretion, Spekulationen oder
schlicht Erfindungen – ich weiß, wovon ich rede; ich
habe kürzlich gelesen, dass ich dem „Focus“ die meisten
Dementis zugesandt habe; das ist richtig; denn da das,
was ich dort lese, meistens Falschmeldungen sind, muss
ich auch die meisten Dementis abgeben –


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


werden schon vorher alle Einzelheiten hin und her ge-
wendet und wird alles zerpflückt. Kaum ein Konzept,
das man präsentiert, wird deshalb in seiner Gesamtheit






(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Hans Eichel
wahrgenommen. Wenn ich mir zum Beispiel die Reak-
tion des Vorsitzenden des Sachverständigenrates auf die
Regierungserklärung und die Empfehlungen dieses Ra-
tes – diese waren außerordentlich positiv – ansehe, dann
rate ich jedem, über diesen Punkt nachzudenken und
dies – ich tue das – auch ernst zu nehmen; denn hier geht
es um unsere Fähigkeit, Politik im Land zu artikulieren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Hätten Sie sich wenigstens an deren Ratschläge einmal gehalten!)


– Nein, Herr Kollege.

Wenn Sie sich die Reaktionen des Auslandes ansehen,
dann stellen Sie fest, dass die Regierungserklärung dort
ganz anders aufgenommen worden ist. Das war auch not-
wendig; denn der Blick des Auslandes auf Deutschland, ob
zu Recht oder zu Unrecht – Herr Kollege Merz, ich komme
gleich auf das Thema Wiedervereinigung kurz zurück, ob-
wohl ich es eigentlich gar nicht vorhatte; da Sie aber auf
eine Rede geantwortet haben, die ich nach Ihrer Einschät-
zung vermutlich halten werde, muss ich nachher noch ein
paar Richtigstellungen vornehmen –, war bisher nicht po-
sitiv. Wir brauchen deshalb ein anderes Bild von Deutsch-
land im Ausland. Die Frage, ob Deutschland reformfähig
ist oder nicht, muss auch aus Sicht des Auslandes positiv
beantwortet werden können. Der Bundeskanzler hat diese
Frage positiv beantwortet, wissend, welche Zumutungen
das, was er vorgeschlagen hat, für dieses Haus, insbeson-
dere für meine Partei, und für dieses Land beinhaltet. Da-
rum herumzureden macht überhaupt keinen Sinn.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Kernproblem, vor dessen Lösung sich dieses
Land selbst und viele der hier Anwesenden noch immer
drücken, heißt alternde Gesellschaft. Dies ist das Pro-
blem unserer Generation. Die nächste Generation wird
sich fragen: Was war da eigentlich los? Man hat wenig
Kinder in die Welt gesetzt und hohe Schulden hinterlas-
sen. Als wir die mit der alternden Gesellschaft und der
Notwendigkeit der Vorsorge verbundenen Fragen kürz-
lich diskutiert haben, hat mein finnischer Kollege – übri-
gens, er ist ein Konservativer – berichtet, in seinen
Wahlkampfveranstaltungen hätten ihm junge Leute ge-
sagt: Wir zahlen entweder für die Rente oder für die
Schulden; aber wir sind nicht bereit, für beides zu zah-
len. Vor genau diesem Problem stehen wir.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Dann kehren Sie doch endlich um!)


– Ich komme darauf zu sprechen. Ihr Zwischenruf ist
nicht so toll.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ihre Rede ist nicht so toll!)


Sie werden das gleich merken.

Wenn wir aus der Krise herauswollen – auch das ist
klar –, dann brauchen wir eine Stärkung der Wachs-
tumskräfte.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der CDU/CSU: Ah!)


– Ja, natürlich.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ihr macht das Gegenteil!)


Unsere Gesellschaft wird es in der Zukunft nur dann
nicht mit ganz schwierigen Verteilungskämpfen zu tun
haben, wenn wir die Wachstumskräfte stärken. Das hat
viele Konsequenzen. Zum Beispiel muss der Sozialstaat
erneuert, nicht abgebaut werden. Die mit Krankheiten
und Alter verbundenen großen Risiken müssen solida-
risch getragen werden; denn die meisten Leute können
es sich nicht leisten, diese Risiken privat abzusichern.
Wenn das geschehen ist, muss man sich der Frage stel-
len: Was kann mit Eigenvorsorge, mit mehr Eigenverant-
wortung geleistet werden?

Herr Rexrodt, ich habe mich in die Materie Gesund-
heitswesen mittlerweile ein Stück eingearbeitet. Alle mit
den Sozialsystemen, mit den Länderhaushalten und mit
den Kommunalhaushalten verbundenen Probleme – ich
komme darauf später im Zusammenhang mit Maastricht
noch zu sprechen – werden beim Bundesfinanzminister
abgeladen. Das nicht zu tun macht erforderlich, dass
man sich mit diesen Fragen etwas genauer beschäftigt. In
keinem anderen System erlebe ich ein solches Maß an
Staatswirtschaft wie im Gesundheitswesen. Das hat
Schwarz-Gelb zu verantworten.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Überschüsse! Wer hat denn immer von „kaputtsparen“, von „sozialer Härte“ geredet? – Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Ihr habt immer einen draufgesetzt!)


In welcher Marktwirtschaft gibt es denn Mehrbesitz-
verbote? In welcher Marktwirtschaft gibt es denn Preis-
spannenverordnungen? Dass der Hersteller einen Preis
festsetzt, ist in Ordnung. Dass aber der Staat dem Groß-
handel und anschließend dem Einzelhandel – in diesem
Fall denke ich an die Apotheker – den Preis vorschreibt,
das haben doch Sie erfunden. Das ist wirklich eine er-
staunliche Leistung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU und der FDP)


Die Kartellbildung und die Vermachtung in diesem
Bereich sind das allergrößte Problem. Schauen Sie sich
einmal an, welche Lobbyarbeit Sie in diesem Zusam-
menhang gemacht haben! Wenn Sie das getan haben,
dann unterhalten wir uns noch einmal. Ihre Lobbyarbeit
– dies für diejenigen, die es ganz genau wissen wollen –
lässt sich sogar an Namen festmachen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Da ist also eine ganze Menge zu tun. Ich komme auf
dieses Thema gleich an einer anderen Stelle, wenn ich
über Subventionsabbau sprechen werde, zurück. Was
man sagt, ist immer richtig, wenn es im Allgemeinen
bleibt. Wenn die eigene Klientel von etwas betroffen ist,






(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Hans Eichel
dann gilt plötzlich genau das Gegenteil von dem, was
man vorher gefordert hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben also eine Menge zu tun.

Ein Stück soziale Verantwortung haben wir schon.
Wir meinen: Wer mehr verdient, der kann auch ein biss-
chen mehr beitragen als derjenige, der weniger verdient.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Siehe Körperschaftsteuer!)


– Auch darauf komme ich zu sprechen.

Wir müssen bei den sozialen Sicherungssystemen
eine ganze Menge ändern, damit die Lohnnebenkosten
sinken. Nur dann werden die sozialen Sicherungssys-
teme altersfest, armutsfest und zukunftsfest sein.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Dann fangen Sie doch einmal an!)


Natürlich ist ebenso am Arbeitsmarkt eine Menge zu tun.
Der Kern des Kündigungsschutzes darf allerdings nicht
verändert werden. Kündigungsschutz besteht in erster
Linie, damit die Betriebe und die Arbeitnehmer bere-
chenbare Rahmenbedingungen haben; das ist richtig.
Wer eine Familie gründen, also Kinder in die Welt setzen
will, wer die Entscheidung trifft, ein Häuschen zu kau-
fen, der trifft eine Entscheidung für Jahrzehnte und muss
eine gewisse Sicherheit für seine Lebensplanung haben.
Das sollten Sie nicht ganz vergessen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Rexrodt, übrigens wollen auch die Ar-
beitgeberverbände den Flächentarif, und zwar aus guten
Gründen.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Leider ja!)


– Ich weiß nicht, ob man solche Vorschriften immer
bekämpfen soll. Unser Grundgesetz kennt übrigens die
Koalitionsfreiheit, wie Sie wissen.

Wenn Sie den Flächentarifvertrag und die Gewerk-
schaften für die Arbeitslosigkeit verantwortlich ma-
chen, dann sage ich Ihnen: Was zurzeit an Arbeitsplatz-
abbau in den Banken passiert – das ist ein ganz
willkürlich herausgegriffenes Beispiel –, hat weder et-
was mit dem Flächentarifvertrag noch mit den Gewerk-
schaften zu tun.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist die Wirtschaftssituation!)


Also: Bitte nicht so einseitig!


(Beifall bei der SPD)


Wir haben zu entbürokratisieren.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Kennen Sie Ihre eigenen Gesetzentwürfe? Wovon reden Sie?)


Das wird im Kabinett noch spannend werden, weil der
Kollege Clement, der Kollege Schily, Frau Kollegin

Zypries und ich das im jeweiligen Zuständigkeitsbereich
sehr intensiv betreiben. Wo endet das? Das endet damit,
dass der Einzelne bereit sein muss, für kleine Risiken
auch wieder selbst ein bisschen mehr Verantwortung zu
übernehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Fangt an! Senkung der Staatsquote! Senkung der Abgabenquote! Senkung der Steuerquote! – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Nur Mut!)


Wenn eine Gesellschaft auch die allerprivatesten Berei-
che mit Paragraphen regeln und absichern will – Sie tun
das ja auch, indem Sie entsprechende Anträge stellen –,
wenn gesagt wird – das war wirklich toll, Herr Kollege
Brüderle –, dann, wenn es an den Aktienmärkten runter-
gehe, solle der Staat das ersetzen, dann produziert die
Gesellschaft den ganzen Wust an Bürokratie selbst, den
sie nachher beklagt und in dem sie erstickt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1503302400


Herr Bundesminister, erlauben Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Brüderle?


Hans Eichel (SPD):
Rede ID: ID1503302500


Ja, gern.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1503302600


Bitte schön, Herr Brüderle.


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1503302700


Herr Minister Eichel, sind Sie bereit, einzuräumen,
dass das, was Sie eben gesagt haben, schlichtweg falsch
ist?


(Zuruf von der SPD: Nein!)


Ich habe nie gesagt, dass man Telekom-Aktionäre ent-
schädigen soll. Ich habe vorgeschlagen, bei weiteren Pri-
vatisierungen Kleinaktionäre, die durchgehalten haben,
etwa durch Frühzeichnerrabatte oder Mitarbeiterrabatte
günstiger zu stellen. Eine solche Äußerung, wie von Ih-
nen behauptet, hat es von mir nie gegeben. Das ist
schlichtweg Unsinn. Das wird auch nicht dadurch richti-
ger, dass Sie es wiederholen. Gegebenenfalls müssten
Sie es belegen.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Unter Herrn Eichels Verantwortung ist der Vermögensverfall bei der Telekom eingetreten!)



Hans Eichel (SPD):
Rede ID: ID1503302800


Herr Kollege Brüderle, ich bin gern bereit, ein De-
menti Ihrerseits entgegenzunehmen. Ich habe das in der
Zeitung gelesen. Wir werden das auch wiederfinden,
denke ich, und dann zeige ich Ihnen das. Wenn Sie sa-
gen, Sie hätten die Äußerung nicht gemacht, ist das in
Ordnung. Wenn Sie das hier dementieren, dann nehme
ich das natürlich so hin und werde das auch nicht wie-
derholen. Das ist selbstverständlich.






(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Hans Eichel
Kommen wir nun zu unserer Finanzpolitik ganz un-
mittelbar und zum Haushalt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ach so! Wie lange reden Sie schon?)


Zunächst eine Vorbemerkung, Herr Kollege Merz, zum
Thema deutsche Einheit. Es ist nicht wahr, dass nie-
mand gewusst hat, dass das etwas kostet.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das habe ich auch nicht behauptet!)


– Doch!


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Jetzt zitieren Sie den Kollegen Merz wieder falsch! – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Er zitiert schon wieder falsch!)


Damit kommen wir zu sehr unterschiedlichen Kon-
zepten. Sie wissen, dass wir – ich auch – in meiner Partei
großen Ärger mit meinem unmittelbaren Amtsvorgän-
ger, Herrn Lafontaine, haben. In einem Punkt aber hatte
er Recht. Er hat damals darauf hingewiesen,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ja, DDR zehntgrößte Industrienation!)


dass mindestens 100 Milliarden DM jährlich an Transfer
notwendig seien, um den Aufbau Ost zu leisten.

Wir haben vor der Wiedervereinigung, als die letzte
Stufe der stoltenbergschen Steuerreform – wenn ich mich
recht erinnere, ging es um 25 Milliarden DM – in Kraft
treten sollte, gesagt: Lassen Sie das jetzt! Wir brauchen
das Geld für den Aufbau Ost. – Sie, insbesondere unser
früherer Bundeskanzler, haben damals – Sie wissen das –
Illusionen geweckt, und zwar darüber, wie schnell es ge-
hen könnte und mit wie wenig Aufwand das Ganze zu ma-
chen sein würde. Das war eine Illusion. Es ist eine Gene-
rationenaufgabe, mit der wir es zu tun haben. Das haben
viele gewusst, zum Beispiel auch Karl Otto Pöhl. Das war
ein Grund dafür, dass Karl Otto Pöhl den Präsidentenstuhl
in der Deutschen Bundesbank ganz leise verlassen hat.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Er hat Inflation befürchtet, die nie eingetreten ist!)


Es hat großen Streit gegeben. Sie haben fundamentale
Fehler gemacht. Ich will nur auf einen Fehler hinweisen.
Wir wollten den Aufbau Ost im privaten Bereich über
Zulagen finanzieren. Sie haben ihn über übermäßige
Sonderabschreibungen finanziert – eine unsinnige
Maßnahme, die eine Fülle von negativen Folgen hatte.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Was haben Sie im Bundesrat dazu gesagt? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Wir haben Ihnen vorher gesagt, dass wir es über Zulagen
machen sollten.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sie haben mitgemacht!)


Natürlich wollten wir in dieser Zeit nicht die Spielver-
derber sein.


(Unruhe bei der CDU/CSU)


Was war die Folge dessen, was Sie gemacht haben? In
allerkürzester Zeit entstanden Überkapazitäten in der
Bauwirtschaft, die niemand gebraucht hat und an denen
wir heute noch tragen. Die Sonderabschreibungen konn-
ten nur von Beziehern höherer Einkommen – solche gab
es im Osten gar nicht – in Anspruch genommen werden,
sodass das Aufbauprogramm Ost ein Steuersparpro-
gramm West war. Über Zulagen hätten wir dahin kom-
men können, dass die Menschen im Osten den Aufbau
Ost selbst betreiben. Wenn das geschehen wäre, wären
wir sozial ein ganzes Stück näher zusammen, als wir es
nach Ihrer Politik sind. Sie haben die sozialen Folgen Ih-
rer Politik nicht abgeschätzt.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Unfug!)


Das ist doch das eigentliche Problem, meine sehr geehr-
ten Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1503302900


Herr Kollege Eichel, erlauben Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Thiele?


Hans Eichel (SPD):
Rede ID: ID1503303000


Nein, jetzt nicht mehr.

Nun komme ich zur Treuhand. Da haben Sie Recht
mit dem, was Sie gesagt haben. Aber mindestens ebenso
sehr, wie damals Herr Ministerpräsident Schröder und
andere geglaubt haben, die Treuhand umfasse etwas
Werthaltiges, hat das leider auch Herr Kollege Waigel
getan. Ich sage heute „leider“, weil das genau die Folge
hatte, die Sie beschrieben haben: In den 90er-Jahren ist
die Staatsverschuldung, eines der beiden Kernprobleme,
an denen wir lange arbeiten werden, um 20 Prozent des
Bruttoinlandsproduktes gestiegen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sagen Sie endlich einmal was zum Haushalt 2003!)


Damit komme ich zum heutigen Haushalt und zu all
Ihren Behauptungen. Von 1994 bis 1998


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nein, über heute wollen wir reden, über 2003!)


– ich komme darauf zurück – sind die Staatsschulden mit
dem Sondervermögen um 230 Milliarden Euro gestie-
gen. In den letzten vier Jahren waren es noch etwas über
40 Milliarden Euro. Das ist ein Riesenunterschied, mei-
ne Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Falsch!)


Sie hatten von 1994 bis 1998 eine Nettokreditauf-
nahme, eine durchschnittliche Kreditfinanzierung Ihrer
Haushalte von 13,1 Prozent. Wir haben trotz des Ausrei-
ßers im vergangenen Jahr eine durchschnittliche Kredit-
finanzierung von 10,6 Prozent. Auf diese Zahlen waren
Sie offenkundig nicht vorbereitet, Herr Kollege Merz.
Das ist die Wahrheit, mit der wir es zu tun haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)







(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Hans Eichel
Tatsächlich sind die Staatsausgaben bei uns gesun-
ken. Sie führen immer das Jahr 1998 an. Aber Sie wissen
so gut wie ich, Herr Kollege Austermann, dass Ihre da-
malige Haushaltsplanung keine Wahrheit und Klarheit
enthielt. Die Postunterstützungskassen waren nicht ent-
halten, die Mittel für das Saarland und Bremen waren
nicht enthalten. Der Haushalt hatte eine Fülle von Fehl-
stellen. In Wirklichkeit war er viel höher, aber Sie haben
ihn vor der Bundestagswahl anders vorgelegt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Er war allemal solider als das, was Sie jetzt vorlegen!)


Wir haben konsolidiert und wir konsolidieren weiter.
Ich sage einen ausdrücklichen Dank an die Haushälter
der Koalitionsfraktionen. Ich gebe ihn sehr gerne zurück,
Herr Kollege Schöler und Frau Kollegin Hermenau,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Der Klub der Ahnungslosen trifft sich!)


weil es natürlich außerordentlich anstrengend ist, den
Konsolidierungskurs durchzuhalten; denn das Problem
ist nicht in wenigen Jahren zu lösen,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das Problem wird immer größer!)


wenn in Jahrzehnten Schulden aufgebaut worden sind.
Wenn die Gewohnheit bestand, jedes Jahr mehr Geld
auszugeben, als man einnimmt, braucht man lange Zeit,
um da wieder herauszukommen. Das ist leider wahr.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir bleiben auf dem Weg. Dass das nicht einfach ist
und im dritten Jahr konjunktureller Schwäche möglicher-
weise noch schwieriger wird, wird keinen Moment be-
stritten. Deswegen sage ich ganz ausdrücklich: Wir hal-
ten die Nettokreditaufnahme bei 18,9 Milliarden Euro,
aber die Bedingungen müssen klar sein, die übrigens im-
mer klar waren.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das können Sie nicht erfüllen, Herr Eichel! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Weihnachten muss mit Ostern zusammenfallen, dann klappt das!)


– Herr Kollege Rexrodt, es macht keinen Sinn, alle paar
Wochen neue Zahlen in die Welt zu setzen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Aber einmal richtig!)


– Hören Sie einmal: Im Jahr 2000 war es andersherum.
Als ich im Herbst die 11/2 Prozent als Wachstumsprognose
genannt habe, waren wir am unteren Rand aller Progno-
sen. Dann sind wir auf 1 Prozent gegangen; damit befan-
den wir uns in der Mitte. Jetzt – da haben Sie Recht – gibt
es schon Prognosen, die deutlich darunter liegen. Das ist
nicht zu bestreiten. Es macht aber keinen Sinn, alle paar
Wochen einen neuen Haushalt aufstellen zu wollen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Aber gleich einen richtigen! Pessimistisch schätzen!)


– So richtig, Herr Austermann, wie Ihre Aussage am
19. Dezember, zwölf Tage vor Jahresende, als Sie gesagt
haben, dass wir 40 Milliarden Euro neue Schulden ma-
chen. Da waren es nicht einmal 32 Milliarden Euro. Eine
solche Fehleinschätzung wie Ihre hat es noch nie gege-
ben. Auf so etwas kann man sich also nicht verlassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Wie hoch war denn Ihre Fehlquote?)


Verehrter Herr Kollege Austermann, auch der Kollege
Faltlhauser im Bayerischen Landtag, mit dem ich manch-
mal streite, der aber in seinen Annahmen sauber und seriös
ist, sagt: Es gibt nur eine solide Grundlage, auf der ich
meine Haushalte aufbaue, und zwar die Steuerschätzung
im Mai, mit der ich den Haushaltsplanentwurf mache, der
ins Kabinett geht, und die Steuerschätzung im November,
auf der ich die Verabschiedung im Landtag aufbaue. – So
macht er es und so ist es auch hier immer gemacht worden,
auch vor meiner Zeit. Das war richtig und so wird es wei-
terhin geschehen. Es macht keinen Sinn, auf Zahlen auf-
zubauen, die aus der Luft gegriffen werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Haben Sie den Haushalt denn an die Steuerschätzung angepasst?)


Es ist wahr, dass die 1 Prozent für das Wirtschafts-
wachstum 2003 risikobehaftet sind. Übrigens weiß kei-
ner, was geschieht. Ich will jetzt bewusst nicht irgend-
welche Spekulationen anstellen. Der Internationale
Währungsfonds und die Europäische Kommission haben
in unserem Auftrag solche Studien angestellt. Das hilft
uns aber nicht weiter, weil wir jetzt in eine unter Um-
ständen etwas makabre Diskussion geraten könnten; also
lassen wir das und beschäftigen uns erst dann erneut da-
mit, wenn und sofern die Situation dies erfordert. Auf je-
den Fall ist klar: Mit der Maisteuerschätzung werden wir
eine neue, günstigere oder ungünstigere Wachstumsan-
nahme oder aber die Bestätigung der alten Schätzung ha-
ben; darauf aufbauend – je nachdem, was sich daraus er-
gibt – werden wir Korrekturnotwendigkeiten erkennen
können und dann auch realisieren müssen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Einen Nachtragshaushalt!)


Natürlich ist das, was Herr Kollege Clement und ich
verabredet haben, nämlich keinen Zuschuss zur Bundes-
anstalt für Arbeit zu zahlen, ein wahnsinnig anstren-
gendes Programm für dieses Jahr; das kann nicht bestrit-
ten werden. Darin steckt ein Risiko.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was steckt denn in Hartz III?)


Es hat doch überhaupt keinen Zweck, darum herumzureden.
Das ist einer der Gründe dafür, dass wir mit dem Zinsver-
billigungsprogramm bei der KfW auch im ersten Arbeits-
markt gegensteuern. Das gehört doch zusammen, meine
Damen und Herren. So macht das dann auch einen Sinn.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was steckt denn in Hartz III?)







(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Hans Eichel
In Bezug auf die deutsche Entwicklung halte ich Fol-
gendes fest: Es ist eher erstaunlich, dass wir im Januar
und Februar bei der Produktion und den Auftragseingän-
gen eine durchaus respektable Entwicklung haben, die
für sich genommen, wenn sie ungebrochen weiterginge,
die 1 Prozent ohne weiteres rechtfertigte.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Und wenn nicht?)


– Ich weiß es doch nicht. Wissen Sie es denn? Sie haben
es nur 14 Tage vor Jahresende massiv verhauen. Deswe-
gen wollen wir doch nicht auf Ihre Spekulationen setzen,
Herr Kollege Austermann.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sie haben das ganze Jahr versemmelt!)


Mit anderen Worten: Genauso wie für jeden Finanz-
minister und auch für Herrn Faltlhauser ist dies die ver-
nünftige Grundlage, die von allen Schätzern erarbeitet
worden ist. Übrigens war falsch, was Sie gesagt haben:
Die Korrektur der Wachstumsannahme von 11/2 auf
1 Prozent aufgrund einer nachgeholten Steuerschätzung
haben wir danach im Umlaufverfahren in den Haushalt
eingearbeitet.

Nun sage ich ausdrücklich: Es ist vernünftig, den
Haushalt auf dieser Basis abzuschließen. Darin stecken
natürlich viel Anstrengung und Arbeit sowie Annahmen,
von denen wir heute wirklich nicht wissen können, ob
sie im Jahresverlauf so eintreten werden. Wir können nur
sagen, in welchem Feld wir uns bewegen. Allerdings set-
zen wir auch darauf, dass mit der Umsetzung des Hartz-
Konzeptes – dabei musste übrigens auch der Finanzpoli-
tiker manchmal sein Herz über die Hürde werfen –


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das Herz ist doch schon „verhartzt“!)


etwas ins Rollen kommt, was dann auch zu Bewegung
am Arbeitsmarkt führt. Auch diese Hoffnung steckt
selbstverständlich darin.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das versprechen Sie uns doch schon seit Jahren!)


Zum zweiten Aspekt, meine Damen und Herren: Die
Konsolidierung geht also voran.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


– Herr Austermann, wenn Ihrer Ansicht nach zwischen
den 230 Milliarden Euro von 1994 bis 1998 bei Ihnen
und den 40 Milliarden Euro von 1999 bis 2002 bei uns
kein riesiger Unterschied besteht, dann können Sie mit
Zahlen wirklich nicht umgehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Wie war das mit UMTSund Steuermehreinnahmen?)


– Gut, nehmen wir die Einnahmen aus UMTS hinzu, die
Sie auch gern noch ausgegeben hätten. Ich bin froh, dass
ich sie für den Schuldenabbau eingesetzt habe; das
musste ich auch erst durchkämpfen. Dann bleibt immer
noch ein Verhältnis von 230 zu 90 Milliarden Euro, an-
gesichts dessen Sie immer noch sehr schlecht aussehen.

Deswegen haben Sie es auch nicht gern, wenn man ein
wenig über die Aktivitäten redet, die unternommen wur-
den, solange Sie die Verantwortung trugen.

Der zweite große Aspekt für die Finanzpolitik lautet:
Die Qualität des Budgets muss besser werden. Wir brau-
chen also mehr Geld für die Zukunftsbereiche, aber nicht
nur mehr Geld. Dazu gehören auch strukturelle Reformen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Alle unsere Anträge dazu haben Sie abgelehnt!)


Meine Damen und Herren, ich könnte mich totlachen,
wenn ich mir allein ansehe, wie windig Ihr Investitions-
begriff ist. Wenn es Ihnen nämlich passt, dann rechnen
Sie – so ist das im Bundeshaushalt; deswegen können
Sie diese Elemente eigentlich gar nicht gebrauchen – die
Gewährleistungen mit hinein. Was heißt denn das? Wenn
unsere Schuldner ihre Schulden nicht bezahlen, dann
müssen wir bezahlen; dies erhöht unsere Investitionen.
Welch unsinnigen Investitionsbegriff legen Sie da zu-
grunde, meine Damen und Herren?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch unter diesem Aspekt sind wir sogar oben, ob-
wohl bei uns die Gewährleistungen heruntergingen, weil
wir zum Beispiel mit Russland Gott sei Dank einen
Schuldner haben, der solide bezahlt. Das wäre sonst ein
riesiges Haushaltsrisiko.

Die Verkehrsinvestitionen haben einen historischen
Höchststand erreicht. Es kommt doch nicht auf die
Hochbauinvestitionen an


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Zum größten Teil Transfers!)


– sie wären in einem übersättigten Wohnungsmarkt völ-
lig falsch –, sondern auf die Verkehrsinvestitionen.

Was haben Sie, meine verehrten Damen und Herren,
im Bereich Bildung und Forschung gemacht? Das habe
ich mir nun gerade einmal herausgesucht, weil Sie das
genannt haben, Herr Merz; das hätten Sie besser nicht
getan. Das war die Sparbüchse meines Vorvorgängers
Theo Waigel.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Seit 1993 haben Sie den Etat kontinuierlich von damals
umgerechnet 7,6 Milliarden Euro auf 7,2 Milliarden
Euro im Jahr 1998 heruntergefahren. Seit jenem Jahr
geht der Etat für Bildung und Forschung kontinuierlich
nach oben. Ich muss gleichzeitig dazu sagen, dass wir
die Ausgaben für das BAföG aus diesem Etat ausgeglie-
dert haben und dass wir die Kosten für die Ganztags-
schulen zusätzlich eingestellt haben.

Ich wiederhole: Während Sie 1998 7,2 Milliarden Euro
für Bildung und Forschung im Haushalt hatten, haben
wir an dieser Stelle jetzt knapp über 9 Milliarden Euro.
Das ist der Unterschied zwischen Ihrem Reden und un-
serem Handeln.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Hans Eichel
Sie haben selbstverständlich Recht: Die Förderung von
Investitionen in diesem Bereich gehört zur Sicherstellung
der Zukunftsfähigkeit. Ich stimme dem Kanzler zu, dass wir
noch nicht da sind, wo wir hin wollen. Wir sind zwar besser
als die anderen großen Länder Europas, aber die kleinen
Länder wie die skandinavischen Länder sind besser.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Verdoppelt war versprochen!)


Natürlich müssen wir in diesem Bereich weiter voran-
kommen. Aber jeder von Ihnen weiß doch: Wer solche
Schulden auf dem Buckel hat und so viel Zinsen zahlen
muss, der ist bei der Investitionsfähigkeit eingeschränkt.
Man muss erst die Schulden mühselig zurückfahren


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Macht doch einmal!)


und darf keine neuen Ausgabenwünsche äußern, wie Sie
das gemacht haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Nur Versprechen und sonst nichts! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Deutschland hat solch einen Finanzminister nicht verdient!)


Wir haben die Ausgaben für Bildung und Forschung
nach oben gefahren. Aber in Bezug auf Ausbildungs-
plätze muss ich der Wirtschaft mit allem Nachdruck sa-
gen: Die Verantwortung für die Ausbildungsplätze hat
die Wirtschaft in Deutschland.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Angesichts der Zumutungen, die der Kanzler den Arbeit-
nehmern und Arbeitslosen am vergangenen Freitag an-
gekündigt hat, kann es nicht so sein, dass auf der anderen
Seite die eindeutige Verpflichtung der Wirtschaft, allen
ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen jungen
Menschen einen Ausbildungsplatz zu garantieren – dazu
hat sich die Wirtschaft im Bündnis für Arbeit früher be-
kannt –, nicht erfüllt wird. Ich erwarte von allen Präsi-
denten der großen Wirtschaftsverbände, von allen Präsi-
denten der Industrie- und Handelskammern, von allen
Präsidenten der Handwerkskammern und von den Ober-
meistern aller Innungen – viele haben das früher getan;
ich hoffe, dieses Jahr wieder –, dass sie sich alle persön-
lich darum bemühen, dass alle jungen Leute einen Aus-
bildungsplatz bekommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Warum wollen Sie sie vorher knebeln?)


Dritter Aspekt. Neben Schuldenreduzierung und Ver-
besserung der Qualität im Bereich Bildung und For-
schung durch mehr Investitionen ist der Subventionsab-
bau ein wesentliches Element.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Oh!)


– Ja, sicher. Das ist für Sie ein blamables Kapitel, mein
sehr verehrter Herr Kollege.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Finanzhilfen, die bei Ihnen ein Volumen von
11,4 Milliarden Euro hatten, sind in diesem Haushalt auf
7,7 Milliarden Euro gesunken. Das sind 30 Prozent we-
niger.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Mit dem Kohlekompromiss! Da waren Sie doch dagegen! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wer hat denn den Kohlekompromiss unterschrieben? Das waren doch nicht Sie, Herr Eichel!)


– Richtig. Sie haben Recht: Dazu gehört auch die Kohle;
die Kohlesubvention wird ständig heruntergefahren, ob-
wohl Sie ständig etwas anderes sagen. Wenn Sie bei den
Agrarsubventionen nur einen Bruchteil dessen gekürzt
hätten, was wir bei der Kohle ständig machen, dann sähe
die Welt schon ganz anders aus.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1503303100


Herr Bundesminister, Sie haben die vereinbarte Rede-
zeit schon um über sechs Minuten überzogen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Er ist fertig!)


Sie dürfen als Bundesminister natürlich weiterreden,
aber es geht zulasten der Redezeit Ihrer Fraktionskolle-
gen.


Hans Eichel (SPD):
Rede ID: ID1503303200


Ich werde sehr schnell diese Rede beenden. – Subven-
tionsabbau ist ein Punkt auf der Ausgabenseite. Ich
weise Sie aber darauf hin, dass es genauso auf der Steu-
erseite – das ist völlig widersprüchlich – Subventionen
gibt. Sie haben zum Beispiel die Eigenheimzulage und
den halben Mehrwertsteuersatz für Zahntechniker selber
so definiert. Daran sieht man die Scheinheiligkeit Ihrer
Argumentation: Wenn es ernst wird, stellen Sie sich vor
jede Lobbygruppe. Vorher verkünden Sie Allgemein-
plätze, denen aber hinterher keine Taten folgen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der Bundesrat und der Bundestag – vielleicht weniger
die Oppositionsfraktionen und Regierungsfraktionen in
diesem Hause – haben eine gemeinsame Verantwortung.
Deswegen sage ich Ihnen zum Schluss ganz klar: Wir
werden unsere Verpflichtungen aus dem Stabilitätspakt
erfüllen.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Na!)


Diejenigen, Herr Kollege Rexrodt, die wie Sie oder wie
die CDU/CSU im vergangenen Herbst unter Inkauf-
nahme aller Brüche der europäischen Verantwortung
noch Programme in zweistelliger Milliardenhöhe ver-
kündet haben, können sich heute nicht als Wächter des
Stabilitätspaktes aufspielen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Hans Eichel
Wir haben die Steuersenkung verschoben, um die
Flutaufbauhilfe ohne Schulden zu finanzieren.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Aber die Schulden kommen!)


Genau das ist passiert. Anderenfalls hätten wir
7 Milliarden Euro weniger in der Kasse. Sie haben aber
ganz andere Versprechungen gemacht.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Der Junge ist fertig!)


Wir bleiben dabei – die europäischen Finanzminister
sind sich samt und sonders darin einig –: Der Pakt wird
angewandt. Er ist ein ökonomisches Instrument. Die An-
wendung liegt in europäischer Verantwortung, wobei
einstimmig entschieden werden muss.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: 3 Prozent sind 3 Prozent!)


– Genau: 3 Prozent sind 3 Prozent. – Das heißt dann
auch, Deutschland wird in diesem Jahr – das haben Sie
vom Generaldirektor für Finanzen und Wirtschaft hören
können –


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Jetzt tricksen Sie aber nicht herum!)


in einer Schwächephase, wenn also das Wachstum unter
1 Prozent liegt, nicht angehalten werden, zusätzliche Maß-
nahmen zu ergreifen. Dann wird hingenommen, dass wir
das 3-Prozent-Kriterium überschreiten. Das ist nichts wei-
ter als die Anwendung der automatischen Stabilisatoren.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie lange geht das denn? – Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)


Dieser Generaldirektor ist übrigens derjenige, der un-
ter Herrn Waigel federführend den Stabilitäts- und
Wachstumspakt erarbeitet hat. Das müssten Sie eigent-
lich besser wissen als ich.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Eine rückwärts gewandte Rede ohne Perspektiven!)


Mit anderen Worten: Die entscheidende Frage ist, ob
wir uns im Ecofin oder im Rat der Staats- und Regie-
rungschefs, im Europäischen Rat, bei der Anwendung
des Vertrages dem Geist und dem Buchstaben dieses
Vertrages einstimmig verpflichtet fühlen oder nicht. Die
Bundesregierung tut das.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Na, na!)


Genauso haben wir uns die ganze Zeit über verhalten,
selbst in Wahlkampfzeiten, als Sie Versprechungen ge-
macht haben, die mit nichts zu begründen waren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Da haben Sie gelogen, dass sich die Balken gebogen haben!)


Fazit: In diesem Haushalt wird die Konsolidierung
konsequent weitergeführt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nichts zum Haushalt gesagt!)


Dieser Haushalt tut mehr für Investitionen in Bildung und
Forschung und mehr für den Subventionsabbau als jeder
Haushalt zuvor und verdient deswegen nicht nur Zustim-
mung, sondern lässt auch die entsprechende Beteiligung
der Länder, die haushaltsautonom sind, im Bundesrat er-
warten. Was in Länderverantwortung nicht geschieht,
müssen die Länder selber verantworten. Deren Verant-
wortung kann die Bundesregierung nicht übernehmen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Der Schulmeister gibt sich selber Noten!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1503303300


Das Wort hat jetzt der Kollege Professor Andreas
Pinkwart von der FDP-Fraktion.


Prof. Dr. Andreas Pinkwart (FDP):
Rede ID: ID1503303400


Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
ren! Herr Bundesfinanzminister, wir haben soeben eine
kurze Geschichtsstunde – man könnte auch sagen: Mär-
chenstunde – zur deutschen Einheit erlebt.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Es waren doch die SPD-Ministerpräsidenten, die sich
anlässlich der Entscheidung über das Föderale Konsoli-
dierungsprogramm vom Bund die Stimmen haben ab-
kaufen lassen. Allen voran Oskar Lafontaine war es ge-
wesen, der sich für das Saarland eine milliardenschwere
Bundesergänzungszuweisung hat durchreichen lassen,
um für die deutsche Einheit stimmen zu können, der er
vorher gewaltig entgegengetreten war. Das ist doch die
Wahrheit in der Betrachtung der deutschen Einheit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Wie war das denn mit Möllemann?)


Ich möchte Ihnen einmal in Zahlen dokumentieren,
was der Bundesfinanzminister hier vorgetragen hat.


(Unruhe bei der SPD)


– Wenn Sie zuhören würden, könnten Sie etwas lernen.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Proseminar! Möllemännchen! – Weitere Zurufe und Lachen bei der SPD)


Sie könnten dann zur Kenntnis nehmen, welche Defizit-
zahlen der Euroländer der Bundesfinanzminister, den Sie
stellen, in einer öffentlichen Verlautbarung hat feststel-
len lassen. Hier muss Klartext gesprochen werden. Sie
haben 1998, als Sie in die Regierung gekommen sind,
ein öffentliches Defizit von minus 2,2 Prozent übernom-
men. Das entsprach exakt dem Defizit des Euroraums.
Jetzt zitiere ich die Erklärung des Herrn Bundesfinanz-
ministers vom Januar 2003; dies ist eine öffentliche Be-
kanntgabe der Defizitzahlen für den OECD-Raum. Da
lesen wir: Italien minus 2,4 Prozent, Niederlande minus
0,8 Prozent, Spanien 0 Prozent, Schweden plus 1,4 Pro-
zent und Finnland plus 3,6 Prozent. Die Bundesrepublik






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Andreas Pinkwart
Deutschland ist in dieser Auflistung mit minus 3,8 Pro-
zent das absolute Schlusslicht. – Das ist das Ergebnis Ih-
rer Politik.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wenn der Bundesfinanzminister sagt, dass Rot-Grün
auf Bundesebene einen Beitrag zur Haushaltskonsolidie-
rung geleistet hat, tatsächlich sich aber das gesamtstaatli-
che Defizit seit 1998 dramatisch verschlechtert hat, dann
ist das nur auf eines zurückzuführen: Sie haben die Be-
lastung systematisch auf Länder und Kommunen abge-
wälzt und insgesamt mit Ihrer Politik das gesamtstaatli-
che Defizit erhöht.

Sie, Herr Eichel, sind hier als Sparminister angetre-
ten, aber immer dann, wenn eine kleine, eine mittlere
oder auch eine größere Krise am Horizont aufzieht, set-
zen Sie auf Steuererhöhungen. Statt das Vertrauen in die
Finanzmärkte zu stärken, haben Sie nach dem 11. Sep-
tember als erste Maßnahme die Tabak- und Versiche-
rungssteuer erhöht. Statt die Flutwelle zum Anlass zu
nehmen, Subventionen abzubauen, haben Sie die fest zu-
gesagten Steuersenkungen verschoben. Statt in der
schweren Konjunkturkrise, in der wir uns jetzt befinden,
die Steuern zu senken, haben Sie gegen jeden wirtschaft-
lichen Sachverstand über 40 Steuererhöhungsmaßnah-
men durch den Deutschen Bundestag gepeitscht. Sie,
Herr Eichel, kämpfen mit dieser Politik gegen Ihre eige-
nen Windmühlen. Don Quijote lässt grüßen.

Der Abbau von Steuervergünstigungen macht nur
Sinn, wenn Sie gleichzeitig die Steuersätze senken. Das
tun Sie aber nicht; Sie verschieben die Steuersenkung,
die Sie fest zugesagt haben, und wollen jetzt die Bemes-
sungsgrundlage verbreitern. Damit zerstören Sie bei den
Verbrauchern und Investoren das Vertrauen in Ihre Poli-
tik. Damit gefährden Sie nicht nur Ihre eigenen Wieder-
wahlchancen, sondern Sie zerstören auch den konjunktu-
rellen Pfad.

Sie haben nicht nur die Stabilitätskriterien verfehlt,
Sie haben vor allen Dingen auch den zweiten Teil – das
ist auch Ursache für die schlechte wirtschaftliche Situa-
tion – des Stabilitäts- und Wachstumspakts verfehlt.
Sie setzen nämlich keine hinreichenden Ansätze für die
Förderung des Wachstums.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das haben Sie, Herr Eichel, am vergangen Mittwoch im
Finanzausschuss offenbart. Sie haben dort nach einer ge-
wissen Buchhaltermethode gesagt, ein Euro Minderaus-
gabe durch Einsparung entspräche in der Wirkung genau
einem Euro Mehreinnahme durch Steuererhöhung. Die-
ses Denken haben Sie auf Nachfragen mit Verteilungsge-
rechtigkeit begründet. Sehr geehrter Herr Eichel, wer
Verteilungspolitik der Wachstumspolitik vorzieht – das
scheint offensichtlich Ihr Kurs zu sein –, der wird am
Ende nichts mehr zu verteilen haben. Das sehen wir an
dem jetzt von Ihnen vorgelegten Haushalt 2003.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Chaostheoretiker!)


Wir fordern Sie daher auf: Ziehen Sie Ihr Nettoein-
kommenssenkungsgesetz endlich zurück, verzichten Sie
auf Ihr Placeboprogramm zur Konjunkturstützung und
stellen Sie endlich unmissverständlich klar, dass Sie die
Steuern wirklich senken wollen! Ziehen Sie die letzte
Steuerreformstufe vor, stellen Sie die Signale endlich auf
Steuervereinfachung! Wenn Sie es mit der Steuerverein-
fachung, die auch von Herrn Bundeswirtschaftsminister
Clement angekündigt worden ist, wirklich ernst meinen,
Herr Bundesfinanzminister, dann vermag ich nicht zu
verstehen, dass Sie uns im Finanzausschuss am Mitt-
woch noch erklärt haben, bei der Gemeindefinanzre-
formkommission zielten Sie darauf ab, entweder am al-
ten Zopf festzuhalten oder aber, auch das könnten Sie
sich sehr gut vorstellen, die Gewerbesteuer ganz abzu-
schaffen. Diese beiden Alternativen haben Sie uns am
vergangenen Mittwoch vorgetragen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1503303500


Herr Kollege Pinkwart, kommen Sie bitte zum
Schluss.


Prof. Dr. Andreas Pinkwart (FDP):
Rede ID: ID1503303600


– Ich komme zum Schluss. – Noch am Mittwoch hat
Ihre Finanzstaatssekretärin ausweislich von Pressebe-
richten erklärt, die Bundesregierung ziele in der Gemein-
definanzreformkommission darauf ab, an der Gewerbe-
steuer festzuhalten. Am vergangenen Freitag hat der
Bundeskanzler Sie mit seiner Erklärung auf die Beibe-
haltung und Reanimierung der Gewerbesteuer festgelegt.
Sehr geehrter Herr Finanzminister, damit ist Ihre groß-
artige Aufgabe als Vorsitzender der Gemeindefinanz-
reformkommission der Bundesregierung endgültig ge-
scheitert. Sie setzen auf einen alten Gaul, statt endlich
die deutsche Wirtschaft von der unnötigen, konjunktur-
anfälligen und überbürokratischen Gewerbesteuer zu
entlasten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1503303700


Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Fran-
ziska Eichstädt-Bohlig von Bündnis 90/Die Grünen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Mich hat die bisherige Diskussion irritiert. Wir gehen in
diesen Stunden auf den Irakkrieg zu und gleichzeitig ste-
hen wir alle vor der schwierigen Aufgabe, Haushalts-
konsolidierung und Beförderung des Wirtschafts-
wachstums zu leisten. Das ist keine Aufgabe, die nur
eine Seite dieses Hauses erledigen muss und die andere
nicht. Vor dieser Aufgabe stehen wir gemeinsam und da-
her muss ich sagen: Es irritiert mich ungemein, dass Sie
Ihre alten Reden recyceln, statt mit Nachdenklichkeit






(A) (C)



(B) (D)


Franziska Eichstädt-Bohlig
und Einsicht Ihre eigene Mitverantwortung zur Lösung
der Probleme – sie sind weiß Gott groß genug – ernst zu
nehmen und sich aktiv und konstruktiv einzubringen.
Das fehlt seit Jahr und Tag, das fehlt bis heute.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie begreifen einfach nicht, dass wir uns längst nicht
mehr in den Zeiten dümmlicher Besserwisserei befinden,
sondern dass wir in der Gesamtverantwortung stehen,
um dieses Land durch das wirklich schwierige Fahrwas-
ser, in dem wir uns innen- wie außenpolitisch befinden,
zu steuern. Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir
endlich in diese Diskussion gemeinsam einsteigen. Ich
sage es ganz konkret: Der Kanzler hat am letzten Freitag
damit begonnen.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das war aber ein bisschen spät!)


Er hat Strukturreformen vorgeschlagen,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Viereinhalb Jahre Nachdenken! Da ist eine Maus herausgekommen!)


die auch einen Teil der Forderungen erfüllen, die Sie seit
Jahr und Tag erheben. Insofern wäre es Ihre Aufgabe,
sich auf diese Punkte konstruktiv zu beziehen.

Kollege Rexrodt, Sie sagten: „Das war aber ein biss-
chen spät.“ Als Sie Ihre Forderungen aufgelistet haben,
habe ich nur gedacht: Meine Güte, war die FDP nun
32 Jahre lang an der Regierung beteiligt, was hat sie von
ihren eigenen Forderungen erfüllt?


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Immer das Gleiche, Frau Eichstädt-Bohlig!)


Davon ist nie viel zu hören und zu sehen gewesen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Die Platte hat einen Sprung!)


Ich möchte deutlich sagen, um welche Zielkonflikte
es geht; denn aus meiner Sicht ist die Situation zu ernst,
um hier dauernd Pingpong zu spielen:

Erstens. Der traditionelle Sozialstaat, der durch Um-
verteilung finanziert wird, ist an seine Grenzen gekom-
men.

Zweitens. Wir können Wirtschaftswachstum nicht auf
Pump finanzieren, sondern brauchen eine ausgewogene
Mischung aus Haushaltskonsolidierung und Stärkung
der Wirtschaft.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ganz neue Töne!)


Das ist eine ganz schwierige Gratwanderung. Wir
stellen uns diesen Aufgaben und müssen mühselig ler-
nen, was das für harte Herausforderungen sind, gerade
für Rot-Grün. Ich möchte Sie jedoch auffordern, das Ih-
rerseits zu verstehen; denn alle, Staat, Wirtschaft und
Gesellschaft, müssen ein Stück einbringen, damit die
Bewältigung dieser Aufgaben in Zukunft gelingen kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das heißt ganz deutlich: Wir verteidigen den Konsoli-
dierungskurs, wir verteidigen ihn auch gegen Ihre Ver-
führung, wir sollten mehr Schulden machen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! Das ist doch Unfug!)


– Schauen Sie sich doch Ihre Anträge an, Kollege Aus-
termann. Allein im Verkehrsbereich haben Sie Anträge
mit einem Umfang von über 1 Milliarde Euro Mehrkos-
ten gestellt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wir haben Kürzungen vorgesehen! – Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Nachdenklich!)


Es ist wirklich unverschämt, mit welcher Scheinheilig-
keit – –


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wir waren ganz nachdenklich!)


– Jetzt bin ich es wirklich leid. Ich wollte eine konstruk-
tive Rede halten,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Jetzt kommt die alte Eichstädt-Bohlig zum Vorschein! Genauso ist sie!)


aber ich lasse mir Ihr Verhalten nicht gefallen. Sie ma-
chen den großen Schwarzmaler und reden davon, die
Regierung halte die Maastricht-Kriterien nicht ein, weil
sie das Defizitkriterium nicht einhält, und gleichzeitig
stellen Sie Forderungen, wir brauchten hier und da und
dort mehr Geld. Allein im Verkehrsbereich handelt es
sich um über 1 Milliarde Euro.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nein!)


Als Drittes dröseln Sie das Steuervergünstigungsabbau-
gesetz auf und tun so, als hätten Sie auf Länderebene nichts
mit den Maastricht-Kriterien zu tun. Als Viertes beschwe-
ren Sie sich, die Bundesregierung würde in den Ländern
und Kommunen nicht genügend Geld lassen. Diese Musik
kennen wir in- und auswendig. Entweder haben Sie den
PISA-Schulungskurs nicht kapiert oder Sie lügen die Be-
völkerung systematisch an und streuen den Menschen Sand
in die Augen, statt ehrlich zu sagen, was geht und was nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das ist Ihre Verantwortung, Kollege Austermann. Das
bezieht sich auch auf den Kollegen Merz und auf das,
was er vorhin an Quatsch gesagt hat. Er kann offenbar
nicht einmal die Haushaltsanträge, die eingebracht wur-
den, lesen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es ist eine Unverschämtheit, zu sagen, dieser Haushalt
sei eine Karikatur.






(A) (C)



(B) (D)


Franziska Eichstädt-Bohlig
Dieser Haushalt ist die mühselige Gratwanderung, der
wir uns stellen mussten. Ihre Verantwortung lag unter
anderem darin, dass Sie uns einen Riesenschuldenberg
hinterlassen haben. Wir wissen alle, dass er zum Teil der
Vereinigung geschuldet ist.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Viereinhalb Jahre!)


Deswegen bringt es überhaupt nichts, hier ständig hinter-
herzutreten. Die Aufgabe muss gelöst und die Situation
darf nicht durch Besserwisserei schlecht geredet werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das war ein nachdenklicher Beitrag!)


Sie behaupten ständig – das hat eben auch Herr Pink-
wart gemacht –, wir würden die Steuern erhöhen. Sie ha-
ben noch gar nicht gemerkt, welch anspruchsvolles Steu-
erreformkonzept


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das hat außer Ihnen niemand gemerkt!)


wir längst beschlossen haben. Die ersten Schritte sind
bereits eingeleitet. Fragen Sie sich lieber selbst, warum
Sie die Steuern immer hoch getrieben haben.

Wir haben bereits den Eingangssteuersatz von 25,9 auf
19,9 Prozent und den Spitzensteuersatz von 53 Prozent
auf 48,5 Prozent gesenkt.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das hätten Sie doch mit Petersberg alles machen können! Das haben Sie doch verhindert!)


Wie der Kanzler gesagt hat, werden wir diese Steuerre-
form in den Jahren 2004 und 2005 wie beschlossen wei-
terführen. Dann werden wir den Eingangssteuersatz auf
15 Prozent und den Spitzensteuersatz auf 42 Prozent
senken. Seien Sie ehrlich: Sie sind unheimlich neidisch,
dass Ihnen das in Ihrer Regierungszeit nicht gelungen
ist, obwohl Sie das immer groß propagiert haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Sie haben es doch torpediert!)


– Ja, Kollege Rexrodt, Sie sind gemessen an den Worten
der Größte und gemessen an den Taten der Kleinste. Das
muss man einfach einmal sagen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Rexrodt als Zwerg Nase! – Gegenruf des Abg. Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Lafontaine!)


Ich bin in großer Sorge um den Streit in der Kommission
zur Erarbeitung einer Gemeindefinanzreform. Momen-
tan mündet das Engagement, die Gemeindefinanzen wirk-
lich auf eine solide Basis zu stellen, in einem Hickhack, das
der Problematik nicht angemessen ist. Kollege Rexrodt,
ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, Ihrer Variante zu fol-
gen, den Kommunen ein eigenes Einkommen- und Kör-
perschaftsteuerhebesatzrecht zu geben. Das erhöht die
Bürgermeisterkonkurrenz und den Streit zwischen den
großen Kommunen, den Städten, die die großen sozialen

und die mit entsprechend hoher Arbeitslosenquote verbun-
denen Probleme zu schultern haben, und den Umlandkom-
munen, für die sehr viel günstigere Bedingungen gelten.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht!)


Die können sich dann einen niedrigen Hebesatz leisten,
während die großen Städte auf jeden Euro angewiesen
sind.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das kann man so pauschal nicht sagen!)


Richtig ist das, was wir propagieren, nämlich dass die
Gewerbesteuer so weit stabilisiert wird,


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Die muss abgeschafft werden!)


dass dadurch die Grundfinanzierung der Kommunen be-
stritten werden kann. Werben Sie also nicht ständig für
die Abschaffung und streuen Sie den Unternehmen dies-
bezüglich nicht Sand in die Augen. Die Kommunen
brauchen diese Steuern dringend.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie wollen Steuererhöhungen!)


Nur wenn es uns gelingt, diese Gemeindefinanzre-
form zum 1. Januar 2004 in konstruktiver Weise auf den
Weg zu bringen, können wir den Kommunen das geben,
was sie brauchen, um ihre Investitionen zu tätigen, was
wir wiederum für die Wirtschaft brauchen.

In diesem Sinne wünsche ich mir, dass Sie mit Ihrer
Besserwisserei allmählich zum Schluss kommen und
konstruktiv an den Aufgaben dieses Landes arbeiten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wenn Sie es nicht machen, werden wir weiter vorange-
hen und wir werden es schaffen. Die Einsicht wird es
alle Beteiligten lehren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Auf Wiedersehen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1503303800


Das Wort hat jetzt der Kollege Hans Michelbach von
der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1503303900


Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle-
gen! Es ist richtig: Die Menschen machen sich heute
ernsthafte Sorgen: wegen eines kriegerischen Konfliktes,
aber auch wegen der ökonomischen Abwärtsspirale und
der zunehmenden Hilflosigkeit der Bundesregierung. Im-
mer mehr Menschen in Deutschland erkennen: Deutsch-
land wurde in den letzten 50 Jahren noch nie so schlecht
regiert wie heute.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der SPD)







(A) (C)



(B) (D)


Hans Michelbach
Das gilt insbesondere für die Finanz-, Haushalts- und
Wirtschaftspolitik.

Herr Eichel, Sie haben heute nur noch eine für mich
unredliche Verteidigungsrede gehalten. Bei der Einbrin-
gung des Bundeshaushaltes haben Sie keine neuen Per-
spektiven und keine neuen Ziele aufgezeigt. Sie haben
sich nur noch verteidigt. Das ist zu wenig, Herr Bundes-
minister. Das führt zu keinem Aufbruch, sondern ver-
stärkt nur die Abwärtsspirale. Sie sind der Abwärtsspira-
lenminister.


(Beifall bei der CDU/CSU – Walter Schöler [SPD]: Das ist Ihre Perspektive!)


Unsere Wirtschaft steckt in der schwersten Krise seit
Jahrzehnten und das können Sie, Herr Bundesfinanzmi-
nister, nicht auf den bedauerlichen Konflikt im Irak
schieben. Die Risiken, die dieser Haushalt enthält, sind
hausgemacht. Jeden Tag gehen über 100 Firmen in die
Pleite. Jeden Tag werden 6 000 Arbeitnehmer arbeitslos.
Viele von diesen Menschen hätten heute Arbeit und wür-
den Steuern zahlen, wenn Sie, Herr Eichel, nicht regie-
ren würden. Das sind Tatsachen, die heute anzusprechen
sind.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben es in Deutschland mit einer Abwärtsspirale
zu tun, an deren Folgen wir leider noch sehr lange zu tra-
gen haben werden: Die Staatsverschuldung ist auf einen
Rekordwert von 1 300 Milliarden Euro gestiegen. Mit
knapp 50 Prozent haben wir die vierthöchste Staatsquote
der Welt. Der Staatsanteil frisst inzwischen 56 Prozent
des Volkseinkommens auf. Der Stabilitäts- und Wachs-
tumspakt sowie unsere gemeinsame europäische Wäh-
rung werden zunehmend beschädigt. Der Wachstums-
verlust gegenüber anderen Ländern in der EU wird
immer größer. Mit einer durchschnittlichen Steuerbelas-
tung von 36 Prozent sind wir europaweit Schlusslicht.


(Zurufe von der SPD: Oh!)


Mit einer Grenzsteuerbelastung von 29,8 Prozent liegen
wir in der Europäischen Union auf dem vorletzten Platz.
Von 100 Euro Arbeitslohn beansprucht unser Staat, Herr
Eichel, leistungsfeindliche 66 Euro an Steuern und Ab-
gaben. Beim Vergleich des durchschnittlichen Pro-Kopf-
Einkommens sind unsere Bürger seit 1998 auf der Welt-
rangliste von Platz 7 auf Platz 13 abgestürzt. – Unsere
Bürger sind durch Rot-Grün also immer ärmer gewor-
den. Auch das ist eine Tatsache, die ich hier ansprechen
muss.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Auf diese Misere kennt Rot-Grün nur eine Antwort,
die geradezu absurd ist: neue Steuererhöhungen, noch
mehr Schulden und Flickschusterei durch viele Einzel-
gesetze. Was für ein Irrweg! Eine solche Politik treibt
uns nur noch mehr in die Krise.

Welches System hinter dieser Politik steckt, hat uns
Herr Müntefering entwaffnend erklärt. Er hat gefordert,
wir sollten weniger Geld für den privaten Konsum haben
und dem Staat Geld geben, damit er seine Aufgaben er-
füllen könne. Das ist nichts anderes als Staatswirtschaft à

la DDR-Ökonomie. Das sind die Grundlagen Ihrer öko-
nomischen Arbeit!


(Zurufe von der SPD: Oh!)


Zu Beginn dieses Jahres haben die Menschen be-
merkt: Rot-Grün führt zu immer mehr Steuern, mehr
Abgaben und mehr Belastungen. Eine Durchschnittsfa-
milie hat Monat für Monat bis zu 270 Euro weniger in
der Tasche.


(Zuruf von der SPD: Ach!)


17 Milliarden Euro an Ökosteuer kassieren Sie bei den
Bürgern und den Betrieben in diesem Jahr ab. Das muss
deutlich werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lothar Mark [SPD]: Das ist gelogen!)


Meine Damen und Herren, Deutschland braucht mehr
Freiraum, mehr Markt, mehr Wettbewerb und nicht mehr
Regulierung und mehr Belastung. Deutschland braucht
einfach eine wachstumsorientierte Politik, die Unter-
nehmern und Arbeitnehmern Entfaltungsmöglichkeiten
lässt, die Leistungsbereitschaft fördert und nicht immer
nur behindert.


(Elke Ferner [SPD]: Wo sind Ihre Vorschläge?)


Herr Bundesfinanzminister Eichel, wenn Sie von
Wachstumspolitik reden, dann ist das für mich so, als
wenn eine bayerische Kuh vom Sonntag spricht. Die Wi-
dersprüchlichkeiten Ihrer Finanzpolitik gehen auf keine
Kuhhaut, zumindest auf keine bayerische Kuhhaut: Sie er-
höhen erst die Steuern, weil angeblich kein Geld vorhan-
den ist, und würgen so die Konjunktur ab, gleichzeitig ma-
chen Sie aber neue Schulden, um die Konjunktur wieder
anzukurbeln. Der Bundeskanzler beharrte am Freitag auf
den Steuererhöhungen durch das Steuervergünstigungs-
abbaugesetz und der Kürzung der Eigenheimzulage und
kündigte am gleichen Tag ein Kreditprogramm für die
Bauwirtschaft an. Mit der Erhöhung der Gewerbesteuer-
umlage entziehen Sie, Herr Bundesfinanzminister, den
Kommunen in vier Jahren rund 10 Milliarden Euro und
bieten ihnen gleichzeitig billige Kredite an. Was denn nun,
Herr Eichel? Sie sind vielleicht kein Spielverderber, wie
Sie es vorhin gesagt haben, aber ein Mann voller Wider-
sprüchlichkeiten in der Finanzpolitik. Das muss heute
deutlich werden. Mit diesem Haushalt haben Sie die Re-
alitäten der Finanzpolitik aus den Augen verloren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deutschland braucht jetzt wirklich einen Weg aus der
Wachstums- und Haushaltsfalle und keine finanzpoliti-
sche rot-grüne Gesundbeterei.


(Jörg Tauss [SPD]: Werden Sie mal konkret!)


Deutschland braucht einen Kurswechsel in der Finanz-
politik. Der Staat darf auf Dauer nicht mehr ausgeben,
als er einnimmt; denn die Schulden von heute sind die
Steuern von morgen.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(B) (D)


Hans Michelbach
Hierzu wird eine zielführende Gesamtkonzeption in der
Finanz- und Steuerpolitik benötigt, die bei den Bürgern
wieder Vertrauen und bei den Betrieben wieder Pla-
nungssicherheit schafft. Nur wer Vertrauen hat, nimmt
Herausforderungen an und meistert sie. Ihr Problem in
der Finanz- und Steuerpolitik ist, dass Sie jede Glaub-
würdigkeit und jegliches Vertrauen verloren haben, wes-
halb die Bürger nicht mehr konsumieren und die Inves-
toren nicht mehr investieren. Deshalb brauchen wir in
der Steuer- und Finanzpolitik einen klaren Kurswechsel
und eine klare ordnungspolitische Linie.


(Zuruf von der SPD: Wie? Herr Michelbach, sagen Sie einmal, wie!)


Meine Damen und Herren, in der Steuerpolitik gibt es
natürlich eine klare Lösung: Insbesondere muss auf neue
Steuererhöhungen verzichtet werden. Natürlich müssen
Sie auch die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit
stärker vorantreiben, um die Zahl der Beitragszahler zu
erhöhen. Mehr Arbeitslose bedeuten weniger Beitrags-
zahler, weniger Steuerzahler, weniger Kreativität und
weniger aktive Menschen in unserem Land. Wenn Sie
das Grundübel der Arbeitslosigkeit nicht besser anpa-
cken, kann Deutschland nicht aus der Wachstums- und
Haushaltsfalle herauskommen. Durch eine Senkung der
Arbeitslosigkeit um nur 100 000 Personen kann ein
Konsolidierungsbeitrag von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr
erwirtschaftet werden. Deshalb muss es wachstums- und
beschäftigungsfördernde Maßnahmen geben. Das sind
die Grundlagen für eine neue Finanz- und Steuerpolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Auf neue Steuererhöhungen muss verzichtet werden
und es muss ein zielführendes Steuerabbauprogramm
mit einem klaren Plan für mehr Steuervereinfachungen
und Steuergerechtigkeit geschaffen werden.


(Joachim Poß [SPD]: Sehr konkret!)


Dieses Gesamtsteuerkonzept muss natürlich inklusive
aller Herausforderungen der Steuerpolitik erstellt wer-
den.


(Florian Pronold [SPD]: Sagen Sie nur einen sinnvollen Satz!)


Natürlich muss mit diesem Konzept der Forderung des
Bundesverfassungsgerichtes zur gleichen Besteuerung
der Alterseinkünfte nachgekommen werden. Die Abgel-
tungsteuer auf Kapitaleinkommen ohne Kontrollmittei-
lungen sollte in den Bereich der Einkommensbesteue-
rung eingebettet sein.


(Florian Pronold [SPD]: Bitte nur einen vernünftigen und konkreten Satz!)


Es ist ganz klar: Wir haben schon sehr lange eine Ge-
samtkonzeption in der Steuerpolitik gefordert. Hierzu
gehört natürlich auch eine Gemeindefinanzreform. Als
Substanzsteuer ist die Gewerbesteuer natürlich auch Teil
der gesamtsteuerlichen Belastung. Mit Ihrer rot-grünen
Steuerreform haben Sie die Mittelständler gegenüber
den großen Kapitalgesellschaften massiv benachteiligt.
Im Jahre 2000 haben die Kapitalgesellschaften noch
23 Milliarden Euro Körperschaftsteuer abgeführt. Im

Jahre 2001 haben die Finanzminister 400 Millionen Euro
ausgezahlt. Bei Ihnen ist aus einer Einnahmequelle ein
Ausgabenposten geworden.

Rot-Grün hat die Steuerbelastung insbesondere zulas-
ten der mittelständischen Unternehmen umverteilt.
Für die großen Kapitalgesellschaften gilt seit 2001 der
definitive Steuersatz von 25 Prozent. Zuzüglich der Ge-
werbesteuerlast werden sie mit insgesamt 38 Prozent be-
lastet.


(Joachim Poß [SPD]: Glauben Sie den Unsinn, den Sie erzählen, eigentlich selbst?)


Dagegen sollen 80 Prozent der Unternehmen in Deutsch-
land, die Personengesellschaften, erst 2005 auf 42 Pro-
zent entlastet werden. Das haben sich diese Personenge-
sellschaften auch noch teuer erkauft; denn gleichzeitig
müssen sie aufgrund der Verbreiterung der Bemessungs-
grundlage die Mehrbelastung schon heute tragen. Ich
nenne als Beispiel die Verschärfung der Abschreibungs-
fristen. Damit haben die Personengesellschaften die heu-
tige Entlastung der Kapitalgesellschaften finanziert. Das
ist ungerecht. Deswegen brauchen Sie sich nicht zu wun-
dern, wenn sich die Mehrheit der Personengesellschaften
innerlich verweigert und nicht mehr investiert.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg-Otto Spiller [SPD]: Dünner Beifall bei der Union!)


Aus diesem Grunde rufe ich Sie zu einem vertrauens-
bildenden Steuermoratorium auf. Die Steuerpolitik in
Deutschland bedarf eines Kurswechsels. Wir brauchen
eine umfassende Reform unseres Steuersystems mit Ab-
bau der Nachteile für den Mittelstand und einer wirkli-
chen Nettoentlastung für Bürger und Betriebe, keine
Steuererhöhungen. Das Ziel muss ein einfaches, transpa-
rentes, gerechtes und nachvollziehbares Einkommen-
steuerrecht mit niedrigen Steuersätzen und weitgehen-
dem Verzicht auf Besteuerungsausnahmen sein.

Hierzu gehört eine rechtsgültige Abschaffung der
Vermögensteuer und eine Neuregelung der Erbschaft-
steuer im Falle einer Unternehmensfortführung genauso
wie eine Soforthilfe für die Kommunen, die zum 1. Ja-
nuar 2004 eine wirtschafts- und ertragsbezogene Ge-
meindefinanzreform benötigen. Dies würde dann das
erste Steuergesetz ohne neue Belastungen für die Wirt-
schaft sein. Wir brauchen keine neuen Steuererhöhungen
unter dem Stichwort der Revitalisierung der Gewerbe-
steuer mit Substanzbesteuerung von Mieten, Pachten,
Zinsen und Leasingraten! Das, was der Bundeskanzler
zur Gemeindefinanzreform am Freitag vorgetragen hat,
ist eine reine Steuererhöhung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben für die mittelständischen Firmen eine Steuer-
erhöhung zwischen 30 und 40 Prozent ausgerechnet,
wenn man die Besteuerung von Mieten, Pachten, Zinsen
und Leasingraten hinzurechnet, wie das von den kommu-
nalen Spitzenverbänden und vom Bundeskanzler vorge-
schlagen wurde. Das ist der neue Irrweg. Wir brauchen
eine Gemeindefinanzreform, mit der wirtschaftsbezogen
eine gerechte Lösung nach den Erträgen geschaffen wird.






(A) (C)



(B) (D)


Hans Michelbach
Alles andere wäre eine neue Substanzbesteuerung, die
die Betriebe letzten Endes in die Illiquidität führt. Viel-
mehr müssen Sie dafür sorgen, dass die Betriebe zah-
lungsfähig bleiben. Darum geht es.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deutschland braucht ein neues Verhältnis zwischen
Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, das heißt ein gewan-
deltes Verständnis von Freiheit, Selbstverantwortung,
Rechten und Pflichten. Insbesondere bei den Kommu-
nalfinanzen muss es gerecht zugehen. Sie haben willkür-
lich eine Erhöhung der Gewerbesteuerumlage vorge-
nommen. Damit haben Sie die Kommunalfinanzen
erheblich beschädigt. Daher dürfen Sie sich nicht wun-
dern, wenn die Kommunen nicht mehr investieren.

Als Soforthilfe müssen die willkürliche Erhöhung der
Gewerbesteuerumlage und die Belastung der Kommunen
durch das Flutopfersolidaritätsgesetz in allen Bundeslän-
dern zurückgenommen werden. Das heißt, wir müssen ei-
nen Kurswechsel hin zu weniger Staat mit Senkung der
Staatsquote bis zum Jahr 2010 auf 40 Prozent und eine
Haushaltskonsolidierung mit materiellem Budgetaus-
gleich beim Gesamtstaat bis zum Jahr 2006 vornehmen.


(Lothar Mark [SPD]: Das ist eine Ausgabenvermehrung, so wie Sie das beantragen!)


Insbesondere brauchen wir eine Steuernettoentlastung
für Arbeitnehmer und für den Mittelstand.

Wir müssen Bürgern, Unternehmen und Kommunen
wieder mehr Vertrauen und Handlungsfreiheit geben,
statt ihre Leistungskraft immer mehr zu ersticken.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie müssen den Bürgern, den Kommunen und den Un-
ternehmen mehr Freiraum geben, damit sie konsumieren
und investieren können. Das ist der richtige Ansatz. Die
Bundesregierung und dieser Finanzminister hingegen
betreiben tagtäglich eine wachstums- und mittelstands-
feindliche Politik.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1503304000


Das Wort hat jetzt der Kollege Bernhard Brinkmann
von der SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Bernhard Brinkmann (SPD):
Rede ID: ID1503304100


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Bis vor gut zwei Stunden hatte ich wirklich noch
die leise Hoffnung, dass man auf der rechten Seite dieses
Hauses nicht nur kritisiert und polemisiert, sondern dass
man dort bereit ist, sich an der Lösung der Probleme, die
ohne Zweifel vorhanden sind, zu beteiligen. Das ist lei-
der nicht der Fall. Im Gegenteil, weiterhin wird schlecht-
und mies geredet und mit Zahlen jongliert, die einfach
nicht der Wahrheit entsprechen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Sie sind einfach destruktiv!)


Das möchte ich an zwei Beispielen deutlich machen.
Der Kollege Michelbach stellt sich hier hin


(Jörg Tauss [SPD]: Unverschämt!)


und behauptet allen Ernstes,


(Zuruf von der SPD: Das glaubt er auch noch!)


dass eine Durchschnittsfamilie in Deutschland – ich füge
hinzu: er meint bestimmt ein Ehepaar mit zwei Kindern –
durch die Steuerpolitik der Bundesregierung eine mo-
natliche Mehrbelastung in Höhe von 270 Euro hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kollege
Michelbach, das ist jenseits jeglicher Wahrhaftigkeit und
jenseits jeglicher Realität. Nehmen Sie das doch bitte
einmal zur Kenntnis.


(Beifall bei der SPD)


Bevor Sie den Familien den Familienleistungsaus-
gleich gezahlt haben, musste doch erst in Karlsruhe ein
Urteil gesprochen werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Für Sie wurde das Urteil gesprochen. Wir haben für die
deutsche Durchschnittsfamilie 1 000 Euro bzw. 2 000 DM
mehr Kindergeld gezahlt. Das haben Sie in den 16 Jahren
Ihrer Regierungszeit nicht geschafft.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Jochen-Konrad Fromme [CDU/ CSU]: Die größte Steigerung des Kindergeldes war 1996!)


– Lieber Kollege Jochen Fromme, aus alter Verbunden-
heit sage ich: Heute bist du hier der beste und lauteste
Zurufer. Lass das doch bitte.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Du kannst dich demnächst von diesem Pult hier vorne
äußern.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das geht nur, wenn Herr Tauss nicht da ist! – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Was sagen Sie Herrn Tauss?)


Man sieht förmlich, dass dein Gesicht rosa anläuft. Das
tut der Gesundheit nicht gut. Du solltest das lassen. Dann
können wir darüber in alter Verbundenheit – wir kennen
uns ja schon viele Jahre – an anderer Stelle diskutieren.

Die zweite Behauptung, die Kollege Michelbach – ich
glaube, als Mittelständler – aufgestellt hat, schlägt dem
Fass nun wirklich den Boden aus. Sie ist jenseits jegli-
cher Realität. Er behauptet allen Ernstes, dass 80 Prozent
der Mittelständler in Deutschland den Spitzensteuersatz
zahlen.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)







(A) (C)



(B) (D)


Bernhard Brinkmann (Hildesheim)

Er muss lange Zeit nicht in seinem Wahlkreis gewesen
sein. Herr Kollege Michelbach, die Mittelständler haben
einen Gewinn vor Steuern, der in der Breite bei
50 000 Euro liegt. Sie zahlen einen Steuersatz in Höhe
von 20 Prozent, nicht aber den Spitzensteuersatz. Neh-
men Sie das doch bitte einmal zur Kenntnis und verbrei-
ten Sie hier nicht ständig die Unwahrheit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Uwe Küster [SPD]: Keine Ahnung!)


Auch durch ständiges Wiederholen wird das, was Sie sa-
gen, nicht richtiger.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ich habe von den Personengesellschaften gesprochen!)


Nun sage ich etwas zum Kollegen Austermann. Von
ihm bin ich ja seit November 2001 aus dem Haushalts-
ausschuss gewohnt, dass er es oft mit der Wahrheit nicht
sehr genau nimmt oder Dinge erzählt, die nicht der Rea-
lität entsprechen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Vorsicht, sonst gibt es ein paar hinter die Ohren!)


– Wenn das eine Drohung gewesen sein soll, können wir
unser Gespräch gleich gerne fortführen. Hören Sie aber
lieber aufmerksam zu, Herr Kollege Austermann. Sie be-
haupten hier, dass die Bundesregierung seit 1998, also
seitdem sie im Amt ist, nichts anderes getan hat, als
Steuererhöhungen zu beschließen.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: So ist es!)


– Jochen, du wolltest doch nicht mehr dazwischenrufen.
Lass das doch bitte.

Dazu nenne ich Ihnen einige Punkte. Die Regierung
aus CDU/CSU und FDP hat die Mineralölsteuer um
50 Pfennig erhöht und damit die deutsche Einheit und
den Irakkrieg finanziert.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Und die Bahnreform!)


Trotz der fünf Stufen der Ökosteuer sind wir von derarti-
gen Entwicklungen noch weit entfernt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Bahnreform!)


Sie haben die Mineralölsteuer erhöht, ohne dass damals
auch nur ein Pfennig zurückgeflossen ist. Im Gegenteil,
mit dieser Steuererhöhung mussten Sie seinerzeit letzt-
endlich Ihr Wahlversprechen, das Sie nicht halten konn-
ten


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ach Gottchen!)


– Sie wollten ja die deutsche Einheit aus der Portokasse
finanzieren –, einlösen, um die entstandenen Belastun-
gen tragen zu können.

Es kommt aber noch viel schlimmer.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Haushaltsgesetz 2003!)


Sie haben eine Versicherungsteuer in Höhe von
5 Prozent geerbt. In den Jahren 1982 bis 1998 haben Sie,
meine sehr verehrten Damen und Herren, die Versiche-
rungsteuer auf 15 Prozent verdreifacht. Aber Sie spre-
chen der Regierung allen Ernstes zu, eine Steuererhö-
hungsregierung zu sein.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ja!)


– Herr Kollege Austermann, Sie haben die Versiche-
rungsteuer von 5 auf 15 Prozent verdreifacht, um auch
damit die Kosten der deutschen Einheit zu finanzieren.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Und was habt ihr mit der Tabaksteuer gemacht?)


Ich möchte in Erinnerung rufen, welchen Terz und
Tanz Sie hier veranstaltet haben, als wir die Versiche-
rungsteuer wegen der Ereignisse des 11. September
2001 um 1 Prozentpunkt erhöht haben, um damit die
gestiegenen Kosten für die innere Sicherheit zu finan-
zieren.

