Protokoll:
14166

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 166

  • date_rangeDatum: 9. Mai 2001

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:04 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Entwurf ei- nes Gesetzes zurModernisierung des Schuld- rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16213 A Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16213 B Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 16214 B Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16214 D Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16216 A Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16216 B Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 16216 D Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16217 B Walter Hirche F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16218 A Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16218 A Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 14/5942) . . . . . . . . . . . . . . . 16218 C Vorlage von Deregulierungsvorschlägen durch den Bundeswirtschaftsminister MdlAnfr 1 Ernst Hinsken CDU/CSU Antw PStSekr Siegmar Mosdorf BMWi . . . . 16218 C ZusFr Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . 16219 A ZusFr Karl-Heinz Scherhag CDU/CSU . . . . . 16220 A ZusFr Walter Hirche F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 16220 C ZusFr Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16220 D Abschaltung des Senders International Broad- casting Bureau (IBB) in Holzkirchen-Ober- laindern MdlAnfr 8, 9 Ilse Aigner CDU/CSU Antw StSekr Dr. Gunter Pleuger AA . . . . . . . 16221 C ZusFr Ilse Aigner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16222 A Volle altersunabhängige Rentenzahlung nach 45 Beitragsjahren MdlAnfr 10 Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . 16223 B ZusFr Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . 16224 A ZusFr Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 16224 D ZusFr Walter Hirche F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 16225 B ZusFr Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 16225 C Angaben des Bundeskanzlers über Arbeits- losenzahlen in einem Interview mit der „Bild“- Zeitung MdlAnfr 11 Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . 16226 A ZusFr Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU 16226 C ZusFr Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . 16227 A ZusFr Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 16227 B Plenarprotokoll 14/166 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 166. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 9. Mai 2001 I n h a l t : ZusFr Johannes Singhammer CDU/CSU . . . . 16227 D ZusFr Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 16228 B ZusFr Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . 16228 C ZusFr Heinz Wiese (Ehingen) CDU/CSU . . . 16229 A ZusFr Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . 16229 A ZusFr Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . 16229 C ZusFr Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . 16229 D ZusFr Werner Siemann CDU/CSU . . . . . . . . 16230 C Angaben des Bundeskanzlers über Arbeits- losenzahlen in einem Interview mit der „Bild“- Zeitung MdlAnfr 12 Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . 16230 D ZusFr Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU 16231 A ZusFr Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . 16231 B ZusFr Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . 16231 C ZusFr Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . 16232 A ZusFr Johannes Singhammer CDU/CSU . . . . 16232 C Sitz der geplanten zentralen Zahlstelle des Bundes für das Zulageverfahren im Rahmen der ergänzenden Altersvorsorge MdlAnfr 13 Dr. Norbert Lammert CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . 16233 A ZusFr Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . 16233 A ZusFr Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . 16233 C ZusFr Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . 16233 D ZusFr Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . 16234 A Reduzierung der Nutzungskapazität der Mark- grafenkaserne in Bayreuth zwischen 1993 und 2001 MdlAnfr 15 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 16234 C ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 16234 D Reduzierung der Nutzungskapazität der Mark- grafenkaserne in Bayreuth zwischen 1993 und 2001 MdlAnfr 16 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 16235 C ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 16235 C Verbesserung der politischen Bildung in der Bundeswehr MdlAnfr 17 Werner Lensing CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 16236 B ZusFr Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . 16236 C Verbesserung der politischen Bildung in der Bundeswehr MdlAnfr 18 Werner Lensing CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 16237 C ZusFr Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . 16237 D Bundesmittel für den Weiterbau der B 19 nach Oberstdorf MdlAnfr 24, 25 Dr. Gerd Müller CDU/CSU Antw PStSekr Achim Großmann BMVBW 16238 B ZusFr Dr. Gerd Müller CDU/CSU . . . . . . . . . 16238 C ZusFr Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD . . . . . . 16239 B Unterbringung der im Rahmen der Sicherung des Castortransportes in Niedersachsen im März 2001 eingesetzten Beamten, unter ande- rem der bayerischen Bereitschaftspolizei; Für- sorgepflicht der Bundesregierung für die bei Großeinsätzen eingesetzten Polizeibeamten MdlAnfr 27, 28 Renate Blank CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16240 D, 16241 A ZusFr Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . 16241 C Aktuelle Stunde betr. Arbeitsmarktsituation 16241 D Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . . . . . . 16242 A Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16243 B Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16244 D Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16246 A Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16247 A Wolfgang Grotthaus SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 16248 A Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 16249 A Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 16250 B Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 16252 B Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16253 C Johannes Singhammer CDU/CSU . . . . . . . . . 16255 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Mai 2001II Andrea Nahles SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16256 A Christa Reichard (Dresden) CDU/CSU . . . . . 16257 A Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16258 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16259 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 16261 A Anlage 2 Vorlage von Konzepten und Beschlüssen zur neuen Agrarpolitik; Auswirkungen der angekün- digten Preissenkung für 1000 Lebensmittelpro- dukte durch einen amerikanischen Supermarkt- Giganten auf das Lebensmittel produzierende Gewerbe sowie die Landwirtschaft MdlAnfr 2, 3 Helmut Heiderich CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 16261 D Anlage 3 Schaffung eines Gleichstellungsgesetzes oder ähnlicher Regelungen für die Privatwirtschaft MdlAnfr 4, 5 Ina Lenke F.D.P. Antw PStSekr’in Dr. Edith Niehuis BMFSFJ 16262 C Anlage 4 Höhe der Bundesmittel für das JUMP-Programm und Inanspruchnahme dieses Programms durch Jugendliche MdlAnfr 14 Ernst Hinsken CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . 16263 A Anlage 5 Auslastungsoptimierung der Markgrafenkaserne in Bayreuth MdlAnfr 19, 20 Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 16263 B Anlage 6 Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung der Standortverwaltung Düren MdlAnfr 21 Dietrich Austermann CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 16263 D Anlage 7 Unterzeichnung eines Memorandum of Un- derstanding zur Beschaffung des taktischen Militärtransporters Airbus A 400M; Finanzie- rung des Projekts MdlAnfr 22, 23 Werner Siemann CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 16264 A Anlage 8 Ausbau der A 66 zwischen Wiesbaden und Frankfurt und Aufnahme in das Anti-Stau- Programm MdlAnfr 26 Gerald Weiß (Groß-Gerau) CDU/CSU Antw PStSekr’in Angelika Mertens BMVBW 16264 B Anlage 9 Unterbringung der Mitarbeiter für die „Projekt- gruppe WM 2006“ anlässlich der Fußballwelt- meisterschaft in Deutschland in den Büroräu- men des Bundesministeriums des Innern in Bonn; Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit der in Bonn verbleibenden Arbeitseinheiten des BMI ab 2004 MdlAnfr 29, 30 Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 16264 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Mai 2001 III Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Mai 2001
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Mai 2001 Franz Thönnes 16259 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Mai 2001 16261 (C) (D) (A) (B) Adler, Brigitte SPD 09.05.2001 Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 09.05.2001 Marieluise DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 09.05.2001* Bettin, Grietje BÜNDNIS 90/ 09.05.2001 DIE GRÜNEN Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 09.05.2001** Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 09.05.2001 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 09.05.2001 DIE GRÜNEN Friedrich (Altenburg), SPD 09.05.2001 Peter Fuhrmann, Arne SPD 09.05.2001 Dr. Gehb, Jürgen CDU/CSU 09.05.2001 Hartnagel, Anke SPD 09.05.2001 Holetschek, Klaus CDU/CSU 09.05.2001 Ibrügger, Lothar SPD 09.05.2001** Kelber, Ulrich SPD 09.05.2001 Klappert, Marianne SPD 09.05.2001 Kopp, Gudrun F.D.P. 09.05.2001 Leidinger, Robert SPD 09.05.2001 Lenke, Ina F.D.P. 09.05.2001 Lennartz, Klaus SPD 09.05.2001 Müller (Berlin), PDS 09.05.2001 Manfred Müller (Düsseldorf), SPD 09.05.2001 Michael Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 09.05.2001 Dr. Ruck, Christian CDU/CSU 09.05.2001 Schily, Otto SPD 09.05.2001 von Schmude, Michael CDU/CSU 09.05.2001 Schröder, Gerhard SPD 09.05.2001 Schulz, Gerhard CDU/CSU 09.05.2001 Dr. Schuster, R. Werner SPD 09.05.2001 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 09.05.2001 Christian Dr. Spielmann, Margrit SPD 09.05.2001 Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 09.05.2001 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 09.05.2001 DIE GRÜNEN Welt, Jochen SPD 09.05.2001 Wiesehügel, Klaus SPD 09.05.2001 Wimmer (Karlsruhe), SPD 09.05.2001 Brigitte Wistuba, Engelbert SPD 09.05.2001 Wohlleben, Verena SPD 09.05.2001 Zierer, Benno CDU/CSU 09.05.2001* Dr. Zöpel, Christoph SPD 09.05.2001 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der Nato Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Matthias Berninger auf die Fra- gen des Abgeordneten Helmut Heiderich (CDU/CSU) (Drucksache 14/5942, Fragen 2 und 3): Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage, dass „die groß angekündigte Agrarwende von Frau Künast nicht einmal unter dem Mikroskop“ zu erkennen sei („Süddeutsche Zeitung“ vom 2. April 2001), und wann gedenkt die Bundesregierung dem Deut- schen Bundestag entsprechende Konzepte und Beschlussvorlagen zur „neuen Agrarpolitik“ vorzulegen? Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung nach der Ankündigung eines amerikanischen Supermarkt-Giganten, wei- tere 1 000 Lebensmittel-Produkte dauerhaft im Verkaufspreis zu senken, ergriffen vor dem Hintergrund ihrer Handlungsmaxime des „magischen Sechsecks“ in ihrer so genannten neuen Agrarpo- litik und wie wird sie verhindern, dass dieser Preisdruck auf das Lebensmittel produzierende Gewerbe sowie die Landwirtschaft durchschlägt und dort entweder das Einkommen reduziert oder ei- nen Zwang zu höheren Produktionsmengen und größeren Wirt- schaftseinheiten auslöst, zumal Deutschland bereits heute die niedrigsten Verbraucherpreise für Lebensmittel in Europa hat? Zu Frage 2: Seit der Regierungserklärung am 8. Februar „Neu- orientierung der Verbraucher und Ernährungspolitik“ entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht wurde die angekündigte Agrarwende auf nationaler und europäischer Ebene auf den Weg gebracht, zum Beispiel durch die Änderungen in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küsten- schutzes“ und die Anwendung der Modulation in Deutschland: Förderung in der GAK; der PLANAK-Beschluss vom 28. März 2001 bestätigt Ziele und Vorüberlegungen des BMVEL, Schwerpunkte: stärkere Bindung der Investi- tionsförderung an eine besonders artgerechte und flächen- gebundene Tierhaltung, verbesserte Förderung der Um- stellung auf Öko-Landbau, verstärkte Förderung von Verarbeitung und Vermarktung ökologisch und regional erzeugter landwirtschaftlicher Produkte, stärkere Aus- richtung der Ausgleichszulage an einer nachhaltigen und standortangepassten Flächenbewirtschaftung, Ausbau der Agrarumweltförderung. Modulation; die Prüfung von Umsetzungsalternativen läuft. In Kürze wird den Ländern ein Vorschlag unterbrei- tet, durch den in den Jahren 2002 bis 2006 insgesamt rund drei Milliarden DM für die zweite Säule der Agrarpolitik verfügbar gemacht werden können. Der vorbeugende Verbraucherschutz wurde in den Vordergrund der Politik gerückt, unter anderem hat sich die Haltung der Bundes- regierung in den Schlussfolgerungen des Agrarrates am 24. April 2001 niedergeschlagen. Der Rat spricht sich für eine Verlängerung der geltenden Verbotsregelung für Tiermehl über den 30. Juni 2001 hinaus aus. Kommissar Byrne bestätigte, dass er – wie von Deutschland ge- wünscht – den wissenschaftlichen Lenkungsausschuss beauftragt hat, die Einbeziehung von tierischen Fetten in die Verbotsregelung zu prüfen. Die Stellungnahme dazu wird im Mai erwartet. Der Tierschutz wurde mit der Ab- kehr von Legehennenbatterien gestärkt. In enger Abstim- mung mit den Ländern und der EU-Kommission werden die notwendigen Maßnahmen zur Bewältigung der Krisen BSE und MKS ergriffen, zum Beispiel die BSE-Vorsor- geverordnung, mit der sich der Bundesrat voraussichtlich in seiner Sitzung am 1. Juni befassen wird. Die Bundesministerin hat auch unter Ihrer Beteiligung, Herr Abgeordneter Heiderich, mehrfach im Verbraucher- ausschuss des Deutschen Bundestages zum Stand der Agrarwende berichtet. Die Agrarwende ist selbst mit bloßem Auge deutlich erkennbar und wird konsequent weiterverfolgt. Zu Frage 3: Die Ankündigung eines großen Einzelhandelsunter- nehmens, die Verkaufspreise für bestimmte Lebensmittel- produkte dauerhaft zu senken, ist von der Bundesregie- rung mit Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen worden. Die Beschaffungs- und Absatzmärkte des Ein- zelhandels sind in Deutschland durch einen intensiven Preiswettbewerb gekennzeichnet. Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, in diesen Preiswettbewerb, der Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft und ihrer Wett- bewerbsordnung ist, einzugreifen. Allerdings sind be- stimmte Niedrigpreisstrategien marktmächtiger Unter- nehmen, die kleine und mittlere Unternehmen unbillig behindern, nicht erlaubt. Insbesondere sind Verkäufe un- ter Einstandspreis, die nicht nur gelegentlich und ohne sachlichen Grund erfolgen, aufgrund einer Anfang 1999 in das Kartellgesetz aufgenommenen Bestimmung aus- drücklich verboten. Das Bundeskartellamt hat auf der Grundlage dieser Vorschrift gegen mehrere große Einzel- handelsunternehmen Verfahren eingeleitet und zum Teil auch mit bestandskräftigen Untersagungsverfügungen ab- geschlossen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass das neu geschaffene Verbot des Verkaufs unter Ein- standspreis ein wirksames kartellrechtliches Instrument ist, mit dem die Kartellbehörden auch in Zukunft Ver- drängungsstrategien im Handel begegnen können. Nied- rigpreisstrategien im Handel, insbesondere im Lebens- mittelhandel, stellen ein wichtiges Thema für die Wettbewerbspolitik dar. Sie dürfen nicht dazu führen, dass die Qualität der angebotenen Produkte oder etwa das Sortiment im Wettbewerb des Lebensmitteleinzelhandels eine untergeordnete Rolle spielen. Dies wird auch seinen Niederschlag in den Gesprächen der Bundesregierung mit dem „magischen Sechseck“ finden. Anlage 3 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis auf die Fragen der Abgeordneten Ina Lenke (F.D.P.) (Druck- sache 14/5942, Fragen 4 und 5): Sind die Zweifel an gesetzlichen Maßnahmen zur Durchset- zung der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Privat- wirtschaft, die Bundeskanzler Gerhard Schröder am 3. April 2001 vor dem Siemens-Forum geäußert hat und die sowohl den Plänen der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Christine Bergmann, als auch dem Koalitionsvertrag wider- sprechen, so zu verstehen, dass innerhalb der laufenden Legisla- turperiode nicht mehr, sondern frühestens in drei Jahren mit einem Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft zu rechnen ist? Gibt es bereits neue konkrete Planungen für Regelungen un- terhalb der Ebene des geplanten Gleichstellungsgesetzes für die Privatwirtschaft, und wenn ja, welcher Gestalt sollen diese Rege- lungen sein? Zu Frage 4: Die Bundesregierung hat in ihrem 1999 beschlossenen Programm „Frau und Beruf“ vorgesehen, den Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften zu suchen und Unternehmen und Betriebe, die sich schon heute erfolg- reich um die Gleichstellung der Frauen bemühen, zu un- terstützen. Dem entsprechend hat auch der Bundeskanz- ler auf dem Siemens-Forum am 3. April 2001 in seiner Rede als einen möglichen und geeigneten Bereich für Ver- handlungs- und Konsensdemokratie – von der Wissen- schaft gerne als „Verhandeln im Schatten des Gesetzes“ bezeichnet – die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Wirtschaft genannt. Gesetzliche Regelungen sind nur dann erforderlich, wenn hinreichend konkrete Verein- barungen mit der Wirtschaft bzw. den Sozialpartnern nicht zustande kommen. Zu Frage 5: Zur Fortsetzung des im Programm „Frau und Beruf“ vorgesehenen Dialogs der Bundesregierung mit Wirtschaft und Gewerkschaften zur Gleichstellung von Frauen und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Mai 200116262 (C) (D) (A) (B) Männern in Gesellschaft und Beruf ist am 25. April 2001 unter meiner Leitung die Arbeitsgruppe „Gleichstellung von Frauen und Männern in der Wirtschaft“ zusammen- gekommen. Eröffnet wurde dieser Dialog bereits im Jahre 1999 mit der von Bundesfrauenministerin Dr. Christine Bergmann einberufenen Expertinnen- und Expertengrup- pe „Frauenförderung in der Privatwirtschaft“, die durch vier Dialogforen, die zwischen März und Juni 2000 statt- fanden, und mit dem am 8. September 2000 in Berlin ver- anstalteten Kongress „Chancengleichheit in der Wirt- schaft“ ergänzt wurde. Weitere Treffen der Arbeitsgruppe werden folgen. Die Arbeitsgruppe soll entsprechende Ver- einbarungen vorbereiten. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Frage des Abgeordneten Ernst Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache 14/5942, Frage 14): Wie viele finanzielle Mittel des Bundes wurden bisher insge- samt für das JUMP-Programm (JUMP: Sofortprogramm der Bun- desregierung zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit) bis zum letz- ten Stichtag bereitgestellt und wie viele Jugendliche haben davon Gebrauch gemacht? Das Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeits- losigkeit (JUMP) wird nach § 421c des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch aus dem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit finanziert. Die Ausgaben betrugen im Jahre 1999 insgesamt 1,902 Milliarden DM und 2000 insgesamt 1,865 Milliarden DM. In diesem Jahr stehen wiederum 2 Milliarden DM zur Verfügung, von denen bis zum 3. Mai 2001 593 Millionen DM ausgegeben wurden. Nach den Ergebnissen der Begleitforschung des Insti- tuts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundes- anstalt für Arbeit wurden in den Jahren 1999 und 2000 mit dem Sofortprogramm rund 268 000 Jugendliche geför- dert. Von Januar bis März 2001 sind rund 21 000 Jugend- liche in Maßnahmen des Sofortprogramms eingetreten. Anlage 5 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU) (Drucksache 14/5942, Fragen 19 und 20): Hat die Bundesregierung auch die Möglichkeit geprüft, in der Markgrafenkaserne in Bayreuth zu deren Auslastungsoptimierung das Kreiswehrersatzamt Bayreuth und die Außenstelle der Stand- ortverwaltung aufzunehmen, nachdem seitens des Amtsgerichts Bayreuth und der Autobahnmeisterei Interesse am Erwerb der dann frei werdenden Liegenschaften bekundet wurde, und wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, das Areal des außer- halb der Markgrafenkaserne gelegenen Großparkplatzes zu ver- äußern, um damit einen Teil der notwendigen Sanierungsmaßnah- men zu erwirtschaften? Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, den Erhalt des Bundeswehrstandortes Bayreuth durch die Verlegung von Ausbildungskompanien der Luftwaffe von Budel/Niederlande nach Bayreuth zu sichern, nachdem in Budel ab August 2001 die CIMIC Group North (CIMIC: Civil-Military Cooperation) als multinationaler Verband aufgestellt wird, sowie vor dem Hinter- grund eines klaren Übergewichts von im Norden Deutschlands stationierten Luftwaffen-Ausbildungskompanien im Vergleich zum Süden (Norden: 22 Kompanien, Süden: 14 Kompanien)? Zu Frage 19: Die angesprochene Verlegung des Kreiswehrersatzam- tes Bayreuth in die Markgrafenkaserne wird derzeit un- tersucht. Die Verlegung der Außenstelle der Standortver- waltung erübrigt sich, da die reduzierte Präsenz der Bundeswehr eine Außenstelle nicht länger rechtfertigt. Da das dort verbleibende Verteidigungsbezirkskommando und das Kreiswehrersatzamt die Kaserne nicht auslasten können, wird auch geprüft, das Kreiswehrersatzamt in seiner jetzigen Liegenschaft zu belassen und das Verteidi- gungsbezirkskommando in das Gebäude der ehemaligen Standortverwaltung Bayreuth, das derzeit noch von der Außenstelle genutzt wird, zu verlegen. Die Kaserne könnte dann komplett geräumt und verwertet werden. Der außerhalb der Markgrafenkaserne gelegene Großpark- platz würde bei beiden Varianten zumindest größtenteils einer Verwertung zugeführt werden können. Verwertungs- erlöse daraus können eventuell eingesetzt werden für bauliche Veränderungen, die bei Umzügen von Kreis- wehrersatzamt oder Verteidigungsbezirkskommando er- forderlich werden, nicht aber, um die gesamte Kaserne zu erhalten. Zu Frage 20: Die am Standort Budel (NL) aufzustellende CIMIC- Gruppe Nord ist ein mit Angehörigen von sechs Nationen international besetzter Stab mit einem Umfang von insge- samt etwa 65 Dienstposten. Der deutsche Anteil an die- sem Stab wird nicht mehr als 30 Dienstposten betragen. Eine Verlegung von Ausbildungskompanien des I. Batail- lons des Luftwaffenausbildungsregimentes 1, dessen Sta- tionierung in den Niederlanden in unmittelbarem Zusam- menhang mit der Stationierung niederländischer Truppen auf deutschem Gebiet steht, ist mit der Aufstellung dieses Stabes nicht verbunden. Die Stationierung der Luftwaf- fenausbildungskompanien orientiert sich im Übrigen an der Verteilung des zu erwartenden Rekrutenaufkommens in den einzelnen Regionen. Für mich ist nicht erkennbar, wie Sie den Norden und Süden Deutschlands definieren. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Frage des Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU/CSU) (Drucksache 14/5942, Frage 21): Mit welchem Ergebnis wurde im Zuge der Standortüberprü- fungen die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung der Standortverwal- tung Düren abgeschlossen? In Bezug auf den Liegenschaftsbetrieb der Standort- verwaltung Düren wurde ein Interessenbekundungsver- fahren durchgeführt. Danach wurde im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung festgestellt, dass keines der sieben interessierten Unternehmen im Verhältnis zur Standortverwaltung Düren die Leistungen wirtschaftli- cher angeboten hat. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Mai 2001 16263 (C) (D) (A) (B) Anlage 7 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Werner Siemann (CDU/CSU) (Drucksache 14/5942, Fragen 22 und 23): Beabsichtigt der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, anlässlich der Luftfahrtausstellung in le Bourget ein Memorandum of Understanding zur Beschaffung des taktischen Militärtransporters Airbus A 400M zu unterzeichnen, und wie soll das Projekt finanziert werden? Wie beurteilt die Bundesregierung die Gefahr, dass Großbri- tannien aus diesem großen europäischen Beschaffungsvorhaben aussteigt, wenn der Programmstart nicht in diesem Jahr erfolgt? Zu Frage 22: Die Verteidigungsminister der Partnerstaaten Belgien, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Lu- xemburg, Spanien und der Türkei haben anlässlich der Luftfahrtausstellung Farnborough 2000 am 27. Juli 2000 erklärt, dass sie gemeinsam das Flugzeug Airbus A 400M als zukünftiges Transportflugzeug ausgewählt haben und beabsichtigen, dieses in einer für die Produktion wirt- schaftlichen Menge zu beschaffen. Der Vorschlag des französischen Verteidigungsminis- ters Richard, das Memorandum of Understanding zwi- schen den Regierungen während der Luftfahrtausstellung in Le Bourget im Juni 2001 zu unterzeichnen, wurde von Bundesminister Scharping grundsätzlich mit der Maß- gabe unterstützt, dass zwischen den Nationen und der In- dustrie wirtschaftlich annehmbare Vertragsbedingungen erreicht werden. Diese Voraussetzungen sind bisher nicht gegeben. Die Bundesregierung beabsichtigt, das Vorha- ben im so genannten „Commercial Approach“ zu be- schaffen. Das schließt Zahlungen erst bei Lieferung ab dem Jahr 2008 ein. Das Finanzierungsmodell wird zur- zeit zwischen Bundesregierung und Industrie verhandelt. Zu Frage 23: Alle am Programm des zukünftigen europäischen Transportflugzeuges beteiligten Staaten gehen davon aus, dass das Memorandum of Understanding zwischen den beteiligten Regierungen und anschließend der Beschaf- fungsvertrag mit der Industrie noch im Jahr 2001 unter- zeichnet werden. Damit soll die Auslieferung der ersten Flugzeuge an Frankreich, Großbritannien und die Türkei ab 2007 sichergestellt werden. Konsequenzen bzw. Reak- tionen der Partnerstaaten bei einer Verschiebung des Pro- grammstarts wären zum jetzigen Zeitpunkt spekulativ. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretärin Angelika Mertens auf die Frage des Abgeordneten Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/ CSU) (Drucksache 14/5942, Frage 26): Warum wird trotz offenkundiger Dringlichkeit und vorliegen- der umfangreicher Planungen der Ausbau der Bundesautobahn A66 zwischen Wiesbaden und Frankfurt erneut geprüft und damit die Aufnahme in das Anti-Stau-Programm verzögert? Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, die Projektbe- wertung im Rahmen der Überarbeitung des Bundesver- kehrswegeplans 1992 auf aktuellen Grundlagen zu tref- fen. Um eine Beurteilung nach möglichst einheitlichen Kriterien zu gewährleisten, sollen alle nicht in laufenden Programmen enthaltenen Projekte und solche, für die am 31. Dezember 1999 kein Planfeststellungsbeschluss vor- lag, neu bewertet werden. Dies schließt auch den noch nicht planfestgestellten, zum 6-streifigen Ausbau vorge- sehenen Abschnitt „Kreuz Wiesbaden-Kriftel“ der A 66 zwischen Wiesbaden und Frankfurt ein. Eine verzögerte Aufnahme des Projektes in das Anti- Stau-Programm ist damit nicht verbunden, weil dieses im Februar 2000 veröffentlichte Programm für den Zeit- raum 2003 bis 2007 einen festen Finanzrahmen von rund 7,4 Milliarden DM umfasst, inhaltlich durch definierte Maßnahmen festgelegt ist und Ergänzungen hierzu nicht vorgesehen sind. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Fra- gen des Abgeordneten Norbert Hauser (Bonn) (CDU/ CSU) (Drucksache 14/5942, Fragen 29 und 30): Trifft eine Meldung im „Bonner Express“ vom 27. April 2001 zu, nach der die Bundesregierung plant, die Mitarbeiter für die „Projektgruppe WM 2006“ anlässlich der Fußballweltmeister- schaft in Deutschland in den Büroräumen des Bundesministeri- ums des Innern in Bonn unterzubringen und dass aufgrund der be- reits dafür erfolgten Freihaltung einer Etage im „Haus 6“ die Arbeitsbedingungen im Bundesministerium des Innern deutlich schlechter geworden seien? Stimmt die Behauptung des „Bonner Express“ im gleichen Ar- tikel, dass vom Bundesministerium des Innern angemietete Räume („Haus 6“) im Jahr 2004 an das Statistische Bundesamt übergeben werden müssen, und sollte dies der Fall sein, wie be- absichtigt die Bundesregierung ab 2004 die Arbeitsfähigkeit in den in Bonn verbleibenden Arbeitseinheiten des Bundesministeri- ums des Innern sicherzustellen? Zu Frage 29: Nein, diese Meldung trifft so nicht zu. Eine Projekt- gruppe WM 2006 des BMI soll eingerichtet werden, die Unterbringung erfolgt in Räumen des BMI. Alle von der Ulrich-von-Hassel-Straße umgezogenen Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter sind im Haus 6 angemessen in Ein- zelzimmern untergebracht. Zu Frage 30: Diese Behauptung stimmt nicht. Das BMI hat in Bonn keine angemieteten Räume. Das Haus 6 befindet sich im Eigentum des BMI und dient unbefristet der Unterbrin- gung von BMI-Beschäftigten. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Mai 200116264 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416600000
Die Sitzung ist eröff-
net. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie
nach der relativ langen Sitzungspause.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
Modernisierung des Schuldrechts.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin der Justiz, Frau Professor
Dr. Herta Däubler-Gmelin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin,Bundesministerin der Jus-
tiz: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auf der Tagesordnung des Kabinetts stand der Entwurf ei-
nes Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts. Es
handelt sich dabei um ein umfangreiches zivilrechtliches
Vorhaben in dieser Legislaturperiode, das bedeutende
Eingriffe in zentrale Bereiche des Schuldrechts vorsieht.

Hintergrund ist, dass wir drei europäische Richtlinien
auf dem Gebiet des Vertragsrechts in das deutsche Recht
mit der zeitlichen Vorgabe umsetzen müssen, die wir
dafür bekommen haben. Erstens ist dies die Richtlinie
über den Verbrauchsgüterkauf, die bis zum Ende dieses
Jahres in deutsches Recht umgesetzt werden muss. Zwei-
tens ist dies die Richtlinie zur Bekämpfung von Zah-
lungsverzug im Geschäftsverkehr. Drittens sind dies die
zivilrechtlichen Teile der Richtlinie über den elektroni-
schen Geschäftsverkehr, deren übrige Teile bekanntlich
durch den Entwurf des elektronischen Geschäftsver-
kehrsgesetzes umgesetzt werden, den wir vor kurzem im
Kabinett beraten und beschlossen haben.

Die Umsetzung dieser Richtlinien soll in dem vorlie-
genden Entwurf mit einer Modernisierung des Schuld-
rechts verbunden werden. Der Grund dafür ist ganz ein-
fach: Täten wir es nicht und würden wir die Richtlinien so
umsetzen, wie dies der eine oder andere vorgeschlagen
hat, dann hätten wir das Problem, dass mit In-Kraft-Tre-
ten dieser Umsetzung im Zweifel vier unterschiedliche
Kaufrechtssysteme, kompliziert durch weitere Unterfor-

men des Kaufes, in Deutschland mit dem Ergebnis gelten
würden, dass nicht alleine die Bürgerinnen und Bürger,
sondern auch die Wirtschaft und vor allen Dingen die
Anwender des Rechts in enorme Schwierigkeiten kämen.

Der Ansatz, den wir gewählt haben, verlangt von allen
ein hohes Maß an Kooperation. Das steht außer Zweifel.
Wir wissen das und streben diese Kooperation auch in-
nerhalb dieses Hauses an. Mit den bedeutendsten Zivil-
rechtswissenschaftlern und auch mit den Ländern haben
wir sie bereits.

Lassen Sie mich etwas zu der Verbrauchsgüterkauf-
richtlinie als solche sagen. Sie hat einen erheblich höhe-
ren Stellenwert als die Verbraucherschutzrichtlinien, an
die wir uns gewöhnt haben. Sie hat eine ganz neue Qua-
lität, weil der Verbraucherschutz durch die Einführung
von Aufklärungspflichten der Unternehmen und das Wi-
derrufsrecht der Verbraucher nicht mehr nur ein Randbe-
reich des Zivilrechts bleiben soll. Vielmehr wird beim
Kaufvertrag als einem ganz zentralen Bereich des Zivil-
rechts die Haftung des Verkäufers für die Lieferung man-
gelhafter Waren geregelt. Die Richtlinie regelt die Rechte
des Verbrauchers in solchen Fällen nahezu umfassend.
Auch deshalb sind wir gezwungen, weitreichende Umge-
staltungen im Kaufrecht zur Umsetzung der Richtlinie
vorzunehmen.

Übrigens wird eine der praktischsten und wichtigsten
Auswirkungen der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in der
Verlängerung der Verjährungsfrist für die Sachmängelan-
sprüche des Käufers bestehen. Sie muss nach der Richtli-
nie künftig zwei Jahre statt nach geltendem Recht sechs
Monate betragen.

Der Änderungsbedarf ist bei der Umsetzung der beiden
anderen Richtlinien nicht ganz so gravierend. Die Zah-
lungsverzugsrichtlinie macht vor allem eine Erhöhung
des Verzugszinssatzes im Geschäftsverkehr erforderlich.
Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr
sieht insbesondere bestimmte Informationspflichten im
Zusammenhang mit dem Vertragsschluss im elektroni-
schen Geschäftsverkehr, also im Internet, vor.

Ich will im Augenblick nichts weiter zum Inhalt sagen.
Vielleicht ergibt sich durch Ihre Fragen noch das eine oder

16213


(C)



(D)



(A)



(B)


166. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 9. Mai 2001

Beginn: 13.00 Uhr

andere, was ich hinzufügen soll. Ich will lediglich darauf
eingehen, warum diese Richtlinien heute in dieser breiten
Kooperation, die ich erwähnt habe, umgesetzt werden
können.

Die Umsetzung kann sich auf die Ergebnisse der
Schuldrechtskommission stützen, die bekanntlich bereits
im Jahre 1978 mit ihren Vorarbeiten begonnen hat, die im
Jahre 1991, also nach insgesamt zwölf bis 13 Jahren der
Diskussion, zu einem Abschlussbericht geführt haben, der
vom damaligen Justizminister Dr. Klaus Kinkel vorgelegt
wurde. Herr Dr. Kinkel hatte dies damals mit der Hoff-
nung verbunden, die Überarbeitung des ganz eindeutig
als überarbeitungsbedürftig angesehenen Schuldrechts
könne jetzt in Angriff genommen werden. Leider ist es zu
entsprechenden Initiativen nicht gekommen. Der Ab-
schlussbericht und die Erwägungen der Schuldrechts-
kommission haben aber ihrerseits wieder Eingang in die
europäische Diskussion der Richtlinien gefunden, die wir
jetzt umsetzen müssen.

Ein Weiteres möchte ich auch noch eindeutig feststel-
len: Es geht uns darum, auf diesem Wege die zentralen
Punkte unseres Schuldrechts zu modernisieren, damit wir
uns auch auf der europäischen Ebene auf der Basis eines
modernen Schuldrechts in die Diskussion um ein, wie wir
hoffen, irgendwann einmal denkbares europäisches
Schuldrecht, Vertragsrecht oder Zivilrecht einmischen
können.

Herzlichen Dank.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416600100
Danke, Frau Ministe-
rin.

Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu
stellen, über den soeben berichtet wurde. – Es liegt die
Wortmeldung des Kollegen Norbert Röttgen vor.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1416600200
Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Frau Ministerin, ich möchte zunächst auf ei-
nen Gesichtspunkt zu sprechen kommen, der nicht die in-
haltlichen Fragen, sondern das Verfahren betrifft.

Gegen Ihr Vorhaben, eine grundlegende Reform durch-
zuführen, gibt es massive inhaltliche Bedenken, aber es
gibt insbesondere eine breite Ablehnung des Tempos, in
dem Sie diese grundlegende Reform eines Herzstücks des
deutschen Privatrechts vornehmen wollen.

Sie haben gerade nichts zum In-Kraft-Treten ausge-
führt. Darum meine Frage: Bleibt es bei Ihrem Vorhaben,
dass das neue Schuldrecht, so wie Sie es jetzt planen, am
1. Januar 2002 in Kraft treten soll? Wenn dies so ist, so
bitte ich zu bedenken, dass es gegen dieses Vorhaben und
noch mehr gegen diese Vorgehensweise massive Beden-
ken gibt.

Es gibt den Appell von 150 Zivilrechtslehrern unseres
Landes, die sagen: Dieses Projekt ist wegen seiner Be-
deutung und aufgrund der Komplexität der Inhalte in rund
einem halben Jahr nicht angemessen durchzuführen. Das
sagen diejenigen, deren wissenschaftliche Aufgabe, deren
Lebenswerk es ist, sich mit diesen Fragen zu beschäfti-
gen.

Die Wirtschaftsverbände fordern: Wenn es zu grundle-
genden Veränderungen kommt, dann brauchen wir Zeit,
um uns ein- und umzustellen. Damit ist die Gefahr großer
Rechtsunsicherheit verbunden. Wie wollen Sie dem
entgegenwirken, Frau Ministerin, wenn in so kurzer Zeit
beraten werden soll?

Natürlich ist das Thema insgesamt schon lange in der
Diskussion; das ist gar keine Frage. Es wird schon seit
Jahrzehnten diskutiert. Auch ist nicht zu bestreiten, dass
Reformbedarf besteht. Die Arbeiten, auf die Sie
zurückgegriffen haben, sind allerdings nicht aktuell. Der
Abschlussbericht der Schuldrechtskommission stammt
aus dem Jahre 1992 und beinhaltet sozusagen den Er-
kenntnisstand von Ende der 80er-Jahre. Das heißt, das,
was Sie vorlegen werden, ist schon heute veraltet.

Sie begründen die Notwendigkeit eines schnellen In-
Kraft-Tretens mit den europäischen Rechtsangleichungs-
richtlinien.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Wo ist denn die Frage?)


– Ich habe die Frage nach dem In-Kraft-Treten gestellt
und das ist die Begründung für die Frage.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Man kann sie auch kürzer stellen!)


– Dass Ihnen die Argumente nicht gefallen, glaube ich Ih-
nen gern.

Sie begründen das Datum des In-Kraft-Tretens und die
Umsetzung der großen Lösung insgesamt mit den euro-
päischen Richtlinien. Stimmen Sie mir zu, dass aber nur
eine der drei Richtlinien bis Ende dieses Jahres umzuset-
zen ist und die beiden anderen Richtlinien darüber hi-
nausgehende Umsetzungsfristen haben? Und stimmen Sie
mir weiterhin zu, dass die Richtlinien natürlich einen je-
weils anderen Anwendungsbereich betreffen und dass es
auch weiterhin Rechtsangleichungsvorschriften geben
wird, sodass insoweit, wenn wir heute eine große Reform
durchführen, im nächsten oder übernächsten Jahr wie-
derum Anpassungsbedarf bestehen wird, weil der Prozess
der europäischen Rechtsangleichung ebenfalls voran-
geht? Meine Frage lautet also: Können Sie sich nicht dem
Motto der Opposition anschließen, die Ihnen in dieser
Frage vorschlägt, auf Qualität statt auf Tempo zu setzen?

Danke sehr.

(Alfred Hartenbach [SPD]: War das ein Vor wurf oder ein Vorschlag?)

– Es ist der Vorschlag, auf Qualität statt auf Geschwin-
digkeit zu setzen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416600300
Das war eine ausführ-
liche Frage. – Frau Ministerin, bitte.

Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der
Justiz: Lieber Herr Kollege Röttgen, es tut mir Leid, aber
ich kann mich dem, was Sie gesagt haben, in keiner Weise
anschließen.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das habe ich befürchtet!)





Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin
16214


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich muss Ihnen eines sagen: Sie kennen den Vorgang
nicht, aber urteilen schon. Deswegen meine Bitte:
Schauen Sie sich doch einmal den ganzen Problembereich
an! Sie werden dann sehen, dass auch Sie davon zu über-
zeugen sind, kooperativ mitzuwirken.

Ich will mich nicht lange mit Hinweisen auf Zahlen-
material aufhalten, aber darauf hinweisen, dass der Kom-
missionsbericht aus dem Jahre 1991 stammt.

