Protokoll:
14107

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 107

  • date_rangeDatum: 7. Juni 2000

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:57 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 10013 A Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Solda- tengesetzes und anderer Vorschriften) . 10013 B Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin BMVg 10013 B Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . . . . . . . . 10014 A Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin BMVg 10014 B Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10014 D Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin BMVg 10015 A Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 10015 C Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA . . . . . . 10015 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10016 A Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA . . . . . . 10016 B Tagesordnungspunkt 2: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der deutschen Beteiligung an einer in- ternationalen Sicherheitspräsenz im Ko- sovo zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur militärischen Absicherung der Friedensregelung für das Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrats der Vereinten Natio- nen vom 10. Juni 1999 (Drucksache 14/3454) . . . . . . . . . . . . . . . . 10016 C Zusatztagesordnungspunkt 1: Vereinbarte Debatte zur Zukunft derBun- deswehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10016 C Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10016 D Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10018 D Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10021 A Jörg van Essen F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10023 C Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10025 B Peter Zumkley SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10028 A Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 10029 D Peter Zumkley SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10032 A Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 10032 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg . . . 10032 B Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . . . . . . . . 10038 A Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10039 A Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 10040 C Dr. Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10044 B Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde (Drucksache 14/3490) . . . . . 10045 A Zusammenlegung von Bundeswehrkassen und Fusionen mit anderen Bundeskassen; Auswir- kungen auf Arbeitsplätze MdlAnfr 44 Georg Girisch CDU/CSU Antw PStSekr Brigitte Schulte BMVg . . . . . . 10045 A Bericht über die geplante Lieferung von Fuchs- Spürpanzern an die Vereinigten Arabischen Emirate Plenarprotokoll 14/107 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 107. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 7. Juni 2000 I n h a l t : MdlAnfr 45 Erich G. Fritz CDU/CSU Antw PStSekr Brigitte Schulte BMVg . . . . . . 10045 C ZusFr Erich G. Fritz CDU/CSU . . . . . . . . . . . 10045 D ZusFr Heidi Lippmann PDS . . . . . . . . . . . . . . 10046 A Auswirkungen eines möglichen Erwerbs von Anteilen an der Firma Krauss-Maffei Weg- mann durch den amerikanischen Konzern Ge- neral Dynamics (GD) sowie der Übernahme der spanischen Staatsfirma Santa Barbara durch GD auf den Know-how-Transfer (Tech- nologietransfer) und die europäische Zusam- menarbeit in der Rüstungsindustrie MdlAnfr 46 Werner Siemann CDU/CSU Antw PStSekr Brigitte Schulte BMVg . . . . . . 10046 B Verstoß gegen die Menschenwürde bei Ertei- lung von Arbeitsverboten MdlAnfr 1 Dirk Niebel F.D.P. Antw PStSekr Ulrike Mascher BMA . . . . . . . 10046 D ZusFr Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 10046 D ZusFr Heidi Lippmann PDS . . . . . . . . . . . . . . 10047 C Finanzierung der Unterstützung afrikanischer Armeen in den Bereichen Konfliktverhütung und Friedenssicherung; Zusammenarbeit mit dem BMVg MdlAnfr 4, 5 Carsten Hübner PDS Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . .10047 D, 10048 A Unterstützung afrikanischer Armeen in den Bereichen Konfliktverhütung und Friedenssi- cherung; Kriterien bei der Entscheidung MdlAnfr 6, 7 Heidi Lippmann PDS Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . . 10048 B, C ZusFr Heidi Lippmann PDS . . . . . . . . . . . . . . 10048 C ZusFr Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . 10048 D Abweisung des Antrags der Sudetendeutschen Landsmannschaft auf Entschädigungszahlun- gen an die noch lebenden sudetendeutschen Opfer der Vertreibung aus dem deutsch-tsche- chischen Zukunftsfonds; Engagement für eine Rückübertragung oder Entschädigung des nach dem Zweiten Weltkrieg konfiszierten Ei- gentums der in der seinerzeitigen Tschecho- slowakei verbliebenen Deutschen MdlAnfr 8, 9 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . .10049 B, 10050 A ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . .10049 B, 10050 A Erleichterung der Einreise ausländischer IT- Spezialisten aus Ländern außerhalb der EU zum Zwecke des Bewerbungsgesprächs MdlAnfr 10 Dirk Niebel F.D.P. Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 10050 D Einstellungspraxis gemäß Schreiben des BMI vom 13. Januar 2000 (Tarifgebiet Ost und West); betroffene Berufsgruppen MdlAnfr 13, 14 Gerhard Jüttemann PDS Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . 10051 A, C ZusFr Gerhard Jüttemann PDS . . . . . . . . . . . 10051 C Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung; Auswirkungen auf die Hauptzoll- und Zolläm- ter MdlAnfr 15, 16 Norbert Barthle CDU/CSU Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . 10052 A, D ZusFr Norbert Barthle CDU/CSU . . . . . . . . . 10052 B Kosten der Werbekampagne des BMF „Nur wer eisern spart, ...“ MdlAnfr 17, 18 Helmut Heiderich CDU/CSU Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . .10053 A, 10054 C ZusFr Helmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . 10053 A ZusFr Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . 10053 C ZusFr Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . 10054 A ZusFr Werner Wittlich CDU/CSU . . . . . . . . . 10054 B Verstoß bestimmter Vorschriften des Steuer- senkungsgesetzes gegen den Datenschutz MdlAnfr 27 Günter Baumann CDU/CSU Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 10055 B ZusFr Günter Baumann CDU/CSU . . . . . . . . 10055 C Veröffentlichung neuer AfA-Tabellen MdlAnfr 28 Gerhard Schüßler F.D.P. Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 10056 A ZusFr Gerhard Schüßler F.D.P. . . . . . . . . . . . 10056 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 107. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juni 2000II Bereitstellung der Finanzmittel zum Bau des S-Bahn-Projektes Leipzig–Halle MdlAnfr 47 Wolfgang Dehnel CDU/CSU Antw PStSekr Siegfried Scheffler BMVBW 10056 C ZusFr Wolfgang Dehnel CDU/CSU . . . . . . . . 10057 A Bereitstellung der Finanzmittel für den Grund- erwerb zum Bau der Hüttentalstraße (B 62) von Siegen-Dreisbach bis zum Mudersbacher Kreisel MdlAnfr 52 WernerWittlich CDU/CSU Antw PStSekr Siegfried Scheffler BMVBW 10057 C ZusFr Werner Wittlich CDU/CSU . . . . . . . . . 10057 C Reduzierung der durch Inlineskater verursach- ten Schäden MdlAnfr 54 Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU Antw PStSekr Siegfried Scheffler BMVBW 10058 A ZusFr Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10058 A Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zu den steigenden Mine- ralölpreisen und der Forderung nach Verzicht auf die bzw. Aussetzung der Ökosteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10059 A Rainer Brüderle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10059 A Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . 10060 A Norbert Barthle CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 10061 D Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10063 C Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10065 A Wolfgang Grotthaus SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 10066 B Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 10067 C Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10068 C Dr. Bernd Protzner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 10069 D Detlev von Larcher SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 10070 D Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . . 10072 A Iris Gleicke SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10073 B Franz Obermeier CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 10074 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . 10075 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10076 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 10077 A Anlage 2 Referendum über die künftige Regierungs- form in Uganda MdlAnfr 2, 3 Joachim Günther F.D.P. Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . 10078 A Anlage 3 Anzahl der seit Oktober 1998 in den Ruhe- stand versetzten politischen Beamten; Kosten MdlAnfr 11 Dietrich Austermann CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 10078 C Anlage 4 Mangelnde Kompensation für das Verkehrsge- werbe bei der Erhebung der Ökosteuer trotz Senkung der Lohnnebenkosten MdlAnfr 19, 20 Georg Brunnhuber CDU/CSU Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 10078 D Anlage 5 Zweckbindung eines Anteils der aus den Mi- neralölsteuererhöhungen erzielten Mehrein- nahmen für den Ausbau der Verkehrsinfra- struktur MdlAnfr 21, 22Hubert Deittert CDU/CSU Antw PstSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . . 10079 B Anlage 6 Verbesserungen bei der Gestaltung des Entlas- tungsmechanismus der Ökosteuer im Bereich der Produktionsmittelbesteuerung MdlAnfr 23, 24Elke Wülfing CDU/CSU Antw PstSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . . 10079 C Anlage 7 Einsparanreize für die Autofahrer durch hohen Benzinpreis MdlAnfr 25Heinz Seiffert CDU/CSU Antw PstSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 10080 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 107. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juni 2000 III Anlage 8 Steuereinnahmen 1999 aus der Mineralölsteu- er und der ökologischen Steuerreform; Höhe der in die Rentenversicherung geflossenen Summe MdlAnfr 26 Hans Michelbach CDU/CSU Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 10080 B Anlage 9 Veräußerung von Anteilen an der Bundes- druckerei Berlin MdlAnfr 29, 30 Dr. Christa Luft PDS Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 10080 C Anlage 10 Wahrnehmung von hoheitlichen Dienstleistun- gen, zum Beispiel für das BKA oder den Zoll, bei Veräußerung der Bundesdruckerei; Berück- sichtigung des Datenschutzes MdlAnfr 31, 32 Petra Pau PDS Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 10080 D Anlage 11 Sicherung des Datenschutzes bei der Privati- sierung der Bundesdruckerei MdlAnfr 33, 34 Barbara Höll PDS Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 10081 A Anlage 12 Verkauf der Bundesdruckerei: Wahrung der so- zialen Belange der Belegschaft; Mitarbeiter- beteiligung MdlAnfr 35, 36 Roland Claus PDS Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 10081 C Anlage 13 Entschädigung für die als Reparationen einbe- haltenen Auslandsvermögen deutscher Juden MdlAnfr 37, 38 Martin Hohmann CDU/CSU Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 10081 D Anlage 14 Neuorganisation der Bundeswehrkassen, ins- besondere in Bayern MdlAnfr 43 Benno Zierer CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 10082 B Anlage 15 Finanzierung des Weiterbaus der A 99 im Jahr 2002 MdlAnfr 49, 50 Gerda Hasselfeldt CDU/CSU Antw PStSekr Siegfried Scheffler BMVBW 10082 C Anlage 16 Aufnahme des Weiterbaus der Hüttentalstraße (B 62) Siegen-Süd bis zur Landesgrenze Rheinland-Pfalz in den Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans MdlAnfr 51 Paul Breuer CDU/CSU Antw PStSekr Siegfried Scheffler BMVBW 10082 D Anlage 17 Einführung einer Helmpflicht für Radfahrer MdlAnfr 53 Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU Antw PStSekr Siegfried Scheffler BMVBW 10083 A Anlage 18 Abweichung der Positionen des Bundeskanz- leramtes, des Auswärtigen Amtes und die BMWi hinsichtlich der Exporte von Ersatztei- len sowie weiterer Stückzahlen von Waffensys- temen in die Türkei MdlAnfr 40 Werner Siemann CDU/CSU Antw PStSekr Siegmar Mosdorf BMWi . . . . 10083 B Anlage 19 Maßnahmen zur Förderung der Kraft-Wärme- Kopplungskraftwerke angesichts der teilweise nicht vom KWK-Vorschaltgesetz erfassten KWK-Anlagen MdlAnfr 41 Georg Girisch CDU/CSU Antw PStSekr Siegmar Mosdorf BMWi . . . . 10083 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 107. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juni 2000 IV Anlage 20 Rückgang der Binnennachfrage nach PKWs vom Januar bis April 2000 MdlAnfr 42 Heinz Seiffert CDU/CSU Antw PStSekr Siegmar Mosdorf BMWi . . . . 10083 D Anlage 21 Verbesserung der Wettbewerbssituation für den deutschen Güterkraftverkehr MdlAnfr 55, 56 Wilhelm Josef Sebastian CDU/CSU Antw PStSekr Siegfried Scheffler BMVBW 10084 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 107. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juni 2000 V Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 107. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juni 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 107. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juni 2000 Michael Müller (Düsseldorf) 10076 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 107. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juni 2000 10077 (C) (D) Adler, Brigitte SPD 07.06.2000 Behrendt, Wolfgang SPD 07.06.2000** Binding (Heidelberg), SPD 07.06.2000 Lothar Bläss, Petra PDS 07.06.2000 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 07.06.2000 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 07.06.2000 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 07.06.2000** Klaus Carstensen CDU/CSU 07.06.2000 (Nordstrand), Peter H. Eich, Ludwig SPD 07.06.2000 Fischer (Homburg), SPD 07.06.2000 Lothar Gebhardt, Fred PDS 07.06.2000 Hanewinckel, Christel SPD 07.06.2000 Heinrich, Ulrich F.D.P. 07.06.2000 Hiller (Lübeck), SPD 07.06.2000 Reinhold Hörster, Joachim CDU/CSU 07.06.2000** Dr. Hornhues, CDU/CSU 07.06.2000 Karl-Heinz Hornung, Siegfried CDU/CSU 07.06.2000** Imhof, Barbara SPD 07.06.2000 Irmer, Ulrich F.D.P. 07.06.2000** Jäger, Renate SPD 07.06.2000** Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 07.06.2000 Lehn, Waltraud SPD 07.06.2000 Lenke, Ina F.D.P. 07.06.2000 Lintner, Eduard CDU/CSU 07.06.2000** Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 07.06.2000** Erich Müller (Berlin), PDS 07.06.2000* Manfred Müller (Zittau), SPD 07.06.2000 Christian Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ 07.06.2000 DIE GRÜNEN Neumann (Gotha), SPD 07.06.2000** Gerhard Reinhardt, Erika CDU/CSU 07.06.2000 Dr. Schäuble, CDU/CSU 07.06.2000 Wolfgang Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 90/ 07.06.2000 Irmingard DIE GRÜNEN Schloten, Dieter SPD 07.06.2000** Schmidt (Aachen), SPD 07.06.2000 Ulla Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 07.06.2000** Hans Peter Schröder, Gerhard SPD 07.06.2000 Strobl (Heilbronn), CDU/CSU 07.06.2000 Thomas Dr. Struck, Peter SPD 07.06.2000 Dr. Tiemann, Susanne CDU/CSU 07.06.2000 Violka, Simone SPD 07.06.2000 Widmann-Mauz, CDU/CSU 07.06.2000 Annette Wieczorek-Zeul, SPD 07.06.2000 Heidemarie Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 07.06.2000 Zierer, Benno CDU/CSU 07.06.2000** Dr. Zöpel, Christoph SPD 07.06.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm-lung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (A) (B) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Antwort des Staatsministers Dr. Ludger Volmer auf die Fragen des Abgeordneten Joachim Günther (Plauen) (F.D.P.) (Drucksache 14/3490, Fragen 2 und 3): Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das von Präsi- dent Yoweri Kaguta Museveni in Uganda beabsichtigte Referen- dum über die künftige Regierungsform den demokratischen Grundsätzen entspricht und geeignet ist, die rechtsstaatlichen Strukturen zu stärken? Mit welchen Mitteln unterstützt die Bundesregierung die Durchführung des Referendums und in welcher Weise beabsich- tigt sie, zu einer demokratischen Anforderungen entsprechenden Durchführung beizutragen? Zu Frage 2: Bei der Ausarbeitung und Verabschiedung der ugandi- schen Verfassung im Jahr 1995 konnte sich die damalige verfassungsgebende Versammlung nicht darauf einigen, das Mehrparteiensystem in Uganda wieder einzuführen. Stattdessen wurde in der Verfassung festgelegt, dass die Bevölkerung über diese Frage in fünf Jahren, das heißt im Jahre 2000 im Wege eines Referendums abstimmen solle. Dieses Referendum ist nunmehr für den 29. Juni 2000 an- beraumt. Die Referendumsfrage stellt die wahlberechtig- ten Ugander vor die Wahl zwischen dem „Movement- System“ Präsident Musevenis und dem Mehrparteiensys- tem. Beide Seiten werben seit einigen Wochen für ihr jeweiliges System. Präsident Museveni, der Uganda noch nicht für reif hält für ein Mehrparteiensystem, propagiert als Vorsitzender des „National Resistance Movement“ sein System einer „Demokratie ohne Parteien“ als „Plura- lismus unter einem gemeinsamen Dach“. Eine Mehrpar- teiengruppierung, die sich inzwischen in mehrere Flügel aufsplitterte, befürwortet eine Rückkehr zum Mehrpartei- ensystem. Die traditionellen Parteien rufen zum Boykott des Referendums auf. Wenn das Referendum fair durch- geführt und das Ergebnis nicht manipuliert wird, dürfte eine so gewonnene Entscheidung des ugandischen Volkes demokratischen Grundsätzen entsprechen. Es bleibt ab- zuwarten, ob während des Wahlkampfes, der dem Refe- rendum vorausgeht, Chancengleichheit für alle Parteien gewahrt ist. Eine Stärkung der rechtsstaatlichen Struktu- ren kann darin gesehen werden, dass die Bevölkerung mit dem Referendum von ihrem in der Verfassung garantier- ten Recht Gebrauch macht; da sie nach der Verfassung im Übrigen die Möglichkeit hat, die jetzt getroffene Ent- scheidung in einem späteren Referendum zu modifizie- ren, ist das Referendum zugleich Ausdruck einer Institu- tionalisierung des Demokratisierungsprozesses. Zu Frage 3: Bereits 1999 haben die in Uganda vertretenen zehn Mitgliedstaaten der EU, die EU-Kommission sowie die USA, Norwegen und Japan die „Referendum 2000- Gruppe“ gegründet. Ziel dieser Arbeitsgruppe ist es unter anderem, die „staatsbürgerliche Erziehung“ insoweit zu fördern, dass die wahlberechtigten Ugander über das In- strument des Referendums, ihre demokratischen Bürger- rechte und über Grundrechte wie Versammlungs-, Verei- nigungs-, Meinungs- und Pressefreiheit unterrichtet werden. Als „Transmissionsriemen“ für diese „Staatsbür- gerkunde“ dienen einheimische ugandische Nichtregie- rungsorganisationen. Deren Arbeit wird aus Mitteln fi- nanziert, die von Mitgliedstaaten der Arbeitsgruppe und der EU-Kommission aufgebracht werden. Das Budget für dieses Projekt beträgt etwa 4 Millionen US-$. Die Bun- desregierung hat sich bereit erklärt, aus Mitteln der De- mokratisierungshilfe des Auswärtigen Amts rund 180 000 DM dazu beizutragen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Frage des Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU/CSU) (Drucksache 14/3490, Frage 11): Wie viele politische Beamte sind mit welchen jährlichen Kos- ten für den Bundeshaushalt seit Oktober 1998 bis heute in den Ru- hestand versetzt worden? Seit dem Regierungswechsel am 27. Oktober 1998 bis zum 30. Mai 2000 sind insgesamt 67 politische Beamte in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Die jährli- chen Kosten für den Bundeshaushalt könnten nur in je- dem Einzelfall und damit verwaltungsaufwendig ermittelt werden. Die Höhe der Versorgungskosten ist zum einen vom Familienstand und der bisherigen Dienstzeit im öf- fentlichen Dienst abhängig, zum anderen auch davon, ob die Beamten inzwischen eine neue Beschäftigung aufge- nommen haben. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des Abgeordneten Georg Brunnhuber (CDU/CSU) (Druck- sache 14/3490, Fragen 19 und 20): Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass im Ver- kehrsgewerbe – ob Schiene, Schiff oder Straße – die Energiekos- ten einen erheblichen Teil der Produktionskosten ausmachen, in keinem Unternehmensbereich aber die Mehrbelastung durch die Energieverteuerung auch nur annähernd durch die Senkung der Lohnnebenkosten ausgeglichen werden, wie es die Bundesregie- rung versprochen hat? Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass das Mine- ralölsteueraufkommen, das der Güterkraftverkehr nach den Be- schlüssen der Koalition bis 2003 zu erbringen hat, mehr als ein Drittel der von den Unternehmen zu erwirtschaftenden Umsätze beträgt, die Mehrbelastung des überwiegend mittelständischen Güterkraftgewerbes aber lediglich zu 10 Prozent durch die Ab- senkung der Rentenversicherungsbeiträge kompensiert wird? Zu Frage 19: Die Politik der Bundesregierung ist darauf gerichtet, das Aufkommen aus der Ökosteuer zur Senkung der So- zialversicherungsbeiträge zu verwenden. Die Energiekos- ten – womit Sie vermutlich in erster Linie die Kraftstoff- kosten ansprechen – werden, wie die aktuelle Entwick- lung zeigt, maßgeblich durch den Rohölpreis und den Dollar-Kurs beeinflusst. So liegen die massiven Preisstei- gerungen der letzten Wochen um ein Vielfaches über den durch die ökologische Steuerreform erhöhten Kosten. Grundsätzlich haben die Kraftstoffkosten im Verkehrsge- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 107. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juni 2000 10078 (C) (D) (A) (B) werbe einen höheren Anteil an den Produktionskosten als in anderen Wirtschaftsbereichen. Dieser Anteil ist aber bei den verschiedenen Verkehrsträgern unterschiedlich hoch. Zudem muss zwischen dem Güter- und dem Personen- verkehr unterschieden werden. Entsprechend unter- schiedlich wirkt sich die mit dem Steuermehraufkommen aus der Ökosteuer finanzierte Senkung der Beitragssätze in der Rentenversicherung aus. Der Bundesregierung war von Anfang an bewusst, dass es Wirtschaftsbereiche ge- ben würde, in denen ein Vergleich der steuerlichen Ver- teuerung von Energie und der Entlastung in der Renten- versicherung eine Nettobelastung ergeben würde. Das Transportgewerbe ist ein Beispiel dafür. Bis zu einem ge- wissen Maße können höhere Energiekosten aber abge- wälzt bzw. weitergegeben werden. Daneben soll die Ener- gieverteuerung jedoch Anreize zum Energiesparen geben und auch verkehrspolitische Ziele verfolgen. Im Übrigen genügt es nicht, allein die Belastung durch die Ökosteuer zu betrachten, denn auch die Verkehrsunternehmen wer- den von der Steuerreform 2000 profitieren. Zu Frage 20: Diese Einschätzung teilt die Bundesregierung nicht, weil die bisher dazu vorliegenden Aussagen der Verbände und Forschungsinstitute voneinander abweichen und Er- gebnisse der von der Bundesregierung in Auftrag gegebe- nen Untersuchungen über die Auswirkungen der Öko- steuer noch nicht vorliegen. Bekannt ist aber, dass der Straßengüterverkehr durch die Mineralölsteuererhöhung im Zuge der ökologischen Steuerreform mit voraus- sichtlich 17,7 Milliarden DM zusätzlich belastet wird, während die Mineralölsteuererhöhungen der Vorgänger- regierung zu einer Zusatzbelastung von 22,6 Milliar- den DM geführt haben. Das Aufkommen aus der Öko- steuer – auch darin unterscheidet sich die Politik der Bun- desregierung von der ihrer Vorgängerin – wird jedoch über die Entlastung der Lohnnebenkosten vollständig an die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen zurückgegeben. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des Abgeordneten Hubert Deittert (CDU/CSU) (Drucksa- che 14/3490, Fragen 21 und 22): Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass allein in den ersten beiden Stufen der Ökosteuer durch die deutliche Er- höhung der Kraftstoffpreise um rund 14 Pfennig je Liter (inklu- sive Mehrwertsteuer) der Bund Mehreinnahmen von über 10 Milliarden DM erzielt hat, ohne dass hiervon Mittel zusätzlich in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur zurückgeflossen sind, und dass der Bund mit den nächsten drei Stufen der Ökosteuer weitere Mehreinnahmen aus den Mineralölsteuererhöhungen von in der Summe über 35 Milliarden DM und in den Folgejahren von weiteren rund 15 Milliarden DM pro Jahr erhalten wird, ohne dass für den Autofahrer eine Gegenleistung vorgesehen ist? Ist die Bundesregierung bereit, angesichts des Ausbaubedarfs in der Verkehrsinfrastruktur, wo allein im Bereich der Bundes- fernstraßen der Umfang rechtskräftig planfestgestellter, also bau- reifer Projekte bundesweit über 5 Milliarden DM beträgt, für die keine Finanzierung besteht, einen Anteil aus den Mehreinnahmen der Mineralölsteuer zweckzubinden? Zu Frage 21: Die Bundesregierung teilt diese Einschätzung nicht. Die Mehreinnahmen aus der ökologischen Steuerre- form dienen – mit Ausnahme eines Betrages von 200 Millionen DM für das Programm zur Förderung re- generativer Energien – einzig und allein der Senkung der Lohnnebenkosten und beleben damit den Arbeitsmarkt. Insoweit ist auch für die Masse der Autofahrer eine Ge- genleistung gegeben. Zu Frage 22: Die Bundesregierung ist nicht bereit, Teile der Mehr- einnahmen aus den Mineralölsteuererhöhungen durch die ökologische Steuerreform für Belange des Straßenbaus zweckzubinden. Die Gründe hierfür hatte ich in meiner Antwort auf Ihre vorherige Frage dargelegt. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen der Abgeordneten Elke Wülfing (CDU/CSU) (Drucksache 14/3490, Fragen 23 und 24): Wann beabsichtigt die Bundesregierung, den laut dem Staats-sekretär im Bundesministerium der Finanzen, Prof. Dr. HeribertZitzelsberger, „äußerst komplexen Entlastungsmechanismus“ derÖkosteuer (18. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-nologie am 3. November 1999) im Bereich der Produktionsmit-telbesteuerung einfacher, konsistenter und systematischer zu ge-stalten? Worin bestehen die diesbezüglichen ersten Überlegungen derBundesregierung, die laut Staatssekretär Prof. Dr. HeribertZitzelsberger noch durch einschlägige Gutachten unterfüttert wer-den sollen? Zu Frage 23: Die EU-Kommission hat die beihilferechtliche Geneh- migung für die im Rahmen der ökologischen Steuerre- form gewährten steuerlichen Begünstigungen für Unter- nehmen des produzierenden Gewerbes und Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft zunächst bis zum 31. März 2002 befristet. Die Bundesregierung wird bis zu diesem Zeitpunkt entscheiden, ob sie die bisherige Regelung bei- hilferechtlich renotifiziert oder unter Beibehaltung der Zielsetzung der ökologischen Steuerreform ein Alterna- tivmodell entwickelt. Zu Frage 24: Die weitere Ausgestaltung der ökologischen Steuerre- form wird wesentlich von den im Umweltrahmen der EU- Kommission niedergelegten beihilferechtlichen Geneh- migungsvoraussetzungen und Bedingungen abhängen. Der Entwurf eines neuenUmweltrahmenswird zurzeit auf europäischer Ebene intensiv mit dem Ziel diskutiert, den Mitgliedstaaten im Falle einer Erhöhung der Energiesteu- ern die Schaffung von langfristig angelegten Steuerer- mäßigungen zu ermöglichen, wenn die Steuersätze über dendurchdasGemeinschaftsrechtvorgegebenenMindest- steuersätzen liegen. Schon aus diesem Grunde ist es der Bundesregierung zurzeit nichtmöglich, eineAussage über die konkrete Ausgestaltung der Begünstigungsmechanis- men für die deutsche Wirtschaft über den 31. März 2002 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 107. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juni 2000 10079 (C) (D) (A) (B) hinaus zu treffen. Die Bundesregierung wird jedoch – wie schon beim jetzigen System der Ökosteuer – ihr besonde- res Augenmerk auf die Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft richten. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des Ab- geordneten Heinz Seiffert (CDU/CSU) (Drucksache 14/3490, Frage 25): Welche Höhe muss der Benzinpreis nach Ansicht der Bundes- regierung erreichen, damit hinreichende Einsparanreize für die Autofahrer von ihm ausgehen? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darü- ber vor, welche Höhe des Benzinpreises für die Autofah- rer verstärkt Anreize auslöst, Benzin zu sparen. Entschei- dender als die absolute Höhe des Benzinpreises ist nach Einschätzung der Bundesregierung die mittel- und lang- fristige Preiserwartung. Die maßvolle stufenweise Er- höhung der Mineralölsteuer im Rahmen der ökologischen Steuerreform schafft eine Signalwirkung, die bei den Au- tofahrern nachhaltig das Bewusstsein für umweltfreundli- ches Verhalten im Sinne von sparsamer Fahrweise und ei- ner Orientierung hin zu sparsameren und damit umwelt- freundlicheren Motoren stärkt. Im Übrigen kann die Bundesregierung den Benzinpreis nicht festlegen. Wie die derzeitige Entwicklung verdeutlicht, stellt die Mineralöl- steuer nur einen von mehreren Faktoren dar, die den Ben- zinpreis beeinflussen. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des Ab- geordneten Hans Michelbach (CDU/CSU) (Drucksache 14/3490, Frage 26): Wie hoch waren die Steuereinnahmen im Jahr 1999 aus der Mineralölsteuer und aus der ökologischen Steuerreform, und wel- che Summe daraus wurde für die Rentenversicherung aufge- wendet? Die Einnahmen aus der Mineralölsteuer betrugen im Jahr 1999 rund 71,3 Milliarden DM. Darin sind durch die ökologische Steuerreform bedingte Mehreinnahmen in Höhe von rund 4,9 Milliarden DM enthalten. Die Einnah- men aus der Stromsteuer betrugen 1999 rund 3,5 Milliar- den DM. Damit belaufen sich die Gesamteinnahmen aus der ökologischen Steuerreform im Jahre 1999 auf rund 8,4 Milliarden DM. Aufgrund des Gesetzes zu Korrektu- ren in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Ar- beitnehmerrechte konnte der Beitragssatz zur gesetzli- chen Rentenversicherung von 20,3 Prozent auf 19,5 Pro- zent abgesenkt werden. Zur Finanzierung dieser Bei- tragssatzsenkung trugen maßgeblich die Einführung von Beiträgen des Bundes für Kindererziehung sowie die Ein- führung einer Erstattung der einigungsbedingten Leistun- gen (insbesondere Auffüllbeträge) durch den Bund an die gesetzliche Rentenversicherung bei. Die finanzielle Net- tobelastung des Bundes aus dem oben genannten Gesetz betrug im Jahr 1999 rund 8,8 Milliarden DM. Der Bund leitete damit rund 400 Millionen DM mehr als die Öko- steuereinnahmen an die Rentenversicherung weiter. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen der Abgeordneten Christa Luft (PDS) (Drucksache 14/3490, Fragen 29 und 30): Zu welchem Anteil soll die Bundesdruckerei Berlin veräußert werden, und wie viele Interessenten gibt es? Welche Vorgaben hat die Bundesregierung für den Verkauf von Anteilen und zur Sicherung der Standorte der Bundesdrucke- rei, insbesondere in Berlin, gemacht? Zu Frage 29: Der Bund strebt den Verkauf seiner gesamten Ge- schäftsanteile an der Bundesdruckerei GmbH an. Derzeit wird noch mit circa 70 Gesellschaften gesprochen, die ein erstes Erwerbsinteresse bekundet haben. Zu Frage 30: Die Bundesregierung wird bei der Auswahl der Inves- toren für die Bundesdruckerei GmbH wie bei vergange- nen Privatisierungen vor allem die vorgelegten Unterneh- menskonzepte genau prüfen. Angesichts der guten techni- schen Ausstattung der Produktionsanlagen, der damit verbundenden hohen Investitionen sowie der vorteilhaf- ten Nähe zu den Hauptkunden der Bundesdruckerei GmbH ist zu erwarten, dass potenzielle Investoren den Standort Berlin als attraktiv einschätzen. Aufgrund der unterschiedlichen Ausrichtung der Niederlassungen Bonn und Neu-Isenburg im Vergleich zum Hauptstandort Ber- lin kommt jedoch eine Zusammenlegung der Kapazitäten nicht in Betracht. Die Sicherung der Wettbewerbsfähig- keit dieser beiden Standorte in ihren jeweiligen Teilmärk- ten ist daher isoliert zu betrachten. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen der Abgeordneten Petra Pau (PDS) (Drucksache 14/3490, Fragen 31 und 32): Wie und durch wen sollen im Falle der Veräußerung der Bun- desdruckerei von dieser erbrachte hoheitliche Dienstleistungen, zum Beispiel für das Bundeskriminalamt oder den Zoll, wahr- nommen werden? Welche datenschutzrelevanten Probleme sieht die Bundesre- gierung im Falle der Veräußerung der Bundesdruckerei, und wie sollen diese im Sinne des Datenschutzes gelöst werden? Zu Frage 31: Die Bundesdruckerei kann auch nach der Veräußerung ihre Aufgaben wie bisher erfüllen. Sie ist bereits seit 1994 durch Umwandlung in eine GmbH rechtsformprivatisiert. Soweit die Bundesdruckerei GmbH in den vergangenen Jahren für hoheitliche Aufgabenerfüllungen tätig war und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 107. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juni 2000 10080 (C) (D) (A) (B) hier insbesondere für drucktechnischeUnterstützungsleis- tungen in Anspruch genommen wurde, war sie als so ge- nannter technischer Verwaltungshelfer beauftragt und wurde von der zuständigen Stelle überwacht. Diese Mög- lichkeiten der Beauftragung der Bundesdruckerei GmbH als Verwaltungshelfer zur Erledigung von technischen Unterstützungsleistungen ändern sich durch die Veräuße- rung der Kapitalanteile des Bundes an der Bundesdrucke- rei GmbH nicht. Zu Frage 32: Die Bundesdruckerei GmbH ist auf datenschutzrecht- lich sensiblem Gebiet tätig bei der Herstellung der Rei- sepässe und der Bundespersonalausweise. Bei dieser Tätigkeit unterliegt die Bundesdruckerei GmbH den spe- zialgesetzlichen Regelungen zur Wahrung der daten- schutzrechtlichen Belange nach § 16 Passgesetz und nach § 3 des Gesetzes über Personalausweise. Diese gesetzli- chen Bestimmungen zur Sicherung der datenschutzrecht- lichen Belange gelten auch für eine veräußerte Bundes- druckerei GmbH uneingeschränkt. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen der Abgeordneten Barbara Höll (PDS) (Drucksache 14/3490, Fragen 33 und 34): Gab es zur Sicherung des Datenschutzes bei der Privatisierungder Bundesdruckerei Konsultationen mit dem Bundesministeriumdes Innern und dem Bundesdatenschutzbeauftragten, und wenn ja,mit welchen Ergebnissen? Welche datenschutzrechtlichen Vorgaben sind etwaigen Inte-ressenten gemacht worden? Zu Frage 33: Die Aspekte des Datenschutzes und der allgemeinen Sicherheitsbelange des Bundes werden mit dem feder- führenden Bundesministerium des Innern abgestimmt. Dies gilt auch für eine vertragliche Vereinbarung des Bun- desministeriums des Innern mit der Bundesdruckerei GmbH. In dieser werden – über die gesetzlichen Bestim- mungen zum Datenschutz hinaus – Regelungen zur ord- nungsgemäßen und sicheren Herstellung sowie Ausliefe- rung der von der Bundesdruckerei hergestellten Personal- dokumente, zu den sicherheitsrelevanten Spezifikationen der Personaldokumente, zur Qualitätssicherung, zu Of- fenlegungs- und Berichterstattungspflichten sowie zum Aufsichts- und Weisungsrecht des Bundesministeriums des Innern getroffen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte war bereits bei Abfassung der spezialgesetzlichen Rege- lungen in § 16 Passgesetz und § 3 des Gesetzes über Per- sonalausweise zur Sicherung der datenschutzrechtlichen Belange bei der Herstellung der Reisepässe und Bundes- personalausweise befasst. Diese gesetzlichen Regelungen gelten auch für eine veräußerte Bundesdruckerei GmbH. Zu Frage 34: Die Erwerber der Geschäftsanteile an der Bundes- druckerei GmbH werden selbstverständlich die gesetzli- chenVerpflichtungenderBundesdruckerei nach§16Pass- gesetz und § 3 des Gesetzes über Personalausweise, alle Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes sowie die von der Bundesdruckerei GmbH eingegangenen vertrag- lichen Verpflichtungen gegenüber dem Bund zu beachten haben. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des Abgeordneten Roland Claus (PDS) (Drucksache 14/3490, Fragen 35 und 36): Wie wurde im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Verkaufder Bundesdruckerei mit der von den Belegschaftsvertreterinnenund -vertretern vorgeschlagenen qualifizierten Mitarbeiterbeteili-gung, die sich durchaus als Modellfall für die von der Bundesre-gierung propagierte Ausweitung der Beteiligung der Beschäftig-ten am Produktivkapital eignen würde, umgegangen? Wie soll im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Verkaufder Bundesdruckerei den sozialen Belangen, wie zum Beispieldem Erhalt der Tarifverträge, dem Ausschluss betriebsbeding-ter Kündigungen und der Sicherung erworbener Rentenleis-tungen für Beschäftigte und Versorgungsempfängerinnen und -empfänger verbindlich Rechnung getragen werden? Zu Frage 35: Das Thema „Mitarbeiterbeteiligung“ ist zwischen dem Bundesministerium der Finanzen und Vertretern der Arbeit- nehmer der Bundesdruckerei GmbH in verschiedenen Ge- sprächen erörtert worden. Dabei ist Folgendes vereinbart worden: Das vom Bundesministerium der Finanzen mit der Umsetzung der Privatisierung beauftragte Bankhaus Metzler wird in den nächsten Tagen ein Verkaufsmemo- randum versenden, auf dessen Grundlage auch die Ar- beitnehmer gebeten werden, ein konkretes Angebot für eine Mitarbeiterbeteiligung abzugeben. Dieses Angebot wird dann in die Verhandlungen mit potenziellen Kaufin- teressenten einbezogen. Zu Frage 36: Der Verkauf der Geschäftsanteile des Bundes an der Bundesdruckerei GmbH greift nicht in die bestehenden arbeitsvertraglichen Verhältnisse zwischen dem Unter- nehmen und seinen Arbeitnehmern ein. Die Geschäfts- führung steht insoweit als Organ der Unternehmens- führung in der Verantwortung, die arbeitsvertraglichen Pflichten gegenüber den Arbeitnehmern der Bundes- druckerei GmbH vertragsgemäß zu erfüllen. Im Übrigen besteht ein gesetzliches Schutzsystem zur Wahrung der Sozialbelange der Arbeitnehmer eines Unternehmens; hinzuweisen ist hier insbesondere auf § 4 des Tarifver- tragsgesetzes. Danach gelten die Bestimmungen des Ta- rifvertrages solange weiter, bis sie durch eine andere Ab- machung ersetzt werden. Eine solche Ersetzung ist ohne Zustimmung der Arbeitnehmer nicht möglich. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des Abgeordneten Martin Hohmann (CDU/CSU) (Drucksa- che 14/3490, Fragen 37 und 38): Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 107. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juni 2000 10081 (C) (D) (A) (B) Ist der Bundesregierung bekannt, von welchen Staaten inwelchem Umfang bei den gegen Deutschland durchgeführtenReparationsbeschlagnahmen deutschen Auslandsvermögens unddeutscher Patente nach dem Zweiten Weltkrieg jüdisches Eigen-tum bzw. Vermögen an die Reparationsnehmer gelangte? In welchem Maße bzw. in welcher Form sind diese Eigentü-mer, deren Rechtsnachfolger oder Organisationen in ihrer Nach-folge später durch die einzelnen Staaten entschädigt worden? Zu Frage 37: Der Bundesregierung liegen Erkenntnisse über die Schädigung deutschen Privatvermögens durch Reparati- onsbeschlagnahmen im Ausland im Wesentlichen auf- grund der Schadensfeststellungen im Lastenausgleich vor, die Grundlage für eine innerstaatliche Ersatzleistung der Bundesrepublik Deutschland waren. Im Lastenaus- gleich waren jüdische und nichtjüdische Geschädigte in gleicher Weise anspruchsberechtigt. Eine statistische Dif- ferenzierung nach Geschädigtengruppen wurde nicht vor- genommen, sodass der Bundesregierung keine Erhebung darüber vorliegt, in welchem Umfang jüdische Vermögen von Beschlagnahmen betroffen waren. Zu Frage 38: Die Feindvermögensbestimmungen der ehemaligen Kriegsgegner des Deutschen Reiches sahen – vor allem nach Kriegsende – regelmäßig Freigabemöglichkeiten zugunsten bestimmter Berechtigter vor. Hiernach bestand vor allem für NS-Verfolgte die Möglichkeit, ihre durch ausländische Staaten beschlagnahmten Vermögenswerte zurückzuerhalten. In welchem Umfang diese Möglichkeit von Betroffenen bzw. deren Rechtsnachfolgern in den einzelnen Staaten genutzt werden konnte, ist der Bundes- regierung nicht bekannt. In jüngerer Zeit sind darüber hinausgehende Bemühungen einzelner Staaten bekannt geworden, NS-Verfolgte bzw. deren Rechtsnachfolger ausfindig zu machen und ihnen für den Verlust beschlag- nahmter und nicht wieder freigegebener Vermögenswerte eine Entschädigung zu gewähren. Beispielhaft sei hier das „Enemy Property Payment Scheme“ in Großbritannien genannt. Anlage 14 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Frage des Abgeordneten Benno Zierer (CDU/CSU) (Drucksa- che 14/3490, Frage 43): Auf welchem Stand befinden sich derzeit die Planungen derBundesregierung mit Blick auf Bestand und Organisation insbe-sondere der in Bayern befindlichen Bundeswehrkassen und dieZusammenlegung von Bundeswehrkassen mit anderen Kassen? Seit 1997 wird mit ausgewählten militärischen und Verwaltungsdienststellen erprobt, ob das Haushalts-, Kas- sen- und Rechnungswesen-Verfahren des Bundes (HKR-Verfahren) nicht nur im Ministerium, sondern auch im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Vertei- digung (BMVg) erfolgreich angewandt werden könnte. Im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Fi- nanzen (BMF) wurde dieser Pilotversuch 1998 um wei- tere Dienststellen mit bundeswehrspezifischen Geschäfts- vorfällen ausgeweitet. Der Versuch soll in diesem Jahr auslaufen und bewertet werden. Mögliche Auswirkungen auf die Kassenorganisation des Bundes sind dabei nicht auszuschließen. Seit dem 2. Mai 2000 sind die Bundes- wehrkasse Kiel und die Bundeskasse Kiel im Rahmen ei- nes Modellversuchs zusammengelegt. Der Modellver- such ist auf zunächst ein Jahr begrenzt. Die Beschäftigten der Bundeswehrkasse Kiel sind zur Oberfinanzdirektion Hamburg abgeordnet und nehmen dort die Aufgaben des Bereichs Bundeswehr wahr. Bei einem erfolgreichen Ab- schluss des Modellversuchs können sie – auf freiwilliger Basis – in die Bundesfinanzverwaltung versetzt werden. Zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundesministerium der Finanzen besteht Ein- vernehmen, dass der Modellversuch in Kiel die ab- schließende Bewertung des laufenden HKR-Pilotver- suchs nicht präjudizieren soll. Die Bundeswehrkassen in Bayern sind von dem Modellversuch nicht berührt. Sofern die Bundeswehrkassen mit den Bundeskassen zusam- mengelegt werden, sind beträchtliche Personaleinsparun- gen zu erwarten. Konkrete Aussagen über den künftigen Bestand von Bundeswehrkassen und anderen Kassen können daher noch nicht getroffen werden. Dies gilt auch für den Bereich des Freistaates Bayern. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Siegfried Scheffler auf die Fra- gen der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) (Drucksache 14/3490, Fragen 49 und 50): Welche konkreten Möglichkeiten sieht die Bundesregierungfür einen Weiterbau der A 99 im Jahr 2002, wenn die von der Lan-deshauptstadt München vorfinanzierten bauvorbereitenden Maß-nahmen Ende 2001 abgeschlossen sind und die vom Bund zuge-sagten Mittel aus dem „Anti-Stau-Programm“ erst im Jahr 2003zur Verfügung stehen? Trifft es zu, dass die Kosten in Höhe von 30 Millionen DM fürden Fortgang der Baumaßnahme im Jahr 2002 durch ein Darlehender Landeshauptstadt München vorfinanziert werden sollen, des-sen Zinslast durch Mittel aus dem Haushalt der Landeshauptstadtund staatliche Zuschüsse getragen werden sollen? Zu Frage 49: Wie in der Antwort auf Ihre Frage Nr. 4/80 zum Aus- druck gebracht, soll mit dem Bau des aus Mitteln des Anti-Stau-Programmes finanzierten Westringes München (A 99) im Jahr 2003 konzentriert begonnen werden. Ein- zelheiten von Durchführung und Finanzierung der aus dem Finanzbeitrag der Landeshauptstadt finanzierten bauvorbereitenden Arbeiten werden unter dieser Zielset- zung zwischen der Landeshauptstadt und der bayerischen Straßenbauverwaltung abgestimmt. Zu Frage 50: Der Bundesregierung ist eine solche Absicht nicht be- kannt. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Siegfried Scheffler auf die Frage des Abgeordneten Paul Breuer (CDU/CSU) (Drucksa- che 14/3490, Frage 51): Kann die Bundesregierung definitiv und ohne Einschrän-kung zusagen, dass der Weiterbau der Hüttentalstraße (B 62) Siegen-Süd bis zur Landesgrenze Rheinland-Pfalz erneut in denvordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans aufgenom-men wird? Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 107. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juni 2000 10082 (C) (D) (A) (B) Die Maßnahme soll im Rahmen der anstehenden Überprüfung des Bundesverkehrswegeplans und der sich anschließenden Fortschreibung des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen neu bewertet werden. Auf Grundlage dieser Bewertung wird der Deutsche Bundestag über die Dringlichkeit von Einzelprojekten in einem neuen Be- darfsplan entscheiden. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Siegfried Scheffler auf die Frage des Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) (Drucksache 14/3490, Frage 53): Beabsichtigt die Bundesregierung, bedingt durch die Zu- nahme der Radfahrunfälle mit schweren Kopfverletzungen, die Einführung einer Helmpflicht für Radfahrer? Es ist richtig, dass bei Fahrradunfällen Kopfverletzun- gen mit an der Spitze der Verletzungen stehen. Fahrrad- helme sind geeignet, diese Verletzungen zu verhindern oder wesentlich zu mildern. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen beabsichtigt gleich- wohl nicht, eine Schutzhelmtragepflicht für Radfahrer einzuführen. Die meisten Radfahrer bewegen sich ver- hältnismäßig langsam und vorsichtig im Straßenverkehr und würden es als „Übermaßregelung“ ansehen, wollte man sie zwingen, ständig einen Schutzhelm zu tragen. Dies würde voraussichtlich der verkehrs- wie umwelt- politisch sinnvollen Fahrradnutzung zuwider laufen. Schließlich wäre eine Helmtragepflicht gegenüber straf- unmündigen Kindern nur schwer durchsetzbar. Aus die- sen Überlegungen heraus wird dringend empfohlen, aber nicht vorgeschrieben, einen Fahrradschutzhelm zu tragen, um sich bei möglichen Unfällen weitgehend vor Kopf- verletzungen zu schützen. Dieses Vorgehen steht im Ein- klang mit der Haltung anderer europäischer Staaten. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Siegmar Mosdorf auf die Frage des Abgeordneten Werner Siemann (CDU/CSU) (Drucksache 14/3490, Frage 40): In welchen Punkten weichen die Positionen des Bundeskanz- leramtes, des Auswärtigen Amtes und des Bundesministeriums für Wirtschaft hinsichtlich der Exporte von Ersatzteilen sowie weite- rer Stückzahlen von Waffensystemen, deren Ausfuhr bereits von Deutschland offiziell genehmigt wurden, in die Türkei voneinan- der ab, und wie erklärt die Bundesregierung die Abweichung der Positionen? Die Frage betrifft den internen Abstimmungsprozess zwischen den Ressorts über einzelne Rüstungsexportvor- haben, also den Kernbereich exekutiven Handelns. Hierzu gibt die Bundesregierung grundsätzlich keine öffentli- chen Erklärungen ab. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass es aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenstellun- gen der beteiligten Ressorts auch unterschiedliche Beur- teilungen einzelner Rüstungsexportprojekte geben kann. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Siegmar Mosdorf auf die Fragedes Abgeordneten Georg Girisch (CDU/CSU) (Drucksa-che 14/3490, Frage 41): Welche Maßnahmen – einschließlich Gesetzesänderungsvor-schläge – will die Bundesregierung zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplungs-Kraftwerke ergreifen unter Berücksichtigungdes Umstands, dass ein großer Teil der KWK-Anlagen nicht vomKWK-Vorschaltgesetz erfasst ist und deshalb die starre Prozent-grenze im Mineralölsteuergesetz in der Praxis dazu führt, dass dieKraftwerke nicht mehr unter Volllast gefahren werden, um da-durch das im Gesetz genannte Verhältnis von Wärme- und Strom-erzeugung zu erreichen, sodass der Anteil der KWK-Anlagen ander Gesamt-Energie-Erzeugung drastisch zurückgeht? Die Frage enthält zwei Komplexe – das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und die Ökosteuer – auf die ich einzelneingehen möchte. Zunächst zum Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz: DerDeutscheBundestag hat am24.März 2000dasGesetz zumSchutz der Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung(Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz) beschlossen. Es ist am18. Mai 2000 in Kraft getreten. Dieses Gesetz bietet einezeitlich befristete und degressiv ausgestaltete Hilfe für diezur Zeit besonders gefährdeten KWK-Anlagen von Ener-gieversorgungsunternehmen in der allgemeinen Versor-gung.Damit soll eineBestandserhaltung dieserKWK-An-lagen in einem durch die Liberalisierung des Strommark-tes veränderten wirtschaftlichen Umfeld ermöglichtwerden. Das Bundeskabinett hat im Februar 2000 festge-legt, dass, sofern sich dieKWKgemäßdemdeutschenKli-maschutzziel als die geeignetste Technologie erweisensollte, bis zumSommer dieses Jahres über den zukünftigenBeitrag derKWKzurCO2-Minderung entschieden und bisEnde des Jahres ein Gesetzentwurf für ein längerfristigesProgramm zum Ausbau der KWK an der Energieversor-gung erarbeitet wird. Der BMWi wird bis zur Sommer-pause einen entsprechendenBericht in dasBundeskabinetteinbringen.An diesem Bericht wird zur Zeit gearbeitet. Jetzt zur Ökosteuer: Im Zuge der ersten Stufe der Öko-steuerreform wurden KWK-Anlagen mit einem Jahres-nutzungsgrad von 70 Prozent vollständig von der Be-steuerung der Einsatzbrennstoffe befreit. Mit späterer Än-derung des Mineralölsteuergesetzes wurde durch diezusätzliche Einführung des Monatsnutzungsgrades dieMöglichkeit geschaffen, diese Steuerbefreiung auch mo-natlich zu erhalten. Damit ist eine wesentliche Forderungvon KWK-Betreibern berücksichtigt. Der Monats- bzw.Jahresnutzungsgrad von 70 Prozent verhindert nicht dieVolllastfahrweise von KWK-Anlagen, sondern er stelltvielmehr sicher, dass nur solche KWK-Anlagen eineSteuerbefreiung erhalten, die tatsächlich überwiegend inKraft-Wärme-Kopplung, das heißt mit gleichzeitigerStrom- und Wärmeproduktion, und nicht in Kondensati-onsfahrweise – mit schlechteren Wirkungsgraden – be-trieben werden. Dies ist ökologisch – insbesondere unterKlimaschutzgesichtspunkten – gewünscht und dahernicht zu beanstanden. Eine Änderung der gesetzlichenRegelung ist deshalb nicht vorgesehen. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Siegmar Mosdorf auf die Frage des Abgeordneten Heinz Seiffert (CDU/CSU) (Drucksa- che 14/3490, Frage 42): Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 107. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juni 2000 10083 (C) (D) (A) (B) Auf welche Ursachen führt die Bundesregierung den Rück- gang der Binnennachfrage nach PKW im Zeitraum Januar bis April 2000 um 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück, während im gleichen Zeitraum die Auftragseingänge aus dem Ausland um 7 Prozent zunahmen? Die Produktion der deutschen Automobilindustrie ist trotz der nicht eingetretenen – und in den Vorjahren übli- chen – Frühjahrsbelebung in den ersten Monaten dieses Jahres relativ stabil. Ursache hierfür ist der durch die Wechselkursentwicklung und die verbesserte Leitungs- fähigkeit der deutschen Automobilindustrie begünstigte Anstieg der Exporte. Vor allem in den USA und in Japan werden mehr Fahrzeuge als ein Jahr zuvor abgesetzt. Der Exportanteil der deutschen Automobilindustrie liegt in- zwischen bei fast 65 Prozent. Die Inlandsnachfrage nach Neufahrzeugen ist im vergleichbaren Zeitraum rückläu- fig. Die Fachwelt spricht daher von einer „gespaltenen Automobilkonjunktur“, die auch in den kommenden Mo- naten anhalten wird. Die Produktions- und Absatzergeb- nisse in den ersten Monaten dieses Jahres sind jedoch mit denen des Jahres 1999 nur bedingt vergleichbar. Denn: 1999 war aufgrund des hohen Auftragsbestandes und der durch die Modellvielfalt der Hersteller ausgelösten hohen Nachfrage ein außergewöhnlich gutes Jahr für die deut- sche Automobilindustrie. Der Rückgang der Binnennach- frage nach PKW-Neufahrzeugen im Zeitraum Januar bis April 2000 ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass ver- stärkte Flottenverkäufe in 1999, etwa an Mietwagenun- ternehmen, nunmehr in diesem Jahr als Gebrauchtwagen- geschäfte am Markt verfügbar sind und damit eine preis- liche Alternative zu Neufahrzeugen darstellen. Im April 2000 ist zwar noch keine Kehrtwende auf dem Inlands- markt eingetreten, jedoch zog der Absatz als auch die In- landsnachfrage saisonbereinigt gegenüber März 2000 leicht an. Das Produktionsvolumen der deutschen Auto- mobilindustrie für das Jahr 2000 wird sich daher – nach deren jüngsten Prognosen – voraussichtlich geringfügig, das heißt etwa um 2–3 Prozent gegenüber dem außerge- wöhnlichen Vorjahr reduzieren und liegt damit immer noch über dem Mehrjahresdurchschnitt. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Siegfried Scheffler auf die Fra- gen des Abgeordneten Wilhelm Josef Sebastian (CDU/CSU) (Drucksache 14/3490, Fragen 55 und 56): Wie beurteilt die Bundesregierung den Sachverhalt, dass an- gesichts des Verhältnisses zwischen Mehrbelastung und verspro- chener Entlastung die Gesamtkosten im Güterkraftverkehrsge- werbe so steigen, dass bei vielen Betrieben die Umsatzrendite auf- gezehrt wird? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um angesichts die- ser Wettbewerbssituation für den deutschen Güterkraftverkehr im Vergleich mit seinen europäischen Konkurrenten, denen die Mi- neralölsteuer z.T. sogar rückerstattet wird, Chancengleichheit her- zustellen und das Versprechen aus der Koalitionsvereinbarung, die Harmonisierungsdefizite im Bereich der Steuer- und Sozial- vorschriften zu beseitigen, auch zu erfüllen? Zu Frage 55: Die Situation des Güterkraftverkehrsgewerbes muss differenziert betrachtet werden. In vielen Marktsegmen- ten werden nach wie vor Gewinne erzielt. Einzelne Marktsegmente sehen sich allerdings einer wirtschaftlich angespannten Situation gegenüber. Diese wird wesentlich bestimmt durch die Wettbewerbssituation am Markt. Die Unternehmen des Güterkraftverkehrs stehen in einem zu- nehmend verschärften internationalen Wettbewerb. Dies resultiert insbesondere aus der Liberalisierung des euro- päischen Verkehrsmarktes, der sich in einer anhaltenden Umbruchphase befindet. Für eine Vielzahl der Transport- unternehmen hat sich dadurch der Konkurrenz- und Preis- druck auf dem Güterkraftverkehrsmarkt verstärkt. Die Bundesregierung hat daher die Unternehmen des Straßengüterverkehrs durch die Unternehmenssteuerre- form in einer Größenordnung von 90 bis 100 Millio- nen DM entlastet. Die Bundesregierung ist sich der be- sonders schwierigen Lage wettbewerbsintensiver Trans- portleistungen bewusst und bemüht sich – zusammen mit Vertretern des Güterkraftverkehrsgewerbes – um Lösun- gen. Zu Frage 56: Besonders bedeutsam für die Transportwirtschaft sind die Kosten für Diesel im internationalen Vergleich. Bis heute liegen die deutschen Dieselpreise unter denen der meisten anderen Mitgliedstaaten der EU und insbeson- dere unter denen der Mitgliedstaaten mit ausgepräg- ter Transportwirtschaft (NL, F, I). Zudem haben neben Deutschland auch andere Mitgliedstaaten, wie zum Bei- spiel die Niederlande, die Mineralölsteuer zum 1. Januar 2000 erhöht. Die Erstattungsregelungen in den Nieder- landen und in Frankreich sind auf bestimmte Kraftstoff- mengen begrenzt und gelten auch für ausländische Fahr- zeuge. Trotz dieser Begünstigungen liegt der deutsche Dieselpreis noch unter denen Frankreichs und der Nie- derlande. Insofern ist in der EU die Chancengleichheit gewahrt. Im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit und Marktchancen des deutschen Güterkraftverkehrsgewer- bes wird die Bundesregierung die weitere Entwicklung einschließlich der Kostenbelastung für deutsche Unter- nehmen im Auge behalten und sich in der EU für weitere Harmonisierungen einsetzen. So wird sie sich im Zuge der vorgesehenen Erweiterung der Europäischen Union durch den Beitritt mittel- und osteuropäischer Länder für Über- gangsregelungen bei der gegenseitigen Marktöffnung ein- setzen. Dies betrifft besonders die Unterschiede zwischen Deutschland und seinen mittel- und osteuropäischen Nachbarn bei den Sozialvorschriften und den Vergütun- gen. Zur wirtschaftlichen Situation für die Unternehmen des Straßengüterverkehrsgewerbes insgesamt finden zur- zeit Gespräche innerhalb der Bundesregierung unter Be- teiligung von Verbänden des Transportgewerbes statt. Da- bei wird geprüft, ob Entlastungen für das deutsche Trans- portgewerbe in Erwägung zu ziehen sind. Solche MaßnahmenmüsstenEG-rechtlichzulässigundverkehrs-, umwelt- und finanzpolitisch vertretbar sein. Einem Er- gebnis dieser Gespräche kann nicht vorgegriffen werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 107. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. Juni 2000 10084 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410700000
Die Sitzung ist eröff-
net.

Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige
Tagesordnung um eine vereinbarte Debatte zur Zukunft
der Bundeswehr zu erweitern. Dafür ist eine Debattenzeit
von zwei Stunden vorgesehen. Sind Sie damit einverstan-
den? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlos-
sen.

Die Fragestunde beginnt somit erst gegen 16 Uhr. Da-
ran schließt sich die Aktuelle Stunde auf Verlangen der
F.D.P.-Fraktion zum Thema Haltung der Bundesregierung
zu den steigenden Mineralölpreisen und der Forderung
nach Verzicht auf die bzw. Aussetzung der Ökosteuer an.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung den Entwurf eines Gesetzes zur Ände-
rung des Soldatengesetzes und anderer Vorschriften
mitgeteilt. Das Wort für den einleitenden Bericht hat die
Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister
der Verteidigung, Frau Brigitte Schulte. Frau Staatssekre-
tärin, bitte sehr.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1410700100
Frau Präsidentin! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat heute den
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Soldatengeset-
zes und anderer Vorschriften verabschiedet. Diese Tatsa-
che würde Sie unter diesem Titel vielleicht nicht sonder-
lich interessieren, aber es geht dabei in der Tat um zwei
entscheidende Punkte: Es geht zum einen um die Ver-
wendung von Frauen in den Streitkräften, die bisher nur
Zugang zum Sanitäts- und Militärmusikdienst hatten, und
zum anderen darum, aufgrund unseres verstärkten Enga-
gements in internationalen Einsätzen die Vorschriften
über die Dienstverhältnisse von Berufssoldaten und Sol-
daten auf Zeit zu verändern.

Ich möchte Ihnen zunächst erläutern, dass wir nach ei-
ner langen Zeit


(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Zu lange!)


der Findung – so muss man das ausdrücken –, die nicht
nur die Fraktionen, sondern auch die Gesellschaft insge-
samt betraf, heute beschlossen haben – wir werden dies
dem Parlament vorlegen –, dass auf freiwilliger Basis
Frauen als Berufssoldatinnen oder Soldatinnen auf Zeit
der Zugang zu allen Laufbahnen und allen Laufbahn-
gruppen der Streitkräfte offen gehalten wird.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das hätten wir schon früher haben können!)


– Das werden wir gleich diskutieren.
Wir haben des Weiteren festgestellt, in diesem Bereich

keine Ausschließlichkeit festschreiben zu wollen. Das be-
deutet allerdings auch, dass die Frauen in diesem Falle da-
mit rechnen müssen, zu internationalen Einsätzen heran-
gezogen zu werden. Wir gehen davon aus, dass die Eig-
nung eines Menschen, seine Interessen sowie der Bedarf
für unsere Entscheidungen relevant sind.

Damit lösen wir gleichzeitig eine wichtige Aufgabe:
Wir müssen bei dem Entwurf eines Gleichstellungsdurch-
setzungsgesetzes auch berücksichtigen, dass frauenspezi-
fische Fragen bei der Ausübung des Berufes und der
Dienstgestaltung im Wege der Frauenförderung in Abwä-
gung mit den Erfordernissen der militärischen Einsatzbe-
reitschaft in Einklang gebracht werden. Dies hat – das will
ich gar nicht leugnen – zunächst den einen oder anderen
daran gehindert, Frauen zuzulassen. Ich glaube, wir haben
hier bereits einen gesellschaftlichen Prozess angestoßen.

Ich möchte Sie aber auch darüber unterrichten, dass
mit dieser Gesetzesänderung ein paar Dinge entschieden
werden, die Sie als Parlamentarier betreffen. Das einem
Soldaten zustehende Recht, dass er zur Ausübung eines
Mandats in der Kommunalpolitik den erforderlichen Ur-
laub erhält, wird im Zusammenhang mit internationalen
Einsätzen in jedem Einzelfall geprüft. Er hat nicht mehr
automatisch einen Anspruch darauf, dass er seine Kreis-
tagssitzung im Landkreis Hameln-Pyrmont oder an ande-
rer Stelle wahrnehmen kann, wenn er aus zwingenden
Gründen als Zeit- oder Berufssoldat für einen internatio-
nalen Einsatz vorgesehen ist. Hier hat es in der letzten Le-
gislaturperiode einige Probleme gegeben.

10013


(C)



(D)



(A)



(B)


107. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 7. Juni 2000

Beginn: 13.01 Uhr

Das Zweite ist die Zurruhesetzung von Berufssoldaten.
Diese sollen künftig in dem Monat nach Erreichen des
Rentenalters in den Ruhestand versetzt werden können.

Ein weiterer Punkt, der uns ebenfalls beschwert: In-
zwischen haben wir eine ganze Reihe von qualifizierten
Berufssoldaten, die nach ihrer militärischen Ausbildung,
nach ihrem Studium oder einer Fachausbildung den
Wunsch haben, aus dem Dienst auszuscheiden. Ein Be-
rufssoldat kann dies jederzeit. Aber hier wollen wir die
Bestimmung über die Kostenerstattungspflicht der Be-
rufssoldaten oder auch über die Zeit, bis sie entlassen wer-
den können, etwas verschärfen. Es hat sich herumgespro-
chen, dass einige früher ausscheiden möchten, weil sie
zum Beispiel in der Wirtschaft bzw. in zivilen Dienstleis-
tungsbereichen sehr gern gesehen werden. Wir haben ein
Interesse daran, dies zu begrenzen. Ich denke, dass das
auch Ihre Zustimmung finden wird.

Das sind die wichtigsten Punkte: die Frauen, die Ver-
änderung bei der Beurlaubung hinsichtlich der Ausübung
eines kommunalen Mandats und die Frage des Übergangs
aus dem Beruf des Soldaten in eine zivile Tätigkeit.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410700200
Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin.

Der Kollege Nolting hat sich zu einer Frage gemeldet.
Bitte sehr.


Günther Friedrich Nolting (FDP):
Rede ID: ID1410700300
Frau Staatsse-
kretärin, haben Sie in Ihren Gesetzesentwürfen daran ge-
dacht, den Bereich der Bundeswehr für Teilzeitarbeit zu
öffnen? Das gilt natürlich nicht für Soldaten im Einsatz.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1410700400
Das habe ich mit meinen Aus-
führungen gemeint, Herr Kollege Nolting. Wir wollen die
berechtigten Interessen von Frauen berücksichtigen. Auf
der internationalen Frauenkonferenz unterhalten wir uns
darüber, was die Ausübung der Berufstätigkeit von Frauen
bedingt. Ich gehe davon aus, dass das in dem einen oder
anderen Fall möglich ist. Ich gehe auch davon aus, dass
das zum Beispiel bei militärischen Aufgaben in den Stä-
ben möglich sein sollte.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410700500
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Nolting.


Günther Friedrich Nolting (FDP):
Rede ID: ID1410700600
Frau Staatsse-
kretärin, Sie wissen, dass die F.D.P. es begrüßt, dass die
Regierung so weit ist, zumal das eine Forderung der
F.D.P. seit 1987 ist. Manche Dinge brauchen etwas länger.
Fortschritt, vor allem liberalen Fortschritt, kann man nicht
verhindern, allenfalls aufhalten. Würden Sie die Äuße-
rungen der verteidigungspolitischen Sprecherin der Grü-
nen auch so verstehen, die von einer Militarisierung der
Gesellschaft gesprochen hat, wenn sich die Bundeswehr
für Frauen öffnet?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1410700700
Herr Kollege Nolting, erlauben
Sie mir bitte, festzustellen, dass zwischen den Jahren
1987 und 1998 die Koalition aus Christdemokraten und
Liberalen bestand und sich bei diesem schwierigen
Thema nicht einigen konnte. Erlauben Sie mir, ausdrück-
lich festzustellen, dass das Ganze ein erstaunlicher Fort-
schritt ist. Vorhin habe ich mit der Kollegin Frau Probst
darüber gesprochen, wie sich das Bewusstsein der Bevöl-
kerung verändert. Vor einigen Jahren hätte ich noch mit
tiefer Überzeugung gesagt: Wir brauchen keine Frauen in
den Streitkräften und keine Frauen als Zeit- oder Berufs-
soldatinnen. Jeder frei gewählte Abgeordnete hat das
Recht, zu sagen, wie er diese Sache einschätzt. Sie müs-
sen mit Frau Kollegin Beer, die Sie gemeint haben, selbst
diskutieren. Das können Sie als Obmann. Ich finde, dass
die Öffnung der Bundeswehr für Frauen keine Militari-
sierung der Gesellschaft bedeutet. Ich bin zu dem Urteil
gekommen, dass es sehr positiv ist, wenn Frauen mitar-
beiten. Sie werden mir von unseren gemeinsamen Besu-
chen in Bosnien und Herzegowina bestätigen, dass die
dort eingesetzten Sanitäterinnen und Ärztinnen hervorra-
gende Arbeit leisten, dass sie das Klima verbessern. Dort,
wo der Liberalismus fortschrittlich ist, werden wir ihm
ausdrücklich folgen.