Wer den Eingangssteuersatz und den Spitzensteuer-
satz auf Rekordhöhe getrieben hat,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Jetzt aber!)


wie Sie es getan haben, der sollte doch bitte zur Kennt-
nis nehmen, dass der Eingangssteuersatz durch die im
Gesetzblatt stehende Steuerreform nach der fünften
Stufe bei 15 Prozent und der Spitzensteuersatz bei
42 Prozent liegen wird. Auch hierzu sollten Sie sich ein-
mal die Aussagen von Herrn Wiegard durchlesen, die er
gestern in der „Berliner Zeitung“ zu diesem Thema ge-
troffen hat.

Herr Kollege Austermann, wer als Mitglied im Schat-
tenkabinett von Herrn Steffel bei der Wahl zum Berliner
Abgeordnetenhaus solch eine Wahlniederlage einstecken
musste, der sollte dieser Bundesregierung und den sie
tragenden Fraktionen nicht vorwerfen, sie hätten nur
Steuererhöhungen vorgenommen. Genau das Gegenteil
ist der Fall.

Ich will Ihnen noch anhand von vier Punkten, die Sie
am 9. und 10. Februar auf Ihrer Klausurtagung beschlos-
sen haben, sagen, wie unehrlich Sie mit der Bevölkerung
umgehen: Absenkung des Spitzensteuersatzes auf unter
30 Prozent und des Eingangssteuersatzes auf unter
10 Prozent. Meine Damen und Herren, das sind Ausga-
ben von rund 30 Milliarden Euro gegenüber dem gelten-
den Recht. Aber es nimmt noch kein Ende: Aussetzen
der nächsten Stufe der Ökosteuer; Mindereinnahmen
von 3,5 Milliarden Euro. Einführung des Familiengeldes
– das war der Wahlkampfschlager im Bundestagswahl-
kampf im Sommer letzten Jahres; man hört immer weni-
ger davon; damit wollten Sie den Familien wirklich
gewaltig Sand in die Augen streuen –; Mehrausgaben
von 16 Milliarden Euro im ersten Jahr, weiter steigend
dann, wenn die Endstufe erreicht wird, Mehrausgaben
von 30 Milliarden Euro. Dann sollten für die Bundes-
wehr noch 1,5 Milliarden Euro obendrauf. Wenn man
das alles addiert – das ist wichtig zu wissen –, dann
kommt man auf Mehrausgaben von 50 Milliarden Euro,
ohne dass Sie einen konkreten Vorschlag gemacht hätten,






(A) (C)



(B) (D)


Bernhard Brinkmann (Hildesheim)

wie diese 50 Milliarden Euro Mehrausgaben gegenfinan-
ziert werden sollen. Widersprüchlicher kann eine Finanz-
politik nicht sein.


(Beifall bei der SPD)


Lassen Sie mich noch eine letzte Bemerkung zu den
Lohnnebenkosten machen. Es ist völlig unstrittig unter
uns – das setze ich voraus –, dass die Lohnnebenkosten
gesenkt werden müssen. Wer aber von 1992 bis 1998 die
Lohnnebenkosten in dieser Größenordnung hat anstei-
gen lassen,


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Sie haben versprochen, dass durch die Ökosteuer die Lohnnebenkosten sinken!)


der sollte die Anpassung des Rentenversicherungsbei-
tragssatzes – Herr Kollege Fromme, da Sie viele Jahre
Beamter waren, haben Sie das wohl nicht mitbekommen –
von 19,1 Prozent auf 19,5 Prozent nicht in dieser Art und
Weise kritisieren. Wer starke Schultern hat, muss mehr
tragen; das ist keine Frage. Das kann man nicht ernsthaft
bestreiten. Aber für breite Bevölkerungsschichten war
das eine moderate Anpassung. Wer so eine Vergangen-
heit hat wie die rechte Seite dieses Hauses, was die Stei-
gerung der Lohnnebenkosten angeht, sollte nicht in die-
ser Härte Kritik üben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich komme zum Schluss.


(Zuruf von der CDU/CSU: Gott sei Dank!)


Der Bundeshaushalt 2003, über den wir in dieser Woche
in zweiter und dritter Lesung diskutieren, setzt die solide
Finanzpolitik der Bundesregierung fort.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Oh!)


Wir laden Sie ein: Machen Sie mit! Wir brauchen mehr
denn je Mitmacher statt Miesmacher.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Das war die schlechteste Rede!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1503304200


Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Michael Meister
von der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Michael Meister (CDU):
Rede ID: ID1503304300


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Bundesfinanzminister Eichel, Sie haben
vorhin zu Recht den irritierenden Verlauf der Reformde-
batte in Deutschland beklagt. Es war auch berechtigt,
dass Sie Ihren Blick auf die Koalitionsfraktionen gerich-
tet haben; denn Irritationen in der Reformdebatte kom-
men nicht aus der Opposition, sondern aus den Regie-
rungsfraktionen.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!)


Von dort werden jeden Tag neue Vorschläge, Dementis,
Korrekturen vorgetragen und es wird dafür gesorgt, dass
durch diese Art der Reformdebatte jegliches Vertrauen in
der Bevölkerung und der Öffentlichkeit zerstört wird.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das heißt, Sie müssen in Ihrer Koalition dafür sorgen,
dass ein vernünftiges Klima geschaffen wird, und sollten
an dieser Stelle nicht auf die Opposition verweisen.

Zum Zweiten möchte ich Ihnen sagen: Sie haben seit
Oktober letzten Jahres nur davon gelebt, jeden Tag neue
Vorschläge zu Steuererhöhungen und Abgabenerhöhun-
gen zu bringen. An einem Tag wird im Hause von Frau
Schmidt dementiert, dass der Krankenkassenbeitrag
steigt, am nächsten Tag wird es bestätigt. Dann wird im
Arbeitsministerium debattiert, ob der Beitrag zur Ren-
tenversicherung erhöht wird oder nicht. Herr Eichel
kommt jeden Tag mit Listen von neuen Formen der
Steuererhöhung. In dieser Form, Herr Bundesfinanzmi-
nister, gewinnen Sie kein Vertrauen und schaffen damit
auch kein Klima für eine vernünftige Reformdebatte.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich will Ihnen einen weiteren Punkt nennen: Wir be-
klagen, dass zwischen 2001 und 2003 über 110 000 Un-
ternehmen in Deutschland Insolvenz angemeldet haben.


(Zuruf von der SPD: Wie viele sind denn neu gegründet worden?)


Wir führen eine mühsame Debatte, wie wir für Existenz-
gründer mehr tun können. Gleichzeitig findet in der Rea-
lität das genaue Gegenteil statt: Es werden ständig Exis-
tenzen vernichtet.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Leider!)


Ich stimme mit Ihnen darin überein, Herr Eichel, dass
wir dringend etwas tun müssen, damit mehr Lehrstellen
geschaffen werden. Das haben Sie völlig zu Recht ange-
sprochen. Aber lassen Sie uns ein kleines Rechenbeispiel
durchgehen: Wenn nur jedes vierte der 110 000 in
Deutschland vernichteten Unternehmen in diesem Jahr
einen einzigen Lehrplatz hätte schaffen können, dann
wären das 25 000 zusätzliche Lehrstellen, deren Fehlen
Sie zu verantworten haben, weil Sie gerade den Mittel-
stand ständig mit mehr Bürokratie und höheren Abgaben
belastet und damit zur Insolvenz der Unternehmen und
zu einem massiven Mangel an Ausbildungsplätzen in
Deutschland beigetragen haben. Dafür tragen Sie die
Verantwortung. An dieser Stelle können Sie nicht auf die
Wirtschaft verweisen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Harald Leibrecht [FDP])


Sie haben zu Recht angemahnt, dass wir eine kon-
struktive Debatte über die Frage führen sollten, wie die
Wirtschaftsentwicklung verstärkt und die Finanzpolitik
gestaltet werden können. Aber für eine konstruktive De-
batte wäre es dringend notwendig, sich auf Zielvorga-
ben der Kennziffern der Finanzpolitik zu verständigen.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Michael Meister
Ich habe sowohl in der Regierungserklärung des Bun-
deskanzlers am vergangenen Freitag wie auch in Ihrer
Rede, Herr Bundesfinanzminister, eine klare Vorgabe
vermisst, welche Ziele Sie mit Ihrer Finanzpolitik verfol-
gen.


(Beifall des Abg. Hans Michelbach [CDU/ CSU])


Welche Ziele wollen Sie erreichen?


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Es gibt keine! – Lothar Mark [SPD]: Konsolidierung!)


Wollen Sie die Staatsquote senken und, wenn ja, auf
welchen Stand? Wir haben in dieser Frage die klare Aus-
sage getroffen, dass wir sie unter 40 Prozent senken wol-
len.


(Zurufe von der SPD: Wie?)


Wollen Sie die Sozialabgabenquote senken? Was ist
Ihre Vorgabe an dieser Stelle? Unsere Vorgabe ist, sie
unter 40 Prozent zu senken.


(Lothar Mark [SPD]: Wie machen Sie das?)


– Das ist zunächst einmal Ihre Aufgabe, Herr Mark. De-
finieren Sie erst einmal ein Ziel, das Sie erreichen wol-
len! Dann können wir einen Weg definieren, auf dem wir
dieses Ziel erreichen wollen. Sie aber haben kein Ziel,
sodass man auch keinen Weg finden kann, dieses Ziel zu
erreichen. Das ist Ihr Manko.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn Sie kein Ziel haben, dann haben Sie auch keine
Möglichkeit, Ihren Erfolg oder Misserfolg zu messen.
Denn wenn man nicht weiß, wo man hin will, kann man
auch nicht erkennen, wie weit entfernt man noch vom
Ziel ist. Das ist Ihr zentrales Manko.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Was der Herr Bundeskanzler am Freitag vorgetragen
hat, war kein geschlossenes Gesamtkonzept für Wirt-
schafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik, sondern ein
Sammelsurium von Einzelmaßnahmen.


(Walter Schöler [SPD]: Das sieht Herr Seehofer ganz anders!)


Mit einem solchen Sammelsurium, das auch noch stän-
dig variiert wird, gewinnt man aber kein Vertrauen. Sie
befinden sich in einem Prozess der Selbstfindung, den
Sie endlich abschließen sollten, und Sie sollten den
Menschen klar und deutlich sagen, wohin Sie sie im
nächsten Jahr führen wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lothar Mark [SPD]: Verhaltener Beifall!)


Das Steuervergünstigungsabbaugesetz ist bereits an-
gesprochen worden. Mit einem solchen Gesetz, dem Sie
ständig etwas hinzufügen, während Sie anderes wieder
herausnehmen, und der ständigen Debatte darüber, um
wie viele Milliarden Sie die Steuern erhöhen wollen,
schaffen Sie kein Vertrauen, sondern Sie verunsichern
die Menschen.

Ich will am Beispiel Dienstwagen deutlich machen,
wie Sie vorgehen. Im Zusammenhang mit diesem Thema
erwarten Sie im dritten Monat dieses Jahres von den
Menschen, dass sie ein doppeltes Steuerrecht beachten,
nämlich das Gesetz, das Sie beschließen wollen, und das
zurzeit geltende Recht. Mit solcher Art von Politik und
Gesetzgebung kann man in diesem Lande kein Vertrauen
gewinnen.

Ich will Ihnen ein zweites Beispiel nennen, nämlich
die Bauindustrie. Wenn Sie feststellen, Herr Bundes-
finanzminister, dass der Abbau von 600 000 Arbeitsplät-
zen, der seit Mitte der 90er-Jahre in der Bauindustrie er-
folgt ist, eine Normalisierung darstelle, dann ist das ein
zynischer Umgang mit 600 000 Familien in diesem
Land, den wir nicht akzeptieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir machen uns Sorgen um diese Menschen, ihren Ar-
beitsplatz und ihre Familien und bezeichnen das nicht als
einen Normalisierungsprozess, wie Sie es getan haben.
Deshalb lehnen wir auch die Mindestbesteuerung, die
Sie im Blick haben, ab. Die Mindestbesteuerung wird
gerade im Baubereich zu weiteren Unternehmensinsol-
venzen führen.

Auch der Abbau der Eigenheimzulage wird zu einem
massiven Abbau von Arbeitsplätzen in diesem Bereich
führen. Die Beschränkung der AfA wird zu einem weite-
ren Abbau von Arbeitsplätzen führen. Ich möchte den
Menschen nicht erklären, dass ich das für normal halte.
Ich halte das für schlimm und möchte etwas dagegen
tun. Deshalb lehnen wir diese Politik ab, meine Damen
und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Günter Rexrodt [FDP])


Der Herr Bundesfinanzminister hat leider zum Aus-
druck gebracht, dass in seinem Haus bzw. an der Spitze
des Hauses nicht volkswirtschaftlich gedacht wird. Viel-
mehr wird rein fiskalpolitisch gedacht und Buchhaltung
betrieben. Zwar ist es in einem großen Unternehmen wie
auch in einem Land wichtig, eine gute Buchhaltung zu
haben. Aber eine ordentliche Buchhaltung ersetzt nicht
die Strategie zur Lösung von Problemen. Es geht in Ih-
rem Haus nicht darum, die Lösung der Probleme mit ei-
ner guten Buchhaltung anzugehen, sondern Sie brauchen
dringend eine Strategie, Herr Eichel. Das ist Ihr Pro-
blem. Wir verlangen, dass Sie endlich eine vernünftige
Strategie vorlegen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ute Kumpf [SPD]: Was wollen Sie von uns?)


Lassen Sie uns einen Blick auf den Kapitalmarkt
werfen. In diesem Bereich haben wir etwas Tolles erlebt.
Der Herr Bundesfinanzminister hat von Vertrauensbil-
dung und der Notwendigkeit gesprochen, Sicherheit zu
schaffen und die Unsicherheit zu beenden. Ein weiterer
Bundesminister, für Wirtschaft und Arbeit verantwort-
lich, hat an dieser Stelle ausgeführt, Kontrollmitteilungen
seien überflüssig. Zwei Tage später erklärt der Bundes-
finanzminister im Finanzausschuss, Kontrollmitteilun-
gen seien dringend erforderlich. Wieder zwei Tage später






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Michael Meister
signalisiert der Bundeskanzler von diesem Rednerpult
aus Gesprächsbereitschaft und sagt: Wir können darüber
reden, was wir machen. Wie soll denn angesichts einer
solchen Debatte, in der sich innerhalb von vier Tagen drei
maßgebliche Mitglieder der Bundesregierung unter-
schiedlich äußern, Vertrauen in den deutschen Kapital-
und Finanzmarkt entstehen? Das ist doch eine Katastro-
phe, die nicht die Opposition und die Öffentlichkeit, son-
dern Sie persönlich und Ihre Kollegen zu verantworten
haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie sind es, die die Unsicherheit vergrößern, die
Angst schüren und dafür sorgen, dass das Vertrauen ab-
nimmt. Die Kollegen Michelbach und Merz haben zu
Recht gesagt, genau daran liege es, dass sich die Men-
schen beim privaten Konsum zurückhielten und dass die
Unternehmen nicht investierten.


(Lothar Mark [SPD]: Nein, das kommt von Ihrer Fraktion!)


– Herr Mark, Sie haben uns vor der Bundestagswahl vor-
gehalten, die Unternehmen investierten nicht, weil sie
uns zum Wahlsieg verhelfen wollten. Wenn das stimmen
würde, dann müssten die Unternehmen doch längst be-
gonnen haben, riesige Investitionen zu tätigen; denn die
Bundestagswahl ist seit mehr als sechs Monaten vorbei.
Aber jetzt behaupten Sie wieder, die Opposition sei
schuld. Nein, Sie mit Ihrer Politik tragen die Verantwor-
tung, dass kein Unternehmer glaubt, investieren zu kön-
nen. Sie sind verantwortlich, nicht die Opposition!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sie haben im Bundeshaushalt – das ist schon zu Recht
angesprochen worden – die Folgen der Entwicklung auf
dem Arbeitsmarkt – das gilt sowohl im Hinblick auf die
fehlenden Beiträge als auch auf die Leistungen der So-
zialkassen –, die Auswirkungen auf das Wachstum und
die Entwicklung der Steuereinnahmen vollkommen un-
zureichend berücksichtigt. Von einem treu sorgenden
Bundesfinanzminister und Haushälter erwarte ich, dass
er sich realistischer Zahlen bedient, zumal die Risiken
zum heutigen Zeitpunkt bekannt sind, also nicht in der
fernen Zukunft liegen. Sie können von uns doch nicht
verlangen, dass wir einem Bundeshaushalt zustimmen,
dessen Grundlage mit den bekannten Risiken nicht in
Einklang zu bringen ist. Das, was Sie hier tun, ist un-
solide!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Herr Eichel, Sie haben des Weiteren behauptet, dass
Sie die Kollegen des Arbeitskreises „Steuerschätzung“
im Umlaufverfahren an der nachgeholten Steuerschät-
zung beteiligt hätten. Diese Aussage halte ich für eine
Provokation der Mitglieder dieses Arbeitskreises. Denn
man kann den Kollegen im Rahmen eines Umlaufver-
fahrens nicht mit einer 48-Stunden-Frist Zahlen vorlegen
und sagen: Wenn Sie keine anderen vorlegen können,
dann haben Sie zugestimmt. So kann man nicht mitein-
ander umgehen. Deshalb weise ich die Behauptung zu-
rück, dass hier ein vernünftiges Verfahren zur Ermittlung

der Höhe der Steuereinnahmen stattgefunden habe. Das
ist Ihre Lesart, aber nicht unsere.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich hätte mir gewünscht, dass Sie, Herr Bundesfinanz-
minister, am letzten Freitag und auch heute eine klare
Aussage zum Steuervergünstigungsabbaugesetz ge-
troffen hätten. Es wäre schön gewesen, wenn die Bundes-
regierung angekündigt hätte, dass sie dieses Steuergesetz
zurückziehen werde. Auch heute hätten Sie Gelegenheit
dazu gehabt. Damit hätten Sie Klarheit geschaffen, dass
es in diesem Land keine weiteren Steuer- und Abgaben-
erhöhungen gibt. Ein solches Signal braucht man, wenn
man für einen Aufbruch sorgen will, und keines, das da-
für sorgt, dass niemand weiß, wie es weitergehen soll.
Nicht durch Unsicherheit und Unklarheit, sondern nur
mit klaren Aussagen gibt es einen Aufbruch. Die Gele-
genheit, dafür zu sorgen, haben Sie leider versäumt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Frau Eichstädt-Bohlig, zum Thema Wachstum
möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Es ist traurig, wenn
Sie hier beklagen, dass es kein Wachstum gebe; denn Sie
sind in den letzten zwei Jahrzehnten von einem Ort zum
anderen gelaufen und haben gegen Wachstum polemi-
siert.


(Zurufe von der CDU/CSU: Ja!)


Sie haben dafür gesorgt, dass die Infrastruktur nicht aus-
gebaut worden ist. Aber eine funktionierende Infrastruk-
tur ist für Wachstum notwendig.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Es ist unredlich, wenn Sie zuerst gegen Wachstum pole-
misieren und die Schaffung entsprechender Vorausset-
zungen verweigern, um in der Regierungsverantwortung
die Folgen Ihrer eigenen Politik zu beklagen. Sie haben
mit Ihrer Ideologie und Ihrem Verhalten dafür gesorgt,
dass wir heute in dieser Lage sind. Versuchen Sie bitte
nicht, sich aus der Verantwortung zu stehlen!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Die Grünen sind das Grundübel!)


Die Kommunen hatten in den letzten drei Jahren ei-
nen massiven Anstieg der Gesamtverschuldung zu ver-
zeichnen. Die Gewerbesteuereinnahmen gehen seit 2000
netto kontinuierlich zurück. Das ist natürlich auch durch
die von Rot-Grün zu verantwortende Erhöhung der Ge-
werbesteuerumlage bedingt. Auch die kommunalen In-
vestitionen, ein Teil der gesamten öffentlichen Investitio-
nen, sind in den letzten drei Jahren massiv eingebrochen.
Gleichzeitig sind die sozialen Belastungen der Kommu-
nen, die Pflichtaufgaben, die zu erfüllen sind, massiv ge-
wachsen.


(Vorsitz: Präsident Wolfgang Thierse)


Hinzu kommt, dass Sie mit Ihrer Mehrheit im Bereich
der Grundsicherung, der Integration und der Betreuung
weitere Aufgaben auf die kommunale Ebene verlagert






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Michael Meister
haben, ohne für eine hinreichende finanzielle Ausstat-
tung zu sorgen. Das ist schlimm, wenn man sich den
Staatsaufbau unseres Landes anschaut; denn Sie haben
für mehr Staat und mehr Regulierung gesorgt, um die
Länder und die Kommunen an die Kandare zu nehmen,
anstatt den Kommunen, der Basis, die Chance zu geben,
mehr Eigeninitiative und mehr Eigenverantwortung zu
ergreifen. Es ist ein grundsätzlich falsches Denken, den
Kommunen nicht mehr Freiheit einzuräumen.

Zu dieser Freiheit gehört natürlich auch eine angemes-
sene Finanzausstattung. Es kann doch nicht richtig gewe-
sen sein, dass Sie im Finanzausschuss gesagt haben: Im
Herbst dieses Jahres werden wir Berechnungsmodelle
hinsichtlich der Gemeindefinanzreform vorlegen. Bis da-
hin wird der Gesetzgebungsprozess schon längst im
Gange und nahezu abgeschlossen sein. Das heißt, Sie
muten den Mitgliedern des Deutschen Bundestages, den
Mitgliedern des Bundesrates und den kommunalen Käm-
merern zu, Richtungsentscheidungen für die Zukunft der
Kommunen zu treffen, ohne dass man die Auswirkungen
dieser Entscheidungen überhaupt abschätzen kann. Es ist
ein unmögliches Verfahren, im Blindflug eine Gemein-
definanzreform zu beschließen. Weichen Sie davon ab!
Legen Sie die Berechnungen auf den Tisch! Wenn das
geschehen ist, dann beraten wir fundiert.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie haben 1998 beschlossen, eine Gemeindefinanz-
reform durchzuführen. Das stand damals in Ihrem Koa-
litionsvertrag. Dann haben Sie fast vier Jahre lang nichts
getan.


(Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Immer noch besser als 16 Jahre nichts getan!)


Mittlerweile arbeitet die Kommission und Sie sprechen
jetzt davon, dass das die Gemeindefinanzreform re-
gelnde Gesetz bis zum 1. Januar 2004 im Gesetzblatt
verkündet sein müsse. Damit kann man leben. Besser
wäre es aber gewesen, wenn Sie die Zeit vorher genutzt
hätten und der Kommission jetzt nicht solche Vorwürfe
machten. Eigentlich müsste man Ihnen Vorwürfe ma-
chen. Sie sind für die vierjährige Verzögerung verant-
wortlich.


(Beifall bei der CDU/CSU – Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Immer noch weniger als 16 Jahre!)


Wegen dieser Verzögerung stehen wir jetzt unter Zeit-
druck.

Seit Monaten sagen Sie – Sie haben es am Mittwoch
im Finanzausschuss noch einmal gesagt –, dass wir na-
türlich respektieren müssten, was die Mitglieder dieser
Kommission erarbeiteten, damit auf Grundlage dieser
Vorschläge ein vernünftiger Gesetzentwurf erarbeitet
werden könne. Zwei Tage später sagte der Bundeskanz-
ler: Was diese Kommission beschließt, interessiert mich
nicht; ich werde eine Revitalisierung der Gewerbesteuer
in Deutschland mit einer Substanzbesteuerung durchfüh-
ren. Sie sagen, Sie könnten sich nicht äußern. Der Kanz-
ler aber wischt die Arbeit der Kommission mit einem
Satz beiseite, indem er sagt: Das interessiert mich alles

nicht. Wofür haben Sie die Kommission überhaupt ein-
gesetzt, wenn Sie deren Ergebnis sowieso nicht beachten
wollen?

Ich sage Ihnen eines: Mit der Union wird es eine Sub-
stanzbesteuerung in Deutschland nicht geben; wir wer-
den das nicht mitmachen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Rolle rückwärts, die der Kanzler hier am Freitag an-
gekündigt hat, ist keine moderne, sondern eine vergan-
genheitsorientierte Wirtschaftspolitik. Das, was wir in
den letzten drei Jahrzehnten überwinden wollten, wollen
Sie rückgängig machen. Die Richtung, die Sie einschla-
gen, ist falsch. Das, was Sie vorhaben, werden wir nicht
mitmachen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir fordern – das haben wir mehrmals beantragt und
das werden wir auch weiterhin tun – als Soforthilfe für
die Kommunen, dass die Gewerbesteuerumlage auf das
Niveau abgesenkt wird, das es vor der Gewerbesteuer-
reform hatte.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In dieser Haushaltswoche liegt ein Antrag vor, den
Kommunen den Anteil an der Flutopferhilfe, den sie er-
bracht haben, als Soforthilfe zurückzugeben, weil dieser
Anteil nicht ausgeschöpft worden ist. Auch das wäre ein
Stück Soforthilfe, die der Kanzler am Freitag angekün-
digt hat. Ich wiederhole: Dieser Antrag liegt in dieser
Woche zur Abstimmung vor. Wir werden prüfen, ob der
Bundeskanzler die SPD dazu bringt, diesen Antrag zu
unterstützen, ob der Antrag eins zu eins umgesetzt wird
oder ob der Bundeskanzler an dieser Stelle nur leeres
Gerede produziert hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir sind der Auffassung, dass das kommunale Kre-
ditprogramm falsch angelegt ist. Entweder wird durch
dieses Programm die Neuverschuldung der öffentlichen
Hand um 7 Milliarden Euro erhöht – das wäre nämlich
dann der Fall, wenn es von den Kommunen tatsächlich in
Anspruch genommen wird; das würde für Sie ein zusätz-
liches Problem im Hinblick auf die Einhaltung der
Maastricht-Kriterien bedeuten; das müssen Sie natürlich
berücksichtigen – oder Sie gehen davon aus – das haben
Sie, Herr Eichel, gesagt –, dass dieses Programm ledig-
lich zu Umfinanzierungen führt. Wenn es nur zu Umfi-
nanzierungen kommt, dann werden Sie kein Problem mit
der Einhaltung der Maastricht-Kriterien haben. Aller-
dings wird dieses Programm dann auch keine positiven
Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung haben.
Das muss man den Menschen klar sagen. Man sollte nicht
sagen, wir nehmen keine Neuverschuldung vor, weil das
sowieso keine positiven Auswirkungen auf Wachstum
und Beschäftigung in Deutschland habe, wenn man
gleichzeitig so tut, als wäre dies der Fall. So geht es nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir wollen, dass das enge Band zwischen Wirtschaft
und Kommunen erhalten bleibt. Wir wollen ein He-
besatzrecht. In dem von mir eben beschriebenen Sinne






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Michael Meister
sind wir bereit, an einer Gemeindefinanzreform kon-
struktiv mitzuwirken. Das darf aber nicht dadurch ge-
schehen, dass vernünftige Politik der letzten 30 Jahre
rückgängig gemacht wird. Wir müssen darauf achten,
dass es sich in Deutschland wieder lohnt, Unternehmen
zu gründen. Wir dürfen keine Politik machen, die Unter-
nehmen, Existenzgründer und Menschen, die etwas tun
wollen, aus diesem Land vertreibt.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503304400


Das Wort hat nun Kollege Jörg-Otto Spiller, SPD-
Fraktion.


Jörg-Otto Spiller (SPD):
Rede ID: ID1503304500


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Sie von der Union und der FDP haben Ihr Herz
für die Steuerbürger und auch für die Konsolidierung des
Haushalts entdeckt.


(Beifall des Abg. Dr. Günter Rexrodt [FDP] – Zuruf von der CDU/CSU: Was kann man dagegen sagen?)


Schade nur, dass Sie es erst entdeckt haben, seit Sie
keine Verantwortung mehr für die Bundespolitik tragen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In der Regierungsverantwortung haben Sie ganz anders
gehandelt.

Ich habe ein Stück Nachsicht mit Ihnen – die muss
man vielleicht auch bei den Kollegen der Koalitionsfrak-
tionen erbitten –,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das muss nicht sein! – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/ CSU]: Das wollen wir gar nicht! – Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das muss nicht sein!)


weil Sie so frisch zu diesen Erkenntnissen gekommen
sind. Konvertiten neigen eben doch zu schrillen Tönen.
Das ist so.


(Beifall bei der SPD – Joachim Poß [SPD]: Die neigen zu Übertreibungen!)


Ich freue mich trotzdem darüber, dass Sie sich neuer-
dings für die Steuerlast der Bürger und auch für die
Höhe der Staatsverschuldung interessieren.

Nur der guten Ordnung halber möchte ich daran erin-
nern, wie es eigentlich war, als im Bund noch die
schwarz-gelbe Koalition regierte:


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Die Gegenwart ist auch zu hart! – Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das kennen wir doch nun schon!)


Überforderung der steuerehrlichen Bürger,


(Widerspruch des Abg. Dr. Günter Rexrodt [FDP])


investitionsfeindliche Belastung der Unternehmen, Ver-
wüstung des Steuerrechts durch Schlupflöcher,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP: Oh!)


die Leistung bestrafte und Verluste belohnte,


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Von Petersberg mal was gehört?)


ein Schuldenberg von 740 Milliarden Euro oder umge-
rechnet 1,45 Billionen DM.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Um wie viel ist denn der kleiner geworden?)


Dann möchte ich auch etwas zu der Legende sagen,
dass die Verschuldung insbesondere mit der Finanzie-
rung der deutschen Einheit zusammenhängt.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das haben wir wohl aus Jux und Dollerei gemacht!)


Das ist eine unfromme Legende. 1982 betrugen die
Schulden des Bundes 350 Milliarden DM.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Aha! Helmut Schmidts Erblast!)


Bis 1990 hatten Sie die Schulden auf 700 Milliarden DM
verdoppelt.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Gucken Sie sich mal an, was der Schröder in Niedersachsen gemacht hat! Der hat gar nicht so lange gebraucht!)


In der zweiten Halbzeit der Regierungszeit Kohls haben
Sie die Schulden noch einmal verdoppelt, und zwar auf
1 450 Milliarden DM.

Ich darf noch auf Folgendes hinweisen:


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: „Seit 1998“ kommt jetzt!)


Der Eingangssteuersatz


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ich kenne eine Frau, die viel dicker ist!)


betrug 1998 25,9 Prozent. Heute beträgt er 19,9 Prozent.
Der Spitzensteuersatz betrug 1998 53 Prozent. Heute
beträgt er 48,5 Prozent und im nächsten Jahr wird er
47 Prozent betragen.

Wer sich von der Union oder von der FDP hier hin-
stellt und der Koalition von SPD und Grünen etwas über
eine angemessene, volkswirtschaftlich solide und faire
Steuer- und Finanzpolitik erzählen will,


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU], zur Regierungsbank gewandt: Da sitzt einer der Verhinderer!)


der sollte ganz leise Töne anschlagen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Jochen-Konrad Fromme [CDU/ CSU]: Lafontaine, wo ist er denn?)







(A) (C)



(B) (D)


Jörg-Otto Spiller
Der Kollege Brinkmann hat schon auf Folgendes hin-
gewiesen: Dass der normale Steuerzahler heute schlech-
ter dasteht als zu Ihrer Regierungszeit,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Natürlich!)


ist eine Legende und eine Verdrehung der Tatsachen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein Normalverdiener, ein Arbeitnehmer mit zwei Kin-
dern, der 1998 5 000 DM brutto verdiente,


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Machen Sie nicht theoretische Berechnungen! Fragen Sie die Bürger!)


hatte damals netto 77 Prozent. Wenn er die Tarifsteige-
rungen mitgemacht hat, die im Arbeitnehmerbereich üb-
lich waren, hat er von seinem Einkommen heute netto
80 Prozent.


(Zuruf von der SPD: Genau!)


Das ist eindeutig mehr. Heute ist das Kindergeld in einer
solchen Familie höher als die Lohnsteuer und darauf
sind wir stolz.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das merkt man an der Zufriedenheit der Menschen!)


Lieber Herr Michelbach, das Stichwort Mittelstand
ist ja eines, das Sie besonders lieben. Es ist ein Gebot der
Ehrlichkeit, darauf hinzuweisen, dass mittelständische
Unternehmer heute weniger Steuern zahlen als zu Ihrer
Regierungszeit,


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Die machen auch keine Gewinne mehr! Die sind pleite! – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Weil sie keine Gewinne mehr machen! – Lothar Mark [SPD]: Die sind bei Ihnen nur abgemolken worden!)


weil sie als Personenunternehmen die Gewerbesteuer
pauschaliert auf die Einkommensteuerschuld anrechnen
können und weil der Einkommensteuertarif heute niedri-
ger ist als zu Ihrer Zeit.

Herr Michelbach, Sie regen sich immer auf, weil die
Kapitalgesellschaften angeblich so viel besser gestellt
seien als die Personengesellschaften, was mittelstands-
feindlich sei.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: So ist es!)


Die Masse der Kapitalgesellschaften sind mittelständi-
sche Firmen in der Rechtsform einer GmbH. Sie müssen
sich einmal bei Mittelstandskongressen umhören, wo
vielleicht ehrlicher diskutiert wird. Auf der Teilnehmer-
liste finden Sie ganz überwiegend Gesellschafter oder
Geschäftsführer der GmbHs. Sie folgen Ihrem lauten
Gerede überhaupt nicht.


(Beifall bei der SPD)


Wir werden unsere konsistente Politik fortsetzen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nein, bitte nicht!)


2004 – das steht schon im Gesetzblatt – wird der Ein-
kommensteuertarif noch einmal gesenkt, ebenso wie
2005; auch das steht im Gesetzblatt.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Und 2003? – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das stand letzes Jahr auch im Gesetzblatt! Kein Mensch glaubt Ihnen!)


Es gibt allerdings eine Gruppe, der es heute schlechter
geht, das sind die Steuersparkünstler, die Abschrei-
bungskünstler. Für die haben Sie schon Ihr Herz ent-
deckt, als Sie noch Regierungsverantwortung getragen
haben, und viel für sie getan. Leider hat das aber der Ent-
wicklung der deutschen Volkswirtschaft überhaupt nicht
genutzt.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Schauen Sie einmal die ganzen Windradgesellschaften an! Alles Abschreibungsgesellschaften!)


Unser Problem im Deutschen Bundestag ist, dass die
Unionsfraktion und die FDP-Fraktion aus der Opposi-
tion heraus noch nicht zu einer verantwortungsvollen
Mitarbeit gefunden haben. Wir haben eine Situation, die
uns leider zwingt, Kompromisse erst auf der Ebene der
Verhandlungen mit den Vertretern des Bundesrates im
Vermittlungsausschuss zu schließen.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Gott sei Dank wird dadurch Schlimmeres verhindert!)


Mich wundert ein bisschen, dass Sie heute genau das
Gleiche erzählt haben wie bei der Debatte über das Ge-
setz zum Abbau von Steuersubventionen und Steuer-
vergünstigungen.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Was wahr ist, ist wahr!)


Sie tun so, als gebe es überhaupt keine Chance, dass die-
ses Gesetz in seinem Kern in das Bundesgesetzblatt
kommt.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ja, so ist es!)


Es wird aber dort landen, lieber Herr Austermann; denn
die B-Länder, von der Union regiert, haben inzwischen
einen großen Abstand zu Ihrer Fraktion, weil auch sie er-
kannt haben, dass sie mit Ihrer Fraktion keine gedeihli-
che Politik machen können.

Als der bayerische Ministerpräsident vor ein paar Ta-
gen in einem anderen Zusammenhang darauf hingewie-
sen wurde, dass auch aus den Reihen Ihrer Fraktion Kri-
tik an seinen Äußerungen in der letzten Woche geübt
worden sei, hat er gesagt, dass er das „Gesäusele“ nicht
so wichtig finde.


(Heiterkeit bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Da hat er Herrn Spillers Rede noch nicht gekannt!)


Dafür muss er ja einen Grund haben.






(A) (C)



(B) (D)


Jörg-Otto Spiller
Heute schreibt das „Handelsblatt“ einen Kommentar
mit der Überschrift: „CDU/CSU-Zänkische Schwes-
tern“:

Für die Union neigt sich die bequeme Zeit des blo-
ßen Neinsagens dem Ende zu …


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Kaum aber wird es bei den Konservativen konkret,
kracht es auch schon mächtig im Gebälk.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist das wenige, was einen Sozi heutzutage freut!)


Sie müssen ja doch irgendwelche Erkenntnisse haben.

Man darf natürlich auch gespannt sein, wie wir in
der nächsten Zeit das Vermittlungsverfahren konkret
betreiben. Da haben sich schon mehrere geäußert: Herr
Milbradt,


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Sehr guter Mann!)


der bayerische Finanzminister


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Auch ein guter Mann!)


und der thüringische Ministerpräsident, Herr Vogel. Alle
haben sich in demselben Sinne geäußert. Natürlich wollen
sie, dass ein Gesetz zustande kommt, das Bund, Ländern
und Gemeinden zusätzliche Einnahmen bringt, weil sie das
brauchen. Auch sie haben erkannt, dass es einen Bedarf zur
Verstetigung des Körperschaftsteueraufkommens gibt.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Die Sie kaputtgemacht haben!)


Es gibt Grund, über große Subventionen wie bei-
spielsweise die Eigenheimzulage nicht nur nachzuden-
ken, sondern in diesem Bereich auch Veränderungen
durchzuführen.

Letzte Bemerkung: In Bezug auf die Gemeindefinanzen
gilt das Gleiche; Sie haben dazu einen ähnlich hohen Ab-
stimmungsbedarf, dem Sie einmal nachkommen müssen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: 2003!)


Das ist eine ganz billige Masche. Sie haben hier schon
mehrmals vorgetragen, die Gewerbesteuerumlage möge
gesenkt werden. Als die bayerische SPD-Landtagsfrak-
tion einen entsprechenden Antrag in den Bayerischen
Landtag eingebracht hatte, das Land solle den Gemein-
den entgegenkommen – die Länder bekommen von der
Umlage nämlich viel mehr als der Bund –, wurde er glatt
abgelehnt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt ist es beschlossen!)


Ich bin auch gespannt, wie Sie sich gegenüber den
kommunalen Spitzenverbänden verhalten werden, bei-
spielsweise gegenüber dem Deutschen Städtetag, dessen
Präsidentin die Frankfurter Oberbürgermeisterin ist, die
im Kern unsere Position in Bezug auf die Zukunft der
Gemeindefinanzen, nämlich die Gewerbesteuer zu revi-
talisieren, voll unterstützen. Es nutzt überhaupt nichts,

hier billige Polemik zu machen. Wir müssen konkrete
Entscheidungen für solide Finanzen und gerechte Steu-
ern in diesem Lande treffen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Für Steuererhöhungen? – Immer wieder Steuererhöhungen?)


Wenn Sie dabei noch nicht mitmachen wollen, dann wer-
den wir noch etwas auf Sie warten. Zum Glück ist es nicht
unbedingt notwendig, dass Ihre beiden Fraktionen zustim-
men; mit dem Bundesrat werden wir uns verständigen.


(Beifall bei der SPD – Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Der Mann gehört ins Theater, als Pantomime! – Ein guter Auftritt!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503304600


Ich erteile der Kollegin Gesine Lötzsch das Wort.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1503304700


Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Sehr geehrte Gäste! Der Bundeskanzler hat in seiner
Regierungserklärung darauf hingewiesen, dass nur das
ausgegeben werden kann, was man auch einnimmt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ich weiß gar nicht, für wen sie spricht!)


– Ich soll sagen, für wen ich spreche? Das tue ich sehr
gern. Ich bin Abgeordnete der PDS, meine Damen und
Herren von der CDU. Ich kann das für Sie gern wieder-
holen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben ein Plakat mitgebracht?)


Der Bundeskanzler hat mit seinem Hinweis darauf,
dass man nur das ausgeben könne, was man einnimmt,
Recht. Aber kaum jemand stellt in diesem Haus die
Frage, warum wir eigentlich so wenig einnehmen. Ich
halte es für eine der wichtigsten Aufgaben des Finanz-
ministers, seine Einnahmen wenigstens zu sichern,
wenn nicht gar zu erhöhen. In diesem Zusammenhang
erleben wir ja erstaunliche Dinge.

Anhand von Zahlen des Statistischen Bundesamtes
habe ich mir angeschaut, wie sich die Einnahmen von
Herrn Eichel entwickelt haben. Sie sehen hier – das ist
kein Plakat, sondern eine Grafik; ich habe mich am Vor-
gehen von Herrn Eichel bei der Haushaltsdebatte im
letzten Jahr orientiert – einen beispiellosen Absturz der
Einnahmen aus der Körperschaftsteuer.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das sind die PDSWahlergebnisse!)


1999 nahm der Bund noch 22,3 Milliarden Euro Körper-
schaftsteuer ein; 2000 waren es sogar 23,5 Milliarden
Euro. Dann trat der Eichel-Effekt ein, der Absturz von
23,5 Milliarden Euro auf minus 426 Millionen Euro. Das
heißt, die Unternehmen haben sogar Geld von den
Finanzämtern zurückerhalten.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Daran haben Sie aber lange gebastelt!)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. Gesine Lötzsch
Meine Damen und Herren, der Absturz, den ich Ihnen
hier gezeigt habe, ist ein Desaster. Meiner Meinung nach
reichte das aus, um den Finanzminister zu entlassen.
Herr Scharping musste schon gehen, nur weil ihn ein ge-
wisser Herr Hunzinger beim Hosenkauf und bei Waffen-
geschäften beraten hat. Jeder Vorstandschef eines Unter-
nehmens, dem eine solche Grafik unter die Nase
gehalten werden könnte, müsste beschämt seinen Hut
nehmen.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und was ist mit Frau Zimmer?)


Dafür muss man Erklärungen abgeben. Wie kann ein
derartiger Einbruch bei den Einnahmen passieren, Herr
Eichel? Ich könnte dafür zwei Erklärungen anbieten.

Die erste Erklärung lautet: handwerkliches Versagen.
Wenn dies zutrifft, Sie also nicht in der Lage sind, solche
gewaltigen Einnahmeverluste zu verhindern, dann sind
Sie mit dem Job des Finanzministers einfach überfordert.
Hier wäre eine betriebsbedingte Kündigung gerechtfer-
tigt. Dazu müssten Sie von der Koalition nicht einmal
den Kündigungsschutz ändern.

Die zweite Erklärung könnte lauten, dass Sie wissent-
lich und vorsätzlich so gehandelt haben, Herr Eichel.
Damit hätten Sie den Absturz der Einnahmen billigend
in Kauf genommen. Dann allerdings hätten Sie der Bun-
desrepublik einen schweren Schaden zugefügt und
müssten nicht nur entlassen werden – dazu bräuchte man
das Kündigungsschutzgesetz, wie gesagt, überhaupt
nicht zu ändern –; vielmehr müssten Sie auch juristisch
zur Verantwortung gezogen werden, denn wer gibt Ihnen
das Recht, einfach einmal 23 Milliarden Euro zu ver-
schenken?

Ich kann mir keine Versicherung in der Bundesrepu-
blik vorstellen, die bereit wäre, eine Haftpflichtversiche-
rung für Ihren Job abzuschließen; das Risiko wäre ein-
fach nicht kalkulierbar.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])


Der Eichel-Effekt, den ich Ihnen hier aufgezeigt habe,
hat folgende Wirkungen: Erstens. Er führt zu einer ge-
waltigen Umverteilung von unten nach oben. Der nor-
male Steuerbürger muss die Einnahmeverluste ausglei-
chen; er wird wieder zur Kasse gebeten. Zweitens. Mit
den geringeren Einnahmen begründen Sie gleichzeitig
die angeblich notwendigen sozialen Grausamkeiten, wie
zum Beispiel die angedrohte Kürzung bei der Sozial-
hilfe.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])


Nun könnte man glauben, dass dieses gigantische
Steuergeschenk von Herrn Eichel bei den begünstigten
Unternehmen ein Feuerwerk an Investitionen hervorru-
fen müsste. Doch das ist nicht geschehen. Sie haben
zwar die Steuern gesenkt, aber es sind keine neuen Ar-
beitsplätze entstanden. Wie viele Arbeitsplätze – das
müssten Sie einmal ausführen – sind durch den Wegfall
der Körperschaftsteuer entstanden? – Keine! Wenn Sie
sich die dramatische Entwicklung der Arbeitslosigkeit
im Lande anschauen, dann sehen Sie doch selbst, dass

Sie nichts für Ihre Steuergeschenke bekommen haben.
Im Gegenteil: Die Arbeitslosigkeit ist weiter gestiegen.

Nach den Wahlen in Hessen und Niedersachsen wer-
den wir quasi von einer großen Koalition von CDU,
CSU, SPD und den Grünen regiert. CDU und CSU be-
herrschen den Bundesrat, SPD und Grüne haben noch
die Mehrheit im Bundestag. Die Wähler, die Stoiber ver-
hindern wollten und deshalb Schröder die Stimme gege-
ben haben, sehen sich getäuscht. Herr Stoiber sitzt mit
im Regierungsboot und will zum Beispiel mal schnell
den Kündigungsschutz für 8 Millionen Beschäftigte ab-
schaffen.

Ich finde diese informelle große Koalition besonders
perfide, weil sie durch eine geschickte Arbeitsteilung
den Menschen vorgaukelt, dass die rot-grüne Regierung
doch nicht so unsozial ist, dass sie zwar hart, aber sozial
gerecht vorgehen würde. Im Bundesrat werden dann
durch die Mehrheit von CDU und CSU alle Maßnahmen
für die Besserverdienenden herausgefiltert, sodass nur
noch die sozialen Grausamkeiten übrig bleiben.

Und die Grünen? Sie stehen hierbei nicht am Rande.
Sie sehen den Niedergang der SPD, machen dieses Spiel
mit und bereiten sich auf eine mögliche schwarz-grüne
Koalition vor.


(Zurufe von der SPD: Oh!)


Gerade die Grünen fallen durch eine knallharte Klientel-
politik auf. Beispielsweise haben sie die Besteuerung
von Aktienbesitz verhindert; denn sie wissen, wer ihre
Wählerinnen und Wähler sind und was sie von ihnen er-
warten: eine bessere Welt, aber bitte keine Abstriche am
eigenen, etwas gehobenen Lebensstandard.

Ich kann Ihnen das einmal an einem Beispiel zeigen,
das Ihnen vielleicht pietätlos vorkommt, das aber alle ir-
gendwann betrifft: das Sterbegeld. Die Fraktionsvorsit-
zende der Grünen, Frau Göring-Eckardt, ist der Mei-
nung, dass man das Sterbegeld ganz abschaffen könnte,
nachdem die rot-grüne Regierung es im letzten Jahr von
525 Euro auf 262,50 Euro halbiert hat. Natürlich wird
Frau Göring-Eckardt nicht in Armut sterben. Sie be-
kommt als Abgeordnete des Deutschen Bundestages ein
ordentliches Sterbegeld wie auch die Ministerkollegen.
Beim Tode eines Beamten wird ein Sterbegeld in Höhe
des Zweifachen der monatlichen Bezüge gezahlt. Beim
Tod eines Ministers muss das Anderthalbfache reichen.
Aber da sind wir schnell bei 25 000 Euro Sterbegeld, im
Gegensatz zu dem Sterbegeld von 262,50 Euro. Das
nennt man Wein trinken und Wasser predigen.

Die Grünen haben ihre Wähler fest im Auge; nur die
SPD hat anscheinend die eigenen Wählerinnen und
Wähler vergessen:


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wie war das bei Gysi?)


kein Wort mehr zu der Vermögensteuer, die Sie 1998
versprochen haben. Das wären immerhin 10 Milliarden
Euro im Jahr. Der ehemalige Ministerpräsident von Nie-
dersachsen, Herr Gabriel, wollte die Vermögensteuer
noch einführen. Offensichtlich war er vom Kanzler er-
mutigt worden. Es war ein Testballon, dem der Kanzler






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Gesine Lötzsch
kurz vor der Landtagswahl die Luft rausgelassen hat.
Gabriel wurde vom Kanzler benutzt und fallen gelassen.
Welcher sozialdemokratische Ministerpräsident wird
sich nach diesem Lehrstück noch trauen, eine entspre-
chende Initiative zur Einführung der Vermögensteuer zu
starten?

Die PDS wird im Rahmen unserer Beratungen die
Bundesregierung mit einem eigenen Antrag auffordern,
in der Frage der Einführung der Vermögensteuer aktiv zu
werden, um die Einnahmesituation der Länder zu ver-
bessern. Wir brauchen für die Kommunen kein Kredit-
programm, wie es der Kanzler ausgeführt hat; denn das
nutzt nur den reichen Kommunen. Wir brauchen viel-
mehr ein kommunales Investitionsprogramm, um den
Kommunen frisches Geld in die Hand zu geben, um die
soziale Infrastruktur zu verbessern und um Arbeitsplätze
zu schaffen.

Nicht zuletzt brauchen wir – das ist heute in der De-
batte schon angesprochen worden – einen Zuschuss für
die Bundesanstalt für Arbeit, um zu verhindern, dass der
zweite Arbeitsmarkt weiter zusammenbricht. In Anbe-
tracht des desolaten Zustandes des ersten Arbeitsmarktes
ist dieser zweite Arbeitsmarkt für die strukturschwachen
Regionen im Osten und im Westen unverzichtbar.

Entscheidend ist: Herr Eichel, erhöhen Sie die Ein-
nahmen! Nutzen Sie die vorhandenen Reserven! Dabei
werden Sie auch unsere Unterstützung haben.

Herzlichen Dank.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503304800


Ich erteile das Wort dem Kollegen Klaas Hübner,
SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ein guter Torwart muss eine gute Rede abliefern!)



Klaas Hübner (SPD):
Rede ID: ID1503304900


Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Lassen Sie mich vorab zwei Bemerkungen machen.
Angesichts des bedauerlicherweise wohl doch heraufzie-
henden Irakkrieges scheint es mir wichtig zu sein, auf
zwei Besonderheiten im Bundeshaushalt einzugehen.
Wir haben auf der einen Seite den Plafond im Verteidi-
gungshaushalt gehalten und auf der anderen Seite im
Haushalt des Bundesinnenministers die für die Durch-
führung von Antiterrormaßnahmen notwendigen Mittel
zur Verfügung gestellt. Mir ist es wichtig, dass wir bei al-
len Konsolidierungszwängen, denen wir unterliegen und
die dazu führen, dass wir überall sparen, bei der inneren
und der äußeren Sicherheit und damit bei der Sicherheit
unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht sparen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Austermann, Sie haben heute eine Rede
nach dem Motto „Wünsch dir was“ gehalten. Anhand ei-

nes Beispiels aus dem Verteidigungshaushalt möchte ich
zusammenfassend darstellen, wie Ihre Politik funktio-
niert. Es ist so, dass die Fachpolitiker der Union, die ge-
schätzten Kollegen Schmidt und Raidel, im Rahmen des
Verteidigungshaushaltes den im Regierungsentwurf vor-
gesehenen Kapiteln für Universitäten der Bundeswehr,
Sanitätswesen, Fernmeldewesen, Quartiersmeisterwe-
sen und Flugtechnisches Gerät zugestimmt haben.

Nun weiß ich, dass wir Haushälter oftmals Forde-
rungen von Fachpolitikern abwehren müssen, weil die
Finanzlage es so verlangt. Es ist mir aber relativ unbe-
kannt, dass wir als Haushälter etwas drauflegen. Sie ha-
ben in einer Haushaltsausschusssitzung entgegen dem
Rat Ihrer Fraktionskollegen gerade für diese Bereiche
48 Millionen Euro mehr gefordert. Das kommt mir so
vor: Ein Kreditkunde geht zur Bank und sagt: Ich
möchte ein Haus finanziert bekommen. Die Bank fragt
dann: Kann es nicht noch ein bisschen mehr sein? Kann
es nicht noch ein bisschen teurer sein? Eine Bank kann
dazu sagen: Das sind Peanuts. – Ich denke aber, mit die-
ser Art der Haushaltspolitik haben Sie uns ein faules Ei
in das haushaltspolitische Nest gelegt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte insbesondere auf die Situation in den
neuen Bundesländern eingehen, darauf, wo in diesem
Haushalt die neuen Bundesländer besondere Berücksich-
tigung finden.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: In negativer Hinsicht!)


In den neuen Bundesländern gibt es ein Problem: Dort,
wo sich Industrien entwickelt haben, sind sie in der Re-
gel als verlängerte Werkbänke ausgeprägt. Hier müssen
wir gegensteuern. Wir müssen versuchen, die Firmen
wieder in die Lage zu versetzen, eigene Produkte zu ge-
nerieren, damit sie in der Wertschöpfungskette eine hö-
here Position einnehmen. Darum haben wir in diesem
Jahr die Mittel für das Inno-Regio-Programm, mit dem
gerade dieser Aspekt gefördert werden soll, das Netz-
werk also zwischen innovativen Forschungsfirmen vor
Ort und Produktionsfirmen, noch einmal um 4,5 Prozent
auf insgesamt 68 Millionen Euro aufgestockt.

Wir haben des Weiteren die Zuwendungen für die
Forschungseinrichtungen der Blauen Liste um weitere
2 Millionen Euro angehoben, damit in den neuen Bun-
desländern Innovationen entstehen können.

Wir haben – auch das gehört aus meiner Sicht in die-
sen Zusammenhang – die in Verbindung mit dem Inves-
titionsförderungsgesetz bereitgestellten Mittel in Höhe
von rund 3,4 Milliarden Euro in Sonderhilfen des Bun-
des umgewandelt. Das heißt, vorher hatte der Bund bei
Investitionen in den neuen Bundesländern immer ein
Mitspracherecht. Jetzt können die Länder im Rahmen ih-
rer Haushalte eigenverantwortlich über Investitionen
entscheiden. Diese Mittel können sie nutzen, um innova-
tive Firmen zu fördern. Da sind sie jetzt aber gefordert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(B) (D)


Klaas Hübner
Ein weiterer Brennpunkt in den neuen Bundesländern
ist selbstverständlich das gesamte Thema Jugend. Wir
haben das Sonderprogramm zur Schaffung zusätzlicher
Ausbildungsplätze in den neuen Ländern mit 91 Millio-
nen Euro auf hohem Niveau verstetigt. Ich muss ganz
ehrlich sagen – dies sage ich als Unternehmer –: Dies ist
mir fast peinlich; denn früher gehörte es normalerweise
zum Ethos eines jeden Kaufmanns bzw. Unternehmers,
seiner gesellschaftlichen Verantwortung auch dadurch
gerecht zu werden, dass er für fachlichen Nachwuchs
sorgt und Ausbildungsplätze schafft.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich hoffe daher sehr, dass es das letzte Mal so ist, dass
wir ein Sonderprogramm dieser Art auflegen müssen.

Wir haben darüber hinaus das BAföG für Schülerin-
nen und Schüler sowie für Studierende erhöht – auch das
betrifft insbesondere die Jugendlichen in den neuen Bun-
desländern –, damit Chancengleichheit besteht. Wir ha-
ben – auch das ist ein Teil der Jugendarbeit – die Mittel
im Goldenen Plan Ost um noch einmal 2,5 Millionen
Euro auf 10 Millionen Euro aufgestockt. Ich sage das,
weil der Goldene Plan Ost den Ausbau von Sportstätten
umfasst und gerade in den neuen Bundesländern der
Sport im Rahmen der Jugendarbeit eine enorme Rolle
spielt. Deswegen ist meines Erachtens der Weg, den wir
hier gehen, gerade für die Jugend richtig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch beim Punkt „Direktinvestitionen“ haben wir etwas
zu bieten. Ich weise auf den Stadtumbau Ost hin. Wir ha-
ben durch Umschichtungen im Verkehrshaushalt – der
Minister wird es in dieser Woche ankündigen – Straßen-
infrastrukturmaßnahmen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro
gerade in Regionen, die strukturschwach sind – Schwer-
punkt Ostdeutschland –, vorgezogen. Damit wollen wir
versuchen, speziell im Osten weitere Investitionen zu ge-
nerieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen,
dass wir in Deutschland vor sehr einschneidenden Refor-
men stehen. Wir wissen auch, dass ein besserer Zeit-
punkt Mitte der 90er-Jahre gewesen wäre und dass die
Kohl-Regierung diesen Zeitpunkt seinerzeit verschlafen
und diese Probleme auf die nächsten Generationen ver-
schoben hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Gegensatz dazu ist es eine ganz alte sozialdemo-
kratische Tugend, dass wir uns darum bemühen, dass es
unseren Kindern mindestens genauso gut, möglichst aber
besser geht als uns heute. Darum verschieben wir die
Probleme nicht auf die nächsten Generationen, sondern
halten am Konsolidierungskurs fest.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir dokumentieren damit: Wir haben Vertrauen in die
Gesellschaft, wir haben Vertrauen in die Menschen die-
ser Gesellschaft, und darum vertreten wir die Auffas-
sung, dass wir die Probleme, die heute anstehen, auch
heute zu lösen haben.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, sowie des Abg. Dr. Günter Rexrodt [FDP])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503305000


Kollege Hübner, das war Ihre erste Rede in diesem
Hause. Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich dazu.


(Beifall)


Ich schließe die Aussprache zu diesem Tagesord-
nungspunkt. Wir kommen zu den Abstimmungen.

Zunächst Abstimmung über den Einzelplan 08, Bun-
desministerium der Finanzen, in der Ausschussfassung.
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-
gen? – Der Einzelplan ist mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/
CSU und FDP angenommen.

Abstimmung über den Einzelplan 32, Bundesschuld,
in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Ände-
rungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 15/636? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit
den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ge-
gen die Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 15/637? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit der
gleichen Mehrheit wie soeben abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzel-
plan 32, Bundesschuld, in der Ausschussfassung. Wer
stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Einzelplan 32 ist mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/
CSU und FDP angenommen.

Abstimmung über den Einzelplan 60, Allgemeine
Finanzverwaltung, in der Ausschussfassung. Hierzu lie-
gen Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstim-
men.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktionen
von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache
15/617? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/
CSU und FDP angenommen.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 15/638? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den
Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen
die Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt.






(A) (C)



(B) (D)


Präsident Wolfgang Thierse
Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 60 in
der Ausschussfassung mit der soeben beschlossenen Än-
derung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Einzelplan 60 ist mit den Stimmen
von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stim-
men von CDU/CSU und FDP angenommen.

Abstimmung über den Einzelplan 20, Bundesrech-
nungshof, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan
20 ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenom-
men.

Ich rufe auf:

8. Einzelplan 30
Bundesministerium für Bildung und For-
schung

– Drucksachen 15/569, 15/572

Berichterstattung
Abgeordnete Carsten Schneider
Klaus-Peter Willsch
Ilse Aigner
Alexander Bonde
Dr. Günter Rexrodt

Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU und acht Änderungsanträge der Fraktion der
FDP vor. Über einen Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU werden wir später namentlich abstimmen.
Weiterhin liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP vor, über den wir am Donnerstag nach der
Schlussabstimmung abstimmen werden.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Klaus-Peter Willsch, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Klaus-Peter Willsch (CDU):
Rede ID: ID1503305100


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Frau Bundesministerin! Wie der gesamte Haus-
haltsplanentwurf 2003 ist auch der Einzelplan Bildung
und Forschung ein nicht durchdachtes und in sich nicht
schlüssiges Werk, welches in bemerkenswerter Weise
die Unfähigkeit und die falschen Weichenstellungen von
Rot-Grün widerspiegelt. Zugleich ist er ein erneuter Be-
leg für die oberste Maxime Ihres Handelns: versprochen,
gebrochen. Sie haben wieder einmal nichts von dem ein-
gehalten, was Sie vor der Wahl versprochen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zuerst möchte ich den Bereich Bildung ansprechen. Ich
möchte gar nicht näher auf Ihre Forderung nach einheitli-
chen Bildungsstandards eingehen; denn Sie haben be-
wiesen, dass Sie aus PISA nicht allzu viel gelernt haben.


(Jörg Tauss [SPD]: Na, na!)


Sie sollten sich an bayerischen, baden-württembergi-
schen oder sächsischen Standards orientieren, statt in
Finnland oder sonst wo in der Welt herumzufliegen.


(Jörg Tauss [SPD]: Dann bleiben wir zweite Liga!)


Sie aber pflegen gerade in der Bildungspolitik Ihre ideo-
logischen Glaubenssätze und verteidigen diese mit
Klauen und Zähnen. Der neue Glaubenssatz in diesem
Zusammenhang ist: Die Ganztagsschule ist das Rich-
tige.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hätten Sie ein wenig genauer auf die Ergebnisse von
PISA-E, also auf die vergleichende Bewertung auf Län-
derebene, geschaut, so hätten Sie Schlüsse daraus ziehen
können. Für mich waren die Ergebnisse nicht überra-
schend. Ich bin Jahrgang 1961 und komme aus Hessen,
einem Bildungsnotstandsland, das lange Jahre sozialde-
mokratisch regiert wurde. Als sich mein Jahrgang zum
Studium anmeldete, haben wir von der ZVS einen Malus
erhalten, das heißt, unser Abiturdurchschnitt ist um 0,2
Punkte verschlechtert worden. Es war damals schon All-
gemeingut, dass es um die Bildung im sozialistisch ge-
prägten Bereich nicht besonders gut bestellt war.


(Beifall bei der CDU/CSU Jörg Tauss [SPD]: Den Malus haben Sie heute noch!)


Sie werden bei einem Vergleich der Ergebnisse auf
Länderebene ganz eindeutig feststellen, dass diejenigen
Länder, die langjährig von Christdemokraten in der Bil-
dungspolitik geprägt worden sind,


(Jörg Tauss [SPD]: Noch eine Legende!)


im bundesdeutschen Vergleich gute Ergebnisse erzielen,


(Jörg Tauss [SPD]: Im bundesdeutschen, ja, gerade noch!)


und die Länder, in denen sich alle möglichen Reformso-
zialisten mit Bildungsexperimenten an ihren Schülern
ausgetobt haben, ganz am unteren Ende stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Weiterer Zuruf des Abg. Jörg Tauss [SPD])


Ich will Ihnen schildern – Herr Tauss, hören Sie end-
lich zu; an der Qualität Ihrer Zwischenrufe kann man ab-
lesen, dass Ihnen das Zuhören gelegentlich gut tun
würde –, wie man nicht nur quatscht, sondern Bildung
konkret verbessert.


(Jörg Tauss [SPD]: Jetzt aber!)


Wir haben in Hessen 1999, als wir dort in die Regie-
rungsverantwortung kamen, folgende Situation vorge-
funden: Es sind Woche für Woche 100 000 Unterrichts-
stunden ausgefallen. Das war das Vermächtnis des
großen Finanzministers Hans Eichel, den die Hessen da-
mals als Ministerpräsident abgewählt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Zu Recht!)


Wir haben in der ersten Legislaturperiode unter unse-
rer Verantwortung das Thema konkret angepackt. Wir






(A) (C)



(B) (D)


Klaus-Peter Willsch
haben gesagt, wenn Stunden ausfallen, können wir ihre
Qualität nicht verbessern, also müssen die Stunden erst
einmal gehalten werden. Deshalb haben wir 2 900 Leh-
rer und 1 600 Referendare eingestellt. Jetzt wird der Un-
terricht nach Stundentafel gehalten. Das ist der Anfang.
Nun sind wir vom Wähler mit der absoluten Mehrheit
ausgestattet worden; dafür sind wir dankbar. Wir werden
diesen Weg fortsetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Wie viel waren es in Rheinland-Pfalz?)


Frau Bundesbildungsministerin, ich möchte auf das
Land zu sprechen kommen, das am gleichen Tag wie
Hessen gewählt hat und in dem Sie, wenn auch nur
vorübergehend, die SPD-Landesvorsitzende sind. Ich
muss sagen: Der Kollege Wulff hat dort ähnliche Pro-
bleme vorgefunden. Er muss jetzt erst einmal einen
deutlichen Schwerpunkt auf den Bildungsbereich set-
zen, weil dieser Bereich hoffnungslos heruntergewirt-
schaftet war.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir wären doch mit dem Klammersack gepudert, wenn
wir ausgerechnet Ihnen die Verantwortung für die Bil-
dungsstandards in ganz Deutschland übertragen würden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ihr Lösungsansatz ist immer zentralistisch: alles nach
oben holen und einheitlich machen. Sie wollen den Fö-
deralismus nicht wirklich. Ich kann das aus Ihrer Sicht
auch verstehen, denn überall dort, wo im Bildungsbe-
reich Föderalismus herrscht, ziehen Sie als Rote den
Kürzeren und wir bringen die besseren Ergebnisse. Des-
halb wollen Sie keinen Vergleich zwischen den Ländern
und wollen daher überall gleiche Bildungsstandards.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Auch bei der Förderung der Ganztagsschulen und der
Ganztagsbetreuung schlagen Sie einen Irrweg ein. Ich
gebe gerne zu, dass es heute – die gesellschaftlichen Ver-
hältnisse ändern sich – einen erhöhten Bedarf an Ganz-
tagsbetreuung gibt. Es gibt heute mehr Frauen, die in ih-
rer konkreten Situation Beruf und Familie vereinbaren
wollen oder auch müssen.


(Ute Kumpf [SPD]: Wir wollen erst einmal!)


Hier kann es aber nur um ein Angebot gehen, dessen
Nutzung freiwillig ist. Wer eine Ganztagsbetreuung nut-
zen möchte, soll sie in der Nähe vorfinden, aber bitte
dem örtlichen Bedarf entsprechend und so, wie es die
örtlichen Entscheidungsträger für richtig halten und
nicht irgendeine zentrale Instanz, die meint, alles richten
zu können.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dass Sie hierfür Geld zur Verfügung stellen wollen,
wird sicher alle vor Ort freuen, aber damit wird – wie
schon gesagt – der falsche Weg eingeschlagen. Es stehen
ohnehin nur 300 Millionen Euro im diesjährigen Haus-
halt und diese auch nicht im Einzelplan 30 – Bildung

und Forschung, sondern im Einzelplan 60 – Allgemeine
Finanzverwaltung.


(Jörg Tauss [SPD]: Nur?)


Die Länder und Kommunen sind aufgrund der desolaten
rot-grünen Politik ausgeblutet. Sie werden jetzt zu einem
Programm gezwungen, das erhebliche Nachfolgewir-
kungen unter anderem bezüglich der Personal- und Be-
triebskosten haben wird.


(Jörg Tauss [SPD]: Keiner zwingt sie!)


Mit diesen Folgekosten werden sie allein gelassen.

Tun Sie lieber Ihre Pflicht und sorgen Sie dafür, dass
Kommunen und Länder finanziell so ausgestattet wer-
den, wie es ihrer Aufgabenzumessung entspricht. Ange-
bote lagen auf dem Tisch: Umsatzsteuerpunkte, Senkung
der Gewerbesteuerumlage. Sie sind darauf nicht einge-
gangen und versuchen mit Programmen, die Gemeinden
am goldenen Zügel zu führen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Kolleginnen und
Kollegen, liebe Frau Ministerin, ich komme zum Be-
reich der Forschung. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen
soll, weil auch dort so ziemlich alles falsch gemacht
worden ist. Zunächst zwei Vorbemerkungen: Erstens.
Entgegen Ihren vollmundigen Erklärungen im Vorfeld
haben Sie den Forschungsstandort Deutschland nicht
gestärkt, sondern Sie schaden ihm – und dies, wo wir
bald 5 Millionen Arbeitslose haben werden. Sie produ-
zieren damit die nächsten Arbeitslosen in diesem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Zweitens. Sie täuschen und tricksen, Sie versprechen et-
was und brechen es gleich wieder. Sie geben der deutschen
Forschung keinerlei verlässliche Zukunftsperspektive.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Lassen Sie mich bei Letzterem anfangen: Sie geben
vor, das Haushaltsvolumen erhöht zu haben, unterschla-
gen aber, dass im Oktober letzten Jahres eine Haushalts-
sperre verhängt wurde, und nehmen die so entstandenen,
also reduzierten Istwerte als Basis für Ihre Steigerungs-
berechnungen.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Hört! Hört! So tricksen die immer!)


Das ist unredlich. Das ist ungefähr so, als wenn man je-
manden sagt: Hier hast du 1 000 Euro im Monat zum Le-
ben. Am 25. des Monats sagt man ihm: Jetzt ist Schluss.
Zu dem Zeitpunkt hat er 900 Euro ausgegeben, muss
aber noch weitere 100 Euro auf Pump ausgeben, um sei-
nen Lebensunterhalt zu bestreiten. Im nächsten Monat
sagt man ihm: Eigentlich hast du nur 900 Euro ge-
braucht. Ich gebe dir jetzt 905 Euro und das ist eine Er-
höhung. Das ist eine Milchmädchenrechnung. So kann
es nicht funktionieren


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie müssen die eingegangenen Vorbindungen, die
aufgrund der Langfristigkeit der Projektbindungen
noch bestehen und von denen Sie auch wissen, bei der






(A) (C)



(B) (D)


Klaus-Peter Willsch
Berechnung des Etats des nächsten Jahres berücksichti-
gen, sonst kann es nicht funktionieren. Ihrer Berechnung
liegt ein durchschaubarer Trick zugrunde, mit dem Sie
versuchen, das, was nicht gut ist, gutzuzeichnen.


(Jörg Tauss [SPD]: Kommen Sie einmal auf 1998 zu sprechen!)


– Herr Tauss, wenn ich mich nicht irre, kommen Sie aus
Karlsruhe. Ich glaube, Sie sind auch Senator der Helmholtz-
Gesellschaft.


(Jörg Tauss [SPD]: Landkreis Karlsruhe!)


Mir liegt hier eine Erklärung von Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern des Forschungszentrums Karlsruhe vor, die
auf dem Jahresempfang am 23. Februar dieses Jahres
verteilt worden ist. In ihr ist zu lesen, für die Helmholtz-
Forschungszentren, von denen das Forschungszent-
rum Karlsruhe eine der größten Einrichtungen ist, wür-
den etwa 45 Millionen Euro nicht zur Verfügung stehen.
Das entspreche einer realen Kürzung von mehr als
3 Prozent. Darüber hinaus werde dem Forschungszent-
rum Karlsruhe ein Sonderopfer in Höhe von 11 Millio-
nen Euro auferlegt. Dieses zusätzliche Sonderopfer ent-
spreche etwa 30 Prozent der für Forschung und
Entwicklung direkt verfügbaren Mittel. – Herr Tauss,
vertreten Sie Ihren Wahlkreis auch weiterhin auf diese
Weise. Ich kann verstehen – darüber freue ich mich
sehr –, dass Axel Fischer diesen mit großem Abstand di-
rekt gewonnen hat und nicht Sie.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503305200


Kollege Willsch, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Tauss?


Klaus-Peter Willsch (CDU):
Rede ID: ID1503305300


Selbstverständlich, Herr Tauss.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1503305400


Das Wahlergebnis wundert mich noch heute. Es wird
auch denjenigen wundern, der den Kollegen Fischer
kennt.


(Heiterkeit)


Herr Kollege Willsch, nehmen Sie bitte zur Kenntnis,
dass die Projektfördermittel für die Helmholtz-For-
schungszentren in Ihrer Regierungszeit, also zwischen
1994 und 1998, um knapp 30 Prozent reduziert worden
sind und dass wir diese in unserer Regierungszeit zwi-
schen 1998 und 2002 um 48,8 Prozent erhöht haben.
Vergießen Sie hier keine Krokodilstränen angesichts der
Tatsache, dass der Betriebsrat damals merkwürdiger-
weise solche Flugblätter nicht verteilt hat.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Warum wohl?)



Klaus-Peter Willsch (CDU):
Rede ID: ID1503305500


Lieber Herr Tauss,


(Jörg Tauss [SPD]: Soll ich die Zahlen noch einmal wiederholen?)


hören Sie mir bitte zu! Man muss sich an dem, was man
sagt, immer messen lassen. Das ist entscheidend.


(Jörg Tauss [SPD]: Plus 48,8 Prozent!)


Sie haben bei allen Gelegenheiten erklärt und erklären
auch weiterhin, Bildung und Forschung sei der Schwer-
punkt Ihrer Regierung. Die Frau Ministerin hat bei der
ersten Lesung von goldenen Köpfen gesprochen, die es
zu heben gelte. Dem stimme ich ausdrücklich zu. Aber
Sie müssen das auch tun. Wenn jedoch das, was Sie tun,
mit dem, was Sie im Vorfeld vollmundig angekündigt
haben, nicht übereinstimmt, dann müssen Sie sich das
vorhalten lassen. – Damit ist die Antwort auf Ihre Frage
beendet. Sie können sich wieder setzen. Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Also sind die Zahlen richtig!)


Es gibt keine verlässlichen Planungsgrundlagen.
Man kann nicht zusammen mit den Ländern den For-
schungseinrichtungen im Juni versprechen, sie bekämen
eine Mittelerhöhung von 3,5 Prozent, und ihnen im No-
vember, wenn die Mittel verplant und die Drittmittel ein-
geworben sind und wenn das Programm steht, verkünden,
sie bekämen diese Mittelerhöhung doch nicht. So kann
man im Bereich der Forschung nicht arbeiten. So schadet
man nachhaltig dem Forschungsstandort Deutschland.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Das sagen gerade die Richtigen!)


Dieser Umgang trägt vor allen Dingen nicht zu guten
Arbeitsbedingungen in den Forschungseinrichtungen
bei. Unterhalten Sie sich einmal mit den Direktoren oder
dem wissenschaftlichen Personal in den Forschungszent-
ren. Sie werden hören, dass unser Land mehr und mehr
ausblutet. Wir verlieren die fähigsten Köpfe. Jahr für
Jahr wandern Tausende aus unserem Land aus, weil sie
hier nicht die richtigen Bedingungen für Forschung und
Entwicklung vorfinden und in anderen Ländern sehr viel
besser wissenschaftlich arbeiten können. Dort wird ihre
Forschung, anders als hier, gefördert.


(Zuruf von der CDU/CSU: Traurig, aber wahr!)


In Ihren Sonntagsreden versuchen Sie zum Besten zu
geben und den Eindruck zu erwecken, Sie seien die mo-
dernste Regierung, die es je gegeben habe. Das Gegen-
teil ist der Fall. Sie müssen das, was Sie versprechen,
auch einhalten. Denn anders gibt es kein Vertrauen in
Politik und anders wird dem Forschungsstandort
Deutschland nachhaltig geschadet.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will kurz einige Forschungsbereiche nennen, in de-
nen Sie Einschneidungen bei den Mitteln vornehmen und
in denen Sie, da Sie die Förderausgaben senken, nicht
weiterhin intensiv Forschung betreiben wollen – der
Kollege Mayer wird auf das Problem Raumfahrt näher
eingehen –: Forschung an adulten Stammzellen – der






(A) (C)



(B) (D)


Klaus-Peter Willsch
stellvertretende Fraktionsvorsitzende Merz hat das heute
Morgen angesprochen –, Bio- und Gentechnologie, Mee-
res- und Polarforschung, Grundlagenforschung. Das sind
alles Bereiche, in denen Sie kürzen, in denen Sie die För-
derung entgegen den Ansätzen des letzten Jahres senken.


(Zuruf von der SPD: Quatsch!)


Das halten wir von der CDU/CSU nicht für verantwort-
bar. Das ist vor allen Dingen vor dem Hintergrund nicht
verantwortbar, dass die anderen Länder in der OECD er-
kannt haben, was die Uhr geschlagen hat. Die USA steigern
trotz schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, die es auch
dort gibt, ihre Forschungsausgaben um 15,7 Prozent. In
Großbritannien beträgt die Steigerung in den Jahren 2003
und 2004 10 Prozent. In Japan sind die Forschungsaus-
gaben in den letzten zehn Jahren um 60 Prozent gestiegen.

Auch die CDU/CSU setzt im Gegensatz zu Rot-Grün
auf die Stärkung der deutschen Forschungsland-
schaft.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wissenschaft und Forschung zählen zu den Wachstums-
motoren in unserer Gesellschaft und Wirtschaft.