Anlass für den Gesetzentwurf ist die Notwendigkeit
der Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und der
beiden anderen genannten Richtlinien der Europäischen
Union. Ich muss den Anwesenden, die mit der Materie
nicht so vertraut sind – Sie kennen die näheren Umstände
und hätten deshalb ohne weiteres darauf hinweisen kön-
nen –, erläutern, dass die EU für die Umsetzung dieser
Richtlinien zum Teil nur eine Frist von 18 Monaten ein-
geräumt hat.

Wenn wir über die Möglichkeiten der Umsetzung un-
voreingenommen miteinander reden würden, könnten Sie
sehr schnell das entscheidende Problem erkennen: Wenn
wir das Kaufrecht mit den zentralen Punkten Leistungs-
störungen, Haftung und Verjährung mit aufnehmen wür-
den, wie Sie es vorschlagen – ich hoffe, dies ist nicht Ihr
letztes Wort, weil ich weiß, dass eine große Zahl von Kol-
legen, gerade auch der Union, das Problem nicht allein
parteipolitisch, sondern fachlich sieht –, hätten wir letzt-
endlich vier unterschiedliche Kaufrechte. Das kann nicht
sinnvoll sein. Es hilft nicht weiter, in diesem Punkt ein-
fach nur den Kopf zu schütteln. Verführen wir auf diese
Weise, hätten wir ein Kaufrecht für Verbraucher, den Han-
delskauf, das BGB-Kaufrecht und das UN-Kaufrecht.
Des Weiteren würden alle Rechtsbereiche – ich habe das
vorhin stichpunktartig angedeutet, führe es aber jetzt
gerne weiter aus – durch die unterschiedlichen Modalitä-
ten, mit denen heute eingekauft wird, kompliziert. Man
kauft schließlich nicht nur im Geschäft ein, es finden auch
Fernabsatz und E-Commerce statt. Es kann doch wirklich
keiner wollen, dass jeder Rechtsanwender zunächst ein-
mal klären muss, welche Regelung für ihn anwendbar ist.

Abgesehen davon – ich komme nun zum zweiten
Punkt – würden wir der BGB-Rechtsentwicklung keinen
Gefallen tun, wenn wir in der Tendenz, zentrale Bereiche
außerhalb des BGB zu regeln, fortfahren würden. Ich
brauche Ihnen nicht zu sagen, dass Haftungsfragen im
BGB nicht geregelt werden, sondern weitgehend durch
die Rechtsprechung geklärt worden sind. Dieser Umstand
verkompliziert die Sache weiter.

Ich will Ihnen erläutern, wo meiner Meinung nach Ihre
Einwände, so ernst ich Sie nehme, einfach nicht durch-
greifen:

Erstens. Wir haben im August des letzten Jahres einen
Diskussionsentwurf versandt. Von einem halben Jahr
kann also nicht die Rede sein.

Zweitens. Gerade die bedeutenden Zivilrechtslehrer
haben auf mittlerweile zwei Sondertagungen in einer
wirklich ausnahmslosen und geradezu hervorragenden
Kooperationsbereitschaft an der Erarbeitung der juristisch
schwierigen, aber machbaren Teilregelungen mitgewirkt.
Sie haben von den 150 Zivilrechtslehrern gesprochen;

dafür bin ich Ihnen dankbar. Sie hätten aber auch die übri-
gen 450 Zivilrechtslehrer, die den Appell nicht unter-
schrieben haben – Sie hätten das zum Beispiel auf den
Internetseiten von Professor Canaris oder des Palandt-
Kommentators Heinrichs nachlesen können –, erwähnen
sollen. Das wäre sinnvoll gewesen. Die wenigen, die Sie
genannt haben – es sind im Übrigen viele dabei, die noch
keine Gelegenheit hatten, sich in den Diskussionsprozess
einzuschalten, die wir aber herzlich dazu einladen –, ge-
ben zu, dass es schwierig ist und dass man für den Ge-
samtvorgang mehr Zeit braucht, als die EU vorgibt. Ich
habe aber leider nicht die Möglichkeit, die Frist für die
Umsetzung der Richtlinie auszudehnen. Ansonsten würde
es uns so ergehen wie bei der Pauschalreiserichtlinie; das
heißt, dass die Bundesrepublik Deutschland haftungs-
rechtlich belangbar wäre. Das wollen wir nicht.

Sie haben die Zivilrechtslehrer angesprochen. Ich will
Ihnen in diesem Zusammenhang sagen, welche Zivil-
rechtslehrer – es handelt sich ausschließlich um Persön-
lichkeiten, die auf dem Gebiet des Zivilrechts einen Na-
men haben – sich in höchst verdienstvoller Weise
eingeschaltet haben und dieses Vorhaben unterstützen:
Professor Canaris, Professor Medicus und Professor
Heldrich, der Rektor der Universität München, sowie die
Kommentatoren dieses Rechtbereichs wie Professor Hein-
richs und Professor Westermann arbeiten wirklich mit.

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir die Diskussion,
die wir mit den Ländern und mit der Wissenschaft geführt
haben, in gleicher Weise auch in diesem Haus führen
könnten. Ich lade Sie herzlich dazu ein.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Was ist mit dem In-Kraft-Treten?)


– Es ist völlig klar, dass es noch Unterschiede bezüglich der
Übergangsfristen gibt. Alle bestehenden Einwände werden
wir nicht nach parteipolitischen oder ideologischen, son-
dern nach sachlichen Gesichtspunkten bewerten.

Ich möchte noch auf den zweiten Punkt, den Sie ange-
sprochen haben, eingehen. Gerade die Vertreter der Wirt-
schaftsverbände, mit denen wir erst gestern im Bundesmi-
nisterium der Justiz noch einmal diskutiert haben, sind
sehr daran interessiert, dass die EU-Richtlinien umgesetzt
werden. Ich bin sicher, dass auch Sie entsprechende Briefe
erhalten haben. Ich möchte Ihnen nur zwei Stichworte nen-
nen, warum die Wirtschaftsverbände daran interessiert
sind. Sie erhoffen sich von einer zweijährigen Ver-
jährungsfrist eine bessere Berechenbarkeit. Gerade für die
Mittelständler und die Handwerker ist es außerordentlich
wichtig, dass die so genannte Verjährungsfalle zukünftig
wegfallen wird. Der Grund ist völlig klar: Wenn ein Hand-
werker Teile hinzukaufen muss, um eine Systemleistung
erbringen zu können, dann greifen nach heutigem Recht
unterschiedliche Verjährungsregelungen. Das führt dazu,
dass ein Handwerker unter Umständen länger für zum Bei-
spiel eine kaputte Dichtung haften muss, als er Zeit hat,
seine Haftungsansprüche gegenüber dem Lieferanten zu
realisieren. Dies ist die so genannte Verjährungsfalle, die
große Probleme bereitet. Mit dem vorliegenden Gesetz-
entwurf lösen wir das. Gerade deshalb ist die Wirtschaft,
aber auch die Richterschaft sehr daran interessiert, dass
wir hier gemeinsam vorankommen.




Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin

16215


(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416600400
Die nächste Frage
kommt vom Kollegen Rainer Funke.


Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1416600500
Frau Ministerin, wir begrüßen
zunächst einmal, dass das Schuldrecht modernisiert wer-
den soll. Das gehört sicherlich mit auf die Tagesordnung
der Rechtspolitik. Am BGB haben ja von 1890 bis 1896
sehr maßgebliche Professoren mitgewirkt. Darüber ist da-
mals im Reichstag sehr intensiv beraten worden. Mir fällt
es schwer, zu akzeptieren, dass über das, was notwendig
ist, innerhalb von wenigen Wochen im Bundestag beraten
werden soll. Schließlich handelt es sich um grundlegende
Änderungen. Deswegen frage ich: Können Sie sich vor-
stellen, dass wir über die entsprechenden Teile des
Schuldrechts in Ruhe und zusammen mit der Wirtschaft
ausführlich beraten, allerdings nicht mehr bis zum 31. De-
zember dieses Jahres, aber noch in dieser Legislaturperi-
ode, wenn wir Ihnen zusagen, dass wir uns an der zügigen
Umsetzung der drei europäischen Richtlinien beteiligen,
damit nicht noch einmal das geschieht, was zum Beispiel
in den letzten Monaten beim Schuldrecht geschehen ist,
nämlich die schlampige Bearbeitung – ich sage ausdrück-
lich, dass das nicht nur von Ihrem Haus, sondern auch von
uns Berichterstattern schlampig bearbeitet worden ist,
weil in unzulässiger Weise Druck gemacht worden ist –
der Frage der Zahlungsmoral? Schon die Umstellung des
Formularwesens, die aufgrund der Änderungen des
Schuldrechts notwendig wird – ich denke, das hat der
Kollege Röttgen gemeint –, dauert einige Zeit. Das soll-
ten wir von den Beratungen abkoppeln. Aber wir sagen Ih-
nen zu, dass wir gemeinsam mit Ihnen die notwendigen
Änderungen auf den Weg bringen. Das war eigentlich
auch das Ergebnis der Berichterstatter- und der Obleute-
gespräche. Können Sie sich vorstellen, dass das machbar
ist?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416600600
Frau Ministerin, bitte.

Dr. Herta Däubler-Gmelin,Bundesministerin der Jus-
tiz: Herr Funke, zunächst danke ich Ihnen, dass Sie hier
deutlich unterstrichen haben, dass wir von Anfang an – ge-
rade die Kolleginnen und Kollegen – informiert haben.

Da Sie die Berichterstattergespräche erwähnt haben, ist
Folgendes festzuhalten – ich bin davon ausgegangen, dass
wir kooperativ zusammenarbeiten können –: Wir sind seit
dem vergangenen August auch so vorgegangen; diese sehr
wichtige Vorlage sollte über Fraktionsgrenzen hinaus er-
arbeitet werden.

Ich kann nicht beliebig darüber verfügen, ob wir etwas
abkoppeln; das ergibt sich vielmehr in der Tat aus der Be-
deutung der Regelungen der Verbrauchsgüterkaufrichtli-
nie. Das Problem ist – wir nehmen diese Anregung gerne
an, auch wenn sie von Ihnen kommt –, dass wir sehr ge-
nau darauf achten müssen, dass es später bei den Rechts-
anwendern keine unterschiedlichen, nebeneinander beste-
henden Systeme gibt. Ich könnte mir vorstellen, dass das
nicht in ihrem Sinne ist.

Wenn wir uns das Umstellungsquantum anschauen – es
geht darum, welche Umstellungsprobleme eigentlich zu

bewältigen sein werden –, dann erkennen wir, dass die al-
lermeisten Probleme mit der Verbrauchsgüterkaufrichtli-
nie zusammenhängen. Es wird also sowohl auf dem einen
wie auf dem anderen Weg zu Umstellungsproblemen
kommen. Daher sind wir der Meinung, dass wir den Weg
wählen sollten, der für die Bürgerinnen und Bürger, für
die Wirtschaft und für die Rechtsanwender der vernünf-
tigste sein wird. Das sollten wir auch dann tun, wenn es
uns selbst, das heißt das Ministerium und vor allen Din-
gen die Abgeordneten des Bundestages, ziemlich
schlaucht. Ich weiß, dass das so ist, und deswegen sage
ich das ganz offen.

Leistungsstörungen und andere Regelungen hängen in
einem solchen Maße damit zusammen, dass ich ziemlich
sicher bin, dass nach den Gesprächen, die wir bald begin-
nen sollten, auf allen Seiten die Überzeugung sehr groß
sein wird, dass es fachlich und sachlich wirklich sinnvoll
ist, die anstehenden Fragen gemeinsam zu regeln.

Ich habe Ihnen vorhin gesagt – das ist gar keine Fra-
ge –, dass über die Übergangsfristen noch geredet werden
muss. Gerade was die Umsetzung angeht, sind wir auch
auf die Rechtsanwenderinnen und die Rechtsanwender
sowie auf die Wirtschaft angewiesen – das wollen wir –
und deswegen sind sie Teil des seit vielen Monaten beste-
henden Kooperationsprozesses.

Ich möchte noch etwas zu dem von Ihnen erwähnten
Zeitraum – Sie haben von Wochen gesprochen – sagen.
Ich denke nicht, dass man von Wochen reden sollte. Der
konsolidierte Text baut auf den Änderungen auf, die seit
dem letzten August allen, die sich dafür interessiert haben,
mitgeteilt worden sind. Diese Änderungen sollen bespro-
chen werden. Durch ausführliche Anhörungen haben wir
in den kommenden Monaten selbstverständlich die Mög-
lichkeit, den Meinungsbildungsprozess voranzutreiben.
Ich bitte Sie, die fachliche Diskussion mit uns gemeinsam
zu führen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416600700
Gibt es zu diesem
Themenbereich weitere Fragen? – Herr Kollege Röttgen,
bitte.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1416600800
Ich möchte vorab
eine kurze Feststellung treffen: Die 150 Professoren ha-
ben sich negativ geäußert; es gibt vereinzelt Zustimmung.
Das Schweigen der Übrigen kann nicht als Zustimmung
gewertet werden. Auch die Teilnahme an wissenschaftli-
chen Kongressen – ich habe ebenfalls an welchen teilge-
nommen – kann nicht als Zustimmung zu einem solchen
Vorhaben, also zu diesem Gesetzentwurf, gewertet wer-
den.

Mich interessiert Ihre Einschätzung der weiteren euro-
päischen Rechtsentwicklung. Sie sagen, wir müssten nun
aufgrund von EG-Richtlinien – es geht um die Rechtsan-
gleichung – ein neues Schuldrecht schaffen. Dazu habe
ich zwei Fragen.

Erstens. Sind Sie der Auffassung, dass Ihr Vorschlag
für ein neues deutsches Schuldrecht in Übereinstimmung
mit den inzwischen vorhandenen internationalen und eu-
ropäischen Regelwerken von Unidroit und der Commis-






(C)



(D)



(A)



(B)


sion on European Contract Law ist oder gibt es diesbe-
züglich Differenzen?

Zweitens. Wie ist Ihre Einschätzung der weiteren eu-
ropäischen Zivilrechtsangleichung? Teilen Sie meine
Auffassung, dass es weitere Rechtsharmonisierungen ge-
ben wird, sodass sich das nationale Recht auch weiterhin
verändern wird? Macht es nicht mehr Sinn, im Dialog mit
den europäischen Partnern Elemente eines europäischen
Zivilrechts zu entwickeln, anstatt einen nationalen Allein-
gang durchzuführen?

Als Letztes möchte ich eine Frage von Herrn Funke
aufgreifen. Es hat eine Änderung des § 284 Abs. 3, der
Regelung des Schuldnerverzugs, gegeben. Dabei geht es
um eine überschaubare Problematik, nämlich um die
Bekämpfung der so genannten schlechten Zahlungsmo-
ral. Ziel war, die Gläubigerinteressen zu verbessern, es
dem Gläubiger einfacher zu machen, zu seinem Geld zu
kommen. Dazu hat es eine neue Regelung gegeben. Das
Ergebnis ist heute unbestritten: Es ist genau das Gegenteil
bewirkt worden.

Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass sich dann,
wenn man es nicht nur mit der Reform eines Absatzes ei-
nes überschaubaren Paragraphen zu tun hat, sondern das
gesamte Schuldrecht, Kaufrecht, Gewährleistungsrecht
und Verjährungsrecht in einem Wurf neu macht, viele sol-
cher „Paragraph-284-Absatz-3-Effekte“ einstellen wer-
den und dass wir damit große Rechtsunsicherheit und viel
Rechtsprechung haben werden, weil viel Klärungsbedarf,
Interpretationsbedarf und neuer Auslegungsbedarf be-
steht? Sind das nicht gravierende Nachteile, die man sehr
ernst nehmen muss?

Dr. Herta Däubler-Gmelin,Bundesministerin der Jus-
tiz: Herr Kollege, ich will jetzt nicht darauf eingehen, wer
damals bei der Regelung der Zahlungsmoral politisch
Druck gemacht hat. Das ist, um mit Fontane zu sprechen,
ein weites Feld. Lassen Sie es mich einmal sehr deutlich
sagen: Daran waren Ihre Kolleginnen und Kollegen – ich
weiß jetzt nicht, ob Sie daran beteiligt waren, abgesehen
davon, beziehe ich mich auch lieber auf die Politik als auf
die Person – sehr beteiligt. Seien Sie also so freundlich,
diesen Bereich dort anzusiedeln, wo er hingehört.

Zu Ihrem zweiten Punkt. Wie man bei der Umsetzung
von europäischem Recht in deutsches Recht zu dem
Zweck, eine bessere Kompatibilität und Harmonisierung
des deutschen Rechts mit europäischem Recht zu errei-
chen, von nationalem Alleingang reden kann, ist mir
schlichtweg verschlossen. Ich halte diese Vokabel übri-
gens, auch wenn sie draußen möglicherweise gut klingen
mag, schlichtweg für inhaltlich falsch.

Ich darf nochmals darauf hinweisen, wie der Vorgang
war: Wir wissen seit vielen Jahren – wir befinden uns hier
ja unter Juristinnen und Juristinnen, die dies gelernt ha-
ben; Sie sind noch einer der Jüngeren, es gibt etwas Äl-
tere, bei denen das schon etwas länger her ist –, dass das
BGB, an dem wir alle hängen und das wir wie eine Mons-
tranz vor uns her tragen, wesentliche Bereiche des heuti-
gen Wirtschaftslebens nicht regelt. Ich habe einen ganz
zentralen Punkt, nämlich die Haftungsregelungen, ange-

sprochen. Ich könnte Ihnen viele andere Punkte nennen,
die heute allein aufgrund der Rechtsprechung geregelt
werden. Das fängt beim Leasing an und geht weiter über
haftungsrechtliche Regelungen bis zu ganz wichtigen an-
deren wirtschaftsrechtlichen Fragen.

Das ist nun nicht ganz neu. Deswegen hat man 1978
begonnen, darüber nachzudenken, in zentralen Punkten
eine Schuldrechtsmodernisierung zu betreiben. Diese
Diskussionen haben bis zum Jahre 1991 gedauert und auf
sie können wir zurückgreifen. Sie sind deswegen aktuell
– lassen Sie mich das sehr deutlich sagen –, weil nach der
Vorlage des Abschlussberichts durch meinen Vorgänger
Dr. Kinkel, dem dann doch kein Regierungsentwurf, wie
es beabsichtigt war, gefolgt ist, ja nicht nichts gefolgt ist,
sondern die Erarbeitung der entsprechenden Richtlinien,
das heißt, die Beeinflussung durch Europa. Dies müssen
wir jetzt via europäische Richtlinien in deutsches Recht
umsetzen.

Das heißt, es ist unsere Aufgabe, die europäische Kom-
patibilität und die Harmonisierung voranzutreiben – übri-
gens auch unter dem Aspekt, auf den ich heute im Rechts-
ausschuss schon hingewiesen habe –, sodass wir uns zwar
nicht in den nächsten Jahren – insofern ist Ihre Sorge mei-
ner Ansicht nach wirklich nicht gerechtfertigt –, aber viel-
leicht, wenn es gut geht, in zehn Jahren an die Ausarbei-
tung eines europäischen Schuldrechts-, Vertragsrechts-
oder Zivilrechtsgesetzbuches machen können.

Wir werden unseren Einfluss nur wahrnehmen können,
wenn wir unser eigenes Schuldrecht modernisieren und in
Bezug auf Europa harmonisieren.

Lassen Sie mich noch auf die Fragen bezüglich Unidroit
eingehen. Selbstverständlich sind Vertreter von Unidroit in
den Kommissionen, über die ich gerade gesprochen habe.
In unsere Überlegungen über andere Kaufrechtssysteme,
die ich angeführt habe, haben wir die Einwände der Kriti-
ker selbstverständlich aufgenommen. Ich wurde gerade
darüber informiert, dass Sie zu Beginn der Zivilrechts-
lehrertagung in Berlin freundlicherweise anwesend waren.
Sie werden daher diese Überlegungen mitbekommen
haben.

Im Übrigen kann von einer schweigenden Mehrheit
überhaupt keine Rede sein. Ich darf darauf hinweisen,
dass Sie auf den Homepages und in Veröffentlichungen
der Professoren Canaris, Medicus, Westermann, Roth,
Heldrich und Heinrichs den Stand der lebhaften Diskus-
sion, der dort auf sehr seriöse Weise beschrieben wird, ab-
rufen können.

Ich möchte noch einen letzten Punkt anführen. Selbst
wenn wir diesen Weg gehen würden – wir halten ihn für
falsch, weil er zu einer erheblichen Verwirrung bei den
Rechtsanwendern beitragen würde –, wäre der Umset-
zungsbedarf bei der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie be-
züglich der formalen Auswirkungen in der Substanz nicht
geringer. Das ist die Begründung dafür, dass wir diesen
Weg nicht gehen.

Ich meine es ernst, wenn ich sage, dass ich gerade auch
Sie gerne auf der Seite der Kooperationsbereiten hätte.




Dr. Norbert Röttgen

16217


(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416600900
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, wir haben nur noch fünf Minuten für die
Regierungsbefragung. Deshalb bitte ich den Kollegen
Hirche und auch die Ministerin im Interesse aller, sich
kurz zu fassen. – Herr Kollege Hirche, bitte.


Walter Hirche (FDP):
Rede ID: ID1416601000
Frau Ministerin, als Nicht-
jurist fällt mir auf, dass sich alle darin einig sind, dass in
der Sache Regelungsbedarf besteht. Es fällt mir ferner
auf, dass über Jahre hinweg die gemachten Änderungs-
vorschläge immer wieder verworfen wurden. Die letzte
Fassung wurde den Kollegen vor gut vier Wochen über-
mittelt.

Angesichts der Tatsache, dass über Jahre hinweg Än-
derungsvorschläge immer wieder zurückgezogen wurden
und sich die Regierung in dieser Zeit ein Urteil bilden
konnte, möchte ich fragen: Besteht nicht eine Schieflage
zwischen der Zeit, die die Regierung für die Beratung
benötigt hat und benötigen musste, und der Zeit, die dem
Parlament noch bleibt, um das entsprechende Gesetz zu
beschließen? Ich frage gerade Sie als Verfassungsministe-
rin, ob nicht durch die Art und Weise der Behandlung die-
ses Gesetzentwurfs die Schieflage dokumentiert wird, die
zwischen der Zeit, die sich die Regierung für die Beratung
genommen hat, und dem Druck, in dem das Parlament be-
schließen muss, besteht.


(Werner Siemann [CDU/CSU]: Recht hat er!)


Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der
Justiz: Herr Kollege Hirche, das ist definitiv nicht der
Fall. Ich will Ihnen das ganz kurz erklären.

Diese Bundesregierung ist seit Oktober 1998 im Amt.
Deswegen kann von jahrelangen Überlegungen keine
Rede sein. Es wurden auch keine Regierungsentwürfe hin
und her gewälzt und zurückgezogen. Ausgangspunkt der
Überlegungen war vielmehr das Inkraft-Treten der ge-
nannten Richtlinien, von denen zwei erst im Sommer des
Jahres 2000 verabschiedet wurden. Die Umsetzungsfrist
beträgt teilweise nur 18Monate; sie erstreckt sich bis zum
Ende des Jahres 2001.

Wir haben den entsprechenden Diskussionsentwurf im
August versandt. Sie können dieser Tatsache entnehmen
– lassen Sie mich das sehr deutlich sagen –, dass wir
bereits zwei Monate nach Beginn der Umsetzungsfrist an
die Kolleginnen und Kollegen und an die Fachöffentlich-
keit herangetreten sind. Da Sie sagen, dass dieser Entwurf
heute nicht mehr gilt, möchte ich Ihnen antworten, dass
dies in der Tat für einige wichtige Regelungen zutrifft.
Aber es ist doch vernünftig, weil es sich dabei um einen
Diskussionsentwurf handelte, den wir an die Wissen-
schaft, an die Länder und auch an Sie mit der Bitte ver-
sandt haben, bis zum Beginn dieses Jahres uns Ihre Mei-
nung darüber mitzuteilen. Gott sei Dank haben wir bei den
Ländern und auch in der Wissenschaft eine große Reso-
nanz gefunden.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416601100
Ich beende nun die
Befragung zu den Themenbereichen der heutigen Kabi-
nettssitzung. Gibt es darüber hinaus noch Fragen an die

Bundesregierung? – Das ist nicht der Fall. Ich beende da-
mit die Befragung der Bundesregierung.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksache 14/5942 –

Wir kommen als Erstes zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur
Beantwortung der Frage steht der Parlamentarische
Staatssekretär Siegmar Mosdorf zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Ernst Hinsken
auf:

Bis wann wird der Bundesminister für Wirtschaft und Techno-
logie, Dr. Werner Müller, die von ihm und der Beauftragten der
Bundesregierung für den Mittelstand, der Parlamentarischen
Staatssekretärin Margareta Wolf, angekündigten Deregulierungs-
vorschläge im Wirtschafts- und Mittelstandsbereich dem Parla-
ment vorlegen und teilt die Bundesregierung die Meinung, dass,
falls die Vorschläge nicht vor der Sommerpause dem Parlament
vorliegen, zu befürchten ist, dass sie wegen der zur Verfügung ste-
henden Zeit in dieser Legislaturperiode nicht mehr ausgiebig be-
raten und beschlossen werden können?

S
Siegmar Mosdorf (SPD):
Rede ID: ID1416601200
Frau Präsiden-
tin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Ernst
Hinsken, die Frage des Bürokratieabbaus ist für uns im
Wirtschaftsministerium von großer Bedeutung. Das ist
der Grund, warum wir im Jahre 1999 die Wirtschaft ge-
beten haben, Vorschläge zu machen und zu sagen, an wel-
cher Stelle man direkte Maßnahmen treffen muss, um
Vereinfachungen zu erreichen. Es liegt inzwischen eine
große Anzahl von Vorschlägen vor. Der Bundesminister
für Wirtschaft und Technologie hat deshalb am 20. März
2001 einen ersten Bericht über den Stand der Initiative
„Abbau bürokratischer Hemmnisse“ vorgelegt. Dieser
Bericht – ich habe ihn noch einmal mitgebracht – zeigt die
wichtigsten Stellen auf, wo es Schwierigkeiten im Um-
gang zwischen Wirtschaft und staatlicher Administration
gibt.

Der Bericht informiert auch über die eingegangenen
konkreten Anregungen der Unternehmen, die hieraus ge-
wonnenen Informationen einschließlich der daraus abge-
leiteten Handlungsempfehlungen und die auf der Grund-
lage dieser Empfehlungen gestarteten Initiativen zum
Abbau bürokratischer Hemmnisse. In ihm werden die
bereits umgesetzten bzw. sich noch in der Umsetzungs-
phase befindlichen Maßnahmen aufgezeigt. Soweit in
diesem Bericht Deregulierungsvorschläge enthalten sind,
wurde auch der Stand der jeweiligen Umsetzung mitge-
teilt. Deregulierung und Bürokratieabbau bleiben dauer-
hafte Aufgaben, an denen insbesondere auch die Länder
und Kommunen mitwirken müssen. Es gibt auch gestufte
Verfahren; das kennen wir alle aus unserer alltäglichen
Praxis.

Die im Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und
Technologie bereits dargelegten konkreten Maßnahmen
zum Abbau bürokratischer Hemmnisse werden im vorge-
sehenen Zeitrahmen umgesetzt. Deshalb, lieber Herr Kol-
lege Hinsken, ist Ihre aus der Sache heraus begründete
Sorge, dass wir im Laufe dieser Legislaturperiode keine






(C)



(D)



(A)



(B)


Entscheidungen treffen, unberechtigt. Sie wissen, dass
uns 80 Vorschläge für konkrete Maßnahmen vorliegen.
Wir werden sie Schritt für Schritt umsetzen; eine ganze
Reihe von Maßnahmen haben wir bereits erfolgreich um-
gesetzt. Deshalb glaube ich, dass man sagen kann, dass
wir auf diesem Weg schon gemeinsam ein wenig voran-
gekommen sind. Ich bitte Sie, auch unsere weiteren
Schritte zu unterstützen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416601300
Herr Kollege Hinsken
zu einer ersten Nachfrage, bitte.


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1416601400
Danke, Frau Präsiden-
tin. – Herr Staatssekretär Mosdorf, ich habe nicht in ers-
ter Linie danach gefragt, ob Sie bereits Vorschläge ge-
sammelt haben, sondern ich habe gezielt gefragt, wann
die Bundesregierung gedenkt, die von uns gesammelten
Vorschläge in den parlamentarischen Entscheidungs-
prozess zu bringen. Ihre Kollegin, die neue Mittelstands-
beauftragte der Bundesregierung, sagte ja bei ihrer An-
trittsrede im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bun-
destages, dass sie in Zukunft ihr Hauptaugenmerk nicht
darauf legen wird, Vorschläge zu sammeln, sondern da-
rauf, konkrete Umsetzungsvorschläge einzubringen, weil
dringender Handlungsbedarf besteht. Sie aber haben mir
auf meine Frage, ob Initiativen zur Umsetzung dieser Vor-
schläge dieses Jahr noch kommen, geantwortet, das werde
in dieser Legislaturperiode nicht mehr geschehen.


(Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär: Nein, nein!)


Ich befürchte nun, dass Sie nicht richtig erkannt haben,
dass die Bürokratie den Mittelstand, also die kleinen und
mittleren Betriebe, besonders belastet.

S
Siegmar Mosdorf (SPD):
Rede ID: ID1416601500
Herr Kollege
Hinsken, es muss ein Hörfehler vorliegen. Ich habe eben
gesagt, dass wir mit der Umsetzung schon angefangen ha-
ben, und nicht, dass wir in dieser Legislaturperiode gar
nicht mehr anfangen wollen. Wir haben schon eine ganze
Reihe von sehr konkreten Maßnahmen ergriffen, die übri-
gens nicht alle parlamentarische Schritte erfordern. Viele
Verordnungswege kann man vereinfachen. Das muss ich
Ihnen ja nicht sagen. Auch bei der Zusammenarbeit von
Bund, Ländern und Kommunen kann man Bürokratie ab-
bauen und administrative Wege vermeiden. Hinzu kom-
men noch viele Dinge mehr. Wir befinden uns also mitten
in der Umsetzungsphase. Die in dem Bericht enthaltene
Dokumentation gibt einen ersten Überblick nicht nur über
die eingereichten Vorschläge, sondern auch darüber, wie
wir sie angehen und umsetzen.

Darüber hinaus, verehrter Herr Kollege Hinsken, neh-
men wir auch Projekte in Angriff, die zu einer nachhalti-
gen Effizienzerhöhung der öffentlichen Verwaltung
führen sollen. Denken Sie an Projekte wie Media@com
– ich nehme an, dass Sie es kennen –, das zunächst in drei
Städten, nämlich in Bremen, Nürnberg und Esslingen,
durchgeführt wird; hierbei handelt es sich um ein großes
Projekt, um die Stadtverwaltungen zu modernisieren,
Bürokratie abzubauen und effizienter zu gestalten und

direktere Mitwirkungsmöglichkeiten auch für die Bürger
zu schaffen.

Wir versuchen wirklich in allen Bereichen, die Admi-
nistration effizienter und bürgernäher zu gestalten; denn
wir wollen nicht, dass der alte Satz von Tucholsky auch in
Zukunft gilt, die Deutschen hätten ein Schicksal und ein
Ideal. Das Schicksal der Deutschen, so hat Tucholsky ein-
mal gesagt, ist es, dass sie immer in langen Schlangen vor
Behördenschaltern stehen, und das Ideal ist, dass sie gern
einmal hinter dem Schalter sitzen wollen. – Wir wollen
die Schalter abschaffen, wir wollen Bürgernähe organi-
sieren


(Lachen bei der CDU/CSU)

und haben dazu eine Reihe von konkreten Maßnahmen
vorgenommen. Dabei handelt es sich auch um Maßnah-
men, die notwendig waren, um die in Ihrer langen Re-
gierungszeit entstandene Bürokratie zu bereinigen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416601600
Herr Kollege Hinsken
hat noch eine zweite Nachfrage.


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1416601700
Herr Staatssekretär, jetzt
habe ich noch keine Antwort auf meine Frage bekommen,


(Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär: Doch!)


ob Sie denn heuer, in diesem Jahre, Deregulierungsvor-
schläge einbringen.

Jetzt kommt meine zweite Frage, Frau Präsidentin: Ist
die jetzige Bundesregierung bereit, sich an der Regierung
Helmut Kohl ein Beispiel zu nehmen?


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Im Jahre 1995 wurden 92 verschiedene Deregulie-

rungsvorschläge eingebracht und im selben Jahr haben
sich 61 oder 62 Gesetzesvorhaben daraus ergeben mit
dem Ergebnis, dass man tatsächlich dereguliert hat, was
die Wirtschaft dringend braucht.

5 000 Gesetze mit 85 000 Verordnungen in der Bun-
desrepublik Deutschland sind einfach zu viel. Da sind Sie,
Herr Staatssekretär Mosdorf – ich schätze Sie persönlich
sehr, das wissen Sie –, stark gefordert. Ich bitte, endlich
nach den Worten auch ein Zeichen zu setzen und dafür
Sorge zu tragen, dass dereguliert wird.

S
Siegmar Mosdorf (SPD):
Rede ID: ID1416601800
Lieber Herr Kol-
lege Hinsken, lassen Sie mich noch das eine sagen, damit
nichts unklar bleibt. Man kann ja nicht davon ausgehen,
dass jeder Bürger in Deutschland unser heutiges Protokoll
nachliest. Ich will es also noch einmal deutlich sagen:

Wir sind heuer nicht nur dabei, einen Bericht zu geben,
wir setzen um. Wir tun konkrete Schritte zur Administra-
tionsvereinfachung, um mehr Bürgernähe zu schaffen und
Bürokratie abzubauen.

Ich danke Ihnen sehr dafür, Herr Kollege Hinsken, dass
Sie die Bundesregierung so nachhaltig dabei unterstützen.
Ich möchte Sie auch herzlich einladen, die gleiche Frage




Parl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf

16219


(C)



(D)



(A)



(B)


in einem halben Jahr noch einmal zu stellen, weil wir Ih-
nen dann weitere Fortschrittsberichte geben können. Es
ist gar keine Frage, dass wir natürlich alles tun und versu-
chen, um das, was es an Überbürokratie gibt – das ist nicht
gut –, abzubauen sowie die Verwaltung bürgernäher und
effizienter zu gestalten, sodass wir natürlich auch Mittel
einsparen.

Also noch einmal auch für Ihren Kollegen gesagt, der
jetzt gleich nachfragen will: Ich gebe Ihnen gern die Do-
kumentation, die einen ersten Zwischenbericht über die
Maßnahmen gibt, die wir direkt getroffen haben. Aber Sie
werden uns in der Entschlossenheit, das fortzusetzen,
nicht übertreffen; Sie werden uns höchstens begleiten.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416601900
Es gibt jetzt weitere
Nachfragen. Zuerst der Kollege Scherhag, bitte.


Karl-Heinz Scherhag (CDU):
Rede ID: ID1416602000
Herr Staatssekre-
tär, mich interessiert, wo die Schwierigkeiten liegen. Sie
haben jetzt viel erklärt, was Sie alles machen wollen, aber
der Bericht ist noch nicht da. Wir haben natürlich größte
Angst, dass diese Deregulierung nicht vorangeht. Sie wis-
sen, für den Mittelstand ist das sehr vonnöten. Wir haben
ja heute Morgen im Wirtschaftsausschuss wieder ein
Thema angesprochen, wo Deregulierung im Besonderen
notwendig ist. Ich denke an den Baubereich. Wo liegen da
konkret die Schwierigkeiten?

S
Siegmar Mosdorf (SPD):
Rede ID: ID1416602100
Herr Scherhag,
wir alle wissen: Als wir im Sommer 1999 den Aufruf an
die Wirtschaft gerichtet haben, einmal konkret zu sagen,
an welchen Stellen es klemmt, wo es wirkliche Hemm-
nisse gibt, da gab es zunächst kaum Reaktionen. Dann ha-
ben wir noch einmal nachgehakt und auch mit den Ver-
bänden geredet. Da gab es eine ganze Reihe von
Beispielen. Diese konkreten Beispiele, die ja nicht immer
den Bund, sondern teilweise auch die EU, die Kommu-
nen, die Gemeinden betreffen, werden jetzt systematisch
aufgearbeitet.

Sie kennen – Herr Hinsken weiß es aus dem Touris-
musbereich – die Preisauszeichnungsfragen und andere
Dinge; wir haben das im Ausschuss schon mehrfach be-
handelt. Das sind zwar kleine Schritte, aber wir beide wis-
sen, was das für die Branche bedeutet.

Solche Schritte vollziehen wir gegenwärtig. Deshalb
sage ich noch einmal: Erstens gibt es den Bericht seit
März. Zweitens werden wir das intensiv fortsetzen. Ich
bitte Sie, uns da beim Wort zu nehmen. Drittens brauchen
wir dabei natürlich auch Ihre Unterstützung. Denn es ist
doch völlig klar: Das ist ja keine parteipolitische Frage,
sondern es geht darum, wie man Bürgernähe und Effi-
zienz in der Administration durchsetzen kann, teilweise
auch über mehrere staatliche Ebenen hinweg, wo ganz un-
terschiedliche politische Formationen regieren. Deshalb
brauchen wir da eine gemeinsame Kraftanstrengung.

Hinsichtlich der globalen Zahl kann ich nur sagen: Wir
sind schon der Auffassung – wir sind auch dabei –, dass
man die Staatsquote insgesamt reduzieren muss, indem

man sagt, dass der, der es besser kann, es auch machen
soll. Wir haben, wie Sie wissen, mit einer Staatsquote von
über 50 Prozent angefangen und sind jetzt dabei, sie lang-
sam zu reduzieren. Wir wollen keine Staatsquote, die auf
einen schwachen Staat hindeutet; wir wollen nicht zurück
zum Nachtwächterstaat. Wir wollen einen leistungsfähi-
gen, modernen, effizienten Staat, der auch noch bürgernah
ist.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416602200
Die nächste Nach-
frage kommt vom Kollegen Hirche.


Walter Hirche (FDP):
Rede ID: ID1416602300
Herr Staatssekretär Mosdorf,
Sie haben davon gesprochen, dass Sie schon dabei seien
umzusetzen. Soll ich die Neuregelung bei den 630-Mark-
Verträgen, zum Beispiel im Zusammenhang mit der
Krankenkassenabrechnung, als einen Beitrag zum Büro-
kratieabbau verstehen und kann ich das, was Sie zur No-
vellierung des Betriebsverfassungsgesetzes vorgelegt
haben, als einen Beitrag zu Deregulierung und Bürokra-
tieabbau verstehen?

S
Siegmar Mosdorf (SPD):
Rede ID: ID1416602400
Herr Hirche, Sie
sind dafür bekannt, dass Sie einer der großen Dialektiker
des Parlaments sind.


(Karl-Heinz Scherhag [CDU/CSU]: Hört! Hört! – Zuruf des Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU])


– Lieber Ernst Hinsken, er hat ja da eine Vergangenheit.
Wir schauen mal, was er in seiner Regierungsverantwor-
tung alles an Bürokratieabbau geleistet hat. Ich habe mir
sagen lassen, dass auch damals sehr viel Overhead ge-
schaffen worden ist, liberaler Overhead natürlich, das ist
ja klar. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir erkennen,
dass wir gemeinsam vorgehen müssen.