(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Der letzte Satz war gut!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410700800
Jetzt hat Herr Niebel
eine Frage. Bitte sehr.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1410700900
Wir werden dem liberalen
Fortschritt nur dort folgen, wo er auch fortschrittlich ist.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1410701000
Ich könnte noch etwas dazu sa-
gen. Aber das wäre dann eine Anmerkung und keine
Frage. Nur so viel: Der Liberalismus ist überall fort-
schrittlich. Wir nehmen Ihr Angebot jedenfalls dankend
an.

Frau Staatssekretärin, ich möchte gern zu einem ande-
ren von ihnen angesprochenen Themenbereich eine Frage
stellen. Sie haben die Einschränkung bei der Ausübung
kommunaler Mandate angesprochen. Auch Sie haben
wahrscheinlich den Bericht, der vor einigen Wochen im
„Focus“ veröffentlicht worden ist, über den Spitzen-
kandidaten der Freien Demokratischen Partei für die
Hamburgische Bürgerschaft gelesen. Nach diesem Be-
richt erschien dieser Spitzenkandidat, der aktiver Soldat
in der Bundeswehr ist, zumindest nicht ganz so frei in der
Ausübung seiner politischen Aktivität, wie man es sich
von einem Staatsbürger in Uniform wünschen würde.

Mich interessiert, ob die Änderung des Soldatengeset-
zes auch Konsequenzen für die Soldaten hat, die für ein
öffentliches Amt, für ein Mandat oder für ähnliche öffent-
liche Tätigkeiten kandidieren und ob die Rechte des
Staatsbürgers in Uniform durch die heute im Kabinett be-
schlossene Änderung eingeschränkt werden.




Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte
10014


(C)



(D)



(A)



(B)


B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1410701100
Diese Frage haben wir uns
natürlich auch gestellt, weil die Ausübung des kommuna-
len Mandats ein wichtiger Punkt ist. Ich muss zugeben,
dass ich den Artikel im „Focus“ nicht gelesen habe. Ich
glaube auch nicht alles, was in Zeitungen oder Zeitschrif-
ten steht. Ich spare meine Zeit für wichtigere Aufgaben.
Aber da es sich – ich denke, das kann ich verraten – um
den Kommandeur der Führungsakademie der Bundes-
wehr handelt, der in Hamburg für die F.D.P. kandidiert,


(Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Guter Mann!)

und da die Hamburgische Bürgerschaft, Herr Niebel,
nicht nur ein Kommunalparlament, sondern auch ein Lan-
desparlament ist, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen,
dass die politischen Rechte des kandidierenden Admirals
beschnitten werden können. Außerdem kennt er die recht-
liche Lage gut genug. Eine Begrenzung bei der Ausübung
der politischen Rechte ist mir in diesem Fall völlig unbe-
kannt.

Es muss aber in der Tat von Fall zu Fall abgewogen
werden, ob jemand – deswegen habe ich das vorhin er-
wähnt – sein Mandat im Kreistag von Hameln-Pyrmont
wahrnimmt oder ob er ein Mandat als ehrenamtlicher
stellvertretender Landrat wahrnimmt. In letzterer Funk-
tion wird er relativ viel gefragt sein. Schon bei der Pla-
nung seines Einsatzes muss man auf die Ausübung seines
Mandats Rücksicht nehmen. Aber es sollte so sein, dass
qualifizierte Fachleute – das wird Berufssoldaten betref-
fen – auch für den Einsatz vorgesehen sind. Ich gehe da-
von aus, dass wir dies gut lösen können, und zwar ge-
meinsam mit den jeweiligen Abgeordneten, die sich für
die Soldaten einsetzen werden.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410701200
Herr Niebel, eine
Frage.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1410701300
Frau Staatssekretärin, aber Sie
gestehen mir zu, dass meine Frage insofern nicht ganz un-
berechtigt war, weil die Stellung eines Kommunalpoliti-
kers, der bereits ein Mandat hat, eigentlich deutlich stär-
ker ist als die eines Kandidaten für ein Parlament, auf wel-
cher Ebene auch immer, und dass zumindest die
Befürchtung nicht unberechtigt ist, dass der Dienstherr
Einfluss auf die Ausübung der Kandidatur nehmen
könnte.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1410701400
Das kann ich mir überhaupt
nicht vorstellen. Es gibt von den in den Parlamenten ver-
tretenen Parteien nur eine Partei, von der ich mir nicht
wünsche, dass für sie Berufssoldaten und Zeitsoldaten
kandidieren. Ich sage das sehr offen: Die Kandidatur ei-
nes Offiziers für die Republikaner ist zwar rechtmäßig,
aber nicht so sehr eine Zierde. Ich kann mir nicht vorstel-
len, dass es bei den Kandidaturen für die anderen Parteien
Einschränkungen geben könnte.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410701500
Gibt es weitere Fra-
gen zu diesem Teil der Regierungsbefragung? – Das ist

nicht der Fall. Es bleibt aber noch Zeit für die Regie-
rungsbefragung.

Wir kommen dann zu den freien Fragen. Herr Koschyk
hat Fragen. Bitte sehr, Herr Kollege.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1410701600
Frau Präsidentin, ich
habe eine Frage, die sich auf den Geschäftsbereich des
Auswärtigen Amtes bezieht. Es hat eine öffentliche Dis-
kussion über den Antrag der Sudetendeutschen
Landsmannschaft gegeben, auch vertriebenen Sudeten-
deutschen Leistungen aus dem deutsch-tschechischen
Zukunftsfonds – zumindest symbolisch – zu gewähren,
die von den Vertreibungsmaßnahmen nach 1945 beson-
ders betroffen gewesen waren und die noch keine Leis-
tungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz bekom-
men haben. Im Vorfeld der Befassung mit dieser Frage
durch die Gremien des Fonds hat der Herr Bundesaußen-
minister diesen Antrag als kontraproduktiv und schädlich
für die deutschen Interessen bezeichnet.

Ich selber habe in der Fragestunde vom 10. Mai 2000
eine Frage an das Auswärtige Amt gerichtet, wie es den
Vorschlag des früheren Beraters des tschechischen Minis-
terpräsidenten, Herrn Doležal, bewertet, der in die gleiche
Richtung wie der Antrag der Landsmannschaften abzielt.
Darauf hat mir Herr Staatsminister Volmer geantwortet,
dass dies einen bemerkenswerten Beitrag zur andauern-
den tschechischen Debatte über die Vertreibung darstelle.
Warum deklariert das Auswärtige Amt einen derartigen
Vorschlag von tschechischer Seite als „bemerkenswerten
Beitrag“, während derselbe Vorschlag, wenn er von einer
deutschen Organisation gemacht wird – es geht um einen
Fonds, der auch mit deutschen Steuermitteln angefüllt
wird –, als „kontraproduktiv“ und „schädlich für die deut-
schen Interessen“ bezeichnet wird?


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410701700
Herr Staatsminister
Dr. Volmer beantwortet diese Frage. Bitte sehr.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410701800
Herr Koschyk, ich habe den Vorschlag in der Tat als
„bemerkenswert“ bezeichnet. Ich habe aber auch darauf
hingewiesen, dass er ein Diskussionsbeitrag eines ehe-
maligen Regierungsberaters und kein offizieller Vor-
schlag einer tschechischen Instanz war.

Nach meinem Studium der Aktenlage für den heutigen
Tag haben Sie exakt die von Ihnen soeben gestellte Frage
auch für die Fragestunde schriftlich formuliert. Ich würde
Ihnen gerne die vorbereitete Antwort in der Fragestunde
mündlich geben. Falls Sie dann nicht da sein können,
möchte ich sie entsprechend schriftlich beantworten.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410701900
Bitte sehr, Herr Kol-
lege.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1410702000
Frau Präsidentin, da-
mit bin ich selbstverständlich einverstanden. Ich hatte
vom Parlamentssekretariat des Bundestages die Auskunft
erhalten, dass man mit dem Hinweis auf eine am Freitag






(C)



(D)



(A)



(B)


stattfindende Bundestagsdebatte diese Frage nicht zulas-
sen wolle. Ich bin dann auf die Möglichkeit der Befragung
der Bundesregierung hingewiesen worden. Wenn der Herr
Staatsminister bereit ist, meine nach der Geschäftsord-
nung in die Fragestunde ordnungsgemäß eingebrachten
Fragen zu beantworten, dann habe ich selbstverständlich
bis zur Fragestunde Geduld.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410702100
Die Fragen werden beantwortet werden.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410702200
Die Fragen sind für
zulässig erklärt und werden damit beantwortet werden.

Besteht der Wunsch nach weiteren Fragen an die Bun-
desregierung? – Bitte sehr.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1410702300
Vielen Dank, Frau Präsiden-
tin. – Auch meine Frage richtet sich an das Auswärtige
Amt. Auf dem Gipfel des Europäischen Rates, der in die-
sem Monat stattfindet, soll unter anderem, wie mir erst am
vergangenen Wochenende vom Europäischen Behinder-
tenforum mitgeteilt wurde, ein Beschluss darüber gefasst
werden, wie Selbsthilfeorganisationen in der EU dem-
nächst gefördert werden sollen bzw. wie hoch der jewei-
lige Eigenanteil an entsprechenden Fördermitteln sein
soll. Die Befürchtung war sehr deutlich vorhanden, dass
der Eigenanteil so weit steigen könnte, dass Selbsthilfe-
organisationen häufig gar nicht mehr in der Lage sein
werden, entsprechende Fördermittel in Anspruch zu neh-
men. Welche Haltung wird die Bundesregierung dort ein-
nehmen? Auf welches Ziel werden Sie hinarbeiten? Was
kann dahin gehend geschehen, dass sich Selbsthilfe als
Faktor der Möglichkeit demokratischer Mitwirkung in
Europa weiterentwickeln wird?


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410702400
Herr Staatsminister,
bitte.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410702500
Herr Kollege, ich bitte um Verständnis dafür, dass
ich Ihnen nicht zu allen Tagesordnungspunkten, die auf
künftigen Konferenzen behandelt werden, aus dem Hand-
gelenk den Sachstand darstellen kann. Die generelle Linie
der Bundesregierung besteht darin, Selbsthilfeorganisa-
tionen und Einrichtungen von Behinderten zu fördern, auf
welcher Ebene auch immer. Ich erlaube mir, Ihre Frage,
dem Protokoll entnommen, schriftlich zu beantworten.
Wenn das geschehen ist, verfügen Sie über den konkreten
Sachstand.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410702600
Damit sind Sie ein-
verstanden? – Ja.

Wir haben noch weitere Zeit für die Regierungsbefra-
gung. Aber es will niemand mehr Fragen stellen. Dann
können wir das Ganze abschließen. Ich beende die Befra-
gung der Bundesregierung.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Beratung des Antrags der Bundesregierung

Fortsetzung der deutschen Beteiligung an einer
internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo
zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes
für die Flüchtlingsrückkehr und zur militäri-
schen Absicherung der Friedensregelung für
das Kosovo auf der Grundlage der Resolution
1244 (1999) des Sicherheitsrats der Vereinten
Nationen vom 10. Juni 1999
– Drucksache 14/3454 –

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Interfraktionell
wird Überweisung des Antrages der Bundesregierung auf
Drucksache 14/3454 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einver-
standen? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so
beschlossen.

Nun käme Zusatzpunkt 1, die vereinbarte Debatte zur
Zukunft der Bundeswehr. Wenn ich mich umsehe, dann ist
es, glaube ich, besser, wenn wir noch einen Augenblick
warten.

Ich unterbreche die Sitzung für zehn Minuten.

(Unterbrechung von 13.21 bis 13.32 Uhr)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410702700
Ich eröffne die unter-
brochene Sitzung des Deutschen Bundestages wieder.

Ich rufe Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:
Vereinbarte Debatte
zur Zukunft der Bundeswehr

Dazu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der
F.D.P. vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung
sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Das ist dann so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Gernot Erler, SPD-Fraktion.


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1410702800
Frau Präsidentin! Meine sehr
verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen vor ei-
ner Reform der Bundeswehr, die keinen Aufschub dul-
det. Wir stehen hierbei in einem vorgegebenen, objektiven
Zeitrahmen, weil – das ist eine unbestreitbare Tatsache –
in den letzten zehn Jahren notwendige Veränderungen
aufgeschoben wurden und weil die internationalen Ver-
pflichtungen, die die Bundesrepublik Deutschland mit der
Bundeswehr erfüllen muss, ohne eine solche Strukturre-
form nicht erfüllbar sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Bundesrepublik hat wichtige Verpflichtungen in-
nerhalb der Europäischen Union übernommen, zum Bei-
spiel sich im Rahmen der so genannten „European head-
line goals“, der Verpflichtungen von Helsinki, in ange-
messener Form in der kurzen Zeitspanne bis zum Jahre
2003 an schnellen Einsatzkräften im Umfang von
60 000 Mann zu beteiligen. Sie hat im Rahmen der so
genannten Stand-by-Arrangements Verpflichtungen ge-
genüber den Vereinten Nationen übernommen. Sie hat im
Augenblick einen verantwortungsvollen Einsatz in Bos-




Hartmut Koschyk
10016


(C)



(D)



(A)



(B)


nien und im Kosovo zu erfüllen und sie hat natürlich stän-
dig auf die Erfüllung der vielfältigen Bündnisverpflich-
tungen vorbereitet zu sein.

Das alles ist mit der Bundeswehr, wie wir sie vor
16 Monaten vorgefunden haben, nicht zu erfüllen. Des-
wegen besteht die objektive Notwendigkeit, eine Reform
durchzuführen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In 16 Jahren Regierungsverantwortung – das muss ich
den Kollegen auf der rechten Seite des Hauses sa-
gen – ist es versäumt worden, die Bundeswehr zukunfts-
sicher zu machen.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

In 16 Monaten hat Verteidigungsminister Scharping die
entscheidenden Schritte zu einer zukunftsfähigen Bun-
deswehr vorbereitet, ja zu einem erheblichen Teil bereits
eingeleitet. Das ist der Unterschied.

Zu diesen Vorbereitungen gehört, dass seriöse Be-
standsaufnahmen über die Lage der Bundeswehr nicht
nur gemacht, sondern in den letzten 16 Monaten auch fort-
geschrieben worden sind. Dazu gehört, dass der Verteidi-
gungsminister in zahlreichen Begegnungen mit den Sol-
daten und Zivilbeschäftigten der Bundeswehr – 25 an der
Zahl – über die Notwendigkeit der Veränderungen ge-
sprochen hat. Dazu gehört, dass er schon im Juli letzten
Jahres Vereinbarungen mit deutschen Unternehmen zur
Förderung der Zusammenarbeit und der beruflichen Qua-
lifizierung und Beschäftigung abgeschlossen hat. Dazu
gehören der Rahmenvertrag „Innovation, Investition und
Wirtschaftlichkeit in der Bundeswehr“ vom Dezember
letzten Jahres und die kürzlich erfolgte Gründung der
Agentur „Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und
Betrieb“.

Natürlich gehören dazu die Berichte, die jetzt dem Re-
formprojekt unmittelbar zugrunde liegen. Als Erstes
nenne ich den Bericht der Kommission „Gemeinsame
Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“, die von Prä-
sident a. D. Richard von Weizsäcker geleitet wurde und
die uns nach 13 Monaten intensiver Arbeit unter Einho-
lung von zahlreichen, perspektivischen Stellungnahmen
am 23. Mai 2000 einen sehr wertvollen Bericht mit Ana-
lysen und Empfehlungen zugeleitet hat. Ich möchte im
Namen meiner Fraktion noch einmal sagen: Wir sind für
diese wichtige Arbeit außerordentlich dankbar, die uns in
unserer Arbeit im Bereich der Sicherheitspolitik und der
Verteidigung noch weit über die jetzt zu treffenden Ent-
scheidungen hinaus beschäftigen wird. Wir haben diesbe-
züglich einen großen Dank abzustatten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zu diesen Grundlagen gehört auch das, was der schei-
dende Generalinspekteur mit seinem Papier zu den Eck-
werten für die konzeptionelle und planerische Weiter-
entwicklung der Streitkräfte am gleichen Tag wie die
Weizsäcker-Kommission vorgelegt hat, und dazu gehört
das Eckpfeilerpapier des Bundesministers der Verteidi-

gung unter dem Titel „Die Bundeswehr sicher ins
21. Jahrhundert“ vom 1. Juni dieses Jahres. Das sind die
Grundlagen der Arbeit, die wir jetzt zu leisten haben.

Ich finde, dass wir in diesem Hause allen Grund haben,
dem Bundesminister der Verteidigung Rudolf Scharping
für seine engagierte und professionelle Vorbereitung der
überfälligen Reform der Bundeswehr Anerkennung und
Dank zu sagen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In 16 Monaten ist mehr Bewusstsein über die Verände-
rungsnotwendigkeiten in der Bundeswehr, mehr Bereit-
schaft zur Reform und mehr Argumentationssicherheit in
Bezug auf die Grundlagen geschaffen worden als in den
vielen Jahren davor, in denen sich diese Notwendigkeiten
schon längst abgezeichnet haben.

Ich möchte Ihnen jetzt acht wesentliche Punkte vortra-
gen, mit denen unsere Fraktion, die SPD-Bundestagsfrak-
tion, an dieses Werk der Strukturveränderung und der Re-
form der Bundeswehr herangehen will.

Zunächst einmal glauben wir, dass die Vorlage, die der
Bundesminister hier geliefert hat, das Eckpfeilerpapier,
eine fachlich überzeugende und tragfähige Grundlage ist.
Ich begrüße ganz besonders, dass auch die Fachverbände
das inzwischen so sehen und dies geäußert haben.


(Peter Zumkley [SPD]: Sehr richtig!)

Das ist ein sehr guter Start für das, was vor uns steht.


(Beifall bei der SPD)

Wir sind der Meinung, dass die allgemeine Wehr-

pflicht im Augenblick nicht zur Disposition gestellt wer-
den kann, und zwar vor allen Dingen aus zwei Gründen –
wir wissen, dass nicht alle in diesem Haus das genauso se-
hen –: Der eine Grund ist die langjährige sicherheitspoli-
tische Vorsorge, zu der wir verpflichtet sind und bei der
wir nicht ausschließlich von der aktuellen sicher-
heitspolitischen Lage ausgehen können.

Hinsichtlich des anderen Grundes möchte ich eine Ar-
gumentation aufgreifen, die uns die Weizsäcker-Kommis-
sion geliefert hat und die gerade in den Reihen meiner
Fraktion große Beachtung findet, nämlich eine friedens-
politische Argumentation für die vorläufige Beibehaltung
der Wehrpflicht in dem Sinne, dass, wer das Ziel der Kri-
sen-Deeskalation, der Deeskalationsdominanz, also die
Möglichkeit, in einer sicherheitspolitisch herausfordern-
den Situation nicht krisenverschärfend, sondern krisenbe-
herrschend zu reagieren, ernst nimmt, die Flexibilität
braucht, die nur die Wehrpflicht gewährleistet. Das ist ein
wichtiger Grund, der uns mit bewogen hat, zu diesem Be-
schluss zu kommen.

Wir sind der Meinung, dass die Rahmendaten, die von
der Weizsäcker-Kommission und in dem Eckpfeilerpapier
des Bundesministers genannt worden sind, richtig sind.
Wir haben deswegen einen Vorschlag mit Bandbreiten
gemacht, der die Daten von beiden Empfehlungen
berücksichtigt. Wir haben deshalb Bandbreiten gewählt,
weil wir als Leute, die lange in diesem Geschäft sind,




Gernot Erler

10017


(C)



(D)



(A)



(B)


wissen, dass es schon immer einen ziemlichen Unter-
schied zwischen dem Soll und dem Ist hinsichtlich des
Umfangs der Bundeswehr gegeben hat und dass das un-
vermeidlich ist.

Ausdrücklich unterstützen wir die Bemühungen des
Bundesministers der Verteidigung, die Attraktivität des
Dienstes in der Bundeswehr zu stärken und hier vor al-
len Dingen durch Reformmaßnahmen beim Laufbahn-
recht, besonders bei der Unteroffizierslaufbahn, endlich
gegenüber anderen Bereichen nachzuziehen und diesen
Dienst attraktiver zu machen.

Ich habe schon die Partnerschaft mit Industrie und
Wirtschaft, den Rahmenvertrag und die Agentur erwähnt.
Wir unterstützen diesen Prozess. Er mobilisiert auch not-
wendige Mittel für die erforderliche Erweiterung des
Investitionsanteils im Bundeswehrhaushalt. Wir sind
der Meinung, dass das BMVg das Recht haben muss,
diese erwirtschafteten Rationalisierungserlöse in einem
angemessenen Umfang zu nutzen, um den investiven Teil
der Bundeswehrplanung zu verstärken.

Wir sind allerdings der Meinung – wir wissen uns darin
im Konsens mit der Bundeswehrführung und mit dem
Verteidigungsminister –, dass auch der Einzelplan 14 an
dem beschlossenen Konsolidierungsprogramm teilhaben
muss und dass man hier nicht ausscheren kann, was
einschließt, dass für die internationalen Einsätze die not-
wendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen.