(Zuruf von der SPD: Das haben wir gemerkt! Sie haben immer nur gekürzt!)


Die Forschungsförderung ist deshalb essenzieller Be-
standteil der Wachstums- und Beschäftigungsstrategie
der Union.

Lassen Sie mich zum Schluss meiner Rede


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


noch kurz auf die im Vorfeld mit linksseitigen Heilser-
wartungen geradezu überfrachtete Ruckelrede des Kanz-
lers vom vergangenen Freitag zu sprechen kommen.
Dieser Kanzler stellte sich hier hin und kommentierte die
Kürzungen im Bereich Bildung und Forschung wörtlich
wie folgt:


(Jörg Tauss [SPD]: Welche Kürzungen?)


Wir werden unser Wohlstandsniveau nur dann hal-
ten können, wenn wir in dieser schwierigen wirt-
schaftlichen Situation verstärkt in Bildung und For-
schung investieren.

Weiterhin sagte er, dass in diesem Jahr aus Kosten-
gründen kürzer getreten werden musste. Das dürfe nicht
so bleiben. Deshalb werde die Bundesregierung in der
gegenwärtigen schwierigen wirtschaftlichen Situation
ein Zeichen setzen und die Etats der MPG und ande-
rer Forschungseinrichtungen im nächsten Jahr wieder
um 3 Prozent erhöhen. –


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist ein Wort. Es kommt aber leider zu spät.


(Jörg Tauss [SPD]: Wieso zu spät?)


Da man die schwache Wirkung der Schröder-Rede im
Ministerium offenbar realistisch eingeschätzt hat, greift
man zum Mittel der Autosuggestion. Im hausinternen
Pressespiegel vom 14. März


(Jörg Tauss [SPD]: Jetzt!)


wird die dpa-Meldung „Schröder will mit Reformen neu
durchstarten“ auf zweieinhalb Seiten insgesamt 13-mal
wiederholt. Das ist Autosuggestion. Wenn man es auf
zweieinhalb Seiten 13-mal liest, muss man es glauben.


(Ute Kumpf [SPD]: Ihr PC spinnt!)


Sie reden beständig über Bildung und Forschung und
wie wichtig sie Ihnen sind. Sie machen den Leuten vor,
Sie würden hier Schwerpunkte setzen. In Wirklichkeit
betreiben Sie eine unberechenbare und sprunghafte Poli-
tik. Sie treiben die besten Köpfe aus unserem Land. Sie
können es nicht. Unser Land braucht einen Neuanfang.
Wir von der CDU/CSU sind dazu bereit.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Da war der Kampeter noch besser! Ich hätte nicht gedacht, dass das möglich ist! – Zuruf von der SPD: Armes Deutschland!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503305600


Ich erteile dem Kollegen Carsten Schneider, SPD-
Fraktion, das Wort.


Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1503305700


Lieber Kollege Willsch, wenn man Ihre Einlassung
zur Bildungspolitik verfolgt hat und sie tatsächlich ernst
nimmt, kann man nur sagen: Das war eine Rede aus den
70er-Jahren. Die Grabenkämpfe der 70er-Jahren, die Sie
hier geführt haben, waren nicht hilfreich für die Zukunft
der Bundesrepublik Deutschland.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Etat des Bun-
des ist auch im Jahr 2003 ein Spar- und Reformetat. Wir
halten – das ist für mich die wichtigste Aussage – den
Konsolidierungskurs, auch wenn uns der Wind der Kon-
junktur mit voller Kraft entgegenweht. Da ist zum Bei-
spiel die Angst vor dem Krieg im Irak, die die Investiti-
onsbereitschaft dämpft. Sie lässt Aktienkurse in die
Tiefe fallen und Rohölpreise in die Höhe schnellen. Dies
alles sind widrige Bedingungen und kaum beeinfluss-
bare Faktoren, auf die wir als Haushaltspolitiker in die-
ser nicht ganz einfachen Beratung reagieren mussten.

Für uns ist Haushaltspolitik aber mehr als lediglich
die Reaktion auf äußere Umstände. Haushaltspolitik, so
wie wir sie betreiben, ist vor allen Dingen auch Gestal-
tungspolitik. Ich glaube, dass der Haushalt für Bildung
und Forschung das beste Beispiel für diese Gestaltung
ist; denn Bildung und Forschung spielen bei der Weiter-
entwicklung der Bundesrepublik eine Schlüsselrolle.

Die Innovations- und Wirtschaftskraft eines Landes
ist eng verbunden mit seiner technologischen Leistungs-
fähigkeit.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Weiß die Ministerin das?)







(A) (C)



(B) (D)


Carsten Schneider
Das Wissen, das Können und die Kreativität der Men-
schen entscheiden über die Zukunft unseres Landes.
Deshalb wollen wir als Sozialdemokraten – ich schließe
die Grünen hier mit ein – die bestmögliche Bildung für
alle.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb wollen wir ein sozial gerechtes Bildungssystem.
Deshalb werden wir weiterhin kräftig in Bildung und
Forschung investieren.

Der Etat des BMBF hat im Verlauf des heutigen Tages
schon in mehreren Debatten eine Rolle gespielt. Auch
Herr Merz hat sich darauf eingelassen und mit seinen
Darstellungen zu den Zahlen Schiffbruch erlitten. Er
hätte sich die Zahlen wirklich genauer anschauen müs-
sen.


(Jörg Tauss [SPD]: Ja! – Ute Kumpf [SPD]: Legastheniker!)


Denn in diesem Jahr beträgt der Etat stolze 8,4 Mil-
liarden Euro. Hinzuzurechnen sind der Darlehensanteil
am BAföG in Höhe von 435 Millionen Euro, den wir
über die Deutsche Ausgleichsbank ausreichen, und
300 Millionen Euro als erste investive Maßnahme für
das Ganztagsschulprogramm. Das macht insgesamt
mehr als 9,1 Milliarden Euro aus. Schauen Sie sich den
Haushaltsplan 1998 an, den Ihre Regierung zu CDU/
CSU- und FDP-Zeiten noch zu verantworten hatte. Dort
sehen Sie die Zahl von 7,3 Milliarden Euro. Sie können
ganz einfach nachrechnen, dass dies eine Steigerung von
25 Prozent bedeutet. Eine solche Steigerung wurde in
keinem anderen Haushalt der letzten Jahre erreicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Um Ihre Kritik gleich vorwegzunehmen: Der Etat des
Bundes für 2003 sieht gegenüber dem Haushalt des Jah-
res 2002 eine Steigerung der Ausgaben für Bildung und
Forschung um 3 Prozent vor. Ich werde beim Forschungs-
bereich auf einzelne Bereiche eingehen, bei denen wir
Konsolidierungsmaßnahmen durchführen mussten. Die
Gesamtausgaben für Bildung und Forschung aber steigen
um 3 Prozent.

Das war eine in der Geschichte der Bundesrepublik
beispiellose Aufholjagd. Mit der Steigerung der letzten
Jahre haben wir meines Erachtens die Weichen richtig
gestellt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gleichwohl gilt aber: Wir haben noch nicht alles er-
reicht. Ziel der Koalition ist es, den FuE-Anteil von
Wirtschaft und öffentlicher Hand auf 3 Prozent am Brut-
tosozialprodukt zu steigern.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Davon seid ihr aber weit entfernt!)


– Wir sind derzeit erst bei 2,5 Prozent, weil wir von Ih-
nen eine schlechte Ausgangsbasis geerbt haben, die wir
jetzt langsam verbessern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie sehen, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Die
Koalition hat Bildung und Forschung wieder den politi-
schen Raum gegeben, der notwendig ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zum Haushaltsverfahren 2003: Wie ich schon gesagt
habe, stand es unter schwierigen Vorgaben. Bedingt
durch die überraschend schlechten Ergebnisse der Steu-
erschätzung im November,


(Jürgen Koppelin [FDP]: Wieso „überraschend“?)


ergab sich eine globale Minderausgabe in Höhe von
1,3 Milliarden Euro. Herr Koppelin, weil wir Haushälter
für Wahrheit und Klarheit stehen, haben wir diese glo-
bale Minderausgabe aufgelöst. Ich denke, Haushalts-
wahrheit und -klarheit sollten fraktionsübergreifend
auch für Sie kein Fremdwort sein.


(Elke Ferner [SPD]: Ihr kennt nur Erhöhungsanträge!)


Um diese globale Minderausgabe aufzulösen, war es
notwendig, dass jedes Ressort seinen Beitrag leistet. Da-
von konnte dieses Jahr auch der Etat für Bildung und
Forschung nicht verschont bleiben. Ein weiterer Auf-
wuchs wäre erfreulich gewesen. Aber ich bin der Mei-
nung, dass man nach den spektakulären Aufwüchsen der
vergangenen Jahre in diesem Jahr die Chance nutzen
muss, innezuhalten und kritisch zu prüfen, welche Aus-
gaben tatsächlich gerechtfertigt sind.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Da war ja auch die Ministerin kooperativ!)


– Die Ministerin ist immer sehr kooperativ, Herr Koppe-
lin. Das wissen Sie doch. Sie kennen sie ja aus den Bera-
tungen im Haushaltsausschuss.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte zwei Bereiche nennen, wo wir hauptsäch-
lich eingespart haben, um in anderen Bereichen aufzu-
schichten. Der eine Bereich ist der Hochschulbau. Die
Mittel für den Hochschulbau haben wir gegenüber dem
Regierungsentwurf um 40 Millionen Euro reduziert.
Diese Reduzierung um 40 Millionen Euro entspricht
dem zur Tilgung der Schulden vorgesehen Beitrag.
Schulden aus der Zeit von Zukunftsminister Rüttgers,
die wir jetzt gegenüber den Ländern langsam abbauen.
70 Millionen Euro haben wir bereits zurückgeführt. In
diesem sehr schwierigen Haushaltsjahr haben wir diese
Tilgung für ein Jahr ausgesetzt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich als Haushalts-
politiker bin es leid – ich möchte im Bereich von For-
schung und Technologie gerne etwas gestalten –, immer
Ihre Schulden der vergangenen Jahre zurückzuzahlen
und deswegen auf eigene Projekte zu verzichten. Aus






(A) (C)



(B) (D)


Carsten Schneider
diesem Grunde ist es durchaus nachvollziehbar – das
werden auch die Länder verstehen –, dass wir in diesem
Punkt eine Reduzierung vorgenommen haben.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Das waren die Schulden von Oskar Lafontaine!)


Der zweite Bereich der Einsparungen betrifft die Bei-
träge zur Europäischen Weltraumorganisation. Die-
sen Ansatz haben wir gegenüber dem Regierungsent-
wurf um 20 Millionen Euro gekürzt. Auch wenn die
Klagen der Lobbyisten und der Opposition, die sich sehr
ähneln, gerade in diesem Bereich sehr laut waren, bin ich
der Meinung, dass bei der ESA, aber auch beim nationa-
len Weltraumprogramm eine Evaluierung der Ziele not-
wendig, wenn nicht sogar überfällig ist. Ich erinnere an
das verunglückte Spaceshuttle Columbia und die
Ariane 5, die explodiert ist. Diese Zäsuren sollten uns
zum Nachdenken zwingen.

Ich als Haushälter und als Vertreter der SPD möchte
aber zugleich anmerken: Ich bin zutiefst unzufrieden
darüber, dass wir als größter Beitragszahler der ESA von
den zu vergebenden Aufträgen nicht nach dem Finan-
zierungsschlüssel berücksichtigt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich bin der Ansicht, dass der „over return“ Frankreichs,
der in diesem Bereich 80 Millionen Euro ausmacht, zu-
rückgefahren werden muss. Die deutsche nationale
Raumfahrtindustrie sollte, wie im Vertrag vorgesehen,
berücksichtigt werden und dementsprechend Aufträge
erhalten. Aus diesem Grund haben wir den Titel in Höhe
von 50 Millionen Euro qualifiziert gesperrt. Ich hoffe,
dass wir auf die Unterstützung des ganzen Hauses setzen
können, um der Regierung bei den Verhandlungen für
eine bessere Ausgangsbasis der deutschen Raumfahrtin-
dustrie den Rücken zu stärken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503305800


Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Aig-
ner?


Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1503305900


Gern.


Ilse Aigner (CSU):
Rede ID: ID1503306000


Herr Kollege Schneider, erstens glaube ich, dass wir
uns einig sind, dass wir uns über den Rückfluss unterhal-
ten und ihn steigern müssen. Nur müssen Sie mir wohl
Recht geben, dass der Rückfluss rechtlich korrekt ist.
Wir haben nicht 100 Prozent erreicht. Aber in Bezug auf
das ganze Budget liegt der Schlüssel bei 0,9. Deshalb ist
Ihre Aussage nicht ganz richtig. Wie gesagt, teile ich
aber Ihre Meinung, dass wir versuchen sollten, dies zu
erreichen.


(Zuruf von der SPD: Was ist denn die Frage?)


Zweitens würde mich interessieren, was das Space-
shuttle konkret mit uns zu tun hat.


(Zuruf von der SPD: Ihre Frage!)


–Ich frage ja gerade. – Meines Erachtens sind wir hier
finanziell überhaupt nicht beteiligt.

Drittens möchte ich Sie bitten, mir folgendes zu erklä-
ren: Beim ESA-Budget haben Sie 20 Millionen Euro ab-
gezogen, die Sie ursprünglich wieder in das nationale
Programm transferieren wollten. Angekommen sind nur
17,5 Millionen Euro. Ich würde gerne den Grund von Ih-
nen erfahren.


(Zuruf von der CDU/CSU: Belogen und betrogen!)



Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1503306100


Frau Aigner, die Antworten sind sehr einfach. Zum
einen stellt sich beim Spaceshuttle nicht die Frage, ob
wir uns an der Finanzierung beteiligen. Vielmehr lautet
die Frage: Was ist mit der Zukunft der bemannten Raum-
fahrt?


(Zuruf von der SPD: ISS!)


Aus diesem Grund habe ich am Anfang gesagt, dass man
sehr wohl über eine Evaluierung der Ziele nachdenken
muss.


(Zuruf von der SPD: Ja, das hat er gesagt!)


Damit möchte ich Ihre erste Frage beantwortet wissen.

Nun komme ich zur Beantwortung Ihrer zweiten
Frage bezüglich der Umschichtung. Jeder Forschungsbe-
reich – vorhin sind ja einige Zahlen genannt worden –
musste einen Beitrag zur Konsolidierung leisten. Wir ha-
ben den ESA-Titel um 20 Millionen Euro gekürzt. Das
ist vollkommen richtig. Auch haben wir den Titel „Nati-
onales Weltraumprogramm“ gekürzt. Dies beruht auf
Aussagen von Verbandsvertretern – Sie wissen ja, dass
im Haushaltsverfahren zunächst höhere Kürzungen vor-
gesehen waren –, die selbst gesagt haben, dass in diesem
Bereich immer noch ein Spielraum in Höhe von 3, 4 oder
5 Prozent besteht.


(Zuruf von der SPD: Das ist es! Das habe ich ja gesagt!)


Mir als Haushälter müssen Sie zugestehen, dass ich auf
diese 3, 4 oder 5 Prozent nicht verzichte, wenn mir ein
solches Angebot gemacht wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es gibt aber auch eine ganze Reihe von erfreulichen
Themen. Zumindest sehe ich mich als Haushälter und
sieht sich auch meine Fraktion in einer solchen Rolle,
dass wir nicht nur das abnicken, was uns von der Regie-
rung vorgelegt wird, sondern dass wir auch selbst gestal-
tend eingreifen. So haben wir in Abstimmung mit der
Regierung zum Beispiel den Etat der Deutschen For-
schungsgemeinschaft um 2,5 Prozent erhöht. Ich glau-
be, dass dies in wirtschaftlich und auch haushaltspoli-
tisch sehr schwierigen Zeiten eine Operation ist, die sich






(A) (C)



(B) (D)


Carsten Schneider
lohnt und durch die man auch die Prioritäten richtig
setzt, indem man den Nachwuchsforschern in Deutsch-
land eine bessere Chance gibt, sich zu entfalten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: Das ist entgegen den Aussagen von Herrn Merz!)


– Ja, diese Aussage ist ein ganz klarer Widerspruch zu
den Zitaten, die Herr Merz vorgetragen hat. Vielleicht
sollte er sich hier noch einmal informieren.


(Jörg Tauss [SPD]: Er sollte Zahlen lesen!)


Mit der Reform des Dienstrechts haben wir die
strukturellen Voraussetzungen für einen erfolgreichen
Generationswechsel an den Hochschulen geschaffen. Ich
nenne nur das Programm der Juniorprofessuren, für das
wir die Mittel in diesem Jahr verdreifacht haben. Auch
sichern wir mit der Erhöhung gerade des DFG-Ansatzes
die materiellen Voraussetzungen für den Nachwuchs an
den Hochschulen. Die Klagen darüber, dass nicht auch
die Mittel für die MPG, die HGF und die FhG erhöht
werden konnten, gehen meines Erachtens fehl.

Auch muss man deutlich sagen: Diese Mittel wurden
nicht gekürzt, sondern sie sind überrollt worden. Ich
kann nur sagen: Mir wäre es immer lieber, für diese Be-
reiche mehr Geld einzustellen. Nur, wir sind mit dem
Ziel angetreten, den Bundeshaushalt zu sanieren. Ich
glaube, dass ein Jahr an Überrollung nach den spektaku-
lären Steigerungen der vergangenen Jahre durchaus ver-
tretbar ist. Nach der Ankündigung des Bundeskanzlers
vom Freitag der letzten Woche haben die Forschungsein-
richtungen für das nächste Jahr wieder Planungssicher-
heit. Damit ist ganz klar gesagt, wohin die Fahrt mit der
Bundesregierung gehen wird: vor allen Dingen zu einer
Steigerung und Verstetigung der Ausgaben für Bildung
und Forschung, damit Wissenschaftler in diesem Land
eine Heimstatt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, besonders hervor-
heben möchte ich an dieser Stelle das Ganztagsschul-
programm. Herr Willsch hat sehr intensiv darüber be-
richtet. Ich kenne die entsprechenden Debatten ja nur aus
den Geschichtsbüchern der 70-er Jahre. Es sind frappie-
rende Ähnlichkeiten festzustellen. Ich dachte eigentlich,
dass wir jetzt im 21. Jahrhundert einen Schritt weiter
sind. Wir könnten unser Blickfeld durchaus einmal er-
weitern und nicht nur über die Grenzen von Bundeslän-
dern, sondern auch über unsere nationalen Grenzen hin-
ausschauen und prüfen – das zeigen uns die PISA-
Ergebnisse –, in welchen Ländern tatsächlich Erfolge er-
zielt wurden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Bayern! BadenWürttemberg!)


Es ist unbestreitbar, dass dies nun einmal in Finnland
der Fall war. Man kann sich daran anlehnen und versu-
chen, Anregungen aufzunehmen. Dieser Politikbereich
unterliegt zwar nicht der Bundeskompetenz, aber ich
sage Ihnen: Die Frage, ob dieses Thema der Bundes-
oder Länderkompetenz zugeordnet ist, ist mir egal, weil
dieses Thema viel zu wichtig ist. Es handelt sich um eine

nationale Aufgabe und ein nationaler Kraftakt ist nötig.
Wenn wir uns nicht zumindest auf vergleichbare natio-
nale Standards einigen können – die Kulturhoheit jedes
Bundeslandes bleibt erhalten –, dann kann ich nur sagen:
Gute Nacht, Deutschland! Gute Nacht, CDU, im Bil-
dungsbereich!


(Beifall bei der SPD)


Wir haben unser Wahlversprechen mit dem Ganztags-
schulprogramm mit einem Volumen von 300 Millionen
Euro in diesem Jahr eingelöst.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wahnsinn!)


In den nächsten Jahren kommen noch 3,7 Milliarden
Euro hinzu. Die Verwaltungsvereinbarung liegt den
Ländern vor. Ich glaube auch, dass man einen ge-
meinsamen Weg finden kann. Ich hoffe es zumindest
sehr. Ich bekomme das Feedback aus meinem Wahlkreis,
dass es gerade unter dem Gesichtspunkt der Chancen-
gleichheit von Frauen wichtig ist, dass es dieses Angebot
gibt. Es gibt ja keinen Zwang und es ist wichtig, dass wir
dies umsetzen.

Ein weiterer Punkt, der meines Erachtens sehr deut-
lich die Erfolge der Politik der vergangenen Jahre mar-
kiert, ist die Entwicklung der Studienanfängerquote. Von
1998 bis 2002 hat sich die Studienanfängerquote pro
Jahrgang von 28 auf 36 Prozent erhöht. Wenn man sich
das unter gesamtwirtschaftlichen Bedingungen anschaut,
dann wird man feststellen, dass diese Entscheidung eine
der besten Voraussetzungen ist, um die technologische
Führerschaft der Bundesrepublik zu erhalten und, ich
hoffe, auszubauen. Es muss unterstützt werden, dass
mehr Jugendliche ein Studium aufnehmen und auch ab-
schließen. Wir haben das in den vergangenen Jahren ge-
tan, indem wir eine BAföG-Reform durchgeführt ha-
ben. Diese BAföG-Reform hat dazu geführt, dass wir
allein im vergangenen Jahr zweimal überplanmäßige
Ausgaben im Haushaltsausschuss genehmigen mussten.
Ich glaube, das zeigt sehr deutlich den Erfolg dieser Re-
form.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Damit sind wir dem Ziel näher gekommen, dem ich
mich vor allem als Sozialdemokrat verbunden fühle,
nämlich jedem Jugendlichen, egal aus welchem Haus er
kommt und wie viel „Kohle“ seine Eltern haben, die
Möglichkeit zu geben, ein Studium aufzunehmen, ohne
in existenzielle Schwierigkeiten zu kommen. Ich glaube,
dass das ein Grundansatz ist, den wir insgesamt hier tei-
len müssten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Aus diesem Grund mussten wir den BAföG-Titel noch
einmal um 20 Millionen Euro erhöhen. Ich tue das gern,
weil ich glaube, dass das ein Gebot der sozialen Gerech-
tigkeit und der Zukunftssicherung der Wirtschaft in der
Bundesrepublik ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(B) (D)


Carsten Schneider
Ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist für mich die Ent-
wicklung in den neuen Bundesländern. Herr Hübner hat
vorhin schon angesprochen, dass der Titel Inno-Regio
um 4,5 Prozent erhöht wird. Ich korrigiere ihn nur sehr
ungern: Wir Haushälter haben ihn um 4,5 Prozent er-
höht; aber die Regierung hat ihn vorher schon um
80 Prozent erhöht. Ich glaube, das zeigt sehr deutlich,
dass ein wichtiger Forschungsschwerpunkt – und das ist
eine Zukunftsinvestition in den neuen Bundesländern –
mit dem Programm Inno-Regio gelegt wurde. Die Bun-
desregierung steht zu ihrer Zusage und beschränkt sich
nicht nur auf passive Transferleistungen in den Osten,
sondern tätigt Zukunftsinvestitionen und treibt die Ver-
knüpfung und Vernetzung mit den dortigen Akteuren in
der Wirtschaft voran und macht damit deutlich, dass der
Osten Deutschlands durch diese Bundesregierung eine
Zukunft hat.

Ein weiterer wichtiger Punkt, den ich noch anspre-
chen möchte, betrifft ebenfalls die neuen Bundesländer.
Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung
auch zu der Situation auf dem Ausbildungsmarkt Stel-
lung genommen. Auch ich bin der Meinung, dass es zu-
allererst die Aufgabe der Wirtschaft ist, für ein ausrei-
chendes Ausbildungsplatzangebot zu sorgen. Das muss
sie vor allen Dingen im eigenen Interesse tun. Man darf
nicht darüber klagen, dass man nicht genügend qualifi-
zierte Arbeitskräfte oder Bewerber findet, sich aber
gleichzeitig vor der Ausbildung im dualen System drü-
cken und dem Staat die Kosten für die Ausbildung auf-
lasten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn aber aufgrund der fehlenden wirtschaftlichen
Basis, wie es in den neuen Bundesländern der Fall ist, und
aufgrund des großen Bewerberandrangs nicht die Mög-
lichkeit besteht, alle Jugendlichen mit Ausbildungsplät-
zen zu versorgen, dann muss meines Erachtens der Staat
eingreifen. Wir haben das getan, indem wir das Sonder-
programm zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze
in Ostdeutschland von 12 000 auf 14 000 Ausbildungs-
plätze erhöht haben. Damit haben wir noch einmal
2 000 Jugendlichen in den neuen Bundesländern eine
Ausbildung gewährleistet. Das ist eine Investition in die
Zukunft von 2 000 Menschen, die es verdient haben. Ich
glaube, dass das auch mit Ihrer Unterstützung erfolgreich
durchgeführt werden kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich als
Hauptberichterstatter zum Abschluss noch einmal bei
den Mitberichterstattern bedanken. Auch den verant-
wortlichen Mitarbeitern der Bundesregierung, Herrn
Kleine Arndt vom BMBF, Herrn Hardt vom BMF und
Herrn Klostermann vom Bundesrechnungshof danke ich
recht herzlich für die gute Zusammenarbeit.

Ich kann schlussendlich nur feststellen: Nicht Rot-
Grün, sondern Schwarz-Gelb hat den Forschungsetat als
Steinbruch für die Lösung von Haushaltsproblemen
missbraucht.

Von 1993 bis 1998 sanken die Ausgaben für Bildung
und Forschung um 360 Millionen Euro. Dabei ist die In-

flation noch nicht einmal berücksichtigt. Wir haben die
Ausgaben für Bildung und Forschung seit 1998 um
25 Prozent gesteigert. Ich glaube, dass das eine gute Vor-
aussetzung ist, um Deutschland in den nächsten Jahren
voranzubringen.

Ich bedanke mich bei Ihnen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503306200


Ich erteile der Kollegin Cornelia Pieper, FDP-Frak-
tion, das Wort.


Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1503306300


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Kurz vor dem Frühlingsanfang beraten wir abschließend
den Haushalt 2003. Das ist sehr spät. Jeder wird sich da-
ran erinnern, dass diese Bundesregierung bereits vor den
Bundestagswahlen einen Haushaltsplanentwurf vorge-
legt hat.

Seinerzeit haben Sie, sehr verehrte Frau Ministerin
Bulmahn, mit Ihrem Mantra „Bildung und Forschung
behalten Priorität“ versucht, die Forschung an dem
Motto „Mit uns geht es jetzt nur noch bergauf!“ zu orien-
tieren. Das hätten wir zwar durchaus begrüßt; aber ange-
sichts der Regierungserklärung von Rot-Grün kommen
einem bei Ihrem Kurs große Zweifel daran. Denn alle
Versprechungen und Zusagen, die Sie im vergangenen
Jahr, vor der Bundestagswahl oder noch danach, gege-
ben haben, sind wie wahltaktische Seifenblasen zer-
platzt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Schneider, es besteht große Einigkeit darüber,
dass gerade die Bereiche Bildung und Forschung keine
Themen sind, die man mit ideologischen Scheuklappen
betreiben soll. Darin sind wir uns durchaus einig.


(Beifall des Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!)


Das heißt aber nicht, Herr Fell, dass wir als Opposition
nun alles durch eine rosarote Brille sehen.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie setzen die Verschuldung fort!)


Sie setzen bei Bildung und Forschung den Hobel an. Das
ist gefährlich. Denn auf Höchst- und Hochtechnologien
sowie auf die Leistungen des deutschen Wissenschafts-
systems begründen sich die Hoffnungen auf einen wirt-
schaftlichen Aufschwung, den Sie nicht herbeiführen
werden, auch nicht mit diesem Haushalt.


(Beifall bei der FDP)


Ich erinnere Sie daran: Diese Bundesregierung hat der
Entscheidung des Europäischen Rates vom März 2000
zugestimmt, der sich in seiner Lissaboner Erklärung
dazu geäußert hat, dass Europa bis zum Jahr 2010 zum






(A) (C)



(B) (D)


Cornelia Pieper
wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasier-
ten Wirtschaftsraum der Erde werden soll. Das bedeutet
allein für Deutschland eine Wachstumsrate von 3 Pro-
zent und Strukturreformen. Es bedeutet auch, dass hö-
here Investitionen in Wissenschaft und Forschung not-
wendig sind.


(Jörg Tauss [SPD]: Auch in Sachsen-Anhalt, Frau Kollegin, wo gerade gekürzt wird! 10 Prozent !)


– Auch in Sachsen-Anhalt, Herr Kollege Tauss, wo nicht
nur gekürzt wird, wo aber in einigen Bereichen Kürzun-
gen vorgenommen werden müssen,


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, was denn jetzt? Wird gekürzt oder nicht?)


weil wir nach acht Jahren Höppner-Regierung ein Defi-
zit von 1 Milliarde Euro übernommen haben.


(Beifall bei der FDP)


Deutschland liegt mit seinen Ausgaben für Forschung
und Entwicklung bei 2,4 Prozent des Bruttoinlandspro-
dukts. Will Deutschland das Ziel von Lissabon umset-
zen, muss es unser Ziel sein, bis 2010 mindestens
3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung
und Entwicklung zu investieren. Das bedeutet in der Tat
eine Kraftanstrengung.

Was aber macht die Bundesregierung 2003? Sie kürzt
den Bildungs- und Forschungshaushalt.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch falsch!)


Was Sie gesagt haben, ist nicht richtig, Herr Schneider.
Von dem Versprechen, die Forschungs- und Bildungs-
ausgaben sowie die Wissenschafts- und Technologieaus-
gaben zu verdoppeln, ist nicht mehr viel übrig geblieben.


(Beifall bei der FDP)


Ich erinnere Sie daran, dass die gesamte Technologie-
förderung jetzt dem Einzelplan 09 zugeordnet ist. Wenn
man den Einzelplan 09 – Wirtschaft und Arbeit – und
den Einzelplan 30 – Forschung und Bildung – zusam-
menfasst, dann ergibt sich ein anderes Bild: Im Jahr 2003
liegen die Ausgaben in diesem Bereich um 3,1 Milliarden
Euro niedriger als 1998. Nehmen Sie das doch bitte zur
Kenntnis!


(Beifall bei der FDP)


Betrachtet man die Ausgaben des Bundes allein im
Bereich Bildung und Forschung, so sind auch hier Ihre
Versprechungen einer Verdoppelung der Ausgaben nicht
eingehalten worden. Die Ausgaben lagen 1998 bei
7,3 Milliarden Euro. Heute liegen sie bei 9,1 Milliarden
Euro.

Schmerzlich für uns, aber auch für die Wissenschaft-
ler in Deutschland sind die Einschnitte, die Sie bei den
Forschungseinrichtungen vorgenommen haben,


(Beifall bei der FDP)


und das, obwohl es eine andere Vereinbarung der Bund-
Länder-Kommission gegeben hat. Betroffen sind vor allem

die Max-Planck-Gesellschaft und die Fraunhofer-Gesell-
schaft, aber auch die Helmholtz- und die Leibniz-Gemein-
schaft. So fehlen der Max-Planck-Gesellschaft 14 Millio-
nen Euro und der Fraunhofer-Gesellschaft 17 Millionen
Euro. Ich möchte auch erwähnen, dass 40 der 80 Institute
der Leibniz-Gemeinschaft in den neuen Bundesländern
sind. Ausgerechnet in diesem Bereich kürzen Sie. Das be-
deutet riesige Einschnitte in die Forschung und auch, dass
Nachwuchswissenschaftler in geringerem Maße als bisher
oder gar nicht mehr gefördert werden können. Das ist Ihre
Politik, meine Damen und Herren von der Regierung. Das
können wir nicht mittragen. Deswegen haben wir entspre-
chende Änderungsanträge gestellt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Bitte werfen Sie einen Blick in den Bericht der
Bundesbank, um einen wichtigen Indikator für die
Bewertung der Entwicklung der Innovationskraft in
Deutschland zu entdecken: die technologische Dienst-
leistungsbilanz. Sie hat heute einen bisher nicht gekann-
ten negativen Rekordsaldo erreicht. Lag der Saldo im
Jahr 1990 noch bei knapp 0,5 Milliarden Euro, so stieg
er im Jahr 2000 ruckartig auf knapp 5 Milliarden Euro,
also auf das Zehnfache, und schnellte im Jahr 2001 auf
7,5 Milliarden Euro hoch. Dieser überproportional starke
Anstieg begann 1999 und setzte sich unverändert fort.
Das sind die Ergebnisse Ihrer Technologiepolitik, meine
Damen und Herren von der Regierungskoalition.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist das falsche Signal. So wird Deutschland im inter-
nationalen Wettbewerb nicht bestehen können.


(Jörg Tauss [SPD]: Frau Flach wäre ehrlicher gewesen! Schade, dass sie nicht da ist!)


– Frau Flach wäre gerne hier gewesen. Sie hätte die glei-
che Rede gehalten, Herr Tauss.


(Jörg Tauss [SPD]: Nein! Die hat auf die Fehler hingewiesen! Die ist ehrlicher!)


Ihr Bekenntnis im Koalitionsvertrag, die neuen Bun-
desländer in besonders starkem Maße zu fördern, ist
halbherzig. Das Inno-Regio-Programm ist zwar her-
vorragend und findet unsere volle Unterstützung.


(Jörg Tauss [SPD]: Inno-Regio halbherzig?)


Aber als die Ministerin ihren Bericht über die Großfor-
schungsgeräte und die Grundlagenforschung erstattet
hat, haben wir festgestellt, dass von den 975 Millionen
Euro gerade einmal 25 Millionen Euro in die neuen Bun-
desländer fließen. Ich frage Sie, Frau Ministerin: Warum
haben Sie den Antrag für eine europäische Neutronen-
spallationsquelle bei der EU zurückgezogen? Warum
unterstützen Sie nicht die Initiative von Sachsen und
Sachsen-Anhalt, die in ihre Länderhaushalte, die auch
konsolidiert werden müssen, entsprechende Mittel ein-
gestellt haben? Sie setzen falsche Signale.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503306400


Frau Kollegin, Sie haben schon die Hälfte der Rede-
zeit Ihres Fraktionskollegen aufgebraucht.






(A) (C)



(B) (D)


Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1503306500


Ich bedanke mich, sehr verehrter Herr Präsident.

Wir brauchen mehr Bewegung in Deutschland. Das
wird es aber mit der rot-grünen Bundesregierung auch in
Bildung und Forschung nicht geben.

Danke.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503306600


Ich erteile das Wort Kollegen Alexander Bonde,
Bündnis 90/Die Grünen.


Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503306700


Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben heute
wieder einmal die Fortsetzung der alten Oppositionsstra-
tegie „Wir nörgeln den Optimismus herbei“. Auch in der
Bildungs- und Forschungspolitik wird die Schwarzsehe-
rei der letzten Wochen und Monate fortgesetzt. Der Kol-
lege Willsch hat, als es um die Zahlenbasis ging, wenigs-
tens sein Hessenabitur als Alibi vorgeschoben. Ich
möchte Hessen hier explizit in Schutz nehmen.

Die Fragen, um die es hier geht, sind, wie Bildung
und Forschung solide finanziert werden, aber auch, wie
Effizienzkriterien in diesem Bereich geltend gemacht
werden und wie wir gemeinsam Anstrengungen für zu-
künftige Investitionen unternehmen können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich glaube, dass die Opposition einen konstruktiven Bei-
trag dazu leisten kann. Aber man muss von der gleichen
Zahlenbasis ausgehen und zur Kenntnis nehmen, wie
die Situation tatsächlich ist. Wir haben im Einzelplan 30
eine Größe von 8,364 Milliarden Euro für 2003 einge-
stellt. Hinzu kommen 435 Millionen Euro für BAföG-
Darlehen und 300 Millionen Euro für die Betreuung an
Ganztagsschulen. In der Summe werden also im Bereich
des Ministeriums rund 9,1 Milliarden Euro für Bildung
und Forschung ausgegeben. Wenn man den Vergleich zu
2002 zieht, dann zeigt sich, dass es sich angesichts der
dafür eingestellten Mittel in Höhe von 8,834 Milliarden
Euro – aller Nörgelei zum Trotz – um einen Aufwuchs
handelt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Außerdem müssen wir darüber reden, dass auch an-
dere Einzelpläne Ausgaben für Bildung und Forschung
beinhalten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der
Opposition, an dieser Stelle kann ich Ihnen den Hinweis
auf folgende Zahlen nicht ersparen: In den Jahren von
1993 bis 1998, also in Jahren, in denen die CDU, die
CSU und die FDP regierten, haben Sie die Ausgaben
von 7,6 Milliarden Euro auf 7,2 Milliarden Euro „herun-
tergespart“.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist die Wahrheit!)


Wäre Adam Riese Mitglied einer der Oppositionsfrakti-
onen, dann könnte er den Schluss ziehen, dass
9,1 Milliarden Euro im Vergleich zu 7,6 Milliarden Euro
ein deutlicher Aufwuchs sind. Ich finde, an dieser Stelle
muss man deutlich sagen: Rot-Grün hat den Plafond für
Bildung und Forschung seit 1998 um 25 Prozent gestei-
gert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Seit fünf Jahren wachsen die in diesem Einzelplan ver-
anschlagten Mittel kontinuierlich an, während sie in
Ihrer Regierungszeit kontinuierlich gesunken sind. Diese
9,1 Milliarden Euro stellen die bisher höchsten Ausga-
ben für Bildung und Forschung dar.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nein!)


– Dieser Kollege Austermann!

Natürlich müssen wir auch im internationalen Ver-
gleich stärker in Bildung und Forschung investieren. Wir
müssen die Rahmenbedingungen für Forscher verbes-
sern; aber wir dürfen dabei auch die wirtschaftliche Lage
nicht unberücksichtigt lassen. Mich besorgt in diesen Ta-
gen sehr viel mehr als die Frage der staatlichen Ausga-
ben das große Problem des massiven Rückgangs der pri-
vaten Forschungs- und Entwicklungsausgaben.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist wahr, ja! – KlausPeter Willsch [CDU/CSU]: Ja, wenn man aber in diesem Lande kein Geld mehr verdienen kann! – Gegenruf des Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sprechen doch immer von Eigenverantwortung!)


Meine Damen und Herren, Kollege Willsch, wir von
Rot-Grün sind gewillt, die Mittel für Bildung und For-
schung, so wie wir es für dieses Haushaltsjahr getan ha-
ben, auch im nächsten Jahr zu erhöhen. Das heißt aber
auch, dass diese Regierung ihren Konsolidierungskurs
fortführen muss. Die Mittel für Bildung und Forschung
wurden erhöht und gleichzeitig wurde der Schuldenstand
gesenkt. Das ist ein weiterer Unterschied zur Bilanz der
CDU/CSU-FDP-Regierung. Diese Regierung hat die
Bildungsausgaben nämlich gesenkt und die Verschul-
dung gleichzeitig erhöht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wäre die Erhöhung der Verschuldung zugunsten von Zu-
kunftsinvestitionen wie Bildung und Forschung gesche-
hen, dann hätten wir dafür vielleicht Verständnis aufge-
bracht. Aber wir wissen so gut wie Sie: Das war nicht
der Fall.

Für die von den damaligen Regierungsparteien zu
verantwortenden Schulden zahlen wir bis heute die Zin-
sen. Auch wegen der damit verbundenen großen Zinslast
können wir heute nicht in dem Maße in Bildung und For-
schung investieren, wie wir es gerne wollen. Wir müssen
den Konsolidierungskurs der rot-grünen Koalition, der
unter anderem darin besteht, strukturelle Reformen, ge-
rade in den Sozialversicherungssystemen, vorzunehmen,






(A) (C)



(B) (D)


Alexander Bonde
vorantreiben, weil nur so der Spielraum für Zukunftsin-
vestitionen entsteht.

Angesichts dieser Haushaltslage verwundert mich
auch das eine oder andere Agieren der Opposition. Zu
dieser Debatte liegen einige Änderungsanträge vor, die
Mehrausgaben in Höhe mehrerer Hundert Millionen
Euro vorsehen. Wir stellen dazu fest: In diesen Ände-
rungsanträgen gibt es keine Vorschläge für eine Gegen-
finanzierung.


(Jörg Tauss [SPD]: Das finde ich nicht gut! – Cornelia Pieper [FDP]: Subventionskürzungen!)


– Jetzt werden Subventionskürzungen vorgeschlagen.
Das hätten Sie einmal vorschlagen sollen, als es um die
Abschaffung der Eigenheimzulage ging.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Frau Pieper, die Hälfte der Mitglieder Ihrer Fraktion hat
gegen diese Subventionskürzung demonstriert. Ange-
sichts der heutigen wirtschaftlichen Lage wäre die Op-
position gut beraten, nicht immer nur unerfüllbare Hoff-
nungen zu wecken und Schaufensteranträge zu stellen,
die Sie nicht einmal dann vorlegen würden, wenn Sie
Regierungsfraktionen wären. Ich finde, für diese Oppo-
sitionsspielchen ist die Lage viel zu ernst.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Im Einzelplan 30 sind verschiedene inhaltliche
Schwerpunkte gesetzt. Der Kollege Schneider hat ei-
nige erläutert. Außerdem wird der Kollege Fell ein paar
grüne Highlights herausstellen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das kann nicht sein! Die gibt es nicht!)


Ich will betonen: Wir werden weiterhin in die Zu-
kunft investieren. Wir werden dazu beitragen, dass im
Einzelplan des Ministeriums weiterhin eine Schwer-
punktsetzung erfolgt. Wir werden aber nicht dem
Motto „Mehr Geld bedeutet bessere Ergebnisse“ fol-
gen, das die von Ihnen heute eingebrachten Ände-
rungsanträge beinhalten. Auch Forschung muss sich
der Evaluation stellen. Auch im Forschungsbereich
muss man über Fragen der Effizienz und der Schwer-
punktsetzung reden. Das ist mit diesem Haushalt in
verantwortlicher Weise geschehen. Trotz einer äu-
ßerst schwierigen finanziellen Situation wurde für das
Jahr 2003 in diesem Bereich „draufgesattelt“. Das
wird auch in der Zukunft so sein.

Mit dem, was Rot-Grün als Regierungskurs vorgelegt
hat, und mit dem, was der Kanzler bei seiner Rede am
Freitag vorgegeben hat, sind wir auf einem guten Weg.
Hören Sie mit der Schwarzmalerei auf! Unterstützen Sie
uns auf dem Weg! Die Opposition ist gefordert, endlich
konstruktiv mitzuarbeiten.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503306800


Ich erteile der Kollegin Katherina Reiche, CDU/CSU-
Fraktion, das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1503306900


Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen!
Frau Bulmahn, was hatten Sie für günstige Bedingun-
gen, als Sie 1998 das Amt übernommen haben?


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD – Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schuldenberg!)


Ihr Bildungs- und Forschungsetat wurde im Wesentli-
chen von allgemeinen Haushaltskürzungen verschont.
Zusätzlich erhielten Sie Gelder aus der Versteigerung der
Lizenzen. Sie konnten nahezu aus dem Vollen schöpfen.

Was haben Sie daraus gemacht? Sie haben eine Flut
von Programmen aufgelegt und viel Geld in die Ressort-
forschung gesteckt. Ihrer eigentlichen Aufgabe jedoch
sind Sie nicht gerecht geworden, nämlich in guten Zeiten
den Forschungsstandort Deutschland für schlechte Zei-
ten wetterfest zu machen – das Volumen Ihres Haushalts
liegt im Jahr 2003 unter dem von 2002; es wurde um
41 Millionen Euro gekürzt –,


(Zuruf von der SPD: Sie können immer noch nicht rechnen!)


für eine echte Aufbruchstimmung zu sorgen, mit einer ge-
zielten Förderung der Industrieforschung in den neuen Län-
dern, zum Beispiel mit einer Stärkung der Grundlagenfor-
schung, mit der Förderung des wissenschaftlichen
Nachwuchses, mit Leistungsanreizen für die Hochschulen
und die Wissenschaft, mit einer Stärkung des ersten Arbeits-
marktes und mit dem Abbau von Bürokratie. Wertschöp-
fung hätte im Mittelpunkt Ihrer Politik stehen müssen.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat sie doch!)


Wir vermissen eine Vision. Wir vermissen die Bereit-
schaft, neue Themen aufzugreifen und Chancen zu nut-
zen. Der große Ruck vom letzten Freitag ist ein Geruckel
und das ist auch Ihre Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Mitglieder der Europäischen Union wollen bis
zum Jahr 2010 für Forschung und Entwicklung einen
Anteil von 3 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt errei-
chen. Diese Vorgabe sollte auch für Deutschland gelten.
Andere Staaten leisten das, auch unter schwierigen Be-
dingungen. In Japan zum Beispiel steigen trotz Spar-
haushalts die staatlichen Investitionen für Wissenschaft
und Forschung


(Zuruf von der SPD: Wie bei uns!)


um 3,9 Prozent auf 10,3 Milliarden Dollar. Großbritan-
nien hat einen Rekordhaushalt für Wissenschaft und For-
schung vorgelegt. Auch die USA investieren in die Zu-
kunft.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf Pump!)







(A) (C)



(B) (D)


Katherina Reiche
Sie wollten die Investitionen in Bildung und Forschung
jährlich um eine halbe Milliarde Euro erhöhen. Sie ha-
ben sich weit aus dem Fenster gelehnt und sind jetzt hart
auf dem Boden der Tatsachen gelandet.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nach falschen Weichenstellungen steckt Ihr Haus nun
in der Sackgasse. Keine Spur von Konzept oder Strin-
genz! Sie spielen Forschungs- und Bildungspolitik ge-
geneinander aus.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun Sie, nicht wir!)


Sie opfern die Priorität „Forschungspolitik“ zweifelhaf-
ten Ausgaben für angebliche Ganztagsschulen. Sie mes-
sen Ihren Erfolg an der Anzahl von BAföG-Empfängern.
650 000 BAföG-Empfänger im Jahr 2003 sind aber kein
Durchbruch in der Hochschulpolitik, sondern Ausdruck
des Versagens in der Wirtschaftspolitik.


(Jörg Tauss [SPD]: Bitte?)


Die Menschen in Deutschland werden immer ärmer.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Frau Bulmahn, Sie haben das Kerngeschäft, die For-
schung, vernachlässigt und sich in die Bildungspolitik
geflüchtet, dorthin, wo Sie keine Kompetenz haben.
PISA hat die Schwächen von rot-grüner Bildungspolitik
offen gelegt.


(Ute Kumpf [SPD]: Ach, Frau Reiche!)


Auch Niedersachsen zählt zu den bildungspolitischen
Sitzenbleibern. Und da kommen Sie aus Niedersachsen
daher und wollen Baden-Württemberg und Sachsen er-
klären, wie man Bildungspolitik macht! In Niedersach-
sen Hausaufgaben nicht machen und dann festlegen wol-
len, wie es in Deutschland nach PISA weitergeht, das
geht schief und das machen wir nicht mit.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Antwort auf PISA


(Jörg Tauss [SPD]: Heißt Reiche!)


sind nicht mehr Ganztagsschulen. Die Antwort sind ver-
bindliche Bildungsstandards, verbesserte Lehrerausbil-
dung, Transparenz, Leistungsvergleich, Leistungsprinzip
in einem gegliederten Schulsystem, Wettbewerb und
Qualität, all das, wogegen Sie sich jahrelang gewehrt ha-
ben. Aber das ist nicht Ihre, sondern das ist originär Län-
dersache, Frau Bulmahn.

Um es ganz klar zu sagen: Natürlich brauchen wir
mehr Betreuungsangebote für Sechs- bis Zwölfjährige
am Nachmittag.


(Jörg Tauss [SPD]: Was denn jetzt?)


Aber das hat mit PISA nichts zu tun.


(Jörg Tauss [SPD]: Bitte?)


Ihr Ansatz, Frau Bulmahn, löst keine Probleme, schafft
dafür aber 1,5 Milliarden Euro zusätzlicher Belastungen
für Länder und Kommunen. Deshalb sagen wir: Beteili-
gen Sie die Länder an der Umsatzsteuer, entlasten Sie

die Kommunen, führen Sie das Konnexitätsprinzip wie-
der ein und dann gibt es auch mehr Ganztagsangebote!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Auch beim Thema Lehrstellen und berufliche Bil-
dung ist die Situation dramatisch. Von 711 000 Bewer-
bern um einen Ausbildungsplatz schafften am Ende des
Berufsberatungsjahres 2001/02 nur 342 700 den Sprung
in eine reguläre Ausbildung – nicht einmal die Hälfte.
Für 2003 fehlen 110 000 Lehrstellen, davon 80 000 im
Osten. 80 000 in den neuen Ländern!


(Zuruf von der SPD: Jetzt kommt der Appell!)


580 000 arbeitslose Jugendliche unter 25 Jahren im Fe-
bruar 2003, das ist absoluter Rekord der Nachkriegszeit
in Deutschland. Das ist ein Skandal.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Vergleichen Sie das mal mit 1998!)


Meine Damen und Herren, der Bericht zur technolo-
gischen Leistungsfähigkeit unseres Landes bescheinigt
Rot-Grün, dass die Basis unseres Wohlstandes in eine
Schieflage geraten ist. Im weltweiten Vergleich liegt die
deutsche Wirtschaft mit ihren Aufwendungen für Zu-
kunftsinvestitionen mit 2,5 Prozent abgeschlagen auf
Platz sieben unter anderem hinter Schweden, Finnland,
Japan und den USA.


(Jörg Tauss [SPD]: Aha! Da reden Sie mal mit dem Wirtschaftsrat!)


Ein Grund für das Abrutschen sind die jahrelangen fal-
schen Allokationen im Forschungsetat.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben doch dauernd erhöht!)


Auch der aktuelle Haushalt 2003 verspricht keine
Umkehr. Es gibt keine Verlässlichkeit mehr; fragen Sie
die Forschungsorganisationen. Es gibt keine Konstanz,
kein Vorausschauen und keine Langfristigkeit. Sie be-
treiben tagespolitischen Aktionismus. Noch vor der Bun-
destagswahl hat der Bund mit den Ländern für die deut-
schen Wissenschaftsorganisationen Aufwüchse von
3,5 bzw. 3 Prozent vereinbart. Über Nacht und einseitig
wurde das gekündigt. Den Forschungsorganisationen
fehlen mittlerweile 75 Millionen Euro in ihren Etats. Das
Kanzlerversprechen für 2004 lautete, nun den Aufwuchs
zu schaffen. Ich frage mich: Wem soll man da noch glau-
ben? Das sind leere Worte. Hier und jetzt hätte der Be-
weis angetreten werden müssen.

Die MPG wird 20 Institute schließen müssen und die
Leibniz-Gemeinschaft meldet, dass rund 200 Wissen-
schaftlerstellen gefährdet sind, 80 Einrichtungen, von
denen ein Drittel in den neuen Ländern ist. Es gibt erst-
mals Entlassungen bei der Leibniz-Gemeinschaft in den
neuen Ländern.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Rot-grüne Bilanz ist das!)


Die Entscheidung des BMBF gegen eine deutsche Be-
werbung für das Großforschungsprojekt ESS bedeutet
eine weitere Schwächung für den Forschungsstandort
Deutschland.






(A) (C)



(B) (D)


Katherina Reiche

(Thomas Rachel [CDU/CSU]: So ist es!)


Am Beispiel der Biotechnologie werden die Schwä-
chen besonders deutlich. Seit dem Gipfel von Barcelona
waren Sie aufgefordert, eine nationale Biotechnologie-
strategie vorzulegen – bislang Fehlanzeige. Weite Berei-
che in der Biotechnologie befinden sich in einer Phase
der Stagnation, zum Teil bis hin zur Existenzgefährdung.
Wirtschaftliches, aber auch wertvolles wissenschaftli-
ches Potenzial droht jetzt verloren zu gehen. Die grüne
Gentechnik wird gegen die rote ausgespielt und aus
ideologischen Gründen ausgebremst.

Meine Damen und Herren, wir stehen im internatio-
nalen Wettbewerb um die besten wissenschaftlichen
Talente. Dazu müsste Deutschland den besten Köpfen
die besten Arbeitsbedingungen und größtmöglichen
Freiheiten zubilligen. Wir bräuchten mehr Flexibilität,
mehr Wettbewerb, eine bessere Verknüpfung von Wis-
senschaft und Wirtschaft, weniger Vorschriften und we-
niger direkte Eingriffe. Aber Frau Bulmahn hat in den
vergangenen Jahren den Forschungsstandort durch mehr
Fesseln gelähmt und die Zügel angezogen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Das Professorenbesoldungsreformgesetz – das kön-
nen Sie sich ruhig anhören, Herr Tauss – schreckt junge
Wissenschaftler ab. Mit dem 5. Hochschulrahmen-
gesetz haben Sie faktisch die Habilitation abgeschafft.
Exzellenzforscher aus den Wissenschaftsorganisationen
schauen jetzt in die Röhre. Wir setzen uns deshalb für
eine rasche Novellierung ein.

Die Klage der Länder Hamburg, Baden-Württemberg,
Bayern und Sachsen vor dem Bundesverfassungsgericht
gegen die 6. Novelle des Hochschulrahmengesetzes un-
terstützen wir.

Ich sage Ihnen: Novellieren Sie das Hochschulrah-
mengesetz! Machen Sie aus dem Korsett des HRG end-
lich einen echten Rahmen und lassen Sie den Ländern
und Hochschulen mehr Freiheit!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Antwort auf Ihre Politik bekamen Sie vor weni-
gen Tagen: Alle 16 Länder wollen aus der gemeinsamen
Bildungsplanung der BLK aussteigen. Frau Bulmahn,
Sie wurden in der Bildungspolitik vor die Tür gesetzt,
und das zu Recht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Bald auch im Kabinett!)


Auch Ihre politischen Freunde auf Länderebene wer-
den rar. Der ehemalige niedersächsische Wissenschafts-
minister Oppermann, SPD, nun von seiner Amtslast
befreit, hat Ihre Politik in seinem Abschiedsbrief sehr
deutlich kritisiert. Er fordert von Ihnen zu Recht einen
„stärker interessenorientierten Blick“, damit For-
schungs- und Wissenschaftsstrukturen profiliert werden
können. Recht hat der Mann!


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: So ist es!)


Der Bundeskanzler hat Ihnen, Frau Bulmahn, im
Haushalt 2003 die Unterstützung versagt. Er zieht auch
noch den für Juni geplanten Bildungsgipfel an sich –
eine weitere Deklassierung für Sie.

Frau Bulmahn, ich sehe, dass Ihnen der Wind derzeit
scharf ins Gesicht weht. Wie Sie die nächsten drei Re-
gierungsjahre ohne Konzept und roten Faden überstehen
wollen, bleibt uns ein Rätsel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503307000


Ich erteile das Wort Bundesministerin Edelgard Bul-
mahn.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Abschiedsrede!)


Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-
nen und Kollegen! Sehr geehrte Herren und Damen! Im
Jahre 1998 habe ich alles andere als eine gute Situation
vorgefunden: einen Haushalt, der voll gegen die Wand
gefahren war,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


der über Jahre hinweg gekürzt worden war mit dem Er-
gebnis, dass die notwendigen und dringendsten Aufga-
ben nicht mehr erledigt werden konnten.


(Jörg Tauss [SPD]: Mittelfristige Finanzplanung!)


Ich habe über Jahre hinweg verschobene Reformen vor-
gefunden, die nicht angepackt worden sind, weil Ihnen
die Courage und der Mut fehlten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In diesem Zusammenhang muss ich Ihnen etwas sa-
gen, Frau Reiche: Wenn Sie als forschungspolitische
Sprecherin einer großen Fraktion äußern, für die Wissen-
schaft sei ein Besoldungssystem für Professoren gut, das
das Älterwerden honoriert, aber nicht die Leistung in
Lehre und Forschung, dann haben Sie Ihren Job verfehlt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mit dieser Position stehen Sie in Ihrer eigenen Fraktion
ziemlich allein da; denn alle Bundesländer, auch die von
der CDU regierten, haben unserem Vorschlag zuge-
stimmt.


(Zuruf von der SPD: Genau!)


Das war nicht einfach. Sie haben sich für eine Decke-
lung eingesetzt; die CDU-regierten Länder haben dies
dann auch durchgesetzt. Aber wenn Sie die Tatsache
ignorieren, dass wir in Wissenschaft und Forschung ein






(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Edelgard Bulmahn
Besoldungssystem brauchen, das Leistung in Lehre und
Forschung, nicht aber das Älterwerden honoriert, dann
haben Sie den Charakter von Bildung und Forschung
nicht erkannt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese Bundesregierung, meine sehr geehrten Herren
und Damen, hat seit 1998 neuen Schwung für Bildung
und Forschung gebracht.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Da müssen Sie selber lachen!)


Dieses Land ist stark geworden, weil es über Jahrzehnte
hinweg auf das Können, auf die Kreativität und die Leis-
tungsfähigkeit seiner Menschen gesetzt hat. Dieses Land
wird nur dann stark bleiben, wenn seine Menschen, die
unser eigentliches Kapital sind, auch künftig in der Lage
sind, Leistungen für sich selbst, für ihre Familien und
auch für unsere Gesellschaft zu erbringen. Dies ist die
politische Aufgabe, die es zu bewältigen gilt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Voraussetzung dafür ist, dass Bildung und For-
schung nicht ausgebremst werden, so wie das in den
16 Jahren der CDU/CSU-FDP-Regierungsverantwor-
tung Jahr für Jahr geschehen ist. Deutschland lebt von
dem Können und Wissen der Menschen. Deshalb gehö-
ren Bildung und Forschung in das Zentrum der Politik.
Genau diesen Kurs haben wir seit 1998 konsequent ein-
geschlagen.

Meine Vorredner haben darauf hingewiesen: Unter
dieser Bundesregierung sind die Mittel für Bildung und
Forschung seit 1998 um mehr als 25 Prozent gestiegen.
Das war nicht einfach, denn wir haben parallel dazu den
Haushalt konsolidiert. Gleichzeitig haben wir die not-
wendigen strukturellen Änderungen in der Forschung
durchgeführt,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


zum Beispiel die von Ihnen seit über 10 Jahren aufge-
schobene Reform der HGF, die wir im Ausschuss für
Forschung und Technologie – ich denke, ein bisschen
Kenntnis über diesen Bereich sollte man haben – seit
Anfang der 90er-Jahre immer wieder gefordert hatten.
Sie haben sie nicht angepackt; wir haben sie in sehr
mühsamen Verhandlungen durchgesetzt und damit das
Ziel erreicht, dass die größte deutsche Forschungsorga-
nisation endlich ihre durchaus vorhandene Leistungsfä-
higkeit entfalten kann.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine sehr geehrten Herren und Damen, der Sach-
verständigenbericht zur technologischen Leistungs-
fähigkeit hat uns gerade erst bescheinigt, dass wir die
Forschung in den letzten vier Jahren deutlich gestärkt

haben und auch bei den Strukturveränderungen auf dem
richtigen Weg sind. Deutschland ist heute zweitgrößter
Exporteur forschungsintensiver Waren und Güter. Unter
den großen europäischen Ländern weist Deutschland die
höchste Dichte an innovativen Unternehmen auf. Wir
sind weltweit führend auf dem Gebiet der Automobil-
technik,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das war nicht zu verhindern!)


der optischen Technologien und in der Mobilfunktech-
nik. In Europa sind wir in der Biotechnologie und im
Maschinenbau an der Spitze; in der Biotechnologie sind
wir endlich wieder an die Spitze gerückt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das neue BAföG hat vielen jungen Menschen die
Entscheidung für ein Studium ermöglicht und einen Run
auf unsere Hochschulen ausgelöst. Das ist auch notwen-
dig, denn alle vergleichbaren Industrieländer haben eine
Studierendenquote von durchschnittlich 40 Prozent. In
Deutschland lag die Quote 1998 bei 27,7 Prozent.


(Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/CSU]: Sie vergessen die Fachhochschulen!)


Jetzt liegt sie bei 35,6 Prozent.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn Sie das als einen Misserfolg der Politik betrachten,
dann kann ich nur sagen: Gute Nacht, Deutschland.

Wenn man nicht begreift, dass Deutschland keine ein-
same Insel ist und dass man nur im internationalen
Wettbewerb mit bestausgebildeten Menschen unser
wirtschaftliches Wachstum und auch unsere wirtschaftli-
che Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen kann,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Da liegt das Problem, dass das völlig verschlafen worden ist! Sie haben eine kümmerliche Bilanz vorzuweisen!)


dann liegt man wirklich falsch. Herr Austermann, wir
haben eine deutliche Zunahme der Studienanfängerzah-
len gerade in den Naturwissenschaften zu verzeichnen,
und zwar zwischen 18 und 25 Prozent.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das sind die Bereiche, in denen wir dringend Nach-
wuchs brauchen. Unter Ihrer Regierung ist der Anteil bis
auf 13 Prozent heruntergegangen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Es gab nie mehr Abbrecher im Studium als heute!)


Sie müssen einmal die Fakten zur Kenntnis nehmen und
nicht lauter Vorurteile streuen, die jeglicher sachlichen
Basis entbehren. Beschäftigen Sie sich mit den Fakten!
Dann können Sie etwas zu diesem Thema sagen.






(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Edelgard Bulmahn

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Warum haben Sie Ihr Versprechen gebrochen?)


Wir haben das Meister-BAföG reformiert.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Schaffen Sie jetzt den Meistertitel ab?)


Auch das ist eine ähnliche Erfolgsstory. Wir wollen, dass
die Jugendlichen sowohl an den Hochschulen als auch in
der beruflichen Ausbildung ihre Chancen bekommen.
Schon im Jahre der Reform waren es 16 000 Fachkräfte
mehr, die dieses neue Angebot zum beruflichen Aufstieg
genutzt haben. Das zeigt: Die Reform war ein Erfolg.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir erneuern unser Land und setzen diesen Moderni-
sierungskurs auch unter schwierigen wirtschaftlichen
Bedingungen konsequent fort. Das gilt auch dann, wenn
uns die notwendigen Schritte zur Haushaltskonsolidie-
rung in diesem Jahr zu einigen – das sage ich ausdrück-
lich – schmerzhaften Entscheidungen gezwungen haben.


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Versprochen, gebrochen!)


Die hohen Zuwächse, die wir in den vergangenen Jah-
ren in Bildung und Forschung realisiert haben, werden
wir auch in diesem Jahr fortschreiben. Die Vorredner ha-
ben bereits darauf hingewiesen: Wir haben einen Haus-
halt für Bildung und Forschung von insgesamt über
9,1 Milliarden Euro. Wir haben deutlich akzentuierte
Schwerpunkte gesetzt: in der Forschungsförderung in
den neuen Bundesländern, aber auch in den für uns so
wichtigen Technologiefeldern, wie zum Beispiel in der
Biotechnologie und in der IuK-Technologie.

Die Zukunft unseres Landes entscheidet sich auch in
den Schulen und Hochschulen. Es ist völlig richtig,
wenn hier gesagt wird, dass die Länder für die Schulen
zuständig sind. Aber wir haben eine gemeinsame Verant-
wortung für Bildung. Deshalb kommt es darauf an, dass
wir uns nicht zurückziehen und sagen: Das geht uns alle
nichts an!, wenn wir feststellen müssen, dass die PISA-
Studie auf gravierende Mängel hinweist. Wir müssen
gemeinsam dafür Sorge tragen, dass sich unser Bil-
dungssystem schnell und zügig verbessert. Darum geht
es. Deshalb haben wir den Ländern das Angebot ge-
macht, sie bei der Verbesserung des Bildungssystems zu
unterstützen.

Ich will ausdrücklich sagen, dass es ein bildungspoli-
tischer Skandal ist,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist wahr!)


wenn wir feststellen müssen, dass in unserem Land
25 Prozent der Jugendlichen die Schule mit 15 Jahren
verlassen, ohne dass sie einfache Texte lesen können.
Mich lässt das jedenfalls nicht kalt. Ich hoffe, dass es
vielen in diesem Hause so geht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Guckt mal die Bundesländer an, wo es besonders schlecht ist!)


Herr Austermann, mich lässt es auch nicht kalt – auch
das ist ein gesellschaftspolitischer Skandal –, dass in
Bayern, so der Leiter der PISA-Studie, der führende
Wissenschaftler Herr Professor Baumert, ein Kind aus
einer Arbeitnehmerfamilie bei gleichen fachlichen Leis-
tungen eine viermal schlechtere Chance hat, das Abitur
zu machen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Thomas Rachel [CDU/ CSU]: Das ist doch Quatsch! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist dreist, dass Sie sich als Niedersächsin mit Bayern messen!)


Deshalb müssen wir dafür Sorge tragen, dass wir unser
Bildungssystem insgesamt verbessern. Wer anfängt, das
eine Bundesland gegen das andere auszuspielen, wird
der Aufgabe nicht gerecht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: So kann man es natürlich machen!)


Wir haben Mängel und Defizite in SPD-regierten und
in CDU-regierten Bundesländern. Wir müssen die Män-
gel und Defizite insgesamt beheben. Darum geht es.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb haben wir gesagt, dass wir mit anpacken. Wir
wollen bundesweite Bildungsstandards. Wer da von
Zentralismus redet, der hat bei aller Liebe – das muss ich
ganz offen sagen – den Text nicht verstanden und erfüllt
die Anforderungen der PISA-Studie nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


„Nationale Bildungsstandards“ heißt nämlich, dass von
Wissenschaftlern und Praktikern im Bereich des Unter-
richts entwickelt wird, welche Kompetenz ein Kind min-
destens haben muss und was die mittleren und die höchs-
ten Standards sind.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)


Ich sage ausdrücklich – das habe ich von Anfang an
gesagt –: Wir brauchen regelmäßig bundesweite Leis-
tungsvergleiche und auch Ganztagsschulen, damit un-
sere Kinder endlich eine gute individuelle Förderung er-
halten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Denn wenn wir in den Schulen nicht zu besseren Ergeb-
nissen kommen, werden wir nicht die Zahl an Naturwis-
senschaftlern und Fachkräften haben, die wir brauchen.
Das ist doch der Zusammenhang und deshalb geht uns
dies etwas an.

Zweiter Punkt. Wir wollen, dass jeder junge Mensch
eine Ausbildung erhält. Wir haben mit der Wirtschaft ei-
nen Ausbildungskonsens festgeschrieben. Jeder Jugend-
liche, der ausbildungswillig und ausbildungsfähig ist,






(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Edelgard Bulmahn
soll eine Lehrstelle bekommen. Die Bundesregierung hat
hier ihren Part erfüllt und wird ihn auch in diesem Jahr
erfüllen. Wir haben zusammen mit den Sozialpartnern
Berufsbilder modernisiert und neue Berufe geschaffen.
Wir stellen auch im Haushalt 2003 erhebliche Mittel be-
reit, um allen jungen Menschen eine Chance auf Ausbil-
dung und Arbeit zu eröffnen. Die Modernisierung der
beruflichen Bildung werden wir auch in den kommenden
Jahren gezielt vorantreiben.

Herr Präsident, ich sehe, dass jemand eine Zwischen-
frage stellen möchte.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503307100


Frau Ministerin, Sie gestatten also ganz offenkundig
eine Zwischenfrage. Ich bedanke mich für das Entgegen-
kommen.

Bitte schön, Herr Kollege.


Michael Kretschmer (CDU):
Rede ID: ID1503307200


Frau Ministerin, Sie sprachen gerade von Skandalen.
Ich finde, ein Skandal ist die Ausbildungsplatzsitua-
tion; Sie sind soeben darauf eingegangen. Ich möchte
Sie fragen: Wie passt es in die Zeit, wenn pro Jahr
40 000 Unternehmen Insolvenz anmelden und der Bun-
deskanzler von einer Ausbildungsplatzabgabe spricht?
Glauben nicht auch Sie, dass die wirtschaftlichen Rah-
menbedingungen dazu geführt haben, dass es bei uns ei-
nen Lehrstellenmangel gibt?

Frau Ministerin, Sie haben die Mittel für das Sonder-
programm zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze
gekürzt. Wir wollten das ändern; damit sind wir nicht
durchgekommen. Sie haben sich in der „Leipziger
Volkszeitung“ vom 31. Januar 2003 folgendermaßen zi-
tieren lassen: Man werde Ausbildungsplätze schaffen,
und zwar 14 000 statt 12 000, wie bisher geplant. Be-
trachtet man den Haushalt, sieht man, dass es einen
Haushaltsvorgriff geben soll, was nichts anderes heißt,
als dass ab August diese 2 000 Jugendlichen zwar in die
Berufsschule gehen können, sie aber erst ab Dezember
2003 bzw. Januar 2004 eine praktische Ausbildung er-
halten werden. Ist das Ihr Ernst? Glauben Sie, das Ver-
sprechen, das Sie gegeben haben, damit zu halten?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Ihre Interpretation dieses Haushaltsvermerkes ist un-
zutreffend. Wir finanzieren nämlich Ausbildungsplätze
im Rahmen eines Bund-Länder-Programmes in Zusam-
menarbeit mit den neuen Bundesländern. Wir achten
sehr stark darauf, dass die Ausbildungsmaßnahmen, die
wir im Rahmen dieses Programmes durchführen, zu ei-
nem Erfolg werden. Wir haben mit den Bundesländern
klar vereinbart, dass wir damit den Anteil der Ausbil-
dung in den Betrieben stärken. Deshalb ist Ihre Interpre-
tation falsch und unzureichend. Wir haben ausdrücklich
gesagt, dass wir, wenn sich die Ausbildungssituation
schlecht entwickeln sollte, im Rahmen dieses Bund-Län-

der-Programmes 14 000 Ausbildungsplätze finanzieren
werden. Das besagt dieser Vermerk.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Die Umsetzung dieses Ausbildungsprogrammes er-
folgt durch die Bundesländer. Das ist von diesen aus-
drücklich so gewünscht worden und das ist Bestandteil
der Vereinbarung mit den neuen Bundesländern.


(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Aber wie wollen Sie das finanzieren?)


Das heißt, sie entscheiden, wo die Ausbildung stattfin-
det, und wir drängen darauf, dass sie in Betrieben statt-
findet. Das zum einen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zum anderen möchte ich ausdrücklich festhalten: Der
Bundeskanzler hat in seiner Rede am vergangenen Frei-
tag eine ganze Reihe von entscheidenden Veränderungen
dargestellt,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Für 2004!)


die das wirtschaftliche Wachstum unterstützen sollen
und werden. Zudem haben wir bereits eine ganze Reihe
von Maßnahmen getroffen. Ich nenne die Mittelstands-
initiative, die Gründerinitiative und die steuerlichen Er-
leichterungen für Unternehmen,


(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Die Steuererhöhungen auch?)


die die Rahmenbedingungen für das wirtschaftliche
Handeln gerade kleiner und mittlerer Unternehmen ver-
bessern.

Deshalb erwarten wir von den Unternehmen, dass sie
in ihrem ureigensten Verantwortungsbereich, nämlich
bei der Ausbildung und der Qualifizierung ihres Nach-
wuchses, Verantwortung übernehmen und dafür Sorge
tragen, dass mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung ste-
hen.


(Beifall bei der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Endlich!)


Ich sage Ihnen ganz klar: Auf Dauer kann es nicht
dabei bleiben, dass nur ein Drittel der Unternehmen aus-
bildet. Ich habe heute Morgen an einer Diskussion mit
Vertretern sowohl der Wirtschaft als auch der Gewerk-
schaften teilgenommen, in der ich ausdrücklich und klar
gesagt habe: Es kann nicht sein, dass sich Unternehmen
ihrer ureigensten Verantwortung entziehen, Ausbil-
dungsplätze abbauen bzw. überhaupt nicht ausbilden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Da sägen sie an einem Ast, auf dem sie selber sitzen.
Deshalb ist es ihre ureigenste Verantwortung, die Zahl
der Ausbildungsplätze zu erhöhen und für eine qualitativ
gute Ausbildung Sorge zu tragen. Wir tun das Unsrige.
Ich habe darauf hingewiesen, dass wir die Ausbildungs-
ordnungen modernisieren und verändern.






(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Edelgard Bulmahn
Meine Uhr ist die ganze Zeit weiter gelaufen. Ich
bitte, das zu korrigieren.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503307300


Das überrascht mich ein bisschen, weil meine Uhr
nicht weiter gelaufen ist. Wir werden das aber so oder so
ordentlich hinbekommen.

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Ich habe auch angekündigt, dass wir zum Beispiel
Qualifikationsbausteine entwickeln, dass wir die Verord-
nungen wegfallen lassen, bei denen wir davon ausgehen,
dass sie entfallen können. Wir machen es also für Unter-
nehmen einfach und attraktiv, auszubilden, aber sie müs-
sen diese Verantwortung auch übernehmen.


(Beifall bei der SPD)


Ich habe im Übrigen mit dem Wirtschaftsminister eine
Ausbildungsoffensive 2003 verabredet. Dazu gehören
die Schaffung von neuen Ausbildungsverbünden auch in
den alten Bundesländern, regionale Branchenkampagnen
zur Mobilisierung von Betrieben, die betriebsnähere
Ausgestaltung der öffentlichen Ausbildungsförderung
und, wie bereits gesagt, der Wegfall von Vorschriften, die
wir für entbehrlich halten.

Drittens. Wir wollen leistungsfähige Hochschulen,
die auch international als Ort exzellenter Ausbildung und
als Motoren des Fortschritts wahrgenommen werden. In
der letzten Legislaturperiode habe ich auf dem Weg da-
hin zwei wichtige Ziele erreicht. Durch die Änderung des
Dienstrechts ist es uns gelungen, dem wissenschaftlichen
Nachwuchs deutlich mehr Selbstständigkeit und interna-
tionale Ausrichtung zu geben und parallel dazu auch An-
reize für die Leistungssteigerung in Lehre und Forschung
zu schaffen. Mit Erfolg übrigens, denn 15 Prozent der
neu berufenen Juniorprofessoren kommen aus dem Aus-
land; bisher hatten wir einen Anteil von 5 Prozent. Das
zeigt, dass wir hier den richtigen Weg gegangen sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben gleichzeitig durch die Novellierung des
BAföG sichergestellt, dass die Antwort auf die Frage, ob
jemand studieren kann, eben nicht mehr vom Geldbeutel
der Eltern abhängt, sondern allein von der eigenen Leis-
tungsfähigkeit.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


In den kommenden vier Jahren kommt es mir darauf
an, zu erreichen, dass noch mehr Studierende ihr Stu-
dium erfolgreich abschließen. Deshalb habe ich den Län-
dern einen Pakt für Hochschulen angeboten, mit dem
eine Verbesserung der Studienbedingungen, eine klare
Strukturierung des Studiums und eine bessere Studien-
beratung erreicht werden sollen. Es kommt darauf an,
dass wir mehr Transparenz durch ein umfassendes Hoch-
schulranking, eine strukturierte Förderung des wissen-
schaftlichen Nachwuchses und eine stärkere internatio-

nale Ausrichtung unserer Hochschulen erreichen. Das
sind die Schwerpunkte dieses Pakts für Hochschulen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Viertens. Schließlich wollen wir durch Forschung
und Innovation unser wirtschaftliches Wachstum voran-
treiben und stärken und Wachstum und Beschäftigung
sichern. Forschung ist der Grundstein jedes neuen Pro-
duktes und jedes neuen Verfahrens. Deshalb haben wir
die Forschung seit 1998 systematisch gestärkt, auch die
institutionelle Forschungsförderung.

Mein Ministerium betreibt im Übrigen keine Ressort-
forschung, Frau Reiche. Wir haben ein einziges Institut,
das zur Ressortforschung gehört; sonst gibt es in meinem
Zuständigkeitsbereich keine Ressortforschung. Das zu
Ihrer Information.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Sie gehören aber zur Bundesregierung! Jedenfalls noch!)


