Gesamtes Protokol
Guten
Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist
eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Aktionsprogramm der Bun-
desregierung „Wissen schafft Märkte“.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung,
Edelgard Bulmahn.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Herren und Damen! Unzählige Beispiele aus der
Hightech-Branche – seien das die Informations- und
Kommunikationstechnologien, die Pharmazie, die Bio-
technologie oder auch eine Branche wie die Automobil-
industrie – zeigen sehr deutlich: Die internationale
wirtschaftliche, aber auch technologische Wettbewerbs-
fähigkeit und der Erfolg bemessen sich immer stärker da-
ran, wie schnell und wie umfassend der Transfer, also die
Umsetzung und Anwendung von Ergebnissen aus Wis-
senschaft und Forschung in private Unternehmen, in die
Wirtschaft, gelingt.
Wir haben in Deutschland eine hervorragende Basis.
Wir haben hervorragende Forschungseinrichtungen, gute
Hochschulen und auch positive Entwicklungen. Das lässt
sich daran feststellen, dass zum Beispiel die Zahl der Pa-
tentanmeldungen – auch seitens der Hochschulen – in den
letzten Jahren erheblich gestiegen ist. Hier haben wir in-
zwischen mit den USAgleichgezogen. Das lässt sich aber
auch daran bemessen, dass die Zahl der Forschungsauf-
träge von Unternehmen an Forschungsinstitute, aber auch
an Hochschulen in den letzten zehn Jahren erheblich zu-
genommen hat.
Was aber erkennbar wird, ist, dass wir bei der Verwer-
tung von Patenten einen erheblichen Rückstand gegen-
über anderen Ländern haben. So haben wir in Deutsch-
land zum Beispiel so gut wie keine Lizenzeinnahmen
aufseiten der Hochschulen zu verzeichnen. Im Vergleich
dazu haben US-amerikanische Hochschulen Lizenzein-
nahmen in Höhe von 725 Millionen Dollar pro Jahr. Das
heißt, hier gibt es noch eine Menge zu tun, um das Poten-
zial, das wir in unseren Forschungseinrichtungen und
Hochschulen haben, für die Entwicklung und Verbesse-
rung von Produkten, Verfahren und Dienstleistungen stär-
ker zu nutzen. Genau das ist das Ziel unseres Aktionspro-
gramms „Wissen schafft Märkte“.
Dieses Aktionsprogramm besteht aus vier großen Be-
reichen. Zum einen wollen wir die Rahmenbedingungen
für die Verwertung, Anwendung und Umsetzung von For-
schungsergebnissen deutlich verbessern. Dazu gehört die
Änderung des Hochschullehrerprivilegs mit dem Ziel,
dass in Zukunft alle Hochschulen in die Lage versetzt
werden, sämtliche Erfindungen ihrer Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter selbst zum Patent anmelden und die Ver-
wertung entsprechend betreiben zu können. Dazu gehört
der Aufbau von professionellen Patent- und Verwertungs-
agenturen, die wir aus unserem Programm entwickeln und
deren Aufbau wir für drei Jahre mit der Zielsetzung fi-
nanzieren, dass sich die Patent- und Verwertungsagentu-
ren danach selber finanzieren können. Dazu gehört eine
einheitliche Internetplattform für Wissenschaft und Tech-
nologien, damit in Zukunft gerade auch kleine und mitt-
lere Unternehmen einfacher, schneller und besser für sie
infrage kommende Partner finden können.
Kein kleines Unternehmen kann es sich leisten, aufwen-
dig zu recherchieren: Welche Forschungseinrichtung
kommt für mich infrage? Wo gibt es in Forschung und
Wissenschaft für mich attraktive Partner?
Der zweite große Bereich hat zum Ziel, die Zahl der
Ausgründungen deutlich zu erhöhen. Zusammenfassend
kann man sagen: Ausgründungen schaffen Beschäfti-
gung. Ausgründungen sind der erfolgreichste Weg, um
eine rasche Anwendung von Forschungsergebnissen zu
gewährleisten.
Hier haben wir zum einen das BMWi-Programm BTU,
Beteiligungskapital für kleine Technologieunternehmen.
Das ist ein sehr erfolgreiches Programm, dessen Umfang
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157. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 14. März 2001
Beginn: 13.00 Uhr
sich seit Amtsantritt der jetzigen Bundesregierung ver-
dreifacht hat. Dazu gehört das Förderprogramm seitens
des BMBF „EXIST-SEED“, mit dem wir gründungsbe-
reite Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller
Technologiebereiche von der Frühphase bis zum Abfas-
sen eines Businessplans finanziell und beratend unterstüt-
zen. Dazu gehören aber auch neuartige Beteiligungsmo-
delle für unsere Forschungseinrichtungen, zum Beispiel
der Helmholtz-Gemeinschaft, mit denen wir auch neue
Wege einer Private-public-partnership-Finanzierung er-
öffnen.
Der dritte große Bereich hat zum Ziel, die Koope-
ration zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu ver-
stärken, also Wissenschaft und Wirtschaft zu wirkli-
chen Partnern im Innovationsgeschehen zu machen.
Dazu gehören zum Beispiel die spezielle Ansprache
von kleinen und mittleren Unternehmen sowie eine
umfassende Systemevaluierung aller auf die Koopera-
tion zwischen kleinen sowie mittleren Unternehmen
und Forschungseinrichtungen gerichteten Ziele einer
Forschungsförderung. Dazu gehört das Programm, durch
das wir Fachhochschulen als wichtige regionale Partner
für kleine und mittlere Unternehmen unterstützen. Dazu
gehört das Programm „Regionale Wachstumskerne“, das
speziell für die neuen Bundesländer aufgelegt worden ist.
Dazu gehören aber auch solche grundsätzlichen Verän-
derungen, wie wir sie mit der Programmsteuerung der
Helmholtz-Gemeinschaft oder der Änderung des Hoch-
schulrechtes anstreben. Auf diese Weise soll das Engage-
ment im Wissens- und Technologietransfer honoriert
werden.
Der vierte große Bereich beschäftigt sich mit der
Schaffung und Entwicklung von Innovationskompetenz.
Innovationsmanagement ist eine wichtige Kompetenz,
die sowohl Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
bzw. Forscherinnen und Forscher, die in der außeruniver-
sitären Forschung tätig sind, als auch solche, die an Hoch-
schulen arbeiten, benötigen. Diese Kompetenz wird aber
in stärkerem Maße auch von Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeitern in Unternehmen verlangt. Deshalb haben wir
hier beide Adressaten im Blick.
Dazu gehören sowohl entsprechende Studienangebote
als auch entsprechende Angebote der Fort- und Weiterbil-
dung. Dazu gehört die Entwicklung von Qualitätsringen,
mit denen die Qualität der Fort- und Weiterbildungsange-
bote eingeschätzt werden kann. Auf diese Weise wird eine
höhere Transparenz erzielt. Dazu gehört aber auch die
Förderung modellhafter Projekte durch BMBF und
BMWi, mit denen wir die Unternehmen ermuntern wol-
len, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für ihre Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter zu schaffen, um deren Ma-
nagementkompetenz für Innovationen zu stärken.
Vielen Dank.
Vielen
Dank, Frau Bundesministerin.
Ich bitte, zunächst Fragen zu stellen, die sich auf den
angesprochenen Bereich beziehen. Als erster Fragesteller
hat sich der Kollege Gerhard Friedrich gemeldet.
Frau
Bundesministerin, dieses Aktionsprogramm enthält ei-
nige Maßnahmen, die schon lange angekündigt worden
sind. Wenn ich mit Vertretern der Universität in meiner
Heimat spreche, merke ich, dass diese dringend auf die
Einschränkung des Hochschullehrerprivilegs im Bereich
des Patentrechts warten.
Deshalb möchte ich Sie fragen: Was wollen Sie tun, da-
mit Ihre Gesetzesinitiative möglichst schnell beraten und
umgesetzt wird? Ist die Bundesregierung bereit, eine von
den Ländern Niedersachsen und Baden-Württemberg ini-
tiierte Gesetzesinitiative des Bundesrates, die dieser be-
reits beschlossen hat, zu unterstützen? Haben Sie vor, Ihre
angestrebte Gesetzesänderung in das Hochschullehrer-
dienstrecht einzubinden? Oder besteht die Absicht, die
Maßnahme zu verschieben, bis das Gesetz über Arbeit-
nehmererfindungen insgesamt novelliert wird? Ich hätte
dagegen große Bedenken, weil ein solches Vorgehen doch
sehr viel Zeit kostet.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Herr Friedrich, wir haben vor, die Novel-
lierung des Hochschullehrerprivilegs gegenüber der ge-
nerellen Novellierung des Gesetzes über Arbeitnehmer-
erfindungen vorzuziehen. Ich teile Ihre Auffassung, dass
dies notwendig ist, weil in diesem Bereich ein dringender
Handlungsbedarf besteht.
Im Übrigen hatten wir uns in der Bund-Länder-Kom-
mission auf Eckpunkte verständigt, bevor der Bundesrat
initiativ geworden ist. Das heißt, die Bundesregierung ist
auf diesem Feld bereits in Vorleistung getreten. Wir haben
diese Eckpunkte jetzt in Gesprächen mit den Ressorts,
aber auch durch Anhörungen verschiedener Organisatio-
nen verbessert und weiterentwickelt. Ich gehe davon aus,
dass wir in Kürze das Hochschullehrerprivileg im Deut-
schen Bundestag beraten können und freue mich, im Par-
lament so viel Unterstützung für diese wichtige Novellie-
rung zu finden.
Eine
Frage des Kollegen Dr. Martin Mayer von der CDU/CSU-
Fraktion.
FrauBundesministerin, darf ich die Überschrift des Punktes 10„Ausgründungen aufwerten – Gründungsbeteiligungenunterstützen“, in dem es um die finanzielle Beteiligung anStart-ups geht, so interpretieren, dass Sie eine Änderung,die von Rot-Grün im Steuerrecht vorgenommen wordenist, rückgängig machen wollen? Diese Änderung, die denStart-ups besonders geschadet hat, betraf das Senken derBeteiligungsgrenze, ab der Veräußerungsgewinne vonPrivatpersonen einkommensteuerpflichtig sind, von
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Bundesministerin Edelgard Bulmahn15318
10 Prozent auf 1 Prozent. Dadurch wurden viele Privat-leute und auch Businessangels daran gehindert, sich instärkerem Maße an Start-ups zu beteiligen.Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildungund Forschung: Ich möchte zunächst darauf hinweisen,Herr Mayer, dass diese Bundesregierung eine Steuerre-form durchgeführt hat, durch die zum ersten Mal seit vie-len Jahren sowohl normale Arbeitnehmerinnen und Ar-beitnehmer als auch Unternehmen erheblich entlastetworden sind. Damit wurde die in den jahrelang dauerndenDiskussionen immer wieder erhobene Forderung umge-setzt, die steuerliche Belastung deutlich zu verringern.Genau das haben wir gemacht.Die Änderung, die Sie angesprochen haben, ist von denLändern durchgesetzt worden. Wie Sie als Mitglied desDeutschen Bundestages sehr wohl wissen, sind bestimmtegesetzliche Regelungen zustimmungspflichtig. Die Bun-desregierung hatte einen anderen Vorschlag als die Län-der gemacht. Die von Ihnen angesprochene Änderung desSteuerrechts war also das Ergebnis, nachdem unsere Vor-schläge den Bundesrat passiert hatten. Diese Änderungsah in der Tat so aus, wie Sie sie geschildert haben.
Eine Zu-
satzfrage, Kollege Mayer.
Frau
Bundesministerin, ich möchte fragen, welche konkreten
steuerlichen Maßnahmen die Bundesregierung bisher im
Rahmen der Steuerreform zur Förderung der Start-ups er-
griffen hat und welche sie künftig ergreifen möchte.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Es gibt mehrere Programme, die jeweils
auf einen Abschnitt des Innovationsprozesses abzielen. Es
gibt zum einen die Programme, die ich schon vorhin ge-
nannt habe und mit denen wir die Existenzausgründun-
gen, also Start-ups aus Forschungseinrichtungen, aber
auch aus Hochschulen, unterstützen. Diese Programme
zeitigen inzwischen einen sehr guten Erfolg. Sie wissen,
dass sich die Zahl der Ausgründungen aus den For-
schungseinrichtungen erheblich erhöht hat. Wir wollen
durch das Beteiligungsmodell, das ich genannt habe, auch
erreichen, dass in noch stärkerem Maße privates Kapital
in der Start-up-Phase eingesetzt wird. Diese Programme
entwickeln wir gemeinsam mit der KfW, um das vorhan-
dene Know-how entsprechend zu nutzen.
Zum anderen gibt es seitens des Wirtschaftsministeri-
ums das Programm BTU. Das Volumen dessen, was im
Rahmen dieses Programms für die Start-ups bzw. Neu-
gründungen eingesetzt wird, hat sich in den letzten zwei
Jahren verdreifacht. Auch hier gibt es eine Mischfinan-
zierung aus privatem und öffentlichem Kapital. Ich per-
sönlich glaube, dass es der richtige Weg ist, beide Finan-
zierungsarten zu nutzen.
Des Weiteren gibt es eine Reihe von Beratungs-
unterstützungsmaßnahmen, mit deren Hilfe das Wissen,
das man braucht, um einem Start-up erfolgreich helfen zu
können, mobilisiert werden soll. Diese Bundesregierung
– diese Bilanz kann ich nach zwei Jahren wirklich ziehen –
hat inzwischen durch ihre konkreten Entscheidungen,
durch ihre Programme, aber auch durch den Ausbau der
Forschungsförderung im Bereich der Biotechnologie, in
dem wir zum Beispiel durch das Programm „Bio-Profile“
Existenzgründungen unterstützen, in den wichtigen
Hightech-Branchen eine Gründungsdynamik erreicht, die
sich wirklich sehen lassen kann. Ich möchte nur auf ein
Beispiel hinweisen: Deutschland liegt inzwischen bezüg-
lich der Zahl der Unternehmensgründungen in der Bio-
technologiebranche europaweit an der Spitze. Das ist das
Ergebnis einer ganz klar auf Ausgründung sowie auf An-
wendung und Verwertung der Forschungsergebnisse zie-
lenden Politik.
Herr Kol-
lege Mayer, ich möchte erst die anderen Abgeordneten,
die sich ebenfalls gemeldet haben, aufrufen. Ich nehme
Ihren Namen am Ende der Rednerliste noch einmal auf.
Der nächste Fragesteller ist der Kollege Norbert
Hauser von der CDU/CSU-Fraktion.
Frau Bundes-ministerin, Sie haben die Frage des Kollegen Mayer nichtbeantwortet. Sie sind in keiner Weise auf die Frage nachden zukünftigen Änderungen durch die Steuerreformeingegangen. Ich wäre Ihnen also dankbar, wenn Sie dieFrage beantworteten. Ich bin gerne bereit, mein Frage-recht dafür zu nutzen, um die Frage des Kollegen Mayerzu wiederholen. Aber Sie sollten sich schon bemühen,statt den Erfolg von Bio-Regio hier noch einmal darzu-stellen – wir wissen, dass das ein sehr gutes Programmwar –, auf die Fragen der Kollegen zu antworten, denn esheißt „Regierungsbefragung“ und nicht „Regierungsvor-trag“.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildungund Forschung: Herr Hauser, ich hatte die Frage vonHerrn Mayer bereits beantwortet. Ich habe darauf hinge-wiesen, dass diese Bundesregierung zum ersten Mal seitvielen Jahren über eine deutliche steuerliche Entlastungvon Unternehmen nicht nur diskutiert, sondern sie wirk-lich durchgeführt hat.
– Ja, durch die Senkung des Eingangssteuersatzes, derKörperschaftssteuer etc.– Das, was Herr Mayer ange-sprochen hat, ist von den Bundesländern so festgelegtworden.Normalerweise pflege ich nicht, Fragen in derselbenFragestunde zweimal zu beantworten, aber ich habe vor-hin darauf hingewiesen, dass meines Erachtens beides
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Dr. Martin Mayer
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zusammenkommen muss, also auch die besseren steuerli-chen Rahmenbedingungen, die diese Bundesregierunggeschaffen hat, um konkret Unternehmensneugründun-gen aus dem Wissenschaftsbereich heraus zu unterstüt-zen. Private und öffentliche Finanzierung, beides gehörtzusammen.
Herr
Hauser, Sie dürfen gern eine Zusatzfrage stellen.
Ich versuche
dann einmal herauszufinden, ob es an einer anderen Stelle
konkreter wird.
Sie haben vorgeschlagen, Patent- und Verwertungs-
infrastrukturen zu schaffen. Können Sie uns in etwa dar-
stellen, wann ein solches Netzwerk, von dem Sie spre-
chen, geschaffen sein soll, welche Mittel dafür eingesetzt
werden, wann sie bereitgestellt werden und wo sie im
Haushalt eingestellt sind?
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Wir wollen dieses Programm in diesem
Jahr starten. Es soll drei Jahre lang laufen. Wir haben die
Mittel dafür im Haushalt im Rahmen der „Zukunftsinitia-
tive Hochschule“ eingesetzt.
Was die dafür vorgesehenen Mittel angeht: Für dieses
Jahr sind 35 Millionen DM veranschlagt, in den darauf
folgenden Jahren sind es dann zunächst wiederum 35Mil-
lionen DM und danach 45 Millionen DM.
Die
nächste Frage hat die Kollegin Ulrike Flach von der
F.D.P.-Fraktion.
Frau Ministerin, die F.D.P. istnatürlich sehr davon angetan, dass etwas getan wird, umdie Zahl der Patente in diesem Lande zu steigern.
Damit haben wir auch gar keine Probleme, obwohl wir esnatürlich begrüßen würden, wenn Sie endlich auch das da-mit eng verbandelte Hochschuldienstrecht auf dieSchiene bekämen, sodass Sie nicht in die unglückseligeLage geraten müssten, jetzt das Hochschullehrerprivilegvorziehen zu müssen, weil das andere Vorhaben immernoch nicht in den Startlöchern steckt.Aber meine Frage geht in eine ganz andere Richtung.Auf der einen Seite fördern Sie Patente; das ist ja durch-aus richtig. Aber was tun Sie denn auf der anderen Seite?Sprechen Sie ab und zu auch einmal mit Ihrer Mitminis-terin Däubler-Gmelin über die unselige Situation beimDeutschen Patentamt, in dem derzeit 90 000 Patentanmel-dungen vor sich hin schlummern und auf ihre Bearbeitungwarten, gleichzeitig das Patentamt aber mit der merkwür-digen Situation fertig werden muss, dass dort in diesemJahr zum ersten Mal Computer eingeführt wurden?Deswegen würde ich mich freuen, wenn Sie mir dar-stellten, was Sie auf diesem Gebiet tun.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildungund Forschung: Zunächst freue ich mich natürlich, wennSie ungeduldig sind. Ich bitte dann allerdings doch, auchdie richtigen Vergleiche durchzuführen.Ich habe den Vorschlag für die Neuordnung des Dienst-rechts von Bundesseite aus im Herbst des letzten Jahresvorgestellt, nachdem ich vorher eine Kommission mit Ex-perten aus unterschiedlichen Bereichen eingesetzt hatte,die die Vorschläge für die Erneuerung und Modernisie-rung des Dienstrechts aus ihrer Sicht vorbereiten sollte.Das ist auch geschehen. Diese Expertenkommission hatsehr gute Arbeit geleistet. Die Bundesregierung hat imGegensatz zu der alten Bundesregierung, die mindestensfünf bis sechs Jahre lang über das bisherige Dienstrechtdiskutiert hat, ohne einen Vorschlag zu unterbreiten,knapp ein Vierteljahr gebraucht, um einen Vorschlag vor-zulegen.Ich habe jetzt drei Verhandlungsrunden mit den Län-dern durchgeführt. Wir sind – das kann ich für meinen Be-reich sagen – so weit fertig. Das Dienstrecht enthält jazwei Bestandteile: einmal die Personalstruktur und zumanderen das Besoldungsrecht. Auch bezogen auf das Be-soldungsrecht haben wir die drei Verhandlungsrundendurchgeführt – da sind noch einige Fragen zu klären; diessind aber Fragen, die zügig geklärt werden können, keinegrundsätzlichen Fragen mehr –, sodass Sie ganz sicher da-von ausgehen können, dass das neue Dienstrecht, wie iches immer angekündigt habe, in dieser Legislaturperiodebeschlossen wird. Daran gibt es überhaupt keinen Zwei-fel, weil die Übereinstimmung mit den Ländern in fast al-len Punkten so hoch ist, dass wir dies auch in dieser Legis-laturperiode entscheiden können.Ich wundere mich – das sage ich ganz offen – über das,was Sie in Ihrem zweiten Punkt angesprochen haben. Ichstimme Ihnen nämlich völlig zu, dass es ein Unding ist,dass das Patentamt erst jetzt mit modernen Computernausgestattet wird. Ich erinnere nur daran, dass es die alteBundesregierung offensichtlich über viele Jahre hinweg– denn Computer sind seit mindestens Mitte der 80er-Jahre in Gebrauch – nicht daran gedacht hat, im Patentamteine entsprechende technische Infrastruktur aufzubauen.Ich stimme Ihnen durchaus zu, dass dies dringend not-wendig ist.
Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass dies schon Endeder 80er- bzw. Anfang der 90er-Jahre realisiert wordenwäre. Viele Probleme, die wir in den 90er-Jahren gehabthaben, wären uns dann nämlich erspart geblieben. Zu die-ser Zeit hätten Patente zügiger bearbeitet werden können.Ich bin sehr froh, dass die Justizministerin – übrigens mitmeiner Unterstützung – dies nicht nur eingesehen, son-dern von vornherein gesagt hat, dass dies ein wichtiges
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Bundesministerin Edelgard Bulmahn15320
Ziel sei, das erreicht werden müsse, damit die Bearbei-tungszeit für Patente verkürzt wird.Lassen Sie mich in dem Zusammenhang noch ein Drit-tes sagen: Ich bin sehr froh, dass diese Bundesjustizminis-terin sehr engagiert für die Einführung einer Neuheits-schonfrist auf Europa-Ebene eintritt. Auch dort gibt es einerhebliches Defizit. Sie sehen: Diese Bundesregierunglehnt sich nicht zurück, sondern arbeitet.
Eine Zu-
satzfrage, Kollegin Flach.
Ich möchte trotzdem um Beant-
wortung meiner Frage bitten.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Die habe ich beantwortet.
Wie beabsichtigen Sie, die
Zahl der 90 000 auf Bearbeitung wartenden Patente zu
verringern, und was machen Sie, wenn – so Ihre Meinung –
viele neue Anträge hinzukommen?
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Ich habe gerade darauf hingewiesen, dass
diese Bundesregierung dabei ist, die technische Infra-
struktur, das heißt die Ausstattung des Patentamtes, zu
modernisieren. Dies wird zu einer deutlichen Verkürzung
der Bearbeitungszeiten führen. Gleichzeitig werden zu-
sätzliche Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt. Das
heißt, diese Bundesregierung hat die Ausgangsbasis für
die Bearbeitung von Patenten sehr deutlich verbessert.
Dies wird im Ergebnis zu einer Verkürzung der Bearbei-
tungszeiten führen.
Parallel dazu kann ich Ihnen noch darstellen, was ich
aufseiten des Forschungs- und Bildungsministeriums tue,
um die Patentberatung zu verbessern. Ich habe vorhin auf
den Aufbau der Patent- und Verwertungsagenturen hinge-
wiesen. Durch unsere Patentberatungsstelle bei der
Fraunhofer-Gesellschaft haben wir inzwischen auch eine
deutliche Verbesserung erreicht. Wir arbeiten also auf al-
len dafür notwendigen Ebenen.
Als nächs-
tem Fragesteller erteile ich dem Kollegen Rainer Jork von
der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Frau Bundesminis-
terin, ich möchte Sie gern zu Punkt 8 des vorgelegten Pa-
piers befragen. Mich interessiert die dort beschriebene
Ausgründungsinitiative. Sie haben vorhin auch ältere Pro-
gramme genannt und ein neues Förderprogramm an-
gekündigt. Ich frage: Wann wird das angekündigte För-
derprogramm zur Unterstützung ausgründungswilliger
Wissenschaftler vorliegen? Wie viele Fördermittel wer-
den bereitgestellt? Warum kündigt die Bundesregierung
das Förderprogramm nur an und stellt die Maßnahme
nicht konkret vor?
In Ergänzung zu Ihrem Hinweis, dass es spezielle Ini-
tiativen für die neuen Bundesländer gibt, möchte ich fra-
gen, ob die dortige Situation – besonders hohe Arbeitslo-
sigkeit und damit einhergehend ein besonderer Bedarf an
Ausgründung – berücksichtigt worden ist bzw. wird.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Herr Jork, ich möchte Sie zunächst korri-
gieren: Ich habe auf das Programm „Bio-Profile“ hinge-
wiesen, das – ich bitte zu entschuldigen, wenn ich es nicht
ganz genau sagen kann –, vor etwas mehr als einem Jahr
aufgelegt worden ist. Auf die Ausgründungsoffensive be-
zogen möchte ich sagen: Das Programm EXIST-SEED
– auf das ich mich eben bezogen habe – wurde im letzten
Jahr gestartet. Das Programm EXIST läuft ebenfalls be-
reits. Darüber hinaus werden wir dieses Programm, das
zunächst regional angelegt war, bundesweit anbieten. Die
Bekanntmachung der neuen Förderrichtlinie ist für das
zweite Quartal 2001 vorgesehen.
Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Jahr mit den
neuen Formen der Beteiligung von privatem Kapital an
Ausgründungen aus den HGF-Zentren starten können.
