Protokoll:
14172

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 172

  • date_rangeDatum: 30. Mai 2001

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:10 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Begrüßung des Präsidenten des ukrainischen Parlaments, Herrn Iwan Pljuschtsch, und seiner Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16847 C Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundes- bank (7. BBankGÄndG) . . . . . . . . . . . . 16817 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 16817 B Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16818 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 16818 A Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . . . . . 16819 B Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 16819 C Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16821 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 16821 B Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 14/6138, 14/6157) . . . . . . . 16821 C Vermutete Quelle der Indiskretion bezüglich eines Gesprächs zwischen Bundeskanzler Schröder und US-Präsident George W. Bush DringlAnfr Eckart von Klaeden CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . 16821 C ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . 16821 D ZusFr Carl-Dieter Spranger CDU/CSU . . . . . 16822 B Veröffentlichung des Protokolls über ein Ge- spräch zwischen dem amerikanischen Präsi- denten und dem Bundeskanzler; Auswirkun- gen der Veröffentlichung auf das Ansehen des deutschen auswärtigen Dienstes im Ausland MdlAnfr 36 Carl-Dieter Spranger CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 16822 C ZusFr Carl-Dieter Spranger CDU/CSU . . . . . 16822 D ZusFr Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . 16823 A Verteilerkreis des Protokolls über ein Gespräch zwischen dem amerikanischen Präsidenten und dem Bundeskanzler MdlAnfr 37 Carl-Dieter Spranger CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 16823 C ZusFr Carl-Dieter Spranger CDU/CSU . . . . . 16823 D ZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . 16824 A ZusFr Ruprecht Polenz CDU/CSU . . . . . . . . 16824 B ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . 16824 C ZusFr Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . 16824 D ZusFr Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU 16825 A Aussage von Ministerialdirektor Steiner wäh- rend des Arbeitsgesprächs des Bundeskanzlers mit dem amerikanischen Präsidenten über eine Beteiligung Libyens an terroristischen Aktionen MdlAnfr 38 Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 16825 B Plenarprotokoll 14/172 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 172. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. Mai 2001 I n h a l t : ZusFr Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU 16825 C ZusFr Carl-Dieter Spranger CDU/CSU . . . . . 16826 A ZusFr Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . 16826 A ZusFr Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16826 B ZusFr Ruprecht Polenz CDU/CSU . . . . . . . . 16826 D Fehlende Weitergabe einer Aussage von Minis- terialdirektor Steiner während eines Arbeits- gesprächs des Bundeskanzlers mit dem ameri- kanischen Präsidenten über eine Beteiligung Libyens an terroristischen Aktionen an die zu- ständige Staatsanwaltschaft MdlAnfr 39 Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 16827 A ZusFr Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU 16827 B Veröffentlichung des Protokolls des Gesprächs zwischen Ministerialdirektor Steiner und dem libyschen Staatschef MdlAnfr 40 Sylvia Bonitz CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 16827 D ZusFr Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . 16827 D ZusFr Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU 16828 B ZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . 16828 C Entschädigung der „La Belle“-Opfer MdlAnfr 41 Sylvia Bonitz CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 16828 D ZusFr Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . 16829 B Auswirkungen von Unstimmigkeiten zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundeskanz- leramt anlässlich der Veröffentlichung des Ge- sprächsprotokolls von Botschafter Chrobog auf die Zusammenarbeit zwischen deutschen poli- tischen Stellen MdlAnfr 42 Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 16829 D ZusFr Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU 16829 D ZusFr Christin Schmidt (Fürth) CDU/CSU 16830 B ZusFr Ruprecht Polenz CDU/CSU . . . . . . . . 16830 C ZusFr Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16830 D ZusFr Carl-Dieter Spranger CDU/CSU . . . . . 16831 A ZusFr Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . 16831 C Beteiligung Libyens an der Aufklärung des An- schlags auf die Diskothek „La Belle“ in Berlin; Opferentschädigung durch Libyen MdlAnfr 43 Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 16831 C ZusFr Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU 16831 D ZusFr Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16832 B ZusFr Ruprecht Polenz CDU/CSU . . . . . . . . 16832 C ZusFr Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16832 D Entschuldigung der Bundesregierung beim amerikanischen Präsidenten sowie den Staats- und Regierungschefs der von der „Protokoll- Affäre“ betroffenen Staaten MdlAnfr 44 Eckart von Klaeden CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 16833 A ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . 16833 A ZusFr Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16833 C ZusFr Dr. Eberhard Brecht SPD . . . . . . . . . . . 16833 D ZusFr Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . 16834 A ZusFr Carl-Dieter Spranger CDU/CSU . . . . . 16834 A ZusFr Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU 16834 B ZusFr Ruprecht Polenz CDU/CSU . . . . . . . . 16834 C ZusFr Gudrun Kopp F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 16834 C ZusFr Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 16834 D ZusFr Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16835 A Auswirkungen der in der Schweiz angestrebten Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes MdlAnfr 4 Dietmar Schlee CDU/CSU Antw PStSekr’in Gudrun Schaich-Walch BMG 16835 C ZusFr Dietmar Schlee CDU/CSU . . . . . . . . . 16835 C Auswirkungen der in der Schweiz angestrebten Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes im Hinblick auf eine mögliche Förderung des Drogentourismus MdlAnfr 5 Dietmar Schlee CDU/CSU Antw PStSekr’in Gudrun Schaich-Walch BMG 16836 A ZusFr Dietmar Schlee CDU/CSU . . . . . . . . . 16836 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Mai 2001II Verteilungsmodus der für die Länder aus den UMTS-Erlösen bereitgestellten Infrastruktur- mittel MdlAnfr 8 Wolfgang Dehnel CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 16836 D ZusFr Wolfgang Dehnel CDU/CSU . . . . . . . 16837 A Verteilungsmodus der für die Länder, insbe- sondere Sachsen, aus den UMTS-Erlösen be- reitgestellten Infrastrukturmittel MdlAnfr 9 Wolfgang Dehnel CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 16837 B ZusFr Wolfgang Dehnel CDU/CSU . . . . . . . 16837 C Rückverlegung der Regionalpolitik von der EU-Ebene in die nationalen Zuständigkeiten MdlAnfr 10 Klaus Hofbauer CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 16837 D ZusFr Klaus Hofbauer CDU/CSU . . . . . . . . . 16838 A Verunreinigung von Saatgut mit gentechnisch veränderten Organismen; gesetzliche Rege- lungen zur Festlegung eines Schwellenwertes MdlAnfr 12 Helmut Heiderich CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL 16838 D ZusFr Helmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . 16839 B Verunreinigung von Saatgut mit gentechnisch veränderten Organismen; Verfahren der Probe- nahme und der Analyse MdlAnfr 13 Helmut Heiderich CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL 16839 D ZusFr Helmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . 16840 A Zurückziehung des Antrags auf einstweilige Verfügung gegen die WDR-Sendung „Es be- gann mit einer Lüge“ vom Februar 2001 durch den Bundesminister der Verteidigung MdlAnfr 20 Wolfgang Gehrcke PDS Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 16840 C ZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . 16840 D Zurückziehung des Antrags auf einstweilige Verfügung gegen die WDR-Sendung „Es be- gann mit einer Lüge“ vom Februar 2001 durch den Bundesminister der Verteidigung; eigene Recherchen der Bundesregierung MdlAnfr 21 Wolfgang Gehrcke PDS Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 16841 A ZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . 16841 B ZusFr Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 16841 D Zahl der zum Studium zugelassenen Offizier- anwärter MdlAnfr 22 Werner Siemann CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 16842 A ZusFr Werner Siemann CDU/CSU . . . . . . . . 16842 C Einführung der Software-Programme SAP/ SASPF in die Bundeswehr sowie Übernahme von Teilprojekten des IT-Direktors bzw. des IT-Amtes durch die Gesellschaft für Entwick- lung, Beschaffung und Betrieb MdlAnfr 23 Werner Siemann CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 16843 B ZusFr Werner Siemann CDU/CSU . . . . . . . . 16843 D Thematisierung zum Beispiel der rechtlichen Trinationalisierung des Euro-Airports Basel- Mulhouse-Freiburg sowie der Verknüpfung des TGV Rhin-Rhône und des TGV Européen Est mit dem deutschen Schienennetz MdlAnfr 26 PeterWeiß (Emmendingen) CDU/CSU Antw PStSekr Stephan Hilsberg BMVBW 16844 B ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 16844 C Weiterführung der von der WEU in Albanien durchgeführten Polizeiausbildungs- und Bera- tungsmission MAPE/MAPEXT MdlAnfr 34, 35 Dieter Schloten SPD Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . 16845 B, C ZusFr Dieter Schloten SPD . . . . . . . . . . . . . . 16845 D Unterstützung von Russlanddeutschen MdlAnfr 49 Joachim Günther (Plauen) F.D.P. Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 16846 B ZusFr Joachim Günther (Plauen) F.D.P. . . . . 16846 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Mai 2001 III Unterstützung von Russlanddeutschen, insbe- sondere Förderung des Deutschunterrichts und Pflege der deutschen Kultur MdlAnfr 50 Joachim Günther (Plauen) F.D.P. Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 16846 D ZusFr Joachim Günther (Plauen) F.D.P. . . . . . 16847 A Tagesordnungspunkt 3: Vereinbarte Debatte: Entschädigung für NS-Zwangsarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . 16847 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS: Feststellung ausrei- chenderRechtssicherheit für deutsche Un- ternehmen nach § 17 Abs. 2 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinne- rung, Verantwortung und Zukunft“ (Drucksache 14/6158) . . . . . . . . . . . . . . . 16847 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Bericht des Innenauschusses zu dem Antrag der Fraktion der PDS: Sofortige Auszah- lung an die Opfer der NS-Zwangsarbeit (Drucksachen 14/5788, 14/6165) . . . . . . . 16847 C Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 16847 D Dr. Otto Graf Lambsdorff, Beauftragter des Bundeskanzlers für die Stiftungsinitiative Deutscher Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 16848 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16850 D Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16852 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16853 D Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16855 C Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16856 C Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16857 B Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zum drastischen Anstieg der Inflationsrate auf 3,5 Prozent . . . . . 16859 A Friedhelm Ost CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 16859 A Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16860 A Rainer Brüderle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16860 D Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16861 D Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16862 D Max Straubinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16863 D Nina Hauer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16865 A Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16866 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16867 B Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . . . . . . 16868 C Bernd Scheelen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16869 C Klaus-Peter Willsch CDU/CSU . . . . . . . . . . . 16870 D Wolfgang Weiermann SPD . . . . . . . . . . . . . . . 16872 A Thomas Sauer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16873 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16874 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 16875 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Volker Kauder, Rupert Scholz, Georg Brunnhuber, Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land), Meinrad Belle, Hans-Joachim Fuchtel, Klaus Riegert, Norbert Barthle, Franz Romer, Erika Reinhardt, Dr. Jürgen Gehb, Michael von Schmude, Dr. Andreas Schockenhoff (alle CDU/CSU) zu dem Antrag: Feststellung aus- reichender Rechtssicherheit für deutsche Un- ternehmen nach § 17 Abs. 2 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verant- wortung und Zukunft“ (Drucksache 14/6158) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16875 C Anlage 3 Unterschiedliche Förderung des Einbaus neuer Heizungs- oder Solaranlagen in Wohnhäuser und von Kesseln zur Holzpelletverfeuerung MdlAnfr 1 Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) Antw PStSekr’in Simone Probst BMU . . . . . . 16876 C Anlage 4 Änderung des Streikparagraphen 146 SGB III im Rahmen der Reform der Arbeit MdlAnfr 2, 3 Karl-Josef Laumann (CDU/CSU) Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . . 16877 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Mai 2001IV Anlage 5 Aussage des Bundeskanzlers zur Erhebung von Studiengebühren MdlAnfr 6, 7 Maritta Böttcher PDS Antw PStSekr Wolf-Michael Catenhusen BMBF 16877 B Anlage 6 Auswirkungen des Gutachtens „Infrastruktur- ausstattung und Nachholbdarf in Ostdeutsch- land“ unter anderem im Krankenhaus- und Pflegesektor auf einen Solidarpakt II MdlAnfr 11 Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU) Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 16877 C Anlage 7 Menge des in den einzelnen Bundesländern noch gelagerten Tiermehls; Vernichtungszeit- punkt MdlAnfr 14, 15 Gudrun Kopp (F.D.P.) Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL 16878 A Anlage 8 Kosten für die Verlagerung der Schule für Feldjäger von Sonthofen nach Hannover MdlAnfr 16 Dr. Gerd Müller (CDU/CSU) Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 16878 B Anlage 9 Gesprächsthemen des Bundesministers der Verteidigung bei seinem Besuch in Südamerika MdlAnfr 17 Günther Friedrich Nolting (F.D.P.) Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 16878 C Anlage 10 Verlagerung und Neuaufteilung des Sanitäts- amtes der Bundeswehr in Bonn MdlAnfr 18, 19 Norbert Hauser (Bonn) (CDU/CSU) Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 16878 D Anlage 11 Subventionen zur Verbesserung des Schienen- netzes für die Deutsche Bahn AG 1999 und 2000 MdlAnfr 24, 25 Albrecht Feibel (CDU/CSU) Antw PStSekr Stephan Hilsberg BMVBW . . . 16879 B Anlage 12 Berücksichtigung der Kontrastoptimierung für Sehbehinderte in den neu gebauten bzw. res- taurierten Gebäuden der obersten Bundesbe- hörden und Bundesoberbehörden MdlAnfr 27 Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.) Antw PStSekr Stephan Hilsberg BMVBW . . . 16879 C Anlage 13 Veröffentlichung von Anzeigen zur Werbung für das Zwangspfand vor einer politischen Ent- scheidung MdlAnfr 28, 29 Rainer Brüderle (F.D.P.) Antw PStSekr’in Simone Probst BMU . . . . . . 16879 D Anlage 14 Gesundheitsgefährdung von Neugeborenen, Kleinkindern und Herzschrittmacherträgern durch Mobilfunk-/Sendeanlagen auf Kranken- häusern, insbesondere in der Nähe von Neuge- borenen MdlAnfr 30 Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU) Antw PStSekr’in Simone Probst BMU . . . . . . 16880 B Anlage 15 Finanzielle Förderung von Projekten im Rahmen des § 96 Bundesvertriebenengesetz seit 1998 MdlAnfr 32, 33 Hartmut Koschyk (CDU/CSU) AntwStMin Dr. Julian Nida-Rümelin BK . . . . 16880 C Anlage 16 Erlass einer neuen Kommunalbesoldungsver- ordnung MdlAnfr 46 Martin Hohmann (CDU/CSU) Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 16881 B Anlage 17 Erhalt der flächendeckenden THW-Präsenz MdlAnfr 47, 48 Renate Blank (CDU/CSU) Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 16881 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Mai 2001 V Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Mai 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Mai 2001 Thomas Sauer 16874 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Mai 2001 16875 (C) (D) (A) (B) Behrendt, Wolfgang SPD 30.05.2001* Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 30.05.2001** Bläss, Petra PDS 30.05.2001 Dr. Blank, CDU/CSU 30.05.2001** Joseph-Theodor Bodewig, Kurt SPD 30.05.2001 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 30.05.2001 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 30.05.2001 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 30.05.2001 Friedrich (Altenburg), SPD 30.05.2001 Peter Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 30.05.2001** Hermann, Winfried BÜNDNIS 90/ 30.05.2001 DIE GRÜNEN Heubaum, Monika SPD 30.05.2001** Ibrügger, Lothar SPD 30.05.2001** Kahrs, Johannes SPD 30.05.2001 Kasparick, Ulrich SPD 30.05.2001 Klappert, Marianne SPD 30.05.2001 Kramme, Anette SPD 30.05.2001 Kutzmutz, Rolf PDS 30.05.2001 Dr. Lamers, (Heidelberg) CDU/CSU 30.05.2001** Karl A. Lehn, Waltraud SPD 30.05.2001 Lintner, Eduard CDU/CSU 30.05.2001* Meckel, Markus SPD 30.05.2001** Opel, Manfred SPD 30.05.2001** Ostertag, Adolf SPD 30.05.2001 Dr. Paziorek, Peter CDU/CSU 30.05.2001 Raidel, Hans CDU/CSU 30.05.2001 Rühe, Volker CDU/CSU 30.05.2001 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 30.05.2001 Hans Peter Schöler, Walter SPD 30.05.2001 Welt, Jochen SPD 30.05.2001 Wiesehügel, Klaus SPD 30.05.2001 Wohlleben, Verena SPD 30.05.2001** Zapf, Uta SPD 30.05.2001** Zöller, Wolfgang CDU/CSU 30.05.2001 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlametarischen Versamm- lung der NATO Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO derAbgeordneten VolkerKauder, Rupert Scholz, Georg Brunnhuber, Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land), Meinrad Belle, Hans-Joachim Fuchtel, Klaus Riegert, Norbert Barthle, Franz Romer, Erika Reinhardt, Dr. Jürgen Gehb, Michael von Schmude, Dr. Andreas Schockenhoff (alle CDU/ CSU) zu dem Antrag: Feststellung ausreichender Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen nach § 17 Absatz 2 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zu- kunft“ (Drucksache 14/6158) Dem heutigen Beschluss des Deutschen Bundestages gemäß § 17 Abs. 2 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, mit dem für die deutsche Wirtschaft ein Zustand „ausrei- chender Rechtssicherheit“ gegenüber möglichen An- sprüchen ehemaliger Zwangsarbeiter aus der Zeit des Nationalsozialismus festgestellt werden soll, stimmen wir nicht zu. Wir begrüßen ausdrücklich, dass eine Regelung zur finanziellen Entschädigung derjenigen geschaffen wer- den soll, die während der nationalsozialistischen Herr- schaft als Zwangsarbeiter Opfer einer erniedrigenden Behandlung geworden sind. Wir begrüßen es ebenfalls ausdrücklich, dass die Regelung einer solchen Entschä- digungsleistung mit dem Ziel verbunden werden soll, für die deutsche Wirtschaft abschließende Rechtssicherheit gegenüber Klagen ehemaliger Zwangsarbeiter zu errei- chen. Wir sind der Auffassung, dass die deutschen Un- ternehmen vor solchen Forderungen, die ihren Ursprung in der Zeit der NS-Herrschaft haben, wirksam geschützt werden müssen. Den eingeschlagenen Weg, diese beiden Ziele zu erreichen, halten wir für falsch. Zwar ist in der Zielset- zung zum Gesetz über die Stiftung „Erinnerung, Verant- wortung und Zukunft“ ausgeführt, dass ein wesentlicher Hintergrund des Stiftungsgedankens die Herstellung des entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Rechtsfriedens für die deutsche Wirtschaft ist. Wörtlich heißt es: „Des Weiteren ist der Abschluss der anhängigen und der Schutz vor zukünftigen (Sammel-)Klagen in den USA Voraussetzung der Beiträge der deutschen Unter- nehmen zur gemeinsamen Stiftung.“ Auch hat Dr. Otto Graf Lambsdorff in seiner Rede vor dem Deutschen Bun- destag am 6. Juli 2000 ausgeführt: „Erst in dem Moment, in dem der Deutsche Bundestag festgestellt hat, dass mit der Abweisung der in den USA anhängigen Klagen der Rechtsfrieden hergestellt ist, wird die Stiftung be- rechtigt und verpflichtet, ihre Auszahlungen zu begin- nen.“ Die Konstruktion, mit der durch einen Beschluss des Deutschen Bundestages eine rechtsverbindliche Aussage über zukünftige Handlungen der Judikative ausländischer Staaten gemacht wird, halten wir sachlich nicht für trag- fähig. Nach dem Grundgesetz hat der Deutsche Bundes- tag nicht die rechtliche Möglichkeit, einen Menschen da- von abzuhalten, vor einem deutschen Gericht Klage zu erheben. Die deutsche Justiz ist unabhängig und nur sie selbst würde auf der Grundlage unserer Rechtsordnung über die Erfolgsaussichten einer solchen Klage entschei- den. Wenn der Deutsche Bundestag schon für den Bereich der deutschen Judikative eine Rechtssicherheit nicht ga- rantieren kann, wie viel eher gilt dies dann erst für das Ausland. Ob ein ehemaliger Zwangsarbeiter vor einem auslän- dischen Gericht – beispielsweise in den USA, aber auch in anderen Ländern – eine Klage gegen ein deutsches Un- ternehmen erheben wird oder nicht und wie ein solches Gericht über Erfolg oder Misserfolg einer solchen Klage entscheiden würde, darauf hat der Deutsche Bundestag absolut keinen Einfluss. Ob ausländische Gerichte recht- lich oder faktisch von ihren Regierungen unter Druck ge- setzt werden könnten, um solche Klagen fallen zu lassen, und ob sie dies auch tun würden, können wir bestenfalls mutmaßen. Rechtsfrieden für die deutsche Wirtschaft bedeutet, dass niemand aus den bekannten Gründen gegen ein deut- sches Unternehmen Klage erheben wird. Ob dies jedoch zukünftig geschehen wird oder nicht, ist völlig offen. Si- cher ist dagegen, dass rechtlich oder faktisch niemand da- durch von einer solchen Klage abgehalten werden kann, dass der Deutsche Bundestag mit Mehrheit einen politi- schen Beschluss über eine „angemessene Rechtssicher- heit“ fasst. Was der Deutsche Bundestag in diesem Zu- sammenhang beschließen kann, ist lediglich eine politi- sche Aussage über die vage Hoffnung, dass nun niemand mehr klagen werde. Diesem Beschluss können wir uns aber auch deshalb nicht anschließen, weil schon jetzt absehbar ist, dass die deutsche Wirtschaft wahrscheinlich schon bald mit neuen Forderungen dieser Art konfrontiert sein wird. Diese For- derungen sind von Opfergruppen zu erwarten, die im Rah- men der Errichtung der Stiftung benachteiligt worden sind oder sich in diesem Zusammenhang zumindest benach- teiligt fühlen. Unübersehbarer Ausdruck dieses unklaren Zustandes ist insbesondere die Verfassungsbeschwerde von Vertre- tern der Roma und Sinti gegen das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ vor dem Bundesverfassungsgericht. In einem offenen Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages vom 13. Mai 2001 hat der „Roma National Congress“ darüber hinaus bereits angekündigt, im US-Bundesstaat New York Schritte einzuleiten, um Forderungen gegebe- nenfalls gerichtlich durchzusetzen. Die offensichtliche Unausgewogenheit der vorgesehe- nen Verteilung der Stiftungsgelder auf die einzelnen Op- fergruppen ist somit ein entscheidender Grund dafür, dass für die deutsche Wirtschaft auf nicht absehbare Zeit eine erhebliche Rechtsunsicherheit bestehen bleiben wird. Anlage 3 Antwort der Parl. Staatssekretärin Simone Probst auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) (Drucksache 14/6138, Frage 1): Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung richtig, dass der Einbau einer neuen Heizungs- oder Solaranlage in Wohnhäusern vom Staat im Verhältnis der Einbaukosten zur Förderungs- summe stärker als der Einbau eines Kessels gefördert wird, in dem Holzpellets verfeuert werden (bitte Übersicht über die ein- zelnen Förderungsmöglichkeiten und -summen), und wie erklärt sie sich diese unterschiedliche Förderung, wenn man berück- sichtigt, dass Holzpellets eines der umweltfreundlichsten Heiz- materialien sind und gerade in Süddeutschland durch den Sturm „Lothar“ große Mengen Holz angefallen sind, die zur Verarbei- tung als Pellets und damit zur Verbrennung genutzt werden könnten? Im September 1999 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie das neue Marktanreizpro- gramm zugunsten erneuerbarer Energien gestartet und die Förderung des Einsatzes regenerativer Energiequel- len zur Wärmeerzeugung erheblich verbessert. Schwer- punkte des Programms sind die Förderung von Solar- kollektoranlagen zur Brauchwassererwärmung und zur Heizungsunterstützung und die Förderung von Holzzen- tralheizungen. Gefördert wird auch der Ersatz eines min- destens zehn Jahre alten öl- oder erdgasbefeuerten Heiz- kessels durch einen modernen Niedertemperatur- oder Brennwertkessel, wenn gleichzeitig eine Solarkollek- toranlage installiert wird. Bei Holzpellet-Heizkesseln sind Förderquote und damit Förderhöhe um ein Viel- faches höher als bei konventionellen Heizkesseln. Bei Solarkollektoren beträgt der Zuschuss 250 DM pro qm installierter Kollektorfläche bei Flachkollektoren und 325 DM pro qm installierter Kollektorfläche bei Vaku- umröhrenkollektoren. Bei Kombination eines Solarkol- lektors mit der Modernisierung einer konventionellen Heizungsanlage wird für den Einbau eines neuen Nie- dertemperatur- oder Brennwertkessels zusätzlich ein Zuschuss von 500 DM gewährt. Der Zuschuss beim Einbau eines Holzpellet-Heizkessels beträgt dagegen 120 DM pro kW installierter Nennwärmeleistung, min- destens jedoch 4 000 DM. Diese Förderung kann eben- falls mit der Förderung eines Solarkollektors kombiniert werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Mai 200116876 (C) (D) (A) (B) Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Fragen des Abgeordneten Karl-Josef Laumann (CDU/CSU) (Drucksache 14/6138, Fragen 2 und 3): Hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministe-rium für Arbeit und Sozialordnung, Gerd Andres, auf der IG-Metall-Veranstaltung am 8. September 1999 in Berlin angekün-digt, die Änderung des alten „Streikparagraphen“ 116 Arbeitsför-derungsgesetz (AFG) – jetzt § 146 Drittes Buch des Sozialgesetz-buches – wieder rückgängig zu machen? Will die Bundesregierung den § 146 Abs. 3 im Rahmen der an-stehenden Reform des AFG novellieren, und wenn ja, in welcherForm? Mit den Äußerungen am 8. September 1999 wurde die Absicht der Bundesregierung bekräftigt, alles Notwen- dige zu tun, um die Chancengleichheit der Tarifvertrags- parteien zu sichern. Dazu zählt – allerdings nur als ein Teilaspekt – auch das Problem der Neutralität der Bundes- anstalt für Arbeit bei Arbeitskämpfen. Die Ankündigung, § 146 SGB III auf den Prüfstand zu stellen, bezog sich auf eine grundsätzliche Reform des Leistungsrechts der Ar- beitslosenversicherung. Bevor dieses Vorhaben in Angriff genommen werden kann, ist es jedoch dringlicher, die Massenarbeitslosigkeit nachhaltig zu bekämpfen. Des- halb ist es das vorrangige Ziel in dieser Wahlperiode, das System der arbeitsmarktpolitischen Instrumente neu aus- zurichten, um den Arbeitslosen in Deutschland eine neue Perspektive zu eröffnen. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wolf-Michael Catenhusen auf die Fragen der Abgeordneten Maritta Böttcher (PDS) (Drucksache 14/6138, Fragen 6 und 7): Trifft es zu, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder Studienge-bühren für ein wichtiges Instrument hält, um Deutschland in derBildung wieder an die Spitze zu bringen, wie die Zeitschrift „Wirt-schaftswoche“ unter Berufung auf einen Kanzlerberater in derAusgabe Nr. 21 vom 17. Mai 2001 auf S. 48 berichtet? Befürwortet Bundeskanzler Gerhard Schröder einen Aus-schluss der Erhebung von Studiengebühren durch eine Weiterent-wicklung des Hochschulrahmengesetzes? Zu Frage 6: Nein, die Bundesregierung begrüßt die in dem Be- schluss der Kultusministerkonferenz vom 25. Mai 2000 über die Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums enthal- tene Vereinbarung, das Studium bis zum ersten berufs- qualifizierenden Abschluss und bei konsekutiven Studi- engängen bis zum zweiten berufsqualifizierenden Abschluss grundsätzlich gebührenfrei zu halten. Die in dem Beschluss auch vorgesehene Möglichkeit für die Länder, nach deutlicher Überschreitung der Regelstudi- enzeit oder der in den Prüfungsordnungen vorgesehenen Semesterwochenstunden Studiengebühren zu erheben, soll dazu dienen, einen verantwortungsvollen Umgang der Studierenden mit dem grundsätzlich gebührenfreien Studienangebot zu fördern. Wer – ohne dass seine Le- bensverhältnisse oder die jeweiligen Studienbedingungen dies erfordern – deutlich länger studieren will, als zur Erreichung des Studienabschlusses erforderlich ist, wird hieran in keiner Weise gehindert, muss sich jedoch an den dadurch entstehenden Kosten beteiligen, wie dies auch ansonsten bei der Inanspruchnahme öffentlicher oder pri- vatwirtschaftlicher Dienstleistungen üblich ist. Zu Frage 7: Da die Bundesregierung weiterhin eine verlässliche bundeseinheitliche Regelung für ein gebührenfreies Erst- studium anstrebt, ist beabsichtigt, noch in dieser Legisla- turperiode mit den Koalitionsfraktionen und den Ländern Gespräche über Möglichkeiten einer Änderung des Hoch- schulrahmengesetzes zu führen. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU) (Drucksache 14/6138, Frage 11): Welche Erkenntnisse enthält das vom Bundesministerium derFinanzen in Auftrag gegebene Gutachten „Infrastrukturausstattungund Nachholbedarf in Ostdeutschland“ des Deutschen Instituts fürWirtschaftsforschung über die Angleichung der Lebensverhält-nisse in Ost- und Westdeutschland, unter anderem im Kranken-haussektor und Pflegeheimsektor, und welche Schlüsse zieht dieBundesregierung aus diesem Gutachten für einen Solidarpakt II? Lassen Sie mich einleitend darauf hinweisen, dass das von Ihnen angesprochene Gutachten mit dem Titel „Infra- strukturausstattung und Nachholbedarf in Ostdeutschland“ nicht im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen, sondern im Auftrag des Sächsischen Finanzministeriums er- stellt wurde. Neben dem Deutschen Institut für Wirtschafts- forschung, das dieses Gutachten angefertigt hat, wurden seinerzeit vier weitere Wirtschaftsforschungsinstitute von den Regierungschefs der ostdeutschen Länder beauftragt, den Rückstand der ostdeutschen Infrastruktur zu ermitteln. Aber auch wenn das Bundesministerium der Finanzen nicht Auftraggeber des genannten Gutachtens ist, gehe ich gerne auf Ihre Frage ein. Das Gutachten verdeutlicht, dass der Aufholprozess der neuen Länder bezüglich ihrer Infrastruk- turausstattung je nach Aufgabenbereich sehr unterschied- lich vorangekommen ist, wobei die verschiedenartigen Aus- gangsbedingungen in Rechnung zu stellen sind. Im Bereich der Krankenanstalten ist zu konstatieren, dass – ähnlich wie dies auch für die Bereiche der Kultur, der politischen Führung und der zentralen Verwaltung zutrifft – der ost- deutsche Kapitalbestand den Bestand der alten Bundeslän- der im Durchschnitt übertrifft. Hier macht sich nach Ansicht der Gutachter bemerkbar, dass der Akzent der staatlichen Versorgung mit Infrastruktureinrichtungen in der ehemali- gen DDR stärker auf „konsumtiver Verwendung“ gelegen hat. Zum anderen, so die Gutachter weiter, würden soziale und kulturelle Einrichtungen in Westdeutschland in größe- rem Maße in privater Regie geführt, auch wenn sie finanzi- ell zu einem gewichtigen Teil vom Staat getragen werden. Andererseits bestehen nach Ansicht der Autoren des Gut- achtens aber in anderen Bereichen, wie zum Beispiel Ver- kehr, Hochschulen und Schulen noch erhebliche Lücken, wenngleich sich auch hier die Diskrepanzen spürbar verrin- gert hätten. Die Bundesregierung hat aufgrund der Ergeb- nisse dieses, aber auch der weiteren vier Gutachten, die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Mai 2001 16877 (C) (D) (A) (B) Frage des infrastrukturellen Nachholbedarfs in diesen kon- kreten Bereichen in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen für eine Anschlussregelung des Solidarpakts gestellt. Das Bun- desministerium der Finanzen hat in diesem Zusammenhang zudem das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung gebe- ten, einige weiterführende Fragen zu dem oben genannten Gutachten in einer ergänzenden Expertise zu beantworten. Die Ergebnisse dieser Gutachten werden vom Bund und den Ländern in den Verhandlungen zur Fortsetzung des Solidar- pakts berücksichtigt werden. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerald Thalheim auf die Fragen der Abgeordneten Gudrun Kopp (F.D.P.) (Druck- sache 14/6138, Fragen 14 und 15): Liegen der Bundesregierung konkrete Erkenntnisse vor, wieviel Tiermehl – aufgeschlüsselt nach den einzelnen Bundeslän-dern – noch gelagert wird? Bis wann sollen die Tiermehlrestbestände vernichtet werden? Zu Frage 14: Der Bundesregierung liegen keine aktuellen Erkennt- nisse darüber vor, wie viel Tiermehl – aufgeschlüsselt nach den einzelnen Bundesländern – derzeit noch gelagert wird. Nach einer Länderumfrage vom März des Jahres liegen lediglich Angaben über die Kosten der Entsorgung einschließlich des Wertausgleichs der Tiermehl- und Alt- futtermittelbestände in der Landwirtschaft, im Futtermittel- handel, in der Mischfutterindustrie und in den Tierkörper- beseitigungsanstalten vor, die rund 138 Millionen DM betragen. Zu Frage 15: Für die Vernichtung der Tiermehlrestbestände sind keine Fristen gesetzt. Nach Kenntnis der Bundesregierung wird dies in den Ländern unterschiedlich gehandhabt. So ist zum Beispiel die Entsorgung der Restbestände an Fut- termitteln, die Tiermehle und/oder Tierfett enthielten und in landwirtschaftlichen Betrieben lagerten, in Schleswig- Holstein abgeschlossen, in Hessen wird sie voraussichtlich Ende Mai dieses Jahres abgeschlossen sein, in Branden- burg und Rheinland-Pfalz wird sie in Kürze beginnen. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Frage des Abgeordneten Dr. Gerd Müller (CDU/CSU) (Druck- sache 14/6138, Frage 16): Welche Kosten sind durch die geplante Verlagerung der Schulefür Feldjäger von Sonthofen nach Hannover am Standort in Han-nover notwendig? Die Liegenschaft in Hannover ist als Offiziersschule des Heeres bis 1975 gebaut worden und wird heute nach der Verlegung der Schule nach Dresden nicht mehr voll genutzt. Als sinnvolle Nachnutzung bietet sie sich für die Schule der Feldjäger an, da die Liegenschaft in Sonthofen hohe Sanierungskosten erforderte. Im Hinblick auf den hohen Investitionsbedarf in Sonthofen ist somit die Wirt- schaftlichkeit der Verlegung trotz der dabei entstehenden Kosten evident. Die genauen Kosten für die Anpassung der in Hannover zur Verfügung stehenden Schulinfra- struktur werden zurzeit ermittelt. Anlage 9 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Frage des Abgeordneten Günther Friedrich Nolting (F.D.P.) (Drucksache 14/6138, Frage 17): Welche konkreten, keinen zeitlichen Aufschub duldenden, fürdie deutsche oder internationale Sicherheitspolitik entscheiden-den Fragen und Gesprächsinhalte hat der Bundesminister der Ver-teidigung, Rudolf Scharping, während seines Besuchs in Süd-amerika behandelt und welches sind die Ergebnisse? Der Besuch des Bundesministers der Verteidigung in Südamerika im Zeitraum 19. bis 25. Mai 2001 erfolgte auf Einladung der Verteidigungsminister aus Chile, Argenti- nien und Brasilien und wurde – wie für derartige Reisen üb- lich – langfristig für diesen Zeitraum vereinbart. Die Reise diente der Vertiefung der bilateralen Beziehungen zu den drei Ländern und dem sicherheitspolitischen Dialog im Rahmen eines umfassenden Sicherheitsbegriffs. Weitere Themenschwerpunkte waren die Entwicklung kooperati- ver Sicherheitsstrukturen in der Region, vertrauens- und si- cherheitsbildende Maßnahmen sowie die Kooperation auf dem Gebiet der „Internationalen Friedenssicherung“ im Rahmen der Vereinten Nationen. Mit allen drei Staaten wurde die Fortsetzung und Vertiefung einer engen und freundschaftlichen Kooperation auf den genannten Gebie- ten vereinbart. Die Länder Lateinamerikas sehen in Deutschland ein Modell für die Integration in kooperative Sicherheitsstrukturen, die Geltung des Primats der Politik in den Streitkräften sowie die Öffnung der Streitkräfte nach außen, und haben ein großes Interesse an einem breit ange- legten sicherheits- und militärpolitischen Dialog. In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Besuch in Brasilien einzuordnen, der damit mittelbar die Reform der Führungs- struktur der brasilianischen Streitkräfte durch den Aufbau eines zivil geführten Verteidigungsministerium und Reor- ganisation der militärischen Führung unterstützt. Anlage 10 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Norbert Hauser (Bonn) (CDU/CSU) (Drucksache 14/6138, Fragen 18 und 19): Wie wird sich die Neustrukturierung des Sanitätsdienstes derBundeswehr mit dem Ziel, das bestehende Sanitätsamt der Bun-deswehr mit Sitz in Bonn in ein „Sanitätsamt Neu“ mit Sitz inMünchen und ein „Sanitätsführungskommando“ mit Sitz in Ko-blenz aufzuteilen, auf die in Bonn bisher vorhandenen Planstellenund Dienstposten im Zeitraum bis 2006 auswirken? Inwieweit entspricht die Verlagerung des bestehenden Sani-tätsamtes der Bundeswehr und seine Aufteilung in zwei neue Äm-ter dem Sinn und Zweck des Berlin/Bonn-Gesetzes, das den Poli-tikbereich der Verteidigung in Bonn ansiedelt und den Erhalt bzw.Ausbau des Standortes als Ausgleich für den Umzug von Bundes-tag und Teilen der Bundesregierung vorsieht? Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Mai 200116878 (C) (D) (A) (B) Zu Frage 18: Die bisher vorhandenen Planstellen und Dienstposten des Sanitätsamtes der Bundeswehr werden für die Auf- stellung des neuen Sanitätsamtes und des Sanitätsfüh- rungskommandos herangezogen. Aufgrund der Zusam- menfassung der Kräfte und Mittel des Sanitätsdienstes wird die Führungsstruktur des künftigen Zentralen Sani- tätsdienstes mit Aufstellung des SanFüKdo (Zielstationie- rung Koblenz) sowie des neuen Sanitätsamtes (Zielstatio- nierung München) analog dem „2-Säulen-Modell“ der anderen TSK/OrgBereiche angepasst. Beide Dienststellen sind im Entwurf des Ressortkonzepts zur Feinausplanung und Stationierung vom 29. Januar 2001 und dem Ressort- konzept Stationierung vom 16. Februar 2001 mit den vor- gesehenen Standorten aufgeführt. Sowohl für die Verla- gerung des Sanitätsamtes nach München als auch für die Verlagerung des Sanitätsführungskommandos, das seit Anfang April in Bonn aufgestellt wird, nach Koblenz, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch kein konkreter Zeitplan dargestellt werden, da für beide Standorte die Er- gebnisse einer Untersuchung für eine optimierte Nutzung der verbleibenden Liegenschaften durch die Truppenteile und Dienststellen aller Organisationsbereiche abgewartet werden müssen. Zu Frage 19: Das Bonn/Berlin-Gesetz sieht zwar den Erhalt und die Förderung politischer Funktionen in der Bundesstadt Bonn auch im Politikbereich Verteidigung vor. Das Sa- nitätsamt der Bundeswehr ist jedoch als Höhere Kom- mandobehörde des Sanitätsdienstes nicht Bestandteil der Festlegungen im Bonn/Berlin-Gesetz. Grundlage der Sta- tionierungsentscheidung war neben der Untersuchung der einzelnen Standorte nach festgelegten Kriterien auch eine regionale Betrachtung unter Einbindung benachbarter Standorte. Der Auflösung des bisherigen Santitätsamtes der Bundeswehr steht die Stärkung der Region unter an- derem durch Aufstellung des Streitkräfteunterstützungs- kommandos in Köln oder aber des Kommandos Strategi- sche Aufklärung in Rheinbach gegenüber. Seitens der Bundesregierung wird daher kein Widerspruch zu den Zielsetzungen des Bonn/Berlin-Gesetzes gesehen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Stephan Hilsberg auf die Fragen des Abgeordneten Albrecht Feibel (CDU/CSU) (Drucksache 14/6138, Fragen 24 und 25): Wie viele Millionen DM an Subventionen sind in den Jahren 1999 und 2000 für die Verbesserung des Schienennetzes vom Bund für die Deutsche Bahn AG (DB AG) bereitgestellt worden, unterteilt nach Neubaustrecken einerseits und Streckenertüchti- gungen und Reparaturen andererseits? Wie viele Millionen DM dieser Bundesmittel wurden in den Jahren 1999 und 2000 bei der DB AG tatsächlich investiert? Zu Frage 24: Nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz finanziert der Bund Investitionen in die Schienenwege der Eisenbah- nen des Bundes in Form von zinslosen Darlehen und Bau- kostenzuschüssen. Dies betrifft sowohl Ersatzinvestitionen an bestehenden Strecken als auch Neu- und Ausbaumaß- nahmen. Der Deutschen Bahn AG, der das Eigentum an der Schieneninfrastruktur im Zuge der Bahnreform 1994 über- tragen worden ist, obliegt die Instandhaltung und betriebs- bereite Vorhaltung der Schieneninfrastruktur. In den Jahren 1999 und 2000 hat der Bund Finanzierungsmittel für Er- satzinvestitionen an bestehenden Strecken und Neu- und Ausbaumaßnahmen in Höhe von rund 13,8 Milliarden DM bereitgestellt. Davon entfallen auf das Jahr 1999 rund 7 Milliarden DM und auf das Jahr 2000 rund 6,8 Milliarden DM. Eine Zuschneidung der Bundesmittel auf die vorge- nannten Maßnahmen erfolgt bei der Veranschlagung im Bundeshaushalt nicht. Zu Frage 25: Die in den Jahren 1999 und 2000 bereitgestellten Bundesmittel für Investitionen in die Schienenwege sind von der Deutschen Bahn AG vollständig verausgabt worden. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Stephan Hilsberg auf die Frage des Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.) (Druck- sache 14/6138, Frage 27): Ist in den neu gebauten bzw. restaurierten Gebäuden der obers- ten Bundesbehörden und Bundesoberbehörden neben den „allge- meinen“ behindertengerechten Vorschriften auch die Kontrastop- timierung für Sehbehinderte berücksichtigt worden? Bei der Planung und Ausführung der betreffenden, in der Regel öffentlich nicht frei zugänglichen Gebäude sind im Rahmen der Aspekte des barrierefreien Bauens nach Ab- stimmung in jedem Einzelfall mit dem jeweiligen Nutzer auf Anforderung auch Maßnahmen zur Kontrastoptimie- rung für Sehbehinderte umgesetzt worden. Als Beispiel werden die Orientierungs-, Personen- und Raumleitsys- teme bei den Bauten des Bundestages am Spreebogen genannt, in denen die Bedürfnisse von Sehbehinderten bezüglich der Schriftgrößen und Farbkontraste erfüllt werden. Anlage 13 Antwort der Parl. Staatssekretärin Simone Probst auf die Fragen des Abgeordneten Rainer Brüderle (F.D.P.) (Drucksache 14/6138, Fragen 28 und 29): Ist es richtig, dass das Bundesministerium für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit mit der Schaltung von Anzeigen be- gonnen hat, in denen für das Zwangspfand geworben wird, und diese breit gestreut, wie zum Beispiel in der „Bild am Sonntag“ vom 13. Mai 2001, in überregionalen Zeitungen platziert? Wie hoch sind die Kosten, die durch diese Anzeigenkampagne verursacht werden, und inwieweit ist von der Bundesregierung ge- prüft worden, ob eine solche Entscheidung, steuerfinanzierte An- zeigen im Vorfeld einer politischen Entscheidung zu schalten, auch haushaltsrechtlich zulässig ist? Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Mai 2001 16879 (C) (D) (A) (B) Zu Frage 28: Fragen im Zusammenhang mit der verbesserten Aus- gestaltung der bereits in der Verpackungsverordnung von 1991 vorgesehenen Pfandpflicht für Einweg-Getränke- verpackungen werden in der Öffentlichkeit intensiv dis- kutiert. Insbesondere die Verwendung von Begriffen wie „Zwangspfand“ sorgt für Verwirrung der Öffentlichkeit, zumal sie heute von denjenigen benutzt werden, die sei- nerzeit diese Regelung durchgesetzt und noch 1998 im Bundesrat bestätigt haben. Der Aufklärungsbedarf schlägt sich unter anderem in zahlreichen Bürgeranfragen an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit (BMU) nieder. Das BMU hat deshalb sein Informationsangebot zu diesem Thema aktualisiert und erweitert. Für interessierte Bürgerinnen und Bürger wer- den unter anderem „Fragen und Antworten zum Dosen- pfand“ im Internet und als Faltblatt angeboten, darüber hi- naus stehen auch ergänzende Fachinformationen sowohl im Internet als auch in Broschürenform zur Verfügung. Mit einer begrenzten Zahl von Anzeigen, die sowohl in überregionalen als auch regionalen Zeitungen geschaltet werden, sowie mit Plakaten informiert das Bundesum- weltministerium über die „Argumente für das Dosen- pfand“ und bewirbt sein entsprechendes Informationsan- gebot. Zu Frage 29: Das Kabinett hat am 2. Mai 2001 die Novelle der Ver- packungsverordnung beschlossen. Die von Ihnen ange- sprochene Anzeige wurde am 13. Mai 2001 geschaltet. Unabhängig davon ist die Aufklärung der Bevölkerung in Umweltfragen, insbesondere auch zu aktuellen und in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierten Themen, wie zum Beispiel der Einführung eines Pfandes auf Einweg-Ge- tränkeverpackungen, eine Ressortaufgabe und steht im Einklang mit der Zweckbestimmung des entsprechenden Haushaltstitels. Trotz des gegebenen Aufklärungsbedarfs und der erheblichen publizistischen Mittel, welche die Gegner einer Pfandpflicht einsetzen, ist das BMU bemüht, die Kosten für die erforderlichen Informations- maßnahmen in sehr engen Grenzen zu halten. So werden die Kosten für die geschalteten Anzeigen etwa 350 000 DM betragen, die Kosten der gesamten Aufklärungsmaß- nahme etwa 600 000 DM. Umgerechnet entspricht das ei- nem Aufwand von weit weniger als einem Pfennig pro Kopf der Bevölkerung. Anlage 14 Antwort der Parl. Staatssekretärin Simone Probst auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU) (Drucksache 14/6138, Frage 30): Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Be-trieb von Mobilfunk-/Sendeanlagen auf Krankenhäusern, insbe-sondere in der Nähe von Neugeborenenstationen vor, und welcheneuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse sind der Bundesregie-rung zur Gefährdung zum Beispiel von Neugeborenen, Kleinkin-dern und Herzschrittmacherträgern bekannt? Krankenhäuser lassen oftmals die Nutzung von Mobil- telefonen (Handys) grundsätzlich oder in bestimmten Ab- teilungen nicht zu. In Diskussionen über die Gefahren der elektromagnetischen Felder des Mobilfunks werden Neu- geborene und Kleinkinder sowie Herzschrittmacherträger als besonders empfindlich hervorgehoben. Nach dem der- zeitigen international anerkannten Erkenntnisstand sind bei Einhaltung der geltenden Grenzwerte negative Aus- wirkungen auf die Gesundheit – auch von Neugeborenen und Kleinkindern – wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Im Einzelfall können Implantate durch die Felder von Handys, die in unmittelbarer Nähe zum Implantat bzw. zur Elektrode eines Schrittmachers getragen werden, zu Störbeeinflussungen führen. Eine Beeinflussung durch die Felder von Basisstationen tritt in der Regel nicht auf. Anlage 15 Antwort des Staatsministers Dr. Julian Nida-Rümelin auf die Fra- gen des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) (Drucksache 14/6138, Fragen 32 und 33): Welche Projekte in jeweils welcher Förderhöhe fördert die Bundesregierung im laufenden Jahr im Rahmen des § 96 Bundes- vertriebenengesetzes? Wie hoch belief sich die Förderung für Projekte im Rahmen des § 96 Bundesvertriebenengesetzes im Jahre 2000 insgesamt, und welchen Betrag wandte die Bundesregierung jeweils in den Vorjahren seit 1998 für derartige Projekte auf? Zu Frage 32: Die Bundesregierung fördert auch in diesem Jahr eine Vielzahl von derartigen Projekten. Es würde jedoch den Rahmen dieser Antwort sprengen, alle bereits bewilligten oder vorgesehenen Maßnahmen im Sinne der Fragestel- lung einzeln darzustellen. Sie möchte die Frage zum An- lass nehmen, größere Vorhaben kurz zu benennen. Mit Projektförderungen werden die Bau- und Einrich- tungsmaßnahmen beim Pommerschen Landesmuseum in Greifswald und am Schlesischen Museum in Görlitz fort- gesetzt. Im Zuge der grenzüberschreitenden Kulturmaß- nahmen sind zum Beispiel wie in den Vorjahren Bun- desmittel bereitgestellt worden, damit zum 800-jährigen Bestehen der Stadt Riga in Lettland am Dom die langjährigen Restaurierungsvorhaben mit der Innenhof- gestaltung des Domgartens zu einem vorläufigen Ab- schluss gebracht werden konnten. Die Grottenrestaurie- rung auf dem St. Annaberg im polnischen Oberschlesien wird ebenfalls weiter unterstützt. Die Vorarbeiten für die Restaurierung des Palmenhauses des zum UNESCO- Weltkulturerbe zählenden Schlosses Eisgrub (Lednice) in der Tschechischen Republik beginnen in diesen Tagen. Nicht unerhebliche Mittel sind auch für den Schlosspark in Janowitz vorgesehen. Stiftungsprofessuren sind zum Beispiel in Stuttgart und Leipzig im Rahmen von wissen- schaftlichen Maßnahmen bewilligt worden. Weiterhin wird eine Reihe von einzelnen Forschungsvorhaben un- terstützt. Mit dem Immanuel-Kant-Promotionsstipen- dium wird auch im Jahr 2001 die Förderung des wissen- schaftlichen Nachwuchses fortgesetzt. Ferner werden Ausstellungen, wie zum Beispiel „Ida Kerkovius (1879 bis 1970)“ in der Ostdeutschen Galerie in Regensburg, ge- fördert. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Mai 200116880 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Mai 2001 16881 (C) (D) (A) (B) Die Aufzählung lässt sich sicherlich noch fortsetzen. Da das Haushaltsjahr noch nicht abgeschlossen ist und sich eine Reihe von weiteren Vorhaben im Bewilligungs- verfahren befindet, möchte die Bundesregierung hiervon derzeit absehen. Falls erwünscht, wird dem Fragesteller Ende des Jahres eine Auflistung der Förderprojekte schriftlich zur Verfügung gestellt. Zu Frage 33: Der Bundeshaushalt (Kap. 0405 Titelgruppe 07) gibt Aufschluss über die Entwicklung der gesamten Förder- mittel für diesen Bereich in den letzten Jahren. Die Projektförderung stellt sich im Einzelnen wie folgt dar: Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Frage des Abgeordneten Martin Hohmann (CDU/CSU) (Drucksache 14/6138, Frage 46): Ist die Bundesregierung bereit, indem sie den ihr bereits zuge-leiteten Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Kommunal-besoldungsverordnung des Bundes auf der Bundesratsdrucksache761/00 vom 16. November 2000 umsetzt, ein Land wie Hessen indie Lage zu versetzen, seinen Kommunen eine angemessene Be-soldung der Bürgermeister und Landräte zu ermöglichen, undwenn ja, wann ist mit dem Erlass der neuen Kommunalbesol-dungsverordnung zu rechnen? Die Bundesregierung ist bereit, eine Änderung der Kommunalbesoldungsverordnung des Bundes gemäß Vorlage des Bundesrates – Bundesratsdrucksache 761/00 (Beschluss) vom 9. März 2001 – vorzunehmen. Das Vorhaben ist in den Entwurf eines Sechsten Geset- zes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften (Sechstes Be- soldungsänderungsgesetz – 6. BesÄndG) eingestellt worden, der sich derzeit in der Ressortabstim- mung befindet. Der Gesetzentwurf soll alsbald dem Bun- deskabinett zur Beschlussfassung zugeleitet werden. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Fra- gen der Abgeordneten Renate Blank (CDU/CSU) (Drucksache 14/6138, Fragen 47 und 48): Plant die Bundesregierung im „Jahr der Freiwilligen 2001“ eine weitere Kürzung der finanziellen Ausstattung beim Techni- schen Hilfswerk (THW), und durch welche konkreten Maßnah- men will die Bundesregierung sicherstellen, dass im Rahmen der politischen Neubewertung die flächendeckende THW-Präsenz er- halten bleibt und eine Auflösung mangels finanzieller Mittel ab- gewendet werden kann? Was ist aus Sicht der Bundesregierung zu unternehmen, um die Einsatz- und Leistungsfähigkeit des THW angesichts steigen- der Anforderungen und Einsätze im In- und Ausland sowie gerin- gerer finanzieller Mittel in Zukunft zu gewährleisten? Anders, als in den Fragen unterstellt, ist die finanzielle Ausstattung beim THW in den vergangenen Jahren nicht gekürzt worden. Es sind weder Kürzungen des aktuellen Haushalts noch der mittelfristigen Finanzplanung für das THW vorgesehen. Allerdings ist es wegen der notwendi- gen Haushaltskonsolidierung erforderlich, auch die Strukturen des THW zur Ermittlung von Einsparungen kritisch zu überprüfen, um die frei werdenden Mittel zur Finanzierung neuer Aufgaben und zum Erhalt der flächendeckenden THW-Präsenz zu erhalten. Zurzeit werden im THW alle Alternativen geprüft, wie der von der THW-Leitung erst unlängst ermittelte strukturelle Mehrbedarf des THW gedeckt werden kann. Die Einsatz- und Leistungsfähigkeit des THW bleibt in jedem Fall ge- währleistet. Um die flächendeckende Präsenz des THW auch personell sicherstellen zu können, soll die Nach- wuchswerbung, insbesondere in den neuen Länder, stär- ker gefördert und die Jugendarbeit intensiviert werden. Gleichzeitig soll damit auch ein Beitrag zur Stärkung des Ehrenamtes geleistet und orientierungslosen Jugendli- chen die Chance für einen sinnvollen Einsatz für das Ge- meinwohl gegeben werden. Titel Ist Haushaltsjahr 2000 Ist Haushaltsjahr 1999 Ist Haushaltsjahr 1998 684 71 4 378 TDM 6 376 TDM 10 666 TDM 686 71 459 TDM 884 TDM 1 887 TDM 687 72 2 890 TDM 1 928 TDM 4 370 TDM 893 72 4 876 TDM 6 515 TDM 5 414 TDM Projekte gesamt: 12 603 TDM 15 703 TDM 22 337 TDM Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417200000
Guten Tag, liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Siebenten Ge-
setzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche
Bundesbank.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel.