Zu Ihrer Frage, Herr Hirche. Ich glaube, dass die
50-Tage-Regelung, die der Bundesarbeitsminister zusam-
men mit seinem Staatssekretär Gerd Andres bei den
630-Mark-Regelungen durchgesetzt hat, ein Musterbei-
spiel dafür ist – das wird auch von der Wirtschaft so ge-
sehen –, wie man entbürokratisiert und Effizienz schafft.
Man kann sagen: Die Wirtschaft hat darauf sehr positiv
reagiert, insbesondere das Hotel- und Gaststättenge-
werbe. Ich weiß, dass Sie das unterstützen. Das ist nur ein
Beispiel und es gibt viele andere.

Aber, Herr Hirche, da Sie selber jetzt ganz andere Fel-
der betreten und gar nicht die Fragen von meinem Freund
Ernst Hinsken aufgegriffen haben, schicke ich Ihnen die
Dokumentation einmal zu, um Ihnen zu zeigen, welche
konkreten Maßnahmen wir schon ergriffen haben.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416602500
Jetzt ist der Kollege
Deß mit seiner Nachfrage an der Reihe.


Albert Deß (CSU):
Rede ID: ID1416602600
Herr Staatssekretär, Ihre
Aussage, dass das Protokoll des Deutschen Bundestages
nur von wenigen Leuten gelesen wird, reizte mich zu die-




Parl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf
16220


(C)



(D)



(A)



(B)


ser Frage: Nennen Sie doch bitte hier in der Öffentlichkeit
für die Leute am Fernseher außer dem Rabattgesetz und
der Zugabeverordnung noch einige konkrete Beispiele für
die Deregulierung.

S
Siegmar Mosdorf (SPD):
Rede ID: ID1416602700
Herr Deß, ich
bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie mir die Gelegenheit ge-
ben, dazu etwas zu sagen. Man ist ja immer so diszipli-
niert, kurze Antworten zu geben;


(Heiterkeit)

deshalb möchte ich das nicht übertreiben und Ihre Zeit
nicht zu sehr in Anspruch nehmen. Aber Sie haben mit
dem Rabattgesetz und der Zugabeverordnung natürlich
ins Schwarze getroffen. Ich bedanke mich sehr dafür, dass
Sie damit auch andeuten, dass Sie das Projekt unterstüt-
zen wollen. Wir sind, wie Sie wissen, dabei, diese Punkte
umzusetzen.

Es gibt aber auch andere Beispiele, die wir nennen kön-
nen. Ich habe eben ein Beispiel aus dem Tourismusbe-
reich genannt und ich habe das Media@com-Projekt ge-
nannt. Es gibt viele Beispiele. Wir sind – übrigens
zusammen mit der bayerischen Finanzverwaltung – da-
bei, praktische Erfahrungen zu einer Online-Steuerer-
klärung zu sammeln. Sie wissen, dass das Projekt aus Sin-
gapur stammt. In Singapur hat man vor fünf Jahren den
Steuerzahlern die Möglichkeit gegeben, ihre Steuerer-
klärung online zu machen, und sogar 5 Prozent Rabatt ein-
geräumt. Was meinen Sie, was da in Singapur los war!

Wir führen all diese Projekte durch, wobei ich – weil
ich die spezifischen bayerischen Erfahrungen mit den An-
fangsproblemen dieses Internetprojekts vor Augen habe –
eines hinzufüge: Man muss auf diesem Feld auch
experimentieren; denn es gibt keine Patentlösungen. Ich
bin dafür, dass wir experimentieren, und zwar im Sinne
von Bürokratieabbau, von mehr Bürgernähe und von
mehr Delegation von Aufgaben, die andere besser machen
können als der Staat. Deshalb noch einmal, Herr Kollege
Deß: Ich bin Herrn Hinsken sehr dankbar, dass er mir
heute die Gelegenheit gegeben hat, einen kleinen Zwi-
schenbericht dazu zu geben.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416602800
Die Fragen aus den
Geschäftsbereichen des Bundesministeriums für Verbrau-
cherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sowie des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend werden schriftlich beantwortet.

Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung sind zurückgezogen worden.

Deshalb kommen wir jetzt zum Geschäftsbereich des
Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht Staatssekre-
tär Dr. Gunter Pleuger zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 8 der Abgeordneten Ilse Aigner auf:
Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung bis-

her getroffen, um die Abschaltung des Senders International
Broadcasting Bureau, IBB, der von den Vereinigten Staaten von
Amerika betrieben wird und sich auf einem von der Bundesregie-

rung verpachteten Gelände in Holzkirchen-Oberlaindern befindet,
zu erreichen, und welche Abteilung des zuständigen Ministeriums
hat gegebenenfalls Gespräche mit Vertretern des amerikanischen
Außenministeriums zu dem mit der Sendeanlage IBB am Stand-
ort Holzkirchen-Oberlaindern zusammenhängenden Problem-
kreis, insbesondere zur Abschaltung der Sendeanlage bzw. zur
Kündigung des Pachtvertrages, geführt?

D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416602900
Frau Präsidentin, Frau Abgeordnete, wären Sie
damit einverstanden, wenn ich die Fragen 8 und 9 zusam-
men beantworten würde? Denn sie beziehen sich beide
auf die Schließung des Mittelwellensenders in Holzkir-
chen.


(Ilse Aigner [CDU/CSU]: Einverstanden!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416603000
Dann rufe ich die
Frage 9 der Abgeordneten Ilse Aigner auf:

Wie erklärt sich die Bundesregierung die plötzliche Abschal-
tung des Mittelwellensenders der Sendeanlage International
Broadcasting Bureau, IBB, am Standort Holzkirchen-Oberlain-
dern im April 2001 und inwiefern ist diese Abschaltung auf die
Initiative der Bundesregierung zurückzuführen?

D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416603100
Wir sind über diese Schließung sehr froh. Denn sie
beendet hoffentlich den Streit – zumindest einen wesent-
lichen Teil davon –, der in der Vergangenheit bestanden
hat. Die Bundesregierung hat sich vor dem Hintergrund
der anhängigen Gerichtsverfahren und angesichts der
Sorgen der betroffenen Bürger stets für eine Lösung ein-
gesetzt, die die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt.

Die Amerikaner haben mit der Schließung dieses Mit-
telwellenbetriebes einen wesentlichen Wunsch der loka-
len Bevölkerung erfüllt; denn der Mittelwellensender
wurde als besonders belastend empfunden. In der
entscheidenden Schlussfolgerung des Gutachtens, das
von den Gemeinden Holzkirchen, Valley und Warngau
1996 in Auftrag gegeben wurde, wurde festgestellt, dass
durch eine völlige Einstellung des Mittelwellenbetriebes
die wesentliche Quelle der elektromagnetischen Umwelt-
beeinflussung in der Region beseitigt wäre. Das ist jetzt
geschehen.

Die amerikanische Seite, und zwar das International
Broadcasting Bureau, hat erklärt, dass bereits in den ver-
gangenen drei Jahren im Zuge der kontinuierlichen Über-
prüfung und der Bewertungsverfahren im Zusammen-
hang mit den operationellen Notwendigkeiten dieses
Senders nach Alternativen gesucht worden ist, wie dieje-
nigen Sendungen, die bisher von Holzkirchen aus insbe-
sondere in den Balkan ausgestrahlt wurden, von anderer
Stelle aus vielleicht wirksamer verbreitet werden könn-
ten. Die Amerikaner haben mitgeteilt, dass jetzt eine ge-
eignete Ersatzanlage in Betrieb genommen worden ist, die
die Mittelwellenausstrahlung von Holzkirchen aus dauer-
haft überflüssig macht. Der Sendebetrieb ist deshalb dau-
erhaft eingestellt worden.

Die Abschaltung des Mittelwellensenders beruht nicht
auf einer Vereinbarung mit der Bundesregierung, sondern
ist eine einseitige Maßnahme des International Broadcas-
ting Bureaus gewesen. Mit dieser Maßnahme hat unserer




Albert Deß

16221


(C)



(D)



(A)



(B)


Ansicht nach das IBB die wesentlichen Forderungen vor
allen Dingen der lokalen Bevölkerung erfüllt. Wie jetzt
der anhängige Rechtsstreit weitergeht, das entzieht sich
meiner Kenntnis.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416603200
Die Kollegin Aigner
hat jetzt die Chance, vier Nachfragen zu stellen, weil ihre
beiden Fragen gemeinsam beantwortet worden sind. –
Ring frei für Sie!


Ilse Aigner (CSU):
Rede ID: ID1416603300
Herr Staatssekretär, ich
wollte von Ihnen eigentlich konkret wissen, welche Maß-
nahmen die Bundesregierung ergriffen hat, um mit Ame-
rika entsprechende Verhandlungen aufzunehmen. Es geht
hier auch um einen Pachtvertrag, dessen Kündigung noch
ansteht. Vielleicht könnten Sie noch etwas genauer aus-
führen, welche Maßnahmen und konkret welche Ge-
spräche von welchem Mitarbeiter Ihres Ministeriums
bzw. von der politischen Spitze geführt wurden.

D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416603400
Die Gespräche mit den Amerikanern haben auf
verschiedensten Ebenen, auf der Arbeitsebene und auch
auf der politischen Ebene, hier in Berlin, aber auch in
Washington stattgefunden. Ich kann Ihnen im Einzelnen
nicht sagen, wer welches Gespräch geführt hat. Aber ich
kann zumindest von mir selber sagen, dass ich mich ge-
genüber dem amerikanischen Botschafter mehrfach für
eine einvernehmliche Lösung eingesetzt habe. Wir haben
vom State Department in Washington signalisiert be-
kommen, dass auch die amerikanische Seite nicht daran
interessiert sei, das Problem Holzkirchen zu einer Belas-
tung der deutsch-amerikanischen Beziehungen werden
zu lassen. Die Tatsache, dass die Amerikaner von sich aus
den Sendebetrieb eingestellt haben, hat das unter Beweis
gestellt.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416603500
Frau Kollegin Aigner,
bitte Ihre nächste Frage.


Ilse Aigner (CSU):
Rede ID: ID1416603600
Ich frage vor folgendem
Hintergrund: Ich habe den Bundeskanzler vor zwei Mo-
naten schriftlich gebeten, dieses Problem in Amerika vor-
zubringen. Ich habe bis heute weder eine Eingangsbe-
stätigung noch irgendeine Antwort auf dieses Schreiben
erhalten. Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn ich
eine schriftliche Stellungnahme darüber, wo ent-
sprechende Gespräche geführt worden sind, erhalten
könnte. – Das nur zur Erklärung.

Könnte ein Grund dafür, dass der Sender in Holzkir-
chen abgeschaltet worden ist, sein, dass in Zukunft Mes-
sungen vonseiten des zuständigen bayerischen Staatsmi-
nisteriums bei Kostenübernahme durch die Gemeinden
und die Staatsregierung durchgeführt worden wären?
Könnte vielleicht auch dies bei der relativ schnellen und
überraschenden Entwicklung eine Rolle gespielt haben,
die die Bürgerinnen und Bürger dieser Gegend und ich
selbstverständlich sehr begrüßen?

D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416603700
Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.
Diese müssten Sie den Amerikanern stellen. Die Begrün-
dung, die uns die Amerikaner für die auch für uns überra-
schend schnell erfolgte Einstellung gegeben haben, war
die, das inzwischen in Ungarn eine neue Sendeanlage als
Ersatz für die in Holzkirchen gefunden und inzwischen
auch in Betrieb genommen worden ist.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416603800
Nummer drei, bitte.


Ilse Aigner (CSU):
Rede ID: ID1416603900
Es verbleibt noch der Kurz-
wellensender. Als nachvollziehbare Begründung sowohl
für den Mittelwellen- als auch für den Kurzwellensender
wurde immer die Informationspolitik für Regionen, die
nicht demokratisch stabil sind und vielleicht auch keine
Informationen bekommen können, angeführt.

In einer Pressemitteilung des Kollegen Büttner wird in
Bezug auf den Kurzwellensender ausgeführt, dass der
Kaukasus für die Amerikaner ein strategisch wichtiges
Gebiet sei, weil dort Erdölreserven vorhanden seien, die
amerikanische Firmen erschließen wollten. Dies hat in der
Bevölkerung für etwas Verwirrung gesorgt, denn wenn
wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen, ist ein
solcher Sendebetrieb nicht mehr unbedingt zu rechtferti-
gen. Ich gehe davon aus, dass es auch noch andere Gründe
dafür gibt, den Sendebetrieb aufrechtzuerhalten. Aber
diese hätte ich gerne im Detail erfahren, denn ich glaube,
dass es sich bei dieser Mitteilung entweder um eine
Falschinterpretation oder um eine sehr verkürzte Darstel-
lung gehandelt hat. Herr Staatssekretär, vielleicht könnten
sie hier für Aufklärung sorgen.

D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416604000
Ich kann Ihnen insofern Aufklärung verschaffen,
als ich sagen kann: es ist richtig, dass die Kurzwellen-
sendungen weitergehen. Die Kurzwellensendungen sind
seit langem in Richtung Zentralasien ausgerichtet. Ob
dies auch aus wirtschaftlichen Gründen der Fall war, kann
ich nicht beurteilen. Das müssten sie die Amerikaner fra-
gen. Jedenfalls aber sind der Südkaukasus und Zentral-
asien nicht nur wegen der enormen Konflikte und der
möglichen Konfliktlinien zwischen großen Mächten Re-
gionen, in denen aus westlicher Sicht ein erhöhtes politi-
sches Informationsbedürfnis besteht.

Diese Kurzwellensendungen, die auch in der Vergan-
genheit ausgestrahlt wurden, sind aber – ich bin kein
Techniker, ich kann nur wiedergeben, was ich von den Ex-
perten erfahren habe – für die Bevölkerung weniger belas-
tend, weil der Kurzwellensender senkrecht nach oben ab-
strahlt und die Kurzwelle in der Ionosphäre über Tausende
von Kilometern zurückgestrahlt wird. Deswegen hat der
Kurzwellensender in der Vergangenheit – soweit mir be-
kannt ist – eine wesentlich geringere – wenn überhaupt –
Rolle in dem Streit mit der Bevölkerung und dem Staat
Bayern gespielt.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416604100
Sie haben noch eine
letzte Frage.




Staatssekretär Dr. Gunter Pleuger
16222


(C)



(D)



(A)



(B)



Ilse Aigner (CSU):
Rede ID: ID1416604200
Die Bevölkerung ist natür-
lich froh, weil die Hauptbelastung durch die Mittelwelle
erfolgte. Aber auch die Kurzwelle führt nach wie vor zu
starken Belastungen für eine nicht ganz unwesentliche
Zahl von Leuten. Ich frage Sie konkret, ob die Bundesre-
gierung plant, den Pachtvertrag mit den Amerikanern
schon frühzeitig zu lösen. Dies müsste spätestens zum
Jahre 2004 erfolgen, damit er im Jahre 2005 nicht auto-
matisch verlängert wird. Ich glaube, es ist auch im Sinne
der Amerikaner, frühzeitig klare Richtlinien zu schaffen,
damit sie wissen, wie es langfristig weitergeht. Unter-
stützt die Bundesregierung diese Bestrebungen?

D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416604300
Die Bundesregierung wird rechtzeitig mit den
Amerikanern darüber sprechen. Sie haben völlig Recht:
2005 läuft der Vertrag aus. Spätestens 2004 muss eine
Regelung gefunden sein, wie der Vertrag entweder durch
Kündigung beendet oder durch Vereinbarung verlängert
werden soll. Sie wissen, dass sich der Vertrag dann, wenn
wir nichts tun, automatisch um zehn Jahre verlängert.

Aber auch als sich bezüglich der Mittelwellensendun-
gen eine Lösung wie diese noch nicht abzeichnete, hat das
IBB niemals eine Verlängerung um zehn Jahre, sondern
nur um fünf Jahre verlangt. Ich glaube, dies ist ein Indiz
dafür, dass wir in Verhandlungen mit den Amerikanern zu
gegebener Zeit eine für beide Seiten befriedigende Lö-
sung finden werden. Wir werden diese Verhandlungen
rechtzeitig einleiten.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416604400
Ich rufe jetzt den Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und
Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht der parla-
mentarische Staatsekretär Gerd Andres zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Jochen-Konrad
Fromme auf:

Warum hat die Bundesregierung bei der Rentenreform keine
Regelung aufgenommen, die den ungeschmälerten Rentenbe-
zug – ohne Abzüge – nach 45 Beitragsjahren ohne Rücksicht auf
das Renteneintrittsalter gewährt, um so anhängige Verfassungsge-
richtsverfahren gegenstandslos zu machen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416604500
Frau Präsidentin, sehr
geehrter Herr Kollege Fromme, ich bitte zunächst um Ver-
ständnis dafür, dass die Beantwortung der Frage 10 etwas
umfangreicher sein wird, weil es sich um eine etwas kom-
pliziertere Frage handelt.

In die Rentenreform braucht eine von Ihnen skizzierte
Regelung nicht aufgenommen zu werden, jedenfalls nicht
zur Vermeidung von Verfassungsgerichtsverfahren. Sol-
che Verfahren gibt es nach unseren Feststellungen näm-
lich nicht.

Vorschläge, die darauf hinauslaufen, nach einer be-
stimmten Beitragszeit bereits eine ungeminderte Rente zu
leisten, widersprechen dem Versicherungsprinzip, weil
sie dazu führen würden, dass langjährig Versicherte nicht
nur eine ihrer Beitragsleistung entsprechend hohe Rente
erhalten würden, sondern diese auch noch zu einem frühe-

ren Zeitpunkt als Versicherte mit weniger Beitragszeiten
in voller Höhe beziehen könnten.


(Walter Hirche [F.D.P.]: Das ist ja eine Antwort!)


Neben diesen grundsätzlichen Bedenken gibt es wei-
tere Gründe, keine Regelung vorzuschlagen, die einen un-
geschmälerten Rentenbezug nach 45 Beitragsjahren ohne
Rücksicht auf das erreichte Alter zulässt:

Erstens. Die von Ihnen vorgeschlagenen 45 Beitrags-
jahre sind viel schwieriger zu erfüllen als die heute gel-
tenden 35 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten. Einerseits
sind es zehn Jahre mehr. Andererseits zählen Zeiten, in de-
nen jemand zum Beispiel krank oder arbeitslos war oder
noch keine Beiträge gezahlt wurden, nicht mit. Auch die
für Frauen so wichtigen Zeiten der Kindererziehung bis
zum 10. Lebensjahr werden bei der 35-jährigen Wartezeit
angerechnet; bei der 45-jährigen Wartezeit fehlen hinge-
gen neun bzw. sieben Jahre.

Zweitens. Begünstigt wären insbesondere diejenigen,
die auch nach Vollendung des 60. Lebensjahres noch er-
werbstätig und die gesundheitlich nicht so beeinträchtigt
sind, dass eine Erwerbsminderung vorliegt.

Drittens. Arbeitslose, Frauen mit kindererziehungsbe-
dingten Lücken in ihrer Erwerbsbiografie und Frühinva-
liden dürften aber kein Verständnis dafür haben, wenn
Versicherte, die das „Glück“ hatten, 45 Jahre lang Bei-
träge zahlen zu können, und deshalb entsprechend hohe
Rentenansprüche haben, wegen fehlender Abschläge
noch einen zusätzlichen „Bonus“ bekämen.

Viertens. Die Forderung nach einer ungeschmälerten,
abschlagsfreien Rente ignoriert auch die Begründung für
die Abschläge und ist deshalb mit dem Versicherungs-
prinzip unvereinbar: Für die Höhe des Abschlags ist allein
der Rentenbeginn und damit die Rentenlaufzeit aus-
schlaggebend, denn über die gesamte Rentenlaufzeit soll
das Rentenvolumen so bestimmt werden, dass es unab-
hängig vom Rentenbeginn gleich bleibt. Die Zahl der Ver-
sicherungsjahre und das versicherte Entgelt bestimmen
bereits die sich ohne Abschlag ergebende Rentenhöhe.

Fünftens. Ihr Vorschlag würde dazu führen, dass ein
Durchschnittsversicherter nach 45 Beitragsjahren eine ab-
schlagsfreie Altersrente mit 60 Jahren in Höhe von
2 186,10 DM erhalten würde, Versicherte mit ebenfalls
45 Entgeltpunkten, zum Beispiel als Erwerbsminde-
rungsrentner, langfristig wegen der Abschläge jedoch
236,10 DM und Versicherte ohne Erwerbsminderung
sogar 393,50 DM weniger.

Ich bitte daher um Ihr Verständnis, dass die Bundesre-
gierung eine Regelung „Rente ohne Abschläge bei 45 Bei-
tragsjahren“ nicht vorschlagen wird.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416604600
Wir haben jetzt alle ei-
nen Augenblick gezögert, weil wir nach Ihrer Ankündi-
gung einen noch längeren Vortrag erwarteten.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416604700
Frau Präsidentin, wenn
Sie es wünschen, trage ich noch ein bisschen mehr vor.






(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416604800
So war das nicht ge-
meint. – Herr Kollege Fromme zu einer ersten Nachfrage.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1416604900
Herr Staats-
sekretär, in der Vergangenheit hat es doch auch Renten-
verläufe mit 45 Beitragsjahren gegeben, bei denen die
Rentenbezieher vorzeitig in den Ruhestand gegangen
sind, ohne dass eine Rentenkürzung stattgefunden hätte.
Die Kürzung ist erst durch eine Systemänderung einge-
führt worden. Das bedeutet, dass so etwas mit dem Versi-
cherungsprinzip vereinbar gewesen sein muss.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416605000
Herr Abgeordneter
Fromme, ich habe mir natürlich angeschaut, dass Sie
schon der früheren Bundesregierung in diesem Zusam-
menhang Fragen gestellt haben. Sie haben Recht: Es hat
solche Regelungen gegeben, allerdings im Zusammen-
hang mit Vertrauensschutzregelungen. Durch rentenrecht-
liche Änderungen, mit denen das Renteneintrittsalter
angehoben wurde, hat man bestimmten Gruppen, bei-
spielsweise Frauen oder Erwerbslosen oder Menschen,
die einem bestimmten Jahrgang angehörten, einen Ver-
trauensschutz gewährt, damit sie sich auf diese neue
Regelung einstellen konnten. Das ist aber ein ande-
rer – in diesem Falle berechtigter – Begründungszusam-
menhang als der, den ich eben vorgetragen habe.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416605100
Kollege Fromme, eine
weitere Nachfrage, bitte.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1416605200
Herr Staats-
sekretär, empfinden Sie es als gerecht, dass Menschen, die
45 Jahre gearbeitet und voll eingezahlt haben, dann noch
mit Kürzungen rechnen müssen – es sind ja nur relativ we-
nige Menschen, die das in ihrer Erwerbsbiografie über-
haupt noch schaffen –, während andere über Vorruhe-
standsregelungen und Ähnliches früher in den Ruhestand
gehen konnten und keine oder geringere Kürzungen
erfahren haben?


(Beifall des Abg. Walter Hirche [F.D.P.])


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416605300
Nein, Herr Fromme. Ich
will noch einmal versuchen, Ihnen unser Rentenversiche-
rungssystem zu erklären.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie sollen nur die Frage beantworten!)


– Ich will mich gerade bemühen, die Frage zu beantwor-
ten.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416605400
Der Herr Staatssekre-
tär antwortet jetzt auf die Frage des Kollegen Fromme.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416605500
Wenn Sie schreien, bin
ich nicht in der Lage, die Frage zu beantworten.

Unser Rentensystem funktioniert so, dass sich die
Höhe der Rente aus der Dauer der Beitragszahlungen und
aus der Höhe der gezahlten Beiträge ergibt. Dies bedeutet
– ich übertrage das jetzt einmal; das kam auch in meiner
Antwort vor –, dass diejenigen, die das relative „Glück“
hatten, über lange Zeiten Beiträge zahlen zu können, da-
durch auch eine relativ höhere Rente bekommen.

Die spannende Frage, ob jemand, der früher in Rente
geht, eine abschlagsfreie Rente bekommen muss, stellt
sich aufgrund eines ganz anderen Problems. Die Renten-
höhe ergibt sich aus dem Zeitpunkt, zu dem jemand in
Rente geht, und daraus, wie lange eine Rentenleistung
bezogen wird. Es ergäbe eine doppelte Privilegierung,
wenn jemand, der zum Beispiel mit 15 Jahren zu arbeiten
begonnen hat, mit 60 Jahren in Rente geht und damit die
45 Beitragsjahre voll hat, aufgrund dessen eine relativ
hohe Rente erhielte, und jemand anderer, der über die
gleiche Zeit Beiträge gezahlt hat, aber bis zum Alter von
65 Jahren arbeiten muss, erst danach eine Rente beziehen
könnte und diese Rente über eine kürzere Laufdauer be-
zöge.

Von daher ist die Frage der Gerechtigkeit in einem an-
deren Zusammenhang zu sehen. Die Gerechtigkeit stellt
sich über die Rentenbezugsdauer her. Da hier sozusagen
heftige Fragen gestellt wurden – Sie haben schon der al-
ten Bundesregierung ganz ähnliche Fragen gestellt –,
stelle ich Folgendes klar: Die alte Bundesregierung hat
die Abschläge bei frühzeitigem In-Rente-Gehen einge-
führt; die neue Bundesregierung sieht keine Veranlas-
sung, das zu verändern. Ich sage dies, damit wir wissen,
worüber wir reden.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416605600
Es gibt hierzu eine
weitere Nachfrage des Kollegen Peter Dreßen.


Peter Dreßen (SPD):
Rede ID: ID1416605700
Herr Staatssekretär, trifft es zu,
dass das Renteneintrittsalter seit Einführung der Rente
1959 bei Männern bei 65 Jahren liegt und dass unabhän-
gig von den Versicherungszeiten erst ab einem Alter von
65 Jahren Rente bezogen werden kann? Bei Frauen lag
dieses Renteneintrittsalter bei 60 Jahren. Es ist von der al-
ten Bundesregierung sukzessive erhöht worden.


(Renate Blank [CDU/CSU]: Ihr wollt das jetzt aber ändern, nicht?)


Finden Sie nicht, dass die Frage des Kollegen Fromme
daher sehr populistisch ist? Natürlich würde auch ich gern
mit 45 Versicherungsjahren in Rente gehen. Haben Sie
eine Ahnung, wie viel Milliarden D-Mark Mehrein-
nahmen getätigt werden müssten, um eine solche For-
derung zu erfüllen?


(Werner Siemann [CDU/CSU]: Das war ja wieder eine Ergebenheitsfrage!)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416605800
Herr Abgeordneter
Dreßen, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Es steht mir
nicht zu, die Frage des Abgeordneten Fromme in ihrer Art
und Weise zu werten. An mich stellt sich die Anforderung,






(C)



(D)



(A)



(B)


nach bestem Wissen und Gewissen zu antworten. Darum
bemühe ich mich.

Ich gebe eine zweite Antwort. Wir haben bisher in un-
serem Rentenrecht keine Versicherungsleistung nach Ver-
sicherungsdauer, sondern die Rentenleistung ergibt sich
nach dem Renteneintrittsalter. Dieses Eintrittsalter ist
schon immer definiert. Es hat dahin gehend Veränderun-
gen gegeben, dass man frühere Renteneintrittsalter er-
möglicht hat. Diese Möglichkeit schaffte die CDU/F.D.P.-
Regierung ab, indem sie festlegte, dass das allgemeine
und generelle Renteneintrittsalter in Zukunft unter-
schiedslos für Männer und Frauen 65 Jahre betragen wird.
Wer früher in Rente geht, hat mit Abschlägen zu rechnen.

Dies entspricht der Philosophie, die ich eben zu erklä-
ren versucht habe, nämlich dadurch Gerechtigkeit herzu-
stellen, dass man das auf die Rentenlaufdauer und nicht
auf die Zeit, für die man Beiträge bezahlt oder während
der man gearbeitet hat, abstellen muss, denn diese Zeit
führt dazu, dass man wegen längerer Beitragszahlung oh-
nehin eine höhere Rentenleistung erhält.

Im Hinblick auf die Kosten kann ich Ihnen nur sagen,
dass beispielsweise die Übergangsregelung der alten Bun-
desregierung, nach der von Herrn Fromme auch gefragt
worden war, nach einer Aussage des Parlamentarischen
Staatssekretärs Kraus vom 28. September 1997 zu Mehr-
belastungen in der Rentenversicherung von 1,6 Milli-
arden DM geführt hat. Dabei ging es nur um die Vertrau-
ensschutzregelungen für Frauen, für Arbeitslose und für
diejenigen, die Jahrgang 1942 und früher waren und
45 Versicherungsjahre voll hatten. Allein diese Regelung
hat die Rentenversicherung 1,6 Milliarden DM gekostet.

Wenn man sich die Zahl derer anschaut, die unter eine
solche Regelung fallen würden, dann kann ich der Aus-
sage von Herrn Fromme, dass es verschwindend wenige
seien, nicht zustimmen. Es sind relativ viele und relativ
umfangreiche Gruppen, sodass es für die Rentenversiche-
rung ganz erhebliche Finanzlasten bedeuten würde, wenn
man eine solche Regelung einführte.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416605900
Der nächste nachfra-
gende Kollege ist der Abgeordnete Hirche.


Walter Hirche (FDP):
Rede ID: ID1416606000
Herr Staatssekretär, ist es
nicht so, dass ein Teil unserer Probleme mit der Renten-
versicherung daraus resultiert, dass es den so genannten
Eckrentner mit 45 Beitragsjahren heute kaum mehr gibt?


(Peter Dreßen [SPD]: Doch, den gibt es gerade jetzt!)


Die meisten haben doch weniger Rentenjahre. Kann man
deswegen unter Gesichtspunkten von Solidarität und Ge-
rechtigkeit nicht durchaus darüber reden, ob man demje-
nigen, der mit 45 Versicherungsjahren seinen Beitrag
mehr als andere erbracht hat – schließlich haben wir das
Umlageverfahren –, einen kleinen Vorteil gibt, der im
Übrigen weniger ausmachte als all das, was im Zusam-
menhang mit dem Vorruhestand gemacht worden ist?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416606100
Herr Abgeordneter

Hirche, da Sie zum zweiten Mal den Vorruhestand
bemühen, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Sie hier
Äpfel mit Birnen vergleichen. Auch ich finde, dass man
darüber nachdenken kann. Man kann über alles nachden-
ken; das ist überhaupt kein Problem. Ich frage mich nur,
warum Sie nicht in den Zeiten, in denen Sie Regierungs-
verantwortung hatten, intensiver darüber nachgedacht
haben.


(Beifall des Abg. Peter Dreßen [SPD] – Walter Hirche [F.D.P.]: Haben wir!)


Sie haben das Rentenzugangsalter erhöht. Sie haben
das wegen der Finanzprobleme und wegen der demogra-
phischen Entwicklung für notwendig gehalten. Auch wir
sehen diese Notwendigkeit. Wir nehmen die Erhöhung
des Rentenzugangsalters nicht zurück. Ich erkläre Ihnen
noch einmal: Unser Rentensystem funktioniert nach an-
deren Zusammenhängen. Die Rentenhöhe ergibt sich aus
Beitragszeiten und Beitragshöhe. Die Bundesregierung
will an dem einheitlichen Rentenzugangsalter, das wir ha-
ben, nicht rütteln.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416606200
Herr Kollege Niebel,
bitte Ihre Nachfrage.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1416606300
Herr Kollege Andres, es gibt ja
bei der Rentenversicherung drei Variablen: zum Ersten
den Beitragssatz, zum Zweiten das Rentenniveau und
zum Dritten die Lebensarbeitszeit. Wenn ich mich recht
entsinne, haben Sie in Ihrem Konzept sowohl den Bei-
tragssatz als auch das Rentenniveau festgelegt. Die letzte
Variable ist also die Lebensarbeitszeit. Haben Sie denn
vor, diese zu erhöhen? Offenkundig wollen Sie sie nicht
besser ausschöpfen. Die Lebensarbeitszeit ist die letzte
Stellschraube, die Sie haben, um die generationenunge-
rechte Rentenregelung, die Sie diesem Hause vorlegen
wollen, umzusetzen.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416606400
Herr Abgeordneter, ich
bitte um Verständnis: In Ihrer Frage waren so viele Be-
hauptungen und Unterstellungen, dass ich nicht in der
Lage bin, darauf einzugehen, ohne umfangreich zu ant-
worten. Ich stelle nur fest, dass sich dieses Haus gerade
mit einer umfassenden Rentenreform befasst und dass
diese Regierung immer mitgeteilt hat: Eine Erhöhung des
Rentenzugangsalters kommt unter gegenwärtigen Bedin-
gungen für uns nicht in Frage.

Ich kann mich auch nicht erinnern, dass Frau Schwaetzer
oder andere in diesem Zusammenhang – und sei es nur in
Parteiengesprächen – konkret den Antrag erhoben hätten,
diese Grenze auf 66, 67, 68 oder mehr Jahre anzuheben.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das haben wir auch nicht vor! Es geht um Ihre Haltung! Wir wollen das nicht! Aber Sie!)


– Meine Haltung habe ich gerade zum Ausdruck gebracht:
Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, das Rentenzu-
gangsalter gegenwärtig auf mehr als 65 Jahre zu erhöhen.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Sagen Sie das doch!)





Parl. Staatssekretär Gerd Andres

16225


(C)



(D)



(A)



(B)


Was im Jahre 2012, 2015 oder 2025 ist, weiß ich nicht, das
werden wir dann sehen. Das bleibt abzuwarten.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416606500
Jetzt rufe ich die
Frage 11 der Kollegin Birgit Schnieber-Jastram auf:

Auf welcher offiziellen Statistik oder Berechnungsgrund-
lage beruht die in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung vom
6. April 2001 geäußerte Angabe des Bundeskanzlers Gerhard
Schröder, im letzten Jahr der Regierung Kohl habe es in Deutsch-
land 4,8 Millionen Arbeitslose gegeben?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416606600
Frau Präsidentin, mich
hat im Vorfeld der Beantwortung dieser Frage die Bot-
schaft erreicht, wegen meiner zu erwartenden unzurei-
chenden Beantwortung dieser Frage werde eine Aktuelle
Stunde beantragt. Ich weiß nicht, ob das zutreffend ist.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Sie müssen sie nur ordentlich beantworten! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Ich will hier nur noch einmal versichern, dass ich nach
bestem Wissen und Gewissen antworten möchte.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Ob das reicht, ist die Frage!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416606700
Auch ich möchte be-
tonen, dass zunächst einmal jedem Staatssekretär und je-
der Staatssekretärin die Chance gegeben werden muss,
ausreichend zu antworten. Dem Präsidium liegt – aber das
ist auch so üblich – bisher kein entsprechender Antrag vor.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416606800
In der Runde davor,
Frau Präsidentin, war ja von den Plenarprotokollen des
Deutschen Bundestages die Rede sowie davon, wer in der
Bevölkerung sie liest und wer nicht. Deswegen war mir
diese Vorbemerkung wichtig.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416606900
Wenn wir so weiter-
machen, werden unsere Protokolle wirklich bald gelesen;
das wäre vielleicht auch nicht so schlecht.


(Heiterkeit)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416607000
Das erscheint alles re-
lativ wichtig. So muss das sein.

Frau Schnieber-Jastram, die Antwort auf Ihre Frage
lautet: Diese Aussage basiert auf den offiziellen Statisti-
ken der Bundesanstalt für Arbeit. Danach lag die Zahl der
Arbeitslosen im Januar 1998 bei rund 4,823 Millionen
und im Februar 1998 bei rund 4,819Millionen Menschen.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das war es schon?)

– Soll ich die Frage noch einmal vorlesen, damit Sie wissen,
worauf ich geantwortet habe, Herr Niebel? Kann er lesen?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416607100
Die erste Nachfrage
von Frau Schnieber-Jastram.


Birgit Schnieber-Jastram (CDU):
Rede ID: ID1416607200
Herr Staats-
sekretär, ist Ihnen wie mir bekannt, dass der Jahresdurch-
schnitt bei 4,2 Millionen Arbeitslosen lag?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416607300
Ich will es noch einmal
sagen, Frau Schnieber-Jastram: Sie haben gefragt, auf
welcher offiziellen Statistik oder Berechnungsgrundlage
die Angabe von 4,8 Millionen Arbeitslosen beruht. Dazu
will ich festhalten: Diese beruht darauf, dass wir im letz-
ten Jahr der Regierung Kohl im Januar und im Februar mit
über 4,8 Millionen gemeldeten Arbeitslosen den absolu-
ten Höchststand der 90er-Jahre und damit – bis in die
50er-Jahre zurück – das absolute Rekordergebnis an Ar-
beitslosigkeit in diesem Land hatten. Darauf habe ich
mich bezogen.


(Walter Hirche [F.D.P.]: Hier ist bewusst der Einzelmonat mit dem Jahresdurchschnitt verwechselt worden! Das werden wir uns für künftige Auseinandersetzungen merken!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416607400
Frau Schnieber-
Jastram.


Birgit Schnieber-Jastram (CDU):
Rede ID: ID1416607500
Sehr ge-
ehrter Herr Staatssekretär, ich finde es schon ziemlich
erstaunlich, dass für den Jahresdurchschnitt nur zwei Mo-
nate genommen wurden. In dem Artikel der „Bild“-Zei-
tung ist der Kanzler von dem Jahreswert ausgegangen.
Man kann schwerlich einen Jahreswert von 4,8 Millionen
Menschen nennen, wenn dieser tatsächlich bei 4,2 Milli-
onen lag.

Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Kann es sein,
dass der jetzige Bundeskanzler auch deswegen ein biss-
chen durcheinander war, weil in dem Land Niedersach-
sen, in dem er damals die Verantwortung trug, fast die
höchste Arbeitslosenquote in der Bundesrepublik ge-
herrscht hat, nämlich 12,3 Prozent?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416607600
Frau Kollegin, zur Be-
antwortung muss ich Ihnen noch einmal Ihre Frage vorle-
sen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie hat eine Zusatzfrage gestellt!)


Sie haben gefragt:
Auf welcher offiziellen Statistik oder Berechnungsgrundlage

beruht die in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung vom
6. April 2001 geäußerte Angabe des Bundeskanzlers Gerhard
Schröder, im letzten Jahr der Regierung Kohl habe es in Deutsch-
land 4,8 Millionen Arbeitslose gegeben?

Daraufhin habe ich Ihnen geantwortet, dass es im Ja-
nuar und Februar des Jahres 1998 4,8 Millionen Arbeits-
lose gegeben hat. Sie haben nach der offiziellen Statistik
oder Berechnungsgrundlage gefragt.


(Birgit Schnieber-Jastram [CDU/CSU]: Das ist keine Antwort auf meine Frage!)


– Gut.




Parl. Staatssekretär Gerd Andres
16226


(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416607700
Es gibt eine Nach-
frage des Kollegen Meckelburg und des Kollegen Niebel.


(Peter Dreßen [SPD]: Es hätte mich gewundert, wenn Herr Niebel nicht gefragt hätte!)



Wolfgang Meckelburg (CDU):
Rede ID: ID1416607800
Herr Staatsse-
kretär, Sie haben vor Beginn Ihres – so will ich es einmal
nennen – Beantwortungsversuchs gesagt, Sie wollten al-
les klarlegen, damit es hierzu keine Aktuelle Stunde gibt.
Ich möchte noch einmal Gerhard Schröder aus der „Bild“-
Zeitung zitieren: Im letzten Jahr der Regierung Kohl habe
es in Deutschland 4,8 Millionen Arbeitslose gegeben. –
Sie haben richtigerweise festgestellt: Dies war im Januar
so.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416607900
Und im Februar, damit
wir korrekt sind.