Die Förderung der DFG zum Beispiel ist seit 1998 um
mehr als 25 Prozent gestiegen. Das war richtig und not-
wendig. Umso schmerzlicher ist es, dass wir in diesem
Jahr die Mittel für die Forschungsorganisationen bis auf
die Mittel für die DFG nicht erhöhen konnten. Wir wer-
den das bereits ab dem kommenden Jahr verändern und
die Etats aller großen Forschungsorganisationen wieder
um 3 Prozent erhöhen. Das hat der Bundeskanzler am
Freitag angekündigt und das werden wir auch machen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503307400


Frau Ministerin, es wäre schön, wenn Sie bei der Ein-
haltung der verlängerten Redezeit etwas behilflich sein
könnten, sonst müssten wir das anderswo berücksichti-
gen.

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Ich glaube, bis jetzt ist meine Redezeit noch nicht ver-
längert. Ich hatte noch drei Minuten, als ich wieder ange-
fangen habe.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503307500


Einvernehmlich sind wir der Meinung, dass es so ist,
wie ich es gerade vorgetragen habe.

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Mit der Steigerung der Projektförderung um
44 Prozent haben wir neue Plattformen für eine verbes-
serte Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft
geschaffen und damit dem Wissens- und Technologie-
transfer in Deutschland neuen Schwung gegeben. Das
will ich auch noch einmal an einigen konkreten Beispie-
len deutlich machen. Mir ist das deshalb so wichtig, weil
eine enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und






(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Edelgard Bulmahn
Wissenschaft – die wird gerade über die Projektförde-
rung geleistet – eine der wichtigsten Voraussetzungen
für wirtschaftliches Wachstum ist. Ich bitte auch darum,
einmal in den Haushalt zu gucken, statt hier einfach zu
schwabulieren.


(Lachen bei der CDU/CSU – Zurufe von der CDU/CSU: War das griechisch? – Sprechen Sie von sich selber?)


Bei einem Blick in den Haushalt stellt man fest, dass
zum Beispiel im Bereich Gesundheit und Medizin die
Forschungsförderung von 1998 bis 2003 von 84 Mil-
lionen Euro auf 101 Millionen Euro gestiegen ist. Im
Bereich der molekularen Medizin ist sie von 33 Millio-
nen Euro auf 42,7 Millionen Euro gestiegen. Im Bereich
Biotechnologie ist sie von 86 Millionen Euro auf
109 Millionen Euro gestiegen. Im Bereich Informations-
technik ist sie von 248 Millionen Euro auf 270 Millionen
Euro gestiegen.

Ich sage Ihnen ganz klar: Natürlich hätte ich als For-
schungsministerin gerne noch höhere Steigerungsraten.
Aber hier den Eindruck zu vermitteln, dass nichts ge-
schehen sei, ist nun wirklich falsch und Ihrer nicht wür-
dig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Es war eine Verdoppelung versprochen!)


Wir haben es gerade in den wichtigen Bereichen ge-
schafft, die Forschungsförderung deutlich zu verstärken.
Im Übrigen ist diese Förderung gerade den kleinen und
mittleren Unternehmen zugute gekommen. Denn unter
dieser sozialdemokratischen Forschungsministerin ist
der Anteil der kleinen und mittleren Unternehmen an der
Forschungsförderung meines Hauses um fast 60 Prozent
gestiegen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das hätten Sie nicht gedacht. Das hat eine Sozialdemo-
kratin durchgesetzt und erreicht.

Wenn Sie, Frau Reiche, sagen, dass das die falschen
Schwerpunktsetzungen seien – neue Bundesländer: um
90 Prozent erhöht, Biotechnologie: drastisch erhöht,
IuK-Technologien: drastisch erhöht, Nanotechnologien:
deutlich erhöht –, dann müssen Sie bitte die Schwer-
punkte vorstellen, die Sie für richtig halten. Das gehört
zu Solidität und Ehrlichkeit dazu.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn Sie das nicht können, dann muss ich Ihnen vor-
werfen, dass Sie keinerlei Perspektive dessen haben, wo-
rum es in Deutschland eigentlich geht und worin unsere
Aufgabe liegt.

Vielen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Auf Wiedersehen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503307600


Das Wort hat der Abgeordnete Christoph Hartmann,
FDP-Fraktion.


(Jörg Tauss [SPD]: Jetzt wird der Beifall wieder dünner!)



Christoph Hartmann (FDP):
Rede ID: ID1503307700


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Der Etatansatz von Rot-Grün und die dahinter
stehende Politik sind genauso wenig stimmig wie die
Regierungserklärung, die der Kanzler hier am vergange-
nen Freitag abgegeben hat.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich will nur ein paar Punkte herausgreifen.

Es beginnt beim Hochschulbau. Sie kürzen um
40 Millionen Euro. Das Paradoxe daran ist, dass die Stu-
dierendenzahlen steigen und die Abbrecherquoten stei-
gen, die Sie selbst als schlimm empfinden. Überfüllte
Hörsäle und schlechte Studienbedingungen sind an der
Tagesordnung. Sie kürzen die Investitionen in den Aus-
bau und den Neubau der Hochschulen. Das passt nicht
zusammen.


(Beifall bei der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Falsch! Wir kürzen bei der Rückzahlung!)


Der zweite Punkt ist das BAföG. Sie haben beim
BAföG auf Drängen der FDP nachgebessert.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Aber auch diese nachgebesserten Zahlen werden nicht
ausreichen. Denn das Soll für dieses Jahr ist niedriger als
das Ist des letzten Jahres. Da es mehr Arbeitslose in die-
sem Land gibt, gibt es auch mehr Schüler und Studie-
rende, die Anrecht auf BAföG haben, als Sie in Ihrem
Haushalt zugrunde legen. Sie stellen sehenden Auges ei-
nen Haushalt auf, der dem Kriterium der Haushaltsehr-
lichkeit nicht entspricht.


(Beifall bei der FDP)


Betrachten wir die Schwerpunkte, die Sie am Anfang
der Legislaturperiode hier verkündet haben.

Da waren zunächst die nationalen Bildungsstan-
dards. Offen gestanden gibt es im Haushalt nicht einmal
einen eigenen Titel für die nationalen Bildungsstandards.
Es mag ja sein, dass Sie das in dem Titel „strukturelle In-
novationen in Bildung und Forschung“ verstecken. Aber
der wurde von Ihren Haushältern zuerst gekürzt und ist
anschließend noch mit einer Haushaltssperre in Höhe
von 10 Millionen Euro belegt worden. Bei dieser Finan-
zierung ist wirklich nicht zu erkennen, dass Sie es mit
den nationalen Bildungsstandards ernst meinen.


(Beifall bei der FDP)


Zuletzt nenne ich die groß angekündigte Stiftung
„Bildung und Erziehung“. Der erging es noch viel
schlechter. Denn dieser Schwerpunkt war Ihrer Bundes-
regierung weder einen eigenen Haushaltstitel noch eine






(A) (C)



(B) (D)


Christoph Hartmann (Homburg)

andere Art der Finanzierung wert. Auch dieser Schwer-
punkt, den Sie selbst gebracht haben, wurde also wieder
einkassiert.

Diese Haushaltsdebatte zeigt uns:


(Elke Ferner [SPD]: Dass Sie keine Ahnung haben!)


Sie machen Versprechungen, die Sie nicht halten. Sie ha-
ben Konzepte, die Sie nicht umsetzen können, und Sie
können sich gegen Ihre eigenen Haushälter nicht durch-
setzen. So führt uns diese Regierung nicht aus der Bil-
dungskrise dieses Landes heraus.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503307800


Ich erteile dem Kollegen Hans-Josef Fell, Bündnis 90/
Die Grünen, das Wort.


Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503307900


Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Bildung und Forschung sind die Grundlagen unserer
Zukunft. Ich betone dabei: beide. Daher steigern wir das
Volumen des Etats für Bildung und Forschung auch in
diesem Jahr wieder um circa 3 Prozent. Zugegeben, wir
haben in diesem Haushalt eine leichte Kürzung der For-
schungsmittel vornehmen müssen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Aha!)


Das ist aber kein schlechtes Omen. Das mussten wir
auch 1999 tun. Dennoch konnten wir in der
14. Wahlperiode insgesamt einen deutlichen Aufwuchs
erreichen. Das wird auch in der 15. Wahlperiode wieder
so sein.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Dies ist eine Steigerung, die Sie, meine Damen und Her-
ren von Union und FDP, in Ihren Regierungszeiten nie
geschafft haben.

Für den nächsten Haushalt werden wir uns wiederum
eine Steigerung vornehmen, so hat es sogar der Kanzler
hier in seiner Regierungserklärung verkündet. In der
letzten Zeit und sogar noch am letzten Freitag hier in
diesem Hause wurde der Regierungskoalition vorgewor-
fen, die Bildung auf Kosten der Forschung zu fördern.
Das ist sachlich falsch. Mehr als das: Der dahinter ste-
ckende Versuch, Bildung und Forschung gegeneinan-
der auszuspielen, wie Sie, Frau Reiche, das auch heute
wieder versucht haben, ist schädlich.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)


Es geht nicht um Ganztagsschule oder Max-Planck-
Gesellschaft. Worum es in der Bildung geht, hat uns
PISA deutlich gezeigt: Ein anders strukturierter und
praktizierter Unterricht zum Beispiel in den naturwissen-
schaftlichen Fächern und der Mathematik vermittelt

breite und tiefe Kenntnisse und weckt Interesse und
Freude.

Wir als Bund haben nur eng begrenzte direkte Reak-
tionsmöglichkeiten auf PISA. Mit unserem Ganztags-
schulen-Investitionsprogramm wollen wir die Länder
unterstützen, mit dem Aufbau oder Ausbau von Ganz-
tagsangeboten zu beginnen. Das dort mögliche verlän-
gerte Lernangebot sollte, so machen uns PISA, aber auch
andere Untersuchungen klar, vor allem für sprachliche
Förderung genutzt werden.

Auch der Verweis auf den direkten Zusammenhang
zwischen Lernerfolg und Migrationshintergrund unter-
schlägt oder verdeckt zumindest etwas: Es gibt in
Deutschland noch immer den direkten Zusammenhang
zwischen sozialer Herkunft und Schulerfolg, und zwar
gerade in Bayern. Das sollte uns anspornen, unsere
Schulen zu verbessern.

Länder und Bund sollten deswegen an dem Beschluss
festhalten, gemeinsame Bildungsstandards zu entwickeln
und sie von einer nationalen Agentur stetig überprüfen
und weiterentwickeln zu lassen. Gerade weil schulische
und berufliche Bildung, Kindergärten und Graduierten-
kollegs, Lehrerinnen- und Lehrerausbildung sowie Be-
rufsbildungsgesetz zusammenhängen, sollten Länder und
Bund hier konstruktiv zusammenarbeiten: Wettbewerb
der Länder und Bildungseinrichtungen ja, Eifersucht aber
bitte nein. In Ihren Reden wird deutlich, dass Sie vielfach
die Länder gegeneinander ausspielen wollen.

Es geht – das hat PISA uns allen gezeigt – um nicht
weniger als unsere Zukunftsfähigkeit. Wir freuen uns
sehr, dass wir mit unserer BAföG-Reform schon einen
wichtigen Schritt in Richtung Zukunftsfähigkeit getan
haben. Die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger ist
seit der Reform um 16 Prozent auf 650 000 im Jahr 2001
gestiegen. Dieser Erfolg schlägt sich auch in der Erhö-
hung der Haushaltsmittel nieder. Aber es bleibt weiterhin
viel zu tun. So sind zum Beispiel die Aussichten, was am
Ende eines Studiums stehen kann, noch verbesserungs-
würdig. Die Reform der Studiengänge wird es vielen
Studierenden erleichtern, sich für eine wissenschaftliche
Karriere zu entscheiden.

Bündnis 90/Die Grünen haben für die Bedingungen
der Spitzenforschung in Deutschland zusammen mit
dem Koalitionspartner SPD in den letzen Jahren einiges
bewirkt. Das werden wir fortsetzten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der SPD: Vieles!)


Viele Forschungsbereiche, gerade die naturwissen-
schaftlich-technischen, haben jedoch auch Unterstützung
aus der Wirtschaft verdient. Uns ist bewusst, dass hin-
sichtlich der Bedingungen zur Realisierung und ökonomi-
schen Nutzung von Entdeckungen und innovativen Ideen
einiges verbessert werden muss. Daran arbeiten wir.

Wir haben in den vergangenen Jahren verschiedene
Forschungsbereiche besonders unterstützt. Den Leitbil-
dern unserer Politik entsprechend sind dies vor allem die
Nachhaltigkeitsforschung, die Friedens- und Konflikt-
forschung – diese stehen in der aktuellen Situation eines






(A) (C)



(B) (D)


Hans-Josef Fell
möglichen Krieges im Blickpunkt –, aber auch die Ener-
gie- und die Biotechnologieforschung.

Ich möchte kurz herausgreifen, dass wir vom
Bündnis 90/Die Grünen die Enquete-Kommission zur
Bioethik begrüßen. Wir sehen darin eine Stärkung der
notwendigen ethischen Begleitung. Der gesamte For-
schungsbereich der Biotechnologie umfasst aber viel
mehr als nur Gentechnik. In Zukunft wollen wir auch
gentechnikferne Biotechnologien wie etwa die Bionik
verstärkt unterstützen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Haus hat
eine Entscheidung zur Embryonenforschung getroffen.
Bündnis 90/Die Grünen wird sich dafür einsetzen, dass
diese auch eingehalten wird. Den Vorstellungen von For-
schungskommissar Busquin, der die Stammzellenfor-
schung mittels verbrauchender Embryonenforschung an-
strebt, stellen wir uns entgegen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


In Übereinstimmung mit dem Wissenschaftsrat halten
wir von Bündnis 90/Die Grünen die Entscheidung zur
ESS – Frau Pieper, hören Sie zu – für überprüfenswert.
Nach unserer Vorstellung von Grundlagenforschung sind
Forschungen zur Spallationsquelle klar zukunftsfähiger
als die Never-Ending-Story der Kernfusion. Forschun-
gen zur Kernfusion, zählen zur Grundlagenforschung, da
sie in den kommenden 50 Jahren nicht zur Energiege-
winnung beitragen wird. Wir werden uns, wie im Koali-
tionsvertrag vereinbart, im Energieforschungsbereich
stattdessen verstärkt für die erneuerbaren Energien und
die Energiespartechnologie einsetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren von der FDP und der Union,
Sie haben mit den heute vorgelegten Änderungsanträgen
wieder eine unrealistische und unsolide Finanzpolitik un-
ter Beweis gestellt. Sie von der FDP fordern zum Beispiel
eine Erhöhung der Mittel um mehr als 150 Millionen
Euro, ohne Vorschläge für eine Gegenfinanzierung vor-
zulegen. Diese Änderungsanträge können wir nicht ak-
zeptieren und müssen sie deswegen ablehnen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)


Die hohe Wertigkeit von Bildung und Forschung fin-
det sich im Haushalt 2003 wieder. Wir werden auch in
den nächsten Jahren ihrer hohen gesellschaftlichen Prio-
rität gerecht werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503308000


Nächster Redner ist der Kollege Dr. Martin Mayer,
CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Martin Mayer (CSU):
Rede ID: ID1503308100


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Rot-Grün
ist vor fünf Jahren mit dem sehr hohen Anspruch ange-
treten, die Ausgaben für Bildung und Forschung zu ver-
doppeln. Davon ist schon lange keine Rede mehr. Im Ge-
genteil: Wir haben sogar eine Stagnation zu verzeichnen.
Frau Ministerin, ein Blick in den Haushalt zeigt, dass Sie
nicht 9 Milliarden Euro, sondern nur 8,3 Milliarden Euro
zur Verfügung haben. Das ist weniger als im vorigen
Jahr.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Forschungshaushalt dient als Steinbruch für das
Prestigeprojekt des Bundeskanzlers, nämlich die Förde-
rung der Ganztagsschulen. Wir wollen nicht die Bil-
dung gegen die Forschung ausspielen,


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das tun Sie doch!)


aber Sie müssen erkennen, dass das Projekt der Ganz-
tagsschulen bildungspolitisch fragwürdig ist. Zum Ers-
ten gibt es nirgendwo einen Beweis, dass die Ganztags-
schulen in Bezug auf den Lernerfolg besser sind als die
Halbtagsschulen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zum Zweiten ist dieses Projekt sozialpolitisch unausge-
wogen, weil es auch die Eltern, die ihre Kinder selbst be-
treuen, über die Steuern an der Finanzierung beteiligt,
ohne dass diese davon einen Nutzen haben. Dieses Pro-
jekt ist zum Dritten finanzpolitisch zu kurz gesprungen,
weil es die Kommunen zu Investitionen anreizt. Die
dann erforderliche Finanzierung des Unterhalts ist aber
nicht gesichert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Eine Ganztagsbetreuung muss auf andere Weise gesi-
chert werden.


(Zuruf von der SPD: Wie denn?)


Ich will darauf hinweisen, weil hier etwas anderes
behauptet wurde: Die unionsgeführten Bundesländer
– Bayern hat beispielsweise keine Ganztagsschulen,
bietet aber eine gezielte Ganztagsbetreuung –


(Jörg Tauss [SPD]: Wo?)


schneiden bei PISA besser ab als viele SPD-geführte
Bundesländer.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Richtig!)


Für dieses fragwürdige Prestigeprojekt wird die For-
schung finanziell gerupft.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht!)


Beispielsweise werden die Mittel für die nationale Welt-
raumforschung gegenüber dem Vorjahr zurückgefahren.
Die Kürzungen werden zum Teil verschleiert. Dazu hat der
Kollege Willsch schon einiges gesagt. Infolge der Kürzun-
gen bei den nationalen Raumfahrtmitteln wird Deutsch-
land auf einem wichtigen Gebiet der physikalischen
Grundlagenforschung und bei der Hochtechnologie in






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)

Zukunft nicht mehr mithalten können. In der Raumfahrt
und Weltraumforschung werden zwar viele, ja, die meis-
ten Projekte europäisch – und auch international – orga-
nisiert, aber bei diesen europäischen Projekten kann nur
mithalten, wer sich national die Kompetenz erarbeitet.
Nur dann wird er interessante Anteile und Führungskom-
petenzen in europäischen Projekten erhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Statt die Mittel zu erhöhen – das ist dringend notwendig –,
werden der Weltraumforschung mit diesem Haushalt rund
40 Millionen Euro entzogen.


(Zuruf von der SPD: Wo denn?)


Gleiches gilt für einen anderen wichtigen Forschungs-
bereich, die Kernfusion. Herr Fell, seit etwas mehr als
vier Jahrzehnten arbeiten auf der ganzen Welt Wissen-
schaftler an dem Ziel, die Kernverschmelzung, die in der
Sonne natürlich abläuft, auf der Erde nachzuvollziehen
und daraus elektrische Energie zu erzeugen. Deutschland
spielt bei diesem Vorhaben eine führende Rolle.


(Zuruf von der CDU/CSU: Noch!)


Nun geht es darum, den Fusionsreaktor ITER in interna-
tionaler Zusammenarbeit zu bauen und damit die physi-
kalische Machbarkeit eines Energie produzierenden
Plasmas zu beweisen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Möglichkeit, durch Kernfusion elektrischen
Strom zu erzeugen, wird immer greifbarer. Das zeigt
sich im Übrigen auch daran, dass sich die USA erneut
und China neu daran beteiligen wollen. Es ist unerklär-
lich, warum die Grünen die Fusionsforschung in
Deutschland jetzt, da sich der Erfolg abzeichnet und sie
zu einer umweltfreundlichen und sicheren Energieerzeu-
gung führen wird, zurückfahren wollen.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Forschung zeichnet sich da nichts ab!)


Man fragt sich, was hinter dieser irrationalen Haltung
steckt.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Ideologie!)


Meine Antwort lautet: Die Grünen und Teile der SPD ha-
ben ein gestörtes Verhältnis zu bestimmten Lebensrisiken.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Unabhängig von den Gefahren und Risiken, die tatsäch-
lich von jeder Technik ausgehen, verteufeln sie alles,
was mit Radioaktivität zu tun hat.


(Zuruf von der SPD: Quatsch!)


Die ideologische Festlegung der Grünen gegen alles,
was mit Kerntechnik zu tun hat, führt auch zu ihrer ableh-
nenden Haltung gegenüber der Neutronenquelle für For-
schungszwecke, dem Forschungsreaktor München. Herr
Fell, das haben Sie wohl mit der Fusion verwechselt.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, da hätten Sie genau zuhören sollen!)


Diese Gegnerschaft, die durch keinerlei Fakten zu unter-
legen ist, kann man nur noch als absurd bezeichnen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Verzögerung bei der Betriebserlaubnis, die diese
Bundesregierung zu verantworten hat, führt zu großen
Schäden für Deutschland. Es fallen Kosten für Unterhalt
und Verzinsung an. Noch viel schlimmer ist aber, dass
immer mehr Wissenschaftler nicht mehr auf die Geneh-
migung warten wollen, sondern ins Ausland abwandern.
Sie verkünden in Frankreich, Großbritannien und den
USA die Botschaft von einem Wissenschaftsstandort
Deutschland, an dem man nicht mehr mit Sicherheit mit
der Genehmigung und damit rechnen kann, dass man un-
gestört seiner Forschung nachgehen kann.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


Sie können noch so viele Programme für die Rück-
kehr von Forschern nach Deutschland auflegen: Wenn
Sie diese Dinge nicht beseitigen, werden die Forscher
nicht zurückkommen. Denn wer will schon in einem
Land arbeiten, in dem viele Forschungsbereiche nicht ra-
tional, sondern nach Stimmungslage beurteilt werden?
Dies belegt auch eine Studie des Stifterverbandes der
Deutschen Wissenschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein weiteres Beispiel für das irrationale Verhalten von
Rot-Grün ist die Behinderung der Forschung zur gen-
technischen Veränderung von Pflanzen, der grünen Gen-
technik. Wohlgemerkt geht es hierbei nicht um die An-
wendung, sondern um die Forschung, die auch die
Sicherheitsforschung einschließt.

Gefahr droht dem deutschen Wissenschafts- und For-
schungsstandort auch aufgrund der Änderungen des
Hochschulrahmengesetzes. Das ist bereits mehrfach
angesprochen worden. Ich finde: Das Schlimmste an der
Novellierung dieses Hochschulrahmengesetzes ist die
Deckelung der Gehälter von Hochschullehrern, an der
im Übrigen leider auch einige unionsgeführte Länder be-
teiligt waren. Aber die Hauptverantwortung tragen Sie.
Diese Deckelung wirkt sich katastrophal aus, weil damit
Durchschnittsgehälter festgeschrieben werden. Das
heißt, wenn ich einen Spitzenforscher besser bezahlen
will, muss ich anderen das Gehalt kürzen. Das ist der
Weg ins Mittelmaß. Diesen sollten wir in Deutschland
nicht gehen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Man kann im Übrigen nur hoffen, dass die Klagen der
Länder Erfolg haben werden und diese Vorschriften
nicht in Kraft treten.

Rot-Grün hat in der Bildungs- und Forschungspolitik
hohe Erwartungen geweckt. Die Hoffnungen haben sich
allerdings nicht erfüllt. Im Gegenteil: Durch einseitige
ideologische Festlegungen wurde der deutschen For-
schung schwerer Schaden zugefügt. Wir möchten, dass
Deutschland als Wissenschafts- und Forschungsstandort
weiterhin eine Spitzenstellung einnimmt. Das gilt auch
für die Weltraumforschung, die Kernfusionsforschung,
die Neutronenforschung und die grüne Gentechnik. Es






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)

geht um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, die wir
im Interesse künftiger Generationen erhalten und aus-
bauen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503308200


Das Wort hat der Abgeordnete Jörg Tauss, SPD-Frak-
tion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1503308300


Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es herrscht eine
gewisse Unruhe im Saal; ich kann das verstehen: Lieber
Herr Kollege Mayer, Ihr Antrag im Bundesrat war es,
der dazu geführt hat, dass gedeckelt worden ist. Kein
Wunder, dass bei Ihnen immer Verzweiflung herrscht,
nachdem Herr Stoiber geredet hat. Mit den daraus fol-
genden Widersprüchen müssen Sie fertig werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Lieber Kollege Dr. Mayer, beim Thema Ganztags-
schulen war es Herr Zehetmair, der beim Forum Bildung
ein Bekenntnis zur Ganztagsschule abgegeben


(Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Falsch!)


und darauf verwiesen hat, dass das gute Abschneiden bei
PISA in anderen europäischen Ländern etwas mit Be-
treuung und Ganztagsschule zu tun hat. Einigen Sie sich
doch wenigstens in der CSU, wenn Sie sich schon nicht
in der Fraktion einigen können!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Angesichts der im Raume stehenden Kriegsgefahr
fällt es schon schwer, in gewohnter Form auf Ihre klein-
karierten Nörgeleien einzugehen. Aber das ist einfach
notwendig.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ausgerechnet der Tauss!)


Richtig ist – und das tut weh –: Wir haben in diesem Jahr
auch im Einzelplan 30 einen Konsolidierungsbeitrag
zum Haushalt zu erbringen. Wir haben es mit einer
schwierigen Gemengelage zu tun. Aber was Sie hier be-
schreiben, hat mit der Realität relativ wenig zu tun. Viel-
mehr ist es so, dass Sie im Bundesrat den Subventions-
abbau verhindert haben, den Staat mit Ihrer Steuerpolitik
handlungsunfähig machen wollen und gleichzeitig neue
Einnahmeforderungen stellen. Eine andere Antwort ha-
ben Sie nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Hartmann, Ihre beim Hochschulbau
hinterlassenen Schulden führen wir ein bisschen langsa-
mer zurück. Entsprechende Kürzungen haben wir in die-
sem Haushalt vorgenommen. Aber es ist nicht so, dass
an den Universitäten deswegen ein einziges Projekt zu-

rückgestellt werden müsste. Ich habe die herzliche Bitte:
Korrigieren Sie sich in diesem Punkt!

Es ist keine Frage, dass die Überrollung der
Wissenschaftsorganisationen eine schwierige Situation
darstellt. Vor allem bei der Nachwuchsförderung wäre
dies problematisch gewesen, wenn wir hier nicht gehan-
delt hätten: Im Gegensatz zu dem, was Herr Merz erzählt
hat, ist es so, dass wir die Mittel für die DFG um 2,5 Pro-
zent bzw. um mehr als 17 Millionen Euro erhöht haben.
Damit wird der Nachwuchs gefördert. Trotz der Überrol-
lung tun wir das, was Sie in der Vergangenheit nicht zu-
stande gebracht haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bei dem, was Sie zur Projektförderung erzählen,
vergießen Sie auch noch Krokodilstränen, sodass man
meinen könnte, es sei wahr. Deswegen müssen wir hier
schon ein bisschen über Zahlen reden, insbesondere zur
Entwicklung zwischen 1994 und 1998: beim Max-
Planck-Institut minus 27 Prozent, bei der FhG minus
42 Prozent, bei der HGF minus 29,9 Prozent. Diese Kür-
zungen haben Sie zu verantworten. Jetzt die Vergleichs-
zahlen für den Zeitraum von 1998 bis 2002: beim Max-
Planck-Institut plus 52,7 Prozent, bei der FhG plus
129,2 Prozent, bei der HGF plus 48,8 Prozent. Woher
nehmen Sie eigentlich die Chuzpe, unsere „Kürzungen“
zu beklagen? Das ist eine Unverschämtheit! Sie versu-
chen, die Menschen zu belügen. Etwas anderes können
Sie nicht, aber das können Sie in der Tat relativ gut.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU)


–Ja, die Wahrheit tut weh.

Liebe Frau Reiche, jetzt komme ich auf Sie zu spre-
chen. Im Jahr 1998 lagen die Ausgaben im Bereich
Biotechnologie bei 86 Millionen Euro, heute bei
109,8 Millionen Euro. Wie kommen Sie eigentlich auf
die Idee, uns auch nur ansatzweise vorwerfen zu können,
dass wir nicht genug für die Biotechnologie täten? Das
ist ja schon eine Form von – – Ich möchte es nicht aus-
sprechen, der Herr Präsident würde mich rügen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Hören Sie einfach auf, die Menschen zu täuschen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Überrol-
lungen sind selbstverständlich nicht schön. Ich bedau-
ere etwas, dass Frau Flach heute nicht anwesend sein
kann. Sie nämlich hat eingeräumt, dass es ein Fehler
war, in Ihrer Regierungszeit die Kürzungen, die ich be-
schrieben habe, vorzunehmen. Diese Ehrlichkeit und
Aufrichtigkeit, die Frau Flach wenigstens in diesem
Punkt an den Tag legt, täte auch Ihnen gut. Wenn doch
auch Sie diese nur ein einziges Mal aufbringen würden!
Doch Sie wollen die Menschen beschwindeln. Das ist
das Problem.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(B) (D)


Jörg Tauss
Sie haben doch einen CDU-Wirtschaftsrat. Wann
sprechen Sie denn mit den Herren der Wirtschaft einmal
über die Fragen von Ausbildungsplätzen und For-
schung? Da erlaubt sich Herr Rogowski, einen Brief an
den Kanzler zu schreiben, in dem er kritisiert, dass die
Aufwüchse im Forschungsbereich nicht ausreichend
seien.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Der versteht aber von Wirtschaft wahrscheinlich mehr als Sie!)


Ich kann dazu nur sagen: Eines unserer Probleme ist der
Rückzug der Großindustrie – wenn auch nicht der ge-
samten – aus der Forschung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das Ziel eines dreiprozentigen Anteils der FuE-Ausga-
ben am Bruttoinlandsprodukt haben wir deshalb noch
lange nicht erreicht, weil die Industrie ihren Aufgaben
nicht nachkommt. Befassen Sie sich mit Ihrer Klientel,
anstatt nur zu erzählen, dass dies eine staatliche Aufgabe
sei.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Bereich Forschung und Technologie ist auch eine
Aufgabe der Wirtschaft; genauso wie es ihre Aufgabe
ist, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Diese Aufgaben können Sie nicht auf uns verlagern. Das
sollten Sie auch Ihrer Klientel, die Sie mit hohen Spen-
den unterstützt, deutlich machen.

Nun sage ich noch etwas zur gemeinsamen Bildungs-
planung. Dies ist ein interessanter Punkt. Demnächst
werden wir Herrn Zehetmair dazu hören.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503308400


Herr Kollege Tauss, ich möchte Sie bitten, die Groß-
zügigkeit in der Bemessung der effektiven Redezeit
freundlicherweise durch eine gewisse Großzügigkeit in
der Einhaltung derselben zu begleiten. Das würde die
Geschäftsführung sehr erleichtern.


(Heiterkeit und Beifall)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1503308500


Herr Präsident, ich bedanke mich für Ihren Hinweis
und auch für Ihre Großzügigkeit.

Deswegen komme ich zum Schluss und stelle nur
noch folgende Fragen – vielleicht können Sie uns ja
einmal sagen, was die CDU-geführten Länder wollen –:
Wollen Sie die Kürzung der Projekte bei Innovationen
im Bildungssystem? Wollen Sie die Kürzung der Pro-
jekte im Bereich der Qualitätssicherung? Wie wollen
Sie es künftig mit den Hochschulsonderprogrammen
halten?


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Hören Sie doch endlich einmal auf!)


Wir als Bund wollen – die Ministerin hat es angespro-
chen – zusammen mit den Ländern, selbstverständlich
unter Wahrung ihrer verfassungsgemäßen Rechte, Mit-
verantwortung übernehmen und solidarisch sein. Es geht
hier nicht um kleinkariertes Geschwätz, es geht um die
Kinder und Jugendlichen dieses Landes, für die wir et-
was tun wollen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Hören Sie auf, destruktiv Vereinbarungen aufzukündi-
gen, arbeiten Sie mit uns zusammen! Das wollen die
Leute – nicht aber Ihre Obstruktion.

Herr Präsident, ich bedanke mich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503308600


Letzter Redner in der Aussprache zum Einzelplan 30
ist der Kollege Thomas Rachel für die CDU/CSU-Frak-
tion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1503308700


Herr Präsident! Sehr geehrte Damen! Meine Herren!
Die Sonntagsreden der Bundesregierung sind schon
schlimm, aber die Dienstagsrede von Herrn Tauss war
noch schlimmer.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deutschland fällt in seiner Wettbewerbsfähigkeit zu-
rück. Dies hat der jüngste Bericht zur technologischen
Leistungsfähigkeit dokumentiert. Der Anteil der Ge-
samtausgaben für den Bereich FuE am Bruttoinlandspro-
dukt beträgt nur 2,5 Prozent, obwohl die Bundesregie-
rung in der EU 3 Prozent versprochen hat.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ihr habt ihn doch erst so weit runtergewirtschaftet!)


Im Vergleich der zwölf wichtigsten Industrieländer sind
wir in den letzten zehn Jahren im Bereich Bildung und
Forschung um einen Rangplatz zurückgefallen und wir
drohen weiter ins Hintertreffen zu geraten. Dies ist eine
alarmierende Bilanz.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Cornelia Pieper [FDP])


Die Bildungspolitik der rot-grünen Bundesregierung
hat teilweise chaotische Zustände hinterlassen. Die Ha-
bilitanden an den Universitäten sehen sich um ihre Zu-
kunftschancen gebracht. An den Hochschulen stößt nicht
die Juniorprofessur generell auf Kritik, aber ihr Monopol
als Qualifizierungsweg auf Unverständnis und Wider-
stand.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) (C)



(B) (D)


Thomas Rachel
Frau Bulmahn, deshalb fordere ich Sie auf: Lassen Sie
die Juniorprofessur und das Habilitationsverfahren
durch eine HRG-Änderung als gleichberechtigten Quali-
fizierungsweg in einem gesunden Wettbewerb koexistie-
ren.

Vollkommen verfehlt ist auch die Befristungsregelung
in der HRG-Novelle. Die Begrenzung auf zwölf Jahre
Beschäftigung in der Qualifizierungsphase führt dazu,
dass hoch qualifizierte 40-Jährige arbeitslos werden –
dank Ihrer Politik!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Verheerend wirkt sich Ihre Politik für Wissenschaftler
in drittmittelfinanzierten Projekten aus. Aufgrund der
von Ihnen geschaffenen neuen Rechtslage stellen die
Universitäten keine Mitarbeiter mehr für Drittmittel-
projekte ein. Die Folgen sind absurd: Geld aus Drittmit-
teln ist vorhanden, aber die Wissenschaftler werden
nicht mehr eingestellt; sie stehen vor dem plötzlichen
Ende ihrer Karriere. Das ist Forschungsverhinderung
und nicht Forschungsförderung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie haben die Zusage des Bundes und der
16 Bundesländer, den Haushalt der Wissenschaftsorgani-
sationen um bis zu 3,5 Prozent zu erhöhen, nach der
Wahl einseitig gebrochen.


(Abg. Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503308800


Herr Kollege Rachel, Sie gestatten offenkundig eine
Zwischenfrage des Kollegen Fischer? – Bitte schön.


(Jörg Tauss [SPD]: Redezeitverlängerung!)


Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Kollege Rachel, der Kollege
Willsch hat vorhin darauf hingewiesen, was beim Jahres-
empfang des Forschungszentrums Karlsruhe los war. Er
hat auch die Zettel, die dort von den Mitarbeitern verteilt
wurden, angesprochen. Darin steht unter anderem: „Dar-
über hinaus wird dem Forschungszentrum Karlsruhe ein
Sonderopfer von 11 Millionen Euro auferlegt.“


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frage!)


Dieses zusätzliche Sonderopfer entspricht etwa 30 Pro-
zent der für die Forschung und Entwicklung direkt ver-
fügbaren Mittel.


(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Frage!)


Meine Frage an Sie, Herr Rachel: Haben Sie weitere
Beispiele, die zeigen, dass von der Bundesregierung ka-
tastrophal gekürzt wurde?


(Lachen bei der SPD)



Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1503308900


Herr Kollege Fischer, interessant ist, dass die Sorgen,
die uns die Betriebsräte diese Woche im Forschungsaus-
schuss des Bundestages am Beispiel von Karlsruhe vor-
getragen haben, die SPD-Kollegen offensichtlich über-
haupt nicht interessiert.

Ich will Ihnen andere Beispiele nennen. Die Kürzun-
gen, die Sie vorgenommen haben, bzw. die Nichteinhal-
tung der zugesagten Erhöhungen, führen dazu, dass bei
der Max-Planck-Gesellschaft 20 Abteilungen geschlos-
sen und dass in anderen Forschungsorganisationen mas-
sive Kürzungen vorgenommen werden.

Am Forschungszentrum Jülich gibt es große Kür-
zungen – 7,6 Millionen Euro beim Investitionshaushalt –;


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Hört, hört!)


dies ist ein ungerechtes Sonderopfer wie in Karlsruhe.
Millionen Euro für das dortige Höchstleistungsrechen-
zentrum entfallen. Eine Vielzahl von Maßnahmen kön-
nen nicht durchgeführt werden, mit folgenden Konse-
quenzen – dies haben uns die Betriebsräte vorgetragen –:
Verschiebung der Investitionsvorhaben, Stellensperren,
weniger Stellen für Nachwuchswissenschaftler, Koope-
rationen mit Hochschulen werden eingestellt oder in-
frage gestellt, Doktorandenverträge werden nicht verlän-
gert.

Die Anzahl der Ausbildungsplätze wird nicht nur bei
Ihnen in Karlsruhe, sondern auch an allen anderen Ein-
richtungen der Helmholtz-Gemeinschaft reduziert. Das
ist die Auswirkung rot-grüner Forschungspolitik im
Jahr 2003.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Das war gut abgestimmt!)


Sie, Frau Ministerin Bulmahn – es wäre schön, wenn
Sie dem Parlament Ihr Ohr schenken würden –, haben
bei der Einführung der programmorientierten Förde-
rung der Helmholtz-Gemeinschaft mehr Geld verspro-
chen. Stattdessen verordnen Sie den großen For-
schungszentren nun Sonderopfer und Nettokürzungen.
Diese Woche haben die Arbeitnehmervertreter dazu ge-
sagt, dies sei „Systembruch und Wortbruch“. Recht ha-
ben sie.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ihre Politik des gebrochenen Wortes bei der Fi-
nanzierung der Wissenschaftsorganisationen schadet
dem Forschungsstandort Deutschland. Aber auch Ihre
Behinderung der Forschung schadet dem Innovati-
onsklima. So hat die Internationale Atomenergie-
organisation der UNO das Forschungszentrum
Karlsruhe gebeten, einen Fachmann in den Arbeits-
kreis „Sicherheit künftiger Generationen von Reak-
torsystemen“ zu entsenden. Die Bundesregierung ist
es gewesen, die untersagt hat, dass ein deutscher
Wissenschaftler an diesem UNO-Gremium teilneh-
men darf. Damit wird Deutschland bei den neuen
Kernkraftkonzepten der anliegenden europäischen






(A) (C)



(B) (D)


Thomas Rachel
Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503309000


Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 30 in der Ausschussfassung. Hierzu liegen Ände-
rungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen.

Zunächst stimmen wir über den Änderungsantrag der
Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/625 ab.
Hierzu hat die CDU/CSU-Fraktion namentliche Abstim-
mung verlangt.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind die Plätze an
den Abstimmungsurnen besetzt? – Das scheint der Fall
zu sein. Dann eröffne ich hiermit die Abstimmung.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgeben konnte? – Ich habe den Eindruck,
dass alle anwesenden Kolleginnen und Kollegen Gele-
genheit hatten, ihre Stimmkarten abzugeben. Dann
schließe ich hiermit die Abstimmung.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit
der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstim-
mung geben wir später bekannt1). Zunächst setzen wir
die Abstimmungen fort.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ände-
rungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 15/628. Wer stimmt für diesen Antrag? –
Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Wer enthält sich? –
Der Änderungsantrag ist abgelehnt.

Änderungsantrag der FDP auf Drucksache 15/626:
Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –

Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –
Wer möchte sich der Stimme enthalten? – Auch dieser
Änderungsantrag hat keine Mehrheit.

Änderungsantrag der FDP auf Drucksache 15/631:
Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich der Stimme? – Der Antrag ist abgelehnt.

Änderungsantrag der FDP auf Drucksache 16/632:
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt gegen diesen Antrag? –
Wer möchte sich der Stimme enthalten? – Der Antrag
hat keine Mehrheit.

Änderungsantrag der FDP auf Drucksache 15/633:
Wer ist für den Antrag? – Wer ist dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Antrag ist abgelehnt.

Änderungsantrag der FDP auf Drucksache 15/634:
Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Auch dieser Antrag hat keine Mehr-
heit und ist damit abgelehnt.

Meine Damen und Herren, da wir vor der Abstim-
mung über den Einzelplan 30 das Ergebnis der nament-
lichen Abstimmung zum Änderungsantrag der CDU/
CSU-Fraktion kennen müssen, unterbreche ich für ei-
nen Augenblick die Sitzung, bis uns dieses Ergebnis
vorliegt.


(Unterbrechung von 17.52 bis 17.55 Uhr)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503309100


Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-
mung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
CSU auf Drucksache 15/625 bekannt. Abgegebene
Stimmen 559. Mit Ja haben gestimmt 263, mit Nein ha-
ben gestimmt 294, Enthaltungen 2. Damit ist der Ände-
rungsantrag abgelehnt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD Länder und bei der Formulierung von Sicherheitsstandards in Ländern außerhalb Europas nicht mehr mitreden können. Die deutsche Bevölkerung wird so einem von uns nicht mehr zu beeinflussenden Risiko ausgesetzt. Frau Ministerin Bulmahn, unter solchen Voraussetzungen laufen unserem Land die Wissenschaftler davon, ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen für Deutschlands Ansehen in der Welt. Ihre Politik schadet dem Forschungsstandort Deutschland. Wer enthält sich der Stimme? – Auch dieser Änderungsantrag ist abgelehnt. Änderungsantrag der FDP auf Drucksache 15/627: Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Abgelehnt. Änderungsantrag der FDP auf Drucksache 15/629: Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist abgelehnt. Änderungsantrag der FDP auf Drucksache 15/630: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 557; davon ja: 262 nein: 293 enthalten: 2 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck Dr. Christoph Georg Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen Dr. Wolfgang Bötsch Jochen Borchert Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Paul Breuer Monika Brüning Georg Brunnhuber Hartmut Büttner Verena Butalikakis Cajus Caesar Manfred Carstens Peter H. Carstensen Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Albert Deß Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Vera Dominke Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer Georg Fahrenschon Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer Dirk Fischer Axel E. Fischer (Karlsruhe Land)





(A) (C)


(B) (D)


(Reutlingen)


(Bönstrup)


(Schönebeck)


(Nordstrand)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser

Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Tanja Gönner
Josef Göppel
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Frhr. von und

zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger-Heinrich Haibach
Gerda Hasselfeldt
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Joachim Hörster
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Dieter Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Nikolaus Kaster

(Bad Dürrheim)

Volker Kauder
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Julia Klöckner
Kristina Köhler
Norbert Königshofen
Manfred Kolbe
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues

Werner Kuhn (Zingst)

Dr. Karl A. Lamers


(Heidelberg)

Dr. Norbert Lammert
Barbara Lanzinger
Karl-Josef Laumann
Werner Lensing
Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)

Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold


(Offenbach)

Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski


(Recklinghausen)

Stephan Mayer (Altötting)

Conny Mayer (Baiersbronn)

Dr. Martin Mayer


(Siegertsbrunn)

Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer (Hamm)

Doris Meyer (Tapfheim)

Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Stefan Müller (Erlangen)

Bernward Müller (Gera)

Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Bernd Neumann (Bremen)

Michaela Noll
Claudia Nolte
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Melanie Oßwald
Eduard Oswald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Christa Reichard (Dresden)

Katherina Reiche
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Roedel
Dr. Norbert Röttgen
Franz-Xaver Romer
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe

Albert Rupprecht (Weiden)

Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Andreas Scheuer
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)

Andreas Schmidt (Mülheim)

Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Angelika Volquartz
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marko Wanderwitz
Peter Weiß (Emmendingen)

Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Elke Wülfing
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller

FDP

Daniel Bahr (Münster)

Rainer Brüderle
Helga Daub
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)

Rainer Funke
Joachim Günther (Plauen)

Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Georg Hartmann


(Homburg)

Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Ina Lenke






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Andreas Pinkwart
Dr. Günter Rexrodt
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Rainer Stinner
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein

Nein

SPD

Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Sabine Bätzing
Ernst Bahr (Neuruppin)

Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)

Sören Bartol
Uwe Karl Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)

Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann


(Hildesheim)

Hans-Günter Bruckmann
Marco Bülow
Dr. Michael Bürsch
Hans Büttner (Ingolstadt)

Edelgard Bulmahn
Ulla Burchardt
Marion Caspers-Merk
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Dr. Peter Wilhelm Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer

Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich (Mettmann)

Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack


(Extertal)

Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Jelena Hoffmann (Chemnitz)

Walter Hoffmann


(Darmstadt)

Iris Hoffmann (Wismar)

Frank Hofmann (Volkach)

Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Jann-Peter Janssen
Klaus-Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h.c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Astrid Klug
Dr. Heinz Köhler
Fritz Rudolf Körper
Walter Kolbow
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Dr. Uwe Küster

Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Gabriele Lösekrug-Möller
Götz-Peter Lohmann
Erika Lotz
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Eveline Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Michael Müller (Düsseldorf)

Christian Müller (Zittau)

Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Gesine Multhaupt
Volker Neumann (Bramsche)

Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinrich Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Christel Riemann-

Hanewinckel
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)

Michael Roth (Heringen)

Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht


(Tuchenbach)

Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)

Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Horst Schmidbauer


(Nürnberg)

Ulla Schmidt (Aachen)

Dagmar Schmidt (Meschede)

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

Heinz Schmitt (Landau)

Carsten Schneider

Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Olaf Scholz
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Brigitte Schulte (Hameln)

Reinhard Schultz


(Everswinkel)

Swen Schulz (Berlin)

Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt (Pforzheim)

Dr. Eva Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Reinhard Weis (Stendal)

Petra Weis
Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen


(Wiesloch)

Dr. Ernst Ulrich von

Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek (Böhlen)

Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer (Karlsruhe)

Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
Dr. Christoph Zöpel






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
und des Bündnisses 90/Die Grünen vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. – Dazu
höre ich keinen Widerspruch. Dann können wir so ver-
fahren.

Bevor ich die Aussprache eröffne: Ich wäre dankbar,
wenn diejenigen, die diesem Tagesordnungspunkt nicht
folgen können oder wollen, den Plenarsaal verlassen
würden, damit wir hier eine konzentrierte Beratung er-
möglichen können.

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Rednerin er-
teile ich der Kollegin Antje Tillmann, CDU/CSU-Frak-
tion, das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Schade, dass sich diese gute Zusammenarbeit nicht in
fachlicher Sicht fortgesetzt hat. Ich hätte mir sehr ge-
wünscht, dass wir über inhaltliche Dinge ebenso offen
diskutiert hätten, wie wir dies im Umgang untereinander
getan haben. Tatsächlich haben Sie, liebe Kolleginnen
und Kollegen der Koalitionsfraktionen, dies aber nur
dort getan, wo Sie aufgrund der Bundesratsmehrheit
dazu gezwungen werden. Im Übrigen haben Sie unsere
Vorstellungen getreu dem Motto des Bundeskanzlers
„Mehrheit ist Mehrheit“ oft sogar ohne Diskussion vom
Tisch gewischt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Pfui!)


Ich will hier einige Schwerpunkte nennen.
– Drucksachen 15/565, 15/572 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Bettina Hagedorn
Antje Tillmann
Antje Hermenau
Otto Fricke

Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen der SPD

getragen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres
Hauses sowie der übrigen beteiligten Behörden und des
Finanzministeriums haben jede aufkommende Frage in
bewundernswerter Weise schnell und zufriedenstellend
beantwortet. Für diese Zusammenarbeit möchte ich mich
bedanken.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

Kerstin Andreae
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell

Katrin-Dagmar Göring-
Eckardt

Anja Margarete Helena
Hajduk

Winfried Hermann
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Michaele Hustedt
Renate Künast
Fritz Kuhn
Undine Kurth (Quedlinburg)

Markus Kurth
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Jerzy Montag

Kerstin Müller (Köln)

Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth (Augsburg)

Krista Sager
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt (Ingolstadt)

Werner Schulz (Berlin)

Petra Selg
Ursula Sowa
Rainder Steenblock
Silke von Stokar von

Neuforn

Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Marianne Tritz
Hubert Wendel Ulrich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf (Frankfurt)


Enthalten

Fraktionslose Abgeordnete

Dr. Gesine Lötzsch
Petra Pau

Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Ver-
sammlung des Europarates und der WEU, der Parlamentarischen Versammlung der NATO, der OSZE oder der IPU

Höfer, Gerd Jäger, Renate Dr. Lucyga, Christine Rauber, Helmut
SPD SPD SPD CDU/CSU

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 30 in der Ausschussfassung. Wer für den Einzelplan
in dieser Fassung stimmt, den bitte ich um das Hand-
zeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der
Stimme? – Der Einzelplan ist mit den Stimmen der Koali-
tion gegen die Stimmen der Opposition angenommen.

Ich rufe auf:

9. Einzelplan 17
Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend


Antje Tillmann (CDU):
Rede ID: ID1503309200


Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-
nen und Kollegen! Die letzten Wochen waren für uns
alle besonders anstrengend. Bei allem Sitzungsstress er-
leichterte mir der freundliche Umgang untereinander,
insbesondere mit der Kollegin Hagedorn als Hauptbe-
richterstatterin, aber auch mit den Kolleginnen und Kol-
legen der anderen Fraktionen, die Arbeit sehr. Auch Sie,
Frau Ministerin Schmidt, haben zusammen mit Ihren
Staatssekretären zu einer angenehmen Atmosphäre bei-






(A) (C)



(B) (D)


Antje Tillmann
Einer der obersten Grundsätze unserer Familienpoli-
tik ist die Förderung der Wahlfreiheit der Familien, also
die Förderung der freien Entscheidung zwischen Beruf
und Erziehung bzw. die Förderung der Vereinbarkeit
von Beruf und Erziehung. Alle bisher vorgetragenen
Vorstellungen Ihrerseits beschränken sich auf die Bereit-
stellung von öffentlichen Mitteln für Fremdbetreuung.
Die Möglichkeit der Kindererziehung durch die Eltern
selbst verschlechtert sich durch jede Steuererhöhung und
jede Steigerung der Lohnnebenkosten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Das ist doch zum Lachen!)


Für die Eltern wird es immer schwieriger, zugunsten der
Kindererziehung auf ein Gehalt zu verzichten.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Auch die von Ihnen angekündigte Betreuung der un-
ter Dreijährigen hat nach der ersten Bestandsaufnahme
in den Ländern einen kräftigen Dämpfer erhalten. Mit
den prognostizierten 1,5 Milliarden Euro kommen die
Kommunen bei weitem nicht aus. Darüber hinaus weh-
ren sich gerade ländlich geprägte Gemeinden gegen eine
Pauschalverpflichtung, 20 Prozent der Krippenplätze zu
schaffen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Hier sind individuelle Lösungen gefragt, zum Beispiel
ein Tagesmütterkonzept.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir als CDU/CSU-Fraktion halten es nach wie vor
für richtig, zeitgleich die Situation der Familien zu ver-
bessern, die sich für eine persönliche Betreuung ihrer
Kinder entscheiden, und wir werden auch weiter hierfür
kämpfen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Diejenigen, die sich dafür entscheiden, ihre Kinder
selbst zu betreuen, zahlen nach Ihrem Konzept die
Fremdbetreuung für andere mit. Das ist nicht unser Kon-
zept.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Auf die erheblich gestiegene Jugendarbeitslosigkeit
reagieren Sie erneut mit Sonderprogrammen. Mit dem
Programm „Jugend bleibt“ wollen Sie mit 2,5 Millionen
Euro junge Menschen motivieren, nicht aus den neuen
Bundesländern abzuwandern. Sie wollen durch Projekt-
netzwerke und Kommunikation eine „positive Auf-
bruchstimmung“ schaffen, die bei den jungen Leuten zu
einer „Identifikation mit ihrer Heimatregion“ führt.
Glauben Sie mir, liebe Kolleginnen und Kollegen: Den
jungen Leuten fehlt es keineswegs an Heimatbindung;
ihnen fehlt es schlichtweg an Ausbildungs- und Arbeits-
plätzen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Klaus Haupt [FDP])


Sie haben mit Ihrer mittelstandsfeindlichen Politik in
der Vergangenheit diese Situation mit verursacht. Durch

ständige Steuererhöhungen, steigende Lohnnebenkosten,
bürokratische Hürden und Schwächung der Finanzkraft
der Kommunen zulasten von Investitionen haben Sie mit
dazu beigetragen, dass es gerade bei den mittelständi-
schen Betrieben, die in der Vergangenheit 80 Prozent der
Ausbildungsplätze gestellt haben, einen Insolvenzrekord
gibt.

Auch die Steuererhöhungen nach dem so genannten
Steuervergünstigungsabbaugesetz – Verschlechterungen
bei den Abschreibungen und der Eigenheimzulage –
würden erneut zu Ausbildungs- und Arbeitsplatzverlus-
ten führen. Mit Ihrem Sonderkreditprogramm wollen Sie
die negativen Folgen auffangen. Viel besser wäre es ge-
wesen, das Gesetz gar nicht erst zu verabschieden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die einzige Antwort, die Sie auf diese Situation der
Jugendarbeitslosigkeit haben, ist die Androhung einer
Ausbildungsplatzzwangsabgabe durch den Bundeskanz-
ler. Nach dem Hartz-II-Konzept, das Sie verabschiedet
haben, ist es für die Jugendlichen gar nicht mehr mög-
lich, ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz an ihrem Hei-
matort zu bleiben, ohne dramatische Leistungseinschrän-
kungen hinzunehmen.

Unser Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit heißt:
Geben Sie dem Mittelstand Luft zum Atmen! Dann wird
er auch wieder in der Lage sein, Ausbildungsplätze zur
Verfügung zu stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Klaus Haupt [FDP])


Das Programm scheint aber auch nach Ihrer Auffas-
sung mittlerweile überflüssig zu sein; denn ich habe
heute morgen in der „Süddeutschen Zeitung“ über ein
Papier aus dem Ministerium Clement gelesen, dass man
den Jugendlichen nach Hartz II zwar grobe Einschnitte
zumutet, aber dass man eine hohe Arbeitsmotivation
schaffen würde und „sogar eine Beschäftigungsgarantie“
für Jugendliche unter 25 Jahren aussprechen würde. An-
gesichts dessen frage ich mich: Wofür dann noch dieses
Sonderprogramm mit 2,5 Millionen Euro?


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dass Sie eine ernsthafte Diskussion über Ihre politi-
schen Entscheidungen nicht zulassen, wird auch beim
Thema „Förderprogramme gegen Rechtsextremis-
mus“ ganz deutlich. Neben Jugendpolitikern aller Frak-
tionen auf kommunaler Ebene kommt auch die Fried-
rich-Ebert-Stiftung zu dem Ergebnis, dass das von uns
allen angestrebte Ziel, Extremismus zu verhindern,
durch diese teuren Programme wohl nicht erreicht wird.
Berlins Innensenator Körting, SPD, gibt in diesem Zu-
sammenhang sogar an, dass sich trotz zusätzlicher eige-
ner Landesprogramme die Zahl der rechtsextremisti-
schen Straftaten im letzten Jahr sogar verdoppelt habe.
Nicht zuletzt wegen der Entscheidung des Verfassungs-
gerichts zum NPD-Verbot vom heutigen Tag müssen wir
alle im Umgang mit dem Extremismus umdenken.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie denn?)







(A) (C)



(B) (D)


Antje Tillmann
Leider sind Sie unserem Antrag, diese Mittel den
Kommunen für Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen,
nicht gefolgt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist Ignoranz!)


Vor Ort könnten diese Gelder langfristig und effektiv in
die Jugendförderplanung eingebracht werden. Insbeson-
dere könnte die Wirksamkeit zeitnah geprüft werden.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Guter Vorschlag!)


Wenn Sie den Antrag aus inhaltlichen Gründen abge-
lehnt hätten, hätte ich mich mit diesen Argumenten aus-
einander setzen können. Aber die einzigen Gründe, die
Sie angeführt haben, waren formaler Natur. Das ist dem
Thema nicht angemessen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zum Thema Jugendmedienschutz. Ab 1. April dieses
Jahres wird die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende
Schriften mit dem neuen Namen „Bundesprüfstelle für ju-
gendgefährdende Medien“ aufwarten. Neben dieser Na-
mensänderung wird sie erweiterte Kompetenzen erhalten.
Diese neuen Aufgaben stehen vor allem im Zusam-
menhang mit dem In-Kraft-Treten des Jugendmedien-
schutz-Staatsvertrages und des Jugendschutzgesetzes
zum 1. April 2003.

Auswirkung dieses Gesetzes, das wir alle wollten, ist:
Der Kreis der Antragsteller für die Prüfung von jugend-
gefährdenden Medien wird drastisch erweitert; die Bun-
desprüfstelle kann jetzt auch ohne Antrag tätig werden;
die Prüfstelle soll ihre Zuständigkeit auf elektronische
Medien ausweiten; die Prüfstelle wird durch die öffentli-
che Diskussion weit mehr als vorher von Eltern abgefragt.
Genau das wollen wir alle: stärkere Erziehungskompe-
tenz der Eltern. Gerade Sie, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen der Koalitionsfraktionen, haben diese Forderung als
Argument gegen die Abschaffung des Elternprivilegs
noch vor einer Woche hier in diesem Haus angeführt.

Aber umsonst ist das alles nicht zu haben. Selbst der
Gesetzentwurf zum Jugendschutzgesetz vom 13. Mai
2002 weist darauf hin, dass es durch die Ausweitung der
Kompetenz der Prüfstelle zu zusätzlichen Kosten im
Bundeshaushalt kommen wird. Alle Redner, auch die Ih-
rer Fraktion, haben die neuen Aufgaben als wesentliche
Verbesserungen des Jugendschutzes dargestellt. Aber
jetzt, da es zum Schwur kommt, haben sie diese öffent-
lichkeitswirksamen Reden vergessen und unseren An-
trag zur Verbesserung der Personalstruktur diskussions-
los abgelehnt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Unglaublich! – Elke Ferner [SPD]: Sie haben hier ja keine Deckung gebracht!)


– Wir haben die Deckung im eigenen Haushalt gebracht.
Es ist uns auch bestätigt worden, dass eine solche Finan-
zierung möglich ist. Es ist schade, dass Sie an dieser
Stelle wieder Worten keine Taten folgen lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Beim Thema Zivildienst beschränke ich mich auf den
Vorgang und darauf, wie sich die erhebliche Verschlech-
terung der Bundesbezuschussung auf die freien Träger
im Laufe des Verfahrens ausgewirkt hat. Unabhängig
von dem, was wir zum Zivildienständerungsgesetz in
diesem Haus schon hinreichend diskutiert haben: Es ist
ein Unding, dass Sie, Frau Ministerin, mit den Trägern
und den freien Verbänden Vereinbarungen treffen und
genau an dem Tag, an dem diese Vereinbarungen in
Kraft treten sollen, die SPD-Kollegen zu den Einsparun-
gen von 90 Millionen Euro einen zusätzlichen Kür-
zungsantrag für weitere 10 Millionen Euro in den Haus-
halt einbringen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist zynisch!)


Die freien Träger sind dadurch in die Situation gebracht
worden, nicht erst zum 1. April, sondern schon zum
1. März die erhöhten Zuschüsse zahlen zu müssen. Ganz
viele, gerade kleinere Träger können dies nicht. Das geht
zulasten der Zukunft der Zivildienstleistenden und zulas-
ten der Sozialarbeit. Sie alle haben die Briefe bekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich appelliere an Sie, wenigstens in diesem Jahr, recht-
zeitig vor dem 31. Dezember 2003, die Diskussion mit
uns und den Trägern der Zivildienste zu führen, damit ein
solches Chaos im nächsten Jahr nicht wieder passiert.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Wenn ich die öffentlichen Streitigkeiten zwischen Ih-
nen, Frau Schmidt, und Ihrem Verteidigungskollegen
Struck verfolge, dann finde ich es zwar anerkennens-
wert, dass Sie entgegen Ihrer persönlichen Auffassung
für den Zivildienst kämpfen; Sie sind aber leider nicht
sehr erfolgreich. Gerade jetzt, da die Unsicherheit hin-
sichtlich der inneren Sicherheit besonders groß ist, den
Zivildienst und damit auch den Ersatzdienst, den Kata-
strophenschutz und die freiwilligen Feuerwehren ohne
Alternativkonzept infrage zu stellen,


(Zuruf von der SPD: Ach du lieber Himmel!)


ist wirklich zynisch. Wie wollen Sie künftig diese
Dienste sicherstellen, wenn Sie ständig den Etat des
Bundesamtes für den Zivildienst zum Löcherstopfen im
Gesamthaushalt verwenden?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Liebe Frau Ministerin, liebe Kollegen, dass Sie seit ges-
tern wegen Buchungsfehlern im Bundesamt für den Zivil-
dienst 30 Millionen Euro Mehrbedarf für Rentenbeiträge für
Zivildienstleistende anmelden, will ich gar nicht weiter kom-
mentieren. Dass Sie es aber für möglich halten, diese 30 Mil-
lionen Euro zusätzlich zur Absenkung von 158 Millionen
Euro gegenüber 2002 aus dem etatisierten Erziehungsgeld zu
nehmen – Begründung im Haushaltsausschuss: weil vom
1. Januar bis zum 17. März die durch die Familien abgefor-
derten Mittel dramatisch zurückgegangen seien –, ist doch
eine Bankrotterklärung Ihrer Familienpolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist unglaublich!)







(A) (C)



(B) (D)


Antje Tillmann
Bei all den großen Ankündigungen zur Familienför-
derung scheinen die Familien nicht mitzugehen. Die er-
hofften Kinder werden ganz offensichtlich nicht gebo-
ren.

Letzter Punkt: Ganztagsschulprogramm der Bundes-
regierung, klassisches Beispiel für meine These, dass Sie
sich nur unter Druck mit unseren Vorstellungen ausein-
ander setzen. Aus der ursprünglich vorgesehenen Fas-
sung mit 10 000 neuen Ganztagsschulen unter Bundes-
aufsicht mit dem vom Bund genehmigten pädagogischen
Konzept wird hoffentlich ein flexibles Instrument zur
Verbesserung verschiedener Formen der Ganztags-
betreuung. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin nach
wie vor der Auffassung, dass ein solches Programm auf
Bundesebene nichts zu suchen hat. Da Sie unseren Vor-
stellungen aber offensichtlich nicht folgen, die Gewerbe-
steuerumlage zu senken und damit den Kommunen vor
Ort die Möglichkeit zu Schulsanierungsprogrammen zu
geben,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das wäre besser gewesen!)


werden wir mit allen demokratischen Mitteln darum rin-
gen, dass unsere Vorstellungen der Ganztagsbetreuung
berücksichtigt werden. Zu Ihrem Ärger haben wir damit
Erfolg, denn Sie brauchen die Bundesratsmehrheit. Die
Länder werden ihre Vorstellungen in die Verhandlungen
einbringen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Nicolette Kressl [SPD]: Das hat mit dem Bundesrat überhaupt nichts zu tun!)


Hierzu gehört vorrangig die Freiwilligkeit bei den Nach-
mittagsstunden, hierzu gehören die Einbindung der Ju-
gendarbeit und der Jugendverbandsarbeit, die dauerhafte
Finanzierbarkeit durch die Schulträger und die Bedarfs-
orientierung unter Berücksichtigung der örtlichen Gege-
benheiten.

La
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1503309300
Für uns ist es ab-
solut wichtig, dass bestehende Ganztagsschulen in dieses
Programm aufgenommen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das ist nach jetziger Fassung eben genau nicht der Fall.
Bei der gestern hier durchgeführten Konferenz ist genau
dies zum Knackpunkt in Bezug auf die Verwaltungsver-
einbarung zwischen den Ländern und dem Bund ge-
macht worden. Der Bund will bestehende Ganztagsschu-
len eben nicht fördern.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Genau so ist es! Frau Tillmann hat Recht!)


Sollte dieser Passus in den kommenden Verhandlun-
gen nicht aufgenommen werden, wird dieses Förderpro-
gramm an den neuen Ländern komplett vorbeigehen.
Wir haben nämlich ein flächendeckendes Netz von
Ganztagsschulen. Leider befinden sie sich aufgrund der
finanziellen Probleme in einem sehr schlechten bauli-
chen Zustand. Wir werden darauf bestehen, dass das Pro-

gramm auch für die neuen Länder gilt. Das war einmal
Chefsache; offensichtlich ist das vergessen worden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden weiter-
hin mit Ihnen für unsere Vorstellungen streiten. Viel-
leicht machen Sie sich in Zukunft die Mühe, sich bei der
Suche nach dem besten Weg wirklich einmal mit uns
auseinander zu setzen. Ich freue mich darauf.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Nicolette Kressl [SPD]: Wo sind Ihre Vorschläge?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503309400


Das Wort hat die Abgeordnete Bettina Hagedorn,
SPD-Fraktion.


Bettina Hagedorn (SPD):
Rede ID: ID1503309500


Verehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen, liebe Kolle-
gen! Als neues Mitglied dieses 15. Bundestages stehe
ich heute das erste Mal an dieser Stelle und spreche zu
Ihnen als Hauptberichterstatterin über den Einzelplan 17
des Renate-Schmidt-Ministeriums,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das steht aber so nicht in der Geschäftsordnung der Bundesregierung, Frau Kollegin!)


weil ich Ihnen Verbesserungen und Absenkungen vor-
stellen möchte, die wir im parlamentarischen Verfahren
in den Ausschussberatungen erzielt haben, und weil ich
die Knackpunkte zwischen Rot-Grün und der Opposition
darstellen will.

Lassen Sie mich aber zu Beginn meiner Ausführun-
gen einen Appell an die Damen und Herren der Opposi-
tion richten. In der ersten Lesung, die ich hier am
3. Dezember erlebt habe, haben Sie zwar viel gesagt,
aber, um ehrlich zu sein, wenig zum Einzelplan 17.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sie haben nichts verstanden!)


– Ich glaube, da täuschen Sie sich.

Frau Eichhorn suggerierte den Zuhörern hier und den
Fernsehzuschauern beispielsweise erneut und wider bes-
seres Wissen


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Frau Tillmann hat eine gute Rede gehalten!)


– sie hat gesprochen –, dass die CDU das Familiengeld
einführen wolle – hören Sie lieber zu, Herr Kampeter –,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist doch frech, was Sie hier sagen!)


obwohl es keinerlei Vorschläge zur Gegenfinanzierung
dieser 30,7 Milliarden teuren Seifenblase gibt, eine
Summe, die sechsmal so groß wie der komplette
Einzelplan 17 ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(B) (D)


Bettina Hagedorn
Frau Tillmann unterstellte am 3. Dezember Rot-Grün
gar den Bruch eines Wahlversprechens, weil sie die
1,5 Milliarden Euro für die Aufstockung der Betreu-
ungsplätze für Kinder unter drei Jahren im Haushalt
nicht finden konnte.


(Ina Lenke [FDP]: Ja, wo sind sie denn?)


Einer Nichtfachfrau hätte man Kompetenzmangel oder
Naivität zugute halten können.


(Ina Lenke [FDP]: Sie sind nicht da!)


Als zuständige Haushälterin im Deutschen Bundestag je-
doch wissen Sie, Frau Tillmann, nur zu genau, dass diese
1,5 Milliarden Euro nie im Einzelplan 17 zu finden sein
werden, sondern als Selbstbehalt in den kommunalen
Haushalten, und zwar nach erfolgreicher Umsetzung der
Hartz-Gesetze und der Gemeindefinanzreform.


(Beifall bei der SPD)


Wer aber hier im Bundestag Tatsachen zum Haushalt
bewusst so verdreht, der würdigt weder die Ernsthaftig-
keit der Debatte noch das ganze Haus angemessen. Aber
noch schlimmer: Dabei wird das Ziel offenbar, Frau
Lenke, Wählerinnen und Wähler an der Nase herumzu-
führen.


(Ina Lenke [FDP]: Das machen Sie bei Hartz!)


Wenn Sie dann gleichzeitig, wie hier am 3. Dezember
geschehen, den Willen zur konstruktiven Zusammenar-
beit für sich in Anspruch nehmen, dann wird offenbar,
dass Sie dieses Schild zwar wie eine Monstranz vor sich
hertragen, aber nicht mit Leben zu füllen bereit sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sie haben heute die Chance, zu erläutern, was Sie im
Einzelplan 17 anders und – aus Ihrer Sicht – besser ge-
staltet hätten. Erklären Sie doch bitte – wir haben schon
einiges von Frau Tillmann dazu gehört –, warum Sie
ausgerechnet bei den Programmen für die Jugend, für
bürgerschaftliches Engagement, Demokratiefähigkeit
und Toleranz gegen Rechtsextremismus und Antisemi-
tismus, nämlich bei Civitas und Entimon, 20 Mil-
lionen Euro streichen


(Nicolette Kressl [SPD]: Hört! Hört!)


und damit den Zuschuss auf Null absenken wollten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diejenigen, die bei der Friedrich-Ebert-Stiftung diese
Studie gemacht haben, verwahren sich sehr wohl dage-
gen, sich von Ihnen instrumentalisieren zu lassen; denn
sie wollten konstruktive Kritik üben. Aber es war ganz
gewiss nicht ihre Absicht, dass diese Projekte, wie Sie es
mit Ihren Vorschlägen bewirken würden, gegen die
Wand gefahren werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Nutzen Sie also die Gelegenheit und erklären Sie, wo
Sie die notwendigen Einsparungen vorgenommen hät-
ten, Frau Lenke. Wir nehmen die Verantwortung wahr,

einerseits der jungen Generation nicht weitere Schulden
aufzubürden und andererseits die europäischen Stabili-
tätskriterien zu beachten,


(Ina Lenke [FDP]: Sie machen es konzeptionell falsch!)


während Sie uns im Haushaltsausschuss einen endlosen
Wunschzettel abgeliefert haben. Nur wenn Sie diese Ant-
worten heute nicht schuldig bleiben – und nur dann –,
kann man sagen: Thema nicht verfehlt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ina Lenke [FDP]: Vielleicht kommen Sie einmal zur Sache!)


– Ich bin die ganze Zeit bei der Sache, Frau Lenke. Ich
kann Sie gerne einmal mit Ihren eigenen Reden konfron-
tieren.


(Ina Lenke [FDP]: Ja, gerne!)


Ich hätte bei so viel Abgrenzung zum Regierungshan-
deln vermutet, dass diesen Worthülsen konkrete Anträge
von Ihnen im Haushaltsausschuss gefolgt wären; denn
Sie haben öffentlich suggeriert, mit unseren Prioritäten
völlig unzufrieden zu sein.


(Ina Lenke [FDP]: Ja, politisch!)


Doch weit gefehlt! Positiv ausgedrückt: Der allergrößte
Teil des mit über 5 Milliarden Euro ausgestatteten Haus-
halts passierte die parlamentarische Beratung im großen
Einvernehmen aller vier Fraktionen.


(Ina Lenke [FDP]: Nein!)


Das ist kein Wunder; denn die zentrale Botschaft des
Einzelplans 17 lautet: Trotz Haushaltskonsolidierung
und Einsparung bleibt die Förderung für Familien, für
Senioren, für die Frauen und Jugendlichen, für Vereine
und Verbände, für Verbands- wie für Projektarbeit, für
Wohlfahrtspflege und Integration auf dem von Rot-Grün
angelegten hohen Niveau erhalten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ina Lenke [FDP]: Aber nicht beim Zivildienst!)


– Dazu komme ich noch.


(Ina Lenke [FDP]: Das ist gut!)


Das Ministerium erbringt zwar wie alle anderen Mi-
nisterien auch einen deutlichen Beitrag zur Haushaltssta-
bilität durch Einsparung und damit zur Generationenge-
rechtigkeit. Nach dem Willen von Rot-Grün wird aber
nicht, Frau Lenke, nach dem Gießkannenprinzip zulas-
ten aller, sondern orientiert an politischen Zielrichtungen
gespart.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ein Satz zum Erziehungsgeld, weil es Herr Haupt in
der ersten Lesung angesprochen hat, frei nach dem
Motto: Es gibt eine Absenkung, was gleichbedeutend ist
mit familienfeindlicher Politik. Dazu muss deutlich ge-
sagt werden – Frau Tillmann, das geht auch in Ihre Rich-
tung, weil Sie vorhin den Betrag von 30 Millionen Euro






(A) (C)



(B) (D)


Bettina Hagedorn
angesprochen haben –: Bereits im Haushaltsjahr 2002
sind wie Sie wissen, 200 Millionen Euro, die für das Er-
ziehungsgeld vorgesehen waren, nicht abgerufen und
dem Haushalt gutgeschrieben worden. Dahinter steckte
keine politische Zielsetzung. Das war schlicht und er-
greifend darauf zurückzuführen – es handelt sich näm-
lich um einen Schätztitel –, dass das Erziehungsgeld zu
hoch veranschlagt war. Deshalb ist es um insgesamt
188 Millionen Euro abgesenkt worden.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die Zahlen sind nicht ganz korrekt, Frau Kollegin!)


Die Botschaft an die Familien im Land lautet daher: An
eurem Erziehungsgeld ändert sich überhaupt nichts.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Dann würde ich über die Einkommensgrenzen nachdenken!)


Allerdings sollten wir gemeinsam darüber nachden-
ken, warum die Geburtenrate in Deutschland eigentlich
so niedrig ist


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Meine Zwillinge sind ein Jahr alt!)


und warum überhaupt, Herr Kampeter, die jungen und
überwiegend gut ausgebildeten Frauen in unserem Land
immer weniger bereit sind, sich den Kinderwunsch zu
erfüllen, obwohl er laut Shell-Studie vorhanden ist. In
Deutschland gibt es im Vergleich zum europäischen
Ausland eben eine unterentwickelte Möglichkeit der
Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir geben mit
dem rot-grünen Programm für mehr Ganztagsbetreuung
und zusätzliche Krippenplätze die einzig vernünftige
Antwort auf diesen in Deutschland über Jahrzehnte ge-
pflegten Missstand.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dieser Bildungsoffensive geben wir Priorität und stellen
das unter Beweis.

Ich sage hier deutlich: Dieses Ziel kann nur als ge-
samtgesellschaftliche Aufgabe gelingen. Daran sollten
sich auch die eigentlich zuständigen Länder und
Kommunen beteiligen. Ich weiß, welches Argument
jetzt – gebetsmühlenartig – kommt: die mangelhafte
Finanzausstattung von Ländern und Kommunen.
Dazu sage ich Ihnen: Noch bin ich amtierende Bürger-
meisterin und Amtsvorsteherin in einer ländlichen,
struktur- und finanzschwachen Region. Dort haben wir
in den letzten drei Jahren für 4 000 Einwohner – Herr
Kampeter, hören Sie ruhig einmal zu – drei Jugendtreffs
gebaut, eine Jugendpflegerin eingestellt und die ortsan-
sässige Grund- und Hauptschule mit einem Ganztags-
betrieb an drei Tagen ausgestattet,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Ina Lenke [FDP])


und das im Übrigen mit der Unterstützung des gewiss
nicht reichen Landes Schleswig-Holstein.

Ich sage Ihnen aber auch: Geld allein ist es nicht, was
fehlt. Das, was auch auf kommunaler und Länderebene
vielfach fehlt, ist der Wille zu einer fortschrittlichen Po-
litik für Kinder und Jugendliche, für Frauen und Fami-
lien, der Wille, hier Schwerpunkte zu setzen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mir sind durchaus Kommunen bekannt – das darf ich als
Bürgermeisterin sagen –, die erheblich gesündere Finan-
zen haben als meine Heimatkommune und die ihr Geld
lieber in granitgepflasterte Marktplätze als in Jugend-
treffs investieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn wir hier über die mangelnde Finanzausstattung
von Ländern und Kommunen sprechen, dann sollten Sie
auf eine weitere Frage eine Antwort geben: Warum blo-
ckieren Sie eigentlich das Steuervergünstigungsabbau-
gesetz?