Diese Festlegung schließt nicht aus – das will ich hier
betonen –, dass Sonderverabredungen in der Art eines
Programmgesetzes, zum Beispiel um die laufbahnrechtli-
chen Ungleichheiten in der Bundeswehr auszugleichen,
möglich sind.

Wir haben in dem Beschluss unserer Fraktion auch die
Erwartung geäußert – wir sind uns da ebenfalls mit dem
Verteidigungsminister einig –, dass wir sehr sorgfältig
und nachvollziehbar mit der Frage der künftigen
Standortplanung umgehen müssen. Das Wichtigste sind
hier die Partizipation, die Beteiligung der Betroffenen, so-
wie die Transparenz und die Verlässlichkeit der Ent-
scheidungen. Wir haben überhaupt kein Verständnis
dafür, wenn einige Kolleginnen und Kollegen und Par-
teien schon heute Unsicherheit hinsichtlich der Standort-
planung schüren,


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Welche Parteien sind denn das besonders?)


wider besseres Wissen, denn sie wissen ganz genau, dass
hier ein verlässlicher Weg eingeschlagen wird. Wir halten
das für unverantwortlich und fordern Sie auf, mit diesen
Kampagnen aufzuhören.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter Zumkley [SPD]: Sehr richtig! Sehr gut!)


Unsere Anerkennung der Arbeit der Kommission unter
der Führung von Richard von Weizsäcker – damit komme
ich zum Schluss – drückt sich nicht nur in einem Dank
aus, sondern auch darin, dass wir unserer zuständigen
Arbeitsgruppe und dem Verteidigungsministerium den
Auftrag erteilt haben, die sicherheitspolitischen Vorstel-

lungen und Empfehlungen der Weizsäcker-Kommission,
die in verschiedenen Bereichen hochinteressant und pro-
duktiv sind, zu beraten und uns über die Möglichkeit der
Umsetzung dieser Empfehlungen Bericht zu erstatten.

Meine Damen und Herren, die Bundeswehrreform ist
eine so wichtige Aufgabe – die Verlässlichkeit der Bun-
desrepublik Deutschland in der gesamten internationalen
Politik ist davon berührt und hängt von einem vernünfti-
gen Ergebnis ab –, dass wir es für angemessen halten, zu
einem gesellschaftlichen und parteiübergreifenden – auch
in diesem Hause – Konsens zu kommen. Wir sind im Rah-
men dieser wichtigen Reform zu einem Dialog mit Ihnen
bereit. Wir setzen auf Ihre Bereitschaft, zu diesem Kon-
sens beizutragen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410702900
Bevor ich dem Kolle-
gen Paul Breuer das Wort gebe, möchte ich, dass wir ei-
nen Augenblick innehalten: Unsere Kollegin Angelika
Beer, die nach dem Kollegen Breuer sprechen wird, ist
heute Nacht in ihrem Hausflur hinterhältig angegriffen
worden und hat sich schwere Verletzungen zugezogen.
Sie ist trotzdem – tapfer, wie wir Frauen sind – heute im
Bundestag anwesend.

Wir waren unsicher, wie wir heute mit diesem Vorfall
umgehen sollen. Es ist ein erschreckendes Ereignis. Wir
sind entsetzt, dass ein Mitglied der deutschen Volksver-
tretung hinterhältig angegriffen wurde. Das hat viel zu tun
mit Stimmungen, Gewaltbereitschaft, mit dem Verständ-
nis von Demokratie und vielleicht auch mit dem Umgang
untereinander. Ich wollte das hier zur Kenntnis geben. Wir
freuen uns, dass Sie, Frau Beer, heute hier anwesend sind.
Frau Kollegin, Sie haben unsere Solidarität.


(Beifall im ganzen Hause)

Das Wort hat nun der Kollege Paul Breuer.


Paul Breuer (CDU):
Rede ID: ID1410703000
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Normalerweise sollte
heute eine Regierungserklärung abgegeben werden; das
war so angekündigt.


(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)


Angekündigt war, dass Verteidigungsminister Scharping
eine Erklärung für die Regierung zu seinem Konzept zur
Strukturreform der Bundeswehr abgibt.

Wir stellen fest: Diese Regierungserklärung findet
nicht statt. Stattdessen führen wir heute eine Debatte, die
davon geprägt sein wird, dass die Koalition insgesamt
ohne ein gemeinsames Konzept in diese Debatte hinein-
geht. Das erschwert diese Debatte ungemein. Sie haben
kein Konzept für die Bundeswehr!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt der Richtige!)





Gernot Erler
10018


(C)



(D)



(A)



(B)


– Herr Kollege Schlauch, es wird in dieser Debatte ja die
Gelegenheit geben, Erklärungen dafür zu hören, warum
sich die Bundestagsfraktion der Grünen zu einem Zeit-
punkt, zu dem Herr Scharping sein Konzept vorgelegt hat,
in einer völlig anderen Art und Weise im Hinblick auf die
Bundeswehr und die deutsche Außen- und Sicherheitspo-
litik positioniert. Diese Antworten müssen Sie heute in
dieser Debatte geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Detlev von Larcher [SPD]: Herr Breuer, machen Sie sich keine Hoffnungen!)


Ich will Ihnen das an zwei Punkten deutlich machen:
Wenn Herr Erler soeben Wert darauf gelegt hat – in dieser
Frage haben wir eine Gemeinsamkeit –, dass die Beibe-
haltung der allgemeinen Wehrpflicht im Wesentlichen
Vorsorgecharakter für Eventualitäten in der sicherheitspo-
litischen Entwicklung, die wir heute nicht überblicken
können, besitzt, Sie von den Grünen aber genau ge-
genteilig votieren, die allgemeine Wehrpflicht abschaffen
und die Bundeswehr ohne sicherheitspolitische Begrün-
dung in Hinsicht auf die Risiken auf ein Minimum redu-
zieren wollen – dies sind ja die Vorstellungen der Grü-
nen –, dann stelle ich fest: Die Vorstellungen der SPD sind
mit denen der Grünen eigentlich gar nicht vereinbar. Die
Unterstützung der Koalition für das Konzept des Vertei-
digungsminister Scharping ist infrage gestellt.

Als nächsten Punkt möchte ich die Frage der Zeitge-
staltung ansprechen. Was veranlasst diese Regierung, was
veranlasst diesen Minister eigentlich, ein Konzept in die-
sem Schweinsgalopp, in dieser Hektik durchpeitschen zu
wollen?


(Gernot Erler [SPD]: Weil Sie zehn Jahre nichts gemacht haben! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie haben geschlafen und schlafen noch immer! – Gegenruf von der CDU/CSU: Schreihals!)


Der Minister hat der deutschen Öffentlichkeit ein ganzes
Jahr lang erzählt, sein Handeln finde vorbehaltlich der
Empfehlungen der Wehrstrukturkommission statt. Er
hat Bescheide über das Aufrechterhalten von Bundes-
wehrstrukturen, über einzelne Standorte unterschrieben,
in denen stand: vorbehaltlich der Empfehlungen der
Wehrstrukturkommission. Ich stelle fest, Herr Minister
Scharping, dass Sie zu keinem Zeitpunkt Interesse an dem
hatten, was die Wehrstrukturkommission sagt; denn sonst
wäre diese Zeitgestaltung gar nicht möglich gewesen.


(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Breuer, Sie haben die Kommission von vornherein abgelehnt!)


Ich stelle ein Zweites fest: Sie haben die deutsche Öf-
fentlichkeit weiter verunsichert, indem Sie parallel dazu
eine Planung in Ihrem Ministerium in Auftrag gegeben
haben,


(Gernot Erler [SPD]: Muss er doch!)

eine Planung des Generalinspekteurs.


(Zuruf von der SPD: Sie haben jahrelang nicht geplant!)


Man konnte gar nicht darauf warten, was in der Wehr-
strukturkommission gesagt oder nicht gesagt wird. Ich
stelle fest: Sie haben einen Tag, nachdem der Generalin-
spekteur der Bundeswehr dieses Papier vorgelegt hat, in
der Öffentlichkeit in einer Nebenbemerkung deutlich ge-
macht, was Sie davon halten – nämlich nichts –, indem Sie
den Generalinspekteur in einer unsäglichen Art und Weise
entlassen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben damit deutlich gemacht, was Sie vom militäri-
schen Sachverstand halten. Sie sind dem deutschen Parla-
ment und der Öffentlichkeit für Ihr Handeln eine Begrün-
dung, auch eine sicherheitspolitische Begründung schul-
dig.


(Peter Zumkley [SPD]: Bericht der Weizsäcker-Kommission lesen!)


Nun höre ich aus der SPD-Fraktion, Minister
Scharping lege Wert darauf, Kompromisse zwischen den
Empfehlungen der Kommission und den Vorstellungen
des Generalinspekteurs zu finden.


(Zuruf von der SPD: Gut! Gute Eigenschaft!)

Wenn er darauf Wert gelegt hätte, dann hätte er in einer

fundierten Diskussion mit einer klaren Analyse der deut-
schen Sicherheitsinteressen und einer klaren Analyse
des deutschen bzw. europäischen bzw. euro-atlantischen
sicherheitspolitischen Umfeldes begründet, warum er
nicht der einen oder anderen Empfehlung der Kommis-
sion oder der einen oder anderen Empfehlung des Gene-
ralinspekteurs folgt. Er hat es ohne Begründung getan.
Diese Sicherheitsanalyse ist nicht erfolgt. Das schlägt sich
in der Diskussion in der grünen Fraktion nieder. Das, was
jetzt stattfindet, trägt zu einer unglaublichen Verunsiche-
rung der deutschen Öffentlichkeit, der Bundeswehr, ihrer
Soldaten und deren Familien bei.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Aber nur durch Sie! – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt der, der im Glashaus sitzt! Das werden wir morgen sehen!)


Man hat den Eindruck, man sei auf einem Basar. Sagen
Sie hier doch: Was hat die SPD-Fraktion veranlasst, in
ihrem Beschluss von gestern nicht klar die Struktureck-
werte von Herrn Scharping zu unterstützen, sondern sich
Spielräume zu verschaffen? Ich bin nicht davon über-
zeugt, dass ein so schwerwiegender Einschnitt in die Per-
sonalsubstanz und den Umfang der Bundeswehr in der
Größenordnung – militärisch und zivil – von 100 000 ge-
rechtfertigt ist. Wenn Sie Margen einräumen, wenn Sie
Spielräume schaffen, wie Sie es gestern getan haben – so
habe ich Ihren Beschluss verstanden –, sind Sie dazu be-
reit, die Größe der Bundeswehr noch stärker zu beschnei-
den. Eine sicherheitspolitische Begründung, Herr Kollege
Erler, haben Sie dafür in Ihrer Rede aber nicht gegeben.


(Beifall bei der CDU/CSU – Gernot Erler [SPD]: Die hat die Weizsäcker-Kommission gegeben! Die haben Sie doch abgelehnt!)





Paul Breuer

10019


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Frage, wo die Sicherheitsrisiken für Deutschland
liegen, muss einer vertieften Betrachtung unterzogen wer-
den.


(Gernot Erler [SPD]: Lesen Sie doch mal den Bericht von Weizsäcker, Herr Kollege Breuer!)


Wo liegen die deutschen Sicherheitsrisiken beispiels-
weise im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit eines Rück-
falls in Europa? Ich finde in diesem Konzept keine Aus-
sage dazu. Dass innerhalb der Koalition eine solche De-
batte über die Wehrpflicht ohne eine solche Begründung
geführt wird, ist dann geradezu natürlich. Wir müssen un-
seren Mitbürgern, insbesondere den jungen Männern in
Deutschland, klar sagen, dass wir als Rückversicherung
für das Risiko eines Rückfalls in Europa die allgemeine
Wehrpflicht auf Dauer benötigen, dass sie die Bundes-
wehr in der Gesellschaft verankert. Diese Diskussion, die
innerhalb dieser Koalition nicht stattfindet, muss ausge-
tragen werden.

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt,
dass die Seriosität des Programms von Herrn Scharping
nicht nur aus diesen Gründen infrage zu stellen ist. Sie ist
insbesondere auch deshalb infrage zu stellen – dies spielt
ja auch innerhalb der Koalition eine Rolle –, weil niemand
weiß, ob die Finanzierung gesichert ist. Wenn ich mir das
scharpingsche Konzept im Hinblick auf die Finanzierung
anschaue, stelle ich fest: Es ist keine einzige konkrete
Haushaltszahl zu finden. Dieses Konzept ist nicht bis zum
Ende durchdacht; seine Finanzierung ist nicht abgesi-
chert.

Über diese Frage findet ja auch innerhalb der Koalition
eine Debatte statt. Wenn Herr Kollege Schlauch zum Aus-
druck bringt, dass der Verteidigungsetat entsprechend
dem Rückgang beim Personalbestand der Bundeswehr
sinken müsse, dann konterkariert er genau das, was
Minister Scharping will, der sagt: Ich muss das Personal
herunterfahren, damit ich Mittel für Investitionen ge-
winne, um die Bundeswehr zu modernisieren. Wenn Sie
sich innerhalb der Koalition – Sie wollen zusammen den
Haushalt vorlegen – zum heutigen Zeitpunkt nicht einig
darüber sind, dass das eine geht oder das andere geht, aber
nicht beides zusammen, dann sage ich Ihnen: Diese Kon-
zept ist nicht tragfähig, es ist nicht seriös.


(Beifall bei der CDU/CSU – Gernot Erler [SPD]: Was haben Sie denn für eines? – Weiterer Zuruf von der SPD: Lassen Sie sich überraschen!)


Es ist nicht möglich, ständig den nationalen und inter-
nationalen Stimmen zu widersprechen.


(Zuruf von der SPD: Presseschau!)

Ich habe im Vorfeld dieser Debatte einen Hinweis von
meinem Kollegen Austermann, unserem Sprecher im
Haushaltsausschuss, bekommen.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Oh, ausgerechnet!)

Er hat in der Berichterstattersitzung, die heute zum Ver-
teidigungsetat abgehalten wurde, eine interessante Fest-
stellung seitens des Ministeriums vernommen: Auf
Seite 24 Ihres Konzeptes, Herr Minister Scharping, haben

Sie in einer Übersicht, die mit „Eckpfeiler“ überschrieben
ist, aufgeführt, dass die Zahl der Panzer um 25 Prozent zu
reduzieren ist, die Zahl der Schützenpanzer um 25 Prozent
usw.; dort steht, wo Aufwüchse zu erwarten sind und wo
neue Systeme eingeführt werden. Als der Kollege
Austermann dazu eine spezielle Frage an das Ministerium
gestellt hat – warum denn dort eine bestimmte Zahl
stehe –, hat, so ist mir berichtet worden, Frau Kollegin
Schulte, Ihre Parlamentarische Staatssekretärin, geant-
wortet, dass diese Seite 24 des Konzeptes zwischen Pla-
nungsstab und Führung des Ministeriums nicht abge-
stimmt gewesen ist.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch Hochverrat!)


Wenn dies, Herr Kollege Scharping, ein Eckpfeiler Ihres
Gebäudes ist, dann, so sage ich Ihnen, muss dieses Ge-
bäude schon jetzt zu Bruch gehen. Denn das ist nicht zu-
verlässig.


(Beifall bei der CDU/CSU – Gernot Erler [SPD]: Das sind Argumente eines Rabattmarkensammlers!)


Ich will neben den beschriebenen Risiken auf ein Ri-
siko hinweisen, das immer verklausuliert dargestellt wird.
Herr Scharping schreibt im Rahmen dessen, was er Fi-
nanzierungskonzept nennt, dass er prüfen werde, ob dem
Deutschen Bundestag ein Programmgesetz vorgelegt
werde. Ich sage Ihnen: Wir fordern ein Programmgesetz,
das alle Maßnahmen beschreibt, das den Zeitpunkt be-
schreibt und das die Finanzierung beschreibt – damit das
Konzept überhaupt „tragfähig“ genannt werden kann.
Wenn Sie schreiben, Sie prüften, ob in Abstimmung mit
dem Finanzminister ein Programmgesetz vorgelegt wer-
den solle, dann will ich Ihnen sagen: Prüfen Sie, ob Sie
dem Deutschen Bundestag, im Übrigen auch der Bundes-
wehr, unseren Verbündeten und der nationalen und inter-
nationalen Öffentlichkeit versichern können, dass dieses
Konzept überhaupt tragfähig ist. Legen Sie das Pro-
grammgesetz vor! Machen Sie damit das, was Sie tun,
transparent. Die Verunsicherung, die überall im Lande
existiert – Kollege Erler sprach die Standortfrage an –, ist
doch auf der Basis dieser Betrachtung völlig natürlich.


(Gernot Erler [SPD]: Weil ihr sie anheizt! Das haben wir nie gemacht, als wir in der Opposition waren!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410703100
Kollege Breuer, den-
ken Sie bitte an die Redezeit.


Paul Breuer (CDU):
Rede ID: ID1410703200
Ich komme zum Ende,
Frau Präsidentin.


(Zuruf von der SPD: Got sei Dank!)

Ich behaupte, dass es nicht möglich ist, das Konzept ei-

ner massiven Reduzierung unter dem Diktat des Rotstifts –
es basiert nicht auf einer sicherheitspolitischen Analyse –


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie eigentlich? Die gute liebe alte Bundeswehr oder was?)





Paul Breuer
10020


(C)



(D)



(A)



(B)


ohne massive Schließungen von Standorten in Deutsch-
land umzusetzen, und gebe daher das Risiko der
Schließung von durchaus respektablen Standorten in der
Größenordnung von 100 bis 150 an. Das ergibt sich aus
dem Zahlenwerk, das uns vorliegt. Eine andere Betrach-
tung ist aus dem Erkenntnisstand und den Erfahrungen
der Vergangenheit nicht seriös.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Ihrer Vergangenheit!)


Bis jetzt waren Sie nicht in der Lage, dieses Konzept in
all seinen Schritten transparent zu machen – in der Finan-
zierung ist es nicht tragfähig und es ist auch nicht kon-
sensfähig –, und deshalb fordere ich Sie auf, das endlich
zu tun.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der F.D.P.)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410703300
Ich erteile das Wort
der Kollegin Angelika Beer, Bündnis 90/Die Grünen.


Angelika Beer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410703400
Frau
Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich
möchte zunächst begrüßen, dass diese Debatte heute statt-
findet; denn es ist eines unserer wesentlichen Anliegen,
über die Zukunft der Bundeswehr und die dazu bestehen-
den Modelle zu diskutieren. Wir glauben, dass die Ge-
sellschaft und die Bundeswehr ein Anrecht darauf haben,
dass diese Debatte nach 16 Jahren sicherheitspolitischer
Verkrustung unter Ex-Bundeskanzler Kohl hier jetzt
tatsächlich geführt wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Herr Breuer, Sie sind lange genug Mitglied des Deut-
schen Bundestags, und deshalb muss ich Ihnen sagen: Es
ist vollkommen abwegig, eine Regierungserklärung von
Verteidigungsminister Scharping zu erwarten, wenn wir
uns noch in diesem Diskussionsprozess befinden,


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Eben!)

der der Vorbereitung einer Kabinettsentscheidung in den
nächsten Wochen dienen soll.

Das Ende des Ost-West-Konflikts liegt ein gutes
Jahrzehnt zurück, und wir stehen heute vor einer meines
Erachtens grundlegenden Entscheidung für die Bundes-
wehr und die Gesellschaft. Der Versuch der ehemaligen
Regierung unter Helmut Kohl – Sie, Herr Breuer, können
mit dem Kopf schütteln, solange Sie wollen, Sie haben
das sozusagen als Pfeiler, wenn auch immer als morscher,
mitgetragen –,


(Gernot Erler [SPD]: Er wackelt mit dem Kopf! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Der hält seinen Kopf nicht mehr ganz still!)


die Debatte über die Reform der Bundeswehr zu
blockieren, hatte zweierlei Gründe. Der erste Grund war:

Man hätte über die Auswirkungen – da sind natürlich die
wirtschaftliche Entwicklung und die Standortfrage ent-
scheidend – diskutieren müssen. Der zweite Grund war:
Man hätte sich trauen müssen, eine gesellschaftliche De-
batte zu führen, die eine außen- und sicherheitspoliti-
sche Analyse voraussetzt.

Es ist eine Tatsache, dass es Ihre Regierung nie ge-
schafft hat, eine solche Analyse vorzunehmen. Sie hatte
nie den Mut, Reformschritte in diese Richtung zu gehen.
Diese Politik, die Sie mitverantwortet haben, hat uns da-
hin geführt, wo wir heute sind, nämlich zu einer Bundes-
wehr, die in der Sackgasse gelandet, in ihren Strukturen
veraltet ist, nicht mehr entsprechend ihren Aufgaben ein-
gesetzt werden kann und deren Material und Ausstattung
mangelhaft sind.


(Zuruf von der PDS: Zur Landesverteidigung reicht es!)


– Zur Landesverteidigung reicht es. Darauf komme ich
aber gleich noch, wenn ich über die Frage der Risikoana-
lyse und der Notwendigkeiten sprechen werde.

Ich appelliere wirklich an die Opposition: Nehmen Sie
sich einmal eine halbe Stunde Zeit, zumindest die Kurz-
fassung des Berichts von Richard von Weizsäcker zu le-
sen. Lesen Sie wenigstens die Kurzfassung, mehr will ich
gar nicht erwarten.


(Zurufe von der SPD: Die können nicht lesen! – Die lassen lesen! – Gegenruf von der CDU/CSU: Wir haben sogar die Langfassung gelesen!)


– Herr Breuer offensichtlich nicht. Ich bin ja fair, ich be-
ziehe mich auf meinen Vorredner.

Wir kommen in unserer sicherheitspolitischen Analyse
zu dem gleichen Ergebnis wie Richard von Weizsäcker.
Wir sagen: Die Bundeswehr ist überdimensioniert und un-
terfinanziert, und sie kann die von der Bundesregierung
eingegangenen Verpflichtungen im Rahmen der NATO
und der Europäischen Union langfristig nicht erfüllen.