Wolfgang Meckelburg (CDU):
Rede ID: ID1416608000
Und im Fe-
bruar.

Würden Sie uns bitte die Arbeitslosenzahlen der darauf
folgenden zehn Monate des Jahres 1998 nennen, damit
wir zu einer wirklichen Aufklärung kommen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416608100
Im Januar waren es
4,823 Millionen Arbeitslose – das ist die Statistik, auf die
ich mich bezogen habe –, im Februar 4,819 Millionen, im
März 4,623 Millionen, im April 4,421 Millionen


(Birgit Schnieber-Jastram [CDU/CSU]: Weniger als heute!)


– nicht weniger als heute, gnädige Frau, darauf kommen
wir gleich –, im Mai 4,197 Millionen, im Juni 4,075 Mil-
lionen, im Juli 4,135 Millionen, im August 4,095 Milli-
onen, im September 3,965 Millionen, im Oktober
3,892 Millionen, im November 3,946 Millionen und im
Dezember 4,197 Millionen Arbeitslose.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wenigstens kann er lesen!)


– Das ist die korrekte Beantwortung der Frage des Kolle-
gen Meckelburg. Er hat genau nach diesen Daten gefragt.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Liest sich schon ganz anders! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die erste Frage, die korrekt beantwortet wurde!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416608200
Nächster Nachfragen-
der ist der Kollege Dirk Niebel.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1416608300
Herr Staatssekretär, Sie haben
gerade richtigerweise vorgelesen, dass im September
1998 3,965 Millionen Menschen bei uns arbeitslos ge-
meldet waren. Wie ist das denn vor dem Hintergrund der
heutigen Arbeitslosigkeit zu sehen? Heute verlassen pro
Jahr 250 000 Menschen mehr den Arbeitsmarkt, als hin-

zukommen. Worin besteht denn Ihrer Ansicht nach der
tatsächliche Rückgang der Arbeitslosigkeit?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416608400
Zunächst einmal will
ich festhalten – bei der nächsten Frage der Kollegin
Schnieber-Jastram werde ich noch einmal darauf zurück-
kommen –, dass es im Jahresdurchschnitt 1998 – es ist ja
gefragt worden: „Auf welcher Statistik oder Berech-
nungsgrundlage ...“ – 4,279 Millionen Arbeitslose gab.
Der Kanzler hat gesagt: Im Jahr gab es 4,8 Millionen. Das
stimmt.

Im Jahresdurchschnitt 1999 gab es 4,099 Millionen Ar-
beitslose. Das bedeutet einen Rückgang von 180 000 im
Jahresdurchschnitt. Im Jahresdurchschnitt 2000 gab es
3,889 Millionen Arbeitslose, war also nochmals ein Rück-
gang von über 200 000 zu verzeichnen. Wir gehen davon
aus – darauf weisen die Daten, auch die April-Daten,
hin –, dass wir im Jahresdurchschnitt rund 200 000 Ar-
beitslose weniger haben werden als im Vorjahr, was
faktisch bedeutet, dass im Jahresdurchschnitt der letzten
beiden Jahre die Arbeitslosigkeit um rund 400 000 zurück-
gegangen ist und am Ende dieses Jahres wahrscheinlich
um 600 000 zurückgegangen sein wird.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Ich glaube, die Aktuelle Stunde wird nötig sein!)


– Auf die Aktuelle Stunde bereiten wir uns schon alle vor.
Wir freuen uns schon richtig darauf.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416608500
Jetzt fragt aber erst
einmal der Kollege Singhammer nach.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1416608600
Herr Staatsse-
kretär, könnte es sein, dass sich der Bundeskanzler erneut
versprochen hat und dass Sie in Ihrer Antwort bewusst auf
den Jahresbeginn, nicht aber auf den September Bezug
nehmen, als die Regierung gewechselt hat? Der Bundes-
kanzler hat schon im Januar dieses Jahres zunächst gesagt,
sein Ziel sei es, eine Million Arbeitslose abzubauen, um
dann mitzuteilen, dies sei ein Versprecher gewesen, und
darauf hinzuweisen, dass auch älteren Pferden gelegent-
lich so etwas passiere. Könnte dieses Sich-ständig-Ver-
sprechen auch hier vorliegen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416608700
Nein. Ich habe darauf
hingewiesen, dass sich der Bundeskanzler mit seiner
Äußerung auf den Höchststand unter der alten Regierung
Kohl bezogen hat, der im Frühjahr des Jahres 1998
4,8 Millionen und mehr betragen hat.

Wenn ich noch ein paar Erklärungen über den Ar-
beitsmarktverlauf im Jahre 1998 hinzufügen darf, will ich
darauf hinweisen – ich wäre dankbar, wenn Sie mich da-
nach fragten; denn dann würde ich Ihnen die konkreten
Zahlen vorlesen –, dass Sie damals über Wahlkampf-
ABM und das kurzfristige Zurverfügungstellen von
5 Milliarden DM die Anzahl der Arbeitsbeschaffungs-
maßnahmen in der Zeit von Anfang des Jahres bis zum






(C)



(D)



(A)



(B)


Ende des Jahres auf nahezu das Zweieinhalbfache erhöht
haben.

Es gibt also eine Reihe von Erklärungen, über die wir
gerne diskutieren können. Das werden wir in der Aktuel-
len Stunde auch tun. Darauf werden wir zurückkommen.
Ich will heute nur sagen: Der Bundeskanzler hat sich nicht
versprochen.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Dieses Mal nicht!)


Er hat vielmehr von dem Höchststand der Arbeitslosigkeit
gesprochen. Die Arbeitslosenzahlen liegen heute deutlich
darunter. Wenn Sie sich die Zahlen dieses Monats anse-
hen, so werden Sie feststellen, dass die Reduzierung um
eine Million gegenüber dem Höchststand längst erreicht
ist.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Saisonbereinigt steigt die Arbeitslosigkeit!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416608800
Bevor ich dem nächs-
ten Nachfragenden das Wort erteile, möchte ich dem Kol-
legen Johannes Singhammer im Namen aller Kolleginnen
und Kollegen herzlich zum Geburtstag gratulieren. Im-
merhin kann nicht jeder an seinem Geburtstag eine Frage
an die Bundesregierung stellen.


(Heiterkeit und Beifall)

Jetzt ist der Kollege Peter Dreßen mit einer Nachfrage

an der Reihe.


Peter Dreßen (SPD):
Rede ID: ID1416608900
Herr Staatssekretär, ich wollte
Sie jetzt sowieso fragen: Ist Ihnen bekannt, wie viele Mil-
liarden und wie viele Arbeitsverhältnisse es ausgemacht
hat, dass im Jahre 1998 gezielt so genannte Wahl-ABM
von der Regierung initiiert worden sind? Können Sie sa-
gen, inwieweit dies den Arbeitsmarkt beeinflusst hat, und
vor allen Dingen, wie lange diese AB-Maßnahmen ge-
dauert haben? Meines Wissens haben sie alle im Oktober
wieder geendet.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416609000
Herr Dreßen, ich bin Ih-
nen für diese Frage außerordentlich dankbar.


(Walter Hirche [F.D.P.]: Frau Hildebrandt und Herr Holter wollten sie alle behalten!)


Ich war auf diese Frage präpariert, weil sie natürlich auch
etwas über den Arbeitsmarktverlauf des Jahres 1998 aus-
sagt.

Anfang des Jahres 1998 war die Zahl der ABM-Stellen
auf unter 140 000 gefallen. Sie können sich sicherlich da-
ran erinnern, dass es mit der alten Bundesregierung harte
Auseinandersetzungen über diesen ständigen Stop-and-
go-Kurs – aktive Maßnahmen hoch und wieder runter fah-
ren – gab. Es wurden zunächst Kürzungen vorgenommen
und dann im Frühjahr des Jahres 1998 bei der Bundesan-
stalt für Arbeit kurzfristig 5 Milliarden DM mobilisiert,
die dann im Januar zu 131 500, im Februar zu 129 100, im
März zu 135 900, im April zu 152 700, im Mai zu 176 000,
im Juni zu 209 900, im Juli zu 241 200, im August zu

262 400 und im September zu 281 000 ABM-Stellen ge-
führt haben. Im Oktober waren es – man erinnere sich an
den Wahltermin – 297 300; also von rund 130 000 um
knapp 170 000 hochgefahren. Im November gab es
302 100 ABM-Stellen und im Dezember sank die Zahl auf
284 300.

Wer sich die weiteren Verläufe ansieht, muss dabei be-
denken, dass auf der einen Seite ABM-Stellen kurzfristig
geschaffen werden können – es wurde auch öffentlich auf-
gefordert, irgendjemand für ein halbes oder ein Vierteljahr
zu beschäftigen –, aber auf der anderen Seite die Mehr-
zahl der Maßnahmen eine einjährige Bindung zur Folge
hat, sodass die eingeleitete Bugwelle bis ins Jahr 1999
Wirkung entfaltet hat.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416609100
Nächster Nachfragen-
der ist der Kollege Laumann.


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1416609200
Herr Kollege
Andres, noch einmal zurück zu dem Umfang der ABM-
Stellen: Können Sie uns vortragen, wie sich im Jahre
1999, nach dem Regierungswechsel, unter Ihrer Regie-
rung die ABM-Stellen entwickelt haben?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416609300
Wollen Sie die kom-
plette Zeitreihe haben?


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Mir reicht das Jahr nach dem Regierungswechsel!)


Wir waren im Dezember 1998 mit 284 300 Stellen ge-
startet. Im Januar 1999 betrug die Zahl der ABM-Stellen
255 000, im Februar 253 000, im März 257 000, im April
261 000, im Mai 253 000, im Juni 239 000, im Juli
226 000, im August 216 000, im September 206 000, im
Oktober 204 000, im November 204 000 und im Dezem-
ber 195 000.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Ziemlich viel!)

Ich will in diesem Zusammenhang wiederholen, was

ich in meiner Antwort auf die vorige Frage bereits gesagt
habe: Wer über Wirkungsweisen von ABM Bescheid weiß,
muss feststellen, dass im Sommer des Jahres 1998 die Ur-
sachen für die hohe Bugwelle gelegt wurden. Man muss
weiter wissen, dass man die eingeleiteten Wirkungen ab-
brechen kann. Da aber die neue Bundesregierung aus-
drücklich der Meinung war, dass die Arbeitsmarktprozesse
verstetigt werden sollten, und das System von ABM nicht
zusammenbrechen lassen wollte, hat sie die Arbeitsbe-
schaffungsmaßnahmen verstetigt, um sie, wie ich meine,
in vernünftiger Weise langsam nach unten zu entwickeln.

Wie Sie auch wissen, haben wir es im Übrigen durch
bestimmte gesetzliche Änderungen den Arbeitsämtern
vor Ort überlassen, welche Instrumente sie einsetzen; das
heißt, ob sie eher Qualifizierung, SAM oder ABM ma-
chen wollen. Dadurch sind die Maßnahmen in vernünfti-
ger Weise stabilisiert worden.


(Beifall bei der SPD)

Das war eine weitere nette Frage. Ich bin richtig be-

geistert.




Parl. Staatssekretär Gerd Andres
16228


(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416609400
Jetzt hat Kollege
Wiese das Wort.


Heinz Wiese (CDU):
Rede ID: ID1416609500
Herr Staatsse-
kretär, ich möchte auf den Kern der Frage unserer Kolle-
gin Schnieber-Jastram zurückkommen: Halten Sie es für
denkbar, dass der Bundeskanzler bei der Arbeitslosigkeit
im Jahre 1998 statt der Durchschnittsgröße von 4,2 Milli-
onen Menschen bewusst dem Höchststand von 4,8 Milli-
onen im Januar bzw. Februar genannt hat, um auf diese
Weise zu versuchen, seine bisher wenig erfolgreiche Ar-
beitsmarktpolitik in ein besseres Licht zu rücken? Ge-
schah dies vielleicht vor dem Hintergrund seiner Aussage,
wir hätten demnächst in Deutschland eine Arbeitslosig-
keit von nur noch 3 Millionen zu verzeichnen, die er ei-
nen Tag später auf 3,5 Millionen Menschen korrigierte?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416609600
Nein, ich halte das nicht
für denkbar.


(Lachen bei der CDU/CSU)

– Der Abgeordnete hat gefragt, ob ich das für denkbar
halte. Meine Antwort lautet schlicht Nein.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416609700
Der nächste Fragestel-
ler ist der Kollege Dr. Klaus Grehn.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1416609800
Herr Staatssekretär, in den
elf Jahren, in denen ich in der Arbeitslosenbewegung tätig
war, wurden viele Zahlen genannt und wurde oft davon
gesprochen, dass nun Licht am Ende des Tunnels erkenn-
bar und die Talsohle durchschritten sei. Können Sie mir
im Namen der Bundesregierung bitte sagen, was die be-
troffenen Arbeitslosen von der heutigen Zahlenrechnerei
und Diskussion halten sollen und was sie davon haben,
insbesondere jene Arbeitslosen, die langzeitarbeitslos
sind und bereits damals zu den 4,8 Millionen Arbeitslosen
zählten und sich auch noch heute unter den 3,8 Millionen
Arbeitslosen befinden? Erwarten diese nicht vielmehr,
dass sich der Bundestag mit der Schaffung von Arbeits-
plätzen anstatt mit der Interpretation von Zahlen befasst?


(Peter Dreßen [SPD]: Da haben Sie Recht!)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416609900
Ich denke, dass Sie mit
dem zweiten Teil Ihrer Frage völlig Recht haben. Deswe-
gen haben wir in diesem Hause schon mehrfach – zuletzt,
wenn ich das richtig in Erinnerung habe, am 5. April – in
Aktuellen Stunden über den richtigen Weg in der Arbeits-
marktpolitik gestritten und diskutiert. Wir haben auch
eine ganze Reihe von gesetzgeberischen Maßnahmen auf
den Weg gebracht. Herr Abgeordneter Grehn, Sie wissen,
dass wir beabsichtigen, die Änderung des SGB III hin-
sichtlich der arbeitsmarktpolitischen Instrumente für den
Vermittlungsprozess und ein paar anderer Fragen noch in
diesem Jahr anzugehen. Das werden wir auch tun.

Ich bin der Meinung – das habe ich schon dargelegt –,
dass 4,8 Millionen Arbeitslose im Frühjahr 1998 der ab-
solute Höchststand waren. Im selben Jahr war auch die
Steuer- und Abgabenquote am höchsten. Hinzu kam die

höchste Staatsverschuldung. Dass das alles die Bevölke-
rung nicht besonders erfreut, war klar. Das hat sich auch
im Wahlergebnis ausgedrückt. Wir tun jetzt alles, um die
Arbeitslosigkeit Jahr für Jahr Stück für Stück zu senken.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416610000
Der Kollege Fromme
stellt die nächste Nachfrage.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1416610100
Herr Staats-
sekretär, es geht um die tatsächliche Entwicklung auf dem
Arbeitsmarkt. Man kann ja auch durch Ändern der statis-
tischen Kriterien und entsprechende Einschätzung der
demographischen Entwicklung etwas „bewirken“. Kön-
nen Sie einmal sagen, wie sich die Zahlen der geleisteten
Arbeitsstunden entwickelt haben? Das ist ein wesentlich
besserer Indikator.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416610200
Herr Abgeordneter, es
tut mir Leid, diese Zahlen liegen mir gegenwärtig nicht
vor. Ich kann Ihre Frage aus dem Stegreif nicht beantwor-
ten. Ich bitte um Verständnis. Aber ich kann Ihnen die
Zahl nachreichen.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das wäre nett!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416610300
Herr Kollege Schauerte,
Ihre Zusatzfrage, bitte.


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1416610400
Herr Staatssekre-
tär, ich möchte die Zahl der AB-Maßnahmen sozusagen
vor die Klammer stellen. Man kann wohl davon ausgehen,
dass diese Zahl im Januar 1998 bei etwa 200 000 lag und
damit genauso hoch war wie heute.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416610500
Nein, im Januar 1998
gab es rund 131 000 AB-Maßnahmen. Ich sage das nur,
damit wir nicht mit falschen Zahlen operieren.


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1416610600
Das verbessert ei-
gentlich meine Ausgangsposition. Aber ich möchte, wie
gesagt, die Zahl der AB-Maßnahmen vor die Klammer
stellen, um meine Frage einfach zu halten.

Im Januar 1998 – diese Zahl ist wohl richtig – gab es
4,8 Millionen Arbeitslose.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416610700
Es gab mehr Arbeits-
lose. Die Zahl lag ein bisschen höher.


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1416610800
Im Dezember 1999
gab es 3,9 Millionen Arbeitslose. Auch heute gibt es
3,9 Millionen


(Peter Dreßen [SPD]: 3,8 Millionen!)

– in Ordnung, 3,8 Millionen – Arbeitslose. Worin besteht
eigentlich der Unterschied zwischen damals und heute,






(C)



(D)



(A)



(B)


wenn es am Ende des letzten Regierungsjahres der alten
Koalition 3,9 Millionen Arbeitslose gab und es jetzt
3,8 Millionen Arbeitslose gibt? Wo sind der Fortschritt
und der Abbau der Arbeitslosigkeit geblieben? Können
Sie mir erklären, wie der Bundeskanzler in dem denk-
würdigen Interview mit der „Bild“-Zeitung, in dem er ge-
sagt hat, dass es kein Recht auf Faulheit gebe, behaupten
konnte, dass es 1 Million Arbeitslose weniger gebe, seit er
regiere? Diese Zahl möchte ich von Ihnen gerne einmal
verifiziert haben.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416610900
Herr Abgeordneter
Schauerte, eigentlich bin ich nicht bereit, irgendetwas so-
zusagen vor die Klammer zu stellen. Was den Arbeits-
markt angeht, muss man schauen, wie die Berechnungen
der Zahl der Arbeitslosen zustande kommen. Es geht zum
Beispiel darum, ob Menschen in bestimmten Maßnahmen
tätig sind oder nicht. Sie wissen so gut wie ich, dass es
über die Berechnung der Zahl der Arbeitslosen 1998 eine
wichtige Auseinandersetzung gab. Gestern hat ein Kol-
lege aus Ihrer Fraktion öffentlich gefordert – er sprach so-
zusagen für die neuen Bundesländer –, es dürfe auf kei-
nen Fall so etwas wie Wahlkampf-ABM geben. Ich finde
das besonders pikant, wenn ich bedenke, wer 1998, und
zwar ganz massiv – nach dem Motto „Koste es, was es
wolle“ –, sozusagen Wahlkampf-ABM gemacht hat. Das
will ich Ihnen zu diesem Punkt sagen.

Damit wir nur das vergleichen, was vergleichbar ist,
nenne ich Ihnen die Arbeitslosenzahlen des Monats April
der vergangenen Jahre: Im April des Jahres 1998 lag die
Zahl der Arbeitslosen bei 4,421 Millionen; im April des
Jahres 1999 lag die Zahl der Arbeitslosen bei 4,145 Mil-
lionen. Im April 1999 war die Arbeitslosenzahl im Ver-
gleich zum April 1998 also um etwas weniger als 300 000
gesunken. Im April des Jahres 2000 lag die Zahl der Ar-
beitslosen bei 3,986 Millionen. Im Vergleich zum April
1999 war die Zahl der Arbeitslosen also erneut gesunken,
diesmal um knapp 160 000. Im April dieses Jahres – das
sind die aktuellsten Zahlen zu diesem Bereich, über die
wir verfügen – liegt die Zahl der Arbeitslosen bei
3,868 Millionen. Pi mal Daumen gerechnet, ist die Zahl
der Arbeitslosen zwischen April 1998 und April 2001 um
über 550 000 gesunken.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wo ist die 1 Million vom Kanzler?)


Sie fragen: Wo hat sich etwas verändert? Die Änderung
besteht offensichtlich darin, dass wir in den letzten drei
Jahren die Zahl der Arbeitslosen jeweils um rund 200 000
reduziert haben. Es ist erst einmal ganz wichtig, das fest-
zuhalten; denn es ist ein Erfolg dieser Regierung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Wo ist die Million des Kanzlers?)


– Wir können von vorne anfangen und ich lese Ihnen die
Antwort vor, die ich Ihrer Kollegin schon gegeben habe.
Es wurde danach gefragt, worauf sich der Kanzler bezo-
gen hat. Ich habe gesagt: Der Kanzler hat sich auf den
Höchststand der registrierten Arbeitslosigkeit in der
Nachkriegszeit bezogen. Dieser Höchststand lag – Ihre

Partei regierte damals – bei mehr als 4,8 Millionen Men-
schen. Von diesem Wert haben wir uns – das kann ich Ih-
nen sagen – deutlich entfernt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Da müssten Sie aber rot-grün werden!)


– Nein, das muss ich nicht.
Warten Sie doch einfach einmal die Antwort auf die

zweite Frage von Frau Schnieber-Jastram ab. Im An-
schluss daran können Sie nachfragen und wir können wei-
ter darüber sprechen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416611000
Herr Kollege
Siemann, Ihre Nachfrage, bitte.


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1416611100
Herr Staatssekretär,
können Sie uns vor dem Hintergrund Ihrer teilweise un-
zureichenden Antworten einmal Aufklärung darüber ge-
ben, was das JUMP-Programm der Regierung im Hin-
blick auf die Arbeitslosenzahlen bewirkt hat?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416611200
Frau Präsidentin, teilen
Sie mir bitte mit, wie umfangreich ich diese Frage beant-
worten darf. Ich weise darauf hin, dass der Abgeordnete
Hinsken eine ausführliche Frage zum JUMP-Programm
gestellt hat, für deren Beantwortung ich ganz viele Mate-
rialien habe. Ich weiß jetzt nicht, wie wir verfahren sollen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416611300
Es handelt sich um die
Frage 14 des Kollegen Hinsken. Es macht durchaus Sinn,
wenn Sie die Zusatzfrage des Abgeordneten Siemann zu-
sammen mit der Frage 14 des Kollegen Hinsken beantwor-
ten.

Ich rufe Frage 12 der Kollegin Birgit Schnieber-
Jastram auf:

Wie ist vor dem Hintergrund, dass die offizielle Erwerbslo-
senstatistik für den September 1998 eine Erwerbslosenzahl von
3 965 328 verzeichnet, bei dem derzeitigen Stand der Arbeitslo-
sigkeit die Angabe des Bundeskanzlers Gerhard Schröder in dem-
selben Interview zu verstehen, seit seiner Regierungszeit habe die
Arbeitslosenzahl um 1 Million abgenommen?

Bitte, Herr Staatssekretär.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416611400
Die Arbeitsmarktsitua-
tion in Deutschland hat sich aufgrund der Reformpolitik
der Bundesregierung 1999 und 2000 gegenüber den Vor-
jahren verbessert. Im Vergleich zu den oben genannten
Zahlen für Januar und Februar 1998, die den Höchststand
der Arbeitslosigkeit in Deutschland kennzeichneten, lag
die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt 2000 bei
3,889 Millionen. Gleichzeitig hat sich seit Amtsantritt der
Bundesregierung die Zahl der Erwerbstätigen um rund
1 Million erhöht.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416611500
Frau Schnieber-
Jastram, die erste Nachfrage, bitte.




Hartmut Schauerte
16230


(C)



(D)



(A)



(B)



Birgit Schnieber-Jastram (CDU):
Rede ID: ID1416611600
Herr Staats-
sekretär, teilen Sie die Einschätzung, das Ergebnis Ihrer
Arbeitsmarktpolitik sei, dass die Arbeitslosenzahlen Ihrer
Regierungszeit weit hinter den Erwartungen des Bundes-
kanzlers zurückgeblieben sind?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416611700
Nein. Die Frage, ob ich
die Einschätzung teile, kann ich schlicht mit Nein beant-
worten; denn ich teile diese Einschätzung nicht.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416611800
Ich gehe davon aus,
dass Frau Schnieber-Jastram eine zweite Nachfrage stel-
len möchte. Bitte.


Birgit Schnieber-Jastram (CDU):
Rede ID: ID1416611900
Herr Staats-
sekretär, ich möchte gerne wissen, ob nach Kenntnis der
Bundesregierung der Bundeskanzler bereits bei seinen
Ausführungen in dem Interview mit der „Bild“-Zeitung
vom 6.April die neuesten Wachstumsprognosen von circa
2 Prozent berücksichtigt hat oder ging er zu diesem Zeit-
punkt noch von einem Wachstum von etwa 3 Prozent aus?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416612000
Ich sage jetzt, was ich
glaube. Da es zu dieser Zeit noch keine veränderten Da-
ten für die Bundesregierung gab – die sind, glaube ich,
später mitgeteilt worden –, galten noch die Daten, die wir
im Herbst vergangenen Jahres als die ökonomischen Eck-
daten für alle Planungen wie Haushalt und anderes zu-
grunde gelegt haben.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416612100
Herr Kollege
Schauerte, Ihre Frage, bitte.


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1416612200
Herr Staatssekre-
tär, Sie haben gerade gesagt, dass wir statistisch 1 Million
mehr Erwerbstätige haben. Können Sie mir Aufklärung
darüber geben, wie viele in etwa von diesen zusätzlichen
Erwerbstätigen ehemalige 630-DM-Beschäftigte oder ge-
ring verdienende Beschäftigte waren?


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es! 2 Millionen!)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416612300
Herr Schauerte, dass
kann ich aus dem Stand nicht tun.


(Zuruf von der CDU/CSU)

– Quatsch! – Ich bin aber gerne bereit, Ihnen das nachzu-
liefern.

Sie müssen wissen, dass auch in den alten Erwerbstäti-
genzahlen aufgrund unterschiedlicher Verfahren – Mikro-
zensus und Ähnliches – natürlich eine bestimmte Quote
von geringfügig Beschäftigten unterstellt war. Nun haben
wir mit unserer gesetzlichen Neuregelung über die Be-
schäftigung von Menschen unterhalb der 630-Mark-
Grenze deutlichere und genauere Daten bekommen.

Diese Daten werden nach Erhebung Stück für Stück in die
statistischen Grundlagen des Statistischen Bundesamtes
einbezogen und die Zahlen, die ja immer auf Schätzungen
beruhten, werden rückwirkend interpoliert. Das ist ein
ganz kompliziertes Verfahren.

Ich bin jetzt nicht in der Lage, Ihnen die konkrete Zahl
zu nennen. Ich bin aber gerne bereit, das nachzuliefern.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416612400
Herr Dr. Grehn, Ihre
Nachfrage, bitte.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1416612500
Herr Staatssekretär, obwohl
ich mich nicht an Zahlendiskussionen beteiligen wollte
– Zahlen benennt man, und dann sagt man, was man tut –,
will ich Sie trotzdem fragen: Sie haben auf die Nachfrage
nach der 1 Million Arbeitslosen, die es weniger sind, mit
der Januar-Zahl und mit einer Durchschnittszahl geant-
wortet. Ist es nicht richtiger, die Januar-Zahl mit der Ja-
nuar-Zahl zu vergleichen? 4,8 Millionen aus Januar 1998
vergleichen Sie dann von mir aus mit Januar 2000, dort
hatten Sie 4,2 Millionen Arbeitslose. Oder ist es nicht
auch richtig, Jahresdurchschnitt mit Jahresdurchschnitt zu
vergleichen und dann zu sagen, wohin man gekommen ist,
um sich nicht Täuschungen hinzugeben?


(Beifall bei der PDS – Dirk Niebel [F.D.P.]: Da hat Herr Grehn mal ausnahmsweise Recht!)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416612600
Herr Abgeordneter
Grehn, ich darf Sie auf die Frage der Abgeordneten
Schnieber-Jastram hinweisen. Sie hat gefragt, auf welche
statistischen Größen oder Größenordnungen man sich be-
ziehe. Dazu will ich noch einmal festhalten – ich beant-
worte jetzt Ihre Frage –: Im Jahre 1998 gab es den abso-
luten Höchststand an registrierter Arbeitslosigkeit in der
Nachkriegsgeschichte dieses Landes mit mehr als
4,8 Millionen Arbeitslosen. Auf diese Größenordnung ha-
ben wir uns bezogen und das habe ich hier mehrfach ge-
sagt.

Ich will übrigens darauf hinweisen, dass Frau
Schnieber-Jastram in ihrer zweiten Frage sich auch nicht
auf den Jahresdurchschnitt bezogen hat, sondern auf die
Arbeitslosenzahl im September von 3,965 Millionen.
Schauen Sie sich einmal die Frage an. Das hat sie natür-
lich bewusst getan, weil da die Zahl unter 4 Millionen lag.

Selbstverständlich ist es im politischen Verfahren klar,
dass wir unter uns Jahresdurchschnittszahlen oder Spit-
zenwerte miteinander vergleichen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Dann sollte der Kanzler das auch tun!)


Immer, wenn ich hier gefragt worden bin, habe ich die ent-
sprechenden Zahlen miteinander verglichen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sagen Sie das mal Ihrem Kanzler! Dann hört das Täuschen auf! – Dirk Niebel [F.D.P.]: Das war aber eine klasse Antwort, Herr Grehn! Die hat Sie doch zufrieden gestellt!)







(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416612700
Jetzt ist der Kollege
Meckelburg mit seiner Nachfrage dran.


Wolfgang Meckelburg (CDU):
Rede ID: ID1416612800
Zumindest ist
bisher klar geworden, dass Sie den Versuch machen, so-
gar mithilfe des Bundeskanzlers, hier Zahlen miteinander
zu vergleichen, die wirklich nur der Irreführung dienen
können. Deshalb habe ich die Frage, ob Sie noch einmal
bestätigen können, dass der Sachverständigenrat zur Be-
gutachtung der wirtschaftlichen Situation der Bun-
desregierung in seinen Ausführungen deutlich gesagt hat,
dass es bei den Arbeitsplätzen eigentlich keinen Auf-
wuchs gibt, wenn man einmal vergleicht, wie sich das Ar-
beitszeitvolumen verändert hat. Der Sachverständigenrat
stellt nämlich fest, dass diesbezüglich auf dem Ar-
beitsmarkt eigentlich nichts passiert ist. Können Sie das
bestätigen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416612900
Herr Meckelburg, ich
will kurz sagen, worauf ich mich bezogen habe, und
komme dann zu Ihrer Frage nach meiner Bestätigung.

Wenn Sie sich die Entwicklung der Erwerbstätigen-
zahlen anschauen, dann werden Sie feststellen – daran än-
dern auch Sie nichts –, dass im Jahresdurchschnitt 1998
37 540 000 Erwerbstätige gemeldet waren. Im Jahres-
durchschnitt 1999 waren es 37 940 000 Erwerbstätige,
also 400 000 Erwerbstätige mehr. Ich halte diesen Fakt
fest, damit klar ist, worüber wir reden.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: 630 Mark!)

Im Jahresdurchschnitt 2000 gab es 38 530 000 Erwerbs-
tätige, also noch einmal knapp 600 000 Erwerbstätige
mehr.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: 630 Mark!)

Die gleiche Entwicklung können Sie auch für dieses

Jahr feststellen. Wir haben nach Aussagen des Statisti-
schen Bundesamtes wachsende Beschäftigungszahlen.
Ich habe zwar eben gesagt, dass ich die konkreten Zahlen
nicht nennen kann – ich werde sie nachliefern –, aber ich
kann schon jetzt sagen, Herr Schauerte, dass es ein Irrtum
ist, wenn man davon spricht, dass diese Entwicklung auf
den 630-Mark-Arbeitsverhältnissen beruht. Ich kann das
auch belegen; ich kann jetzt nur nicht die konkreten Zah-
len nennen.

Wir haben einen deutlichen Aufwuchs an Beschäfti-
gung in diesem Land. Dem steht auf der anderen Seite
aber nicht ein entsprechender Abbau der Arbeitslosigkeit
gegenüber. Dafür gibt es eine Reihe von Erklärungen, die
man sich anschauen muss.

Eine Erklärung ist – es macht keinen Sinn, darüber hin-
wegzusehen – der demographische Effekt. Ältere werden
nämlich nicht mehr durch die Erwerbsstatistik erfasst. Es
gibt aber noch eine zweite Erklärung, die außerordentlich
spannend ist. Wir haben eine deutliche Zunahme der Be-
schäftigung aus der „stillen Reserve“. Es gibt nämlich
eine deutliche Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit;
außerdem wurden andere Erwerbstätigkeiten neu in die
Arbeitsmarktstatistik aufgenommen. Das ist ein ganz

wichtiger Aspekt, den man beachten muss. So lässt sich
die außerordentlich positive Entwicklung bei den Be-
schäftigtenzahlen erklären.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Jetzt zu der Beantwortung der Frage, die ich gestellt habe!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416613000
Sie haben leider keine
Möglichkeit, eine weitere Nachfrage zu stellen.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Das kann nicht wahr sein!)


– Sie haben auch nicht die Möglichkeit, einen Kommen-
tar abzugeben.

Jetzt eine Zusatzfrage des Kollegen Singhammer.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1416613100
Herr Staatsse-
kretär, ich stelle bewusst eine einfache Frage.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416613200
Als Geburtstagskind
dürfen Sie das.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1416613300
Herr Staatsse-
kretär, zur Gedächtnisauffrischung möchte ich fragen:
Wie hoch war die Zahl der Arbeitslosen zum Zeitpunkt
der Regierungsübernahme im September 1998? Wie hoch
ist die Zahl der Arbeitslosen zum Stichtag 1. Mai 2001?
Wie sind Sie mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit voran-
gekommen?


(Peter Dreßen [SPD]: Sie müssen immer die gleichen Monate vergleichen und nicht April mit September!)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416613400
Die Beantwortung Ihrer
Frage macht mir kein Problem: Im September 1998 be-
trug die Zahl 3,965 Millionen. Die Zahl für den Mai die-
ses Jahres liegt noch nicht vor. Ich kann Ihnen aber die
Zahl für den April sagen.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Das genügt!)


Sie betrug 3,868 Millionen.
Ich möchte noch eine kleine Korrektur anführen: Die

Regierungsübernahme war nicht im September, sondern
im Oktober.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416613500
Ich rufe die Frage 13
des Kollegen Dr. Norbert Lammert auf:

Nach welchen Kriterien entscheidet die Bundesregierung über
den Sitz der geplanten zentralen Zahlstelle des Bundes für das Zu-
lageverfahren im Rahmen der ergänzenden Altersvorsorge, und
wann ist mit einer verbindlichen Entscheidung zu rechnen?






(C)



(D)



(A)



(B)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416613600
Über den Sitz der ge-
planten Zahlstelle des Bundes für das Zulageverfahren im
Rahmen der ergänzenden Altersvorsorge hat letztlich der
Gesetzgeber zu entscheiden. Dieser wird voraussichtlich
diese Woche seine Beratung abschließen. Das Ergebnis
muss abgewartet werden. Für uns gelten unter anderem
Kriterien bezüglich Praktikabilität und Fähigkeit, ent-
sprechende Daten bereitzustellen und mit ihnen umzuge-
hen. Im Übrigen verweise ich auf den Antrag, der schon
angekündigt war.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Er passt auf wie ein Luchs!)


– Die Beantwortung der Frage spielt doch keine Rolle. Ihr
Antrag war doch schon angekündigt. Sie wollen meine
Antwort nur für das Protokoll festgehalten haben.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416613700
Herr Kollege Lammert,
Ihre Nachfrage, bitte.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1416613800
Herr Staatssekre-
tär, ist mein Eindruck völlig falsch, dass der Antworttext,
den Sie gerade vorgelesen haben, unter der Voraussetzung
eines noch nicht abgeschlossenen Vermittlungsverfahrens
verfasst wurde, aber dass das, was Sie in Ihrer Antwort als
anscheinend offene Frage darstellen, durch den Abschluss
des Vermittlungsverfahrens längst entschieden ist? Inwie-
weit entspricht die offensichtlich getroffene Entschei-
dung, diese zentrale Stelle bei der Bundesversicherungs-
anstalt für Angestellte in Berlin anzusiedeln, eigentlich
den sachlichen Kriterien, die sowohl vonseiten des Ar-
beits- und Sozialministeriums als auch insbesondere von-
seiten des Finanzministeriums bezüglich dieser Frage in
den letzten Wochen vorgetragen worden sind?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416613900
Sie haben Recht. Es hat
gestern – dies wurde auch in allen Papieren so angekün-
digt – eine Entscheidung darüber gegeben, diese Aufgabe
der BfA, unabhängig davon, wo sie verortet ist, zuzuord-
nen. Wir gehen davon aus, dass die BfA in Bezug auf den
Umgang mit Daten und Ähnlichem aufgrund ihrer Mög-
lichkeiten diesen Kriterien entspricht.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416614000
Eine zweite Nach-
frage, bitte, Herr Kollege Lammert.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1416614100
Herr Staatssekre-
tär, in der Antwort Ihrer Kollegin Barbara Hendricks aus
dem Finanzministerium auf eine entsprechende Nach-
frage von mir wurde zu einem Zeitpunkt, als diese Frage
anscheinend wirklich noch nicht entschieden war, darauf
hingewiesen, dass keine neue Behörde geschaffen, son-
dern auf eine existierende Bundesbehörde zurückgegrif-
fen werden solle, die einen Bezug zu den vorgesehenen
Aufgaben der zentralen Stelle hat und die aufgrund ver-
änderter Aufgabenstellung derzeit über einen Personal-
überhang verfügt.

Das erste dieser angedeuteten Kriterien trifft sicherlich
sowohl auf die Bundesversicherungsanstalt als auch auf
die Bundesknappschaft zu. Das zweite trifft ganz offen-
sichtlich eher auf die Bundesknappschaft als auf die Bun-
desversicherungsanstalt zu. Unter Berücksichtigung der
sich aus offensichtlichen Gründen kontinuierlich und in
Zukunft dramatisch verringernden Versichertenbestände
der Bundesknappschaft hätte unter arbeitsmarktpoliti-
schen Gesichtspunkten alles für eine Entscheidung zu-
gunsten der Bundesknappschaft gesprochen.

Teilen Sie die Einschätzung Ihres Fraktionskollegen
Hasenfratz, der zu dieser Frage erklärt hat, dass eine Ver-
gabe der neuen Behörde an Berlin ein fatales Signal für
ganz Deutschland sei?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416614200
Nein.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Als er noch kein Staatssekretär war, war er noch ein netter Kerl!)


– Wieso? Ich habe doch seine Frage völlig korrekt beant-
wortet. Er hat gefragt, ob ich die Einschätzung teile. Ich
habe gesagt: Nein. Ich teile sie nicht.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416614300
Herr Kollege Fromme,
Sie haben eine Nachfrage.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1416614400
Herr Staats-
sekretär, wie bewerten Sie die Vergabe einer neuen
Behörde an das Zentrum Berlin unter dem Gesichtspunkt,
dass nach Raumordnungskriterien neue Behördenarbeits-
plätze eigentlich in strukturschwachen Gebieten in der
Fläche entstehen sollen?


(Erika Lotz [SPD]: Keine neue Behörde!)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416614500
Herr Abgeordneter
Fromme, mit der Entscheidung für die BfA ist ja keine
Entscheidung für Berlin gefallen. Die BfA hat – ich bitte
Sie, sich dieses anzuschauen – eine ganze Reihe von
Standorten, die sich nicht in Berlin befinden. Im Zuge des
Prozesses der deutschen Einheit gibt es übrigens auch die
Verpflichtung, Behörden in bestimmten Regionen unter-
zubringen, sodass schon die Grundannahme Ihrer Frage
nicht zutreffend ist. Es bleibt offen, welcher Standort end-
gültig gewählt wird. Wir glauben, dass die BfA nach Ab-
schätzung der Kriterien dazu in der Lage ist. Deswegen
hat es diese Entscheidung gegeben.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416614600
Kollege Laumann,
auch Sie haben noch eine Nachfrage. Bitte.