(Ina Lenke [FDP]: Wegen der Eigenheimzulage!)


Wenn Sie es nämlich nicht blockieren würden, würde es
Ländern und Kommunen bis 2006 zusätzlich 24 Milliar-
den Euro bescheren und sie in die Lage versetzen, Frau
Lenke, ihren Beitrag zur Qualitätsverbesserung der Bil-
dung, der dringend erforderlich ist, zu leisten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Für politischen Sprengstoff hat aber in erster Linie Ihr
Antrag auf Reduzierung der Mittel für die Programme
Civitas und Entimon auf null gesorgt. Ich bin stolz da-
rauf – das kann ich so sagen –, dass wir, Rot-Grün, ob-
wohl es im Finanzplan eigentlich nicht vorgesehen war
und trotz aller Haushaltsnöte, es geschafft haben, diese
Programme fortzusetzen, zu verstetigen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


– Ja, das ist einen Beifall wert.

Frau Tillmann, ich muss mich sehr wundern: Alle öst-
lichen Bundesländer profitieren insbesondere von dem
Programm Civitas. Die herausragenden Länder – wenn
ich Ihnen das einmal sagen darf –, die das Programm En-
timon durchführen, sind zum Beispiel Nordrhein-West-
falen, Bayern und Hessen. Insgesamt werden bei beiden
Programmen 680 Projekte gefördert – mit einer Unzahl
an freiwillig engagierten jungen Leuten, an Hauptamt-
lern und Ehrenamtlern.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ein anständiger Verbotsvertrag wäre besser gewesen!)


Sie waren bereit, das alles voll gegen die Wand zu fah-
ren. Bei aller Liebe: Dafür habe ich kein Verständnis.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der CDU/CSU-Antrag auf ersatzlose Streichung die-
ser Programme war ebenso wenig durchdacht wie die






(A) (C)



(B) (D)


Bettina Hagedorn
von der CDU/CSU geäußerte Idee, bei einer Senkung
der Gewerbesteuerumlage – das war nämlich Ihr
Gegenfinanzierungsvorschlag – könnten die Kommunen
diese Projekte selbst tragen. Dabei sollten Sie wissen,
dass die Projekte gerade in strukturschwachen Regionen,
zum Beispiel in meiner,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ich denke, Sie sind da erfolgreich?)


in denen kaum Gewerbesteuereinnahmen existieren,


(Ina Lenke [FDP]: Deshalb muss die Gewerbesteuer weg! Wir brauchen ein anderes System!)


nötig sind. Wo aber keine Gewerbesteuer, da auch kein
Gewinn bei einer Gewerbesteuerumlageveränderung
und auch keine Stärkung kommunaler Finanzkraft. Inso-
fern hätte Ihre absurde Idee gerade die Kommunen be-
vorteilt, in denen die Gewerbesteuer kräftig sprudelt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das, was Sie sagen, ist doch gar nicht richtig!)


Die jedoch sollten die kommunale Jugendarbeit als ei-
genständige Pflichtaufgabe begreifen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme jetzt zum Zivildienst, Frau Lenke. Der Zi-
vildienst steht perspektivisch vor Herausforderungen und
Veränderungen und mit ihm die sozialen Dienste, die in ei-
ner demographisch sich dramatisch verändernden Gesell-
schaft ihre Aufgaben und die zu deren Bewältigung not-
wendige personelle Aufstellung neu definieren müssen.


(Ina Lenke [FDP]: Wann?)


Die Beschlussfassung zum Fortbestand der Wehrpflicht
und damit auch des Zivildienstes wird den Bundestag
spätestens 2006 beschäftigen.


(Ina Lenke [FDP]: 2006 zur Bundestagswahl!)


– Hören Sie doch einmal ein bisschen zu! Mit dem Zu-
hören haben Sie echt ein Problem.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503309600


Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Lenke?


Bettina Hagedorn (SPD):
Rede ID: ID1503309700


Ich würde vorschlagen, sie stellt die Zwischenfrage,
wenn ich mit meiner Rede fertig bin.

Dieser künftigen Entscheidung darf in unserem Haus-
halt keinesfalls vorgegriffen werden und das passiert
trotz gegenteiliger Unterstellung auch in keiner Weise.

Unbestritten stellt jedoch eine solche künftige Wei-
chenstellung uns Haushälter und auch die Träger der so-
zialen Dienste und das Bundesamt für den Zivildienst
sowie das Ministerium vor die gemeinsame Aufgabe,
beide Alternativen in ihren Konsequenzen zu bedenken
und haushaltskonforme Antworten darauf zu suchen und
zu finden.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was heißt denn „haushaltskonform“ in diesem Zusammenhang? Das ist ja eine Sprechblase!)


Das Ziel der Koalition ist es, mehr Wehrgerechtigkeit
herzustellen. Das ist in unserem Koalitionsvertrag so for-
muliert.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie wollen Wehrund Zivildienst zerschlagen! Das ist das Einzige, was erkennbar ist!)


Wir haben schwerpunktmäßig in diesem Haushalt – Sie
wissen, das ist uns nicht leicht gefallen, aber das ist der
politische Schwerpunkt – circa 98 Millionen Euro im
Bereich des Zivildienstes gekürzt. Das ist eine giganti-
sche Summe, sie macht aber nur 11,5 Prozent des Ansat-
zes für den Zivildienst aus. Man muss dazu vor allen
Dingen wissen, dass der Ansatz für den Zivildienstbe-
reich ein halbes Jahr vorher um satte 80 Millionen Euro
aufgestockt worden ist. Insofern bewegt sich der im jet-
zigen Haushalt festgelegte Betrag mit marginalen Unter-
schieden etwa wieder auf dem Finanzplanniveau des
Vorjahres.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Aha, dann war das offensichtlich nur eine kurze Blase!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503309800


Frau Kollegin, berücksichtigen Sie bitte, dass die Re-
dezeit schon überschritten ist?


Bettina Hagedorn (SPD):
Rede ID: ID1503309900


Ja, das werde ich gern tun. Aber ich habe dem Proto-
koll entnommen, dass man bei der ersten Rede von Frau
Tillmann in der ersten Lesung sehr viel Rücksicht ge-
nommen hat. Insofern glaube ich, dass ich meine Rede
hier noch zu Ende bringen darf.

Zum Zivildienständerungsgesetz und zu dem entspre-
chenden Haushaltsansatz: Wir wollten mit diesem Haus-
halt eigentlich eine sehr starke Absenkung vollziehen,
haben sie aber durch das Zivildienständerungsgesetz
aufgefangen und eine Übergangslösung geschaffen. Das
haben wir getan, weil wir sowohl für die Träger als auch
für die Zivildienstleistenden Planungssicherheit schaffen
wollten.


(Ina Lenke [FDP]: Das stimmt doch alles gar nicht!)


Bedauerlich ist nur, dass der Bundesrat mit seiner Blo-
ckadepolitik das In-Kraft-Treten des Gesetzes jetzt ver-
zögert und es deshalb im Moment keine Planungs-
sicherheit gibt, weder für die Träger noch für die jungen
Männer, die den Wehrdienst antreten.


(Beifall der Abg. Jutta Dümpe-Krüger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503310000


Frau Kollegin, ich muss Sie gleichwohl bitten, zum
Ende zu kommen.






(A) (C)



(B) (D)


Bettina Hagedorn (SPD):
Rede ID: ID1503310100


Das will ich gerne machen.


(Heiterkeit – Manfred Grund [CDU/CSU]: Lassen Sie sich nicht vertreiben!)


– Ich gebe mir Mühe, mich nicht von Ihnen irritieren zu
lassen.

Eines möchte ich dieser Stelle noch erwähnen; ich
glaube, ich tue das in unser aller Namen. Einige Ansätze
sind einmütig erhöht worden. Die Absenkungen haben
wir allein gemacht, aber die Erhöhungen haben wir mit
allen vier Fraktionen hingekriegt. Ich nenne hier insbe-
sondere das Deutsch-Französische Jugendwerk,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


für das der Haushaltsansatz um 3 Millionen Euro erhöht
worden ist mit dem Ziel, zusätzliche Projekte für die Be-
gegnung junger Deutscher und Franzosen konzipieren zu
können: Franzosen und Deutsche als Achse der Verstän-
digung und Freundschaft in einem zusammenwachsen-
den Europa. Sie setzen die Schwerpunkte richtig, wenn
Sie in die Jugend, in den Austausch und in das Verstehen
investieren, weil das immer auch eine Investition in den
Frieden ist. Persönlich wünsche ich mir darum, dass die-
ses Geld entsprechend ausgegeben wird.

Ganz zum Schluss: Es waren schwierige Beratungen.
Ich bin stolz darauf, dass wir mit Rot-Grün den Konsoli-
dierungskurs fortgesetzt haben, denn wir sind das Minis-
terium, in dem Generationengerechtigkeit definiert wird,
und das hat auch etwas mit Haushaltskonsolidierung zu
tun.

Danke.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: „Wir sind das Ministerium“! Was für ein toller Ausspruch!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503310200


Frau Kollegin Hagedorn, ich gratuliere Ihnen herzlich
zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag.


(Beifall)


Ich bitte um Nachsicht, dass auch der Großzügigkeit des
jeweiligen Präsidenten natürliche Grenzen gesetzt sind,
weil nicht wir die Redezeiten festlegen, sondern die
Fraktionen.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Beim nächsten Mal redet sie drei Minuten weniger!)


– Ich bin ja beinahe geneigt, auf solche guten Vereinba-
rungen gleich spontan einzugehen. – Ich wollte nur noch
einmal darauf aufmerksam machen, dass es keine Un-
freundlichkeit gegenüber dem jeweiligen Redner ist,
sondern dass die Hinweise mit Rücksicht darauf erfol-
gen, dass Redezeit, die an einer Stelle zusätzlich gewährt
wird, an anderer Stelle dann fehlt.

Nun erteile ich das Wort der Kollegin Ina Lenke für
die FDP-Fraktion.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1503310300


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ha-
gemann,


(Zurufe von der SPD: Hagedorn!)


Sie haben hier von Generationengerechtigkeit gespro-
chen. Ich kann Ihnen das wirklich nicht ersparen: Sie
sind dafür verantwortlich, wenn es keinen direkten Über-
gang von der Schule oder dem Beruf in den Zivildienst
gibt.


(Nicolette Kressl [SPD]: Das ist falsch!)


Ich war am Freitag in einer großen Behinderteneinrich-
tung. Dort müssen die Jugendlichen jetzt zwei oder drei
Monate warten, bis sie einen Zivildienstplatz bekom-
men. Das haben Sie mit Ihrer Finanzpolitik zu verant-
worten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Jutta Dümpe-Krüger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie mit Ihrer Blockadepolitik! So wird ein Schuh daraus!)


Meine Damen und Herren, das dramatische Sinken
der Staatseinnahmen, das die Bundesregierung mit ihrer
verunglückten Wirtschafts- und Steuerpolitik verursacht
hat, wirkt sich ganz besonders auf den Einzelplan 17,
den des Familienministeriums, aus. Auch in diesem Ein-
zelplan wird das politische Versagen dieser Bundesregie-
rung offenkundig. Ihre Planungen von heute sind – das
hat gerade der Zivildienst gezeigt – morgen schon wie-
der Makulatur.


(Nicolette Kressl [SPD]: Quatsch!)


Das wissen Sie ganz genau. Ich möchte das an einigen
konkreten Themen festmachen.

Erstens: der Zivildienst. Ich bin zivildienstpolitische
Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion.


(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD: Oh!)


– Hier steht eine Expertin. Sie sind für anderes Experten-
wissen zuständig. – Der finanzielle Kahlschlag beim Zi-
vildienst hat bei Ihnen System. Er kann deshalb auch
nicht nur haushaltspolitisch und haushaltstechnisch be-
trachtet werden. Denn die weit überdurchschnittlichen
Einsparungen im Haushalt des Bundesfamilienministeri-
ums werden fast ausschließlich – da müssen Sie mir
Recht geben – zulasten des Zivildiensthaushaltes reali-
siert.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


Meine Damen und Herren, die finanzielle Austrock-
nung des Zivildienstes führt zu einem Verlust an Betreu-
ungsqualität. Soziale Einrichtungen wie zum Beispiel
Krankenhäuser und Einrichtungen für behinderte Men-
schen stürzen Sie alle Monate, alle Wochen wieder in
Planungsunsicherheit. Sie wissen ganz genau, dass die
10 Millionen Euro, die Sie jetzt noch zu den
90 Millionen Euro hinzugefügt haben, ein wirkliches






(A) (C)



(B) (D)


Ina Lenke
Planungschaos bei den Trägern der Einrichtungen hinter-
lassen haben.


(Beifall bei der FDP – Nicolette Kressl [SPD]: Das kommt durch die Blockade des Bundesrates!)


Wir von der Opposition fordern Sie auf: Entwickeln
Sie endlich Zukunftskonzepte für die Umgestaltung des
Zivildienstes.


(Zuruf des Abg. Klaus Hagemann [SPD])


– Herr Kollege, wenn Sie nicht in diesem Ausschuss ge-
wesen sind, kann ich Sie gerne aufklären. Sie haben eine
ganze Legislaturperiode Zeit gehabt, um Konzepte vor-
zulegen. Nichts ist gekommen, was den Zivildienst an-
belangt.


(Klaus Hagemann [SPD]: Wie bei Ihnen!)


– Wir haben ein Positionspapier zum Zivildienst. Das
schicke ich Ihnen zu. Wir werden das weiterentwickeln.
Sie bekommen noch im ersten Halbjahr unseren Antrag,
mit dem Sie sich beschäftigen können.

Wir fordern klare Zukunftskonzepte statt hektische
Kürzungen an der falschen Stelle. Ministerin Schmidt
– ich freue mich, dass Sie heute hier sind und Zeit
haben – verkündete zum Beispiel letzte Woche, 2004
werde die Zahl der Zivildienstplätze nochmals drastisch
um 20 000 sinken.

Frau Hagemann,


(Zurufe von der SPD: Hagedorn!)


Sie sagen, Wehr- und Dienstgerechtigkeit bedeute,
100 000 Wehrpflichtige und 100 000 Zivildienstleis-
tende einzuziehen. Erklären Sie mir jetzt in Form einer
Zwischenfrage, was von der Wehrgerechtigkeit und der
Generationengerechtigkeit für junge Menschen übrig ist,
wenn jeder zweite junge Mann weder Zivildienst noch
Wehrdienst leistet!


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dass Sie eine Einberufungsgerechtigkeit der Wehrge-
rechtigkeit gleichstellen, spottet jeder Beschreibung. Ich
muss sagen, das empört mich. Herr Haupt und ich sind
auch für die Jugend da. Was Sie hier von Generationen-
gerechtigkeit geredet haben, ist wirklich nicht wahr.

Meine Damen und Herren, das besteht eine Pflicht-
dienstungerechtigkeit. Ich wiederhole für den Fall, dass
es nicht verstanden worden ist: Ein Teil der jungen Män-
ner leistet einen Zwangsdienst und der andere Teil
kommt davon. Letzterer wird weiter zunehmen, wenn
Frau Schmidt noch in diesem Jahr 20 000 Zivildienst-
plätze streichen wird. Weniger als die Hälfte eines Ge-
burtsjahrgangs von jungen Männern wird noch Wehr-
oder Zivildienst ableisten. Das ist Ihre rot-grüne Gerech-
tigkeit. Der folgen wir Liberalen nicht.

Es ist wirklich schier unglaublich, Frau Hagemann


(Zurufe von der SPD: Hagedorn! – Walter Schöler [SPD]: -dorn! Wie Dornen!)


– Frau Hagedorn? Entschuldigung! –: Sie reduzieren
zum 1. Januar dieses Jahres die Zuschüsse zum Sold der
Zivildienstleistenden von 70 auf 50 Prozent, die Einrich-
tungen müssen also 20 Prozent mehr zahlen. Außerdem
erklären Sie, dass Sie den Einrichtungen 20 000 Zivil-
dienststellen wegnehmen, weil Sie diese nicht mehr fi-
nanzieren können.


(Nicolette Kressl [SPD]: Das stimmt so nicht! Das ist nicht die Wahrheit!)


Wir liberale Frauen fühlen uns verantwortlich für die
zweite Seite der Medaille, für den Ersatz des Zivildiens-
tes. Wir wollen einen Mix aus ordentlichen Arbeitsplät-
zen, Freiwilligendiensten und Ehrenamtlichkeit. Wir
werden im April auf Bundesebene eine Expertenanhö-
rung durchführen. Dann werden wir sehen, was aus un-
seren Konzepten, die wir dann besprechen werden, wird.

Wir wollen, dass der heutige Haushaltsansatz für den
Zivildienst als Anschubfinanzierung des Ausstieges aus
dem Zivildienst hin zu diesem Mix genutzt wird. Wenn
Sie den Zivildienstetat immer weiter austrocknen, wer-
den Sie keine sozialverträgliche Umgestaltung schaffen.
Deswegen ist es wichtig, den Ausstieg aus dem Zivil-
dienst schon jetzt und nicht erst im Jahre 2006 zu ma-
chen. Diese Ankündigung hat mich sehr erschreckt.
Aber Herr Struck hat gesagt, 2004 soll entschieden wer-
den, ob der Zivildienst bleibt. Deshalb werden wir Ihnen
zu diesem Zeitpunkt Vorschläge vorlegen.

Kap. 1704 in Einzelplan 17 ist Ausdruck Ihrer politi-
schen Konzeptionslosigkeit, aber das konzeptionslose
Ausbluten des Zivildienstes wollen wir nicht mitmachen.

Ich möchte zum zweiten Schwerpunkt, der Kinder-
betreuung, kommen. Auch dazu haben Sie etwas ge-
sagt. Richtig ist, dass sich in Einzelplan 17 kein entspre-
chender Haushaltsansatz findet. Sie haben erklärt, dass
die Kommunen Gelder im Rahmen des Hartz-II-Kon-
zepts bekommen. Ich bin gespannt auf die Rede der Mi-
nisterin. Frau Schmidt, ich will schwarz auf weiß sehen,
wie viel Geld die Kommunen aus dem Hartz-II-Konzept
bekommen, damit sie den Rechtsanspruch auf Realisie-
rung einer Betreuungsquote von 20 Prozent für Kinder
unter drei Jahren finanzieren können. Dieses Leistungs-
gesetz wollen Sie den Kommunen aufdrücken. Jeder re-
det nur noch vom Hartz-Konzept. Ich habe von Ihnen
keine einzige Zahl und keinen einzigen Finanzierungs-
nachweis gehört.

Sie haben das Fehlen der Betreuungseinrichtungen
für Kinder dargestellt. Dazu muss ich sagen, dass die Be-
treuungsmisere der Integration von Frauen in den Ar-
beitsmarkt, die wir alle wollen, entgegensteht und die
traditionelle Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern
festigt. Was Sie in Ihrer Gemeinde gemacht haben, habe
ich in meiner Gemeinde vor ein paar Jahren auch ge-
macht. Es funktioniert, aber nur, wenn Sie Ihr Verspre-
chen, jedes Jahr 1,4 Milliarden Euro zu zahlen, auch ein-
halten. Dieser Betrag steht aber nicht im Haushalt. Einen
Beleg dafür, dass Sie Ihr Versprechen einhalten, habe ich
bis heute noch nicht gesehen.


(Nicolette Kressl [SPD]: Das ist doch nicht im Haushalt!)







(A) (C)



(B) (D)


Ina Lenke
Die Finanzierung ist wichtig. Dabei muss die Ministe-
rin hier und heute Auskunft darüber geben, wie sie den
Rechtsanspruch zur Realisierung der Betreuungsquote in
Höhe von 20 Prozent für Kleinkinder finanzieren und
mit den Ländern zusammen das Geld an die Kommunen
weitergeben will. Die dafür notwendigen 4 Milliar-
den Euro haben Sie meines Erachtens nicht, Frau Minis-
terin. Ich gehe davon aus, dass Sie den Kommunen nur
Luftschlösser versprechen und weiter nichts. Ich als
praktizierende Kommunalpolitikerin werde sehr darauf
achten, dass Sie hier Butter bei die Fische tun, damit
endlich etwas passiert.

Mir ist wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass
sich die Bundesregierung der Kinderbetreuung sehr
ernsthaft widmen muss. In der letzten Legislaturperiode
gab es dazu kein Wort und keine Aktion dieser rot-grü-
nen Bundesregierung. Wenn Sie jetzt richtige Konzepte
auf den Tisch legen, werden wir als Opposition Sie dabei
kräftig unterstützen, aber wir werden Ihnen auch Beine
machen.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Andreas Scheuer [CDU/CSU])


Ein drittes Beispiel Ihrer Konzeptionslosigkeit, Frau
Ministerin, ist die Kürzung der Eigenheimzulage. Diese
Kürzung haben Sie gefordert. Sie bedeutet eine drasti-
sche Kürzung für Familien. Man muss sechs Kinder ha-
ben, um auch jetzt noch bei einem Neubau auf die Höhe
der alten Förderung zu kommen.


(Abg. Jutta Dümpe-Krüger [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Dies können Sie auch nicht mit einer Zwischenfrage
aus der Welt schaffen.

Wenn dann noch die Ministerin und auch einige Aus-
schussmitglieder die Kürzung der Eigenheimzulage als
überfälligen Subventionsabbau verkaufen, ist das schon
eine Unverschämtheit gegenüber den Familien, die beim
Eigenheimbau unterstützt werden müssen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Die FDP ist für den Abbau von Subventionen, aber
wir brauchen Entlastungen in Form niedrigerer Steuer-
sätze. Danach können Sie gerne Subventionen abbauen.
Sie aber schmälern die Familieneinkommen durch im-
mer mehr Steuern und Belastungen. Das machen wir
nicht mit. Solche Mittelverschiebungen und eine Erhö-
hung der Belastungen werden wir nicht mittragen.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Die satteln nur drauf!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503310400


Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist deutlich überschritten.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1503310500


Frau Präsidentin, ich bedanke mich, dass Sie mich
darauf aufmerksam machen. – Wenn Sie auf der einen
Seite die Eigenheimzulage kürzen, der Kanzler aber auf

der anderen Seite in seiner Regierungserklärung ein Pro-
gramm für die Sanierung des privaten Wohnungsbaus in
Höhe von 8 Milliarden Euro verspricht, dann halte ich
das für tragikomisch. Wir wollen sehen, was von diesen
8 Milliarden Euro übrig bleibt.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
Dieser Einzelplan – –


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503310600


Frau Kollegin, ich habe Sie deshalb auf Ihre Redezeit
aufmerksam gemacht, weil diese wirklich deutlich über-
schritten ist.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1503310700


Der Einzelplan für das Familienministerium, Frau
Präsidentin, ist nicht akzeptabel. Hierdurch werden Pro-
bleme geschaffen und nicht gelöst. Deshalb lehnt die
FDP den Einzelplan 17 ab.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503310800


Nächste Rednerin ist die Kollegin Jutta Dümpe-Krü-
ger, Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau
Lenke, ich gehe zunächst auf Sie ein, weil ich beim
Thema Eigenheimzulage langsam grüne Pickel be-
komme.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wie unappetitlich!)


Ist Ihnen erstens bekannt, dass der Deutsche Mieterbund
die derzeitige Eigenheimzulage kritisiert, weil sie – ich
zitiere – „die Stadtflucht begünstigt“, „nicht hilft, Woh-
nungsengpässe zu vermeiden“ und außerdem „diejeni-
gen Haushalte fördert, die am wenigsten auf eine staatli-
che Förderung angewiesen sind“?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Völliger Käse!)


Ist Ihnen zweitens bekannt, dass das Gutachten einer
namhaften Expertin, Frau Professor Gisela Färber, dieser
Kritik des Deutschen Mieterbundes auf ganzer Linie
Recht gibt und sogar ausweist, dass gerade diejenigen
Fördergelder erhalten, die zu den reichsten Haushalten in
unserem Lande gehören? Wenn nicht, dann wissen Sie es
jetzt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Mit dem Einzelplan 17 setzt die Bundesregierung ei-
nen wichtigen Schwerpunkt im Bereich Kinder, Jugend
und Familie. Er ist darüber hinaus ein notwendiger






(A) (C)



(B) (D)


Jutta Dümpe-Krüger
Schritt in Sachen Generationengerechtigkeit; denn wir
dürfen uns nicht länger auf dem Rücken der jungen
Menschen in unserem Land verschulden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Um den Stier nun gleich bei den Hörnern zu fassen:
Durch den Konsolidierungskurs gab es auch schmerz-
hafte Einschnitte, zum Beispiel im Bereich Zivildienst.
So wurden die Träger im November darüber unterrichtet,
dass es zu Einsparungen kommen müsse. Um zu vermei-
den, dass es wegen der schon im Oktober 2002 erfolgten
Einberufung im Sommer dieses Jahres zu einer drasti-
schen Absenkung der Zahl der Zivildienstpflichtigen
kommt, haben sich die Spitzen der Freien Wohlfahrts-
verbände dafür ausgesprochen, sich mit 50 statt wie bis-
her 30 Prozent an den entstehenden Kosten zu beteili-
gen, und zwar ausdrücklich befristet bis Ende 2003.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie ha-
ben wiederholt die Behauptung aufgestellt, die Träger
seien dazu erpresst worden. Ich sage Ihnen: Diese Be-
hauptung ist nicht wahr.


(Ina Lenke [FDP]: Pest oder Cholera!)


Das geht eindeutig aus einem Schreiben der Spitzenver-
bände der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohl-
fahrtspflege vom 5. März hervor.

Wenn der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt hätte,
dann wäre die Kuh vom Eis gewesen und alle hätten Pla-
nungssicherheit gehabt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Das sieht im Übrigen auch die Bundesarbeitsgemein-
schaft so. Ich zitiere:

Diese negativen Folgen sowohl für die Zivildienst-
pflichtigen als auch für die von den Beschäfti-
gungsstellen betreuten Klienten sollten gerade
durch die mit der Bundesregierung getroffenen Ver-
einbarungen vermieden werden.

Dieses Schreiben ist an die zuständigen Minister und Se-
natoren der Länder sowie an die Vertretungen der Länder
beim Bund gegangen. Ich lese nicht im Kaffeesatz, son-
dern weiter aus diesem Brief:

Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft zusammenar-
beitenden Spitzenverbände der Freien Wohlfahrts-
verbände bitten Sie daher nachdrücklich, dafür
Sorge zu tragen, die Dauer des Vermittlungsaus-
schussverfahrens auf ein Mindestmaß zu beschrän-
ken, damit im Interesse der Zivildienstleistenden
und der Dienste und Einrichtungen der Freien Wohl-
fahrtspflege endlich Planungssicherheit hergestellt
werden kann.

Meine Damen und Herren, wer schafft den hier Pla-
nungsunsicherheit? –


(Ina Lenke [FDP]: Sie sind das!)


Sie und kein anderer. Ich fordere Sie auf, Ihre Blockade-
haltung endlich aufzugeben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich möchte jetzt auf den Bereich Rechtsextremismus
eingehen. Seit dem Sommer 2000 sind mehrere Pro-
gramme durch diese Bundesregierung aufgelegt worden.
Darunter befindet sich das Aktionsprogramm „Jugend
für Toleranz und Demokratie“ mit den drei Programm-
teilen „Entimon“, „Xenos“ und „Civitas“.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Erklären Sie den Menschen draußen mal, was diese Begriffe bedeuten!)


Was erleben wir nun vor und hinter den Kulissen der
Haushaltsberatungen? Sie stellen die Behauptung auf,
diese Bundesprogramme seien angeblich nicht effektiv.
Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung wird von Ihnen
in diesem Sinne flugs umgedeutet. Fast ebenso schnell
stellt sich allerdings heraus, dass Sie das Gutachten ver-
mutlich nur auszugsweise in der Zeitung gelesen und vor
allem nicht verstanden haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meine Damen und Herren von der Union, das Gut-
achten enthält einzelne Kritikpunkte. Daneben ist es ins-
gesamt ein Plädoyer für eine dauerhafte und nachhaltige
Weiterführung der Programme. Gerade den Befürchtun-
gen, dass sich die Programme als kurze Strohfeuer er-
weisen könnten, wird in der Studie entgegengetreten. In
ihr wird eine langfristig angelegte Sicherstellung der fi-
nanziellen Ausstattung befürwortet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dass der Verfasser der Studie – Herr Roth – öffentlich
mitteilt, er fühle sich von Ihnen missinterpretiert und in-
strumentalisiert, ist im Grunde schon eine schallende
Ohrfeige. Anstatt nun aber nach dem Motto „Hättest du
geschwiegen, wärst du weise geblieben“ zu handeln, ha-
ben Sie noch eines draufgesetzt: Die absolute Krönung
war Ihre Nachfrage in der Aktuellen Stunde, ob denn
nicht eine Umwidmung der Mittel in den neuen Ländern
zugunsten der Bekämpfung von Linksextremismus und
Anschlägen mit islamistischem Hintergrund sinnvoll sei.


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das haben Sie gefragt, obwohl Sie wissen oder wissen
sollten, dass es in den neuen Bundesländern bei einem
Ausländeranteil von insgesamt rund 2 Prozent überhaupt
keine nennenswerten islamistischen Gruppen gibt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meine Damen und Herren, unser aller Interesse muss
es sein, rechtsextremen und fremdenfeindlichen Gesin-
nungen möglichst früh entgegenzutreten. Das geht nur
mit langjährigen Demokratisierungsprozessen. Darum
brauchen wir die Programme und die dafür notwendigen
Mittel. Wir können es uns überhaupt nicht leisten, in die
alten Mechanismen der Verdrängung und Verleugnung
zurückzufallen.






(A) (C)



(B) (D)


Jutta Dümpe-Krüger
Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503310900


Nächste Rednerin ist die Kollegin Professor Dr. Maria
Böhmer, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1503311000


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Hoch gelobt und ausgebeutet – das ist die Si-
tuation von Familien in unserem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Oh Gott!)


Wenn Sie sich daran erinnern, was Familien in diesem
Land vor der Bundestagswahl versprochen


(Nina Hauer [SPD]: Von Ihnen!)


und was nach der Bundestagswahl ganz schnell wieder
in der Schublade versenkt worden ist, dann erkennen
Sie, dass sich die Familien in unserem Land einer Situa-
tion gegenübersehen, in der die Familienpolitik wieder
auf Sparflamme gekocht wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Vor der Bundestagswahl hieß es: Wir werden die Ar-
beitslosigkeit bekämpfen. Was ist daraus geworden?
4,7 Millionen Arbeitslose haben wir. Das heißt, dass
4,7 Millionen Menschen mit ihren Familien draußen vor
der Tür stehen.


(Maria Eichhorn [CDU/CSU]: So ist es!)


Wir haben gehört, es gebe keine neuen Belastungen für
Familien. Was ist geschehen? Die Abgaben- und Steuer-
last für Familien ist größer geworden als je zuvor.


(Zuruf von der SPD: Das stimmt ja nicht!)


Was ist mit den besseren Chancen? Wir alle haben ge-
spannt auf die Rede des Bundeskanzlers am Freitag ge-
wartet. Wir wissen heute: Es wird kein Ruck durch die-
ses Land gehen und es wird mitnichten zu einem Ruck
für die Familien in diesem Land kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Das warten wir mal ab!)


Frau Ministerin Schmidt, Sie haben vor dem Bundes-
tagswahlkampf SOS für die Familien gefunkt. Sie haben
gesagt: „Ohne Kinder sehen wir alt aus.“ Das ist ein
Buchtitel von Ihnen. Ich habe das Buch mit großer Span-
nung gelesen und ich sage an dieser Stelle: Sie haben
völlig Recht. Ohne Kinder sehen wir in unserem Land
alt aus. Es gibt immer weniger junge Menschen.
Deutschland wird ein kinderarmes Land sein. Die Über-
alterung der Bevölkerung nimmt zu. Daraus werden sich
außerordentlich negative Konsequenzen für die Wirt-
schaft und die Gesellschaft ergeben. Deshalb müssen wir
dringend umsteuern. Aber dieses Umsteuern bedeutet,
dass wir die Familie nicht aussparen dürfen, wie es der

Bundeskanzler am Freitag getan hat; denn in seiner Rede
war von Familie nicht die Rede.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das Gegenteil muss der Fall sein. Das bedeutet: Die
Modernisierung unserer sozialen Sicherungssysteme,
des Arbeitsmarktes und des Steuersystems muss von der
Familie her gedacht werden. Nur dann wird eine Reform
in diesem Bereich auch wirklich erfolgreich sein. Das
wird dann kein Kurieren an Symptomen sein, sondern
ein Zurückgehen auf die Ursachen.

Wir wissen, was uns Fachleute immer wieder ins
Stammbuch geschrieben haben – das können Sie auch in
Ihrem Buch nachlesen –: Die niedrige Geburtenrate steht
in einem eklatanten Zusammenhang mit der strukturell
kinderunfreundlichen Gesellschaft. Unsere Arbeits-
welt ist über weite Strecken kinderfeindlich. Familien
mit Kindern haben gegenüber kinderlosen Paaren gra-
vierende finanzielle Benachteiligungen. Zudem haben
die Abgaben zugenommen. Das kann so nicht weiterge-
hen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Kindererziehung in Deutschland bedeutet fast ein Ge-
lübde für die ewige Armut.

Zurufe von der SPD: Das ist ja ein Überzie-
hen! – Wie sind Ihre Vorschläge?)

Sie bedeutet, dass Menschen, die Kinder erziehen, in der
Altersversicherung bestraft werden. Darüber hinaus wer-
den sie noch mit dem Aus im Beruf dafür bestraft, dass
sie Kinder erziehen. Deshalb ist es nicht verwunderlich,
dass der Kinderwunsch immer mehr auf der Strecke
bleibt.

Frau Hagedorn, in einem Punkt haben Sie Recht ge-
habt: Wir müssen an dieser Stelle mehr für junge Frauen
und Männer in unserem Land tun, damit sie bereit sind,
ihrem Wunsch, eine Familie zu gründen, wirklich nach-
zugeben. Eine Geburtenrate von 1,3 ist dramatisch. Aber
noch dramatischer ist, dass mehr als 30 Prozent der
Frauen des Jahrgangs 1965 keine Kinder haben. 41 Pro-
zent der Akademikerinnen haben ebenfalls keine Kinder.
Das heißt, die Kinderlosigkeit greift um sich.

Sie haben als Geheimrezept eine stärkere Kinderbe-
treuung angeführt. Das mag auf den ersten Blick stim-
men.


(Ina Lenke [FDP]: Das ist aber so!)


Wenn ich nach Skandinavien und nach Frankreich
schaue, dann stelle ich fest, dass die Kinderbetreuung
dort gut ausgebaut ist. Aber ich sage Ihnen auch: In an-
deren Ländern wie beispielsweise in den USA, wo die-
ses System so nicht existiert und die Kinderbetreuung oft
selbst organisiert und bezahlt werden muss, ist die Ge-
burtenrate wesentlich höher und das Ja zur Familie deut-
licher.


(Christel Humme [SPD]: Aber da gibt es ein Ganztagsschulsystem!)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. Maria Böhmer
Also, nur an der Kinderbetreuung allein etwas zu tun,
greift zu kurz. Wir brauchen insgesamt ein familien-
freundliches System in unserem Land. Das schließt Kin-
derbetreuung und Finanzierung ein. Beide Bereiche dür-
fen nicht gegeneinander ausgespielt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Hagemann [SPD]: Wo sind denn Ihre Konzepte!)


An dieser Stelle sind wir klar in die Vorlage getreten.
Wir haben in der letzten Legislaturperiode ein stimmiges
und modernes Familienkonzept vorgelegt. Wir wollen
die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir
wollen bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Das
schließt auch mehr Ganztagsangebote für Kinder ein.
Wenn uns immer wieder unterstellt wird, dass die CDU
und die CSU an dieser Stelle nicht Farbe bekennen wür-
den, dann will ich Ihnen einmal die jüngsten Zahlen aus
dem Saarland nennen. Das Saarland hat die freiwillige
Ganztagsschule nach vorne gebracht. Innerhalb eines
Schuljahres hat sich die Zahl der Ganztagsschulen bei
den Realschulen von neun auf 22 erhöht. Das heißt, fast
jede zweite Realschule im Saarland ist jetzt mit einem
freiwilligen Ganztagsangebot ausgestattet. Bei den
Grundschulen ist innerhalb eines Jahres eine Steigerung
von 97 auf 168 zu beobachten. Ich finde das beachtlich.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mehr als die Hälfte aller Grundschulen im Saarland hat
nun auf freiwilliger Basis ein Angebot an Ganztagsschu-
len. Bei den Gymnasien ist es so, dass jedes dritte Gym-
nasium die freiwillige Ganztagsschule anbietet. Wer jetzt
immer noch sagt, die Union würde nicht handeln, der irrt
und sollte einmal in die SPD-regierten Länder schauen.
Dort ist dieser Fortschritt noch nicht zu verzeichnen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Nicolette Kressl [SPD]: Was ist in Sachsen-Anhalt?)


– Liebe Kolleginnen, Sie wissen genau, dass die Bun-
desländer in einem deutlichen Wettbewerb zueinander
stehen. Ich bin über jedes Bundesland froh, das an dieser
Stelle seine ganze Kraft einsetzt, um in den Bereichen
der Kinderbetreuung und der Ganztagsschulen weiterzu-
kommen.


(Nicolette Kressl [SPD]: Sachsen-Anhalt hat alles reduziert!)


Aber ich sage Ihnen auch zum wiederholten Mal: Dieje-
nigen Länder, die vorne liegen, sind die unionsregierten
Länder, und diejenigen Länder, die die Schlusslichter
bilden, sind die SPD-regierten Länder.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Oh, oh!)


Über eine Äußerung der Ministerin, die immer wieder
in der Presse zu lesen ist, war ich doch etwas erstaunt.
Frau Schmidt, Sie sagen immer wieder, dass Sie wenig
Geld und kaum eigene Gesetzgebungskompetenz ha-
ben und dass Sie auf einen Mentalitätswechsel setzen.
Ein Mentalitätswechsel ist zwar nie falsch. Aber es kann
natürlich nicht sein, dass man nur darauf verweist, weil
man machtlos ist. Auch war ich ganz erstaunt festzustel-
len, dass eine Ministerin Renate Schmidt machtlos sein

soll. An dieser Stelle müssten wir in der Tat überlegen,
eine Initiative zu starten.

Dann habe ich mir aber einmal die Geschäftsordnung
der Bundesregierung vorgenommen. Dort habe ich mit
Fug und Recht gelesen – dafür haben wir alle miteinan-
der gekämpft; denn wir sind daran interessiert, dass wir
ein starkes Familienministerium und ein starkes Ministe-
rium für Frauen haben –, dass das Bundesministerium
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stets zu betei-
ligen ist, wenn Gesetze von gleichstellungspolitischer
Bedeutung behandelt werden. Das steht in der Ge-
schäftsordnung.

Auch habe ich mich gefragt: Was ist eigentlich bei der
Rentenreform geschehen? Frau Schmidt, das fällt jetzt
zwar vor Ihre Amtszeit, aber es wird Ihnen mit Sicher-
heit auch in Ihrer Amtszeit so ergehen. Wie sind die Re-
gelungen umgesetzt worden? Heute sind wir mit einer
Regelung in der privaten und betrieblichen Vorsorge
konfrontiert, die lautet: neue Benachteiligungen für
Frauen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist die Wahrheit!)


Diejenigen, die Verfassungsrechtler sind – ich nenne
hier Ute Sacksotsky, eine der Frauen, die viele Jahre am
Bundesverfassungsgericht tätig war und heute in Frank-
furt Professorin ist –, erklären, dass diese Regelung vor
dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand hätte.
Denn Frauen zahlen die gleichen Beiträge, bekommen
aber schlechtere Leistungen in der privaten und in der
betrieblichen Altersvorsorge. Deshalb, Frau Ministerin,
fordere ich Sie hier auf: Machen Sie damit Schluss! Nut-
zen Sie Ihre Kompetenzen. Sorgen Sie dafür, dass
Frauen in unserem Land Gerechtigkeit widerfährt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich komme auf den von Ihnen angesprochenen Men-
talitätswechsel zurück. An einer Stelle habe ich ge-
schmunzelt, als Sie nämlich das Fach Familienkunde
gefordert haben. Familienkunde ist sicherlich ein wichti-
ger Ansatz. Aber wir sollten die Schulen nicht zu einem
Reparaturbetrieb für etwas, was vorher nicht geleistet
werden konnte, verkommen lassen. Wir wollen Familien
stärken, damit sie aus ihrer Verantwortung heraus das
leisten können, was ihre Aufgabe ist, nämlich die Kinder
zu erziehen. Die Erfüllung dieser Aufgabe lässt sich
nicht ersetzen.

Ich erinnere mich daran, dass Olaf Scholz, der Gene-
ralsekretär der SPD, angekündigt hat, die SPD wolle die
Lufthoheit über den Kinderbetten erobern. Dazu muss
ich Ihnen an dieser Stelle sagen: Wir sind dagegen, dass
irgendjemand die Lufthoheit über den Kinderbetten hat.
Hier sind die Eltern gefordert. Die Verantwortung liegt
immer noch bei ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Frau Schmidt, ich weiß aber auch, dass Sie immer wie-
der sagen, dass Sie niemandem vorschreiben wollen, wie
er zu leben hat. Das halte ich für richtig. Hier stimmen
wir überein. Aber es gibt einen Unterschied zwischen
uns. Die Fakten bei der SPD sprechen eine andere Spra-






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Maria Böhmer
che als das, was Sie immer wieder verkünden. Das
möchte ich an zwei Beispielen deutlich machen.

Erstens. Kinderbetreuungskosten können nur dann
steuerlich abgesetzt werden, wenn beide Elternteile er-
werbstätig sind. Ich frage mich: Warum gilt dies nicht
auch für den Fall, in dem nur ein Elternteil erwerbstätig
ist?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Auch in diesem Fall kann es sinnvoll sein, Kinderbetreu-
ung wahrzunehmen, beispielsweise dann, wenn ein Kind
als Einzelkind aufwächst. Hier wäre diese Regelung hilf-
reich. An dieser Stelle sollten wir mehr tun.

Zweitens. Wie sieht es mit der Aufstockung der
Rentenbeiträge bei der Erziehung bis zum zehnten Le-
bensjahr des Kindes aus? Wir haben heftig dafür kämp-
fen müssen, dass diese Regelung nicht nur Erwerbstäti-
gen zugute kommt, sondern dass auch Frauen, die wegen
Kindererziehung auf Erwerbstätigkeit verzichten, eine
Aufstockung der Rentenbeiträge bekommen. Aber im-
mer noch sind die Mütter mit einem Kind bei dieser Ren-
tenregelung außen vor. Diese Frauen haben keine Lobby
bei Ihnen und so kann es nicht bleiben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zuletzt möchte ich noch einen Punkt ansprechen, der
mir in der Tat Sorge bereitet. Wir sind in der Situation, dass
den Familien zwar mehr Mittel gegeben werden – und Sie
haben durchaus Finanzmittel in der letzten Legislaturpe-
riode lockergemacht –, aber die Erhöhung des Kindergel-
des durch mehr Steuern, mehr Abgaben und Mehrauf-
wendungen für Kinderbetreuung aufgefressen wird. Das
heißt, dass sich Familien unter dem Strich heute schlech-
ter in unserem Land stellen. Deshalb müssen wir alle an
einem Strang ziehen, damit die Vorgaben des Bundesver-
fassungsgerichts beachtet werden, die die finanzielle Ge-
rechtigkeit für Familien und die steuerliche Gleichstel-
lung von Alleinerziehenden betreffen, was von Ihnen
völlig falsch interpretiert worden ist und deshalb zu einer
Schlechterstellung von Alleinerziehenden geführt hat.
Dasselbe gilt auch für die Urteile des Bundesverfas-
sungsgerichts mit Blick auf die Pflegeversicherung und
die Rentenversicherung. Hier müssen bald die Weichen
gestellt werden.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503311100


Frau Kollegin Böhmer, darf ich Sie an Ihre Redezeit
erinnern.


Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1503311200


Frau Ministerin, ich habe die Erwartung an Sie, dass
Sie mit ganz konkreten Vorschlägen auf uns zukommen
und deutlich machen, dass Sie nicht nur für die Familie
reden und SOS funken, sondern mit uns an einem Strang
ziehen, wenn es darum geht, die Weichen in diesem
Land richtig zu stellen. Wir werden alle Kraft über den
Bundesrat dafür einsetzen, dass Familien in diesem Land
nicht länger im Regen stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503311300


Die nächste Rednerin ist die Kollegin Nicolette
Kressl, SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Nicolette Kressl (SPD):
Rede ID: ID1503311400


Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin-
nen! Nun hat Frau Böhmer gerade, wie wir gehört haben,
doch tatsächlich angemahnt, den Vergleich zwischen
dem zu ziehen, was in Wahlkämpfen versprochen wor-
den ist, und dem, was jetzt stattfindet. Wir haben darauf
hingewiesen, dass für uns ganz wichtig ist, nach den
deutlichen materiellen Verbesserungen für Familien in
der letzten Legislaturperiode Maßnahmen einzuleiten,
um endlich die Betreuungssituation zu verbessern.


(Beifall bei der SPD)


Beides haben wir auf den Weg gebracht, während die
Union, wenn ich mich richtig erinnere, in dem scheinbar
schlüssigen Konzept, von dem Sie gerade gesprochen
haben, vorrangig ein Familiengeld versprochen hat. Jetzt
frage ich: Warum haben wir heute nicht ein Wort davon
gehört, Frau Böhmer?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das kann eigentlich nur damit zu tun haben, dass das,
was Sie im Wahlkampf versprochen haben, heute über-
haupt nicht mehr gültig ist. Sonst hätten Sie es wieder
deutlich gemacht.


(Dr. Maria Böhmer [CDU/CSU]: Freuen Sie sich nicht zu früh!)


Sie haben sich offensichtlich sang- und klanglos von
Ihrem scheinbar schlüssigen Konzept verabschiedet, Sie
stellen aber keine Alternativen vor. Sie sagen uns, was
Ihnen nicht recht ist. Sie haben sich von Ihrem ehemali-
gen Konzept verabschiedet. Das heißt, auch in der Fami-
lienpolitik reihen Sie sich in die Linie derer in der CDU/
CSU ein, die nur noch sagen, was sie nicht wollen, aber
keine eigenen Konzepte auf den Tisch legen können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Schauen wir einmal auf den Haushalt, über den wir
heute debattieren. Haushalte sind nur auf den ersten
Blick reines Zahlenwerk. Sie spiegeln in Wirklichkeit
immer wider, welche Prioritäten gesetzt werden; sie
machen deutlich, welche Leitlinien, welche politischen
Vorstellungen bei der Aufstellung eines Haushalts wich-
tig sind. Wie bei dem Haushalt für Bildung und For-
schung, über den wir vorher gerade debattiert haben,
steht auch bei diesem Haushalt für uns eines im Vorder-
grund: Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, da-
mit Menschen sowohl im ökonomischen als auch im
gesellschaftlichen Bereich gleiche Chancen haben. Da-
für steht dieser familienpolitische Haushalt.






(A) (C)



(B) (D)


Nicolette Kressl

(Beifall bei der SPD)


Das bedeutet natürlich auch – es lohnt sich vielleicht,
sich darüber Gedanken zu machen –: Wer Rahmenbe-
dingungen für gleiche Chancen für Kinder und junge
Menschen schaffen will, muss erst einmal überlegen,
wie die gesellschaftlichen Realitäten sind. Ich habe im-
mer noch den Eindruck – auch nachdem ich Sie heute
gehört habe –, dass Sie die gesellschaftlichen Realitäten
nicht wahrnehmen und dementsprechend auch nicht in
Ihre Konzepte umsetzen, wobei man von Konzept, wie
gesagt, eigentlich gar nicht mehr reden kann.


(Walter Schöler [SPD]: So ist es!)


Weil wir unsere Aufgabe wahrnehmen, gesellschafts-
politische Rahmenbedingungen zu schaffen, setzen wir
eben nicht mehr allein auf die direkte materielle Förde-
rung von Familien. Vielmehr halten wir es für richtig,
die Rahmenbedingungen zu verbessern, um den tatsäch-
lichen Bedürfnissen von jungen Vätern und Müttern
gerecht zu werden. Deshalb werden wir Familien dabei
unterstützen, ihre Lebensform nach ihren eigenen Vor-
stellungen bestimmen zu können.

Ich möchte noch auf Frau Tillmann und Frau Böhmer
eingehen; denn ich halte es für unverfroren, dass Sie
zum Beispiel die erwerbsbedingten Betreuungskosten
nennen und uns unterstellen, wir würden nur die berufs-
tätigen Eltern unterstützen. Dabei verschweigen Sie,
dass wir einen Freibetrag von mehr als 2 000 Euro für
Betreuung, Erziehung und Ausbildung eingeführt haben,
der völlig unabhängig von der Art der Betreuung allen
Eltern gewährt wird.


(Antje Tillmann [CDU/CSU]: Und die Ausbildungsbeiträge gestrichen!)


Das zu verschweigen ist unredlich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ina Lenke [FDP])


Neben der Unterstützung für junge Mütter und Väter
in der Betreuung wollen wir erreichen, dass alle Kinder
unabhängig vom sozialen Status der Eltern die bestmög-
liche Bildung bekommen. Auch dabei steht das Ziel der
Chancengleichheit im Vordergrund.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass wir uns für die-
ses Ziel einsetzen.

Deshalb ist es unredlich, das Paket Bildung und
Betreuung auseinander zu dividieren, wie es manchmal
Ihren Pressemitteilungen zu entnehmen ist. Wir meinen,
dass zugunsten der bestmöglichen Chancen für Kinder
und junge Menschen Bildung und Betreuung zusammen-
gehören.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie wahrheitswidrig behaupten, der Bund
würde bei der Vorlage seiner Verwaltungsvereinbarun-

gen den Ländern nicht die weitestmögliche Freiheit ein-
räumen,


(Anton Schaaf [SPD]: Wider besseres Wissen!)


und andere unter Ihnen gleichzeitig fragen, warum wir
kein pädagogisches Konzept fordern, dann kann ich nur
feststellen, dass es Ihnen offensichtlich nicht um die
Chancen der Kinder geht, sondern wieder nur darum, et-
was zu verhindern.


(Beifall bei der SPD – Dr. Maria Böhmer [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!)


Ich habe mich sehr gefreut, als letzten Freitag nach
der Kultusministerkonferenz eine Einigung über die Ver-
waltungsvereinbarung erkennbar wurde. Ich gehe davon
aus, dass sich die beiden Seiten noch aufeinander zu be-
wegen werden.


(Antje Tillmann [CDU/CSU]: Hoffentlich!)


Ich will Ihnen aber deutlich sagen: Wenn Ihnen so sehr
an Kleinigkeiten und Kompetenzstreitigkeiten liegt, dass
schließlich die Verwaltungsvereinbarung scheitert, dann
werden Sie den Eltern und den Kindern erklären müssen,
warum Sie ihnen nicht die Chancen für eine bessere Be-
treuung ermöglichen. Sie werden das in jedem Land er-
klären müssen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zu der Förderung von Chancengleichheit gehören un-
serer Ansicht nach auch Programme, in denen sichere
Lebensräume für junge Menschen unabhängig von ihrer
Herkunft in den Mittelpunkte gestellt werden. Deshalb
unterstützen wir – auch der Haushaltsausschuss ist darin
übereingekommen – weiterhin die Programme Entimon
und Civitas. Denn mit diesen Programmen gegen
Rechtsextremismus werden die gesellschaftlichen
Grundlagen dafür geschaffen, dass die Würde der Men-
schen und nicht ihre Herkunft im Mittelpunkt von Politik
und Gesellschaft steht.


(Beifall bei der SPD)


Selbstverständlich muss bei Programmen, die aus
Steuermitteln finanziert werden, auf ihre Wirksamkeit
geachtet werden. Deshalb hat sich das Familienminis-
terium dafür ausgesprochen, dass Überprüfungen und
Evaluationen durchgeführt werden. Aber so richtig es
ist, auf Zielgenauigkeit zu achten, so ist es für uns auch
unabdingbar, dass auf Bundesebene ein Engagement ge-
gen Fremdenfeindlichkeit gerade bei jungen Menschen
erfolgt. Wir müssen jungen Menschen die Chance bie-
ten, sich persönlich weiterzuentwickeln und rechte Paro-
len hinter sich zu lassen. Die genannten Programme bie-
ten jungen Menschen diese Chance.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will von dieser Frage der Gewalt einen Bogen zu
einer anderen Frage spannen, die mit Gewalt verbunden
ist, nämlich Gewalt, die gegen Kinder und Jugendliche
gerichtet ist. Diese Gewalt kann junge Menschen nicht






(A) (C)



(B) (D)


Nicolette Kressl
nur zutiefst verletzen und auch zerstören, sondern im
Zusammenhang damit kann auch Gewalt entstehen, die
sie gegen andere Menschen richten. Die Koalitionsfrak-
tionen werden deshalb den nationalen Aktionsplan ge-
gen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen unter-
stützen und vorantreiben; denn der soeben erwähnte
Zusammenhang ist ganz wichtig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zur Chancengleichheit für Kinder, Jugendliche, Fa-
milien und Frauen gehört die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf. Wir müssen darauf achten, dass es faire Be-
dingungen für Frauen und Männer im Beruf und in ande-
ren gesellschaftlichen Bereichen gibt. Deshalb legen wir
auch auf die Umsetzung der EU-Gleichstellungsricht-
linie Wert und unterstützen die Einrichtung eines Gen-
der-Kompetenz-Zentrums, wie es geplant ist.

Für eine lebendige und sich ständig fortentwickelnde
Gesellschaft müssen und wollen wir Menschen in all ih-
ren unterschiedlichen Lebensformen und -phasen unter-
stützen; denn gerade diese Mosaiksteinchen lassen ein
geschlossenes und stabiles Ganzes entstehen. Dieses sta-
bile Ganze wollen wir fördern und unterstützen. Auch
dafür ist der vorliegende Haushaltsentwurf ein Signal.
Deshalb können wir Sie nur auffordern, diesem Entwurf
zuzustimmen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503311500


Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege An-
dreas Scheuer, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1503311600


Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Frau Kollegin Kressl, bleiben Sie ruhig! Zum Fami-
liengeld komme ich noch. Sie müssen nur ein bisschen
Geduld haben.

An einem Haushalt sollte man erkennen, wo Schwer-
punkte gesetzt werden. Ihr Einzelplan, Frau Ministerin
Schmidt, ist in dieser Hinsicht zum einen – in diesem
Fall: leider – sehr klar in der Ausrichtung und zum ande-
ren stecken die Tücken im Detail.


(Zurufe von der SPD: Aha!)


Die Grundausrichtung beschränkt sich auf ein – diesen
Begriff kennen Sie bereits von uns – Gesellschaftskonzept
à la DDR light. Das möchte ich Ihnen heute beweisen.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das, was Sie vorgelegt haben, ist nichts anderes als eine
Tirade von Gleichmacherei, Verstaatlichung und Zentralis-
mus. Ihr Konzept ist wie ein abrasierter englischer Rasen
der Gleichmacherei: Jeder, der mehr tun oder leisten will

als seine Pflicht, wird bestraft und durch Regelungen ge-
gängelt. Wir wollen dagegen eine kräftige Wiese der Un-
terschiedlichkeit – jeder nach seiner Fasson –, weil es in un-
serem Land viele Menschen gibt, die eigene Ideen haben
und Kraft und Mut besitzen. Der Staat soll erst dort eingrei-
fen, wo Wildwuchs herrscht. Damit werden Leistung,
Wettbewerb, Eigenverantwortung, Selbstverwirklichung
und Solidarität gefordert, aber auch gefördert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Als Beispiel möchte ich Ihr Konzept einer Ganztags-
schule auf Pflichtbasis nennen. Sie verstaatlichen damit
die Erziehung.


(Nicolette Kressl [SPD]: Das ist doch die Unwahrheit!)


Ich muss das nicht vertiefen, da meine Vorredner von der
Union schon darauf eingegangen sind. Nur so viel: Hier
ist der Angriff auf die Entscheidungsfreiheit der Eltern
sowie auf das Ehrenamt und das freiwillige Engagement
vorprogrammiert. Entschuldigen Sie, Ihr Kleckerbetrag
von 300 Millionen Euro für diesen Bereich dient auch
nur als Alibimaßnahme. Von der angekündigten
1 Milliarde Euro auf nur 300 Millionen Euro in dem vor-
liegenden Haushalt!


(Zuruf von der SPD: Das ist doch Quatsch!)


Für uns ist klar: Genauso wie bei der Grundsicherung – es
gibt noch viele andere Beispiele – machen Sie auch hier
ein neues Fass in Sachen Belastung der Kommunen auf.

Die Mittelverteilung in den verschiedenen Bereichen
ist ohnehin Ihre sehr anfällige Achillesferse, Frau Minis-
terin Schmidt, wenn ich sehe – das ist heute schon öfter
angeklungen –, wie Sie vom Bundesrechnungshof und
von der Friedrich-Ebert-Stiftung scharf gerügt werden,
dass Gelder für die Programme gegen rechts ins Leere
gehen. Eines dieser Programm in Höhe von 5 Millionen
Euro beinhaltet zum Beispiel Kosten für die Servicestelle
und für die Vergabe der Mittel in Höhe von 827 000 Euro
jährlich. Sie schaffen mit dieser Servicestelle ein Kunst-
gebilde. Das zum Thema Bürokratieabbau und Verwal-
tungsvereinfachung. Vielleicht liegt es ja daran, dass da-
mit besser SPD-nahe, ja sogar linksextreme Projekte und
Initiativen berücksichtigt werden können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Hier wird vielfach mit Staatsknete linientreu finanziert
bzw. honoriert.

Hören Sie sich doch einmal bei den verlässlich arbei-
tenden Trägern um! Die bleiben nämlich auf der Strecke
und beklagen sich, dass die Projektzahlen durch die zen-
trale Verteilung zurückgehen, nämlich von 330 Projekten
in Bayern auf nur 98 Projekte. Man fragt sich, warum
man von der gut funktionierenden dezentralen Vergabe-
methode abgerückt ist.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch alles bescheuert!)


– Danke. Hervorragender Zwischenruf!






(A) (C)



(B) (D)


Andreas Scheuer

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ja, genau!)


Vor allem die Nähe zu den Antragstellern hat vor
Missbrauch geschützt und die Projekte wurden „in die
Fläche transportiert“. Genau darauf zielt im Großen und
Ganzen die Hauptkritik des Bundesrechnungshofes.

Sie müssen sich endlich einmal fragen, ob allein Pro-
jekte gegen rechts die Probleme der jungen Menschen
lösen. Das ist aus unserer Sicht nicht so. Die Jugendli-
chen fühlen sich in Sachen Ausbildung und Arbeit betro-
gen. Auf die damit verbundenen Fragen haben Sie,
meine Damen und Herren von Rot-Grün, keine Antwor-
ten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der griesgrämige Kabinettsgrufti Schily, der gerade
eingetroffen ist, agiert hier im Parlament mit Scheiben-
wischergesten und unflätigen Kommentaren.


(Nicolette Kressl [SPD]: Und das beim Haushalt für das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch unglaublich! Das ist nicht nur bescheuert, das ist ungehörig! Unfassbar! Nehmen Sie das zurück! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist diskriminierend!)


– Nein, ich nehme das nicht zurück, weil auch er die
Scheibenwischergesten nicht mehr zurücknimmt. Er
sollte sich lieber mit der Blamage des gescheiterten
NPD-Verbots beschäftigen. Das wäre ein Programm ge-
gen rechts.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wie logisch das Bundesministerium von Frau
Schmidt in Sachen Förderung des Ehrenamtes arbeitet,
sieht man bei der Streichung der Mittel auf 40 Prozent.
Die Begründung ist, dass das Jahr 2001 das Jahr des Eh-
renamtes gewesen sei und deshalb die Mittel so hoch ge-
wesen seien. Deshalb habe man so drastisch gekürzt.
Das leuchtet wirklich nicht ein.

Für uns von der Union ist jedes Jahr ein Jahr des Eh-
renamtes. Wir müssen Menschen motivieren, in unserer
Gesellschaft aktiv zu werden und sich zu engagieren;
denn wer sich engagiert, gewinnt.

Es war schon komisch, dass der Fraktionsvorsitzende
Müntefering am Freitag vergangener Woche sagte: „Wir
wollen die Chance zur Eigenverantwortung und zur
Selbstverwirklichung geben.“ Außerdem sagte er: „Der
Staat muss sich zurückziehen.“ Jetzt auf einmal geht es
doch. Aber die Motivation von Rot-Grün ist dabei ganz
klar: Wenn in der Staatskasse kein Geld mehr ist, dann
rückt man den Menschen plötzlich wieder in den Vorder-
grund. Vorher stellte man alles, was geht, unter staatliche
Zuständigkeit und verteufelte die Union, weil sie dafür
ist, die Bürger selbst entscheiden zu lassen. Müntefering
sagte auch, dass zu viele Menschen nur auf der Tribüne
sitzen und zusehen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Setzen Sie sich wieder hin! Das ist sowieso Unsinn, was Sie erzählen!)


Genau auf dem Gebiet Ehrenamt wird in diesem Einzel-
plan radikal gekürzt.

Stimmen Sie sich von Rot-Grün in Ihren Strategien
endlich in Ihren eigenen Reihen ab! Sie vergiften die
Stimmung in unserem Land, weil sich die Menschen an-
gesichts des Chaos Ihrer Aussagen nicht mehr ausken-
nen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das müssen Sie gerade sagen!)


Das ist in der Wirtschaftspolitik genauso wie in der Ge-
sellschaftspolitik.

Die SPD hat in der Vergangenheit eine falsche Politik
gemacht. Daran war man gewöhnt, weil dieser falsche
Kurs verlässlich war.


(Walter Schöler [SPD]: Fragen Sie einmal Ihren Kollegen Edmund, der da vorne immer sitzt! Der Wunderknabe!)


Heute macht die SPD immer noch eine falsche Politik,
aber das verlässlich unzuverlässig. Keiner kennt sich bei
den Widersprüchen in den Aussagen und Taten mehr
aus.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Namen der verschiedenen Programme sind
großartig. „Jugend bleibt“, ist ein Programm mit einem
Volumen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Die Abwan-
derung von jungen Menschen aus den neuen Ländern ist
dennoch dramatisch. Zudem waren im Februar
2003 581 000 junge Menschen unter 25 Jahre arbeits-
los. Die jungen Leute haben sehr wenig Perspektive,
fühlen sich als Verlierer am Ausbildungs- und Arbeits-
markt und sie haben kein Vertrauen in die Politik. Wen
wundert es bei dieser Bundesregierung?

Reparaturmaßnahmen wie solche Programme helfen
da wirklich wenig. Sie meinen es mit diesen Program-
men zwar gut; aber machen Sie, meine Damen und Her-
ren von Rot-Grün, lieber eine gute Wirtschaftspolitik,
die auf mehr Wachstum und mehr Beschäftigung basiert.
Das wäre eine auf Nachhaltigkeit und Generationenge-
rechtigkeit hin ausgerichtete Politik. Meine Damen und
Herren von Rot-Grün, bringen Sie Ihre Gewerkschafts-
bremser in den eigenen Reihen zur Räson. Das wäre die
beste Investition in unsere Jugend.


(Zurufe von der SPD: Oh! – Ah! – Christel Humme [SPD]: Das sagt ein selbstständiger Unternehmer!)


Grundsätzlich gilt in den verschiedenen Politikfel-
dern: Wir wollen die Leistung der Menschen im Ver-
gleich zu denen, die nichts oder sehr wenig zur Solidar-
gemeinschaft beitragen, honorieren.

Frau Kressl, wir stehen zu unserem Konzept zum Fa-
miliengeld. Sie sollten sich anschließen. Wir wollen
Geld für eine Investition in die Zukunft zur Verfügung stel-
len, um den Fortbestand unserer Gesellschaft zu sichern.






(A) (C)



(B) (D)


Andreas Scheuer
Wir wollen die jungen Familien für ihren gesellschaft-
lichen Beitrag besser stellen. Sie von Rot-Grün wollen
das demographische Problem mit starker Zuwande-
rung lösen.


(Widerspruch bei der SPD)


Das wollen genau zwei Gruppen in unserer Gesellschaft
nicht: die Union und die überwältigende Mehrheit in der
deutschen Bevölkerung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir wollen Ihren gesellschaftlichen Umbau durch mehr
Zuwanderung nicht lösen. Alle Experten sagen: Wenn
wir das demographische Problem nicht angehen, bekom-
men wir massive Probleme, auch hinsichtlich unserer so-
zialen Sicherungssysteme.

Auch das ist ein Punkt in Sachen Generationenge-
rechtigkeit: Deutschland ist im Weltvergleich einer der
ärmsten Staaten, nämlich arm an Kindern; Platz 180 von
191 Staaten.


(Walter Schöler [SPD]: Zählen Sie mal auf!)


Das ist wahrlich alarmierend. Wir müssen den Genera-
tionenvertrag endlich ganzheitlich sehen. Andere Länder
in Europa haben das demographische Problem längst be-
wältigt, und zwar auf ähnliche Weise, wie von uns vor-
geschlagen worden ist. In diesem Haushalt ist bei diesem
Thema Fehlanzeige.

Der Haushalt ist rückwärts- oder allenfalls gegen-
wartsorientiert, Frau Ministerin, aber auf keinen Fall zu-
kunftsorientiert. Sie brüsten sich immer mit der sozialen
Gerechtigkeit und stellen dies zur Schau. Ihre Politik
– das geben die nackten Zahlen wieder – ist nicht sozial,
geschweige denn generationengerecht. Erkennen Sie
endlich die Zeichen der Zeit! Eine Agenda 2010 à la
Schröder ist bei Ihrem Haushalt, Frau Ministerin
Schmidt, nicht erkennbar. Offenbar haben Sie da im Ka-
binett gefehlt oder nicht aufgepasst.


(Widerspruch bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr witzig!)


Ihr Haushalt ist nicht zeitgemäß und setzt die falschen
Schwerpunkte.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wie kann man nach drei Tagen Abgeordnetendasein nur so arrogant sein!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503311700


Herr Kollege Scheuer, Ihre Ausdrucksweise gegen-
über dem Bundesinnenminister war beleidigend. Ich er-
teile Ihnen dafür einen Ordnungsruf und bitte Sie herz-
lich, sich dafür zu entschuldigen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Für die erste Rede gleich ein Ordnungsruf! Ein schöner Einstieg! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Da drüben hat jemand gesagt, der sei bescheuert! Das ist auch eine Beleidigung! – Gegenruf des Abg. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ich habe gesagt – damit das klar ist –: Das ist bescheuert!)


Nächste Rednerin in der Debatte ist die Ministerin für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend Renate Schmidt.


(Beifall bei der SPD)


Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe
Kolleginnen! Ich möchte mich gleich zu Anfang bei den
Berichterstatterinnen und Berichterstattern zum Einzel-
plan 17 für die sehr solidarische, sehr offene, sehr zielge-
richtete und an manchen Stellen sicherlich auch kritische
Beratung meines Einzelplans sehr herzlich bedanken.
Das meine ich ganz ehrlich. Der Beitrag, den wir zuletzt
gehört haben, entsprach der Atmosphäre, die es während
dieser Beratung unter uns gab, in keiner Weise. Ich brau-
che jetzt nicht auf den in diesem Parlament nachgeholten
politischen Aschermittwoch einzugehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte mich bei meinen Ausführungen auf das
beschränken, um das es geht, nämlich auf den Einzel-
plan 17, wie es die meisten Rednerinnen und Redner
auch getan haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das BMFSFJ, das in seinem familienpolitischen Teil
in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum feiern kann, hat
in unterschiedlichen Regierungen viel erreicht, aber es
hat nicht selten auch herbe Rückschläge hinnehmen
müssen. Deshalb bin ich stolz darauf, dass es in einer
finanziell schwierigen Situation, in einer wirtschaftlich
angespannten Lage gelungen ist, zu erreichen, dass in
den Kernbereichen meines Ministeriums nicht gespart
werden muss.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es musste nicht im zentralen und wichtigen Bereich der
Familienpolitik gespart werden. Es gibt keinerlei Ein-
schränkungen beim Erziehungsgeld. Ich darf an dieser
Stelle vielleicht einmal daran erinnern, dass in der letz-
ten Legislaturperiode nach 15-jährigem Stillstand die
Einkommensgrenzen endlich angehoben worden sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es wird nicht beim Unterhaltsvorschuss gespart und es
wird auch nicht in solchen Bereichen wie dem Mütterge-
nesungswerk gespart. Nirgendwo im familienpolitischen
Teil muss gespart werden.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503311800


Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Eichhorn?






(A) (C)



(B) (D)

Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend:

Wenn mir das nicht auf die Redezeit angerechnet
wird, gern.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503311900


Natürlich nicht.


Maria Eichhorn (CSU):
Rede ID: ID1503312000


Frau Ministerin, Sie haben gerade gesagt, dass es kei-
nerlei Kürzungen beim Erziehungsgeld gibt. Wie ver-
trägt sich Ihre Aussage mit der Tatsache, dass uns heute
ein Änderungsantrag auf dem Tisch liegt, nach dem
beim Erziehungsgeld 30 Millionen Euro eingespart wer-
den sollen?

Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend:

Frau Kollegin Eichhorn, ich wäre ohnehin noch da-
rauf zu sprechen gekommen. So kann ich mir das sparen.
Herzlichen Dank.

Ich habe gerade gesagt, es gebe keinerlei Einschrän-
kungen beim Erziehungsgeld. Kein Kind, keine Familie
wird auch nur 1 Euro weniger Erziehungsgeld bekom-
men als in der letzten Legislaturperiode.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So einfach ist das, Frau Eichhorn!)


Es werden weniger Kinder geboren, als wir ursprüng-
lich prognostiziert haben. Die Kürzung um 30 Millio-
nen Euro bedeutet aber keinen dramatischen Rückgang,
wie von einem der Vorredner gesagt worden ist, sondern
einen Rückgang um 1 Prozent. Wir können nach den ers-
ten drei Monaten dieses Jahres genauer sagen, wie hoch
die Geburtenraten sein werden. Wir werden mit diesem
um 30 Millionen Euro gekürzten Ansatz gut zurecht-
kommen. Beim Erziehungsgeld werden keine Leistun-
gen eingeschränkt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Aber auch in anderen Einzelplänen und Ressorts wird
nicht zulasten von Familien eingespart. Ich nenne hier
beispielhaft das Kindergeld. Ich weise an dieser Stelle
noch einmal darauf hin, Frau Böhmer: Die deutlichen
Erhöhungen des Kindergeldes in der letzten Legislatur-
periode um 80 DM waren durch das Bundesverfassungs-
gericht nicht geboten, sondern es war eine freiwillige zu-
sätzliche Leistung von uns.


(Beifall bei der SPD)


Dass diese Leistung in der momentanen finanziellen Si-
tuation ungeschmälert erhalten bleibt, halte ich für einen
wesentlichen Erfolg.

Frau Böhmer, ich freue mich, dass Sie mein Buch so
genau gelesen und vieles daraus zitiert haben.


(Rita Pawelski [CDU/CSU]: Jetzt sagen Sie noch, wie teuer es ist!)


– Es kommt als Taschenbuch heraus, also können Sie es
preiswerter haben; aber dies nur nebenbei.


(Heiterkeit bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das war hart an der Grenze, Frau Kollegin!)


– Ich habe nur auf den Zwischenruf reagiert.

Ich stehe zu allem, was in diesem Buch steht. Natür-
lich weiß ich, dass die materiellen Leistungen für Fami-
lien von erheblicher Bedeutung sind. Aber wir müssen
heute feststellen, dass es nicht an erster Stelle um den
Faktor Geld geht. Es gibt viele Staaten in Europa, die
weniger Transferleistungen zahlen und keine Steuerer-
leichterungen ermöglichen; das gilt auch für die USA. In
diesen Ländern haben die Familien weniger und trotz-
dem sind die Geburtenraten höher; denn dort erfüllen
sich die jungen Frauen den vorhandenen Kinderwunsch,
weil sie ihren hauptsächlichen Wunsch – um den geht
es –, nämlich ihre Ausbildung nutzen und Beruf und
Kinder vereinbaren zu können, erfüllen können. Dahin
müssen wir kommen und darum setzen wir in diesem
Bereich Prioritäten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Frau Lenke, wir haben vereinbart, dass wir ab Ende
2004 – ich betone das; jetzt beraten wir den Haushalt
2003 – 1,5 Milliarden Euro für die Betreuung der unter
Dreijährigen einsetzen. Das werden wir auch tun. Ich
werde im Ausschuss im Detail über diese Maßnahmen
berichten. Ich werde den Kommunen nichts aufs Auge
drücken, sondern, wie ich es schon jetzt tue, gemeinsam
mit den Kommunen darüber verhandeln.

Ich habe mich bei meiner Fraktion versichert, dass
wir, wenn wir es über den Weg, den wir im Koalitions-
vertrag festgelegt haben, nicht schaffen sollten, das hin-
zubekommen, einen anderen Weg finden werden, der für
die Kommunen, die Länder und den Bund – das gehört
allerdings dazu – tragbar ist. Das ist ein wesentliches
Projekt dieser Legislaturperiode. Ich stehe dazu und ich
werde Sie rechtzeitig informieren, wie die Betreuungs-
quote erreicht werden wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Frau Böhmer, Sie sagen, ich würde über Mentalitäts-
veränderungen reden. Doch nicht nur, um Himmels wil-
len! Sie sind notwendig, weil wir als Gesetzgeber, egal
welcher Couleur wir sind, den Menschen eine kinder-
und familienfreundliche Gesellschaft nicht par ordre du
mufti aufs Auge drücken können, sondern Überzeu-
gungsarbeit leisten müssen.


(Beifall der Abg. Jutta Dümpe-Krüger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Aber es geht um mehr als um Mentalitätsveränderun-
gen. Es gibt beispielsweise – weil Sie das angesprochen
haben – ganz konkrete Vorhaben im Bereich der Gleich-
stellungspolitik. Ich habe in dieser Bundesregierung er-
reicht – auch ich kenne die Geschäftsordnung –, dass
zum Beispiel die Federführung für die Umsetzung der






(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Renate Schmidt
EU-Gleichstellungsrichtlinie in meinem Ressort und
nicht bei irgendwelchen anderen Ressorts liegen wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Maria Eichhorn [CDU/CSU])


– Nein, das war in Ihrer Regierungszeit anders. Ich erin-
nere an das Arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz, wie
es seinerzeit noch hieß. Wo lag die Zuständigkeit denn,
bitte schön? Sie lag beim BMA, wie auch die Zuständig-
keit für diese Richtlinien bisher beim BMA lag. Jetzt
liegt sie in meinem Ressort. Ich bin stolz darauf, dass das
gelungen ist und die Federführung bei uns sein wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Gleichzeitig, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, ha-
ben wir Ideen für Einsparungen, die Familien besonders
betroffen hätten, eine Absage erteilt. Solche Ideen ka-
men auch aus Ihren Reihen, zum Beispiel die, eine Fall-
pauschale in der Krankenversicherung einzuführen. Wen
hätte das besonders betroffen? Familien.

Ich habe auch sofort reagiert und mich eingemischt
und war damit erfolgreich, als irgendjemand die Idee ge-
boren hatte, die beitragsfreie Mitversicherung von nicht
erwerbstätigen Familienangehörigen zur Disposition zu
stellen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das kam aber nicht von uns!)