Ich möchte feststellen: Das, was Richard von Weizsäcker
vorgeschlagen hat, hat nichts mit einer Interventionsar-
mee zu tun. Die Kommission hat dezidiert alle Aufgaben,
die wir bereits politisch übernommen haben, aufgelistet
und hat herunterdekliniert, was das für die Bundeswehr
bedeutet.

Ich will gar nicht nur positiv über die Weizsäcker-
Kommission reden. Wir haben auch Kritik geäußert, und
zwar nicht nur bezüglich der Beibehaltung der Wehr-
pflicht. Dazu sage ich später noch etwas. Wir glauben,
dass auch etwas anderes ganz wesentlich ist – das ist das
Anliegen meiner Fraktion, über das wir offen diskutieren
und zu dem wir uns auch positioniert haben – : Wir wei-
gern uns, die Debatte über die Bundeswehrreform nur
hinsichtlich der Personalstärke oder der Frage „Wehr-
pflicht ja oder nein?“ zu führen. Wir fordern – das ist die
Konsequenz aus der Beteiligung am Krieg gegen Ex-
Jugoslawien –, dass wir, nicht nur Deutschland, sondern
alle europäischen Staaten, aus den Fehlern der Vergan-
genheit lernen. Einer dieser Fehler – und er ist gravie-
rend –, dass man bei der zivilen Konfliktprävention und
-moderation trotz des vorhandenen breiten Spektrums an




Paul Breuer

10021


(C)



(D)



(A)



(B)


Instrumenten mehr als nachlässig war, dass man die
Kräfte, die zu nutzen möglich gewesen wäre, nicht aus-
gebildet hat


(Hildebrecht Braun [Augsburg] [F.D.P.]: Geht das gegen den Außenminister?)


und dass man zum Beispiel die Implementierung von in-
ternationalen Polizeieinheiten mehr als vernachlässigt
hat. All dies liegt so klar auf dem Tisch – und war auch
Konsens hier im Haus –, dass wir dann, wenn auch schon
unter Federführung von Ex-Kanzler Kohl eine aktive
Präventionspolitik stattgefunden hätte, möglicherweise in
der Lage gewesen wären, unter Verzicht auf national-
staatliche Interessen in ganz Europa den Krieg im Kosovo
zu verhindern.

Deswegen sage ich noch einmal: Die Reform der Bun-
deswehr muss in eine Reform der Außen- und Sicher-
heitspolitik – und dort gerade im präventiven Bereich –
eingebettet werden. Wir leben in einer Industriegesell-
schaft, die nicht in erster Linie durch militärische Power
verteidigt werden kann. Vielmehr müssen wir Demokra-
tien stärken und unterstützen. Wir müssen für eine wirt-
schaftliche Weiterentwicklung in den ärmeren Regionen
sorgen und so – nicht nur durch den Stabilitätspakt im
Balkan, sondern hoffentlich auch durch diese Konzepte –
Stabilität erreichen.

Für uns – dies sage ich auch als Grüne, und ich wun-
dere mich, dass bisher noch gar kein Vorwurf vom Kolle-
gen Breuer oder von anderen gemacht worden ist – gehört
zu den Konsequenzen aus den beiden Kriegen im Kosovo
und in Bosnien: Wir haben gelernt, dass die Bedrohun-
gen und Konflikte in und rund um Europa neue Formen
angenommen haben. Wir haben gelernt, dass dann, wenn
nichts anderes mehr hilft, der Einsatz von Militär als letz-
tes Mittel, als Ultima Ratio, notwendig ist,


(Zuruf von der PDS: Da habt ihr aber nicht viel gelernt! Ein bisschen dürftig!)


um zu versuchen, weitere Eskalationen zu verhindern.
Aufgrund dieser Einsicht – Sie wissen, dass unsere

Partei lange darüber diskutiert hat – sagen wir: Wir wol-
len eine wirkliche Reform. Dann, wenn wir aufgrund ei-
nes internationalen Mandats noch einmal dazu gezwun-
gen werden, die Bundeswehr einzusetzen, haben die Sol-
daten das Recht, adäquat ausgestattet zu sein, dann haben
sie das Recht auf eine breite politische Unterstützung aus
dem Parlament. Deswegen sind wir bei der Reform mit
unserem Zahlenansatz sehr viel radikaler – das CDU-Mo-
dell will ich gar nicht erwähnen, das ist „out of area“ der
Diskussion – als zum Beispiel die SPD-Fraktion mit ihren
momentanen Eckpunkten und auch als von Weizsäcker.

Wir sind der Meinung, dass zukünftig 200 000 Solda-
tinnen und Soldaten ausreichend sind. Dann können wir
den Konsolidierungsrahmen des Haushaltes einhalten und
den investiven Anteil erhöhen. Dann – dies ist uns beson-
ders wichtig und ich glaube, das ist auch klar geworden –
werden wir die Mittel haben, um in die Kriegsverhütung
zu investieren. Dies ist allemal billiger, als sich an einem
Krieg, der leider notwendig war, zu beteiligen.

Ich will zum Bereich der Prävention ein Beispiel nen-
nen. Uns wird immer unterstellt: Ihr redet immer nur da-
von, macht aber überhaupt nichts. Das Gegenteil ist der
Fall. Wir haben angefangen, im Auswärtigen Amt Men-
schen auszubilden, die international zur Prävention ein-
gesetzt werden können. Wir haben erreichen können, dass
von der OSZE Beschlüsse zur schnellen Eingreiffähigkeit
im zivilen Bereich gefasst wurden. Ich glaube, dass es gut
ist, wenn die Bundeswehr der Zukunft im Rahmen einer
solchen präventiven Außenpolitik eingesetzt werden
kann, was dann auch bedeutet, dass die Unterstellungen,
eine Freiwilligen- oder Berufsarmee sei automatisch eine
Ramboarmee, nicht untermauert werden. Vielmehr sollte
im politischen Bewusstsein des Parlaments an erster
Stelle stehen: Der Primat der Politik ist unbestritten, und
die Stärkung der inneren Führung und der politischen Bil-
dung in einer Armee gleich welcher Wehrform ist weiter-
hin im demokratischen Rahmen zu gewährleisten.

Die Folge aus dem, was ich eben ausgeführt habe, heißt
für Grüne – auch das war ein schmerzlicher Diskussions-
prozess; das sage ich ganz ehrlich –, die Verantwortung
für radikale Reduzierung und Modernisierung zu über-
nehmen, friedenskompatibel und abrüstungskompatibel.

Wenn ich noch einmal auf die Kommission und dabei
besonders auf die Wehrpflicht zu sprechen komme – ich
habe es eben schon am Rande gestreift –, so bin ich aus
guten Gründen überzeugt: Diese Debatte hat verdeutlicht,
dass die Position meiner Partei und Fraktion zutreffend
ist, auch wenn jetzt gesagt wird, es gibt keine politische
Mehrheit zur Abschaffung der Wehrpflicht. Wir meinen:
Die Wehrpflicht ist ein Auslaufmodell.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Ich glaube, eher die Grünen! – Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Wir sehen mit Zuversicht der weiteren Entwicklung ent-
gegen. Ich will das aber auch begründen.

Unsere Regierung hat gezeigt, dass sie handlungsfähig
ist. Wir haben mit dem heutigen Kabinettsbeschluss si-
chergestellt, dass Frauen gleichberechtigt in der Bundes-
wehr ihren Dienst tun können, ohne Diskriminierung. Wir
gehen dann eben nur einen Schritt weiter – ich denke, das
ist auch selbstverständlich –: Freiwilligkeit für Frauen
muss auch Freiwilligkeit für junge Männer bedeuten.

Wenn Sie vorhin vielleicht doch die sicherheitspoliti-
sche Analyse verfolgt haben, dann haben Sie erkannt, dass
unser Staat zum heutigen Zeitpunkt kein Recht mehr hat,
Jugendliche zu zwingen, ihren Lebensweg zu unterbre-
chen und im Rahmen der Wehrpflicht oder des Zivildiens-
tes einen Dienst zu tun. Deswegen setzen wir darauf, dass
wir die freiwilligen Dienste insgesamt ausbauen. Frei-
willigkeit für die Jugend bedeutet aber auch: Wir lehnen
eine allgemeine Dienstpflicht für Jugendliche ab. Das
sage ich ganz klar, weil die eine oder andere Stimme in der
letzten Zeit immer wieder kam; ich glaube, Kollege
Kossendey hatte so etwas einmal andiskutiert.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410703500
Frau Kollegin, gestat-
ten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Nolting?




Angelika Beer
10022


(C)



(D)



(A)



(B)



Angelika Beer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410703600
Nein,
heute nicht, sorry.

Eine allgemeine Dienstpflicht wird es mit uns nicht ge-
ben. Ich glaube, dass sie auch in der Gesellschaft nicht le-
gitimierbar wäre, genauso wenig wie die weitere Auf-
rechterhaltung des Zwangsdienstes für junge Männer.

Das letzte Kriterium will ich hier nicht verschweigen.
Wir machen keine Bundeswehrstruktur nach Finanzlage
oder Spardiktat von Finanzminister Eichel, sondern un-
sere Regierung hat die Verantwortung übernommen, den
Schuldenberg abzubauen und den Zustand der Bundesfi-
nanzen zu konsolidieren. Dazu haben wir Rahmenpunkte
beschlossen, und diese Rahmenpunkte werden wir ein-
halten. Das heißt auch ganz klar, dass die Bundeswehr
sich daran beteiligen muss.

Ich habe Verständnis dafür, dass das vielen schwer
fällt. Manches wird wehtun. Ich habe aber kein Verständ-
nis dafür, dass Unionsangehörige, die 16 Jahre lang Raub-
bau an der Bundeswehr betrieben haben,


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Das müssen Sie gerade sagen!)


sich jetzt hinstellen und sagen, alles ist gut, wir brauchen
nur mehr Geld.


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte zum Schluss allen Mitgliedern der Wehr-
strukturkommission und insbesondere auch Richard von
Weizsäcker dafür danken, dass sie den Auftrag der rot-
grünen Regierung umgesetzt haben.


(Birgit Schnieber-Jastram [CDU/CSU]: Unglaubliche Scheinheiligkeit!)


Der Auftrag war, unter Analyse der sicherheitspolitischen
Rahmenbedingungen ein Reformmodell für die Bundes-
wehr zu entwickeln. Das hat die Kommission geleistet.

Jetzt ist es an der Politik, zu entscheiden, wie weit sie
geht, aber ich bin der Überzeugung, dass der konsequente
Reformansatz der Wehrstrukturkommission tatsächlich
Messlatte für die nächsten Jahre sein wird und dass eine
Annäherung an das alte Modell „Schieben, Strecken,
Streichen“ à la Rühe nicht tragfähig ist, weil sie in kurzer
Zeit eine neue Reformdebatte verursachen würde.

Noch einmal: Die Kommission hat ihre Arbeit getan.
Wir haben sie ebenso wie andere Konzepte begrüßt und
zum Teil kritisiert. Ich glaube, dass viele Reformvor-
schläge, die dort gemacht worden sind, in die Kabinetts-
beratungen und in die Vorlage des Bundesministers der
Verteidigung einfließen werden. Wir werden dann ent-
scheiden müssen, ob wir dem Interesse der Soldaten an
Planungssicherheit gerecht werden können. Sie verlan-
gen nun endlich Planungssicherheit, weil sie gerade bei
internationalen Einsätzen gemerkt haben, dass der Re-
formstau der letzten Jahre zulasten der Einsatzfähigkeit,
der Kommunikation und der Möglichkeit einer multina-
tionalen Zusammenarbeit geht.

Gleichgültig, wie die Entscheidung aussehen mag: Ich
sehe uns auf gutem Wege, von einem bornierten national-
staatlichen Streitkräftedenken zu einer europäischen Ge-
meinsamkeit zu kommen, die nicht nur militärisch-si-
cherheitspolitisch orientiert ist, sondern die Frage der Kri-
sen- und Kriegsverhinderung ganz in den Vordergrund
stellt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410703700
Das Wort hat nun der
Kollege van Essen, F.D.P.-Fraktion.


Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1410703800
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Seit der deutschen Wiedervereini-
gung haben wir uns von vielen Illusionen verabschieden
müssen. Es hat nicht den sicheren Frieden gegeben, an
den viele geglaubt haben, sondern im letzten Jahr einen
heißen Krieg mitten in Europa.

Wir brauchten bei dem Einmarsch in den Kosovo wie-
der schwere Panzer, obwohl alle Experten Anfang der
Neunziger Jahre die Zeit für leicht bewegliche und leicht
gepanzerte Truppen gekommen sahen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Unsere Truppen sind immer noch auf dem Balkan, ob-
wohl wir zu Beginn unseres Engagements glaubten, dass
das Ganze allenfalls ein Jahr dauern würde. In diesem Zu-
sammenhang ist festzustellen, dass die Zahl der Krisenre-
aktionskräfte hinten und vorne nicht reicht.


(Beifall des Abg. Dirk Niebel [F.D.P.])

Die Forderungen sind deshalb klar: eine Reform der

Streitkräftestruktur für eine leistungsfähige und attraktive
Bundeswehr mit dem Ziel der Gliederung in Einsatz-
streitkräfte und eine Basisorganisation sowie eine weitere
Differenzierung der Wehrpflicht und Verkürzung der
Wehrdienstdauer auf das unbedingt notwendige Maß, die
Verringerung des Personalumfangs der Bundeswehr auf
eine sicherheitspolitisch vertretbare und staatspolitisch
verantwortbare Größenordnung, die Anhebung der Fi-
nanzmittel für Zeit- und Berufssoldaten, die Höherdotie-
rung der Einstiegsgehälter und – besonders wichtig – die
schnelle Anhebung der Ostgehälter auf Westniveau.


(Beifall bei der F.D.P.)

Weiter ist zu fordern: die Anhebung der investiven

Ausgaben im Verteidigungshaushalt auf mindestens
30 Prozent, die Steigerung der Effizienz der Bundeswehr
durch Rationalisierung und Privatisierung, wo immer
möglich, und schließlich die Öffnung aller Truppengat-
tungen für Frauen.

Ich habe jetzt nicht aus dem Eckwertepapier des Minis-
ters vom 1. Juni 2000 zitiert,


(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Das hätte man aber meinen können!)







(C)



(D)



(A)



(B)


obwohl man dort vieles von den Forderungen, die ich ge-
rade vorgetragen habe, findet. Ich habe vielmehr aus dem
Wahlprogramm der F.D.P. für die Bundestagswahl 1998
zitiert.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Qualität setzt sich durch!)


Zwei Jahre sind mittlerweile vergangen, und 20 Monate
rot-grüner Regierung liegen hinter uns. Bisher hat sich lei-
der nichts getan. Anstatt unverzüglich an die notwendigen
Planungen – deren Notwendigkeit ich Ihnen zugestehe –
heranzugehen, hat die Regierung unheimlich viel Zeit da-
durch verspielt, dass sie eine Kommission einberufen hat.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Herr van Essen, Sie sind doch ansonsten ein ernst zu nehmender Mensch! Sechzehn Jahre waren Sie auf dem Spielfeld!)


Die Tatsache, dass die Zeit verspielt worden ist, kön-
nen Sie an einem ganz einfachen Vorgang erkennen: Die
F.D.P.-Bundestagsfraktion hat im Frühjahr letzten Jahres
ihr Positionspapier zu einer Reform der Bundeswehr vor-
gestellt. Dieses Papier enthält 80 Prozent dessen, was der
Herr Minister heute als sein eigenes Konzept vorstellt.
Das macht deutlich, dass nahezu alle Entscheidungen be-
reits Anfang des letzten Jahres hätten getroffen werden
können.


(Beifall bei der F.D.P.)

Jeder weiß auch, warum es so lange gedauert hat. Uns

war für heute zunächst eine Regierungserklärung an-
gekündigt worden. Diese gibt es nicht, und zwar aus ei-
nem ganz einfachen Grund: In dieser Frage herrscht zwi-
schen SPD und Grünen keine Übereinstimmung.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Grünen sind offensichtlich der Auffassung, dass man
auch in diesem Punkt den verstaubten Forderungen der
Alt-68er folgen muss und dass das deshalb hier noch ein-
mal präsentiert werden muss.


(Gernot Erler [SPD]: Besser 68er als gar kein Jahrgang!)


Dies geht immer noch nach dem Motto: Was schadet der
Bundeswehr am meisten? Das kann so nicht sein. Wir
müssen zusammenarbeiten. Es muss so sein, dass die
Bundeswehr auf die breite Zustimmung des ganzen Hau-
ses bauen kann. Deshalb hoffe ich, dass wir zu einer Lö-
sung kommen werden, die eine breite Mehrheit im Hause
finden wird.


(Gernot Erler [SPD]: Das hängt vor allem von euch ab!)


Wir sind im Übrigen – das zeigt die Übereinstimmung
von 80 Prozent mit unserem Positionspapier – mit vielen
Überlegungen des Ministers einverstanden, nämlich mit
der Reduzierung der Bundeswehr bei gleichzeitiger Auf-
stockung der Einsatzkräfte auf 150 000 Soldaten. Das ist
überfällig, weil es sicherheitspolitisch und finanziell ge-
boten ist. Durch die Stärkung des Generalinspekteurs und
den Aufbau eines ihm direkt unterstellten Einsatzstabes

entsteht de facto der von uns geforderte Generalstab. Der
Generalinspekteur ist sein Chef und militärischer Be-
fehlshaber.

Uns gefällt auch die Zusammenarbeit mit der Wirt-
schaft. Nur so lässt sich die Entlastung der Bundeswehr
von nicht verteidigungsrelevanten Aufgaben bewerkstel-
ligen.

Schließlich sind wir, weil wir die einzige Fraktion im
Deutschen Bundestag waren, die das seit Jahren gefordert
hat, sehr froh, dass es eine Öffnung der Bundeswehr
ohne Einschränkung für die Frauen gibt. Ich sage aber
auch deutlich: Wir bestehen darauf, dass das auf einer
verfassungsrechtlich gesicherten Grundlage geschieht.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Absicht der Bundesjustizministerin, das auf der
Grundlage einer Auslegung des Grundgesetzes durchzu-
führen, wird unseren schärfsten Widerstand finden. Die
Frauen haben es nicht verdient, dass Karlsruhe der
Bundesregierung hinterher eine Lektion erteilt.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Lassen Sie mich auch eine persönliche Bemerkung ma-
chen. Ich war in der Bundeswehr Wehrpflichtiger. Mein
Batteriechef während meiner Wehrpflichtzeit war der da-
malige Oberleutnant von Kirchbach. Ich hatte ihn danach
noch zweimal zum Vorgesetzten: einmal als Brigadekom-
mandeur, einmal als Divisionskommandeur. General von
Kirchbach hat mich und viele andere Soldaten geprägt
wie kaum ein Vorgesetzter. Er war ein Beispiel in seiner
persönlichen Dienstgestaltung. Er war ein Beispiel in der
Form, wie er mit uns Soldaten umgegangen ist. Deshalb
trifft es mich persönlich, wie mit dem Generalinspekteur
in dieser Sache umgegangen worden ist.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Paul Breuer [CDU/CSU]: Skandalös!)


General von Kirchbach hat sich Verdienste in den
neuen Bundesländern erworben, die wir alle kennen.


(Gernot Erler [SPD]: Das bestreitet doch keiner!)


Deshalb bedaure ich es zutiefst, dass seine Funktion als
Generalinspekteur, als höchster Soldat der Bundeswehr,
in einer vorzeitigen Zurruhesetzung endet.


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Das Gegenteil von innerer Führung!)


– Das ist genau das Gegenteil von innerer Führung, wie
der Kollege Breuer sagt.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Der Generalinspekteur ist, wie ich glaube, offensichtlich

missbraucht worden. Die Überlegungen der Weizsäcker-
Kommission gingen in eine andere Richtung als die
Überlegungen des Ministers. Deshalb wurde der
Generalinspekteur gebeten, ein Papier zu erarbeiten – of-
fensichtlich ohne Vorgaben, wie es von der politischen
Leitung zu erwarten ist. Das Ergebnis war, dass man ihn




Jörg van Essen
10024


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(B)


hat im Regen stehen lassen. Das kann so nicht sein und ist,
wie ich finde, menschlich zutiefst unanständig.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Ich habe viele Punkte angesprochen, in denen wir mit

dem Minister übereinstimmen. Ich will aber auch die Un-
terschiede deutlich machen. Wir können uns mit dem von
Ihnen angedachten flexiblen Wehrdienst nicht einver-
standen erklären. Sie wissen, Herr Minister, dass Ihnen
alle Kommandeure davon abgeraten haben, und zwar aus
guten Gründen. Jeder, der einmal selbst Kommandeur ge-
wesen ist – ich bin es regelmäßig –, weiß, mit welcher
Einstellung die Soldaten kommen, die nach dem Aus-
scheiden aus der Bundeswehr wieder für kurze Zeit ein-
berufen werden. Sie können es möglichst unbürokratisch
regeln wollen, es wird trotzdem besonders teuer werden,
Soldaten, die sechs Monate Grundwehrdienst geleistet ha-
ben, für eine kurze Zeit wieder einzuberufen.

Ich sage Ihnen auch voraus: Jeder von denen, die für
eine kurze Zeit wieder in der Bundeswehr Dienst tun sol-
len, wird Tausende von Gründen finden, warum er es nicht
tut. Die Wehrgerechtigkeit wird darunter leiden: Die
Dummen leisten neun Monate Wehrdienst. Andere wer-
den nur sechs Monate Grundwehrdienst leisten und dann
versuchen, sich zu drücken. Das kann nicht das Ergebnis
einer Reform sein.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)


Im Übrigen, Herr Minister, müssen Sie die Frage be-
antworten, wie Sie eigentlich die notwendige Zahl an
Wehrpflichtigenstellen schaffen wollen. Sie gehen von
77 000 Stellen aus. Wer die Grundrechenarten beherrscht,
weiß, dass Sie bei neun Monaten Grundwehrdienst ei-
gentlich 135 000 Stellen benötigen.


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Er hat auch zu wenige Wehrübungsplätze!)


– Die Zahl der Wehrübungsplätze – der Hinweis ist rich-
tig – ist ständig reduziert worden, sodass es erhebliche
Probleme geben wird. Hier werden Sie auf unseren ent-
schlossenen Widerstand stoßen.