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1416614700
Herr Staatssekre-
tär, Sie haben gerade gesagt, dass Sie es im Grundsatz
auch so sehen, dass Arbeitsplätze von großen Behörden in
der Fläche geschaffen werden sollten. Schließen Sie mit
Ihrer vorhergehenden Aussage aus, dass diese neuen






(C)



(D)



(A)



(B)


Arbeitsplätze, die im Zusammenhang mit dem Aufbau der
Zertifizierungsbehörde entstehen, hier in Berlin, wo es die
meisten öffentlichen Arbeitsplätze gibt, angesiedelt wer-
den?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416614800
Herr Abgeordneter
Laumann, ich bitte Sie um Entschuldigung. Ich habe es
vorhin in meiner Antwort schon gesagt: Es gab die Ent-
scheidung, sie der BfA, unabhängig von einer Standort-
entscheidung, zuzuordnen. Deswegen möchte ich jetzt
weder etwas aus- noch einschließen, weil das eine Frage
ist, die erst in Zukunft entschieden wird. Darüber möchte
ich nicht spekulieren.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416614900
Herr Kollege
Meckelburg, Sie haben wiederum eine Nachfrage.


Wolfgang Meckelburg (CDU):
Rede ID: ID1416615000
Herr Staatssek-
retär, Sie können jetzt auch mit Ja oder Nein antworten:
Ist es nach Auffassung der Bundesregierung zumindest
denkbar, dass diese Arbeitsplätze nicht in Berlin ge-
schaffen werden?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416615100
Ich habe ja in der vor-
hergehenden Antwort schon gesagt, dass ich nichts aus-
oder einschließen werde, dass nichts denkbar oder
undenkbar ist. Es gibt die Entscheidung, das Ganze der
BfA zuzuordnen. Alles Andere ist Spekulation, an der ich
mich hier nicht beteilige.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416615200
Die Frage 14 des Kol-
legen Ernst Hinsken wird schriftlich beantwortet.

Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums für Arbeit und Sozialordnung beendet. Ich bedanke
mich beim Parlamentarischen Staatssekretär Gerd Andres
für den Antwortmarathon.


(Beifall bei der SPD)

Die Fraktion der CDU/CSU hat – wie wir bereits ge-

ahnt haben – die Antwort der Bundesregierung auf die
Fragen 11 und 12 als nicht ausreichend empfunden und
deshalb eine Aktuelle Stunde verlangt. Das entspricht
Nummer 1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Wie
üblich wird unmittelbar nach Abschluss der Fragestunde
die Aktuelle Stunde aufgerufen.

Jetzt aber kommen wir erst einmal zum Geschäftsbe-
reich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Be-
antwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin
Brigitte Schulte zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Hartmut
Koschyk auf:

Wie begründet die Bundesregierung die von der Parlamentari-
schen Staatssekretärin beim Bundesministerium der Verteidigung,
Brigitte Schulte, in der Fragestunde des Deutschen Bundestages
am 28. März 2001 hinsichtlich des Bundeswehrstandortes Bay-
reuth geäußerte Auffassung, dass es ein „Fehler“ war, „eine mit
zwei Bataillonen besetzte, viel zu große Kasernenanlage an-

schließend mit einem Luftwaffenausbildungsregiment zu beset-
zen“ – vgl. Plenarprotokoll 14/160, S. 15609 B –, vor dem Hin-
tergrund, dass zum Zeitpunkt der Nutzung dieser Kasernenanlage
durch das 1. Panzergrenadierbataillon 102 und das Panzerartille-
riebataillon 125 die Belegungsstärke 1 325 betrug, die derzeitige
Belegungsstärke gemäß Stärke- und Ausrüstungsnachweisung,
STAN, 984 Personen beträgt?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1416615300
Frau Präsidentin, ich danke Ih-
nen und hoffe, dass wir unsere Antworten ausreichend ge-
ben können.

Lieber Herr Kollege Koschyk, die Entscheidung zur
Verlegung des 2. Bataillons des Luftwaffenausbildungs-
regiments III von Roth nach Bayreuth wurde mit der Fort-
schreibung des Ressortkonzepts zur Stationierung der
Bundeswehr vom 30. März 1993 unter dem Bundesmi-
nister Volker Rühe getroffen. Als Begründung für die Ver-
legung gab die damalige Bundesregierung den Erhalt des
Standortes Bayreuth an. Die Luftwaffe selbst hatte diese
Verlegung nicht vorgeschlagen.

Das 2. Luftwaffenausbildungsbataillon hat eine Stärke
von 824 Dienstposten. Zusammen mit weiteren, kleinen
Dienststellen, wie zum Beispiel dem Verteidigungsbe-
zirkskommando 67, beträgt die Belegungsstärke der
Markgrafenkaserne in Bayreuth 951 Dienstposten.

Die Kaserne ist aber, weil sie früher eine Heereska-
serne war, und zwar für gepanzerte Verbände, mit dieser
Belegung bei weitem nicht ausgelastet. Insbesondere
bleibt der umfangreiche technische Bereich, der ehemals
zur Wartung und Pflege der gepanzerten Fahrzeuge der
dort stationierten Panzergrenadierbataillone diente, weit-
gehend ungenutzt.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416615400
Herr Kollege Koschyk,
bitte die erste Nachfrage.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1416615500
Frau Staatssekretä-
rin, sind Sie bereit, einzuräumen, dass ein Rückgang der
Belegung der Markgrafenkaserne in Bayreuth auch auf
folgenden Grund zurückzuführen ist: Die Wehrbereichs-
verwaltung VI hat mit Schreiben vom 31. Mai 1994 alle
Standortverwaltungen in ihrem Bereich darauf hingewie-
sen, dass nach Untersuchung der Landesgewerbeanstalt
Nürnberg die Sicherheit von Bundeswehrbettgestellen,
die dreifach aufgebaut worden sind, nicht mehr gewähr-
leistet ist. Deshalb wurde angewiesen, dass nur noch Bett-
gestelle mit zweifacher Überbauung verwendet werden
durften. Musste dies nicht auch zu einem Rückgang der
Kapazitäten in der Markgrafenkaserne führen?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1416615600
Nein, Herr Kollege, dazu bin
ich überhaupt nicht bereit. Es war zwar hinreißend, was
Sie eben vorgelesen haben, aber es hatte überhaupt nichts
mit der Sache zu tun. Es ging um eine Heereskaserne; das
habe ich schon das letzte Mal erklärt. Auch Ihnen, Herr
Kollege Koschyk, ist bewusst, wie ein Ausbildungsregi-
ment der Luftwaffe aussieht und wie gepanzerte Verbände
aussehen. Die Kaserne war, weil die Verbände damals zu




Karl-Josef Laumann
16234


(C)



(D)



(A)



(B)


Recht aufgelöst wurden, eigentlich eine derjenigen, die
man bedauerlicherweise nicht mehr gebraucht hätte. Er-
freulich war das für die politische Sicherheit. Man hat
dann vergebens versucht – deswegen sage ich Ihnen: die
Luftwaffe war nicht der Meinung, dass dorthin Teile ver-
legt werden müssen –, diese Kaserne noch zu nutzen. Es
gab eigentlich keinen Grund, sie zu diesem Zeitpunkt
weiterzuführen, außer dem einen, dass man sich in Bay-
reuth – wie auch bei vielen anderen Standorten – von der
Bundeswehr nicht gern trennen wollte. Wer hat nicht lie-
ber ein Luftwaffenausbildungsregiment als gepanzerte
Verbände? Diese jungen Männer machen keinen Krach.

Das von Ihnen angeführte Argument ist also nicht der
Grund für die Entscheidung gewesen, sondern es ist die
Korrektur einer meines Erachtens falschen Entscheidung
der Vergangenheit gewesen, so viel Verständnis ich dabei
für Bayreuth habe.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416615700
Es gibt eine zweite
Frage des Kollegen Koschyk, bitte.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1416615800
Wie kommt es dann,
Frau Staatssekretärin, wenn es angeblich eine falsche Ent-
scheidung der damaligen Bundesregierung gewesen ist,
dass sowohl Herr Bundesminister Scharping gegenüber
dem Oberbürgermeister der Stadt Bayreuth in einem per-
sönlichen Gespräch als auch Ihr Kollege Kolbow bei zwei
Besuchen in Bayreuth Standortgarantien abgegeben – in
der Öffentlichkeit nachweislich mit Presseberichter-
stattungen – und darauf hingewiesen haben, dass dies ein
hervorragender Standort sei, dass dieser Standort sicher
sei und dass man an diesem Standort festhalten wolle?
Wie ist es zu erklären, dass solche Standortgarantien ge-
geben wurden, wenn es 1994 ein Fehler gewesen sein soll,
die Luftwaffe von Roth nach Bayreuth zu verlegen?


(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1416615900
Herr Koschyk, ich muss Ihnen
glauben, dass die beiden Herren das so gesagt haben; denn
ich habe darüber keine Unterlagen.

Der Oberbürgermeister von Bayreuth war auch bei mir.
Mich haben Sie dabei nämlich vergessen. Ich habe ver-
sucht, ihm zu erklären, dass ich natürlich viel Verständnis
für den Wunsch einer Kommune habe, einen Bun-
deswehrstandort zu behalten, dass es aber nicht sinnvoll
war, damals diese Aufteilung vorzunehmen. Das ist die
Situation, in der wir uns befinden. Leider ist der Kollege
Friedrich nicht mehr da, sonst hätte ich seine Antworten
zu Bayreuth hier noch gegeben; so werden Sie sie schrift-
lich bekommen.

Ich finde, wir sollten uns da nichts in die Tasche lügen.
Es ist wünschenswert, dass die Bundeswehr möglichst in
der Fläche bleibt; aber es muss auch in einem gewissen
Kostenrahmen und Aufgabenrahmen bleiben. Das hat
dazu geführt, dass die Luftwaffe bei der Überlegung, wo
sie ihre Ausbildungsbataillone ansiedeln soll, zu dem
Schluss gekommen ist, den Standort wieder aufzugeben.

Ich finde, hier muss sich der Bundesminister der Verteidi-
gung oder müssen auch wir uns wenigstens diesen Argu-
menten gegenüber offen zeigen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416616000
Wir kom-
men dann zur Frage 16 des Kollegen Koschyk:

Auf welche Ursache führt die Bundesregierung die Re-
duzierung der Nutzungskapazität der Markgrafenkaserne in
Bayreuth zwischen 1993 und 2001 zurück?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1416616100
Die Nutzung der Markgrafen-
kaserne in Bayreuth ist durch die Auflösung der beiden
Heeresverbände nie voll erfolgt. Die von den Luftwaffen-
ausbildungsbataillonen nicht benötigten Liegenschaften
wurden, wie Sie wissen, zum Teil stillgelegt. Die Luft-
waffe kann die Ausbildung ihrer Grundwehrdienstleisten-
den an den verbleibenden Standorten, nämlich – ich nenne
sie noch einmal, Herr Koschyk – Roth, Germersheim, Ho-
hentengen, Goslar, Heideck, Budel und Heide, durch-
führen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416616200
Zusatz-
frage, Herr Kollege Koschyk? – Bitte schön.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1416616300
Wenn Sie, Frau
Staatssekretärin, also nach wie vor von einer nicht optima-
len Nutzung ausgehen, ist dann auch geprüft worden, zum
Beispiel noch in Bayreuth befindliche Bundeswehr-
einrichtungen in die Markgrafenkaserne hinaus zu verlegen
– ich denke beispielsweise an die Außenstelle der Stand-
ortverwaltung oder auch an das Kreiswehrersatzamt –,
um dann an diesem Standort eine optimale Auslastung zu
erreichen?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1416616400
Auch der Kollege Friedrich hat
mich danach gefragt. Deswegen kann ich Ihnen sagen,
dass untersucht wird, ob das Kreiswehrersatzamt Bay-
reuth dorthin verlegt wird. Die Verlegung der Außenstelle
der Standortverwaltung erübrigt sich deshalb, weil der
Standort als Bundeswehrstandort aufgegeben wird, also
die Präsenz der Bundeswehr nicht bestehen bleibt, was
das Militär betrifft. Das verbleibende Verteidigungskom-
mando und das Kreiswehrersatzamt werden die Kaserne
auf keinen Fall auslasten. Deswegen kann man darüber
nachdenken, ob das Verteidigungskommando nicht in das
ehemalige Gebäude der Standortverwaltung in Bayreuth
ziehen und auch das Verteidigungskommando anders un-
tergebracht werden kann, sodass die Markgrafenkaserne
völlig aufgegeben und damit für die Pläne der Kommune
und von privaten Interessenten genutzt werden kann.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416616500
Zweite
Zusatzfrage, Herr Kollege Koschyk.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1416616600
Frau Staatssekretä-
rin, Sie zäumen das Pferd jetzt falsch herum auf. Ich habe
nicht gefragt, wie Sie jetzt optimieren, sondern ich habe




Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte

16235


(C)



(D)



(A)



(B)


die Frage gestellt, ob nicht dann, wenn Sie die Auflösung
des Bataillons mit mangelnder Auslastung der Kaserne
begründen, im Vorfeld der Entscheidung – auch aus Grün-
den einer gewissen Fairness gegenüber der Region, aus
Treue zur Bundeswehr dort, denn seitdem Streitkräfte auf-
gestellt worden sind, ist Bayreuth Garnisonsstandort der
Bundeswehr, und aus Verantwortung gegenüber dem
Standort – auch die Alternative hätte geprüft werden müs-
sen – und ist sie geprüft worden –, die Einrichtung, die ich
genannt habe, in den Bereich der Markgrafenkaserne zu
verlegen, die dann frei werdenden Liegenschaften zu ver-
äußern und so in der Markgrafenkaserne eine hinrei-
chende Auslastung zu bekommen.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1416616700
Ich sage Ihnen noch einmal:
Die Markgrafenkaserne war von vornherein zu groß.
Außerdem handelte es sich um andere Truppenteile.

Sie in Bayreuth sind nicht allein betroffen. Auch bei
mir im Wahlkreis wird ein sehr guter Standort geschlos-
sen. Es handelt sich um die York-von-Wartenburg-Ka-
serne in Stadtoldendorf, in der sich die Soldaten ebenso
wohl fühlen. Auch von dort werden wir gefragt: Warum
nutzt ihr die Kaserne nicht weiter?

Die positive Situation, Herr Kollege, ist, dass eine an-
dere sicherheitspolitische Perspektive besteht, dass wir
die dort stationierten Panzerbataillone nicht mehr brau-
chen und dass auch die Luftwaffe in der Zukunft weniger
Wehrpflichtige haben wird. Auf diese Weise versuchen
wir zu optimieren. Man könnte noch das eine oder andere
zusätzlich tun. Wenn wir allein den Erfordernissen der
Truppe gefolgt wären, hätte das bedeutet, dass wir noch
mehr Standorte aufgegeben hätten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416616800
Wir kom-
men dann zur Frage 17 des Kollegen Lensing:

In welcher Weise beabsichtigt die Bundesregierung, die im
jüngsten Jahresbericht des Wehrbeauftragten des Deutschen Bun-
destages, Dr. Willfried Penner, festgestellten Defizite in der über-
arbeiteten Zentralen Dienstvorschrift 12/1 „Politische Bildung in
der Bundeswehr“ zu beheben, damit die für die politische Bildung
verantwortlichen Disziplinarvorgesetzten Gelegenheit erhalten,
genügend „Zeit und Sorgfalt“ in die Vorbereitung und Durch-
führung der politischen Bildung zu investieren?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1416616900
Herr Kollege Lensing, die An-
forderungen und Belastungen der Vorgesetzten in der
Truppe sind hoch. Vielfach erschweren auch Zusatzauf-
träge und die Vorbereitung auf Einsätze im Rahmen der
erweiterten Aufgaben die planvolle Ausbildungsgestal-
tung. Hiervon ist natürlich auch die politische Bildung be-
troffen, die in der Regel vorausschauender Planung und
sorgfältiger Vorbereitung bedarf. Die auch im Zusam-
menhang mit der politischen Bildung spürbare Schere
zwischen Auftrag und Mitteln zur Auftragserfüllung kann
durch eine aufgabengerechte Struktur der Streitkräfte und
durch eine angemessene Personalausstattung gelöst wer-
den.

Soeben waren ja Soldaten aus dem Wahlkreis des Kol-
legen Siemann auf der Besuchertribüne. Wenn die Fragen

zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Ver-
teidigung zu der Zeit, als die Soldaten hier anwesend wa-
ren, beantwortet worden wären, hätte ich eingehender da-
rauf hingewiesen, dass wir uns alle gemeinsam darum
bemühen, dass in der Bundeswehr genügend für die poli-
tische Bildung getan wird. Ich bin der Überzeugung, dass
seit 1997/1998, der Zeit, in der es in der Bundeswehr zu
rechtsextremen Vorfällen kam, noch mehr Sorgfalt bei der
Durchführung von Maßnahmen der politischen Bildung
verwandt wird.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416617000
Zusatz-
frage, Herr Kollege Lensing? – Bitte schön.


Werner Lensing (CDU):
Rede ID: ID1416617100
Frau Staatssekretärin,
es ist natürlich richtig, wenn Sie erklären, dass wir uns um
die politische Bildung bemühen. Dies setzt aber voraus,
festzustellen, dass es dringend notwendig ist, in dieser
Angelegenheit etwas zu tun. Dies alles garantiert jedoch
noch keinen Erfolg.

Von daher habe ich folgende Zusatzfrage: Uns beiden
ist ja bekannt, dass die Dienstvorschrift 12/1 „Politische
Bildung in der Bundeswehr“ überarbeitet worden ist. In
der neuen Fassung steht, dass der Disziplinarvorgesetzte
eines jeden Soldaten, der an einer Bildungsmaßnahme
teilnimmt, und erst recht der eines Soldaten, der diese Bil-
dungsmaßnahme durchzuführen hat, währenddessen im-
mer anwesend sein soll. Halten Sie so etwas für denkbar?
Ist hier also nicht nur eine Traumvorstellung schriftlich fi-
xiert worden, sondern entspricht dies gerade vor dem Hin-
tergrund Ihrer ersten Einlassung wirklich der Realität und
ist dies überhaupt durchführbar?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1416617200
Genau das betrifft natürlich die
Struktur der Bundeswehr. Das ist ein Problem; das will ich
gar nicht bestreiten. Das hat auch nichts damit zu tun, aus
welchen Parteien die Regierung zusammengesetzt ist. Wir
werden bei der Feinausplanung der Bundeswehr und bei
der personellen Ausstattung der Bataillone und Kom-
panien genau auf solche Dinge zu achten haben. Das muss
wirklich ernst genommen werden.

Wir beide kennen Beispiele, wo das hervorragend
klappt, wo ein Kommandeur, ein Kompaniechef oder ein
Kompaniefeldwebel solche Aufgaben selbstverständlich
ernsthaft wahrnimmt. Es sind ja – Gott sei Dank – nur we-
nige negative Fälle, über die wir heute Morgen im Innen-
ausschuss gesprochen haben.

Wir legen aber auch Wert darauf, dass die betroffenen
Soldaten Maßnahmen der politischen Bildung in An-
spruch nehmen. Da hat meiner Meinung nach ein Um-
denken stattgefunden. Auch durch die Einsätze der Teil-
streitkräfte hat sich in erheblicher Weise das Bewusstsein,
dass man nicht in einem politikfreien Raum lebt, ent-
wickelt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416617300
Eine wei-
tere Zusatzfrage? – Bitte schön, Herr Lensing.




Hartmut Koschyk
16236


(C)



(D)



(A)



(B)



Werner Lensing (CDU):
Rede ID: ID1416617400
Frau Staatssekretärin,
wir haben uns wiederholt auch im Verteidigungsaus-
schuss über den Beutelsbacher Konsens unterhalten.
Darin steht unter anderem, wie wichtig die politische Bil-
dung ist. Gleichzeitig ist dort vermerkt, dass eine Maß-
nahme der politischen Bildung nur sinnvoll durchgeführt
werden kann, wenn auch die Rahmenbedingungen stim-
men.

Vor diesem Hintergrund stelle ich die Frage: Glauben
Sie, dass die Defizite, die wir, ganz objektiv betrachtet,
heute nach wie vor in der politischen Bildung zu beklagen
haben, auch damit zusammenhängen, dass die Rahmen-
bedingungen zum einen aufgrund der personellen wie
zeitlichen Belastungen derjenigen, die diese Maßnahmen
durchführen sollen, und zum anderen durch die beträcht-
lichen Reduzierungen innerhalb des Verteidigungsetats,
die – so fürchte ich – in Zukunft noch zunehmen werden,
nicht stimmen?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1416617500
Das kann es nun wirklich nicht
sein! Eben hat Ihr Kollege darüber geklagt, dass wir Ver-
bände und Standorte auflösen. Wir wollen das qualifi-
zierte, erfahrene und von der Dienstzeit her ältere Perso-
nal, das wir noch haben, und hier vor allen Dingen bei den
Berufssoldaten, für solche Zwecke nutzen. Dies ist nicht
in erster Linie eine materielle, sondern eine organisatori-
sche Frage. Dies hängt auch davon ab, welche Bedeutung
diesen Aufgaben – vom Generalinspekteur angefangen –
zugewiesen wird. Herr von Kirchbach hat als Generalin-
spekteur diese Aufgabe – das muss man wirklich sagen –
sehr ernst genommen. Er ist einer derjenigen, der dies für
das 4. Korps entwickelt hat. Der jetzige Generalinspek-
teur ist der gleichen Meinung, dass hier ein Schwerpunkt
liegen muss.

Wir haben Glück gehabt – ich sage nicht, dass dies nur
das Verdienst der jeweiligen Regierung ist –, dass es in der
Bundeswehr zurzeit keine spektakulären Vorfälle gibt.
Bei den Vorkommnissen handelt es sich zu 90 Prozent um
antisemitische oder ausländerfeindliche Übergriffe von
Wehrpflichtigen. Auf diese, lieber Herr Kollege Lensing
– das werden Sie mir bestätigen –, haben wir relativ we-
nig Einfluss.

Wir müssen uns gemeinsam Gedanken darüber ma-
chen, wie viele Leute überhaupt daran interessiert sind,
sich mit Politik zu beschäftigen. Wir brauchen uns nur an-
zuschauen, wie viele junge Männer zwischen 18 und 21
Jahren zur Wahl gehen und was sie wählen. Das Augen-
merk des gesamten Parlaments muss darauf liegen.

Vorhin hat mir mein Kollege Fritz Körper gesagt, dass
bei der Auswertung der Wahlergebnisse in Rheinland-
Pfalz mit Erstaunen festgestellt worden ist, wie gering die
Wahlbeteiligung der jungen Frauen und Männern dort
war. Ich hatte ihn danach gefragt, weil ich mir darüber
große Sorgen mache. Sie erinnern sich sicher auch daran,
dass wir über Sachsen-Anhalt gesprochen haben, wo über
50 Prozent der jungen Männer, die zur Wahl gegangen
sind, die DVU oder die PDS gewählt haben. Darüber soll-
ten wir uns Gedanken machen. Dies können wir als Bun-
deswehr allein nicht leisten. Wir können es für unsere

Zeit- und Berufssoldaten leisten und machen dies auch.
Wir leisten es auch für die jungen Wehrpflichtigen in der
Zeit, in der sie bei uns sind. Aber über das, was vorher
passiert, werden wir uns wohl alle Gedanken machen
müssen.


(Werner Lensing [CDU/CSU]: Die Antwort darf man ja leider nicht kommentieren, auch wenn ich es gerne tun würde!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416617600
Wir kom-
men jetzt zur Frage 18 des Kollegen Lensing:

Wie beabsichtigt die Bundesregierung, die im jüngsten Jah-
resbericht des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages,
Dr. Willfried Penner, festgestellten Defizite im Bereich des Infor-
mationsangebots zur politischen Bildung – insbesondere nach der
Einstellung wichtiger Printmedien – zu verbessern?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1416617700
Herr Lensing, der Wehrbeauf-
tragte hat in seinem jüngsten Jahresbericht keine Defizite
im Bereich des Informationsangebots zur politischen Bil-
dung festgestellt. Durch die Aufgabe einiger Zeitschriften
ist es nicht zu einer reduzierten Informationsvorsorge ge-
kommen. Im Gegenteil: Die Anbindung der Dienststellen
der Bundeswehr an das Intranet wird durch die Sparte
„Aktuell“ weiter verbessert. Darüber hinaus wird das An-
gebot an bereitgestellten Informationen ständig erweitert.

Anstelle der bisherigen Printmedien, die auch ein biss-
chen in die Jahre gekommen waren, erscheint seit April
2001 „Y.“, ein monatlich erscheinendes Magazin der Bun-
deswehr. Es ist ein Printmedium, das sich an alle An-
gehörigen der Bundeswehr wendet. Ich zeige es Ihnen,
obwohl es viele von Ihnen wahrscheinlich schon in der
Post gehabt – jeder Abgeordnete bekommt es –, aber
wahrscheinlich noch nicht gelesen haben. Herr Lensing,
Sie haben es selbstverständlich gelesen.


(Werner Lensing [CDU/CSU]: Natürlich!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416617800
Zusatz-
frage, Kollege Lensing, bitte.


Werner Lensing (CDU):
Rede ID: ID1416617900
Ich möchte jetzt keine
unfaire Frage stellen. Sonst würde ich Sie fragen, ob Sie
Angaben darüber machen können, wie viele Soldaten pro
Einheit tatsächlich Zugang zum Internet und dergleichen
haben.

Ich habe aber noch eine andere Frage: Bietet die Bun-
deswehr aus Ihrer Sicht hinreichend Schulungen für den
Umgang mit den neuen Medien an, damit auch Wehr-
pflichtige, die über keine Computerkenntnisse verfügen,
dieses Informationsangebot nutzen können?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1416618000
Dazu kann ich Ihnen nur sagen:
Besuche in den Kasernen erfreuen mich zunehmend, weil
dort Internetcafés eingerichtet werden und die jungen
Wehrpflichtigen sehr daran interessiert sind. Nun kommt
es darauf an, dass sich unter diesen jungen Leuten welche






(C)



(D)



(A)



(B)


finden, die bereit sind, diejenigen, die noch nicht so gut
geschult sind, in der Freizeit einzuführen.

Während der Dienstzeit wird der junge Wehrpflichtige
dann damit vertraut gemacht, wenn er eine Aufgabe wahr-
nehmen muss, bei der er sich der Informations- und Kom-
munikationstechniken bedienen muss.
Ich gehe davon aus, dass wir uns in solchen Aufgabenbe-
reichen überwiegend derer bedienen, die schon Vorkennt-
nisse haben. Aber die Internetcafés, die wir anbieten, wer-
den wirklich gut angenommen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416618100
Vielen
Dank, Frau Staatssekretärin. Die Fragen 19 bis 23 sollen
schriftlich beantwortet werden.

Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.
Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Achim Großmann zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Dr. Gerd
Müller auf:

In welchem Zeitraum ist die Bundesregierung bereit, für den
dringend notwendigen Weiterbau der Bundesstraße 19 als einzige
Zufahrtsstraße nach Oberstdorf und vor dem Hintergrund der Nor-
dischen Skiweltmeisterschaften 2005 Finanzmittel bereitzustel-
len?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

A
Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1416618200
Vielen
Dank, Herr Präsident. – Lieber Herr Kollege Müller, an-
gesichts des engen Zusammenhangs möchte ich beide
Fragen gemeinsam beantworten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416618300
Ich rufe
dann auch die Frage 25 auf:

Zu welchem Zeitpunkt ist die Bundesregierung bereit, den
Weiterbau der B 19 und in welcher Höhe zu finanzieren vor dem
Hintergrund, dass 4 200 Bürger neben Mandatsträgern und der
örtlichen Wirtschaft auf den dringlichen Weiterbau der B 19 er-
neut aufmerksam gemacht haben?

A
Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1416618400
Zunächst
bestätige ich Ihnen noch einmal grundsätzlich die Ant-
wort des damaligen Parlamentarischen Staatssekretärs
Bodewig auf Ihre Frage vom November 2000, in der er auf
eine Finanzierungsmöglichkeit des Baus der Ortsumge-
hung Waltenhofen im Anschluss an das Investitionspro-
gramm 1999/2002 hingewiesen hat. Darüber hinaus wird
die Bundesregierung prüfen, ob zusätzlich zu den bereits
laufenden Arbeiten zur Bahnüberführung bei Kuhnen
Möglichkeiten zur Finanzierung des gesamten dritten
Bauabschnittes der B 19 zwischen Lanzen und Herzmanns
einschließlich der Ortsumgehung Waltenhofen bestehen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416618500
Zusatz-
frage, Kollege Müller.


Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1416618600
Herr Staatssekretär, ge-
statten Sie mir zu dieser unbefriedigenden Antwort die
Frage, welche Gründe maßgeblich waren, die Bundes-
straße 19, Bauabschnitt Nord, mit der dringend notwendi-
gen Ortsumfahrung in Waltenhofen nicht in das ZIP und
nicht in das Anti-Stau-Programm aufzunehmen, obwohl
Baurecht besteht, eine Baumaßnahme mitten in diesem
Bauabschnitt, nämlich in Kuhnen, bereits läuft und die ge-
samte Baumaßnahme als vordringlicher Bedarf eingestuft
ist. Können Sie mir das erklären?

A
Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1416618700
Herr
Kollege Müller, Sie wissen, dass Fragen, wie Sie sie mir
jetzt stellen, fast jede und jeder Abgeordnete aus ihrem
bzw. seinem Wahlkreis stellen könnte. Wir haben von der
alten Regierung ein relativ schlecht finanziertes Ausbau-
programm für den vordringlichen Bedarf übernommen;
Sie wissen, dass es eine riesige Schleppe gibt. Deshalb ist
in Zusammenarbeit mit den Ländern das IP aufgestellt
worden. Dabei ist Gott sei Dank ein Teilstück der B 19 fi-
nanziert worden.

Jetzt werden wir prüfen, ob darüber hinaus die Mög-
lichkeit besteht, weitere Maßnahmen an der B 19 zu fi-
nanzieren. Sie wissen, dass wir drei Bauabschnitte haben,
dass der Bauabschnitt III baureif ist und dass wir dort mit
den Arbeiten begonnen haben, während bei den Ab-
schnitten I und II, die wir nach dem Hochwasser Pfings-
ten 1999 abtrennen mussten, erhebliche Schwierigkeiten
mit der Planfeststellung bestehen. Die Planfeststellung ist
ja nicht nur unsere Aufgabe. Wir tun, was wir können,
wenngleich ich auch verstehen kann, dass Sie als Abge-
ordneter wenig zufrieden sind. Ich kann auch die Men-
schen in Waltenhofen verstehen, die auf die Ortsumge-
hung dringend warten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416618800
Weitere
Zusatzfrage? – Bitte.


Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1416618900
Herr Staatssekretär, die
laufende Baumaßnahme war vor Ihrer Zeit auf der Grund-
lage des Eisenbahnkreuzungsgesetzes anfinanziert. Sie
haben nicht beantwortet, welche Begründung es dafür
gibt, diese Maßnahme nicht in das Anti-Stau-Programm
und das Ortsumfahrungsprogramm aufzunehmen.

Ich frage Sie deshalb nach der Perspektive Ihrer Prü-
fung: Ist die Bundesregierung bereit, bei der Finanzierung
dieser Bundesstraße von Waltenhofen bis Oberstdorf zu
berücksichtigen, dass im Jahre 2005 in Oberstdorf die
Nordische Skiweltmeisterschaft stattfindet, wodurch eine
besondere Dringlichkeit gegeben ist, und dass bereits mit
dem Bau begonnen werden kann, weil Baurecht besteht?
Sie müssen nichts mehr planen und können sich auch
nicht auf Äußerungen zurückziehen, dass erst noch eine
Planfeststellung erforderlich sei. Dies trifft für den süd-
lichen, nicht aber für den nördlichen Bauabschnitt zu.
Welche konkrete Perspektive der Finanzierung sehen Sie?

A
Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1416619000
Die Aus-




Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte
16238


(C)



(D)



(A)



(B)


sage, die ich für die B 19 machen kann, trifft auch auf alle
anderen Straßenbaumaßnahmen zu. Sie wissen, es gibt ein
Investitionsprogramm 1999/2002 und ein Zukunftsinves-
titionsprogramm. Es gibt somit feste Straßenbauprogram-
me, die auch finanziert sind.

Es hängt von folgenden beiden Faktoren ab, ob wir da-
rüber hinaus Möglichkeiten haben werden:

Erstens. Schaffen wir es, zusätzliches Investitionsvolu-
men zu erzielen? Es handelt sich um Maßnahmen, die
auch der Gesetzgeber, also das Parlament, bei den Haus-
haltsberatungen und bei der mittelfristigen Finanzplanung
beeinflussen kann.

Zweitens. Gibt es Möglichkeiten, im Rahmen der jet-
zigen Finanzierung zu anderen Finanzierungsstrukturen
zu kommen, weil Maßnahmen kostengünstiger als vorge-
sehen abgeschlossen werden können oder weil Maßnah-
men später begonnen werden? Hierbei ist auch der Frei-
staat Bayern gefordert.

Die Bundesregierung kennt die besondere Dringlich-
keit wegen der Weltmeisterschaften, die Sie gerade ange-
führt haben.

Ich habe bereits in meiner ersten Antwort namens der
Bundesregierung zugesagt, dies zu prüfen, wenn wir die
Rahmenbedingungen, die ich gerade genannt habe, ab-
gleichen. Das bezieht sich auf das Investitionsvolumen
und den Fortgang der in den Programmen enthaltenen an-
deren Straßenbaumaßnahmen; denn wir sind an das ge-
bunden, was in den Programmen festgelegt wurde und
derzeit finanziert ist. Wir müssen Abweichungen davon
finden, die es uns ermöglichen, mit der einen oder ande-
ren Straßenbaumaßnahme früher zu beginnen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416619100
Es gibt
eine weitere Frage der Kollegin Skarpelis-Sperk.


Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD):
Rede ID: ID1416619200
Herr Staatssekre-
tär, ich kann die Frage des Kollegen Dr. Müller aus dem
Allgäu dahin gehend ergänzen, dass die Dringlichkeit die-
ser Maßnahme über den Bundestagswahlkreis Allgäu hi-
naus von der gesamten Bevölkerung in der Region er-
kannt wird, weil die Nordischen Skiweltmeisterschafen
für den Tourismus der Gesamtregion ein wichtiges Ereig-
nis sind. Deswegen gibt es natürlich ein großes Interesse,
dass mit dieser Maßnahme schnell begonnen wird.

Erstens. Ist die Bundesregierung – Sie haben das vor-
sichtig angedeutet – bereit, nach der Verabschiedung
des Bundeshaushaltsplanes im Kabinett und bei den
anschließenden Beratungen im Parlament eine gründliche
Prüfung dieser Maßnahme vorzunehmen, falls es zu Er-
höhungen der zur Verfügung stehenden Investitionsmittel
kommen sollte?

Zweitens. Ist die Bundesregierung bereit, einen
Wunsch des Freistaates Bayern, diese Maßnahme im
Rahmen des bayerischen Kontingents zu finanzieren,
wohlwollend aufzunehmen, falls sich im Gespräch mit
dem Freistaat Bayern solche von Ihnen angedeuteten Fle-
xibilitäten abzeichnen?

A
Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1416619300
Genau
das habe ich in der zweiten Antwort angedeutet. Wir ha-
ben ein Finanzierungsvolumen und ein Finanzierungspro-
gramm. Damit haben wir Planungs- und Realisierungs-
sicherheit für viele Baumaßnahmen geschaffen, die wir
jetzt nicht mehr infrage stellen können und wollen. Es
wird also darauf ankommen, ob bei den Haushaltsbera-
tungen zusätzliches Investitionsvolumen generierbar ist.
Weiter wird es darauf ankommen, ob es bei anderen
Straßenbaumaßnahmen im Rahmen des Straßenausbau-
programms zu Verzögerungen oder zu kostengünstigeren
Realisierungen kommt.

Ich wiederhole noch einmal: Gerade im Hinblick auf
die Dringlichkeit, die wir im Zusammenhang mit den be-
vorstehenden Weltmeisterschaften im Jahre 2005 eben-
falls sehen, wird die Bundesregierung im Laufe des Jah-
res sehr wohl prüfen, ob aus den von mir genannten
Variablen herzuleiten ist, dass wir die Maßnahmen an der
B 19 forcieren können.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416619400
Damit
kommen wir zur Frage 25 des Kollegen Dr. Müller.

A
Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1416619500
Herr
Präsident, ich hatte die Frage im Sachzusammenhang mit
der vorhergehenden Frage bereits beantwortet, bin aber
gern bereit, weitere Zusatzfragen zu beantworten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416619600
Dann ha-
ben Sie noch Gelegenheit, zwei weitere Zusatzfragen zu
stellen, Herr Müller.


Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1416619700
Herr Staatssekretär, Sie
suchen nach Milliarden oder Millionen zusätzlicher Mit-
tel. Das ist keine befriedigende Antwort.

Sind Sie bereit, die ländlichen Regionen, die wie die
genannte Region durch die Erhöhung der Mineralölsteuer
– 1 Prozentpunkt bedeutet Mehreinnahmen von 700 Mil-
lionen DM für den Bund –, zusätzlich belastet werden,
zweckbezogen bei der Verbesserung der Infrastruktur,
hier beispielsweise bei dieser in Rede stehenden Bundes-
straße, entsprechend zu berücksichtigen? Nennen Sie mir
jetzt ein Zieldatum der Anfinanzierung der weiteren Bau-
abschnitte.

A
Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1416619800
Herr
Kollege Müller, ich weise Sie noch einmal darauf hin,
dass wir alle aus unseren Wahlkreisen mit ähnlichen Pro-
blemen nach Berlin kommen.

Wir haben ein festes Ausbauprogramm für die Straßen,
das finanziert ist. Deshalb habe ich zwar Verständnis für
zusätzliche Forderungen; aber diese zusätzlichen Forde-
rungen müssen finanziert werden. Dafür habe ich Ihnen
gerade zwei Wege aufgezeigt. Das kann entweder durch
eine nochmalige Erhöhung des Investitionsvolumens, das




Parl. Staatssekretär Achim Großmann

16239


(C)



(D)



(A)



(B)


über das Zukunftsinvestitionsprogramm bereits deutlich
erhöht worden ist – wir geben deutlich mehr Geld als die
alte Regierung für den Straßenbau aus –, geschehen oder
dadurch, dass es im bestehenden Straßenausbaupro-
gramm zu Verschiebungen bei der Fertigstellung und bei
der Anfinanzierung, also zu einem preiswerteren Bau von
Straßen, kommt. Diese beiden Variablen werden wir zu-
sammen mit dem Freistaat Bayern, der ist hier gefordert,
sehr wohlwollend prüfen, um zu sehen, ob es andere Fi-
nanzierungsmöglichkeiten gibt, die es uns erlauben, mit
dem Bauabschnitt III zwischen Lanzen und Herzmanns
früher zu beginnen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416619900
Der Kol-
lege Müller hat eine weitere Zusatzfrage.


Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1416620000
Eine kurze Zusatz-
frage: Bis wann werden Sie Ihre Planungen und Über-
prüfungen abgeschlossen haben? Der Zeitpunkt 2005
lässt sich nicht verschieben. Die Planungen müssen
jetzt starten, um den Bauabschnitt überhaupt fertig stel-
len zu können. Wenn Sie zwei weitere Jahre planen,
können wir auf 2006 oder 2010 verschieben. Wir hof-
fen, dass es bis dahin einen Regierungswechsel gegeben
hat. Dies ist dann die einzige Hoffnung der Menschen
in der Region.

A
Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1416620100
Na
ja, Herr Müller, wollen wir es nicht übertreiben! Jede an-
dere Regierung müsste ein Investitionsvolumen in die-
ser Höhe, wie wir es jetzt bereitstellen, erst einmal
schaffen.

Ich sage Ihnen noch einmal: Wir sind dabei, dies zu
prüfen. Es ist völlig klar, dass eine Straßenbaumaßnahme
einen Vorlauf hat. Das Vorhaben muss ja ausgeschrieben
werden. Von daher hoffen wir, dass wir im Verlaufe die-
ses Jahres die Frage beantworten können, ob und wie wir
diese Maßnahme finanzieren können. Aber dies ist eben
nicht nur vom Willen der Bundesregierung abhängig – der
sehr wohl vorhanden ist –, sondern auch von den Varia-
blen, die ich Ihnen eben genannt habe.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416620200
Frau
Skarpelis-Sperk.


Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD):
Rede ID: ID1416620300
Herr Staatssekretär,
Sie haben sich ja bereit erklärt, dies zusammen mit der
Bayerischen Staatsregierung wohlwollend zu prüfen. Ich
gehe davon aus – es sei denn, Sie widersprechen mir jetzt –,
dass diese Prüfung im Laufe des Sommers, auf jeden Fall
aber im Zuge der Haushaltsberatungen stattfinden wird.

Hat denn die Bayerische Staatsregierung bei Ihren bis-
herigen Gesprächen über die Umsetzung des Haushaltes
2001 nicht nur den Wunsch vorgebracht, dass dieser Bau-
abschnitt finanziert werden soll, sondern sich auch bereit
erklärt, sich flexibel zu zeigen und andere Projekte – und
sei es auch nur teilweise und kurzfristig – zurückzustel-
len? Welche Bemühungen hat also die Bayerische Staats-

regierung gegenüber der Bundesregierung in diesem
Punkt sichtbar werden lassen?


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das ist eine Bundesstraße, Frau Kollegin! Das ist Ihnen wohl nicht bekannt!)


A
Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1416620400
Frau
Kollegin, Sie sprechen einen richtigen Aspekt an: Wenn
man Straßenbaumaßnahmen innerhalb feststehender Pro-
gramme vorzieht, dann muss dies zulasten anderer
Straßen gehen. Von daher ist es immer schwierig für eine
Länderregierung, sich dazu zu äußern. Wir sind mit dem
Freistaat Bayern im Gespräch und hoffen, dass wir even-
tuell bestehende Vorbehalte aufnehmen können.

Uns ist daran gelegen, dass wir in diesem Jahr zu einer
Entscheidung kommen. Diese Entscheidung kann natür-
lich nur im Einvernehmen mit dem Freistaat Bayern er-
folgen. Wenn dieser sagt, man wolle Gelder, die mögli-
cherweise dadurch frei werden, dass andere Straßen nicht
oder später gebaut werden, lieber für eine andere Straßen-
baumaßnahme ausgeben, dann müssen wir versuchen,
diesen Konflikt zu lösen. Wir haben großes Interesse da-
ran, hier zu einer Entscheidung zu kommen, damit wir
zumindest Sicherheit haben, ob die Maßnahme finanzier-
bar ist oder nicht.

Sie haben noch nach dem Datum gefragt: Ich möchte
eine Festlegung auf den Sommer eigentlich nicht gerne
vornehmen. Der Herbst beginnt am 21. September und die
Haushaltsberatungen reichen darüber hinaus. Also: Ge-
hen Sie davon aus, dass wir im Laufe des Jahres zu einer
Entscheidung kommen, ob und wie eine vorzeitige Fi-
nanzierung des Baus möglich ist.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416620500
Die
Frage 26 soll schriftlich beantwortet werden. Vielen
Dank, Herr Staatssekretär.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parla-
mentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Ver-
fügung. Ich weise bereits an dieser Stelle darauf hin, dass
die Fragen 29 und 30 schriftlich beantwortet werden sol-
len. Für die beiden Fragen der Kollegin Renate Blank ha-
ben wir deshalb noch genau sechs Minuten Zeit.

Zunächst rufe ich also die Frage 27 auf:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der ka-

tastrophalen Logistik, die, trotz entsprechender Vorlaufzeit, beim
Polizeieinsatz zum Schutz des Castortransports in Niedersachsen
vom 23. bis 29.März 2001, an dem unter anderem auch 1 300 junge
Männer und Frauen der bayerischen Bereitschaftspolizei einge-
setzt waren, dazu geführt hat, dass jeder Beamtin bzw. jedem Be-
amten nur 1,5 Quadratmeter Platz ohne Rückzugsmöglichkeit zur
Verfügung hatte, während jedem Straftäter mindestens 3,5 Qua-
dratmeter zustehen, und durch die unhygienischen Verhältnisse vor
Ort zahlreiche Beamte erkrankt sind?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1416620600
Frau Kollegin, wegen des sachli-
chen Zusammenhangs möchte ich die beiden Fragen zu-
sammen beantworten.




Parl. Staatssekretär Achim Großmann
16240


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416620700
Dann rufe
ich auch noch die Frage 28 auf:

Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass im Rahmen
ihrer Zuständigkeit und Fürsorgepflicht bei der Vorbereitung von
künftigen Großeinsätzen Unterbringung, Ausbildung und Ausrüs-
tung der Einsatzkräfte gleichwertig gut sind, alle geltenden Ar-
beitsschutzbestimmungen beachtet und die Beschwerden einge-
setzter Beamtinnen/Beamter genauso korrekt bearbeitet werden
wie Beschwerden aus der Bevölkerung?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1416620800
Die Versorgung und die Unter-
bringung der beim Castortransport eingesetzten Polizei-
vollzugsbeamtinnen und -beamten aus den Ländern und
des Bundesgrenzschutzes lagen und liegen in der Verant-
wortung der niedersächsischen Landesregierung. Die Be-
amten waren dem Land Niedersachsen unterstellt, das die
Gesamteinsatzleitung der Polizei hatte. Das Land Nieder-
sachsen hat eine Arbeitsgruppe zur Überprüfung der an-
gemessenen Unterbringung geschlossener Einheiten bei
länderübergreifenden Einsätzen auf der Grundlage der Er-
fahrungen und der Erfahrungsberichte der beim jüngsten
Castortransport verwendeten Einheiten eingesetzt. Dies
hat der Arbeitskreis 2 der Ständigen Konferenz der In-
nenminister und Innensenatoren der Länder auf seiner Sit-
zung am 3. und 4. April dieses Jahres ausdrücklich
begrüßt. Er bittet Niedersachsen, den Mitgliedern des
Arbeitskreises 2 das Ergebnis der Überprüfung über die
Unterausschüsse „Führung, Einsatz und Kriminalitäts-
bekämpfung“ sowie „Recht und Verwaltung“ unver-
züglich vorzulegen.

Die Bundesregierung begrüßt diese Vorgehensweise
ebenfalls. Zielsetzung sollte aus hiesiger Sicht vor allem
sein, die Inhalte der Orientierungshilfe zu überprüfen und
gegebenenfalls verbindlicher zu gestalten.

Auf Initiative des Bundesministeriums des Innern
wurde bereits mit Beschluss des Unterausschusses
„Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung“ vom
30. September 1999 eine Projektgruppe mit der Erarbei-
tung einer „Orientierungshilfe für angemessene Unter-
bringung und Verpflegung geschlossener Einheiten“ bei
länderübergreifenden Einsätzen beauftragt. Der Arbeits-
kreis 2 hat die von der Projektgruppe des Unterausschus-
ses „Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung“ er-
arbeitete „Orientierungshilfe“ zur Kenntnis genommen.

Darüber hinaus ist der Unterausschuss „Führung, Ein-
satz und Kriminalitätsbekämpfung“ der Auffassung, dass
eine angemessene Unterbringung und Verpflegung si-
chergestellt sein muss. Die Länder wurden infolgedessen
gebeten, dies im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten
zu gewährleisten. Das für den Bundesgrenzschutz feder-
führende Grenzschutzpräsidium Nord hat diese Anre-
gungen in die Einsatzvorbereitungen des Transportes im
März 2001 nach Gorleben vorrangig einbezogen.

Beschwerden über die Unterbringung von Einsatzkräf-
ten des Bundesgrenzschutzes sind dem Ministerium bis-
her nicht bekannt geworden. Gleiches gilt für die dem
Land Niedersachsen gemäß § 11 des Bundesgrenzschutz-
gesetzes unterstellten BGS-Beamten.


(Walter Hirche [F.D.P.]: Die Zeitungen in Niedersachsen waren voll davon!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416620900
Eine Zu-
satzfrage der Kollegin Blank.

Ich bitte darum, die Fragen kurz zu beantworten, weil
die Zeit knapp wird.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1416621000
Ich gebe mir Mühe.


Renate Blank (CSU):
Rede ID: ID1416621100
Herr Staatssekretär, drängt
sich der Bundesregierung nicht die Vermutung auf, dass auf
dem Rücken der Polizistinnen und Polizisten eine politi-
sche Entscheidung ausgetragen wurde? Der stellvertreten-
de Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft hat gesagt,
dass in einer vor acht Jahren stillgelegten Kaserne, die für
die Unterbringung von 800 Personen ausgelegt war, mehr
als die doppelte Zahl an Polizisten untergebracht wurde.
Dies führte dazu, dass zu wenig Toiletten vorhanden und
diese oft verstopft waren. Es gab kein warmes Wasser, die
Duschen waren defekt und zeitweise war kein Strom da.
Zudem standen zu wenige Stühle und Tische zur Verfü-
gung. Ist Ihnen bekannt, dass der stellvertretende Bundes-
vorsitzende der Polizeigewerkschaft dies kritisiert hat?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1416621200
Mir ist bekannt, dass der stellver-
tretende Vorsitzende der Polizeigewerkschaft dies getan
hat. Auch ist mir bekannt, dass es einen Prüfungsauftrag
gibt, der sich mit diesen Dingen beschäftigt. Ich habe Ihnen
das eben geschildert. Die Frage der Unterbringung ist nicht
einfach, zumal auch im näheren Umfeld einige Liegen-
schaften und Einsatzstandorte nicht mehr so zur Verfügung
stehen, wie dies der Fall sein sollte. Dies steht außer Frage.


(Walter Hirche [F.D.P.]: Die Kommunen haben die Unterbringung für die Polizei verweigert!)


Frau Kollegin Blank, wir haben überhaupt kein Pro-
blem, mit diesen Fragen umzugehen. Sie haben in einem
Punkt völlig Recht: Dies kann nicht auf dem Rücken der
Beamtinnen und Beamten ausgetragen werden. Deswegen
wird sich das Bundesministerium des Innern im Rahmen
seiner Möglichkeiten und Kompetenzen – das sage ich
ganz deutlich – dieser Fragen entsprechend annehmen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416621300
Die Fra-
gen 29 und 30 werden schriftlich beantwortet. Vielen
Dank, Herr Staatssekretär.

Damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Gemäß I 1 b der Richtlinien für Aussprachen zu The-

men von allgemeinem aktuellen Interesse hat die
CDU/CSU-Fraktion im Zusammenhang mit den Antwor-
ten der Bundesregierung auf die Fragen 11 und 12 eine
Aktuelle Stunde beantragt. Diese ist unmittelbar nach der
Fragestunde durchzuführen.

Ich rufe daher auf:
Aktuelle Stunde
Arbeitsmarktsituation

Als erster Redner für die Fraktion der CDU/CSU hat
die Kollegin Birgit Schnieber-Jastram das Wort.






(C)



(D)



(A)



(B)


Birgit Schnieber-Jastram (CDU/CSU) (von der
CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat
zwar im Bereich der Arbeitsmarktpolitik keine Ideen,
dennoch beweist sie eine Menge Fantasie im Ersinnen im-
mer neuer Märchen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sprüche!)

Drei Beispiele aus der letzten Zeit: etwa die Münch-

hausen-Geschichte vom angeblich so erfolgreichen
JUMP-Programm, für das sage und schreibe 4 Milli-
arden DM ausgegeben werden und mit dem die Jugend-
arbeitslosigkeit gerade einmal um 20 000 gesenkt worden
ist. Kosten pro Kopf: 200 000 DM. Das muss man sich zu
Gemüte führen!


(Zuruf von der CDU/CSU: Das kann doch wohl nicht angehen!)


Dann das Märchen von des Riesters neuen Kleidern,
der angeblich so umfassenden Reform des Arbeitsförde-
rungsrechtes, bei dem der Arbeitsminister am Ende mit
ein paar kosmetischen Korrekturen und ansonsten ver-
mutlich nackt dastehen wird.

Jetzt folgt eine ganz neue Qualität, nämlich die des his-
torischen Märchens, der Geschichtsklitterung.


(Doris Barnett [SPD]: 16 Jahre nichts getan!)

Jeder hier weiß, dass ein viel beschäftigter Mann wie der
Bundeskanzler Fehler machen kann. Der Bundeskanzler
macht sie ja auch.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Es dürfen nur nicht so viele sein!)


So hat er nach dem letzten Treffen des so genannten
Bündnisses für Arbeit seinem Wunschgedanken Ausdruck
verliehen, die Arbeitslosigkeit im nächsten Jahr unter
3 Millionen zu sehen. Ich halte das für vertretbar. Auch ein
Bundeskanzler darf träumen. Fünf Stunden später aller-
dings hatte ihn die Realität eingeholt.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Er ist aufgewacht!)


Seine Prognose hat er um eine halbe Million nach oben
korrigiert.

Dass die Erreichbarkeit des Ziels auch unter dieser
Voraussage in immer weitere Ferne rückt, steht auf einem
anderen Blatt. Darauf möchte ich später noch eingehen.

Zunächst möchte ich darauf eingehen, was der Bun-
deskanzler in seinem berüchtigten „Faulenzer“-Interview
in der „Bild“-Zeitung verkündet hat. Der Bundeskanzler
hat gesagt, im letzten Jahr der Regierung Kohl habe es
4,8 Millionen Erwerbslose gegeben. Das ist nicht wahr.


(Beifall bei der CDU/CSU – Peter Dreßen [SPD]: Doch! Im Januar, Februar!)


Der Jahresdurchschnitt 1998 lag bei 4,2 Millionen. Ich
bitte Sie im Interesse einer anständigen Diskussion, bei
solchen Erörterungen fair zu bleiben.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Täuschen und tarnen!)


Der Bundeskanzler hat gesagt, während seiner Regie-
rungszeit habe die Arbeitslosenzahl um 1 Million abge-
nommen. Das ist nicht wahr. Im September 1998 lag die
Erwerbslosenzahl bei 3,965 Millionen, nach den gestri-
gen Zahlen lag sie im April 2001 bei 3,867 Millionen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Ich gestehe Ihnen gerne zu, dass Arbeitslosenzahlen im
September anders aussehen als im April. Aber nicht ein-
mal 100 000 Arbeitslose weniger seit dem Regierungsan-
tritt der rot-grünen Koalition! Das ist nach den starken
Sprüchen dieser Regierung eine sehr schwache Vorstel-
lung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Und das unter der Vorgabe, dass schon allein der demo-
graphische Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials
jährlich 200 000 Personen ausmacht.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Nullsummenregierung!)


Das können Sie sich nun wirklich nicht guten Gewissens
an Ihre Fahnen heften. Denn dafür haben Sie wirklich
nichts getan. Sie haben vielmehr Däumchen gedreht, an-
statt wirklich etwas zu bewegen.


(Widerspruch bei der SPD)

Fakt ist: Der Bundeskanzler hat in dem besagten Inter-

view falsche Zahlen genannt. Ich bin sicher, er hat dies
nicht in unlauterer Absicht getan, denn er ist ja ein ehren-
werter Mann. Man hat ihn vermutlich schlichtweg falsch
informiert – und die Grünen, Frau Dr. Dückert, offen-
sichtlich gleich dazu; denn sie hat in der Debatte die glei-
che Zahl genannt.

Ich bin mir sicher, der Bundeskanzler wird dies in sei-
nem nächsten Interview zum Arbeitsmarkt wieder richtig
stellen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Denn sie wissen nicht, was sie tun!)


Nun möchte ich noch kurz auf die seit gestern vorlie-
genden Zahlen für den April 2001 eingehen. Die Fußball-
freunde unter Ihnen wissen sicherlich, dass der FC Bay-
ern heute Abend in der Europäischen Champions League
um den Einzug ins Finale kämpft. Die Bayern wissen das
ganz besonders gut. Die Bundesregierung hat sich – dies
zeigen die gestrigen Zahlen – auf den Feldern Konjunktur
und Arbeitsmarkt bereits in die zweite europäische Liga
verabschiedet, und dies kampflos, wenn man von groß-
spurigen Ankündigungen absieht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Susanne Kastner [SPD]: Eine multikulturelle Mannschaft, die Bayern! Eine Multikulti-Mannschaft!)


Rot-Grün steht in Europa für die niedrigsten Wachs-
tumsraten, für einen der hintersten Plätze beim Abbau der
Erwerbslosigkeit und für das schlechte Mittelfeld bei den
Erwerbslosenzahlen.


(Susanne Kastner [SPD]: Oje!)

Daran gibt es nichts zu deuteln, und das sollten Sie auch
wahrnehmen.






(C)



(D)



(A)



(B)


Die Arbeitslosenquote stagniert mit 9,5 Prozent weiter
auf einem hohen Niveau. Saisonbereinigt hat die Arbeits-
losigkeit bereits im vierten Monat in Folge nicht abge-
nommen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Nach Aussage der Bundesanstalt für Arbeit verebbt bei
den Jobvermittlern der Zugang neuer Stellen.

Die rot-grüne Mannschaft um Kanzler Schröder hat
keinen Biss, sie hat keine Ideen und keine Technik. Eine
ähnlich eingestellte Truppe hat Deutschland letztes Jahr
bei der Fußballeuropameisterschaft unendlich blamiert.


(Lachen bei der SPD)

Deutschlands Nationalmannschaft ist inzwischen besser
geworden. Die neuesten Arbeitsmarktzahlen beweisen,
dass die Bundesregierung im europäischen Vergleich im-
mer schlechter wird.


(Susanne Kastner [SPD]: Das ist nicht zu fassen!)


Deswegen ist es höchste Zeit, diese Mannschaft im nächs-
ten Jahr auszuwechseln.

Lassen Sie sich an Ihren eigenen Aussagen messen und
treten Sie freiwillig ab!


(Lachen und Zurufe bei der SPD)

Erinnern Sie sich an Ihre Regierungserklärung, in der Sie
versprochen haben, Sie wollten sich an der Entwicklung
des Arbeitsmarktes messen lassen. Stattdessen Versagen
auf der ganzen Linie!


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Rote Karte für Schröder!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416621400
Das Wort
hat jetzt der Kollege Klaus Brandner von der SPD-Frak-
tion.


Klaus Brandner (SPD):
Rede ID: ID1416621500
Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, wir
haben gerade wieder erlebt, wie mit Rhetorik und Sprech-
blasen eine erfolgreiche Politik kleingeredet werden soll.
Ich glaube, dass die Bürger in diesem Land ein solches
Vorgehen erkennen.


(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU)


Wenn es eine Deutsche Meisterschaft im Kleinreden ge-
ben würde, wären Sie, Frau Schnieber-Jastram, die erste
Titelaspirantin.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie spielen in der Abstiegsliga!)


Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Schaf-
fung neuer Arbeitsplätze ist und bleibt für die Bundesre-
gierung natürlich das politische Ziel Nummer eins. Die
Tatsache, dass dieses Thema in einer Aktuellen Stunde be-

handelt wird, ist für uns Ansporn, mit unserem erfolgrei-
chen Kurs fortzufahren.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ansporn zum Abstieg!)


Darin sind wir uns im Übrigen auch mit der großen Mehr-
heit der Bevölkerung einig.

Wichtig ist: Die Arbeitsmarktlage hat sich im Vergleich
zur Regierungszeit der alten Bundesregierung deutlich
verbessert; Sie wollen das vielleicht nicht hören. Im letz-
ten Jahr gab es 590 000 mehr Arbeitsplätze als 1999.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Weil Sie die Statistiken zweimal geändert haben!)


Gegenüber 1998 beträgt die Zunahme sogar fast 1 Mil-
lion. Gleichzeitig ist die Zahl der Arbeitslosen in diesen
zwei Jahren um 390 000 zurückgegangen. Die Behaup-
tung der Opposition, der Rückgang der Arbeitslosigkeit
sei vor allem demographisch bedingt, ist damit meines
Erachtens eindeutig widerlegt.

Die Verbesserung betrifft nahezu alle Gruppen. Die
Jugendarbeitslosigkeit ist um 9 Prozent gesunken – da-
hinter steht ein erfolgreiches JUMP-Programm –, die Ar-
beitslosigkeit bei den Älteren ist um 12 Prozent zurück-
gegangen und die Langzeitarbeitslosigkeit nahm um
10 Prozent ab. Sie erkennen: Das ist ein konkreter Rück-
gang, der durch Zahlen belegbar ist; das sind keine
Sprechblasen.

Auch in diesem Jahr setzt sich der Aufschwung fort.

(Lachen des Abg. Hans Michelbach [CDU/CSU])

– Herr Michelbach, Sie mögen darüber schmunzeln.
Wenn ich an Ihre Daten zum Aufschwung denke, muss ich
feststellen: Sie sollten sich schämen und sollten den posi-
tiven Aufschwung jetzt nicht kleinreden. Das Tempo lässt
etwas nach, aber im Kern gibt es keinen Anlass zum Pes-
simismus.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

An diesem Punkt – das will ich ganz deutlich sagen –

setzt meine Kritik an der Opposition an: Miesmachen ist
zwar Ihr Recht, aber Miesmachen ist nicht gut für
Deutschland, ist nicht gut für die Menschen in diesem
Land. Wir brauchen eine Vorwärtsstrategie. Wir haben
gute Rahmenbedingungen geschaffen.


(Walter Hirche [F.D.P.]: Falsche Rahmenbedingungen haben Sie geschaffen!)


Mit Ihrer Miesmachpolitik und Strategie des Kleinredens
haben Sie in diesem Land noch keinem Arbeitslosen ge-
holfen.


(Beifall bei der SPD)

Die Entlastung bei der Einkommensteuer greift, im

Gegensatz zu früher sinken die Beiträge zur Sozialver-
sicherung.


(Walter Hirche [F.D.P.]: Ökosteuer obendrauf!)





Birgit Schnieber-Jastram

16243


(C)



(D)



(A)



(B)


– Sie haben anscheinend ein kurzes Gedächtnis; heute
haben die Menschen mehr im Portemonnaie und nicht
weniger. –


(Beifall bei der SPD – Birgit SchnieberJastram [CDU/CSU]: Wo leben Sie eigentlich?)


Ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von über
2 Prozent ist immer noch erheblich mehr als die durch-
schnittlichen 1,5 Prozent, die Sie in den 90er-Jahren
erreicht haben.

Wichtiger noch: Die positive Entwicklung setzt sich
fort. Im Februar 2001 hatten wir gegenüber dem Vorjahr
noch einmal 366 000 zusätzliche Arbeitsplätze zu ver-
zeichnen. Nach der Frühjahrsprognose der Wirtschafts-
forschungsinstitute ist in diesem und im nächsten Jahr mit
insgesamt 640 000 neuen Arbeitsplätzen zu rechnen.

Realistisch ist auch unser Ziel, im Jahre 2002 die
Marke von 3,5 Millionen Arbeitslosen zu unterschreiten.
Das ist keine Schönfärberei der Bundesregierung, son-
dern eher eine vorsichtige Prognose der Fachleute, die
überall bestätigt wird.

Die Werte können sich auch im internationalen Ver-
gleich sehen lassen. Nach der Berechnungsmethode der
EU – Sie wissen, dass diese etwas von unserer nationalen
abweicht – liegt Deutschland zurzeit mit 7,7 Prozent un-
ter dem Durchschnitt der EU von 8 Prozent, erst recht un-
ter dem Durchschnitt der Eurozone von 8,7 Prozent. Auch
das müssen Sie einmal ganz wertfrei zur Kenntnis neh-
men.

Das allein ist allerdings kein Grund, sich zufrieden
zurückzulehnen, auch nicht die Tatsache, dass eine deut-
liche Mehrheit der Deutschen die SPD auf diesem Feld für
die kompetenteste Partei hält. 43 Prozent trauen ihr am
ehesten zu, bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue
zu schaffen. Die CDU/CSU kommt bei der zentralen
Frage nach der Kompetenz auf diesem Feld nur auf
28 Prozent und liegt damit klar zurück, und das bei fal-
lender Tendenz.


(Susanne Kastner [SPD]: Das ärgert sie auch so!)


Die Menschen in diesem Land merken, dass Sie nicht so
kompetent wie wir sind. Deshalb ärgern Sie sich.


(Beifall bei der SPD)

Wir wollen aber noch besser werden. Das gilt vor allen

Dingen für die neuen Länder. Wir werden alle Anstren-
gungen darauf konzentrieren, dass der Osten aufholt. Wir
werden noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf
vorlegen, der sich am Konzept des Förderns und Forderns
orientiert. In den Vordergrund stellen wir dabei die Ver-
mittlung und die Unterstützung des einzelnen Arbeits-
losen. Eine Koalitionsarbeitsgruppe hat bereits Vorarbei-
ten für ein Job-aktiv-Gesetz geleistet und Vorschläge
gemacht. Wie Sie wissen, sind im Bundestag Anträge zur
Jobrotation und zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung
aufgrund der gemeinsamen Initiative von Rot-Grün schon
verabschiedet worden.

Dies alles geht auf einen recht breiten Konsens über die
Weiterentwicklung der aktiven Arbeitsmarktpolitik im
Bündnis für Arbeit zurück. Wir wollen an diesem Konsens
festhalten. Wir setzen dabei auf die Mitwirkung der
Tarifvertragsparteien und auch auf einen breiten Konsens
in der Bevölkerung. Falsch und nicht im Bündnis verab-
redet sind Leistungskürzungen, etwa eine Bestrafung von
älteren Arbeitslosen durch eine Verkürzung der Dauer des
Arbeitslosengeldbezugs; denn die Höchstdauer von
32 Monaten kann ohnehin erst mit 57 Jahren und nach
langjähriger Beitragszahlung in Anspruch genommen
werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416621600
Kommen
Sie bitte zum Schluss.


Klaus Brandner (SPD):
Rede ID: ID1416621700
Ich möchte deutlich sagen:
Wir wiederholen nicht die Fehler der Vergangenheit. Wir
setzen vielmehr auf aktive Instrumente, auf eine aktive
Arbeitsmarktpolitik und auf eine Modernisierung des So-
zialstaats und nicht auf Demagogie, wie Sie es heute ge-
tan haben.

Danke sehr.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Ihr macht eure eigene Wahrheit!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416621800
Als
nächster Redner hat das Wort der Kollege Dirk Niebel von
der F.D.P.-Fraktion.


(Peter Dreßen [SPD]: Den müssen wir auch noch ertragen!)



Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1416621900
Herr Präsident! Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren! Die Kollegin Schnieber-
Jastram hat mit ihrem Vergleich zum Fußball ein gut ver-
ständliches und einleuchtendes Bild gefunden. Sie hat
allerdings eine ganz wichtige Information nicht genannt:
In der Bundesliga spielen 18 Vereine und Schalke 04 wird
wahrscheinlich Meister.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Na, das ist ja fast wie bei Möllemann! Bayern wird Meister!)


Die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung sieht
nicht ganz so vorteilhaft aus. Es muss klar festgestellt
werden, dass die saisonbereinigte Arbeitslosenquote seit
vier Monaten wieder steigt, dass die Erwerbstätigenzahl
stagniert und dass das Arbeitszeitvolumen rückläufig ist.
Sie haben also trotz einer hervorragenden Ausgangssitua-
tion, die darin besteht, dass die Konjunktur seit fast zwei
Jahren brummt und dass aufgrund der demographischen
Entwicklung 250 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer pro Jahr mehr aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden als
hinzukommen, nichts erreicht außer einer ganz kleinen
– ich möchte nicht sagen „kläglich“, weil dahinter Ein-
zelschicksale stehen – Verbesserung in der Arbeitslosen-
statistik. Das ist mit Sicherheit nicht der Erfolg, den Sie
sich gewünscht haben. Ich persönlich finde das schade;




Klaus Brandner
16244


(C)



(D)



(A)



(B)


denn ich hätte Ihnen und vor allem den Betroffenen den
Erfolg gegönnt.


(Beifall bei der F.D.P.)

Die „Wirtschaftswoche“ hat am 19. April eine Studie

des Fraser-Institutes veröffentlicht, in der die Effektivität
der Arbeitsmarktpolitiken von 58 Staaten verglichen wor-
den ist. Bei diesem internationalen Vergleich erreicht die
Bundesrepublik Deutschland Platz 58, also den letzten
Platz.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hervorragend! – Walter Hirche [F.D.P.]: Hört! Hört!)


Das haben Sie, Herr Andres, Ihr Minister und Ihr Bun-
deskanzler zu verantworten, der sich nach eigenem Be-
kunden jederzeit am versprochenen Abbau der Arbeitslo-
sigkeit messen lassen will.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Absteiger!)


Sie haben die Weichen in der Arbeitsmarktpolitik von
Anfang an kontinuierlich falsch gestellt. Es begann damit,
dass Sie den Schwellenwert beim Kündigungsschutz von
zehn auf fünf Arbeitnehmer verringert haben. Das hat
dazu geführt, dass ab dem fünften Arbeitnehmer niemand
mehr eingestellt worden ist.

Der nächste Schritt war die Neuregelung der so ge-
nannten 630-Mark-Beschäftigungsverhältnisse. Sie ha-
ben diese Neuregelung ausgenutzt, um die Zahl der sozi-
alversicherungspflichtig Beschäftigten in die Höhe zu
treiben. Dadurch wurde Ihre Statistik zwar eine Zeit lang
etwas verschönert; aber im Endeffekt hat es dazu geführt,
dass Arbeitsplätze weggefallen sind, dass Menschen, die
sich aus eigenem Antrieb durch Arbeit zusätzlich etwas
Geld verdienen wollten, demotiviert worden sind, die Er-
werbstätigkeit in diesem Bereich verlassen haben, und
dass das Wirtschaftswachstum beschädigt wurde.

Danach haben Sie die so genannte Scheinselbstständig-
keit zu bekämpfen versucht. Als Beispiel des klassischen
Scheinselbstständigen zur damaligen Zeit – es war die Zeit
der Euro-Einführung – nenne ich den Informatiker, der in
einer Bank oder in einer Sparkasse dafür gesorgt hat, dass
die EDV auf den Euro umgestellt wird. Ein solcher Infor-
matiker war nur bei einer Bank beschäftigt, und das auch
nur, während sie geöffnet war. Seiner Tätigkeit ist er ganz
alleine nachgegangen und weil sein Vertrag für mindestens
ein halbes Jahr bestand, hat er in dieser Zeit auf dem Ar-
beitsmarkt nicht aktiv um andere Auftraggeber geworben.
Dann kamen Sie – und schwups war er scheinselbstständig
und musste Beiträge an die Sozialversicherungen ab-
führen. Durch Ihre Politik sind massenhaft Branchen ver-
unsichert worden und Arbeitsplätze wurden verspätet oder
gar nicht geschaffen. Das ist Ihr „Verdienst“.


(Peter Dreßen [SPD]: Gott sei Dank haben wir da Ordnung geschaffen!)


Der nächste Schritt: das Teilzeitpflichtgesetz. Heutzu-
tage wissen die Menschen noch gar nicht, was auf sie zu-
kommt. Wenn jemand in einem Betrieb plötzlich in einem
ganz bestimmten Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung
nachgehen möchte, während der Arbeitgeber einen Ganz-
tagsarbeitsplatz besetzen möchte, dann fehlt es womög-

lich an einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitszeitvorstel-
lungen mit der Situation in diesem Betrieb zu vereinbaren
sind. Es gibt in vielen Bereichen nicht nur einen Fach-
kräftemangel, sondern auch – trotz 3,8 Millionen Arbeits-
losen – einen Arbeitskräftemangel. An diesem Punkt
müssten Sie ansetzen.

Ihr Ansatz bringt mit sich, dass wir im Ausschuss für
Arbeit und Sozialordnung heute über eine Verschärfung
des Betriebsverfassungsgesetzes beraten, die dazu führt,
dass die Kommunikation gerade in kleineren und mittle-
ren Betrieben,


(Lachen bei der SPD)

die 80 Prozent der Arbeitsplätze und 70 Prozent aller Aus-
bildungsplätze stellen, von Kollektiven übernommen
wird und nicht mehr direkt stattfindet. Das ist mit Sicher-
heit der falsche Weg, wenn man bedenkt, dass 50 Prozent
all dessen, was in der Arbeitsmarktpolitik passiert, Psy-
chologie ist.


(Widerspruch bei der SPD)

Sie haben die Psychologie, die nötig ist, damit Arbeits-
plätze geschaffen werden, kaputtgemacht. Die Menschen
in diesem Land sind nicht mehr bereit zu investieren. Herr
Brandner, das ist kein Schlechtreden, sondern ein Ausfluss
dessen, was Sie entschieden haben, also ein Ergebnis der
Politik, die Sie vor zweieinhalb Jahren eingeleitet haben.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Der Kanzler hat nichts Besseres zu tun, als sich hinzu-

stellen und zu sagen, die Arbeitslosen seien alle selber
schuld. Das ist nicht in Ordnung! Die Arbeitslosen sind
nicht schuld. Zwar gibt es vieles, was man regeln muss;
aber in erster Linie fehlen Arbeitsplätze. Sie werden nicht
geschaffen, weil die Konjunktur lahmt. Was im Hinblick
auf die Beseitigung der Arbeitslosigkeit gemacht werden
muss, habe ich Ihnen schon in mehreren Debatten gesagt.
Wir werden morgen der Öffentlichkeit einige Vorschläge
vorstellen, mit denen gezeigt wird, wie die Motivation
bzw. der Anreiz, einen schlechter bezahlten Arbeitsplatz
anzunehmen, erhöht werden kann.

Ihre bisherigen Modellversuche haben sich als Flop
erwiesen. Der Gewerkschaftsflügel der SPD, Herr
Brandner, sorgt dafür, dass Sie einfach nicht bereit sind,
neue Wege in der Tarifpolitik zu gehen.


(Widerspruch bei der SPD)

Sie haben unsere Anträge zu einer modernen Tarifrechts-
gestaltung abgelehnt, statt die Möglichkeiten zu nutzen,
Arbeitsplätze zu schaffen und gerade gering Qualifizier-
ten – es geht um Menschen, die heute außen vor gelassen
werden – Chancen zu eröffnen. Ihre Politik begünstigt bes-
tenfalls diejenigen, die einen Arbeitsplatz besitzen, und
geht zulasten derjenigen, die sozusagen draußen vor der
Tür stehen und nicht hereinkommen können. Das ist nicht
wegweisend und wir werden es Ihnen, Herrn Andres, und
auch dem Kanzler immer wieder vorhalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Klaus Brandner [SPD]: Sie können es ruhig wiederholen, es wird dadurch nicht sinnvoller!)





Dirk Niebel

16245


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416622000
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Dr. Thea Dückert vom
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1416622100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau
Schnieber-Jastram, Sie können beliebige Vergleiche zwi-
schen den Zahlen ziehen. Nach jedem Vergleich stellt sich
sehr deutlich dar – das kann nicht geleugnet werden –,
dass der Trend der Entwicklung des Arbeitsmarktes in den
letzten zwei Jahren


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Nach unten geht, ja!)


positiv war.
Im Januar bzw. im Februar 1998 gab es zum Beispiel

4,8 Millionen Arbeitslose; im April 2001 waren es
3,8 Millionen Arbeitslose.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht! Sie sind im falschen Monat!)


Der Jahresdurchschnitt 1998 – Sie zitieren diesen Jahres-
durchschnitt immer gern – lag bei 4,3 Millionen, während
der Jahresdurchschnitt 2000 bei 3,8 Millionen Arbeitslo-
sen lag. Sie können es drehen und wenden, wie Sie wol-
len: Die Situation auf dem Arbeitsmarkt hat sich in den
letzten zwei Jahren verbessert. Wenn Sie sich die Zahl der
Erwerbstätigen anschauen, dann werden Sie feststellen,
dass sich die Zahl der Erwerbstätigen in den letzten zwei
Jahren um 1 Million erhöht hat.

Es ist richtig: Die Zahl der 630-Mark-Jobs hat zuge-
nommen. Auch richtig ist aber, dass die Steigerung der Er-
werbstätigkeit größer ist als der Rückgang der Arbeitslo-
senzahlen. Richtig ist auch, dass wir in den letzten zwei
Jahren mit der Wirtschafts-, Konjunktur- und Arbeits-
marktpolitik ein Klima haben herstellen können, das dazu
beigetragen hat, dass die stille Reserve geringer geworden
ist, dass endlich wieder mehr Frauen in den Erwerbsar-
beitsmarkt drängen. Das ist ein positiver Effekt, der sich
in Statistiken gar nicht messen lässt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Nehmen wir diese Effekte Arbeitslosigkeit und Er-
werbstätigkeitsentwicklung zusammen, dann ist aller-
dings festzustellen – das ist richtig und ich denke, darüber
müssen wir uns unterhalten –, dass sich die positive Ent-
wicklung in den letzten Monaten abgeschwächt hat, dass
sich diese positive Entwicklung vor allen Dingen auf die
westlichen Bundesländer konzentriert und dass wir eine
Stagnation in den ostdeutschen Bundesländern haben.
Darüber müssen wir reden.

Vor diesem Hintergrund ist es auch richtig festzustel-
len, dass das Ziel, die Arbeitslosigkeit unter 3,5 Millionen
zu senken, ein sehr ehrgeiziges Ziel ist.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ein Minimalziel!)

Das wird kein Sonntagsspaziergang. Aber es markiert
auch, dass für uns die Arbeits- und Beschäftigungspolitik,
der Abbau von Arbeitslosigkeit ganz oben auf der politi-
schen Agenda steht.

Dazu gehört unter anderem ein gesamtpolitischer Rah-
men. Der Rahmen wird gesetzt durch die Finanz-, Wirt-
schafts- und Haushaltspolitik. Wir haben viel dazu beigetra-
gen, dass die Steuer- und Abgabenbelastung gesenkt wurde.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wo denn?)

Wir haben viel dazu beigetragen, dass der Mittelstand ent-
lastet wird, was Sie jetzt immer wieder falsch zitieren. Die
Entlastung für den Mittelstand liegt 2001 effektiv bei
23 Milliarden DM. Wenn man alles zusammen nimmt
– ich erwähne die Steuerreform –, liegt sie bei 30 Milliar-
den DM. Ich will das nur sagen, weil das auch ein wichti-
ger Ansatzpunkt ist,


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben die Gegenfinanzierung vergessen! Wer investiert, wird bei Ihnen bestraft!)


weil das ein Wirtschaftsbereich ist, in dem es sehr viele
Arbeitsplätze gibt, in dem viele Arbeitsplätze geschaffen
werden und in dem sehr viel Ausbildung angeboten wird.
Aber das ist nur ein Effekt, das ist nur ein Stein, auf dem
wir uns nicht ausruhen können.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die Steuerquote bleibt hoch!)