– Das kam aber auch nicht von uns, sondern von irgend-
welchen Experten. In solchen Fällen muss man sofort
versuchen, klar Schiff zu machen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nicht gekürzt haben wir im Bereich der Frauenpoli-
tik. Der Aktionsplan „Gewalt gegen Frauen“ wird un-
verändert und mit großer Intensität weitergeführt wer-
den. Wir haben die Mittel für die Stiftung Mutter und
Kind nicht gekürzt. Wir werden in wenigen Monaten das
erste Gender-Kompetenzzentrum der Bundesrepublik
Deutschland installieren. Es wird etwas getan. Ich setze
mitnichten nur auf Mentalitätsveränderungen; ich setze
aber auch darauf, weil sie dringend notwendig sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ebenso haben wir im Bereich der Seniorenpolitik
nicht gekürzt. So wird unser Projekt EFI, Erfahrungswis-
sen für Initiativen – es ist mir sehr wichtig, auch wenn es
nicht mit großen Beträgen im Haushalt steht –, genauso
fortgesetzt wie die anderen Projekte, die wir uns vorge-
nommen haben, um die Situation von hilfsbedürftigen
alten Menschen zu verbessern.

Meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Da-
men, ebenso wurden die Mittel des Kinder- und Ju-
gendplans nicht gekürzt, zum Beispiel für die Projekte
„Entwicklung und Chancen“, die vor allen Dingen für
die arbeitslosen jungen Menschen gedacht sind. Ich
werde alles tun, damit sie jetzt nicht irgendwie den Ar-

beitsämtern zum Opfer fallen. Deswegen werde ich
übermorgen, am Donnerstag, auch darüber mit Herrn
Gerster sprechen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Genauso werden die Mittel für solch wichtige Pro-
jekte wie Civitas, Entimon und Xenos nicht gekürzt.
Weil mir das so wichtig ist, sage ich: Ich verstehe Ihre
Kritik an dieser Stelle nicht. In den letzten Jahren wurde
doch deutlich, welche Brisanz Rechtsextremismus,
Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in unserer
Gesellschaft entfalten können. Die Frage, wie durch Prä-
vention und Intervention gegen rechtsextreme und frem-
denfeindliche Einstellungen und entsprechend motivier-
tes Handeln vorgegangen werden kann, bleibt damit in
meinen Augen auf der Tagesordnung, auch deshalb, weil
im Jahr 2002 von 12 634 extremistisch motivierten
Straftaten 10 579, also mehr als 80 Prozent, zum Be-
reich der rechtsextremen Gewalt zu zählen waren. Dies
beantwortet auch Ihre Frage: Warum nur gegen den
Rechtsextremismus? Wir müssen zur Kenntnis nehmen,
dass darin der Schwerpunkt liegt, den wir bekämpfen
müssen – ich glaube, doch wohl gemeinsam.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der bisherige Erfolg des Aktionsprogramms mit
seinen drei Teilen Civitas, Entimon und Xenos ist beacht-
lich. Seit 2001 war es möglich, insgesamt rund
2 750 Projekte, Initiativen und Maßnahmen zu fördern.
Bereits heute kann ohne Zweifel festgestellt werden, dass
der Bund mit dem Aktionsprogramm einen wichtigen
Beitrag zur Stärkung der Zivilgesellschaft geleistet hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie bezweifeln den Erfolg der Programme frei nach
dem Motto, das heute Heribert Prantl in der „Süddeut-
schen Zeitung“ wie folgt beschreibt:

Wenn die Zahl der Anschläge nicht sinkt, heißt es:
„Die Programme sind eh nicht erfolgreich.“ Wenn
die Zahl der Anschläge aber sinkt, heißt es: „Die
Programme brauchen wir nicht mehr.“

Diese Schlussfolgerung ziehen wir garantiert nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie bezweifeln die Bundeszuständigkeit. Die Pro-
gramme sind unter anderem wegen ihrer Kleinteiligkeit,
der Unterschiedlichkeit der Projektansätze bei gleicher
Zielrichtung und der Einbettung in lokale Netzwerke
modellhaft. Sie haben Anregungsfunktion; dies ist Auf-
gabe des Bundes. Die Programme werden selbstver-
ständlich evaluiert; das steht doch überhaupt nicht in-
frage.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Natürlich, meine sehr geehrten Herren, meine sehr ge-
ehrten Damen, kann es bei solchen Programmen auch
das eine oder andere schwarze Schaf geben. Wir werden






(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Renate Schmidt
jedem entsprechenden Hinweis, der uns erreicht, nach-
gehen und dies abstellen. Wir haben uns selbstverständ-
lich auch vorgenommen, in der nächsten Tranche, also
jetzt in 2003, die Zusammenarbeit mit den Kommunen
zu verbessern, aber doch bitte nicht um den Preis, dass
die Kommunen sagen, sie hätten keinen Bedarf an der
Bekämpfung rechtsextremer Gewalt, und dann gar nichts
mehr passiert. Das werden wir garantiert nicht mitma-
chen. Gegebenenfalls werden wir selbstständig Träger
suchen und dann versuchen, dies umzusetzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Weil Sie heute so häufig die Friedrich-Ebert-Stiftung
und Herrn Roth, der für die Friedrich-Ebert-Stiftung eine
Studie gemacht hat, erwähnt haben, möchte ich aus der
Zeitschrift „Das Parlament“ zitieren. Dort heißt es:

Aber auch Roland Roth fühlt sich missverstanden,
wenn seine Studie nun instrumentalisiert wird, um
Projekten den Geldhahn abzudrehen, wie zum Bei-
spiel dem Verein „Miteinander in Sachsen-Anhalt“,
der bundesweit anerkannt gute Arbeit leistet, nun
aber vor dem Aus steht, weil die Landesregierung
die Zuschüsse weitgehend streichen will.


(Zurufe von der SPD: Aha!)


Das ist nicht unsere Methode der Bekämpfung des
Rechtsextremismus.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir sind selbstverständlich für Hinweise – vor allem
auch des Bundesrechnungshofs – dankbar, was wir bes-
ser machen können. Nichts ist so gut, als dass man es
nicht noch besser machen könnte. Wir lassen uns aber
nicht davon abbringen, unseren Anteil bei der Bekämp-
fung von rechter Gewalt und Antisemitismus zu leisten.

Gespart werden musste natürlich auch im Einzel-
plan 17. Angesichts der Struktur dieses Einzelplans be-
stand die Notwendigkeit, die Einsparsumme vor allem
beim Zivildienst zu erbringen und damit auch die Auf-
lage des Koalitionsvertrages zu erfüllen, Wehr- und Zivil-
dienstpflichtige im gleichen Umfang, wie es ihrem Anteil
an einem Geburtsjahrgang entspricht, einzuziehen.

Frau Lenke, ich gebe Ihnen inhaltlich voll recht: Das
kann noch nicht die angestrebte Wehrgerechtigkeit
sein. Sie gibt es aber angesichts der Tatsache nicht, dass
die Bundeswehr nicht mehr sämtliche Wehrpflichtigen
benötigt.


(Ina Lenke [FDP]: Das wissen wir!)


Sie haben die Wahl, Einberufungsgerechtigkeit, wie Sie
es genannt haben, zu erreichen – dafür haben wir uns
entschieden – oder zu versuchen, an anderer Stelle Ge-
rechtigkeit zu erreichen. Wir haben uns, wie gesagt, für
den ersten Weg entschieden. Ich halte ihn für eine Über-
gangszeit auch für vernünftig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Abg. Ina Lenke [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Ich bitte, jetzt keine Zwischenfrage mehr zu stellen, da
ich mit meiner Rede fast am Ende bin.

Ich sage ganz deutlich: Wir brauchen eine schnelle
Entscheidung über die Frage: Wehrpflicht ja oder nein?
Möglichst bis Anfang 2004. Nach der Umsetzung dieser
Entscheidung wird es wieder mehr Planungssicherheit
geben als in diesem Jahr. Die Planungsunsicherheit ist
dadurch entstanden, dass wir im Oktober des letzten Jah-
res vor dem Hintergrund der geänderten Voraussetzun-
gen bereits eine höhere Zahl von Zivildienstpflichtigen
eingezogen haben.

Ich bin den Wohlfahrtsorganisationen und den ande-
ren Trägern des Zivildienstes sehr dankbar, dass sie be-
reit waren, mitzumachen, und ihre Zuschüsse erhöht ha-
ben. Ich bedauere es ungeheuer, dass die Anrufung des
Vermittlungsausschusses jetzt dazu beiträgt, dass wir die
Maßnahmen noch nicht umsetzen und die Sperre freige-
ben können. Sie blockieren und erhöhen damit die Un-
sicherheit bei den jungen Menschen wie bei den Trägern
des Zivildienstes weiter.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Die CDU/CSU-Länder!)


Eine Schwierigkeit taucht selten allein auf. So muss
ich sagen: Die Folgen des Programmierfehlers aus dem
Jahr 2001 müssen korrigiert werden. Ich sage aber auch:
Die Einsparmöglichkeiten in diesem Bereich haben das
Ende der Fahnenstange erreicht. Deshalb bin ich dem
Haushaltsausschuss sehr dankbar, dass er die erwähnte
Absenkung um 30 Millionen Euro mitgetragen hat und
dafür sorgt, dass wir in diesem Bereich nicht in weitere
Schwierigkeiten kommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Da-
men, mit dem hier vorliegenden Haushalt wird es gelingen,
zum einen zu sparen und zum anderen Politik weiter ge-
stalten zu können. Ich frage am Schluss: Was wollen Sie?
Ich habe mitbekommen, dass Ihr wesentlicher Antrag die
Kürzung und die Zusammenstreichung der Programme ge-
gen Rechtsextremismus beinhaltete. Sie hätten stattdessen
deutlich machen können – auf diese Diskussion hätte ich
mich heute vor dem Hintergrund konkreter Zahlen ge-
freut –, dass Ihr Konzept eines Familiengeldes umsetzbar
und finanzierbar ist. Die Haushaltsberatung wäre der rich-
tige Ort und die richtige Stunde gewesen. Das haben Sie
leider Gottes versäumt. Sie bieten den Menschen eine Mo-
gelpackung an, weil Sie wissen, dass Ihre Vorschläge ers-
tens nicht finanzierbar sind und zweitens bei der Bevölke-
rung nicht auf eine positive Resonanz stoßen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dennoch darf ich mich bei Ihnen allen bedanken.
Nachdem wir sofort wieder in die nächsten Beratungen
eintreten werden, bitte ich um Unterstützung für den
nächsten Haushalt.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503312100


Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
Ekin Deligöz, Bündnis 90/Die Grünen.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503312200


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Frau Ministerin Schmidt, auch wenn Sie mir ein
bisschen Redezeit gestohlen haben, was ich Ihnen gerne
zugestehe, bedanke ich mich nicht nur bei den Haushäl-
terinnen und Haushältern, sondern auch bei Ihnen. Denn
wenn wir heute feststellen können, dass Kinder und Fa-
milien im Mittelpunkt unserer Politik stehen, dieses
Thema an Bedeutung gewonnen hat und Sie bzw. Ihr
Ministerium immer lauter werden und Lobbyarbeit für
Kinder und Familien betreiben, dann müssen wir uns da-
für vor allem bei Ihnen bedanken. Die Koalition wird
weiterhin unter Beweis stellen, dass wir auch in dieser
Wahlperiode die gute Politik, die wir in den vergangenen
vier Jahren gemacht haben, fortsetzen werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ina Lenke [FDP]: Aber die Lobby der jungen Männer wird gar nicht praktiziert! Keine Lobby für junge Männer, die Wehrdienst oder Zivildienst leisten!)


Ich möchte ansprechen, was mich an dieser gesamten
Debatte grundsätzlich gestört hat. Wenn man Frau Till-
mann, Frau Böhmer oder auch Herrn Scheuer zuhört, ge-
winnt man den Eindruck, als ob man Familienpolitik nur
betreiben sollte, um den demographischen Faktor zu ver-
bessern und die Geburtsrate der Frauen zu steigern. Ich
finde, das ist eine Beleidigung für alle Familien, die Ver-
antwortung übernehmen. Das ist der Unterschied zwi-
schen Ihnen und uns.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD – Ina Lenke [FDP]: Was heißt „Ihnen“?)


Uns geht es nicht darum, sondern um Chancen- und
Teilhabegerechtigkeit, um die Unterstützung junger
Eltern, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen
und ihren Teil zu dieser Gesellschaft beizutragen, und
um Gerechtigkeit beim Aufwachsen von Kindern in
Deutschland. Es geht um die Kinder und nicht nur da-
rum, was gut für die Eltern ist, also auch um die Frage:
Was ist gut für unsere Kinder und Jugendlichen, die in
unserer Gesellschaft aufwachsen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir behalten die Leistungen für Kinder und Familien
bei. Frau Böhmer, Sie haben davon gesprochen, dass
Kindererziehung ein Gelübde für Armut ist.


(Dr. Maria Böhmer [CDU/CSU]: So ist es!)


Warum aber kommt ausgerechnet aus Ihren Reihen zum
Beispiel der Vorschlag, die Sozialhilfe um 25 Prozent zu
kürzen? 40 Prozent der Sozialhilfeempfängerinnen sind
alleinerziehende Mütter. Wenn Sie die Sozialhilfe um
25 Prozent kürzen, dann treffen Sie viele alleinerzie-
hende Mütter, die Sozialhilfe beziehen.


(Beifall der Abg. Sabine Bätzing [SPD])


Sie aber sprechen von einem Gelübde für Armut. Sie
sollten sich einmal in Ihren Reihen umschauen. Warum
stellen Sie sich, wenn Sie die Armut bekämpfen wollen,
gegen die Infrastrukturmaßnahmen im Bereich der
Ganztagsschulen und der Betreuung von Kindern im Al-
ter von null bis drei Jahren?


(Dr. Maria Böhmer [CDU/CSU]: Sie haben doch die Alleinerziehenden schlechter gestellt!)


Wir wissen spätestens seit der Vorlage des Armuts- und
Reichtumsberichts der Regierung bzw. weiterer Armuts-
berichte: Die beste Form der Armutsbekämpfung ist im-
mer noch die Förderung von Erwerbstätigkeit.


(Ina Lenke [FDP]: So ist es! Da hat die Bundesregierung starke Versäumnisse!)


Warum stellen Sie sich dagegen? Warum unterstützen
Sie ein Programm wie das des Familiengeldes, bei dem
es um nichts anderes geht, als Prämien für das Zuhause-
bleiben zu verteilen? Ist das Ihre Form der Armutsbe-
kämpfung?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dann setze ich lieber die Politik fort, die wir bisher be-
trieben haben.


(Dr. Maria Böhmer [CDU/CSU]: Das ist eine Katastrophe für unser Land!)


Warum haben Sie nicht zugestimmt, als wir das
Unterhaltsvorschussgesetz geändert haben? Warum wa-
ren Sie gegen die Erhöhung des Kindergeldes? Warum
waren Sie gegen das neue Modell des Erziehungsgeldes,


(Dr. Maria Böhmer [CDU/CSU]: Weil es Familien schlechter stellt!)


bei dem es um die Gewährung von mehr Geld während
der Erziehungsphase ging? Das ist die Doppelzüngigkeit
Ihrer Politik.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)


Zu den Ganztagsschulen: Es ist eine Unverschämt-
heit, in diesem Bereich von irgendwelchen DDR-Kopien
zu sprechen. Sie haben die Argumente nicht verstanden:
Es geht in der Tat um die Vereinbarkeit von Beruf und
Familie, um bessere Bildungsperspektiven und darum,
eine andere Zeiteinteilung und andere Pädagogikmodelle
auszuprobieren und sie im Sinne und zum Wohle des
Kindes einzuführen.

Es geht um noch etwas: Sie sprechen von den Ganz-
tagsschulen als den besseren Suppenküchen. 15 Prozent
der Kinder in dieser Gesellschaft leiden unter Adipositas,
das heißt unter Fettsucht. Noch mehr Kinder leiden unter
Magersucht. Es gibt zunehmend Kinder, die falsch ernährt
werden und die ohne Frühstück in die Schule gehen. Es
geht also nicht um Suppenküchen, sondern um eine ge-
sunde Ernährung. Auch das ist ein Teil der Ganztagsschule.






(A) (C)



(B) (D)


Ekin Deligöz
Gerade deshalb werden wir uns als Grüne weiterhin für
die Ganztagsschule einsetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns in
dieser Wahlperiode einiges vorgenommen, auch mit dem
Ausbau der Kinderbetreuung für Kinder von null bis drei
Jahren. Wir werden das durchziehen, es wird am Schluss
ein Erfolgsmodell sein und dazu werden Sie uns gratu-
lieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503312300


Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 17,
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend, in der Ausschussfassung.

Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen von SPD
und Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst ab-
zustimmen haben. Wer stimmt für den Änderungsantrag
auf Drucksache 15/618? – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen
der Koalition gegen die Stimmen der CDU/CSU bei Ent-
haltung der FDP angenommen.

Wer stimmt für den Einzelplan 17 in der Ausschuss-
fassung mit der soeben beschlossenen Änderung? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 17
ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen
der CDU/CSU und der FDP angenommen.

Ich rufe auf:

10. Einzelplan 06
Bundesministerium des Innern

– Drucksachen 15/556, 15/572 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Susanne Jaffke
Norbert Barthle
Klaus Hagemann
Lothar Binding (Heidelberg)

Anja Hajduk
Otto Fricke

Es liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
CSU sowie zwei Änderungsanträge der Fraktion der
FDP vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin
Beatrix Philipp, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Beatrix Philipp (CDU):
Rede ID: ID1503312400


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angst
ist ein schlechter Ratgeber.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Frau Philipp, ich freue mich!)


– Das sagt der Volksmund, Herr Wiefelspütz, und wie so
oft hat er Recht.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Macht ihr beiden das doch untereinander aus!)


Aber während wir noch vor ein paar Jahren in Veranstal-
tungen, auch in Wahlkampfveranstaltungen, feststellten,
dass die Menschen sehr viel mehr Angst haben, als sie
eigentlich haben müssten, das heißt, das subjektive Ge-
fühl der Bevölkerung ungleich schlechter war als die
Realität, hat sich dies inzwischen, spätestens nach dem
11. September, leider ganz erheblich verändert.

Ich möchte es aber bei dieser Feststellung gerade
heute nicht belassen und ich denke auch, niemand wird
mir widersprechen: Gerade heute sollte man sich ein we-
nig mit dem Thema Angst befassen, weil wir die Ängste
in der Bevölkerung ernst nehmen müssen und ihnen ei-
gentlich auch begegnen müssten. Angst muss ernst ge-
nommen werden und man kann sie nicht wegreden.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Man darf sie aber auch nicht schüren, Frau Philipp!)


– Richtig, Herr Wiefelspütz, man darf sie nicht schüren.
Aber man darf, indem man den Menschen die Wahrheit
sagt, dazu beitragen, dass ihnen vielleicht die Angst ge-
nommen wird, die sie aus einem unbestimmten Gefühl
heraus haben.

Wir müssen uns deswegen damit auseinander setzen,
weil wir gerade in dem Haushalt, der jetzt und hier zur
Beratung ansteht, auch die richtigen Prioritäten setzen
müssen. Mehr können wir hier im Augenblick nicht tun,
aber das, was wir tun können, müssen wir tun. Ich habe
Zweifel, dass diese Bundesregierung das auch so sieht.

Dabei ist nach meiner Meinung Folgendes festzustel-
len, ich will das gerade heute noch einmal ausdrücklich
sagen: Zweifellos wollen die Menschen – und ich denke,
auch jedes Mitglied in diesem Hause – keinen Krieg.
Aber die Angst vor einer militärischen Auseinander-
setzung ist aus vielen Gründen gerade in unserem Volk
besonders groß.

Es ist auch festzustellen, dass die Menschen das Be-
drohungspotenzial, das zweifellos von Saddam Hussein
ausgeht, immer noch nicht zu realisieren bereit sind. Da-
ran mag auch die Angst sie hindern, aber wir müssen den
Menschen die Wahrheit sagen. Ich verweise dabei aus-
drücklich auf die Beantwortung der schriftlichen Fra-
gen 275 bis 278 des Kollegen Dr. Schockenhoff vom Fe-
bruar dieses Jahres.

Ich finde es nicht in Ordnung, dass diese Bundesre-
gierung seit mehr als vier Wochen weiß, dass Saddam
Hussein ein mobiles Raketensystem im irakisch-kurdi-
schen Grenzgebiet stationiert hat. Sie weiß auch, dass
sich die Gefahrenlage für die deutschen, englischen und
amerikanischen Soldaten in Kuwait dadurch erheblich
verschärft hat.


(Sebastian Edathy [SPD]: Über welches Thema reden wir denn hier?)







(A) (C)



(B) (D)


Beatrix Philipp
Aber ich vermisse jedwede Konsequenz aus diesen Fak-
ten.

Herr Edathy, es gibt einen Zusammenhang zwischen
innerer und äußerer Sicherheit. Darauf komme ich
gleich noch zu sprechen. Sie erschweren sich jetzt wie-
der, das zur Kenntnis zu nehmen, indem Sie zwischen-
durch schwätzen. Wenn Sie diesen Zusammenhang nicht
sehen, finde ich das schwach.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Auch die Tatsache, dass die Vereinten Nationen seit
zwölf Jahren versucht haben, Druck auf den Irak auszu-
üben, ist in der aktuellen Debatte völlig in den Hinter-
grund getreten.


(Zuruf von der SPD)


– Das ist so. Ich stelle es hier nur fest. Deswegen weiß
ich gar nicht, warum Sie das nicht in Ordnung finden.

Selbst die schlichte Wahrheit, dass bis zum Augen-
blick Saddam Hussein es in der Hand hat, die Krise zu
beenden und eine friedliche Lösung herbeizuführen,
scheint den Menschen überhaupt nicht zugängig oder
präsent zu sein. Dazu – auch das sage ich ganz ehrlich
und offen; Sie kennen mich – hätte ich mir etwas mehr
Inhaltliches in den Ausführungen des Bundeskanzlers
heute Morgen gewünscht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Menschen erwarten von uns und auch vom Haus-
halt im Bereich der Innenpolitik – auch wenn Ihnen,
Herr Edathy, das immer noch nicht klar zu sein scheint –
verständlicherweise einen starken Staat, der sie nach
menschlichem Ermessen optimal und umfassend schützt.
Sie wollen möglichst angstfrei leben und sich sicher füh-
len. Deswegen erwarten sie von uns – darauf haben sie
einen Anspruch –, dass wir in diesem Bereich Konse-
quenzen ziehen.

Wir haben schon mehrfach – auch in diesem Hause –
darüber gesprochen, dass die althergebrachte Trennung
von äußerer und innerer Sicherheit nicht mehr durchzu-
halten ist. Das empfinden die Menschen – jedenfalls die
Menschen, mit denen ich spreche – genauso. Wir haben
darauf hingewiesen, dass wir eine Grundgesetzänderung
für notwendig halten. Was der hessische Innenminister
Volker Bouffier hier am 16. Januar ausgeführt hat, muss
einfach ernst genommen werden. Er hat dies aus sehr
persönlicher Kenntnis und Erfahrung mit den Vorgängen
in Frankfurt, die ja harmlos zu Ende gegangen sind, aus-
geführt. Ich zitiere:

Es geht um die Frage: Wie organisieren wir in unse-
rem Land die Gefahrenabwehr so, dass wir alles
tun, was wir können, was wir müssen, was rechts-
staatlich geboten ist, um den Bürgerinnen und Bür-
gern in diesem Lande den Schutz zu geben, den sie
brauchen?


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503312500


Frau Kollegin Philipp, gestatten Sie eine Zwischen-
frage?


Beatrix Philipp (CDU):
Rede ID: ID1503312600


Herrn Wiefelspütz eigentlich immer, nur im Augen-
blick nicht. Ich würde gerne den Gedanken zu Ende füh-
ren, weil es in Ihrer Fraktion offenbar Menschen gibt, die
das, was ich hier ausführe, nicht so nachvollziehen kön-
nen, wie Sie, Herr Wiefelspütz, es normalerweise tun.

Um dem berechtigten Wunsch nach optimalem
Schutz zu entsprechen, müssen wir die Voraussetzungen
für den Einsatz der Bundeswehr auch im Innern – zur
Gefahrenabwehr – schaffen. Das müssen wir bald tun.

Noch eine Vorbemerkung. Mir ist natürlich bekannt
– Herr Wiefelspütz, vielleicht sind Sie ein wenig ent-
täuscht –, dass eine Haushaltsplanberatung immer die
Stunde der Opposition ist. Ich weiß auch, dass die Nei-
gung besteht, zu überzeichnen. Die kenne auch ich. Dass
ich das kann, wissen Sie alle.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Frau Philipp, Sie nie! Sie übertreiben nie!)


Aber ich habe ganz ausdrücklich – ich meine das ernst –
am Anfang dieser Ausführungen über die Angst gespro-
chen, weil ich glaube, dass wir gerade in diesem Jahr
– vor dem Hintergrund der aktuellen Situation – ganz
besonders aufmerksam, sorgfältig und sensibel mit die-
sem Thema und den hier anstehenden Fragen umgehen
müssen. Es gibt in diesem Zusammenhang eben keinen
Raum für Polemik.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Menschen müssen nach der Debatte entweder
glauben, dass wir alles Menschenmögliche für ihre Si-
cherheit getan haben – oder eben nicht. Sie werden uns
daran messen, ob wir unserer Verantwortung gerecht ge-
worden sind – oder eben nicht.

Meine Damen und Herren, Haushaltswahrheit und
Haushaltsklarheit sind Minimalanforderungen. Das wis-
sen Sie alle. Leider muss ich schon am Anfang feststel-
len, dass es just mit diesen beiden Anforderungen im
Einzelplan 06 nicht weit her ist.

Erstens. Es fehlt völlig die Umsetzung des Tarif-
abschlusses im öffentlichen Dienst. Egal wie man ihn
nun findet: Im vorliegenden Haushalt findet er überhaupt
keine Berücksichtigung.

Zweitens. Ebenfalls unberücksichtigt, das heißt nicht
etatisiert, sind die Mittel, die der Staatsvertrag mit dem
Zentralrat der Juden erforderlich macht.


(Zuruf von der SPD: Doch! Das ist etatisiert!)


– Dann nehme ich das sofort zurück und bedanke mich
dafür. Wir hatten ja im Innenausschuss darüber gespro-
chen. Ich freue mich, dass auch diese Regierungskoali-
tion schlauer werden kann. Wir geben ja die Hoffnung
nicht auf. Gleich haben wir noch einen Antrag auf der
Tagesordnung. Auch da können Sie zeigen, dass Ihnen
dieser Weg nicht versperrt ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Drittens. Ebenso unumstritten ist – so hoffte ich je-
denfalls nach den Etatberatungen im Ausschuss – die






(A) (C)



(B) (D)


Beatrix Philipp
Bereitstellung der notwendigen Mittel für die IT-ge-
stützte Rekonstruktion vorvernichteter Stasiunterla-
gen. Die Summe für Personal und Hardware beläuft sich
auf circa 2,6 Millionen Euro.

Vor dem Hintergrund des 50. Jahrestages des 17. Juni
in diesem Jahr hielte ich es nicht für ein gutes Signal,
wenn nicht nur diese Mittel nicht eingestellt würden,
sondern die Birthler-Behörde auch noch eine Kürzung
um fast 3,5 Millionen Euro zu verkraften hätte.


(Klaus Hagemann [SPD]: Wie viel? Das stimmt nicht!)


Ich meine, wir müssen im Gegenteil etwas dafür tun,
dass die Akzeptanz der Arbeit dieser Behörde auch in
der Bevölkerung wieder wächst.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die fehlende Sensibilität und die Unkenntnis – das sage
ich ganz bewusst von jeder Besuchergruppe, die ich hier
durch Berlin führe, zum Beispiel auch nach Hohen-
schönhausen – über die Tätigkeit und die Machenschaf-
ten der Stasi und die Folgen für die Opfer sind in der Be-
völkerung oder zumindest bei denjenigen, die wir hier zu
begrüßen haben, erschreckend hoch. Deshalb wäre es ein
völlig falsches Signal, in diesem Bereich die Mittel zu
kürzen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das haben Sie vielleicht so nicht gesehen, und deswegen
bieten wir – darauf habe ich eben schon hingewiesen –
Ihnen durch unseren Antrag die Möglichkeit, Ihre Auf-
fassung dazu zu ändern.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das ist sehr nett von Ihnen!)


– Ja, so sind wir eben.

Es gehört zur Wahrheit, dass auch wir in unserer Re-
gierungsverantwortung in dem großen Bereich des Zivil-
und Katastrophenschutzes erhebliche Einsparungen
vorgenommen haben.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was heißt hier eigentlich „auch“? Wir haben die Mittel angehoben!)


– Dazu komme ich gleich. – Aber die Bedrohungslage
war vor ein paar Jahren anders einzuschätzen als heute.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Mit Ihnen möchte ich nicht in einem Atemzug genannt werden! – Gegenruf des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU]: Mäßigen Sie sich ein wenig!)


– Nicht dass Sie noch einen Herzinfarkt bekommen. Das
wollen wir nun auch nicht.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Könnt ihr euch nicht mal zum Privatissimum treffen?)


Die Betonung des Bereichs des Zivil- und Katastro-
phenschutzes muss zur Konsequenz haben, dass wir ihn
mit entsprechenden finanziellen Mitteln ausstatten.


(Zuruf von der SPD: Das machen wir!)


Die Menschen haben das Gefühl, dass dies nicht in aus-
reichendem Maße geschieht. Bei Bedrohungen aus der
Luft – ein Beispiel, das ich vorhin genannt habe –, also bei
Sicherheitsproblemen, die sich durch Angriffe mit Flug-
zeugen ergeben, reichen Absprachen nicht aus, um eine
Lösung zu finden. Die Menschen brauchen das Gefühl,
dass wir Vorsorge für eine zeit- und sachgerechte Reak-
tion getroffen haben, um die Zusammenarbeit zwischen
Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr, Bundesgrenzschutz,
THW sowie anderen Landes- und Bundesbehörden si-
cherzustellen. Das aber kostet Geld, welches nicht in dem
notwendigen Umfang – das meinen wir jedenfalls – im
Haushalt zu finden ist.

Wir begrüßen die Absicht des Bundesinnenministers,
ein Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Kata-
strophenhilfe zu schaffen. Wir sind nicht in allen Fällen
uneins und so stimmen wir Ihnen in diesem Fall zu. Die
Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und
Zivilschutz leistet hier schon wichtige Zuarbeit, wenn es
um die Koordinierung der Landes- und Bundesaufgaben
geht. Aber wie immer steckt auch hier der Teufel im De-
tail.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Der Teufel hat ein CDU-Parteibuch!)


In der Antwort der Bundesregierung auf unsere
Kleine Anfrage, Nr. 15/415, haben wir eine Reihe von
Hinweisen auf dringend notwendige Maßnahmen erhal-
ten. Ich nenne nur beispielhaft erstens die Ausstattungs-
frage des THW in Bezug auf die Wartung der Fahrzeuge.
Wer den Zustand und das Alter der Einsatzfahrzeuge
kennt, kann über Kürzungen in diesem Bereich, wie die
Bundesregierung sie vorgenommen hat, nur entsetzt
sein.

Zweitens ist die Einführung des digitalen Sprech-
und Datenfunks für die Sicherheitsbehörden in
Deutschland längst überfällig. Herr Minister, Sie mei-
nen, bis zur Weltmeisterschaft 2006 müsste dieses Sys-
tem funktionieren. Es ist auch keinem Menschen klar zu
machen, dass Polizei und Feuerwehr in unterschiedli-
chen Orten nicht miteinander kommunizieren können,
weil unterschiedliche Netze genutzt werden.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum hat Bayern denn ein anderes System als Niedersachsen?)


Die Mittel für die Ausschreibung, die ja wohl der Ver-
gabe vorausgeht – auch bei Ihnen, Herr Minister –, sind
im Etat nicht zu finden. Vielleicht ist es vergessen wor-
den, aber vielleicht ist es auch ein Beispiel für einen an-
deren Umgang mit Finanzen: Sie und auch wir wissen,
dass die Kosten für analoge Systeme in den nächsten
Jahren die Kosten für die Beschaffung und den Betrieb
digitaler Funksysteme überschreiten werden. In diesem
Zusammenhang wird häufig von Milchmädchenrech-
nung gesprochen. Wir halten es aus sachlichen wie aus
finanziellen Gründen für gravierend falsch, dass im Etat
keine Mittel für die Ausschreibung zu finden sind.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(B) (D)


Beatrix Philipp
Drittens. Zu einem schlüssigen Konzept im Bereich
des Zivil- und Katastrophenschutzes gehören auch die
Ausbildung der Bevölkerung in erster Hilfe und die
Aus- und Fortbildung von Pflegehilfskräften. Im Haus-
haltsentwurf waren dafür noch 5,4 Millionen Euro vor-
gesehen, nun sind es nur noch 3,4 Millionen Euro. Ich
wage es nur zu vermuten, wer Ihnen die 2 Millionen
Euro weggenommen hat, Herr Minister. Wir halten die-
ses Vorgehen für falsch. Man kann nicht auf der einen
Seite Impfstoff gegen Pocken kaufen und auf der ande-
ren Seite vor Ort und an der Basis Geld sparen. Das passt
nicht zusammen. Außerdem trägt es nicht dazu bei, dass
sich die Menschen in unserem Land sicherer fühlen und
wahrnehmen, dass wir alles tun, was möglich ist.

Noch ein Hinweis auf ehrenamtliches Engagement:
Der Herr Minister hat sich in seiner Einbringungsrede
sehr zutreffend über Ehrenamtlichkeit geäußert. Ich darf
zitieren:

Stärker ins Bewusstsein ist die Tatsache getreten,
dass wir uns auch auf Bundesebene mehr um
Bevölkerungsschutz und Katastrophenschutzhilfe
kümmern müssen.

Das ist sehr wahr. Allerdings frage ich mich besorgt, Herr
Minister, wessen Bewusstsein Sie gemeint haben. Ein
stärkeres Bewusstsein spiegelt sich nicht im Etat Ihres Mi-
nisteriums wider; das wissen Sie. Bei der vorgesehenen
Ausstattung dieses Bereiches gibt es zwar leichte Verbes-
serungen, aber die dringend notwendigen Mittel – da sind
wir uns ganz sicher; das haben wir in der Beratung zum
Haushaltsplan im Ausschuss aufgezeigt – fehlen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt The-
men, auf die mich die Menschen auf eigentlich jeder
Veranstaltung ansprechen. Sie fragen mich zum Beispiel,
was diese Bundesregierung und wir als Parlamentarier in
Bezug auf das deutsche Ausländer- und Sicherheits-
recht tun. Dass es nicht ausreichend ist, haben wir hier
schon mehrfach angesprochen. Leider gaben die Gesprä-
che in der ersten Runde keine Veranlassung anzunehmen
– das war eindeutig –, dass Sie mit uns in dieser Frage an
einem Strang ziehen. Wir haben bereits ein ausführliches
Konzept vorgelegt und würden uns sehr freuen, wenn
wir es, natürlich mit Zugeständnissen auf beiden Seiten,
zur Sicherheit der Bevölkerung möglichst schnell be-
schließen könnten.

Zu diesen Eckpunkten gehören – darin müssen wir
uns einig sein –: Wir müssen bereits die Einreise von Ex-
tremisten und Terroristen verhindern. Wir müssen Extre-
misten und Terroristen sicher und frühzeitiger identifi-
zieren; dazu müssen wir – das haben wir schon gesagt –
biometrische Daten in die Legitimationspapiere aufneh-
men. Wir müssen dafür sorgen, dass Extremisten und
Terroristen Deutschland tatsächlich verlassen; dort gibt
es erhebliche Sicherheitslücken.


(Beifall der Abg. Dorothee Mantel [CDU/ CSU])


Extremisten und Terroristen dürfen keinen deutschen
Pass erhalten, wenn wir vermuten und die Annahme be-
rechtigt ist, dass sie terroristische Vereinigungen unter-
stützen oder bereit sind, diese zu unterstützen.

Wir müssen aber nicht nur die gesetzlichen Bedingun-
gen hierfür schaffen – das ist nur ein Teil der Hausaufga-
ben –, sondern müssen die Menschen, die für unsere
Sicherheit vor Ort arbeiten, also zum Beispiel die Be-
schäftigten bei Polizei und Bundesgrenzschutz, besser
ausstatten. Vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung
wird es gravierende Mehrbelastungen geben. Darauf
müssen wir vorbereitet sein. Wir brauchen dringend ei-
nen Einstellungskorridor – Herr Minister, das haben
wir schon mehrfach angesprochen –, um die ausschei-
denden BGS-Mitarbeiter ersetzen zu können. Das muss
vorbereitet werden. Darüber hinaus brauchen wir drin-
gend Verbesserungen der persönlichen Ausstattung, der
Dienststellen und der gesetzlichen Grundlagen, um si-
cherzustellen, dass die BGS-Mitarbeiter den gesteigerten
Anforderungen beim Schutz der Bevölkerung entspre-
chen können. Das kostet Geld, das in diesem Haushalt
fehlt.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503312700


Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.


Beatrix Philipp (CDU):
Rede ID: ID1503312800


Ich komme zum Schluss.

Ich schließe ausdrücklich mit dem Dank an alle, die
im Bereich der inneren wie auch der äußeren Sicherheit
unter den besonders schweren Bedingungen ihre Pflicht
tun und oft mehr als das. Unsere Pflicht wäre es, die
haushaltsrechtlichen Möglichkeiten dafür zu schaffen.
Haushaltsplanberatungen, egal auf welcher politischen
Ebene, ob auf kommunaler, auf Landes- oder auf Bun-
desebene, sind immer eine Frage der Prioritätensetzung.
Weil wir die Prioritäten in diesem Haushalt anders ge-
setzt hätten, als Sie es getan haben, können wir dem
Haushalt leider nicht zustimmen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503312900


Nächster Redner ist der Kollege Klaus Hagemann,
SPD-Fraktion.


Klaus Hagemann (SPD):
Rede ID: ID1503313000


Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir beraten unseren Haushaltsplan 2003


(Zuruf von der CDU/CSU: „Unseren“?)


am Vorabend eines sehr wahrscheinlichen Krieges im
Irak, im Nahen Osten – Frau Kollegin Philipp hat schon
darauf hingewiesen –, in unserer Nachbarregion, wie es
der Bundesaußenminister immer wieder formuliert.

Frau Philipp, nur einen Satz möchte ich doch noch
einmal herausstellen: Durch die Arbeit der Inspektoren
sind mehr Waffen beseitigt worden als durch den ersten
Irakkrieg.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(B) (D)


Klaus Hagemann
Deswegen sollte man den Inspektoren auch weiterhin die
Möglichkeit geben, dafür zu sorgen, dass weitere gefähr-
liche Waffen – da gebe ich Ihnen Recht – zerstört werden
können.


(Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)


Die Situation, die ich gerade beschrieben habe, wird
natürlich auch Auswirkungen auf die Sicherheitslage in
unserem Land, der Bundesrepublik Deutschland, ha-
ben. Es ergeben sich große Herausforderungen für den
Rechtsstaat, für die innere Sicherheit und für die Innen-
politik insgesamt. Sie erfordern eine erhebliche Wach-
samkeit der Sicherheitsbehörden. Es muss aber der
Grundsatz gelten, dass Deutschland auch weiterhin ein
freies, weltoffenes und sicheres Land ist. Daran wird
sich aus unserer Sicht auch zukünftig nichts ändern;


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


denn Sicherheit und Freiheit ergänzen einander. Sie sind
zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das gilt genauso
wie die Tatsache, dass die Rechtsstaatlichkeit und die
Verbrechens- oder Terrorismusbekämpfung keine Ge-
gensätze sind, sondern sich gegenseitig ergänzen.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sehr richtig, Klaus!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Grund-
sätze, die ich hier dargelegt habe, finden sich auch im
Einzelplan 06 wieder. Frau Philipp, Sie haben Recht:
Wir müssen auf die Ängste der Menschen Rücksicht
nehmen. Ich glaube, dass mit diesem Einzelplan deutlich
wird, dass wir gerade durch die Stärkung der Sicher-
heitsbehörden – durch Finanzmittel, durch Personal
und Sachgegenstände – dafür sorgen, dass die Ängste
nicht zunehmen müssen. Wir dürfen – auch das möchte
ich deutlich machen und noch einmal hervorheben –
keine Ängste schüren und keine falschen Ängste hervor-
rufen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Otto Fricke [FDP])


Durch unsere Politik in den zurückliegenden Jahren
– und nicht erst seit dem letzten Jahr – haben wir die
Kompetenz und die Arbeitsfähigkeit der Sicherheits-
behörden gestärkt. Das haben wir insbesondere durch
die Gesetzgebung nach dem 11. September 2001, aber
auch durch die Bereitstellung von Finanzmitteln über
das Antiterrorprogramm, das in diesem Jahr fortge-
schrieben wird und das aus dem Einzelplan 60 genom-
men und in den Einzelplan 06 eingefügt worden ist,
deutlich gemacht. Sogar das haben Sie angezweifelt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade die
Personal- und Sachausstattung beim Bundesgrenzschutz,
beim Bundeskriminalamt, beim Bundesamt für Sicher-
heit in der Informationstechnologie und beim Bundesamt
für Verfassungsschutz sind gestärkt worden und werden
auch durch den Haushalt 2003 weiterhin gestärkt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Zahlenwerk von insgesamt mehr als 4 Milliarden
Euro macht deutlich, dass die Möglichkeit zur Haus-
haltskonsolidierung auf der einen Seite und die Stärkung
der inneren Sicherheit auf der anderen Seite kein Wider-
spruch sind, sondern sich gegenseitig ergänzen.

Gerade durch die Bemühungen der Koalition aus SPD
und Grünen konnten wir in den zurückliegenden Jahren
etwa 280 Millionen Euro einsparen. In der gleichen Zeit
haben wir durch Prioritätensetzung dafür gesorgt, dass
die Ausgaben für den Bereich der inneren Sicherheit um
400 Millionen Euro aufgestockt werden konnten und
diese 400 Millionen Euro den Sicherheitsbehörden zur
Verfügung gestellt worden sind. Das findet auch im
Haushaltsplan 2003 seinen Niederschlag: Weil wir das
Antiterrorprogramm umsetzen, stocken wir den Etat
auf 2,4 Milliarden Euro auf. Das ist mehr als die Hälfte
des gesamten Haushaltes. Frau Philipp, ich meine, das
ist ein Beitrag zum Abbau der Ängste und dazu – Sie ha-
ben es unterstützend gesagt –, alles Menschenmögliche
zu tun. Aber nichts ist so gut, als dass man es nicht noch
verbessern könnte.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Aber nicht nur bei den Sicherheitsbehörden gilt dies,
sondern genauso für den Zivil- und Katastrophen-
schutz. Die Koalition aus SPD und Grünen hat hier die
Mittel erheblich aufgestockt. Der Kollege Wiefelspütz
hat dies durch seinen Zwischenruf deutlich gemacht.
Lassen Sie mich das an einigen Beispielen verdeutli-
chen.

An erster Stelle will ich den Bundesgrenzschutz nen-
nen. Für den Bundesgrenzschutz stehen in diesem Jahr
1,8 Milliarden Euro zur Verfügung. Das sind 200 Millio-
nen Euro mehr als zur CDU/FDP-Regierungszeit. Da ich
gerade den Kollegen Otto Fricke sehe: Natürlich sind
auch populistische Anträge gestellt worden. Diese
könnte man, wenn sie finanzierbar wären, erfüllen. Aber
bei den Beratungen im Haushaltsausschuss haben Sie
uns die Deckung für Ihre Anträge nicht erläutern kön-
nen. Wie immer fehlt sie bei Ihren Anträgen.

Es gibt beim Bundesgrenzschutz 31 600 Stellen.
Frau Philipp, auch das trägt dazu bei, dass diese Arbeit
richtig erledigt werden kann. Wichtig ist, dass das Stel-
lenhebungsprogramm fortgesetzt wird. Seit 1999 konnte
fast die Hälfte der Bundesgrenzschutzbeamten befördert
werden. Das sollte einmal deutlich gemacht werden. Die
persönliche Ausstattung, die Sie angesprochen haben,
Frau Philipp, wurde verbessert, indem für jeden Bundes-
grenzschutzbeamten eine persönliche Schutzweste zur
Verfügung gestellt wird. Auch diese sind finanziert wor-
den.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Bauinvestitionen konnten fortgeführt werden.
Gerade nach der Neugestaltung des Bundesgrenzschut-
zes waren für Baumaßnahmen zur Renovierung von Un-
terkünften weitere Mittel notwendig. Daher wurden die
Mittel aufgestockt. Ich will nur darauf hinweisen: Seit
1999 sind bisher 290 Millionen Euro für Bauinvestitio-
nen zur Verfügung gestellt worden. Ebenso ist auch die






(A) (C)



(B) (D)


Klaus Hagemann
Ausstattung des Fahrzeugparks erheblich ausgeweitet
worden. Dieses Jahr stehen dafür 62 Millionen Euro be-
reit.

Der Bundesgrenzschutz hat insbesondere nach dem
11. September 2001 seine Aufgaben ausweiten müssen.
Die Tätigkeit im Bereich der Sicherung von Flughäfen und
der Luftsicherheit ist deutlich herauszustellen. In der ver-
gangenen Woche haben wir mit dem Innenausschuss den
Frankfurter Flughafen besucht. Wir haben uns dort vom
Bundesgrenzschutz informieren lassen, wie die lückenlose
Gepäckkontrolle funktioniert und wie das Programm der
Flugbegleiter erfolgreich umgesetzt wurde. Auch darauf
möchte ich noch einmal mit Nachdruck hinweisen.

Ein weiterer Bereich bei der Sicherheit ist das Bun-
deskriminalamt. Die Mittel konnten gegenüber der
schwarz-gelben Regierungszeit um 100 Millionen Euro
aufgestockt werden, insbesondere zur Terrorismusbe-
kämpfung, zur Bekämpfung der organisierten Krimina-
lität oder zur Bekämpfung der Geldwäsche. Ebenso ist
das Personal aufgestockt worden. Die Verbesserung der
Kriminaltechnik und die Verstärkung in der Informa-
tionstechnologie sind zu ergänzen.

Zum Bereich der Kriminalitäts- und Terrorbekämp-
fung gehört auch die internationale Zusammenarbeit.
Wir brauchen sie, um Erfolg zu haben. In dem
Einzelplan 06 sind für die internationale Tätigkeit erheb-
liche Summen aus unserem Haushalt bereitgestellt wor-
den. Auch darauf sei verwiesen.

Was sich ebenso positiv ausgewirkt hat – das gehört
zum Sicherheitsbereich dazu –, ist, dass Bundesinnen-
minister Otto Schily das Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnologie geschaffen hat und die Mittel
dafür aufgestockt worden sind. In diesem zukunftsträch-
tigen Markt ist dies besonders wichtig.

Auch die Bereitschaftspolizei – lassen Sie mich das er-
wähnen – können wir im nächsten Jahr besser ausstatten,
weil mehr Mittel zur Verfügung stehen. Es hat mich gewun-
dert, dass die CDU/CSU beantragt hat, die Mittel für den
Kauf von Fahrzeugen zu kürzen. Hierzu hatte die Union ei-
nen Antrag auf eine 2,5-prozentige Kürzung gestellt.


(Zurufe von der SPD: Pfui, pfui!)


– Es ist so, Herr Kollege. Sie müssten im Haushaltsaus-
schuss sein. Dann hätten Sie das miterleben können.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das kann aber doch nicht wahr sein!)


Die Union hat hier also entsprechende Anträge einge-
bracht. Meine Damen und Herren, auch INPOL (neu),
also die Vernetzung der Informationstechnologien von
Länder- und Bundespolizei, kann in diesem Sommer zur
Verfügung gestellt werden.


(Otto Fricke [FDP]: Endlich!)


Zur inneren Sicherheit gehört auch der Zivil- und Ka-
tastrophenschutz. Hier, Frau Philipp, sind wir einer Mei-
nung. In diesem Bereich gilt es, weiterhin auf der einen
Seite die ehrenamtliche und auf der anderen Seite die
hauptamtliche Arbeit zu unterstützen und finanziell zu
fördern. Die aktive Arbeit gerade im Inland, zum Bei-

spiel beim Elbehochwasser und bei anderen Katastro-
phen, hat die hervorragende Qualität deutlich gemacht.
Aber auch im Auslandsbereich sind viele zivile Einsätze,
insbesondere durch das THW und andere Einrichtungen,
gefördert worden. Gerade die Männer und Frauen, die
hier im Einsatz sind, sind mit die besten Botschafter un-
seres Landes im Ausland.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir sind bezüglich der Stärkung und Weiterentwick-
lung des Zivilschutzes neue Wege gegangen. Ich finde es
genauso wie Sie richtig, dass das Bundesamt für den
Katastrophenschutz gegründet und unter dem Dach des
Bundesverwaltungsamtes bzw. – um es konkreter zu sa-
gen – in Zusammenarbeit mit dem Bundesverwaltungs-
amt eingerichtet wird. Denn hier muss die Zusammenar-
beit zwischen Bund und Ländern gestärkt und noch
besser koordiniert werden. Die Forschung muss voran-
getrieben werden. Auch der Gesundheitsbereich sollte
mit einbezogen werden. Hier sind wir auf dem richtigen
Weg, das möchte ich herausstellen. Ich denke, dass die
Arbeit in Kürze aufgenommen werden kann.

Eine besondere und herausragende Einrichtung ist das
Technische Hilfswerk. Es ist für den Bund eine Perle.
Das möchte ich betonen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)


Ich will mit Nachdruck erwähnen, dass sich immer mehr
Menschen im Technischen Hilfswerk organisieren und
engagieren. Das drückt sich auch in der Zur-Verfügung-
Stellung von Geld aus. Ich darf einmal zwei Zahlen nen-
nen: Im Jahr 1998, als wir die Regierungsverantwortung
übernommen haben, standen für das Technische Hilfs-
werk 95 Millionen Euro zur Verfügung. In diesem Jahr
werden es 131 Millionen Euro sein. Frau Philipp, Sie se-
hen, dass wir hier einen Schwerpunkt gesetzt haben.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wie können Sie diesem Haushalt bloß nicht zustimmen?)


Dies ist ein wichtiger und richtiger Schwerpunkt. Die
Anerkennung, gerade bei den Betroffenen, ist immer
wieder festzustellen.

Die Mittel für die erste Hilfe haben wir – das wurde
bereits angesprochen – in der Tat gekürzt. Wir haben uns
lange überlegt, wie wir uns entscheiden. Aber uns ist ins-
besondere durch das Ministerium deutlich gemacht wor-
den, dass die Mittel in diesem Bereich in den letzten Jah-
ren nicht genügend abgeflossen sind. Dies war der
Grund, aus dem wir hier etwas gekürzt haben. Sollte es
notwendig werden, werden die benötigten Mittel auch
hier zur Verfügung gestellt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ei-
nen letzten Gedanken ansprechen. Der Beitrag zur inne-
ren Sicherheit wird auch durch die Integrationsbemü-
hungen und die Sprachförderung von Aussiedlern und
Ausländern geleistet. Dies wollten wir eigentlich durch
das neue Zuwanderungsgesetz regeln.


(Zuruf von der SPD: So ist es!)







(A) (C)



(B) (D)


Klaus Hagemann
Durch die Entscheidung in Karlsruhe ist es aber anders ge-
kommen. Wir wollen diesen Gesetzentwurf erneut einbrin-
gen, um die Zuwanderung besser steuern und die Integration
besser fördern zu können. Schon jetzt haben wir im Hinblick
auf das, was kommen wird, die Mittel für die Integrations-
bemühungen, die Sprachförderung und die Qualifizierung
von Kursleitern und Multiplikatoren angehoben.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür haben wir aber kämpfen müssen!)


Auch die Förderung von ausländischen Frauen sei erwähnt.

Außerdem haben wir, SPD und Grüne, zu den bereits
vom Ministerium vorgeschlagenen 169 Millionen Euro
8,5 Millionen Euro zusätzlich beantragt.


(Beifall des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD])


Ich war sehr enttäuscht, dass die Union, obwohl ihre
Vertreter sonst immer so viel von Integration sprechen,
unseren Antrag abgelehnt bzw. sich enthalten hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Unglaublich!)


Ich meine, das ist doppelzüngig. Wichtig ist, dass Integra-
tion und Sprachförderung tatsächlich stattfinden. Hierfür
müssen die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Durch die Be-
ratungen des Einzelplans 06 wurden die Mittel auf der
einen Seite aufgestockt, auf der anderen Seite wurden
Einsparungen vorgenommen. Die innere Sicherheit hat
im Ergebnis eine Stärkung erfahren. Das trägt dazu bei,
Ängste bei der Bevölkerung abzubauen. Das ist ein
Schwerpunkt in diesem Haushalt. Ich meine, dass ei-
gentlich eine Zustimmung der Opposition, insbesondere
der Union, notwendig wäre.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sehr richtig!)


Leider ist dem nicht so. Wir haben vieles erfüllt. Die
SPD und die Grünen, die Regierungskoalition, sind die
Garanten für den Ausbau der inneren Sicherheit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Der zuständige Bundesminister Otto Schily ist das äu-
ßere Symbol dafür.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Nur das äußere Symbol?)


Herzlich Dank, dass Sie mir zugehört haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503313100


Der nächste Redner in der Debatte ist der Kollege
Otto Fricke, FDP-Fraktion.


Otto Fricke (FDP):
Rede ID: ID1503313200


Werte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Herr Hagemann, bei vielem kann ich Ihnen zustimmen,

aber bei dem stetigen Blick auf 1998 kann man eigent-
lich nur Udo Jürgens zitieren: Schau nach vorne, nicht
zurück.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das würde ich Ihnen wirklich einmal für Argumente
empfehlen.

Der Einzelplan 06, der Haushalt des Bundesinnenmi-
nisteriums, ist in unsicheren Zeiten – und in diesen be-
wegen wir uns – stets ein Fokus der Öffentlichkeit. Da-
her sind wir als Parlamentarier verpflichtet, konkrete
Antworten zu geben. Dies betrifft Fragen der inneren
Sicherheit, die Fragen des Katastrophenschutzes, aber
auch Fragen einer zukunftsfähigen Gesellschaft, Stich-
wort: Zuwanderung. Die Antworten dürfen nicht zu kurz
greifen, sie müssen mittel- und langfristig in schlüssige
Konzepte eingebettet werden.

Im Einzelnen: Ich habe bereits im Rahmen der De-
batte zum Einzelplan des Bundesjustizministeriums bei
der ersten Lesung darauf hingewiesen, dass das Bundes-
innenministerium – Herr Minister, bitte jetzt nicht wie-
der erschrecken – mit einem riesigen Bauchladen an
nachgeordneten Behörden und Institutionen versehen ist.
Ich bleibe auch dabei: Ich halte diesen Bauchladen für
falsch.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Er hat sich doch erschrocken!)


Ich will – das wissen Sie – kein Bundespolizeiminis-
terium oder Ähnliches haben, aber ich muss doch sagen,
dass das, was ich in den kleineren Ministerien erlebt
habe, deutlich zeigt, dass ein großes Ministerium in Zei-
ten knapper Kassen noch flexibel ist und viele Dinge
auffangen kann, die weh tun. Ein kleines Ministerium
kann dies nicht und geht an die Grenzen seiner Belas-
tung. Dieses müssen wir in Zukunft bei der Haushaltspo-
litik auch berücksichtigen.


(Ute Kumpf [SPD]: Was heißt das?)


– Das heißt für mich, wenn Sie das genau wissen wollen,
Folgendes: Nehmen Sie als Beispiel den Datenschutzbe-
auftragten oder die Stasiunterlagen-Behörde. Müssen
diese beim Innenministerium sein? Kann man die nicht
auch bei einem anderen Ministerium ansiedeln? So gibt
es noch viele andere Dinge mehr.


(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


– Meine Damen und Herren, hören Sie zu und denken
Sie darüber nach. Dann bilden Sie sich Ihre Meinung.

Im Bereich des Katastrophenschutzes, dessen Be-
deutung wir bei der Flutkatastrophe deutlich vor Augen
geführt bekommen haben, hat das THW eine sehr gute
Arbeit geleistet. Ich stimme Ihnen zu, Herr Hagemann:
Die Bundesregierung, die Koalition, hat da vieles getan.
Ich bin dennoch der Meinung, dass wir bei den Ortsver-
bänden etwas mehr tun könnten.

Bevor wieder der Einwand kommt: „Wo nehmen Sie
denn das Geld her?“, mag ich doch einmal daran erinnern,






(A) (C)



(B) (D)


Otto Fricke
dass die FDP im Haushaltsausschuss an einigen Stellen
erstens Kürzungsanträgen der Koalition zugestimmt hat
und zweitens – ich erinnere an den Verbraucherschutz
und die Landwirtschaft – Anträge auf erhebliche Kür-
zungen gestellt hat.


(Beifall bei der FDP)


Der Versuch, immer unsere Kürzungsvorschläge anzu-
mahnen, zielt nach meiner Meinung ins Leere.

Was den Bundesgrenzschutz bzw. die künftige Bun-
despolizei angeht, hat die FDP feststellen müssen, dass
es trotz vieler Investitionen weiterhin einer erheblichen
Ausstattung und Einrichtung bedarf. Was den Beamten
jetzt teilweise zur Verfügung steht – und ich habe erst
meine ersten Besuche gemacht –, ist teilweise das, was
wir in den 80er-Jahren vorgefunden haben. Der Schritt
ins 21. Jahrhundert, der dringend notwendig ist, ist an
vielen Stellen leider noch nicht getan.

Was den Bereich INPOL (neu) angeht, so kann man
nur sagen: Ja, es bewegt sich etwas in die richtige Rich-
tung, endlich. Im Haushaltsausschuss – ich habe ein biss-
chen in den Archiven gestöbert – hat es quasi des Drucks
einer Haushaltssperre bedurft, damit es endlich in die
richtige Richtung ging, nachdem wir mehrere Millionen
in den Sand gesetzt haben. Das Beispiel des Bundesgrenz-
schutzes zeigt nach meiner Meinung, wie die Exekutive
manchmal mit den Vorgaben der Legislative umgeht.


(Beifall bei der FDP)


Ich möchte aber ausdrücklich etwas betonen, das bei
INPOL (neu) leider immer wieder vergessen wird. Die
FDP weist immer wieder darauf hin, dass ein stärkerer
Vollzug unserer Gesetze notwendig ist, statt die Menschen
durch immer wieder neue Eingriffsrechte kurz- oder mit-
telfristig zu beruhigen. INPOL (neu) ist ein solches Mit-
tel. Es geht eben nicht nur darum, mehr Polizisten und
eine bessere Ausstattung für sie zu fordern, sondern auch
um einen schnellen Datenabgleich. Denn er führt erstens
zu kürzeren und effektiveren Eingriffen in das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung, wenn sie denn sein
müssen, und zweitens sorgt er dafür, dass weitere Eingriffe
vermieden werden können, weil bestimmte Erkenntnisse
früher und schneller gewonnen werden können. Das müs-
sen wir gerade in diesen eben angesprochenen unsiche-
ren Zeiten berücksichtigen.

Es kann und darf nicht sein, dass die einfache Ant-
wort der Politik auf Bedrohungen und Ängste immer nur
in neuen Gesetzen besteht, Frau Philipp. Die Antwort
muss vielmehr darin bestehen, zu prüfen, wie mit den
vorhandenen Gesetzen schneller, effektiver und ein-
griffsärmer gehandelt werden kann. Denn das sorgt für
Sicherheit.


(Beifall bei der FDP)


Der Kollege Hagemann hat das BSI, das Bundesamt
für Sicherheit in der Informationstechnik, angesprochen.
Es ist in der Tat eine gute Einrichtung, die innerhalb von
Europa führend ist. Dennoch wäre es – wenn wir ehrlich
sind – an dieser Stelle besser gewesen weiterzugehen.
Sie fragen jetzt sicherlich wieder, wo unsere Vorschläge
bleiben. Aber wir werden – das merke ich auch bei ande-

ren Einzelplänen – nur dann vorankommen, wenn wir
erkennen, welche Potenziale im Bereich der EDV liegen,
und einen entsprechenden Druck ausüben. Wenn ich in
den anderen Ausschüssen, in denen ich auch Bericht-
erstatter bin,


(Ute Kumpf [SPD]: Multifunktionell!)


mitbekomme, wie immer wieder die EDV-Ausstattung
als Sparbüchse genutzt wird und hier noch ein Milliön-
chen und dort noch ein Milliönchen eingespart wird,
dann bin ich gespannt, was aus Bund Online 2005 unter
der Führung des Innenministeriums wird. Der Innenmi-
nister wird uns sicherlich nachher bestätigen, dass alles
wunderbar funktioniert. Aber auch hier gibt es Spar-
büchsen, an die die Koalition leider viel zu oft herange-
gangen ist.

Ich will noch auf ein Thema eingehen, das neben der
Frage des Irakkriegs in den Medien eine Rolle gespielt hat
und vielleicht zum Glück für die Koalition, aber auch für
die CDU/CSU ein wenig in den Hintergrund gedrängt
worden ist, nämlich das NPD-Verbotsverfahren in
Karlsruhe. Eines vorab, um gar nicht erst in den Verdacht
falscher moralischer oder sonstiger Positionen zu geraten:
Die FDP bedauert ausdrücklich, dass das von der Bundes-
tagsmehrheit, Bundesrat und Bundesregierung in Gang
gebrachte Verbotsverfahren gegen die NPD eingestellt
werden musste und damit letztlich gescheitert ist.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Nicht „musste“!)


– Es musste eingestellt werden. Das ist der Unterschied.
Die Richter haben so entschieden und diese Entschei-
dung sollten wir – –


(Zuruf des Abg. Dr. Michael Bürsch [SPD]: Wir waren für die Fortsetzung!)


– Sehen Sie, das ist der Unterschied. Für einen rechts-
staatlich denkenden Menschen bedeutet das: Wenn die
Regelung besteht, dass eine Minderheit das Verfahren
beenden kann, dann muss er auch akzeptieren, wenn die
Minderheit so entscheidet.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir als FDP ruhen uns nicht darauf aus festzustellen:
Wir haben es schon immer gewusst; wir haben es euch
prophezeit. Aber eines muss an dieser Stelle erlaubt sein.
Ich habe mir in Vorbereitung auf diese Rede noch einmal
die Debatte über den Antrag auf Einleitung des NPD-
Verbotsverfahrens durchgelesen und mir die bei uns
Politikern so beliebte Sendung „Vorsicht! Friedman“ zu
diesem Thema angeschaut. Anhand der Debatten konnte
man genau erkennen, dass zwischen einem moralisch
hoch gestellten „Gut gemeint“ und einem staatsverant-
wortlichen „Gut gemacht“ Welten liegen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sebastian Edathy [SPD]: Da müssen gerade CDU-Abgeordnete klatschen! Das gibt es ja wohl nicht!)


Wer heute die Ausführungen des Bundesverfassungs-
gerichts ein wenig verfolgt hat, weiß, dass ein Partei-
verbotsverfahren ein zweischneidiges Schwert ist. In






(A) (C)



(B) (D)


Otto Fricke
diesem Fall besteht das Problem darin, dass die zweite
Schneide des Schwerts zum Zuge kam und diejenigen,
die das Schwert in der Hand geführt haben, mehr oder
weniger verletzt hat. Ich begrüße ausdrücklich, dass der
Bundesinnenminister wie auch der bayerische Innenmi-
nister nunmehr eingesehen haben, dass das Verbotsver-
fahren nichts mehr bringt. Ob die SPD sich darin völlig
einig ist, wage ich zu bezweifeln, nachdem ich gehört
habe, dass Herr Ringstorff beantragt hat, das Verfahren
noch einmal von vorn zu beginnen.

Das Parteiverbotsverfahren kann nicht die Lösung sein.
Lassen Sie es mich so ausdrücken: Der Königsweg der
Auseinandersetzung besteht darin, bei den Wurzeln von
Rechtsradikalismus anzusetzen, das heißt, potenzielle
Zielgruppen bereits gegen das freiheitsfeindliche Gedan-
kengut Rechtsradikaler zu stärken. Es ist müßig, nach
dem Schuldigen zu suchen. Wir sollten lieber unserer
Verantwortung als Politiker gerecht werden und eine Lö-
sung für dieses Problem finden.


(Sebastian Edathy [SPD]: Das ist schön formuliert!)


– Danke für das Kompliment, Herr Edathy. Ich freue
mich, dass auch Sie das so sehen. Es wäre schön, wenn
Sie das auch noch verstehen und nachvollziehen würden.

Ich komme zum Schluss, bevor die Präsidentin mich
rügt. Die erhebliche Kritik an den Programmen der Bun-
desregierung zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit
– Civitas, Xenon und Entimon – darf nicht dazu führen,
dass wir die Mittel für diese Programme – hier gebe ich
Herrn Prantl völlig Recht – kürzen oder sogar einstellen.
Wir müssen sie vielmehr stärker auf diejenigen konzentrie-
ren, die in die richtige Richtung geleitet werden sollen. Es
gibt hier Probleme. Wer das verneint, macht einen Fehler.

Ich glaube, dass Herr Prantl einen großen Fehler ge-
macht hat, als er bei Herrn Friedman gesagt hat: Ich glaube,
das Material ist zu dicht, und ich würde Haus und Hof dafür
verwetten, dass der Antrag durchgeht. Leider hat damals
niemand die Wette von Herrn Prantl angenommen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Der hat keinen Hof!)


Eines darf man aber festhalten: In einem Rechtsstaat ist
es noch lange nicht möglich, dass man jede Hürde für
ein Gesetz aus dem Weg sprengt, nur weil das Ziel legi-
tim ist.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1503313300


Nächste Rednerin ist die Kollegin Silke Stokar, Bünd-
nis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau
Philipp hat zu Beginn ihrer Rede gesagt, die Haushalts-

beratungen seien die Stunde der Opposition. Ich füge
hinzu: Die Haushaltsberatungen sind auch Stunden der
Wahrheit.


(Vorsitz: Präsident Wolfgang Thierse)


Ich habe mich während der Rede von Frau Philipp gefragt,
wie die Situation heute, wenige Stunden vor einem Irakkrieg,
aussehen würde, wenn Sie an der Regierung wären.


(Zuruf von der CDU/CSU: Dann hätte es die Situation gar nicht gegeben!)


Sie wären – das haben Frau Merkel und Herr Pflüger sehr
deutlich gemacht – mit den USA in den Krieg gezogen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist jetzt wirklich unverschämt!)


Sie sollten endlich einmal die Wahrheit sagen, welche
innenpolitischen Auswirkungen Ihre Außenpolitik ge-
habt hätte. Das wäre Ihr Beitrag zur inneren Sicherheit
gewesen. Ich sage Ihnen: Sie hätten unsere Bevölkerung
in Gefahr gebracht.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist eine Unverschämtheit! Das ist dummes Zeug!)


– Das ist keine Unverschämtheit. Ich habe mir die Reden
und Interviews von Herrn Pflüger sehr genau ange-
schaut.


(Dorothee Mantel [CDU/CSU]: Aber nicht verstanden! – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Wie damals die andere handfeste Lüge!)


Sie haben weitere Themen angesprochen, zu denen
ich etwas sagen möchte. Ich beginne mit dem Thema
digitales Funknetz. Sie beklagen, dass wir für dessen
Einführung keine Mittel eingestellt hätten. Ich darf Sie
an Folgendes erinnern: Es gibt hier nach wie vor eine
Auseinandersetzung, weil Bayern zu den Ländern ge-
hört, die eine Einigung über die bundesweite Einführung
eines einheitlichen Systems – es stehen zwei Systeme
zur Auswahl – verhindern. Solange diese Auseinander-
setzung nicht geklärt ist, solange also Bayern der Mei-
nung ist, dass es zwar gut sei, wenn es in Deutschland
ein digitales Funknetz gebe, dass man aber in Bayern ein
anderes einführen werde als in den anderen Bundeslän-
dern, solange macht es überhaupt keinen Sinn, dass wir
für diesen Bereich Gelder einstellen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ziemlich dummes Zeug, was Sie hier sagen!)


– Das weise ich zurück. Sie benehmen sich wie die Lüm-
mel von der ersten Bank.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Ihre Zwischenrufe sind dermaßen flach, dass ich nicht
bereit bin, auf sie einzugehen.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Aber die Rede ist noch lahmer!)







(A) (C)



(B) (D)


Silke Stokar von Neuforn
Über den BGS werden alte Debatten geführt. Es geht
nicht um die Frage, ob es wichtig ist, dass der BGS neue
Fahrzeuge bekommt. Wir sollten uns vielmehr die verän-
derte Realität vor Augen führen. Längst werden der
deutsche BGS im Ausland und die Bundeswehr im In-
nern eingesetzt.

Zum Thema „Aufbau der Europäischen Grenzpoli-
zei“ habe ich von Ihnen inhaltlich überhaupt noch nichts
gehört. Dieser Haushalt ist für uns noch einmal eine Ver-
pflichtung, uns Gedanken über die vorhandenen Struktu-
ren und über die Anpassung dieser Strukturen an verän-
derte Realitäten zu machen. Mit Ihrer 80er-Jahre-Argu-
mentation in der Innenpolitik ignorieren Sie,


(Zuruf von der CDU/CSU: Besser als eine 68er-Argumentation!)


dass wir es längst mit neuen Themen zu tun haben, zu
denen Sie einfach nichts zu sagen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Der Kollege von der SPD hat es hier schon gesagt:
Wir haben in diesem Haushalt bewusst ein Zeichen im
Bereich der Integration gesetzt. Begreifen Sie das doch
einmal als ein Angebot auch an Sie! Schließlich haben
Sie gefordert, dass auf dem Gebiet der Einreise von
Extremisten etwas unternommen wird. Begreifen Sie
doch unseren Haushaltsansatz, dessen Mittel in den Be-
reich der Integration fließen, als ein Angebot, über das
Zuwanderungsgesetz in diesem Hause vernünftig zu
reden!

Wir haben den Auftritt von Herrn Stoiber hier erlebt.
Herr Stoiber hat sich in der Auseinandersetzung über die
Regierungserklärung gegen Frau Merkel durchgesetzt.
Wegen des Wahlkampfs in Bayern setzt sich Herr
Stoiber auch in dieser Situation gegen große Teile der
CDU/CSU durch.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Herr Stoiber hat aber dem Schily den Bayerischen Verdienstorden verliehen!)


Herr Müller hat schon bedauert, dass Sie sich in der
Rolle „Wir blockieren das Zuwanderungsgesetz und
beugen uns dem bayerischen Diktat“ schon fest einge-
richtet haben. Ich sage das in diesem Zusammenhang
nicht nur, weil wir dafür gesorgt haben, dass in den
Haushalt die entsprechenden Mittel für die Integration
eingestellt worden sind, sondern auch, weil Sie bis heute
nicht begriffen haben, dass das Zuwanderungsgesetz
kein Geschenk für Ausländer ist, sondern dass es für alle
in unserer Gesellschaft wichtig und ein Beitrag zu mehr
innerer Sicherheit in diesem Land ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Was den Punkt angeht, auf den ich noch eingehen
möchte, so habe ich für Änderungsanträge seitens der
Opposition durchaus Verständnis. Ich denke dabei insbe-
sondere an die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der
SED-Diktatur und an die Anträge, die den Bereich der
Birthler-Behörde betreffen. Wir haben uns im Haushalts-

ausschuss massiv dafür eingesetzt, dass die ursprünglich
geplanten Kürzungen weiter reduziert werden, und uns
in dieser Frage auch durchgesetzt. Wir können für diese
Reduzierung hier einfach nur um Verständnis bitten. Es
ist für jede Politikergeneration sehr wichtig, sich mit der
eigenen Vergangenheit und mit den Fehlern der eigenen
Geschichte auseinander zu setzen. Wir von Rot-Grün
werden uns nochmals Gedanken darüber machen, wie
wir zum 50. Jahrestag des 17. Juni 1953 außerhalb des
Haushalts ein Zeichen setzen können, damit die geplan-
ten Festveranstaltungen mit unserer Hilfe – wichtig ist
dabei auch ideelle Hilfe – durchgeführt werden können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Otto Fricke [FDP]: Aus welchem Haushalt?)


Zum Schluss möchte ich noch auf etwas eingehen,
was die FDP hier angesprochen hat. Sie von der FDP
haben unter anderem gefordert – das halte ich für unsin-
nig –, den Datenschutzbeauftragten einem anderen
Ressort zuzuordnen. Wenn dieses Parlament im Hinblick
auf den Bundesdatenschutzbeauftragten ein Zeichen set-
zen möchte, dann sollten wir uns nicht darüber streiten,
an welches Ressort er gebunden ist. Wir sollten uns da-
für einsetzen, dass die Unabhängigkeit des Bundesdaten-
schutzbeauftragten dadurch gewährleistet ist, dass er an
unser Parlament gebunden ist.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503313400


Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Hagemann?


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nein, meine Redezeit ist abgelaufen und mein Kol-
lege möchte auch noch etwas sagen.


(Beifall des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD] – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ein koalitionsunfreundlicher Akt ist das!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503313500


Ich erteile das Wort der Kollegin Susanne Jaffke,
CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Susanne Jaffke (CDU):
Rede ID: ID1503313600


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nach diesem Redebeitrag muss man, glaube ich, noch
einmal betonen: Wir sind in der Haushaltsdebatte. Der
Einzelplan 06 – Bundesinnenministerium – eignet sich
nicht dazu, besonders polemisch zu argumentieren.

Dem Kollegen Hagemann möchte ich noch einmal die
Antwort geben, die ich auch schon im Haushalts-
ausschuss gegeben habe. Der Vorschlag, bei Kap. 0624
– Bereitschaftspolizeien – diese kleine Kürzung um
240 000 Euro vorzunehmen, ist wie folgt zu begründen:
Unter anderem das Land Mecklenburg-Vorpommern hält
den Vertrag mit der Bundesregierung nicht mehr ein und






(A) (C)



(B) (D)


Susanne Jaffke
fährt die Zahl der Einsatzhundertschaften zurück. Dem-
nach wird auch das Material an den Bund zurückgeführt.
Der Rechnungshof hat das aufgegriffen und uns mitge-
teilt, dass das so zutrifft.


(Zuruf des Abg. Hans-Joachim Hacker [SPD])


– Selbstverständlich. Die Einsatzhundertschaft Anklam
ist aufgelöst worden. Es sind jetzt nur noch zwei Ein-
satzhundertschaften; Sie wissen es, Herr Kollege Ha-
cker.

Ich möchte keine Polemik machen, sondern Zahlen
sprechen lassen. Der Einzelplan 06 belief sich ursprüng-
lich auf 4,023 Milliarden Euro. Das sind 9,8 Prozent
mehr als im Vorjahr; das ist korrekt.


(Beifall des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD])


Nun hat es in Kap. 0601 und 0602 eine globale Minder-
ausgabe von insgesamt 61 Millionen Euro gegeben, wo-
durch sich der Aufwuchs auf 8,1 Prozent verringerte.
Die noch dazu veranschlagte globale Minderausgabe
von 25 Millionen Euro, die die Regierungskoalition
draufgelegt hat, hat dazu geführt, dass im Etat nur noch
7,4 Prozent mehr zur Verfügung stehen.

Wenn man sich den ursprünglichen Etat genau an-
guckt, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass die rei-
nen Personalkosten 2,148 Milliarden Euro ausmachen.
Das sind 52 Prozent. Nach all den Kürzungen und nach
der Änderung infolge der Tariferhöhung von 2,5 Pro-
zent, für die das Bundesinnenministerium 53,7 Millio-
nen Euro erwirtschaften muss, hat der Etat einen Perso-
nalkostenanteil von 56 Prozent.

Von vielen ist gesagt worden, dass dieser Etat erfreu-
licherweise unendlich aufwachsen würde. Unter dem
Strich bleiben aber nur 117 Millionen Euro mehr übrig.
Damit soll der Minister nun die Ausgaben für Sachaus-
stattung, innere Sicherheit und andere Dinge bestreiten.
Damit wird er seine Kernaufgaben, glaube ich, nicht er-
füllen können.