Herr Minister, bitte sehr.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417200100
Frau Prä-
sidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregie-
rung hat den soeben genannten Gesetzentwurf im Kabi-
nett beschlossen und in das parlamentarische Verfahren
eingebracht. Wir ziehen damit die Konsequenzen aus der
Einführung des Euro zum 1. Januar 1999 und dem Über-
gang der geldpolitischen Kompetenz auf die Europäische
Zentralbank.

Erstens. Mit dem Verlust der geldpolitischen Kompe-
tenz beim Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank hat
dieses Gremium seine zentrale Zuständigkeit verloren
und ist deswegen entbehrlich. An die Stelle des gestuften
Leitungsgremiums, Direktorium und Zentralbankrat, soll
daher ein einheitlicher Vorstand treten. Wir benötigen
dann nicht mehr 17 Führungspositionen für die Deutsche
Bundesbank, sondern es genügen sechs.

Innerhalb des Direktoriums hat nur noch ein Mitglied
Zuständigkeiten für die Geldpolitik, und zwar der Präsi-
dent der Deutschen Bundesbank in seiner Eigenschaft als
Mitglied des Zentralbankrates der Europäischen Zentral-
bank. Das muss Konsequenzen in der Rechtsstellung des
Präsidenten mit sich bringen. Das bedeutet auch, dass in
der Bundesbank nur noch einer über die Geldpolitik reden
kann. Alle anderen haben diese Stellungnahme zu über-
nehmen. Auch das wird künftig zu beachten sein.

Zweitens. Alle neun Landeszentralbanken bleiben be-
stehen. Es bleibt auch dabei, dass der Präsident der Lan-

deszentralbank vom Bundesrat gewählt wird und mit der
Zustimmung des Vorstandes der Deutschen Bundesbank
sein Amt antritt. Allerdings sind die Landeszentralbank-
präsidenten künftig im Verhältnis zum Vorstand der Deut-
schen Bundesbank weisungsgebunden. Im Organisa-
tionsstatut, das der Vorstand der Deutschen Bundesbank
beschließt, ist die Möglichkeit vorgesehen, dass einzelne
Landeszentralbanken Kompetenzzentren für die ganze
Bundesbank sein können. Die Vorbehaltszuständigkeiten
der Landeszentralbanken bzw. ihrer Präsidenten werden
abgeschafft. Letzteres war die einstimmige Empfehlung
der Expertenkommission von Bund und Ländern.

Drittens. Die Effizienz in der Bundesbank soll durch
die Instrumente der Plankostenrechnung, des Investiti-
onsplanes und der Plan-Ist-Analyse gestärkt werden. Das
ist zum einen die Meinung der Bundesbank selbst, zum
anderen die Forderung des Bundesrechnungshofes und
schließlich die Auffassung des Haushaltsausschusses des
Deutschen Bundestages. Der Rechnungshof wird prüfen
und Empfehlungen abgeben. Dies kann auch der Deut-
sche Bundestag. Eine förmliche Entlastungserteilung
wird es nicht geben. Damit ist die Stellung der Deutschen
Bundesbank in ihrem Verhältnis zum Deutschen Bundes-
tag der Stellung der Europäischen Zentralbank zum Euro-
päischen Parlament nachgebildet.

Fazit: Es geht darum, die Konsequenzen aus dem Über-
gang der geldpolitischen Zuständigkeit auf die Europä-
ische Zentralbank zu ziehen und dafür zu sorgen, dass im
System der Europäischen Zentralbank die Deutsche
Bundesbank eine möglichst starke Position hat. Das be-
deutet, dass sie in der Geldpolitik mit einer Stimme reden
muss und dass derjenige, der diese Verantwortung hat, in-
nerhalb der Bundesbank eine gestärkte Stellung bekommt.

Das ist der Inhalt des Gesetzentwurfes, den das Kabi-
nett heute beschlossen hat.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417200200
Vielen Dank, Herr
Minister.

Ich bitte, zunächst die Fragen zu diesem Thema zu stel-
len. – Der Kollege Hauser möchte eine Frage stellen. Bitte
sehr.

16817


(C)



(D)



(A)



(B)


172. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 30. Mai 2001

Beginn: 13.00 Uhr


Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1417200300

Herr Minister, herzlichen Dank für Ihren Bericht. Ich darf
meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Finanzaus-
schuss entschuldigen, die nicht anwesend sind, weil
gleichzeitig der Finanzaussschuss tagt. Das ist eine zeit-
lich etwas unglückliche Konstellation. Deswegen bitte ich
darum, mehrere kurze Fragen stellen zu dürfen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417200400
Bitte sehr.


Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1417200500

Stimmen die Länder dem Vorgehen, wie Sie es jetzt vor-
getragen haben, zu oder gibt es hier gravierende Diffe-
renzen, sodass davon auszugehen ist, dass es ein Streit-
thema wird und im Bundesrat keine Zustimmung findet?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417200600
Nachdem
zunächst die Bundesbank selber die Diskussion über zwei
Modelle eingeleitet hatte und sich nicht entscheiden
konnte, welches Modell sie präferiert, habe ich den in-
tensiven Versuch unternommen, über alle Fragen mit den
Bundesländern zu einem Einvernehmen zu kommen, ob-
wohl es sich nicht um ein zustimmungspflichtiges Gesetz
handelt, sondern um ein Einspruchsgesetz. Das hat zu ei-
ner gemeinsamen Expertenkommission – mit je vier Ver-
tretern von Länderseite und von Bundesseite benannt –
geführt, die ihren Bericht vor den Sommerferien des
vergangenen Jahres vorgelegt hat, in dem auch eine Be-
wertung der beiden alternativen Modelle der Bundesbank
vorgenommen worden ist.

Ich bedauere sehr, dass sich die Länder anschließend in
keiner Weise an die Empfehlung der Expertenkom-
mission gehalten haben, auch nicht an das, was einstim-
mig von allen Experten, auch von denen der Länderseite,
empfohlen wurde, wie den Wegfall der Vorbehaltszustän-
digkeiten, der einfach erforderlich ist, um Vielfacharbeit
in der Bundesbank zu vermeiden. – Wir haben eine Fülle
von Abteilungen zehnmal, in der Zentrale der Deutschen
Bundesbank und in allen Landesbanken. – Diese Emp-
fehlung hat anschließend nicht die Zustimmung der Län-
der gefunden. Dadurch ist eine Menge Zeit verloren ge-
gangen.

Ich habe auf alle Belange der Länder, auf die aus mei-
ner Sicht Rücksicht genommen werden muss, Rücksicht
genommen, sogar über die Vorschläge der Bundesbank hi-
naus. Das heißt: Ich stelle keinen einzigen Standort in-
frage. Ich stelle auch nicht infrage, dass die Länder die
Landeszentralbankpräsidenten im bisherigen Verfahren,
aber mit Zustimmung des Bankvorstandes, bestellen kön-
nen. Ich stelle allerdings den Zentralbankrat infrage, weil
er seine Zuständigkeit verloren hat, sowie die Mitwirkung
der Landesbankpräsidenten in dem einheitlichen Lei-
tungsgremium, weil wir ein so großes Leitungsgremium
nicht mehr brauchen. Man wird sehen, ob dieser einzig
verbleibene Punkt wirklich zu einem Streitpunkt im Ver-
fahren mit den Ländern wird. Das muss offen und argu-
mentativ ausgetragen werden.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417200700
Eine weitere Frage? –
Bitte sehr, Herr Kollege.


Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1417200800

Einer der zentralen Punkte war von jeher die Unabhän-
gigkeit der Bundesbank; dies hat auch bei der Aushand-
lung des Vertrags von Maastricht eine sehr wesentliche
Rolle gespielt. Ich will es einmal ein wenig zugespitzt sa-
gen: Es bleibt also ein Zentralvorstand der Bundesbank
übrig mit einem Präsidenten, der von der Bundesregie-
rung bestimmt wird


(Hans Eichel, Bundesminister: Wie bisher!)

– gut, aber im Einvernehmen –, der auch keinen Zentral-
bankrat mehr hat, sondern allein die Verantwortung für
die Geldpolitik trägt und dies gegenüber der EZB zu ver-
antworten hat. Sehen Sie nicht eher eine Schwächung der
Bedeutung dieses Mannes durch seine – ich unterstelle
das nicht Ihnen – grundsätzlich größere Abhängigkeit von
der Politik? Inwieweit wird damit die Rolle der Bundes-
bank im System der Europäischen Zentralbank gestärkt?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417200900
Der Bun-
desbankpräsident hat keine größere Abhängigkeit von der
Politik als in den vergangenen Jahrzehnten. Er wird vom
Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung
ernannt; daran hat sich nichts geändert. Geändert hat sich
die geldpolitische Zuständigkeit der Deutschen Bundes-
bank. Weil die geldpolitische Zuständigkeit der Deut-
schen Bundesbank entfallen ist, kann es auch das Gre-
mium nicht mehr geben, das diese Zuständigkeit
wahrgenommen hat.

Die Präsidenten der Landeszentralbanken werden – so
ist es vorgesehen – den Bundesbankpräsidenten und den
Vorstand beraten. Daran ändert sich nichts. Aber sie kön-
nen nicht mehr abstimmen; es findet keine Abstimmung
mehr statt, weil sich die Verhältnisse geändert haben. Al-
lerdings gibt es im System der Europäischen Zentralbank
eine Schwächung der Position der Deutschen Bundes-
bank und ihres Präsidenten, weil sich diejenigen, die nicht
mehr zuständig sind, zu einem erheblichen Teil abwei-
chend von der Position des Bundesbankpräsidenten und
der Europäischen Zentralbank zu geldpolitischen Fragen
öffentlich äußern. Das ist schädlich, schwächt die Stel-
lung der Bundesbank und muss beendet werden.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417201000
Sie haben eine wei-
tere Frage, Herr Kollege Hauser? – Bitte sehr.


Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1417201100

Wenn ich es richtig verstanden habe, bestimmt in diesem
künftigen Zentralvorstand der Präsident seine Vorstands-
kollegen zumindest weitgehend mit. Ich glaube, es war
sogar so formuliert, dass er sie sich alleine aussuchen
kann.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417201200
Nein, das
ist nicht richtig. Vielmehr ernennt der Bundespräsident
auf Vorschlag der Bundesregierung den Präsidenten und
den Vizepräsidenten. Die übrigen Mitglieder werden vom
Bundespräsidenten auf Vorschlag des Bundesbankpräsi-
denten im Einvernehmen mit der Bundesregierung er-
nannt.






(C)



(D)



(A)



(B)



Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1417201300

Das ist somit doch eine Stellung, wie sie beispielsweise
ein Vorstandsvorsitzender eines Unternehmens nie errei-
chen würde; denn er könnte sich seine Kollegen nicht
selbst aussuchen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417201400
Der ent-
scheidende Punkt ist: Bisher gibt es bei allen Mitgliedern,
die als Präsident einer Landeszentralbank bestellt werden
sollen, hinsichtlich ihrer Eignung ein Votum des Zentral-
bankrates. Diesem Modus ist das geplante Vorgehen
nachgebildet. Wenn es nun keinen Zentralbankrat mehr
geben kann, weil dessen Zuständigkeit entfallen ist, kann
dort kein Votum gefällt werden. Da eine Selbstkooptation
dieses Gremiums nicht vorgesehen ist, muss es jemanden
geben, der die fachliche Eignung beurteilen kann. Des-
wegen muss in diesen Fragen ein Einvernehmen zwischen
dem Bundesbankpräsidenten und der Bundesregierung
hergestellt werden. In dieser Absicht sehe ich eher eine
Stärkung der fachlichen Kompetenz des Vorstandes der
Deutschen Bundesbank.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417201500
Sie möchten noch
eine weitere Zusatzfrage stellen, Herr Hauser.


Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1417201600

Sie haben sich heute nicht mit den anderen Fragestellun-
gen beschäftigt, die dieser Themenkomplex beinhaltet,
Stichwort: Allfinanzaufsicht. In den Zeitungen steht, der
Grund sei ein Formfehler. Können Sie das näher begrün-
den und sagen, wann ein Konzept vorgelegt wird?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417201700
Nein, es
handelt sich nicht um einen Formfehler. Ein endgültiges
Konzept wird so rechtzeitig vorgelegt, dass wir es unmit-
telbar nach der Sommerpause im parlamentarischen Ver-
fahren erörtern können.

Der Hintergrund ist ein anderer: Im Gegensatz zum
Bundesbankgesetz brauchen wir dafür auch Änderungen
des öffentlichen Dienstrechts. Das hat damit zu tun – so
sieht es jedenfalls mein Konzept vor –, dass wir Mitarbei-
ter benötigen, die aus den Märkten kommen und die wir
mit dem Gehaltsgefüge des öffentlichen Dienstes nicht ge-
winnen können. Zu diesem Bereich müssen daher noch
Anhörungen durchgeführt werden, die aber für den Ge-
setzentwurf zur Bundesbankstrukturreform keine Rolle
spielen. Deshalb werden die angesprochenen Pläne erst
später im Kabinett behandelt. Aber, wie gesagt, die Bera-
tung wird so gesteuert, dass der Themenkomplex im par-
lamentarischen Verfahren zusammengeführt werden kann.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417201800
Nun möchte der Kol-
lege Fromme Fragen stellen. – Bitte sehr, Herr Kollege.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1417201900
Herr Minis-
ter, Sie haben davon gesprochen, die Bundesbank selbst
habe zwei Modelle vorgelegt. Können Sie einmal erläu-
tern, wie sich Ihre Vorschläge zu den Vorschlägen der
Bundesbank verhalten?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417202000
Es be-
steht Übereinstimmung – inzwischen hat das nicht nur das
Direktorium, sondern auch der Zentralbankrat der Deut-
schen Bundesbank mit Mehrheit festgestellt – hinsichtlich
des Modells Nummer eins. Damit hat sich auch der Zen-
tralbankrat der Deutschen Bundesbank mehrheitlich, mit
9 zu 6 Stimmen, einverstanden erklärt.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417202100
Eine weitere Frage,
bitte sehr.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1417202200
Im Hinblick
auf die übrigen Aufgaben – über die währungspolitische
Zuständigkeit, die sie verloren hat, hinaus – der Deut-
schen Bundesbank: Halten Sie es in diesem Zusammen-
hang für richtig, dass sozusagen die Bundesländer hin-
sichtlich der Verantwortung des Vorstandes völlig
ausgeklammert werden?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417202300
Die Bun-
desländer waren niemals in die Verantwortung des Vor-
standes eingebunden. Das Direktorium der Deutschen
Bundesbank wird von der Bundesregierung ernannt. Die
Präsidenten der Landeszentralbanken werden, wie Sie
wissen, auf Vorschlag der Landesregierungen, in deren Be-
reich die einzelnen Landeszentralbanken fallen, vom Bun-
desrat gewählt. Der Hintergrund für dieses Vorgehen war
die geldpolitische Zuständigkeit, die nunmehr entfallen ist.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1417202400
Aber die Zu-
ständigkeiten der Bundesbank haben sich doch nicht auf
die Geldpolitik beschränkt; sie ist beispielsweise auch für
die Bankenaufsicht zuständig.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417202500
Nein, das
ist, mit Verlaub, ganz falsch. Die Länder haben keinerlei
Zuständigkeiten bezüglich der Bankenaufsicht. Die Ban-
kenaufsicht fällt in die alleinige Zuständigkeit des Bundes
und wird durch den Deutschen Bundestag kontrolliert. Sie
obliegt dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen.
Die Bundesbank wirkt daran mit. Sie werden übrigens se-
hen, dass Veränderungen an dem Entwurf vorgenommen
worden sind. Das andere Gesetz wird zu einer ganz engen
und viel systematischeren Verschränkung und Mitwir-
kung der Deutschen Bundesbank bei der Bankenaufsicht
als in der Vergangenheit führen.

Ich möchte ein Beispiel anführen. Heute führen zwar
die Landeszentralbanken Ermittlungen vor Ort durch.
Aber wenn deren Ermittlungsergebnisse Maßnahmen
zeitigen sollen, dann darf sich das Bundesaufsichtsamt für
das Kreditwesen noch nicht einmal auf diese Ergebnisse
stützen – das ist rechtlich so festgelegt –, sondern ist
gehalten, eigene Ermittlungen durchzuführen. Das halte
ich für eine unsinnige Doppelarbeit. Künftig werden die
Ermittlungsergebnisse, die die Landeszentralbanken
erzielt haben, die rechtliche Grundlage für die Entschei-
dungen der Allfinanzaufsicht sein.

Auch an der Spitze wird es eine systematische Ein-
bindung geben. Das Forum für Finanzmarktaufsicht






(C)



(D)



(A)



(B)


besteht im Moment nur auf Vereinbarungsbasis. Künftig
wird es eine gesetzliche Basis erhalten und somit dafür
gesorgt werden, dass die Bundesbank ganz eng in die Fi-
nanzmarktaufsicht eingebunden wird. Aber dies ist nicht
Bestandteil des vorliegenden Gesetzentwurfes, sondern
desjenigen, den der Kollege Hauser angesprochen hat und
über den das Bundeskabinett noch beraten wird.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1417202600
Auch wenn
die Länder nicht formal beteiligt waren, so ist es doch ein
Unterschied, ob sie sozusagen über eine Person ihres Ver-
trauens – das war der Landeszentralbankpräsident –
eingebunden sind oder nicht. Halten Sie es gerade in dem
Augenblick, in dem die entscheidende Umstellung auf
den Euro auf uns zukommt und das Vertrauen der Men-
schen in die neue Währung gestärkt werden muss, für
richtig, einen Konflikt mit den Ländern im Währungsbe-
reich vom Zaun zu brechen? Denn das Problem ist, dass
die Frage, ob es um diese oder jene Zuständigkeit geht, in
der Bevölkerung gar nicht so differenziert wahrgenom-
men wird.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417202700
Es ist
doch ganz einfach: Es gab und gibt keine Zuständigkeit
der Länder und auch keine des Bundes im Geldbereich.
Wenn Sie etwas anderes behaupten, dann ist das falsch. Es
gab eine Bundesbank – sie wird es auch künftig geben –,
deren Zentralbankrat für die Geldpolitik zuständig war
und der in seinen geldpolitischen Entscheidungen – das ist
der zentrale Punkt – unabhängig war. Aber dieser
Zuständigkeitsbereich ist nun weg. Sie können nicht im-
mer sagen: „Wir bauen Europa“, und dann zu Hause so
tun, als könne der Heizer auf der E-Lok weitermachen.
Eine solche Haltung sorgt für Europaverdrossenheit.
Wenn die Zuständigkeit für geldpolitische Entscheidun-
gen nun beim Zentralbankrat der Europäischen Zentral-
bank liegt, dann müssen daraus selbstverständlich Konse-
quenzen für unsere nationalen Institutionen gezogen
werden.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1417202800
Es geht mir
nur um die Frage, ob man einen Konflikt mit den Ländern
zu einem Zeitpunkt vom Zaun brechen sollte, an dem es
eigentlich darum geht, das Vertrauen der Bevölkerung in
die neue Währung zu stärken.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417202900
Es gibt
gar keinen Konflikt. Den Ländern kann nichts wegge-
nommen werden, was sie sowieso nie hatten und auch
künftig nicht haben werden. Sie haben und hatten keine
geldpolitischen Zuständigkeiten.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1417203000
Aber es gibt
jetzt einen formellen Konflikt um die Bundesbank.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417203100
Aber da-
ran bin ich doch nicht schuld. Mit dem vorliegenden Ge-
setzentwurf wird die Konsequenz aus dem gezogen, was
auch die Länder im Bundesrat mitbeschlossen haben,

nämlich die Einführung des Euro und die Etablierung des
Europäischen Systems der Zentralbanken. Es geht also
nur noch um die Frage, ob man die nationalen Institu-
tionen so tun lassen sollte, als ob sie ihre Bedeutung noch
immer hätten, obwohl sie sie in bestimmten Punkten
längst verloren haben. Ich bin der Meinung, dass daraus
die Konsequenzen gezogen werden müssen. Das wird
sich auch finanziell auswirken; denn die Bundesbank
muss schlanker werden. Darüber gibt es mit den Ländern
keinen Konflikt. Es ist überhaupt nicht mehr zu begrün-
den, dass der Vorstand der Bundesbank aus 17 Mitglie-
dern besteht. Das lässt sich mit nichts begründen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417203200
Möchten Sie noch
einmal nachhaken, Herr Kollege? – Bitte sehr.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1417203300
Es geht mir
gar nicht darum, dass es möglichst keine Veränderungen
gibt. Über die notwendigen Veränderungen sind wir uns ja
einig. Aber es geht darum, ob man in dem Augenblick, in
dem die Stellung der Bundesbank für die Bevölkerung
eine ganz wichtige Rolle spielt, einen Konflikt zwischen
Bund und Ländern herbeiführen sollte oder nicht.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417203400
Ich führe
doch gar keinen Konflikt herbei. Ich ziehe nur die Konse-
quenzen aus dem, was wir gemeinsam in Europa be-
schlossen haben. Man kann ja fragen, ob über das, was wir
jetzt beschließen wollen, nicht bereits zum 1. Januar 1999
hätte entschieden werden müssen. Es wäre vielleicht klü-
ger gewesen. Das meine ich gar nicht bösartig. Wie ge-
sagt, ich führe keinen Konflikt herbei, sondern setze le-
diglich das um, was wir gemeinsam – übrigens,
einvernehmlich – beschlossen haben, nämlich die Über-
tragung von Kompetenzen auf die Europäische Zentral-
bank. Das muss nun Konsequenzen für die nationalen Ins-
titutionen haben.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1417203500
Wenn Sie ei-
nen Gesetzentwurf vorlegen, der von den Ländern nicht
akzeptiert wird, dann ist das ein Konflikt, ob man das will
oder nicht.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417203600
Aber ich
habe den Konflikt doch nicht herbeigeführt. Die Europä-
ische Zentralbank ist im Einvernehmen mit den Ländern
eingerichtet worden und die geldpolitische Zuständigkeit
ist auf sie übertragen worden. Ich kann mich doch nicht
weigern, daraus die Konsequenzen zu ziehen.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1417203700
Mir geht es
ja nur darum, dass man dafür einen Weg suchen muss, der
Gemeinsamkeit schafft, weil man das Vertrauen behalten
muss. Wenn ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, dem die
Länder nicht zustimmen, dann ist das ein Konflikt, aus-
gelöst von demjenigen, der den Gesetzentwurf vorlegt.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417203800
Die Mo-
delle der Deutschen Bundesbank, übrigens auch die, hin-




Bundesminister Hans Eichel
16820


(C)



(D)



(A)



(B)


ter der die Mehrheit der Landeszentralbankpräsidenten
gestanden hat, haben eine Reduzierung der Zahl der
Landeszentralbanken vorgesehen. Ich darf darauf hinwei-
sen, dass ich das nicht tue. Ich gehe mit den Länderinte-
ressen so schonend um, wie man damit nur umgehen
kann. Aber ich kann eines nicht: Kompetenzen wieder-
herstellen, die nicht mehr da sind.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417203900
Nun möchte der Kol-
lege Hauser noch eine Frage stellen.


Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1417204000

Herr Minister, es ist ja verständlich, dass Sie nicht den
Konflikt führen. Aber Tatsache ist doch nun einmal, dass
aufseiten der Länder, und zwar quer durch alle Parteien,
offensichtlich andere Meinungen vorherrschen. Insofern
gibt es natürlich einen Konflikt zwischen dem Bund, ver-
treten durch Sie, und den Ländern, vertreten durch die
Länderfinanzminister.

Ich möchte noch einmal auf den Zentralbankrat
zurückkommen, der hier seine Funktion verloren hat. Das
ist absolut richtig; darüber sind wir uns auch einig. Aus
dem Aufgabenbereich des künftigen – ich nenne es wieder
so – Zentralvorstandes wird die Beschäftigung mit der
Vorbereitung und Ausführung der europäischen Geldpoli-
tik gestrichen, weil dies auf die EZB übertragen worden
ist. Das ist richtig. Wenn ich es aber richtig verstanden
habe, soll künftig auch auf die Teilnahme von Mitgliedern
der Bundesregierung verzichtet werden. Damit wird sich
dieses Gremium – wenn bisher auch nur intern, aber da
gab es ja durchaus offene Diskussionen – auch nicht mehr
mit Themen wie Stabilitätspolitik beschäftigen. Ist das so
richtig?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417204100
Ja.


Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1417204200

Darauf wird verzichtet.

Dann habe ich noch eine abschließende Frage: In
welchem Umfang wird es zu Personalabbau, vielleicht
auch zu Standortschließungen und ähnlichen Dingen
kommen? Gibt es dazu schon ein Konzept?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417204300
Nein.
Das liegt ja in der Verantwortung des Vorstandes der
Deutschen Bundesbank.

Sie wissen, dass ich nie Zahlen genannt habe. Die Län-
der haben in einer Pressekonferenz Zahlen genannt, näm-
lich bis zu 4 500 Mitarbeiter. Der Bundesbankpräsident
hat eine niedrigere Zahl genannt. Ich sehe keinen Sinn
darin, mich sozusagen extern an dieser Debatte zu betei-
ligen. Aber allen ist klar, dass es eine erhebliche
Verschlankung der Deutschen Bundesbank geben wird,
geben muss und dass insbesondere die Fülle von Doppel-
zuständigkeiten, die jetzt im System liegt und die durch
die Vorbehaltszuständigkeiten begründet ist, beendet wer-
den muss.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417204400
Gibt es zum Gesetz-
entwurf zur Änderung des Bundesbankgesetzes noch Fra-
gen? – Das ist nicht der Fall. Gibt es im Rahmen der
Regierungsbefragung sonst noch Fragen an die Bundes-
regierung? – Auch das ist nicht der Fall. Dann beende ich
die heutige Regierungsbefragung.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 2:
Fragestunde
– Drucksache 14/6138, 14/6157 –

Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Ziffer 10
der Richtlinien für die Fragestunde die dringliche Frage
des Abgeordneten Eckart von Klaeden auf:

Treffen Informationen von „Welt am Sonntag“ (27. Mai 2001)

aus dem Bundeskanzleramt und der SPD-Führung zu, dass die
Bundesregierung inzwischen annimmt, dass das Protokoll über
ein Gespräch zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und
US-Präsident George W. Bush von amerikanischen Stellen gezielt
an die Öffentlichkeit lanciert wurde, um deutsche Wirtschaftsin-
teressen in Libyen zu durchkreuzen, und wenn ja, wie kommt die
Bundesregierung dazu, sich zu diesen jüngsten Vermutungen ver-
anlasst zu sehen?

Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Dr. Ludger
Volmer zur Verfügung. – Bitte sehr, Herr Staatsminister.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417204500
Herr von Klaeden, uns sind keine Indizien oder Fak-
ten bekannt, die eine solche Spekulation rechtfertigen
würden.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417204600
Zusatzfrage.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1417204700
Herr Staatsminis-
ter, da ich davon ausgehe, dass Sie diese Meldung für eine
Falschmeldung halten: Wäre es nicht angesichts der Tat-
sache, dass als Quelle immerhin das Bundeskanzleramt
genannt wird, angemessen gewesen, diese Meldung Ih-
rerseits wenigstens zu dementieren, um nicht den Ein-
druck zu erwecken, man ließe antiamerikanische Ressen-
timents im Raum stehen?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417204800
Im Zusammenhang mit der Erörterung der letzten
zwei Wochen sind so manche Spekulationen aufgebracht
worden. Die Bundesregierung hat sich entschlossen, zu
Spekulationen über einen Bericht, der unter Bruch der
Geheimhaltungsvorschriften an die Öffentlichkeit gelangt
ist, nicht Stellung zu nehmen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417204900
Zweite Zusatzfrage,
bitte sehr.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1417205000
Herr Staatsminis-
ter, zunächst einmal bin ich Ihnen für Ihre Klarstellung in
aller Öffentlichkeit dankbar, dass die Panne, die zu dem
außenpolitischen Schaden geführt hat, nicht auf eine ame-
rikanische Indiskretion, sondern auf Vorgänge innerhalb
der Bundesregierung zurückgeht. Ich möchte Sie, was die
Zusammenarbeit mit Ministerialdirektor Steiner angeht,




Bundesminister Hans Eichel

16821


(C)



(D)



(A)



(B)


Folgendes fragen: Erfüllt aus Sicht des Auswärtigen
Amtes Herr Steiner als beamteter Leiter der Abteilung
Außenpolitik im Kanzleramt die Kriterien, die einen
guten Beamten als Zuarbeiter der Politik auszeichnen,
insbesondere im Hinblick auf Effizienz, Zurückhaltung,
Diskretion und Professionalität? Kann das Auswärtige
Amt bestätigen, dass Herr Steiner in der Koordinierung
der Zusammenarbeit zwischen Bundeskanzleramt und
Auswärtigem Amt einen exzellenten Job macht? Man
sollte die Berichterstattung in der Presse über seine Per-
son berücksichtigen; ich zitiere die „Süddeutsche Zei-
tung“ von heute:

Zum anderen Teil hängt es damit zusammen, dass
Steiner gerne über die Außenpolitik, den Kanzler und
sich selbst spricht – manchmal nicht in dieser Rei-
henfolge.

Die „Zeit“ hat geschrieben:
Steiner macht Außenpolitik im Muscle-Shirt. Seine
Qualitäten schlagen gelegentlich um: in Risiko, Un-
einsichtigkeit, Geltungssucht.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417205100
Zunächst, Herr Klaeden, weise ich Ihre beiden Wer-
tungen „Panne“ und „außenpolitischer Schaden“ ent-
schieden zurück. Zu Ihrer Frage bezüglich Herrn Steiner
sage ich eindeutig: Ja. Die Pressezitate möchte ich nicht
kommentieren.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417205200
Herr Kollege
Spranger, Sie haben für die Fragestunde zwei Fragen zu
diesem Themenbereich eingereicht, die später aufgerufen
werden. Möchten Sie dennoch in diesem Zusammenhang
eine Zusatzfrage stellen?


Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID1417205300
Ja.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417205400
Bitte sehr.


Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID1417205500
Ich beziehe mich
auf den in der Frage vom Kollegen Klaeden angespro-
chenen Bericht, in dem behauptet wird, dass die Ameri-
kaner dieses Protokoll aufgrund von Informationen aus
dem Kanzleramt lanciert hätten. Sie sprachen davon, dass
man keine weiteren Spekulationen anheizen wolle. Wäre
es nicht, um weitere Spekulationen zu verhindern, sinn-
voll gewesen, dass eine klare Stellungnahme des Auswär-
tigen Amtes oder des Kanzleramtes erfolgt, aus der her-
vorgeht, dass die Amerikaner diese Information nicht
lanciert haben?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417205600
Ich habe mich zu diesen Spekulationen deutlich
geäußert. Ich möchte noch einmal festhalten: Wir können
generell keine Spekulationen kommentieren, die auf der
Grundlage von unrechtmäßig veröffentlichten Dokumen-
ten des Auswärtigen Amtes beruhen; sonst würde sich die
Bundesregierung durch jeden, der meint, über Indiskre-

tionen Stellungnahmen provozieren zu können, angreif-
bar machen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417205700
Nachdem die dring-
liche Frage beantwortet worden ist, rufe ich nun diejeni-
gen Fragen des Geschäftsbereichs des Auswärtigen Am-
tes auf, die sich auf dasselbe Thema beziehen. Wir
kommen also zu den Fragen 36 bis 45. Nach Ziffer 10 der
Richtlinien für die Fragestunde und für die schriftlichen
Einzelfragen dürfen diese Fragen vorgezogen werden.

Wir kommen nun zur Frage 36 des Kollegen Carl-Dieter
Spranger:

Wie erklärt sich die Bundesregierung die Veröffentlichung des
von Botschafter Jürgen Chrobog am 31. März 2001 verfassten
Protokolls des Gesprächs zwischen dem amerikanischen Präsi-
denten George W. Bush und Bundeskanzler Gerhard Schröder und
wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen der Veröf-
fentlichung dieses Protokolls auf das Ansehen des deutschen aus-

(veröffentlicht zum Beispiel im „Spiegel“ und im „Focus“ vom 21. Mai 2001)


D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417205800
Herr Spranger, ich möchte noch einmal betonen
– ich sagte das gerade schon einmal; was ich sage, gilt für
alle Fragen dieses Komplexes –, dass die Bundesregie-
rung keine Informationen kommentiert, die unter Verstoß
gegen geltende Geheimhaltungsvorschriften an die Öf-
fentlichkeit gegeben wurden. Es handelt sich in diesem
Fall übrigens um einen Verstoß, der strafrechtlich und
auch dienstrechtlich relevant ist.

Nun zu Ihrer konkreten Frage: Informationen über
das Gespräch, auf das sich Ihre Frage bezieht, wurden
unter Bruch des Dienstgeheimnisses an unbefugte Dritte
weitergegeben. Die Ermittlungen, wer dafür verant-
wortlich war, dauern an. Der Vorgang ist außerordentlich
ärgerlich. Die Bundesregierung sieht dennoch keine
Auswirkungen auf das Ansehen des deutschen auswärti-
gen Dienstes im Ausland.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417205900
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege? – Bitte sehr.


Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID1417206000
Herr Staatsmi-
nister, teilt die Bundesregierung die Meinung, die veröf-
fentlichten herabsetzenden Bemerkungen – unter ande-
rem über Präsident Putin, den jordanischen König,
Präsident Arafat oder die syrische Regierung – würden
unsere Beziehungen zu diesen Persönlichkeiten und Re-
gierungen belasten? Was hindert andere staatliche Reprä-
sentanten und Regierungen daran, die Befürchtung zu ha-
ben, zukünftig ähnliche herabsetzende Bemerkungen des
Bundeskanzlers und seines Gehilfen Steiner in der Presse
nachlesen zu können?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417206100
Herr Kollege Spranger, die Charakterisierung dieser
angeblich gefallenen Bemerkungen kann ich mir nicht zu
Eigen machen. Ansonsten möchte ich darauf verweisen,
dass dieser gesamte Komplex heute Morgen unter dem
Geheimhaltungsgrad „VS-Vertraulich“ im Auswärtigen




Eckart von Klaeden
16822


(C)



(D)



(A)



(B)


Ausschuss erläutert wurde. Ich kann Dinge, die dort unter
„VS-Vertraulich“ diskutiert wurden, hier nicht in öffentli-
cher Rede darstellen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417206200
Eine weitere Zusatz-
frage, bitte sehr.


Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID1417206300
Herr Staatsmi-
nister, ist es nicht ein Beleg für die Fassungslosigkeit, mit
der das Ausland den Bericht, seinen Inhalt und die Veröf-
fentlichung zur Kenntnis nehmen musste, dass Staatsprä-
sident Putin den Bericht zunächst für eine Fälschung hielt
und dann, als er die Wahrheit erfuhr, mit Empörung rea-
gierte? Oder hat sich der jordanische König bei seinem
jüngsten Besuch in Berlin für die Bewertung durch den
Herrn Bundeskanzler bei diesem bedankt?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417206400
Es wurde selbstverständlich über den Bericht gere-
det. Der jordanische König hat aber daran keinen Anstoß
genommen. Herr Putin hat sich nicht über den Gehalt als
vielmehr über die Indiskretion bei der Veröffentlichung
empört gezeigt.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417206500
Eine Zusatzfrage der
Kollegin Bonitz, bitte sehr.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1417206600
Herr Staatsminister, Sie
haben sich teilweise darauf bezogen, dass heute Morgen
einige Ausführungen im Auswärtigen Ausschuss unter
„Vertraulich“ gemacht wurden. Ich beziehe mich auf das,
was öffentlich bekannt ist.

Da Sie sagen, es gebe keinen außenpolitischen Scha-
den oder Ansehensverlust, möchte ich fragen: Ist der Bun-
desregierung denn entgangen, dass zum Beispiel das
„Wall Street Journal“ in elektronischer Form am 22. Mai
veröffentlicht hat – ich zitiere –:

Die peinliche undichte Stelle befrachtet die deutsch-
amerikanischen Beziehungen mit neuen Spannun-
gen, die bereits durch Differenzen in Verteidigungs-
angelegenheiten, insbesondere im Zusammenhang
mit dem geplanten Raketenschutzschild, und eine
Anzahl von anderen Fragen von transatlantischen
Handelsstreitigkeiten bis zu grenzüberschreitenden
Sorgerechtsfällen belastet sind. Das kontroverse Pro-
tokoll könnte durchaus das Vertrauen Washingtons in
Deutschland als zuverlässigen und diskreten Ge-
sprächspartner erschüttern.

Reuters veröffentlichte am 17. Mai 2001 in Amerika
– ich zitiere –:

Was geschieht, wenn jemand anderes zu Gesprächen
kommt, Chinesen, Europäer, wer auch immer? Was
werden sie bei Verhandlungen sagen, wenn sie be-
fürchten, dass sie es am nächsten Tag in der Zeitung
lesen werden?

Ist das kein außenpolitischer Schaden?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417206700
Frau Bonitz, das sind Kommentierungen in Zeitun-
gen, in denen Redakteure ihre Thesen vortragen. Die
Wirklichkeit sieht aber anders aus. Es ist insbesondere im
Verhältnis zu den USA kein Schaden eingetreten, weil
über den Vorgang sofort auf verschiedenen Ebenen inten-
siv geredet worden ist. Die amerikanische Seite hat uns
deutlich zu verstehen gegeben, dass sie die Beziehungen
dadurch in keiner Weise belastet sieht und dass durch die-
ses angebliche Protokoll keine Irritationen entstanden
sind.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417206800
Nun rufe ich die
Frage 37 des Kollegen Carl-Dieter Spranger auf:

Wie erklärt sich die Bundesregierung den großen Verteiler-
kreis des Drahtberichts von Botschafter Jürgen Chrobog über das
Arbeitsgespräch zwischen dem amerikanischen Präsidenten
George W. Bush und dem deutschen Bundeskanzler Gerhard
Schröder und welche Konsequenzen sind nach Auffassung der
Bundesregierung aus der Veröffentlichung des Gesprächsproto-
kolls für die künftige Behandlung und den Verteilerkreis von
Drahtberichten deutscher Botschaften im Ausland zu ziehen?

Herr Staatsminister, bitte sehr.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417206900
Herr Spranger, ich verweise auf meine Vorbemer-
kung zu Frage 36 bezüglich der Nichtkommentierung sol-
cher Vorgänge durch die Bundesregierung. Allgemein
kann ich allerdings sagen, dass der Verteilerkreis von
Drahtberichten davon abhängt, wer aus dienstlichen Grün-
den unterrichtet werden muss. So wie bisher wird auch in
Zukunft gelten, dass immer eine Abwägung zwischen dem
Informationsbedürfnis und der Gewährleistung des not-
wendigen Schutzes erforderlich ist. Dabei ist grundsätz-
lich davon auszugehen, dass die Adressaten die jedem Be-
amten obliegende Amtsverschwiegenheit wahren.

In Anbetracht des vorliegenden Verstoßes gegen die
Geheimhaltungsvorschriften hat der Bundesminister des
Auswärtigen am 23. Mai 2001 mit sofortiger Wirkung an-
geordnet, dass Berichte über Gespräche von Staats- und
Regierungschefs, die ohnehin schon klassifiziert sind,
noch höher eingestuft werden.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417207000
Zusatzfrage, bitte
sehr.


Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID1417207100
Herr Staatsmi-
nister, wie in der Presse, zum Beispiel im „Focus“ vom
21. Mai, zu lesen war, lautet einer der umstrittenen Sätze
in dem Drahtbericht: Ministerialdirektor Steiner berichtet
über seine Gespräche mit Gaddafi in Libyen; dieser habe
eingestanden, dass sich Libyen an terroristischen Aktio-
nen – „La Belle“, Lockerbie – beteiligt habe. Diese For-
mulierung ist an Eindeutigkeit nicht zu übertreffen. Ich
frage Sie: Von wem stammt der Zusatz „La Belle“,
Lockerbie in diesem Bericht? Von Botschafter Chrobog
oder von Herrn Steiner?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417207200
Herr Spranger, ich kann nur noch einmal betonen,




Staatsminister Dr. Ludger Volmer

16823


(C)



(D)



(A)



(B)


dass die Bundesregierung zu Berichten, die aufgrund des
Bruchs von Geheimhaltungsvorschriften zustande ge-
kommen sind, öffentlich keine Stellung nimmt. Ansons-
ten verweise ich Sie auf die Stellungnahme des Außenmi-
nisters heute Morgen im Auswärtigen Ausschuss zu genau
diesem Themenkomplex. Sie waren ja anwesend.


(Sylvia Bonitz [CDU/CSU]: Dem gehöre ich aber nicht an! Ich möchte sie auch hören!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417207300
Herr Spranger hat
eine Zusatzfrage.


Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID1417207400
Da haben wir
auch nichts erfahren, deshalb fragen wir hier. Meine
Frage: Können Sie ausschließen, dass Herr Steiner diese
zwei Worte dem von ihm modifizierten Bericht hinzuge-
fügt hat?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417207500
Noch einmal, Herr Spranger: Die Bundesregierung
nimmt öffentlich zu Berichten, die durch Indiskretionen
zustande gekommen sind, keine Stellung.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417207600
Herr Kollege Gehrcke
hat eine Zusatzfrage, dann kommt Herr Polenz.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417207700
Herr Staatsminister, ich
will Sie natürlich nicht dazu verleiten, hier irgendetwas
kundzutun, was im Auswärtigen Ausschuss vertraulich
geäußert wurde. So etwas zu versuchen liegt mir fern.
Aber da Sie mehrmals darauf hingewiesen haben und wir
beide heute Morgen an der Sitzung teilgenommen haben,
frage ich Sie: Können Sie meinen Eindruck bestätigen,
dass heute Morgen im Auswärtigen Ausschuss nichts ge-
sagt worden ist, was nicht schon längst in der Presse ge-
standen hat?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417207800
Herr Gehrcke, ich weiß nicht, was alles in der Presse
gestanden hat.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Dann lesen Sie doch mal!)


Ich habe jedenfalls den Eindruck, dass die Bundesregie-
rung zu diesem Komplex erschöpfend Stellung genom-
men hat.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Erschöpft, nicht erschöpfend! – Wolfgang Gehrcke [PDS]: Erschöpft! Ja!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417207900
Die nächste Zusatz-
frage hat der Kollege Polenz.


Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1417208000
Herr Staatsminister,
können Sie uns, nachdem es auch heute im Ausschuss
nicht ohne weiteres zu klären war, mitteilen, ob Sie in-
zwischen wissen, wie viele Adressaten diesen vertrauli-

chen Bericht bekommen haben? Mich würde die reine
Zahl interessieren.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Die ist geheim!)


D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417208100
Weil es sich hierbei um eine Verschlusssache han-
delt, kann ich auch über die Form der Verteilung wenig sa-
gen. Generell kann ich Ihnen sagen, dass die Bundesregie-
rung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse auf der
einen und der Arbeitseffizienz auf der anderen Seite ab-
wägen muss. Arbeitseffizienz heißt, dass die Stellen den
Bericht erhalten müssen, die sich mit den Themen befas-
sen, die in dem Bericht abgehandelt werden. Dies ist eine
seit Jahrzehnten gängige Routine. Diese gab es auch
während Ihrer Amtszeit.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417208200
Nun hat Herr von
Klaeden eine Zusatzfrage.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1417208300
Herr Staatsminis-
ter, Sie merken, dass uns besonders die nach Ihrer Ansicht
exzellente Zusammenarbeit zwischen dem Auswärtigen
Amt und Herrn Steiner im Kanzleramt interessiert. Des-
wegen frage ich Sie nach einem Vorgang, der nicht den
Geheimhaltungsvorschriften unterliegt. In der „Welt am
Sonntag“ aus der letzten Woche schreibt Lord Weidenfeld,
dass bei einem Treffen Anfang vorigen Jahres mit Herrn
Steiner Herr Steiner sich gebrüstet habe, er sei der Archi-
tekt der Sanktionen gegen Österreich gewesen. Ich frage
Sie: Ist diese Darstellung von Herrn Steiner richtig oder
handelt es sich hierbei wieder um eine Falschmeldung?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417208400
Herr von Klaeden, so wie ich die Geschäftsordnung
des Deutschen Bundestages kenne, dürfen Nachfragen nur
zu dem Fragenkomplex der Hauptfrage gestellt werden.


(Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig, setzen!)


Sie müssten demnach die Präsidentin fragen, ob ich die
Frage beantworten muss.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Ich glaube nicht, dass es der Regierung ansteht, das Präsidium des Deutschen Bundestages zu kritisieren!)


– Ich habe nicht kritisiert, sondern eine Frage gestellt.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417208500
Ich werte die Antwort
des Herrn Staatsministers als Antwort auf Ihre Frage und
gebe der Kollegin Bonitz für eine Zusatzfrage das Wort.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1417208600
Herr Staatsminister, kön-
nen Sie wenigstens dazu Stellung nehmen, welche Stellen
konkret bei der Klassifizierung des Protokolls, um das es
hier geht, beteiligt waren? War es ausschließlich der deut-
sche Botschafter in den USA oder war es zum Beispiel
auch das Kanzleramt?




Staatsminister Dr. Ludger Volmer
16824


(C)



(D)



(A)



(B)


D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417208700
Ich kann dies nicht konkret kommentieren, ich kann
nur sagen, dass in der Regel Protokolle von dem Bot-
schafter oder seinen Vertretern verfasst werden. Diese
werden von den Gesprächsführenden gegengelesen. In
der Regel verständigt man sich auf einen Text. Auch zu
dem Text, der hier in Rede ist, kann ich nur sagen, dass
alle, die ihn legitimerweise erhalten haben, keinen Anlass
sahen, weitere Fragen an diesen Text zu knüpfen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417208800
Nun kommt die
nächste Frage. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass
zum selben Komplex noch eine große Zahl von Fragen
vorliegen. Sie müssen also nicht bei dieser einen Frage
schon die Zusatzfragen stellen. Aber das nur als Hinweis.

Bitte sehr, Herr Kollege.


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1417208900
Herr
Staatsminister, Sie haben syntaktisch die passive Form
gewählt: Das Protokoll ist weitergegeben worden. Könn-
ten Sie mit einer aktiven Formulierung sagen, wer das
Protokoll weitergegeben hat?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417209000
Ich habe nicht nur passiv formuliert, sondern auch
äußerst generell und habe diesen konkreten Vorgang gar
nicht kommentiert.


(Zuruf von der CDU/CSU: „Passiv generell“!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417209100
Nun kommen wir zur
Frage 38 des Kollegen Schmidt. Eigentlich gehört die
Frage 39 gleich dazu. Aber ich weiß nicht, ob Sie diese lie-
ber getrennt beantwortet haben wollen.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417209200
Ich habe die Antworten getrennt vorbereitet, Frau
Präsidentin.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417209300
Dann rufe ich
zunächst die Frage 38 des Kollegen Chrtistian Schmidt

(Fürth) auf:


Hat der Leiter der Abteilung Außenpolitik im Bundeskanzler-
amt, Ministerialdirektor Michael Steiner, während des Arbeitsge-
sprächs des Bundeskanzlers Gerhard Schröder mit dem amerika-
nischen Präsidenten George W. Bush die im Protokoll von
Botschafter Jürgen Chrobog enthaltene Aussage über ein Ge-
spräch mit Staatschef Muammar al-Gaddafi in Libyen gemacht

(vergleiche die Depesche von Botschafter Jürgen Chrobog: „... dieser [Gaddafi] habe eingestanden, dass sich Libyen an terroristischen Aktionen [„La Belle“, Lockerbie] beteiligt habe“ – Quelle: „Der Spiegel“ vom 21. Mai 2001)


D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417209400
Herr Schmidt, ich verweise auf meine Vorbemer-
kung zur Frage 36 des Herrn Kollegen Spranger bezüglich
der Nichtkommentierung solcher Vorgänge durch die
Bundesregierung. Aus den bereits genannten Gründen
kann ich solche Fragen hier nicht öffentlich beantworten.
Der Auswärtige Ausschuss wurde jedoch heute vertrau-
lich unterrichtet.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417209500
Zusatzfrage eins, bitte
sehr.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1417209600
Frau Präsi-
dentin, eine Korrektur, wenn Sie erlauben: Der Auswär-
tige Ausschuss wurde hierüber vertraulich nicht unter-
richtet.


(Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er fühlt sich nicht unterrichtet!)


Ich habe folgende Zusatzfrage: Der Bericht des „Spie-
gel“ vom 21. Mai erwähnt in diesem Kontext einen wei-
teren Vermerk des Herrn Ministerialdirektors Steiner über
sein Gespräch mit dem libyschen Staatschef Gaddafi, in
dem darüber gesprochen worden sein soll, ex gratia, das
heißt ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung,
eine Entschädigung für die leider immer noch auf Ent-
schädigung wartenden Opfer des „La Belle“-Diskothe-
ken-Anschlags zu zahlen. Ist dies zutreffend?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417209700
So es sich um einen vertraulichen Gesprächsver-
merk von Herrn Steiner handeln sollte, kann ich das nicht
kommentieren. Aber zur Substanz Ihrer Frage kann ich sa-
gen: Wann immer die Bundesregierung mit libyschen
Stellen zusammentrifft, wird der Gesamtkomplex
„La Belle“ angesprochen, mit welchen Worten auch im-
mer. Dabei wird auch immer die Frage der Entschädigung
angeschnitten. Das Ergebnis dieser Gespräche ist aller-
dings auch immer dasselbe: Die libysche Seite sagt, dass
sie zivilrechtlich nicht in Leistung treten könne und wolle,
bevor nicht auf der strafrechtlichen Ebene die Schuld-
frage eindeutig geklärt sei.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417209800
Zweite Zusatzfrage.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1417209900
Herr Staats-
minister, stimmen Sie mit mir überein, dass es ein intel-
lektuell schwierig nachzuvollziehendes Begründungsmus-
ter der Bundesregierung ist, einerseits mitzuteilen, dass,
wenn man mit Libyen spreche, immer über „La Belle“ ge-
sprochen werde, eine Gesprächsnotiz, einen Drahtbericht
über ein Gespräch zwischen Bundeskanzler Schröder und
Präsident Bush anzufertigen, wo über ein solches Ge-
spräch berichtet wird und wo „La Belle“ erwähnt wird, an-
dererseits im Nachhinein mitzuteilen, es sei nie über
„La Belle“ gesprochen worden?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417210000
Herr Schmidt, wir kommentieren nicht öffentlich
Berichte über vertrauliche Gespräche zwischen Staats-
chefs.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Es ging gerade um Ihre Antwort, Herr Staatsminister!)


Unabhängig davon gibt es eine Libyenpolitik der Bun-
desregierung; sie habe ich Ihnen gerade skizziert. Das
könnte ich weiter ausführen, das ist nicht geheim. Ich
würde sie auch jederzeit auf einer Pressekonferenz öf-
fentlich darstellen.






(C)



(D)



(A)



(B)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417210100
Nun hat der Kollege
Spranger eine Zusatzfrage.


Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID1417210200
Herr Staatsmi-
nister, ist es zutreffend, dass die erste Fassung des veröf-
fentlichten Berichts von Herrn Chrobog an Herrn Steiner
ging, dass dieser sie massiv korrigierte und dass die dann
in den Zeitungen veröffentlichte Fassung letztendlich die
Fassung von Herrn Steiner ist?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417210300
Herr Spranger, ich kann nur erneut wiederholen, dass
wir keine unter Bruch der Geheimhaltungsvorschriften an
die Öffentlichkeit gelangten Dokumente kommentieren.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417210400
Nun hat die Kollegin
Bonitz eine Zusatzfrage.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1417210500
Herr Staatsminister, da
Sie sich darauf zurückziehen, dass Sie zu bestimmten
Punkten hier nicht öffentlich Stellung nehmen können:
Habe ich Sie eben richtig verstanden, dass bei jedem Ge-
spräch, das zwischen der Bundesregierung und der liby-
schen Regierung stattgefunden hat, das Thema „La Belle“
angesprochen worden ist, in welcher Form auch immer,
dass aber die Bundesregierung nach Veröffentlichung von
Teilen des Chrobog- oder Steiner-Protokolls behauptet
hat, dass dieses Thema bei dem besagten Gespräch zwi-
schen Gaddafi und Steiner nicht zur Sprache gekommen
ist? Ich sehe hier einen Widerspruch.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417210600
Frau Bonitz, den Widerspruch sehe ich überhaupt
nicht. Bei allen Gesprächen der Bundesregierung mit der
libyschen Seite kommt das Thema zur Sprache, in wel-
cher Form auch immer. Deshalb kann man zwischen der
generellen und der konkreten Form keinen Widerspruch
konstruieren.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417210700
Nun hat der Kollege
Dr. Lippelt eine Zusatzfrage.


Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417210800

Herr Staatsminister, können Sie den Kollegen nicht mal
den Unterschied zwischen der Intensität eines Gesprächs,
das im Rahmen der allgemeinen Libyenpolitik geführt
worden ist, und eines Gesprächs zwischen dem amerika-
nischen Präsidenten und dem deutschen Bundeskanzler,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: In der Geheimhaltung!)


das, wie wir aus den Zeitungen wissen, anderthalb oder
zwei Stunden gedauert hat


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Auch das ist geheim!)


und bei dem in einer Tour d’Horizon über sehr viele The-
men gesprochen worden ist, erklären?


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Woher weiß er das?)


Denn wenn man diesen Unterschied richtig reflektiert,
stellt man fest, dass bei letzterem Gespräch über das De-
tail Libyen nur in sehr allgemeiner Form gesprochen wor-
den sein kann.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Er bricht Geheimhaltungsvorschriften! Er weiß, was da besprochen wurde!)


– Ich habe Schlussfolgerungen aus der Länge der
Gespräche gezogen; das ist Ihnen offensichtlich schwer
zugänglich.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das dürfen Sie alles gar nicht wissen!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417210900
Herr Staatsminister.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417211000
Bei Gesprächen zwischen Staatschefs ist es in der
Regel so, dass eine Fülle von Themen abgehandelt wer-
den, meistens hinsichtlich der Ergebnisse und nicht mit al-
len Details, während die Details bei den vorbereitenden
Gesprächen, die auf der Ebene von Beamten oder auch
von Staatssekretären bzw. Staatsministern geführt wer-
den, sehr genau besprochen werden. Die Ergebnisse die-
ser Detailbesprechungen erhält das Kanzleramt natürlich
immer zur Kenntnis; das dient dann zur Vorbereitung der
Chefgespräche.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417211100
Nun hat der Kollege
Polenz eine Zusatzfrage. Bitte sehr.


Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1417211200
Herr Staatsminister,
zur Beantwortung – oder sollte ich besser sagen: zur Ab-
wehr – unserer Fragen verweisen Sie häufig darauf, dass
Sie Vorgänge, die unter Bruch der Geheimhaltungsvor-
schriften an die Öffentlichkeit gelangen, nicht kommen-
tieren könnten. Nun haben wir heute vom Außenminister
gehört, das Außenministerium habe eine Taskforce einge-
richtet, um zu untersuchen, wo das Leck war, durch das
diese Informationen in die Öffentlichkeit gelangt sind.
Meine Frage ist: Erstreckt sich die Kompetenz dieser
Taskforce nur auf Ermittlungen im Hinblick auf Bediens-
tete, die dem Auswärtigen Amt unterstehen, oder ist auch
das Kanzleramt einbezogen?


(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Steiner-Protokoll!)


D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417211300
Zunächst einmal: Die Veröffentlichung dieses Pro-
tokolls bedeutet einen Gesetzesbruch, ein Dienstvergehen
und zudem einen Vertrauensbruch im kollegialen
Zusammenhang. Deshalb wird dem nachgegangen. Der
Außenminister hat dazu im Auswärtigen Amt – dafür ist
er zuständig – eine Sonderarbeitsgruppe eingerichtet.

Ich gehe davon aus, dass auch andere Ministerien in
ihren Häusern nach denkbaren undichten Stellen suchen.
Solange kein Beweis für eine konkrete Täterschaft – so
muss man es nennen – auf dem Tisch liegt, halte ich es
nicht für angebracht, irgendwen zu verdächtigen.






(C)



(D)



(A)



(B)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417211400
Nun hat der Kollege
Schmidt noch eine Zusatzfrage.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1417211500
Herr Staats-
minister, Sie haben davon gesprochen, dass Sie davon
ausgehen, dass in anderen Ministerien eine Untersuchung
stattfindet, dass Sie es aber nicht wissen. Heißt das, dass
Sie das Kanzleramt ausschließen und dass Sie den Begriff
„undichte Stellen“ auf das Kanzleramt grundsätzlich nicht
anwenden wollen?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417211600
Herr Schmidt, solche Drahtberichte gehen übrigens
vom Auswärtigen Amt nicht nur an das Kanzleramt, son-
dern auch an andere Ministerien. Ich möchte ganz expli-
zit hinzufügen, dass Drahtberichte oft auch an den Deut-
schen Bundestag bzw. an dessen Ausschüsse gehen, weil
auch Abgeordnete ein Informationsbedürfnis haben. Des-
halb halte ich die Konzentrierung Ihrer Frage auf das
Kanzleramt für nicht legitim.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417211700
Nun rufe ich die
Frage 39 des Kollegen Christian Schmidt (Fürth) auf:

Wenn ja, warum hat die Bundesregierung diese Information
nicht der zuständigen Staatsanwaltschaft im noch laufenden „La
Belle“-Prozess in Berlin zur Verfügung gestellt?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417211800
Herr Schmidt, der Bundesregierung liegen keine
Erkenntnisse vor, wonach Libyen hinsichtlich des „La
Belle“-Attentats eine Tatbeteiligung eingestanden hat. In-
sofern waren keine Informationen an die zuständige
Staatsanwaltschaft weiterzuleiten.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417211900
Zusatzfrage eins.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1417212000
Herr Staats-
minister, bemüht sich die Bundesregierung auch während
des Fortgangs des Strafverfahrens, von Libyen eine Ex-
Gratia-Entschädigung für die bedauerlicherweise noch
immer nicht entschädigten und bis heute unter ihren kör-
perlichen Schädigungen leidenden Opfer dieses Disko-
thekenanschlags von 1986 zu erreichen?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417212100
Herr Schmidt, die Bundesregierung versteht das An-
liegen, das Sie zum Ausdruck bringen, und teilt es. Wir
verstehen das Anliegen der Angehörigen der Opfer bzw.
der überlebenden Opfer nach Entschädigung. Diese Frage
wird der libyschen Seite immer vorgelegt, wenn nicht so-
gar die libysche Seite das selber anspricht, weil sie ja
weiß, dass eine Klärung dieser Probleme Voraussetzung
für eine Normalisierung der Beziehungen ist.

Die libysche Seite weist aber immer wieder darauf hin,
dass sie keine Entschädigungsleistungen erbringen kann,
solange nicht in einem ordentlichen Gerichtsverfahren
eine libysche Täterschaft bzw. Mittäterschaft festgestellt
worden ist. Das ist bis heute nicht der Fall. Dennoch ist
dies immer Gesprächsthema.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417212200
Zusatzfrage zwei.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1417212300
Herr Staats-
minister, verstehen Sie, dass ich mit Rücksicht auf die
Würde des Hauses an Sie die Frage nicht richte, ob der
besagte Ministerialdirektor Steiner wie weiland Jakob
Mierscheid eine virtuelle Figur ist oder ob er tatsächlich
existiert?


(Ilse Janz [SPD]: Auf virtuelle Fragen würde ich keine Antwort geben!)


D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417212400
Herr Schmidt, dazu kann ich Ihnen nur sagen, dass
wir generell ein Interesse daran haben, dass sich Libyen
in die internationale Staatengemeinschaft reintegriert. Li-
byen hat entsprechende Signale ausgesendet. Wir spre-
chen deshalb auf allen Ebenen intensiv miteinander. Das
hat auch Ministerialdirektor Steiner getan. Dabei machen
wir den Libyern deutlich, dass der von mir gerade be-
zeichnete Komplex gelöst werden muss, bevor es zu einer
vollständigen Normalisierung kommen kann.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417212500
Nun rufe ich die
Frage 40 der Kollegin Bonitz auf:

Warum hat der sicherheitspolitische Berater im Bundeskanz-
leramt, Ministerialdirektor Michael Steiner, die Passage des von
Botschafter Jürgen Chrobog verfassten Protokolls, die das Ge-
spräch zwischen Michael Steiner und dem libyschen Staatschef
Muammar al-Gaddafi behandelt, nicht korrigiert, wenn er sie für
missverständlich oder falsch wiedergegeben hielt?

Herr Staatsminister, bitte sehr.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417212600
Frau Bonitz, ich verweise erneut auf meine Ein-
gangsbemerkung zur Frage 36: Zum Inhalt von Doku-
menten, die unter Verletzung von Geheimhaltungsvor-
schriften an Unbefugte gegeben wurden, kann die
Bundesregierung hier öffentlich ebenso wenig Stellung
nehmen wie zu abgeleiteten Fragen. Dazu hat jedoch Herr
Steiner heute Morgen vor dem zuständigen Ausschuss
vertraulich vorgetragen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417212700
Zusatzfrage eins.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1417212800
Herr Staatsminister, ich
erlaube mir zunächst die Anmerkung, dass ich nicht nur
nicht Mitglied des Auswärtigen Ausschusses bin und da-
her diesen Informationsstand nicht habe,


(Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber da sitzt der Sprecher!)


sondern dass ich mich auch in meinen parlamentarischen
Rechten verletzt sehe, wenn ich von Ihnen diese Informa-
tion zu einem inzwischen öffentlich intensiv behandelten
Thema nicht bekomme. Ich frage Sie deshalb: Warum hat
kein Verantwortlicher, weder Herr Botschafter Chrobog
noch Kanzlerberater Steiner noch Außenminister Fischer
noch Bundeskanzler Schröder die Brisanz der Libyen be-
treffenden Passage im Protokoll bemerkt?






(C)



(D)



(A)



(B)


D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417212900
Erstens, Frau Bonitz, kann ich diese Wertung von
Ihnen nicht teilen


(Karl Lamers [CDU/CSU]: Dann können Sie es ja veröffentlichen!)


und zweitens bleibe ich dabei, dass bestimmte außenpoli-
tisch sensible Fragen vor dem entsprechenden Gremium,
vor dem Auswärtigen Ausschuss, unter einem Geheimhal-
tungsgrad besprochen werden.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417213000
Zusatzfrage zwei.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1417213100
Eine ganz kurze Anmer-
kung: Da Sie diese Wertung nicht nachvollziehen können,
heißt das, dass Sie die Brisanz nicht erkennen, obgleich es
im Grunde genommen völlig egal ist, ob nur eine falsche
Wiedergabe eines zutreffenden Gesprächsinhaltes erfolgt
ist oder eine richtige Wiedergabe eines unzutreffenden
Gesprächsinhaltes.


(Ilse Janz [SPD]: Hier sollte keine Wertung gemacht werden, sondern es sollten Fragen gestellt werden!)


Ich stelle daraufhin folgende Frage: Hat es, nachdem
dem Kanzleramt und dem Außenministerium aufgrund
der öffentlichen Berichterstattung klar geworden ist, dass
hier eine Brisanz vorliegen könnte, unmittelbar Ge-
spräche zwischen Herrn Chrobog und Herrn Steiner ge-
geben, um diese entsprechende Passage, die ich für feh-
lerhaft halte – Sie stellen sie möglicherweise als
Missverständnis dar –, zu klären? Ich meine den Zeitraum
– ich präzisiere das –, bevor offiziell zur Sitzung des Aus-
wärtigen Ausschusses eingeladen worden ist.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417213200
Frau Bonitz, ich kommentiere diese Passage weder
dahin gehend, dass sie richtig sei, noch dahin, dass sie
falsch sei, noch dahin, dass sie ein Missverständnis ge-
wesen sein könnte. Alle legitimen Adressaten haben die
Stelle so verstanden, wie man sie nur verstehen konnte.
Für alle legitimen Adressaten war völlig klar, dass dies,
bezogen auf die bilateralen Beziehungen zu Libyen, keine
solche Veränderung war, dass man sich intensiver damit
hätte befassen müssen. Das Problem entstand lediglich
mit der rechtsmissbräuchlichen Veröffentlichung dieses
Papiers.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417213300
Nun hat der Kollege
Schockenhoff eine Zusatzfrage.


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1417213400
Herr
Staatsminister, gehören zu den von Ihnen erwähnten legi-
timen Adressaten auch ausländische Regierungen und wie
erklären Sie sich die offizielle Stellungnahme eines
amerikanischen Regierungssprechers, der sich gegen Ver-
suche verwahrt, die Zuständigkeit für die Veröffentli-
chung in die Nähe der amerikanischen Administration zu
rücken?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417213500
Die amerikanische Seite, mit der wir, sobald diese
Dinge in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, auf vielen
Ebenen direkt Kontakt aufgenommen haben, hat uns ge-
genüber deutlich erklärt, dass sie diesem Vorgang keine
Bedeutung beimisst und auch nicht irritiert ist. Das hat der
amerikanische Außenminister gestern noch dem unseren
versichert. Auch der amerikanische Regierungssprecher
hat sich in dieser Richtung eingelassen.


(Abg. Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU] meldet sich zu einer weiteren Zusatzfrage)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417213600
Sie kommen mit
Ihren Fragen gleich dran, Herr Kollege. Eine Zusatzfrage
haben Sie jetzt nicht.

Aber der Kollege Gehrcke hat eine Zusatzfrage. Bitte
sehr.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417213700
Herr Staatsminister, da
Sie vor kurzem dem Hause gesagt haben, Sie könnten
nicht zahlenmäßig belegen, wie viele legitime Adressaten
es gab, jetzt aber gesagt haben, dass alle legitimen Adres-
saten die Stelle richtig verstanden haben, frage ich Sie:
Wie kommen Sie auf diese gewagte Schlussfolgerung?


(Heiterkeit bei der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417213800
Herr Gehrcke, ich habe nicht gesagt, dass ich nicht
alle Adressaten belegen kann, sondern dass ich nicht alle
belegen will, weil das ebenfalls ein Vertraulichkeitsbruch
wäre.


(Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenn der Inhalt dieses Textes Anlass zu einer Verän-
derung unserer Politik gegeben hätte, dann wäre er im
Hause mit Sicherheit nicht unkommentiert zur Kenntnis
genommen worden.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417213900
Ich rufe die Frage 41
der Kollegin Bonitz auf:

Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung unter-
nommen, um eine Entschädigung der „La Belle“-Opfer zu errei-
chen, insbesondere auch im Hinblick auf die Erzielung einer
außergerichtlichen Einigung, wie diese in vergleichbar gelagerten
Fällen in Frankreich und Großbritannien möglich war?

Herr Staatsminister, bitte.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417214000
Frau Bonitz, der Bundesregierung liegen keine In-
formationen vor, wonach es im Fall Lockerbie zwischen
Großbritannien und Libyen eine außergerichtliche Eini-
gung über eine Entschädigung gegeben habe. Im Falle des
Anschlags auf eine französische UTA-Maschine hat es
eine Verständigung zwischen Frankreich und Libyen über
Entschädigungsfragen gegeben, nachdem eine libysche
Tatbeteiligung durch rechtskräftiges Strafurteil festge-
stellt war und Libyen dies als Grundlage für Kompensati-
onsleistungen akzeptiert hatte.






(C)



(D)



(A)



(B)


Inwieweit von Libyen eine Entschädigung der „La
Belle“-Opfer verlangt werden kann, hängt daher zunächst
von der Frage einer libyschen Tatbeteiligung ab. Diese
Frage ist Gegenstand eines laufenden Strafverfahrens vor
dem Berliner Landgericht. Im Übrigen hat die Bundesre-
gierung klare Hinweise darauf, dass Libyen nur dann in
einen Dialog über Entschädigungen eintreten wird, wenn
der „La Belle“-Prozess abgeschlossen und eine libysche
Tatbeteiligung durch Strafurteil festgestellt ist. So hat der
libysche Außenminister in einer Rede vor der VN-Voll-
versammlung am 14. September letzten Jahres in Bezug
auf Lockerbie jegliche Entschädigungsforderung vor ei-
nem Urteil strikt abgelehnt.

Gerade im Interesse der Opfer an einer baldigen
Klärung der Entschädigungsfrage hat sich die Bundesre-
gierung kontinuierlich für die zügige Durchführung des
Rechtshilfeersuchens des Berliner Landgerichtes einge-
setzt, um im Prozess voranzukommen. So konnten im Ok-
tober letzten Jahres in Tripolis Zeugenvernehmungen
durchgeführt werden, an denen ein Vertreter der Staats-
anwaltschaft und ein Ermittlungsbeamter teilnahmen. Bei
meinem eigenen Besuch in Libyen am 17./18. April die-
ses Jahres hat mir der stellvertretende libysche Außenmi-
nister zugesagt, dass sein Land die weiteren Ermittlungen
deutscher Staatsanwälte unterstützen wird.

Die Bundesregierung hofft deshalb auf einen baldigen
Abschluss des Verfahrens, sodass auf der Grundlage einer
gerichtlichen Entscheidung gegebenenfalls sofort kon-
krete Schritte zugunsten der Opfer und ihrer Entschädi-
gung unternommen werden können.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417214100
Zusatzfrage eins.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1417214200
Zunächst herzlichen
Dank für die Antwort, es ist ja tatsächlich mal eine. Da so-
wohl Libyen als auch die Bundesregierung ein Interesse
daran haben müssen, dass es zu einem Urteil kommt, in
dem dann möglicherweise eine Tatbeteiligung Libyens
festgestellt wird, frage ich konkret nach: Welche konkre-
ten Erkenntnisse aus ihren zahlreichen Gesprächen mit li-
byscher Seite hat die Bundesregierung von sich aus an das
Landgericht Berlin weitergegeben, um hier den Prozess-
fortschritt zu befördern?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417214300
Wie ich soeben schon ausführte, haben wir das Er-
suchen des Landgerichts Berlin, dort Zeugenbefragungen
durchführen zu können, unterstützt. Das hat zu dem eben
von mir dargestellten Erfolg geführt. Bei meinem jüngs-
ten Besuch in Libyen habe ich das noch einmal nach-
drücklich vertreten und die erwähnte Zusage von liby-
scher Seite bekommen.

Ansonsten: Die Recherche der Umstände obliegt dem
Gericht und ist nicht Aufgabe der Regierung.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417214400
Zusatzfrage zwei.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1417214500
Da in dem Landgerichts-
prozess das geheime Protokoll mit der entsprechenden

Passage zu Libyen eine Rolle spielt und die Bundesregie-
rung dies, so glaube ich, bislang nicht an die Staatsan-
waltschaft weitergegeben hat, frage ich mich, ob denn ei-
gentlich niemandem, der dieses Protokoll gelesen hat,
aufgefallen ist, dass diese Passage des Protokolls eine Re-
levanz für diesen Prozess haben könnte. Muss ich davon
ausgehen, dass keiner der Empfänger dieses Protokolls
die Brisanz erkannt hat, dass es nur diplomatische Dilet-
tanten in diesem Bereich gibt, die die Brisanz einer solchen
Passage für einen Gerichtsprozess nicht erkennen können?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417214600
Frau Bonitz, dass dieses Protokoll eine Rolle spielt,
ist Ihre Wertung. Es gibt keine Anfrage der Staatsanwalt-
schaft an das Auswärtige Amt dieses Protokoll betreffend.
Von daher wissen Sie vielleicht mehr als alle anderen Pro-
zessbeteiligten. Die meisten jedenfalls schließen sich im
Moment Ihrer Einschätzung hinsichtlich der historischen
Bedeutsamkeit des Dokumentes offensichtlich nicht an.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417214700
Nun kommen wir zur
Frage 42 des Kollegen Dr. Schockenhoff:

Treffen Presseberichte zu, nach denen es im Zusammenhang
mit der Veröffentlichung des Gesprächsprotokolls von Botschaf-
ter Jürgen Chrobog vom 31.März 2001 zu Streitigkeiten zwischen
dem Auswärtigen Amt und dem Bundeskanzleramt gekommen ist,
und ist nach Auffassung der Bundesregierung vor dem Hinter-
grund der Umstände der Veröffentlichung des Gesprächsproto-
kolls weiterhin eine vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit
der Abteilung Außenpolitik des Bundeskanzleramtes und ihres
Leiters, Ministerialdirektor Michael Steiner, mit dem Auswärtigen
Amt, insbesondere mit den Vertretungen der Bundesrepublik
Deutschland im Ausland, gegeben?

Bitte sehr, Herr Staatsminister.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417214800
Herr Schockenhoff, derartige Presseberichte sind
falsch. Die Zusammenarbeit zwischen dem Bundeskanz-
leramt und dem Auswärtigen Amt wird auch in Zukunft
eng und vertrauensvoll sein.


(Joachim Günther [Plauen] [F.D.P.]: Das sollen wir nun glauben!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417214900
Zusatzfrage eins.


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1417215000
Herr
Staatsminister, ist in der Bundesregierung darüber geredet
worden, ob vertrauliche Gespräche des Bundeskanzlers
mit anderen Staats- und Regierungschefs auch künftig in
Anwesenheit von Ministerialdirektor Steiner geführt wer-
den können? Gehen Sie davon aus, dass auch andere Re-
gierungs- und Staatschefs in Anwesenheit von Ministerial-
direktor Steiner glauben, vertrauliche Gespräche blieben
vertraulich?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417215100
Wir gehen davon aus, dass durch diese Indiskretion,
die höchst ärgerlich ist, kein nachhaltiger Schaden
entstanden ist. Gestern haben zum Beispiel vertrauliche Ge-
spräche über die sensibelsten NATO-Fragen stattgefunden.




Staatsminister Dr. Ludger Volmer

16829


(C)



(D)



(A)



(B)


Wie der Bundeskanzler seine Delegation, seinen Berater-
stab zusammenstellt, ist ihm überlassen. Das sollte man
von dieser Seite aus nicht kommentieren.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417215200
Zusatzfrage zwei.


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1417215300
Herr
Staatsminister, Sie haben hier vorher schon unterstrichen,
die amerikanische Regierung habe betont, sie messe die-
ser Angelegenheit keinerlei Bedeutung zu. Wie erklären
Sie sich die Tatsache, dass die amerikanische Regierung
diese Äußerung seit etwa einer Woche mehrfach täglich
wiederholt?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417215400
Sehen Sie, Sie müssen sich schon entscheiden, ob
Sie den Schaden, der nicht da ist, herbeireden wollen oder
ob Sie daran mitwirken, dass kein Schaden entsteht.


(Sylvia Bonitz [CDU/CSU]: Der ist doch schon entstanden!)


Die Bundesregierung hat jedenfalls in dem Moment, wo
dies ein öffentliches Thema wurde, mit der amerikani-
schen Seite auf verschiedenen Ebenen darüber gespro-
chen. Man ist sogar den Text selbst durchgegangen und
hat dabei gemeinsam festgestellt, dass er keinen Anlass
für Irritationen bietet.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417215500
Nun kommt eine Zu-
satzfrage des Kollegen Schmidt.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1417215600
Herr Staats-
minister, Sie hatten – wenn ich Sie richtig verstanden habe –
mitgeteilt, dass dem Auswärtigen Amt bis heute noch
keine Anfrage von der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des
als historisch oder nicht historisch einzuschätzenden Do-
kuments vorliegt. Wie erklären Sie sich das vor dem Hin-
tergrund, dass zum einen – wenn ich mich recht entsinne –
an dem Tag, an dem der Artikel in der „Frankfurter Allge-
meinen Zeitung“ stand, sich der zuständige Oberstaatsan-
walt in einer der Abendnachrichten der öffentlich-rechtli-
chen Sender äußerst verwundert darüber gezeigt hat, dass
die Staatsanwaltschaft über dieses Dokument nicht in
Kenntnis gesetzt worden ist, und sinngemäß geäußert hat,
die Staatsanwaltschaft werde sich darum bemühen, dieses
Dokument zu erhalten, und dass zum anderen Regierungs-
sprecher Uwe-Karsten Heye bereits kurz darauf mitgeteilt
hat, Herr Steiner werde Aussagegenehmigung in dieser
Frage erhalten, was doch darauf hinweist, dass die Staats-
anwaltschaft zumindest hinsichtlich der Zeugenverneh-
mung Anträge gestellt haben muss?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417215700
Der Antrag auf Zeugenvernehmung von Herrn
Steiner steht in der Tat. Die Bundesregierung berät zur-
zeit, inwieweit eine Aussagegenehmigung erteilt werden
kann. Ein Ersuchen nach Aushändigung dieses Gespräch-
sprotokolls ist bis jetzt noch nicht eingegangen.

Es ist verständlich, dass sich der Staatsanwalt auf der
Basis der öffentlichen Berichterstattung Gedanken darüber
macht, ob dies ein verwertbares Beweismittel sein könnte.
Diese Debatte zielt auf einen konkreten Punkt, nämlich
auf die Frage, ob Gaddafi eine libysche Tatbeteiligung of-
fiziell eingestanden hat. Ich sage daher noch einmal in
aller Deutlichkeit: Ein solches konkretes Tateingeständnis
der libyschen Seite gibt es nicht.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417215800
Nun kommt eine Zu-
satzfrage des Kollegen Polenz.


Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1417215900
In dem von „Spiegel
online“ veröffentlichten Protokoll heißt es wörtlich:

MD Steiner berichtet über seine Gespräche mit
Gaddafi in Libyen. Dieser habe eingestanden, dass

(„La Belle“, Lockerbie)


Sie haben heute ausgeführt, dass jeder, der im ordent-
lichen Verteiler war, diese Äußerung im Protokoll nur
richtig habe verstehen können, nämlich dass es – entge-
gen dem klaren Wortlaut – kein Eingeständnis Gaddafis
gewesen sei. Wird die Bundesregierung das auch dem Ge-
richt so vortragen?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417216000
Herr Kollege, dieses Protokoll werde ich aus den
mehrmals erläuterten Gründen nicht kommentieren. Ich
kann Ihnen aber noch einmal bestätigen, dass Libyen seit
geraumer Zeit Anstrengungen unternimmt, seine interna-
tionalen Beziehungen zu normalisieren, und dass wir als
Bundesrepublik ein Interesse daran haben, daran mitzu-
wirken. So wollen wir Libyen etwa in den euro-mediter-
ranen Dialog einbeziehen und es dafür gewinnen, die
maghrebinische Union wieder in Kraft zu setzen.

Bevor in diesem Sinne wieder eine vollständige Ein-
beziehung in die internationalen Beziehungen stattfinden
kann, muss dieser Gesamtkomplex gelöst werden. Dazu
gehören Stichworte wie Lockerbie und „La Belle“, wobei
wir als Deutsche ein besonderes Interesse an der Aufar-
beitung des „La-Belle“-Komplexes haben.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417216100
Nun kommt die Kol-
legin Grießhaber mit einer Zusatzfrage.


Rita Grießhaber (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417216200

Herr Staatsminister, Herr Kollege Schockenhoff hat sich
in seiner Zusatzfrage nach den Reaktionen in den USAer-
kundigt.

Ich war letzte Woche mit dem Unterausschuss Vereinte
Nationen in den Vereinigten Staaten. Es war erstaunlich,
dass diese Frage weder bei den Kongressabgeordneten
noch bei den Senatoren noch sonst irgendwo von Interesse
war. Kein Mensch hat sich dafür interessiert. Haben auch
Sie den Eindruck, dass diese Frage in den USA und den
dortigen Medien keinesfalls die gleiche Bedeutung hat
wie hier, wo ein Sturm im Wasserglas entstanden ist?




Staatsminister Dr. Ludger Volmer
16830


(C)



(D)



(A)



(B)


D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417216300
Weder hat die Substanz der Gespräche zwischen der
deutschen und der libyschen Seite solch neue Erkennt-
nisse gebracht, dass die internationale Politik eine Wende
vornehmen müsste, noch hat sich in den USA ein nen-
nenswerter Teil der Öffentlichkeit dafür interessiert, dass
in Deutschland jemand per Rechtsbruch ein Dokument
veröffentlicht hat.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417216400
Nun kommt der Kol-
lege Spranger mit einer Zusatzfrage.

Allmählich müssen wir etwas darauf achten, dass auch
die anderen Fragesteller noch an die Reihe kommen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Interessant ist es trotzdem!)



Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID1417216500
Frau Präsidentin,
ich glaube, man sollte es der Opposition, den Fragestel-
lern überlassen, wie viele Fragen gestellt werden.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417216600
Es gibt ja auch noch
weitere Fragen aus der Opposition. Diese will ich auch
noch zulassen dürfen. Das ist doch das Problem.


Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID1417216700
Zu diesem
Thema kann man gar nicht genug Fragen stellen; das spürt
man doch.

Herr Staatsminister, Sie sagen, das Steiner-Protokoll
sei in der Libyen-Passage falsch. Können Sie uns dann
noch andere Passagen aus diesem Protokoll nennen, die
ebenfalls falsch sind? Sie können sich hier doch nicht se-
lektiv zu bestimmten Passagen äußern.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417216800
Herr Steiner – –


(Heiterkeit)

– Sorry, Herr Spranger. Sie sehen, mit wem ich Sie schon
verwechsle.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417216900
Das kommt davon,
wenn man mit virtuellen Personen zu tun hat. – Herr
Staatsminister, bitte sehr.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417217000
Herr Spranger, ich habe diese Passage nicht als
falsch bezeichnet, sondern ich habe sie nicht kommen-
tiert. Dabei bleibe ich. Die Vermutung allerdings, Gaddafi
habe ein konkretes Schuldeingeständnis abgegeben – diese
Vermutung wurde, von wem auch immer, in den letzten
Wochen geäußert –, ist falsch; ein solches Eingeständnis
hat es nicht gegeben.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417217100
Nun kommt die Frage
der Kollegin Bonitz.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1417217200
Herr Staatsminister, da
Sie nicht kommentieren wollen, ob die Passage, um die es
geht, richtig, falsch oder auch nur widersprüchlich ist,
frage ich Sie, ob Sie ausschließen können, dass Herr
Steiner durch seine Äußerungen zumindest den Eindruck
erweckt hat, dass ein Gespräch des in den Protokollen zi-
tierten Inhalts stattgefunden habe.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417217300
Das kann ich nicht bestätigen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417217400
Nun kommt die
Frage 43:

Hat Ministerialdirektor Michael Steiner bei seinem Gespräch
mit dem libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi darauf hinge-
wirkt, dass sich Libyen an der Aufklärung der Hintergründe des
Anschlages auf die Diskothek „La Belle“ in Berlin konstruktiv be-
teiligt, und wie gedenkt sich die Bundesregierung in Zukunft für
die Opfer des Anschlages auf die Diskothek „La Belle“ einzuset-
zen und sich gegenüber Libyen dafür zu verwenden, dass sich
Libyen an der Aufklärung der Hintergründe des Attentates betei-
ligt und Entschädigung leistet?

Bitte sehr, Herr Staatsminister.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417217500
Herr Schockenhoff, ich nehme auf meine Antwort
auf die Frage 41 der Abgeordneten Bonitz Bezug und
weise noch einmal darauf hin, dass die Frage einer liby-
schen Tatbeteiligung Gegenstand eines laufenden Straf-
verfahrens ist. Um die Hintergründe des Attentats aufzu-
klären, hat das Gericht ein Rechtshilfeersuchen nach
Libyen übermittelt. Nicht zuletzt aufgrund der intensiven
Bemühungen des Auswärtigen Amtes hat Libyen der
Durchführung der Rechtshilfe zugestimmt und Zeugen-
vernehmungen in Tripolis zugelassen. Im Übrigen wieder-
hole ich auch an dieser Stelle, dass die Bundesregierung
auf einen baldigen Abschluss des Verfahrens hofft, sodass
auf der Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung gege-
benenfalls sofort konkrete Schritte zugunsten von Opfern
und deren Entschädigung unternommen werden können.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417217600
Erste Zusatzfrage.


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1417217700
Herr
Staatsminister, Sie haben eben gesagt, Libyen versuche
seit geraumer Zeit, seine Beziehungen zu anderen Staaten
zu normalisieren. Aus dem an die Öffentlichkeit gelang-
ten Steiner-Protokoll vernehmen wir, dass Libyen seit
„geraumer Zeit“ dem Terrorismus abgeschworen habe.
Lässt sich daraus die logische Folgerung ableiten, dass es
vor geraumer Zeit anders gewesen sein könnte?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417217800
Ohne nun auf das von Ihnen gerade zitierte Proto-
koll Bezug zu nehmen, kann ich sagen, dass wir uns mit
der libyschen Seite in einer intensiven politischen Dis-
kussion befinden: über die libysche Vergangenheit, ihre
heutige Distanzierung vom Terrorismus und ihre An-
sprüche und Wünsche, in die internationale Staatenge-
meinschaft reintegriert zu werden. Man muss sich nur






(C)



(D)



(A)



(B)


einmal die Geschichte der Dekolonialisierung in Afrika
und in der arabischen Welt anschauen, dann erkennt man
sofort, dass damals zu Mitteln gegriffen wurde, die man
in anderen historischen Situationen – jedenfalls vor dem
Hintergrund unserer Werte und des Völkerrechts – nicht
akzeptieren kann. Libyen räumt ein, dass es in dem Pro-
zess der Dekolonialisierung zu solchen Mitteln gegriffen
hat, und distanziert sich heute davon. Libyen nimmt da-
von heute ganz klar und unseres Erachtens auch glaub-
würdig Abstand und vertritt nunmehr die Auffassung,
dass sich ein Land nicht selbst isolieren darf, indem es zu
Mitteln greift, die von der Völkergemeinschaft nicht ak-
zeptiert werden.

Libyen sucht uns als Ansprechpartner, um über uns den
Dialog mit der Europäischen Union und mit der westli-
chen Staatengemeinschaft insgesamt zu erreichen. Es gibt
allerdings auch ein sehr stark nach Afrika gerichtetes
Interesse. So ist gestern die Afrikanische Union, die auf
Betreiben Gaddafis zustande kam, offiziell gegründet
worden. Libyen schwankt also in seiner Orientierung zwi-
schen einer afrikanischen und einer europäischen Option.
Wir wollen Libyen dafür gewinnen, eine Brücke zwischen
diesen beiden Kontinenten zu schlagen. Voraussetzung
für eine solche Politik ist allerdings, dass die hier intensiv
erörterten Fragen, wie die Komplexe „La Belle“ und
Lockerbie, für alle Seiten befriedigend gelöst werden.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417217900
Eine Zusatzfrage der
Kollegin Grießhaber.


Rita Grießhaber (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417218000

Herr Staatsminister, Sie haben eben von den Bemühungen
berichtet, Libyen wieder in die internationale Staatenge-
meinschaft einzubinden. Können Sie sagen, wie weit dies
beispielsweise über den so genannten Barcelona-Prozess
abläuft?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417218100
Durch den Barcelona-Prozess, mit dem die Bezie-
hungen zwischen der EU und den afrikanischen Mittel-
meeranliegerstaaten organisiert werden, versuchen wir,
Libyen einzubinden. Libyen hatte bei der letzten Tagung
einen Beobachterstatus. Auch bei meinem letzten Besuch
in Tripolis habe ich die libysche Seite eingeladen, sich
weiter an diesem Prozess zu beteiligen.

Es gibt allerdings eine gewisse Zurückhaltung, weil die
Libyer nicht genau wissen, wie die westliche bzw. euro-
päische Seite auf ihre Signale reagiert, sich aus ihrer Ver-
gangenheit zu lösen und einer neuen Politikform zuzu-
wenden. In dem Maße, wie wir den Dialog – auch bilate-
ral – pflegen und Fehlperzeptionen abbauen, die auf bei-
den Seiten im Spiel sind, wird es möglich sein, Libyen ge-
rade auch in den Barcelona-Prozess zu integrieren. Wir
sollten diese Chance ergreifen. Sie alle wissen, dass
Libyen aus der Sicht mancher westlicher Staaten als be-
sonders besorgniserregend gilt. Aber auch in der amerika-
nischen Diskussion schneidet Libyen in der Bewertung
seit einigen Tagen erheblich besser ab, als es noch im letz-
ten Jahr der Fall war.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417218200
Jetzt laufen wir Ge-
fahr, in eine Libyen-Debatte einzutreten.

Herr Dr. Schockenhoff hat noch eine Frage. Bitte sehr.


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1417218300
Sie haben
die von Ihnen beschriebene Verhaltensweise, Herr Staats-
minister, als neue Politikform bezeichnet. Wie war denn
die alte Politikform – „vor einigen Tagen“?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417218400
Herr Schockenhoff, Sie wissen doch, wie sich Be-
freiungs-, wie sich Dekolonialisierungsprozesse abspiel-
ten: So mancher Staat, der sich auf der Basis eines
Dekolonialisierungsprozesses gebildet hatte, wurde vom
Westen nicht gerade willkommen geheißen. Oft suchte
man sein Glück in der Anlehnung an den seinerzeit noch
bestehenden gegnerischen Block und hat dabei Poli-
tikformen entwickelt, die nach unserem Werte-, Rechts-
und Völkerrechtsverständnis nicht akzeptabel sind.

Wichtig ist, dass Staaten, die aus einer solchen Vergan-
genheit gelernt haben und sich umorientieren wollen,
diese Umorientierung erleichtert wird, ohne dabei die
Aufarbeitung der alten Komplexe außer Acht zu lassen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417218500
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Polenz.


Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1417218600
Es ist sicherlich sehr
begrüßenswert, dass die Bundesregierung die Politik ver-
folgt, dabei zu helfen, Libyen wieder in die internationale
Staatengemeinschaft zurückzuführen. Glauben Sie, dass
die Protokollveröffentlichung diesem Ziel gedient hat?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417218700
Herr Polenz, ich glaube nicht, dass sie geschadet hat.
Die libysche Seite fragt natürlich nach den Hintergrün-
den. Sie bekommt eine ordentliche Antwort.


(Karl Lamers [CDU/CSU]: Geben Sie sie uns auch mal!)


Ansonsten: Ich habe mir bei meinem letzten Besuch
erlaubt, meinen direkten Counterpart, den stellvertre-
tenden Außenminister, für den Herbst nach Deutschland
einzuladen. Ich würde mich freuen, wenn er die Gelegen-
heit hätte, auch mit der CDU/CSU-Fraktion zu reden.


(Karl Lamers [CDU/CSU]: Vielleicht würden wir dann mehr erfahren!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417218800
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Dr. Lippelt.


Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417218900

Herr Staatsminister, können Sie angesichts der letzten
Frage des Herrn Schockenhoff ihm ein bisschen über die
Wandlung von Jomo Kenyatta oder den Führer des ANC
in Südafrika erzählen, die heute in aller Welt sehr aner-
kannt sind?




Staatsminister Dr. Ludger Volmer
16832


(C)



(D)



(A)



(B)


D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417219000
Für eine solche Wandlung, Herr Kollege Lippelt,
gibt es viele Beispiele. Ich erinnere mich an eine Diskus-
sion über die PLO, die wir hier vor einigen Monaten in der
Fragestunde hatten.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417219100
Nun rufe ich die
Frage 44 des Kollegen Eckart von Klaeden auf:

Wird sich die Bundesregierung beim amerikanischen Präsi-
denten George W. Bush und den Staats- und Regierungschefs der
weiteren von der „Protokoll-Affäre“ der Bundesregierung betrof-
fenen Staaten für den entstandenen Schaden an Vertrauen und
Glaubwürdigkeit in die deutsche auswärtige Politik entschuldigen
und wenn ja, in welcher Weise wird dies geschehen?

Herr Staatsminister, das ist die letzte Frage zu diesem
Komplex.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417219200
Herr Kollege, die Bundesregierung bedauert die un-
befugte Weitergabe vertraulicher Aufzeichnungen, die
einen gravierenden Verstoß gegen Geheimhaltungsvor-
schriften darstellt. Unser enges und vertrauensvolles Ver-
hältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika wird je-
doch durch diesen Vorgang nicht belastet. Dies sieht auch
die amerikanische Seite so.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417219300
Zusatzfrage eins.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1417219400
Herr Staatsmi-
nister, Sie haben jetzt mehrfach erklärt, durch den Vor-
gang sei kein außenpolitischer Schaden entstanden. Als
Antwort auf diese Erklärung des Auswärtigen Amtes vor
einiger Zeit hat der Staatspräsident Russlands, Wladimir
Putin, Folgendes gesagt: Mit dem Steiner/Chrobog-Proto-
koll werde das Ziel verfolgt, „die Beziehungen zwi-
schen Russland und der Europäischen Union, zwischen
Russland und Deutschland zu zerstören“.