Es ist eine riesengroße Illusion, zu glauben, wenn die
Wirtschaft nur brummt, brauche man keine aktive Arbeits-
marktpolitik zu machen. Wir haben Verwerfungen am Ar-
beitsmarkt, wir haben strukturelle Probleme, vor allen Din-
gen im Osten. Wir haben ein „mismatch“ zwischen
Qualifikationsangeboten. Deswegen wollen wir Ihnen noch
vor der Sommerpause eine vernünftige Reform des SGB III
vorstellen, die den Kern der Arbeitsmarktpolitik, die aktiven
arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen beinhalten wird.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Neue Reglementierungen!)


Lassen Sie mich eines sagen: Das wird eine engagierte
Reform sein, die sich sehr von dem unterscheiden wird,
was Sie beispielsweise im Wahljahr präsentiert haben. Im
Jahre 1998 haben Sie als reines Wahlkampfgeschenk die
AB-Maßnahmen – wir haben das vorhin gerade gehört –
um ungefähr 170 000 heraufgefahren.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Wir hatten vorher auch schon ABM!)


Das war keine Antwort auf die strukturellen Probleme des
Arbeitsmarktes.

Wir wollen in diesem Jahr eine Reform vorlegen, durch
die sich die Arbeitsmarktpolitik in ihrer Ausrichtung ver-
ändert. Wir werden eine präventive Arbeitsmarktpolitik
machen mit dem ersten Ziel, die Langzeitarbeitslosigkeit
herunterzufahren


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Das wolltet ihr schon letztes Jahr!)


durch eine vernünftige Politik der Vermittlung, durch eine
veränderte Politik, beispielsweise auch durch die Bereit-
stellung von Eingliederungsplänen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Das schafft ihr in dieser Legislaturperiode doch nicht mehr!)







(C)



(D)



(A)



(B)


Wir werden die Arbeitsmarktpolitik zielgenauer ausrich-
ten und die Unübersichtlichkeit der sehr unterschiedli-
chen Formen der Lohnsubventionierung durch eine Zu-
sammenführung und Vereinfachung beseitigen. Wir
werden eine ganze Reihe von Maßnahmen ergreifen – ei-
niges haben wir schon vorgeschlagen – zur Jobrotation.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Ein Jahr später als wir!)


Die kurze Redezeit in einer Aktuellen Stunde reicht
nicht aus, um über dieses engagierte Konzept hier zu dis-
kutieren. Wir werden dafür gemeinsam noch Zeit haben.
Ich bin gespannt, wie Sie sich da aus der Verantwortung
stehlen werden. Ich glaube, dass wir die Herausforderung,
die sich gerade in der Arbeitsmarktentwicklung heute
stellt, als Koalition sehr umfassend und sehr konstruktiv
annehmen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Wolfgang Meckelburg [CDU/ CSU]: Das ist eine Glaubensfrage bei Ihnen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416622200
Als
nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Klaus
Grehn von der PDS-Fraktion.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1416622300
Herr Präsident! Meine lieben
Kolleginnen und Kollegen! Das Problem Arbeitslosigkeit
bleibt. Ob 0,1 Prozent mehr oder 0,1 Prozent weniger: Die
unerträgliche Massenarbeitslosigkeit in diesem Land
bleibt. Da hilft weder Schönreden auf der einen Seite noch
Schwarzmalen auf der anderen Seite. Die Realität ist so,
wie sie ist.

Darum ist es richtig und wichtig, dass sich der Deut-
sche Bundestag wiederholt und sehr häufig mit diesem
Problem befasst. Es hilft allerdings nicht, die Schuldigen
unter den Arbeitslosen zu suchen. Vielmehr müssen sich
dieses Hohe Haus und die Bundesregierung fragen, wie
groß ihr Anteil an dieser Entwicklung ist. Seit der Dis-
kussion um die „soziale Hängematte“ im „Freizeitpark
Deutschland“ ist mir nicht mehr so etwas Unerträgliches
vorgekommen


(Renate Rennebach [SPD]: Unerträglich?)

– Ja, unerträglich, Frau Kollegin – wie die Aussage des
Regierungschefs über das Faulenzertum unter den Ar-
beitslosen.

Sie müssen nicht weit schauen, um festzustellen, wie
die reale Situation der Arbeitslosen ist. Vor fast 100 Jah-
ren hat der Schweizer Moralist Hilty in seiner Trilogie
über das Glück einmal geschrieben, dass die Arbeitslosen
die wahren Unglücklichen sind. Es ist unanständig, wenn
man jemanden, der unglücklich ist und erniedrigt am Bo-
den liegt, dann auch noch tritt.

Es gibt schlicht und einfach nicht „den Arbeitslosen“.
Namens der 3,8 Millionen offiziell Betroffenen und na-
mens der zusätzlich knapp 2Millionen Betroffenen, die es
nach der Dunkelziffer gibt, verlange ich vom Bundes-

kanzler, dass er sich für diese unzulässige Verallgemeine-
rung entschuldigt


(Beifall bei der PDS)

und es nicht dabei belässt, sich bei den ostdeutschen Ar-
beitslosen zu entschuldigen und damit den schwarzen
Peter den Arbeitslosen in den alten Bundesländern zuzu-
schieben.

Ich will in aller Deutlichkeit sagen: Vermeintliche oder
tatsächliche Arbeitsunwilligkeit Einzelner ist keine ge-
sellschaftliche Massenerscheinung. Wenn man sich an-
schaut, dass in Mecklenburg-Vorpommern von 180 000 Ar-
beitslosen nur 0,7 Prozent mit einer Sperrfrist belegt wor-
den sind, weil sie arbeitsunwillig waren, dann erkennt
man, wie gering das Ausmaß der Arbeitsunwilligkeit ist.
Ich verlange vom Bundeskanzler, dass er sich mit den
99,3 Prozent Arbeitswilligen mehr beschäftigt als mit
den 0,7 Prozent Arbeitsunwilligen.

Was mit einer solchen Diskussion bewirkt wird, ist
nichts anderes, als dass Stammtischparolen und Vorurteile
gegen Arbeitslose bedient werden, die auf diese Weise
instrumentalisiert werden. Zu welchem Ergebnis das
führt, zeigen Umfragen, in denen 65 Prozent der Befrag-
ten sagen, es sei richtig, dass nur diejenigen Geld erhalten
sollen, die arbeiten. Was aber wären die Folgen für die Ar-
beitnehmer, wenn man für ein Arbeitslosengeld von
60 Prozent des ursprünglichen Nettolohnes arbeiten
muss?

Der Kanzler hat folgende Tatsache nicht bedacht: Die
Sperrfristen sowie das Setzen auf die finanzielle und die
Qualifikationsrutsche sind schon längst geregelt. Wir ha-
ben doch im SGB III und im BSHG bereits eine Fülle von
Regelungen, die Sanktionen gegen arbeitsunwillige Ar-
beitslose ermöglichen. Über eine Frage wird aber nicht
diskutiert: Wo bleibt denn die Existenzsicherung der Ar-
beitslosen? Wenn sie nach einem halben Jahr Arbeitslo-
sigkeit jede Arbeit – unabhängig von der freien Berufs-
wahl und von dem Berufsschutz – annehmen müssen,
wobei der Lohn in der Höhe des Arbeitslosengeldes von
60 Prozent liegt, erwerben sie einen neuen Anspruch auf
Arbeitslosengeld, das dann bei nur 60 Prozent von diesen
60 Prozent liegt. Es ist doch erklärlich, dass nicht alle Ar-
beitslosen dies mitmachen wollen und dass auf diese
Weise nicht mehr entsprechend der Qualifikation vermit-
telt werden kann, obwohl in diesem Land qualifizierte Ar-
beitskräfte gesucht werden.

Ich sage deswegen: Verlassen wir den Weg des
Bekämpfens der Arbeitslosen und der Schuldzuweisung
an die Arbeitslosen! Schlagen wir vielmehr den Weg ein,
den Menschen, die ausgegrenzt und ohnehin genug be-
straft sind, zu helfen und sie in die Gesellschaft zu inte-
grieren. Das ist für die Menschen, für dieses Land und
auch für die Politik gut.


(Beifall bei der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416622400
Als
nächster Redner hat das Wort der Kollege Wolfgang
Grotthaus von der SPD-Fraktion.




Dr. Thea Dückert

16247


(C)



(D)



(A)



(B)



Wolfgang Grotthaus (SPD):
Rede ID: ID1416622500
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte den Ver-
gleich von der Kollegin Schnieber-Jastram aufgreifen; sie
hat die Politik mit dem Sport verglichen. Ich glaube, die-
ser Vergleich ist realistisch, insbesondere dann, wenn man
den Zeitraum von 1996 bis 1998 betrachtet, den sie wohl
auch meinte.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Was war denn da? Das waren gute Zeiten!)


Zu dieser Zeit gab es zwei Versager: Der eine war in der
Politik tätig und wurde 1998 abgewählt, denn er hatte die
Zeichen der Zeit nicht erkannt. Der andere war Bundes-
trainer und ist von selbst gegangen, weil der öffentliche
Druck so groß wurde.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Es ist danach aber nichts besser geworden, weder im Fußball noch in der Politik!)


Von daher kann ich den Vergleich nur als richtig bezeichnen.
Bei solchen Vergleichen sollten Sie sich natürlich immer
wieder vor Augen halten, von welcher Zeit Sie sprechen.

Ich möchte noch einen Vergleich mit dem Sport ziehen:
Mir scheint es, dass sich die CDU bemüht, Weltmeister im
bewussten Verdrängen der Arbeitslosigkeit, die sie er-
zeugt hat, zu werden.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Oh nein!)

Ich kann mich daran erinnern, dass wir, als ich als junger
Abgeordneter im Jahre 1998 in den Bundestag gekommen
bin, eine Arbeitslosigkeit von über 4 Millionen hatten.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Stimmt nicht, es waren 3,9 Millionen!)


Zwei Monate später hieß es: Das sind eure Arbeitslosen,
ihr müsst euch mehr um die Arbeitslosen kümmern und
ihr von der Regierung habt Programme aufzulegen, die
diese Arbeitslosigkeit ad hoc beseitigen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie wollten doch die Wunder bewirken! Wo sind sie denn? – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Wir erinnern doch nur an eure Wahlkampfversprechen!)


– Ich freue mich immer, wenn Sie so prima reagieren. Bei
uns im Ruhrgebiet sagt man: Wer so reagiert, hat meistens
Unrecht. Das sollten Sie sich auch einmal auf die Hut-
schnur schreiben.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/ CSU: Meistens! – Karl-Josef Laumann [CDU/ CSU]: Nur das Ruhrgebiet regieren zurzeit wir!)


Sie haben verdrängt, dass Sie sich nach Ihrer Regierungs-
übernahme im Jahre 1982 dadurch „ausgezeichnet“ haben,
dass die Arbeitslosenzahlen stetig gestiegen sind. Wir
konnten keine gravierenden Reduzierungen feststellen.
Diese Politik hat dazu geführt, dass bis zu 4,8 Millionen
Menschen arbeitslos waren. Dass Sie dies verdrängen wol-
len, kann man ja verstehen, denn wer lässt sich schon gern
die Schicksale von 4,8 Millionen Menschen vorhalten.

Dass wir dagegen heute nur noch 3,867 Millionen Ar-
beitslose haben, sollten Sie nicht verdrängen; Sie tun das

auch nicht. Sie klagen es aber an. Ich sage Ihnen: Dies ist
der verkehrte Weg. Sie sollten sich mit uns freuen, dass wir
mehr als einer Million Menschen zu Arbeit verholfen ha-
ben. Sie sollten sich mit uns freuen, dass wir mehr als eine
Million neue Arbeitsplätze geschaffen haben. Sie haben in
dieser Zeit – das sagte ich schon – immer nur Arbeitsplätze
abgebaut. Ihre Regierungszeit war das Gegenteil dessen,
was wir in zweieinhalb Jahren gemacht haben.


(Beifall bei der SPD – Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist wohl wahr!)


Sie sollten sich mit uns freuen und somit auch für die
Menschen, die in den letzten zwei Jahren einen Arbeits-
platz erhalten haben. Diesen Menschen wurde eine neue
Zukunft gegeben. Diese Menschen können wieder Licht
am Ende des Tunnels sehen, den Sie in den letzten Jahren
gebaut haben.

Ich muss aber feststellen: Freude kommt bei Ihnen
nicht auf. Das Gegenteil ist der Fall. Sie scheinen immer
noch nach Ihrer Sonthofen-Strategie zu verfahren: mies-
machen, verunsichern, kaputtreden. Lassen Sie sich
sagen: Das kommt nicht an! Die Menschen, die Arbeits-
plätze erhalten haben, und zwar – dies gilt es festzuhal-
ten –, weil die Industrie und der Mittelstand sie geschaffen
haben, aber auch weil die Regierung die notwendigen
Rahmenbedingungen gesetzt hat, lassen sich durch Ihre
Miesmacherei nicht verunsichern.


(Beifall bei der SPD)

Auf den Zugewinn an Arbeitsplätzen in den Jahren

1999 und 2000 hat der Kollege Brandner hingewiesen.
Wenn Sie diese beiden Zahlen addieren – ich hoffe, dass
Sie das können –, werden Sie einen Zugewinn an Ar-
beitsplätzen von circa 1 Million feststellen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben sich bei einer Null vertan!)


Diese Zahlen ignorieren Sie und reden wider besseres
Wissen. Ich sage Ihnen: Wir lassen uns dadurch nicht be-
irren. – Herr Michelbach, Sie haben sich auch im Finanz-
ausschuss schon immer dadurch ausgezeichnet, dass Sie
hervorragende Zwischenrufe machen, die aber keinen
Sinn und Verstand haben.


(Beifall bei der SPD – Dirk Niebel [F.D.P.]: Dann können sie nicht hervorragend sein! Das ist genauso unlogisch wie Ihre Arbeitsmarktpolitik!)


Ich sage Ihnen, wir sind auf dem richtigen Weg. Wir
wissen, dass die Konjunktur zurzeit eine kleine Delle auf-
weist; dies haben die Wirtschaftsweisen bestätigt, dies hat
die Regierung auch noch einmal gesagt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ein schönes Schlagloch, keine Delle!)


Aber wir sagen Ihnen auch, die Programme, die wir in den
letzten Monaten, in den letzten zwei Jahren aufgelegt ha-
ben, nämlich das Programm zur Förderung arbeitsloser
Jugendlicher, die Förderung älterer Arbeitsloser durch
Jobrotation, die Bekämpfung illegaler Beschäftigung und
der Rechtsanspruch auf einen Teilzeitarbeitsplatz, sind
Maßnahmen, die sich innovativ auf den Arbeitsmarkt aus-






(C)



(D)



(A)



(B)


wirken werden. Wir werden auch weiterhin eine Reduzie-
rung der Arbeitslosenzahlen bekommen.

Ich meine, Sie hätten sich in den letzten zwei Jahren ei-
gentlich damit hervortun müssen, zusätzliche, ergänzende
Vorschläge zu machen, wie wir mehr Arbeitslose wieder
in Arbeit bringen. Das vermisse ich bei Ihnen.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Da haben Sie ein Jahr verpennt!)


Dazu waren Sie anscheinend auch nicht in der Lage, denn
ich stelle fest, Sie haben seit anderthalb Jahren Ihre unge-
ordneten Finanzverhältnisse zu ordnen versucht. Dies ist
draußen bei den Menschen angekommen, aber es ist Ih-
nen bis heute auch noch nicht gelungen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch Ihr Glück gewesen!)


Vielleicht können wir das morgen noch vertiefen. Aber
wir werden auf dem von uns aufgezeigten Weg zum
Wohle der arbeitslosen Menschen weitergehen. Wir wer-
den uns durch Sie nicht beirren lassen.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416622600
Das Wort
hat jetzt die Kollegin Dagmar Wöhrl von der CDU/CSU.

Dagmar Wöhrl (CDU/CSU) (von der CDU/CSU mit
Beifall begrüßt): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kol-
leginnen, liebe Kollegen! Die gestrigen Arbeitsmarktzah-
len reihen sich in eine ganze Serie schlechter Nachrichten
ein. Minister Eichel musste vor zwölf Tagen seine Wachs-
tumsprognose von 2 ¾ auf 2 Prozent korrigieren. Der IWF
spricht sogar von 1,9 Prozent. Das ist schon bedenklich,
vor allem wenn man daran denkt, dass Beschäftigung erst
ab 2 Prozent Wachstum wieder greifen soll.

Zeitgleich hat das Bundesamt für Statistik die Infla-
tionsrate für April festgelegt: 2,8 Prozent, meine lieben
Damen und Herren.


(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

2,8 Prozent! Als Sie an die Regierung gekommen sind,
gab es eine Inflationsrate von 0,7 Prozent! Gestern erfuh-
ren wir, dass am Arbeitsmarkt totale Stagnation herrscht.
Dass das Arbeitsvolumen in Stunden gerechnet seit 1999
stagniert, wissen wir ja inzwischen, aber dass inzwischen
auch kein Arbeitslosigkeitsabbau mehr stattfindet, ist neu.
Wenn man sieht, dass es im April saisonbereinigt sogar ei-
nen leichten Zuwachs von 6 000 Arbeitslosen gibt, wissen
wir leider, wohin der Zug mit Ihnen geht.

Aber was sagt die Regierung dazu? Das sei überhaupt
kein Grund zur Beunruhigung. Ich glaube aber, Sie sollten
schon ein bisschen beunruhigt sein, vor allem, wenn Sie
auch Ihr Ziel erreichen wollen, auf unter 3,5 Millionen Ar-
beitslose zu kommen. Denn Ihre Tricks vom April 1999, die
Statistik mit den 630-Mark-Jobbern zu verändern, können
Sie nicht beliebig wiederholen. Das wissen Sie ja auch.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Aber Sie denken sich natürlich, Gott sei Dank, was soll

das, wir haben ja noch die Demographie. Sicher haben Sie

Recht, Sie haben die Demographie. Die wird Ihnen auch
helfen. Das IAB Nürnberg hat festgestellt, dass allein
1999/2000 nur aufgrund der Demographie die Zahl der Ar-
beitslosen um 436 000 geringer geworden ist. Sie werden
sich auch sagen: Ach Gott, was soll’s, Gott sei Dank haben
wir auch noch die AB-Maßnahmen. Dann werden wir se-
hen, was Sie vor der Wahl in diesem Zusammenhang ma-
chen. Das wird auch nicht beliebig zu erhöhen sein.


(Zuruf von der SPD: Wir werden einem schlechten Beispiel nicht folgen!)


1,7 Millionen Menschen sind momentan in Deutschland
in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen aller Art. 45 Mil-
liarden DM lassen Sie sich das momentan pro Jahr kosten.
Wir wissen, dass das leider ein ineffizientes Mittel ist, ein
ineffizientes Mittel!


(Widerspruch bei der SPD)

Nur 15 Prozent werden vermittelt, und ein Viertel bricht
ab. Von den Folgekosten, weil sie jetzt einen Anspruch auf
Arbeitslosengeld haben, und von den Auswirkungen auf
den Mittelstand will ich in diesem Zusammenhang gar
nicht werden.

Sie machen es sich hier natürlich sehr leicht. Sie sagen:
Ja, wir sind überhaupt nicht schuld. Schuld ist, was das
Wirtschaftswachstum angeht, das Ausland, sind außen-
wirtschaftliche Einflüsse: Amerikas Wirtschaftsschwäche,
Japans Wirtschaftsschwäche. Sicher stimmt das in einem
gewissen Rahmen. Aber das erklärt nicht, warum wir im-
mer Schlusslicht sein müssen. Letztes Jahr waren wir
trotz unseres guten Wirtschaftswachstums von 3 Prozent
Schlusslicht in Europa. Es waren nur noch Portugal und
Italien schlechter. In diesem Jahr aber sind wir wirklich
der „Champion“: Wir bilden mit unserem Wirtschafts-
wachstum in Europa nämlich das Schlusslicht. Das ist
eine Schande, denn so etwas hat es bis jetzt überhaupt
noch nicht gegeben. Wir werden dieses Jahr das erste Mal
die rote Laterne von Europa bekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Da nützt es Ihnen nichts, wenn Sie sich hinter außen-

wirtschaftlichen Einflüssen verstecken. Die britische Öko-
nomie zum Beispiel ist von den USA genauso abhängig
wie wir, aber dort wurden Gegenmaßnahmen ergriffen.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Die haben ja auch nicht die alte Linke, sondern die neue Mitte!)


Diese fehlen bei Ihnen. Sie machen eine verfehlte Wirt-
schaftspolitik, eine verfehlte Steuerpolitik und eine verfehlte
Arbeitsmarktpolitik – keine Korrekturen, keine Reformen,
wie sie unsere Nachbarn auf den Weg gebracht haben.

Deregulierung wäre notwendig. Was machen Sie? –
Regulierung: bei den 630-Mark-Jobs, beim Rechtsan-
spruch auf Teilzeit, beim Betriebsverfassungsgesetz, um
hier nur einige Beispiele zu nennen.


(Peter Dreßen [SPD]: Das ist doch gut, Frau Wöhrl! Seien Sie froh!)


Diese Gesetze, die Sie in letzter Zeit auf den Weg gebracht
haben, werden nicht dazu beitragen, die Wirtschaft und
den Arbeitsmarkt wieder nach vorne zu bringen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)





Wolfgang Grotthaus

16249


(C)



(D)



(A)



(B)


Eine Steuerreform, die dem Mittelstand schadet, dem
Wachstumsmotor, der Arbeitsplätze schaffen soll; eine
Ökosteuer, die die Binnenkonjunktur abwürgt; Sie schaf-
fen es nicht, die Sozialversicherungsbeiträge unter
40 Prozent zu bringen, was Sie versprochen haben;


(Peter Dreßen [SPD]: Weil ihr sie hochgejagt habt von 34 auf 43 Prozent! Wir senken sie erst mal! Ihr habt sie gesteigert!)


eine Investitionsquote auf dem Tiefstand von 12 Prozent,
das sind Ihre Zahlen, und zwar die richtigen Zahlen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Ihr allergrößter Schwachpunkt ist Ihre Arbeitsmarkt-
politik. Da tut sich nämlich überhaupt nichts; da ist nur
Stagnation. Wir haben einen „mismatch“, wie es ihn bis
jetzt noch nie gab: auf der einen Seite Arbeitslose, auf der
anderen Seite Firmen, die Leute suchen. Wie Sie diesen
Missstand zukünftig beseitigen wollen, müssen Sie erst
einmal erklären.

Wir haben einen deutschen Arbeitsmarkt, der hoff-
nungslos überreguliert ist.


(Klaus Brandner [SPD]: Vergleichen Sie doch mal 1998 und 2001!)


– Sie sind inzwischen drei Jahre an der Regierung, lieber
Herr Kollege.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die müssen wieder weg!)


Gehen Sie endlich die strukturellen Reformen am Ar-
beitsmarkt an; denn sonst werden Sie es nicht schaffen,
mehr Beschäftigung zu erreichen, vor allem nicht, wenn
sich die Konjunktur nach unten entwickelt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Klaus Brandner [SPD]: Wenn Sie in der Schule aufgepasst haben, können Sie zumindest das unterscheiden, Frau Wöhrl!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416622700
Für die
Bundesregierung hat jetzt der Parlamentarische Staatsse-
kretär Gerd Andres das Wort.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1416622800
Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Diese Debatten scheinen in jeder Sit-
zungswoche mehr dadurch ausgezeichnet zu sein, dass
man sich hier einen Schaukampf liefert und sich auf die
Argumente der anderen eigentlich überhaupt nicht mehr
einlässt. Frau Wöhrl, ich weiß nicht, woran es liegt. Mein
Kollege Brandner hat Ihnen eben die aktuellen Zahlen
von Eurostat genannt.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Selbst gefälscht! – Gegenruf der Abg. Susanne Kastner [SPD]: Ach, Herr Michelbach! Eine Frechheit!)


– Da kommt der Zwischenruf „selbst gefälscht“. Wissen
Sie was, mein Herr? Diese Debatte hat ein Niveau ange-
nommen, dass einem ganz übel werden kann!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich lese die Zahlen noch einmal ganz langsam, zum
Mitschreiben, vor, Frau Wöhrl – Sie können sie glauben,
Sie können es auch sein lassen –:


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Da muss man Staatssekretär sein, um die höhere Weisheit zu haben, oder wie?)


In der Euro-Zone beträgt die durchschnittliche Arbeitslo-
sigkeit 8,4 Prozent, in der EU der 15 liegt sie bei 7,8 Pro-
zent und, nach den gleichen Quoten gerechnet, in
Deutschland bei 7,7 Prozent. Vielleicht können Sie das
Protokoll ja noch korrigieren. Schlechter als wir liegen
Frankreich, Finnland und Spanien. Selbst die Fakten, die
Sie vorgetragen haben, stimmen also nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der zweite Punkt. Ich finde es unglaublich, wie hier in-
zwischen über bestimmte Instrumente geredet wird. Da
nenne ich einmal Frau Schnieber-Jastram. Was sie hier
über das Jugendsofortprogramm vorgetragen hat, ist
schlicht eine Bodenlosigkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist eine Bodenlosigkeit, zu sagen, diese Programme
hätten nur einen Rückgang der Zahl der jugendlichen Ar-
beitslosen um 20 000 gebracht.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das sagt auch die Wirtschaft, nicht nur die CDU, und das kommt auch vom DGB!)


– Hören Sie doch auf zu schreien, hören Sie einfach mal
zu.

Ich nenne Ihnen zwei Zahlen. Wer so etwas behauptet,
muss einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir ge-
genwärtig 29251 junge Menschen in Eingliederungs-
maßnahmen im ersten Arbeitsmarkt mit Lohnkostenzu-
schüssen haben. Er muss zur Kenntnis nehmen, dass wir
gegenwärtig 18 291 junge Menschen in Maßnahmen der
außerbetrieblichen Ausbildung haben. Sie sollten sich
einmal die Frage stellen, wo eigentlich, wenn wir dieses
Programm nicht gemacht hätten, gegenwärtig diese bei-
den Gruppen von jungen Menschen wären. Eine solche
Verfahrensweise wie die Ihre nenne ich zynisch!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie können hier erzählen, was Sie wollen. Sie können
auch in jeder Sitzungswoche eine Aktuelle Stunde zu die-
sem Thema beantragen. Es macht große Freude, sich mit
Ihnen auseinander zu setzen. Frau Wöhrl, ich würde Ihnen
übrigens empfehlen, das Protokoll der Fragestunde nach-
zulesen. Sie waren ja nicht anwesend.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Ich war weiter hinten gesessen!)





DagmarWöhrl
16250


(C)



(D)



(A)



(B)


Da bekommen Sie viele praktische Hinweise.
An einem Punkt kommen Sie nicht vorbei: Im letzten

Jahr Ihrer Regierungsverantwortung war die Arbeitslosig-
keit in Deutschland mit mehr als 4,8 Millionen arbeitslos
gemeldeten Menschen auf dem historischen Höchststand.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Seitdem wir regieren, gibt es eine Trendwende. Wir kön-
nen Ihnen Folgendes nachweisen – Sie können das glau-
ben; Sie können es auch sein lassen; das ist egal –: Die
Zahl der Beschäftigten hat um mehr als 1 Million zuge-
nommen


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Vorhin haben Sie nur bis 600 000 gezählt!)


und in den letzten beiden Jahren ist die Arbeitslosigkeit
Schritt für Schritt gesunken. Im Jahre 1999 reduzierte sie
sich im Jahresdurchschnitt um 180 000 und im Jahre 2000
um 210 000. In diesem Jahr werden es im Jahresdurch-
schnitt auch wieder um die 180 000 oder mehr Arbeitslose
weniger sein. Daran können Sie überhaupt nichts ändern,
und draußen wird das auch so wahrgenommen; das soll-
ten Sie wissen.

Bei Ihnen bestand ein negativer Trend: Von 1991 an ist
die Arbeitslosigkeit Monat für Monat und Jahr für Jahr um
mehr als 1,3 Millionen angestiegen. Die neue Regierung,
die rotgrün geführte Bundesregierung, hat eine Trend-
wende eingeleitet. Darauf sind wir stolz und das ist auch
vernünftig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Nun zu einem weiteren Punkt: Ich würde es für sinn-
voll halten, in einen Wettbewerb darüber einzutreten, wie
die besten Wege und die besten Möglichkeiten, die Ar-
beitslosigkeit zu senken, aussehen. Denn eines ist klar
– daran kann keiner vorbeireden –: Die Politik kann nicht
mit einem Knopfdruck 1 Million, 2 Millionen oder 3 Mil-
lionen Arbeitsplätze schaffen. Wer das behauptet, redet
dummes Zeug.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Politik kann nur eines: Sie kann dafür sorgen, dass die
Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass wir einen
möglichst raschen Aufbau von Beschäftigung hinbekom-
men und einen möglichst raschen Abbau der Arbeitslo-
sigkeit erreichen.


(Dr. Klaus Grehn [PDS]: Existenzsichernde Beschäftigung!)


Eines, was hier behauptet worden ist, will ich anspre-
chen, damit das nicht weiter im Raum steht: Der derzei-
tige Rückgang der Arbeitslosigkeit ist nicht auf die De-
mographie zurückzuführen, Frau Wöhrl.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Ach!)

– Es wäre doch Quatsch, das zu leugnen.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Stimmen die Zahlen vom IAB nicht?)


Selbstverständlich ist der Rückgang zum Teil auf die
Demographie zurückzuführen. Aber auf der anderen Seite
hat das Erwerbstätigenpotenzial zugenommen. Frauen,
die vorher nicht arbeitslos gemeldet waren, haben ver-
mehrt Beschäftigung gesucht und sind zusätzlich Teil des
Arbeitsmarktes geworden.


(Franz Thönnes [SPD]: Eine gute Politik für die Frauen!)


Wir erleben die Situation, dass die Zuführung aus dieser
so genannten stillen Reserve deutlich über dem liegt, was
der demographische Faktor in diesem Bereich ausmacht.
Darauf sind wir stolz.

Jetzt haben wir ein Problem, über das man offen spre-
chen kann: Trotz wachsender Beschäftigung besteht eine
sich verstetigende Langzeitarbeitslosigkeit – da müssen
wir etwas tun – und trotz wachsender Beschäftigung geht
uns der Rückgang der Arbeitslosigkeit nicht schnell ge-
nug, wobei ich hoffe, dass er uns allen nicht schnell genug
geht. Möglichkeiten zu finden, wie man die Arbeitslosig-
keit deutlicher reduzieren und für mehr Beschäftigung
sorgen kann, das sind spannende Fragen in der Politik.

Damit komme ich zu einer PDS-Position, über die wir
schon einmal am 5. April dieses Jahres diskutiert haben:
Erstens hat der Bundeskanzler nicht alle Arbeitslosen zu
Faulenzern erklärt. Wer das hier an diesem Pult behaup-
tet, sagt die Unwahrheit. Ich bitte Sie ausdrücklich, Herr
Grehn, sich noch einmal über die genauen Worte des
Bundeskanzlers zu informieren. Zweitens muss man wis-
sen, dass jede Politik in diesem Bereich damit beginnt, zu
sagen, was ist. Jede Wahrheit muss auf den Tisch. Darü-
ber müssen wir reden und wir müssen darüber streiten,
welche Wege und welche Möglichkeiten es gibt, die be-
stehende Situation zu ändern.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Da müssen wir nicht streiten! Nehmen Sie einfach unsere Anträge! Dann passt das!)


– Sie können darüber streiten, wie Sie wollen. Ich bitte Sie
herzlich um eine sachlich vernünftige Form.

Wir haben ein paar Probleme, die man offen benennen
kann: Bis zum Jahre 2006 wird in den neuen Bundeslän-
dern die Zahl der jungen Menschen, die aus den Schulsys-
temen entlassen werden, steigen. Trotz kräftiger Anstren-
gungen, die Jugendarbeitslosigkeit dort zu bekämpfen
und Maßnahmen auf den Weg zu bringen, müssen wir uns
darum kümmern, dass die jungen Leute eine Ausbildung
bekommen. Da hat als Erstes die Wirtschaft eine Ver-
pflichtung, weil die Wirtschaft aus denjenigen besteht, die
auf dem dualen Markt Ausbildungsplätze zur Verfügung
zu stellen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Als Zweites ist der Staat gefordert. Wir tun viel über
Programme des Bundes, zum Beispiel über unser Jugend-
sofortprogramm, und zusammen mit den Ländern. Das ist
auch richtig so.

Wir müssen uns über eine zweite Position unterhalten:
Wie können wir die Vermittlung von Arbeitsplätzen pass-
genauer machen? Die auch als „mismatch“ bezeichnete




Parl. Staatssekretär Gerd Andres

16251


(C)



(D)



(A)



(B)


Situation ist festzustellen. Das wissen auch alle Fachleute.
Wir müssen Reformen auf den Weg bringen. Wir müssen
dafür sorgen, dass bestimmte Instrumente der aktiven Ar-
beitsmarktpolitik so eingesetzt werden können, dass sie
das Entstehen von Langzeitarbeitslosigkeit verhindern.

Alles auf die Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt
ausrichten, das ist der erste Grundsatz. Der zweite Grund-
satz heißt: alles tun, um Qualifikation bei den Menschen
zu erhalten, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind,


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist vernünftig!)

und alles tun, um die Rahmenbedingungen für mehr
Wachstum zu setzen. Dies kann aber die Arbeitsmarktpo-
litik nicht allein. Wir müssen über weitere Stufen der
Steuerreform, wirtschaftliches Wachstum, Maßnahmen
der Wirtschaftspolitik sowie Maßnahmen der Infrastruk-
tur- und Strukturpolitik dafür sorgen, das Problem der
Massenarbeitslosigkeit, das wir für ein Kernproblem hal-
ten, in den Griff zu bekommen. Wir wollen die Massen-
arbeitslosigkeit senken. Daran hält diese Regierung fest.
Auf diesem Kurs machen wir unbeirrbar weiter.

Schönen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416622900
Als
nächster Redner hat der Kollege Peter Rauen von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(Peter Dreßen [SPD]: Geben Sie dem Staatssekretär Recht und setzen Sie sich hin!)



Peter Rauen (CDU):
Rede ID: ID1416623000
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Ich stimme Herrn
Staatssekretär Andres ausdrücklich darin zu,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

dass wir beim Thema Arbeitsmarkt, wo es um Beschäfti-
gung, um Arbeitsplätze, um Arbeitslosigkeit geht, sehr
ernsthaft miteinander reden. Aber wir müssen dabei auch
die Wahrheit darüber sagen, was wirklich los ist:

Als Schröder im Frühjahr 1998 Kanzlerkandidat wurde,
hat er in einem Anflug von Größenwahn den damaligen
Aufschwung als seinen Aufschwung bezeichnet. Das war
natürlich Unfug. Der Arbeitsmarkt ist so etwas wie ein
schwerer Tanker, der nur zeitversetzt dreht. Ich glaube aber,
wir sind uns darüber einig, dass sich dieser Kanzler, der mit
seinen Erfolgen am Arbeitsmarkt gemessen werden wollte,
all das vorhalten lassen muss, was ab Januar 1999 in die-
sem Bereich vor sich gegangen ist. Deshalb müssen wir mit
dem Märchen aufräumen, dass diese Regierung auf dem
Arbeitsmarkt in Deutschland erfolgreich ist.

Ich habe Ihnen eine Grafik mitgebracht. Sie zeigt deut-
lich, dass die Zahl der Arbeitslosen in der Zeit von 1999
bis 2001 um 390 000 zurückging.


(Klaus Brandner [SPD]: Fangen Sie doch 1997 an, Herr Rauen!)


Im gleichen Zeitraum ging die Zahl des Erwerbsperso-
nenpotenzials um 435 000 zurück, und zwar deshalb, weil

mehr alte Menschen in den Ruhestand gegangen als junge
Menschen in das Erwerbsleben eingetreten sind. Ohne
den Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials hätten wir
beim Abbau der Arbeitslosigkeit überhaupt keine Erfolge
zu verzeichnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Das gehört schlicht und einfach zur Wahrheit dazu.

Aus meiner Sicht ist eines noch viel gravierender: Ich
frage mich oft, wie in der Öffentlichkeit der Eindruck ent-
stehen konnte, dass diese Regierung auf dem Arbeits-
markt Erfolg hätte. Ich weiß mittlerweile, warum


(Klaus Brandner [SPD]: Sagen Sie doch einmal etwas über die positive Entwicklung!)


– Herr Brandner, hören Sie auf zu stören; Sie können die
Wahrheit nicht vertragen; hören Sie jetzt einfach einmal zu,


(Beifall bei der CDU/CSU – Renate Rennebach [SPD]: Gehen Sie mit Ihren Arbeitnehmern auch so um?)


ich habe Ihnen auch zugehört – , nämlich durch die Um-
stellung der Zählweisen sowohl bei den Beschäftigten als
auch bei den Arbeitslosen. Das hat von April 1999 bis zum
Januar dieses Jahres gedauert. Die Zählweisen wurden
umgestellt. Heute werden bei der Ermittlung der Zahl der
Beschäftigten die 630-Mark-Jobs mitgezählt, was früher
nicht der Fall war.


(Klaus Brandner [SPD]: Das ist nicht wahr!)

Es werden auch die Teilzeitbeschäftigten mitgezählt, was
früher nicht der Fall war. Es werden auch die Teil-Teil-
zeitbeschäftigten mitgezählt, also etwa Studentenjobs
während der großen Ferien, die früher nicht mitgezählt
wurden.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Jetzt kommen auch noch 400 000 Prostituierte dazu!)


Dadurch ist die Zahl der Beschäftigten größer, das ist
wahr. Dagegen werden die über 58-Jährigen, die arbeits-
los sind, nicht mehr zu den Arbeitslosen hinzugezählt,
was früher selbstverständlich der Fall gewesen ist.

Die Quintessenz daraus ist – das wissen wir seit langer
Zeit, es wird nur noch nicht von der Öffentlichkeit wahr-
genommen, was sich aber angesichts der Presse der letzten
14 Tage ändern wird, da bin ich mir sicher –, dass der Ar-
beitsmarkt in Deutschland zum Erliegen gekommen ist.


(Zuruf von der CDU/CSU: Stillstand! – Widerspruch bei der SPD)


– Sehen Sie, jetzt stöhnen Sie.
Ich habe eine zweite Grafik mitgebracht, auf der Sie

die für die Konjunktur entscheidende Zahl der geleisteten
Arbeitsstunden erkennen können. Von ihnen werden Steu-
ern und Sozialversicherungsbeiträge gezahlt. In Erwerbs-
tätigenstunden gerechnet hatten wir 1997 und 1998 einen
Aufschwung, während der Arbeitsmarkt, wiederum in Er-
werbstätigenstunden gerechnet, seit 1999 zum Erliegen
gekommen ist.


(Lachen bei der SPD)

– An diesen Fakten kommen Sie nicht vorbei.