Zu Ihrer Frage, ob wir ein spezielles Programm für die
neuen Bundesländer vorgesehen haben: Ja, es handelt sich
um das von mir vorhin genannte Programm „Regionale
Wachstumskerne in den neuen Bundesländern“. Damit
wollen wir dort, auf den vorhandenen – auch wirtschaftli-
chen – Kompetenzen aufbauend, Neugründungen unter-
stützen. Wir haben also ein Programm speziell für die
neuen Bundesländer vorgesehen.
Herr Hauser, in Bezug auf Ihre Frage möchte ich eine
Korrektur vornehmen. Die korrekten Summen für die
Patent- und Verwertungsagenturen liegen bei 30 Milli-
onen DM, 30 Millionen DM und 45 Millionen DM.
– Leider ist es nicht so. Aber ich sage Ihnen ganz offen:
Dieses Geld ist sinnvoll investiert.
Kollege
Jork, eine Zusatzfrage.
Unter Bezug-nahme auf meine vorherige Frage möchte ich ergänzendFolgendes sagen: Ich entnehme Ihrer Antwort, dass – dasist sehr begrüßenswert – eine Fortführung von Program-men wie EXIST vorgesehen ist. Nun ist ein neues Pro-gramm angekündigt. Welche neuen Fördermittel sinddafür vorgesehen? Werden da – eine Antwort daraufwollte ich mit meiner Frage erreichen – besonders dieneuen Bundesländer bedacht? Oder sind die neuen Bun-desländer „bloß“ – ich sage das in Anführungsstrichen –Teil des von Ihnen eben genannten Programms?
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Bundesministerin Edelgard Bulmahn15321
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildungund Forschung: Herr Jork, das von mir zuletzt genannteProgramm gilt speziell für die neuen Bundesländer. DasProgramm EXIST wird für ganz Deutschland infragekommen. Die entsprechende Ausschreibung wird imzweiten Quartal des Jahres 2001 durchgeführt werden.Über die Förderung wird dann in einem Wettbewerbsver-fahren entschieden, wie es von der Sache her sinnvoll ist.
Das Programm „Regionale Wachstumskerne“ gilt nurfür die neuen Bundesländer. Es hat in diesem Jahr, imnächsten Jahr und im übernächsten Jahr ein Volumen von50 Millionen DM.
Das Recht
zu einer Frage hat jetzt der Kollege Dr. Ernst Rossmann
von der SPD-Fraktion.
Frau Ministerin,
Sie sprachen die Initiative für Patent- und Verwertungs-
agenturen positiv an. Aus Berichten weiß man, dass es so
etwas schon gibt. In Baden-Württemberg spricht man teil-
weise von Anlaufzeiten bis zu zehn Jahren. Sie fassen eine
Anschubförderung über drei Jahre ins Auge. Mit welcher
Struktur wollen Sie sicherstellen, dass die Patent- und
Verwertungsagenturen nach drei Jahren finanziell auf ei-
genen Füßen stehen? Was ist der Unterschied zwischen
Ihrem Modell und den schon in der Praxis befindlichen
Modellen? Gibt es so etwas wie einen Länderschlüssel,
um die unterschiedlichen Initiativen der Länder – sie sind
bereits jetzt vorhanden – auszugleichen?
Unter den Ziffern 25 und 26 des vorgelegten Papiers
sprechen Sie die akademische Weiterbildung an, speziell
den Qualifizierungsverbund. Können Sie etwas zu dem
Finanzvolumen sagen, mit dem Sie in diesem Bereich ein-
steigen wollen?
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Zu Ihrer ersten Frage. Wir haben aus den
Erfahrungen mit regionalen Strukturen durchaus Konse-
quenzen gezogen. Man kann auch sagen: Wir haben da-
raus gelernt. Ein Problem der bisherigen Ansätze besteht
darin, dass die an vielen Hochschulen vorhandenen Tech-
nologietransferstellen für das gesamte – breite – Spek-
trum von unterschiedlichen Technologien zuständig sind,
obwohl ihre personelle Ausstattung dafür nicht entspre-
chend groß ist. Es macht einen großen Unterschied, ob
man ein Forschungsergebnis aus dem Bereich Biotechno-
logie bzw. Genomforschung – man hat ganz andere An-
sprechpartner – oder ein Forschungsergebnis aus dem Be-
reich Maschinenbau verwertet. Das ist von einer einzigen
Technologietransferstelle schwer zu bewältigen.
Deshalb haben wir unseren Ansatz so gewählt, dass
sich unterschiedliche Universitäten zusammenschließen
können, um zum Beispiel für ein bestimmtes Technolo-
giefeld eine Verwertungsagentur aufzubauen, sodass sich
unterschiedliche Hochschulen, aber auch unterschiedli-
che Forschungsinstitutionen zusammenschließen können,
um – ich sage auch das beispielhaft – für das Feld der Bio-
technologie Verwertung zu betreiben.
Wir wollen allerdings eine leichte Öffnung vornehmen.
Wir wollen unser Vorgehen nicht nur auf branchenbe-
zogene oder forschungsbereichbezogene Alternativen
einschränken; vielmehr wollen wir auch die Möglich-
keit regionaler Verwertungsstrukturen schaffen.Wir wol-
len ferner anbieten, dass dieses auch in Kooperation bei-
spielsweise mit privaten Verwertungsagenturen möglich
ist. Unsere Zielsetzung ist nämlich, durch diese Anschub-
finanzierung mittelfristig zu erreichen, dass Agenturen
entstehen, die sich aus ihren eigenen Einnahmen selber
refinanzieren können, weil sie an dem Ertrag aus Lizen-
zen beteiligt werden. Dieser Ansatz hat sich in anderen
Ländern durchaus als erfolgversprechend gezeigt. Des-
halb haben auch wir ihn gewählt.
Die Mittel im Rahmen dieses Programms werden in ei-
nem Wettbewerbsverfahren vergeben werden. Es ist kein
Bund-Länder-Programm, sondern ein reines Bundespro-
gramm. Demzufolge gibt es auch keinen Bund-Länder-
Schlüssel. Die Verbünde müssen vielmehr durch die Qua-
lität ihres Antrages, in dem sie ihre Zielsetzung erläutern,
und durch eine Beschreibung, wie man zu einer dauerhaf-
ten Implementierung dieser Strukturen kommen kann,
überzeugen. Auf dieser Basis wird entschieden. Die
besten Anträge werden ausgewählt und entsprechend ge-
fördert.
Zum Innovationsmanagement und zur Qualifikation:
Wir richten uns zum einen an diejenigen, die im Rahmen
der beruflichen Ausbildung ausgebildet werden. Zum
Beispiel sollte Innovationsmanagement in Zukunft ein
Bestandteil der Meisterausbildung sein und auch inner-
halb der Meisterförderung finanziert werden. Mir ist aber
genauso wichtig, dass es zum anderen auch an den Hoch-
schulen entsprechende Angebote gibt.
Ich kann als Bundesministerin die Hochschulen nicht
dazu zwingen, entsprechende Studienangebote anzubie-
ten. Aber ich denke, dass man die Zielsetzung eines sol-
chen Programms deutlich beschreiben sollte. Die Ziel-
setzung ist, durch die Bündelung von verschiedenen
Initiativen, Maßnahmen und Programmen, die wir haben,
eine schnellere Anwendung der Forschungsergebnisse zu
erreichen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass unser Wis-
sen und unsere hervorragenden Forschungsergebnisse ge-
nutzt werden, damit sowohl Arbeitsplätze entstehen und
gesichert werden, als auch unsere wirtschaftliche Wettbe-
werbsfähigkeit gestärkt wird.
Aus Zeit-
gründen kann ich nur noch eine Frage zulassen. Das Fra-
gerecht hat die Kollegin Maritta Böttcher von der PDS-
Fraktion.
Frau Ministerin, ich möchtean Ihre letzte Bemerkung anknüpfen. Wir sind uns sicher-lich einig, dass die Beziehung zwischen Wissenschaft undWirtschaft sehr notwendig und wichtig ist. Es stellt sich miraber die Frage, welchen Stellenwert die Öffnung der Wis-senschaft für die Gesamtgesellschaft, also auch jenseits von
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 200115322
unmittelbaren Verwertungs- und Profitinteressen, hat. Ichmöchte Sie deshalb fragen: Sollte nicht die Zusammenar-beit mit den nicht kommerziellen Nachfragern wissen-schaftlicher Erkenntnisse intensiviert werden? Ich meinehier vor allem Kommunen, Verbände, Gewerkschaften, so-ziale Bewegungen und gemeinnützige Projekte.Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildungund Forschung: Vorweg möchte ich einen Aspekt deutlichmachen: Die Kompetenzoffensive, in die wir jährlich35Millionen DM investieren, ist ein Programm, das in ei-nem sehr hohen Maße gerade Arbeitnehmerinnen und Ar-beitnehmern – unabhängig davon, ob sie in einer For-schungseinrichtung oder in einem Unternehmen tätigsind – zugute kommt. Damit unterstützen wir die Qualifi-kation von Mitarbeitern, die sie gerade heute benötigenund die zu einer verbesserten Innovationsfähigkeit führt.Zu Ihrer generellen Frage: Das Programm „Wissenschafft Märkte“ ist ein Programm, das von BMWi undBMBF gemeinsam erarbeitet wurde und das ich Ihnenheute vorgestellt habe. Wir haben seitens dieser Bundes-regierung insgesamt die Ausgaben für Forschung undEntwicklung für ganz unterschiedliche Anwendungsbe-reiche in den letzten zwei Jahren erheblich gesteigert, näm-lich um rund 2,5 Milliarden DM. Wir haben zum Beispielauch die Ausgaben für die Förderung der Grundlagenfor-schung und für die Förderung im Bereich der Vor-sorgeforschung gesteigert. Ich will in diesem Zusammen-hang nur auf das Programm Gesundheitsforschunghinweisen, das ich im letzten Winter vorgestellt habe.Wir setzen diese Mittel ein, um zu erreichen, dass sichdie Lebensqualität insgesamt durch Forschung verbessert.Dazu gehören alle Bereiche, sowohl der Bereich der Vor-sorgeforschung als auch jener der Gesundheitsforschungoder jener der Umweltforschung. Dazu gehört ebenso dieGrundlagenforschung; denn ohne eine exzellente Grundla-genforschung können wir keine neuen Produkte entwickeln.Dazu gehört aber eben auch, dafür Sorge zu tragen, dass einebessere Verwertung von Forschungsergebnissen möglichwird und diese wiederum zu einer schnelleren Verbesserungvon Lebensqualität führt. Dazu gehört sicherlich ebenfalls– auch das ist ein Punkt, der eine hohe gesamtgesellschaftli-che Verantwortung beinhaltet –, dass wir durch diese Maß-nahmen erreichen wollen, dass in diesem Land Arbeits-plätze gesichert und neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Vielen
Dank, Frau Bundesministerin. – Ich kann jetzt keine
Frage mehr zulassen, denn wir haben die Zeit schon über-
schritten.
Ich beende den Bereich der Themen der heutigen Ka-
binettssitzung.
Zu einer Frage, die über diesen Themenbereich hi-
nausgeht, hat sich der Kollege Jürgen Koppelin gemel-
det. – Herr Koppelin, bitte schön.
Ich hätte es natürlich gern
gesehen, wenn ein Vertreter des Gesundheitsministeriums
anwesend gewesen wäre, den man hätte direkt fragen kön-
nen. Nun muss ich Herrn Staatsminister Bury fragen.
He
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Hat das in der Bundesregierung inzwischen eine Rolle ge-
spielt, zumal der Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grü-
nen sogar von Säuberungen in diesem Ministerium ge-
sprochen hat? Ich kann mir nur vorstellen, dass jemand
entlassen wird, der für seinen Job nicht qualifiziert ist.
Oder gibt es auch noch andere Gründe, warum jemand
entlassen werden könnte? Gibt es bereits Nachfolger der
Entlassenen im Gesundheitsministerium?
Herr
Staatsminister Bury, bitte.
H
Herr Kollege Koppelin, das Thema hat in der heutigen
Kabinettssitzung keine Rolle gespielt. Ich kann Ihnen des-
halb auch zu einzelnen Personalentscheidungen im
Bundesministerium für Gesundheit keine Auskunft ge-
ben.
Zusatz-
frage, Herr Kollege Koppelin.
Herr Staatsminister, es
kann Sie doch nicht zufrieden stellen, wenn der Koaliti-
onspartner von Säuberungen in einem Ministerium
spricht. Das muss im Kanzleramt eine Rolle spielen. Es
sind doch Verstimmungen aufgetreten.
Ich will Ihnen jetzt nicht alles vorlesen, was ich in diver-
sen Zeitungen gelesen habe. Ich frage Sie als Staatsmi-
nister dieser Bundesregierung also noch einmal, wie das
aussieht: Kann auch jemand entlassen werden, der sehr
qualifiziert ist – wie zum Beispiel Bündnis 90/Die Grünen
sagen –, und welche anderen Gründe außer mangelnder
Qualifikation gibt es, warum jemand entlassen wird? Das
müssten Sie als Staatsminister doch wissen.
H
Die Äußerungen, auf die Sie sich beziehen, Herr Kol-
lege Koppelin, sind mir nicht bekannt.
Wie Sie wissen – wir hatten das Spiel verschiedentlich –,
pflege ich an dieser Stelle auch nicht Presseveröffentli-
chungen zu kommentieren.
Gibt eseine weitere Frage an die Bundesregierung, die über den
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 2001
Maritta Böttcher15323
Themenbereich der Kabinettssitzung hinausgeht? – Dasist nicht der Fall. Dann beende ich die Befragung derBundesregierung.Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:Fragestunde– Drucksache 14/5500 –Zunächst haben wir zwei Fragen zu behandeln, die inder Fragestunde der letzten Woche nicht beantwortet wer-den konnten, weil die Staatssekretärin Margareta Wolfnicht mehr anwesend sein konnte.Die Fragen 26 und 27
wurden als Anlage 2 des Stenogra-
phischen Berichts der 156. Sitzung abgedruckt. Sie istaber jetzt anwesend.Ich rufe Frage 28 des Abgeordneten Dr. Martin Mayer
auf:
Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der Flat Rate,das heisst einer Monatspauschale für den Internetzugang ein-schließlich Telefongebühren, für die Förderung der Internetnut-zung durch junge Leute mit schmalem Geldbeutel bei?Bitte, Frau Wolf.M
Herr Mayer,
vorab möchte ich mich bei Ihnen für die Geduld bedan-
ken, die Sie in der letzten Sitzungswoche aufgebracht ha-
ben. Ich musste zum Flieger; die Debatte hatte sich ja et-
was verzögert. Aber wir haben darüber telefoniert.
Ich beantworte Ihre Frage 28 wie folgt: Sie wissen,
dass die Bundesregierung im vergangenen Sommer ein
umfangreiches Aktionsprogramm für Wachstum und Be-
schäftigung im Informationszeitalter verabschiedet hat.
Die Förderung des Internets und insbesondere die Nut-
zung dieses Mediums durch junge Menschen sind für die
Bundesregierung – das kann man auch diesem Programm
entnehmen – ein Anliegen von absolut höchster Priorität.
Mit der Initiative „Schulen ans Netz“ leistet die Bundes-
regierung einen weiteren wichtigen Beitrag, um Schüler
und Jugendliche an die Nutzung des Internets heran-
zuführen. Mittlerweile verfügen 33 000 der insgesamt
36 000 Schulen in Deutschland über einen Internetan-
schluss.
Wir teilen auch die Auffassung, die Sie in Ihrer Frage
insinuieren, dass gerade mit Blick auf die begrenzten
Budgets jugendlicher Internetnutzer preisgünstigen An-
geboten eine wichtige Rolle bei der weiteren Durchdrin-
gung dieser Nutzerschicht zukommt.
Schon heute – so glauben wir – können Jugendliche auf
mehrere attraktive Alternativen zurückgreifen. So weist
beispielsweise der deutsche Markt die niedrigsten minu-
tengetakteten Internetzugangstarife aus. Konkret bedeutet
dies, dass hierzulande 30 bis 40 Stunden Internetnut-
zung – das ist die durchschnittliche Nutzungszeit von
Flat-Rate-Nutzern in den Vereinigten Staaten oder in
Großbritannien – günstiger als in diesen Ländern ist. Mi-
nutenbasierte Tarife sind im vergangenen Jahr um bis zu
60 Prozent gesunken und zählen heute europaweit zu den
niedrigsten. Darüber hinaus bestehen für Schüler spezi-
elle Angebote, die beispielsweise 80 Stunden Internetnut-
zung für monatlich 20 DM ermöglichen.
Mittlerweile – das ist ebenfalls bekannt – gibt es in
Deutschland auch zahlreiche Flat-Rate-Angebote. Ein
bundesweit tätiger Anbieter ermöglicht den zeitlich unbe-
grenzten Internetzugang für monatlich unter 80 DM, an-
dere Anbieter bieten sogar noch günstigere Pauschaltarife
an. Des Weiteren sind DSL-Angebote am Markt, die nach
einer für den britischen Regulierer erstellten Studie in
Deutschland günstiger als etwa in Frankreich, dem Verei-
nigten Königreich oder den Vereinigten Staaten sind. Ins-
besondere für so genannte Power User, die das Internet
täglich zu verschiedenen Tageszeiten für mehrere Stunden
nutzen wollen, stellen DSL-Angebote eine Alternative zur
Schmalband-Flat-Rate dar. Allerdings ist zu konstatieren,
dass DSL-Angebote derzeit noch nicht überall verfügbar
sind. Die Bundesregierung erwartet aber einen raschen
Ausbau der DSL-Angebote der verschiedenen Anbieter
und nach dem angekündigten vollständigen Verkauf der
Breitbandkabelnetze durch die Deutsche Telekom in ab-
sehbarer Zeit weitere bundesweite Angebote für den
Hochgeschwindigkeitsinternetzugang auf Flat-Rate-Ba-
sis.
Zusatz-
frage, Kollege Mayer.
Frau
Staatssekretärin, teilen Sie die Auffassung, dass eine echte
Flat Rate, also eine echte Monatspauschale, für den Inter-
netzugang in Deutschland nur in ganz wenigen Ausnah-
mefällen zu einem kostengünstigen Preis verfügbar ist
und dass die Tatsache, dass die Bundesregierung der Re-
gulierungsbehörde im Falle der Post eine Anweisung er-
teilt hat, im Falle der Telekommunikation aber bisher
untätig geblieben ist, darauf schließen lässt, dass die Flat
Rate für die Bundesregierung doch kein so großes Anlie-
gen ist?
M
Herr Kollege
Mayer, ich teile Ihre Einschätzung nicht. Sie wissen, dass
die Regulierungsbehörde am 15. November 2000 eine
Entscheidung getroffen hat, wonach die Deutsche Telekom
verpflichtet ist, bis Anfang Februar den Wettbewerbern
eine Vorleistungs-Flat-Rate zu gewähren. Online-Dienste-
Anbieter erhalten eine verbesserte Kalkulationsgrundlage
für das Angebot preiswerter monatlicher Pauschaltarife an
Kunden mit schmalbandigem Internetzugang. Die Bundes-
regierung hat die Entscheidung der Regulierungsbehörde
begrüßt. Sie hat sie für notwendig gehalten, um die hohe
Wettbewerbsintensität am deutschen Internetmarkt zu si-
chern. Wir glauben auch, dass diese Entscheidung dazu bei-
tragen wird, dass die große Wachstumsdynamik – das zei-
gen auch die Zahlenvergleiche mit anderen Ländern – bei
der Internetnutzung weiter verstärkt wird, die führende
Position Deutschlands in Europa ausgebaut und der Ab-
stand zu den USA rasch aufgeholt wird.
Weitere
Zusatzfrage.
FrauStaatssekretärin, ist Ihnen bekannt, dass die Deutsche
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 2001
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms15324
Telekom AG kurz nach dem Angebot der Großhandels-Flat-Rate ihr eigenes echtes Flat-Rate-Angebot zurückge-zogen hat, und teilen Sie meine Auffassung, dass damitdie Aussage des Bundeskanzlers vom 11. Februar vorigenJahres, es werde eine Full Flat Rate unter 100 DM geben,desavouiert ist?M
Herr Kollege,
ich teile Ihre Einschätzung nicht. Ich glaube, dass die bis-
herige Entwicklung nahe legt, dass wir auch zukünftig der
Wettbewerbsdynamik in diesem Markt vertrauen können.
Sollte sich herausstellen, dass das nicht der Fall ist, wer-
den wir uns mit der Regulierungsbehörde ins Benehmen
setzen.
Sie haben
nur zwei Zusatzfragen.
– Nein, nur auf Frage 28. Die Frage 29 kommt noch.
Herr Kollege Tauss hat eine weitere Frage.
Eine Zusatzfrage in dem Zusam-
menhang, Frau Staatssekretärin. Würden Sie mir, nach-
dem diese Woche aller Voraussicht nach das Oberverwal-
tungsgericht die Klage der Telekom bescheiden wird,
nochmals bestätigen, dass zu erwarten ist, nicht nur dass
die Bundesregierung an ihrem Ziel festhält, auch künftig
ihren Beitrag zu einer preiswerten Zugangsmöglichkeit
zum Internet zu leisten, sondern dass sie im Lichte dieser
Ereignisse und dieser Urteile nochmals prüfen wird, wel-
che Möglichkeiten es gibt, das Ziel eines preiswerten In-
ternetzugangs auch in Deutschland zu realisieren, sofern
die Telekom nicht von sich aus die geeigneten Schritte
dazu ergreifen sollte?
M
Herr Kollege
Tauss, ich stimme Ihnen von Anfang bis Ende Ihres Re-
debeitrages zu, möchte dazu aber noch Folgendes sagen:
Ich finde es erstaunlich, in welchem Maße sich der Grad
der Durchdringung mit Internetzugängen in den letzten
zwei Jahren entwickelt hat, sodass der Unterton, der in Ih-
rer Frage mitschwang, von mir nicht in vollem Umfang
geteilt werden kann.
– Untertöne sind immer klasse.
Dann
kommen wir zu der in der letzten Woche offen gebliebe-
nen Frage 29 des Kollegen Martin Mayer .
Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, da-
mit in Deutschland bald flächendeckend eine erschwingliche
echte Flat Rate, das heißt eine Monatspauschale für den Internet-
zugang einschließlich Telefongebühren, angeboten wird?
M
Herr Kollege
Mayer, ich beantworte im Namen der Bundesregierung
Ihre Frage wie folgt:
Die Regulierungsbehörde hat am 15. November 2000
die Deutsche Telekom verpflichtet – ich habe vorhin
schon darauf hingewiesen –, Online-Dienste-Anbietern
eine so genannte Vorleistungs-Flat-Rate anzubieten, die
diesen wiederum die Ein- bzw. Weiterführung von End-
kunden-Flat-Rates ermöglicht. Die Bundesregierung hat
diese Entscheidung begrüßt und geht davon aus, dass sich
die Deutsche Telekom und Wettbewerber auf der Basis
dieser Vorgabe einigen werden. Sollte dies nicht der Fall
sein – auch darauf habe ich schon hingewiesen –, muss
sich die Regulierungsbehörde für Telekommunikation
und Post gegebenenfalls ein weiteres Mal einschalten.
Es gibt in Deutschland flächendeckend Flat-Rate-An-
gebote für die Internetnutzung. Insoweit sind weitere
Maßnahmen seitens der Bundesregierung im Moment
nicht geplant. Insbesondere ist nicht an direkte oder in-
direkte Subventionsmaßnahmen für schmalbandige In-
ternetzugänge gedacht, zumal hierdurch der oben be-
schriebene Aufbau von zum traditionellen Telefonnetz
alternativen Infrastrukturen wie DSLoder Breitbandkabel
konterkariert werden könnte.
Zusatz-
frage, Kollege Mayer.
Frau
Staatssekretärin, darf ich aus der Tatsache, dass die Bun-
desregierung die Flat Rate, also die Monatspauschale für
den Internetzugang, sowohl durch den Bundeskanzler
– wie schon erwähnt – als auch durch den Staatsminister
im Bundeskanzleramt Bury ankündigen ließ, und daraus,
dass es in Deutschland noch lange keine flächendeckende
Flat Rate geben wird, schließen, dass die Bundesregie-
rung dieses Ziel nicht mit Nachdruck verfolgt oder er-
folglos ist?
M
Herr Kollege
Mayer, das können Sie daraus nicht schließen. Ich möchte
Sie bitten, sich an die Frage des Kollegen Tauss zu erin-
nern. Er hat auf das zu erwartende Urteil hingewiesen.
Ich glaube, man kann der Bundesregierung mitnichten
unterstellen, dass sie kein Interesse daran hätte, eine
flächendeckende Internetdurchdringung nicht nur bei jun-
gen Leuten, sondern auch in der Wirtschaft zu erreichen.
Wir werden vielmehr alles in unserer Macht Stehende tun,
damit dieses auch geschieht.
WeitereZusatzfrage, Kollege Mayer.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 2001
Dr. Martin Mayer
15325
Frau
Staatssekretärin, darf ich aus einer Agenturmeldung über
eine Aussage des Bundeskanzlers anlässlich des Gipfels
in Lissabon, es sei eines seiner Ziele, in der Union mög-
lichst rasch zu sehr preisgünstigen, gegen null gehenden
Gebühren beim Internetanschluss zu kommen, und aus
der gegenwärtigen Lage in Deutschland, dass dies eben
noch nicht verwirklicht ist, schließen, dass man auf die
Aussagen des Herrn Bundeskanzlers keine allzu hohen
Wetten abschließen sollte?
M
Verehrter Herr
Kollege Mayer, das würde ich daraus nie und nimmer
schließen.
Ich habe Ihnen vorhin in den Antworten auf die beiden
an mich gerichteten Fragen die Ländervergleiche ver-
deutlicht. Wir liegen europaweit vorn, nicht nur was die
niedrigen Kosten angeht. Wir haben erstens die niedrigste
Flat Rate. Wir haben zweitens in Deutschland die umfas-
sendste Durchdringung mit Internetzugängen. Wir haben
in den letzten zwei Jahren sehr aufgeholt, sodass man vor
dem Hintergrund der verschiedensten Initiativen der Bun-
desregierung und auch des Kanzleramtes, zum Beispiel
von D 21, sagen kann: Diese Bundesregierung kümmert
sich wirklich darum, dass wir für die Informationsgesell-
schaft fit werden. Wir sind schon heute auf dem besten
Wege.