Die Bundeswehr – das sollen meine letzten Bemer-
kungen sein; ich habe schon vorhin dazu angesetzt – ist
ein Parlamentsheer. Die Bundeswehr lebt davon, dass ihre
Einsätze eine breite Unterstützung im Deutschen Bundes-
tag finden. Deshalb ist die F.D.P. zu Gesprächen über die
Frage bereit, wie wir eine moderne, den Anforderungen
gerecht werdende Bundeswehr schaffen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410703900
Das Wort hat nun der
Vorsitzende der PDS-Fraktion, Dr. Gregor Gysi.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1410704000
Frau Präsidentin! Meine Da-
men und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
glaube, das Problem der heutigen Debatte besteht zum
Teil darin, dass sie zehn Jahre zu spät kommt. Das ist ein

Vorwurf, den man wirklich nicht der heutigen, sondern
der vergangenen Koalition machen muss.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Jahr 1990 gab es in Europa den bisher größten Um-
bruch: Der Warschauer Pakt brach zusammen; die Natio-
nale Volksarmee wurde aufgelöst; die Sowjetunion brach
ein Jahr später zusammen. Das heißt, der Kalte Krieg ging
zu Ende, und viele Strukturen, die in der alten Bundesre-
publik Deutschland entstanden waren, hatten natürlich
mit dem Kalten Krieg zu tun. Dies bezog sich sowohl auf
die Bundeswehr als auch auf den BND und viele andere
Einrichtungen. Ich habe mich schon damals ungeheuer
gewundert, dass diese Institutionen einfach so weiter-
machten, als ob sich auf der Welt nichts verändert hätte.

Damals hat die Notwendigkeit einer ernsthaften politi-
schen Diskussion über die Fragen bestanden – ich spreche
noch gar nicht von Strukturveränderungen –: Wie sollen
die Aufgaben solcher Einrichtungen in der Zukunft aus-
sehen? Brauchen wir sie noch oder brauchen wir sie
nicht? Wenn wir sie brauchen, wofür brauchen wir sie
dann und in welchem Umfang? Diese politische Diskus-
sion hat im Grunde genommen nie stattgefunden. Das ist
nun wirklich ein Versäumnis der alten Bundesregierung.
Deshalb halte ich den Vorwurf, die neue Bundesregierung
habe sich viel Zeit gelassen, für unbegründet. Tatsächlich
hat sich die alte Bundesregierung nach 1990 acht Jahre
lang Zeit gelassen. Damals hätte diesbezüglich etwas ge-
schehen können.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was passiert nun in einer Situation, wie ich sie gerade
beschrieben habe? In einer solchen Situation beginnen die
Institutionen, sich selbst Gedanken darüber zu machen,
was aus ihnen werden könnte. Ich nenne Ihnen ein Bei-
spiel: Im Plutoniums-Untersuchungsausschuss stellte sich
heraus, dass sich der BND mit kriminellem Plutonium-
handel in Russland und in anderen Ländern beschäftigt
hatte. Diese Aufgabe war ihm gar nicht von der Politik
vorgegeben worden; vielmehr hatte sich der BND diese
Aufgabe selber gesucht, nachdem die alten Aufgaben
weggefallen waren. Das heißt, wenn die Politik nicht
Vorgaben macht und bestimmt, was unter völlig verän-
derten politischen Bedingungen aus solchen Institutionen
werden soll, dann suchen sich die entsprechenden Ein-
richtungen selbst ihre Aufgaben.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die waren kreativer als die alte Bundesregierung!)


Das haben wir auch bei der Bundeswehr erlebt. Ich
möchte Sie daran erinnern, dass im Jahre 1992 das erste
wirkliche Dokument bezüglich der Frage auf den Tisch
kam, was mit dieser Institution geschehen soll, und zwar
vorgelegt vom damaligen Generalinspekteur der Bundes-
wehr, von Herrn Naumann. Nicht die Politik, sondern der
Generalinspekteur hat ein Papier erarbeitet, das doku-
mentiert, wie er sich künftig die Aufgaben der Bundes-
wehr vorstellt. Allein an diesem Vorgang wird das Ver-
säumnis der Politik deutlich.




Jörg van Essen

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(C)



(D)



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(B)


Ich habe das damals von Herrn Naumann vorgelegte
Papier scharf kritisiert. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nen-
nen, warum ich das getan habe: Der Generalinspekteur hat
gefordert, dass der Einsatz der Bundeswehr auch dann in-
frage kommen solle, wenn der freie Welthandel in irgend-
einer Form beeinträchtigt sei. Der Kollege Breuer hat da-
mals darauf hingewiesen, dass der freie Welthandel völ-
kerrechtlich geschützt sei; deshalb sei dies eine völlig
legitime Forderung. Ich finde sie aberwitzig, weil es un-
terschiedliche Arten von Völkerrechtsverletzungen gibt.
Nicht auf jede Völkerrechtsverletzung, sondern nur auf
sehr wenige Völkerrechtsverletzungen darf mit Militär
reagiert werden. Diese Fälle sind in der Charta der Ver-
einten Nationen geregelt. Die Störung des freien Welt-
handels gehört ganz bestimmt nicht dazu. Aber solche
Ideen entstehen natürlich, wenn sich die Politik keine Ge-
danken über Struktur und Aufgaben einer Institution
macht.

Der damaligen Opposition – da schließe ich mich ein –
muss ich allerdings einen Vorwurf machen: Wir haben da-
rauf nicht genügend gedrängt. Das müssen wir ehrlicher-
weise zugeben. Deshalb können wir die Verantwortung
nicht nur bei der Regierungskoalition, sondern auch bei
uns sehen. Das will ich in diesem Zusammenhang deut-
lich sagen.

Im Übrigen darf ich daran erinnern, wie schwer es in
der letzten Legislaturperiode war, die Frage der Traditi-
onspflege zu klären.


(Beifall bei der PDS)

Wissen Sie noch, wie Vertreter Ihrer Fraktion hier darum
gekämpft haben, dass jeder Wehrmachtsgeneral in der
Tradition der Bundeswehr erhalten bleibt? Zwar gab es in
Ihrer Fraktion unterschiedliche Auffassungen, aber gere-
det haben immer nur diejenigen, die für die alten Namen
waren. Es war schwer, ein bestimmtes Denken zu über-
winden. Wenn die Politik das nicht leistet, dann können
wir es von den Institutionen erst recht nicht erwarten.

Lassen Sie mich etwas zur Zukunft sagen. Es kann
doch nur um die enge Anlehnung an das Grundgesetz ge-
hen. Das Grundgesetz stellt für die Bundeswehr einen kla-
ren Verteidigungsauftrag – Landesverteidigung und
Bündnisverteidigung – fest. Alle jetzt gemachten Vor-
schläge laufen mehr oder weniger darauf hinaus, zu
klären, wie die Bundeswehr international eingesetzt wer-
den kann, auch wenn kein Fall von Landesverteidigung
und kein Fall von Bündnisverteidigung vorliegt. Ich will
deutlich sagen: Derartige Vorschläge gehen an der Ver-
fassung vorbei.


(Beifall bei der PDS)

Herr van Essen, auch in diesem Falle ist die Verfassung

nie geändert worden; es gab immer nur unterschiedliche
Interpretationen. Gegen diese Art von Denken stellen wir
uns allerdings ganz eindeutig: Eine reduzierte Bundes-
wehr, die wirklich die Aufgabe der Landesverteidigung
und gegebenenfalls der Bündnisverteidigung hat, bejahen
wir. Das geschieht natürlich mit dem Ziel – übrigens steht
auch das in dem F.D.P.-Programm –, irgendwann zu einer
Welt ohne Armeen und Waffen zu kommen.


(Beifall bei der PDS)


Dieses Ziel behalten wir uns genauso vor, wie es die
F.D.P. in ihrem Parteiprogramm formuliert hat.

Aber auf dem Weg dahin – ich räume ein, dass das eine
weite Strecke ist – müssen wir über Schritte in diese Rich-
tung nachdenken: Reduzierung der Streitkräfte und Ab-
rüstung. Es geht also nicht darum, Interventionsfähigkeit
zu schaffen, sondern sich auf Verteidigungsfähigkeit zu
beschränken. Genau das ist die Zielstellung, die wir in un-
serem Vorschlag für eine 100 000-Personen-Armee unter-
breitet haben. Dies ist übrigens nicht ohne Gespräche mit
Soldaten und Experten geschehen, die uns gesagt haben,
dass sowohl Landesverteidigung als auch Bündnisvertei-
digung mit einer solchen Armee zu gewährleisten wären,
wenn man nicht mehr will. Aber das haben offensichtlich
alle anderen Fraktionen in diesem Hause vor.


(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Mit Admiral Schmähling haben Sie bestimmt gesprochen!)


Lassen Sie mich noch etwas zur Frage derWehrpflicht
sagen. Haben wir denn in dem Sinne noch eine Wehr-
pflicht? Nehmen Sie diesen Begriff doch einmal wörtlich.
Die Angelegenheit hängt mit der Einschätzung des
Sicherheitsrisikos zusammen. Ich behaupte, dass es im
Augenblick keine Wehrpflicht mehr, sondern eine Sicher-
heitsdienstpflicht ist, weil es ein irgendwie nennens-
wertes, absehbares, akutes Sicherheitsrisiko für die Bun-
desrepublik Deutschland in verteidigungspolitischer Hin-
sicht nicht gibt. Das gilt trotz der Situation auf dem
Balkan.


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Vorsorge!)

– Mit der Vorsorge ist das immer eine schwierige Sache.
Als die Wehrpflicht eingeführt wurde und überhaupt in
der ganzen Zeit des Kalten Krieges gab es eine völlig an-
dere Situation. Damals ließ sich die Wehrpflicht in der Be-
völkerung viel leichter erklären, weil jeden Tag aufgrund
des Kalten Krieges ein „heißer Krieg“ ausbrechen konnte.
Diese Situation ist einfach nicht mehr da. Sie können
nicht mit lauter Nebenargumenten versuchen, ein Instru-
ment aufrechtzuerhalten, das letztlich im Kalten Krieg
entstanden ist und das heute seine Berechtigung verloren
hat.


(Jörg van Essen [F.D.P.]: Trotzdem nimmt die Zustimmung zum Bündnis zu!)


Das stärkste Argument ist es, zu sagen, dass auch eine
Berufsarmee große Risiken beinhaltet und dass es einen
ständigen Austausch mit der Gesellschaft geben muss.
Diesem Argument stehen auch wir nicht gleichgültig ge-
genüber. Deshalb war unser Vorschlag: Wie wäre es mit
einer Armee, die zu einem bestimmten Teil aus Berufs-
soldaten und zu einem größeren Teil aus Zeitsoldaten –
unterschiedliche Fristen bis maximal zwölf Jahre; sie
können auf freiwilliger Basis auch geringer sein – be-
steht? So hätte man über die Zeitsoldaten einen ständigen
Austausch mit der Gesellschaft.

Die Situation, dass bestimmte Menschen zur Bundes-
wehr müssen und andere nicht, besteht doch schon heute.
Es gibt eine ganz bestimmte Gruppe von Menschen – es
ist keine geringe Zahl –, die immer den Kriegsdienst ver-




Dr. Gregor Gysi
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(C)



(D)



(A)



(B)


weigern und Zivildienst leisten wird; insofern gibt es
schon heute diese Art von Trennung. Mit unserem Modell
könnte zumindest dem Anliegen des Austauschs mit der
Gesellschaft entsprochen werden. Auf die Wehrpflicht
kann man einfach verzichten; sie ist nicht mehr zeit-
gemäß.


(Beifall bei der PDS)

Alle Argumente, die Sie für die Wehrpflicht zu finden ver-
suchen, sind letztlich an den Haaren herbeigezogen.

Die Kollegin Beer hatte versprochen, etwas zur Ein-
schätzung des Sicherheitsrisikos zu sagen. Sie hat es
nicht getan, obwohl sie es angekündigt hat. Ich dachte, et-
was Neues zu lernen; aber es ist nichts gekommen. Ich
will ihr heute jedoch alles nachsehen und werde mich des-
halb mit ihr wenig auseinander setzen, trotz aller politi-
schen Differenzen, die auch bleiben werden. Ich finde
diesen Überfall einfach schrecklich und unsäglich. Hier
müssen wir deutliche Zeichen gegen Gewalt – auch nach
innen in die Gesellschaft – setzen. So etwas darf es ein-
fach nicht geben. Das ist nicht hinnehmbar und duldbar.


(Beifall bei der PDS, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir nicht anfangen umzudenken, wenn wir uns
nicht erst einmal über die Aufgaben der Bundeswehr ver-
ständigen, werden wir zu Lösungen zumindest in der Art,
wie wir sie für angemessen hielten, nicht kommen. Die
Diskussionen werden weitergehen.

Lassen Sie mich deshalb noch zu einigen wenigen Din-
gen etwas sagen, die hier angesprochen worden sind,
zunächst zu der Art der Entlassung des Generalinspek-
teurs von Kirchbach. Auch mich ärgert das, und zwar är-
gert mich das deshalb, weil man die Begründung nicht er-
fährt. Man kann nur spekulieren. Nun muss ich Ihnen von
der CDU/CSU und der F.D.P. allerdings sagen: Sie haben
das Gesetz verabschiedet, wonach das nicht zu begründen
ist. Jetzt können Sie sich nicht darüber beschweren, dass
dieses Gesetz auch angewandt wird. Dann müssen wir
eben die Gesetze diesbezüglich verändern. Es ist nun ein-
mal so, dass man solche Beamten ohne Begründung ent-
lassen kann, was ich übrigens als einen großen Nachteil
empfinde; denn ich meine, auch diese Menschen haben
einen Anspruch darauf, zu erfahren, warum sie entlassen
werden, genauso wie die Öffentlichkeit eigentlich einen
Anspruch darauf hätte. Ich finde es bedauerlich, dass das
gesetzlich anders geregelt ist.

Ich habe mich sehr gefreut, dass die Kollegin Beer hier
von der Forcierung der zivilen Konfliktprävention und
-bewältigung gesprochen hat. Sie hat auch gesagt, dass
zum Beispiel in Bezug auf den Kosovo diese Möglich-
keiten nie ausgeschöpft worden sind. Da aber gibt es ei-
nen großen Widerspruch. Wenn sie denn nie ausgeschöpft
worden sind, dann war der Krieg eindeutig falsch, den wir
immer verurteilt haben, zumal er unter Verletzung des
Völkerrechts zustande kam. Dann hätte man eben die zi-
vilen Konfliktvorbeugungs- und -bewältigungsmöglich-
keiten ausnutzen müssen.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht zwangsläufig so!)


Ich kann Ihnen sagen, dass diesbezüglich die Initiati-
ven der neuen Regierung nicht besonders glaubwürdig
sind. Die Friedensforschung erhält seit Jahren keine
Mark mehr, sondern Jahr für Jahr ist dafür im Haushalt
weniger vorgesehen. Hier hatten wir auf eine wirkliche
Korrektur gehofft. Sie findet aber nicht statt. Die Frie-
densinstitute, die in der heutigen Debatte so gut wie gar
keine Rolle spielten, haben hochinteressante Vorschläge
unterbreitet, zum Beispiel zur Abschaffung der Wehr-
pflicht und zur Reduzierung der Streitkräfte. Sie gehen
nicht so weit wie wir, was die 100 000-Personen-Armee
angeht. Ich sage extra „Personen“, nicht „Mann“ oder
„Frau“. Das wäre wieder ein eigenes Thema. In dieser
Frage sind auch wir uns – das will ich gar nicht bestrei-
ten – nicht einig. Das müssen wir weiter diskutieren. So
etwas gibt es halt auch in der PDS.

Eine der wichtigsten Sachen, die im Eckwertepapier
nicht vorkommt, wäre es meines Erachtens, aus Gründen
der inneren Einheit endlich die Dienstbezüge in Ost und
West anzugleichen. Sie können eine unterschiedliche Be-
zahlung gerade in einer einheitlichen Armee eines Landes
überhaupt nicht begründen.


(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Warum haben Sie unserem Antrag im Verteidigungsausschuss nicht zugestimmt? – Gegenruf von der PDS: Das stimmt doch gar nicht!)


– Das stimmt nicht, sagt meine Kollegin gerade. Klären
Sie das miteinander. Ich war nicht im Verteidigungsaus-
schuss. Ich kann nur eines dazu sagen: Es ist nicht hin-
nehmbar, dass selbst beim Einsatz im Kosovo Soldaten
unterschiedlich bezahlt werden, je nachdem, ob sie aus
den neuen oder aus den alten Bundesländern kommen.


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! – Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Das ist falsch!)


– Moment! Sie wurden zunächst unterschiedlich bezahlt.
Das ist dann erst korrigiert worden. Man hätte gar nicht
erst auf die Idee kommen dürfen, es so zu gestalten. Das
gilt heute noch bei der Dienstausübung. Das ist nicht
hinnehmbar.

Lassen Sie uns also wirklich Friedenspolitik machen,
lassen Sie uns Abrüstungspolitik machen. Lassen Sie uns
die Bundeswehr umstrukturieren zu einer reinen Verteidi-
gungsarmee. Die Bundeswehr wird nicht international für
alle möglichen Einsätze gebraucht. Dafür könnte man zi-
vile Einrichtungen fördern, die das viel besser können, als
jede Armee es kann. Das muss der Weg sein. Dann kann
man sich auch gemeinsam auf Aufgaben der Bundeswehr
in wesentlich kleinerer Größe verständigen.

Ich sage Ihnen – ob Sie es wahrhaben wollen oder
nicht –: Es dauert keine zehn Jahre mehr und die Wehr-
pflicht ist vorüber, einfach weil sie nicht mehr zeitgemäß
ist.


(Beifall bei der PDS – Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Früher hieß es: Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf!)





Dr. Gregor Gysi

10027


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Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410704100
Nun erteile ich das
Wort dem Kollegen Peter Zumkley, SPD-Fraktion.


Peter Zumkley (SPD):
Rede ID: ID1410704200
Frau Präsidentin! Die Bundes-
wehr als Parlamentsheer sicher in die Zukunft zu führen
ist die Aufgabe, vor der wir alle stehen. Wenn ich „wir“
sage, dann meine ich wirklich das ganze Haus. Wir alle
sind jetzt aufgerufen, die notwendige Reform unserer
Streitkräfte einzuleiten. Die SPD-Bundestagsfraktion will
eine mit Sorgfalt und der gebotenen Präzision vorbereitete
Reform der Bundeswehr. Sie sollte auch im Hinblick auf
die heutige Diskussion sowie die kommenden Diskussio-
nen und Auseinandersetzungen auf einem breiten gesell-
schaftlichen und parlamentarischen Konsens beruhen und
von den Betroffenen darüber hinaus weitgehend mitgetra-
gen werden. Darum sollten wir uns auch bemühen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb bilden die Vorschläge der Kommission „Ge-
meinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ und
die vom Bundesverteidigungsminister vorgelegten Eck-
werte die Grundlage für unsere Entscheidung. Neben
dem Dank an die Kommission – mein Kollege Erler hat
darauf schon hingewiesen – gebührt auch dem Verteidi-
gungsminister Dank für die Vorbereitung der Reform und
für die bereits erfolgte Einleitung wichtiger Weichenstel-
lungen zur Zukunftssicherung der Bundeswehr. Sein Eck-
pfeilerpapier stellt eine fachlich überzeugende, tragfähige
Grundlage für die überfällige Strukturreform der Streit-
kräfte dar.

Lieber Kollege Breuer, Sie haben ja vorhin ein biss-
chen genörgelt. Fragen Sie aber doch erst einmal die
Fachverbände, was sie davon halten.


(Zuruf von der CDU/CSU: Mit denen habt ihr einen Deal gemacht!)


Es gibt ein positives Echo. Wir können uns auf sachlicher
Ebene sicherlich über das eine oder andere unterhalten.
Aber es verhält sich so, wie ich es sage.


(Birgit Schnieber-Jastram [CDU/CSU]: Herr Zumkley, Sie glauben das doch selbst nicht!)


Sorgen Sie bitte mit dafür, dass wir von seiten der Oppo-
sition klare, einheitliche Vorschläge bekommen. Die Si-
gnale, die wir im Moment auffangen, sind – das ist kein
Vorwurf – noch unterschiedlich.


(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Was ist denn in der Koalition los? – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja wohl ein Treppenwitz! – Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Erst bei der Koalition!)


Um es gleich zu sagen: Das gilt natürlich auch für die Ko-
alition, aber eben auch für Sie. Deswegen antworte ich Ih-
nen auch darauf.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es nutzt dann gar nichts, wenn Sie unsachlich werden.
Wir hören von Ihrer Seite zugleich Zustimmung und Ab-
lehnung und vielerlei Signale, die dazwischenliegen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Beispiele!)


Wir gehen davon aus, dass Sie Ihre Vorschläge vorbringen
und mit uns diskutieren.

Das Ziel der Neugestaltung der Bundeswehr muss es
sein, die Strukturen den veränderten Anforderungen der
Bündnis- und Landesverteidigung sowie der Krisen-
und Konfliktbewältigung anzupassen. Dies schließt,
meine Damen und Herren, auch die Fähigkeit zur Präven-
tion ein. Deshalb sind eine Straffung der Führungsebe-
nen, die Schaffung flexibler modularer Strukturen bei
hochmobilen, gut ausgebildeten Verbänden unter best-
möglichem persönlichem Schutz unserer Soldaten sowie
eine einsatzorientierte Ausbildung erforderlich. Ich gehe
davon aus, dass wir hier gar nicht so weit auseinander lie-
gen. Wahrscheinlich stimmen wir darin sogar überein.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben uns abgestimmt!)


Hierzu haben die Kommission und Rudolf Scharping
übereinstimmende Vorstellungen entwickelt, die wir
uneingeschränkt mittragen.