Meine Frage: Ist das kein außenpolitischer Schaden?
Was wäre eigentlich nach Ihren Maßstäben ein außenpo-
litischer Schaden?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417219500
Herr von Klaeden, Sie haben richtig zitiert, was Herr
Putin für den Schaden gehalten hat: Er hat nicht den Ge-
halt des Protokolls für den Schaden gehalten, sondern des-
sen Veröffentlichung. Das halten auch wir für rechtsmiss-
bräuchlich.


(Sylvia Bonitz [CDU/CSU]: Hat er sich über den Gehalt gefreut?)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417219600
Zweite Zusatzfrage.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1417219700
Herr Staatsminis-
ter, Sie haben zwar zugestanden, dass der Vorgang ärger-
lich sei, aber gleichzeitig meine Klassifizierung als
„Panne“ zurückgewiesen. Muss ich dann davon ausge-
hen, dass es sich um einen systematischen Fehler gehan-
delt hat?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417219800
Herr von Klaeden, wir müssen erst einmal fragen:
Was war das eigentliche Problem? Das Problem war die
Veröffentlichung.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das war keine Panne?)


– Das war mehr als eine Panne. Ich habe vorhin deutlich
gesagt: Das war ein Rechtsbruch, ein Dienstvergehen, und
das war ein Vertrauensbruch. In diesem Sinne wird das
auch behandelt werden. Wir werden den Dingen ganz de-
zidiert nachgehen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417219900
Eine Zusatzfrage von
Herrn Dr. Lippelt.


Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417220000

Herr Staatsminister, würden Sie mir darin zustimmen,
dass bei Indiskretionen solcher Art, die es in der Ge-
schichte ja öfter gegeben hat, die Bewertungen von
Staatsmännern gelegentlich auch positiv ausfallen,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Jetzt ganz besonders!)


wie in diesem Fall die Bewertung des russischen Präsi-
denten Putin – ich glaube nicht, dass ihn das geärgert hat,
denn er ist sehr positiv dabei weggekommen –,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: In dem Bericht?)


während andere Bemerkungen wie beispielsweise die,
dass ein Land mehr Kapital in dunkle Kanäle ins Ausland
fließen lässt, als es einnimmt, im Zusammenhang mit den
Schulden für ein solches Land vielleicht ganz heilsam
sind, sodass die Frage des Schadens, der hier entstanden
ist, durchaus von zwei Seiten gesehen werden kann und
nicht so eindeutig ist, wie die Opposition es immer meint?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417220100
Herr Kollege, Sie verstehen, dass ich dies nicht
kommentieren kann,


(Karl Lamers [CDU/CSU]: Das verstehe ich gut!)


weil Sie ebenfalls Bezug genommen haben auf einen
Text, den ich nicht kommentieren darf.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417220200
Eine Zusatzfrage des
Herrn Kollegen Brecht.


Dr. Eberhard Brecht (SPD):
Rede ID: ID1417220300
Herr Staatsminister,
können Sie bestätigen, dass die amerikanische Öffent-
lichkeit einen so genannten außenpolitischen Schaden
aufgrund der illegalen Veröffentlichung des Washingtoner
Protokolls nicht konstatiert und dass die amerikanische
Öffentlichkeit den ganzen Vorgang wenn überhaupt, dann
nur amüsiert wahrnimmt als eine innerdeutsche Angele-
genheit?






(C)



(D)



(A)



(B)


D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417220400
Herr Kollege Brecht, genau den Eindruck kann ich
bestätigen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417220500
Nun kommt die
Kollegin Bonitz mit einer Zusatzfrage.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1417220600
Herr Staatsminister, wer
übernimmt in welcher Form die Verantwortung für die
eklatanten Fehler, die im Zusammenhang mit der Abfas-
sung und der Verteilung des Protokolls gemacht wurden?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417220700
Frau Kollegin Bonitz, ich kann eklatante Fehler we-
der bei der Abfassung noch bei der Verteilung bestätigen.
Ich kann eine Fehlhandlung bestätigen, das ist die
Veröffentlichung dieses Protokolls. Das war mehr als ein
Fehler, das war eine Straftat.


(Sylvia Bonitz [CDU/CSU]: Verantwortung übernehmen Sie aber nicht!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417220800
Nun kommt der Kol-
lege Spranger.


Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID1417220900
Herr Staatsmi-
nister, wenn die Bemerkungen über bestimmte Staats-
männer in diesem Steiner-Protokoll so positive Auswir-
kungen haben, wie Sie dies im Zusammenhang mit
Präsident Putin deklariert haben, warum veröffentlichen
Sie dann nicht den gesamten Bericht? Vielleicht sind dann
andere auch noch positiv berührt.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417221000
Herr Spranger, das ist eine politische Diskussion,
die Sie vielleicht mit dem Kollegen Lippelt führen sollten.


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417221100
Jetzt wird es allmäh-
lich so, dass ich sagen muss: Es reicht mit diesem Fra-
genkomplex – Herr Dr. Schockenhoff, bitte sehr.


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1417221200
Frau Prä-
sidentin, ich wollte meine Frage eigentlich zurückziehen,
aber Ihre Bemerkung „Jetzt reicht es allmählich“ veran-
lasst mich dazu, sie doch zu stellen.

Kann man die Frage des Kollegen Lippelt so interpre-
tieren, dass die Bundesregierung die Veröffentlichung
dieses Protokolls gezielt und beabsichtigt vorgenommen
hat, um eine positive Bewertung des russischen Staats-
präsidenten zu provozieren?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417221300
Nein.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417221400
Herr Kollege, meine
Ermahnung „Jetzt reicht es allmählich“ hat sich darauf be-

zogen, dass ich auch für die Ernsthaftigkeit einer Debatte
verantwortlich bin. Deswegen erlaube ich mir, gelegent-
lich darauf hinzuweisen, dass noch andere Fragen gestellt
wurden.


(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Ich verwahre mich gegen diese Bewertungen! Es geht um Ihre Ernsthaftigkeit!)


Herr Kollege Polenz, bitte.


Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1417221500
Herr Staatsminister,
bei der Frage nach einem möglichen außenpolitischen
Schaden haben Sie darauf verwiesen, dass der russische
Präsident Putin die Indiskretion als Provokation verurteilt
habe. Das ist sicherlich richtig.

Treffen nach Ihren Erkenntnissen Presseberichte zu,
wonach die erste Reaktion des russischen Staatspräsi-
denten war, bei dem Protokoll könne es sich nur um eine
Fälschung handeln?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417221600
Das ist mir nicht bekannt. Dazu kann ich Ihnen
nichts sagen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417221700
Jetzt hat die Kollegin
Kopp eine Zusatzfrage.


Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1417221800
Herr Staatsminister, sehen Sie
sich dazu in der Lage, uns zu sagen, welche Konsequen-
zen organisatorischer oder sonstiger Art Sie aus dieser so
genannten „Protokoll-Affäre“ ziehen?


(Sylvia Bonitz [CDU/CSU]: Personeller Art!)


D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417221900
Eine Konsequenz ist schon gezogen worden: Der
Außenminister hat – wie ich vorhin schon ausgeführt
habe – die Vorschriften dahin gehend modifiziert, dass ab
dem 23. Mai Chefgespräche in der Skala der Geheim-
haltungsgrade höher angesiedelt werden. Zudem hat das
Auswärtige Amt die vorher schon erwähnte Sonder-
arbeitsgruppe eingesetzt, die recherchieren soll, wo sich
das Leck befindet; dabei ist nicht bewiesen, dass sich das
Leck im Auswärtigen Amt befinden muss.


(Sylvia Bonitz [CDU/CSU]: Kann ja auch im Kanzleramt sein!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417222000
Herr Kollege Erler
hat eine Zusatzfrage.


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1417222100
Herr Staatsminister, nachdem
wir hier mehrfach Zeuge von Sorgen unserer Kollegen
über eine eventuelle, aber nicht zutreffende Störung des
deutsch-amerikanischen Verhältnisses geworden sind:
Würden Sie meine Auffassung teilen, dass man, wenn
man ernstlich Sorgen hinsichtlich einer Störung dieses
Verhältnisses hat, jetzt am ehesten einen Beitrag zu einem
guten, gedeihlichen Verhältnis beider Staaten leisten
könnte, indem man die von den Amerikanern eher






(C)



(D)



(A)



(B)


belächelte Behandlung dieses Falles zu einem Abschluss
bringt? Wäre das nicht der beste Dienst, den man zu-
gunsten eines guten Verhältnisses zwischen Deutschland
und Amerika leisten könnte?


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Demokratische Kontrolle einstellen!)


D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417222200
In der Tat, Herr Kollege, auch ich vertrete diese Mei-
nung.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist klar!)


Die Bundesregierung räumt ein, dass es ein gravierendes
Problem gab, nämlich die Veröffentlichung. Man sollte
aber nicht den gesamten Komplex derartig aufblasen, dass
man annehmen könnte, es ginge um mehr als um genau
dieses Problem. Ich denke, es wäre ein Zeichen von poli-
tischer, insbesondere außenpolitischer Verantwortlich-
keit, wenn man sich daran beteiligte, den öffentlichen
Schaden zu begrenzen.


(Sylvia Bonitz [CDU/CSU]: Totschweigen!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417222300
Das wusste ich: Jetzt
hat der Herr Kollege Lamers eine Zusatzfrage. Bitte sehr.


Karl Lamers (CDU):
Rede ID: ID1417222400
Herr Staatsminister, wür-
den Sie meiner Feststellung zustimmen, dass das gravie-
rende Problem, von dem Sie gerade gesprochen haben,
nur wegen des Inhalts entstehen konnte?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417222500
Ich möchte es einmal so ausdrücken: Derjenige, der
das veröffentlicht hat, meinte, dem Inhalt eine Bedeutung
zumessen zu können, die wir als legitime Adressaten nicht
entdecken können.


(Lachen bei der CDU/CSU)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417222600
Es gibt keine weiteren
Zusatzfragen.

Die Frage 45 des Kollegen von Klaeden ist zurückge-
zogen.

Wir sind damit am Ende dieses Komplexes, der Dring-
lichkeitsfragen und der Fragen im Zusammenhang mit
diesem Fragekreis. Ich bedanke mich bei Herrn Staats-
minister Dr. Volmer, der die Fragen beantwortet hat.

Wir fahren nun in der normalen Reihenfolge fort. Die
Frage 1 des Kollegen Fuchtel zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie wird
schriftlich beantwortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Arbeit und Sozialordnung. Die Fragen zu die-
sem Komplex, das sind die Fragen 2 und 3, werden eben-
falls schriftlich beantwortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Gesundheit. Zur Beantwortung der Fragen

steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun
Schaich-Walch zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Dietmar Schlee auf:
Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung auf die

Bundesrepublik Deutschland von der in der Schweiz angestrebten
Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes, mit der der Anbau
und Verkehr von Cannabis legalisiert und der Konsum harter Dro-
gen einschließlich der damit zusammenhängenden Vorbereitungs-
handlungen geduldet werden sollen?

Frau Staatssekretärin, bitte sehr.

G
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1417222700
Herr Kollege, die
Auswirkungen der geplanten Schweizer Drogengesetzge-
bung hängen vom Ausgang der parlamentarischen Bera-
tungen und dem endgültigen Wortlaut der neuen Drogen-
vorschriften ab. Ob, wann und mit welchem Inhalt die
neuen Vorschriften in der Schweiz in Kraft treten werden,
entscheidet der dortige Gesetzgeber. Die Bundesregie-
rung beteiligt sich nicht an Spekulationen darüber.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417222800
Zusatzfrage Nummer
eins.


Dietmar Schlee (CDU):
Rede ID: ID1417222900
Frau Staatssekretärin,
Sie wissen ja, dass es die so genannte Alpeninformations-
partnerschaft gibt. Hat die Bundesregierung dieses für uns
so wichtige Thema, das für Deutschland nachhaltige Aus-
wirkungen haben könnte, im Rahmen der Alpeninforma-
tionspartnerschaft zum Gesprächsgegenstand gemacht?

G
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1417223000
Sie hat es in diesem
Rahmen nicht zum Gesprächsgegenstand gemacht. Aber
ich kann Ihnen versichern, dass mit der Schweiz über
dieses wichtige Thema bereits auf Minister- und Staats-
sekretärebene Gespräche geführt worden sind und dass
wir den Schweizer Kolleginnen und Kollegen unsere Be-
fürchtungen mit auf den Weg gegeben haben.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417223100
Zusatzfrage Nummer
zwei.


Dietmar Schlee (CDU):
Rede ID: ID1417223200
Frau Staatssekretärin,
können Sie mir zusagen, dass Sie die Bedenken, die die
Bundesregierung nach den Gesprächen des zuständigen
Ministers und des Staatssekretärs mit den Schweizer
Behörden offensichtlich hat, auch im Rahmen der Alpen-
informationspartnerschaft zum Ausdruck bringen wer-
den? Es wäre sicherlich auch wichtig, die Vertreter der
Grenzregionen wie zum Beispiel des Landes Baden-
Württemberg in die Gespräche einzubeziehen.

G
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1417223300
Das sage ich Ihnen
gerne zu.


Dietmar Schlee (CDU):
Rede ID: ID1417223400
Vielen Dank.




Gernot Erler

16835


(C)



(D)



(A)



(B)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417223500
Keine weiteren Zu-
satzfragen. Dann rufe ich die Frage 5 des Kollegen
Dietmar Schlee auf:

Teilt die Bundesregierung die Sorge, dass diese Legalisierung
eine erhebliche Sogwirkung auf Konsumenten und Dealer auslö-
sen und damit der grenzüberschreitende Drogentourismus nach-
haltig gefördert wird?

Frau Staatssekretärin, bitte.

G
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1417223600
Die Bundesregie-
rung nimmt jeden Vorgang sehr ernst, der einen Anstieg
des Handels mit und des Konsums von illegalen Drogen
in Deutschland auslösen könnte. Die Drogenpolitik der
Bundesregierung stellt sicher, dass auf solche Vorgänge
jeweils effizient und ausgewogen reagiert werden kann,
zum einen durch verstärkte Aufklärung, Beratung und
Hilfe insbesondere für junge Drogenkonsumenten, zum
anderen durch gezielte Fahndungsmaßnahmen der Poli-
zei, des Zolls und des Bundesgrenzschutzes.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417223700
Zusatzfrage Nummer
eins, bitte sehr.


Dietmar Schlee (CDU):
Rede ID: ID1417223800
Frau Staatssekretärin,
vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Bundesin-
nenminister und auch der zuständige Staatssekretär be-
reits mit den Schweizer Stellen Gespräche geführt haben,
frage ich Sie, ob die Bundesregierung der Meinung ist,
dass die Schweiz neben den Niederlanden zum zentralen
Drogenumschlagplatz in Europa werden würde, wenn das
dort geltende Betäubungsmittelgesetz tatsächlich so no-
velliert werden würde, wie es geplant ist.

G
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1417223900
Die Frage, ob die
Schweiz zum zentralen Drogenumschlagplatz in Europa
werden würde, kann man erst dann beantworten, wenn
man den genauen Wortlaut der Schweizer Gesetze kennt.
Wir haben in den Gesprächen – an einem habe ich per-
sönlich teilgenommen – auf unsere Befürchtung hinge-
wiesen, dass es unter Umständen Probleme in den deut-
schen Grenzregionen geben könnte, wenn bestimmte
Sicherheitsmaßnahmen in der Schweiz nicht eingehalten
würden.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417224000
Zusatzfrage Nummer
zwei.


Dietmar Schlee (CDU):
Rede ID: ID1417224100
Frau Staatssekretärin,
Sie haben gerade gesagt, dass es in den angrenzenden
Bundesländern besondere Probleme geben könnte. Hat
die Bundesregierung mit den betroffenen Bundesländern
bereits „Sicherheitsgespräche“ geführt, in denen deutlich
gemacht worden ist, welche Konsequenzen aus der
Schweizer Gesetzgebung gezogen werden müssten? Wird
zum Beispiel daran gedacht, Einheiten des Bundesgrenz-
schutzes vermehrt einzusetzen?

G
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1417224200
Ich hatte bereits ge-
sagt, dass wir uns im entsprechenden Fall auf Präventions-
und Fahndungsmaßnahmen von Zoll und Bundesgrenz-
schutz kaprizieren werden. Ich kann Ihnen auch mitteilen,
dass die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, die in
der betroffenen Grenzregion beheimatet ist und die die
speziellen Auswirkungen auf die Grenzregion genau
kennt, bereits Gespräche über die Frage führt, wie man im
entsprechenden Fall auf deutscher Seite reagieren könnte
und was man in Bezug auf bessere Aufklärung und besse-
ren Schutz an der Grenze unternehmen kann.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417224300
Weitere Zusatzfragen
gibt es nicht. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.

Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Bildung und Forschung. Die
Fragen 6 und 7 werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht Frau Staatsse-
kretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Wolfgang
Dehnel auf:

Vergibt die Bundesregierung die für die Länder aus den
UMTS-Erlösen bereitgestellten Infrastrukturmittel direkt an Pro-
jekte, und werden die Prioritäten der Verteilung durch den Bund
oder von den Ländern festgelegt?

Frau Staatssekretärin, bitte.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1417224400
Danke schön, Frau Präsi-
dentin.

Herr Kollege Dehnel, Ausgaben für die Infrastruktur
im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms der Bun-
desregierung werden ausschließlich aus dem Einzel-
plan 12 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen geleistet. Im Bereich der Einzelpläne
der Bundesministerien für Wirtschaft, für Umwelt sowie
für Forschung und Bildung werden keine Infrastruktur-
projekte im engeren Sinne gefördert. Diese Mittel werden
vielmehr zur Intensivierung der Energieforschung, zur
Förderung der Genomforschung und regionaler Wachs-
tumskerne bzw. für neue Akzente bei der Hochschulför-
derung und bei den beruflichen Schulen genutzt. Eben-
falls nicht zu den Infrastrukturmaßnahmen in diesem
Sinne gehören die Mittel des CO2-Minderungspro-gramms der Bundesregierung.

Soweit nach den Infrastrukturprojekten im Verkehrs-
wegebereich gefragt wird, ist zunächst das Ortsumge-
hungsprogramm hervorzuheben, das 125 namentlich
benannte Ortsumgehungsprojekte enthält. Die Bundesre-
gierung und die Koalitionsfraktionen haben dies in Um-
setzung des vom Parlament verabschiedeten Bedarfspla-
nes so beschlossen. Die Umsetzung, etwa die jährliche
Dotierung der Maßnahmen und die Festlegung des jewei-
ligen Baubeginns, bleibt den Bund-Länder-Finanzie-
rungsprogrammbesprechungen vorbehalten.

Die Schienenwegeinvestitionen als Schwerpunkt des
Zukunftsinvestitionsprogramms umfassen circa 40 000Ein-






(C)



(D)



(A)



(B)


zelmaßnahmen zur Netzsanierung, verteilt auf 22 Netzre-
gionen. Die Aufstockung der Investitionsmittel dient
insbesondere der Sanierung und Modernisierung des
Oberbaus: Langsamfahrstellen sollen abgebaut, Leit- und
Sicherungstechniken erneuert sowie Brücken- und Tun-
nelbauten instand gesetzt werden. Darüber hinaus erlau-
ben es die zusätzlichen Mittel, im Bau befindliche Vorha-
ben des Bedarfsplans Schiene zügiger fortzusetzen. Dabei
setzt die DBAG als selbstständiges Unternehmen die vom
Bund bereitgestellten Investitionsmittel weitgehend ei-
genverantwortlich ein.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417224500
Zusatzfrage eins.
Bitte sehr, Herr Kollege Dehnel.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1417224600
Frau Staatssekretä-
rin, ich habe Sie ganz konkret gefragt, inwieweit der Bund
Einfluss auf die Prioritätensetzung bei der Umsetzung
dieser Mittel nimmt, ob Sie zum Beispiel konkret Einfluss
darauf nehmen, welche Umgehungsstraßen in Sachsen
gebaut werden können oder ob das Land selbst festlegt,
welche Prioritäten dort zu setzen sind.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1417224700
Herr Kollege Dehnel, ich
hatte Ihnen gesagt, dass wir schon 125 namentlich be-
nannte Ortsumgehungsprojekte konkret definiert haben.
Zu denen gehören natürlich auch einige in Sachsen. Was
die Investitionen im Schienenbereich anbelangt, kommt
es – wie ich Ihnen eben abschließend auf Ihre Frage sagte
– auf die von der DB AG in eigener Verantwortung vor-
zuschlagenden Maßnahmen an. Das haben wir nicht kon-
kret festgelegt. Aber bei Ortsumgehungen gibt es 125 fest-
gelegte Projekte.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417224800
Nun kommt die
Frage 9 des Kollegen Dehnel:

Wie viele Mittel wurden bzw. werden für welche Projekte im
Freistaat Sachsen bewilligt?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1417224900
Herr Kollege Dehnel, im
Ortsumgehungsprogramm sind im Freistaat Sachsen fol-
gende Maßnahmen mit einem Volumen von insgesamt
150 Millionen DM zusätzlich zu den ohnehin eingeplan-
ten Mitteln in Höhe von 187Millionen DM aus den schon
bestehenden Hauptbautiteln konkret vorgesehen: B 180
Ortsumgehung Stollberg, B 95 Ortsumgehung Borna,
B 101 Ortsumgehung Meißen, zweiter Bauabschnitt, A17
Ortsumgehung Dresden-Kesselsdorf, B 173 Ortsumge-
hung Mylau, B 92 Ortsumgehung Oelsnitz im Vogtland
und B 6 zwischen A 14 und Gerichshain, zweiter Bauab-
schnitt. Vier substanzerhaltende Brückenmaßnahmen
sind vorgesehen, unter anderem an der Friedensbrücke in
Plauen.

Zu den Schienenwegeinvestitionen kann ich noch
keine Aussagen machen. Das bezieht sich natürlich auf
Sachsen genauso wie auf das gesamte Bundesgebiet. De-
tailplanungen der DBAG sind nicht vor Mitte dieses Jah-
res zu erwarten.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417225000
Erste Zusatzfrage,
bitte sehr.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1417225100
Ich möchte eine
Frage zur Höhe der Mittel stellen. Wird es aufgrund der
vorliegenden Haushaltslage irgendwelche Einschränkun-
gen geben – zum Beispiel wollen das Verteidigungsminis-
terium und das Verbraucherschutzministerium zusätzli-
che Mittel haben – oder sind die einmal festgelegten
Summen sichergestellt?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1417225200
Diese Summen sind si-
chergestellt. Sie können ganz allgemein auf die Verläss-
lichkeit der Haushaltspolitik dieser Bundesregierung ver-
trauen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417225300
Zweite Zusatzfrage.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1417225400
Inwieweit war der
Bund an der Prioritätensetzung der von Ihnen soeben vor-
genommenen Aufzählung beteiligt? Inwieweit war das
Land einbezogen? Haben beide zusammengearbeitet?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1417225500
Die Länder waren insofern
einbezogen, als sie die Maßnahmen im Rahmen des Bun-
desverkehrswegeplans natürlich schon vorher – mit Prio-
rität – angemeldet hatten. Wegen der beschränkten zur
Verfügung stehenden Mittel war die Umsetzung der Bau-
vorhaben bisher nicht vorgesehen, weil einfach nicht
genügend Geld da war. Mit dem zusätzlichen Geld – es ist
eine Menge; in Sachsen stehen, das ist sozusagen das ori-
ginäre Geld, 187 Millionen DM zur Verfügung und
150Millionen DM kommen dazu; das ist zwar nicht ganz,
aber fast eine Verdoppelung des originären Betrages –
kann einiges mehr gemacht werden.

Anhand der sowieso vorgelegten Prioritätenliste wer-
den die Vorhaben nun rascher abgearbeitet; insofern wa-
ren die Länder beteiligt. Selbstverständlich konnten in das
Ortsumgehungsprogramm – schließlich soll es rasch wir-
ken – nur diejenigen Maßnahmen aufgenommen werden,
für die das Planfeststellungsverfahren vollständig abge-
schlossen war.


(Wolfgang Dehnel [CDU/CSU]: Ich selbst hatte mich dafür eingesetzt, dass die Zinserlöse dort investiert werden!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417225600
Nun rufe ich die
Frage 10 des Kollegen Klaus Hofbauer auf:

Welche Chancen sieht die Bundesregierung zu einer verstärk-
ten Rückverlegung der Regionalpolitik bzw. Regionalförderung
von der EU-Ebene in die nationalen Zuständigkeiten?

Frau Staatssekretärin, bitte.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1417225700
Herr Kollege Hofbauer,
mit der Vorlage des zweiten Berichts der Europäischen




Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks

16837


(C)



(D)



(A)



(B)


Kommission über den wirtschaftlichen und sozialen
Zusammenhalt am 31. Januar 2001 ist die Diskussion über
die Zukunft der europäischen Strukturpolitik in einer er-
weiterten Europäischen Union von 27 Mitgliedstaaten
nach 2006 angelaufen. Im Rahmen dieser Diskussion
spielt auch die stärkere Rückverlegung von Kompetenzen
im Bereich der Regionalförderung auf die nationale
Ebene für die Bundesregierung eine wichtige Rolle.

Eine genauere, dem Subsidiaritätsprinzip entspre-
chende Kompetenzabgrenzung zwischen der EU und den
Mitgliedstaaten ist auch Thema der durch den Europä-
ischen Rat in Nizza eingeleiteten Debatte über die Euro-
päische Union. Die Meinungsbildung dazu in den anderen
Mitgliedstaaten hat allerdings gerade erst begonnen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417225800
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege? – Bitte sehr.


Klaus Hofbauer (CSU):
Rede ID: ID1417225900
Frau Staatssekretärin,
Sie wissen, dass im Rahmen der Verhandlungen nach Niz-
za auch ein Programm zur Förderung der Regionen in den
Beitrittsländern aufgelegt werden soll. Dieses Programm,
so wird von der EU signalisiert, soll nicht mit zusätzlichen
EU-Geldern ausgestattet werden. Können Sie sich vor-
stellen, dass in unserer Republik die Voraussetzungen ge-
geben sind, um ein solches Programm mit nationalen Mit-
teln auszustatten? Zum Beispiel ist geplant, die GA
aufzustocken bzw. zusätzliche Mittel zur Verfügung zu
stellen. Reichen die Vorgaben der EU aus, um dieses Pro-
gramm mit Leben zu erfüllen? Schließlich wird es ohne
zusätzliches Geld nicht umsetzbar sein.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1417226000
Herr Kollege Hofbauer, es
gibt unter den mittlerweile 15 Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Union eine schlüssige Verständigung darüber,
dass die Obergrenze der europäischen Mittel – 1,27 Pro-
zent des Bruttoinlandsproduktes der Europäischen Union –
nicht überschritten werden wird. Natürlich wächst das
Bruttoinlandsprodukt mit; insofern sind die 1,27 Prozent
eine dynamische Größe. Selbstverständlich ist es so, dass
Länder auf die ihnen bis dahin zugeflossenen Strukturför-
dermittel – teilweise oder vollständig – werden verzichten
müssen, wenn im Zuge des Beitrittsprozesses weitere
Länder zur Europäischen Union hinzustoßen.

Das Wesen der Europäischen Union ist, dass diejeni-
gen Länder, die Mitglied der Europäischen Union sind
oder werden, gleichsam an den Durchschnitt der Lebens-
verhältnisse in der Europäischen Union herangeführt wer-
den. Das bedeutet: Wenn jemand schon länger dabei ist
und diesen Durchschnitt bereits erreicht hat, dann wird er
in Zukunft auf Strukturfördermittel verzichten müssen,
weil diese in die neuen Mitgliedstaaten fließen müssen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417226100
Eine weitere Zusatz-
frage? – Bitte sehr.


Klaus Hofbauer (CSU):
Rede ID: ID1417226200
Frau Staatssekretärin,
ich möchte nachfragen. Es geht darum, dass nationale
Programme ausgebaut werden müssen, um diese Pro-

gramme für die Länder entlang der Grenze zu den Bei-
trittsländern mit Leben zu erfüllen. Es wird ja in Kürze ein
erster Entwurf vorgelegt, wie dieser Beschluss von Nizza
umgesetzt werden soll. Das hat zur Folge, dass verstärkt
nationale Gelder eingesetzt werden müssen, wenn EU-
Gelder nicht zur Verfügung stehen.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1417226300
Sie haben gerade schon die
Bedingung „wenn EU-Gelder nicht zur Verfügung ste-
hen“ genannt. Sie wissen natürlich, dass die Regionen, die
jetzt noch an der Außengrenze der Europäischen Union
liegen – beispielsweise Teile des Freistaates Sachsen und
des Freistaates Bayern oder Teile von Brandenburg und
Mecklenburg-Vorpommern –, in neue Förderprogramme
aufgenommen werden, die es bis jetzt noch nicht gab, weil
die so genannten Interreg-Fördermittel – das sind Mittel
aus einem EU-Förderprogramm – zielgerichtet gerade in
den Regionen eingesetzt werden, wo nach der Erweite-
rung eine neue Binnengrenze entsteht. Ich kann also im
Vorhinein nicht sagen, ob Ihre Vermutung richtig ist, dass
dann EU-Mittel nicht zur Verfügung stehen.

Im Übrigen mag es so sein, dass zum Beispiel im Rah-
men der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der re-
gionalen Wirtschaftsstruktur Schwerpunkte der Förde-
rung verlagert werden müssen. Dies bleibt aber dem
Planungsausschuss des Bundes und der Länder zur Ver-
teilung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe vorbe-
halten.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417226400
Die Frage 11 wird
schriftlich beantwortet.

Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des
Bundesministeriums der Finanzen. Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft. Der Parlamentarische Staatssekretär
Dr. Gerald Thalheim steht zur Beantwortung der Fragen
zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Helmut Heiderich
auf:

Wann beabsichtigt die Bundesregierung entsprechende recht-
liche Regelungen zur Feststellung eines Schwellenwertes für den
zufälligen Besatz von konventionellem Saatgut mit GVO-Be-
standteilen (GVO: Gentechnisch veränderte Organismen) zu
schaffen vor dem Hintergrund der jährlich wieder neu aufflam-
menden Debatten um die angebliche „Verunreinigung von Saat-
gut“ sowie in Befolgung der Empfehlungen der Wissenschaftler
in dem Sachstandsbericht des Büros für Technikfolgenabschät-
zung (TAB) „Risikoabschätzung und Nachzulassung-Monitoring
transgener Pflanzen“ vom November des Jahres 2000?

Herr Staatssekretär, bitte.

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1417226500
Sehr geehrter Herr Kollege Heiderich,
die saatgutrechtlichen Regelungen bieten ebenso wie das
Gentechnikrecht derzeit national keinen Spielraum, Tole-
ranzwerte für Verunreinigungen von Saatgut mit gentech-




Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
16838


(C)



(D)



(A)



(B)


nisch veränderten Organismen, so genannten GVOs, fest-
zulegen. Dafür müssen zunächst auf europäischer Ebene
die Voraussetzungen im Saatgutbereich geschaffen und
im Rahmen der novellierten Freisetzungsrichtlinie ent-
sprechende Durchführungsvorschriften zur Festlegung
von Schwellenwerten für die Kennzeichnung erlassen
werden.

Die Kommission hat aktuell für den Bereich des Saat-
gutrechts ein inoffizielles Arbeitspapier vorgelegt, das To-
leranzwerte für Verunreinigungen mit in der EU zugelas-
senen Konstrukten enthält. Unter Berücksichtigung des
Schwellenwertes bei Novel Food, der 1 Prozent beträgt,
wurde für Selbstbefruchter, wie zum Beispiel Mais, ein
Wert von 0,5 Prozent und für Fremdbefruchter, wie zum
Beispiel Raps, ein Wert von 0,3 Prozent vorgeschlagen.
Derzeit ist nicht absehbar, wann die Kommission einen
offiziellen Regelungsvorschlag unterbreiten wird. Sobald
Vorschläge hierzu vorliegen, wird die Bundesregierung
nach sorgfältiger Prüfung ihre Haltung festlegen.

Für in der EU nicht zugelassene Konstrukte sieht das
Kommissionspapier entsprechend der geltenden Rechts-
lage keine Toleranzwerte vor. Daraus ergibt sich vor allem
bei der Einfuhr von Saatgut eine besondere Problematik.
Die in Schleswig-Holstein Ende April von der Umwelt-
behörde Hamburg festgestellten Verunreinigungen mit
GVOs in zwei Maissaatgutpartien aus importiertem Saat-
gut waren durch nicht zugelassene Konstrukte – wie zum
Beispiel in einer Probe durch das Konstrukt Bt 176, des-
sen gentechnikrechtliche Genehmigung auf Forschungs-
und Beobachtungszwecke beschränkt ist – verursacht
worden. Ein unmittelbarer Bezug der Festsetzung von
Schwellenwerten zu dem in der Frage erwähnten Sach-
standsbericht des Büros für Technikfolgenabschätzung
wird nicht gesehen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417226600
Zusatzfrage? – Bitte
sehr, Herr Kollege.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1417226700
Herr Staatssekretär,
hat die Bundesregierung eigene Bemühungen in Form
von wissenschaftlichen Gutachten oder anderen Überle-
gungen zu dem Thema „Schwellenwerte“ unternommen,
um dieses in die Diskussion auf der europäischen Ebene
mit einzubringen?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1417226800
In dieser Richtung wurde bisher nichts
unternommen. Es gibt an der Stelle auch keinen Hand-
lungsbedarf; denn wie in meiner Antwort dargestellt, ist
die entscheidende Frage: Handelt es sich überhaupt um
Konstrukte, die in der Europäischen Union zugelassen
sind? Das Problem bei dem Fall in Schleswig-Holstein
besteht ja am Ende darin, dass es sich um Konstrukte, also
gentechnisch veränderte Organismen, handelt, für die es
in der Europäischen Union und auch in der Bundesrepu-
blik Deutschland überhaupt keine Zulassung gibt. Des-
halb kann die Forderung nur lauten, gar keine Toleranz
zuzulassen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417226900
Zusatzfrage zwei.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1417227000
Sie haben eben da-
von gesprochen, dass es auf der europäischen Ebene den
Entwurf für eine Durchführungsrichtlinie gibt. Hat die
Bundesregierung die Absicht, diese Durchführungs-
richtlinie, wenn sie denn verabschiedet ist, sofort in na-
tionales Recht umzusetzen?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1417227100
Wie ich in meiner Antwort dargestellt
habe, muss die Richtlinie erst einmal auf dem Tisch lie-
gen. Dann wird die Bundesregierung dazu Position bezie-
hen. Ich gehe davon aus, dass wir dann, wenn es zu einer
Verabschiedung auf europäischer Ebene kommt, auch
sehr schnell eine entsprechende Verordnung in Deutsch-
land erlassen werden, weil es natürlich auf diesem Ge-
biet – das zeigen die Vorgänge in Schleswig-Holstein –
Handlungsbedarf gibt.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417227200
Nun kommt die
Frage 13 des Kollegen Helmut Heiderich:

Hat die Bundesregierung für die Beurteilung der Frage, ob ein
Saatgut „verunreinigt“ ist oder nicht, bereits entsprechende Ver-
fahren der Probenahme und der Analyse festgelegt und für eine
objektive Ergebnisermittlung entsprechende Referenzlabors aner-
kannt, oder wann beabsichtigt sie dieses zu tun vor dem Hinter-
grund der Tatsache, dass verschiedene Proben derselben Partien
von Saatgut einmal keinerlei „Verunreinigungen“, ein andermal
Geringstspuren aufgezeigt haben und somit die Ergebnisse stark
vom Zufall abhängig sind und sich im Bereich der Nachweis-
grenze bewegen?

Herr Staatssekretär, bitte.

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1417227300
Herr Kollege Heiderich, die Überwa-
chung der Bestimmungen des Gentechnikrechts ist nach
§ 25 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik
Aufgabe der Länder. Im Rahmen dieser Überwachungs-
tätigkeit ist die Analyse von Stichproben zum Nachweis
gentechnischer Veränderungen sowie zur Charakterisie-
rung und Identifizierung von gentechnisch veränderten
Organismen unverzichtbar. Zurzeit steht hierfür nur ein
begrenztes Spektrum an standardisierten Untersuchungs-
verfahren zur Verfügung. Dies trifft insbesondere für
quantitative Analysen zu und erschwert insoweit eine
Aussage über den Grad der Verunreinigung.

Die Länderbehörden arbeiten bei der Methodenent-
wicklung zusammen. Die Erfahrungen aus der Lebens-
mittelüberwachung und die für diesen Bereich bereits eta-
blierten Methoden werden dabei auch für den Vollzug des
Gentechnikrechts genutzt. Um bei den Untersuchungen
von konventionellem Saatgut auf Verunreinigungen mit
GVOs möglichst vergleichbare Ergebnisse erreichen zu
können, wird ein einheitliches methodisches Vorgehen
in den Ländern angestrebt. Hierzu wurde ein Konzept
für ein einheitliches Vorgehen bei der experimentellen
gentechnischen Überwachung von GVO-Anteilen in




Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim

16839


(C)



(D)



(A)



(B)


konventionellem Saatgut entwickelt. Die für das Gen-
technikrecht zuständigen Länderbehörden werden bei der
Überwachung von den für das Saatgutrecht zuständigen
Länderdienststellen unterstützt. So wird die Probenahme
in der Regel von den Saatgutverkehrskontrollstellen nach
der Probenehmer-Richtlinie der Arbeitsgemeinschaft für
landwirtschaftliches Saat- und Pflanzgut in Amtshilfe
vorgenommen.

Referenzlabors wurden bislang noch nicht eingerich-
tet. Aus Sicht der Bundesregierung empfiehlt es sich,
diesbezüglich auch die Ergebnisse und Empfehlungen der
von der Kommission eingesetzten Arbeitsgruppe „Metho-
den zum Nachweis von Verunreinigungen durch gentech-
nisch veränderte Organismen in konventionellem Saat-
gut“ abzuwarten.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417227400
Alles klar? – Zusatz-
frage eins, bitte sehr.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1417227500
Herr Staatssekretär,
habe ich Sie richtig verstanden, dass die Bundesregierung
derzeit nicht die Absicht hat, solche einheitlichen stan-
dardisierten Verfahren zu entwickeln, und sich auch nicht
an der Entwicklung beteiligt?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1417227600
Sie interpretieren meine Aussage falsch.
Zuständig sind die Länder. Das ist als Erstes festzuhalten.
Die Länder bemühen sich gegenwärtig in Arbeitsgruppen,
sich auf einen einheitlichen Standard bei den Analyseme-
thoden, dem Probenahme-Verfahren und am Ende auch
der Einrichtung von Referenzlabors zu verständigen.
Natürlich stellen an der Stelle die ungeheure Dynamik der
Entwicklung und die Schwierigkeit, im Grenzbereich
– davon reden wir ja, denn die Nachweisgrenze beträgt
0,1 Prozent – quantitative Aussagen über die Verunreini-
gung mit GVOs machen zu können, Probleme dar.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417227700
Zusatzfrage zwei.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1417227800
Habe ich Sie eben
richtig verstanden, dass Sie in Ihren Ausführungen erklärt
haben, dass die bisherigen Verfahren nicht als standardi-
sierte Verfahren bezeichnet werden können und die bis-
herigen Ergebnisse doch sehr stark davon abhängig wa-
ren, wo sie gerade erhoben bzw. welche Verfahren
durchgeführt worden sind?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1417227900
Das Problem – so ist meine Antwort zu
verstehen – stellt sich insbesondere für die quantitative
Analyse. Bei dem Fall in Schleswig-Holstein, der die Dis-
kussion ausgelöst hat, ging es um die Frage, ob überhaupt
Konstrukte in dem Saatgut vorhanden waren, also nicht
um eine quantitative Aussage, sondern um die Frage des
Ob. Dafür sind die Methoden vorhanden. Hier war eine
zweifelsfreie Aussage möglich. Aber ich wiederhole: Das

Bemühen der Länder ist, zu einer Vereinheitlichung der
Verfahren und vor allem der Probenahmen zu kommen,
was insbesondere bei der Probenahme nicht schwierig ist,
da das Saatgutverkehrsgesetz vorgibt, wie so etwas zu er-
folgen hat.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417228000
Vielen Dank, Herr
Staatssekretär Thalheim.

Die Fragen 14 und 15 werden schriftlich beantwortet.
Damit haben wir die Fragen zu Ihrem Geschäftsbereich
abgearbeitet.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht
die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur
Verfügung.

Die Fragen 16, 17, 18 und 19 werden schriftlich beant-
wortet.

Ich rufe nun die Frage 20 des Kollegen Wolfgang
Gehrcke auf:

Warum hat der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf
Scharping – wie aus einem Artikel in der „Frankfurter Allgemei-
nen Zeitung“ vom 22. März 2001 zu schlussfolgern ist –, einen
Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die WDR-Sendung „Es
begann mit einer Lüge“ vom Februar 2001 zurückgezogen?

Frau Staatssekretärin, bitte.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1417228100
Herr Kollege Gehrcke, die kri-
tische öffentliche Reaktion auf den Film des WDR hat ge-
zeigt, dass die notwendige Auseinandersetzung auf breiter
Ebene stattgefunden hat. Rechtliche Schritte wären des-
halb nach Einschätzung des Bundesministeriums der Ver-
teidigung weniger hilfreich gewesen, zumal Bundesmi-
nister Scharping als Person nicht antragsberechtigt war.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417228200
Zusatzfrage, Herr
Kollege.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417228300
Frau Staatssekretärin,
zunächst freue ich mich, dass Sie die Fragen beantworten.

Könnten Sie mir Auskunft geben, in welchem Umfang
Rechtsanwaltskosten für die Prüfung, ob eine einstweilige
Verfügung beantragt wird oder nicht, entstanden sind und
wer die Kosten letztendlich tragen muss – der Steuer-
zahler über den Haushalt oder wer?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1417228400
Herr Kollege Gehrcke, es
sollte Ihnen bewusst sein, dass sich unter den 137 000 zi-
vilen Mitarbeitern der Bundeswehr ein nicht unbeträcht-
licher Teil an Juristen befindet. Über Kosten, die außer-
halb des Hauses angefallen sind, ist mir nichts bekannt.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417228500
Noch eine Zusatz-
frage, bitte sehr.




Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim
16840


(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417228600
Dann kann ich davon aus-
gehen, dass die Informationen, die mir zugänglich ge-
macht worden sind, nämlich dass 15 000 DM Rechtsan-
waltskosten und über 100 000 DM Recherchekosten
angefallen sind, nicht richtig sind?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1417228700
Das kann ich mir überhaupt
nicht vorstellen. Aber ich bin sehr gern bereit, das zu prü-
fen, wenn Sie mir Ihre Quelle nennen. Dann können wir
auch feststellen, wer diese Zahl entdeckt hat.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417228800
Nun kommt die
Frage 21 des Kollegen Gehrcke:

Auf welche Art hat die Bundesregierung im Zusammenhang
mit dieser Sendung eigene Recherchen angestellt?

Frau Staatssekretärin, bitte.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1417228900
Herr Kollege, es dürfte auch
Ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass am Anfang des
Kosovo-Konflikts leider schwerste Menschenrechtsver-
letzungen durch die jugoslawischen Sicherheitskräfte auf
Weisung des damaligen Präsidenten Milosevic standen,
die über Jahre hinaus ausgeführt wurden und Anfang 1999
ihren Höhepunkt fanden. Sie wissen auch genau, dass ge-
rade in der fraglichen ARD-Sendung die Bilder ausge-
spart worden sind, die den Beweis dafür erbracht haben
– deswegen auch die Empörung über den Bericht – und
die letzten Endes auch dazu geführt haben, dass nicht nur
die Bundesrepublik Deutschland, sondern auch andere
Staaten ein militärisches Eingreifen für notwendig hiel-
ten, um nicht noch größere Menschenrechtsverletzungen
zuzulassen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417229000
Zusatzfrage, bitte
sehr.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417229100
Frau Staatssekretärin,
das, was Sie mir geantwortet haben, ist mir, einschließlich
des Falles von Menschenrechtsverletzungen, für die das
Regime Milosevic verantwortlich gewesen ist, durchaus
bekannt. Danach hatte ich nicht gefragt. Was ich kenne,
muss ich nicht unbedingt erfragen. Ich hatte gefragt, ob im
Zusammenhang mit dem Filmbericht spezielle Recher-
chen im Kosovo vorgenommen worden sind.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1417229200
Vor dem Filmbericht hat sich
die Bundesregierung im Rahmen ihrer Entscheidung, die
sie auch dem Bundestag vorgelegt hat, sorgfältig über die
Lage im Kosovo informiert. Ich könnte Ihnen jetzt in der
Tat eine ganze Reihe von Fakten nennen, die Sie auch
kennen. Ich weiß das, deswegen tue ich das nicht. Diese
Ereignisse beginnen bereits vor 1999. Dies ist auch der
Vorwurf an die Sendung, dass sie all diese nachgewiese-
nen Fakten ausgespart hat. Deswegen mussten wir nicht
anschließend noch eigene Recherchen anstellen. Wir
wussten ja, angesichts welcher Fakten es zu dieser Ent-

scheidung gekommen ist. Ich bin sehr gern bereit, Ihnen
das alles noch einmal vorzutragen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417229300
Ich bedanke mich
nochmals – man wird ja auch dadurch klüger, dass Sachen
wiederholt werden –, dass Sie nur das wiederholen, was
mir schon bekannt ist, was uns allen hier bekannt war. Ich
hatte aber gezielt nach Recherchen im Zusammenhang
mit dem Filmbericht gefragt. Wenn Sie sagen, die Bun-
desregierung habe gar nicht erst recherchieren müssen,
weil sie schon alles gewusst habe, frage ich mich, warum
Sie sich nicht deutlicher und klarer, auch unter Nutzung
aller rechtlichen Möglichkeiten, mit dem Filmbericht aus-
einander gesetzt haben.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417229400
Herr Kollege, das ist
jetzt eher eine Intervention; außerdem ist es schon Ihre
dritte Frage und damit ohnehin an der Grenze.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417229500
Entschuldigung. – Meine
Frage: Gab es nach Erscheinen des Filmberichtes gezielt
spezielle Recherchen?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1417229600
Der Filmbericht hat nicht nur
das Bundesverteidigungsministerium entsetzt. Ich habe
ihn zufällig an dem Abend gesehen. Ich muss sagen: Bei
einer so einseitigen Darstellung brauchten wir, nach all
den Erfahrungen, die wir gemacht haben, im Grunde
keine zusätzlichen Recherchen, um festzustellen, dass
hier einwandfrei Manipulation betrieben worden ist.

Nun gehöre ich zu jenen langjährigen Abgeordneten,
die der Meinung sind, dass wir es in einer freien Gesell-
schaft ertragen können, wenn Medien Falschdarstellun-
gen vornehmen. Aber in diesem Fall war die Empörung so
groß, weil immerhin auch eine ganze Reihe von Soldatin-
nen und Soldaten aus der Bundesrepublik Deutschland
geholfen hatten, den Konflikt wieder einzuschränken.

Das sollten wir bei der ganzen Diskussion um diesen
Film nicht vergessen: Innerhalb der Sendung ist ein Zu-
sammenhang dargestellt worden, der meiner Meinung
nach nicht korrekt war. Dass sich das Verteidigungs-
ministerium daraufhin geäußert hat – es haben sich Gott
sei Dank auch eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen
des Hohen Hauses dazu geäußert –, halte ich für richtig
und notwendig. Auf der anderen Seite empfehle ich uns
immer eine größere Gelassenheit im Umgang mit den Me-
dien. Ich glaube, die Bürger sind in der Beurteilung sehr
viel klüger.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1417229700
Herr Kollege Erler
hat eine Zusatzfrage.


(V o r s i t z: Präsident Wolfgang Thierse)



Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1417229800
Frau Staatssekretärin, können
Sie bestätigen, dass dem Bundesverteidigungsministe-
rium eine ganze Reihe von Aussagen, zum Teil an Eides
statt geleistet, vorliegen, aus denen hervorgeht, dass die






(C)



(D)



(A)



(B)


Zeugen entweder falsch wiedergegeben werden oder dass
sie mit Äußerungen zitiert werden, ohne dass parallel ge-
machte Äußerungen, die der wiedergegebenen Äußerung
widersprechen, erwähnt werden, und dass in diesem Film
auch aus dem Zusammenhang gerissene Teile von Inter-
views mit ihnen auftauchen?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1417229900
Herr Kollege Erler, das will ich
Ihnen ausdrücklich bestätigen. Es ist positiv, dass sich ei-
nige sofort von sich aus gemeldet haben, weil sie über das,
was in dem Filmbericht dargestellt worden ist, relativ ent-
setzt waren; denn sie wollten ja eigentlich helfen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417230000
Damit kommen wir zu
Frage 22 des Kollegen Werner Siemann nach der Studier-
fähigkeit bzw. -eignung von Offiziersanwärtern:

Wie vielen Offiziersanwärtern wurde in den letzten drei Jah-
ren durch die Offizierprüfzentrale eine uneingeschränkte Studier-
fähigkeit, eine eingeschränkte Studierfähigkeit und keine Studien-
eignung attestiert und wie viele dieser Offiziersanwärter wurden
zum Studium zugelassen?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1417230100
Herr Kollege Siemann, die un-
terschiedlichen Offiziersverwendungen sehen überwie-
gend einen Ausbildungsgang mit Studium, für bestimmte
Bewerbergruppen und Verwendungen aber auch ohne
Studium vor. Sie selbst wissen, dass wir vor allen Dingen
jene länger – zwölf Jahre – dienenden Zeitsoldaten bzw.
diejenigen, die Berufsoffiziere werden wollen, nach Mög-
lichkeit mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium
einstellen bzw. sie dieses Studium bei uns erhalten sollen.