Erlauben Sie mir eine Zusatzbemerkung, die vielleicht
nicht besonders sachlich ist, aber sehr viel aussagt über
das, was versäumt worden ist: In der Vergangenheit hat
man Datenautobahnen eher in die Zuständigkeit des Ver-
kehrsministers verwiesen; Sie werden sich noch an die
legendäre Talkshow von 1997 erinnern. Wenn man den
Debattenstand von damals mit unserem Debatten- und
Sachstand von heute vergleicht, kann man mit Fug und
Recht sagen, dass wir auf einem sehr guten Wege sind und
sehr viel aufgeholt haben.
Gibt es in
diesem Zusammenhang weitere Zusatzfragen? – Das ist
nicht der Fall.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Bitte bleiben Sie
aber hier; denn Ihr Geschäftsbereich wird noch einmal
aufgerufen.
Wir kommen jetzt zu den Fragen dieser Woche und be-
ginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung
steht der Parlamentarische Staatssekretär Wolf-Michael
Catenhusen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Norbert Hauser
auf:
Trifft es zu, dass die Gesellschafteranteile der GMD For-
schungszentrum Informationstechnik GmbH Anfang April 2001
auf die Fraunhofer-Gesellschaft e. V. übertragen werden
sollen, und plant die Bundesregierung, diesbezüglich gemäß § 65
Abs. 7 Bundeshaushaltsordnung die Einwilligung von Bundestag
und Bundesrat einzuholen?
W
Herr
Kollege Hauser, auf Ihre erste Frage möchte ich Ihnen
antworten, dass es bei diesem Übergang der Gesell-
schaftsanteile einer gesonderten Einwilligung nach § 65
Abs. 7 Bundeshaushaltsordnung nicht bedarf. Denn im
Haushaltsplan 2001 wurde in Einzelplan 30 ein Leertitel
mit einem Haushaltsvermerk aufgenommen, der die
Übertragung der Gesellschaftsanteile des Bundes an der
GMD auf die FhG zulässt. § 65 Abs. 7 Bundeshaushalts-
ordnung sieht eine gesonderte Einwilligung des Bundes-
tages und des Bundesrates nur für den Fall vor, dass die
Veräußerung eines Unternehmens nicht im Haushaltsplan
vorgesehen ist.
Die Vertragsverhandlungen für die Übertragung der
Gesellschaftsanteile der GMD Forschungszentrum Infor-
mationstechnik GmbH auf die Fraunhofer-Gesellschaft,
FhG, sind abgeschlossen. In seiner Sitzung am 25. Januar
2001 hat der zuständige Bund-Länder-Ausschuss Fraun-
hofer-Gesellschaft der Zusammenführung der Einrich-
tungen zugestimmt und die finanziellen Rahmenbedin-
gungen hierfür geschaffen. Die Gesellschafter der GMD
und die FhG haben sich darauf verständigt, den Übertra-
gungsvertrag im April zu unterzeichnen.
Eine Zu-
satzfrage, Herr Kollege Hauser? – Bitte schön.
Herr Staatsse-
kretär, ist es zutreffend, dass die Projektträger „Fachin-
formation“, Darmstadt, und „Neue Medien in der Bil-
dung“ in Sankt Augustin-Birlinghoven in das DLR
eingegliedert werden sollen?
W
Das
kann ich Ihnen heute nicht bestätigen. Aber es gibt da-
rüber Gespräche.
Eine wei-
tere Zusatzfrage? – Bitte.
Herr Staatsse-
kretär, ist es zutreffend, dass das Hahn-Meitner-Institut
ebenfalls in den IuK-Verbund der FhG eingegliedert wer-
den soll und wie soll, wenn das so ist, die Finanzierung
aussehen? Denn dann wären ja zusätzliche Mittel not-
wendig, weil ein weiteres Institut in den Verbund hinein-
käme.
W
Daskann ich auf jeden Fall dementieren. Denn das Hahn-Meitner-Institut betreibt einen Forschungsreaktor. Einensachlichen Zusammenhang zwischen einer Forschungs-einrichtung, die einen Forschungsreaktor betreibt, und derGMD sehen wir nun weiß Gott nicht. Aber vielleicht hat-ten Sie ja auch etwas anderes gemeint.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 200115326
Gibt es
Zusatzfragen von anderen Kollegen? – Das ist nicht der
Fall.
Dann kommen wir zur Frage 2 des Kollegen Norbert
Wurden im Zuge der Fusion Verhandlungen zum Interessen-ausgleich mit den zuständigen Betriebsräten der GMD geführtund welche arbeitsrechtlichen Gerichtsverfahren sind wegen derFusion von GMD und FhG anhängig?
W
Auf
Ihre Frage möchte ich Ihnen wie folgt antworten: Im Ja-
nuar 2001 haben Gespräche des Vorstands der GMD mit
den Betriebsräten der GMD stattgefunden. Die Betriebs-
räte forderten einen Interessenausgleich nach §§ 111 ff.
Betriebsverfassungsgesetz. Sie legten zur Vereinbarung
eines Interessenausgleichs einen Entwurf vor.
Die Geschäftsführung der GMD hat Verhandlungen
zum Interessenausgleich im Rahmen der Zusammen-
führung von GMD und FhG zu Recht abgelehnt. In den
Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes, in de-
nen ein Interessenausgleich geregelt wird, wird vorausge-
setzt, dass die Geschäftsführung des betroffenen Betrie-
bes eine Betriebsänderung konkret plant. Nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts löst allein der
Betriebsübergang der GMD auf die FhG noch keine Be-
teiligungsrechte der GMD-Betriebsräte nach §§ 111 ff.
Betriebsverfassungsgesetz aus.
Über den Betriebsinhaberwechsel hinausgehende Be-
triebsänderungen, die Rechte der GMD-Betriebsräte nach
§§ 111 ff. Betriebsverfassungsgesetz auslösen könnten,
sind aktuell bei der GMD nicht geplant. Ein entsprechen-
der Antrag des Berliner GMD-Betriebsrates auf Erlass ei-
ner einstweiligen Verfügung beim Arbeitsgericht Berlin
wurde zurückgewiesen.
Zurzeit läuft zwischen dem GMD-Betriebsrat und dem
GMD-Vorstand noch ein Einigungsstellenverfahren. Dort
hat man sich auf den Vorsitzenden der Einigungsstelle ver-
ständigt. Die Einigungsstelle wird in Kürze zusammentre-
ten und erst dann über ihre Zuständigkeit entscheiden.
Der Gesamtbetriebsrat der GMD hat beim Arbeitsge-
richt einen Antrag eingereicht mit dem Ziel, Betriebsän-
derungen vor Durchführung eines Interessenausgleichs zu
untersagen. Sie wissen, dass dazu – ich glaube, heute –
eine Verhandlung vor dem Arbeitsgericht stattfindet.
Zusatz-
frage, Herr Kollege Hauser.
Herr Staatsse-
kretär, ist es so, dass die Geschäftsführung den Interes-
senausgleich abgelehnt hat, oder ist die Geschäftsführung
von Ihrem Hause angewiesen worden, den Interessenaus-
gleich abzulehnen?
W
Ich
denke, dass es zu solchen Fragen Gespräche zwischen der
Geschäftsführung und dem Zuwendungsgeber, dem
BMBF, gegeben hat. Sie wissen aber auch, dass die Ge-
schäftsführung diese Frage entschieden hat.
Zweite
Zusatzfrage, Herr Kollege Hauser.
Herr Staatsse-
kretär, wie darf ich dann das Schreiben Ihres Hauses vom
25. Januar 2001 – unterschrieben von Herrn Hocks – an die
Geschäftsführung der GMD, an Herrn Dr. Sundermann,
verstehen? Im letzten Absatz dieses Schreibens heißt es:
Ich gehe deshalb davon aus, dass Sie die Bildung von
Einigungsstellen verhindern und dem Abschluss ei-
nes Interessenausgleiches mit den von den Betriebs-
räten der GMD gewünschten Inhalten – wie bisher –
auch weiterhin nicht zustimmen werden.
W
Ich
gehe davon aus, dass das Haus damit seine Rechtsauffas-
sung der Geschäftsführung der GMD mitgeteilt hat.
Gibt es
eine weitere Zusatzfrage dazu? – Das ist nicht der Fall. Ich
bedanke mich bei Herrn Staatssekretär Catenhusen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
kanzleramtes. Es ist die schriftliche Beantwortung der
Frage 3 des Kollegen Koschyk beantragt worden.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Wirtschaft und Technologie. Auch
beide Fragen zu diesem Bereich, die Fragen 4 und 5, sol-
len schriftlich beantwortet werden. Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin Wolf. So entgehen Sie der Pflicht, die
Frage jetzt mündlich zu beantworten.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamenta-
rische Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Peter Harry
Carstensen auf:
Warum ist die Bundesregierung nicht bereit, den modernen
deutschen Schweinemastbetrieb mit einem 3 000er-Stall mit auto-
matischer Fütterung und allen Schikanen zur effizienten Mast so-
wie einem 30er-Schweinestall mit Auslauf, artgerechter Haltung
und Fütterung, dessen Tiere der Ernährung des Landwirtes und
seiner Freunde dienen, den sie im ersten Kapitel ihrer Vorschläge
für eine verbraucherorientierte Neuausrichtung der Agrarpolitik
und für eine andere Landwirtschaft vorstellt, namentlich zu be-
nennen, damit erfragt werden kann, warum diese Form der geteil-
ten Schweineproduktion in diesem Betrieb praktiziert wird und
was gegen die Qualität der im 3 000er-Stall gemästeten Schweine
spricht?
Dr
Herr Kollege Peter Harry Carstensen, dieBundesregierung sieht grundsätzlich keine Veranlassung,interne Arbeitspapiere zum Gegenstand öffentlicher Erör-terung zu machen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 2001 15327
Zusatz-
frage, Herr Kollege Carstensen.
Herr
Staatssekretär, können Sie als Gerald Thalheim, als ein or-
dentlicher Kerl aus Sachsen, mir versichern, dass es die-
sen Betrieb gibt?
Dr
Herr Kollege Carstensen, ich darf wie-
derholen: Ich habe als ehemaliges Mitglied des Unter-
suchungsausschusses „Treuhandanstalt“ gelernt, dass die
interne Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung
zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zählt.
Das heißt, wir müssen nicht öffentlich nachvollziehbar
machen, über welche Schritte es zur internen Meinungs-
bildung kommt.
Unabhängig davon, Herr Kollege Carstensen, gehe ich
davon aus, dass es einen solchen Betrieb gibt. Es ist in der
Tat die Frage zu stellen – leider geht das aus dem Papier
nicht ausreichend hervor –, was die Beweggründe des
Landwirts sein mögen, in seinem Betrieb in sehr unter-
schiedlicher Weise Schweine zu halten und dem Markt
zuzuführen.
Zweite
Zusatzfrage, Herr Kollege Carstensen.
Herr
Staatssekretär, wenn Sie der Meinung sind, dass es diesen
Betrieb gibt, können Sie sich vorstellen, dass wir beide
– Sie und ich – ein gemeinsames Interesse daran haben
könnten, im Sinne der Fortführung der Agrarpolitik dort
einmal ein Gespräch mit dem Betriebsleiter zu führen, um
die Gründe für seine Betriebsaufteilung zu erfahren, und
sind Sie bereit – ich darf darauf hinweisen, dass ich eine
Konferenzbescheinigung der NATO habe; das heißt, dass
die Leute davon ausgehen können, dass ich nicht alles
weitererzähle –, dann mit mir zu diesem Betrieb zu fah-
ren?
– Ein Semester.
Dr
Herr Kollege, ich bin gern bereit, zu die-
sem Betrieb oder anderen Betrieben zu fahren.
Ich habe aus den Gesprächen in den letzten Tagen erfah-
ren, dass eine derartige Praxis durchaus nicht unüblich ist.
Viel notwendiger ist es, wirklich über die Beweggründe
nachzudenken.
Ich glaube, ohne dass ich Detailkenntnisse habe, dass
dies eine Frage der Segmentierung der Märkte ist. Der
Teil der Schweine, der mit höherem Standard gehalten
wird – Auslauf, möglicherweise Strohaufstallung –, ver-
ursacht natürlich höhere Kosten. Das Problem ist, dass der
Markt in der Vergangenheit nicht bereit war, dieses Mehr
an Leistung in dem Umfang zu honorieren, in dem zusätz-
liche Kosten entstehen. Ich gehe davon aus, dass die
öffentliche Diskussion um eine Agrarwende, und die Ent-
scheidungen der Bundesregierung in diesem Zusammen-
hang die Bereitschaft in der Öffentlichkeit fördern wer-
den, dieses Mehr an Leistung der Landwirtschaft künftig
auch über die Verbraucherpreise zu honorieren.
Vielen
Dank. – Wir kommen zur Frage 7 der Abgeordneten
Gudrun Kopp:
Wie beurteilt die Bundesregierung mögliche Klagen auf
Staatshaftung im Rahmen der BSE-Krise?
Dr
Sehr geehrte Frau Kollegin Kopp, ich
verweise auf meine Antwort auf Ihre Frage in der Frage-
stunde vom 24. Januar dieses Jahres: Schadensersatz-
oder Entschädigungsansprüche gegen die Bundesrepublik
Deutschland können aus Sicht der Bundesregierung nicht
mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden.
Zusatz-
frage, Kollegin Kopp.
Herr Staatssekretär, wer trägt
zum Beispiel für Fehlproduktionen bei der Herstellung
von Futtermitteln die Verantwortung? Sehen Sie im Be-
reich der Verletzung von Amtspflichten vielleicht doch
irgendwelche Schadensersatzforderungen auf den Staat
zukommen?
Dr
Frau Kollegin Kopp, Sie müssten exakter
definieren, wo eine Verletzung der Amtspflicht an-
zusiedeln wäre. Ich habe bei der Beantwortung der eben
angesprochenen Frage deutlich gemacht, dass ich als
Nichtjurist im besagten Untersuchungsausschuss – ich
sehe den ehemaligen Vorsitzenden, Herrn Friedrich, hier
sitzen – entsprechend Rechtskenntnis und Wissen erlangt
habe.
Bei der Geltendmachung von Haftungsansprüchen
geht es um den Kausalitätsnachweis. Haftungsansprüche
ergeben sich nicht automatisch dadurch, dass Behörden
der Vorwurf zu laxer Kontrollen gemacht werden kann.
Bei BSE ist das Problem eindeutig der Nachweis der Kau-
salität. Das dürfte sich sowohl im zivilrechtlichen Bereich
als Hindernis für die Durchsetzung von Haftungs-
ansprüchen erweisen als auch im Bereich der Haftung
gegenüber dem Staat, also der Bundesrepublik.
WeitereZusatzfrage? – Bitte schön, Frau Kopp.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 200115328
Meine weitere Zusatzfrage
betrifft die Produkthaftung. Es hat ja dazu ein Grünbuch
der EU mit Empfehlungen zur Weiterentwicklung von
Produkthaftungsfragen gegeben. Plant die Bundesre-
gierung in diesem Zusammenhang einen weiteren Vor-
stoß, einen Gesetzentwurf, eine weitere Vorlage oder se-
hen Sie keinerlei Handlungsbedarf?
Dr
Wir haben bereits in der vergangenen Le-
gislaturperiode, wenn ich mich richtig erinnere, die
Produkthaftung auf die landwirtschaftliche Urproduktion
ausgedehnt. Das war lange strittig; aber auch hier wirkt die
Produkthaftung nur in den Fällen, in denen die Kausalität
wirklich nachgewiesen werden kann. Die Schädigung
muss also an einem wissentlichen oder unwissentlichen
Fehlverhalten des Erzeugers, bei landwirtschaftlichen Pro-
dukten also des Landwirts, festgemacht werden können.
Das ist generell das Problem bei der Produkthaftung für
landwirtschaftliche Erzeugnisse. Erst recht dürfte es im
Falle von BSE schwer fallen, diesen Kausalitätsnachweis
zu führen.
– Nein, wir haben die Produkthaftung auf die landwirt-
schaftliche Urproduktion ausgedehnt. Das heißt: Auch der
landwirtschaftliche Erzeuger haftet für sein Produkt im
Sinne der Produkthaftung. Das war in der Vergangenheit
nicht der Fall.
Eine wei-
tere Frage des Kollegen Carstensen.
Ich
will den Herrn Staatssekretär nicht berichtigen. Aber mit
der Gefährdungshaftung hat das gerade nichts zu tun. Es
geht um Produkthaftung, wenn ich das richtig sehe. Aber
ich habe ja, wie gesagt, nur ein Semester Jura studiert.
Dr
Da haben Sie mir etwas voraus.
Kurz bevor man mir das Rechtsbewusstsein nehmen
wollte, habe ich aufgehört.
Können Sie mir bitte sagen, wie viele Klagen auf
Staatshaftung inzwischen eingegangen oder angekündigt
worden sind?
Dr
Die Antwort würde ich gerne schriftlich
nachreichen. Im Vorfeld der Fragestunde haben wir an
dieser Stelle nicht recherchiert. Bis jetzt sind mir aller-
dings nur die öffentlichen Ankündigungen bekannt.
Vielen
Dank, Herr Staatssekretär Thalheim.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung
steht die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike
Mascher zur Verfügung.
Als Erstes die Frage 8 des Abgeordneten Wolfgang
Dehnel:
Beabsichtigt die Bundesregierung, in absehbarer Zeit auch
Facharbeitern – beispielsweise aus Tschechien – die Möglichkeit
einzuräumen, eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis für mindes-
tens ein Jahr statt bisher vierteljährlich zu genehmigen, wenn für
Unternehmen in Zusammenarbeit mit den Arbeitsämtern keine
deutschen Facharbeiter zur Verfügung stehen?
U
Als Ausnahme
von dem seit 1973 bestehenden Anwerbestopp kann aus-
ländischen Arbeitnehmern, soweit es sich nicht um
Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen
Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes handelt,
grundsätzlich nur für die in der Anwerbestoppausnahme-
verordnung aufgeführten Beschäftigungen eine Arbeits-
erlaubnis erteilt werden. Eine allgemeine Erteilung der
Arbeitserlaubnis an Fachkräfte aus einem Drittausland für
die Beschäftigung bei deutschen Unternehmen ist nicht
zulässig.
Allerdings kann im Rahmen der nach § 6 Anwerbe-
stoppausnahmeverordnung bestehenden Ausnahmerege-
lungen für Grenzgänger aus Polen und Tschechien Fach-
kräften eine Arbeitserlaubnis für Beschäftigungen
innerhalb der Grenzzone erteilt werden. Voraussetzung
dafür ist nach § 285 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetz-
buch, dass den Arbeitsämtern für diese Tätigkeit keine in-
ländischen Arbeitssuchenden zur Verfügung stehen und
die Arbeitsbedingungen der Grenzgänger nicht ungüns-
tiger als die vergleichbarer deutscher Beschäftigter sind.
Die Grenzgängerregelung sieht keine Höchstgrenze
für die Dauer der Beschäftigung vor. Die Beschäftigten
erhalten zum Nachweis des erlaubten Aufenthaltes eine
Grenzgängerkarte nach § 19 der Verordnung zur Durch-
führung des Ausländergesetzes. Eine zusätzliche Aufent-
haltsgenehmigung ist nicht erforderlich.
Zusatz-
frage, Kollege Dehnel.
Herr Präsident, ich
glaube es wäre sinnvoll, gleich auch die zweite Frage zu
beantworten. Das gehört zusammen.
U
Gerne.
Dann rufeich auch die Frage 9 des Abgeordneten Dehnel auf:Sieht die Bundesregierung im Vorfeld der EU-Osterweiterungsolch einen Schritt eher als Stärkung von Unternehmen in denGrenzregionen oder als Schwächung des Arbeitsmarktes an?
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 2001 15329
U
Die Grenz-
gängerregelung wurde bereits Anfang der 90er-Jahre mit
dem Ziel eingeführt, mit der Möglichkeit der Beschäfti-
gung bei den auf deutscher Seite im grenznahen Raum an-
sässigen Betrieben einen Beitrag zum Entstehen einheit-
licher Wirtschaftsräume und Arbeitsmarktregionen über
die Grenzen von Polen und Tschechien hinweg zu leisten.
Dabei kann die Besetzung offener Arbeitsplätze mit
Fachkräften im Rahmen der Regelung sicher gleichzeitig
auch zur Stärkung der Unternehmen in den Grenzre-
gionen beitragen, wenn dadurch anders nicht auszufül-
lende Arbeitskräftelücken geschlossen werden können.
Zusatz-
frage, Kollege Dehnel.
Frau Staats-
sekretärin, Sie haben mir gerade erläutert, dass es nicht
erforderlich sei, die Verlängerung der Arbeitserlaubnis
anzustrengen. Sie sagten, eine vierteljährliche Be-
schränkung sei nicht vorgesehen. Wie erklären Sie sich
dann, dass vor Ort solche Beschränkungen ausgegeben
werden?
Ich war auf Hinweis Ihres Kollegen, des Herrn Staats-
sekretärs Mosdorf, in einem Unternehmen, das den Deut-
schen Musikinstrumentenpreis gewonnen hat, worüber
ich mich sehr gefreut habe. Ich habe dorthin auch die
Grüße und Wünsche des Staatssekretärs überbracht. Dort
sagte mir ein Unternehmer, er sei nicht damit zufrieden,
dass die tschechischen Arbeitnehmer, die dringend erfor-
derlich sind, weil dieses Unternehmen expandiert hat, der
Beschränkung auf vierteljährliche Arbeitserlaubnisse un-
terlägen. Wie sehen Sie das? Ist das in der Praxis anders
als in der Theorie?
U
Wenn Sie es so be-
schreiben, scheint es so zu sein. Herr Abgeordneter
Dehnel, ich will mich gerne darum kümmern und mich
erkundigen, warum die Arbeitserlaubnis in diesem Fall
nur befristet erteilt wurde. Ausdrücklich sieht die Rege-
lung keine Befristung vor.
Die Fra-
gen 10 und 11 des Kollegen Dr. Ilja Seifert sollen schrift-
lich beantwortet werden. – Vielen Dank, Frau Staatsse-
kretärin.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht
die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur
Verfügung.
Die Fragen 12 und 13 des Abgeordneten Friedrich
Nolting sollen ebenfalls schriftlich beantwortet werden.
Damit kommen wir zur Frage 14 des Kollegen Werner
Siemann:
Ist es zutreffend, dass die Zusatzkosten für die vom Bundes-
minister der Verteidigung, Rudolf Scharping, im Rahmen der
Feinausplanung entschiedene Aufstockung des Anteils an freiwil-
lig Längerdienenden 60 Millionen DM betragen werden, und falls
nein, wie hoch sind die Zusatzkosten?
B
Herr Präsident! Meine verehr-
ten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege
Siemann, die Ausplanung der Streitkräfte für die von
Grund auf zu erneuernde Bundeswehr erfordert eine
Anpassung an die Aufgaben der kommenden zehn bis
15 Jahre. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Struk-
tur und die Ausrüstung, sondern – wie Sie mit Recht ge-
fragt haben – auch auf das Personal. In diesem Zusam-
menhang soll die Zahl der freiwilligen zusätzlichen
Wehrdienst Leistenden, also der FWDLer – für die, die
sich nicht ständig mit der Bundeswehr beschäftigen –,
schrittweise von geplanten 23 500 auf insgesamt 27 000
im Jahr 2003 erhöht werden.
Zusatz-
frage, Kollege Siemann?
Frau Staatssekretärin,
ich hatte nach den Aufwendungen für die höhere Anzahl
an FWDLern gefragt und die konkrete Zahl von 60 Milli-
onen DM in den Raum gestellt. Ist diese Zahl richtig oder
falsch?
B
Wie Sie mit Recht gesagt ha-
ben, haben Sie diese Zahl „in den Raum gestellt“. Wenn
Sie in den Haushaltsplan schauen, lieber Herr Kollege
Siemann, werden Sie feststellen, dass in Kapitel 14 03 die
Personalausgaben für die Wehrpflichtigen und die Wehr-
dienstleistenden zusammengefasst werden. Der Mittel-
abfluss in den letzten Jahren war sehr unterschiedlich. Die
Kosten hängen entscheidend davon ab, wie viele Wehr-
pflichtige mit normaler Dienstzeit und wie viele freiwil-
lige zusätzliche Wehrdienst Leistende wir haben. Diese
sind unter einem Haushaltstitel zusammengefasst. Wir ge-
hen davon aus, dass die zur Verfügung stehenden Mittel
auf jeden Fall ausreichen, weil wir gleichzeitig mit der Er-
höhung der Anzahl der freiwilligen zusätzlichen Wehr-
dienst Leistenden die Anzahl derjenigen senken, die den
normalen Wehrdienst leisten. Insoweit kann ich diese
Zahl von 60 Millionen DM nicht bestätigen.
Zweite
Zusatzfrage, Kollege Siemann?
Frau Staatssekretärin,
bedeutet Ihre Auskunft, dass durch die FWDLer generell
keine Zusatzkosten auf den Haushalt zukommen?
B
Wir werden sehen, wie sich die
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 200115330
Personallage in den nächsten Jahren entwickelt. Ich willgar nicht leugnen, Herr Kollege Siemann, dass wir von dengeplanten Zahlen noch ein Stück weit entfernt sind. Wirhaben zurzeit 21120 freiwillige zusätzliche WehrdienstLeistende sowie immerhin 98 991 Grundwehrdienst Leis-tende. Das sind zusammen 120111. Gemessen an diesenZahlen reichen die Haushaltsmittel in diesem Jahr undauch in den nächsten Jahren aus. Das ist klar.Die Frage wird aber sein, wie viele Leute wir in dennächsten Jahren für beide Funktionen gewinnen können.Es geht nicht in erster Linie um die Haushaltsmittel, son-dern darum, genügend freiwillige zusätzliche WehrdienstLeistende zu bekommen.