Zu seinen Kernaufgaben gehört die Integrationsar-
beit für Aussiedler und Asylbewerber sowie die Sprach-
förderung. Zu den Kernaufgaben gehören auch poli-
tische Bildungsarbeit, Kampf gegen Extremismus von
links und rechts. Das wird ein Stück weit auf der Strecke
bleiben. Bei der inneren Sicherheit, der Ausrüstung der
Bundespolizei, der Schaffung der neuen Koordinie-
rungsinstanz für den Zivilschutz in unserem Lande – das
gehört zu den wichtigsten Kernaufgaben – werden die
Investitionen gestreckt werden.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch ein ganz beson-
deres Petitum für die besondere Situation an der EU-Au-
ßengrenze abgeben. Wenn nicht mit diesem oder spätes-
tens mit dem nächsten Etat gehandelt wird, dann werden
an der heutigen EU-Außengrenze zu Polen und Tsche-
chien mindestens 1 700 BGS-Beamte mehr benötigt und
dafür ist keine Vorsorge getroffen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mit dem Beitritt dieser Länder entfällt die Zollkontrolle,
das heißt die zurzeit noch bestehende Zusammenarbeit

von Einsatzeinheiten von BGS und bewaffnetem Zoll
entfällt. Die Zöllner wissen im Moment nicht, was mit
ihnen passiert. Die Zöllner werden abgezogen. Es entste-
hen Binnenzollämter. Der BGS muss diese Stellen erset-
zen. Dem ist in dem Etat überhaupt nicht Rechnung ge-
tragen worden.

Wir waren uns eigentlich über die Parteigrenzen hin-
weg einig, dass angesichts der besonderen Aufgaben, die
der Innenminister zu tragen hat, dieser Etat einer beson-
deren Schonung bedarf. Ich kann nur feststellen: Die an-
gekündigte Kraftbrühe, die dieser Etat eigentlich sein
sollte, ist nur ein dünnes Wassersüppchen geworden;
denn Sie haben mit Ihren Kürzungsanträgen zu stark zu-
geschlagen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es Ihnen mit
der Arbeit des Ministers wirklich ernst ist, dann können
Sie sich zumindest den zwei Anträgen, die die CDU/
CSU-Fraktion einbringen wird, nicht entziehen. Der
erste Antrag wird sich natürlich mit der Anhebung der
Mittel für die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Dik-
tatur befassen,


(Beifall bei der CDU/CSU)


damit – auch Frau Kollegin Stokar hat darauf hingewie-
sen – dem Anliegen Rechnung getragen werden kann,
die Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit und Ge-
schichte in unserem Land weiter voranzubringen.

Zu dem zweiten Antrag, den wir am Donnerstag zum
Haushaltsgrundsätzegesetz stellen werden, kann ich nur
sagen: Herr Kollege Hagemann, Sie haben Recht, wenn
Sie sagen, das THW sei eine Perle. Aber warum um al-
les in der Welt haben Sie das THW dann doch mit der
1,5-prozentigen Stellenkürzung versehen? Das THW hat
sich in den 90er-Jahren einer ganz intensiven Strukturre-
form unterziehen müssen; seine Verwaltung ist schon
jetzt extrem ausgedünnt. Wenn nun dort noch einmal
Personal abgebaut wird, kann es die Erfüllung seiner
Aufgaben nicht mehr sicherstellen. Deshalb lassen Sie
uns gemeinsam beim Haushaltsgrundsätzegesetz das
THW von der Personalkosteneinsparung ausnehmen,
wie es immer gute Sitte war, und ein Absinken verhin-
dern.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Als Hauptberichterstatterin zum Einzelplan 06
möchte ich zum Schluss noch ganz besonders den Minis-
terialbeamten und -angestellten – einige sitzen hinten auf
der Regierungsbank – danken. Die Haushaltsabteilung
hat uns in einer dankenswert intensiven Arbeit all das
zur Verfügung gestellt, was wir als Berichterstatter
brauchten, und unsere Fragen beantwortet. Das war für
alle Kollegen, vor allem die neuen Kollegen, sehr hilf-
reich.

Genauso möchte ich allen Behördenleitern danken,
die ihre Behörden in unserer Marathonsitzung kurz und
prägnant vorgestellt haben und damit den neuen Kolle-
gen einen Einblick in ihre Arbeit gegeben haben.






(A) (C)



(B) (D)


Susanne Jaffke
Lassen Sie mich auch dem Minister danken.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Der Minister hat sich für die Berichterstattergespräche
über zwei Stunden Zeit genommen. Er hat den Bericht-
erstattern seine Schwerpunkte deutlich erläutert. Umso
verwunderlicher ist es natürlich, dass die Regierungs-
koalitionäre die Wünsche des Ministers nun nicht erfüllen
und überdimensioniert zusammenkürzen. Herr Minister,
ich wiederhole, was ich im Berichterstattergespräch ge-
sagt habe: Sie werden erleben, dass die Opposition re-
gierungstreuer ist als die eigenen Truppen.


(Zurufe von der SPD: Ui! – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Susanne, übertreib es nicht!)


Da wir regierungstreu sind, können wir dem vorgelegten
Beratungsergebnis nicht zustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503313700


Ich erteile das Wort Kollegen Lothar Binding, SPD-
Fraktion.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Redet da auch mal ein Innenpolitiker?)



Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1503313800


Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen
und Herren! Über die Bedeutung von Sport, Breitensport
und Spitzensport, besteht große Einigkeit. Deshalb
möchte ich all den Berichterstattern Dank aussprechen,
die in diesem Bereich sehr gut zusammengearbeitet ha-
ben. Das gilt parteiübergreifend. Das Ergebnis kann sich
sehen lassen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sport hat auch politisch eine große Bedeutung; denn er
schafft Fairness, Integrationskraft, Kameradschaft, Ge-
sundheit, aber auch Vorbilder.

Ich möchte auch dem Minister danken; denn der Mi-
nister hat mit seinen Mitarbeitern, Fritz Rudolf Körper
und Ute Vogt als Parlamentarischen Staatssekretären,
aber auch den Abteilungen eine wirklich hervorragende
Vorlage geliefert und die Sportförderung auf hohem Ni-
veau stabilisiert.

Ich möchte noch einer dritten Gruppe danken und dies
mit einer kleinen Geschichte einleiten. Klaus Staeck hat
mir Folgendes erzählt: Er kommt in ein großes Gebäude
und sieht einen Hausmeister, der sich im Fernsehen ein
wichtiges Rennen der Formel 1 anguckt. Darauf sagt er:
Es ist ja schade, dass der Fahrer keine Steuern in
Deutschland zahlt.


(Zuruf von der SPD: So ist es!)


Der Hausmeister erwidert, der riskiere ja auch sein Le-
ben. Klaus Staeck darauf: Jeder Feuerwehrmann bei uns
im Staat riskiert sein Leben, aber er zahlt seine Steuern
in Deutschland und trägt dazu bei, dass wir die Förde-

rung des Breiten- wie des Spitzensports betreiben kön-
nen.

Jetzt wird die CDU/CSU sagen, es sei kein Wunder,
dass der mit seinem hohen Einkommen ins Ausland geht,
die Steuern seien zu hoch. Ich meine, so wie der Haus-
meister und der Feuerwehrmann ihre Steuern in Deutsch-
land bezahlen – dafür möchte ich ihnen danken –, kann
auch jemand, der 40, 30, 10 oder vielleicht auch nur
5 Millionen Euro an Jahreseinkommen hat, eben sehr
wohl hohe Steuern entrichten, und zwar in Deutschland,
denn er wurde hier sozialisiert und er hat seine momen-
tane Leistungsfähigkeit, die ihn vielleicht nach vorn
bringt, letztendlich auf dem Rücken dieser Gesellschaft
entwickelt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daher glaube ich, dass wir uns mit denjenigen, die mit
Auslandskonten mehr Erfahrung haben als ich, darüber
unterhalten müssen, als Spitzensportler Verantwortung
auch im Sinne der eigenen Vorbildfunktion wahzuneh-
men.

Mit Blick auf die erfolgreich vorangeschrittenen Sa-
nierungen und Modernisierungen der Stadien in Berlin
und Leipzig können wir feststellen, dass die Sportförde-
rung im Jahr 2003 mit einem Ansatz von mehr als
130 Millionen Euro stabilisiert wird. Diese sehr deutli-
che Aussage erkennen wir auch daran, dass für zentrale
Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports 70 Millionen
Euro zur Verfügung stehen. Die Bundesportfachver-
bände erhalten 18 Millionen Euro. Für das Personal im
Bereich Leistungssport stehen ebenfalls 18 Millionen
Euro bereit, für Olympiastützpunkte und Bundesleis-
tungszentren 26 Millionen Euro und für Behinderten-
sport 3 Millionen Euro. Für zentrale Maßnahmen des
Breitensports bleibt auch noch ein sehr nennenswerter
Betrag.

Das Bundesinnenministerium kümmert sich aber auch
um eine sehr wichtige Einrichtung, die Welt-Anti-Do-
ping-Agentur, und finanziert diese zur Hälfte. Ich halte
dies für eine sehr wichtige Aufgabe. Die Förderung in
der vorgesehenen Höhe bringt diese Institution erheblich
voran.

Darüber hinaus ist der Sportstättenbau für den Hoch-
leistungssport sehr wichtig; er kann mit einem Zuwachs
rechnen. Die Förderung hierfür hat mit über 19 Millio-
nen Euro ein sehr hohes Niveau erreicht.

Für das Kulturprogramm der Fußballweltmeister-
schaft waren im Rahmen der mittelfristigen Finanzpla-
nung insgesamt 30 Millionen Euro angesetzt. Zum Leid-
wesen des Ministeriums haben wir die für das Jahr 2003
veranschlagten 5 Millionen Euro um 1 Million Euro ver-
mindert. Dies geschah jedoch zugunsten einer sehr wich-
tigen Sache, nämlich des Goldenen Planes Ost, der als
Sonderförderprogramm für den Breitensport in den neuen
Ländern eine überragende Bedeutung hat. Das Besondere
daran ist, dass man damit investive Mittel induziert, die
von den Ländern und den Kommunen hinzugegeben wer-
den, sodass dies auch unter wirtschaftspolitischem As-
pekt eine sehr sinnvolle Maßnahme ist. Somit konnte die






(A) (C)



(B) (D)


Lothar Binding (Heidelberg)

Förderung in dem Programm Goldener Plan Ost auf nun-
mehr 10 Millionen Euro definiert werden. Darüber hi-
naus wird das Bundesinstitut für Sportwissenschaften mit
5 Millionen Euro gefördert.

All diese Maßnahmen zeigen, mit welchem Engage-
ment das Innenministerium und letztendlich auch die
Berichterstatter und der Haushaltsausschuss auf diesem
Gebiet agieren.


(Beifall bei der SPD)


An diesem Programm erkennt man, dass es sich um ei-
nen Wettkampf der Ideen handelt. Wettkampf ist durch-
aus ein Begriff aus dem Bereich des Sports. Wenn man
aber die Debatte eine Zeitlang verfolgt hat, merkte man,
dass es kein Wettkampf der Ideen, sondern ein Wett-
kampf der Beleidigungen, Unverschämtheiten und Dra-
matisierungen war. Das ist etwa so, als ob es beim Fuß-
ball nicht das Ziel wäre, Tore zu treffen, sondern die
Schienbeine des Gegners,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Da sind sie unschlagbar!)


also hier des politischen Gegners. Das kann so weit füh-
ren, dass der Gegner vorübergehend keine Tore schießt;
sportliches Verhalten ist das nicht. Ich möchte dies mit
einer kleinen Beobachtung belegen, die man hier vor
etwa einer Stunde machen konnte. Da sagte Herr
Scheuer, es sei doch eigentlich nicht zu verantworten,
dass man die Stimmung im Land vergifte. Derselbe Kol-
lege begann seine Rede mit der Feststellung – da dachte
ich noch, das liegt vielleicht daneben, aber man kann es
tolerieren –, das Programm sei „DDR light“. Aber er
verstieg sich dann zu einer beleidigenden Formulierung
gegenüber Innenminister Schily. Ich vermisse noch im-
mer die öffentliche Entschuldigung des Kollegen
Scheuer im Plenum.


(Zuruf des Bundesministers Otto Schily)


– Er hat sich bei Ihnen entschuldigt. Dann mag es in
Ordnung sein. Trotzdem denke ich, er sollte sich öffent-
lich entschuldigen.

Wer die Debattenbeiträge der CDU/CSU im Haus-
haltsausschuss zu nur zwei Tagesordnungspunkten ein-
mal etwas genauer analysiert, der wird folgende Worte in
diesen Beiträgen finden. Die Sätze beginnen grundsätz-
lich mit – manche Kollegen werden sich wiederfinden –:
es ist zu hören, ich bekomme Informationen, ich habe
Gerüchte gehört, Kollege Sowieso hat behauptet. Dann
kommt eine Sequenz von folgenden Begriffen: Lüge,
Trugbild, kaschieren, tricksen, verschleiern, Legenden-
bildung, falsche Zahlen, Täuschung, einseitig, dauerhaft
verfehlt, die Bedrohung bleibt, schuldig gemacht, ein-
fach dumm, missverständlich, bürokratisches Monster,
beratungsresistent, lückenhaft, entlarven, Schimäre,
Hirngespinst, Klientelbefriedigung, ungerecht, einseitig,
durch und durch verfehlt, bedrohlich, Bedrohung bleibt,
massiv beschädigt – ich zitiere nur die CDU/CSU –,


(Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben es gerade nötig!)


täuschen, tricksen.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Schwachstromelektriker!)


– Ihr Zuruf zeigt, dass Sie sich in der Physik nicht so gut
auskennen. Aber das verzeihe ich Ihnen gern.

Ich zitiere weiter die CDU/CSU: Lasten, fatal, miss-
bräuchlich, unterlaufen, europarechtswidrig, verfassungs-
widrig, schmähliches Dokument des Versagens, Sanie-
rungsfall, ruinös. So viel aus den Mitschriften von
Äußerungen, die zu zwei Tagungsordnungspunkten im
Haushaltsausschuss gefallen sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie zu-
künftig um einen fairen und sportlichen Wettkampf der
Ideen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503313900


Ich erteile das Wort Kollegin Dorothee Mantel, CDU/
CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1503314000


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Was passiert, wenn ein Haushalt aus dem
Gleichgewicht gerät, können wir heute schon den ganzen
Tag erleben. Leider – das muss ich jetzt feststellen – hat
auch der Haushalt des Innenministeriums das Gleichge-
wicht verloren.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh!)


– Warum regen Sie sich jetzt auf? Sie reden doch den
ganzen Tag davon, mit welcher Anstrengung man die ge-
steckten Ziele verfolgen muss, verehrte Regierungsmit-
glieder und verehrte Kollegen von der Koalition. Da
können Sie doch stolz sein, dass Sie Ihr Ziel in einer An-
gelegenheit schon erreicht haben, nämlich bei der politi-
schen Bildung. Es scheint mir, als wäre der Kampf ge-
gen Rechts das Einzige, was in der politischen Bildung
noch zu leisten wäre. Der Haushalt erweckt zumindest
diesen Eindruck.

Doch mit dieser Prioritätensetzung liegen Sie falsch.
Die politische Bildung ist wichtiger denn je. Es ist ein
Alarmzeichen, wenn die Zentralen für politische Bildung
nur einen einstelligen prozentualen Anteil der Bevölke-
rung erreichen.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Frau Mantel! Frau Mantel!)


– Herr Wiefelspütz, ich bitte auch um Ihre Aufmerksam-
keit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Lassen Sie sich dazu eines sagen: Die Wirksamkeit
von Maßnahmen zur politischen Bildung hängt nach-
gewiesermaßen auch von der Überparteilichkeit des






(A) (C)



(B) (D)


Dorothee Mantel
Trägers ab. Wird ein Träger nicht als politisch neutral
wahrgenommen, erreicht die Maßnahme die Bevölke-
rung nicht. Anders ausgedrückt: Die Maßnahme erreicht
dann nur die eigene Klientel.


(Walter Schöler [SPD]: Alle Stiftungen haben sich bedankt, nur die Hanns-Seidel-Stiftung nicht!)


Das können Sie durchaus als Vorwurf auffassen, meine
Damen und Herren von der Koalition. Ihre Programme
zur politischen Bildung sind reine Klientelpolitik. –
Wenn Sie etwas anderes tun würden, als nur Biografien
zu studieren, und mir zuhören würden, dann würden Sie
heute vielleicht noch etwas lernen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh!)


Wenn Sie das Geld sinnvoll ausgeben, dann haben Sie
unsere Unterstützung. Aber es geht nicht an, dass Sie nur
Ihre eigene Klientel bedienen.


(Klaus Hagemann [SPD]: Was für ein Quatsch!)


Ich nenne einige Zahlen von Zuwendungen der Bundes-
zentrale für politische Bildung aus dem vergangenen
Jahr. 336 000 Euro für das Bildungswerk des Deutschen
Gewerkschaftsbundes; das geht nicht.


(Ute Kumpf [SPD]: Das ist gut so!)


502 000 Euro für die Arbeitsgemeinschaft Demokrati-
scher Bildungswerke, darunter das Herbert-Wehner-Bil-
dungswerk, das keinen Hehl daraus macht, der SPD nahe
zu stehen. Auch das geht nicht.


(Zuruf des Abg. Sebastian Edathy [SPD])


– Herr Edathy, da Sie im Ausschuss nur Zeitung lesen,
sollten Sie mir zumindest jetzt zuhören.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Heute kriegt jeder sein Fett weg!)


Dagegen gibt es gerade einmal 8 000 Euro für den Bund
der Vertriebenen, der eine unersetzliche kulturelle Arbeit
leistet. Hier ist das Geld plötzlich knapp. Diese Verhält-
nisse möchte ich nicht weiter kommentieren.

Die Bundeszentrale für politische Bildung gibt für die
Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Rassis-
mus mehr aus als für die gesamten jugendspezifischen
Bildungsangebote. Weitere Programme gegen rechts
gibt es in Millionenhöhe beispielsweise vom Jugendmi-
nisterium. Sie konnten und Sie können nicht nachwei-
sen, dass dieses Geld effektiv verwendet wird.

Ihnen dürfte sicher auch der Schülerkalender des Ver-
eins „Brandenburg gegen Rechts“ bekannt sein; auch
dieser Fall darf heute nicht unerwähnt bleiben. Mit Gel-
dern des Landes wurde ein Kalender gedruckt, der Wer-
bung für die Jusos und die Falken enthielt.


(Zurufe von der CDU/CSU)


In einer Anzeige in diesem Kalender wurde für den Be-
darf von Haschischrauchern geworben.


(Zurufe von der CDU/CSU)


Immerhin soll dieser Verein künftig von der Landeszen-
trale keine Zuschüsse mehr bekommen. Ein sehr schaler
Beigeschmack bleibt aber.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Fünf Monate hat die Landeszentrale nichts bemerkt, ob-
wohl ihr der Kalender angeblich vorlag.

Die Bundeszentrale für politische Bildung betreibt
mit www.bpb-aktiv.de eine eigene Seite gegen Rechtsex-
tremismus. Dass wieder einmal der Extremismus nur
einseitig behandelt wird, wundert mich nicht mehr. Da-
mit wir uns nicht falsch verstehen: Jede Form von Extre-
mismus ist zu verurteilen. Das haben wir von der Union
immer deutlich gemacht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Höchst fraglich ist aber, welchen Vorbildcharakter und
welche Lerneffekte die Internetseite der Bundeszentrale
bietet. Zum Beispiel wird die Aktion „Saufen gegen
rechts“ in einer Linkliste mit Onlineinformationen gegen
Rechtsextremismus aufgeführt.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Unglaublich!)


Halten Sie das für eine verantwortungsvolle politische
Bildung? – Herzlichen Glückwunsch!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Bundesregierung hält Wettbewerbe, Feste und
Events für ein „taugliches Mittel der politischen Bil-
dungsarbeit“. Das hat Marieluise Beck, Parlamentari-
sche Staatssekretärin, in der Fragestunde vom
12. Februar 2003 gesagt. Welchen Vorbildcharakter und
welche Lerneffekte haben dann Musikfestivals wie
„Beat the Fascist Insect“? Den Indymedia-Skandal
möchte ich nicht mehr aufwärmen. Erwähnenswert finde
ich aber – ich habe das heute Nachmittag extra noch ein-
mal nachgesehen –, dass von der genannten Seite
www.bpb-aktiv.de nach wie vor ein Link auf www.indy-
media.de geschaltet worden ist.


(Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört! – Skandal! – Unglaublich!)


Ich wünsche mir, dass politische Bildung wieder zu
ihrem wahren Auftrag zurückkehrt. Sie soll die Grundla-
gen der Demokratie vermitteln. Wir werden nicht zulas-
sen, dass Sie bestimmten Gruppen, die Ihnen ideologisch
nahe stehen, unter dem Deckmantel der politischen Bil-
dung Geld zuschustern.


(Beifall bei der CDU/CSU – Walter Schöler [SPD]: Reden Sie von der Hanns-Seidel-Stiftung?)


Das ist nicht nur unanständig, sondern bei dieser Haus-
haltslage auch unverantwortlich.

Dagegen kürzen Sie den Zuschuss an die Bundesstif-
tung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur um
130 000 Euro. Konsequent sind Sie; man kann Ihnen






(A) (C)



(B) (D)


Dorothee Mantel
nicht vorwerfen, Sie seien konsequent. Aber solide Haus-
haltspolitik braucht einen langen Atem. Gerade meine
Generation wird die Fehler und die Kurzsichtigkeit des
heutigen Handelns zu spüren bekommen. Gerade meine
Generation wird büßen, wenn sich der Bundesfinanzmi-
nister die wirtschaftlichen Daten so berechnet, dass der
Haushalt passt.

Wir können es uns nicht leisten, Mittel unnötig auszu-
geben oder mit riskanten Vorhaben unabsehbare Kosten-
explosionen in Kauf zu nehmen. Das gilt besonders im
Bereich der Informationstechnologien.


(Klaus Hagemann [SPD]: Konkret!)


– Ich werde sofort konkret. – Der große Sprung soll
„Bund-Online 2005“ werden. Doch wer hoch springt,
sollte bedenken, dass er auch tief fallen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Bundesinnenminister hatte erst letzten Mittwoch
Großartiges zu vermelden:

Bund online ist erfolgreich. Bereits 173 der
400 Dienstleistungen des Bundes sind im Netz ver-
fügbar. Wir liegen im Zeitplan.

Doch wer kennt diese Dienstleistungen? Zahlen zur
tatsächlichen Nutzung sind mir nicht bekannt, ebenso
wenig Untersuchungen über tatsächliche und potenzielle
Zielgruppen und die Akzeptanz der Angebote. Auch Ex-
perten halten den Zeitplan für ehrgeizig. Die Warnungen
sind deutlich – ein Zitat aus der „Innovativen Verwal-
tung“ 12/2002 –: Es „sollte nicht auf einen fertigen Ge-
neralplan gewartet werden“. Vielmehr müsse die jahre-
lange Erfahrung aus der Verwaltungsmodernisierung
aufgegriffen werden. Die Initiative „Bund online“ ist zu
wichtig, als dass am grünen Tisch geplant werden kann,
was in der Praxis nicht ankommt.


(Klaus Hagemann [SPD]: War das nicht bei der Seidel-Stiftung so?)


Gerade hier muss Wert auf Akzeptanz gelegt werden.

Der Bundesrechnungshof hat im vergangenen Jahr
festgestellt – dies ist ein Zitat aus der „Computerwoche“
05/2002 –,


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das war 07! 2/07!)


dass es kein Bestandsverzeichnis über die in der Bundes-
verwaltung eingesetzte Informationstechnik gibt. Wie
kann auf dieser Basis effizient geplant und koordiniert
werden?

Die Digitalisierung der Verwaltung ist ein Schritt in
die Zukunft, ein Schritt zu einem schlanken und effizien-
ten Staat. Aber die Maßnahmen müssen überlegt sein,
damit kein Geld in den Sand gesetzt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich werde dem Hauptgeschäftsführer ausrichten, dass
Sie von der Hanns-Seidel-Stiftung so begeistert sind,
dass Sie sie schon zehnmal erwähnt haben. Das wird er
sicher gern hören.


(Walter Schöler [SPD]: Da haben Sie eine kostenlose Werbung!)


Außerdem bin ich auch begeistert, wie sehr ich es
schaffe, Ihre Gemüter zu erregen. Da scheint ja Einiges
im Argen zu liegen.


(Zurufe von der SPD: Oh! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Da haben Sie Recht!)


Solide Haushaltspolitik zeigt sich nicht im guten Wil-
len, sondern in der Tat. Lassen Sie mich noch einen Satz
sagen: Zumindest farblich haben Sie den Haushalt im
Griff, meine Damen und Herren von der Koalition: Die
Hoffnung ist grün, die Zahlen sind rot.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503314100


Ich erteile das Wort dem Bundesminister Otto Schily.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Jetzt hat er es schwer! – Zuruf von der FDP: Keine Chance! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Jetzt wird es wirklich eine Herausforderung!)



Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1503314200


Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
Ich möchte mich im Gegenzug ausdrücklich bei den
Haushälterinnen und Haushältern bedanken, speziell bei
Frau Jaffke, die ja sich hier als regierungstreue Oppositi-
onspolitikerin sehr freundlich geäußert hat. Ich meine
das auch mit Blick auf die schwierige Aufgabe der In-
nenpolitik und der inneren Sicherheit, die dieser Haus-
halt zu vertreten hat.

Bei allem Streit in der Sache und im Detail kann ich
davon ausgehen, dass alle Mitglieder dieses Hauses ein
lebhaftes und engagiertes Interesse daran haben, den
Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleis-
ten. Ich will ausdrücklich hervorheben, dass die Haus-
hälterinnen und Haushälter sich dadurch auszeichnen,
dass sie den Haushalt des Innenministeriums in fairer
und konstruktiver Weise begleiten. Das können wir hier
gemeinsam feststellen.

In der Tat dürfen wir uns rühmen – das ist in Zeiten
schwieriger Haushaltslagen keine ganz einfach zu be-
werkstelligende Leistung –, dass der Haushalt in ver-
schiedenen Bereichen einen deutlichen Aufwuchs auf-
weist, insbesondere in denen, die der inneren Sicherheit
dienen. Ich will jetzt nicht alle Zahlen wiederholen. Aber
mir liegt schon sehr daran, dass das Bundeskriminalamt,
die Bundespolizei – ich bedanke mich dafür, dass einige
den neuen Namen des Bundesgrenzschutzes schon vor-
weggenommen haben –, das Bundesamt für Verfas-
sungsschutz und das Bundesamt für Sicherheit in der In-
formationstechnik über mehr Mittel verfügen. Das ist
wichtig für deren Arbeit.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Weil Sie mehrfach den Bundesgrenzschutz angespro-
chen haben, will ich auch zum Ausdruck bringen, was






(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Otto Schily
ich aus dem Bundesgrenzschutz selber höre: Die perso-
nelle und sachliche Ausstattung des Bundesgrenzschut-
zes – dazu gehört auch Einkommensentwicklung – war


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Noch nie so gut wie heute!)


noch nie so gut wie unter dieser Regierung. Das wollen
wir hier doch einmal festhalten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Eine solide und erfolgreiche Innenpolitik drückt sich in
den Zahlen des Haushaltes aus. Nun habe ich durchaus
mit Wohlwollen vernommen, dass seitens der Opposi-
tion Anträge gestellt werden, um die finanzielle Ausstat-
tung meines Haushalts zu verbessern.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Leider ohne Finanzierung!)


Wer könnte dem als Innenminister widersprechen? Nur
haben Ihre Anträge einen Makel: Es fehlt die Finanzie-
rungsseite.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn man aus der Opposition nun pausenlos hört, wir
sollten die Steuern doch noch weiter senken,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Kasteien Sie sich nicht so sehr selbst!)


dann wird man einsehen, dass solche Anträge zur besse-
ren finanziellen Ausstattung leider eine Verpackung
ohne Inhalt sind. Deshalb sind Ihre Anträge dann doch
nicht so besonders eindrucksvoll.


(Beifall bei der SPD – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wo ist der Inhalt?)


Alle zusätzlichen Mittel, die uns zur Verfügung ge-
stellt wurden, haben wir gut angelegt. Ich kann in einer
kurzen Betrachtung im Rahmen der Haushaltsberatun-
gen nicht die gesamte Arbeit darstellen und will deshalb
ein Beispiel herausnehmen, von dem ich glaube, dass es
in der Zukunft noch besondere Bedeutung erhalten wird:
das Bundesamt für Sicherheit in der Informations-
technik. Allerdings gab es da von irgendeiner Seite
– ich glaube, von der Koalition – ein bisschen zu viel
Lob: Wir hätten dieses Amt erfunden. – So weit geht die
eigene Anerkennung nicht. Aber wir haben dieses Amt
erheblich ausgebaut. Wir haben in diesem Bereich sehr
viele neue Aufgaben verankert. Ich nenne: die Einrich-
tung einer Einsatzzentrale des Bundes bei IT-Gefähr-
dungslagen; die Analyse und Prognose von IT-Entwick-
lungen und -Trends; den Ausbau der Zusammenarbeit
mit den Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden; die
Einrichtung von so genannten Hot- oder Helplines im
Rahmen einer IT-Sicherheitskampagne; den Ausbau der
internationalen Zusammenarbeit – sehr bedeutsam –; die
Konzeption und Koordination des Aufbaus, des Betrie-
bes und der technischen Weiterentwicklung ressortüber-
greifender IT-Infrastrukturen; die Unterstützung der Be-
ratungstätigkeit der Koordinierungs- und Beratungsstelle
der Bundesregierung für Informationstechnik in der

Bundesverwaltung; die Intensivierung der Maßnahmen
im Bereich der kritischen Infrastrukturen der Informati-
onstechnik; die Öffentlichkeitsarbeit.

Meine Damen und Herren, dieses Amt hat inzwischen
international ein so hohes Ansehen gewonnen, dass viele
nach Deutschland kommen, um es sich anzuschauen,
von ihm zu lernen und in ihren Ländern ähnliche Ein-
richtungen zu schaffen. Auf dieser Grundlage ist es mir
gelungen, die Forderung nach einer Agentur für Sicher-
heit in der Informationstechnik auf europäischer Ebene
durchzusetzen. Ich bin dafür dankbar, dass die Europäi-
sche Kommission diesen Vorschlag aufgenommen hat.
Wir bemühen uns darum, dass diese Einrichtung ihren
Platz in Deutschland finden wird.

Ohnehin möchte ich im Zusammenhang unserer
nächtlichen Debatte


(Zurufe: Abend!)


– für unsere Verhältnisse ist es noch früh; die mitternächt-
lichen Debatten stehen uns noch bevor – betonen, dass
nationale Sicherheitspolitik sich immer in einen interna-
tionalen Zusammenhang einbetten muss. Ich glaube, dass
wir als Bundesregierung auch da deutliche Erfolge in der
europäischen Politik aufweisen können. Ich habe schon
die Agentur genannt. Ich will hier zwei weitere wichtige
Institutionen nennen, die auf deutsche Vorschläge zu-
rückzuführen sind: die Europäische Polizeiakademie und
die Europäische Grenzpolizei, um die wir uns bemühen.

Am Vorabend eines möglichen Krieges will ich da-
rauf hinweisen, dass wir im internationalen Bereich auch
auf polizeilicher Ebene sehr aktiv sind. Wir haben Ver-
bindungsbeamte in zahlreichen Ländern weltweit. Wir
leisten vorbildliche polizeiliche Arbeit in so krisenge-
fährdeten Gebieten wie Afghanistan und Kosovo. Ich
möchte nicht versäumen, den Kolleginnen und Kollegen
Polizeibeamten, die diese Arbeit leisten, hier meinen be-
sonderen Respekt und meinen Dank zum Ausdruck zu
bringen.


(Beifall im ganzen Hause)


Im Rahmen einer solchen Debatte ist es nicht mög-
lich, eine umfassende Bilanz zu ziehen. Ich müsste doch
einige Stunden zur Verfügung haben, um Ihnen die Er-
folgsbilanz vorzutragen. Das werden Sie nicht ertragen
wollen. Aber ich will durchaus nicht verschweigen, dass
es an der einen oder anderen Stelle noch Reform- und
Weiterentwicklungsbedarf gibt: von den gesetzlichen
Befugnissen und Regelungen bis hin zu Fragen der ad-
ministrativen und technischen Ausgestaltung der Institu-
tionen.

Ich bin der Opposition besonders dafür dankbar, dass
sie – das hat sie schon bei früherer Gelegenheit getan –
sehr deutlich – ich habe in Ihren Reihen eigentlich keine
Einschränkung gesehen – und uneingeschränkt die For-
derung nach Schaffung eines modernen Digitalfunks
für die Sicherheitsbehörden unterstützt. Ich wäre Ihnen
nur dankbar – das geht etwa an die Adresse von Herrn
Strobl oder der Kollegen aus Hessen –, wenn Sie sich bei
Ihren Landesregierungen ebenso massiv einsetzten. Der
Widerstand kommt von Ministerpräsident Koch und von






(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Otto Schily
dem baden-württembergischen Finanzminister Stratt-
haus.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was hören wir da?)


Dort muss noch Überzeugungsarbeit geleistet werden.


(Zuruf des Abg. Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU])


– Nein. Als Zeichen dafür, dass wir hier ehrlich mitei-
nander umgehen, sage ich Ihnen: Es gibt auch in SPD-
regierten Ländern Finanzminister, die Vorbehalte geäu-
ßert haben.


(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)


– Wir wollen ehrlich miteinander umgehen. Deshalb ist
es mein Anliegen und meine Bitte, dass sich alle Seiten
dieses Hauses dafür einsetzen, dass dieses Vorhaben
möglichst schnell in die Tat umgesetzt wird.

Was Frau Philipp hier eingangs gesagt hat, ist völlig
richtig, nämlich dass es ohne Einführung des Digital-
funks viel teurer wird, weil der Analogfunk überholt ist.
Die Kosten für den Analogfunk werden in Zukunft auch
noch erheblich steigen. Wir wären also nicht nur unter
technischen Gesichtspunkten schlecht beraten, wenn wir
diese Dinge nicht voranbringen würden. Ich jedenfalls
bin da sehr engagiert.

Frau Kollegin Mantel, bei der Gelegenheit will ich
auf einige Bemerkungen von Ihnen zu Bund online
2005 eingehen. Ich glaube, Sie waren nicht auf der
CeBIT. Das ist schade. Wenn Sie beim nächsten Mal Zeit
haben, lade ich Sie gern dorthin ein.


(Walter Schöler [SPD]: Dafür werden keine Gelder freigegeben!)


Dann werde ich Ihnen gerne die Fortschritte des Projek-
tes darstellen. Wir haben für E-Government diesmal sehr
viel mehr Ausstellungsfläche zur Verfügung gehabt. Wir
konnten eine große Erfolgsbilanz vorweisen. Zu den
Dienstleistungen, von denen Sie sagen, sie seien weitge-
hend unbekannt, kann ich nur sagen, dass sie in der Wirt-
schaft sehr gut bekannt sind.

Ich will ein Beispiel nennen: Die Möglichkeit, die
Übermittlung statistischer Angaben gegenüber dem Sta-
tistischen Bundesamt online abzuwickeln, wird bereits
zu einem hohen Prozentsatz in Anspruch genommen.
Andere Kommunikationsverbindungen werden von der
Wirtschaft heute schon zu 90 Prozent in Anspruch ge-
nommen. Das ist mit Kosteneinsparungen und Ähnli-
chem verbunden.

In diesem Bereich haben wir auf der einen Seite eine
beachtliche Investitionssumme zu verzeichnen, nämlich
etwa 1,45 Milliarden Euro. Diese Summe wird dort zu-
gunsten unserer Informations- und Kommunikationsin-
dustrie investiert. Auf der anderen Seite ist mit Einspa-
rungen in Höhe von 400 Millionen Euro jährlich zu
rechnen, wenn wir Bund online vollständig abgeschlos-
sen haben. Ich sage Ihnen: Das wird ein Return of
Investment, an dem sich mancher Businessplan in der
Wirtschaft ein Beispiel nehmen könnte. Ich bin sehr

stolz drauf, wie weit wir vorangekommen sind. Hier ha-
ben wir überhaupt keine Kritik verdient.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


An der Stelle liegen wir in der internationalen Bewer-
tung leider nicht an erster Stelle – wo wir eigentlich sein
sollten –, weil es auf Länderebene und auf kommunaler
Ebene einen gewissen Nachholbedarf gibt. Die dort teil-
weise bestehende Vielfalt ist in diesem Fall kein Vorteil.
Wenn es beispielsweise bei Kraftfahrzeugzulassungsver-
fahren über 100 Softwaremodelle gibt, ist ein vernünfti-
ges E-Government nicht machbar. Um das voranzubrin-
gen, müssen wir mit den Ländern und Kommunen
zusammenarbeiten.

Insofern kann es vielleicht sogar ein Vorteil sein, dass
der hessische Ministerpräsident mir – was nicht unbe-
dingt auf mein Wohlgefallen gestoßen ist – einen wichti-
gen Mann aus dem Bundeskriminalamt abgeworben hat,
der das Projekt INPOL (neu) betreut.


(Zuruf des Abg. Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU])


– Sie wissen, dass es in der Bundesverwaltung immer
gute Leute gibt. Deshalb habe ich sogar ein gewisses
Verständnis dafür. Ich habe dem hessischen Ministerprä-
sidenten gesagt: Wenn das zur Folge hat, dass die betref-
fende Person Sie dazu veranlassen kann, Ihren Wider-
stand gegen den Digitalfunk aufzugeben, wäre selbst
diese Maßnahme zu befürworten.

Wir werden sicherlich auch dem Regelungsbedarf
nachkommen müssen, der im Bereich polizeilicher
Maßnahmen im Luftbereich besteht. Für Maßnahmen
auf dem Boden und zu Wasser gibt es klare Regelun-
gen, aber im Luftbereich sind die Zuständigkeiten nach
meiner Überzeugung zu verstreut. Deswegen gehen wir
entschlossen an ein Luftpolizeigesetz. Wir werden das
– das ist die Überlegung von Herrn Kollegen Wiefel-
spütz und anderen aus der Koalition; Frau Stokar von
Neuforn hat sich auch in der Weise dazu geäußert – mit
einem Bundeswehraufgabengesetz verbinden, welches
die Aufgaben der Bundeswehr im Rahmen der verfas-
sungsrechtlichen Bestimmungen regeln soll.

Dies sollten wir vorurteilsfrei und ohne uns in irgend-
welche Schützengräben zu begeben miteinander bespre-
chen. Ich lade Sie ausdrücklich ein, mit uns über diese
Fragen zu reden, und sage Ihnen vorweg: Ich gehe nicht
dogmatisch an diese Fragen heran, sondern ausdrücklich
praxisorientiert. Man muss sich erst die Situationen ver-
gegenwärtigen, die entstehen könnten, um zu den richti-
gen normativen Regelungen zu kommen.

Bereits Herr Fricke hat das NPD-Verbotsverfahren
angesprochen. Ich danke ihm für seine sehr sachliche
Kommentierung. Allerdings muss auch ich bei dieser
Gelegenheit einige Sätze zum NPD-Verbotsverfahren sa-
gen, weil Herr Strobl der Meinung war, sich dazu äußern
zu müssen.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was ein Fehler war!)







(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Otto Schily
Ich bedauere ausdrücklich, dass dieses Verfahren ein-
gestellt worden ist.


(Beifall des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD])


Ich habe nicht sehr viel Glück mit dem Senat: Das eine
Mal verliere ich einen Prozess mit der Minderheit des
Senats und das andere Mal mit der Mehrheit des Senats.
Das ist keine besonders gute Erfahrung.

Wenn von Ihnen, Herr Strobl, aber behauptet wird, es
habe angebliche handwerkliche Fehler gegeben, dann
muss ich Ihnen Folgendes sagen: Sie müssen sich klar äu-
ßern, wie Sie das meinen. Das ist für eine argumentative
Auseinandersetzung wichtig. Wenn Sie sich die Meinung
der Minderheit des Senats zu Eigen machen – ich wie auch
die Mehrheit des Senats widersprechen dieser Meinung
mit Entschiedenheit –, dann müssten Sie die Verfassungs-
schutzbehörden ernsthaft vor die Alternative stellen, ent-
weder auf ein Verbotsverfahren zu verzichten, obwohl es
nach der sachlichen Betrachtung gerechtfertigt wäre,


(Zuruf von der CDU/CSU: Kanonen gegen Spatzen!)


oder alle Quellen offen zu legen und sogar auf die Be-
obachtung der verfassungsfeindlichen Partei vor Beginn
des Verfahrens und während des Verfahrens verzichten.
Diese Alternative ist nach meiner Überzeugung verfehlt.
Denken Sie nur an das KPD-Verbotsverfahren. Das
KPD-Verbotsverfahren hat fünf Jahre gedauert. Ihre po-
litischen Kreise, Herr Strobl, haben die KPD als eine
sehr gefährliche, verfassungsfeindliche Partei angese-
hen. Meinen Sie wirklich allen Ernstes, bei Beginn des
KPD-Verbotsverfahrens hätte die Beobachtung der KPD
eingestellt werden sollen? Es wäre interessant, das von
Ihnen zu hören.

Wenn die Verfassungsbehörden wirklich alle Quellen
offen legen müssten, wenn es opportun erscheint – wenn
Sie dieser Meinung sind, dann müssten Sie Ihre Kritik in
diesem Punkt konkretisieren –, dann kann ich Ihnen sa-
gen, was passiert: Die Arbeit der Verfassungsschutzbe-
hörden würde ernsthaft Schaden nehmen; denn der Ver-
fassungsschutz ist dringend darauf angewiesen, Quellen
zu gewinnen. Wenn die Verfassungsschutzbehörden
diese Möglichkeit nicht hätten, dann würde deren Arbeit
erheblich geschwächt.

Also lassen Sie uns über diese Fragen ernsthaft und
objektiv nachdenken. Dann kommen wir auch zu den
richtigen Schlussfolgerungen. So, wie sich die Lage jetzt
darstellt, ist die Sperre beim Bundesverfassungsgericht
nicht zu überwinden. Das führt mich, Herr Fricke, zu der
Überzeugung, dass es im Moment keinen Sinn hat, die-
ses Verbotsverfahren neu aufzulegen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503314300


Herr Minister, Sie müssen zum Ende kommen.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1503314400


Ich weiß, meine Redezeit ist überschritten. Deswegen
werde ich jetzt Schluss machen. – Ich bedanke mich

noch einmal für die sehr faire Behandlung des Haushal-
tes meines Ministeriums und hoffe, dass er Ihre Zustim-
mung findet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503314500


Ich erteile dem Kollegen Strobl das Wort zu einer
Kurzintervention.


Thomas Strobl (CDU):
Rede ID: ID1503314600


Herr Bundesinnenminister, da Sie mich in Bezug auf
das bedauerlicherweise gescheiterte NPD-Verbotsver-
fahren vor dem Bundesverfassungsgericht am heutigen
Tage angesprochen haben, möchte ich zwei Dinge sagen.

Erstens. Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU hat
von Anbeginn des Verfahrens ausdrücklich auf die Risi-
ken, die ein solches Verfahren in sich birgt, hingewiesen.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Oh!)


Dies war auch der Grund, Herr Kollege Burgbacher, wa-
rum wir, wie Sie sich sicherlich erinnern können, im
Deutschen Bundestag nicht zugestimmt haben.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Jesses!)


Wir haben nämlich gesagt, dass dieses Verfahren eine An-
gelegenheit der Exekutive ist, weil nur sie einschätzen
kann, welches Material – und auf welche Art und Weise –
bei einem solchen Verfahren eingeführt werden kann.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Genauso war es!)


Dass hierbei Fehler gemacht worden sind, ist nach dem
heutigen Ausgang des Verfahrens ganz offensichtlich.
Hätten Sie von vornherein abgesehen, dass das Verfah-
ren so ausgehen würde, wie es heute geschehen ist, wenn
aufseiten der Antragsteller entsprechend vorgegangen
wird, dann hätten Sie das Verfahren nie einleiten dürfen.

Herr Innenminister, ich komme zum zweiten Punkt – das
kann ich Ihnen nicht ersparen –: Spätestens zu dem Zeit-
punkt, als das Bundesverfassungsgericht den bereits fest-
gesetzten Termin für eine mündliche Verhandlung abge-
sagt hat, hätten insbesondere bei Ihnen die Alarmglocken
schrillen müssen.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Und dann?)


Bedauerlicherweise haben Sie es zu diesem Zeitpunkt
besser gewusst als die Richter des Bundesverfassungsge-
richts. Eigentlich war spätestens zu diesem Zeitpunkt ab-
zusehen, auf welch gefährlichem Weg man sich bei die-
sem Verfahren aufseiten der Antragsteller unter Ihrer
Leitung befand.

Deswegen bleibe ich dabei: Wir haben von Anfang an
auf die Risiken hingewiesen. Leider hat sich das bewahr-
heitet. Während des Verfahrens vor dem Bundesverfas-
sungsgericht ist ganz sicher auch von Ihnen nicht alles
richtig gemacht worden.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503314700


Herr Minister, Sie haben Gelegenheit zur Reaktion.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1503314800


Kollege Strobl, Sie tun etwas, das Sie in diesen Tagen
wiederholt getan haben: Sie behaupten angebliche hand-
werkliche Fehler, aber Sie benennen sie nicht.


(Ute Kumpf [SPD]: Genau!)


Ich würde von Ihnen gerne erfahren – sagen Sie es mir
bitte konkret –, welcher handwerkliche Fehler dem Bun-
desministerium des Innern in diesem Zusammenhang
vorzuwerfen ist.

Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass ich nur die Be-
gründungen in meinem Antrag zu verantworten habe.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: So ist es!)


In ihm befindet sich der Name nur einer Person, die frü-
her einmal als Informant eines Landesamtes für Verfas-
sungsschutz gedient hat; es ist Herr Frenz. Auf dessen
Äußerungen wird Bezug genommen. Ich sage Ihnen
aber: Die Tatsache, dass sich jemand, der früher einmal
Informationen an ein Verfassungsschutzamt geliefert hat,
später als NPD-Mitglied verfassungsfeindlich äußert


(Zuruf des Abg. Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU])


– lassen Sie mich doch ausreden, ich habe Ihnen vorhin
auch zugehört; seien Sie ein wenig geduldig, ich erkläre
es Ihnen doch mit aller Geduld –, macht doch dessen
Aussagen nicht bedeutungslos. Ich wüsste nicht, warum
das so sein sollte. Das ist jedenfalls meine Auffassung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ansonsten finden Sie in meinem Antrag nichts derglei-
chen. Ich habe mich im Wesentlichen auf öffentlich zu-
gängliche Quellen gestützt.


(Klaus Hagemann [SPD]: Der Bundestag auch!)


Zweiter Punkt.


(Zuruf des Abg. Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU])


– Wo soll der Fehler sein? Sie sind so ungeduldig. Daran
merke ich, dass Ihnen allmählich aufgeht, dass Ihre Be-
gründung ziemlich schwach ist.


(Beifall bei der SPD – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Er antwortet nur!)


Solange Sie mir nicht genau sagen, wo der Fehler began-
gen wurde – –


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sie wollen es nicht hören!)


– Sie wollen es ja offenbar nicht sagen. So können Sie
mit mir aber nicht umgehen. – Die Minderheit des Se-
nats hat den Antragstellern insgesamt vorgeworfen, sie
hätten die Quellen nicht aufgedeckt oder die Beobach-

tungen vor Beginn bzw. während des Verfahrens nicht
eingestellt. Dazu habe ich hier am Pult schon das Not-
wendige gesagt.

Nun will ich Ihnen etwas zu Ihrer Haltung sagen: Sie
geben das falsch wieder. Sie haben das Verfahren unter-
stützt und gesagt: Die Bundesregierung und die Landes-
regierungen sollen das in Gang bringen. Ich stimme
Ihnen in diesem Punkt ja zu. Hier war ich mit der Ent-
scheidung meiner Fraktion nicht einverstanden. Das
kann ja auch einmal passieren.


(Zuruf von der SPD)


– Entschuldigung, das ist so. – Ich war nicht dafür, dass
der Bundestag einen eigenständigen Antrag stellt. Ich
habe gesagt, dass mir ein Entschließungsantrag ausrei-
chen würde. Den hätte ich allerdings begrüßt.

Sie wissen, dass ich ursprünglich skeptisch war. Ich
habe mich von Herrn Kollegen Beckstein überzeugen
lassen. Ihm muss ich das Urheberrecht zuerkennen. Herr
Strobl, jetzt frage ich Sie: Wenn Sie schon kritisieren
wollen, warum richten Sie Ihre Kritik dann ausschließ-
lich an mich? Wo ist die Kritik an Herrn Beckstein?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn Sie in dieser Frage ehrlich wären, dann müssten
Sie Herrn Beckstein kritisieren. Aber dazu habe ich von
Ihnen keine Silbe gehört.

Deshalb halte ich das, was Sie hier veranstalten, für
die typische Form von „Haltet den Dieb!“. Lassen Sie
das! Damit kommen wir in einer solch schwierigen und
heiklen Frage nicht weiter.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503314900


Ich erteile Kollegen Norbert Barthle, CDU/CSU-
Fraktion, das Wort.


Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1503315000


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister Schily, dass Sie zu dem Sportetat, einem
ebenfalls wichtigen Bereich in Ihrem Ministerium, kei-
nen Satz gesagt haben, kann ich angesichts der nicht ge-
rade erfreulichen Entwicklung verstehen, aber nicht ganz
nachvollziehen.

Herr Kollege Binding hat zu diesem Bereich gespro-
chen. Ich gebe den Dank für die gute Zusammenarbeit
ausdrücklich zurück, möchte aber doch sagen: Wenn rot-
grüne Kollegen von „Verstetigung“ sprechen – so viel
habe ich schon gelernt –, meinen sie eine ständige Ab-
wärtsentwicklung. Das muss man an dieser Stelle deut-
lich sagen. Ich habe noch knapp fünf Minuten Zeit, um
Ihnen anhand von fünf Punkten darzulegen, dass Rot-
Grün den Sport nicht gefördert hat. Im Gegenteil: Die
rot-grüne Bundesregierung hat die Förderung des Spit-
zensports – das ist eigentlich ihre originäre Aufgabe – in
den vergangenen Jahren deutlich zurückgefahren.






(A) (C)



(B) (D)


Norbert Barthle
Das betrifft vor allen Dingen die Investitionen für die
Einrichtungen des Spitzensports. Herr Schily, Sie haben
die Mittel für diesen Bereich ganz konkret um 40 Pro-
zent gekürzt. Ich meine, dass dies angesichts der interna-
tionalen Herausforderungen kaum verantwortbar ist. Sie
zehren – das müssen Sie einfach sehen – von der Sub-
stanz. Goethe hat einmal gesagt:

Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es,
um es zu besitzen.

Diesen Satz sollten Sie sich immer wieder vor Augen
führen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der zweite Punkt betrifft die zentralen Maßnahmen.
Im Etat ist das die Größe, die für die Sportförderung von
eigentlicher Bedeutung ist. Ein Blick in den Haushalt
zeigt, dass der Ansatz in den vergangenen Jahren, so
auch für 2003, einigermaßen konstant geblieben ist
– wenn er auch unter dem aus den Jahren 1996 und 1998
liegt –, allerdings bei gleichzeitig ständig steigenden
Aufwendungen für Trainer und Trainingsmaßnahmen.
Was das in der Realität für den Sport bedeutet, kann je-
der selbst ermessen.

Ich will nun zum dritten Punkt kommen. Er betrifft
den auch vom Kollegen Binding angesprochenen Golde-
nen Plan Ost. Im Wahlkampf 1998 war noch von zu-
sätzlichen jährlichen Investitionen in Höhe von 50 Mil-
lionen Euro die Rede. 15 Millionen Euro sind es in den
letzten beiden Jahren geworden. 2003 sollten nach dem
Willen der Bundesregierung nur noch 8 Millionen Euro
eingestellt werden. Wir haben uns im Ausschuss auf
knapp 10 Millionen Euro geeinigt. Das ist angesichts der
vergangenen Jahre nur ein Trostpflaster; denn sowohl
die Investitionen für die Sportstätten als auch für den
Goldenen Plan Ost wirken sich in den einzelnen Kom-
munen aus.

Dass diese Notwendigkeit besteht, zeigt ein Blick in
die Sportstättenstatistik: 40 Prozent unserer Sportstätten
sind hierzulande sanierungs- und renovierungsbedürftig.
In den neuen Ländern sind es sogar 70 Prozent. Deshalb
kann ich nur raten, in diese Bereiche zu investieren. Das
belebt die Konjunktur und sichert unsere Zukunft.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Lassen Sie mich einen vierten Punkt anführen. In ei-
nem Bereich zeigt sich Rot-Grün verblüffend großzügig,
nämlich bei den repräsentativen Ausgaben im Zusam-
menhang mit der Austragung der Fußballweltmeister-
schaft 2006 in unserem Lande. Unsere Fraktion steht
klipp und klar zu dieser Fußball-WM; das ist gar keine
Frage. Daran zweifelt niemand. Aber die Zusage, Herr
Schily, die Erlöse aus dem Münzverkauf – 30 Millio-
nen Euro ab diesem Jahr – für ein Rahmenprogramm für
die WM zur Verfügung zu stellen, kommt einem Frei-
brief für das Organisationskomitee gleich.

Wir Parlamentarier haben nicht nur das Recht, son-
dern auch die Pflicht, genau hinzuschauen, in welcher
Höhe und wofür diese Mittel verwendet werden sollen.
Deshalb haben wir dort gekürzt. Diese Kürzung richtet
sich nicht gegen den DFB. Dennoch wundert mich die

das Parlament gewissermaßen diskreditierende Reak-
tion eines WM-Mitorganisators angesichts dieser Kür-
zung um 1 Million Euro für das Organisationskomitee.
Ich meine, das ist auch für den größten deutschen Sport-
fachverband nicht akzeptabel. Herr Schily muss viel-
leicht noch lernen, dass der Haushalt hier im Parlament
und nirgendwo sonst entschieden wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Lassen Sie mich noch einen fünften Punkt anführen,
die sportwissenschaftlichen Einrichtungen. Im Haus-
halt heißt dieser Posten „Projektförderung für Sportein-
richtungen im Beitrittsgebiet“. Dahinter verbergen sich
das Institut für Angewandte Trainingswissenschaft in
Leipzig und die Forschungs- und Entwicklungsstelle für
Sportgeräte hier in Berlin. Beide sind Topadressen, die
für große Erfolge im Sport stehen. Auch für diesen Be-
reich sind die Mittelansätze nur geringfügig höher als im
Jahr 2002.


(Zuruf von der SPD: Das ist doch schon was!)


Über die Jahre hinweg muss man von einem Abbau
sprechen, nämlich deshalb, weil die Personalkosten –
die Kosten des FES sind zu 85 Prozent Personalkosten –
Jahr für Jahr steigen. Diese steigenden Personalkosten
können nur durch Personalabbau aufgefangen werden.
Hier appelliere ich an Sie: Stimmen Sie unserem Antrag,
die Mittel auf 7,5 Millionen Euro zu erhöhen, zu, um
den Bestand dieser für den Sport wichtigen Einrichtun-
gen – dazu zählt auch das Bundesinstitut für Sportwis-
senschaft in Bonn – für die Zukunft zu sichern.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Deckungsvorschlag!)


Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Otto Fricke [FDP])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503315100


Ich erteile dem Kollegen Volker Beck, Bündnis 90/
Die Grünen, das Wort.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503315200


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie
mich zunächst auf das Thema zu sprechen kommen, über
das gerade eine streitige Auseinandersetzung geführt
wurde. Ich glaube, die heutige Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts, das NPD-Verbotsverfahren ein-
zustellen, war eine Niederlage im Kampf gegen den
Rechtsextremismus.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Jawohl!)


Sie war aber gleichzeitig auch ein positives Signal, dass
selbst die schlimmsten Feinde des Rechtsstaates und der
Demokratie in Deutschland mit einem korrekten Verfah-
ren rechnen können.


(Otto Fricke [FDP]: Sehenden Auges!)


Wir haben anzuerkennen, dass eine Minderheit – die das
Recht hierzu hat – sich dafür entschieden hat, von ihrem






(A) (C)



(B) (D)


Volker Beck (Köln)

Recht, dieses Verfahren einzustellen, Gebrauch gemacht
hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Otto Fricke [FDP] – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Nun übertreiben Sie aber nicht! Mit einer fragwürdigen Begründung!)


– Herr Kollege Wiefelspütz, das wollte ich gerade aus-
führen.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Also, bitte schön! Ein bisschen schneller!)


Gleichwohl muss ich sagen, dass ich die Argumenta-
tion der Minderheit nicht in allen Punkten zwingend
finde. Vor allen Dingen finde ich das Argument der
Mehrheit beachtlich, dass in einem Parteiverbotsverfah-
ren das Gericht selber die Wahrheitsfindung zu betreiben
hat.


(Zuruf von der SPD: Ja, genau!)


Denn Antragsteller in einem Verfahren sui generis ist
eben nicht die Staatsanwaltschaft. Deshalb hat mich das
Ergebnis gewundert.

Trotzdem muss ich sagen: Wir sollten jetzt keine De-
batte der billigen Schuldzuweisungen führen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503315300


Kollege Beck, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Burgbacher?


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503315400


Aber gerne doch. Wir haben uns ja heute Morgen in
Karlsruhe gesehen.


Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1503315500


Herr Kollege Beck, Sie selbst waren ja ganz wesent-
lich daran beteiligt, dass dieser Antrag zustande kam.
Würden Sie denn mit mir übereinstimmen, dass es keinen
Sinn macht, am Bundesverfassungsgericht herumzukrit-
teln, sondern dass man wenigstens jetzt die Erkenntnis
haben sollte – die übrigens damals nur die FDP hatte –,
dass es der falsche Weg war, einen Verbotsantrag zu stel-
len, da dieser Weg viel zu riskant war,


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wie viele Ihrer Landesregierungen haben eigentlich Ja gesagt?)


und dass es viel besser gewesen wäre, die Grundlagen
des Rechtsextremismus zu bekämpfen, anstatt sich in ein
solches Verfahren zu flüchten?


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)



Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503315600


Herr Burgbacher, in unserer Fraktion gehörte ich im-
mer zu denjenigen, die in dieser Einschätzung sehr vor-

sichtig waren und auch Bedenken hatten, diesen Weg zu
gehen.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Herr Beck war ein Bedenkenträger! Jawohl!)


Ich meine aber: Wenn sich im Parlament und in anderen
Verfassungsorganen eine Mehrheit für diesen Weg ent-
scheidet, dann sollte man diesen Weg auch gemeinsam
und geschlossen gehen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wer wollte das denn eigentlich?)


Wenn Sie sich einmal die offiziellen Dokumente die-
ser Partei anschauen, dann stellen Sie fest, dass Sie kei-
nen einzigen V-Mann und keine weitere Erkenntnis be-
nötigen, um zu der Auffassung zu gelangen,


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Evident verfassungsfeindlich!)


dass diese Partei antisemitisch, rassistisch und widerlich
ist.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sehr richtig! – Otto Fricke [FDP]: Sie sollen aber nicht mit Moral, sondern mit dem Gesetz argumentieren!)


Auch im Bundestagsantrag wurde ausführlich dargelegt,
dass das Programm der Partei in vielen Punkten – von
den Formulierungen bis zur Ideologie – eine Wiederauf-
lage des Parteiprogramms der NSDAP ist. Deshalb wäre
es richtig gewesen, im Ergebnis zu einem Verbot zu
kommen. Das ist leider nicht gelungen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Jetzt müssen wir uns auf folgende Frage konzentrie-
ren: Was sind die Konsequenzen dieser Entscheidung?
Ich glaube, Herr Kollege, dass es zwei Konsequenzen
gibt. Zum einen müssen wir sagen: Jetzt, da uns das
NPD-Verbotsverfahren als Instrument, zumindest vorü-
bergehend, aus der Hand geschlagen ist, müssen wir uns
darauf konzentrieren, sowohl die NPD als auch die ge-
samte rechtsradikale Szene gesellschaftlich zu bekämp-
fen. Wir müssen sehen, wie wir denen die Jugendlichen
abgraben können, wie wir die Jugendlichen aus der Ju-
gendmusikszene, die die Leute viel stärker als die dump-
fen Postillen der NPD beeinflusst, herausholen können.
Deshalb geht die Diskussion, die im Rahmen des zuvor
debattierten Einzelplans in Bezug auf die Streichung der
entsprechenden Programme geführt wurde, in eine völlig
falsche Richtung. Wir müssen diese Programme viel-
mehr verbessern, sie ausbauen, stärken und so ausrich-
ten, dass sie effizient funktionieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503315700


Herr Kollege Beck, gestatten Sie eine Nachfrage des
Kollegen Burgbacher?






(A) (C)



(B) (D)


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503315800


Die gestatte ich, auch wenn ich noch zu der zweiten
Konsequenz ausführen wollte; aber dafür bleibt sicher
hinterher Zeit.


Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1503315900


Herr Kollege Beck, bei der Einschätzung der NPD
sind wir uns alle in diesem Hause einig. Darum geht es
überhaupt nicht. Ich stelle daher die Frage: Sind Sie be-
reit, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu
akzeptieren und das zu tun, was die FDP schon seiner-
zeit wollte, nämlich Rechtsextremismus zu bekämpfen,
anstatt sich über den Verbotsantrag zu streiten?


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503316000


Herr Kollege, wenn Sie mir vorhin zugehört hätten,
dann wüssten Sie die Antwort auf die Frage schon, denn
ich habe gerade appelliert, das zu akzeptieren, obwohl es
eine Entscheidung einer Minderheit ist. Die Minderheit
hat aber nach unserem Bundesverfassungsgerichtsge-
setz das Recht zu einer solchen Entscheidung. Wir müs-
sen das akzeptieren und darüber nachdenken, was uns
dieser Vorgang lehrt.

Dieser Vorgang lehrt nicht nur – erstens –, dass es nö-
tig ist, den Rechtsextremismus gesellschaftlich zu be-
kämpfen, sondern er lehrt uns zweitens auch, dass wir
über die Rolle der Verfassungsschutzämter und über
deren Reform nachdenken müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zu Ihnen, Herr Kollege Strobl. Bei Ihnen – wie bei
Herrn Röttgen und Herrn Bosbach – ist mir die selbstge-
fällige Auseinandersetzung mit diesem Thema aufgefal-
len, nach dem Motto: Schily hat einen Fehler gemacht
und wir machen uns einen schlanken Fuß. Wenn das
NPD-Verbotsverfahren scheitert, dann finde ich es klein-
lich, dass sich die demokratischen Parteien auf diesem
Niveau zerstreiten. Wir müssen uns im Kampf gegen die
NPD einig sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Erbsenzählerei!)


Herr Kollege Strobl, wenn Sie den Gerichtsentscheid
gelesen hätten, dann würden Sie sich hier nicht so auf-
plustern. Bundesrat, Bundesregierung und Bundestag
haben gemeinsam Anträge gestellt. Das Gericht rügt aus-
drücklich an einigen Stellen die Verfassungsschutzämter
von Thüringen, Berlin, Hessen und – ganz vorneweg –
Bayern.


(Otto Fricke [FDP]: Jetzt machen Sie selbst Schuldzuweisungen!)


Bayern ist in diesem Schriftsatz bei den problematischen
Punkten ganz prominent. Ich zitiere mit Erlaubnis des Prä-
sidenten aus der Entscheidung einen Punkt, den ich – das
räume ich ein – in der Tat für etwas problematisch halte:

Schließlich hat noch nach Eingang der Verbotsan-
träge in Richtung eines weiteren Mitglieds des Bun-

desvorstandes der Antragsgegnerin, Jürgen Distler,
ein Anwerbeversuch stattgefunden. Das ergibt sich
aus dem Schreiben des Präsidenten des Bayerischen
Landesamts für Verfassungsschutz vom 19. Februar
2002 an das Bundesverfassungsgericht.

Man hat nach Einreichung der Anträge versucht, im
Bundesvorstand weitere V-Leute zu finden.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Gibt es denn hier keine wichtigeren Themen?)


Wenn es darum geht, wer hier Fehler gemacht hat, dann
sollten die Freunde von Herrn Beckstein in dieser Dis-
kussion besser schweigen. Sie sollten sich lieber mit uns
daran machen, zu überlegen, was jetzt im Kampf gegen
den Rechtsextremismus zu tun ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Einer weiteren Debatte dürfen wir nicht ausweichen:
Wir haben uns als Parlamentarier genauso geärgert wie
manche bei Gericht, dass wir nicht wussten, dass sich in
den Materialien, die uns für den Sachvortrag vor Gericht
gegeben wurden, Zitate von V-Leuten fanden, die nicht
offengelegt waren. Ich glaube, es gibt so viel erdrücken-
des Beweismaterial, dass das nicht notwendig war. Wie
kam es zu diesen Materialien? Die Landesämter haben
sich gegenseitig trotz der Hinweise der Bundesebene ge-
scheut, offenzulegen, dass das andere Landesamt den ei-
genen V-Mann zitiert. Sie haben sich nicht in die Karten
schauen lassen wollen.

Das heißt für mich ganz klar: Entweder wir kommen
zu einer anderen Organisation im Bereich des Verfas-
sungsschutzes oder wir sorgen in Bezug auf die V-Leute
für eine zentrale Kartei, sodass so etwas nachvollzogen
werden kann. Diese zentrale Kartei muss dann aber auch
der parlamentarischen Kontrolle des Deutschen Bundes-
tages unterliegen.

Man muss sicherlich auch darüber reden, ob wir mit
unserem parlamentarischen Kontrollgremium wirklich
über die notwendige Eingriffstiefe in der Kontrolle ver-
fügen oder ob wir dieses Gremium nicht dadurch stärken
müssen, dass wir ihm einen Geheimdienstbeauftragten
zur Seite stellen.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Eine abwegige Idee! Wir stärken die Rechte der Parlamentarier und geben doch nicht Befugnisse ab! Wo kämen wir denn dahin? Nehmen Sie bitte Ihre Arbeit ernst!)


– Das ist übrigens eine sozialdemokratische Idee, Herr
Wiefelspütz. Wir können gerne darüber diskutieren, wie
wir die parlamentarische Kontrolle stärken können.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Aber von uns, nicht von anderen! Unglaublich, dieser Koalitionspartner!)


Aber ich denke, in diesem Fall ist uns einiges durchgegan-
gen. Das sollte uns zumindest dazu bringen, eine kon-
struktive Debatte über die Intensivierung der Kontrolle,
aber auch über die Verbesserung der Zusammenarbeit zu
führen. Ich freue mich, dass Sie sich so engagieren, Herr






(A) (C)



(B) (D)


Volker Beck (Köln)

Wiefelspütz. Das wird sicherlich eine spannende Diskus-
sion innerhalb der Koalition. Darin haben wir einige
Übung; das werden wir schon gut hinbekommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503316100


Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 06
– Bundesministerium des Inneren – in der Ausschussfas-
sung. Hierzu liegen drei Änderungsanträge vor, über die
wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsan-
trag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/621? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die
Grünen abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
FDP auf Drucksache 15/622? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit derselben
Mehrheit wie eben abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
FDP auf Drucksache 15/623? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit derselben
Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Einzelplan 06
– Bundesministerium des Inneren – in der Ausschussfas-
sung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Der Einzelplan 06 ist mit den Stimmen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen CDU/CSU und
FDP angenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe auf:

11. Einzelplan 07
Bundesministerium der Justiz

– Drucksachen 15/557, 15/572 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Heinz Köhler
Norbert Barthle
Alexander Bonde
Otto Fricke

12. Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht

– Drucksachen 15/556, 15/752 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Otto Fricke
Dr. Heinz Köhler
Bernhard Kaster
Alexander Bonde

Zu Einzelplan 07 liegt ein Änderungsantrag der Frak-
tion der CDU/CSU vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat schon wie-
der der Kollege Norbert Barthle. Herzlich willkommen
am Mikrofon. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich

bitte darum, dem Redner die Chance zu geben, ungestört
zu reden. Ich bitte Sie, Ihre Gespräche außerhalb des
Plenarsaals zu führen.


Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1503316200


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Leider muss ich gleich zu Beginn meiner Rede etwas
zum Justizhaushalt anmerken, das auch für den gesamten
Haushaltsplan gilt, nämlich dass das gesamte Werk ei-
gentlich schon zum Zeitpunkt der Einbringung Makula-
tur ist, weil Sie wie schon vor der Bundestagswahl im
vergangenen Jahr konkrete Zahlen und Daten zur wirt-
schaftlichen Entwicklung nicht zur Kenntnis nehmen.

Dass die Beratungen zum Justizetat trotzdem so gut
und harmonisch verlaufen sind, liegt sicherlich daran,
dass es sich um einen kleinen, aber feinen Etat handelt,
der sich mit seinem Anteil von gerade einmal 0,14 Pro-
zent am Gesamtetat und einem hohen Personalkostenan-
teil nicht als Steinbruch für Millionen oder Milliarden
Euro eignet. Es liegt aber auch daran, dass uns mit Frau
Ministerin Zypries, dem Parlamentarischen Staatssekre-
tär Hartenbach und Staatssekretär Dr. Geiger eine Minis-
teriumsleitung gegenübersteht, mit der die Zusammen-
arbeit Freude macht.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Der Umgang miteinander war von Achtung und Fair-
ness geprägt. Das möchte ich ausdrücklich feststellen
und Sie bitten, den Dank an Ihr Haus weiterzugeben.

Ich danke auch den Berichterstatterkollegen
Dr. Köhler, Bonde und Fricke für die angenehme Ar-
beitsatmosphäre. Ich hoffe, dass das so bleibt, solange
Rot-Grün regiert.

Der Haushalt des Bundesjustizministeriums für 2003
umfasst 345 345 000 Euro. Das sind 188 000 Euro weni-
ger als 2002. Damit wird anscheinend ein maßvoller
Beitrag zu den Sparanstrengungen geleistet. Doch die-
ses Bild trügt. Zusammen mit den titelscharf herunterge-
brochenen Einsparungen im Personalbereich in Höhe
von 1,246 Millionen Euro und der verbleibenden globa-
len Minderausgabe in Höhe von 5,416 Millionen Euro
leistet Ihr Etat, Frau Zypries, 6,662 Millionen Euro und
damit einen weit überdurchschnittlichen Sparbeitrag.
Dass dieser zum großen Teil bei den Beamtinnen und
Beamten des Generalbundesanwalts realisiert wird, ist
angesichts unserer aktuellen Sicherheitslage aus meiner
Sicht eine doch zweifelhafte Entscheidung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Glücklicherweise sagt die Größe eines Haushalts
nichts über seine Bedeutung aus. Ihr Haus hat als obers-
tes und kostbarstes Gut die Pflege unseres Rechts und
damit des Fundaments unserer freiheitlichen Demokratie
zur Aufgabe. Ich hoffe, dass Sie diese auch entsprechend
wahrnehmen. Wenn man nicht viel Geld hat, dann muss
man sich besonders sorgfältig überlegen, wofür man es
ausgibt. Es bedarf also intelligenter Schwerpunktsetzun-
gen. Wenn ich mir die Titel Ihres Einzelplans 07 an-
schaue, die einen Aufwuchs verzeichnen, dann muss ich






(A) (C)



(B) (D)


Norbert Barthle
Ihnen bestätigen, dass Sie dieser Verantwortung größten-
teils gerecht worden sind.

Die Ausgaben für die Bezüge der Richter und Beam-
ten am Bundesgerichtshof steigen um 1,574 Millionen
auf 16,271 Millionen. Das hängt damit zusammen, dass
diese Behörde nicht am linearen Personalabbau teilneh-
men kann und dass dort gute Arbeit – 13,9 Prozent mehr
Rechtssachen wurden erledigt – geleistet wird. Deshalb
ist dieser Aufwuchs zu rechtfertigen, genauso wie die
Erhöhung der Mittel für die Informationstechnik auf
1,363 Millionen Euro. Das hängt mit der Einführung
des elektronischen Rechtsverkehrs zusammen. Hier ist
der Bundesgerichtshof Vorreiter. Er zeigt – zunächst
noch exemplarisch –, wie in Zeiten knapper öffentlicher
Mittel die Justiz durch effiziente Arbeitstechniken ent-
lastet und die Qualität der Arbeit dennoch gewährleistet
werden kann. Bisher ist die Judikative in Sachen IT-
Technologie der Entwicklung immer hinterhergehinkt.
Es wäre zu begrüßen, wenn sie auch einmal Vorreiter
sein könnte.

Einer der wenigen Dissenspunkte in unseren Bericht-
erstattergesprächen betraf den Titel 68 101, nämlich die
Härteleistungen für Opfer rechtsextremistischer Über-
griffe. Niemand in diesem Hohen Hause zweifelt daran,
dass Rechtsextremismus nicht geduldet werden darf.
Niemand von uns darf wegschauen, wenn Menschen
Opfer rechtsextremistischer Gewalt zu werden drohen.
Ich begrüße es deshalb, dass die Fallzahlen rückläufig
sind. Während 2001 noch 210 Entschädigungsanträge
gestellt wurden, waren es 2002 nur noch 116. Die Wach-
samkeit der Demokraten zeigt also Wirkung. Aber diese
Wirkung muss sich gegenüber jeder Form von Extremis-
mus entfalten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Unser Mitgefühl und unsere Hilfsbereitschaft muss allen
Opfern extremistischer Gewalt gelten; denn den Op-
fern ist es schließlich egal, ob sie von rechter, linker, reli-
giös oder rassistisch motivierter Gewalt betroffen sind.
Mit Ihrer Entscheidung, Frau Zypries, den entsprechen-
den Titel bei 1 Million Euro zu verstetigen, setzen Sie
den ideologisch verbohrten Irrweg fort, anstatt endlich
zuzugeben, dass es darum geht, generell Opfern zu hel-
fen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Meine letzten Bemerkungen betreffen eines der Kron-
juwelen in Ihrem Etat: das Deutsche Patent- und Mar-
kenamt. Wir sind uns einig, dass dieses Amt – vor allem
im Wandel hin zu einer modernen Dienstleistungsunter-
nehmung – von großer Bedeutung für den Wirtschafts-
standort Deutschland ist. Seine Funktionsfähigkeit gilt es
daher zu erhalten. Was den Justizetat angeht, ist man in
der – nur selten vorkommenden – glücklichen Situation,
fast 80 Prozent der Ausgaben durch eigene Einnahmen
zu erwirtschaften. Das Gros dieser Einnahmen kommt
vom Deutschen Patent- und Markenamt; deshalb dürfen
wir diese Sau nicht schlachten, sondern wir müssen sie
mästen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir schlachten überhaupt keine Tiere!)


Herr Kollege Ströbele, die Regierungskoalition hat
den Etat für das DPMA um 246 000 Euro gekürzt,


(Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)


und das bei einem Überhang an Patentanträgen. Ich
meine, es gibt intelligentere Lösungen. Wir hätten eine
solche Kürzung nicht vorgenommen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist intelligent?)


Auch ich kann nicht abschätzen, ob es angesichts die-
ser Kürzungen überhaupt möglich sein wird, die ge-
plante Einstellung von 60 neuen Patentprüfern in diesem
Amt vorzunehmen. Ich meine, das wäre notwendig, das
wäre der richtige Weg, den man folglich beschreiten
muss, um den Standort Deutschland zu stärken und die
von Rot-Grün mit verursachte tiefe Wirtschaftskrise in
unserem Land zu mildern.