Die Offiziersbewerberprüfzentrale hat jedes Jahr circa
10 000 Offiziersbewerbungen. Von diesen eignen sich
80 Prozent allein daher, dass sie den formalen Abschluss
des Abiturs haben.

Dennoch haben wir in der Offiziersbewerberprüfzen-
trale die Erfolgswahrscheinlichkeit dieser Bewerber in
den gewünschten Studiengängen geprüft. Dabei unter-
scheiden wir drei Stufen: Die erste Stufe umfasst die Emp-
fohlenen, von denen wir glauben, dass sie nicht nur die
Offiziersausbildung, sondern auch das Studium erfolg-
reich abschließen können. In der zweiten Stufe sind die
mit Einschränkung Empfohlenen; die Bewerber in der
dritten Stufe werden nicht empfohlen, was ein bisschen
problematisch ist, wenn sie das Abitur haben.

Die Feststellung, dass trotz vorhandener Bildungsvo-
raussetzungen „keine Studieneignung“ vorliegt, wird aber
nicht getroffen. Es wird nur gesagt: nicht empfohlen. Die
Kategorisierung wird vorgenommen, um in Verbindung
mit der allgemeinen Offizierseignung Entscheidungskri-
terien für die Vergabe begrenzter Studienkapazitäten zu
haben.

In den letzten drei Jahren wurden im Ausbildungsgang
mit Studium für den Truppen- und Sanitätsdienst einge-
stellt:

1998: 1 643 Offiziersanwärter, Frauen und Männer.
Davon hatten 622 die Studienempfehlung Stufe 1, 1 021
Stufe 2, also mit Beschränkung empfohlen.

Im Jahr 1999 hatten wir eine ähnliche Zahl, nämlich
1 649 Offiziersanwärter. Davon hatten 483 Offiziersan-
wärter die Studienempfehlung Stufe 1, 1 110 Stufe 2 und
56 Stufe 3. Letztgenannte sind aber diejenigen, die wahr-
scheinlich nicht für ein Studium infrage kommen.

Im Jahr 2000 hatten wir 1 681Offiziersanwärter, davon
mit Studienempfehlung, also mit Stufe 1, 430, mit Stufe 2
1 122 und mit Stufe 3 129.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417230200
Eine Nachfrage des
Kollegen Siemann.


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1417230300
Frau Staatssekretärin,
die Zahlen, die Sie genannt haben, lassen erkennen, dass
sich die Anzahl derjenigen, die der Stufe 3 angehören, er-
höht hat. Kann man davon ausgehen, dass diesen Soldaten
aufgrund von Bewerberengpässen vermehrt eine Studien-
eignung zuerkannt werden wird, obwohl man weiß, dass
sie für ein Studium nicht qualifiziert sind?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1417230400
Als mir Ihre schriftlich einge-
reichte Frage und die entsprechende Antwort vorgelegt
wurden, habe ich genau die gleiche Frage gestellt und
habe dann zu meinem Interesse gehört, dass die Art und
Weise der Beurteilung, ob diese Soldaten wirklich ein
Studium abschließen können, im Rahmen der Studien-
empfehlung überarbeitet wird. Ich habe gefragt: Tut ihr
das, weil ihr nicht mehr genügend entsprechend qualifi-
ziertes Personal bekommt? Darauf wurde geantwortet:
Nein, sondern deshalb, weil die Beurteilungskriterien da-
hin gehend, wer den Hochschulabschluss wirklich schaf-
fen will, erst jetzt erarbeitet worden sind. – Ich bin sehr
gespannt auf die zukünftige Entwicklung. Herr Kollege,
ich bin gerne bereit, Sie darüber zu unterrichten.

Unter diesen 129 Offiziersanwärtern sind auch Perso-
nen, von denen wir glauben, dass sie als Zeitsoldaten für
ein Studium geeignet sind, die aber kein Interesse daran
haben, ein Studium abzuschließen. Da muss man abwar-
ten.

Ich habe ähnlich wie Sie gefragt, ob es nicht genug Of-
fiziersanwärter mit Studieneignung gibt. Da wurde geant-
wortet: Nein, es gibt ja in der Stufe 2 1 222 Offiziersan-
wärter; da sind wir in der Beurteilung hinsichtlich der
Studieneignung vorsichtiger. Damit haben wir eine aus-
reichende Zahl; denn wir brauchen in jedem Jahr etwa
1 400. – Bei den anderen handelt es sich, wenn Sie so wol-
len, um Personen, die ganz gezielt auf ein Studium ver-
zichten.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417230500
Eine zweite Nach-
frage des Kollegen Siemann.


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1417230600
Frau Staatssekretärin,
Sie hatten zu Beginn Ihrer Ausführungen, wenn ich das
richtig in Erinnerung habe, von 10 000 Bewerbern pro
Jahr gesprochen. Haben Sie konkrete Erkenntnisse dahin
gehend, dass diese Bewerberzahlen in den vergangenen




Gernot Erler
16842


(C)



(D)



(A)



(B)


Jahren deutlich zurückgegangen sind, und gibt es eine Be-
gründung dafür?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1417230700
Das habe auch ich mich ge-
fragt, als ich die Ergebnisse gesehen habe. Ich will Ihnen
ja, wie Sie wissen, eine vernünftige Auskunft geben.


(Werner Siemann [CDU/CSU]: Das bin ich so gewohnt!)


Nein, auch das ist nicht zutreffend. Um Ihnen noch
weiter entgegenzukommen, habe ich mir einmal die Zah-
len der Jahre von 1991 bis 1999/2000 angesehen und da-
bei festgestellt, dass es hinsichtlich der Einstellung Un-
terschiede gibt. Einen Tiefstand an Offizierseinstellungen
haben wir zum Beispiel in den Jahren 1993 und 1994 ge-
habt. Da erfolgte ja die Auflösung der Armee der ehema-
ligen DDR bzw. die Zusammenführung der beiden Ar-
meen und da bestand die Frage, wie groß der Bedarf ist.
Den höchsten Bedarf haben wir interessanterweise 1997
gehabt, und zwar deshalb, um die früheren niedrigeren
Zahlen ein Stück auszugleichen.

Ich sehe da eigentlich eine Kontinuität. Denn wir hat-
ten im Jahre 1998 1 788, im Jahre 1999 1 825 und im
Jahre 2000 sogar 1 866 Offizierseinstellungen. Ein Rück-
gang der Bewerberzahlen ist also zum jetzigen Zeitpunkt
nicht festzustellen.

Ich verhehle allerdings nicht, dass ich wie Sie die
Sorge habe, dass ein solcher Rückgang aufgrund der bes-
seren wirtschaftlichen Bedingungen und der schwächeren
Geburtenjahrgänge drohen kann. Aber es gibt dafür kei-
nen Nachweis. Das kann ich nach den Nachforschungen,
die ich extra betrieben habe, feststellen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417230800
Damit kommen wir
zur Frage 23 des Kollegen Siemann, zur Frage nach dem
Sachstand hinsichtlich der Einführung der Softwarepro-
gramme in die Bundeswehr:

Wie ist der Sachstand hinsichtlich der Einführung der Soft-
wareprogramme SAP/SASPF in die Bundeswehr, und wie ist der
Sachstand einer möglichen Übernahme von Teilprojekten des IT-
Direktors bzw. des IT-Amtes durch die Gesellschaft für Entwick-
lung, Beschaffung und Betrieb?

Bitte schön.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1417230900
Herr Präsident, nicht des Bun-
destages.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417231000
Ich habe gesagt: in die
Bundeswehr.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1417231100
Ja, das ist richtig. Ich habe ja
nur daran gedacht, dass wir das alles auch einmal im Bun-
destag ändern sollten.

Herr Kollege Siemann, die Strategie der Einführung
für eine Produktfamilie einer Standardanwendungssoft-

ware – das, Herr Präsident, war der Grund dafür, warum
ich an den Bundestag gedacht habe – für die Bundeswehr,
abgekürzt SASPF, in deren Zentrum die weltweit verbrei-
tete betriebswirtschaftliche Standardsoftware SAP R/3
der Firma SAP AG steht, wurde durch die Leitung des
Bundesministeriums der Verteidigung am 31. Oktober
2000 gebilligt. Vorangegangen war dem ja die Tatsache,
dass so viele unterschiedliche Softwareentscheidungen
und -regelungen bestanden.

Die Realisierung wurde als Teil des Pilotprojektes „Be-
trieb von administrativen Rechenzentren der Bundeswehr
und Einführung von SASPF“ aus dem Rahmenvertrag
„Innovation, Investition und Wirtschaftlichkeit in der
Bundeswehr“ vom 15. Dezember 1999 angewiesen. Für
die Ausschreibung dieses Pilotprojektes, das zusammen
mit den Pilotprojekten „Herstellung eines leistungsfähigen
Kommunikations- und Datennetzes für die Bundeswehr“
und „Ausbau und Aufbau der IT-Liegenschaftsnetze“ ver-
geben werden soll, wird derzeit eine Leistungsbeschrei-
bung fertig gestellt. Der öffentliche Teilnahmewettbewerb
soll im nächsten Monat beginnen. Das Vergabeverfahren
soll im Jahr 2002 noch vor der parlamentarischen Som-
merpause abgeschlossen werden.

Intern wird zurzeit die Programmorganisation SASPF
aufgebaut, in der Bedarfsdecker, Bedarfsträger und Indus-
trie gemeinsam für die Umsetzung der fachlichen Anfor-
derungen der Nutzer und der Prozesse verantwortlich sein
werden. Daneben werden Vorarbeiten im Bereich des be-
trieblichen Rechnungswesens und der Datenkonzeption
durchgeführt sowie die für eine prozessorientierte Soft-
ware wie SAP R/3 erforderlichen Sollprozesse und fach-
lichen Abläufe definiert und für die Abbildung in SAPR/3
festgeschrieben. In ausgewählten Bereichen der Haupt-
prozesse Personal und Logistik werden darüber hinaus
unter Einbeziehung der Nutzer in verschiedenen Dienst-
stellen Erprobungen vorbereitet bzw. durchgeführt.

Entsprechend der gebilligten Vorhabenplanung wird
die erste Entwicklungsstufe SASPF, in der etwa 60 bis
70 Prozent der erforderlichen Funktionalitäten abgebildet
werden sein sollen, 2003 abgeschlossen und danach in
den Dienststellen eingeführt werden. Der Abschluss des
Gesamtprojektes – deswegen sage ich Ihnen das so aus-
führlich – ist bis 2007 vorgesehen.

Der Auftrag der Gesellschaft für Entwicklung, Be-
schaffung und Betrieb, kurz: GEBB, ist im Vertrag zwi-
schen dem Bundesministerium der Verteidigung und der
Gesellschaft vom 12. Dezember 2000 festgelegt. Danach
hat die GEBB im Geschäftsbereich IT kurzfristig „Vor-
schläge zur Optimierung der gesellschaftsrechtlichen
Konstruktion für den Betrieb der Liegenschafts- und
Weitverkehrsnetze, der IT-Rechenzentren und zur Ein-
führung von SAP R/3“ zu machen. Dieser Auftrag ist
weitgehend abgearbeitet.

Die Übernahme von Teilprojekten des IT-Direktors
bzw. IT-Amtes durch die GEBB ist nicht vorgesehen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417231200
Kollege Siemann.


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1417231300
Ich habe eine Zusatz-
frage zur GEBB, die hier angesprochen worden ist. Frau




Werner Siemann

16843


(C)



(D)



(A)



(B)


Staatssekretärin, trifft es eigentlich zu, dass die GEBB
bisher durch den Verkauf von Teilen des Bundeswehr-
krankenhauses Gießen Erlöse von 27 Millionen DM er-
zielt hat, wobei dieser Verkauf nicht auf Aktivitäten der
GEBB zurückzuführen ist, und diese Erlöse in Aktien an-
gelegt worden sind?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1417231400
Herr Kollege Siemann, Sie haben
Ihre Frage eben selbst beantwortet. Nicht die GEBB, son-
dern die Bundesvermögensverwaltung hat das Kranken-
haus Gießen für 27 Millionen DM verkauft. Wie kann dann
die GEBB das Geld in Aktien anlegen? Das bekommen der
Finanzminister und der Verteidigungsminister für die wei-
teren Investitionen.


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1417231500
Hat die GEBB in kei-
nem Fall – das ist die zweite Frage –


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417231600
Ja.


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1417231700
– Erlöse, die sie er-
zielt hat, in Aktien angelegt?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1417231800
Es ist mir zu diesem Fall nichts
darüber bekannt, dass die Erlöse in Aktien angelegt wur-
den.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417231900
Wir kommen zum Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau-
und Wohnungswesen.

Die Fragen 24 und 25 werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe Frage 26 auf – Kollege Peter Weiß fragt nach

der Tagesordnung des deutsch-französischen Gipfeltref-
fens am 12. Juni 2001 –:

Werden auf der Tagesordnung des deutsch-französischen Gip-
feltreffens am 12. Juni 2001 in Freiburg im Breisgau auch Themen
der deutsch-französischen Zusammenarbeit stehen, die die Re-
gion am Oberrhein unmittelbar betreffen, wie zum Beispiel die
Forderung nach einer rechtlichen Trinationalisierung des Euro-
Airports Basel-Mulhouse-Freiburg, die Verknüpfung des TGV
Rhin-Rhône und des TGVEuropéen Est mit dem deutschen Schie-
nennetz?

Bitte schön.

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1417232000
Sehr ge-
ehrter Herr Kollege Weiß, die Verknüpfung des TGV
Rhein-Rhone und des TGV Est mit dem deutschen Schie-
nennetz sowie die Trinationalisierung des Flughafens Ba-
sel-Mülhausen-Freiburg sind als Themen für das deutsch-
französische Gipfeltreffen am 12. Juni dieses Jahres nicht
vorgesehen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417232100
Eine Nachfrage.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1417232200
Herr
Staatssekretär, nachdem der Ministerpräsident des Landes
Baden-Württemberg, Erwin Teufel, und mehrere Land-
räte in schriftlicher Form sowie der Oberbürgermeister
der Stadt Freiburg und der Bürgermeister der Stadt Mul-
house auch in persönlicher Vorsprache am 11. April bei
Abteilungsleiter Steiner aus dem Bundeskanzleramt die
Bitte vorgetragen haben, dass die eben genannten Themen
Gegenstand der Besprechung auf dem deutsch-französi-
schen Gipfel am 12. Juni in Freiburg werden, möchte ich
Sie fragen: Sind denn diese Vorstellungen der Repräsen-
tanten des betreffenden Bundeslandes und der Region auf
so taube Ohren gestoßen, dass man es nicht für nötig be-
funden hat, wenigstens ein paar Minuten zur Erörterung
dieser regionalen Themen beim deutsch-französischen
Gipfel vorzusehen?

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1417232300
Sehr ge-
ehrter Herr Weiß, es hat eine Reihe von Anfragen im
Kanzleramt gegeben, die zum Ziel hatten, Themen, wie
Sie sie jetzt eben angesprochen haben, auf die Tagesord-
nung des deutsch-französischen Gipfeltreffens zu setzen.
Sie sind mit den Briefeschreibern ausführlich behandelt
worden. Dabei ist dargelegt worden, dass es der gegen-
wärtige Stand dieser Projekte nicht erlaubt, dies auf einer
dermaßen hohen Ebene zu bearbeiten.

Was die Frage der Verbindung der Hochgeschwin-
digkeitsnetze betrifft, so sind gegenwärtig Arbeitsge-
spräche zwischen der Deutschen Bahn und der SNCF im
Gange. Diese Gespräche sollen die Projekte nach vorn
bringen. Die Absichtserklärungen dafür liegen vor. Es
geht hierbei auch darum, diese Projekte in den neuen Bun-
desverkehrswegeplan aufzunehmen. Bevor solche Ent-
scheidungen nicht getroffen worden sind, lohnt sich ein
Gespräch auf dieser Ebene nicht.

Ähnlich verhält es sich mit dem Flughafen Basel-
Mulhouse-Freiburg. Wir unterstützen dieses Projekt.
Gleichwohl ist das Land Baden-Württemberg bis dato
nicht bereit, sich mit finanziellen Eigenbeteiligungen für
ein solches Projekt zu engagieren. Damit fehlen die Vo-
raussetzungen, auf einer solchen Ebene dieses Projekt zu
behandeln.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417232400
Eine zweite Nach-
frage.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1417232500
Herr
Staatssekretär, es besteht ja großes Verständnis dafür, dass
ein solcher deutsch-französischer Gipfel nicht nur in einer
der Hauptstädte stattfindet, sondern auch einmal in einer
Gegend, die als besonders schöne und gottgesegnete
Landschaft in Deutschland und europaweit bekannt ist.


(Detlef Dzembritzki [SPD]: Noch besser wäre Emmendingen gewesen!)


Besteht bei der Bundesregierung nicht ein bestimmtes
Verständnis dafür, bei einer solchen Gelegenheit zumin-
dest eines der wichtigen regionalen Themen auf einem
Gipfel mitzubehandeln und mitzubesprechen? Angesichts




Werner Siemann
16844


(C)



(D)



(A)



(B)


der Tatsache, dass man sich in dieser Region zwischen
Baden und Elsass seit Jahren um eine besonders inten-
sive grenzüberschreitende Zusammenarbeit bemüht, ist
das ein wichtiges Herzstück der deutsch-französischen
Freundschaft, zumal zu dem Thema, das Sie eben selbst
angesprochen haben, nämlich zur Verknüpfung der Hoch-
geschwindigkeitszüge zwischen Deutschland und Frank-
reich. Es sind schon sehr weit gehende und sehr lange an-
dauernde Vorgespräche geführt worden. An und für sich
sind die Sachverhalte relativ klar, auch die Entschei-
dungsnotwendigkeit ist relativ klar, zu einer schnelleren
Realisierung dieser Verknüpfung zu kommen, insbeson-
dere was den TGV bei Strassburg/Kehl anbelangt.

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1417232600
Sehr ge-
ehrter Herr Weiß, wir wissen die landschaftlichen Reize
und die wirtschaftliche Bedeutung der baden-württem-
bergischen Region im Allgemeinen und der Emmen-
dinger im Besonderen sehr wohl zu schätzen. Das ist ja ei-
ner der Gründe dafür, dass der Ort dieses Gipfeltreffens in
Ihre Region hinein verlagert wurde. Gleichwohl bitte ich
Sie um Verständnis dafür, dass sich die Tagesordnung die-
ses deutsch-französischen Gipfeltreffens an nationalen
Gesichtspunkten zu orientieren hat.

Sobald die Projekte, die Sie angesprochen haben, eine
Reife erreicht haben, dass es sich lohnt, auf dieser Ebene
darüber zu verhandeln, werden wir dies auch an anderen
Orten, an denen ein solches Gipfeltreffen stattfindet,
erörtern.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417232700
Danke schön.
Die Frage 27 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort

zu Frage 31 wird zu einem späteren Zeitpunkt abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-

teriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Die Fragen 28 bis 30 werden schriftlich beantwortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundeskanz-
leramtes. Die Fragen 31 bis 33 werden schriftlich beant-
wortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Zur Beantwortung der Fragen steht Staatsminister
Volmer zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Dieter
Schloten auf:

Hat die Bundesregierung, ungeachtet der bisherigen deutschen
Beteiligung an der von der WEU im Auftrag und unter Finan-
zierung durch die EU seit 1997 in Albanien durchgeführten Poli-

(Multinational Advisory Police Element)

eine Weiterführung von MAPE/MAPEXTdurch die EU nach dem
22. Juni 2001 abgelehnt, und wenn ja, aus welchen Gründen?

Herr Staatsminister Volmer, bitte schön.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417232800
Mit Ihrer Zustimmung, Herr Schloten und Herr Prä-
sident, würde ich die Fragen 34 und 35, die in unmittel-
barem Zusammenhang stehen, gemeinsam beantworten.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417232900
Einverstanden.
Ich rufe die Frage 35 auf:

Was wird politisch unternommen werden, um die Ergebnisse
der Mission MAPE zu sichern und den Ausbildungsstandard der
albanischen Polizei weiter zu verbessern?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417233000
Zur Frage 34, Herr Schloten, lautet die Antwort:
Nein. Die Bundesregierung hat eine Weiterführung von
MAPE oder MAPEXT nicht abgelehnt, sondern sich viel-
mehr dafür eingesetzt, dass die EU die Verantwortung für
Polizeiberatungsmaßnahmen in Albanien von der WEU
übernimmt. Der WEU-Ministerrat von Marseille hat die
grundsätzliche Zustimmung der EU zur Übernahme der
direkten Leitung der Polizeizusammenarbeit mit Albanien
zur Kenntnis genommen.

Der Europäische Rat in Nizza hat den Grundsatzbe-
schluss getroffen, dass die EU im Zuge der Übernahme
der Krisenbewältigungsfunktionen der WEU durch die
EU die direkte Verantwortung für Beratung und Ausbil-
dung der albanischen Polizei von der WEU übernehmen
wird.

Zu Ihrer Frage 35: Die Europäische Kommission hat
ein im Juni 2001 beginnendes Projekt vorgelegt, das eine
Fortsetzung der Unterstützung der albanischen Polizei
durch Beratung und Ausbildung gewährleistet.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417233100
Eine Zusatzfrage.


Dieter Schloten (SPD):
Rede ID: ID1417233200
Herr Staatsminister, es ist
zurzeit von einer Übergangsregelung durch die EU die
Rede, die dieses bisherige recht erfolgreiche Programm
der Ausbildung albanischer Polizisten zunächst in ver-
kleinertem Rahmen weiterführt.

Ist aus Sicht der Bundesregierung die bisherige Aus-
bildung der albanischen Polizisten durch die WEU ver-
besserungsbedürftig, sodass dieses Übergangsprogramm
nötig ist? Warum kann nicht direkt in das neue Programm
der EU eingestiegen werden?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417233300
Zunächst, Herr Kollege Schloten, kann ich bestäti-
gen: Die Europäische Kommission wird für den Zeitraum
vom 1. Juni 2001 bis zum 31. März 2002 zunächst ein
durch Reallokation von PHARE-2000-Mitteln finanzier-
tes Projekt auflegen. Dieses Projekt soll die notwendige
Kontinuität zwischen den von MAPE begonnenen oder
umgesetzten Maßnahmen besonders im Bereich der stra-
tegischen Beratung der albanischen Polizeibehörden und
der Ausbildung für hohe Polizeibeamte einerseits und der
Vorbereitung eines spezifischen polizeibezogenen Pro-
jektes der Kommission im Rahmen des CARDS-Pro-
gramms andererseits unterstützen. Im ersten Quartal 2002
soll dann ein Programm der Zusammenarbeit im Bereich
Justiz und Inneres im Rahmen des CARDS-Programms
für den westlichen Balkan beginnen.

Dass es zu dieser Zwischenlösung kam, hängt damit
zusammen, dass durch die Übernahme der WEU-Funk-
tionen durch die EU noch Kompetenzfragen im Rahmen




PeterWeiß (Emmendingen)


16845


(C)



(D)



(A)



(B)


der Kommission und im Verhältnis der Kommission zu
den einzelnen an der Mission beteiligten Staaten zu klären
sind. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Um die
Zwischenzeit zu überbrücken, wird dieses Programm
durchgeführt.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417233400
Zweite Zusatzfrage.


Dieter Schloten (SPD):
Rede ID: ID1417233500
Herr Staatsminister, ist ein
Zeitrahmen vorgesehen, in dem das EU-Projekt abge-
schlossen werden soll?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417233600
Nach unseren Informationen soll das neue Projekt
im ersten Quartal 2002 auf Kommissionsebene greifen.


Dieter Schloten (SPD):
Rede ID: ID1417233700
Danke schön.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417233800
Wir kommen nun zum
Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern.
Die Fragen 46 bis 48 werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 49 des Abgeordneten Joachim
Günther zur Unterstützung von Russlanddeutschen auf:

Liegt der Unterstützung von Russlanddeutschen ein Gesamt-
konzept der Bundesregierung zugrunde und welche Schwer-
punkte beinhaltet dieses?

Herr Staatssekretär Körper, bitte schön.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1417233900
Herr Kollege Günther, ich beant-
worte Ihre Fragen wie folgt: Seit der politischen Wende in
Osteuropa und in der damaligen Sowjetunion vor etwa
zehn Jahren hat die Bundesregierung auch die deutschen
Minderheiten in den neu entstandenen Staaten dort durch
breit gefächerte Maßnahmen unterstützt.

Aufgrund der Erfahrungen der ersten Jahre wurde
durch die 1999 vorgelegte Konzeption „Aussiedlerpolitik
2000“ auch die Hilfenpolitik für die deutschen Minder-
heiten neu konzipiert. Dieses Konzept berücksichtigt,
dass es bei der Durchführung größerer intensiver Projekte
sowie von Infrastrukturmaßnahmen in den Jahren vor
1999 erhebliche Probleme gegeben hat. Solche Maßnah-
men werden deshalb grundsätzlich nicht mehr gefördert.

Im Mittelpunkt der deutschen Bemühungen steht nun-
mehr die so genannte Breitenarbeit mit der Begegnungs-
stättenarbeit und der Förderung des außerschulischen
Deutschunterrichts in Russland und Kasachstan. In über
470 Begegnungsstätten wird ein breit angelegtes Angebot
für die Angehörigen der deutschen Minderheiten und für
ihre interessierten nicht deutschen Nachbarn angeboten.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt bei der Jugendarbeit
und – das will ich besonders betonen – bei Aus- und Fort-
bildungsmaßnahmen. Neben den gemeinschaftsfördern-
den Maßnahmen umfasst das Hilfenprogramm der
Bundesregierung auch Wirtschaftshilfen in Form von
Existenzgründungsdarlehen für Kleingewerbe und Hand-
werk, von Darlehen zur Wohnraum- und Arbeitsplatzbe-
schaffung in Russland sowie von Landwirtschaftshilfen;

Beratung, Saatgut, Geräte und Kleinkredite sind hier als
Stichworte zu nennen.

Ferner werden Hilfen im medizinischen Bereich und
im Sozialbereich geleistet. Ausstattungshilfen für Kran-
kenhäuser sowie Medikamentenhilfen sollen die schwie-
rige medizinische Versorgungslage verbessern.

Für besonders Bedürftige – das sind in der ehemaligen
Sowjetunion vor allem die früheren Angehörigen der
Trud-Armee – wird individuelle humanitäre Lebenshilfe
in Form von Paket- und Einzelhilfen über karitative Ein-
richtungen geleistet.

Diese Fördermaßnahmen werden durch kulturelle und
bildungspolitische Förderung im Rahmen der deutschen
auswärtigen Kulturpolitik ergänzt.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417234000
Eine Zusatzfrage.


Joachim Günther (FDP):
Rede ID: ID1417234100
Herr Staatsse-
kretär, Sie haben hier die Initiativen von Deutschland
breit dargestellt. Ist der Bundesregierung bekannt, dass es
im russischen Innenministerium inzwischen keinen An-
sprechpartner für die deutsche Minderheit mehr gibt, und
was beabsichtigt die Bundesregierung in diesem Zusam-
menhang zu unternehmen?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1417234200
Herr Kollege Günther, Ihre Frage
deckt sich nicht mit meinen Informationen. In dem von Ih-
nen genannten Ministerium gab es offensichtlich organi-
satorische Maßnahmen, die zu einem Wechsel zwischen
Abteilung und Referat geführt haben. Ich kann nicht be-
stätigen, dass es dort keine Ansprechpartner mehr gebe.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417234300
Dann kommen wir zur
Frage 50:

Verfügt die Bundesregierung über ein Konzept zur Förderung
des Deutschunterrichts für Deutschlandrussen und zur Pflege der
deutschen Kultur in Russland?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1417234400
Herr Kollege Günther, die Förde-
rung der deutschen Sprache ist ein Schwerpunkt sowohl
der gemeinschaftsfördernden Maßnahmen, für die das
Bundesministerium des Innern federführend ist, als auch
der kulturellen und bildungspolitischen Förderung der
russlanddeutschen Minderheit, die vom Auswärtigen Amt
verantwortet wird. Beide Ministerien stimmen ihre Maß-
nahmen eng miteinander ab.

Für die in ihren Herkunftsgebieten in Russland ver-
bleibenden Russlanddeutschen werden vom Bundesmi-
nisterium des Innern finanzierte außerschulische Sprach-
kurse durchgeführt. Dieses Sprachkursangebot und die
ihm zugrunde liegenden umfangreichen, speziell auf die
Bedürfnisse der Russlanddeutschen zugeschnitten Lehr-
materialien sind unter fachlich-konzeptioneller Beglei-
tung des Goethe-Instituts und eines deutsch-russischen
Autorenteams erarbeitet worden. Die Deutschkurse stel-
len mit der Jugendarbeit sowie beruflichen Aus- und Fort-




Staatsminister Dr. Ludger Volmer
16846


(C)



(D)



(A)



(B)


bildungsmaßnahmen einen Kernbereich der Bleibehilfen
dar, um den Deutschstämmigen vor Ort eine dauerhafte
Lebensperspektive zu eröffnen.

Darüber hinaus fördert das Auswärtige Amt über das
Goethe-Institut Inter Nationes Sprachlernzentren in den
Siedlungsschwerpunkten der deutschen Minderheit in
Russland. Die Kurse der Sprachlernzentren erreichen in
aller Regel ein höheres Niveau als die Kurse der so ge-
nannten Breitenarbeit. Interessierte Absolventen der
Sprachkurse der Breitenarbeit haben die Möglichkeit, an
diesen Sprachlernzentren ihre Fähigkeiten auszubauen.
Außerdem fördert das Auswärtige Amt vor allem über das
Goethe-Institut in Moskau kulturelle Veranstaltungen der
Russlanddeutschen. Bei der Auswahl der geförderten Pro-
jekte wird großer Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit
russlanddeutschen Initiativen im Kulturbereich gelegt.

Das Bundesministerium des Innern leistet in Ergän-
zung zu den vom Auswärtigen Amt ergriffenen Maßnah-
men durch vielfältige Programmaktivitäten an 400 Be-
gegnungsstätten allein in Russland überwiegend in
ländlichen Siedlungsgebieten einen maßgeblichen Bei-
trag zur Pflege von Kultur und Identitätsfindung der
Russlanddeutschen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417234500
Eine Zusatzfrage.


Joachim Günther (FDP):
Rede ID: ID1417234600
Herr Staatsse-
kretär, Sie haben eben über die Goethe-Institute gespro-
chen. Es lohnt sich nicht, jetzt über deren Finanzierung zu
diskutieren. Es gibt noch eine deutschsprachige Zeitung
im Moskauer Gebiet, die im Endeffekt für alle Russland-
deutschen gemacht wird. Gegenüber der Vergangenheit
ist deren Förderung so weit zurückgegangen, dass die Zei-
tung vor dem Aus steht. Was beabsichtigt die Bundesre-
gierung in diesem Zusammenhang zu unternehmen?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1417234700
Bei solchen Problemen sind wir
gern bereit, mit den Betroffenen ihre Sorgen und Pro-
bleme zu diskutieren. Dort, wo wir helfen können, tun wir
es gern.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417234800
Herzlichen Dank. –
Damit sind wir am Ende der Fragestunde.

Ich unterbreche die Sitzung für sechs Minuten; wir be-
ginnen wieder um 15.35 Uhr.


(Unterbrechung von 15.29 bis 15.36 Uhr)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417234900
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Die Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 sowie die Zusatz-
punkte 1 und 3 auf:

3. Vereinbarte Debatte
Entschädigung für NS-Zwangsarbeiter

ZP 1 Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU,
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P.
und der PDS
Feststellung ausreichender Rechtssicherheit für
deutsche Unternehmen nach § 17 Abs. 2 des Ge-
setzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinne-
rung, Verantwortung und Zukunft“
– Drucksache 14/6158 –

ZP 3 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses zu dem Antrag der Fraktion der PDS
– Drucksache 14/5788 –
Sofortige Auszahlung an die Opfer der NS-
Zwangsarbeit
– Drucksache 14/6165 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich Gäste
begrüßen. Auf der Ehrentribüne hat der Präsident des
ukrainischen Parlaments, Herr Iwan Pljuschtsch, mit
einer Abgeordnetendelegation Platz genommen. Ich darf
Sie von hier aus im Namen des ganzen Hauses noch ein-
mal herzlich begrüßen.


(Beifall)

In den Gesprächen und Begegnungen heute und in den

kommenden Tagen werden Sie spüren, mit wie viel Inte-
resse wir den Fortgang des Reformprozesses in Ihrem
Land verfolgen, der in jüngster Zeit vor allem auf wirt-
schaftlichem Gebiet zu ermutigenden Ergebnissen ge-
führt hat. Wir hoffen mit Ihnen, dass die Ukraine auch un-
ter dem neuen Ministerpräsidenten, der unter Ihrem
Vorsitz gestern gewählt wurde, diesen Kurs unbeirrt fort-
setzen wird. Die Zusammenarbeit zwischen unseren bei-
den Parlamenten kann dazu einen wichtigen Beitrag leis-
ten.

Es freut mich, dass Sie die Gelegenheit haben, an die-
ser auch für viele Menschen in der Ukraine wichtigen Sit-
zung des Bundestages teilzunehmen. Ich danke Ihnen für
Ihren Besuch und wünsche Ihnen einen angenehmen Auf-
enthalt in unserem Land.


(Beifall)

Auf der Zuschauertribüne haben weitere Gäste Platz

genommen: Vertreter der Bundesstiftung, der Partner-
stiftungen aus Weißrussland, aus der Ukraine, aus Russ-
land, aus Polen und aus Tschechien. Ich begrüße Sie alle
sehr herzlich zu dieser wichtigen Debatte.


(Beifall)

Nun eröffne ich die Aussprache und erteile als erstem

Redner das Wort dem Herrn Bundeskanzler Gerhard
Schröder.


Gerhard Schröder (SPD):
Rede ID: ID1417235000
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte
mit einem Wort beginnen, das die Erleichterung und die




Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper

16847


(C)



(D)



(A)



(B)


Genugtuung, die wir heute alle empfinden, trifft, und die-
ses Wort heißt: endlich.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS)


Dieses Wort war der häufigste Kommentar in der vergan-
genen Woche, nachdem in den Vereinigten Staaten die
letzte große juristische Hürde für die Auszahlung an die
überlebenden Zwangsarbeiter genommen war. Damit und
mit der anschließenden Erklärung der Stiftungsinitia-
tive der deutschen Wirtschaft ist der Weg geebnet für die
heutige Entscheidung des Deutschen Bundestags, näm-
lich ausreichende Rechtssicherheit für deutsche Unter-
nehmen festzustellen und damit die Mittel für die ehema-
ligen NS-Zwangsarbeiter freizugeben. Es war ein langer
und mühsamer Prozess, zeitweise – das ist zuzugeben –
mit Enttäuschungen für manche Beteiligte, insbesondere
für die überlebenden Zwangsarbeiter. Dieser Prozess ist
damit zum Abschluss gebracht worden.

Ich möchte kurz erinnern: Das Vorhaben nahm Ende
1998 seinen konkreten Anfang in ersten Kontakten zwi-
schen der Bundesregierung und führenden deutschen Un-
ternehmen. Nach einem Gespräch zwischen den Vor-
ständen und mir erklärten sich die Unternehmen am
16. Februar 1999 bereit, eine Stiftung für ehemalige NS-
Zwangsarbeiter und andere unter Mitwirkung deutscher
Unternehmen geschädigte NS-Opfer mitzutragen.

Mittlerweile sind mehr als 6 300 Unternehmen enga-
giert. Das ist zugegebenermaßen keine unbeträchtliche
Zahl; aber genauso klar ist: Es könnten noch mehr sein
und müssen noch mehr werden.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Im März 2000 hat dann das Bundeskabinett in der Kon-
tinuität deutscher Wiedergutmachungspolitik den Entwurf
eines Gesetzes zur Errichtung eines Stiftung „Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft“ beschlossen. Vorausge-
gangen waren viele hochkomplizierte internationale Ver-
handlungsrunden. Weitere folgten und mündeten in die so
genannte „Gemeinsame Erklärung“ aller Verhandlungs-
partner vom Juli 2000 und in das deutsch-amerikanische
Regierungsabkommen vom Oktober 2000.

Zielsetzung all dieser Bemühungen war von Anfang
an, den noch heute lebenden NS-Opfern mit der materiel-
len Zuwendung vor allem auch ein Zeichen der Genug-
tuung zu geben; denn wirkliche Wiedergutmachung in
des Wortes Bedeutung ist kaum möglich.

Daneben stand – auch das gilt es festzuhalten – das be-
rechtigte Interesse der deutschen Wirtschaft an dauerhaf-
tem Rechtsfrieden. Schließlich waren in den Vereinigten
Staaten ursprünglich insgesamt 68 Klagen gegen die deut-
sche Wirtschaft anhängig. Die verklagten Unternehmen
wollten verständlicherweise davor geschützt werden,
zweimal für die gleiche historische Schuld zahlen zu müs-
sen. Die Bundesregierung hatte zudem das Interesse, Be-
schädigungen der transatlantischen wirtschaftlichen und
auch politischen Beziehungen zu vermeiden.

An dieser Stelle möchte ich im Namen der gesamten
Bundesregierung meinem Beauftragten Graf Lambsdorff
für seine kluge und beharrliche Verhandlungsführung aus-
drücklich danken. Wir sind Ihnen, Graf Lambsdorff, sehr
verpflichtet.


(Beifall im Hause)

Sehr geehrter Herr Graf Lambsdorff, ich muss einräu-

men – ich tue das gerne –: Dass wir jetzt am Ziel sind, ist
in ganz besonderem Maße Ihrer Fähigkeit zu verdanken,
um Lösungen zu ringen, die manchmal schon gar nicht
mehr für möglich gehalten worden sind. Sie haben sich
mit dieser Leistung über das, was Sie für das Land geleis-
tet hatten, hinaus wirklich bleibende und unvergessliche
Verdienste erworben.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der PDS)


Respekt und Anerkennung gebührt auch den übrigen
an den Verhandlungen beteiligten Partnern. Zu nennen
sind die US-Regierung; übrigens hat sich auch die neue
Regierung unter Präsident Bush von Anfang an für das
Vorhaben engagiert. Zu nennen ist Stuart Eizenstat so-
wie die Regierungen der hauptbetroffenen Staaten Mit-
tel- und Osteuropas und Israels. Zu nennen sind ferner
die Jewish Claims Conference, einige Klägeranwälte
und nicht zuletzt alle – ich betone: alle – im Deutschen
Bundestag vertretenen Parteien.

Lassen Sie mich auch den an der Stiftungsinitiative
beteiligten Unternehmen meine Anerkennung ausspre-
chen. Es ist richtig, dass wir manche harte Diskussion um
den richtigen Weg zu führen hatten. Entscheidend für den
Erfolg war aber, dass Bundesregierung und Stiftungs-
initiative der Wirtschaft die oft schwierigen Verhandlungs-
situationen, die auch mit unterschiedlichen Interessen-
lagen zu tun hatten, gemeinsam gemeistert haben. Die
Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zu-
kunft“, die mit unserer heutigen Entscheidung mit den
Auszahlungen beginnen wird, setzt das weltweit beach-
tete Zeichen dafür, dass sich Deutschland der schreckli-
chen Verbrechen seiner Vergangenheit bewusst ist und
dass dies auch so bleibt.

Ich danke Ihnen, dem deutschen Parlament, für Ihre
Unterstützung und dafür, dass wir dieses letzte große of-
fene Kapitel unserer historischen Verantwortung
schließlich doch zu einem guten Ende haben bringen
können.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall im ganzen Hause)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417235100
Das Wort hat nun der
Beauftragte des Bundeskanzlers für die Stiftungsinitiative
Deutscher Unternehmen, Dr. Otto Graf Lambsdorff.

Dr. Otto Graf Lambsdorff, Beauftragter des Bundes-
kanzlers für die Stiftungsinitiative Deutscher Unterneh-

(von der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P. mit Beifall begrüßt)





Bundeskanzler Gerhard Schröder
16848


(C)



(D)



(A)



(B)


Damen! Meine Herren! Heute halte ich meine dritte letzte
Rede vor dem Deutschen Bundestag.


(Heiterkeit bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)


Sehen Sie mir das bitte nach. Es soll wirklich meine letzte
sein. Ich bin keine alternde Operndiva.


(Heiterkeit bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)


Ich will in drei Sätzen noch einmal skizzieren, worum
es bei der ausreichenden Rechtssicherheit für deutsche
Unternehmen in den Vereinigten Staaten ging. Wir muss-
ten einen Weg finden, der es US-amerikanischen Richtern
erlaubt, zu akzeptieren, dass sich Regierungen und legiti-
mierte Vertreter ehemaliger Zwangsarbeiter und NS-Op-
fer auf eine komplexe Lösung geeinigt hatten, die der
Individualgerechtigkeit überlegen ist, und dass das En-
gagement der US-amerikanischen Regierung den Gerich-
ten die Zuständigkeit für eine individuelle Entscheidung
entzieht. Die US-amerikanische Regierung musste dabei
verständlicherweise darauf achten, dass sie ihrerseits
nicht wegen Eingriffe in Eigentumsrechte ihrer eigenen
Bürger angreifbar wird. Die Lösung, von Juristen der Stif-
tungsinitiative und US-Regierungsanwälten ersonnen, hat
nach einigen positiven Einzelentscheidungen ihre Feuer-
probe vor dem Berufungsgericht in New York großartig
bestanden. Damit ist das Präjudiz geschaffen worden, das
die Unternehmen der Stiftungsinitiative von ausreichen-
der Rechtssicherheit überzeugte.

Ich unterstreiche mit Nachdruck: Das Statement of In-
terest ist von der US-Administration vereinbarungsgemäß
abgegeben worden und es hat in sehr vielen Fällen Erfolg
gehabt. Darauf gründet sich meine Zuversicht, dass sich
die US-Regierung auch bei den noch anhängigen und bei
eventuellen künftigen Klagen für „legal peace“ einsetzen
wird und dass sie auch administrativen Behinderungen
vor allem in den Einzelstaaten der USA entgegentreten
wird. Diese gibt es besonders im Bereich der Versiche-
rungen und der Banken.

Es ging aber nicht nur um Rechtssicherheit. In den für
die ehemaligen Zwangsarbeiter endlosen Monaten der
zähen und arbeitsintensiven juristischen Verhandlungen
vollzog sich bei uns in Deutschland eine eindrucksvolle
Entwicklung, die lange weiterleben soll. In zahlreichen
Gemeinden, Betrieben und Familien fragten sich Junge
und Alte, was es mit den Zwangsarbeitern und den KZ-
Arbeitern vor mehr als 55 Jahren gerade an ihren deut-
schen Leidensorten eigentlich auf sich hatte. Die Arbeit,
die Organisationen wie der Verein „Gegen Vergessen –
Für Demokratie“ oder die Aktion Sühnezeichen seit Jahr-
zehnten eher im Verborgenen geleistet hatten, blühte vie-
lerorts auf und trägt weiter Früchte. Kleine Betriebe – ich
denke an das Beispiel einer privaten Hamburger Baum-
schule –, Landwirte – ich denke an ein Beispiel aus dem
Saarland – und Familien erinnerten sich an kleine Grup-
pen von Zwangsarbeitern, selbst an ein ukrainisches
Hausmädchen, und zogen im Dialog mit mir, der Stif-
tungsinitiative oder mit der Stiftung „Erinnerung, Verant-
wortung und Zukunft“ daraus moralische und materielle
Konsequenzen.

Die veröffentlichte Meinung in Deutschland stand in
dieser Frage eindeutig aufseiten des Bundestages, der
Bundesregierung und meistens auch der deutschen Wirt-
schaft. In den meisten der vielleicht 2 000 Briefe, die mich
erreichten, wurde Anerkennung zum Ausdruck gebracht.
Die vielen Beweise der Zustimmung haben mich bei mei-
ner Arbeit ermutigt, so der Taxifahrer in Berlin oder die
Lufthansa-Stewardess während des x-ten Fluges nach
Washington.

Meine Damen und Herren, wir sollten uns aber den-
noch keinen Illusionen hingeben. Zu tief sind die Wun-
den, die Krieg und Vertreibung auch bei unseren Lands-
leuten hinterlassen haben. Zu groß ist das menschliche
Bedürfnis, Vergangenes zu verdrängen und zu vergessen.
Auch wenn ich selbst bei dieser Arbeit von Ausländer-
feindlichkeit und Antisemitismus wenig erfahren habe,
es gibt das leider auch in Deutschland. Wegsehen hilft da
nicht.


(Beifall im ganzen Hause)

Wir alle müssen dem entgegenwirken. Deswegen ist der
Zukunftsfonds, den wir mit 700 Millionen DM versehen
haben, so wichtig.

Meine Damen und Herren, in den zweijährigen Ver-
handlungen ging es um zweierlei: erstens auf eine mora-
lische und politische Last der deutschen Vergangenheit
eine angemessene Antwort zu finden, zweitens das Anse-
hen der deutschen Wirtschaft in der Welt und die trans-
atlantischen wirtschaftlichen und politischen Beziehun-
gen vor weiterem Schaden zu bewahren. Ich glaube,
beides ist im Rahmen des wirtschaftlich und politisch
Möglichen gelungen.

Dieser Lösung – das ist für mich das eigentliche Wun-
der – haben zum Schluss alle zugestimmt: die maßgebli-
chen Kräfte der deutschen Wirtschaft unter der Führung
von Dr. Manfred Gentz, die US-Regierung, bis zum Ja-
nuar 2001 vertreten durch meinen langjährigen Bekann-
ten Stuart Eizenstat, jetzt vertreten durch Vize-Außenmi-
nister Richard Armitage – einige persönliche und
briefliche Kontakte haben mich von der vollen Loyalität
der neuen Administration gegenüber allen Verpflichtun-
gen der früheren Administration in diesem Bereich über-
zeugt; der Bundeskanzler hat hier auch den amerikani-
schen Präsidenten zitiert –, die Regierungen Polens,
Russlands, der Tschechischen Republik, Weißrusslands
und der Ukraine, die Regierung des Staates Israel und die
Claims Conference als maßgeblicher Vertreter der Skla-
venarbeiter und nicht zuletzt die von Professor Neuborne
koordinierten amerikanischen Klägeranwälte. Dass
23 Class Action Lawyers hier in Berlin die gemeinsame
Erklärung unterschrieben haben, grenzt, wie gesagt, an
ein Wunder. Die Entsendung von Professor Neuborne in
das Kuratorium der Stiftung hat sich als besonders glück-
licher Schritt erwiesen.

Dieser Konsens, trotz aller möglichen Vorbehalte, ist
ein hohes politisches Gut, das die Stiftung „Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft“ im Kuratorium unter Lei-
tung von Botschafter Kastrup und durch den Vorstand aus
Dr. Jansen, Dr. Bräutigam und Botschafter Primor erhal-
ten muss. Der Deutsche Bundestag, und dabei vor allem




Beauftragter des Bundeskanzlers Dr. Otto Graf Lambsdorff

16849


(C)



(D)



(A)



(B)


seine Mitglieder Herr Beck, Herr Bosbach, Frau Jelpke,
Herr Reuter und Herr Stadler, wird sicherlich darüber wa-
chen, dass diese Gemeinsamkeit der Überzeugungen
erhalten bleibt.


(Beifall im ganzen Hause)

In dieser Stunde, meine Damen und Herren, gedenken

wir der Sklaven und Zwangsarbeiter, Menschen, die
Deutsche vor mehr als zwei Generationen in ihrer Men-
schenwürde verletzten, ihrer Arbeitskraft und Jahre ihrer
Jugend beraubten. Wir denken vor allem an diejenigen,
die verstorben sind, für die unsere Bemühungen Jahr-
zehnte zu spät gekommen sind.

Meine Aufgabe, Herr Bundeskanzler, ist damit im We-
sentlichen beendet. Ich habe sie aus meiner Verantwor-
tung als deutscher Staatsbürger übernommen und,
wenn auch mit vielen Mühen, mit großer Befriedigung bis
zum heutigen Punkt geführt. Ich danke Ihnen für Ihr Ver-
trauen und danke dem Deutschen Bundestag in all seinen
Fraktionen für die wirklich unerschütterliche Unterstüt-
zung auch in schwierigen Phasen in den letzten zwei Jah-
ren. Ihnen, Herr Bundeskanzler, herzlichen Dank für Ihre
freundlichen Worte hier an dieser Stelle.

Ich bin vielen Menschen für ihre Hilfe, ihren Rat, ihre
Begleitung Dank schuldig. Ich kann in dieser Stunde nur
wenige nennen.