Damit
kommen wir zur Frage 15 des Kollegen Siemann:
Aus welchen Titeln und Titelgruppen im Kapitel 14 03 desEinzelplans 14 soll diedurch den Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping,eingeräumte Deckungslücke in Höhe von 378 Millionen DM beider Materialerhaltung von Heer, Luftwaffe und Marine im Laufedes Haushaltsvollzuges des Jahres 2001 erwirtschaftet werden?
B
Herr Kollege Siemann, von ei-
ner Deckungslücke im Sinne des Haushaltsrechts kann
nicht gesprochen werden. Alle Zahlungen, zu denen die
Bundeswehr gesetzlich oder vertraglich verpflichtet ist,
können aus dem Haushalt geleistet werden. Wo ein zwin-
gend notwendiger Mehrbedarf gegeben ist, wie teilweise
bei den Materialerhaltungstiteln, wird er im Rahmen der
haushaltsrechtlich zulässigen Möglichkeiten im Haus-
haltsvollzug erwirtschaftet werden müssen. Primär sind al-
lerdings zunächst alle für die Zwecke der Materialerhal-
tung im Einzelplan 14 veranschlagten Ausgabentitel zu
bewirtschaften.
Im Kapitel 14 03, das Sie ansprechen, sind in den Ti-
teln 553 02, 553 04 und 553 05 – für sie gelten flexibili-
sierte Bewirtschaftungsregeln entsprechend dem Haus-
haltsgesetz 2001 – Ansätze dafür veranschlagt. Die
Ansätze in Titel 553 81 sind auch durch den in der Titel-
gruppe 08 ausgebrachten ersten und dritten Haushaltsver-
merk gegenseitig sowohl deckungs- als auch aus dem Ein-
zelplan verstärkungsfähig, und zwar aus anderen Titeln
des Einzelplans, nicht nur aus Kapitel 14 03, soweit die
Zweckbestimmung der Titelgruppe 08 „Maßnahmen der
Bundeswehr im Zusammenhang mit internationalen – hu-
manitären und sonstigen – Einsätzen“ dies zulässt.
Wenn ich das richtig verstanden habe, wurde darüber
– ich war zu dieser Zeit leider in einer anderen Sitzung –
auch im Verteidigungsausschuss diskutiert. In der Tat
können wir für den Titel „Internationale Einsätze“, den
wir verstärken, die Mittel insgesamt aus dem Einzel-
plan 14 zur Verfügung stellen.
Eine Zu-
satzfrage.
Frau Staatssekretärin,
Sie wollen also damit sagen, dass die 2 Milliarden DM,
die wir vom Einzelplan 60 in den Einzelplan 14 überführt
haben und die für Auslandseinsätze verwandt werden sol-
len, nun auch für die Finanzierung von Deckungslücken
herangezogen werden sollen, die sich aus Materialerhal-
tungskosten im Inland ergeben? Ist das richtig?
B
Herr Kollege, wir haben die
2 Milliarden DM aus dem Einzelplan 60 das erste Mal im
Einzelplan des Verteidigungsministeriums angesiedelt,
weil es sich um eine sich wiederholende Aufgabe handelt.
Dieses Geld, die 2 Milliarden DM, ist aber nicht in ei-
ner Summe, sondern in mehreren Titeln untergebracht,
Herr Kollege Siemann. Zu einem großen Teil ist das Geld
auch in dem Kapitel 14 03 eingestellt. Deswegen sind
zum Teil auch die Materialerhaltungstitel erhöht worden.
Dies geschah im Hinblick darauf, dass das Material zur
Vorbereitung und in den Einsätzen stärker belastet wird.
Wie gesagt sind nicht die ganzen 2 Milliarden DM in dem
Kapitel 14 03 enthalten, sodass man in der Tat die Mög-
lichkeit hat, die Ansätze aus anderen Titeln, die verstärkt
worden sind – hinzu kommen noch die Mittel, die wir zu-
sätzlich erwirtschaften wollen –, zu erhöhen.
Zweite
Zusatzfrage des Kollegen Siemann.
Sie haben einge-
räumt, dass die Deckungslücke zum großen Teil aus dem
Kapitel 14 03 erwirtschaftet werden soll. Bedeutet dies,
dass zukünftig weniger Wehrpflichtige, Berufssoldaten
oder Soldaten auf Zeit eingezogen werden können?
B
Nein, das bedeutet dies nicht.
Im Gegenteil: Wir bemühen uns, mehr Zeitsoldaten zu be-
kommen. Das Phänomen ist nicht neu, sondern das Ganze
hat mit den verstärkten Einsätzen im internationalen Be-
reich und der guten Wirtschaftslage zu tun, die wir allge-
mein haben.
Ich sage noch einmal: In diesem Kapitel 14 03 sind
nicht nur Mittel für Personal enthalten. Vielmehr stehen
diese Gelder auch für Sachmittel wie den Erhalt von
Wehrmaterial zur Verfügung, das zum Beispiel im Einsatz
genutzt wird, sowie für Beschaffungen von militärischen
Anlagen – das ist die Titelgruppe 08 –, aber auch für Per-
sonalausgaben für diejenigen, die im Ausland die Aus-
landsverwendungszuschläge bekommen. Im Moment
kann keine Rede davon sein, dass wir Geld aus dem Titel
für Personal herausnehmen und es für andere Zwecke ver-
wenden.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Rauber.
Frau Staatssekretärin,können Sie erklären, wie sich die so genannten Überkip-per aus dem letzten Jahr auf Vorhaben der Materialver-waltung für Heer, Luftwaffe, Marine und Streitkräftebasisauswirken?
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 2001
Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte15331
Ein anderes Thema, das genau in diesen Zusammen-hang passt: Das Heer macht geltend, dass der unabding-bare Bedarf um 110 Millionen DM höher liegt als imHaushalt unter Kapitel 03 ausgewiesen. Wie wollen Siediese 110 Millionen DM erwirtschaften?B
Das passt sehr gut. Ich danke
Ihnen ausdrücklich für diese Frage. Auf diese Weise kön-
nen wir die Sache mit den Überkippern endlich einmal
klären und mit den Gerüchten aufräumen. Sie sehen, dass
ich mit dieser Frage gerechnet habe.
Herr Kollege Rauber, damit der Öffentlichkeit deutlich
wird: Es ist immer üblich gewesen, dass Maßnahmen für
Instandsetzung und Beschaffung sowie Material und For-
schungseinrichtungen am Ende eines Jahres nicht voll be-
zahlt sind, weil in der Regel Rechnungen vom Vorjahr
übernommen werden. Diese Bundesregierung, die be-
kanntermaßen erst Ende 1998 die Regierungsverantwor-
tung übernommen hat, hat geprüft, was an Vorbelastungen
aus den Vorjahren getragen werden muss. So mussten
Kosten in Höhe von 608 Millionen DM für Materialer-
haltung getragen werden, die in das Jahr 1997 fielen. In
einer ähnlichen Situation sind wir auch jetzt. Das bedeu-
tet nicht, dass wir nicht im Laufe des Jahres für andere,
neue Beauftragungen Mittel ausgeben können. Vielmehr
stehen wir in Bezug auf die so genannten Überkipper in
einer gewissen Kontinuität.
Betrachten wir die Jahre 1990 bis 1997 – auch im Jahre
1997 ist die Summe hinsichtlich der Beschaffungen be-
sonders groß gewesen –, so muss man feststellen, dass es
jetzt darauf ankommt, die notwendigen Instandset-
zungsmaßnahmen vorzunehmen, wobei die planbaren
Maßnahmen bereits eingerechnet worden sind. Wenn
durch Verschleiß – das Gerät, das wir übernommen haben,
ist ja ziemlich alt, Herr Kollege Rauber – jetzt unvor-
hergesehene Instandsetzungsmaßnahmen notwendig wer-
den, weil durch eine starke Belastung des Materials im
Zuge der Ausbildung von Truppenteilen, die anschließend
in den Einsatz gehen, bzw. durch eine Belastung vor Ort
ein erhöhtes Ausmaß an Instandsetzung notwendig ist,
werden wir diese Mittel zu erwirtschaften haben. Das ist
einfach notwendig.
Das Thema Überkipper würde ich gerne einmal mit Ih-
nen sehr intensiv diskutieren, weil Sie mit diesem Thema
zurzeit die Leute verunsichern.
Nein, Sie
dürfen nur eine Frage stellen. Ich bedauere das, das gibt
aber die Geschäftsordnung so vor. – Die Frage 16 des Kol-
legen Hofbauer wird schriftlich beantwortet. Vielen
Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen. Zur Beant-
wortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekre-
tärin Angelika Mertens zur Verfügung. Die Fragen 17, 18
und 19 sollen schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Peter Harry
Carstensen auf:
Trifft die Information zu, dass bei der Wasser- und Schiff-
fahrtsdirektion Kiel eine Entscheidung des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zur Bundesbeteiligung an
der dringend notwendigen Ausbaggerung der Bundeswasserstraße
„Amrumer Fahrwasser“ vorliegt und diese vor den Bürgern auf
den nordfriesischen Inseln und der Öffentlichkeit an der schles-
wig-holsteinischen Westküste zurückgehalten wird?
A
Herr
Carstensen, der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord in
Kiel wurde mit Schreiben vom 20. Februar 2001 die Ent-
scheidung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen mitgeteilt, dass der Bund als Eigentü-
mer der Bundeswasserstraßen nach den bisher vorliegen-
den Daten und Fakten eine Baggerung zulasten des Bun-
des im „Amrumer Fahrwasser“ wirtschaftlich nicht
vertreten kann. Dieses Ergebnis wird der interessierten
Öffentlichkeit selbstverständlich mitgeteilt werden.
Eine Zu-
satzfrage, Herr Kollege Carstensen?
Frau
Staatssekretärin, können Sie mir sagen, welche zusätzli-
chen Informationen Sie noch brauchen, um zu einer posi-
tiven Entscheidung zu kommen? Können Sie mir weiter
erklären, warum es einer Frage im Deutschen Bundestag
bedurfte, um das genannte Schreiben vom 20. Februar
2001 zu veröffentlichen?
A
Herr
Carstensen, sowohl Sie als auch Herr Kollege Opel haben
mir zu diesem Thema mehrfach geschrieben. Ein
Antwortschreiben an Sie beide liegt noch auf meinem
Schreibtisch. Ich möchte gerne alle Möglichkeiten auslo-
ten. Sie wissen, dass ich anders entscheiden möchte; ich
muss das aber auch dürfen. Ansonsten wirft mir Ihr Kol-
lege Austermann vor: „So gehen Sozialdemokraten mit
Steuergeldern um!“
Also: Ich brauche ein wenig Zeit, um zu prüfen, ob es
Möglichkeiten gibt, über das hinauszugehen, was festge-
stellt wurde, um auf diese Weise zu einer anderen Ent-
scheidungsgrundlage zu kommen.
Eine wei-
tere Zusatzfrage, Herr Kollege Carstensen?
FrauStaatssekretärin, ich biete Ihnen gerne an, das Gesprächmit Herrn Austermann zu führen. Ich empfehle Ihnen,eine ähnliche Lösung, wie sie die Bundesregierung beimBusetief vor Norddeich gefunden hat, bei der der Reedereiin einem außergerichtlichen Vergleich 150 000 DM proJahr zur Unterhaltung des Fahrwassers zur Verfügung ge-stellt werden, anzustreben. In diesem angesprochenenFall geht es um eine wesentlich geringere Summe.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 2001
Helmut Rauber15332
Ich möchte Sie fragen, ob es möglich wäre, nach mei-nem Gespräch mit Herrn Austermann und Ihren Ge-sprächen in der Fachabteilung bis spätestens Anfang Aprilzu einer endgültigen Entscheidung zu kommen? Eine sol-che Entscheidung – die möglichst positiv sein sollte –sollte uns dann sofort mitgeteilt werden und nicht fürmehrere Wochen bei einer Wasser- und Schifffahrtsdirek-tion liegen.A
Zunächst einmal bedanke ich mich für Ihre Bereitschaft,
mit Herrn Austermann ein Gespräch zu führen. Ich ver-
spreche Ihnen, dass wir so schnell wie möglich arbeiten
werden. Ob wir es bis Anfang April schaffen, kann ich
nicht sagen. Ich weiß aber, dass die Zeit drängt, und inso-
fern versichere ich Ihnen, dass die notwendigen Ge-
spräche so schnell wie möglich geführt werden.
Vielen
Dank, Frau Staatssekretärin.
Die Fragen 21 und 22 des Kollegen Hinsken sollen
ebenso schriftlich beantwortet werden.
Wir kämen jetzt eigentlich zum Geschäftsbereich
des Auswärtigen Amtes. Der Kollege Staatsminister
Dr. Ludger Volmer ist aber gegenwärtig noch im Men-
schenrechtsausschuss, um dort Rede und Antwort zu ste-
hen. Deswegen schlage ich vor, den Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Finanzen vorzuziehen; denn die
Fragesteller wie die Frau Staatssekretärin Dr. Hendricks
sind anwesend. Sind Sie damit einverstanden? – Dann
machen wir das so.
– Nein, das kommt noch. Aber im Moment sehe ich den
Kollegen, der die Frage gestellt hat, noch nicht. Es könnte
allerdings sein, dass er in der Zwischenzeit kommt. Des-
wegen müssen wir warten.
Zur Beantwortung steht jetzt die Parlamentarische
Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung.
Ich rufe Frage 33 des Abgeordneten Georg Girisch auf:
Wie will die Bundesregierung bei der geplanten Neustruktu-
rierung des Zolls beim Grenzaufsichtsdienst mittels der mobilen
Kontrollgruppen eine Zunahme von illegaler Einwanderung, des
Mädchenhandels, des Schmuggels, des Drogenhandels, des Han-
dels mit gefälschten Markenwaren und anderen einfuhrverbote-
nen Waren verhindern, wenn sie beispielsweise im Bereich Wald-
sassen, der gegenüber einem Verbrechensschwerpunkt wie Eger
liegt, auf einer Grenzlänge von 80 Kilometer, also zwi-
schen den Grenzaufsichtsstellen Selb und Waidhaus, keine wei-
tere Grenzaufsichtsstelle einrichtet?
D
Herr Kollege Girisch, im
grenznahen Raum zu Tschechien und Polen ist die Ein-
richtung von 15 mobilen Grenzaufsichtsstellen vorgese-
hen. Diese sollen nach der EU-Osterweiterung in mobile
Kontrollgruppen umgewandelt werden. Die Einsatzräu-
me wurden insbesondere nach den zu erwartenden über-
wachungspflichtigen Warenströmen sowie den regionalen
und örtlichen Verhältnissen ausgewählt. Sie liegen relativ
dicht beieinander und werden über eine Personalausstat-
tung verfügen, die annähernd doppelt so stark ist wie die
der im übrigen Bundesgebiet bereits bestehenden Einhei-
ten.
Damit sind ausreichende Hinterlandkontrollen im
Dreischichtbetrieb im Grenzgebiet möglich, sodass der
bestehende Sicherheitsstandard auch künftig aufrechter-
halten werden kann. Im Übrigen stünde eine weitere Ver-
dichtung der Hinterlandkontrollen mit noch mehr Einhei-
ten und Personal im Widerspruch zum EU-Recht, wonach
Kontrollen durch mobile Kontrollgruppen nur zeitlich be-
fristet und örtlich begrenzt zulässig sind.
Eine Zu-
satzfrage, Kollege Girisch? – Bitte schön.
Frau Staatssekretärin,
die Situation am Grenzübergang Waldsassen ist etwas an-
ders, und zwar deshalb, weil die nächsten mobilen Ein-
satzgruppen in Selb und Waidhaus sind. Dazwischen lie-
gen 80 Kilometer. Ich möchte Sie – aufgrund der
besonderen Situation in der Stadt Eger, wo die Krimina-
lität am höchsten ist – bitten, in Ihrem Hause prüfen zu
lassen, ob man nicht aus Gründen der Sicherheit auch in
Waldsassen eine mobile Einsatzgruppe stationieren kann.
D
Herr Kollege Girisch, wir
sind selbstverständlich bereit, dies noch einmal zu prüfen.
Ich hatte Ihnen bereits gesagt, dass wir die Einrichtung
von 15 mobilen Kontrolleinheiten an der gesamten
Grenze zu Tschechien und Polen vorsehen. Bis zur EU-
Osterweiterung wird der stationäre Grenzaufsichtsdienst
weiterhin tätig sein. Die 15mobilen Grenzaufsichtsstellen
werden parallel dazu eingerichtet. Die in diesen Dienst-
stellen eingesetzten Grenzaufsichtsbeamten verstärken
also den Grenzaufsichtsdienst und werden, wie der Name
sagt, auch mobil tätig sein.
Es ist nicht entscheidend, von wo aus die Beamten der
mobilen Grenzaufsichtsstellen ihren Dienst verrichten;
denn sie sind, wie der Name sagt, mobil, sind also unter-
wegs und jeweils für einen kompletten Bezirk zuständig.
Die Entfernung zwischen den Standorten von zwei mobi-
len Kontrollgruppen, die Sie gerade angeführt haben, ist
also nicht so relevant, weil die Grenze zwischen diesen
Standorten natürlich auch überwacht wird. Ansonsten
hätte man beim System des stationären Grenzaufsichts-
dienstes bleiben können und hätte kein mobiles Element
einführen müssen.
Im Übrigen ist über die Standorte der 15 mobilen
Grenzaufsichtsdienststellen noch nicht abschließend ent-
schieden worden.
Eine wei-tere Zusatzfrage, Kollege Girisch.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 2001
Peter H. Carstensen
15333
Frau Staatssekretärin,
ich möchte Sie trotz der von Ihnen angeführten Flexibi-
lität der Einsätze in diesem grenznahen Raum noch ein-
mal bitten, die ganze Angelegenheit prüfen zu lassen und
dabei dem Grenzbereich zwischen Waldsassen und Eger
ein besonderes Augenmerk zu schenken.
D
Ich hatte Ihnen ja bereits
eine nochmalige Prüfung zugesagt. Ich sagte Ihnen auch,
dass wir noch keine endgültige Entscheidung über die
Standorte der mobilen Grenzaufsichtsdienste gefällt ha-
ben.
Bis zur EU-Osterweiterung bleibt der Grenzübergang
Waldsassen in das Kontrollsystem des stationären Grenz-
aufsichtsdienstes einbezogen. Die Entscheidung, wie
nach der EU-Osterweiterung die stationären Grenzauf-
sichtsdienste in mobile Kontrollgruppen – die praktisch
dieselbe Personalstärke haben – umgewandelt werden
sollen, etwa so, wie das bereits an den Westgrenzen ge-
schehen ist, kann noch der Zukunft überlassen werden. Es
ist natürlich auch für die Bediensteten wichtig, ihren Ein-
satzort zu kennen, obwohl es sich, wie ich schon sagte, um
eine Region handelt, in der sie mobil tätig sind – weswe-
gen sie nicht unbedingt an dem Ort wohnen müssen, wo
der Standort ihrer Dienststelle ist.
Wir kom-
men dann zur Frage 34 des Kollegen Girisch:
Wie lautet die Position der Bundesregierung für diese und ähn-liche Regionen zu Vorschlägen, den sich abzeichnenden Kontroll-defiziten dadurch zu begegnen, dass eine Grenzaufsichtsstelle mitder Stärke von zwei Arbeitskräften des gehobenen und 24 desmittleren Dienstes an zwei Standorten, zum Beispiel im ange-sprochenen Raum in Selb und Waldsassen, unter einer Leitung ge-schaffen und dadurch nicht nur fachlichen Gesichtspunkten, son-dern auch der beabsichtigten Haushaltskonsolidierung durchVerringerung un-nötiger großer Wegstrecken und das Ausnutzenbereits vorhandener Liegenschaften Rechnung getragen wird?
D
Die vorgesehene perso-
nelle Ausstattung der mobilen Kontrollgruppen gewähr-
leistet eine wirtschaftliche und zweckmäßige Aufgaben-
erfüllung. Von der Teilung einer mobilen Kontrollgruppe
und ihrer Unterbringung an zwei verschiedenen Standor-
ten ist aus Gründen der zu gewährleistenden Eigen-
sicherung, der Arbeitsfähigkeit der Gruppe sowie der
Auslastung der eingesetzten Technik abzusehen.
Dies gilt grundsätzlich auch für die aus den mobilen
Grenzaufsichtsstellen entstehenden mobilen Kontroll-
gruppen. Für den effektiven Einsatz der mobilen Kon-
trollgruppen ist es unerheblich, von welchem Standort aus
die flexiblen, örtlich und zeitlich begrenzten Kontrollen
im gesamten Bezirk der mobilen Kontrollgruppen durch-
geführt werden.
Sie haben
eine Zusatzfrage, Herr Kollege Girisch?
Frau Staatssekretärin,
ich komme noch einmal auf meine vorherige Frage
zurück. Ich teile Ihre Meinung nicht, ich bitte Sie nur, dies
nochmals zu prüfen, und wäre Ihnen sehr dankbar, wenn
es zu einer positiven Entscheidung für eine zusätzliche
mobile Einsatzgruppe in Waldsassen, Selb und Waidhaus
kommen würde.
D
Wir werden das im Rahmen
der vorgesehenen 15 Kontrollgruppen prüfen müssen. Die
Oberfinanzdirektionen sind beauftragt, bis Ende April die-
ses Jahres Vorschläge für die Standorte der vorgesehenen
15 mobilen Grenzaufsichtsstellen unter Berücksichtigung
der späteren Einsatzräume der mobilen Kontrollgruppen
zu erarbeiten. Entscheidungen werden im Bundesfinanz-
ministerium bis Mitte dieses Jahres fallen.
Wir kom-
men zur Frage 35 der Kollegin Erika Lotz:
Ist es richtig, dass das Zollamt Wetzlar im Rahmen der Neu-strukturierung der Bundesfinanzverwaltung erhalten bleibt?
D
Frau Kollegin Lotz, das
Grobkonzept zur Neustrukturierung der Bundesfinanz-
verwaltung sieht unter anderem vor, das Zollamt Wetzlar
mit der Abfertigungsstelle des Hauptzollamts Gießen und
den Zollämtern Limburg und Marburg am Standort
Gießen zusammenzulegen. Dieses Grobkonzept datiert
vom Oktober des vergangenen Jahres.
Hierbei handelt es sich jedoch um erste Vorschläge, die
derzeit mit den zuständigen Industrie- und Handelskam-
mern und den Wirtschaftsbeteiligten durch die Oberfi-
nanzdirektion Koblenz eingehend erörtert werden. Nach
Mitteilung der Oberfinanzdirektion Koblenz ist dabei
auch eine Alternative im Gespräch, die den Erhalt des
Zollamts Wetzlar vorsieht. Die Ergebnisse der Gespräche
bleiben allerdings abzuwarten.
Eine Zu-
satzfrage der Kollegin Lotz.
Ich denke, bei der Entscheidung
über das Zollamt und damit auch über die Frage, wo der
Schwerpunkt in Mittelhessen liegt, wird doch sicherlich
auch eine Rolle spielen – dies ist meine Frage –, wie hoch
der Exportumsatz im Bereich der einzelnen Zollämter ist.
Ist Ihnen, Frau Kollegin Hendricks, bekannt, dass Wetzlar
fast denselben Exportumsatz aus dem Bereich des verar-
beitenden Gewerbes bearbeitet wie die anderen Zolläm-
ter zusammen, also etwa knapp 5 Milliarden DM im
Jahr 2000?
D
Frau Kollegin, selbstver-ständlich werden die Standorte der Zollverwaltung nachden Indikatoren der Wirtschaftsbeteiligung und natürlichauch nach der Import- und Exportabhängigkeit untersuchtwerden. Dies ist auch Gegenstand der Verhandlungen mit
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 200115334
den Wirtschaftsbeteiligten vor Ort, namentlich den Indus-trie- und Handelskammern, aber auch anderen Beteiligtender Wirtschaft. Dies geht selbstverständlich in unsereÜberlegungen mit ein.Dabei ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass zumBeispiel ein größeres Unternehmen, das regelmäßig wie-derkehrende gleichartige Exportvorgänge im vereinfach-ten Verfahren zu bewältigen hat, diese Vorgänge mittler-weile leichter abwickeln kann, sodass dann die örtlicheAnwesenheit des Vertreters eines Zollamtes nicht unbe-dingt notwendig ist.Dies ist jetzt keine Aussage zum Zollamt Wetzlar, son-dern eine allgemeine Aussage. Der Umfang der Export-tätigkeit ist zwar ein wichtiger Indikator, aber nicht der al-leinige Indikator, weil es eben auch sehr darauf ankommt,welche vereinfachten Verfahren durch die Wirtschaftsbe-teiligten in Anspruch genommen werden können.
Weitere
Zusatzfrage? – Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Frage 36 der Kollegin Lotz:
Wie weit sind die Überlegungen gediehen, das Zollamt Wetz-
lar wegen seiner immensen Im- und Exportumsätze zu einem leis-
tungsstarken Zollamt auszubauen und aufgrund des sich daraus
ergebenden Arbeitsaufkommens das Zollamt Wetzlar personell zu
verstärken?
D
Die Situation der importie-
renden und exportierenden Betriebe wird in die weiteren
Überlegungen und Gespräche mit den Industrie- und
Handelskammern zur Neustrukturierung der Zollverwal-
tung einbezogen, wie Sie eben bereits hörten.
Die Oberfinanzdirektion Koblenz ist – wie im Übrigen
alle Oberfinanzdirektionen im Bundesgebiet – aufgefor-
dert, Feinkonzepte mit Vorschlägen für die Neustrukturie-
rung der Zollverwaltung in ihrem Bezirk bis Ende April
vorzulegen. Sie haben dies eben auch schon in meiner
Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Girisch gehört.