Parl. Staatssekretär Gerd Andres
16252


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich sage Ihnen voraus, dass das von Schröder prognos-
tizierte Ziel von Ihnen nicht erreicht werden wird.


(Zuruf von der SPD: Warten Sie mal ab!)

Wir sind in Europa im Hinblick auf Wachstum die Fuß-
kranken; davon hat Frau Wöhrl gesprochen. Wir sind die
Fußkranken im Hinblick auf die Zunahme von Beschäfti-
gung.


(Franz Thönnes [SPD]: Sie müssen gerade von Fußkranken reden!)


Wir sind die Fußkranken im Hinblick auf die Abnahme
der Arbeitslosigkeit in Europa. Wir haben das geringste
Wachstum.

Das wundert mich nicht, aber ich sage Ihnen voraus,
dass es noch schlimmer werden wird. Wir hatten im letz-
ten Jahr ein Phänomen, das noch gar nicht genug beach-
tet wird: Zum ersten Mal seit vielen Jahren war das reale
Wachstum höher als das nominale Wachstum. Das gab es
zuletzt 1953 nach der Koreakrise, davor 1930 nach der
Weltwirtschaftskrise.

Ich habe die Regierung angeschrieben und gefragt, wie
sie sich dazu stellt. In der Antwort wird klar festgestellt,
dass es der Wahrheit entspricht, dass die Firmen in
Deutschland, die nicht am Export hängen und nicht über
Grenzen hinweg operieren können, sondern auf den Bin-
nenmarkt angewiesen sind, im letzten Jahr keine Chance
hatten, die Mehrkosten aufgrund der Energiepreisverteue-
rung in eigenen Preisen weiterzugeben. Das hat natürlich
verheerende Wirkungen auf die Gewinnsituation dieser
Firmen. Das hat mir Ihre Regierung bestätigt.

Meine Damen und Herren, ich rede hier nicht wie ein
Blinder von der Farbe. Ich bin seit 35 Jahren Unterneh-
mer. Ich habe noch niemals eine so desolate Situation in
der Bauwirtschaft wie gegenwärtig erlebt. Das Schlimme
ist, dass man kein Licht am Ende des Tunnels sieht. Glau-
ben Sie mir eines: Die wirtschaftswissenschaftlichen
Institute, deren Wachstumsprognosen ohnehin schon
schlecht genug sind, haben keinen Einblick in die Herzen
und Denkweisen von 3 Millionen Selbstständigen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416623100
Herr Kol-
lege Rauen, kommen Sie bitte zum Schluss.


Peter Rauen (CDU):
Rede ID: ID1416623200
Die Lage des Mittelstan-
des in Deutschland ist wesentlich schlechter als die Stim-
mung, die diesbezüglich regierungsamtlich verkündet
wird. Ich sage Ihnen voraus: An dem großen Ziel, auf
dem Arbeitsmarkt Erfolge zu haben, wird Schröder
scheitern; denn wer eine Steuer- und Regulierungspolitik
gegen den Mittelstand und gegen Arbeitnehmer macht,
kann arbeitsmarktpolitisch nichts gewinnen. Darüber
werden wir uns an dieser Stelle noch einige Male in die-
sem Jahr sprechen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Peter Dreßen [SPD]: Alles Phrasen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416623300
Das Wort
hat jetzt der Kollege Werner Schulz vom Bündnis 90/Die
Grünen.

Werner Schulz (Leipzig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist
gut, Kollege Rauen, dass Sie wieder ein bisschen Sach-
lichkeit in die Debatte gebracht haben. Ich war mir nicht
ganz sicher, ob Ihre Kollegin Schnieber-Jastram hier mehr
über Fußball reden wollte. Dass sie nach ihrem Anpfiff
der Bundesregierung und ihrem kurzen Einwurf gleich
wieder in der Kabine verschwunden ist, ist, ehrlich gesagt,
etwas befremdlich.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das hat sie vorhin allen Kollegen mitgeteilt!)


Gerade eine Oppositionsvertreterin, die immer Wert da-
rauf legt, dass die Regierungsvertreter anwesend sind,
sollte nicht unmittelbar nach ihrem Redebeitrag den Saal
verlassen. Aber ich will mich an diesem Punkt nicht fest-
beißen.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Jeder weiß, wo sie ist! Das hat sie Ihrer Kollegin gesagt! Sie sind auch irgendwann einmal weg, wenn Sie einen anderen Termin haben!)


– Trotzdem hat das ein „Gschmäckle“.
Lassen Sie mich auf das eigentliche Thema zu spre-

chen kommen. Herr Kollege Rauen, in Ihrer Grafik fehlt
eigentlich eine Kurve, ohne die man die Sache nicht nüch-
tern und sachlich diskutieren kann: der Anstieg der Er-
werbstätigen, den Sie hier als unrealistische Zählweise
abgetan haben.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: 630-MarkJobs!)


– Fakt ist, dass viele dieser 630-Mark-Jobs in reguläre Be-
schäftigung umgewandelt worden sind.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Da hat sich nichts geändert!)


– Doch, aus jeweils zwei oder drei dieser Jobs sind re-
guläre Beschäftigungsverhältnisse entstanden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dieser Effekt hat durchaus damit zu tun, dass wir seit der
Regierungsübernahme im Herbst 1998 eine andere Poli-
tik eingeleitet haben.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Statistik gefälscht, ja!)


Im Januar 1998 waren Sie bei 4,8 Millionen Arbeitslo-
sen angelangt. Das heißt, Sie waren näher an der Fünf-
millionengrenze als an der Viermillionengrenze. Die Hal-
bierung der Arbeitslosigkeit, von der Helmut Kohl
gesprochen hat, hätten wir beinahe wie folgt erreicht:
2 Millionen im Osten, 2 Millionen im Westen.


(Zuruf des Abg. Dirk Niebel [F.D.P.])

– Nein, ich greife nur einmal die Schlagworte aus dieser
Zeit auf. Eines dieser Schlagworte war beispielsweise die




Peter Rauen

16253


(C)



(D)



(A)



(B)


private Arbeitsvermittlung. Damit komme ich auf die ge-
niale, grandiose Arbeitsmarktpolitik der F.D.P. Sie hatten
in den 90er-Jahren das Arbeitsvermittlungsproblem ent-
deckt; daran kann ich mich bestens erinnern. Plötzlich
wurde die Arbeitsvermittlung privatisiert,


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Herr Riester will ja mehr mit Privaten zusammenarbeiten, weil es sinnvoll ist!)


weil die verkrusteten Arbeitsämter angeblich nicht mehr
in der Lage waren, die vielen, vielen Arbeitsplätze zu ver-
mitteln.

Was war denn der Erfolg Ihrer großartigen Vermitt-
lungspolitik? – 4,8 Millionen Arbeitslose im Januar 1998!
Das muss man festhalten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dirk Niebel [F.D.P.]: 150 000 Vermittlungen nur durch Private!)


– Da können Sie reden, was Sie wollen.

(Dirk Niebel [F.D.P.]: Warum will Riester denn mit ihnen zusammenarbeiten?)

In der Regierung Kohl wurde mehr Energie für das

Sammeln von Spenden als für den Abbau der Arbeitslo-
sigkeit aufgebracht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist nicht mein Stil!)


Das konnte man in gewissem Umfang miterleben.
Wir können uns natürlich relativ schnell darüber einig

werden, dass die Arbeitslosigkeit dennoch zu hoch ist.
Das erfreut hier niemanden. Wir können uns möglicher-
weise auch sehr schnell einig darüber werden, dass die
wirtschaftliche Lage und die Weltkonjunkturentwicklung
darauf Einfluss haben.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist typisch grünes Niveau!)


– Ich freue mich, dass ich so belebend auf Sie wirke. Ihre
Seite war ja schon fast am Einschlafen.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist typisch grünes Niveau! Unter der Gürtellinie!)


– Herr Niebel, können Sie mal damit aufhören? Kriegen
Sie sich wieder ein?


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Ich habe noch gar nicht richtig angefangen! – Heiterkeit bei der SPD)


– Sie hätten beantragen sollen, noch einmal fünf Minuten
Redezeit zu bekommen.

Wir haben eine Wirtschaftslage, die im Vergleich zu
der in den USAund in Japan und im Vergleich zum Welt-
handel, der sich in diesem Jahr von 12 Prozent auf 7 Pro-
zent verringert hat, die im Vergleich mit dem Weltsozial-
produkt, das von 4,8 Prozent auf 3 Prozent zurückging,
nicht schlecht ist. Aus weltwirtschaftlicher Sicht ist
insgesamt eine Abschwächung der Konjunktur zu ver-
zeichnen.

2 Prozent Wirtschaftswachstum in Deutschland sind
für ein entwickeltes Industrieland gar nicht so schlecht.
Sie hatten in den 90er-Jahren eine Steigerung des Brut-
toinlandsprodukts von 1,4 Prozent, und das mit einem rie-
sigen Konjunkturprogramm, das in Ostdeutschland viele
Fehlallokationen von Kapital hinterlassen hat.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Das war eine ganz andere Zeit!)


Die Probleme, die wir heute in der Bauwirtschaft haben
– beispielsweise die Überkapazitäten, die Arbeitslosig-
keit, die dadurch in Ostdeutschland entstanden ist –, ha-
ben viel mit den hochrentierlichen Staatsanleihen zu tun,
mit denen der Bauboom ausgelöst worden ist. Das muss
man doch im Hinblick auf diese 1,4 Prozent deutlich ma-
chen. Darüber sollten wir streiten, wenn es darum geht,
über den Abbau von Arbeitslosigkeit zu reden. – Sie wis-
sen übrigens, dass unterhalb von 3 Prozent Wirtschafts-
wachstum die Effekte auf den Arbeitsmarkt ohnehin nicht
so großartig ausfallen.

Wir sollten darüber sprechen, was die Regierung ge-
rade im Bereich der Tarifvereinbarungen getan hat: Wir
haben moderate Tarifvereinbarungen erreicht. Das Klima
auf dem Arbeitsmarkt hat sich dadurch entspannt. Die Ar-
beitszeit hat sich um 1,4 Prozent verringert. Das alles hat
zu dieser schrittweisen Abnahme der Arbeitslosigkeit ge-
führt. Das Ziel, die Zahl der Arbeitslosen auf 3,5 Milli-
onen zu senken, ist sicherlich ehrgeizig und anspruchs-
voll,


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Was für einen Mist erzählt er da?)


aber auch realistisch. Es ist nicht, wie Sie, Herr Rauen, be-
haupten, nur auf dem Wege demographischer Schönrech-
nerei zu erreichen.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Natürlich ist das so!)


Nein, viele Menschen in diesem Land haben es erlebt:
Es hat neue Arbeitsplätze gegeben, es gibt eine verbes-
serte Stimmung in diesem Lande. Dies hat sich in der Sta-
tistik für den Westen der Bundesrepublik ausgedrückt.
Die Statistik für den Osten Deutschlands ist komplizier-
ter; ich müsste mehr Zeit haben, um das genauer zu ana-
lysieren. Aber auch dort sind in einer gewissen Weise po-
sitive Effekte feststellbar.

Insgesamt sind wir auf dem richtigen Weg, auch wenn
unsere Hoffnungen noch höher gesteckt waren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416623400
Als
nächster Redner hat der Kollege Johannes Singhammer
von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Ich höre, dass Sie heute Geburtstag haben, Herr
Singhammer. Ich gratuliere Ihnen herzlich.


(Beifall)





Werner Schulz (Leipzig)

16254


(C)



(D)



(A)



(B)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1416623500
Danke. – Es
geht mir heute gut. Es fällt mir direkt schwer, jetzt den
richtigen kritischen Ton zu finden.


(Lachen bei der SPD)

Ich werde mich aber überwinden.

Nach diesen rechthaberischen Vorträgen von Ihnen,
H
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1416623600
Diese Bundesregie-
rung hat ihr Minimalziel, die Arbeitslosigkeit in zweiein-
halb Jahren um 500 000 zu senken, nicht erreicht.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: So ist es!)


Ohne die Konjunkturlokomotiven Bayern, Baden-Würt-
temberg,


(Lachen bei der SPD)

Hessen, Sachsen und Thüringen gäbe es auf dem Arbeits-
markt eine Katastrophenbilanz.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie hatten von Anfang an nicht einmal eine Vision. Sie

haben sich nicht einmal ein ehrgeiziges Ziel gesteckt. Sie
haben lediglich gesagt, Sie wollten 500 000 Arbeitslose
weniger. Ich sage Ihnen: Selbst ohne irgendetwas zu tun,
selbst wenn Sie alle in die Toskana fahren und dort Urlaub
machen, wird die Zahl der Arbeitslosen innerhalb dieser
Legislaturperiode um 500 000 sinken – eben aufgrund der
demographischen Entwicklung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Schröder in die Toskana!)


Weil diese Bilanz so schlecht ist, weil der Arbeitsmarkt
zum Stillstand gekommen ist, ist es eine besondere Schänd-
lichkeit, jetzt Nebelkerzen zu zünden, von den Problemen
abzulenken und plötzlich das Verhalten der Arbeitslosen
unter einen Pauschalverdacht zu stellen. Das ist schäbig.


(Beifall bei der CDU/CSU – Franz Thönnes [SPD]: Wer macht denn das?)


Natürlich gibt es unter den Arbeitslosen jene, die zu Unrecht
Leistungen beziehen. Für diese haben auch wir keinerlei Ver-
ständnis; sie müssen dem Arbeitsmarkt zugeführt werden
oder mit Leistungskürzungen rechnen. Aber einen Pauschal-
verdacht auszusprechen und auf diese Weise eine „Faulen-
zer“-Diskussion zu beginnen, das nenne ich ungerecht.

Wo soll denn zum Beispiel der 55-Jährige, der ausge-
gliedert worden ist


(Susanne Kastner [SPD]: Der ist doch gar nicht gemeint!)


und der sich seit Jahren bemüht, wieder eingegliedert zu
werden, einen Arbeitsplatz finden? Das ist in bestimmten
Branchen einfach nicht möglich. Und wie wollen Sie ei-
ner jungen, allein erziehenden Mutter, die keine Unter-
bringungsmöglichkeit für ihr Kind findet,


(Susanne Kastner [SPD]: Dann müssen Sie in Bayern mal ein paar mehr Kindergartenplätze schaffen! Bayern ist da hintendran!)


gerechterweise vorhalten, sie müsse sich mehr um einen
Arbeitsplatz bemühen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenn Sie uns als Opposition nicht glauben, dann hören

Sie wenigstens auf das, was die EU-Kommission und der
Europäische Rat – auf Empfehlung der Kommission – vor
wenigen Tagen festgestellt haben. Der Rat hat in seinem
Jahreszeugnis, das den Mitgliedstaaten der Europäischen
Union für ihre Beschäftigungspolitik erteilt wird, in Bezug
auf Deutschland konstatiert: Die Quote der Langzeitar-
beitslosen ist unverändert hoch, die Gesamtbelastung der
Arbeit ist weiterhin eine der höchsten in der Europäischen
Union und der Anteil der Erwerbstätigen in der Alters-
gruppe zwischen 50 und 64 Jahren ist gering. Die Kom-
mission und der Rat empfehlen dieser Bundesregierung
nach umfangreichen Konsultationen eine weitere Verrin-
gerung der Steuer- und Abgabenbelastung sowie das
Schließen von Qualifikationslücken auf dem Arbeits-
markt.


(Franz Thönnes [SPD]: Richtig!)

Das sollten Sie tun. Diese Empfehlung der Kommission
und des Rates ist eine Bankrotterklärung für Ihre Wirt-
schaftspolitik. Die aufgezählten Punkte sind auch die Ur-
sache dafür, dass sich die Arbeitslosenzahlen nicht in der
Weise entwickeln, wie wir es uns wünschen.

Deutschland hat im Konjunkturzug der EU mittler-
weile die rote Laterne übernommen. Für dieses Jahr wird
als Wirtschaftswachstum prognostiziert: Niederlande
3,4 Prozent, Spanien 3,2 Prozent, Belgien 3 Prozent,
Frankreich 3,9 Prozent, Italien 2,5 Prozent – und Deutsch-
land nur noch 2,1 Prozent, mit fallender Tendenz. Das
lässt nichts Gutes erwarten. Deshalb sind statt dummer
Sprüche mehr Konjunkturdampf und echte Reformen ge-
fragt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Susanne Kastner [SPD]: Die dummen Sprüche kamen aber überwiegend von Ihrer Seite!)


– Wie war denn das mit dem Bundeskanzler noch im Ja-
nuar dieses Jahres? Da hat er plötzlich davon gesprochen,
er wolle die Zahl der Arbeitslosen um 1 Million abbauen.
Eine halbe Stunde später hat ihn der Regierungssprecher
korrigiert und gesagt: Mit dem, was der Bundeskanzler
gesagt hat, war eine halbe Million gemeint. – Das meine
ich mit „dummen Sprüchen“.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Was für den Arbeitsmarkt nötig ist, sind eine echte

Wirtschaftsreform, eine echte Steuerreform und ein ech-
tes Ankurbeln der Konjunktur.


(Susanne Kastner [SPD]: Und eine vernünftige Opposition! – Gegenruf des Abg. Dirk Niebel [F.D.P.]: Wir sind schon ganz gut!)


Dann wird die Zahl der Arbeitslosen abnehmen, mit Ihrer
Politik nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)







(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416623700
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Andrea Nahles von der
SPD-Fraktion das Wort.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Jetzt kommt Politlyrik!)



Andrea Nahles (SPD):
Rede ID: ID1416623800
Sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und
Kollegen von der CDU, lirum, larum, Löffelstiel:


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Politlyrik!)

Ehe man sich versieht, wird auf einmal aus der besten Ar-
beitslosenzahl im April seit 1995 eine Riesenkatastrophe
auf dem Arbeitsmarkt.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Deswegen spricht die Bundesanstalt für Arbeit von Stagnation!)


Aber mit dieser Zahlenmeierei können Sie in Wirklichkeit
nicht überzeugen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Lassen Sie sich an Ihren eigenen Ansprüchen messen!)


Sie schaffen weder Klarheit noch nennen Sie Lösungs-
ansätze, wie wir die Arbeitslosigkeit bekämpfen können.


(Beifall bei der SPD)

Sie, Herr Grehn,


(Dr. Klaus Grehn [PDS]: Ich höre!)

haben heute außer der Dramatisierung einer, wie auch ich
finde, bedrückenden Situation keine konstruktiven Vor-
schläge gemacht.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Haben Sie das von der PDS erwartet?)


Insoweit kann ich nur sagen, dass wir mit unserer Bilanz
trotz der Konjunkturdelle sehr gut dastehen. Wir haben im
Westen die niedrigsten Arbeitslosenzahlen seit 1993. Das
ist ein Fakt. Wir haben – damit kommen wir dem Problem
ein Stück näher – Gleiches in Ostdeutschland bis zum jet-
zigen Zeitpunkt nicht erreichen können. Es gibt keine Ver-
schlechterung, aber eine Stagnation. Deswegen ist es er-
forderlich, dass wir mit unseren Anstrengungen nicht
nachlassen.

Wahr ist, Herr Grehn: Kein Recht auf Faulheit gibt es
nur bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Dies gilt
aber für alle. Dies gilt für diejenigen, die Arbeit suchen.
In ihrem eigenen Interesse müssen wir dafür sorgen, dass
sie ihre Chancen nutzen und bei der Arbeitssuche aktiv
bleiben.

Das gilt aber auch für die Unternehmen. Auch sie ha-
ben kein Recht, sich auszuruhen. Wir müssen klarmachen,
dass auch von ihrer Seite weitere Anstrengungen erfor-
derlich sind. Gleiches gilt natürlich auch für die Länder
und die Bundesregierung.

Wir haben eine Verstetigung der Mittel der Arbeits-
marktpolitik auf hohem Niveau erreicht. Wir haben das
JUMP-Programm aufgelegt. Wir haben durch die Sen-
kung der Lohnnebenkosten 15 Milliarden DM an Ent-
lastung für den Mittelstand erreicht. Dies kommt den Un-

ternehmen zugute. Damit haben wir sie befähigt, Arbeits-
plätze zu schaffen.


(Beifall bei der SPD – Peter Rauen [CDU/ CSU]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)


Hier wird die Mittelstandspolitik kritisiert. Unsere
De-facto-Abschaffung der Gewerbesteuer bringt den klei-
nen und mittleren Betrieben in diesem Jahr 13,7 Milli-
arden DM an Entlastung, verehrte Damen und Herren von
der Opposition.


(Beifall bei der SPD)

Wir ruhen uns auf diesen Lorbeeren nicht aus. Wir wol-

len die SGB-III-Reform auf den Weg bringen. Wir werden
die Qualifizierung in den Vordergrund stellen. Wir wollen
nicht höhnisch über Kosten und Rechenschieberei reden,
wie Sie, Frau Wöhrl, das getan haben. Sie als Unterneh-
merin sind doch auf qualifiziertes Personal angewiesen.
Deswegen wundere ich mich, dass Sie für die Qualifizie-
rung nichts tun wollen. Qualifizierung bedeutet eben nicht
nur eine Finanzierung durch den Bund, sondern auch
durch die Unternehmer. Sie sollten es im Gegenteil be-
grüßen, dass wir endlich in die Gänge kommen und das
schaffen, was Ihnen nicht gelungen ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir werden im Rahmen der SGB-III-Reform berück-
sichtigen müssen, dass es Regionen gibt, die aufgrund der
Arbeitslosenzahlen keine Unterstützung mehr brauchen,
sondern wo es an fähigen Leuten fehlt. Das ist die eine
Seite. Auf der anderen Seite gibt es Regionen, in denen es
auf absehbare Zeit – da können wir uns auf den Kopf stel-
len – eine öffentliche Förderung geben muss und eine gute
Arbeitsmarktpolitik vonnöten sein wird. Das ist leider
vielfach im Osten der Fall.

Deswegen werden wir keine Wahlkampf-ABM schaf-
fen. Wir werden vielmehr durch eine Infrastrukturpolitik,
durch eine gezielte Arbeitsmarktpolitik, die sich den Re-
gionen, die wirklich Unterstützung brauchen, auch an-
passt, versuchen zu verstetigen, auszubauen und präzise
Arbeitsmarkthilfen zu leisten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [F.D.P.]: Wie war das denn bei Ihrem letzten Arbeitsplatz?)


Lassen Sie mich als Letztes noch Folgendes sagen. Ich
wundere mich immer darüber: Sie haben die höchste Ju-
gendarbeitslosigkeit hinterlassen, die es in der Bundesre-
publik Deutschland jemals gab, und Sie haben gegen
diese Jugendarbeitslosigkeit nichts unternommen. Wir
hingegen haben ein Sonderprogramm zur Bekämp-
fung der Jugendarbeitslosigkeit aufgelegt und damit
300 000 jungen Leuten eine neue Perspektive gegeben.


(Zurufe von der CDU/CSU)

Deswegen sage ich: Sie haben keinen Anlass, uns dafür zu
kritisieren. Sie sollten uns vielmehr darin unterstützen,
auch weiterhin für die Ausbildung und für die Bekämp-
fung der Jugendarbeitslosigkeit alles Mögliche zu tun. Ich
fordere Sie auf: Seien Sie konstruktiv, wenn es um die
Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit geht! Nehmen






(C)



(D)



(A)



(B)


Sie sich lieber an uns ein gutes Beispiel und vergessen Sie
das, was Sie unterlassen haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Meckelburg [CDU/ CSU]: Das war aber jetzt zukunftsweisend, Frau Nahles! – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Semantik war das! Reine Semantik!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416623900
Das Wort
hat jetzt die Kollegin Christa Reichard von der
CDU/CSU-Fraktion.


Christa Reichard (CDU):
Rede ID: ID1416624000
Herr Präsi-
dent! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Bei den mo-
natlichen Arbeitsmarktzahlen kommt bei mir weder Freude
noch Schadenfreude auf. Der Bundeskanzler will sich an
den Arbeitslosenzahlen messen lassen. Man wird ihn daran
messen, und dies besonders in den neuen Ländern.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber man kann ihn nicht nur an gesamtdeutschen Durch-
schnittszahlen messen. Nehmen Sie doch endlich zur
Kenntnis, dass die deutsche Teilung auf dem Arbeitsmarkt
noch lange nicht überwunden ist, und vernebeln Sie nicht
mit diesen unredlichen Durchschnittszahlen die Augen
der Öffentlichkeit!

Herr Kollege Schulz, ich habe den Eindruck, auch Sie
haben den Osten schon langsam abgeschrieben. Wo bleibt
die engagierte Verteidigung, die ich aus Ihren Opposi-
tionszeiten gewohnt bin?

Der Abstand zwischen Ost und West vergrößert sich
wieder. Reden Sie dies doch nicht mit Zweckoptimismus
herunter. Krempeln Sie lieber die Ärmel hoch und küm-
mern Sie sich um den Osten!


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Tun Sie dies nicht mit Trostpflästerchen und einem Wirr-
warr undurchsichtiger Programme oder deren Ankündi-
gung. Wir brauchen einen soliden Solidarpakt II, der
wirkliche Perspektiven für den weiteren Aufbau Ost gibt
und damit Arbeitsplätze sichert.

Wenn wir beim Thema Arbeitsmarkt im Osten zuerst
an Arbeitsamt und ABM denken, halte ich das für grund-
verkehrt. Was wir am dringendsten brauchen, ist die Un-
terstützung des Mittelstandes hinsichtlich des gewaltigen
Strukturanpassungsprozesses, in dem wir uns nach wie
vor noch befinden. Nur eine gesunde wachsende Wirt-
schaft schafft auch neue Arbeitsplätze und kann beste-
hende erhalten. Der Mittelstand braucht Luft zum Atmen.

Eine Umfrage der Vereinigung der Sächsischen Wirt-
schaft hat ergeben, dass die Unternehmen trotz hoher Ar-
beitslosenquote zunehmend Probleme bei der Suche nach
neuen Mitarbeitern haben. Der Kampf um die Köpfe hat
auch bei uns begonnen.

Was haben Sie denn für das Rückgrat der Wirtschaft,
nämlich für den Mittelstand, in den vergangenen zwei
Jahren im Osten wirklich getan? Die Politik kann und soll

keine Arbeitsplätze schaffen. Die Wirtschaft findet in der
Wirtschaft statt. Dann lassen wir doch die Unternehmen
sich endlich entwickeln!


(Beifall bei der CDU/CSU)

Und knebeln Sie sie nicht mit wachstumsfeindlichen
Überregulierungen! Die Überregulierung des Arbeits-
marktes ist in den neuen Ländern neben der mangelnden
Zahlungsmoral wesentliche Ursache für die hohen Ar-
beitslosenzahlen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Anzahl der Unternehmen in Sachsen entspricht,

auf die Einwohnerzahl bezogen, in etwa der Anzahl der
Unternehmen in den alten Ländern. Aber die Unterneh-
men sind viel zu klein und der Strukturanpassungsprozess
ist noch nicht abgeschlossen. Statt nun günstige Rahmen-
bedingungen für Wachstum zu schaffen, haben Sie den
Kündigungsschutz verschärft und wollen nun mit der No-
velle des Betriebsverfassungsgesetzes eine weitere
Wachstumsbremse beschließen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Auch wir halten die Mitbestimmung für wichtig, aber was
Sie einführen wollen, ist das Diktat der Großgewerk-
schaften gegen den Willen der Unternehmer und der Ar-
beitnehmer,


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

die diesen Großgewerkschaften im Osten weitgehend da-
vongelaufen sind, und das aus guten Gründen.

Was dabei besonders verwerflich ist: Mit all diesen
Maßnahmen verfestigen Sie das Bild vom bösen Unter-
nehmer. Das wurde uns in der DDR 40 Jahre lang einge-
bläut. Sie sollten stattdessen mit uns gemeinsam alles da-
ran setzen, diese Erblast des Sozialismus aus den Köpfen
zu bringen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wir brauchen Unternehmer und wir brauchen Mitbe-

stimmung, auch im Osten, aber auf Unternehmensebene
und mit Beteiligung an Erfolg und Risiko. Mit Ihrem Ge-
setzesvorhaben vergiften Sie das Klima und bremsen Sie
das Wachstum der Wirtschaft und damit das Entstehen zu-
sätzlicher Arbeitsplätze.


(Klaus Brandner [SPD]: Wer hat Ihnen das denn aufgeschrieben?)


Die ostdeutsche Wirtschaft sagt Ihnen sehr deutlich, was
sie braucht: nicht vor allem Fördermittel und Sonderpro-
gramme, sondern verlässliche Rahmenbedingungen,


(Klaus Brandner [SPD]: Arbeitnehmer aber auch!)


die Wachstum zulassen.
Wachstum entsteht vor allem durch Investitionen in

Maschinen und Anlagen und durch Innovationen. Sie re-
den viel darüber. Aber was geschieht denn? Die gut ge-
starteten Inno-Regio-Projekte erstarren mittlerweile in
Bürokratie und es fließt kein Geld.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist das Einzige, was sie können!)





Andrea Nahles

16257


(C)



(D)



(A)



(B)


Kümmern Sie sich und missbrauchen Sie nicht den
Enthusiasmus der beteiligten Menschen! Diese Projekte
müssen ein Erfolg werden, um Innovation und Vernet-
zung gerade in den neuen Ländern voranzubringen.

Die ostdeutsche Wirtschaft braucht in Vorbereitung der
EU-Osterweiterung dringend den Ausbau der Infrastruk-
tur. Das gilt nicht nur, weil die ostdeutschen Länder die
neuen Länder sind, sondern auch, weil sie an der EU-
Außengrenze liegen. Den guten Willen hat die Regierung
häufig geäußert. Was fehlt, sind wirkliche Planungen.
Bitte legen Sie sie auf den Tisch! Gute Worte allein schaf-
fen keine Perspektive.

Ich kann die Arbeitslosen, die mich um Hilfe bitten,
nicht damit trösten, dass sich das Problem in einigen Jah-
ren von selbst erledigt: durch Abwanderung in den Wes-
ten und die demographische Entwicklung. Sehen Sie bitte
nicht nur die Durchschnittszahlen in der Statistik! Das
Ausbleiben des Aufschwungs in den neuen Ländern be-
lastet vor allem Frauen, junge Leute und ältere Arbeit-
nehmer. Die Bundesregierung bemüht sich zwar – das er-
kenne ich an –,


(Zuruf von der SPD: Sie haben blühende Landschaften versprochen!)


aber sie tut das Falsche. Das JUMP-Programm für Jugend-
liche beispielsweise ist viel zu teuer. Der Einsatz ist wesent-
lich zu hoch für den Erfolg, den Sie damit erreicht haben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416624100
Frau Kol-
legin Reichard, kommen Sie bitte zum Schluss.


Christa Reichard (CDU):
Rede ID: ID1416624200
Vor allem
Frauen werden zunehmend in Billigjobs abgedrängt. Äl-
tere Arbeitnehmer haben kaum eine Chance. Diese Men-
schen sind nicht faul. Sie suchen Arbeit. Manche finden
sie auch, aber in der Schattenwirtschaft, der stärksten
Boombranche.

Sie müssen die Arbeitsplätze im Osten nicht zur Chef-
sache machen. Das machen die ostdeutschen Unterneh-
mer selber. Sie müssen sich nicht um alles kümmern. De-
regulieren Sie den Arbeitsmarkt! Ziehen Sie die nächste
Stufe der Steuerreform vor! Geben Sie den Menschen in
den neuen Ländern die richtigen Rahmenbedingungen!
Dann werden Sie sich über die Tatkraft und die Fantasie
der Ostdeutschen wundern, die Erfahrung darin haben,
auch aus wenig etwas zu machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416624300
Als
nächster Redner hat der Kollege Franz Thönnes von der
SPD-Fraktion das Wort.


Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1416624400
Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Es ist schon er-
staunlich, dass Sie sich hier zweieinhalb Jahre nach dem
Regierungswechsel so aufbauschen und Erwartungen
formulieren, die Sie gerne eingelöst hätten,


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das sind eure Ansprüche!)


die aber vor dem Hintergrund Ihrer Hinterlassenschaft
von 1,5 Billionen DM Staatsschulden, 150 000 DM Zin-
sen jede Minute und 4,3 Millionen Arbeitslosen im
Durchschnitt des Jahres 1998 nicht so schnell erfüllbar
sind, wie Sie es gerne hätten und wie wir es gerne tun wür-
den. Das muss man an dieser Stelle einmal deutlich sagen.


(Beifall bei der SPD – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Sie haben es versprochen! – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Falsche Versprechungen!)


Sie haben in 16-jähriger Regierungszeit Mauern und Hür-
den aufgebaut, die unheimlich erschweren, was die Ar-
beitsmarktsituation und die Situation in der Republik ei-
gentlich erfordern: Flexibilität, Mobilität und die
Bereitstellung der erforderlichen Finanzmittel.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Flexibilität am Arbeitsmarkt? Bei euch? – Dirk Niebel [F.D.P.]: Ihr wollt doch Ordnung am Arbeitsmarkt und keine Flexibilität!)


Wir sind angetreten, um Brücken für die jungen Men-
schen zu bauen, die jetzt aus der Schule in die Berufswelt
wollen. 1998 suchten 12 000 junge Menschen vergeblich
einen Ausbildungsplatz. Das ist die Minusbilanz, die Sie
hinterlassen haben. Im Jahr 2000 war es umgekehrt. Wir
hatten 2 000 Ausbildungsplätze mehr, als junge Menschen
nachgefragt haben. Das ist ein Erfolg aus der gemeinsa-
men Politik im Bündnis für Arbeit.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Quatsch! Das war der Konjunkturboom!)


Das ist ein Erfolg von Gewerkschaften und Arbeitgebern.
Das haben Handwerker und Handwerkerinnen und der
Mittelstand geleistet. Das ist nach Ihrer Regierungszeit
und nicht in Ihrer Regierungszeit entstanden. Auch dies
sei deutlich gesagt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Trotz Ihrer Regierungszeit!)


Durch den Abbau der Jugendarbeitslosigkeit verschaf-
fen wir jungen Menschen eine neue Perspektive. Zerreden
Sie das JUMP-Programm nicht. Schauen Sie nicht nur auf
die gesunkene Zahl der jugendlichen Arbeitslosen!
Berücksichtigen Sie auch diejenigen, die gar nicht gemel-
det waren, weil sie vorher Sozialhilfe bekommen haben
und nun endlich aus der Sozialhilfe herausgeholt worden
sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben Brücken von der Arbeitslosigkeit in die Be-
schäftigung gebaut. Von April 1998 bis April 2001 hat
sich die Zahl der Arbeitslosen um 560 000 reduziert. Das
ist ein Erfolg, den wir uns hier nicht zerreden lassen, ge-
nauso wenig wie den Erfolg, dass 1Million neuer Jobs ge-
schaffen worden sind. Wenn Sie sagen, das liege an der
demographischen Entwicklung, antworte ich Ihnen: Das
stimmt. – Natürlich ist darin auch die Zahl der 630-Mark-
Jobs enthalten. Aber Sie müssen sich auch an Ihre Argu-
mentation erinnern, als wir diese Arbeitsverhältnisse




Christa Reichard (Dresden)

16258


(C)



(D)



(A)



(B)


sozialversicherungspflichtig machen wollten. Damals
sind Sie durch das Land gezogen und haben gesagt: Da-
durch werden Arbeit und Arbeitsplätze vernichtet. – Wenn
wir also jetzt die Zahl der 630-Mark-Jobs in die Gesamt-
zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze einbeziehen,
dann ist das nur gerecht; denn schließlich sind das
sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: 20 Millionen DM Bußgelder wegen Schwarzarbeit!)


Wissen Sie, was Ihnen die Menschen am Brandenburger
Tor antworten würden, wenn Sie sie fragen würden, was
sie davon halten, wenn jemand erst so und nachher anders
argumentiert und dies hinterher nicht mehr wahrhaben
möchte? – Sie würden Ihnen antworten: So jemand hat
schlichtweg einen an der Waffel.


(Beifall bei der SPD)

Wir lassen uns auch nicht die Erfolge zerreden, die wir

bei der Eingliederung von Menschen in den Arbeitsmarkt
erzielt haben, die erhebliche Schwierigkeiten haben. Die
Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten ist im Vergleich
zum April des letzten Jahres um 12 500 zurückgegangen.
Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist um 106 000 zurück-
gegangen. Die Zahl der arbeitslosen ausländischen Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist um 24 600 zurück-
gegangen. Für diese Personengruppen hat sich auf dem
Arbeitsmarkt sukzessiv etwas getan, weil man ganz ge-
zielt auf sie eingegangen ist.

Ich möchte auch noch etwas zu dem Thema „Drücke-
berger“ sagen, das Sie angeschnitten haben. Es geht da-
rum, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist und dass
man von denjenigen, die Hilfe bekommen, erwarten kann,
dass sie die angebotene Hilfe auch annehmen. Dazu sind
sie verpflichtet.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Haben wir doch immer gesagt!)


Aber Angebote müssen vorhanden sein. Wir versuchen,
solche Angebote zu organisieren, indem wir die Arbeits-
marktpolitik passgenauer und flexibler im Bereich der
Arbeitsvermittlung gestalten, zum Beispiel über Einglie-
derungsverträge Qualifizierungs- und Trainingsmaßnah-
men anbieten. Bei der Maxime „Fördern und fordern“
kommt es auf den Gleichklang an. Zu dem Thema

„Drückeberger“ möchte ich Ihnen sagen: Die Wirtschaft
darf sich nicht länger davor drücken, die 1,9 Milliarden
Überstunden abzubauen und sie in Beschäftigung und
Teilzeitarbeit umzuwandeln. Das ist die Herausforderung.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Zu Ihren schönen Vergleichen mit dem Fußballfeld und
der Lokomotive möchte ich Ihnen eines sagen: Die Tatsa-
che, dass die Arbeitslosigkeit während Ihrer Regierungs-
zeit immer gestiegen ist, hat den Menschen den Eindruck
vermittelt, als ob sie in einen Tunnel hineinschauen wür-
den, an dessen Ende kein Licht, sondern ein Zug, der ih-
nen entgegenkam, zu sehen war. Deswegen werden wir
die von Ihnen eingeleitete Politik nicht fortsetzen.

Frau Reichard, Ihre arbeitsmarktpolitischen Vorstel-
lungen kennen wir ja. Sie geben vor einem Wahlkampf
Anzeigen auf, in denen Sie die Unternehmer bitten, Ar-
beitslose einzustellen, sei es auch nur kurzfristig, damit
CDU gewählt wird. Wenn Sie uns jetzt einreden wollen,
man könne mit Lohndumping bzw. mit niedrigen Löhnen
versuchen, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, dann kann ich
Ihnen darauf nur sagen: Wenn das Erfolg versprechend
wäre, dann müsste der Großteil des Ostens angesichts des
vorhandenen Lohngefälles blühen. – Es kommt vielmehr
auf eine abgestimmte Finanz-, Steuer-, Wirtschafts- und
Arbeitsmarktpolitik an. Wir haben die Arbeitsmarktpoli-
tik so ausgerichtet, dass das eine Zähnchen in das andere
hineingreift. Deswegen sage ich Ihnen: Die Arbeitsmarkt-
politik ist bei dieser Regierung in guten Händen, auch in
schwierigen Zeiten, also auch jetzt, wenn es eine Kon-
junkturdelle gibt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1416624500
Wir sind
damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 10. Mai 2001,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.