Bundespräsident Rau hat mit seiner Erklärung vom
17. Dezember 1999 die moralische und historische Ver-
antwortung der Deutschen in den Mittelpunkt unserer
Anstrengungen gestellt. Dr. Manfred Gentz und Stuart
Eizenstat haben immer wieder Lösungen für schwierige
Probleme gefunden, weil sie ein Ergebnis wollten. Die
Verhandlungsführer der mittel- und osteuropäischen Staa-
ten haben es fertig gebracht, einen Aufteilungsschlüssel
über den auf sie entfallenden Betrag unter sich zu verein-
baren. Das wäre für mich eine nahezu unlösbare Aufgabe
geworden. Der frühere US-Außenminister Lawrence
Eagleburger hat in einer entscheidenden Frage das Zu-
standekommen der Stiftung ermöglicht. Ohne die uner-
müdliche Mitarbeit von Michael Geier vom Auswärtigen
Amt hätte ich das alles nie geschafft. Arbeitsstab nannte
sich das Ganze ziemlich pompös. Der Arbeitsstabwar im
Wesentlichen eine Person: Michael Geier.


(Beifall im ganzen Hause)

Ich habe mich gefreut, Herr Bundeskanzler, dass Sie mir
eben sagten, in der heutigen Kabinettsitzung sei seine Be-
förderung beschlossen worden. Das hat er wahrlich ver-
dient.


(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)

Ständiger Gesprächspartner von Herrn Geier war der

amerikanische Sonderbotschafter J. D. Bindenagel,
vielen von uns als Stellvertreter des amerikanischen Bot-
schafters bekannt. Das war noch zu Bonner Zeiten so;
aber er hat auch in Berlin amtiert, und zwar schon vor der
Wende. Ich weiß, dass unser Freund Bindenagel hier auf
der Tribüne sitzt. Zwar darf man ihn nach den Regeln des
Bundestages nicht ansprechen; dennoch darf ich sagen:
Ich freue mich, dass er hier ist.


(Beifall im ganzen Hause)


Wer sich von den konstruktiven Beiträgen Bindenagels
ein Bild machen will, der lese die heutigen Ausgaben der
„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und der „Financial
Times Deutschland“. Ich mache keine Werbung für die
Zeitungen, sondern für den Interviewten.


(Heiterkeit bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P. – Michael Glos [CDU/CSU]: Ein bisschen Werbung muss schon sein!)


Ihnen allen, die ich hier genannt habe, und vielen an-
deren danke ich, nicht zuletzt dem früheren US-Präsiden-
ten Bill Clinton und Bundeskanzler Schröder. Aber, meine
Damen und Herren, ich habe mich auch zu entschuldigen:
bei denen, für die unsere Arbeit zu lange gedauert hat. Die
Verzögerungen waren und sind schmerzlich, weil wir
viele der Opfer nicht mehr lebend erreichen konnten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine
Herren, erlauben Sie mir eine Schlussbemerkung, auch
wenn ich mich damit wiederhole. Wir haben uns bemüht,
einen finanziellen Schlussstrich unter das dunkelste Ka-
pitel unserer Geschichte zu ziehen – einen finanziellen
Schlussstrich. Einen moralischen Schlussstrich kann
und darf es nicht geben.


(Beifall im ganzen Hause)

Nur wenn wir das einsehen, dann kann es für unser Land
den Weg aus einer dunklen Vergangenheit in eine helle
Zukunft geben.

Vielen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417235200
Graf Lambsdorff, ich
darf Ihnen im Namen des ganzen Hauses unseren Dank
und unseren Respekt für Ihre Arbeit, für Ihr großes Enga-
gement aussprechen. Herzlichen Dank!


(Beifall im ganzen Hause)

Ich erteile nun dem Kollegen Wolfgang Bosbach,

CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1417235300
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag. Das
gilt für viele Opfer des Naziterrors ebenso wie für uns
alle. Der interfraktionelle Antrag zur Feststellung ausrei-
chender Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen ist
zwar kurz und schlicht formuliert, aber von großer Be-
deutung. Die entscheidenden Sätze lauten:

Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass ausrei-
chende Rechtssicherheit gemäß § 17 Absatz 2 des
Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft“ hergestellt ist.
Die Stiftung ... wird daher ermächtigt, den Partneror-
ganisationen ... Stiftungsmittel zur Verfügung zu
stellen.

Dieser Beschluss ist die Voraussetzung dafür, dass die
Bundesstiftung und ihre Partnerorganisationen nunmehr
– nach monatelangen, teils quälenden Entscheidungspro-
zessen und schier endlosen Debatten – endlich mit ihrer




Beauftragter des Bundeskanzlers Dr. Otto Graf Lambsdorff
16850


(C)



(D)



(A)



(B)


eigentlichen Arbeit beginnen können. Es ist zunächst ein
guter Tag für einen Teil der Opfer: für die heute noch le-
benden ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsar-
beiter. Sie wurden verschleppt, entrechtet, misshandelt
und ausgebeutet. Endlich, über 56 Jahre nach dem Ende
der Nazibarbarei, können sie nun damit rechnen, schon in
kurzer Zeit die ihnen zustehenden Leistungen zu erhalten.
Spät, für viele leider zu spät, soll ihnen in Form einer hu-
manitären Geste zumindest ein Stück Gerechtigkeit und
Wiedergutmachung zuteil werden. Dies gilt insbeson-
dere für jene Opfer, die bis heute die umfangreichen
Entschädigungs- und Wiedergutmachungsleistungen der
Bundesrepublik Deutschland nicht in Anspruch nehmen
konnten.

Leider konnte in den vergangenen Wochen der Ein-
druck entstehen, als würde erst jetzt mit der Entschädi-
gung für NS-Unrecht begonnen. Richtig ist, dass die
Stiftungsinitiative an das Entschädigungs- und Versöh-
nungswerk anknüpft, das schon Anfang der 50er-Jahre
von Bundeskanzler Konrad Adenauer begründet wurde.

Leider gab es in letzter Zeit nur wenige Veröffentli-
chungen, in denen darauf hingewiesen wurde, dass die
Bundesrepublik in den vergangenen Jahrzehnten bereits
weit über 100Milliarden DM an Wiedergutmachungsleis-
tungen erbracht hat und dass wir auch zukünftig – unab-
hängig von der Bundesstiftung für die Entschädigung von
NS-Zwangsarbeit – auf der Basis geltenden Rechts wei-
tere erhebliche Leistungen erbringen werden. Es muss er-
laubt sein, heute auch darauf hinzuweisen, dass sich unser
Land in den vergangenen Jahrzehnten redlich und ernst-
haft darum bemüht hat, die dunkelsten Kapitel seiner Ge-
schichte nicht zu verdrängen oder gar zu vergessen, son-
dern aufzuarbeiten und aus ihnen für die Zukunft
notwendige Konsequenzen zu ziehen. Wir haben den
Worten stets auch Taten folgen lassen.

Einen Schlussstrich unter das dunkelste Kapitel unse-
rer Geschichte, die Verbrechen der Nazityrannei, und die
sich daraus ergebende besondere historische Verantwor-
tung unseres Landes, insbesondere gegenüber den noch
lebenden Opfern des Naziterrors, kann und darf es nicht
geben.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Von dieser besonderen historischen Verantwortung kön-
nen wir uns nicht befreien – nicht durch Worte und nicht
durch Geld. Aber dies kann im Umkehrschluss nicht
bedeuten, dass wir nun Jahr für Jahr neue Entschädi-
gungsdebatten beginnen und damit fast zwangsläufig bei
vielen Menschen in vielen Ländern der Erde Hoffnungen
erwecken, die wir nicht erfüllen können. Vor diesem Hin-
tergrund ist es auch ein Ziel der Bundesstiftung für die
Entschädigung von Zwangsarbeit, das Kapitel „Finanzi-
elle Entschädigung für NS-Unrecht“ abzuschließen.

Es ist aber auch ein guter Tag für uns alle; denn wir
wollen und können jetzt den Blick nach vorne in eine gute
Zukunft richten. Deswegen ist der Zukunftsfonds, den
Graf Lambsdorff gerade angesprochen hat, von überra-
gender Bedeutung. Ausgestattet mit einem Vermögen von
700Millionen DM muss er jetzt mit Leben erfüllt werden:

mit konkreten Projekten, von denen vor allem junge Men-
schen profitieren sollten.

Ebenso wenig, wie die individuellen Entschädigungs-
leistungen zweckwidrig verwandt werden dürfen, darf das
Vermögen des Zukunftsfonds zweckwidrig eingesetzt
werden. Das Vermögen soll der Völkerverständigung, der
Pflege der Beziehungen zu überlebenden Opfern, dem
Austausch von Schülern und Studenten sowie dem Kampf
gegen extremistisches und rassistisches Gedankengut und
gegen totalitäre Systeme aller Art dienen. Leider spielt
dieser Fonds in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle, ob-
wohl gerade er für die Zukunft wichtig ist.

Dass wir heute diesen wichtigen Beschluss fassen kön-
nen, verdanken wir nicht zuletzt Ihnen, lieber Graf
Lambsdorff. Sie und Ihre Verhandlungsführung sind in
den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach und zu
Recht gelobt worden. Auch die CDU/CSU-Bundestags-
fraktion dankt Ihnen von Herzen für Ihr unermüdliches
Engagement.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern war
kein Weg zu weit und kein Problem zu kompliziert. Sie
waren zur richtigen Zeit der richtige Mann am richtigen
Ort. Nicht nur die Opfer, sondern auch unser Land haben
Ihnen viel zu verdanken.

Wir fassen heute einen wichtigen Beschluss. Aber wir
sind noch lange nicht am Ziel – noch lange nicht. Im
Grunde beginnen wir erst jetzt mit der eigentlichen Arbeit.
Haben wir in der Vergangenheit nicht schon zu viel, zu
laut und auch zu früh gefeiert? Zunächst wurde die Eini-
gung über die Höhe des Stiftungsvermögens bejubelt,
dann der Allokationsbeschluss und danach die gemein-
same Erklärung aller Verhandlungspartner. Das waren in
der Tat wichtige Schritte auf dem Weg zum Ziel. Aber er-
reicht haben wir das Ziel noch lange nicht. Das Ziel haben
wir erst dann erreicht, wenn die Opfer, die ehemaligen
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die ihnen zu-
stehenden Leistungen erhalten haben, und zwar in voller
Höhe.


(Beifall im ganzen Hause)

Nichts wäre schlimmer und würde das Stiftungswerk und
den Stiftungszweck mehr diskreditieren als eine zweck-
widrige Verwendung der Stiftungsmittel.

Die Verantwortung dafür, dass die Mittel nicht in ir-
gendwelchen Administrationen versickern, tragen die
Bundesstiftung und die Partnerorganisationen in gleicher
Weise. Nicht alleine gegenüber dem deutschen Steuer-
zahler, der mit circa 7,5Milliarden DM belastet wird, son-
dern auch und in erster Linie gegenüber den Opfern der
Nazidiktatur.

Zu den Zielen der Stiftung gehört aber auch ein dauer-
hafter und umfassender Rechtsfrieden für deutsche Un-
ternehmen in den USA. Wenn wir heute „ausreichende
Rechtssicherheit“ feststellen, bedeutet das leider nicht,
dass schon jetzt von einem dauerhaften und umfassenden
Rechtsfrieden im Sinne der internationalen Vereinbarun-
gen gesprochen werden kann. Es sind immer noch Klagen




Wolfgang Bosbach

16851


(C)



(D)



(A)



(B)


gegen deutsche Unternehmen in den USAanhängig. Neue
Klagen sind angedroht und immer noch gibt es – zumin-
dest in einzelnen US-Bundesstaaten – legislative und ad-
ministrative Behinderungen für deutsche Unternehmen
auf dem amerikanischen Markt.

Die deutsche Wirtschaft weist aus guten Gründen auf
diese Umstände hin. Die Stiftungsinitiative hat zwar stets
betont, dass sie in der Gewährung der Stiftungsmittel eine
humanitäre, auf die Aussöhnung und Verständigung ge-
richtete Maßnahme sieht, gleichzeitig hat sie aber auch
deutlich gemacht, dass sie die Hälfte des Stiftungsvermö-
gens nur unter der Bedingung zur Verfügung stellt, dass
im Gegenzug in den USA für die deutsche Wirtschaft ein
ausreichendes Maß an Rechtssicherheit und Rechtsfrie-
den gewährleistet wird. Das war auch die Geschäfts-
grundlage, auf der die Stiftungsinitiative in der deutschen
Wirtschaft für Beiträge geworben hat. Diese Forderung ist
von allen Verhandlungspartnern, auch von den beteiligten
Klägeranwälten, akzeptiert worden. Sie findet sich im
deutsch-amerikanischen Regierungsabkommen ebenso
wieder wie in der gemeinsamen Erklärung vom 17. Juli
des vergangenen Jahres.

Die deutsche Wirtschaft ist in den vergangenen Mona-
ten für ihr Verhalten oft und kräftig kritisiert worden, ge-
legentlich sogar zu Recht. Man kann sie jetzt aber nicht
auch noch dafür kritisieren, dass sie darauf besteht, dass
die ihr gegenüber abgegebenen Erklärungen und vertrag-
lichen Vereinbarungen eingehalten werden. Verträge ma-
chen nur dann Sinn, wenn sich alle Vertragspartner in glei-
cher Weise an die getroffenen Vereinbarungen gebunden
fühlen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Meine Damen und Herren, die Stiftungsinitiative sollte
bedenken, dass es gut wäre, wenn nicht schon unmittelbar
nach dem heutigen Tag neue Kontroversen ausgetragen
werden. Daher wäre es wichtig, dass der von der Stif-
tungsinitiative zugesagte Betrag von 5,1 Milliarden DM
rasch an die Bundesstiftung gezahlt wird, und zwar mit al-
len Zinsen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wer an die Stiftungsinitiative gezahlt hat, der wollte den
Stiftungszweck unterstützen. Zweck der Stiftung kann es
aber nicht sein, Zinsen zu erwirtschaften. Auch diese soll-
ten daher den Opfern zugute kommen.


(Beifall im ganzen Hause)

Mit großem Interesse haben viele unserer Mitbürgerin-

nen und Mitbürger in den vergangenen Monaten die Dis-
kussionen und Verhandlungen über die Entschädigung für
ehemalige Zwangsarbeiter verfolgt. Auch die heutige De-
batte werden sie mit großer Aufmerksamkeit begleiten.
Dies gilt besonders für jene Mitbürger, die früher selber
verschleppt, gequält und unter unvorstellbar grausamen
Bedingungen in der Sowjetunion oder in anderen Staaten
Zwangsarbeit verrichten mussten. Auch an ihr Schicksal,
das in der öffentlichen Berichterstattung kaum eine Rolle
spielt, sollten wir heute einmal erinnern. Es geht dabei

nicht um Aufrechnung. Es muss aber erlaubt sein, darauf
hinzuweisen, dass auch viele Deutsche Opfer von Aus-
beutung unter in jeder Hinsicht unmenschlichen Bedin-
gungen waren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Diese Opfer, unsere Mitbürger, werden wissen, dass es
ihnen so gut wie unmöglich ist, durch die Einreichung
oder Androhung von Klagen in anderen Ländern Druck
auszuüben, um auf diese Weise eine finanzielle Entschä-
digung zu erhalten. Dieser Umstand ändert aber an der
Schwere des erlittenen Schicksals nichts. Deshalb gilt,
dass auch ehemalige deutsche Zwangsarbeiter – so wie
alle anderen Opfer von Unmenschlichkeit und Tyrannei –
ein Recht auf eine humanitäre Geste haben.

Die Bundesregierung hat uns vor wenigen Tagen mit-
geteilt, dass sie nicht daran denke, diesbezüglich mit an-
deren Staaten in Gespräche oder gar Verhandlungen ein-
zutreten. Dies müssen die betroffenen Menschen als
Brüskierung empfinden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)


Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen sollten
ihre Haltung überdenken. Waren die ehemaligen deut-
schen Zwangsarbeiter nicht auch Opfer von Unmensch-
lichkeit, haben sie nicht auch ein ähnlich schweres
Schicksal erlitten? Wenn auch ihnen in gleicher Weise ein
Stück Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zuteil wür-
de, wäre das ein weiterer guter Tag.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417235400
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Peter Struck, SPD-Fraktion.


Dr. Peter Struck (SPD):
Rede ID: ID1417235500
Sehr geehrter Herr Präsident.
Meine Damen und Herren! Wir dürfen mit Fug und Recht
sagen: Dies ist eine bedeutende Stunde des deutschen Par-
laments. Mit unserem heutigen Beschluss machen wir
deutlich, dass wir uns der Verantwortung für unsere Ge-
schichte bewusst sind.

Es gilt heute vielen zu danken, die das Zustandekom-
men dieser Lösung möglich gemacht haben. Bevor ich das
tue, möchte ich aber zunächst vor allem an die Opfer, die
Zwangsarbeiter, denken und ihnen für die Geduld danken,
mit der sie das zähe Ringen um eine tragfähige, rechtlich
sichere Vereinbarung ertragen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der PDS)


Bei der Freude darüber, jetzt endlich mit der Zahlung
an etwa 1,5 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter begin-
nen zu können, sollten wir gerade heute aber nicht ver-
gessen, dass ungezählte Opfer dieses Zeichen der Wieder-
gutmachung nicht mehr erlebt haben. Ihnen gilt unsere
Erinnerung. Und wir haben Anlass – wie es Bundespräsi-
dent Johannes Rau schon bei der Einigung über die Höhe
des Stiftungsvermögens im Dezember 1999 getan hat –




Wolfgang Bosbach
16852


(C)



(D)



(A)



(B)


alle, die unter deutscher Herrschaft Sklavenarbeit und
Zwangsarbeit leisten mussten, auch von dieser Stelle aus
heute um Vergebung zu bitten.

Ich stimme ausdrücklich Graf Lambsdorff zu: Wenn
wir heute parlamentarisch einen finanziellen Schluss-
strich – einen finanziellen – unter das dunkelste Kapitel
der deutschen Geschichte ziehen, müssen wir gleichzeitig
deutlich machen, dass es einen moralischen Schluss-
strich niemals geben darf.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS)


Gerade um das zu beweisen, ist die heutige Entscheidung
so wichtig. Die deutsche Politik und die deutsche Wirt-
schaft machen klar, dass sie sich auch nach mehr als ei-
nem halben Jahrhundert nach dem Naziterror der morali-
schen Pflicht nicht entziehen, die aus dem damaligen
Unrecht erwachsen ist.

Ich danke ganz besonders Bundeskanzler Gerhard
Schröder dafür, dass er die widerstreitenden Interessen
zusammengeführt hat. Ohne seinen Einsatz – auch bei der
amerikanischen Administration –, seine Beharrlichkeit
und seinen unbedingten Willen zum Konsens wäre dieses
Ergebnis nicht möglich gewesen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Graf Lambsdorff, Sie haben dankende Worte des Bun-
deskanzlers und meines Kollegen Bosbach erfahren.
Natürlich schließe ich mich ihnen an. Ob Sie, Graf
Lambsdorff, in der Tat nicht doch noch einmal gebraucht
werden – für welche Aufgabe auch immer – wollen wir
dahingestellt sein lassen.


(Heiterkeit bei der SPD)

Das, was Sie geleistet haben, ist vom Bundeskanzler rich-
tig gewürdigt worden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Ich möchte an dieser Stelle aber auch nicht vergessen,
ganz besonders meinen Fraktionskollegen Bernd Reuter
zu nennen, der mit mir seit 1980 im Deutschen Bundestag
ist und seit diesem Zeitpunkt an dieser Aufgabe gearbeitet
hat. Ich danke ihm ausdrücklich dafür.


(Beifall im ganzen Hause)

Lieber Bernd Reuter, ich glaube, du kannst stolz darauf

sein, dass diese Regierung, diese rot-grüne Koalition, das
geschafft hat, was alle Vorgängerregierungen nicht ge-
schafft bzw. versäumt haben.


(Beifall bei der SPD)

Daran haben – das möchte ich ausdrücklich erwähnen –

die Berichterstatter aller Fraktionen – Volker Beck,
Wolfgang Bosbach, Ulla Jelpke und Max Stadler – enga-
giert mitgearbeitet. Auch ihnen gilt mein herzlicher Dank.


(Beifall im ganzen Hause)


Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft hat in
den letzten Monaten Beachtliches geleistet. Trotz man-
cher Anfechtungen habe ich niemals Zweifel an der Lau-
terkeit des Bemühens gehabt. Die Anstrengungen von
Herrn Gentz und anderen – das sollten wir nicht verges-
sen – haben die größte Sammelaktion der deutschen Wirt-
schaft zuwege gebracht. Damit haben die beteiligten Un-
ternehmen sich, aber auch dem Ansehen Deutschlands
sehr geholfen.

Ich freue mich, dass nicht nur Michael Jansen, der Vor-
standsvorsitzende der Stiftung, diese Debatte verfolgt.
Mit ihm sind viele Repräsentanten der Partnerstiftungen
in Russland, Weißrussland, der Ukraine, Polen, Tsche-
chien und auch Vertreter des Jewish Council anwesend.
Ich begrüße Sie alle ganz herzlich und habe die Bitte: Hel-
fen Sie mit, dass wir jetzt unverzüglich mit der Auszah-
lung an alle Betroffenen beginnen können! Viele Anträge
sind in den Ländern der Betroffenen noch nicht bearbei-
tet. Lediglich in Polen und Tschechien sind die Vorarbei-
ten der Partnerorganisationen weit vorangeschritten, so-
dass dem voraussichtlichen Zahlungsbeginn Ende des
Monats dort nichts im Wege steht. Ich habe Verständnis
für diejenigen, die sich für eine Verlängerung der An-
tragsfrist aussprechen. Ob sie nötig sein wird, werden
wir rechtzeitig entscheiden müssen. Aber wir sollten auch
bedenken, dass wir deshalb immer auf eine schnelle Lö-
sung gedrängt haben, weil wir den teilweise hochbetagten
Opfern noch Wiedergutmachung zukommen lassen woll-
ten.

Ich halte es für wichtig, dass alle Fraktionen diese Ent-
scheidung mittragen. Es ist für unsere Nachbarn und Part-
ner ein bedeutendes Zeichen, dass sich das Parlament als
Ganzes seiner moralischen Verantwortung für die Ge-
schichte bewusst ist.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417235600
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417235700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine his-
torische Stunde: Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass
die gesetzlichen Voraussetzungen für den Beginn der
Entschädigungsauszahlungen gegeben sind. Mit dem
heutigen Beschluss des Bundestages ist der Weg für die
Entschädigung der noch lebenden Zwangs- und Sklaven-
arbeiter endlich frei.

56 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges erkennt
Deutschland das Unrecht der Zwangsarbeit als solches an
und zieht daraus die richtige Konsequenz: die Entschädi-
gung der Opfer. Mit dieser humanitären Geste können wir
das Unrecht nicht wieder gutmachen. Aber wir können
den Menschen ganz konkret helfen, die von Deutschland
und durch Deutsche so viel erleiden mussten.

Ich muss Ihnen sagen: Ich bin unendlich erleichtert,
dass die Opfer jetzt ihr Geld bekommen. In spätestens vier
Wochen werden die ersten Zahlungen bei den ehemaligen




Dr. Peter Struck

16853


(C)



(D)



(A)



(B)


Zwangsarbeitern ankommen. Ich war in den letzten Wo-
chen nicht sicher, ob wir dies auf dem Weg, den wir ein-
geschlagen hatten, überhaupt schaffen würden. Das hat
mich mit großer Sorge erfüllt. Wenn ich die Vertreter der
osteuropäischen Verbände oder der Jewish Claims Confe-
rence sah und ihnen noch immer nicht sagen konnte, wann
das Geld endlich an die Opfer gezahlt wird – diese Op-
fervertreter waren zu Hause selber unter Druck –, dann
war das eine peinliche, beschämende und traurige Situa-
tion.

Ich hoffe trotzdem, dass die Zwangsarbeiter die huma-
nitäre Geste dieser Entschädigungsleistung als darge-
reichte Hand Deutschlands zur Versöhnung, zur Ent-
schuldigung für das ihnen zugefügte Unrecht annehmen.
Möge dieses große Entschädigungswerk, das wir heute
abschließen, einen Beitrag zur Versöhnung und zu nach-
haltigem Frieden auf dem europäischen Kontinent leisten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der PDS)


Aber bei aller Erleichterung: Am heutigen Tag gehen
einem auch einige bittere Gedanken durch den Kopf.
Viele Opfer sind verstorben, bevor sich Bundesregierung
und deutsche Wirtschaft 1998 zur Entschädigung bereit
gefunden haben. Zwei Jahre lang haben wir zäh verhan-
delt, bis im Sommer 2000 internationale Vereinbarungen
und das Stiftungsgesetz verabschiedet werden konnten.
Seitdem ist nun schon wieder fast ein ganzes Jahr vergan-
gen, ein Jahr, in dem nach Angaben der Opferverbände an
jedem Tag 200 Berechtigte gestorben sind. Für sie kommt
der heutige Beschluss zu spät. Dies bedauern wir zutiefst.

Die Diskussion in den letzten Wochen hat das Anliegen
der Bundesstiftung manchmal schon fast vergessen las-
sen. Um es noch einmal klar und deutlich zu sagen: Der
Stiftungszweck heißt nicht Herstellung der Rechtssicher-
heit für deutsche Unternehmen; gleichwohl ist das ein
wichtiges Anliegen des Bundestages. Die Stiftung dient
vielmehr vorrangig der Entschädigung der Opfer des Na-
tionalsozialismus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Es geht uns als Deutschem Bundestag um die Über-
nahme von Verantwortung für historisches Unrecht.
15 Jahre lang haben wir Grünen im Parlament für diese
Entschädigung gestritten. Bis 1998 haben alle Bundesre-
gierungen rechtlich und politisch gegen diese Entschädi-
gung der Zwangsarbeiter argumentiert. Ich möchte an die-
ser Stelle meinen Kollegen Christian Ströbele und Antje
Vollmer danken, die diese Arbeit in den 80er-Jahren be-
gonnen haben, die dann von Wolfgang Ullmann und
Ingrid Köppe fortgesetzt wurde. Ich glaube, ihnen gebührt
Dank dafür, dass wir dieses Thema nicht aus dem Ge-
dächtnis verloren haben und dass wir an dieser Front
keine Ruhe hatten. Ansonsten wären wir heute vielleicht
nicht so weit gekommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Auch Appelle des Deutschen Bundestages und des Eu-
ropäischen Parlamentes an die Wirtschaft hatten in den
80er-Jahren nichts erreichen können. Erst nach der Bun-
destagswahl 1998 und nach den Sammelklagen in den
USAist bei Politik und Wirtschaft eine neue Situation ein-
getreten. Wir können heute sagen: Wir haben wirklich viel
erreicht und es war ein langer, zäher, beschwerlicher und
trauriger Weg.

Ich bin besonders froh, dass unser Freund Alfred
Hauser, der in den 80er-Jahren die Interessengemein-
schaft der Zwangsarbeiter in Deutschland gegründet hat,
diesen Tag noch erleben kann, obwohl er alt und gebrech-
lich ist. Wir können feststellen: Seine Arbeit für die Men-
schen, die mit ihm unter dem Zwangsarbeiterprogramm
gelitten haben – ob sie aus dem Ausland kamen oder als
Deutsche Zwangsarbeit leisten mussten –, hat sich ge-
lohnt. Vielen Dank, Alfred!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Ich möchte mich auch bei den Unternehmen bedan-
ken, die sich der Stiftungsinitiative der deutschen Wirt-
schaft freiwillig angeschlossen haben. Sie haben damit
gezeigt: Ein großer Teil der deutschen Wirtschaft sieht
seine historische Verantwortung. Besonders stolz bin ich
dabei auf die Unternehmen, die nach 1945 gegründet wur-
den und die selber offensichtlich nicht unmittelbar vom
Zwangsarbeiterprogramm profitiert haben, die aber sa-
gen: Als Teil der deutschen Wirtschaft ist die Entschädi-
gung unsere gemeinsame Verantwortung. Das verdient
besondere Anerkennung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der PDS)


Aber an einem solchen Tag muss man auch fragen: Be-
steht die deutsche Wirtschaft nur aus 6 300 Unternehmen?
Ist unser Land wirtschaftlich wirklich so schwach oder
haben wir nicht noch viel mehr kleine, mittlere und große
Unternehmen, die sich an diesem Werk beteiligen könn-
ten?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Wo sind die Fuldaer Reifenwerke? Wo ist Dallmayr aus
München, Haribo aus Bonn oder der große Bauer-Verlag?
Warum sind sie der Stiftungsinitiative noch nicht beige-
treten? Es ist noch nicht zu spät. Denn wir werden noch
viel mehr Geld brauchen als das, was wir jetzt haben, um
der von Herrn Bosbach erhobenen Forderung, dass alle
den vollen Betrag, auf den sie Anspruch haben, bekom-
men, tatsächlich gerecht zu werden.

Ich appelliere heute an die Stiftungsinitiative der deut-
schen Wirtschaft – im vorliegenden Antrag wird dies in
gewisser Weise auch getan –, jetzt ohne jedes Zaudern
und Zögern, ohne erneutes Fechten um Termine und ohne
Feilschen um Zinsen unverzüglich die gesamten 5 Milli-
arden DM und mindestens 100 Millionen DM Zinsen an
die Bundesstiftung zu überweisen. Es ist das Geld der Op-




Volker Beck (Köln)

16854


(C)



(D)



(A)



(B)


fer. Lassen Sie uns diese große Leistung nicht durch klein-
liche Debatten im Nachgang minimieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Meine Damen und Herren, wir als Bundestag haben in
dieser Debatte um die Entschädigung der Zwangsarbeiter
noch drei Aufgaben. Wir müssen aus humanitären und aus
rechtlichen Gründen noch vor der Sommerpause die im
Stiftungsgesetz festgesetzten Antragsfristen verlängern.
Die Richtlinien im Vermögensbereich, nach denen be-
stimmt wird, wer überhaupt etwas bekommt, sind noch
gar nicht veröffentlicht, zum Teil noch nicht einmal
beschlossen. Wir können nicht am 13. August sagen: Bis
zum 12.August hättet ihr Anträge stellen müssen; jetzt sa-
gen wir euch, ob ihr etwas bekommen hättet. Da müssen
wir handeln. Wir müssen dies auch aus humanitären
Gründen tun. Viele Opfer haben nicht einmal gewusst, ob
es tatsächlich einmal Geld gibt, und mit ihrem Antrag ge-
wartet. Die meisten Opfer, das erzählen uns die Praktiker
aus dem Bereich der Entschädigung, stellen dann ihren
Antrag, wenn sie hören, dass Leidensgenossen bereits
Geld bekommen haben. Deshalb sollten wir mindestens
bis zum Jahresende jedem die Chance geben, sein Anlie-
gen vorzubringen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


Wir als Kuratoren, aber auch der ganze Deutsche Bun-
destag müssen den Stiftungsvorstand dabei unterstützen,
darüber zu wachen, dass die Auszahlung tatsächlich bei
den Opfern und nur bei den Opfern ankommt, ohne einen
großen Popanz an Bürokratie aufzubauen. Ich glaube, hier
können wir mit der Unterstützung des ganzen Hauses
rechnen.

Wir werden darauf achten müssen, dass der so ge-
nannte „Rest der Welt“, die nicht jüdischen Opfer außer-
halb von Polen, Tschechien und GUS, bei der Höhe der
Auszahlung nicht benachteiligt werden. Wir haben uns
die Welt beim Stiftungsgesetz und bei den Verhandlungen
zum Teil zulasten Dritter schöngerechnet und schöngere-
det. Es darf nicht dazu kommen, dass es vom Wohnsitz ab-
hängt, wie viel Geld man bekommt.

Deshalb auch der Appell an die Bürgerinnen und Bür-
ger draußen im Lande: Jetzt ist die Zahlung frei. Wer sich
engagieren will, kann diese Bundesstiftung durch Zustif-
tungen aufstocken. Dann können wir den Opfern noch
mehr helfen.

Wir als Bundestag müssen uns, wenn wir – vielleicht
in einem Jahr – Bilanz ziehen, fragen, wie viele Berech-
tigte wir tatsächlich haben und ob wir noch einmal helfen
müssen.

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte auch
ich ganz besonders Graf Lambsdorff und seinem Arbeits-
stab danken, dessen Leistungen wirklich riesig waren. Ich
bin froh, dass wir heute sagen können: Den größten Teil
der Arbeit haben Sie hinter sich gebracht.

Wir haben jetzt die Arbeit an Herrn Bräutigam, Herrn
Jansen und Herrn Primor vom Stiftungsvorstand weiter-

gegeben. Sie haben jetzt einen Riesenberg von Arbeit vor
sich, um die Entschädigungszahlungen abzuwickeln, zu-
sammen mit Dr. Brozik von der Jewish Claims Confe-
rence, mit den Vorsitzenden der Partnerorganisationen aus
Osteuropa und der IOM. Wir wünschen ihnen dabei eine
glückliche Hand. Sie können bei dieser Arbeit immer auf
die Unterstützung des ganzen Deutschen Bundestages
bauen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417235800
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Max Stadler, F.D.P.-Fraktion.


Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1417235900
Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag
hat immer das Versprechen abgegeben, die Stiftungsmit-
tel schnellstmöglich für die Auszahlung an die Opfer
freizugeben, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen
vorliegen. Es hat leider lange gedauert, bis die im Stif-
tungsgesetz geforderte ausreichende Rechtssicherheit ge-
geben war – beinahe zu lange für die ehemaligen
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, beinahe zu
lange für das Ansehen der deutschen Wirtschaft und der
deutschen Politik in der Weltöffentlichkeit. Der Streit um
die Rechtssicherheit war so sehr in das Zentrum der öf-
fentlichen Auseinandersetzung gerückt, dass die große
Leistung, Politik und Wirtschaft in einer gemeinsamen
Bundesstiftung zusammengeführt zu haben, zu verblas-
sen drohte.

Deshalb war unsere Erleichterung über die jüngste Ent-
wicklung bei den Sammelklagen groß. Jetzt kann guten
Gewissens von ausreichender Rechtssicherheit im Sinne
des Stiftungsgesetzes gesprochen werden. Damit kann der
Deutsche Bundestag, der in den beiden letzten Debatten
die Opfer und die Öffentlichkeit immer wieder um Geduld
bitten musste, heute endlich das lange erhoffte positive Si-
gnal setzen: Der Weg für die Auszahlung der symboli-
schen Entschädigungsleistungen ist frei.


(Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der PDS)


Meine Damen und Herren, es wäre unehrlich, zu leug-
nen, dass es noch unterschiedliche Auffassungen über De-
tailfragen gibt. Aber diese Fragen sind nicht das zentrale
Thema der heutigen Debatte. Sie werden zu gegebener
Zeit und am gegebenen Ort – zum Beispiel im Kuratorium
der Stiftung – diskutiert werden. Ich bin davon überzeugt,
dass der finanzielle Beitrag der Stiftungsinitiative der
deutschen Wirtschaft demnächst bei der Bundesstiftung
eingehen wird. Die Probleme hinsichtlich der Verlänge-
rung von Antragslisten, der Zinsen und der bürokratischen
Hemmnisse, die es vielleicht noch zu bewältigen gibt,
werden gelöst werden. Dies ist zwar wichtig, aber es sind
eben doch nur Nebenaspekte, genau wie die Vorge-
schichte, die gerade noch einmal apostrophiert worden ist.
Die zentrale Botschaft von heute ist eben eine andere,
nämlich die: Alle Fraktionen des Deutschen Bundestages,




Volker Beck (Köln)


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(C)



(D)



(A)



(B)


die Bundesregierung und die Stiftungsinitiative der deut-
schen Wirtschaft sind sich darin einig, dass nun unver-
züglich mit den Auszahlungen an die Opfer begonnen
werden kann.


(Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der PDS)


Damit hat dieses schwierige Projekt die letzte große
Hürde genommen, wofür die F.D.P.-Fraktion natürlich
insbesondere dem Beauftragten des Bundeskanzlers,
Dr. Otto Graf Lambsdorff, sehr herzlich dankt.


(Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir schließen uns den ehrenden Worten des Bundeskanz-
lers und der anderen Redner an. Dass es zu der heutigen
einvernehmlichen Beschlussfassung nun doch kommt, ist
vor allem das Verdienst von Otto Graf Lambsdorff.

Diesen Beschluss herbeizuführen war indes nicht so
problemlos, wie die heutige allgemeine Übereinstim-
mung suggerieren könnte. Die Fraktionen des Deutschen
Bundestages waren sich ihrer Verantwortung auch für das
Ansehen Deutschlands in der Welt bei diesem Projekt
stets bewusst. Deswegen haben wir bei dieser Problema-
tik ganz bewusst auf eine parteipolitische Auseinander-
setzung verzichtet; ich will mich auch heute daran halten.
Es darf aber doch festgestellt werden, dass in der ent-
scheidenden Phase vor etwa zwei Wochen manche Kolle-
gen – aus verständlichen Gründen – hinsichtlich des wei-
teren Vorgehens vorsichtig und zögerlich gewesen sind.

Die F.D.P.-Fraktion hat die Frage der Rechtssicherheit
sehr sorgfältig geprüft. Wir sind zu dem Ergebnis gekom-
men, dass nach dem Verlauf der Rechtsprechung in den
USA keine Verurteilungen deutscher Unternehmen vor
amerikanischen Gerichten drohen. Das Statement of Inte-
rest hat sich in der Praxis nach unserer Auffassung hinrei-
chend bewährt. Die somit juristisch gut begründete Ent-
scheidung, Rechtssicherheit festzustellen, war politisch
dringend und rasch geboten. Ich glaube, es überschreitet
nicht die Grenzen des Taktes und ist nicht parteipolitische
Auseinandersetzung, wenn ich feststelle, dass unser Frak-
tionsvorsitzender Wolfgang Gerhardt dies im richtigen
Moment erkannt hat und in der Öffentlichkeit mit Nach-
druck dafür eingetreten ist, dass wir diese Entscheidung
heute treffen. Denn jeder Tag des Zuwartens wäre ein ver-
lorener Tag gewesen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Bernd Reuter [SPD])


Meine Damen und Herren, nun kann endlich wieder ins
öffentliche Bewusstsein rücken, was die Stiftungsinitia-
tive, die Bundesregierung, Graf Lambsdorff und der Deut-
sche Bundestag mit den internationalen Verhandlungs-
partnern in den letzten zwei Jahren erreicht haben – das
ist nicht wenig, ich möchte sogar sagen: es ist bewegend –,
nämlich ein Bekenntnis zu Schuld und historischer Ver-
antwortung statt des Verdrängens und Vergessens, eine
Geste der Wiedergutmachung und Versöhnung anstelle

des Rückzugs auf juristische Abwehrpositionen, eine
symbolische Geldleistung an die ehemaligen Zwangsar-
beiterinnen und Zwangsarbeiter – übrigens auch an die,
deren Betriebe keine Rechtsnachfolger haben, sodass eine
gerichtliche Einklagung der Ansprüche gar nicht möglich
gewesen wäre –, statt jahrelanger Prozesse mit ungewis-
ser Aussicht der Opfer, je entschädigt zu werden.

Ich glaube, der heutige Beschluss des Bundestages
wird dazu beitragen, dass die späte, aber doch großartige
Idee der gemeinsamen Bundesstiftung in der Geschichte
eine positive Würdigung erfahren wird.


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417236000
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Roland Claus, PDS-Fraktion.


Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1417236100
Herr Präsident! Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren! Die Entschädigung der ehe-
maligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ist in
der Tat ein wichtiger Schritt in der deutschen Nachkriegs-
geschichte, der längst überfällig war. Was wir heute auf
Antrag aller Fraktionen beschließen, sollte daher nicht ge-
ring geschätzt oder herabgewürdigt werden, aber ich emp-
finde es auch als gut, dass wir uns hierbei jeglicher Selbst-
zufriedenheit enthalten.


(Beifall bei der PDS)

Gewiss, meine Damen und Herren, es ist an dieser

Stelle vielen zu danken. Ich schließe mich namens der
PDS-Fraktion dem Dank an die bereits Genannten herz-
lich und gerne an. Unser Dank gilt aber vor allem den
Betroffenenverbänden, die mit ihrem beharrlichen
Nachdruck den wohl größten Anteil am heutigen Ergeb-
nis haben.


(Beifall bei der PDS sowie der Abg. Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Vergessen wir nicht: Sie sind keine Bittsteller, sondern ha-
ben einen höchst moralischen Anspruch.

Eigentlich gingen wir alle davon aus, dass mit der Verab-
schiedung des Gesetzes zur Stiftung für die Zwangsarbei-
terentschädigung, dem ersten von allen Fraktionen gemein-
sam eingebrachten Gesetz, die Entscheidung getroffen war.
Dann aber – auch das gehört zur Wahrheit – hat die deut-
sche Wirtschaft, genauer gesagt: die Interessenvertre-
tung der deutschen Wirtschaftsspitzen, mit dem Deut-
schen Bundestag Monopoly gespielt. Der Gipfel war wohl
die Forderung, das Parlament solle das gerade beschlos-
sene Gesetz mal eben so gemäß dem Wunsch der Unter-
nehmerverbände ändern. Nun sagt aber zum Glück das
Grundgesetz der Bundesrepublik in Art. 20: „Alle Staats-
gewalt geht vom Volke aus“, nicht aber: Alle Staatsgewalt
geht vom Haus der deutschen Wirtschaft aus. Meiner Mei-
nung nach haben die Spitzenverbände der deutschen Wirt-
schaft damit das internationale Ansehen der Bundesrepu-
blik nachhaltig beschädigt, im Übrigen auch das Ansehen
von Unternehmen, die von sich aus der Stiftungsinitiative
beigetreten sind.


(Beifall bei der PDS)





Dr. Max Stadler
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(C)



(D)



(A)



(B)


Meine Damen und Herren, setzen wir für einen Mo-
ment diese 5 Milliarden DM, über die so viel gestritten
wurde, in einen Vergleich. Es ist weniger Geld, als die
Bankgesellschaft Berlin bei ihren so genannten „ganz nor-
malen“ Geschäften in den Sand gesetzt hat. Man muss sich
das einmal aus der Sicht osteuropäischer Zwangsarbeite-
rinnen und Zwangsarbeiter vorstellen: Da macht die deut-
sche Hauptstadt mal eben ein paar Milliarden D-Mark
Schulden und schon ist man dabei, zu erklären, dass man
den Schaden selbstverständlich irgendwie werde ausglei-
chen können, aber um eine geringere Summe für Zwangs-
arbeiterinnen und Zwangsarbeiter gibt es ein endloses, an
Würdelosigkeit kaum zu überbietendes Gezerre. Ange-
sichts dessen muss man sich schon fragen, wo hier die
Maßstäbe geblieben sind.


(Beifall bei der PDS)

Gestatten Sie mir noch einen Blick auf die Geschichte:

Die heutige Entscheidung des Deutschen Bundestages
wäre wohl ohne die Überwindung der Blockkonfrontation
und ohne die deutsche Vereinigung nicht möglich gewor-
den. Die früheren Systeme hatten sich auch in dieser
Frage im wahrsten Sinne des Wortes gegenseitig blockiert.
Da ist also mit dem Beitritt der DDR nicht nur einfach et-
was dazugekommen, es sind neue Dimensionen eröffnet,
neue Chancen gewonnen worden, die wir wahrnehmen,
aber auch vertun können. Deutschland wird nicht allein
wegen seiner Wirtschaftsmacht internationale Anerken-
nung finden, sondern man erwartet von uns auch das
öffentliche Signal: Politik und Moral gehören zusam-
men – und nicht getrennt.


(Beifall bei der PDS – Lachen bei der CDU/CSU)


In drei Wochen jährt sich zum 60. Mal der Überfall
Deutschlands auf die Sowjetunion – und nicht umgekehrt,
Herr Bosbach –, das Land, das dann im Zweiten Weltkrieg
die meisten Opfer brachte. Nicht der Diktator Stalin
wurde nach diesem Überfall versklavt, sondern Millionen
unschuldiger Menschen traf dieses Schicksal. Vor diesem
60. Jahrestag muss die Auszahlung an die Opfer beginnen.


(Beifall bei der PDS)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417236200
Eine wirkliche

Entschädigung ist das nicht, weil diesen Schaden niemand
tilgen kann. Aber ein wichtiger historischer Schritt ist jetzt
und heute geboten. Deshalb steht die PDS-Fraktion zu
dem gemeinsamen Antrag aller Bundestagsfraktionen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417236300
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Martin Hohmann, CDU/CSU-Fraktion.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1417236400
Sehr geehrter Herr
Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kolle-
gen! In wenigen Minuten wird der Bundestag „ausrei-
chende Rechtssicherheit“ feststellen. Das ist Anlass zur
Freude, insbesondere zur Freude mit den hochbetagten,

ehemaligen Zwangsarbeitern, denen mit einigen tausend
D-Mark echte Hilfe geleistet wird. Das ist natürlich auch
Anlass für ein kräftiges Dankeschön und für verdientes
Lob.

Mein erstes Lob gilt der deutschen Wirtschaft und
ihren Vertretern.


(Zurufe von der PDS: Auweia!)

Damit möchte ich den über weite Strecken unverdienten
Tadel ausgleichen, der auf die Wirtschaft in den letzten
Wochen niederprasselte und zum Teil noch niederprasselt.

Dann bin ich schon bei Graf Lambsdorff, einem Mann
mit hervorragenden Talenten und einem ganz außerge-
wöhnlichen Pflichtethos. Er spricht von einer Mischung
aus Geschäft und Moral. Das ist lebenskluger Realitäts-
sinn, der ihn davor bewahrt, in tiefer Ergriffenheit zu sich
selbst aufzublicken. Wir sollten ihn heute darin zum Vor-
bild nehmen.

Wie war die Entstehungsgeschichte der Zwangs-
arbeiterinitiative? Da war zuerst der Einzelkämpfer von
Münchhausen. Der eigentliche Anstoß kam dann aus der
rot-grünen Koalitionswerkstatt des Jahres 1998. Helmut
Kohl hatte kurz zuvor gesagt, die Staatskasse werde
nicht wieder geöffnet, eine solche reparationsähnliche
Entschädigung könnte die Büchse der Pandora öffnen.
Griechische Begehrlichkeiten scheinen das zu bestäti-
gen.

Bei der konzeptionellen Arbeit waren die Bundestags-
abgeordneten in der Rolle von Zaungästen. Die Schlag-
zahl gaben Amerikaner vor, der bindende Text ist in Eng-
lisch. So entstanden unumstößliche Vorgaben, wie zum
Beispiel die Verteilung des „Topfes“, die so genannte Al-
lokation.

Beim Werben für das Projekt waren deutsche Politiker
dann natürlich wieder nützlich, in erster Linie die der rot-
grünen Regierungskoalition. Es ist verständlich, dass sie
die bisherigen deutschen Wiedergutmachungsleistungen
dabei nicht besonders herausstellten. Aber sie müssen ge-
nannt werden: Nach heutigem Wert sind an rassisch, re-
ligiös oder politisch Verfolgte nach dem BEG rund
233 Milliarden DM gezahlt worden. Rund 100 000 Ver-
folgte erhalten derzeit BEG-Renten in einem jährlichen
Gesamtvolumen von 1,2 Milliarden DM. Seit Konrad
Adenauer und Ben Gurion hat Deutschland in einzigarti-
ger Weise Verantwortung übernommen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Man fragt sich manchmal, warum diese riesige Entschä-
digungsleistung nicht deutlich kommuniziert wird.


(Dr. Peter Struck [SPD]: Was soll denn das?)

– Ich komme jetzt zu Ihnen.

Ärgerlich wird es aber, wenn ein Politiker der Regie-
rungskoalition hier im Bundestag behauptet:

Die Zwangsarbeiter sind Menschen, die von unserem
Staat nie etwas bekommen haben.

Die Wahrheit ist, dass neun von zehn Zahlungsempfän-
gern bereits Entschädigungsleistungen aus deutschen




Roland Claus

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(C)



(D)



(A)



(B)


Kassen erhalten haben. Das konnten Sie im „Focus“ und
in der „FAZ“ lesen.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter Dreßen [SPD]: Dann muss es ja stimmen!)


– Ja, lachen Sie ruhig. Das hat auch die Bundesregierung
bestätigt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir alle wissen, welch unsägliches Leid jüdischen

Menschen und Menschen anderer Völker durch Deutsche
im letzten Jahrhundert beigebracht worden ist.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Judentum ist eine Religion!)


Aber dieses gute Argument braucht kein wahrheitswidri-
ges Übertreiben und kein übermäßiges Moralisieren. Fak-
tum ist, dass bis heute jede Bundesregierung rechtliche
Ansprüche von Zwangsarbeitern zurückgewiesen hat.
Faktum ist, dass bis heute kein einziges Gericht Zwangs-
arbeiterentschädigungen rechtskräftig zugesprochen hat.
Faktum ist, dass der Stiftungsinitiative der deutschen
Wirtschaft der große Schrecken über die erfolgreiche
1,25-Milliarden-Dollar-Kampagne gegen die Schweizer
Banken in die Knochen fuhr.


(Dr. Peter Struck [SPD]: Das ist mehr als peinlich, was Sie hier darstellen! Unerträglich peinlich!)