Auch hier werden Entscheidungen bis zur Mitte des Jah-
res gefällt werden.
Zusatz-
frage der Kollegin Lotz.
Kann ich Ihrem letzten Satz ent-
nehmen, dass bis zur Mitte des Jahres die Entscheidungen
getroffen werden? Ich denke, vor Ort ist man daran sehr
stark interessiert.
D
Ja, Sie können davon aus-
gehen, dass bis zur Mitte des Jahres die Entscheidungen
getroffen werden. In allen die so genannte Feinplanung
der Zollverwaltung, also die Standortplanung für die
Zollämter betreffenden Fällen, werden die Oberfinanzdi-
rektionen – die Standortfestlegungen für die Hauptzoll-
ämter haben wir bereits getroffen – bis Ende April 2001
berichten. Anhand eines Abgleichs, der bundesweit nach
den gleichen Parametern vorgenommen wird, wird im
Bundesfinanzministerium bis Mitte des Jahres eine Ent-
scheidung vorbereitet.
Vielen
Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kehren nun zum Geschäftsbereich des Auswärti-
gen Amtes zurück. Der Staatsminister Ludger Volmer ist
inzwischen eingetroffen.
Wir kommen zur Frage 23 des Abgeordneten Johannes
Singhammer:
Hat sich der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer,
seit seinen Auskünften in der Fragestunde des Deutschen Bun-
destages am 17. Januar 2001 bei dem von ihm im Rahmen seiner
in den 70er-Jahren begangenen linksextremistischen Taten ver-
letzten Polizeibeamten zwischenzeitlich persönlich entschuldigt,
und wenn ja, wann war dies?
D
Zunächst möchte ich mich für das Zu-Spät-Kom-
men entschuldigen. Ich war im Menschenrechtsausschuss
gerade mitten in der eigenen Berichterstattung begriffen;
diese konnte ich schlecht unterbrechen.
Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, würde ich die Fra-
gen 23 und 24 des Kollegen Singhammer gerne gemein-
sam beantworten.
Bitte
schön. Dann rufe ich auch die Frage 24 des Kollegen
Singhammer auf:
Wenn dies noch nicht geschehen ist, beabsichtigt dies der Bun-
desminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, noch zu tun und
wann?
D
Herr Singhammer, die Antwort lautet Ja, und
zwar zweimal: telefonisch am 7. Januar 2001 sowie bei ei-
nem persönlichen Zusammentreffen nochmals am 7. Fe-
bruar 2001.
Zusatz-
frage, Herr Kollege Singhammer.
Herr Staats-
minister, vor dem Hintergrund, dass seit den Vorfällen im
Jahre 1976 bis zur Entschuldigung im Januar bzw. Fe-
bruar dieses Jahres 25 Jahre verstrichen sind und diese
Vorfälle ja bekannt waren, möchte ich fragen: Warum hat
sich denn der Minister des Auswärtigen erst jetzt ent-
schuldigt und nicht zumindest im Laufe der vergangenen
25 Jahre, also zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt?
D
Der Minister hat sich bei dem betroffenen Polizei-beamten ein oder zwei Tage später entschuldigt, nachdemder Name des Beamten dadurch bekannt wurde, dass sichdieser auf dem in den Zeitungen abgedruckten Bild dieserSzene erkannt und dann mit Namen gemeldet hatte.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 2001
Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks15335
Weitere
Zusatzfrage? – Bitte schön.
Herr Staats-
minister, gab es große Schwierigkeiten, oder wie ist es zu
erklären, dass es einem Minister des Auswärtigen der
Bundesrepublik Deutschland erst dann möglich war, die-
sen Polizeibeamten zu identifizieren, als in den Zeitungen
im Januar noch einmal neu berichtet worden ist? Wäre es
nicht für den Minister des Auswärtigen ein Leichtes und
vor allem auch ein Akt der Glaubwürdigkeit gewesen,
dass es ihm ernst ist mit seiner Entschuldigung, die Iden-
tität herauszufinden und sich zu einem früheren Zeitpunkt
zu entschuldigen?
D
Herr Singhammer, das Ganze wurde erst durch die
Veröffentlichung des Bildes in den Zeitungen zu einem
Thema. Erst ab diesem Zeitpunkt entstand neu ein Anlass,
sich damit zu befassen. Der Bundesminister hat sofort so
reagiert, wie ich es gerade geschildert habe. Ich denke
auch, dass seine Entschuldigung sehr ernsthaft war. Sie ist
zumindest von dem Beamten nicht in Zweifel gezogen
worden.
Weitere
Zusatzfrage, Kollege Singhammer.
Herr Staats-
minister, woher wissen Sie, dass diese Entschuldigung
von dem Beamten nicht in Zweifel gezogen worden ist?
Hat er sich über diese Entschuldigung gefreut, hat er sie
angenommen oder welche Reaktion ist darauf erfolgt?
D
Die erste Entschuldigung lief telefonisch. Bei die-
sem Telefonkontakt haben sich die beiden verabredet,
auch noch einmal unter vier Augen miteinander zu spre-
chen. Ein Treffen kam zustande. Was dort im Einzelnen
besprochen worden ist, darüber kann ich keine Auskunft
geben, weil ich es nicht weiß. Ich denke auch, dass die
beiden Vertraulichkeit vereinbart haben.
Letzte
Zusatzfrage, Kollege Singhammer.
Herr Staats-
minister, ich hatte eine ähnliche Frage schon Anfang Fe-
bruar schriftlich gestellt. Wenn diese Entschuldigung, wie
Sie jetzt sagen, im Januar zunächst mündlich und später
auch persönlich erfolgt ist, stellt sich für mich angesichts
dieses Sachverhaltes die Frage, warum das Auswärtige
Amt auf meine schriftliche Frage hin ausweichend geant-
wortet und mir keine diesbezügliche Auskunft gegeben
hat.
D
Herr Singhammer, ich erinnere mich im Moment
weder genau an die Frage noch an die Antwort. Ich gehe
dem aber gern nach.
Wir kom-
men jetzt zur Frage 25 der Kollegin Ina Lenke:
Welche konkreten Initiativen zur Verbesserung der in vielenTeilen der Welt desolaten Situation der Frauen hat das AuswärtigeAmt neben dem vom Bundesminister des Auswärtigen, JosephFischer, in seiner Erklärung zum Weltfrauentag am 8. März 2001erwähnten „Forum Globale Fragen“ durchgeführt?
D
Frau Kollegin Lenke, das Auswärtige Amt hat im
Jahre 2000 eine Reihe konkreter Initiativen durchgeführt
oder gefördert. Es sind zu nennen:
Erstens: die viertägige Sondertagung des Ausschusses
zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau der Verein-
ten Nationen im November 2000 in Berlin. Bei dieser Ta-
gung wurden die Verfahrensregeln für das Zusatzproto-
koll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur
Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau er-
arbeitet, zur so genannten CEDAW-Konvention. Das
Auswärtige Amt hat durch diese Einladung gemeinsam
mit dem kofinanzierenden BMFSFJ sehr wesentlich dazu
beigetragen, dass das Individualbeschwerdeverfahren
nunmehr in der Praxis angewendet werden kann, das be-
troffenen, das heißt in ihren Rechten verletzten Frauen
nach dem neuen Zusatzprotokoll zusteht.
Zweitens: Vorhaben gegen die weibliche Genitalver-
stümmelung und gegen den Frauenhandel, durchgeführt
mit bzw. von örtlichen Partnern. Dazu gehören Auf-
klärungs- und Medienkampagnen.
Drittens: Untersuchungen über Gewalt an Frauen oder
die Situation und die Rolle der Frauen in überwiegend tra-
ditionellen Gesellschaften, zum Beispiel im Jemen.
Viertens: eine VN-Studie zu „Mainstreaming a Gender
perspective in Peacekeeping“ – so lautet der englische Ti-
tel nun einmal – sowie eine Konferenz des „Lessons
Learnt Unit“ des UN-Department for Peace keeping ope-
rations in Namibia zum gleichen Thema. Das von der
Bundesregierung unterstützte Ziel dieser Maßnahmen ist
die stärkere Beteiligung von Frauen am VN-Peace-
keeping und die Berücksichtigung der Belange von
Frauen in Konfliktgebieten durch VN-Missionen.
Eine Zu-
satzfrage der Kollegin Lenke.
In welcher Art und Weise hat Herr
Fischer die Ergebnisse dieser von ihm einberufenen Kon-
ferenzen auch bei seinen Auslandsreisen eingesetzt und
umgesetzt?
D
Nicht nur Herr Fischer, sondern auch die beiden
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Staatsminister führen zahlreiche Auslandsreisen durch.Ich bin über die Gesprächsinhalte im Einzelnen, die derMinister im Gepäck hat, nicht orientiert. Ich kann nur auf-grund meiner eigenen Reisen sagen, dass die Situation derFrauen in den betreffenden Ländern und die Möglichkeit,diese Situation zu verbessern bzw. für ihre Verbesserungauf multilateraler Ebene zu sorgen, immer wieder Ge-sprächsthema waren.
Eine wei-
tere Zusatzfrage der Kollegin Lenke.
Mich interessiert ganz besonders,
welche Erfolge der Außenminister persönlich im Bereich
Menschenrechte/Frauenrechte vorweisen kann. Ich finde
es schon sehr erstaunlich, Herr Staatsminister, dass Sie
nicht wissen, welche konkreten Erfolge Außenminister
Fischer von seinen Reisen mitgebracht hat.
D
Frau Lenke, der Außenminister reist sehr viel und
spricht im Grunde über alle politischen Themen.
Konkrete Nachfragen, wann er frauenpolitische oder be-
nachbarte Themen wo und in welcher Form angesprochen
hat, kann ich in der Tat nicht aus dem Stand beantworten.
Dazu müsste man in seinen Reiseplanungen nachschauen.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Niebel.
Herr Staatsminister, Ihre Antwort
verleitet mich zu einer Zusatzfrage – die Fragen der Kol-
legin Lenke sind frühzeitig eingereicht worden –: Berei-
ten Sie sich auf die konkrete Beantwortung frühzeitig ein-
gereichter Fragen nicht vor?
D
Herr Kollege, ich habe die Frage beantwortet, indem
ich Ihnen vier Initiativen, die das Auswärtige Amt ergrif-
fen hat – genau danach ist gefragt worden –, dargestellt
habe. Ich lese Ihnen die Frage vor:
Welche konkreten Initiativen zur Verbesserung der in
vielen Teilen der Welt desolaten Situation der Frauen
hat das Auswärtige Amt neben dem vom Bundesmi-
nister des Auswärtigen, Joseph Fischer, in seiner Er-
klärung zum Weltfrauentag am 8. März 2001 er-
wähnten „Forum Globale Fragen“ durchgeführt?
Sie fragen also nach den Initiativen des Auswärtigen Am-
tes. Ich habe Ihnen in diesem Zusammenhang vier Initia-
tiven dargestellt.
Gibt es
weitere Zusatzfragen? – Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Frage 26 der Kollegin Ina Lenke:
In welcher Weise wurden die Frauenrechte anlässlich der
Indienreise des Bundesministers des Auswärtigen, Joseph Fischer,
im September 2000 thematisiert, und welche Konsequenzen zieht
die Bundesregierung aus den nach wie vor in weiten Teilen Indi-
ens verbreiteten alltäglichen Misshandlungen von Frauen für die
konkrete Umsetzung der von ihr angekündigten Menschenrechts-
politik als zentralem Pfeiler deutscher Außenpolitik?
D
Frau Kollegin Lenke, der Bundesminister des Aus-
wärtigen ist im vergangenen Jahr zweimal nach Indien ge-
reist. Die Menschenrechte von Frauen, insbesondere im
sozialen und wirtschaftlichen Bereich, waren einer der
Themenschwerpunkte der Reise im Mai 2000.
Der Bundesminister besichtigte ein auch mit Mitteln
der Carl-Duisberg-Gesellschaft gefördertes Projekt zur
Ausbildung und Qualifizierung von Seidenspinnerinnen
in der Nähe von Bangalore. Er hat sich ausführlich über
die in diesem Projekt verfolgten Ansätze zur Linderung
der Not insbesondere junger Frauen unterrichten lassen,
die in die Lage versetzt werden, durch eigene, ver-
marktungsfähige Produkte ein eigenes Einkommen zu er-
zielen und dadurch ihr Selbstwertgefühl zu steigern.
Im bilateralen Verhältnis sind die Beachtung der Men-
schenrechte und die Situationen der Frauen Gegenstand
der Länderbewertung und Kriterium für die Ausgestal-
tung der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Das
betrifft etwa die Instrumente und die Höhe der Mittel. Der
Mobilisierung und Förderung von Frauen wird in der
deutsch-indischen Entwicklungszusammenarbeit ein ho-
her Stellenwert beigemessen. In zahlreiche Vorhaben sind
Frauenförderungskomponenten einbezogen. Andere Vor-
haben verfolgen überwiegend oder sogar ausschließlich
frauenspezifische Anliegen.
Zusatz-
frage, Kollegin Lenke.
Herr Staatsminister, Sie müssenzugeben, dass das, was Sie vorgelesen haben, unkonkretist. Ich betrachte meine Frage deshalb als nicht beantwor-tet. Ich möchte aber meine Frage ganz konkret beantwor-tet haben, weil der Außenminister in seiner Oppositions-zeit immer von Menschenrechten gesprochen hat und deralten Regierung vorgeworfen hat, sie würde sich nicht umdiese Rechte kümmern.
Der Außenminister unternimmt Reisen in alle Welt; daswissen Sie selbst. Es müsste ein Gender-Mainstreaming-Prinzip geben. Sie als Staatsminister müssten mir aus demStand heraus sagen können, welche Fragen hinsichtlichder Frauen- und Menschenrechte mit den Regierungsver-tretern der vom Außenminister besuchten Länder bespro-chen wurden, um auf diesem Gebiet Erfolge zu erzielen.Ich frage Sie noch einmal: Welche persönlichen Er-folge – außer der Besichtigung eines Projektes in Indien –hat der Außenminister Fischer auf seinen Reisen, zum
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Staatsminister Dr. Ludger Volmer15337
Beispiel nach Indien, erzielt, über die er hier berichtenkann? Im Übrigen gab es zwei Reisen nach Indien undnicht nur eine.D
Frau Lenke, Sie haben in der Tat in Ihrer schriftli-
chen Frage nach der Indienreise gefragt. Deshalb bin ich
auch darauf eingegangen. Wenn Sie Ihre Frage nun dahin
gehend ausweiten wollen, bei welchen Reisen insgesamt
der Minister dieses Thema angesprochen hat, so will ich
das gerne recherchieren. Aber Sie werden mir nachsehen,
dass ich das nicht auf Anhieb beantworten kann.
Ich kann Ihnen aber sagen, dass diese Fragen ständig
auf der Gesprächsagenda stehen. Da ich von den Reisen
des Ministers aus dem Stand wenig sagen kann, will ich
Ihnen aber hinsichtlich meiner Reisen sagen, dass die
Agenda immer umgesetzt wurde.
Mit dem Besichtigen von Projekten – das wissen Sie
selbst – ist auch immer die Absicht verbunden, die Wer-
tigkeit des jeweiligen Projektes besonders hervorzuheben,
um das Thema, mit dem sich das Projekt befasst, stärker in
das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Dass sich Erfolge
in der Frauenpolitik nicht von heute auf morgen einstellen
und dass deren Einfluss auf die internationale Politik nicht
sofort feststellbar ist, wissen Sie so gut wie ich.
Zweite
Zusatzfrage, Kollegin Lenke.
Herr Staatsminister, was ich heute
aus der Fragestunde mitnehme, ist sehr dürftig. Ich bitte
Sie, die Fragen, die ich jetzt gestellt habe, zu recherchie-
ren und mir schriftlich zu beantworten. Ich habe ein star-
kes Interesse daran, zu erfahren, welche Erfolge der
Außenminister Fischer nach mehr als der Hälfte der Le-
gislaturperiode vorweisen kann.
Es ist meine Pflicht als Oppositionsabgeordnete, Sie zu
fragen, welchen Erfolg die vielen Auslandsreisen ge-
bracht haben. Ich glaube, Sie würden die diplomatischen
Gepflogenheiten nicht missachten, wenn Sie konkret Aus-
kunft geben würden.
D
Frau Kollegin, ich habe jetzt ein Plädoyer gehört
und keine Frage. Ich verstehe den Hintergrund, vor dem
Sie das Plädoyer abgegeben haben, und auch die politi-
schen Normen, die Sie dabei im Kopf haben. Ich teile sie
auch. Aber ich kann hier nur auf Fragen antworten
und nicht Appelle kommentieren.
Ihre Zu-
satzfrage, Herr Kollege van Essen.
Herr Staatsminister, die
Kollegin Lenke hat gerade im Zusammenhang mit Miss-
handlungen von Frauen danach gefragt, ob dieses Thema
konkret Gegenstand von Gesprächen des Bundes-
außenministers war. Sie hat nicht nach Besuchen gefragt.
Deswegen möchte ich diese Frage gerne wiederholen: Mit
wem hat der Bundesaußenminister diese Fragen bei sei-
nen Besuchen in Indien konkret besprochen, und trifft es
zu, was Sie gerade gesagt haben, dass dieses Thema nur
bei einem Besuch Gegenstand war, oder war es bei beiden
Besuchen Gegenstand?
D
Herr Kollege van Essen, ich kann Ihnen über die
Indienreise nur das sagen, was ich gerade schon gesagt
habe. Über sonstige Reisen kann ich aus dem Stand leider
keine Auskunft geben. Ich kann nur wiederholen, dass
dieses Thema bei Reisen der gesamten Spitze des Aus-
wärtigen Amtes ständiger Gegenstand ist. Dabei geht es
um alle Aspekte von Gewalt gegen Frauen. Sie wissen,
dass es in Indien spezifische Aspekte gibt. In manchen is-
lamischen Staaten gibt es andere spezifische Aspekte. In
Subsahara-Staaten gibt es die Beschneidung, die wir im-
mer wieder als Menschenrechtsfrage ansprechen und
nicht als Thema, das man im Rahmen von kultureller Au-
tonomie akzeptieren kann.
Vielen
Dank, Herr Staatsminister. – Die weiteren Fragen sollen
schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Par-
lamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Ver-
fügung.
Ich rufe zunächst die Frage 30 des Abgeordneten
Albrecht Feibel auf:
Wie hoch war die Zahl der Todesopfer durch rechtsextremeGewalt in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenenzehn Jahren und wie erklärt sich die Bundesregierung, dass diediesbezüglichen fachlichen Erkenntnisse und die Angaben in deröffentlichen Diskussion sehr weit, nämlich zwischen 36 und 93Fällen, divergieren?
F
Herr Kollege Feibel, für den Zeit-raum von 1990 bis Juli 2000 waren auf der Grundlage derentsprechenden Ländermeldungen – das ist ganz wichtig;die Statistiken kommen immer aufgrund von Ländermel-dungen zustande – im Rahmen des kriminalpolizeilichenMeldedienstes „Staatsschutz“ zunächst 25 Todesopferrechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und antisemiti-scher Gewalt registriert. Die am 14. September 2000 imBerliner „Tagesspiegel“ und der „Frankfurter Rund-schau“ veröffentlichte Opferliste des Journalisten Jansenweist für denselben Zeitraum 93 Todesopfer rechtsextre-mer Gewalt aus.Angesichts der erheblichen Zahlendiskrepanz hat derBundesminister des Innern noch am gleichen Tage eine
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Ina Lenke15338
Überprüfung aller in der Liste genannten Todesfälle durchdie zuständigen Polizeidienststellen der Länder veran-lasst. Infolge der erneuten Überprüfung der einzelnenSachverhalte und unter Berücksichtigung in einzelnenFällen zwischenzeitlich ergangener Gerichtsentscheidun-gen – auch das zu berücksichtigen ist ganz wichtig – er-höhte sich die Zahl der Todesopfer rechtsextremistischer,fremdenfeindlicher und antisemitischer Gewalt von 1990bis Juli 2000 auf insgesamt 36 Personen. In den übrigen57 Fällen haben die Länder einen rechtsextremistischen,fremdenfeindlichen oder antisemitischen Tathintergrundauf der Grundlage der aktuell vorliegenden Erkenntnisseauch nach erneuter Überprüfung nicht festgestellt.Für den Zeitraum nach Juli 2000 hat das Land Schles-wig-Holstein im Rahmen des kriminalpolizeilichenMeldedienstes „Staatsschutz“ mittlerweile ein weiteresrechtsextremistisches Tötungsdelikt gemeldet. Es handeltsich dabei um die Tötung eines Obdachlosen am 13. Sep-tember 2000 in Schleswig. Damit beläuft sich die Zahl derTodesopfer rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher undantisemitischer Gewalt in Deutschland seit 1990 nach denhierzu vorliegenden Meldungen der Länder derzeit aufinsgesamt 37 Personen.
Zusatz-
frage, Herr Kollege.
Schönen Dank, Herr
Staatssekretär. Es stellt sich natürlich die Frage, was der
Bundesinnenminister seit Bekanntwerden der sehr stark,
nämlich zwischen 36 und 93, divergierenden Zahlen ge-
tan hat, um einen seriösen Umgang mit diesem Tatbestand
in der Öffentlichkeit zu garantieren. Ich nehme an, Sie
stimmen mir zu, dass Seriosität angebracht ist, wenn wir
die Angelegenheit gemeinsam vernünftig angehen wol-
len. Was wurde in diesem Zusammenhang zur Aufklärung
getan?
F
Herr Kollege Feibel, lassen Sie
mich eine Vorbemerkung machen: Diese Bundesregie-
rung hat überhaupt keine Veranlassung, mit irgendetwas
hinter dem Berg zu halten. Ich habe schon in meine Ant-
wort einfließen lassen, dass die Bundesregierung im
Grunde genommen nur das Zahlenmaterial zur Verfügung
hat und auswerten kann, das ihr von den Ländern zu-
gänglich gemacht worden ist. Daraufhin haben wir dies
überprüft und kamen zu den in meiner Antwort vorgetra-
genen Erkenntnissen und Zahlen. Wir haben darüber hi-
naus mit den Ländern sofort einen Dialog mit der Maß-
gabe begonnen, dass wegen der im Rahmen des
bisherigen kriminalpolizeilichen Meldedienstes „Staats-
schutz“ teilweise aufgetretenen Schwachstellen künftig
alle politisch motivierten Straftaten mit Wirkung vom
1. Januar 2001 in einem neuen Meldesystem erfasst und
bewertet werden.
Wenn es Sie interessiert, kann ich Ihnen jetzt im Ein-
zelnen sehr detailliert vortragen, was hierzu gilt.
Ich kann es Ihnen auch schriftlich nachreichen, wenn Sie
dies lieber wollen. Daran wird übrigens auch deutlich,
wie schwierig diese statistische Erfassung ist. Jedenfalls
bemühen wir uns, mit dieser Problematik so umzugehen,
wie Sie es zu Recht gefordert haben, nämlich seriös und
objektiv. Darum hat sich auch der Bundesinnenminister
auf vielfältige Art und Weise bemüht. Das Ergebnis, das
ich Ihnen hier vortragen kann, unterstreicht dies.
Weitere
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
eine zweite Zusatzfrage: Was Sie gesagt haben, befriedigt
mich nicht ganz, weil ich gefragt habe, was der Bun-
desinnenminister getan hat, um die Öffentlichkeit aufzu-
klären. Immerhin wurde am 24. Januar dieses Thema im
Innenausschuss ausführlich behandelt. Es wurde auch da-
rauf eingegangen, dass die Zahl 93 durch Pressemeldun-
gen in die Öffentlichkeit lanciert wurde. Angesichts
dessen wäre es doch sicherlich die Aufgabe des Innenmi-
nisters gewesen, dies auch in aller Öffentlichkeit richtig
zu stellen. Deshalb meine Frage: Was hat er konkret ge-
tan, um in der Öffentlichkeit die richtige Zahl darzustel-
len?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 2001
Der Beginn der Aktuellen Stunde ist von den Fraktio-nen für 15.35 Uhr vereinbart worden.Ich unterbreche bis dahin die Sitzung.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 200115340
1) Antwort zur Frage 32 siehe Anlage 13
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen undHerren! Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktion der CDU/CSUZukunft des Unternehmens Bahn angesichtsder gegensätzlichen Auffassungen von Bahn-vorstand und BundesregierungIch eröffne die Aussprache. Erster Redner für dieCDU/CSU-Fraktion ist Herr Kollege Dirk Fischer.Dirk Fischer (CDU/CSU) (von der CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Frau Präsidentin! LiebeKolleginnen und Kollegen! Minister Bodewig schien einmutiger, nicht aber überzeugender Krisenmanager in die-ser besonders kritischen Phase der Bahnreform zu sein.Am Wochenende erklärte er markig: Die Frage der Tren-nung von Netz und Betrieb ist entschieden. Es geht nurnoch um das Wann und das Wie. – Ein mutiger Krisen-manager deswegen, weil er endlich die Verweigerungs-haltung seiner Vorgänger Müntefering und Klimmt auf-gegeben und sich der Trennung von Netz und Betriebgeöffnet hat.
Er nutzte den Parteitag der Grünen, um dort den Wider-stand der SPD und ihrer Minister gegen die Trennung vonNetz und Betrieb offiziell aufzugeben. Aber auch einschwacher Krisenmanager, weil unklar geblieben ist, obsein Vorstoß mit Bahnchef Mehdorn und KanzlerSchröder abgesprochen war.
Bodewig: Die Trennung ist mit Mehdorn ausführlichdiskutiert worden und ich sehe keinen Widerstand derDB AG. So meldeten die Agenturen am Wochenende.Mehdorn fühlt sich aber ganz offenbar übergangen unddrohte bereits mit Rücktritt. Er behauptet nämlich genaudas Gegenteil.