Allein diese beiden Punkte reichen aus, um zu dem
Schluss zu kommen, dass wir Ihrem Etatentwurf, Frau
Ministerin, leider, nicht zustimmen können.


(Zuruf von der SPD: Das ist aber schade!)


Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503316300


Ich erteile das Wort dem Kollegen Heinz Köhler,
SPD-Fraktion.


Dr. Heinz Köhler (SPD):
Rede ID: ID1503316400


Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Leitlinie für die Haushaltsberatungen 2003
waren für uns Konsolidieren und Gestalten. Ich denke,
dass wir das Ziel „Konsolidieren und Gestalten“ mit dem
Haushalt 2003 insgesamt erreichen. Das gilt natürlich
auch für die Einzelhaushalte, in diesem Zusammenhang
für den Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und
für den Haushalt des Bundesverfassungsgerichts.

Hinter uns liegt in jedem Fall eine schwierige Opera-
tion; schließlich mussten wir neben der etatisierten glo-
balen Minderausgabe eine zweite globale Minderaus-
gabe teilweise auflösen, was für kleine Haushalte wie die
des Bundesministeriums der Justiz und des Bundesver-
fassungsgerichts natürlich Schwierigkeiten bereitet.

Der Kollege Barthle hat darauf hingewiesen, dass
beide Haushalte klein sind. Sie beinhalten im Wesentli-
chen Mittel für Personal- und Sachausgaben. Gerade was
Einsparungen betrifft, ist der Gestaltungsspielraum dort
relativ klein. Aber unter dem Strich ist festzuhalten: Wir
haben es bei beiden Haushalten geschafft, sowohl zu
konsolidieren als auch mitzugestalten. Das ist, wie ge-
sagt, insgesamt ein gutes Ergebnis. Der Umfang des
Haushalts des Jahres 2003 ist geringer als der des Jahres






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Heinz Köhler
2002 und wesentlich geringer als der des Jahres 1998.
Das zeigt, dass diese Regierungskoalition seit 1998 ei-
nen klaren Konsolidierungskurs erfolgreich fährt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Konsolidierung ist die eine und Gestaltung ist die an-
dere Seite beim Aufstellen eines Haushalts. Was den Ge-
samthaushalt betrifft, haben wir nicht nur konsolidiert,
sondern auch gestaltet. Dass wir auch in den kleinen
Haushalten des Bundesministeriums der Justiz und des
Bundesverfassungsgerichts gestaltend gewirkt haben,
möchte ich hier an wenigen Eckpunkten verdeutlichen:

Erstens. Im Hinblick auf den Haushalt 2003 war es
uns wichtig, die erfolgreiche Reformpolitik auf dem Ge-
biet des Rechts, die seit 1998 betrieben wird, haushalts-
mäßig abzusichern. Ich denke, wir werden dieses Ziel
mit den finanziellen Rahmenbedingungen dieses Haus-
halts erreichen; denn Rechtspolitik ist Gesellschaftspoli-
tik und sie hat daher eine hohe Bedeutung für unsere
Demokratie.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Zweitens. Es ist uns gelungen, im Haushalt 2003 die
Erhöhung der Verwaltungskostenerstattungen des Bun-
des an die Länder in Höhe von 1,5 Millionen Euro für
die Unterbringung der Strafgefangenen, für die der Bund
zuständig ist, in Haftanstalten der Länder finanziell ab-
zusichern. Damit wird eine langjährige „Hängepartie“
haushaltsmäßig erfolgreich abgeschlossen.

Drittens. Mit einem neuen Etatansatz von 9 Millionen
Euro für einen Entschädigungsfonds für Opfer terro-
ristischer Gewalt haben wir die Grundlage gelegt, um
die Entschädigung von Menschen, die unverschuldet
Opfer des Terrorismus in New York, Bali oder Djerba
wurden, zu ermöglichen. Dieser Etatansatz geht auf eine
Zusage des Bundeskanzlers zurück. Es war sehr wichtig,
nicht nur ein Zeichen zu setzen, sondern auch, die ent-
sprechenden Mittel zu etatisieren, damit auf diese Art
und Weise diejenigen Menschen, die unverschuldet Op-
fer terroristischer Gewalt werden, durch die Gemein-
schaft angemessen entschädigt werden können. Auf die-
sem Weg setzt man auch ein finanzielles Zeichen der
Solidarität mit diesen Menschen, die, wie gesagt, unver-
schuldet Opfer dieser Gewalt geworden sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben auch in diesem Haushalt wieder 1 Mil-
lion Euro für Entschädigungen für Opfer rechtsextre-
mistischer Übergriffe eingesetzt; der Kollege Barthle
hat sich damit kritisch beschäftigt. Ich will dieses Thema,
das offensichtlich in jeder Haushaltsberatung eine große
Rolle spielt, heute nicht vertiefen. Ich will nur darauf hin-
weisen, dass wir in unserem Land nach wie vor erhebli-
che Gewalt mit rechtsextremem Hintergrund haben. Die
Zahlen für Januar zeigen das sehr deutlich: immerhin
33 Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund. Deswe-
gen müssen wir dieses weiterhin veranschlagen


(Otto Fricke [FDP]: Ja!)


und damit gleichzeitig ein Zeichen gegen rechtsextreme
Gewalt setzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der sicherlich wichtigste Bereich, der Schwerpunkt in
finanzieller Hinsicht in diesem Haushalt – der Kollege
Barthle hat darauf hingewiesen – ist das Deutsche
Patent- und Markenamt. Das Deutsche Patent- und
Markenamt spielt natürlich eine wichtige Rolle für den
Wirtschaftsstandort Deutschland. Es sind Krokodilsträ-
nen, die Sie vergossen haben, Kollege Barthle, als Sie
gesagt haben, welch große Bedeutung das Deutsche
Patent- und Markenamt habe. Beim Deutschen Patent-
und Markenamt ist Mitte der 90er-Jahre heruntergefah-
ren worden – zum Nachteil des Wirtschaftsstandorts
Deutschland.


(Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Fünf Jahre!)


Um das nur an einer Zahl festzumachen: Die Zahl der
Patentprüfer ist von 660 auf 550 gesunken.

Zum Abbau des Bearbeitungsstaus haben wir in den
letzten Jahren durch einen Maßnahmenkatalog die Zahl
der Stellen wieder erhöht. In diesem Jahr werden es
77 neue Stellen sein, davon 60 für Patentprüfer. Auf diese
Art und Weise soll der Rückstand abgebaut werden. Aber
das dauert Zeit. Wir werden den Zenit, was die nicht be-
arbeiteten Anträge angeht, erst Ende des Jahres über-
schreiten. Erst jüngst hat der Präsident des Patentamts,
Dr. Jürgen Schade, auf seiner Pressekonferenz darauf
hingewiesen, dass im letzten Jahr der Stau um 12 Prozent
überdurchschnittlich abgebaut werden konnte. Die Maß-
nahmen, die durch das Ministerium eingeleitet worden
sind, zeigen also Wirkung.

Gerade die Entwicklung beim Deutschen Patent- und
Markenamt zeigt, dass der Wirtschaftsstandort Deutsch-
land nicht so schlecht ist, wie das die Opposition gele-
gentlich darzustellen versucht.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ist es!)


Um die Zahlen in Erinnerung zu rufen: Es gab 1993
41 000 Patentanmeldungen. 1998 waren es bereits
57 000. Im Jahr 2002 waren es über 63 000 Patentanmel-
dungen. Gerade auch bei den Anmeldungen im internati-
onalen Bereich mit Bestimmungsland Deutschland gibt
es eine überdurchschnittliche Zunahme, nämlich eine
von über 10 Prozent. Der bayerische Ministerpräsident
hat hier am letzten Freitag von einem „Sanierungsfall
Deutschland“ gesprochen. Dazu kann ich nur sagen: Er
weiß nicht, wovon er spricht. Es geht nur darum, dieses
Land schlecht zu reden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)


– Es ist so.

Wir sehen im Deutschen Patent- und Markenamt ein
Aushängeschild des Wirtschaftsstandorts Deutschland.
Wir werden es weiterhin auch finanziell unterstützen,






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Heinz Köhler
um auf diese Art und Weise dazu beizutragen, dass es in
unserem Land aufwärts geht. Wir versichern dem Deut-
schen Patent- und Markenamt unsere Unterstützung
auch in finanzieller Hinsicht.

Ich will damit zum Schluss kommen und Ihnen, Frau
Ministerin, und den Kollegen Mitberichterstattern für die
gute Zusammenarbeit danken. Eine gute Zusammenar-
beit werden wir, wie ich hoffe, auch in den nächsten Jah-
ren praktizieren.

In diesem Sinne herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503316500


Es war die erste Rede des Kollegen Köhler. Herz-
lichen Glückwunsch!


(Beifall)


Ich erteile dem Kollegen Rainer Funke, FDP-Frak-
tion, das Wort.


Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1503316600


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bun-
desjustizministerium wird zu Recht als klassisches Mi-
nisterium bezeichnet, nicht nur deshalb, weil es der gu-
ten Tradition entspricht, sondern auch deshalb, weil es
für die Aufrechterhaltung und Entwicklung unseres
Rechtstaats eine zentrale Funktion innerhalb der Regie-
rung wahrnimmt.


(Joachim Stünker [SPD]: Wo er Recht hat, hat er Recht!)


Neben der inneren und der äußeren Sicherheit ist die
Wahrung des Rechtsstaats Kernaufgabe des Staats. Im
Interesse unserer Demokratie darf der Haushalt des Jus-
tizministeriums nicht den allgemeinen Sparzwängen ge-
opfert werden. Das Justizministerium muss mit den Mit-
teln ausgestattet werden, die es zur Erfüllung seiner
Aufgaben unbedingt benötigt.


(Beifall bei der FDP)


Diese Aufgaben sind auch in dieser Legislaturperiode
vielfältig.

Großer Bedarf besteht zum Beispiel beim Betreu-
ungsrecht. Seit 1999 denken wir im Bundestag über
eine Novellierung nach, weil wir inzwischen wissen,
dass das 1988 gefundene Gesetz gegenüber dem frühe-
ren Entmündigungsrecht viele bedeutende und gute
Rechtsänderungen gebracht hat, dass es aber in einigen
Teilen nicht mehr praktikabel ist und dass Verfahrensab-
läufe verschlankt werden müssen.


(Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD])


In einer überfraktionellen Arbeitsgruppe unter der
Leitung von Frau von Renesse haben wir uns in der letz-
ten Legislaturperiode mit diesen Fragen beschäftigt. Ich
denke, wir müssen in dieser Legislaturperiode zu Potte
kommen, wie wir in Norddeutschland sagen. Dazu be-
darf es auch der personellen Ressourcen des Bundesjus-
tizministeriums.

Die eben angesprochenen Verschlankungsnotwendig-
keiten bestehen natürlich auch im Familienrecht, insbe-
sondere im Unterhaltsrecht und im Scheidungsfolgen-
recht. Die Vorschläge des Deutschen Juristentages zum
Erbrecht sollten in dieser Legislaturperiode zumindest
aufgegriffen werden. Ich weiß, dass sie in dieser Legisla-
turperiode nicht Eingang ins Bundesgesetzblatt finden
werden, aber sie müssen zumindest politisch diskutiert
werden.

Im Bereich des Wirtschaftsrechts muss dringend das
Bilanzrecht fortentwickelt werden; denn wir haben uns
in § 292 a HGB als Gesetzgeber selbst gebunden, indem
wir festgelegt haben, dass das bisherige Konzernbilanz-
recht nur bis zum 31. Dezember 2004 gilt. Danach müs-
sen wir die europarechtlichen Vorgaben mit umgesetzt
haben. Ich nenne hier die Stichworte IAS und US-GAPP.

Wir sind uns auch einig, dass im Wirtschaftsrecht die
Grundsätze der Baums-Kommission und die Corporate-
Governance-Regelungen umgesetzt werden sollen, und
zwar möglichst schnell, damit der Finanzmarkt Deutsch-
land innerhalb Europas wieder gestärkt werden kann.

Das Urheberrecht wird uns in der gesamten Legis-
laturperiode begleiten. Vielleicht kommt die Koalition in
den nächsten Tagen zu einer Einigung.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist längst geschehen!)


Dann können wir wenigstens den ersten Teil des Urhe-
berrechts abhaken. Den schwierigeren Teil hat man noch
aufgespart; wir legen ihn, vornehm gesagt, in den zwei-
ten Korb.


(Zuruf des Abg. Jörg Tauss [SPD])


– Herr Tauss, ich glaube, Sie sollten sich in dieser Bezie-
hung etwas zurückhalten.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Nicht nur in dieser!)


Denn die Verhandlungen über den ersten Korb waren nur
wegen der Koalition schwierig. Wir hätten mitgearbeitet,
wenn man uns gelassen hätte. Aber Sie konnten sich
nicht einigen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hinzu kommt, dass der Reformeifer der früheren Mi-
nisterin


(Otto Fricke [FDP]: Übereifer!)


zu zahlreichen Mängeln bei den angeblichen Jahrhun-
dertgesetzen geführt hat, die jetzt insbesondere im pro-
zessualen Bereich repariert werden müssen.

Last, but not least sind zahlreiche schwierige europa-
rechtliche Vorschriften in nationales Recht umzusetzen.
Auch das bindet natürlich Kapazitäten.

Ich erwähne dies, weil ich nicht möchte, dass der Jus-
tizhaushalt die qualifizierten Kapazitäten des Hauses
weiter ausdünnt. Im Gegenteil, das Justizministerium
braucht eher eine personelle Verstärkung; denn es ist noch
viel zu tun, vielleicht nicht so sehr im strafrechtlichen






(A) (C)



(B) (D)


Rainer Funke
Bereich, obwohl es häufig, aus welchen Richtungen
auch immer, den Ruf nach mehr und schärferen straf-
rechtlichen Bestimmungen gibt, die aber die Sicherheit
eher nicht verstärken. Jedoch bedarf es zum Beispiel in
den Bereichen Prävention und Strafrechtssanktion
grundlegender Überlegungen, die in dieser Legislaturpe-
riode auch in Angriff genommen werden müssen.

Meine Damen und Herren, das deutsche Rechtssys-
tem ist sicherlich eines der besten in der Welt, wenn es
auch sehr kompliziert ist. Aber insgesamt können wir
Deutschen auf unser Rechtssystem stolz sein. Es könnte
durchaus wie zum Beispiel die DIN ein Exportschlager
sein, wenn alle Wünsche von Entwicklungsländern und
Schwellenländern, aber auch von einigen Industrielän-
dern berücksichtigt werden könnten. Die Deutsche Stif-
tung für internationale rechtliche Zusammenarbeit leistet
auf diesem Gebiet hervorragende Hilfe. Allerdings ist
die Zusammenarbeit mit der GTZ und dem Entwick-
lungshilfeministerium verbesserungswürdig. Deswegen
wäre eine bessere Koordinierung angebracht. Man sollte
auf die Egoismen im Entwicklungsministerium keine
Rücksicht nehmen.


(Beifall bei der FDP)


Meine Damen und Herren, wir Liberalen werden die
Arbeit des Bundesjustizministeriums im Interesse unse-
rer deutschen Rechtsordnung und der Rechtsstaatlichkeit
konstruktiv begleiten. Wir danken den Mitarbeitern des
Ministeriums für ihre engagierte Arbeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503316700


Nun hat Kollege Jerzy Montag, Bündnis 90/Die Grü-
nen, das Wort.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1503316800


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollegin
Mantel hat in der Debatte über den Haushalt des Innen-
ministeriums ein sehr schönes Farbspiel angesprochen:
Die Hoffnung sei grün, die Zahlen seien rot. Sie hat sich
geirrt. Die Hoffnung ist grün und die Zahlen des Haus-
halts sind schwarz. Leiten Sie aber aus dieser Farben-
lehre keine übertriebenen Hoffnungen für sich ab. Der
Gesamthaushalt ist rot-grün, weil er Ausdruck einer gu-
ten rot-grünen Politik ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Besonders beim Justizhaushalt, meine Damen und
Herren von der Opposition, haben Sie mit der Lupe nach
irgendetwas suchen müssen, um mit schwächsten Argu-
menten zu begründen, warum Sie gerade diesen Haus-
halt ablehnen wollen.

Im Vergleich zu vielen anderen Posten des Bundes-
haushalts haben wir es beim Justizhaushalt mit einem
sehr geringen Volumen zu tun. Wir sprechen über
347 Millionen Euro von insgesamt 248 Milliarden Euro,
also weniger als 1,5 Promille. Zur Verdeutlichung: Bei
gleichmäßiger Aufteilung des Haushalts auf Ministerien

hätten wir es mit einem Kabinett von über 750 Ministe-
rinnen und Ministern zu tun. Dennoch bestehen keine
Zweifel an der großen Reichweite und dem Einfluss der
Rechtspolitik auf praktisch alle Gebiete der Gesellschaft
bis tief hinein in das Privatleben jedes einzelnen Bür-
gers.

Das Bundesjustizministerium und die Bundesgerichte
der Bundesrepublik Deutschland, herausragend hierbei
das Bundesverfassungsgericht – das sage ich ganz be-
wusst auch am heutigen Tage –, achten auf die Verfas-
sungsmäßigkeit neuer und wachen über die Einhaltung
bestehender Gesetze und den rechtmäßigen Gesetzes-
vollzug. Deswegen handelt es sich hierbei um bestens
angelegtes Geld.

Angesichts der Bedeutung des rechtspolitischen Dis-
kurses und meiner überaus kurzen Redezeit will ich weder
aufzählen, was die Koalition bisher schon in der Rechts-
und Justizpolitik geleistet hat, noch, was sie im nächsten
Jahr rechts- und justizpolitisch vorhat. Sie kennen unser
Programm, ich nenne beispielhaft das Antidiskriminie-
rungsgesetz im Privatrecht, die Reform des Sexualstraf-
rechts und dann folgend die Sanktionenrechtsreform, un-
seren Willen zur stärkeren Haftvermeidung und zur
Begrenzung der wuchernden Telefonüberwachung und
wir kennen Ihre Kritik daran. Bei der notwendigen Neu-
ordnung und Heraufsetzung der Rechtsanwaltsvergütung
werden wir uns vielleicht sogar zu einer gemeinsamen
Stellungnahme zusammenfinden.

Ich will auf eine aktuelle und grundsätzliche Rechts-
frage eingehen, auf das Verbot der Folter. Der stellver-
tretende Polizeipräsident von Frankfurt am Main hat bei
der aktenkundigen Dokumentation der beabsichtigten
Folterung eines Gefangenen eine Debatte entfesselt, die
an die Substanz des Rechtsstaates geht und am Grund-
konsens unseres demokratischen Verfassungs- und
Grundrechtsstaates rüttelt. Manche scheuen eine Debatte
darüber und wollen befürchteten Tabubrüchen in dieser
Diskussion durch einen möglichst schnellen Übergang
zur Tagesordnung begegnen. Das wird aber nicht gelin-
gen und wäre ein großer Fehler.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die in Frankfurt dokumentierte Folterandrohung war ein
kalkulierter und ein beabsichtigter Tabubruch. Darüber
müssen wir in aller Offenheit reden, auch im Bundestag.

Neu und unerhört an diesem Vorgang ist, dass erst-
mals die Behauptung aufgestellt wurde, Folter sei ein
denkbares Verhalten der Staatsgewalt gegenüber Men-
schen im staatlichen Gewahrsam. Ich meine demgegen-
über, dass wir alle in diesem Hause festhalten sollten:
Folter ist durch internationale Pakte, die zur grundrecht-
lichen Grundausstattung auch in Deutschland gehören,
und durch die Verfassung selbst unter allen Umständen,
absolut und abwägungsfest verboten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das gilt für die Androhung von Folter gleichermaßen.






(A) (C)



(B) (D)


Jerzy Montag
Ich will an dieser Stelle Herrn Parlamentarischen
Staatssekretär Hartenbach ausdrücklich danken, der dies
für die Bundesregierung glasklar formuliert hat. Eine
entsprechende Stellungnahme des Bundestages steht
noch aus.

Folter ist mehr als Körperverletzung im Amt und
mehr als Aussageerpressung. Folter macht ihren Opfern
streitig, ein Mensch mit unveräußerlichen Rechten zu
sein. Sie macht Menschen zu Körpern und Subjekte zu
Objekten staatlichen Handelns. Deshalb ist Folter ein
zentraler Angriff auf die Würde des Menschen, die nach
Art. 1 der Verfassung unantastbar ist. „Unantastbar“ ist
keine Verfassungslyrik aus alter Zeit. Gerade in der Fol-
terdebatte erweist dieses Wort seinen vollen Sinn. Es ist
nicht erlaubt, einen Menschen in seiner Würde anzutas-
ten. Wer dies infrage stellt – einige Unionspolitiker ha-
ben das getan –, der öffnet die Büchse der Pandora.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das dürfen wir nicht zulassen, wenn wir nicht wollen,
dass Folter bei uns in Deutschland zu einem denkbaren
Mittel staatlichen und polizeilichen Handelns wird.


(Zuruf von der CDU/CSU: Eine exzellente Haushaltsrede!)


Meine Damen und Herren, wir werden uns rechts-
und justizpolitischen Aufgaben auch in diesem Jahr be-
herzt zuwenden. Wir rechnen mit Ihrer Kritik. Wir hof-
fen aber auch auf Zustimmung im Einzelfall. Ich bitte
und fordere Sie alle darüber hinaus auf, zu einer uns alle
einenden Ächtung der Folter durch das Parlament unse-
res Landes, durch den Deutschen Bundestag, zu kom-
men.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1503316900


Ich erteile das Wort Kollegen Norbert Röttgen, CDU/
CSU-Fraktion.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1503317000


Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesjus-
tizministerin, Sie sind jetzt fast 150 Tage, so lange wie
die neue Regierung, im Amt. Darum bietet diese Debatte
Gelegenheit, den Start der Regierung zu bilanzieren. Sie
wissen, dass wir immer das Gute bei Ihnen suchen.


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber leider können wir es auch in der Rechtspolitik bei
Ihnen nicht finden.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gestatten Sie, dass wir lachen!)


Wir haben eine vernünftige Basis für ein Gespräch
gefunden; das erkennen wir an. Aber in der Sache war es
kein guter Start der neuen Regierung auf dem Gebiet der

Rechtspolitik. Nach dem gescheiterten Aktionismus der
Vergangenheit hat sich nun eine gewisse rechtspolitische
Lustlosigkeit breit gemacht.


(Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Bleiben Sie fair, Herr Röttgen!)


Von Elan und Konzepten ist nirgendwo etwas zu spüren.
Es gibt nicht sehr viele Ergebnisse. Die wenigen Ergeb-
nisse, die wir feststellen können, sind negativ. Ich werde
und muss sie gleich benennen.

Kollege Barthle hat schon auf den Bundeshaushalt
hingewiesen, der natürlich nur eine geringe rechtspoliti-
sche Relevanz aufweist. Aber an einer Stelle geht es
nicht um viel Geld, sondern um eine politische Grund-
satzfrage. Das betrifft die Ungleichbehandlung von
Opfern extremistischer Gewalt, die in diesem Haushalt
versteckt ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben auch im Ausschuss darüber debattiert. Die
Opfer rechtsextremistischer Gewalt erhalten eine Härte-
fallleistung. Den Opfern anderer extremistischer Gewalt
wird diese Leistung verweigert. Derjenige Bürger, der
von einem Rechtsradikalen zusammengeschlagen wird,
bekommt eine Leistung des Staates. Demjenigen, der
von einem Linksradikalen zusammengeschlagen wird,
wird diese Leistung verweigert. Das ist zutiefst unge-
recht. Es geht nicht um viel Geld; diese Ungerechtigkeit
ist empörend.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich kann nicht nachvollziehen, dass Sie den Bürgern
eine solche Ungerechtigkeit zumuten, indem Sie auf-
grund der politischen Motivation von Gewalt unterschei-
den, ob ein Opfer eine Leistung bekommen darf oder
nicht. Das müssen Sie korrigieren. Ich sage Ihnen: Wir
sind enttäuscht, dass Sie nicht die Kraft aufbringen,
diese Sache zu korrigieren.

Ein weiteres negatives Ergebnis betrifft die Preisgabe
der jahrelang fraktionsübergreifend vertretenen Position
zum EU-Gemeinschaftspatent. Sie mögen vielleicht sa-
gen: Das merkt in der Öffentlichkeit keiner. Aber das Pa-
tentrecht ist nicht irgendeine abseitige Rechtsmaterie,
die man so oder so regeln kann. Das Patent honoriert Er-
findungsgeist und schützt Innovationen. Damit hat das
Patentrecht eine eminent wirtschaftspolitische Bedeu-
tung. Von allen Fraktionen ist die Position eines effekti-
ven, kostengünstigen und zügigen Patentwesens in
Deutschland vertreten worden. Wir sind in Europa und
weltweit – das ist keine deutsche Arroganz – führend auf
dem Gebiet des Patentwesens. Unser Land hat die Roh-
stoffe nicht in der Erde, sondern in unseren Köpfen. Da-
rum müssen wir Innovationen, geistige Fortschritte för-
dern.

Das, was Sie Anfang März gemacht haben – Sie ha-
ben einem faulen Kompromiss zugestimmt und die alte
deutsche Position auf dem Gebiet des Gemeinschafts-
patents geräumt –, ist ein fataler Weg. Denn es wird in
Europa kein zügiges, kostengünstiges Patentwesen mehr
geben. Allein die bürokratischen Sprachenregelungen, de-
nen Sie politisch-informell zugestimmt haben, nämlich






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Norbert Röttgen
dass Patentansprüche in jede Sprache übersetzt werden
müssen und der Gerichtsprozess zentral in Luxemburg in
der Sprache des Beklagten geführt werden muss – ein
Deutscher, der gegen einen Griechen klagt, muss ein Pa-
tentrechtsverfahren in Luxemburg auf Griechisch führen
– sind ein Irrsinn. Das wird das Patentverfahren verzö-
gern und verteuern. Für den Mittelstand können Sie es
geradezu abschreiben.

Ich frage Sie: Warum haben Sie, nachdem Sie 150 Tage
im Amt sind, diese Position, die über Jahre gehalten wor-
den ist – es ist eine deutsche Position; zwei Drittel aller eu-
roparechtlichen Patentrechtsstreitigkeiten werden in
Deutschland geführt –, innerhalb von fünf Monaten ge-
räumt? Erklären Sie es! Ist Deutschland, weil Sie sich au-
ßen- und europapolitisch isoliert haben, selbst in Fachfra-
gen nicht mehr widerstandsfähig? Sind wir nicht mehr in
der Lage, eine deutsche Position zu vertreten?

Auch andere Länder tun das. Erklären Sie es!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Bundesregierung hat das im Rechtsausschuss
nicht erklären können. Wir gehen in der Gerichtsbarkeit
einen Sonderweg. Wir haben eine europäische Rechts-
materie, für die auf einmal ein europäisches Gericht ein-
gerichtet wird. Das hat mit Subsidiarität nichts zu tun.
Auch auf anderen Gebieten gibt es europäische Rechts-
materien, die aber von deutschen Gerichten angewendet
werden. Das Prinzip der Subsidiarität ist hier verletzt
worden. Dies ist ein negatives Ergebnis, ein fataler Weg.

Ich habe mich darüber gefreut, dass im Rechtsaus-
schuss im Grunde genommen übereinstimmend Unver-
ständnis geherrscht hat und Kritik artikuliert worden ist.
Wir fordern Sie auf: Ziehen Sie dieses Thema, das auf dem
Europäischen Gipfel am 21. März 2003 behandelt werden
soll, zurück! Noch geht es. Sie schaden dem Land und
dem Wirtschaftsstandort, wenn Sie dies nicht tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich komme zu anderen Gebieten der europäischen
Rechtspolitik, auf denen die Bundesregierung und auch
Sie zu Ergebnissen hätten kommen müssen. Ich spreche
von einer ganzen Reihe von europäischen Richtlinien,
die nicht umgesetzt worden sind, obwohl die Frist be-
reits abgelaufen ist. Die Biopatentrichtlinie hätte im
Sommer des Jahres 2000 umgesetzt werden müssen. Es
ist noch nichts geschehen.


(Jörg Tauss [SPD]: Fragen Sie einmal Herrn Hüppe!)


– Sie haben die Mehrheit. Die Wahrheit ist: Sie von der
Koalition sind nicht in der Lage, einen Gesetzentwurf
vorzulegen. Darum gibt es keinen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das Urheberrecht hätte bis zum Dezember 2002 umge-
setzt werden müssen, der EU-Rahmenbeschluss zur Terro-
rismusbekämpfung ebenfalls. Die Antidiskriminierungs-
richtlinie muss bis Juli 2003 umgesetzt werden. Auch das
werden Sie nicht schaffen, meine Damen und Herren.


(Zuruf des Abg. Jörg Tauss [SPD])


– Bei aller sehr kompetenten Schreierei des Kollegen
Tauss, die wir ja ressortübergreifend feststellen können,


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)


muss ich sagen: Herr Kollege Tauss, Sie sind einer der
wenigen verbliebenen Universalgebildeten, der sich mit
Lautstärke zu jedem Gebiet äußert. Aber wenn man sich
einmal von Sachkunde befreit hat, kann man auch unge-
niert schreien, Herr Kollege Tauss.

Das ist die Maxime, die Sie praktizieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Wie viele Richtlinien habt ihr nicht umgesetzt? Jetzt einmal schlicht Butter bei die Fische!)


Meine Damen und Herren, wir stellen auf dem Gebiet
der Rechtspolitik eine Handlungsschwäche fest. Sie
kommen deshalb nicht zu Ergebnissen, weil Sie in der
Koalition nicht zu Ergebnissen kommen. Das ist bei der
Terrorismusbekämpfung so, das ist bei der Antidiskrimi-
nierungsrichtlinie so, das ist bei der Biopatentrichtlinie
so. Wir leiden, Sie belasten unser Land mit einer rot-grü-
nen Handlungsschwäche und darum kommt es nicht zu
Ergebnissen. Was bedeutet das eigentlich? Wir verletzen
unsere Pflichten zur Gesetzgebung. Sie begründen die
Gesetze in Brüssel und sind dann nicht in der Lage, sie
hier zu realisieren. So kann man nicht Rechtspolitik ma-
chen.

Das betrifft aber nicht allein die europäische Rechts-
politik, in der deutschen Rechtspolitik ist es genauso.
Seit eineinhalb Jahren steht fest, dass der Versorgungs-
ausgleich bei Ehescheidungen neu geregelt werden
muss.


(Joachim Stünker [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)


Dabei geht es um die so genannte Barwertverordnung,
das ist auch wieder ein technischer Begriff.


(Joachim Stünker [SPD]: Das ist sachlich falsch!)


Beim Lebenssachverhalt geht es darum, dass wir dem
wirtschaftlich schwächeren Ehepartner – das sind in der
Regel die Frauen – die soziale Sicherung erhalten müs-
sen. Das ist ein eminent sozialpolitisches Anliegen. Die
Verordnung ist ausgelaufen und Sie haben es nicht ge-
schafft, eine neue an ihre Stelle zu setzen. Nun kann
nicht Recht gesprochen werden, Prozesse werden ausge-
setzt. Sie lassen die wirtschaftlich schwächeren Frauen
im Stich.


(Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Herr Röttgen, bleiben Sie auf dem Teppich!)


Das ist die Wirklichkeit, die Sie zu verantworten haben.


(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Uwe Benneter [SPD]: Es geht um die Rente!)


– Ja, genau. Es geht um Rentenansprüche, Herr Kollege.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Aber nicht alle geschiedenen Frauen gehen gleich in Rente!)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. Norbert Röttgen
– Nein, aber es geht um die, die davon betroffen sind.
Wollen Sie bestreiten – dann sagen Sie es hier ganz aus-
drücklich –, dass es hier ein sozialpolitisches Problem
gibt? Dann haben Sie noch nicht einmal Problembe-
wusstsein. Ich hätte Ihnen unterstellt, dass Sie zumindest
das Problem verstanden haben. Jetzt stelle ich fest: Sie
kennen das Problem gar nicht. Das ist ein Zeichen von
Ignoranz, ich hoffe, nicht von Arroganz.


(Beifall bei der CDU/CSU – Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Sie übertreiben, Herr Röttgen!)


Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz wurde vor Jah-
ren beschlossen; Sie haben nichts getan. Ich liste hier die
Punkte auf, bei denen die Politik hätte handeln müssen.
Sie tun nichts.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen doch, dass es an den Ländern liegt und nicht am Bund!)


– Nein, es geht um ein Bundesgesetz. Herr im Himmel!
Sie müssen handeln, aber Sie schaffen es nicht.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber ohne die Länder klappt das nicht! Das wissen Sie auch!)


Ich nenne ein ganz kleines Thema: Graffitibekämp-
fung.


(Lachen bei der SPD)


– Sie stöhnen darüber. Von den Bürgern wird ein Gesetz
gefordert, weil sie die Betroffenen sind. Seit Jahren le-
gen wir Gesetzentwürfe vor.


(Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Die sind untauglich!)


Nur weil Sie stöhnen: Der Parlamentarische Staatssekre-
tär Hartenbach kündigt hierzu die Bereitschaft der Bun-
desregierung zum Nachdenken an. Ich finde es bemer-
kenswert, wenn ein Parlamentarischer Staatssekretär so
etwas besonders ankündigt.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wäre es einmal mit Ihrer Bereitschaft?)


Er hat jetzt schon in zwei Debatten die Bereitschaft zum
Nachdenken erklärt.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gut! Oder nicht? Was haben Sie gegen Nachdenken?)


Wir bitten Sie nur um ein Produkt des Nachdenkens. Sa-
gen Sie: Wir wollen das, weil es hier eine Strafrechts-
lücke gibt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir freuen uns über die Bereitschaft zum Nachdenken,
aber die Fähigkeit zum Nachdenken mit einem Ergebnis
wäre noch schöner.


(Zuruf des Abg. Jörg Tauss [SPD])


– Auch wenn es Ihnen nicht gefällt, liste ich die Mängel
auf.

Ich will einen letzten Punkt benennen, das Sexual-
strafrecht.


(Jörg Tauss [SPD]: Das muss nicht sein!)


Die Union hat einen konsequenten Entwurf vorgelegt,
Sie haben eine schlechte Kopie nachgelegt. Aber was ich
hier noch mehr als den Inhalt kritisieren möchte, ist die
Art und Weise, wie das Thema vorgetragen worden ist.
Wir sind in Sorge, ob dieses Thema eine angemessene
Behandlung erfährt. Sie haben die Veröffentlichung in
der „Bild am Sonntag“ in der Erwartung gewählt, für die
Darstellung dieses Themas dort ein an differenzierten
politischen Aussagen besonders interessiertes Publikum
zu finden.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Ihre Hauspostille!)


Es ist die Frage, ob das richtig war. Sie haben das Thema
dort unter der Überschrift „Wer bei Kindesmissbrauch
wegschaut, muss ins Gefängnis“ dargestellt, aber Sie ha-
ben nur die halbe Wahrheit dargestellt. Sie haben gesagt,
dass die, die wegschauen, bestraft werden, Sie haben
aber nicht gesagt, wer alles nicht bestraft wird, wenn er
wegschaut, nämlich all diejenigen, die keine Kenntnis
haben. Sie haben dann am Tag darauf eine Pressekonfe-
renz durchgeführt.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn sie doch keine Kenntnis haben!)


Ich will Ihnen eines sagen: Heribert Prantl, der nicht im-
mer nur christdemokratisches Gedankengut verbreitet,
hat auf diese Aktion der Bundesjustizministerin in der
„Süddeutschen Zeitung“ einen harten Vorwurf erhoben
– ich mache mir diesen Vorwurf nicht zu Eigen, aber ich
nehme ihn ernst –, nämlich den des politischen Miss-
brauchs des Kindesmissbrauchs. Das sollte uns vielleicht
zu denken geben, wenn es darum geht, wie wir mit die-
sem Thema umgehen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war aber auf Sie gemünzt!)


Sie haben eine Pressekonferenz zu diesem Thema
veranstaltet. Sie haben eine Kampagne der Bundesregie-
rung angekündigt. Sagen Sie etwas zu dieser Kampagne,
damit die Befürchtung zerstreut wird, es sei nur heiße
Luft gewesen!


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)


Wir haben eine Sachverständigenanhörung zu die-
sem Thema durchgeführt. Sie hat mit einem Fiasko für
Sie geendet. In diesem ganz zentralen Punkt, den Sie als
den prominentesten vorangestellt haben, haben schon
vorher alle Opferschutzverbände gesagt: Wir lehnen
diese Anzeigepflicht als unpraktikabel und kontrapro-
duktiv ab. Der Kinderschutzbund und Frauenverbände
haben das abgelehnt. In dieser Sachverständigenanhö-
rung haben dann insbesondere die von Ihnen benannten
Sachverständigen, Rechtspraktiker und Rechtswissen-
schaftler diesen Vorstoß zurückgewiesen. Das muss ein
Bundesjustizministerium erst einmal schaffen: einen
Vorschlag zu machen, den alle ablehnen und von dem
sich am Ende sogar Herr Montag und Herr Stünker






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Norbert Röttgen
distanzieren. Sie haben vor der Sachverständigenanhö-
rung erklärt: Es bleibt dabei. – Es war unglücklich, das
vor der Anhörung zu erklären. Nun haben wir die Sorge,
dass dieses heikle Thema belastet und geprägt wird – –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503317100


Herr Kollege Röttgen, die Schriftführer haben mich
gerade darauf aufmerksam gemacht, dass der Präsident
sich nicht getraut habe, Sie zu unterbrechen. Auch ich
traue mich natürlich nicht, möchte Sie aber dennoch
ganz vorsichtig darauf aufmerksam machen, dass auch
bei großzügiger Betrachtung der Uhr die angemeldete
Redezeit leicht überschritten ist.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1503317200


Ich bedanke mich für die Konzession der Großzügig-
keit.

Zum Schluss mahne ich uns alle, dieses heikle Thema
nicht mit faulen parteipolitischen Kompromissen zu be-
lasten. Betreiben Sie nicht in der Notlage, in die Sie sich
nun gebracht haben, die Gesichtswahrung der Ministe-
rin! Damit werden Sie diesem Thema nicht gerecht.

Zu dem Thema, das Herr Kollege Montag ganz zum
Schluss angesprochen hat, sollten wir im Rechtsaus-
schuss eine qualifizierte Debatte führen. Ich wäre gern
auch hier kurz darauf eingegangen. Die Zeit dafür ist
aber nicht da.

Ich bedanke mich sehr für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503317300


Nun hat der Kollege Joachim Stünker, SPD-Fraktion,
das Wort.


Joachim Stünker (SPD):
Rede ID: ID1503317400


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich habe am 4. Dezember
letzten Jahres bei der ersten Lesung an dieser Stelle die
rechtspolitischen Maßnahmen der Regierungskoalition
für diese Legislaturperiode umfassend dargestellt. Ich
denke, ich kann an dem heutigen späten Abend darauf
Bezug nehmen.

Auf die Rede von Herrn Röttgen ist zu sagen: Seien
Sie sicher, die EU-Richtlinien, die Sie angesprochen ha-
ben, werden zügig umgesetzt. Ich darf darauf hinweisen,
dass 1998 insgesamt 30 EU-Richtlinien, die die Kohl-
Regierung uns hinterlassen hatte, nicht umgesetzt waren.
Wir haben da also noch ein bisschen Spielraum.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich darf Ihnen des Weiteren sagen, dass es in diesem
Land nicht um einen notleidenden Versorgungsausgleich
bei Ehescheidung geht, sondern um die Barwertverord-
nung, einen kleinen Teil im Versorgungsausgleich. Die
Novellierung der Barwertverordnung wird noch im März
im Kabinett behandelt und dann umgesetzt werden.

Meine Damen und Herren, der Kollege Dr. Götzer hat
in der ersten Lesung, die ich angesprochen habe, zu
Recht darauf hingewiesen, dass Haushaltsdebatten im-
mer auch Generaldebatten seien. Er hat im Folgenden
die Aufgabe von Rechtspolitik aus der Sicht der
Unionsparteien skizziert. Da war dann die Rede von der
„Stärkung und ... Verbesserung des Rechtsstaats“, von
der „Sicherung der Freiheit der Bürger gegenüber dem
Staat und auch gegenüber Dritten“ sowie von einem
„starken Staat“, der ausschließlich den „optimalen
Schutz der Bürger gegen Verbrechen gewährleisten“
könne.

Es ist mir daher ein Bedürfnis, mich in der heutigen
Generaldebatte kurz mit dem immer deutlicher in Er-
scheinung tretenden Verständnis der Unionsparteien von
Rechtspolitik in diesem Hause zu beschäftigen, wie es in
der Rede von Herrn Götzer und ansatzweise auch heute
in der Rede des Kollegen Röttgen deutlich geworden ist.
Dieses Verständnis erscheint mir rechtsstaatlich zuneh-
mend problematisch.


(Beifall bei der SPD)


Die entscheidende Frage ist nämlich: Was verstehen
Sie eigentlich unter dem von Ihnen so bezeichneten
„starken Staat“? Die soeben zitierten Floskeln vermag
vielleicht jeder von uns noch zu unterschreiben. Wenn
Sie aber konkrete rechtspolitische Maßnahmen benen-
nen, dann fällt im Eifer des Gefechtes sehr schnell die
Tarnkappe. Herr Kollege Röttgen hatte in der ersten Le-
sung acht Beispiele aufgezählt, die sozusagen die Essen-
tials der Rechtspolitik der Unionsparteien seien. In die-
sen Beispielen hat sich dann auch der Kanon der
Rechtspolitik bereits erschöpft.

Ich will die Beispiele noch einmal kurz nennen: Ver-
schärfung des Sexualstrafrechts, schärfere Strafen zur
Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern,
Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung,
Anordnung der Sicherungsverwahrung auch bei Ersttä-
tern und ebenso bei Heranwachsenden – verfassungs-
rechtlich bedenkliche Regelungen möge man erst einmal
ins Gesetz schreiben; der Bürger könne zum Verfas-
sungsgericht gehen, um sie dann überprüfen zu lassen –,
Verschärfung des Jugendstrafrechts, obligatorische An-
wendung des allgemeinen Strafrechts auf Heranwach-
sende, das Höchstmaß der Jugendstrafe auf 15 Jahre he-
raufsetzen. Ein weiterer Vorschlag in diese Richtung
kommt zudem aus dem Bundesrat, nämlich das Höchst-
maß der allgemeinen Freiheitsstrafe von 15 Jahren auf
20 Jahre heraufzusetzen. Ein Beispiel außerhalb des
Strafrechts – immer noch aus der gleichen Rede –: In der
Antidiskriminierungsdebatte sehen Sie Ihre Aufgabe da-
rin, dafür Sorge zu tragen, dass nicht wild gewordene
Ideologen Deutsche gegenüber Ausländern in unserer
Rechtsordnung massiv benachteiligen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das heißt, Rechtspolitik ist für Sie reine Kriminalpolitik
und Kriminalpolitik wird von Ihnen lediglich unter dem
Gesichtspunkt der inneren Sicherheit thematisiert. Also
rufen Sie nach immer mehr Strafen, immer schärferen






(A) (C)



(B) (D)


Joachim Stünker
Strafen und immer höheren Strafen. Das ist für Sie der
starke Staat. Ich meine, das ist wahrlich zu wenig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie bedienen damit kurzfristig Gefühle in der Gesell-
schaft. Rein kriminalpolitisch, aber auch rechtsstaatlich
– lassen Sie sich das heute Abend einmal sagen – ist das
ein gefährlicher Weg; denn höhere Strafen schützen
nicht vor Kriminalität, sie erwecken nur den Schein, sie
würden schützen. Gesetzgebung wird dadurch im End-
effekt zu Symbolik. Dies kann man nur so bezeichnen,
wie es der Deutsche Anwaltverein in einer Stellung-
nahme vor einigen Wochen getan hat: als archaische
Vorstellungen von Strafe und Sühne oder vom Erzie-
hungsideal des 19. Jahrhunderts, soweit es das Jugend-
strafrecht betrifft.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich wiederhole daher: Das ist ein gefährlicher Weg,
denn Sie wecken damit Erwartungen in der gesellschaft-
lichen Öffentlichkeit. Diese Erwartungen können sich,
so sie unerfüllt bleiben, ganz schnell gegen den Rechts-
staat selber wenden; denn wer sich vom Recht verlassen
fühlt, wendet sich bedenkenloser gegen das Recht. Wer
die kriminalpolitische öffentliche Diskussion derart, wie
von mir skizziert, aufheizt, darf sich nicht wundern,
wenn zu Beginn des 21. Jahrhunderts über die kriminal-
politische Zulässigkeit der Folter und neuestens auch der
Zwangskastration von Sexualstraftätern wieder ernst-
haft diskutiert wird. Zu Anfang des 21. Jahrhunderts
möchte man fast meinen, das sei eine Gespensterdebatte.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Rainer Funke [FDP])


Ich möchte daher heute Abend mit Nachdruck darauf
hinweisen und hier zu Protokoll geben: Hier unterschei-
den wir uns in aller Deutlichkeit. Diesen Weg werden
wir mit Ihnen nicht mitgehen. Wir haben uns einer hu-
manen, rationalen und effizienten Kriminalpolitik ver-
schrieben.


(Beifall des Abg. Alfred Hartenbach [SPD])


Ich will dies – sozusagen als Kontrastprogramm – ganz
kurz mit der Benennung einiger notwendiger kriminal-
politischer Reformvorhaben unterfüttern.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503317500


Herr Kollege, ich fürchte, dass für eine ausführliche
Darstellung Ihrer beabsichtigten Erläuterungen nicht
mehr die notwendige Zeit besteht – wenn ich Sie darauf
rechtzeitig aufmerksam machen darf.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wir hätten so gern etwas gehört!)



Joachim Stünker (SPD):
Rede ID: ID1503317600


Herr Präsident, nachdem Herr Kollege Röttgen so ex-
zessiv überzogen hat, darf ich vielleicht diese drei Sätze
noch sagen?


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503317700


Einverstanden.


Joachim Stünker (SPD):
Rede ID: ID1503317800


Danke schön.

Die Reform des Sanktionenrechts ist umzusetzen.
Die Modernisierung des eigenständigen Jugendkrimi-
nalrechts ist konsequent weiterzuführen. Der Vollzug
der Untersuchungshaft und der Jugendstrafe ist auf eine
gesetzliche Grundlage zu stellen. Der Vollzug der Ju-
gendstrafe und des Jugendarrestes ist gesetzlich diffe-
renziert zu regeln. Die Diversion ist auszuweiten und
Strafverfahren sind zu beschleunigen. Mediation und
Täter-Opfer-Ausgleich sind flächendeckend einzufüh-
ren. Die ambulante Straffälligenhilfe ist zu stärken und
zu vernetzen. Die justiziellen Instrumente der europäi-
schen Strafverfolgung sind zu stärken. Grenzüberschrei-
tende Kriminalität in Europa erfordert verstärkte Ko-
operation bei der Kriminalitätsbekämpfung.

Dies ist moderne Kriminalpolitik. Diese Maßnahmen
bewirken eine verbesserte Prävention und einen verbes-
serten Schutz der Opfer. Dafür steht diese rot-grüne Re-
gierungskoalition. Dafür steht ein starker Staat.

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503317900


Das Wort hat nun der Abgeordnete Hans-Christian
Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Drei Minuten mit Konzept!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ich will die drei Minuten, die mir zur Verfügung stehen,
einer einziger Verfassungsinstitution widmen, nämlich
dem Bundesverfassungsgericht und seinem Haushalt.
Dies tue ich nicht, weil ich nach der heute verkündeten
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dessen
Haushalt kürzen oder etwas drauflegen will, sondern
weil ich – das ist der eine Grund – die Minderheit des
Bundesverfassungsgerichts in Schutz nehmen will, vor
allem nach dem, was hier heute gesagt worden ist. Ich
stehe ja häufig aufseiten von Minderheiten;


(Beifall der Abg. Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


in diesem Fall aufseiten der Minderheit des Bundesver-
fassungsgerichts. Diese Minderheit hat nicht gesagt, dass
mit Beginn eines Verbotsverfahrens oder kurz vorher
alle Beobachtungsaktivitäten gegenüber einer radikalen
Partei eingestellt werden müssten; sie hat vielmehr ge-
sagt – ich zitiere wörtlich aus der Presseverlautbarung
des Gerichts –:






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Die Beobachtung einer politischen Partei durch
V-Leute staatlicher Behörden, die als Mitglieder
des Bundesvorstands oder eines Landesvorstands
fungieren, unmittelbar vor und während der Durch-
führung eines Parteiverbotsverfahrens ist in der
Regel unvereinbar mit den Anforderungen an ein
rechtsstaatliches Verfahren.

Das kann ich nur unterstützen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Diese Ansicht ist richtig. Sie garantiert ein faires Ver-
fahren, weil niemand ausschließen kann, dass wenn
während eines Verbotsverfahrens im Bundesvorstand
oder in einem Landesvorstand einer Partei ein V-Mann
sitzt und aus diesen Gremien berichtet, das den Antrag-
stellern, das heißt den Bundesorganen, in irgendeiner
Weise zur Kenntnis kommt. Deshalb besteht die Gefahr,
dass in einem Prozess eine Verfahrensstrategie mitge-
teilt wird und sich die andere Seite darauf einstellt. Das
ist ein Essential, das für Strafverfahren wie auch für an-
dere rechtsstaatliche Verfahren gilt. Ich bin der Minder-
heit des Bundesverfassungsgerichts dankbar, dass sie
das festgestellt und ihre Entscheidung darauf gestützt
hat. Das hohe Gut eines rechtsstaatlichen, eines fairen
Verfahrens sollte nicht nur das Bundesverfassungsge-
richt, das sollten auch wir achten und immer in Ehren
halten.

Ich komme nun zum zweiten Grund. Das Bundesver-
fassungsgericht ist das staatliche Organ in der Bundesre-
publik, das in den letzten 50 Jahren ständig und verdien-
termaßen immer mehr an Ansehen gewonnen hat. Wir
sollten uns fragen, warum nicht auch der Deutsche Bun-
destag und der Bundesrat eine ähnliche Entwicklung
mitgemacht haben.

Ich glaube, es gibt vieles zu ändern und vieles zu
überdenken, auch in und an unserer Verfassung.


(Zuruf von der CDU/CSU: Packen wir es an!)


Wie kommt es, dass das Bundesverfassungsgericht im-
mer mehr Aufgaben des Gesetzgebers übernehmen
muss? Wie kommt es, dass das Bundesverfassungsge-
richt immer häufiger den Gesetzgeber korrigieren muss,
und zwar unabhängig davon, welche Koalition und wel-
che Regierung gerade an der Macht ist? Wie kommt es,
dass neu gewählte Regierungen und neu gebildete Koali-
tionen so wenig Ideen zur Erneuerung in unserem Staat
durchsetzen können?


(Otto Fricke [FDP]: Gute Selbstkritik!)


Ist es nicht verwunderlich, dass es sich heute in der Bun-
desrepublik Deutschland fast nicht mehr lohnt, für eine
neue Mehrheit im Bundestag zu kämpfen, weil eine neue
Mehrheit große Schwierigkeiten hat, eine neue Politik in
der Bundesrepublik Deutschland durchzusetzen, in Ge-
setze zu gießen und in Regierungshandeln umzusetzen?

Wir müssen in einigen Punkten auch über das Verhält-
nis zwischen Bundestag und Bundesrat nachdenken.
Dort gilt es, einiges zu korrigieren. Dadurch würde das
Bundesverfassungsgericht noch höher anzusetzen sein.

Außerdem würde das Bundesverfassungsgericht entlas-
tet, wenn wir uns als Gesetzgeber bei Gesetzgebungsver-
fahren häufiger überlegen würden, wie der Sachverhalt
verfassungsrechtlich zu beurteilen ist, und wenn wir uns
vornehmen würden, die Klärung dieser Fragen nicht al-
leine dem Verfassungsgericht zu überlassen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503318000


Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie uns in diese Richtung weiterdenken, viel-
leicht auch gemeinsam.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503318100


Bevor ich nun dem Kollegen Götzer das Wort erteile,
kann ich Ihnen die frohe Botschaft mitteilen, dass es
heute Abend nicht mehr ganz so lange dauern wird, wie
es vor wenigen Minuten noch anzunehmen war. Das er-
laubt uns sicherlich, uns die letzten beiden Reden der
heutigen Aussprache mit besonderer Konzentration an-
zuhören.

Zunächst spricht der Kollege Götzer für die CDU/
CSU-Fraktion.


Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1503318200


Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Der Kollege Stünker hat mich vorhin freundlicherweise
zitiert und danach die Frage aufgeworfen, was denn der
starke Staat sei.

Herr Kollege Stünker, ich will mich jetzt nicht in epi-
sche Breiten verlieren, sondern Ihnen in knappsten Wor-
ten sagen, was wir unter einem starken Staat im Bereich
der inneren Sicherheit verstehen: Das ist ein Staat, der
für seine Bürger die größtmögliche Sicherheit gewähr-
leistet und unter anderem eine Nulltoleranz gegenüber
Rechtsbrechern an den Tag legt. Er muss mit den erfor-
derlichen Mitteln dafür ausgestattet sein, diese Rolle zu
spielen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dass wir hier auseinander liegen, verwundert nie-
manden im Raum. Ich denke, bei einigen in Ihrem Lager
– Herr Kollege Stünker, Sie meine ich damit nicht; da
ich Ihre politische Vergangenheit nicht kenne, steht es
mir nicht zu, mich darüber zu äußern – zeigt sich doch
noch das Rechtsstaatsverständnis der alten 68er-Genera-
tion, die, Herr Kollege Ströbele, inzwischen – in Ehren
oder auch nicht – etwas angegraut ist.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon haben Sie doch keine Ahnung!)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. Wolfgang Götzer
Ich glaube, das schimmert durchaus noch durch. Wir re-
den heute zwar über den Haushalt, aber Sie, Herr Kol-
lege Stünker, hatten mir die Vorlage dazu gegeben,


(Joachim Stünker [SPD]: Das Duplikat war nicht besser als das Original!)


weswegen ich diese Vorbemerkung gemacht habe.

Herr Präsident, ich sehe gerade, dass meine restliche
Redezeit nicht stimmen kann. Hier steht, dass mir noch
eine Minute und zwanzig Sekunden zur Verfügung ste-
hen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das reicht doch völlig aus!)


Ursprünglich hatte ich aber sechs Minuten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503318300


Herr Kollege, Sie verkennen die Lage und Sie hätten
es mir einfacher gemacht, großzügiger in der Bewirt-
schaftung der Zeit zu verfahren, wenn Sie nicht aus-
drücklich auf die tatsächliche Redezeit aufmerksam ge-
macht hätten.


(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause – Zurufe von der SPD: Wenn Sie nicht fortfahren, haben Sie gar keine Zeit mehr! Das hat Ihnen die Sprache verschlagen! – Bedanken Sie sich bei Röttgen!)



Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1503318400


Frau Ministerin, ich hätte mir vorher gerne Ihre Rede
angehört, die Regie hat es aber so bestimmt, dass Sie am
Schluss reden. Ich kann jetzt natürlich nicht wissen, was
Sie uns heute sagen werden.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Dann setzen Sie sich doch in Ruhe hin!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503318500


Herr Kollege, wenn Sie das jetzt vorsichtshalber pau-
schal zurückweisen, kämen Sie mit Ihrer Redezeit gut
zurande.


(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause – Dr. Peter Danckert [SPD]: Er ist sprachlos!)



Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1503318600


Ich bin sprachlos, das ist wahr.

Frau Ministerin, Sie haben Ihre Rede nicht als großen
Wurf und als Jahrhundertrede angekündigt, wie dies der
Bundeskanzler getan hat. Deswegen stehen Sie auch
nicht unter einem solchen Erwartungsdruck. Wir würden
uns aber natürlich schon wünschen, dass Sie heute eini-
ges zu dem sagen, was Sie wirklich vorhaben. Nach fünf
Monaten ist das durchaus nicht verfrüht.

Das alles, was der Kollege Stünker vorhin vorgelesen
hat, steht in der Koalitionsvereinbarung; die kennen wir
alle. Nun geht es aber darum, dass wir hören, was von
dieser Koalitionsvereinbarung endlich auf den Weg ge-

bracht wird. Ich habe mir beispielsweise die Tagesord-
nungen des Rechtsausschusses in den letzten Monaten
angesehen und festgestellt, dass er im Durchschnitt nur
bei ein oder zwei Tagesordnungspunkten federführend
ist. Mehr ist es nicht; das muss anders werden. Auf dem
Gebiet der Rechtspolitik gibt es eine Menge zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Auf das, was der Kollege Röttgen gesagt hat, brauche
ich nicht mehr einzugehen. Ich nenne noch den Anleger-
schutz. Sie haben zwar Eckpunkte vorgestellt, es fehlt
aber ein Gesetzentwurf. Ihre Vorgängerin hat angekün-
digt, dass die mit dem Schuldrechtsmodernisierungsge-
setz zusammenhängenden Verjährungen neu geregelt
werden. Auch dazu ist in den anderen Gesetzen bisher
nichts erfolgt. Bezüglich des Antidiskriminierungsgeset-
zes werden Sie die Frist bis zum Juli dieses Jahres nicht
einhalten können. Das freut die Grünen am allermeisten.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Wir wollen ganz schnell was machen!)


Diese sehen hier natürlich ihre Spielwiese und hoffen,
dass sie doch noch den einen oder anderen ideologischen
Quatsch unterbringen und Müll abladen können.


(Lachen bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das, was im Rahmen der Zuwanderung über die
Schmerzgrenze hinausging oder an unerfüllten Träumen
zurückbleibt, können Sie vielleicht auf diese Weise reali-
sieren.

Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen.


(Otto Fricke [FDP]: Einen allerletzten Punkt!)


Ich möchte ein paar Worte zum Sexualstrafrecht sagen.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Ihre Zeit ist abgelaufen!)


– Nein, Sie täuschen sich. – Herr Kollege Stünker, bei
der Debatte habe ich darauf hingewiesen, dass in Ihrem
Gesetzentwurf zum Sexualstrafrecht in einem Punkt so-
gar eine Abschwächung erfolgt. Sie hingegen haben es
als eine Verschärfung dargestellt. Diese Abschwächung
ist in § 176 a Abs. 1 Nr. 4 des Strafgesetzbuches zu fin-
den, wonach in Zukunft der Wiederholungstäter bei Kin-
derschändung nicht mehr wegen eines Verbrechens, son-
dern nur noch wegen eines Vergehens verurteilt wird.

In der Anhörung habe ich dazu eine Sachverständige
gefragt, ob sie meine Meinung teilt, dass dies in Zukunft
zum Vergehen herabgestuft wird. Sie hat mir Recht ge-
geben. Daraufhin haben Sie mir gesagt, dies sei unstrit-
tig. Ich habe diesen Punkt im Protokoll nachgelesen. Da-
rin ist Ihr Zwischenruf vermerkt, dass dies nicht stimmt.
Auch der Kollege Montag wird mit dem unglaublichen
Vorwurf zitiert, den ich allerdings aushalte, ich hätte den
Gesetzentwurf nicht gelesen.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Fünf Minuten überzogen!)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. Wolfgang Götzer
Meine Herren Kollegen, diesen Vorwurf müssen Sie
sich selber gefallen lassen. Sie haben den Gesetzentwurf
in der Tat nicht gelesen. Es handelt sich um eine Ab-
schwächung im Sexualstrafrecht, das Sie laut der Koali-
tionsvereinbarung reformieren wollten.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Was wollen Sie eigentlich sagen?)


Ich glaube, Sie haben selbst die Koalitionsvereinbarung
nicht gelesen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503318700


Herr Kollege Götzer, Sie haben jetzt ziemlich genau
so lange geredet, wie Sie ursprünglich ohnehin reden
wollten, ohne dass die Redezeit dafür ausgereicht hätte.
Es muss Ihnen einleuchten, dass dies selbst bei großzü-
gigster Interpretation der Geschäftsordnung ein Ende ha-
ben muss.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)



Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1503318800


Ich komme zu meinem Schlusssatz. Ich hoffe, dass
wir uns im Interesse eines besseren Rechtsschutzes und
einer höheren Gerechtigkeit in einigen Punkten aufei-
nander zu bewegen, zum Beispiel bei der Verschärfung
des Jugendstrafrechts –


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


– das ist noch immer derselbe Satz –, bei dem es das Ge-
richt bei dem furchtbaren Mordfall Vanessa mit dem
maskierten Mörder, Frau Ministerin, bedauert hat – das
ist eine todernste Angelegenheit –, dass es die jetzige
Rechtslage nicht zulässt, diesen Täter so streng zu be-
strafen, wie es eigentlich erforderlich gewesen wäre. Ich
denke, über diese Punkte müssen wir miteinander reden.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503318900


Das machen wir beim nächsten Mal.


Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1503319000


Ich hoffe, dass wir auch bei den Kollegen von Rot-
Grün auf Zustimmung stoßen werden. An uns wird es je-
denfalls nicht scheitern.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503319100


Zum Schluss der Aussprache über die Einzelpläne 07
und 19 hat nun die Bundesjustizministerin, Frau Zypries,
das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1503319200


Meine Damen und Herren! Ich muss ein wenig
schneller reden, weil ich nur vier Minuten Redezeit
habe.

Ich möchte mich bei den Berichterstattern für ihre
Aufgeschlossenheit gegenüber den Belangen der Justiz
und für ihre Unterstützung bedanken. Sie haben die Be-
deutung des Bundesgerichtshofs hervorgehoben. Die
dortigen Belastungen sind gewachsen. Gleichzeitig hat
aber auch die Zahl der erledigten Fälle zugenommen. Ich
glaube, dass die zusätzlichen 2 Millionen Euro für Per-
sonalmittel gut angelegt sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Da wir gerade vom Gericht reden, möchte ich gerne
die Gelegenheit nutzen – danach komme ich zur Justiz-
politik –, um mich auch von dieser Stelle – das scheint
mir ein guter Usus zu sein – bei den über
20 000 Richterinnen und Richtern sowie den Staatsan-
wältinnen und Staatsanwälten und sonstigen Mitarbei-
tern in der Justiz zu bedanken.


(Beifall im ganzen Hause)


Ihre Aufgaben sind weiß Gott nicht immer einfach. Viele
der Verfahren möchte man nicht gerne entscheiden. Das
gilt besonders für konfliktträchtige Fälle, die ebenfalls
bearbeitet werden müssen. Ich glaube, sie haben es ver-
dient, dass wir uns bei ihnen bedanken.

Dass wir im Justizhaushalt bei der Konsolidierung
mithelfen müssen, wissen Sie. Durch die Umlage der
globalen Minderausgabe haben wir sogar einen überpro-
portionalen Anteil tragen müssen. Wir bemühen uns, das
Ganze zu kompensieren und gleichwohl gute Arbeit zu
leisten.

In meiner ersten Haushaltsrede habe ich hier be-
stimmte Punkte angesprochen, zum Beispiel die Reform
des Wirtschaftsrechts. Der entsprechende Gesetzent-
wurf wird noch in den Bundestag eingebracht. Vielleicht
erinnern Sie sich, dass ich gesagt hatte, dass wir die
Cromme-Kommission eingesetzt haben. Das, was die
Wirtschaft freiwillig regeln kann, soll sie regeln. Mitte
Mai dieses Jahres wird die Cromme-Kommission wieder
tagen. Dann wird sie darüber befinden, wie viel Konsens
in der Wirtschaft noch möglich ist, ehe wir für diejeni-
gen Punkte, über die sie sich nicht verständigen konnte,
von denen wir aber meinen, dass sie geregelt werden
müssen, einen Gesetzentwurf vorlegen. Ich glaube, dass
auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,
damit einverstanden sind, wenn wir sagen, dass wir
möglichst wenige Gesetze wollen. Da, wo freiwillige
Regelungen möglich sind, wollen wir einen Spielraum
lassen. Das, denke ich, sollten wir dann auch tun. Seien
Sie so nett, noch ein halbes Jahr zu warten. Dann wird
der Gesetzentwurf eingebracht und Sie können über ihn
beraten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was das DPMA anbelangt, möchte ich zwei Bemer-
kungen machen. Herr Barthle, Sie hatten gesagt, der






(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Brigitte Zypries
Ansatz sei gekürzt worden. Ich muss Ihnen gestehen:
Das kann ich nicht nachvollziehen. Nach meiner Kennt-
nis haben wir über 4 Millionen Euro mehr eingestellt als
im Jahre 2002. Wir werden wieder 60 Patentprüfer und
17 Verwaltungsmitarbeiter, die die Patentprüfer unter-
stützen sollen, einstellen. Von daher kann ich das, was
Sie gesagt haben, nicht nachvollziehen.

Auch kann ich Ihre Kritik am EU-Gemeinschafts-
patent nicht nachvollziehen, lieber Herr Röttgen. Das
hat ja etwas miteinander zu tun.


(Unruhe bei der SPD)


– Könnt ihr da mal ein bisschen die Klappe halten?


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503319300


Soll ich Ihnen helfen, Frau Ministerin? Die eigent-
lichen Störpotenziale sind ja erstaunlicherweise in Ihrer
eigenen Koalition angesiedelt. Das ist ja unglaublich. Ich
bitte Sie zuzuhören.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1503319400


Deswegen habe ich das ja so freundlich geflüstert und
nicht um Ihre Hilfe gebeten. – Was also das EU-Gemein-
schaftspatent angeht, würde ich doch gerne darauf hin-
weisen wollen, dass die Fundamentalkritik, die Sie, Herr
Röttgen, hier geäußert haben, leider völlig verfehlt ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie wissen, dass die Bundesregierung viele Jahre
massiven Widerstand geleistet hat gegen jede andere
Form des europäischen Patents als die, die in Deutsch-
land war und auch hier sein sollte. Dass es innerhalb von
14 anderen Ländern nicht auf Wohlgefallen stößt, wenn
immer ein Land Ansprüche anmeldet, ist auch klar. Viele
Jahre haben wir es versucht. Aber jetzt war ein Zeitpunkt
erreicht, zu dem wir nur noch sagen konnten, dass wir
mit fliegenden Fahnen untergehen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Einstimmigkeit!)


Dies war vor allen Dingen deshalb der Fall, weil die
griechische Präsidentschaft einen Druck aufgebaut hat,
dem man manchmal – vielleicht haben Sie solche Ver-
handlungen noch nicht geführt –


(Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt!)


nicht mehr standhalten kann.

Ich gestehe gerne zu – wenn das ein Zugestehen ist –,
dass auch ich der Auffassung war, dass sich Deutsch-
land, um Schlimmeres zu verhindern, bewegen sollte.
Denn das, was die griechische Präsidentschaft erreichen
wollte, wissen auch Sie. Sie wollte ein Reisegericht
einführen, also ein Gericht, das innerhalb aller Staaten
der Europäischen Union herumreist und die Verhandlun-
gen jeweils vor Ort abhält. Das wäre kein festes Gericht
gewesen. Es hätte sich – wenigstens nach unserer An-

sicht – keine Gerichtspraxis und anderes mehr ent-
wickeln können.

Daher war ich der Auffassung, dass es für die deut-
sche Patentgerichtsbarkeit viel besser ist, wenn ein festes
Gericht in Luxemburg zuständig ist und man innerhalb
kürzester Zeit dort sein kann, als wenn wir es mit irgend-
welchen Reisegerichten zu tun bekommen. Das ist der
eine Punkt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In Bezug auf einen anderen Punkt, der das Sprachen-
regime anbelangt, hat Deutschland einen großen Erfolg
erzielt. Auch das möchte ich gerne einmal sagen. Es war
vorgesehen, dass in alle Sprachen übersetzt wird. Wir
waren zuerst dafür, dass nur in drei oder zwei Sprachen
übersetzt wird. Auch eine Übersetzung nur auf Englisch
wäre möglich gewesen. Aber wir wollten keine Überset-
zung in alle Sprachen.

In mühsamsten Verhandlungen hat es Herr Staatssekre-
tär Geiger – er hat sich hier wirklich unglaublich enga-
giert; das muss man einmal sagen –


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


erreicht, dass es bei der Patenterteilung dabei bleibt, dass
in nur drei Sprachen übersetzt werden muss. Wenn das
Patent dann erteilt ist, kann man die anderen Übersetzun-
gen über einen Zeitraum von mehreren Jahren strecken.
Das heißt, der Patentinhaber kann selber entscheiden, in
welchen Ländern er das Patent in der Sprache des jewei-
ligen Landes braucht und in welchen Ländern er das Pa-
tent vielleicht gar nicht wahrnehmen will.

Der nächste Punkt: Das jetzige Patent, das so ge-
nannte Bündelpatent, bleibt erhalten. Es wird also nicht
abgeschafft, sondern das europäische Patent tritt dane-
ben. Bis das erste europäische Patent erteilt wird, wird es
voraussichtlich noch Jahre dauern. Das wird also nicht
heute oder morgen virulent. Wir haben zwischendurch
mit der Industrie geredet. Die Industrie unterstützt den
Vorschlag und ist mit diesem Patent einverstanden. Sie
hat die Möglichkeit, bei dem jetzt vorhandenen Bündel-
patent zu bleiben. Es kann also überhaupt keine Rede da-
von sein, dass die Kosten schlagartig explodieren wür-
den und unser ganzes Patentwesen im Eimer sei. Das
wird nicht der Fall sein. Da kann ich Sie beruhigen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ein anderes Gesetz, das wir Ihnen noch in der ersten
Hälfte dieses Jahres hoffentlich – wenn die Länder mit-
spielen – vorlegen werden, ist das Justizmodernisie-
rungsgesetz. Darüber habe ich schon etwas gesagt. Wir
wollen versuchen, die Abläufe innerhalb der Justiz zu
vereinfachen, zu verschlanken und leichter zu machen,
indem wir Aufgaben übertragen und schwierige Struk-
turvorschriften bereinigen.

Wir werden das Gesetz über die Angelegenheiten der
Freiwilligen Gerichtsbarkeit noch in dieser Legislaturpe-
riode vorlegen, allerdings nicht in diesem Jahr – um das






(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Brigitte Zypries
gleich zu sagen – sondern erst später. Die ZPO-Reform
– darüber hatten wir gesprochen – wird, soweit nötig,
evaluiert.

Über das Betreuungsrecht, Herr Funke, haben wir
schon einmal geredet. Es gibt eine Bund-Länder-Ar-
beitsgruppe. An erster Stelle sind die Länder gefordert,
etwas zu tun. Sie kommen leider nicht mit Vorschlägen
rüber, mit denen wirklich Geld eingespart werden kann.
Ich werbe im Moment für die Vorsorgevollmacht, aber
die Länder haben das Verfahren in der Hand und müssen
selbst einmal sagen, wo sie meinen, dass es besser wer-
den kann.

Zu der Modernisierung der Justiz gehört nicht nur,
dass man das Verfahren modernisiert, sondern auch der
elektronische Rechtsverkehr. Wir haben beim Bundes-
gerichtshof einen funktionierenden Modellversuch. Wir
müssen es vor allen Dingen schaffen, dass wir zwischen
dem Eingang des Schriftsatzes und dem Urteil, das he-
rausgehen kann, den Workflow innerhalb der Gerichte
elektronisch verbessern. Das machen wir.

Parallel dazu gestalten wir innerhalb der Europäi-
schen Union gemeinsam mit den anderen Ländern mit
der Umsetzung zahlreicher EU-Richtlinien den Raum
der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts weiter aus.

Ich will Sie nicht über Gebühr strapazieren, aber las-
sen Sie mich zum Schluss noch auf einen anderen Punkt
eingehen, der mir in der Tat am Herzen liegt, nämlich
das Sexualstrafrecht. Mir zu unterstellen, dass ich mit
Kindern Politik machen würde, finde ich schon ziemlich
unerhört.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Die schrecken aber auch vor nichts zurück! – Joachim Stünker [SPD]: „Bild“-Zeitungsstil von Herrn Röttgen! – Weitere Zurufe von der SPD: Unverschämt! – Unerhört!)


Ich habe die Anhörung mit den Opferverbänden in unse-
rem Hause durchgeführt und kann Ihnen sagen, dass ich
mit den Damen und Herren der Opferverbände einig
war. Sie sind auch dafür, dass es so etwas wie eine An-
zeigepflicht gibt. Sie wollen nur eines nicht. Sie sagen:
Wir müssen verhindern, dass quasi spontan angezeigt
wird und ein Kind unvorbereitet in einen Prozess gezo-
gen wird. Das heißt also, dass sie eine Anzeige wollen.
Sie wollen nur, dass mit dem Kind Gespräche geführt
werden. Wir müssen versuchen, diesen Zeitraum noch in
irgendeiner Form in den Griff zu bekommen. Ich glaube
nicht, dass die Herren Montag und Stünker das anders
sehen. Sie sind auch dieser Auffassung.

Natürlich wollen wir, dass diese Verbrechen aufhören.
Das ist doch völlig klar, das ist unstreitig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn so etwas passiert, dann wollen wir, dass es zur An-
zeige kommt und aufgedeckt wird. Aber selbstverständ-
lich haben wir in diesen Fällen einen ganz besonderen
Opferschutz zu berücksichtigen, weil diese Opfer eine
andere Rolle haben als viele andere. Das ist der Punkt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass wir uns
einigen können, was die Formulierung anbelangt. In der
Sache stehe ich in der Tat nach wie vor dazu und halte es
für richtig. Das werden Sie, wenn Sie mit den Opferver-
bänden reden, von diesen auch hören. Die sehen das auch
so. Sie halten es auch für wichtig, dass wir so viele dieser
Taten wie möglich verfolgen und damit deutlich machen,
dass das in dieser Gesellschaft nicht toleriert wird.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1503319500


Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zu den Abstimmungen. Zunächst zum
Einzelplan 07 – Bundesministerium der Justiz – in der
Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion der CDU/CSU vor, über den wir zuerst abstim-
men. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf
Drucksache 15/624? – Wer stimmt dagegen? – Wer
möchte sich enthalten? – Der Antrag ist offenkundig ab-
gelehnt.

Wir stimmen nun über den Einzelplan 07 – Bundes-
ministerium der Justiz – in der Ausschussfassung ab.
Wer stimmt für diesen Einzelplan? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer möchte sich enthalten?– Damit ist der
Einzelplan 07 mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der Opposition angenommen.

Wir kommen zum Einzelplan 19 – Bundesverfas-
sungsgericht –, ebenfalls in der Ausschussfassung. Wer
stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? –


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Nicht einmal beim Bundesverfassungsgericht macht ihr mit! Das ist ja merkwürdig!)


Der Einzelplan 19 ist mit den Stimmen der Koalition
und der FDP bei Enthaltung der CDU/CSU angenom-
men.

Ich rufe nun den ursprünglich für Donnerstag vorge-
sehenen Punkt I. 20 auf:

20. Einzelplan 12
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen

– Drucksachen 15/561, 15/572 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Bartholomäus Kalb
Norbert Barthle
Gunter Weißgerber
Uwe Göllner
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Günter Rexrodt

Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion
der CDU/CSU und vier Änderungsanträge der FDP vor.






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
nicht hätten reden können, aber bis zum bitteren Ende
der Abstimmungen hätten warten müssen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den
Einzelplan 12 – Bundesministerium für Verkehr, Bau-
und Wohnungswesen – in der Ausschussfassung. Hierzu
liegen die angekündigten sechs Änderungsanträge vor,
über die wir jetzt abzustimmen haben, und zwar zu-
nächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
CSU auf Drucksache 15/644. Wer stimmt für diesen Än-
derungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Das reicht nicht. Der Antrag ist abgelehnt.


(Heiterkeit im ganzen Hause)


Auch dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den
Einzelplan 12 in der Ausschussfassung. Ich bitte diejeni-
gen, die dem Einzelplan 12 in der Ausschussfassung zu-
stimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich? – Das ist die Mehrheit.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Mittwoch, den 19. März, 9 Uhr, ein.

Ich schließe die Sitzung.