Unter befreundeten Staaten gebraucht man das Wort Er-
pressung nicht. Aber eine sehr wirksame Einladung zur
Aufnahme sehr ernsthafter Verhandlungen waren die von
B’nai B’rith International und dem American Jewish Con-
gress in den USA geschalteten Anzeigen schon.

Faktum ist, dass erst das Zusammenwirken von meh-
reren Umständen und Wirkungen das heutige Ergebnis
herbeigeführt hat. Da sind die Geschäftsinteressen großer
deutscher Firmen in den USA. Da ist das Institut der ame-
rikanischen Sammelklage mit ihren horrenden Klagesum-
men.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist voll daneben!)


Da ist der Fortfall Deutschlands als wichtigster Verbün-
deter der USA nach dem Ende des Kalten Krieges. Da
ist, wie es Stuart Eizenstat anlässlich der 1998er-Ab-
schlussfeier der jüdischen Yeshiva-Universität aus-
drückte, das Erstarken und das In-den-Mittelpunkt-des-
amerikanischen-Lebens-Rücken der Juden in den USA.
Da ist auf deutscher Seite die Verantwortung bei Politi-
kern, für die der Erfolg der 68er-Vergangenheitsbewälti-
gung ein prägendes Erlebnis war.


(Peter Dreßen [SPD]: Schämen Sie sich! – Weitere Zurufe von der SPD)


– Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sollten die
Fakten zur Kenntnis nehmen können; denn Politik heißt,
das zu sagen, was ist.


(Detlev von Larcher [SPD]: Sie sollten schweigen, Herr Kollege!)


Ich komme zum Schluss.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS)

– Wenn Sie zu meinem Schlussappell wieder klatschen,
dann sehe ich, dass Sie Menschenrechte ernst nehmen.


(Zuruf von der SPD: Das ist nicht zu ertragen!)


Wenn heute der Versuch gemacht wird, historisches
Leid mit einer moralischen Geste zu lindern, dann dürfen
wir das Leid und die Menschenrechte deutscher Zwangs-
arbeiter nicht schweigend übergehen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ludwig Stiegler [SPD]: Muss man das jetzt aufrechnen?)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1417236500
Haben
Sie auch für deutsche Zwangsarbeiter ein Herz!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sebastian Edathy [SPD]: Das ist doch nicht zu fassen! – Weitere Zurufe von der SPD: Pfui! Peinlich!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417236600
Ich schließe die Aus-
sprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/
Die Grünen, der F.D.P. und der PDS zur Feststellung aus-
reichender Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen
nach § 17 Abs. 2 des Gesetzes zur Errichtung einer Stif-
tung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“. Zu
dieser Abstimmung liegt eine schriftliche Erklärung des
Kollegen Kauder und weiterer 13 Abgeordneter der
CDU/CSU-Fraktion vor1). Wer stimmt für diesen Antrag
auf Drucksache 14/6158? – Wer stimmt dagegen? –
Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen
von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, F.D.P. und
PDS bei einigen Gegenstimmen aus der CDU/CSU-Frak-
tion angenommen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte auch meinerseits allen, die an diesem wich-
tigen Werk beteiligt waren, ein herzliches Wort des Dan-
kes aussprechen.

Wir kommen nun zur Beschlussempfehlung des Innen-
ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der PDS zur so-
fortigen Auszahlung an die Opfer der NS-Zwangsarbeit,
Drucksache 14/6165. Der Ausschuss empfiehlt, den An-
trag auf Drucksache 14/5788 für erledigt zu erklären. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist einstimmig
angenommen.




Martin Hohmann
16858


(C)



(D)



(A)



(B)


1) Anlage 2

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe Zusatz-
punkt 2 auf:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Haltung der Bundesregierung zum drastischen
Anstieg der Inflation auf 3,5 Prozent

Bevor ich die Aussprache eröffne, bitte ich die Kolle-
ginnen und Kollegen, die den Saal verlassen wollen, das
möglichst schnell zu tun, damit die Aussprache ungestört
vor sich gehen kann.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Friedhelm Ost, CDU/CSU-Fraktion.


Friedhelm Ost (CDU):
Rede ID: ID1417236700
Sehr geehrter Herr Prä-
sident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die In-
flation hat einen Namen: Rot-Grün.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


– Natürlich; ich werde Ihnen das gleich erläutern.
Vor einigen Jahren hat einmal ein Bundesbankpräsi-

dent gesagt: Inflation ist Betrug am Sparer, ja an allen
kleinen Leuten. Dieser Bundesbankpräsident kam aus den
Reihen der SPD. Die Inflationsrate lag damals nicht, wie
heute, bei 3,5 Prozent, sondern unter 2 Prozent.

Natürlich wissen Sie selbst das ganz genau: Eine Infla-
tionsrate von 3,5 Prozent bedeutet eine gewaltige Geld-
entwertung. Die Preissteigerungen treffen vor allem die
sozial Schwächeren.

Das ist aber nicht das einzige Ziel des Wachstums- und
Stabilitätsgesetzes, das verfehlt worden ist. Alle Ziele sind
verfehlt worden. Sie haben saisonbereinigt wieder eine
steigende Arbeitslosigkeit. Sie haben ein unbefriedigen-
des wirtschaftliches Wachstum; es geht zurück. Der
Bundeskanzler muss seine eigenen Prognosen laufend
zurücknehmen. Sie haben ein Ungleichgewicht in der
Außenwirtschaft, und Sie haben eine hohe Inflationsrate.

Sie können von renommierten wissenschaftlichen In-
stituten wie dem DIW erfahren, welch außerordentlich
negative Folgen eine so hohe Inflationsrate hat. Das DIW
schreibt in seiner jüngsten Analyse, angesichts dieser
Preisentwicklung bliebe für den privaten Konsum in rea-
ler Rechnung kaum noch etwas von dem Anstieg übrig.

Man fragt sich heute: Wie verträgt sich das eigentlich
mit den Verheißungen wie „Wir machen nicht alles an-
ders, aber wir machen alles besser“? Bei 3,5 Prozent In-
flation – das ist eine Rekordzahl in den letzten sieben Jah-
ren – können Sie doch nicht davon sprechen, dass alles
besser gemacht worden ist. Die Selbstherrlichkeit, mit der
Sie sich gerade in der Wirtschafts- und Finanzpolitik prä-
sentiert haben, erleidet jetzt Schiffbruch. Sie treiben unser
Land wirtschaftspolitisch in einen wirklichen GAU. Sie
verfehlen alle wichtigen wirtschaftspolitischen Ziele.


(Detlev von Larcher [SPD]: Sie täuschen sich, Herr Kollege!)


– Ich täusche mich nicht.

(Detlev von Larcher [SPD]: Dann täuschen Sie das Volk!)


– Sie müssen nur die offiziellen Zahlen zur Kenntnis neh-
men. Sie dürfen nicht dauernd dazwischenreden, sonst
können Sie das nicht richtig wahrnehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie sind hier angetreten mit der selbstherrlichen Er-

kenntnis: Energie ist zu billig. Ich weiß gar nicht, woher
Sie diese großartige Erkenntnis hatten. Fragen Sie einmal
den Autofahrer an der Tankstelle, fragen Sie die Familie,
die die Heizkostenabrechnung bekommen hat und jetzt
nicht nur nachzahlen, sondern auch höhere Vorauszahlun-
gen leisten muss, ob Energie zu billig ist. Sie sind die
Preistreiber der Nation. Diesen Titel haben Sie sich wirk-
lich verdient.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Sie können nachrechnen; Sie können ja sonst mit Zah-

len gut jonglieren: Eine vierköpfige Familie ist in diesem
Jahr mit gut 650 DM höher belastet als 1998. Sie lächeln
darüber und sagen, das sei gar nichts.


(Joachim Poß [SPD]: Ich lächle nicht darüber! Ich denke nur an Ihr Gehalt, das Sie als Generalbevollmächtigter daneben bekommen!)


– Doch, Sie nehmen das mit einer Chuzpe hin, die unso-
zial ist. Sie verschlimmbessern alles.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich erinnere Sie in diesem Zusammenhang an Goethe:

Einmal die Weste falsch geknöpft, ist immer falsch ge-
knöpft. Sie können knöpfen, wie Sie wollen, Sie kommen
immer mit einer falsch geknöpften Weste an.


(Joachim Poß [SPD]: Ich lächle nur über Ihre Glaubwürdigkeit!)


Sie sind falsch geknöpft; das sage ich Ihnen ganz offen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Eine Inflationsrate von 3,5 Prozent bedeutet eine ge-
waltige Geldentwertung. Sie sprechen doch auch von Ver-
mögensbildung in Arbeitnehmerhand. Sie wollen eine ge-
rechte Verteilung vornehmen und die Kluft zwischen Arm
und Reich schließen. Wenn Sie die Inflationsrate von
3,5 Prozent im Zusammenhang mit einem Geldvermögen
von 7 BillionenDM sehen – das sind die Spargroschen der
kleinen Leute, das sind die Vorsorgegroschen von Rent-
nern und anderen –, müssen Sie erkennen: Sie rauben da-
mit den Leuten in diesem Jahr 24 Milliarden DM. Sie ma-
chen jetzt im Zusammenhang mit der Entlastung der
Familien im Umfang von 4 Milliarden DM große Schlag-
zeilen, nehmen ihnen aber gleichzeitig 24 Milliarden DM
als Folge der Inflation weg.

Außerdem muss ich Ihnen sagen: Was Sie im Zusam-
menhang mit dem Euro machen – die zweite Quelle der
Inflation – ist auch unsozial. Sie kümmern sich nicht um
den Wert der Währung. Die Importpreise steigen um
5,1 Prozent. Dies bedeutet einen zusätzlichen Anstieg
der Preise, den alle Menschen bald negativ spüren wer-
den.

Deshalb sage ich Ihnen: Sie können sich nicht einfach
verstecken und sagen: Wir hören, sehen und tun nichts.




Präsident Wolfgang Thierse

16859


(C)



(D)



(A)



(B)


Sie sind herausgefordert, auch für die Stabilität etwas zu
tun.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417236800
Ich erteile der Parla-
mentarischen Staatssekretärin Barbara Hendricks das Wort.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1417236900
Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Nach vorläufigen Angaben
des Statistischen Bundesamtes sind, auf der Grundlage
der Daten aus sechs Bundesländern, die Verbraucher-
preise seit Mai vorigen Jahres um 3,5 Prozent gestiegen.
Isoliert betrachtet ist das ein drastischer Anstieg. Jedoch
besteht unter Stabilitätsgesichtspunkten kein Anlass,
diese Entwicklung zu dramatisieren, so wie Sie, Herr Kol-
lege, es getan haben.


(Jochen Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das merken besonders die Rentner!)


Die Preisstabilität ist nicht gefährdet.
Die Ursachen für den Preisauftrieb im Mai sind vo-

rübergehend und klar zu identifizieren. Sämtliche Wirt-
schaftsexperten und auch die Europäische Zentralbank
rechnen im Jahresverlauf mit wieder rückläufigen
Preissteigerungsraten. Die Verbraucherpreise werden nach
wie vor hauptsächlich durch die Entwicklung der Mine-
ralölpreise bestimmt. Hier kam es im vergangenen Jahr bei
heftigen Auf- und Abbewegungen zu einem deutlichen
Anstieg. Teilweise wirkt sich das erst jetzt bei uns aus, zum
Beispiel bei der Anpassung der Preise für Gas und Fern-
wärme oder der Umlagen für Heizung und Warmwasser.
Hinzu kommt der jüngste Anstieg der Benzinpreise auf-
grund knapperer Raffineriekapazitäten in den USA sowie
der wieder etwas schwächere Euro, der unsere Einfuhren
aus Ländern außerhalb des Euro-Raumes verteuert.

Der zweite preistreibende Faktor sind die Tierkrank-
heiten BSE und Maul- und Klauenseuche, die zu deutli-
chen Preisanhebungen bei Schweinefleisch und Geflügel,
aber auch bei als Substitut gekauften Lebensmitteln wie
Fisch und Frischgemüse geführt haben. Nahrungsmittel
sind im Mai binnen Jahresfrist in den sechs Bundeslän-
dern, in denen Vorerhebungen gemacht worden sind, um
5,7 bis 9,9 Prozent teurer geworden.

Wir haben für den Mai zwar noch keine detaillierten
Angaben, schätzen aber, dass gut ein Drittel der Jahresrate
von 3,5 Prozent auf die Energieverteuerung und knapp ein
Drittel auf die Nahrungsmittelverteuerung zurückzu-
führen sind. Die so genannte Kerninflationsrate – das
heißt: ohne Energie und Nahrungsmittel – dürfte auch im
Mai die 1,5-Prozent-Marke nicht überschritten haben.
Der jüngste Preisauftrieb ist also hauptsächlich auf vorü-
bergehende Sonderfaktoren zurückzuführen. Es besteht
deshalb kein Anlass zur Beunruhigung. Die Grundten-
denz der Preisentwicklung ist weiterhin moderat.

Dies hat einen statistischen und einen ökonomischen
Hintergrund. Der Einfluss der Euro-Abwertung seit Fe-

bruar sowie der einsetzenden Mineralölverteuerung ab
Mai letzten Jahres wird zunehmend in der Vorjahres-
vergleichsbasis enthalten sein. Entsprechendes gilt für die
Nahrungsmittelpreise. Schon aufgrund dieses so genann-
ten Basiseffektes, der auch Ihnen, Herr Kollege, nicht
fremd sein dürfte,


(Joachim Poß [SPD]: Dem Herrn Ost ist das fremd!)


ist deshalb im Weiteren wieder mit rückläufigen Preis-
steigerungsraten zu rechnen. Aufgrund der uns vorliegen-
den Daten halten wir es für durchaus wahrscheinlich, dass
der Verbraucherpreisanstieg im September dieses Jahres
die 2-Prozent-Marke wieder unterschreiten kann. Eine
ähnliche Voraussage hat auch Präsident Duisenberg in den
letzten Tagen gemacht.

Wissenschaft, internationale Institutionen und Finanz-
märkte sind sich darin einig: Die Gefahren einer hausge-
machten Inflation sind – zumal in Deutschland – äußerst
gering. Die Europäische Zentralbank hat ihre Leitzinssen-
kung vom 10. Mai damit begründet, dass die Risiken für
die Preisstabilität auf mittlere Sicht etwas nachgelassen
hätten. Sie nennt dabei nicht nur die weltwirtschaftlich be-
dingte Verlangsamung des Wachstums, sondern auch die
Lohnabschlüsse, die trotz des Ölpreisschocks sehr mode-
rat ausgefallen sind. Die Tarifparteien haben sich be-
schäftigungskonform und äußerst verantwortungsbe-
wusst verhalten. Im Zusammenspiel mit unserer soliden
Finanzpolitik ist – unabhängig von temporären Einflüs-
sen – die Grundlage für stabile Preise gelegt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1417237000
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Rainer Brüderle, F.D.P.-Fraktion.


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1417237100
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Es ist amtlich: Grün-Rot kommt uns
teuer zu stehen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Die jetzige Steigerungsrate der Lebenshaltungskosten
von 3,5 Prozent ist die höchste seit Dezember 1993.


(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters)


Die Einfuhrpreise sind im April dieses Jahres um 5,1 Pro-
zent und die Erzeugerpreise in der gewerblichen Wirt-
schaft um 5,4 Prozent gestiegen. Das sind keine guten
Vorboten.


(Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Schämt euch!)

So stark sind die Preise in der gewerblichen Wirtschaft
seit 20 Jahren nicht mehr gestiegen. Das zeigt: Grün-Rot
ist teuer.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Eckart von Klaeden [CDU/ CSU]: Rot-Grün! In der Folge der Verantwortung!)





Friedhelm Ost
16860


(C)



(D)



(A)



(B)


Der dramatische Anstieg der Preise ist zum großen Teil
hausgemacht. Die Bundesregierung sorgt mit ihrer Politik
für eine künstliche Verteuerung von Energie.


(Bernd Scheelen [SPD]: Besonders in den USA!)


Das ist nichts anderes als Preistreiberei auf dem Rücken
der Verbraucher.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Die durch die Ökosteuer bedingten hohen Preise für Ben-
zin, Heizöl und Gas sowie die zusätzliche Erhöhung der
Strompreise durch die Umlagen für Ökostrom sind dop-
pelt schädlich: Sie lassen dem Bürger nicht nur weniger
Geld in der Tasche, sondern entziehen über die Geldent-
wertung zusätzliche Kaufkraft. Die Regierung würgt mit
ihrer Preistreiberei in einer bedenklichen Konjunktur-
situation den privaten Konsum ab. Es gibt eine gefährli-
che Nachfrageschwäche. Grün-Rot stranguliert die Wirt-
schaftsentwicklung.


(Lachen des Abg. Detlev von Larcher [SPD])

– Herr Baron, Sie sollten nicht lachen.


(Detlev von Larcher [SPD]: Doch, über Sie kann ich nur lachen!)


Hinzu kommen Kostenbelastungen für die Wirtschaft
durch das geplante Zwangspfand,


(Zuruf des Abg. Detlev von Larcher [SPD])

– Herr Baron belieben zu scherzen –, die Verschlechte-
rung der Investitionsbedingungen durch die Neugestal-
tung der Abschreibungstabellen und die Verschärfung der
betrieblichen Mitbestimmung. Dies wird die Preise wei-
ter anheizen.

Auch der schwache Euro trägt nicht unerheblich zu der
hohen Inflationsrate bei. Bundesbankpräsident Welteke
hat dieser Tage darauf hingewiesen. Die importierte Preis-
steigerung nimmt, wie die Zahlen belegen, deutlich zu.
Die Bundesregierung schwächt den Euro und beschleu-
nigt so den Preisauftrieb, weil sie notwendige Strukturre-
formen etwa auf dem Arbeitsmarkt unterlässt. Die Aus-
sage des Bundeskanzlers aus dem vergangenen Jahr, dass
ein schwacher Euro gar nicht so schlimm sei, weil er der
Exportwirtschaft nütze, diese Milchmädchenökonomie,
hat den Kurs der europäischen Währung zusätzlich belas-
tet. Angesichts der mut- und perspektivlosen Politik der
Bundesregierung – in Italien und Frankreich sieht es ähn-
lich aus – sind die Aussichten auf eine Erholung des Euro
sehr düster. Ich würde mich nicht wundern, wenn der
Euro-Kurs noch nicht seinen Tiefpunkt erreicht hat.

Gemeinsam mit der Wachstumsflaute droht am Hori-
zont das Gespenst der Stagflation. Doch Grün-Rot tut
nichts, um die streng stabilitätsorientierten Mitglieder der
Europäischen Zentralbank zu stärken. Unwidersprochen
blieben die Forderungen des französischen Premiers nach
einer europäischen Wirtschaftsregierung. Dies wäre eine
zusätzliche Schwächung der Europäischen Zentralbank.

Die Politik der Geldentwertung ist die ungerechteste
Politik. Gerade die tüchtigen, anständigen kleinen Leute

sind die Leidtragenden einer Geldentwertung. Das ist so-
zial tief ungerecht.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Die hohen Inflationsraten verstärken zudem die Gefahr

der Lohn-Preis-Spirale. Das Bündnis für Arbeit in seiner
wachsweichen Performance und Umsetzung hat hier
keine guten Grundlagen gelegt. Erste Andeutungen von
den Gewerkschaften lassen hier nichts Gutes ahnen. Ein
Blitzprogramm ist notwendig, damit die Bundesregierung
den Trend umkehrt. Das heißt: Stopp mit der Ökosteuer,
Stopp mit dem Zwangspfand, Stopp mit der teuren be-
trieblichen Mitbestimmung.


(Zuruf des Abg. Detlev von Larcher [SPD])

– Herr Baron, Sie spüren es dank Ihrer hohen Diäten nicht.
Es gibt aber Leute, die weniger als Sie haben. Denen tut
das weh. Sie lachen darüber. Den Rentnern, den Arbeits-
losen tut es weh, Ihnen nicht. Lachen Sie weiter, verhöh-
nen Sie Ihre Wähler!


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Detlev von Larcher [SPD]: In meinem Wahlkreis haben alle so viel Geld wie ich!)


Stattdessen brauchen wir eine sofortige weitere Absen-
kung der steuerlichen Belastung, eine Senkung der Ar-
beitslosenversicherungsbeiträge und einen Verzicht auf
die Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen. Es
gibt nur einen Weg, diese schlechte Entwicklung zu stop-
pen: Das ist eine Umkehr der Politik!


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Wenn Sie das so weiter treiben lassen und nicht den

Mut haben, Ihre Politik zu korrigieren, werden Sie das
ernten, was das Schlimmste ist: weitere Geldentwertung
und keine wirtschaftliche Dynamik. So kriegt man die
Arbeitslosigkeit nicht herunter. Da hilft auch kein Schö-
nungsprozess in der Statistik. Da helfen nur andere, bes-
sere Rahmenbedingungen, um die Weichen für mehr
Arbeit in Deutschland zu stellen. Stagflation ist ein dro-
hendes Gespenst. Tun Sie etwas, bevor es Realität wird!


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1417237200
Ich gebe das
Wort dem Kollegen Dr. Reinhard Loske für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.


Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1417237300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
muss schon sagen, es ist etwas absonderlich, wenn Herr
Ost und Herr Brüderle hier als Verteidiger der kleinen
Leute auftreten. Das nimmt ihnen doch kein Mensch ab.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Das hören Sie nicht gern, aber es ist die Wahrheit!)


Sehen Sie sich doch die Politik dieser Regierung ins-
gesamt an.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sie müssen Ihr Weltbild umstellen!)





Rainer Brüderle

16861


(C)



(D)



(A)



(B)


Was haben wir bei der Steuerreform gemacht? Das muss
man Ihnen immer und immer wieder erklären. Wir haben
den Eingangssteuersatz gesenkt. Wir haben die Grund-
freibeträge erhöht. Wir haben die Steuersätze insgesamt
gesenkt. Wir haben den Spitzensteuersatz gesenkt. Wir
haben die Wirtschaft entlastet.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Das sind alles Dinge, die Sie nicht gemacht haben. Inso-
fern klingt die Kritik aus Ihrem Munde nicht besonders
berufen.

Aber ich will zum Thema kommen. Wir haben im Mo-
ment in der Tat vorübergehend eine hohe Inflationsrate.
Das gibt Grund zur Sorge; keine Frage. Aber gerade weil
das so ist, tun wir, glaube ich, gut daran – wie die Frau
Staatssekretärin das getan hat –, nüchtern die Ursachen zu
beleuchten.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das könnte euch so passen!)


Es sind im Wesentlichen zwei Ursachen zu nennen. Wir
haben es mit einem vorübergehenden Preisbuckel zu tun,
der, glaube ich, überschaubar ist. Zum einen ist das die
Entwicklung der Nahrungsmittelpreise. Wir haben einen
überdurchschnittlichen Anstieg bei den Nahrungsmittel-
preisen. Es ist jetzt sicherlich nicht der Ort, eine agrarpo-
litische Grundsatzdebatte zu führen. Aber wenn man schon
auf dieses polemische Niveau herabsteigt, auf das Sie sich
begeben haben, muss man sagen: Die Ursache dafür, dass
die Nahrungsmittelpreise jetzt hoch sind, sind die BSE-
Krise und die anderen Agrarkrisen. Dafür haben Sie eine
ganz große Verantwortung aus der Vergangenheit.


(Beifall bei der SPD)

Die Regierung versucht jetzt, eine Agrarwende hinzu-

bekommen, die mehr Transparenz schafft, die den Ver-
braucherinnen und Verbrauchern wieder die Verantwor-
tung zurückgibt und damit auch die Unsicherheit auf dem
Nahrungsmittelmarkt beendet.

Das zweite Thema ist ohne Zweifel die Energie; Herr
Brüderle, das ist nicht ganz falsch. Aber Sie müssen natür-
lich ehrlicherweise zugeben, dass es im Wesentlichen ex-
terne Faktoren sind, die hier Einfluss haben.


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Faule Ausrede!)


Das ist zum einen die Entwicklung der Rohölpreise. Es ist
zum anderen die Entwicklung der Benzinpreise


(Zuruf von der CDU/CSU: Ökosteuer!)

wegen der knappen Raffineriekapazitäten in den Verei-
nigten Staaten.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Weswegen?)

Daran hat natürlich auch der Euro einen gewissen Anteil. –
Diese keifende Meute dort an der Bank ist etwas unge-
wöhnlich. Aber gut, sei es drum. Offenbar sind die Argu-
mente gut.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Keifen tun wir nicht, Herr Präsident! – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Er hat auf die Regierungsbank geguckt! – Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Die energiepolitischen Rahmenbedingungen, die die
Bundesregierung gesetzt hat, spielen hier eine nachgeord-
nete Rolle.

Die entscheidende Frage ist: Welche Schlüsse ziehen
wir daraus? Der entscheidende Schluss kann doch nur
sein: Wir müssen unsere Abhängigkeit vom Erdöl redu-
zieren. Das muss die strategische Antwort sein. Wir müs-
sen weg vom Öl.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Deswegen werden die Kernkraftwerke abgeschaltet!)


Wir glauben, dass wir uns aus diesem Klammergriff der
OPEC-Länder nur befreien können, wenn wir eine konse-
quente Stretegie der Energieeinsparung fahren, wenn wir
mit der Effizienzrevolution Ernst machen.

Wir haben ein Erneuerbare-Energien-Gesetz. Wir
brauchen Energieeinsparungen. Wir haben ein Altbausa-
nierungsprogramm aufgelegt. Wir haben zusätzliche Mit-
tel in die Bahn investiert. All das führt dazu, dass unsere
Abhängigkeit vom Erdöl zurückgeht. Das ist gut so. Die-
sen Weg werden wir konsequent fortsetzen. Wir wollen,
dass Ölimporte durch heimischen Ingenieurverstand und
durch heimische Handwerksleistungen ersetzt werden;
denn damit stärken wir den Wirtschaftsstandort Deutsch-
land und damit schaffen wir neue Arbeitsplätze.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Elfenbeinturm!)


Das ist die einzig vernünftige Lehre, die man daraus zie-
hen kann.

Den Christenmenschen auf der rechten Seite will ich
zum Abschied gern die Worte des Diözesanrates des
Bistums Passau angedeihen lassen – dies ist direkt an Ihre
Adressen gerichtet –:

Verzichten Sie darauf, den Menschen vorzugaukeln,
niemand brauche seine Lebensgewohnheiten zu än-
dern, da es auch künftig genügend billiges Öl geben
werde. Aus geologischen und ökonomischen Grün-
den geht die Zeit des billigen Öls bald unwiderruflich
zu Ende. Je früher die Menschen es erfahren, umso
besser ist es.

Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1417237400
Für die
Fraktion der PDS spricht die Kollegin Dr. Barbara Höll.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1417237500
Herr Präsident! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Der Sachstand lässt sich relativ ein-
fach konstatieren: Die Wärme in der Stube ist teurer ge-
worden; Fahrpreise und Benzinpreise steigen; Butter,
Milch, Wurst und Fleisch sowie Obst und Gemüse werden
immer teurer; Schuhe, Taschen und Lederwaren werden
spätestens ab Herbst dieses Jahres mehr kosten.

Die Inflationsrate wird im Mai bei über 3,5 Prozent lie-
gen. Das hat verschiedene Ursachen. Der Anstieg des




Dr. Reinhard Loske
16862


(C)



(D)



(A)



(B)


Rohölpreises auf dem Weltmarkt ist – das wissen wir – ein
entscheidender Grund. Natürlich hat auch die Ökosteuer
ihr Scherflein dazu beigetragen. Ich denke, das kann man
nicht verleugnen. BSE sowie Maul- und Klauenseuche
sind zu nennen, aber auch die Umstellung auf den Euro.
Sie wurde bisher noch nicht erwähnt. Es gibt eine Selbst-
verpflichtung des Einzelhandels, im zweiten Halbjahr
dieses Jahres die Preise nicht mehr zu erhöhen. Erhöhen
wir die Preise doch lieber gleich im ersten Halbjahr. Ein
Abfallen der Inflationsrate auf unter 2 Prozent im zweiten
Halbjahr dieses Jahres ist trotzdem nicht zu erwarten.

Der Skandal besteht eigentlich darin, wie die Regie-
rung nicht reagiert. Sie alle haben bisher noch nichts zur
Lage der 2,8 Millionen Menschen in der Bundesrepublik
Deutschland, die von Sozialhilfe leben, gesagt. Diese
Menschen trifft die hohe Inflationsrate natürlich am aller-
stärksten.


(Beifall bei der PDS – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Und die Ökosteuer!)


Zwischen 1993 und 1996 – das ist an die alte Regie-
rung und an die alte Koalition gerichtet – haben Sie im Zu-
sammenhang mit den Sozialhilferegelsätzen ein großes
Spiel begonnen: Sie haben sie nicht mehr an die realen
Lebenshaltungskosten angepasst. Das führte bereits in
diesem Zeitraum, also in einem Zeitraum von drei Jahren,
zu einem Absinken des realen Niveaus um 5 Prozent.

Die gesamte damalige Opposition forderte, dass die
Sozialhilferegelsätze an die Lebenshaltungskosten ge-
bunden werden müssen. Nachdem sie die Regierungsver-
antwortung übernommen hatte, war es damit nicht mehr
so weit her. Zum 1. Juli 2000 wurden die Regelsätze ent-
sprechend der Preissteigerung erhöht. Allerdings wurde
dieser Erhöhung die Inflationsrate von 1999 – 0,7 Pro-
zent – zugrunde gelegt.

Zum 1. Juli dieses Jahres soll wieder eine Anhebung
der Regelsätze für die Sozialhilfe erfolgen, allerdings ge-
koppelt an die Lohnentwicklung. Aus einer Antwort der
Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU
zur Entwicklung der Regelsätze geht hervor – Frau
Hendricks hat das bestätigt –, dass die Regierung auf-
grund der sehr moderaten Verhandlungen eine Erhöhung
der Löhne und Gehälter um höchstens 2 Prozent erwartet.
Das heißt: Auch Sie richten die Steigerung der Sozialhil-
feregelsätze danach aus, was für Sie günstiger ist, was we-
niger kostet. Sie entscheiden nicht danach, wie die Kos-
ten für die Bürgerinnen und Bürger sind, die von diesem
Geld leben müssen.

Im Februar dieses Jahres betrug die Inflationsrate
2,8 Prozent, im März 2,7 Prozent, im April 3,1 Prozent
und im Mai beträgt sie wahrscheinlich über 3,5 Prozent.
Darauf werden Sie bei der Anpassung der Sozialhilfere-
gelsätze voraussichtlich nicht ausreichend reagieren. Das
ist die Fortsetzung einer Politik, wie Sie sie schon mit der
Einführung der Ökosteuer durchgesetzt haben. Sie haben
diese Steuer ohne Rücksicht auf jeglichen sozialen Aus-
gleich für Studenten und Studentinnen, für Rentner und
Rentnerinnen sowie für Sozialhilfeempfänger und Sozial-
hilfeempfängerinnen durchgedrückt.

Heute hat das Kabinett beschlossen, das Kindergeld
um 30 DM zu erhöhen. Alle sollen sich freuen.


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Und alles wird an der Tankstelle wieder einkassiert!)


In der Realität ist das allerdings nicht viel mehr als eine
Anpassung an die Inflationsrate.

Ich komme zum Sozialhilferegelsatz zurück; denn die
Grundlage für die Berechnung Ihrer Kindergelderhöhung
ist der regelmäßige Bericht der Bundesregierung über die
Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kin-
dern. Die Berechnung dieses Existenzminimums beruht
auf dem Sozialhilfeniveau, dem Sozialhilferegelsatz. Das
heißt ganz schlicht und einfach: Ein zu niedriges Sozial-
hilfeniveau führt zu einem zu niedrig berechneten Exis-
tenzminimum der Kinder. Daraus resultieren wiederum
zu niedrige Kinderfreibeträge und ein zu niedriges Kin-
dergeld. Damit hat sich der Kreis geschlossen.

Was Sie heute verabschiedet haben, ist nur auf den ers-
ten Blick etwas sozial Gutes. Es hat aber nichts mit einem
Leistungsausgleich zu tun, sondern ist nur ein ganz klein
wenig mehr als der Inflationsausgleich, der auch noch
gemäß Ihrem konkreten Regelungsvorschlag zu einem
großen Teil insbesondere durch Alleinerziehende gegenfi-
nanziert wird. Hinzu kommt, dass Sie jetzt noch bemüht
sind, das ganze Verfahren innerhalb von vier Wochen
durchzuziehen, um zu verhindern, dass die Öffentlichkeit
tatsächlich richtig mitbekommt, was läuft. Sie versuchen
damit, auch die Kritik aus den Verbänden, die es schon gibt,
abzuwürgen und nicht zur Sprache kommen zu lassen.

In diesem Sinne ist es richtig, über den Anstieg der In-
flationsrate zu sprechen. Wir müssen aber auch darüber
sprechen, wie wir als Parlament darauf reagieren. Das ist
insbesondere für die Menschen wichtig, die darauf an-
gewiesen sind, dass wir reagieren. Das vermissen wir als
PDS bisher. Aber wir werden darauf hinwirken.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1417237600
Ich erteile
das Wort dem Kollegen Max Straubinger für die
CDU/CSU-Fraktion.


Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1417237700
Herr Präsident! Ver-
ehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erstaunlich:
Wir haben in unserem Land die höchste Inflationsrate seit
1993. Aber wenn ich die Ausführungen der Staatssekretä-
rin Frau Hendricks vorhin richtig verstanden habe,
komme ich zu dem Schluss, dass die Regierung auf das
Prinzip Hoffnung setzt.


(Bernd Scheelen [SPD]: Wer regierte denn noch 1993? Wer war das noch?)


Das Prinzip Hoffnung ist sehr trügerisch: Die Regie-
rung hat zu Beginn des Jahres darauf gehofft, dass wir im
heurigen Jahr fast 3 Prozent Wirtschaftswachstum haben
werden. Jetzt liegen wir aber nur bei 1,5 Prozent.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie hat die Zahlen verwechselt!)





Dr. Barbara Höll

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(C)



(D)



(A)



(B)


Verehrte Frau Staatssekretärin, es wäre wesentlich wich-
tiger und besser, politische Initiativen und Maßnahmen zu
ergreifen, um diesem unerträglichen Inflationsschub Ein-
halt zu gebieten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Brüderle [F.D.P.])


Ich möchte daran erinnern, dass wir 1998 bzw. 1999 fast
Preisstabilität hatten. 1999 war eine Preissteigerung – das
war natürlich noch Ausfluss der Arbeit der Bundesregie-
rung von CDU/CSU und F.D.P. – von nur 0,6 Prozent zu
verzeichnen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen des Abg. Detlev von Larcher [SPD])


Seit Einführung der Ökosteuer und der unsäglichen, ideo-
logisch motivierten Belastungen, die Ihre Politik sozusa-
gen mitbegründet, gibt es mittlerweile in Mecklenburg-
Vorpommern eine Preissteigerungsrate von 4,1 Prozent.
Hier müssen die Alarmglocken endlich schrillen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Brüderle [F.D.P.])


Der Kollege Loske hat vorhin ausgeführt, die Belas-
tung durch die Ökosteuer sei eigentlich vernachlässigbar.


(Zuruf von der CDU/CSU: Warum machen die sie dann?)


Herr Kollege Loske, Heizöl wurde um 4 Pfennig je Liter
und Erdgas um 3,60 DM je Megawattstunde zusätzlich
besteuert. Die Stromsteuer wird bis zum Jahr 2003 um
5 Pfennig je Kilowattstunde erhöht. Die Mineralölsteuer
wurde seit 1999 um 25 Pfennig je Liter erhöht. Insgesamt,
Herr Kollege Loske, sind die Bürgerinnen und Bürger ge-
genüber 1998 um 70 Milliarden DM zusätzlich belastet
worden. Dies ist letztendlich mit die Ursache für diese
unsägliche Preistreiberei.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Es ist ein Trugschluss, wenn jemand glaubt, er könne

auf die notwendigen Reformen verzichten und er könne
die Rentenkassen mit einer zusätzlichen Steuer sanieren,
um damit die Renten zu sichern. Vielmehr muss der Re-
formwille erkennbar werden. Wir können das Gesund-
heitssystem nicht dadurch kurieren, dass wir Mindestbei-
tragssätze einführen, die letztendlich eine zusätzliche
Preistreiberei auslösen werden. Aber die eigentliche Ur-
sache liegt in der falschen Haushaltspolitik, wie sie Rot-
Grün letztendlich betrieben hat. Erinnern wir uns: Es heißt
immer, wir haben einen Sparhaushalt. Dass aber der vor-
malige Finanzminister Lafontaine das Haushaltsvolumen
in einem Jahr um 8 Prozent ausgeweitet hat, ist mit eine
der Ursachen dafür, dass wir heute eine solche Inflations-
rate aufzuweisen haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bernd Scheelen [SPD]: Ist doch glatt die Unwahrheit! Das wissen Sie doch! – Detlev von Larcher [SPD]: Wer es glaubt!)


– Das ist sie nicht.
Verlierer dieser Politik sind die Rentner in unserem

Land. Ich kann mich noch daran erinnern, dass bei Ein-

führung der Ökosteuer Grüne und SPD-Politiker großar-
tig darlegten, auch die Rentner wären Gewinner der Ein-
führung einer Ökosteuer, weil ihre Renten ja gemäß den
Nettolöhnen angepasst und diese steigen würden. Als die
Nettolöhne gestiegen sind, hat Bundeskanzler Schröder
knallhart gesagt: Die Renten werden nur noch gemäß der
Inflationsrate angepasst. Zugrunde gelegt wurde aber die
Inflationsrate aus der Zeit der CDU/CSU-F.D.P.-Bundes-
regierung, nämlich 0,6 Prozent. 0,6 Prozent Rentener-
höhung, aber 3,5 Prozent Preissteigerungsrate im Mai die-
ses Jahres – das ist ein Skandal und führt zu realen
Verlusten für die Rentnerinnen und Rentner.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bringen Sie doch nicht alles durcheinander! – Zuruf von der CDU/CSU: Rentenlüge!)


Die gleichen Verluste erleiden natürlich auch die Spa-
rer. Wenn einer 10 000 DM als Not- oder Spargroschen
oder Sonstiges – Friedhelm Ost hat es anhand hoher Sum-
men dargelegt, ich möchte es anhand kleiner darlegen –
auf seinem Sparbuch angelegt hat, bekommt er im Jahr bei
einem Eckzins von 1 Prozent 100 DM Zinsen, gleichzei-
tig erleidet er einen Wertverlust von 350 DM.


(Peter Dreßen [SPD]: Er wäre saudumm, wenn er das machen würde!)


Dies zeigt sehr deutlich, dass Rentner, Sparer und natür-
lich Familien mit Kindern die eigentlichen Verlierer der
rot-grünen Politik sind.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb gilt es, jetzt eine Politikwende herbeizu-

führen. Verzichten Sie auf die weitere Erhöhung der Öko-
steuer in Zukunft – wenn Sie schon die Ökosteuer an sich
nicht zurücknehmen wollen – weil damit wiederum
überdimensionale Belastungen auf die Bürgerinnen und
Bürger zukommen werden, nämlich zum 1. Oktober 2001
plus 3 Pfennig Schwefelsteuer, zum 1. Januar 2002 plus
7 Pfennig Ökosteuer je Liter Benzin und zum 1. Januar
2003 wieder 7 Pfennig Ökosteuer je Liter Benzin mehr.
Wenn dieses so käme, würde das bedeuten, dass eine wei-
tere Preisspirale in Gang gesetzt würde. Darüber hinaus
sind die Lohnempfänger die Gelackmeierten.

Noch ein Letztes: Ich hoffe nicht, dass wir so weit
kommen, dass solche unsäglichen Lohnforderungen ge-
stellt werden müssen, wie sie mittlerweile die Flugzeug-
piloten verlangen, nämlich 30 Prozent mehr Lohn. Ich
hoffe nicht, dass sie dieses im Zusammenhang mit dem
Inflationsausgleich gesehen haben.

Besten Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Lachen der Abg. Detlev von Larcher [SPD] und Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1417237800
Für die
SPD-Fraktion spricht die Kollegin Nina Hauer. Bevor Sie




Max Straubinger
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(C)



(D)



(A)



(B)


das Wort ergreifen, darf ich Ihnen im Namen des Hauses
herzlich zu Ihrem heutigen Geburtstag gratulieren.


(Beifall)



Nina Hauer (SPD):
Rede ID: ID1417237900
Herr Präsident! Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Vielen Dank für die Glückwünsche.

Herr Straubinger, wenn es nach dem Willen von
CDU/CSU gegangen wäre, hätten die Rentner und Rent-
nerinnen schon in diesem Jahr eine Rentenkürzung hin-
nehmen müssen, gleichzeitig aber hätten die Beschäftig-
ten viel höhere Lohnnebenkosten zahlen müssen.


(Zurufe von der CDU/CSU: Falsch!)

Die Tatsache, dass es andersherum funktioniert, ist der
rot-grünen Bundesregierung zu verdanken. Ich denke, das
wissen die Rentner und Rentnerinnen auch.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/ CSU: Lasst euch nicht verriestern!)


Lieber Herr Brüderle, verehrter Herr Ost, die Aus-
führungen, die Sie in Ihren Beiträgen gemacht haben, sind
wirtschaftspolitisch grob fahrlässig. Sie verfahren nach
dem Motto: Unsere Akzeptanz in der Bevölkerung sinkt,
deswegen reden wir das Wachstum herunter und die In-
flation hoch.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Wir reden nichts herunter! Das sind Fakten! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Gucken Sie doch einmal in die Auftragsbücher!)


Sie geben wider besseres Wissen

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie lügen sich was in die Tasche!)

die falschen Signale an die deutsche Wirtschaft und für
das wirtschaftliche Ansehen Deutschlands im Ausland.


(Rainer Brüderle [F.D.P.]: Schönreden tun Sie es!)


Sie wissen ja, dass diese Inflation zum größten Teil im-
portiert ist: Die Rohöl- und Erzeugerpreise sind angestie-
gen, natürlich sind auch die Nahrungsmittelpreise ange-
stiegen, weil wir zwei schwer wiegende Krisen in der
Fleischproduktion hinter uns haben bzw. zum Teil noch
mittendrin stecken. Das hat natürlich Auswirkungen auf
die Preisentwicklung gehabt. Man muss sehen, dass auch
die wirtschaftliche Entwicklung externen Faktoren unter-
worfen ist.


(Rainer Brüderle [F.D.P.]: Alles externe, ja, ja!)


Die Entwicklung in den Vereinigten Staaten hat natür-
lich auch Einfluss auf eine Volkswirtschaft wie die deut-
sche, die extrem exportorientiert ist. Wenn Sie sich die
Zahlen des Wirtschaftswachstums einmal genau an-
schauen, erkennen Sie, dass allein schon die Entwicklung
in der Bauwirtschaft die Wachstumsprognosen nach unten
korrigiert.

Ich hatte angenommen, nach der Hannover-Messe
würden Sie sich etwas zurückhalten, weil dort auch die

Wirtschaftsverbände deutlich gemacht haben, dass sie den
von Ihnen verbreiteten Pessimismus nicht wollen, weil es
dazu keinen Anlass gibt. Es gibt Branchen in Deutsch-
land, die Wachstumsraten bis zu 7 oder 8 Prozent haben.
Das gilt nicht nur für die Elektrotechnik oder für den Ma-
schinenbau, das gilt auch für die Dienstleister, es gilt für
alle Branchen im Bereich der Informationstechnologien.
Sie schaffen nicht nur wirtschaftliches Wachstum, son-
dern auch Arbeitsplätze. Denn irgendwo müssen ja die
1,3 Millionen Beschäftigungsverhältnisse, die in den letz-
ten zwei Jahren dazugekommen sind, ihre Grundlage ha-
ben.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: In der Statistik!)


Sie entstanden gerade in den Branchen, in denen in den
letzten Jahren Leute eingestellt worden sind, wo Wachs-
tum unterstützt wurde und auch Löhne angehoben wur-
den.

Sie werfen den Tarifpartnern vor, sie würden ihren Teil
zur Inflation beitragen. Das finde ich in Anbetracht der
Tatsache, dass wir es geschafft haben, dass sich die Tarif-
partner im Bündnis für Arbeit zusammengesetzt und
moderate Lohnentwicklungen vereinbart haben, eine Un-
verschämtheit.

Ich weiß nicht, ob sich die PDS einen Gefallen tut,
wenn sie es so darstellt, als ob allein die soziale Transfer-
leistung ein Ausdruck sozialer Gerechtigkeit und sozialer
Unterstützung wäre.


(Dr. Barbara Höll [PDS]: Ein Ausdruck ist es!)

Unsere Politik ist es, dieses Wachstum zu stärken. Aber

unsere Politik ist es auch, denjenigen, die von Sozialhilfe
leben, in unserer Gesellschaft eine neue Chance zu geben.
Ich denke, da kann sich unser politisches Ergebnis sehen
lassen. Wir konsolidieren den Haushalt; das wirkt auch
ganz gut gegen Inflation.


(Dr. Barbara Höll [PDS]: Das ändert nichts an der sozialen Realität von Leuten, die auf Sozialhilfe angewiesen sind! Die lassen Sie im Regen stehen!)


Wir betreiben eine aktive Arbeitsmarktpolitik; wir betrei-
ben aktive Forschungspolitik. Wir haben dazu beigetra-
gen, dass ausländische Investitionen in Deutschland at-
traktiver geworden und damit angestiegen sind. Wir
haben dazu beigetragen, dass die Wirtschaft im Ausland
weiß: Es lohnt sich wieder, in Deutschland zu investieren.
Das gilt natürlich auch für die Wirtschaft im Inland.

Ich verstehe gar nicht, warum Sie, Herr Brüderle, im-
mer auf der Steuerreform herumhacken. Es war glückli-
cherweise auch das Land Rheinland-Pfalz, wo die F.D.P.
mitregiert, das diese Steuerreform im Bundesrat unter-
stützt hat.


(Rainer Brüderle [F.D.P.]: Ein Teilschritt! Sonst hätten Sie gar nichts hingekriegt!)


Wir haben damit in der Tat eine Grundlage für wirtschaft-
lichen Aufschwung schaffen.


(Rainer Brüderle [F.D.P.]: Das reicht nicht!)





Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters

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(C)



(D)



(A)



(B)


Wir haben aber auch die Grundlage dafür geschaffen, dass
die Leute am Ende des Jahres mehr Geld in der Tasche ha-
ben.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Das ist nicht nur für die Wirtschaft wichtig, das hat auch
etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun.


(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU)


Ich kann zu Ihrem Pessimismus nur sagen: Reden Sie
so weiter! Sie werden irgendwann dahin kommen, dass
Sie weder in den Verbänden noch in der Bevölkerung ir-
gendjemand ernst nimmt. Wir vertrauen in die wirtschaft-
liche Kraft Deutschlands. Wir tun etwas dafür. Wir haben
im Mittelstand und bei den Beschäftigten auch die richti-
gen Bündnispartner dafür.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1417238000
Ich gebe das
Wort dem Kollegen Hartmut Schauerte. Er spricht für die
CDU/CSU-Fraktion.


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1417238100
Ich meine, wir soll-
ten uns ohne Schön- oder Schlechtreden an den Fakten
orientieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Bernd Scheelen [SPD]: Das wäre mal was Neues!)


Wir reden über ein wichtiges wirtschaftspolitisches
Thema. 3,5 Prozent Inflation entsprechen bei einem Brut-
tosozialprodukt von etwa 4 000 Milliarden DM in
Deutschland einem Betrag von 140 Milliarden DM. Das
ist dreimal so viel, wie Sie nach fünf Jahren Steuerreform
an Beträgen pro Jahr zurückgeben wollen. Das ist mehr
als 30-mal so viel, wie Sie für das Kindergeld ausgeben.
Diese 140 Milliarden DM landen nicht irgendwo in der
Luft, sondern bei ganz konkret betroffenen Menschen, in
der Regel bei Verbrauchern, bei Familien, bei Rentnern,
bei niemandem sonst. Wer eine solche Entwicklung nicht
wahrnimmt und von „Schlechtreden“ spricht oder sie ver-
harmlost und wenig dagegen tut, der handelt nicht verant-
wortungsbewusst.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Zuruf von der CDU/CSU: Fahrlässig!)


Das ist eine schwerwiegende Herausforderung. Ich denke,
wir müssen uns ihr stellen.

Es gibt natürlich Dinge, die man nicht beeinflussen
kann. Aber es gibt auch Dinge, die man beeinflussen kann.
Wenn man schon einiges laufen lassen muss, dann sollte
man wenigstens in den Fällen handeln, in denen das mög-
lich ist, damit nicht alles noch schlimmer wird. Ihre Öko-
steuer ist genau der Punkt, an dem Sie alleinverantwort-
lich preistreibend wirken. Wenn dann widrige Umstände
hinzukommen, wären Sie gut beraten, zu sagen: Nun hal-
ten wir inne, nun nehmen wir ein Stück zurück, damit die

Belastungen nicht plötzlich die Strukturen bei den einfa-
chen Leuten zerschlagen. – Dazu fordern wir Sie auf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Natürlich gab es auch bei der CDU Inflation. Zu Be-

ginn der Wiedervereinigung stieg die Rate auf mehr als
5 Prozent. Das hat uns unglaublich belastet; aber wir
wussten, woran es lag. Es bestand die Sorge, es könnten
auch 10 Prozent werden, weil die Wiedervereinigung so
plötzlich und ungeplant finanziert werden musste.