Schröder will hingegen nichts von Streitigkeiten zwi-schen seinem Minister und Mehdorn wissen und zeigtsich überzeugt, dass beide zu einer gemeinsamen Positionkommen werden.Gelegentlich interessieren sich die Bürger und die Ab-geordneten auch dafür, was Schröder eigentlich in der Sa-che will. Oder läuft hier wieder die Masche: Er wartet ersteinmal ab, um am Ende für das gefundene Ergebnis schonimmer gewesen zu sein? Das haben wir ja bei anderen po-litischen Fragen auch erlebt.Der Rücktritt von Aufsichtsratschef Vogel ist be-sonders kurios gewesen, da der Hauptgrund seines Aus-scheidens bislang die Kontroverse mit Mehdorn über dieTrennung von Netz und Betrieb als unabdingbare Voraus-setzung für Wettbewerb auf der Schiene zu sein schien.Man fragt sich also jetzt: Ist eigentlich der Richtige in dieWüste geschickt worden?
Ich fasse zusammen: statt klarer Aussagen ein völligesDurcheinander! Es herrscht in dieser Regierung ein einzi-ger Erklärungswirrwarr.
Festzuhalten bleibt: Wir brauchen die zügige Trennungvon Netz und Betrieb für den dringend erforderlichenWettbewerb, damit der Verkehrsträger Schiene im Marktnicht immer weiter zurückfällt.
Insoweit, Herr Minister Bodewig, biete ich Ihnen fürIhre Ankündigungen ausdrücklich die Mithilfe derCDU/CSU-Bundestagsfraktion an. Sie sind durch denVerlauf unserer Ausschusssitzung mit Herrn Pällmannheute Vormittag in dieser Richtung überzeugend gestärktworden.
Ich habe das heute Morgen so wahrgenommen, dass alleFraktionen dafür sind, dass so schnell und so gut wie mög-lich die Trennung von Netz und Betrieb erfolgt. Nur durchdiese Trennung ist es möglich, zwischen der staatlichenVerantwortung für eine ordnungspolitisch überzeugendeSchienenverkehrspolitik und dem Sanierungsfall DB AGzu unterscheiden.
Das Netz muss möglichst schon 2003, spätestens aber,wie in der Bahnreform vorgesehen, zum 1. Januar 2004verselbstständigt werden. Eine Verzögerung auf den Zeit-punkt 2005 oder sogar später wäre das falsche Signal.Die CDU/CSU-Fraktion fordert deshalb von dieser Re-gierung ein schlüssiges Gesamtkonzept zum SystemSchiene, welches neben der Trennung von Netz und Be-trieb insbesondere die Handlungsschwerpunkte für dieRahmenbedingungen, wie zum Beispiel die verlässlicheInvestitionsperspektive für eine mittelfristige Planungssi-cherheit, die europäische Dimension dieses europäischenBündelungsverkehrssystems, die Wettbewerbsneutralitätder fiskalischen Belastung, die Fahrplankoordination, dieNetzorganisation und die Regionalisierung, beinhaltenmuss. Über diese staatliche Politik muss debattiert wer-den. Das ist die Verantwortung dieser Bundesregierung.
Ich bitte Sie, Herr Minister, etwas zu der AP-Meldungzu sagen, die heute über die Ticker läuft, dass die Tren-nung von Netz und Betrieb nach einem GesprächBodewig/Mehdorn „vom Tisch“ sei und dass nunmehr„von einer unabhängigen Organisation im Bereich derHolding bis zu einer vollständigen Herauslösung“ allesmöglich sei. Dann heißt es dort: Bodewig schloss den Ver-bleib des Netzes in der Holding nicht aus.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 2001 15341
Dazu kann ich nur sagen: Dann sind Sie aber ein ziem-lich fröhlicher Rheinländer: heute dies, morgen das. Aufdem Parteitag der Grünen lassen Sie sich für die Trennungfeiern. Die deutsche Öffentlichkeit wird am ganzen Wo-chenende für die Trennung begeistert. Aber nach ein paarTagen ist das angeblich wieder „vom Tisch“.Herr Minister Bodewig, sorgen Sie dafür, dass alle Ent-scheidungsträger Ihrer Regierung und alle Entschei-dungsträger der DB AG das gemeinsame Ziel verfolgen,welches Trennung von Netz und Betrieb heißt! Legen Siedafür einen detaillierten Zeitplan vor! Handeln Sie rasch!Die Zeit drängt.
Der Verkehrsträger Schiene ist für eine erfolgreiche Ver-kehrspolitik unverzichtbar. Er darf im Markt nicht immerweiter zurückfallen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der HerrBundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen,Kurt Bodewig.
Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Bei Ihrem Verlangen nach einer AktuellenStunde sind Sie einer Zeitungsente aufgesessen. Sie be-dauern das jetzt. Eigentlich könnten Sie sich diese Aktu-elle Stunde sparen; denn alle Ergebnisse liegen auf demTisch.
Das gilt umso mehr, Herr Fischer, wenn Sie sich auf dieBahnreform beziehen. Das finde ich wirklich einen Ham-mer. Sie haben doch eine wichtige und notwendige Bahn-reform angepackt, dann aber das Unternehmen Bahn überJahre finanziell verhungern lassen.
Sie haben die Investitionen von 9 Milliarden DM auf6 Milliarden DM heruntergefahren und sprechen von der„Zukunft des wichtigsten Verkehrsträgers“. Sie handelndoch völlig irreal!Jetzt haben Sie ein paar Fragen gestellt, die ich gernebeantworten möchte. Ich möchte die Zeitungsente, der Sieaufgesessen sind,
gerne zum Anlass nehmen, etwas über die Zukunft desUnternehmens Bahn zu sagen.Mit der Verkehrsreform, die wir anpacken werden,werden wir das Unternehmen Bahn, das System Schienefördern. Das geht nur in einer systematischen Schritt-folge. Trennung darf kein ideologisches Prinzip sein, wieSie es gerade propagiert haben. Vielmehr gehört sie zurpolitischen Gestaltung.Ich habe einige Elemente vorgesehen, die Sie alle ein-mal zur Kenntnis nehmen sollten.Das erste Systemelement ist die LKW-Maut. Sie wirdzu einer Verlagerung des wachsenden Verkehrs führen.Das ist richtig. Das ist ein mutiger Schritt, zu dem Sie niedie Kraft gehabt haben. Das will ich einmal sehr deutlichmachen.
Das zweite Element ist: Die Mehreinnahmen aus derLKW-Maut fließen in die Verkehrsinfrastruktur. Das führtzu einer Nutzerorientierung. Auch das ist wichtig. Dennwenn wir das enorme Verkehrswachstum bewältigen wol-len, müssen wir alle Gestaltungsmaßnahmen in Angriffnehmen.Der dritte Punkt und ein zentraler Bestandteil unseresReformkonzepts ist – auch das habe ich sehr deutlich ge-macht – die Erhöhung des Anteils des Verkehrs auf derSchiene. Wettbewerb muss durch garantierte Unabhän-gigkeit des Netzes hergestellt werden.Über dieses Ziel haben Sie heute im Ausschuss mitHerrn Pällmann diskutiert. Ich beziehe mich auf die An-hörung zur Bahnreform. Ich beziehe mich auf denPällmann-Bericht. Sie lagen uns immer in den Ohren: Set-zen Sie Pällmann um! – Jetzt tun wir dies. Wir prüfen denPällmann-Bericht sehr intensiv und entnehmen ihm dieuns geeignet erscheinenden Elemente. Jetzt höre ich so et-was von Ihnen! Irgendwann müssen Sie sich einmal ent-scheiden.
Deswegen habe ich gesagt: Die Unabhängigkeit desNetzes ist keine Frage des Ob, sondern des Wie. Das wis-sen alle. Auch die Bahn hat das heute noch einmal be-stätigt. Das Eisenbahninfrastrukturpaket der EU, das miteiner grundsätzlichen Entscheidung für einen liberalisier-ten Güterverkehrsmarkt verbunden ist, liegt auf demTisch. Bis 2007 muss dies gewährleistet sein. Wir fangenfrüher an, weil es uns auch darum geht, das UnternehmenBahn gut aufzustellen.Wir werden eine konkrete Prüfung vornehmen. NichtIdeologie, sondern systematische Schrittfolge: Das ist derentscheidende Punkt. Ich habe dies angekündigt und dasmachen wir. Wir beginnen nächste Woche mit der Task-force.
In der Taskforce werden die unterschiedlichen Organisa-tionsmodelle darauf untersucht, wie die Unabhängigkeitdes Netzes hergestellt werden kann. Dazu gehört einegroße Variantenbreite von der unabhängigen Organisation
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 2001
Dirk Fischer
15342
in Form einer Holding, von einer Herauslösung des Net-zes bis zur Einrichtung einer Regulierungsbehörde.
Ich denke, es ist richtig, alle Maßnahmen sehr genau zuprüfen.
Es geht hier nicht um eine Chaosentscheidung à la Groß-britannien – konservative Kollegen von Ihnen –, sondernes geht um eine verantwortliche Politik, die wir zu ge-währleisten haben. Dies mache ich.
Ich sage: Ein solches Netz muss weisungsgebundenund kundenneutral sein und es muss zu dem Ziel führen,das wir im Verkehrsbericht 2000 aufgeführt haben: mehrVerkehr auf die Schiene, Verdoppelung des Schienengü-terverkehrs bis 2015. Dies ist ein ehrgeiziges Ziel, aber wirwerden mit aller Macht daran arbeiten, es zu erreichen.
Unter Ihrer Regierungszeit ging die Kapazität im Gü-terverkehr zurück. Im letzten Jahr gab es erstmalig eineSteigerung. Ich gehe davon aus, dass wir diesen Prozesssystematisch fortsetzen.Ich freue mich auch, dass Herr Mehdorn in der Task-force mitarbeitet. Sie versuchen hier, einen Gegensatz zukonstruieren: Mehdorn auf der einen und Bodewig auf deranderen Seite. Wir haben bewiesen, dass es diesen Ge-gensatz nicht gibt. Es geht darum, das Unternehmen Bahnaufzustellen, den Sanierungsprozess fortzusetzen.
Ihre Politik ist der Grund dafür, dass wir sanieren müs-sen. Sie sind diejenigen, die den Sanierungsprozess not-wendig gemacht haben.
Wir lösen das Problem, das Sie uns hinterlassen haben.Wir gestalten Politik.
Ich mache dies zusammen mit der DB AG und auch mitden Beschäftigten der DB AG. Das ist mir sehr wichtig.Die Bahn hat mit ihren Beschäftigten nach dem Zusam-menschluss von Deutscher Reichsbahn und DeutscherBundesbahn einen ungeheuren Integrationsakt geleistet.Sie wissen auch, dass dieser Prozess weitergeht. DiesesUnternehmen Bahn wird ein Unternehmen Zukunft.Ich sage auch: Unsere Maßnahmen werden dazu bei-tragen, die Verkehrsinfrastruktur systematisch auszu-bauen, die Neutralität des Netzes herzustellen, Unabhän-gigkeit zu schaffen, mehr Verkehr auf die Schiene zubringen, eine LKW-Maut einzuführen, die eine Nutzerfi-nanzierung darstellt. Ich denke, es ist gut, wenn dies allegemeinsam machen; auch mit dem Bahnvorstand unddem Aufsichtsrat.Ich bin gegen Streit in der Politik. Ich bin für gemein-sames Handeln bei der Gestaltung. In diesem Sinne hatsich Ihre Aktuelle Stunde erledigt. Sie haben versucht, ei-nen Keil zu treiben. Das ist misslungen. Mich freut dies.Mich freut dies auch im Interesse des UnternehmensBahn.
Ihre Frage betraf die Zukunft der Bahn in Deutschland.Die Zukunft der Schiene sieht durch unsere Gestaltungs-maßnahmen besser aus und die Zukunft des Unterneh-mens Bahn wird durch einen kontrollierten Sanierungs-prozess erfolgreich vorangetrieben. Dazu werden wirhinterher in diesem Hohen Hause gemeinsam sagen:Prima, es hat sich gelohnt, Probleme anzupacken sowieLösungen öffentlich breit zu diskutieren und dann gestal-terisch durchzusetzen.
Dies ist etwas, was wir bei Ihnen in den Jahren des Still-standes zutiefst vermisst haben.Herzlichen Dank.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Für die F.D.P.-Frak-
tion spricht der Kollege Horst Friedrich.
Frau Präsiden-tin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter HerrMinister Bodewig, die Aktuelle Stunde hat sich wahr-scheinlich in gewisser Weise überholt, aber nicht in derWeise, wie Sie es dargestellt haben, sondern dadurch, dassHerr Mehdorn Sie offensichtlich kassiert hat.
Nach Ihrer vollmundigen Aussage vom Sonntag warich kurzfristig in dem Glauben, dass bei Ihnen die Hoff-nung, dass es der Bahn besser gehen könnte, endlichdurch Wissen dessen, wie es geht, ersetzt worden ist. Dahaben Sie endlich das umgesetzt, was viele vorher fürrichtig befunden haben und welches der letzte entspre-chende Schritt sein musste, um mehr Wettbewerb und da-durch mehr Güter auf die Schiene zu bringen.
Nun kommt Ihre heutige Rede; sie klingt wie das ver-schüchterte Pfeifen im Wald. Dass Sie Herrn Mehdorn mitin die Taskforce nehmen, ehrt Sie, aber das ist ungefährso, als wenn Sie die Frösche damit beauftragen, denSumpf trockenzulegen. Das kann doch nichts werden, lie-ber Herr Bodewig. Herr Mehdorn hat deutlich erklärt,dass die Bahn für ihn inklusive der Netz AG funktionie-ren wird. Dafür habe ich volles Verständnis.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 2001
Bundesminister Kurt Bodewig15343
Eine Monopolrendite würde ich mir auch gerne geneh-migen. Welchen Anlass hat denn Herr Mehdorn, von die-sem bequemen Monopolsockel herunterzusteigen? Ernennt immer die Zahl von angeblich 150 Mitbewerbernauf der Schiene. Wir haben heute Morgen die eigentlicheZahl gehört, nämlich den tatsächlichen prozentualen An-teil der Wettbewerber auf der Schiene. Nein, das sind fürdie Bahn keine Wettbewerber. Das sind geduldete Zulie-ferer, damit der große Monopolist Bahn für einigeStrecken, die er von sich aus nicht mehr bedienen will,seine Zulieferer hat. Das ist aber kein Wettbewerb.
Jetzt lesen wir zu unserer großen Freude in einer heu-tigen Tickermeldung:Die definitive Herauslösung des Schienennetzes ausder BahnAG ist vorerst vom Tisch ... Der Kompromisszwischen Bodewig und Mehdorn besteht offenbardarin, dass der Minister erstmals betonte, dass auch einVerbleib in der Holding nicht ausgeschlossen sei.Nun, Herr Minister Bodewig, das ist ziemlich genaudas Gegenteil von dem, was Sie am Sonntag erklärt ha-ben.
An diesem Tag haben Sie erklärt, es gehe nicht um das Ob,sondern nur um das Wie und um den Zeitpunkt der Tren-nung. Darin sind wir uns einig. Wir sind einer Meinungdarüber, dass man über das Wie und den Zeitpunkt disku-tieren kann, aber nicht mehr über das Ob.
Nun ist die Frage: Was gilt denn jetzt tatsächlich? Heißtder neue Verkehrsminister in Zukunft Kurt Mehdorn oderHartmut Bodewig?
Wie halten Sie es denn? Von wem möchten Sie Eisen-bahnpolitik gestalten lassen, wenn Sie tatsächlich derMeinung sind, dass Eisenbahnpolitik von der Politik nochgestaltet werden muss? Ein bisschen politischer Einflusssollte noch vorhanden sein. Schließlich ist der Bund nochzu 100 Prozent Eigentümer. Man kann darüber diskutie-ren, was man macht, aber doch nicht mehr darüber, wo anden entsprechenden Stellschrauben gedreht werden muss.Eines will ich noch ansprechen: Die Koalition ausCDU/CSU und F.D.P. hat mit der Bahnreform das Themaauf das richtige Gleis gebracht.
Zu Beginn der Bahnreform haben wir damals bewusst aufdie Trennung von Netz und Betrieb verzichtet, weil wirgemerkt haben, dass die gleichzeitige Vereinigung vonDeutscher Bundesbahn und Deutscher Reichsbahn mitder Bahnreform und der Trennung von Netz und Betriebnicht zu schultern sein wird.
Das war schon damals offensichtlich.Es ist und bleibt eine Behauptung, wir hätten die Bahnnicht mit den entsprechenden Finanzmitteln ausgestattet.
Ich habe es Ihnen schon einmal nachgewiesen und HerrMehdorn hat im Ausschuss sogar zugeben müssen, dassdas Geld nicht verbaut werden konnte. Er hat die Begrün-dung angeführt, 1994 sei man von der Bahnreform über-rascht worden.
Man habe nicht gewusst, dass die Bahnreform kommeund habe deswegen die Gelder nicht verbauen können.Die Bahnreform kam ja auch von heute auf morgen, so-zusagen über Nacht. Das war damals ein entsprechenderManagementfehler. Er zieht sich durch das Thema wie einroter Faden.Auch jetzt liest man zwischen den Zeilen, dass von denangeblich so großen Summen, die zugesagt worden sind,über eine Milliarde wieder nicht verbaut werden kann.Damit man aber einem entsprechenden Vorwurf entge-gentreten kann, liest man jetzt schon, es sei nicht das Un-vermögen der Bahn, es nicht verbauen zu können, son-dern dies liege an dem Fakt, dass man das Ganze unterdem rollenden Rad machen müsse. An Baustellen dürfealso nicht so viel Geld ausgegeben werden, wie zur Ver-fügung stehe. – Das ist die blödeste Begründung, die ichjemals gehört habe, um Geld nicht auszugeben. Auf dereinen Seite kommt das große Jammern nach mehr Geld,auf der anderen Seite kommt sofort der Nachsatz, mankönne nicht alles ausgeben.
Entweder kann man das Geld ausgeben, dann braucht manes auch. Oder man kann das Geld nicht ausgeben, dannbraucht man kein großes Geschrei zu erheben, es werdenicht genügend Geld zur Verfügung gestellt.In diesem Sinne, Herr Minister Bodewig, waren IhreWorte eine große Enttäuschung. Ich bin gespannt, wie Siesich in den nächsten Runden bei diesem Thema herausla-vieren werden. Schauen wir einmal, was dabei heraus-kommt. Ich befürchte, dass es nichts Gescheites sein wird.Danke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Kol-lege Albert Schmidt für die Fraktion des Bündnis-ses 90/Die Grünen.
Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich glaube gern, dass euch das stinkt. Wennes um die Bahn geht, ist Schmidt immer überall. Darüberbraucht ihr euch keine Sorgen zu machen.
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Horst Friedrich
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Seit Hartmut Mehdorn als Chef der Deutschen Bahn Ak-tiengesellschaft seinerzeit gesagt hat: „Den Unfug mitdem Transrapid zwischen Hamburg und Berlin machenwir nicht“, explodiert Dirk Fischer wie eine Rakete an Sil-vester, wenn nur der Name Mehdorn fällt.
Sie, Herr Kollege Fischer, haben damals anscheinendein Trauma erlitten und müssen jetzt bei jeder Gelegenheit– wenn es keine gibt, versuchen Sie, eine zu konstruieren –diesem Manager – er ist einer der erfolgreichsten Mana-ger dieses Landes – ans Bein pinkeln. Dafür habe ich so-gar ein gewisses Verständnis. Aber glauben Sie ja nicht,dass dies eine Basis für Politik ist. Und glauben Sie janicht, dass Sie mit der heutigen Aktuellen Stunde ange-sichts des überwältigenden positiven Presseechos derletzten Tage nur einen einzigen Punkt gewinnen werden.
Wenn Sie einmal einen Moment nachdenken würdenund sich überlegten, wie die Bilanz der ersten 100 Tagedieses Ministers aussieht, müssten Sie unvoreingenom-men sagen: Die trilaterale Vereinbarung – zwischen Fi-nanzministerium, Verkehrsministerium und Bahn – istunter Dach und Fach und schafft berechenbare Finanz-zusagen für die nächsten drei Jahre. – Das ist ein Ergeb-nis, das Sie nie angestrebt und schon gar nicht zustandegebracht haben. – Das ist der erste Punkt.
Zweitens. Wir haben den Branchentarifvertrag unterDach und Fach. Es ist schwierig gewesen, diesen Vertragzwischen den Beschäftigten und der Unternehmens-führung auszuhandeln. Der Vertrag schafft wichtige Vo-raussetzungen und hat der Unterstützung durch die Poli-tik bedurft, die den Beschäftigten gesagt hat: Ihr werdetnicht auf die Straße geschickt, ihr werdet nicht entlassen,sondern wir nehmen unsere Verantwortung wahr, sei esdurch Vorruhestandsregelungen oder andere Rahmenre-gelungen, die wir für euer Unternehmen schaffen.
Drittens – das ist das, was euch ärgert –: Der Verkehrs-minister sagt: Wir machen in verschiedenen Punkten mitden Vorschlägen der Pällmann-Kommission Ernst.
Er will in den Fragen einer Finanzierungsgesellschaft, ei-ner schrittweisen Umsteuerung in der Verkehrswegefi-nanzierung, von einer Steuer- zu einer Nutzerfinanzie-rung, beginnend bei der Bahn und beim LKW, und miteiner Taskforce, das heißt mit einer Arbeitsgruppe, die de-zidiert eine Entscheidung, die uns durch die EuropäischeUnion vorgegeben ist, vorbereitet, nämlich das Netz füralle Verkehrsunternehmen, die die Schiene nutzen, unab-hängig zu stellen, Ernst machen. Das ist doch eine her-vorragende Bilanz nach 100 Tagen und dass Sie das är-gert, kann ich sogar verstehen.
Nun ist, lieber Kollege Friedrich, die Frage nach derUnabhängigkeit des Netzes keine Glaubensfrage, wie dasvon manchen überstilisiert wird.
– Du musst meine Rede nachlesen. – Sie ist eine nüch-terne Frage nach der Effizienz. Wenn die rechte Seite die-ses Hauses schon immer ein so großes Herz für den Wett-bewerb auf der Schiene gehabt haben will, wenn sie dennso sehr für die Weiterentwicklung der Bahnreform und dieTrennung von Netz und Betrieb ist, muss ich Sie fragen:Warum haben Sie denn in all den Jahren nichts dafür ge-tan? Warum haben wir denn heute diese Situation?
– Ja, nachdem ihr in der Opposition wart, habt ihr den An-trag vorgelegt und nicht vorher!Es geht jetzt schlicht und einfach darum, in einem ver-antwortlich organisierten Prozess die Organisationsformund den zeitlichen Verlauf, in dem die Unabhängigkeitdes Netzes zu bewerkstelligen ist, sicherzustellen. Dassetzt selbstverständlich voraus, dass auch der Vorstanddes Unternehmens aufs Engste mit einbezogen ist. DieTatsache, dass heute noch einmal erklärt worden ist, dassHartmut Mehdorn in dieser Taskforce produktiv mitarbei-ten wird, widerlegt doch den Anlass der von Ihnen bean-tragten Aktuellen Stunde.
Wir werden diesen Prozess in Ruhe vorantreiben; eswird nicht aus der Hüfte geschossen, da es in dieser Frageauch um Beschäftigte geht. Sie werden sich noch öfter är-gern müssen, weil wir diesen Prozess beharrlich betreibenwerden.Abschließend will ich Ihnen noch sagen: Die Um-strukturierung im Unternehmen ersetzt in gar keinerWeise die Sanierung des Netzes durch ordentliche Finanz-zusagen. Darin liegt die eigentliche Unverschämtheit Ih-res Auftretens hier.
Sie wollen nur verdecken, dass Sie der Bahn über Jahrehinweg Gelder vorenthalten haben, die sie dringend
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Albert Schmidt
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gebraucht hätte. Wir müssen jetzt beides bewältigen,nämlich die Strukturreform durch mehr Innovation undmehr Investitionen. Diese Aufgabe haben Sie uns hinter-lassen und Sie können sicher sein: Wir werden sie verant-wortlich, konsequent, beharrlich und erfolgreich lösen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Für die PDS-Fraktion
spricht jetzt der Kollege Dr. Winfried Wolf.
Sehr geehrte Frau Präsi-
dentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir stellen fest,
dass jetzt alle Fraktionen im Bundestag für die Trennung
von Fahrweg und Betrieb eintreten. Wir stellen weiter
fest, dass diese Trennung eine alte Forderung der Um-
weltbewegung ist, die seit Mitte der 80er-Jahre erhoben
wird, um eine Chancengleichheit für alle Verkehrsträger,
in diesem Falle zugunsten der Bahn, zu realisieren. Wir
müssen aber auch feststellen, dass bei der Bahnreform im
Jahre 1994 explizit gesagt wurde, dass eine Trennung
nicht stattfinden solle und dass erst ungefähr seit Herbst
des letzten Jahres einzelne Anträge – nicht nur von der
F.D.P., sondern auch von der PDS – eingebracht wurden,
die dieses Thema konkret aufgreifen.
Ich möchte aber zunächst festhalten, dass die Aus-
führungen in dieser Debatte und die Erklärung von Herrn
Bodewig auf dem Grünen-Parteitag im Grunde der Fest-
stellung eines Desasters in der gesamten Bahnpolitik und
auch in der Bahnreform gleichkommen. Immerhin regie-
ren SPD und Grüne schon zweieinhalb Jahre. In der Zeit
hat sich der Zustand des Netzes weiterhin verschlechtert
und die Zahl der Langsamfahrstrecken auf real 3 000 ver-
größert.
Die allgemeine Verwirrung ist ja auch dadurch zum
Ausdruck gekommen – was sehr seltsam ist –, dass der
Aufsichtsratschef Vogel die Trennung von Fahrweg und
Betrieb zuerst fordert und dann zurücktreten muss, dann
in Stuttgart bekannt gegeben wird, dass die Trennung
doch realisiert werden soll, daraufhin Mehdorn erklärt,
dass er zurücktreten wolle, und jetzt irgendetwas, was da-
zwischen liegt – die jetzt angestrebte Lösung ist mir auch
nicht klar geworden –, realisiert werden soll.
Wenn man generell für die Trennung von Fahrweg und
Betrieb eintritt, dann muss man auch bedenken, dass der
Teufel im Detail steckt. Ich möchte vier Teufelchen – da-
rüber hat bisher kein Mensch geredet – aufzählen.
Erstens. Was für eine Art von Netzgesellschaft soll es
denn sein? Es wurde gesagt, es solle eine private Gesell-
schaft, eine Aktiengesellschaft, sein. Wir glauben dage-
gen, dass es, wenn es eine Trennung gibt, eine staatliche
Gesellschaft sein müsste, die die Grundversorgung im Be-
reich der Infrastruktur – wie bei den Wasserwegen – si-
cherstellen muss. Im Grunde würde man mit einer solchen
Gesellschaft dem Modell der erfolgreichsten europä-
ischen Bahn, der Schweizer Bahn, nacheifern.
Zweitens. Es wurde bisher von keinem Menschen da-
rauf hingewiesen, dass die Finanzierung der Fahrwege
auch nach der Trennung von Fahrweg und Betrieb garan-
tiert werden muss und eine solche Garantie von vornher-
ein integraler Bestandteil einer solchen Bahnreform sein
muss.
Drittens. Mehdorn hat Recht, wenn er darauf hinweist,
dass Betrieb und Unterhalt in einer Hand sein sollten. Hier
stehen zwei Modelle zur Auswahl: zum einen das Modell
Railtrack in Großbritannien, wo es eine vollkommene
Trennung gibt – mit katastrophalen Folgen – zum anderen
das Modell Reseau in Frankreich, wo das Netz zwar for-
mal in der Hand des Staates ist, er direkten Zugriff hat,
aber der Betrieb weiterhin in der Hand der SNCF liegt,
das heißt, Betrieb und Unterhalt sind weiterhin in einer
Hand. Das französische Modell Frankreich wäre auch bei
uns realisierbar.
Viertens. Die Trennung von Fahrweg und Betrieb
müsste mit einer Neuordnung der Trassenpreise einher-
gehen, das heißt, es müssten Trassenpreise festgelegt wer-
den, durch die der privat betriebene Schienenverkehr vor
allem auf Nebenstrecken nicht behindert wird. Die Re-
form müsste so durchgeführt werden, dass die Trassen-
preise allgemein und speziell auf den bedrohten Neben-
strecken gesenkt werden, um zur Aufnahme des
Schienenbetriebs auch auf stillgelegten Nebenstrecken zu
ermuntern.
All diese vier Punkte wurden nicht konkretisiert. Herr
Bodewig, Sie haben dazu nichts gesagt und sogar für neue
Konfusion gesorgt. Es gibt damit zwei Möglichkeiten:
Entweder es kommt zu der angedeuteten Trennung – wie
sie auch von F.D.P. und Grünen vertreten worden ist –, das
heißt weitere Entstaatlichung und Fortsetzung des Weges
an die Börse und der Zerschlagung der Bahn. Oder es
kommt zu der Lösung, die Herr Bodewig angekündigt hat,
was weiteres Chaos bedeuten würde, ähnlich dem Chaos,
das in den letzten zwei Jahren in der Bahnpolitik mit drei
Verkehrsministern und mit der Ankündigung auf dem
Grünen-Parteitag und der halben Zurücknahme derselben
angerichtet wurde.
Der Charme der von der CDU/CSU beantragten Aktu-
ellen Stunde liegt darin, dass die Diskussion über das
Thema dort hingeholt worden ist, wo sie hingehört, näm-
lich in das Parlament. Ich fordere, dass die Diskussion
auch nach der Aktuellen Stunde fortgesetzt wird und kon-
krete Konzepte auf den Tisch gelegt werden, in denen
mindestens die von mir angesprochenen „vier Teufelchen
im Detail“ berücksichtigt werden. Vielleicht gibt es noch
ein paar andere.
Danke schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nächster Redner istder Kollege Dr. Wolfgang Bötsch für die CDU/CSU-Frak-tion.
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Albert Schmidt
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Frau Präsidentin!Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Es istja interessant, dass der der SPD angehörende Ministerausgerechnet einen Grünen-Parteitag für seinen Auftrittwählte.
Ich gehe davon aus, dass er dieses Forum gewählt hat, umetwas mehr als in der Vergangenheit zur Kenntnis ge-nommen zu werden, also gewissermaßen zur Steigerungdes eigenen Bekanntheitsgrades. Ich gehe nicht davonaus, dass er Fusionsverhandlungen zwischen den Grünenund der SPD führen sollte.Mit einer vernünftigen und in die Zukunft gerichtetenVerkehrspolitik war der Name Bodewig jedenfalls bishernicht verbunden. Herr Minister, Sie konnten die Flick-schusterei nicht beseitigen, die die Bundesregierung mitdrei Bundesverkehrsministern in der Verkehrspolitik in-zwischen angerichtet hat.In der Sache selbst hat die CDU/CSU – das haben Sieja vielleicht gemerkt; Kollege Fischer hat das vorhin nocheinmal unterstrichen – Ihren Vorstoß nicht kritisiert. ImGegenteil: Mit dem, was Sie in Stuttgart gesagt haben,möchte sie Sie durchaus unterstützen. Aber wir stellenfest, dass spätestens seit heute offenbar wieder zurückge-rudert wird.
Die Taskforce – das ist ja ein sehr ambitionierter Be-griff in diesem Zusammenhang; das gebe ich zu –
wird sich mit der Frage zu beschäftigen haben, inwieweitmit welchen Liberalisierungsmaßnahmen endlich Wettbe-werb auf die Schiene gebracht wird und somit zufrie-denere Kunden für die Bahn gewonnen werden können.Im Gegensatz zu Ihrer Behauptung von vorhin geht es unsnicht um Ideologie, nicht um Kunst um der Kunst willen,nicht um Wettbewerb um des Wettbewerbs willen, son-dern zufriedene Kunden sollen bleiben und andere Kun-den sollen gewonnen werden.
Der beste Weg dahin ist ein funktionierender Wettbe-werb. Dazu ist es schlicht und einfach erforderlich, dassdie Bahn pünktlich, schnell, flächendeckend und preis-wert ist. Keine dieser Voraussetzungen erfüllt dieBahn AG im Augenblick.
Deshalb ist es auch nicht mehr als hohles Gerede, wennimmer wieder mit neuen Werbekampagnen Ankündi-gungen gemacht werden, denen aber keine Taten folgen.Zur Pünktlichkeit: Sie sagen, es seien 97 Prozent. Ichfrage Sie, Herr Kollege Schmidt, warum an einem Sonn-tag, an dem fast kein Güterverkehr auf der Schiene rollt,der ICE 10 bis 15Minuten Verspätung hat. Wenn Sie dannIhren viel gepriesenen Verbund im Verkehr erreicht ha-ben, dann haben Sie zwar große Flughafenbahnhöfe mitEventecken oder Eventbereichen, aber das Flugzeug ver-passen Sie, weil der Zug Verspätung hat. Sie haben nurdann eine Chance, das Flugzeug zu erreichen, wenn Sieeinen früheren Zug wählen, den Sie eigentlich nichtwählen wollten.
Vieles dient nicht der Aufklärung, sondern der Verwir-rung der Reisenden. Gehen Sie einmal zum Bahnhof Zooin Berlin und vergleichen Sie, was auf den gedruckten Ab-fahrtstafeln steht, den Wagenstandsanzeigern, auf demDisplay auf den Bahnsteigen, in den Fahrplänen zu denStädteverbindungen und dem Faltblatt „Ihr Zugbeglei-ter“! – Sie finden nur Widersprüchliches; der Kunde wirdnur verwirrt.
Wenn man dann Herrn Mehdorn einen Brief schreibt,dann antwortet irgendjemand in abwägenden Worten,weil der Herr Mehdorn offenbar keine Zeit hat, einenBrief an einen Abgeordneten wenigstens zu unterschrei-ben.
Warum die Information der Reisenden im Zeitalter desMobilfunks so schlecht ist, dass zum Beispiel bei geän-derter Wagenfolge auf dem Bahnsteig erst in letzter Se-kunde gesagt wird, die Wagen stehen an einer anderenStelle, ist nicht zu verstehen. Die Werbung im Fernsehenist keine Satire, sondern dargestellte Wirklichkeit: DieBahn ist nicht in der Lage, im Verlaufe einer Stunde aufder Fahrt von Nürnberg nach Würzburg in Würzburg an-zurufen, dass der Zug heute eine andere Wagenreihen-folge hat.Ich kann Ihnen die Entschuldigungen der Reihenfolgenach aufzählen: Oberleitungsschaden, Gleisschaden,Weichenschaden,
Heizungsschaden, Schäden am Triebkopf, Toiletten ver-stopft, Kaffeemaschine kaputt. So ungefähr lautet die Rei-henfolge dessen, was Sie täglich erleben, wenn Sie mit derBahn fahren. Dort liegen die Ursachen, warum Sie keineneuen Kunden bekommen.Meine Damen und Herren, gefragt ist zunächst das Ma-nagement der Bahn, Herr Mehdorn. Ich denke, er sollteHinweise, die gut gemeint sind, nicht einfach abwiegeln,sondern ihnen nachgehen.Gefragt ist aber auch die Bundesregierung, gefragt sindauch Sie, Herr Minister Bodewig. Kündigen Sie nicht nuran, handeln Sie! Wenn Sie vernünftig handeln, haben Sieunsere Unterstützung.
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Vielen Dank.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nächste Rednerin für
die SPD-Fraktion ist die Kollegin Karin Rehbock-
Zureich.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Kollege
Bötsch, gefragt gewesen wären Sie und Ihre Fraktion in
den letzten Jahren, in denen Sie an der Regierung waren,
als es darum ging, die Investitionsmittel der Bahn nach
der Bahnreform auf dem Niveau zu halten, wie es einmal
in der Größenordnung von 9 bis 10 Milliarden DM fest-
gelegt wurde.
Dies haben Sie nicht getan. Jetzt haben wir eine Aktuelle
Stunde, für die eine Zeitungsente der Anlass ist. Eines ist
doch ganz klar:
Es wird Ihnen nicht gelingen, einen Keil zwischen die
DB AG und uns hinsichtlich des gemeinsamen Ziels zu
treiben. Dieses gemeinsame Ziel heißt: mehr Verkehr auf
die Schiene. Wir werden dieses gemeinsame Ziel errei-
chen. Wir haben erste Schritte getan: Wir haben die Inves-
titionsmittel von 6 Milliarden DM auf 9 Milliarden DM
erhöht, die Rahmenbedingungen insgesamt verbessert
und ein Konzept für die Unabhängigkeit des Netzes, was
Voraussetzung für mehr Wettbewerb in der Zukunft ist,
auf die Tagesordnung gebracht.
Sie haben über Wettbewerb immer als Selbstzweck dis-
kutiert. Das war ein Stück Ideologie.
Der Maßstab, den Sie angelegt haben, ist nicht unser Maß-
stab.
Unsere zukünftige Verkehrspolitik wird darauf ausgerich-
tet sein, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Aus
diesem Grund werden die Chancen und Risiken zukünfti-
ger Konzepte genau abgeklopft.
In der heutigen Diskussion im Verkehrsausschuss wurde
auch vonseiten Dr. Pällmanns ganz deutlich gesagt, dass es
nicht um einen Selbstzweck gehen dürfe, sondern vor dem
Hintergrund des Zieles, mehr Verkehr auf die Schiene zu
bringen, geschehen müsse. Es gibt ja nun ein schreckliches
Beispiel: England kann für uns kein Vorbild sein.
Ihr Verhalten finde ich insgesamt sehr seltsam. Sie tre-
ten einerseits für die Trennung von Netz und Betrieb ein.
Andererseits bringen Sie einen Antrag ein, mit dem Sie
die Anzahl der pro Jahr zu fahrenden Zugkilometer fest-
legen und garantieren wollen. Dazu muss ich Ihnen schon
sagen: Das Ansinnen, die Zugkilometer in der Republik
festzulegen, widerspricht Ihrem Anspruch, durch die
Trennung von Netz und Betrieb mehr Verkehr auf die
Schiene zu bringen.
Sie fordern hier eine Rückkehr zur alten Behördenbahn.
Sie müssen selbst sehen, wie Sie dies unter einen Hut
bringen wollen.
Die DB AG ist dabei, ihre Ziele zu erreichen. Sie er-
zielte im Güterverkehr ein Plus von 13 Prozent und im Be-
reich der Personenkilometer ein Plus von 4 Prozent. Dies
ist der erste Schritt in eine bessere Zukunft. Mit den rich-
tigen Rahmenbedingungen vonseiten der Politik werden
wir gemeinsam mit der DB AG und den Fachleuten den
Weg in die richtige Richtung einschlagen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nächster Redner für
die CDU/CSU ist der Kollege Georg Brunnhuber.
Frau Präsidentin!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass derHerr Minister heute bei dieser Aktuellen Stunde anwesendist.
Herr Minister, ich habe mich gefreut – das habe ich vorwenigen Tagen in einem Interview gelesen –, dass Siesinngemäß erklärten, dass Sie stolz sind, deutscher Ver-kehrsminister zu sein.
Ich freue mich darüber. Wenn das aber Ihr Kabinettskol-lege Trittin liest, verdächtigt er Sie bei Ihrer Frisur derDeutschtümelei und bezeichnet Sie als Skinhead.
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Dr. Wolfgang Bötsch15348
Wir nehmen Sie aber in Schutz. Hier im Parlament sitzenja noch mehr mit der gleichen Frisur.
Wir unterstützen Sie im Grunde genommen nicht nurdort. Am Sonntag – als ich in den verschiedenen Fern-sehnachrichten Ihre Äußerungen vernommen habe –dachte ich mir: Jawohl, jetzt geht es mit der Bahn in dierichtige Richtung.
Es hat noch nicht einmal zwei ganze Tage gedauert,
da sind Sie schon wieder – kehrt, marsch! – umgekehrt.Wiederum passiert das, was Herr Mehdorn schon mehr-mals – auch mit Ihrem Vorgänger – gemacht hat: Er ziehtSie schneller über den Tisch, als Sie denken können.Als es um den Transrapid ging, hat Herr MehdornHerrn Klimmt mit völlig falschen Daten, Zahlen und Fak-ten über den Tisch gezogen.
Ergebnis: Transrapid weg. Mit seinen Darstellungen dergroßen Finanzdefizite hat er Ihren Vorgänger und auch Siedazu gebracht, dass man in den nächsten Jahren der Bahneinen Schubkarren voll Geld nachschmeißt. Vor wenigenTagen ist herausgekommen: Das Defizit ist gar nicht sogroß; eigentlich ist es gar keins. Im Grunde genommenhandelt es sich nur um ein Berechnungsproblem.
Herr Bodewig, wenn Sie nicht aufpassen, dann zieht erSie in dieser Sache über den Tisch und die Verkehrspoli-tik von Rot-Grün ist endgültig gescheitert. Sie sind janicht ohne Grund auf die 1994 beschlossene Trennungvon Netz und Betrieb gekommen. Ihre Devise im Wahl-kampf 1998 „Mehr Güter auf die Schiene“ ist imJahre 2001 doch restlos gescheitert.
Nichts von alledem ist wahr geworden. Da Sie erst100 Tage Verkehrsminister sind, nehme ich Ihnen ab, dassSie aus eigenem Erleben nicht wissen können, dass derZuwachs des letzten Jahres nicht durch die Bahn inDeutschland erfolgt ist, sondern weil die Bahn AG inHolland in einer Kooperation mit einem holländischenBetrieb Tonnage zugekauft hat.
Im Gegenteil: Die Anzahl der auf der Schiene transpor-tierten Güter und der Umfang des Güterverkehrs insge-samt sind zurückgegangen. Herr Minister, Ihre jetzige Po-litik wird scheitern.Es ist gut, dass wir heute die Gelegenheit haben, überdieses Thema zu sprechen. Die Arroganz, die HerrMehdorn selber an den Tag legt, ist im ganzen Unternehmenzu spüren, vom Kopf bis hinunter in den kleinsten Bahnhof.
Sonst könnte es nicht sein, dass man 1 000 Anschlüssekündigt, ohne mit den dortigen Unternehmen zu sprechen.Diese Unternehmen haben im September ein Schreibenbekommen, in dem ihnen mitgeteilt wurde, dass sie ab1. März nicht mehr bedient werden, entweder sie bauendie Schiene selber ab oder man baut sie auf deren Kostenab – Feierabend! Darüber gab es kein weiteres Gespräch.Ich nehme Ihnen ausdrücklich ab, dass Sie sich in mei-nem Wahlkreis Königsbronn sehr bemüht haben. Nach-dem Sie Herrn Mehdorn angeschrieben hatten, hat er nochnicht einmal richtig geantwortet. Er hat überhaupt nichtsgemacht. Die Unternehmen vor Ort haben keine Informa-tion. Die Bürgermeister vor Ort wurden noch nicht einmalinformiert. Durch das Schließen von drei Anschlüssen inmeiner Region sind 12 000 LKWs pro anno mehr nötig.1 000 solcher Anschlüsse werden in der BundesrepublikDeutschland gestrichen. Hochgerechnet bedeutet das100 000 LKWs mehr. Das ist das Ergebnis der Politik vonRot-Grün. Trotzdem wollen Sie sich als Förderer derBahn feiern lassen.
Das Gleiche gilt auch für die Streichung von Interregio-verbindungen. Im Verkehrsausschuss und im Plenum desDeutschen Bundestages wird gar nicht mehr darüber dis-kutiert, dass die Bahn im Grunde genommen tut, was siewill. Sie will nur eines: mehr Geld. Das schieben Sie rüber.Aber Sie verlangen nicht, dass auch entsprechende Leis-tungen erbracht werden. Herr Minister, wann hat es dasschon einmal gegeben, dass – die SPD musste dabei etwasgeschoben werden – nicht nur die Regierungskoalition,
sondern die gesamte Opposition den Minister bei derTrennung von Netz und Betrieb unterstützt? Sie sind um-gefallen, bevor der Krieg überhaupt begonnen hat, bevorman mit den Verantwortlichen der Bahn AG richtig insGespräch gekommen ist.
Ich kann Ihnen nur versichern: Wenn Sie nicht schnellhandeln, wenn sie in den nächsten Wochen oder Monaten,auf jeden Fall noch im Jahr 2001, nicht zu Ergebnissenkommen, dann – das prophezeien wir Ihnen – ist dieseLegislaturperiode vorbei und Sie sind als Verkehrsminis-ter gescheitert.
Wenn Sie etwas Vernünftiges machen wollen, dann gehenSie auf die Opposition zu; Sie haben unsere Unterstüt-zung. Wir können gemeinsam die Trennung von Netz undBetrieb angehen.
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Georg Brunnhuber15349
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Brunnhuber, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Wenn das Herrn
Mehdorn nicht passt: Wir finden auch einen neuen Bahn-
chef. Das garantiere ich Ihnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nächster Redner istder Kollege Helmut Wilhelm für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.Helmut Wilhelm (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!Wenn ich etwas nicht mehr verstehe, meine Damen undHerren von der CDU/CSU, dann ist es der Anlass für dieheutige Aktuelle Stunde.
Ich weiß wirklich nicht, was an diesem Thema neu seinsoll. Die Rechtslage in dieser Frage ist altbekannt. Dassdie Trennung von Netz und Betrieb einer sorgfältigen Prü-fung bedarf und dass es keine Schnellschüsse geben darf,ist doch wohl offenkundig.Zur rechtlichen Situation. In Art. 87 e des Grundgeset-zes steht bereits:Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschafts-unternehmen in privatrechtlicher Form geführt.Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit dieTätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, dieUnterhaltung und das Betreiben von Schienenwegenumfasst.Gemeint ist also genau der Bereich des Netzes. Weiterwird geregelt, dass eine Allgemeinwohlverpflichtung be-steht und dass Aktienanteile nicht verkauft werden dürfen,wenn die Aktienmehrheit dann nicht mehr beim Bund lie-gen würde.
All das ist altbekannt. Ich frage Sie deshalb, warum Sieeine Aktuelle Stunde beantragt haben. Dieser Artikel zeigtdoch, dass in der während Ihrer Regierungszeit vorge-nommenen Grundgesetzänderung, die für das Eisenbahn-neuordnungsgesetz notwendig war, eine Trennung vonNetz und Betrieb ausdrücklich vorgesehen wurde.
Dies ist sinnvoll, weil es ebenso wie beim VerkehrswegStraße eine Gemeinwohlverpflichtung des Staates gibt.Im Klartext: Der Gesetzgeber hat die Entscheidung übereine spätere Ausgliederung des Netzes von Anfang an of-fen gelassen. Es gibt also in dieser Frage nichts Aktuel-les.Wir stehen fest auf dem Boden des Grundgesetzes.
Angesichts Ihres Verlangens nach einer Aktuellen Stundemuss ich aber fragen: Haben Sie eigentlich vergessen,dass während Ihrer Regierungszeit mit breiter Zustim-mung des Hauses dieser Weg im Grundgesetz verankertworden ist? Warum fragen Sie angesichts angeblicher ge-gensätzlicher Auffassungen von Bahnvorstand und Bun-desregierung nach der Zukunft des Unternehmens Bahn?Unterstellen Sie etwa Herrn Mehdorn, ihm sei die Rechts-lage bis heute nicht bekannt gewesen?
Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.Die Koalitionsfraktionen haben volles Vertrauen in dieFähigkeit des Bahnvorstandes, das Unternehmen DB AGzu sanieren.
Bisher war ich der sicheren Überzeugung – insbesondereauch nach der Expertenanhörung im Verkehrsausschuss –,auch Ihre Fraktion befürworte die unternehmerische Tren-nung von Netz und Betrieb. Das haben Sie auch heutewieder ausdrücklich bestätigt.
Dass wir die Vorgehensweise bei der Trennung vonNetz und Betrieb sorgfältig überlegen werden und dassmit Sicherheit verschiedene Modelle geprüft werdenmüssen, ist doch wohl selbstverständlich. Auch Sie konn-ten doch nicht erwarten, dass dies von heute auf morgenpassiert. Herr Dr. Wolf von der PDS hat es richtig gesagt:Der Teufel steckt im Detail. Wir werden uns mit diesemThema sorgfältig auseinander setzen.
Sehen Sie die Situation doch einmal folgendermaßen:Nachdem Ihre Bundesregierung dem neu gegründetenUnternehmen DBAG nur noch in stark reduziertem Um-fang Mittel gewährt hat, ist gerade beim Netz derNachholbedarf besonders groß. Diese Entwicklung gehtdoch auf Ihr Konto. Gerade in diesem Punkt steuert dieneue Bundesregierung entschieden gegen.Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, lassenSie doch bitte solche Scherze und kleinkarierten Verdäch-tigungen, indem Sie von einem Kleinkrieg zwischen Re-gierung und Bahnvorstand sprechen!
Machen Sie bitte endlich eine konstruktive Oppositions-politik und helfen Sie mit, dieses uns doch allen wichtigeSystem Bahn auf ein sicheres Gleis zu setzen!
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. März 200115350
Danke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Kol-
lege Klaus Hasenfratz für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! LiebeKolleginnen! Liebe Kollegen! Ich möchte die AktuelleStunde nutzen, um einige an der Sache orientierte Sätzezu sagen.
Die Aktuelle Stunde ist deshalb deplatziert, weil sie nurdarauf angelegt ist, aufgrund einer Zeitungsente – das istschon mehrfach gesagt worden –
einen Keil zwischen Bundesverkehrsminister KurtBodewig und den Bahnvorstand zu treiben.
Es ist wohl bei allen Rednern der Opposition unverkenn-bar, dass man sich Herrn Mehdorn seit einiger Zeit – denZeitpunkt hat der Kollege Schmidt genannt – als Feind-bild auserkoren hat.
Dass Herr Mehdorn eine unternehmerische Führungs-position hat und die Bahn nach vorne bringen muss, istdoch ganz logisch. Aber, wie der Kollege Wilhelm es hierausgeführt hat, auch der Staat hat hier eine Aufgabe, diewir sehr ernst nehmen. Ich glaube, es kann nicht wider-sprochen werden, wenn ich feststelle: Schon bei der Re-gierungsübernahme haben wir gezeigt, dass wir dieseAufgabe in Angriff nehmen.Der erste Schritt des Verkehrsministers Münteferingwar,
die Pällmann-Kommission ins Leben zu rufen.
Der Endbericht liegt seit einem halben Jahr vor. Ich warerfreut, heute Morgen in der Ausschussberatung feststel-len zu können, dass es zu wesentlichen Teilen dieses End-berichtes, vorgetragen von Herrn Pällmann, über dieFraktionsgrenzen hinweg eine große Übereinstimmunggibt. Offen bleibt, wie wir mit den Vorschlägen derPällmann-Kommission nachher im Detail umgehen.
Jetzt wird, Herr Goldmann, Eile eingefordert mit demHilfsargument des Kollegen Friedrich, dass man diese of-fen gelassene Option der Trennung von Netz und Betriebnur deshalb nicht auf den Weg habe bringen können, weildie Zusammenführung der Deutschen Reichsbahn undder Bundesbahn dem im Wege gestanden habe.
Da kann ich nur lachen.
Selbst in dem Antrag der CDU/CSU vom 13. Februar2000 wird die Bundesregierung nicht aufgefordert, eineTrennung von Netz und Betrieb vorzunehmen.
– Die F.D.P. wusste ja schon immer alles. Sie sind sicher-lich im Besitz der Glaskugel und können die nächstenzehn Jahre schon im Voraus sehen.