(Bernd Scheelen [SPD]: Ich dachte, ihr hättet das immer gewusst!)


Aber in den letzten fünf Jahren unserer Regierungszeit
sank die Inflationsrate von 1,7 auf 0,5 Prozent. Jetzt re-
gieren Sie seit zweieinhalb Jahren. Bevor man einen guten
Prozess in einer großen Volkswirtschaft mit 80 Millionen
Menschen umkehrt, braucht es seine Zeit: Im Jahr 2000
hatten wir 1,9 Prozent Inflation, in diesem Jahr haben wir
3,5 Prozent. Das sind die Früchte Ihrer Politik, die Sie uns
jetzt nicht mehr als Ergebnis der Vergangenheit in die
Schuhe schieben können. Das ist Ihre Inflationsrate; für
die Wertzerstörung in Höhe von 140 Milliarden DM zu-
lasten der deutschen Bürgerinnen und Bürger sind Sie ver-
antwortlich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Dem müssen Sie sich stellen.
Ich will einmal darstellen, welche Auswirkungen das

auf die privaten Haushalte hat. Ein normaler Haushalt hat
laut Angaben des Statistischen Bundesamtes Aufwendun-
gen für den privaten Verbrauch – mit allen staatlichen
Transferzahlungen und allem Drum und Dran – in Höhe
von durchschnittlich 4 031 DM. Bei diesem Betrag kostet
eine Inflation von 3,5 Prozent monatlich 183 DM.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das sind über 2 000 DM im Jahr!)


– Für einen durchschnittlichen Haushalt sind das mehr als
2 000 DM im Jahr.

Sie können gar nicht so viele staatliche Transferleis-
tungen organisieren, dass Sie das wieder auffangen kön-
nen. Deswegen wundere ich mich, dass Sie in dieser Si-
tuation nicht ein einziges Rezept haben, nicht eine einzige
Handlung andeuten, womit Sie zeigen würden: Wir wol-
len umsteuern; wir wollen das wieder auf ein verträgli-
ches Maß zurückführen.

Die hohen Inflationsraten, die wir seinerzeit zu verant-
worten hatten, waren durch die Wiedervereinigung und
die Risiken, die damit verbunden waren, begründet. Ich
will das hier niemandem in die Schuhe schieben. Sie wa-
ren vernünftig; es ging wohl nicht anders.


(Bernd Scheelen [SPD]: Ach nee!)

– Ich bitte um Vorschläge, wie Sie es besser gemacht hät-
ten. Die Besserwisser kennen wir. – Aber jetzt erhöhen Sie
die Inflation ohne Not, ohne einen solchen epochalen Ein-
schnitt. Das macht die Sache in der Tat ganz schön
schlimm.




Nina Hauer
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(C)



(D)



(A)



(B)


Noch schnell eine Korrektur. Wenn hier gesagt wird,
Sie hätten die Abgabenquote gesenkt, muss ich feststel-
len – an Ihrem Geburtstag möchte ich nur sehr freundlich
mit Ihnen umgehen, Frau Kollegin Hauer –: Die Abga-
benquote lag im Oktober 1998 bei 42,3 Prozent; jetzt liegt
sie bei 43 Prozent.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Brutto und netto konnten die noch nie auseinander halten!)


Die Steuerquote lag in unserer Volkswirtschaft im Okto-
ber 1998, zu dem Zeitpunkt, da wir die Regierung über-
geben haben, bei 22 Prozent; heute liegt sie bei 23,1 Pro-
zent. Sie haben sowohl die Steuerquote als auch die
Abgabenquote in dieser Zeit erhöht. Nun erhöhen Sie die
Inflationsrate auf diese immense Höhe, sagen aber gleich-
zeitig: Alles ist schön, wer etwas anderes sagt, redet unser
Land schlecht; Rezepte haben wir nicht, doch es wird
schon wieder besser werden.

Ich warne Sie: Das ist der Anfang der fatalen Situation,
die wir damals hatten, als irgendein Bundeskanzler gesagt
hat: Was habt ihr eigentlich? Mir sind 5 Prozent Inflation
lieber als 5 Prozent Arbeitslose. – Wohin uns das geführt
hat, daran erinnern sich noch die, die dabei waren. Wenn
Sie nicht gegensteuern, laufen Sie in die gleiche Falle. Da-
vor wollen wir unser Volk rechtzeitig gewarnt haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1417238200
Die Kolle-
gin Andrea Fischer spricht nun für die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sie hat jetzt ein Rezept!)


Andrea Fischer (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie ha-
ben gesagt, die Inflation werde von uns verharmlost. Das
habe ich von keinem Kollegen, der seitens der sozial-
demokratischen und der grünen Fraktion gesprochen hat,
so gehört. Die Kollegen haben einfach nur versucht, sich
mit Ihnen darüber zu verständigen – ich habe aber sehr
stark den Eindruck, dass das nicht Ihr heutiges Interesse
ist –, welche Fakten sind und wie man diese zu bewerten
hat. Denn selbstverständlich ist Inflation etwas, was wir
nicht gutheißen und was wir nicht wollen.


(Beifall des Abg. Hartmut Schauerte [CDU/ CSU] – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Aber produzieren!)


Die Frage ist doch, ob man auf den Anstieg der Inflati-
onsrate so aufgeregt reagieren muss, wie Sie das tun, oder
ob es nicht vielmehr so ist, dass Sie sich denken: Okay,
jetzt sagen wir all das, was wir schon immer an der Poli-
tik der Bundesregierung doof fanden, und diesmal stellen
wir es unter die Überschrift „Inflation“. – Das kann man
tun. Das dürfen Sie als Opposition machen; das ist Ihnen
unbenommen. Aber deswegen müssen wir hier nicht hek-
tisch werden. Das ist der entscheidende Punkt.

Natürlich beschäftigt der Anstieg der Inflationsrate
auch die Fachwelt; das wird Ihnen wahrscheinlich nicht
entgangen sein. Die meisten Wirtschaftsforschungs-
institute sagen: Das ist ein aktueller Effekt, der sehr viele
externe Ursachen hat. – Die Fachwelt geht aber davon
aus, dass sich die Preissteigerungsrate im Laufe des Jah-
res wieder auf 2 Prozent einpendeln wird.


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Und dann haut ihr gleich wieder 7 Pfennig drauf!)


Professor Siebert vom Kieler Weltwirtschaftsinstitut hat
gesagt – ihm ist da wirklich zuzustimmen –, die Lage sei
ernst, weil die Preissteigerung unerwartet hoch ausgefal-
len sei. Aber er erwarte im Herbst wieder eine Inflations-
rate von 2 Prozent. Das wird von vielen in der Fachwelt
geteilt.

Wenn das so ist, dann ist es doch nicht verharmlosend,
wenn wir sagen: Wir schauen uns das genau an,


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ihr schaut und der Bürger zahlt!)


lassen uns aber in unserer Wirtschaftspolitik nicht beirren,
weil diese im Prinzip dazu geeignet ist, Wachstum und
Beschäftigung nicht nur sicherzustellen, sondern sogar zu
fördern.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Deswegen steigen die Arbeitslosenzahlen!)


Dass Sie die Ökosteuer nicht mögen, ist Ihnen unbe-
nommen. Trotzdem sollten Sie aufhören, über die Fakten
hinwegzusehen. Kollege Loske hat nicht gesagt, dass die
Ökosteuer keine Rolle spielt. Er hat nur darauf hingewie-
sen, dass die Ökosteuer nicht den Effekt hat, wie Sie es die
ganze Zeit behaupten.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Aber auch nicht, wie Sie es behaupten!)


Ich will das mit einer Zahl belegen: Seit Anfang des Jah-
res 2000 sind die Benzinpreise um 50 Pfennig gestiegen.
Der Effekt der Ökosteuer an diesem Preisanstieg beträgt
genau 6 Pfennig.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wie bitte? – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das war der Motor für die Preistreiberei!)


Da frage ich Sie nun: Ist dieser Preisanstieg nicht auf ex-
terne Effekte zurückzuführen, die wir nicht beeinflussen
können? Ist es wirklich richtig – dies wurde ja schon ge-
fordert –, es der OPEC, die die Preise erhöht, leicht zu
machen und sofort mit Steueränderungen zu reagieren?


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Frau Fischer, wären Sie doch bei der Gesundheit geblieben!)


Ich glaube auch, dass Sie den Einfluss der Lebensmit-
telpreise, die hier eine Rolle spielen, nicht richtig bewer-
ten. Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittel-
Einzelhandels sagt, dass es zwar infolge der Agrarkrise
besondere Effekte gibt, dass aber damit zu rechnen sei,
dass sich im Laufe des Jahres die Steigerung der Lebens-
mittelpreise auf den uns längst vertrauten Wert von 1 Pro-
zent einpendeln wird.




Hartmut Schauerte

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(C)



(D)



(A)



(B)


Wenn das alles so ist, sollen wir dann plötzlich hekti-
sche Kehrtwendungen machen, wie Sie das hier von uns
fordern?


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Nein!)

Würden wir das tun, würden Sie mit Recht sagen, dass wir
einen wirtschaftspolitischen Schlingerkurs führen.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das haben Sie auch nicht!)


Ich kann nur wiederholen, was schon viele gesagt ha-
ben – das kann ich Ihnen nicht ersparen –: Wir haben in
der Steuerpolitik das Ruder herumgeworfen und die
Privathaushalte auf eine Art und Weise entlastet, wie es
Ihnen die ganzen Jahre über nicht gelungen ist, obwohl
Sie genauso wie wir erkannt haben, wie notwendig das
ist. Das ist für die Konjunktur von großer Bedeutung.
Entgegen dem, was Sie immer behaupten, ist ein Drittel
aller im Rahmen dieser Steuerreform durchgeführten
Entlastungen bei den kleinen und mittleren Unterneh-
men wirksam. Auch das ist positiv für die Konjunktur.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Gesundheit war schon eine Überforderung! Dies endet in der Katastrophe!)


Sie haben von der Arbeitsmarktpolitik gesprochen.
Deshalb will ich darauf hinweisen: Derzeit kommt es zu
ausgesprochen maßvollen Lohnabschlüssen. Sie wissen,
wie wichtig das für die Frage ist, ob die Preise steigen
oder nicht. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass das
Bündnis für Arbeit die dafür erforderlichen Rahmenbe-
dingungen geschaffen hat. Wir wissen auch, dass es wei-
terhin diese maßvollen Lohnabschlüsse geben muss,
wenn wir nicht in eine Lohn-Preis-Spirale geraten wol-
len.

Ein letztes Wort: Ich bin wirklich geplättet, dass Herr
Ost sagt: Was Sie da mit dem Euro machen; dass Sie das
einfach so laufen lassen! – Mit Verlaub, habe ich irgend-
etwas in Bezug auf die Unabhängigkeit der Europäischen
Zentralbank verpasst?


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Als Sie bei der Gesundheit waren!)


Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ist
meiner Kenntnis nach im Maastrichter Vertrag, der noch
unter der Kohl-Regierung abgeschlossen wurde, veran-
kert worden. Eine unabhängige Zentralbank halte ich für
eine ausgesprochen kluge Idee. Ich bin der Auffassung,
dass der Europäische Zentralbankrat eine ausgesprochen
gute Politik gemacht hat. Wenn Sie hier sagen, das mit
dem Euro werde alles noch viel schlimmer, ist dies ver-
antwortungslos.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Nein!)

Natürlich ist die Situation schwierig; der Euro muss sich
das Vertrauen der Märkte und der Bürgerinnen und Bür-
ger erst erwerben. Sie aber machen es ihm schwer, sich
dieses Vertrauen zu erwerben. Das kann niemand gebrau-
chen. Das finde ich wirklich verantwortungslos, selbst
wenn man in Rechnung stellt, dass Sie eine verzweifelte
Opposition sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Das ist jetzt die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen! Herzlichen Glückwunsch!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1417238300
Ich erteile
nunmehr das Wort dem Kollegen Wolfgang Meckelburg
für CDU und CSU.


Wolfgang Meckelburg (CDU):
Rede ID: ID1417238400
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass ich als So-
zialpolitiker in dieser Debatte über die Inflationsrate rede,
ist sicherlich notwendig. Denn wir haben versucht – eine
Ausnahme waren die Jahre, wo die Einheit zu bewältigen
war –, eine Politik zu machen, bei der Preisstabilität
herrscht. Die Preisstabilität ist die sozialste Politik gerade
für die unteren Lohngruppen,


(Beifall bei der CDU/CSU)

gerade für die Rentner und Rentnerinnen, für die Sozial-
hilfeempfänger, für Studenten, also für alle, deren Ein-
kommen sich am unteren Ende der Skala bewegt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Für die kleinen Leute!)


– Für die kleinen Leute.
Wenn wir die Regierungsbilanz, die wir im Oktober

1998 überlassen haben, mit dem vergleichen, was jetzt ist,
dann stellen wir fest, dass entscheidende Daten auf der
Rutsche sind:

Das Wirtschaftswachstum betrug am Ende der Regie-
rung Kohl 2,7 Prozent. Jetzt müssen Sie das Wirtschafts-
wachstum Monat für Monat nach unten korrigieren. Man
erwartet heute – in der Presse ist das nachzulesen – nur
noch 1,5 Prozent.

Bei der Arbeitslosigkeit hat es keine große Bewegung ge-
geben. Bei uns waren es 3,9 Millionen; im letzten Monat
sind wir bei 3,8Millionen gewesen. Ich will die Zahlen nicht
so einfach vergleichen, weil sie nicht vergleichbar sind.


(Bernd Scheelen [SPD]: Sie tun es aber trotzdem! Das muss ja einmal gesagt werden!)


– Nein, nein. – Den größten Rückgang innerhalb eines
Jahres, von Januar bis September, hat es im Wahljahr 1998
gegeben.


(Joachim Poß [SPD]: 350 000 ABM!)

In keinem Jahr danach wurde dies geschafft. Ich sage das
deswegen ganz deutlich, weil der Bundeskanzler an dieser
Stelle mit einer Zahl operiert – 4,8 Millionen –, die wir im
Januar hatten, die aber nicht Durchschnitt des Jahres war.


(Joachim Poß [SPD]: 350 000 ABM!)

Jetzt will ich am Beispiel der Rentner deutlich machen,

was das bedeutet. Beim Thema Inflation haben Sie so-
wieso immer Schwierigkeiten.


(Joachim Poß [SPD]: Was? Welche Inflationsrate hatten wir denn im letzten Jahr, Herr Kollege!)





Andrea Fischer (Berlin)

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(C)



(D)



(A)



(B)


Herr Kollege Poß, Sie haben den Rentnerinnen und Rent-
nern über den Bundeskanzler im ersten Regierungsjahr
versprochen: Wir bleiben bei der nettolohnbezogenen
Rente.


(Joachim Poß [SPD]: Worüber reden wir eigentlich? Über einen Monatseinzelwert oder über einen Jahresdurchschnitt?)


Dieses Versprechen haben Sie gebrochen. Sie haben ge-
sagt: Es gibt nur noch einen Inflationsausgleich. Das ist
weniger gewesen. Als es dann konkret wurde, mussten
wir feststellen, dass die Rentenerhöhung im Jahr 2000
0,6 Prozent betrug, aber die Inflationsrate im Jahr 2000
bei 1,9 Prozent lag. Das war kein Inflationsausgleich, weil
die Inflation des Vorjahres zugrunde gelegt wurde.

Damit Sie einmal merken, was das für einen Rentner-
haushalt bedeutet, nehme ich einmal eine nachrechenbare
Zahl.


(Joachim Poß [SPD]: Das wissen die Rentner! Die gewaltigen Erhöhungen in der Kohl-Ära, die immer noch unter der Inflationsrate lagen!)


Eine Rente von 2 000 DM ist zum 1. Juli 2000 auf
2 012 DM erhöht worden. Aber der Kaufkraftverlust von
1,9 Prozent bedeutet, dass diese 2 012 DM nur noch einen
Wert von 1 974 DM haben. Das spüren die Rentnerinnen
und Rentner. Sie spüren es an der Zapfsäule. Sie spüren es
gerade in diesem Monat auch bei den Heizkostennach-
zahlungen. Das ist sicherlich mit ein Grund, warum die
Inflationsrate so hoch ist.

Das geht im Jahr 2001 weiter. Rentenanpassung West:
1,9 Prozent, Inflation: 2,5 oder 2,3 Prozent; keiner weiß
das so genau. Jedenfalls wird auch in diesem Jahr ein ähn-
liches Verhältnis gegeben sein. Selbst wenn man einmal
gutmütig rechnet – bei Rot-Grün weiß man ja nie, wie die
Ergebnisse sein werden –, dass Sie im Wahljahr 2002
möglicherweise mit der Rentenerhöhung 0,3 oder 0,4 Pro-
zent über der Inflationsrate liegen, reicht das bei weitem
nicht aus, um das auszugleichen, was Sie vorher den Rent-
nerinnen und Rentnern aus der Tasche gezogen haben mit
Inflationsraten, die weit über den Rentenanpassungen lie-
gen, die Sie ihnen gegeben haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Das Gleiche gilt für Familien. Wir haben immer ge-

rechnet: Ein Prozentpunkt mehr oder weniger Inflations-
rate bedeutet, aufs Jahr gesehen, 18 Milliarden DM mehr
oder weniger Kaufkraft. Wenn man dem gegenüberstellt,
dass Sie die Familien mit 30 DM Kindergeld beruhigen
wollen – eine Gesamtsumme von 4,6 Milliarden DM –,
dann hat man den klassischen Beweis dafür, dass es not-
wendig ist, eine Politik zu betreiben, die auf Preisstabilität
achtet. Das ist das Sicherste und Wichtigste und entlastet
die Familien viel mehr als die 4,6 Milliarden DM, die Sie
ihnen über das Kindergeld geben: 18 Milliarden DM
könnten ihnen über die Kaufkraft verloren gehen.

Im Übrigen gilt für die Empfänger von Sozialhilfe
– deren Änderungen sind ja an die Rentenanpassung ge-
koppelt – genau dasselbe.

Ich finde die Ergebnisse, die man in der Sozialpolitik
festhalten kann, blamabel für eine Regierung, die mit dem

Slogan angetreten ist, soziale Gerechtigkeit zu schaffen.
Das, was Sie mit der Preissteigerungsrate hier anrichten,
ist größte soziale Ungerechtigkeit. Ich fordere Sie auf:
Schwenken Sie auf den Weg sozialer Gerechtigkeit! Sor-
gen Sie dafür, dass Preisstabilität im Land herrscht! Da-
mit wäre gerade den unteren Einkommen sehr geholfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1417238500
Herr Kol-
lege Bernd Scheelen spricht nun für die Fraktion der SPD.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Der macht jetzt die Vorschläge, wie kommen wir wieder runter!)



Bernd Scheelen (SPD):
Rede ID: ID1417238600
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Herr Schauerte, Vorschläge wären ei-
gentlich von der Opposition zu erwarten. Aber Sie ver-
meiden ja tunlichst, konkrete Vorschläge zu machen.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Der Kollege Ost – er ist leider nicht mehr hier – hat

vorhin gesagt, Inflation habe einen Namen, sie hieße Rot-
Grün. Dazu kann ich nur sagen: Demagogie hat einen Na-
men und der heißt Schwarz-Gelb.


(Beifall bei der SPD – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das sage ich Borussia Dortmund!)


Was der Kollege Ost hier vorgetragen hat, muss man ja
einmal in der Dimension der vergangenen zehn, 15 oder
16 Jahre sehen.


(Zuruf des Abg. Hartmut Schauerte [CDU/CSU])


– Herr Schauerte, ich komme sofort auf Sie zurück.
Der Kollege Ost war zu Ihrer Regierungszeit in relativ

verantwortlichen Positionen tätig. Da wird er wissen, dass
die Inflationsrate für den Monat Mai im Jahre 1993 bei
4,4 Prozent lag, also deutlich höher, als sie in diesem Jahr
liegt. 1992 lag sie sogar bei 6,3 Prozent. Sie haben das
eben ein bisschen beschönigt und gesagt: „an die 5 Pro-
zent“.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das habe ich nicht erzählt!)


Es ist natürlich ein bisschen sehr billig, Herr Schauerte, zu
behaupten, das habe an der deutschen Einheit gelegen.
Das hing mit der Art und Weise zusammen, wie Sie die
deutsche Einheit finanziert haben. Das war nämlich di-
lettantisch und stümperhaft.


(Beifall bei der SPD)

Über Verschuldung haben Sie das Ganze geregelt. Mit

frisch gedrucktem Geld, mit staatlicher Neuverschuldung
haben Sie die Einheit finanziert.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Deshalb waren Sie dagegen!)


Die Probleme haben wir jetzt am Hals, die müssen wir
jetzt lösen. Wir haben von Ihnen eine Staatsverschuldung




Wolfgang Meckelburg

16869


(C)



(D)



(A)



(B)


von 1,5 Billionen DM übernommen. Wir sind dabei, die-
sen Schuldenberg abzubauen. Es ist ein schweres Erbe,
das wir von Ihnen übernommen haben, aber wir stellen
uns dieser Aufgabe und haben erste Erfolge auf diesem
Sektor zu verzeichnen.

Ich frage mich: Wie hieß denn die Inflation in den 90er-
Jahren? Jedenfalls muss sie doch schwarz-gelb gewesen
sein. Herr Brüderle, wenn Sie sagen, die Inflation sei so-
zial tief ungerecht, dann haben Sie natürlich im Prinzip
Recht. Nur müssen Sie sich dann an die eigene Brust
schlagen, denn Sie haben doch jahrelang eine sozial tief
ungerechte Politik unterstützt.

Sie benutzen das Thema Inflationsrate heute wieder als
Hintertür für ein anderes Thema. Sie haben uns in diesem
Jahr sechs- oder achtmal – ich weiß nicht, wie oft – mit
Aktuellen Stunden zum Thema Ökosteuer überrascht und
erfreut. Nun haben Sie gemerkt, dass sich das Thema ir-
gendwie totläuft, und brauchen einen neuen Aufhänger.
Daher versuchen Sie es mit Inflation. Dabei kommen Sie
mir ein bisschen so vor wie der Student, der sich für seine
Biologieprüfung auf den Wurm vorbereitet hat. Nun wird
er aber nach dem Elefanten gefragt. Und er beginnt seine
Ausführungen: Der Elefant hat einen wurmförmigen
Rüssel.

So arbeiten Sie! Sie versuchen jetzt über eine Debatte
zur Inflation wieder auf die Ökosteuer zu kommen. Des-
wegen will ich Ihnen gerne noch etwas zur Ökosteuer sa-
gen. Sie sagen, die Ökosteuer treibe die Preise.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Können Sie das mit dem Elefanten noch einmal erklären?)


– Das kann ich Ihnen nachher noch einmal unter vier Au-
gen erklären, wenn Sie es nicht verstanden haben. Viel-
leicht verstehen Sie das hier jetzt auch nicht. Aber ich
hoffe doch noch auf Ihre Einsicht.

Wenn Sie behaupten, die Ökosteuer treibe die Preise,
dann darf ich Sie noch einmal an diesen Zeitungsartikel
erinnern, der überschrieben ist mit: „Teures Auto-
fahren – Benzinpreis steigt zum 1. Januar um 18 Pfennig“.
Das ist ein Artikel aus dem Jahr 1993, und zwar vom
31. Dezember.

Damals haben Sie zum 1. Januar 1994 die Mineralöl-
steuer um 18 Pfennig angehoben. Nach Ihrer Logik hätte
im Januar 1994 die Inflationsrate dramatisch ansteigen
müssen. Ist sie aber nicht. Sie ist von 4,4 Prozent im
Dezember 1993 trotz Ihrer dramatischen Steuererhöhung
im Januar 1994 auf 3,2 Prozent gefallen. Das heißt, Sie
haben mit einer einzigen Erhöhung das gemacht, wofür
wir uns jetzt drei Jahre Zeit genommen haben, um in de-
zenten Stufen die Energiepreise anzuheben. Das heißt, ei-
nen direkten Einfluss auf die Inflationsrate hat so etwas
nicht, denn sie basiert nicht nur auf einem einzigen Preis,
sondern setzt sich aus Einzelpreisen vieler Bereiche zu-
sammen.

Noch einmal – wie Sie angemahnt haben, Herr
Schauerte – zu den Fakten: Es steht außer Frage, dass wir
alle eine Inflationsrate von 3,5 Prozent im Mai nicht gut
finden. Trotzdem lohnt es sich, einmal genau hinzusehen,
wie sich diese zusammensetzt. Dazu sind sicherlich Gra-

fiken manchmal ganz hilfreich. Ich habe Ihnen hier noch
eine mitgebracht. Ich weiß nicht, ob Sie das sehen können.


(Der Redner hält eine Grafik hoch)

Die untere schwarze Linie bewegt sich für den Zeitraum
von 1998 bis 2001 auf einem Niveau von etwa 1 Prozent.
Das ist die Inflationsrate unter Ausschluss der Kraftstoff-
und Nahrungsmittelpreise, sozusagen die Kerninflation.
Sie beträgt auch im Mai dieses Jahres nur 1 Prozent. Der
Rest verteilt sich auf Energiekosten – 1,4 Prozent – und
auf Nahrungsmittelpreise – 1,1 Prozent –, wobei Letzte-
res im Wesentlichen saisonal bedingt ist.


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Guck doch mal am Monatsende ins Portemonnaie!)


Ihre Hochschätzung für die Bundesregierung kann ich gut
verstehen; aber Sie halten sie manchmal ursächlich für
Dinge, auf die sie leider keinen Einfluss hat. Wenn sich
die Ölscheichs einig sind und die Fördermengen drosseln,
dann steigt der Energiepreis. Darauf hat die Bundesregie-
rung relativ wenig Einfluss. Die Bundesregierung hat
auch relativ wenig Einfluss darauf, wenn in England die
Raffinerie „Killinghome“ abbrennt, die den amerikani-
schen Markt mit Benzin versorgt hat. Die Bundesregie-
rung hat relativ wenig Einfluss auf das Wetter, darauf, ob
der Mai sehr trocken ist und den Bauern damit die Ernte
verhagelt, um das einmal salopp zu formulieren. Das sind
Einflüsse, die zugegebenermaßen die Inflationsrate jetzt
im Mai – für einen einzelnen Monat – auf 3,5 Prozent
hochgetrieben haben.

Der Präsident der EZB, Wim Duisenberg, sagt genau
das Gleiche: Das sind saisonale Einflüsse, bedingt durch
die Energiepreiserhöhung, MKS und BSE-Krise; das wird
sich wieder regulieren. Wir müssten uns Sorgen machen,
wenn die Kerninflation über 1 Prozent läge. Das trifft aber
nicht zu. Deswegen sage ich: Es ist gut, dass die Bundes-
regierung hier eine ruhige Hand bewahrt und in ihrer
Haushaltskonsolidierungs- und Steuersenkungspolitik
fortfährt. Das ist der richtige Weg; das ist die richtige Ant-
wort auf steigende Preise.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Dass die Leute kein Geld in der Tasche haben, kümmert Sie nicht!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1417238700
Ich gebe das
Wort dem Kollegen Klaus-Peter Willsch für die
CDU/CSU-Fraktion.


Klaus-Peter Willsch (CDU):
Rede ID: ID1417238800
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Bernd
Scheelen, die Leute schauen ins Portemonnaie und mer-
ken, dass am Ende vom Monat weniger übrig ist, dass sie
weniger in der Tasche haben. Es ist ihnen dann egal, in
welche einzelnen Komponenten sich die Inflation zerlegt.
Entscheidend ist: Es reicht unter dem Strich nicht mehr.
Dafür seid Ihr mitverantwortlich.


(Beifall der CDU/CSU)





Bernd Scheelen
16870


(C)



(D)



(A)



(B)


Es ist immer recht aufschlussreich, einmal zurückzu-
blenden und sich vor Augen zu führen, was zu ähnlichen
Themen in vorangegangenen Debatten gesagt worden ist.
Ich habe in einem Protokoll aus dem Monat September
2000 nachgeschaut. Die Kollegen von Rot-Grün werden
sich gut daran erinnern: Damals gab es intensive Debat-
ten über den Benzinpreis und mögliche Kompensationen.

Wie sah denn die Lage damals aus? – Das Rohöl kos-
tete 35 Dollar je Barrel. Finanzminister Eichel sagte,
25 Dollar pro Barrel sei ein für die Weltwirtschaft ver-
nünftiger Wert. Das Wachstum für 2001 wurde mit rund
3 Prozent prognostiziert. Eichel sagte, die Inflation ent-
wickele sich moderat. Im August letzten Jahres hatten wir
eine Inflationsrate von 1,8 Prozent. In dieser Situation gab
es hektische Betriebsamkeit bei der Regierung: Entfer-
nungspauschale, Heizkostenzuschuss und all die anderen
Regelungen.

Vergleichen wir einmal diese Situation mit der heutigen:
Ein Barrel Rohöl kostet 26 Dollar; das entspricht ungefähr
der eichelschen Wunschgröße. Die Prognose für das
Wachstum beläuft sich auf 1,5 Prozent, vielleicht ein biss-
chen mehr. Die Inflation beträgt 3,5 Prozent, die höchste
Rate seit sieben Jahren. Das soll dann Grundlage für busi-
ness as usual sein? – Das passt doch nicht zusammen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Brüderle [F.D.P.] – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das ist leider die Realität!)


Bei solchen Themen sollten Sie auch einmal auf die
Wissenschaft hören. Professor Siebert hat am letzten
Sonntag in der „Bild am Sonntag“ erklärt:

Da ist die Öko-Steuer nicht ganz unschuldig dran.
Die Energiepreiserhöhungen sind deshalb auch
hausgemacht.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Na klar!)

Er sagt weiter:

Wir müssen uns fragen, ob wir die richtige Energie-
politik betreiben. Der deutsche Ausstieg aus der
Kernenergie ist eine Einladung an die Ölanbieter,
diese Situation auszunutzen.

Das liegt doch auch völlig auf der Hand:

(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie als rot-grüne Regierung geben noch zusätzlich das
Signal, der Benzinpreis sei zu niedrig. Die Grünen propa-
gierten seinerzeit: „5 DM pro Liter!“ – vielleicht schaffen
wir es ja, wenn Sie so weitermachen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Da sind sie ganz erfolgreich!)


Sie haben seit der Regierungsübernahme 1998 den
Preis pro Liter Benzin locker um 21 Pfennig erhöht. Da
dürfen Sie sich doch nicht wundern, wenn bei Preisbil-
dungsprozessen der Eindruck entsteht, da sei noch Luft,
da sei die Grenze der Belastbarkeit noch nicht erreicht,
wenn sich in einer solchen Situation andere dranhängen
und zusätzliche Gewinne realisieren.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: So funktioniert Marktwirtschaft!)


Tatsache ist: Wenn wir an die Tankstelle fahren und
tanken, weiß jeder Einzelne von uns und wissen die vie-
len Bürger draußen, dass alles, was über zwei Mark je Li-
ter hinausgeht, aufgrund Ihrer so genannten Ökosteuer
ausschließlich von Ihnen zu verantworten ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Brüderle [F.D.P.])


Stichwort Euro: Sie haben vielleicht gelesen, dass drei
Viertel der Deutschen nach einer Emnid-Umfrage der
Meinung sind, dass die Ausgabe der neuen Zahlungsmit-
tel am 1. Januar 2002 zu verdeckten Preissteigerungen
führen wird. Angesichts der Erfahrungen bei der Umstel-
lung der gerade eingeführten Entfernungspauschale müs-
sen sie solche Befürchtungen natürlich auch haben: Sie
appellieren auf der einen Seite an den Handel und alle
möglichen anderen Adressaten, man möge sich bei der
Euro-Umstellung bitte ordentlich verhalten, und auf der
anderen Seite klauen Sie den Leuten auf diese Weise bei
der Entfernungspauschale 10 Pfennig. Über ein solches
Verhalten kann man nur den Kopf schütteln.

Wir müssen erst einmal abwarten, ob sich die Befürch-
tungen der Bürger in diese Richtung bewahrheiten werden
und inwieweit auch der eine oder andere preissteigende
Effekt daraus folgen wird. Das ist zumindest ein zusätz-
liches Risiko, das wir zu gewärtigen haben.

Kollege Schauerte hat vorhin bereits das nette Zitat von
Bundeskanzler Schmidt seinerzeit gebracht. Der Minis-
terpräsident Schröder hat sich 1995 dieses Zitat zu Eigen
gemacht. Er hat damals im „Spiegel“ gesagt, man dürfe
„nicht das abwürgen, was wir zum Blühen bringen wol-
len, die Beschäftigung.“ Auch für ihn gelte wie für den
ehemaligen Bundeskanzler Schmidt: Lieber 5 Prozent In-
flation als 5 Prozent Arbeitslosigkeit. – Ich traue dem
Bundeskanzler die 5 Prozent Inflation zu, nicht aber die
5 Prozent Arbeitslosigkeit.

Wenn sich die Regierung schon mit ökonomischen
Kurvenverläufen beschäftigen will, dann empfehle ich:
Weg mit der Phillips-Kurve! Wer Inflation laufen lässt
oder gar anheizt, wie Sie das mit Ihrer so genannten Öko-
steuer machen, nimmt den kleinen Leuten ihr Erspartes,
bestraft Rentner, Arbeitslose und Beschäftigte mit Real-
einkommensverlusten und hat am Ende weniger Beschäf-
tigung und mehr Arbeitslosigkeit. Das ist das Ergebnis.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Sie sich Kurven anschauen wollen, dann nehmen

Sie sich einmal die Laffer-Kurve vor. Trauen Sie sich an
einen großen Wurf bei der Steuerreform – Vereinfachung
des Systems, runter mit den Sätzen – und Sie werden Dy-
namik vor allem bei der Binnenmarktentwicklung los-
treten und zu Wachstum, zu Beschäftigung und zu spru-
delnden Einnahmen kommen. Nehmen Sie die Vorschläge
von Gunnar Uldall, von Friedrich Merz, von Professor
Kirchhof als Blaupause! Dann werden wir mit der Politik
hier bei uns im Land auf den richtigen Weg kommen. So,
wie Sie es machen, machen Sie es falsch. Damit sind Sie
mitverantwortlich dafür, dass wir eine so hohe Inflations-
rate zu beklagen haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)





Klaus-PeterWillsch

16871


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1417238900
Nun erhält
das Wort der Kollege Wolfgang Weiermann für die SPD-
Fraktion.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ergeben Sie sich!)



Wolfgang Weiermann (SPD):
Rede ID: ID1417239000
Ich habe nicht den ge-
ringsten Grund, mich zu ergeben, weil vieles von dem,
was Sie gesagt haben, einfach nicht der Wahrheit ent-
spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bun-
desverfassungsgericht hat nicht uns gerügt, als es die Po-
litiker aufforderte, eine bessere Familienpolitik zu machen,
sondern das Urteil wandte sich gegen Ihre Regierungspo-
litik. Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der SPD)

Wenn wir über die Rentenpolitik reden, muss ich Ihnen

Folgendes entgegenhalten: Als wir den Kassensturz mach-
ten, mussten wir feststellen, dass durch sachfremde Aus-
gaben – die Sie und nicht wir getätigt hatten – die Rück-
lage bei der Rente auf zwei Drittel einer Monatsausgabe
gesunken war. Das bedeutet, dass diese Rücklage gar
nicht mehr verfassungsgemäß war. Wir haben nun dafür
gesorgt, dass wir allmählich mehr als eine Monatsrück-
lage haben. Wer hat da denn die Schweinerei gemacht, Sie
oder wir, die wir sie korrigiert haben?

Sie sagten, die Inflationsrate sei bei der Rentenanpas-
sung nicht berücksichtigt worden.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Wer hat denn seit 1994 – schauen Sie sich das einmal in
aller Ruhe an – kontinuierlich, Jahr für Jahr, die Renten
nicht einmal um mehr als die Höhe der Inflationsrate an-
gehoben? Das waren doch Sie! Haben Sie wirklich nicht
gemerkt, dass Sie in den Jahren an der Regierung und für
diese Politik verantwortlich waren?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was ich heute gehört habe, klingt so, als ob Ihnen die
Krokodilstränen, die Sie vergießen, den Blick auf die lau-
fende Konjunktur eher trüben, als dass sie Klarheit in das
Geschehen bringen.

Ich möchte festhalten, dass sich die konjunkturellen
Schwächen nicht allein auf die Bundesrepublik Deutsch-
land beschränken,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie stecken auch noch andere an!)


sondern es handelt sich, wenn Sie so wollen, um ein Phä-
nomen, das auch in anderen Ländern der Europäischen
Union in Erscheinung tritt.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Überall dort, wo die Sozialisten regieren!)


Wir reden immer über die Höhe der Mai-Inflationsrate. –
Das französische Amt für Statistik – auch das muss man
an dieser Stelle einmal sagen – hat für den besagten Zeit-

raum den geringsten Zuwachs des Bruttoinlandsproduk-
tes seit 1998 errechnet.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Da regieren auch Sozialisten!)


Tun Sie doch nicht so, als würden sich diese Dinge nicht
europaweit und weltweit widerspiegeln und als seien al-
lein wir an dieser Entwicklung maßgeblich beteiligt.

Es geht hier nicht um die klassische Inflation, Herr
Schauerte. Damit haben wir es nicht zu tun; denn diese
wäre die Folge einer überhitzten Konjunktur, wie Sie ge-
nau wissen.


(Eckardt von Klaeden [CDU/CSU]: Das kann man wohl wirklich nicht sagen!)


Von Überhitzung ist aber keine Rede. Vielmehr ist der An-
stieg der Inflationsrate das Resultat einer Entwicklung,
deren Hauptursache auf der Kostenseite zu suchen ist. Das
ist der qualitative, aber wichtige Unterschied in der Beur-
teilung der gegenwärtigen Situation.


(Beifall bei der SPD)

Das Statistische Bundesamt hat dafür drei Bereiche ge-

nannt. Sie wurden hier schon genannt. Ich will es also an
dieser Stelle nicht noch einmal tun. Ich darf aber sagen,
dass sich in etlichen Euro-Ländern die Inflationsrate be-
reits im April im Durchschnitt auf 2,9 Prozent erhöht hat.
In Spanien betrug sie 4 Prozent, in Irland 4,3 Prozent und
in den Niederlanden 5,3 Prozent.

Die Ursachen sind klar: Es handelt sich um den An-
stieg – das gilt auch für unser Land – der Lebensmittel-
preise. Aber ich füge hinzu, dass die Preise für Gas, Gasöl
und Rohölprodukte die Folge einer überhöhten Ener-
gienachfrage in den Vereinigten Staaten sind. Das macht
uns schmerzhaft klar, wie abhängig wir vom Öl und von
den Konzernen sind, die den Anstieg der Preise weiterge-
ben.


(Beifall bei der SPD)

Sie haben einige Male die Ökosteuer genannt. Ich

möchte Sie einmal bitten, in Ruhe zu überlegen: Ohne die-
ses Lenkungsinstrument, das einen sparsamen Umgang
mit dem teuren Rohstoff und den schleunigen Umstieg
auf andere Energieformen erzwingt, wären wir längerfris-
tig den unkontrollierbaren Schwankungen auf diesem
Markt mit allen Folgen für die Preisentwicklung in weit
stärkerem Maße als zurzeit ausgeliefert. Es ist also ein
Korrektiv, ein korrigierendes Element. Wir sollten die
Ökosteuer nicht verteufeln. Das ist der realistische Fakt,
der hier festzustellen ist.


(Beifall bei der SPD)

Es gibt eine Reihe großer Banken, die damit rechnen,

dass sich die Teuerungsrate in Deutschland in der zwei-
ten Jahreshälfte beruhigen wird. Der Chef des Kieler In-
stituts für Weltwirtschaft, Professor Siebert, erklärte,
der Preisbuckel sei zwar unerwartet hoch ausgefallen,
aber er werde sich im Herbst wieder normalisieren.
Siebert rechnet dann mit einer Inflationsrate von 2 Pro-
zent.






(C)



(D)



(A)



(B)


Ich nehme an, dass ich mit meinen Ausführungen zum
Ende kommen muss. Ich würde aber gerne noch mit Ih-
nen weiter diskutieren.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Sie werden noch genügend Gelegenheit dazu haben!)


Aktuelle Stunden sind ganz nett, aber Ihnen müssen ein-
mal die Flausen in Form einer Berichterstattung gegen-
über dem Volk aus dem Kopf getrieben werden, die alles
andere als ehrlich ist.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Jetzt wird er autoritär! Jetzt kommt er mit der Dachlatte!)


Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1417239100
Als letzter
Redner in dieser Aktuellen Stunde spricht nun für die
SPD-Fraktion der Kollege Thomas Sauer.


Thomas Sauer (SPD):
Rede ID: ID1417239200
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Ich finde es immer richtig und gut, wenn sich
der Deutsche Bundestag mit den Eckdaten der gesamt-
wirtschaftlichen Entwicklung auseinander setzt. Aber es
hat wenig Sinn, eine solche Diskussion zu führen, wenn
das Ganze zu einer ritualhaften, reflexartigen Diskussion
verkommt.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Nehmen Sie erst einmal das mit den Flausen zurück!)


– „Flausen“ habe ich gar nicht gesagt, das war jemand an-
ders. Ich meine, dass diese Sache eine ernsthaftere Dis-
kussion wert gewesen wäre.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das sagen Sie mal Ihrem Kollegen!)


– Es gibt auch aus unseren Reihen solche Diskussions-
beiträge. Aber was Herr Ost, der leider gleich nach seiner
Rede weggegangen ist, und auch Herr Brüderle hier ab-
geliefert haben, ist Karnevalsprogramm, aber keine ernst-
hafte Auseinandersetzung mit den Problemen der Men-
schen in unserem Land.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Dann sagen Sie doch einmal die Wahrheit! – Rainer Brüderle [F.D.P.]: Machen Sie jetzt die Hofsänger, oder was?)


Auch das Umgehen mit Zitaten ist immer wieder inte-
ressant. Herr Siebert wurde hier zitiert als derjenige, der
nun beweisen würde, dass die Ökosteuer Preistreiber
Nummer eins sei. „Ein klein wenig dazu beigetragen“ –
so ist das Siebert-Originalzitat. Wenn man ihn zu Ende zi-
tiert, dann heißt es in Bezug auf die Inflationsrate: „Die
Lage ist zwar ernst, weil der Preisbuckel unerwartet hoch
ausgefallen ist, aber er wird sich im Herbst wieder abfla-
chen.“ Dann erwartet er eine Inflationsrate um 2 Prozent.

Es ist auch extrem unredlich, mit dem einmaligen An-
stieg auf 3,5 Prozent im Mai, einem Monatswert, der Be-

völkerung zu suggerieren, es handele sich hier um die Jah-
resdurchschnittsinflation. Es ist höchst unredlich, wenn
man diese Dinge in einer ernsthaften Debatte so themati-
siert.


(Beifall bei der SPD)

Es wirft kein gutes Licht auf den deutschen Parlamenta-
rismus, wenn hier mit solch falschen Zahlen operiert wird.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Können Sie denn nicht rechnen?)


– Einen Augenblick mal, Herr Schauerte. Wenn die Infla-
tionsrate im April niedriger ist als im Mai, wenn sie auch
im Januar, im Februar und im März niedriger ist und wenn
erwartet wird, dass sie im Herbst wieder sinkt, kann man
nicht davon ausgehen, dass die einmalig im Mai 3,5 Pro-
zent betragende Inflationsrate auch den Jahresdurch-
schnitt bilden wird.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Sie sind nun mal da!)


– Die 3,5 Prozent sind in diesem Monat einmal da, aber
das ist nicht der Jahresdurchschnittswert. Dass ich Ihnen
das alles erklären muss, ist ganz schön peinlich für Sie.


(Beifall bei der SPD – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Der Basiseffekt bleibt doch!)


Für mich als Sozialdemokrat ist bei den neuesten Pro-
gnosen über die wirtschaftliche Entwicklung ganz beson-
ders wichtig: Gelingt es uns tatsächlich, die Massenar-
beitslosigkeit deutlich zu reduzieren? Wir sind auf diesem
Weg schon ein gutes Stück vorangekommen.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Wo denn? Jetzt sollten Sie redlich bleiben!)


– Meine Kollegin Nina Hauer hat das hier ausgeführt. Sie
wären doch froh gewesen, wenn Sie eine Wachstumsrate
erreicht hätten, wie wir sie im Jahr 2000 mit real 3 Pro-
zent erreicht haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie wären auch froh gewesen, wenn Sie die Wachstums-
rate dieses Jahres erreicht hätten, denn die letzte Wachs-
tumsrate, die Sie 1997 noch zu verantworten hatten, lag
deutlich niedriger als die, die jetzt von den Wirtschafts-
forschungsinstituten prognostiziert wird.


(Beifall bei der SPD – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Die 98er war auch unsere! – Max Straubinger [CDU/CSU]: In Bayern haben wir 4,3 Prozent gehabt!)


– In Bayern ist sowieso alles viel besser.
Ich habe von Herrn Brüderle gehört, dass er ein Blitz-

programm auflegen will, und Kernforderungen seines
Blitzprogramms sind die Abschaffung der Ökosteuer und
die Abschaffung der Ökosteuer sowie die Abschaffung
der Ökosteuer und außerdem eine steuerliche Entlastung
im Unternehmenssektor.


(Rainer Brüderle [F.D.P.]: Ihnen flattern ja schon die Finger!)





Wolfgang Weiermann

16873


(C)



(D)



(A)



(B)


Wenn Sie zur Kenntnis nehmen würden, dass die Öko-
steuer beim Heizöl überhaupt nicht erhoben wurde und
der Preis für Heizöl trotzdem massiv gestiegen ist, dann
würden Sie erkennen, dass die Preissteigerung durch die
Ökosteuer letztendlich wahrscheinlich gegen Null ten-
diert. Ich behaupte – das beweist die Entwicklung der
Heizölpreise –, dass die Heizölpreise auch ohne Öko-
steuer genauso angestiegen wären, nur hätten sich die
Monopolprofite der Mineralölkonzerne erhöht. Zu deren
Sachwaltern machen Sie sich in diesem Hohen Hause
ständig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Rainer Brüderle [F.D.P.]: Es lebe der Klassenkampf!)


– Den Klassenkampf beherrschen Sie schon gut, Herr
Brüderle. Das weiß ich. Man hat Mühe, dagegen anzu-
kommen.


(Rainer Brüderle [F.D.P.]: Holen Sie mal Luft!)


Herr Brüderle, Sie haben vielleicht die Regierungspo-
litik der vergangenen Jahre nicht verfolgt. Sonst wüssten
Sie, dass wir eine Steuerpolitik machen, die die Steuerlast
für Mittelstand und Arbeitnehmer massiv reduziert. Wenn
Sie es uns schon nicht glauben, glauben Sie es ja vielleicht
dem Institut für Weltwirtschaft. Ich zitiere nur eine ganz
kurze Passage aus dem März-Bericht: „Die Finanzpolitik
wird im Jahr 2001 die Konjunktur stützen. Entscheidend
dafür ist die Steuersenkung zum 1. Januar 2001. Alles in
allem werden die Abgaben um 44 Milliarden DM ge-
senkt.“

Ich glaube, man kann sagen: Mit der mittelstands- und
arbeitnehmerorientierten großen Steuerreform trägt diese
Regierung mit dazu bei, die Binnenkonjunktur zu stützen
und Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Ein aktio-
nistisches Blitzprogramm à la Brüderle, im Mai 2001 auf-
gelegt um die Inflation zu bekämpfen und die Beschäfti-
gung in diesem Jahr zu erhöhen, kommt leider viel zu

spät. Sie hätten Ihre Vorschläge reichlich früher einbrin-
gen müssen.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das haben wir doch! – Rainer Brüderle [F.D.P.]: Sie hören ja nicht auf mich!)


Diese Regierung hat gottlob längst gehandelt. Herrn
Brüderles Blitzprogramm kommt mir vor wie der Hase im
Wettrennen mit dem Igel: Der schlaue Igel Eichel ruft dem
hechelnden, aber blitzschnellen Hasen Brüderle stets ein
„Ick bin all dor“ zu.

Die Steuerpolitik der Bundesregierung ist allerdings
nicht diskretionär, sondern Bestandteil einer langfristigen
Politik, die Konsolidierung, Steuerentlastung und die Schaf-
fung von Beschäftigung strategisch miteinander verbindet.

Ich komme zum Schluss: Nach allem, was wir wissen,
wird die Inflationsrate wieder deutlich zurückgehen. Ban-
ker erwarten bereits im Frühjahr nächsten Jahres eine In-
flationsrate von 1,5 Prozent. Ich gehe davon aus, dass Sie
dann eine Aktuelle Stunde beantragen, um die Erfolge der
Bundesregierung bei der Senkung der Inflationsrate und
der Stabilisierung der Preise zu thematisieren. Das wäre
eine schöne Sache.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Die GRÜNEN – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Da sind wir gespannt!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1417239300
Die Aktuelle
Stunde ist beendet.

Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Donnerstag, den 31. Mai, 9.00 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.