Soweit ich mich erinnern kann – bis 1987, seitdem ichdem Bundestag angehöre –, war die F.D.P. in der Regie-rungskoalition.
Wo war denn da Ihr Antrag?
Jetzt kommen Sie im Jahre 2001.
Da kann ich nur sagen: Guten Morgen! Ausgeschlafen?Wenn Sie immer sagen, Sie hätten schon alles gewusst,dann hätten Sie als Fraktion oder als Arbeitsgruppe Ver-kehr seit 1994 Gelegenheit gehabt, entsprechend dieserweit reichenden Voraussicht – da Sie ja über hellseherischeFähigkeiten verfügen –, Ihre Vorstellungen umzusetzen.
Ich werde Sie demnächst fragen, was im Jahre 2012 ist,damit wir die Weichen richtig stellen können.
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Helmut Wilhelm
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Ich will Ihnen noch einmal sagen: Wir haben 1998durch Minister Müntefering die Pällmann-Kommissionins Leben gerufen. Wir haben für den Investitionsbedarfder Schiene, den Sie in Grund und Boden gefahren haben,für die Jahre 1999, 2000, 2001, 2002 und 2003 26 Milli-arden DM zur Verfügung gestellt. Damit lässt sich wahr-lich gut arbeiten.Herr Bötsch, die verstopften Klos und die Verspätun-gen der Züge gibt es ja nicht erst seit dem 27. September1998.
Auf der Schiene ist eine wesentliche Verbesserung deut-lich erkennbar. Aber Sie waren nun einmal unglückli-cherweise in einem Zug, der in einem Tunnel stecken ge-blieben ist. Auf die 1,5 Milliarden Menschen bezogen, diedie Bahn jährlich befördert, ist die Zahl der genanntenVerspätungen gering. Auch ich habe am Wochenende ineinem verspäteten Zug gesessen, weil ein LKWgegen einBrückenbauwerk gefahren ist. Das kann man natürlichnicht der Bahn anlasten. Ich werbe also dafür, dass wir imInteresse der Bahn gemeinsam den Abschlussbericht derPällmann-Kommission zur Grundlage machen.Ich wiederhole, was ich von diesem Rednerpult aus be-reits gesagt habe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das muss jetzt aber
der Schlusssatz sein, Herr Kollege Hasenfratz. Wir sind in
der Aktuellen Stunde.
Wenn das – ich sage es so
burschikos – in die Hose geht und wir die Bahn nicht für
die nächsten Jahre fit machen, dann wird es weder Ge-
winner bei der Opposition noch Gewinner bei der Regie-
rungskoalition geben. Dann werden die Bahn und deren
Beschäftigte verloren haben, aber auch diejenigen, für die
die Bahn da sein soll, die Kunden. Deshalb appelliere ich
an Sie, dass wir das, was der Verkehrsminister jetzt im
wahrsten Sinne des Wortes auf die Schiene gesetzt hat,
gemeinsam konstruktiv begleiten.
Vielen Dank.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt spricht der Kol-
lege Eduard Lintner für die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte FrauPräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! HerrHasenfratz, Sie haben zu Recht betont, dass wir die Bahn-politik dieser Bundesregierung natürlich unter anderemdaran messen werden, ob das, was der Minister angekün-digt hat, ernst gemeint ist. Genau das ist auch Zweck derAktuellen Stunde: ihn auf seine öffentlichen Ankündi-gungen festzulegen.
Wie berechtigt die Aktuelle Stunde ist, zeigt die Tatsa-che, dass innerhalb von zwei Tagen wieder ernsthafteZweifel an dieser Ankündigung aufgekommen sind.
Diese Zweifel haben nicht wir von der Oppositiongenährt, sondern der dritte Verkehrsminister dieser Bun-desregierung innerhalb von zweieinhalb Jahren.
– Das ist doch wahr, Herr Hasenfratz. Sie lesen diesel-ben Zeitungen wie ich, nehme ich an, und haben auchansonsten dieselben Nachrichtenquellen. Dort ist ebenzu lesen und zu hören, dass Herr Mehdorn nach wie voran seiner Auffassung festhält und der Minister seitdemnur zurückrudert. Er tut dies in zeitlicher Hinsicht, in-dem er sagt, man habe noch viel zu tun, und er setzt Ar-beitskreise ein, für die bekanntlich das Sprichwort gilt:Wenn einer nicht mehr weiter weiß, dann gründet er ’nenArbeitskreis. Genau nach dieser Methode wird hier ver-fahren.
Wir begrüßen ja seine Absicht; das haben wir bereitszum Ausdruck gebracht. Sie entspricht auch unserer altenForderung, die schon bei Beginn der Bahnreform erhobenworden war. Aber die Ankündigung allein reicht uns beiweitem nicht aus – damit ist die Kuh nicht vom Eis –, son-dern wir werden Sie an den Taten, an dem, was tatsächlichumgesetzt wird, messen.
Dazu gehört, wie in den Kommentaren ebenfalls zu le-sen war, viel Geld – viel mehr Geld, als Sie der Bahn zur-zeit zugestehen wollen. Es werden für die Dauer von min-destens einem Jahrzehnt etwa 10 Milliarden DM pro Jahrgebraucht, während Sie bisher nur für drei Jahre Finanz-sicherheit über 9 Milliarden DM geschaffen haben. Hinzukommt, dass die Bahn bis heute noch nicht einmal in derLage ist, diesen Betrag zu investieren; denn sie hat im vo-rigen Jahr wieder 1,1 Milliarden DM zurückgegeben undzugeben müssen, dass sie diese Mittel gar nicht für Inves-titionen ausgeben kann.
Uns ist der Zeitraum von vier bis fünf Jahren, den Sie,Herr Bodewig, in Aussicht gestellt haben, viel zu lang;denn er bedeutet, dass Sie die Trennung von Bahnbetriebund Schienennetz bis weit nach der nächsten Bundestags-wahl und womöglich weit nach Ablauf der Amtszeit desHerrn Mehdorn, der im Moment für vier Jahre verpflich-tet ist, verschoben haben. Deshalb gibt es begründeteZweifel daran, ob Sie das Ganze überhaupt ernst meinen,ob das nicht ein Geschenk war, das Sie den Grünen ge-macht haben. Ich will auch nicht ganz ausschließen, dass
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Klaus Hasenfratz15352
es auch ein Instrument für Sie gewesen sein könnte, umsich populär zu machen.
Meine Damen und Herren, eines fehlt noch: die solideFinanzierung des Vorhabens. Weil Angaben dazu fehlen,gibt es viel Raum für Spekulationen. Zwangsläufig mussman deshalb all das, was hier erörtert worden ist, mit dennoch nicht präzisierten Einzelheiten zum Beispiel für dieMaut für LKWs verquicken. Sie haben nämlich etwa imgleichen zeitlichen Zusammenhang auch verlauten las-sen, dass deren Höhe noch nicht feststehe. Sie haben ge-sagt, dass es eventuell Möglichkeiten gäbe, etwa die Er-hebung der Ökosteuer über das Jahr 2003 hinaus zuverlängern. Ich füge hinzu – auch wenn Sie sich selbst an-ders äußern –, dass der eigentliche Hausherr in der Bun-desregierung im Hinblick auf die Finanzen, Herr Eichel,das keineswegs ausgeschlossen hat. Es ist auch denkbar,dass vielleicht nach einer Anstandsfrist nach der Bundes-tagswahl die Maut von den LKWs noch auf die PKWsausgedehnt wird.Ich habe ein wenig den Verdacht, dass Sie das dann al-les mit dem ungeheuren Finanzbedarf begründen wollen,der jetzt für die Eisenbahn entstanden ist. Deshalb werdenwir sehr darauf achten, dass dies nicht zum bloßen Ein-nahmenpool der Bundesregierung verkommt, der ihrmehr Einnahmen verschafft, ohne dass – was unser Zielist – tatsächlich für die Bahn etwas Zusätzliches hinsicht-lich der Qualität herauskommt.Der Plan muss also nach unserer Auffassung vielschneller über die Bühne gehen, als dies von Ihnen an-gekündigt worden ist. Es sollte bis 2004 möglich sein, dasProjekt insgesamt abzuschließen. Es sollte vor allemmöglich sein – das fordern wir auch –, dass Sie noch vorder Bundestagswahl die Finanzierungsquellen bekanntgeben, aus denen Sie diese Bahn-Netz AG ausstatten wol-len, damit sie den Anforderungen des Art. 87 e Abs. 4 desGrundgesetzes gerecht werden kann.Die ausdrückliche Verpflichtung im Grundgesetz lau-tet, auf diesem intakten Netz ein Verkehrsangebot zu er-möglichen, das dem Wohl der Allgemeinheit Rechnungträgt. Sie, Herr Bodewig, und die Regierung darauf zuverpflichten, ist Anliegen des vorhin genannten Gesetz-entwurfes von Baden-Württemberg und Bayern, die dafürSorge tragen wollen, dass Sie sich nicht durch die Festle-gung eines bestimmten Mindestangebots aus diesergrundgesetzlich abgesicherten Verpflichtung davonsteh-len.
Wir brauchen also eine Verstetigung und auch eine Er-höhung der verbindlichen Investitionszusagen des Bun-des, wenn das Ganze überhaupt einen Sinn machen undnachhaltig sein soll.Im Übrigen begrüße ich den Plan auch aus der Sicht derBelegschaft der Bahn. Lassen Sie mich das bitte noch sa-gen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Lintner,
aber bitte nur ganz kurz. Das ist eine Aktuelle Stunde.
Selbstverständlich,
Frau Präsidentin. Ich will nur darauf hinweisen: Mit dem
Netz hat die Bahn nie die Chance, in die schwarzen Zah-
len zu kommen. Ich kann mir vorstellen, wie schwierig es
dann für eine Belegschaft ist, sich positiv zu motivieren.
Wie dringend die Bahn das braucht, hat Kollege Wolfgang
Bötsch hier dargelegt.
Ohne das Netz besteht eventuell die Chance. Deshalb be-
grüße ich Ihre Planung auch aus der Sicht der vielen hun-
derttausend Eisenbahner, die davon betroffen sind.
Sie haben jetzt die Möglichkeit, ihre Leistungen einzu-
bringen. Sie können ihre Leistungen dann auch an einem
positiven Ergebnis messen. Das ist eine weitere Folge die-
ses Vorhabens. Ich kann Sie nur ermutigen, das tatsächlich
durchzusetzen. Wir werden Sie jedenfalls daran messen.
Vielen Dank.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es spricht jetzt Kol-
lege Reinhard Weis für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU/CSU-Frak-tion hat diese Aktuelle Stunde angemeldet – es ist schongesagt worden –, um einen Keil zwischen Bahn AG, Bun-desregierung und Koalitionsfraktionen zu treiben.
Dieser Versuch ist gescheitert.
Nun versuchen Sie, aus der Not eine Tugend zu ma-chen. Sie unterstellen, die offen gehaltene Beantwortungder Frage, wie denn das Ziel, mehr Verkehr im ModalSplit auf die Schiene zu bekommen, zu erreichen ist, seials Einknicken des Ministers zu interpretieren. Auch diesist zum Scheitern verurteilt.
Sie verlangen doch wohl nicht im Ernst, dass dieseSchlüsselfrage ohne Prüfung zu entscheiden ist. Esmüsste auch bei Ihnen gelten, dass jede Prüfung auch einnegatives Prüfergebnis haben kann. Sie wissen auch ganzgenau
– hören Sie zu, was ich Ihnen sage! –: Auf diesen Statusquo kann in dieser Entscheidungsfrage gar nicht zurück-gefallen werden, weil die EU die bilanzielle und die
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Eduard Lintner15353
unternehmerische Trennung des Netzbetreibers von dem,der den Verkehr auf der Schiene abwickeln soll, fordert.
– Na gut, dann behaupten Sie nicht, dass wir bei dem jet-zigen Zustand bleiben wollten.
Koalitionsfraktionen, Bundesregierung und Bahn AGhaben seit dem Regierungswechsel einen guten Job ge-macht. Ich wiederhole zwei, drei Zahlen: Die Produkti-vität der Bahn AG hat sich mehr als verdoppelt. Die Ver-kehrsleistungen konnten sowohl im Güterverkehr – um9 Prozent – als auch im Personenverkehr – um 17 Pro-zent – gesteigert werden.Vergessen Sie bei der Bewertung der Bahn AG nicht:Sie ist in Europa mit Abstand diejenige Bahn, die die meis-ten Verkehrsleistungen erbringt. Das ist eine beachtlicheLeistung. Unser Dank gilt natürlich und ganz ausdrück-lich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in diesemProzess die Leistungsträger sind.
Allerdings ist die Verschiebung innerhalb des ModalSplit noch nicht erreicht. Hier liegt unsere verkehrspoliti-sche Verantwortung. Deshalb sage ich ganz deutlich: Un-sere verkehrspolitische Verantwortung hat auch eine an-dere Seite. Wenn die Bahn AG im Zusammenhang mitihrem Sanierungskonzept ihre Leistungen vor allem imGüterverkehr auf den Prüfstand stellt, dann sind wir ver-pflichtet, zu überlegen, wie eine eventuelle Reduzierungdes Leistungsangebots der Bahn AG kompensiert werdenkann.Das reicht aber nicht. Denn unser Ziel ist mehr Schie-nenverkehr für Kunden in der Güter- und Personenbeför-derung. Das heißt, wir müssen die Chancen für zusätzli-che Anbieter im deutschen Schienenverkehr verbessern.Bei den heutigen Strukturen und Organisationsformen istdas so nicht optimal zu leisten.Die Botschaft vom Wochenende ist – die gilt auchheute noch und weiterhin, da die Mitarbeit von HerrnMehdorn in der Taskforce bekannt gegeben worden ist –,dass für dieses Problem eine Lösung gesucht wird, die zumehr Leistungen auf der Schiene und im Ergebnis zumehr Wettbewerb führt.Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Finan-zierung des Schienennetzes in enger Verbindung mit derOrganisation des Bahnwesens insgesamt steht. Wir habenheute Morgen mit Herrn Pällmann ausgiebig darüber dis-kutiert. Aber auch er hat heute Morgen festgestellt, dassdie Bandbreite dessen, was entschieden werden muss, vonder Neutralisierung bis zur Trennung reicht. Er kann des-halb nicht als Ihr Kronzeuge für die missglückte Beantra-gung der heutigen Aktuellen Stunde gelten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es spricht der KollegeKlaus Lippold für die CDU/CSU-Fraktion.Dr. Klaus W. Lippold (CDU/CSU) (vonAbgeordneten der CDU/CSU mit Beifall begrüßt): FrauPräsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!Herr Minister Bodewig, vor gut 100 Tagen haben wir esbegrüßt, dass Sie nach zwei gescheiterten Ministern insAmt gekommen sind. Denn wir hatten gehofft, dass daseine neue Chance bedeutet.
Wir haben uns in der Folgezeit, Herr Minister – denn Siehaben damals gesagt, der Verkehrsbereich sei für Sie neuund Sie kämen aus einem anderen Beritt –, in unserer Kri-tik zurückgehalten, weil wir jedem eine faire Chance ge-ben, sich einzuarbeiten.
Am letzten Wochenende haben Sie sich, Herr Minister,auf dem Parteitag der Grünen zum Reformer hochstilisierenlassen. Ich habe den Parteitag im Fernsehen verfolgt. Sie ha-ben den Delegierten, die gläubig auf Ihre Lippen geschauthaben, gesagt: Wir werden Netz und Betrieb trennen.
Sie haben nicht gesagt, dass Sie ergebnisoffen prüfenwerden.Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wenn Sie gesagt hätten:„Ich werde ergebnisoffen prüfen“, hätten Sie dort nicht ei-nen solch frenetischen Beifall erhalten. Sie haben Hun-derte von Delegierten getäuscht. Albert Schmidt versuchtheute mühsam, darüber hinwegzugehen, dass die Erwar-tungen, die auch er dort geweckt hat, durch Sie jetzt wie-der einkassiert worden sind.
Ich will nicht das Bild vom Tiger, der gesprungen istund als Bettvorleger gelandet ist, strapazieren.
Aber deutlich ist doch: Sie sind kein Reformer, HerrMinister. Sie haben nicht die Kraft, dem gestandenen Un-ternehmer Mehdorn Paroli zu bieten. Der holt einmal tiefLuft, dann hängen Sie quer unter der Nase und aus IhremReformeifer wird nichts. Das ist der Punkt.
Herr Bodewig, das ist schade. Denn wir haben, nach-dem wir sehr lange und sorgfältig geprüft hatten, ob dieTrennung von Netz und Betrieb der richtige Weg sei, undzum Ergebnis gekommen sind, dass nur so wirklich eineVerlagerung des Verkehrs auf die Schiene möglich ist,
gedacht, dass Sie eingesehen haben, dass die Bahn mitIhrem bisherigen Kurs die Verlagerung des Verkehrs von
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Reinhard Weis
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der Straße auf die Schiene nicht schafft und dass Sie des-halb Ihren Kurs ändern müssen. Denn deutlich ist doch:Ein Rückzug aus der Fläche und die Schließung von An-schlussstellen, Herr Bodewig, führen bei der Bahn zumgenauen Gegenteil. Das heißt, die Marschrichtung derBahn geht derzeit in eine völlig andere Richtung, als Siehier darzustellen versuchen.
Dazu sagt der verantwortliche Minister nichts. Er stelltnur für die ferne Zukunft, nämlich für 2015, in Aussicht,dass sich bis dahin der Verkehr auf der Schiene verdoppelthaben könnte. Woher nehmen Sie eigentlich angesichtsdessen, dass die Bahn heute in die völlig falsche Richtungmarschiert, das Zutrauen, dass irgendwann einmal eineTrendwende eintritt? Nein, Sie wollen jetzt Nebelkerzenwerfen, um von Ihrem Versagen abzulenken. Der ge-scheiterte Reformator Bodewig, der die Delegierten derGrünen getäuscht hat,
ist nicht der Mann, der hier durchsetzt, was zwingend not-wendig wäre: Reform bei der Bahn. Das ist der entschei-dende Punkt.
Wir haben die Finanzierungsproblematik hier sehrdeutlich zum Ausdruck gebracht. Wir haben Bahnent-schuldungsaktionen vorgenommen. Wir haben der BahnMittel zur Verfügung gestellt, die von ihr nie investiv aus-gegeben werden konnten; verschiedene Kollegen habendas hier deutlich gemacht.
Es muss wirklich ein Umdenken einsetzen, damit wir zuErgebnissen kommen.
Ich freue mich, dass auf die Pällmann-Kommissionverwiesen worden ist. Nur, liebe Kolleginnen und Kolle-gen von der SPD-Fraktion,
das Einsetzen einer Kommission ist das eine; das Liegen-lassen ihrer Ergebnisse über ein Dreivierteljahr ist das an-dere; das Nichtumsetzen dieser Ergebnisse ist das Dritte.Ihr Fehler ist, dass Sie nicht im Traum daran denken, das,was die Pällmann-Kommission Ihnen aufgeschrieben hat,umzusetzen.
Darin liegt das Scheitern der zukünftigen Verkehrspolitikbegründet. Sie haben keine Perspektive. Sie haben keinenBundesverkehrswegeplan, den Sie noch in dieser Legisla-turperiode abschließen wollen.
Sie haben kein schlüssiges Konzept für den Straßenver-kehr. Sie haben kein schlüssiges Konzept für die Was-serstraßen.Mit einer so konzeptionslosen Politik, die noch dazuvon einem solchen Hickhack von Versprechungen,Ankündigungen und sofortigen Zurücknahmen geprägtist, schaffen Sie nicht das Vertrauen, das die Bahn braucht.Sie schaffen damit auch keine Zukunftsperspektive für dieBahn. Ich bedaure das, Herr Minister. Es wäre besser, Siewürden zu einem entschlossenen Reformkurs zurückkeh-ren. Sie haben – das sage ich Ihnen ganz deutlich – vor-läufig jede Menge Kredit verspielt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der letzte Redner in
dieser Aktuellen Stunde ist der Kollege Konrad Kunick,
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehrverehrten Damen und Herren! Die Polemik des Kollegen,die wir gerade gehört haben,
– ja, ich weiß –, kann über bestimmte Übereinstimmun-gen überhaupt nicht hinwegtäuschen. Die erste Überein-stimmung – ich will einmal feststellen, dass sie erfreulichist –: Niemand hier im Raume hat an der überproportio-nalen Finanzierung des Systems Schiene durch den Deut-schen Bundestag für kommende Jahre Kritik geübt. Es istja nicht selbstverständlich, dass ein Verkehrssystem, dasgegenwärtig 15 Prozent der Transportleistungen im Gü-terbereich und – wenn man den ÖPNV noch dazu nimmt –15 Prozent der Transportleistungen im Personenbereicherbringt, mit 50 Prozent der Infrastrukturinvestitionen desVerkehrshaushaltes und zusätzlich noch mit 13,5 Milliar-den DM für den Regionalverkehr in den Ländern geför-dert wird. Das Vorhandensein dieser Übereinstimmungeröffnet die Chance, die Bahnreform zu ihren Zielen zubringen; denn die erste Voraussetzung ist, dass man vieleJahre lang Finanzsicherheit hat.Wir sehen zweitens eine Übereinstimmung in demPunkt, dass Neutralität bei der Handhabung des Netzeseine Voraussetzung für die Bahnreform ist. Bei all demPulverdampf, der hier entstanden ist, ging es lediglich umdie Frage, wie diese Neutralität zu gewährleisten ist. Es istnur vernünftig, darüber eine gründliche und natürlichauch zeitlich eng begrenzte Debatte in Gang zu setzen, ander auch die beteiligt werden, die das Hauptunternehmenauf der Schiene bleiben werden.
Wir sagen als Sozialdemokraten aber ganz deutlich: Wirwollen diese Neutralität. Es geht nicht an, dass der größte
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Dr. Klaus W. Lippold
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Konkurrent auf der Schiene darüber bestimmt, ob und zuwelchen Bedingungen andere am Verkehr teilnehmenkönnen.
Wenn darüber Einigkeit besteht, dann geht es nur ums De-tail. Über dieses Detail werden wir reden.Der vom Verkehrsminister gegangene Weg zeigt imÜbrigen, dass die Bahn sich umso stärker um ihre eigent-lichen Zukunftsfragen kümmern muss. Die eigentlicheZukunftsfrage, meine Damen und Herren, ist, wenn wirdie Prognosen für das kommende Jahrzehnt sehen, derGüterverkehr. Der Gesamtgüterverkehr soll in einemJahrzehnt um 68 Prozent wachsen, der Personenverkehr,die Personenmobilität um 20 Prozent.Wenn also die Verlagerung auf die Schiene das Zielbleiben soll – und es kann ja nicht angehen, dass auf dieDauer die Hälfte des Geldes für 15 Prozent der Transporteausgegeben wird –, dann bedeutet das eine gründlicheUmorganisation der Güterbahn, ihre Kooperation mit Pri-vaten, ihre Konkurrenz mit anderen Transportkonzernen,damit auf der Schiene endlich mehr zum Rollen kommt.Es reicht nicht aus, Ganzzüge für die Automobilindus-trie, die Chemieindustrie, für einige große Häfen zu orga-nisieren. Unter den Bedingungen des europäischen Wett-bewerbs, der kommen wird, werden auch andere mitdiesen Zügen fahren wollen. Es kommt schon darauf an,sich intensiv um den kombinierten Ladungsverkehr zukümmern. Es kommt schon darauf an, mit Spediteuren zu-sammenzuarbeiten und nicht zu glauben, man könne es al-lein machen. Es kommt meines Erachtens im Interesse ei-ner reformierten Güterbahn auch darauf an, im Umkreisvon 300 Kilometern auch LKW in Bewegung zu setzen;denn nur die Zusammenarbeit von Schienenbahn als Gü-terbahn und LKW-Verkehr kann gewährleisten, dass wirdiese außerordentlichen Zuwächse, die politisch gewolltsind, auch halbwegs erreichen können.Vor diesem Hintergrund – das will ich noch einmal sa-gen – ist die Neutralisierung des Netzes dringend erfor-derlich.
Denn es muss, wenn es eng wird, entschieden werden, obder Personenzug den Vorrang hat oder auch einmal wich-tige Güterzüge den Vorrang haben. Und es muss entschie-den werden, ob und wie die Konkurrenten der Bahn in dasGanze so hineinkommen, dass das System Schiene insge-samt im nächsten Jahrzehnt einen großen Aufbruch erlebt.Was wir gegenwärtig erlebt haben, war ein ständigesZurückgehen im Modal Split. Die Produktivitätssteige-rung des letzten Jahres ist ja zu einem Teil auch der Ver-ringerung der Personalzahlen bei der Bahn geschuldet.Das sind nicht alles großartige Erträge!Es muss also vorangehen. Wir setzen die nötigen fi-nanziellen Daten für die Bahnreform. Die Bahn muss sichanstrengen. Voraussetzung ist auch, dass es zu einer gutenZusammenarbeit zwischen Verkehrsministerium undBahn kommt, zwischen den Parteien dieses Hauses zu-mindest da, wo die Polemik nicht so wirksam ist wie hierauf offener Bühne.Das alles sollte die Gelegenheit geben, mit dem SystemBahn voranzukommen. Wir brauchen es ja, auch wenn esnur minderheitlich unsere Bevölkerung und ihre Güter be-fördert.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Kunick,
auch wenn Sie heute das Schlusswort haben: Es muss jetzt
ein Ende haben. Wir sind in der Aktuellen Stunde.
Ja, das Ende ist der Halbsatz:
Überhaupt nur im Überlauf von der Straße auf eine leis-
tungsfähigere Schiene ist das zu bewältigen, was die
Volkswirtschaft an Transporten braucht.
Schönen Dank.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich schließe die Aus-
sprache.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Schluss
unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste
Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Don-
nerstag, den 15. März 2001, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.