Die Bundeswehr wird ihre Aufgaben künftig mit weni-
ger Personal erfüllen können. Stichworte hierzu sind: ver-
änderte sicherheitspolitische Lage, NATO-Osterweite-
rung und Optimierung der Bundeswehr hinsichtlich ihrer
Effizienz. Der zukünftige Personalumfang ist so bemes-
sen, dass die Bundeswehr ihre Aufgaben nach unserer
Überzeugung mit der erforderlichen Durchhalte- und Ko-
operationsfähigkeit gemeinsam mit den Bündnispartnern
wahrnehmen kann. Bei einer Umfangstärke von 277 000,
davon 200 000 Berufs- und Zeitsoldaten sowie 77 000
Wehrpflichtigen, und zusätzlich circa 80 000 Zivilbe-
schäftigten ist dies nach unserer Auffassung auch zu rea-
lisieren. Sie, Herr Kollege Breuer, haben die Spielräume
angesprochen: Ihre und unsere Regierung haben immer
mit einem Spielraum gearbeitet. Ich erinnere an die Soll-
stärke von 340 000, während die Iststärke bei Ihnen wie
bei uns um den Wert 320 000 schwankte. Insofern gibt es
immer Spielräume. Es ist deshalb ein Zeichen von Ehr-
lichkeit, dass wir dieses in unserem Papier so geschrieben
haben. Wir hoffen, dass diese groben Schwankungen, wie
sie bisher und bis heute stattfinden, künftig ein wenig ein-
gedämmt werden können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Paul Breuer [CDU/CSU]: Die Struktur muss präzise sein!)


Herrn van Essen möchte ich gerne sagen, dass 77 000
Wehrpflichtige nicht 77 000 Tagen entsprechen. Denn bei
einer Dauer der Wehrpflicht von neun Monaten oder, wie
schon einmal angedacht, von sechs plus drei Monaten, er-
geben sich mehr Plätze. Wir werden das durchrechnen. Es
ist ja eine berechtigte Forderung, dass Wehrgerechtigkeit
und Bedarf in Einklang zu bringen sind. Wir werden das
sorgfältig ausrechnen und dann auch darüber reden. Bitte
sagen Sie aber nicht von vornherein, es gehe nicht. Wir
sind der Auffassung, dass es geht. Darüber wird auch im
Verteidigungsausschuss und auch woanders zu reden sein.

Die Wehrpflicht – mein Kollege Erler hat darauf hin-
gewiesen – wollen wir beibehalten. Dabei ist die Alterna-
tive einer Freiwilligenarmee sorgfältig abgewogen wor-






(C)



(D)



(A)



(B)


den. Das Pro und Kontra der Wehrpflichtarmee und der
Freiwilligenarmee sind übrigens auch in der Öffentlich-
keit sehr breit und intensiv diskutiert worden.

Wir in der SPD-Bundestagsfraktion sind der Auffas-
sung, dass gewichtige Gründe für die Beibehaltung der
Wehrpflicht bestehen. Aber diejenigen, welche jene ver-
teufeln, die sagen, wir wollen eine Freiwilligenarmee ha-
ben, verkennen, dass dieser Standpunkt durch breite
Schichten der Gesellschaft vertreten wird. Ich bin ein Be-
fürworter der Wehrpflicht. Aber es gibt gute Gründe, die
man nicht einfach wegwischen kann, die für eine Freiwil-
ligenarmee sprechen. Ich bin für Sachlichkeit in der Dis-
kussion. Dem einen oder anderen, der dies oder jenes will,
darf man nicht unterstellen, dass er etwas Böses mit der
Bundeswehr vorhat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn wir die Wehrpflicht beibehalten, dann muss die
Zahl der Wehrpflichtigen erstens dem Bedarf der Streit-
kräfte entsprechen und zweitens Wehrgerechtigkeit mög-
lich machen. Dies wird mit den Vorschlägen des Vertei-
digungsministers möglich sein. Die Dauer des Wehrdiens-
tes muss aber so bemessen sein, dass eine gute Aus-
bildung und ein sinnvoller Einsatz unserer Wehrpflichti-
gen gewährleistet bleibt. Deshalb stimmt die SPD-Frak-
tion einer gesetzlichen Wehrpflicht von neun Monaten
Dauer und auch der Möglichkeit einer abschnittsweisen
Ableistung zu.

Eine moderne aufgabenorientierte Bundeswehr muss
wirtschaftlicher und effektiver werden, auch da gibt es
wahrscheinlich großen Konsens. Ein ganzheitliches, auf-
gabenbezogenes und teilzeitkraftübergreifendes Sys-
temdenken ist dringend notwendig.

Der Rahmenvertrag „Innovation, Investition und Wirt-
schaftlichkeit in der Bundeswehr“ mit führenden Unter-
nehmen in der Industrie ist hierzu ein richtungsweisendes
Projekt. Es trägt den Forderungen nach Flexibilisierung
und Modernisierung Rechnung. Gleichzeitig muss die
Modernisierung der Ausrüstung und deren Anpassung an
das neue Aufgabenspektrum erfolgen. Hier gibt es drin-
genden Nachholbedarf. Es ist schwierig genug.

Unsere klare Unterstützung hat Rudolf Scharping für
seine Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des
Dienstes in der Bundeswehr, den Abbau des Verwen-
dungsstaus für die neuen Unteroffizierslaufbahnen und
die Öffnung der Bundeswehr für Frauen in allen Ver-
wendungen.

Die Bundeswehr wird auch nach der Reform der größte
Arbeitgeber in Deutschland bleiben. Bei Standortent-
scheidungen teilen wir die Absicht des Ministers, die
Truppe flächendeckend über das gesamte Bundesgebiet
verteilt zu lassen. Dies schließt Optimierungen und Prü-
fungen insbesondere von Kleinstandorten nicht aus. Da-
durch sind ein heimatnaher Einsatz unserer Soldaten, ihre
Verankerung in der Bevölkerung und auch wirtschaftliche
Interessen der Regionen gesichert.

Wir setzen auf eine rechtzeitige Einbeziehung der Be-
troffenen sowie auf Transparenz und Verlässlichkeit bei
den zu treffenden Entscheidungen. Eine reformierte, um-
strukturierte Bundeswehr, meine Damen und Herren auch
von der Opposition, muss solide finanziert werden. Darin
stimmen wir überein. Sie muss so mit Finanzmitteln aus-
gestattet werden, dass sie ihren Aufgaben nachkommen
und die notwendige Modernisierung einleiten kann.
Durch die Umstrukturierung und Reform werden zwei-
fellos Mittel für notwendige Umschichtungen im Vertei-
digungshaushalt frei. Sie müssen vor allem zur Erhöhung
der Investitionen genutzt werden. Rationalisierungsge-
winne zum Beispiel müssen im Einzelplan 14 bleiben.

Meine Damen und Herren, die Angehörigen der Bun-
deswehr, Soldaten und zivile Mitarbeiter, haben einen An-
spruch auf Fürsorge. Die zu treffenden Entscheidungen
über Umfang, Ausbildung und Ausrüstung der Streitkräfte
müssen deshalb für die Betroffenen und ihre Angehörigen
transparent und planbar gestaltet werden. Die notwendi-
gen Maßnahmen sollten unverzüglich beginnend ab 2001
sozial verträglich und ohne betriebsbedingte Kündigun-
gen umgesetzt werden.

Die vom Bundesverteidigungsminister angesproche-
nen Maßnahmen beschreiben einen realistischen Weg zur
Lösung der derzeitigen Unzulänglichkeiten in der Bun-
deswehr. Nach Jahren des ständigen Umbaus bekommen
die Streitkräfte endlich langfristige Planungssicherheit
und Zeit zur Konsolidierung.

Ich danke ihnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410704300
Das Wort hat nun der
Kollege Christian Schmidt, CDU/CSU-Fraktion.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1410704400
Frau Präsi-
dentin! Meine Damen und Herren! Ich habe sicherheits-
halber gleich die Lektüre mitgebracht, um mich nicht dem
Vorwurf auszusetzen, ich hätte das nicht gelesen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mitbringen alleine reicht nicht!)


Ich habe es, bevor ich es mitgebracht habe, auch gelesen,
sogar einige Dinge angestrichen, die ich zitieren möchte.


(Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Aber die Seiten kleben noch!)


Aber vorweg möchte ich mich dem Verein gegen das
Vergessen anschließen. Ich möchte einfach die letzten
zehn Jahre der Verteidigungspolitik in einigen wenigen
Stichworten Revue passieren lassen.


(Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Nehmen Sie die letzen 15 Jahre!)


Die Kollegen, die schon in Bonn im Bundestag saßen,
werden sich noch gut an die – lassen Sie mich sagen –




Peter Zumkley

10029


(C)



(D)



(A)



(B)


„Schlachtordnung“ erinnern, die damals bestand, als es
um Kambodscha ging, als es um Somalia ging, als es um
den AWACS-Einsatz im ersten Jugoslawienkonflikt
ging. Damals saßen auf der linken Seite Damen und Her-
ren, die heute nicht mehr dem Bundestag angehören, Kol-
lege Verheugen beispielsweise, der einen heftigen Streit
geführt hat und die Bundeswehr daran hindern wollte,
sich an europäischen und NATO-Aktionen zu beteiligen.

Ich erinnere an die Diskussion „Out of area“, an die
Diskussion um die Ausrüstung der Bundeswehr. Damals
gab es eine Kollegin Matthäus-Maier.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Wenn ich sie nicht als eine Dame hoch schätzen würde,
die jetzt eine wichtige Funktion in Frankfurt ausübt,


(Peter Zumkley [SPD]: Vorsichtig sein!)

würde ich sagen: Reaktionen wie der pawlowsche Hund,
wenn das Wort vom Flugzeug fiel.


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Das waren noch Zeiten!)


– Das waren Zeiten! – Es gab Stapel von Kürzungsanträ-
gen, die ich auch in gebundener Form vorlegen könnte,
für die jeweiligen Verteidigungshaushalte durch die da-
malige Opposition.


(Beifall bei der CDU/CSU – Paul Breuer [CDU/CSU]: Der Scharping war Fraktionsvorsitzender!)


Wie hieß der Fraktionsvorsitzende? Scharping hieß er.
Es müsste manchem, dem das Wort über die letzten

Jahre so leicht über die Lippen geht, eigentlich das Wort
im Halse stecken bleiben.


(Beifall bei der CDU/CSU – Peter Zumkley [SPD]: Herr Kollege Schmidt, ich habe einen Zettel, auf dem steht, was Sie alles gestrichen haben! Ich lese dann alles vor!)


Herr Kollege Zumkley, ich wollte insofern noch zu
Ihrem Beitrag kommen, als Sie eine sachliche Diskussion
angemahnt haben. Diesem Anliegen stimme ich zu. Ich
bewege mich völlig im Rahmen der Sachlichkeit, weil ich
nur Fakten wiedergebe. Bei diesen Fakten, über die wir
sprechen, müssen wir das in der Tat noch einmal disku-
tieren.

Ich danke Ihnen dafür, dass Sie von dem häufigen Um-
bau der Bundeswehr gesprochen haben. In der Tat ist in
den letzten zehn Jahren vieles umgebaut worden.


(Zuruf von der SPD: Viel zu wenig!)

Aus zwei sich – wenn Sie so wollen – feindlich, jeden-

falls in unterschiedlichen Blöcken gegenüberstehenden
Armeen wurde die Armee der Einheit gebaut. Es wurde
eine Armee geschaffen, die in der Lage war, nach dem
Eindruck des Golfkonfliktes und der internationalen Pro-
bleme, die wir in unserer Situation hatten, an multilatera-
len Einsätzen teilzunehmen – eine schwierige Angelegen-
heit, die mit den Worten „Militarisierung der Außenpoli-
tik“ und „Interventionsarmee“ diffamiert worden ist.
Letzteres ist übrigens genau das Wort, das heute von na-

hezu den gleichen Personen als Nachweis für Flexibilität
und Erneuerung gebraucht wird.

Herr Schlauch machte vorhin den Zwischenruf: „Wol-
len Sie die gute alte Bundeswehr oder was?“. Auf jeden
Fall will ich nicht die gute alte Bundeswehr um des Zer-
störens willen zerstören, sondern ich will sie dort um-
strukturieren, wo es notwendig ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe weiß Gott nicht das Vertrauen, dass die Grü-

nen diese Arbeit gut leisten können.
Ich muss es noch einmal sagen: Kollege Zumkley, Sie

haben die Harmonie innerhalb der Opposition angemahnt.
Wir verstehen uns da sehr gut. Wir haben uns, glaube ich,
ziemlich klar geäußert, was die Frage der Zukunft der
Bundeswehr betrifft, in der gleichen Richtung, wie wir sie
vor mehreren Jahren, vor zwei Jahren beantwortet haben
und auch heute beantworten. Wir sind da stringent.

Ich habe heute eine Meldung von dpa bekommen, in
der es heißt:

Einen Koalitionsstreit wegen der Wehrpflicht hatte
Außenminister Joschka Fischer ausgeschlossen.


(Peter Zumkley [SPD]: Sehr klug!)

Jetzt stellt sich die Frage, wie man den Knatsch nen-
nen soll, den SPD und Grüne wegen ihrer unter-
schiedlichen Vorstellungen von der künftigen Bun-
deswehr haben. Die gegenseitigen Vorwürfe sind
nicht von Pappe.

Daher würde ich Sie doch herzlich bitten, bevor Sie diese
Debatte hier führen, uns mit einer einheitlichen Position
dieser Regierung und der Koalition bekannt und vertraut
zu machen. Wir haben davon nichts gehört. Wir haben nur
mit Interesse festgestellt, dass es nun noch zwei weitere
Papiere gibt. Ich hatte eigentlich gedacht, das Eck-
pfeilerpapier des Verteidigungsministers wäre das letzte
Papier gewesen, das kommt.

Bei diesem Papier fehlt allerdings das Letzte und das
macht die Diskussion über die Eckpfeiler doch recht
schwierig. Ich gehöre zu den Menschen, die neugierig
sind und, wenn sie ein Buch lesen, erst das erste Kapitel
lesen, dann an den Schluss springen, um zu sehen, wie die
Geschichte ausgeht, und erst danach das ganze Buch le-
sen.


(Rita Grießhaber [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Genuss am Lesen! Furchtbar!)


Wenn Sie das Eckpfeilerpapier lesen und auf den letz-
ten Seiten bei Haushalt und Finanzen nach der Auflösung
suchen, nämlich nach der Finanzierung des Ganzen,
dann finden Sie dort Leere, Nirwana, nichts. Solange wir
nicht wissen, mit welcher Position Sie in diese Debatte
hineingehen, können wir über Details der Bundeswehrre-
form eigentlich nicht ernsthaft diskutieren. Ich will nur
daran erinnern, dass Herr Schlauch bereits diese Woche
gefordert hat, das, was man durch Reduzierung einsparen
kann, nicht dem Einzelplan 14 zuzuführen.

Lassen Sie uns die Zeit anders nutzen. Lassen Sie uns
das machen, was eigentlich in dem von vielen gelobten
Weizsäcker-Papier steht, das ich in vielen Punkten kriti-




Christian Schmidt (Fürth)

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(D)



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(B)


siere, vor allem in seiner Fehlgewichtung zwischen Inter-
ventionsarmee und dem, was Landes- und Bündnisver-
teidigung betrifft. Das Papier gibt uns aber durchaus die
Chance, uns der Grundlagen der sicherheitspolitischen
Notwendigkeit unserer Bundeswehr zu vergewissern. Wir
sollten also sozusagen eine Diskussion darüber führen,
wieso wir die Bundeswehr brauchen. Gegenwärtig wird
nur diskutiert, welche Bundeswehr man haben möchte.
Aber wichtig wäre: Wieso und wozu brauchen wir sie?
Was sind die Bedingungen? Welche neuen Entwicklungen
hat es gegeben?

Jeder, der die Entwicklungen in der Außenpolitik nur
in den letzten fünf Jahren verfolgt hat, muss doch zuge-
ben, dass es unmöglich ist, beispielsweise Sicherheitspo-
litik ohne einen gewissen Risikozuschlag zu betrachten.
Man muss gerade jetzt neue Gefahren, neue Entwicklun-
gen einbeziehen, über die wir uns erst Gedanken zu ma-
chen beginnen. Ich erinnere an das Thema NMD. Der
amerikanische Präsident war hier in Berlin und hat ein
kurzes Gespräch mit dem Bundeskanzler geführt. Wir ha-
ben vorher von keiner Position der Bundesregierung
gehört. Wir müssen jetzt gemeinsam – dazu sind wir be-
reit – darüber reden, was Raketenbedrohung für uns be-
deutet, was das auch für das Bündnis bedeutet, wie der po-
litische Wert eines Beitrags Deutschlands zur Verteidi-
gungspolitik an sich ist, auch wie der quantitative Wert
einzuschätzen ist, das heißt, mit welchen Einheiten, aber
auch mit welcher Politik und mit welchen Möglichkeiten
man sich beteiligt.

Wenn man das Weizsäcker-Papier ernst nimmt, muss
man es ganz lesen. Dort heißt es in Ziffer 20, zweiter Ab-
satz:

Sicherheitsvorsorge bedeutet deshalb auch, eine Ent-
wicklungspolitik zu treiben, die Konflikten vor-
beugt, indem sie dem Übel dort entgegenwirkt, wo es
entsteht. In diesem Sinne ist alle Entwicklungspoli-
tik zugleich Sicherheitspolitik. Deswegen darf auf
diesem Felde der Rotstift ebensowenig Regie führen
wie auf anderen Feldern der Außen- und Sicherheits-
politik.


(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Wo ist eigentlich Frau Wieczorek-Zeul bei dieser Dis-

kussion? Ich freue mich, dass Frau Staatssekretärin Eid
hier sitzt, aber ich habe nicht gehört, dass der Entwick-
lungshilfeetat aufgestockt wird. Ganz im Gegenteil, er ist
in den letzten Jahren zurückgefahren worden.


(Verena Wohlleben [SPD]: Das war bei euch auch immer so! – Detlev von Larcher [SPD]: Aber Frau Wieczorek-Zeul macht eine vernünftige Politik! Anders als Ihre! Die macht eine richtig gute Politik!)


Ich werde mit Interesse verfolgen, wie das Weizsäcker-
Papier bei den Haushaltsentwürfen von Ihnen ernst ge-
nommen wird.


(Verena Wohlleben [SPD]: Ihr habt immer gekürzt!)


– Sie haben ihn viel drastischer reduziert. Lesen Sie das
einmal nach. Herr Spranger hatte noch sehr viel mehr

Geld zur Verfügung, und er musste sich nicht von Herrn
Castro eine Zigarre schenken lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Zurück zur Frage der Prävention bei der Außen- und

Sicherheitspolitik. Wo ist denn der Beitrag des Außen-
ministers zu dieser Debatte? Wo sind die Mechanis-
men präventiver Sicherheitspolitik? Wo sind die neuen
Ideen?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und des Abgeordneten Dr. Gregor Gysi [PDS])


Auf welche Gefährdungen geht man ein? Wo finde ich
dazu etwas in Ihrem Konzept? Bei Weizsäcker finde ich
Vorschläge, aber in dem Eckpfeilerpapier finde ich dazu
nichts.


(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke [PDS])


Wenn man von dem erweiterten Sicherheitsbegriff
ausgeht – das war doch eigentlich immer eines der Anlie-
gen, die Sie in der Debatte vertreten haben –, wundert es
mich doch sehr, dass Sie dieses Feld unbeackert lassen
und uns damit einer Gefährdung aussetzen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zu meinem letzten Punkt, zum europäischen Impera-

tiv, von dem die Weizsäcker-Kommission zu Recht
spricht. Wir brauchen in der Tat mehr europäische Inte-
gration. Die Debatte über die Zukunft der Europäischen
Union muss allerdings mit dem verknüpft werden, was
europäische Sicherheitspolitik umfasst. Dazu reichen die
„headline goals“ von Helsinki, zum Beispiel das Vor-
haben einer einheitlichen europäischen Eingreiftruppe,
nicht aus.

Es gab einmal einen Außenminister Kinkel, der mit sei-
nem Kollegen Juppé eine Initiative zur Einbeziehung mit-
teleuropäischer Länder gestartet hat.


(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Nicht nur die!)


Es gab einen Verteidigungsminister Rühe, der die NATO-
Osterweiterung angestoßen hat. Über all diese Fragen, die
die Zukunft der europäischen Integration betreffen, wird
in den gegenwärtigen Tagen leider nicht diskutiert.

Ein Vorschlag: Lassen Sie die Diskussion reifen. Las-
sen Sie und geben Sie Zeit zur Diskussion. Entscheiden
Sie nicht am Mittwoch im Kabinett, sondern geben Sie
dem Parlament und der Öffentlichkeit die Chance, sich
mit dem auseinander zu setzen, was jeder von uns für sei-
nen Teil in den letzten Wochen vorgestellt und erarbeitet
hat, und entscheiden Sie dann. Was Sie jetzt tun, ist ein
Oktroi und hat mit Demokratie nichts zu tun.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410704500
Zu einer Kurzinter-
vention erteile ich das Wort dem Kollegen Peter Zumkley.




Christian Schmidt (Fürth)


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(B)



Peter Zumkley (SPD):
Rede ID: ID1410704600
Frau Präsidentin! Meine Da-
men und Herren! Kollege Schmidt hat die Kürzungsvor-
schläge der SPD-Fraktion angesprochen. In der Tat, er hat
Recht: Zwischen dem Jahr 1994 und dem Jahr 1998 hat
die SPD-Bundestagsfraktion Kürzungen von 1,88 Milli-
arden DM vorgeschlagen. Im gleichen Zeitraum, also von
1994 bis 1998, lieber Kollege Schmidt, hat die CDU/CSU
den Verteidigungshaushalt um 5,6 Milliarden DM ge-
kürzt. Wäre es bei den von uns vorgeschlagenen 1,88Mil-
liarden DM geblieben, wären wir jetzt in einer besseren
Lage.


(Widerspruch und Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Den Zettel, auf dem diese Zahlen stehen, habe ich im-
mer bei mir. Darauf komme ich immer wieder zurück.
Wenn ich die Zahlen der Jahre 1991 und folgende be-
trachte, ist die Lage noch drastischer.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Paul Breuer [CDU/ CSU]: Das war nicht seriös! – Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Das war ein Eigentor!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410704700
Herr Kollege
Schmidt, wollen Sie antworten? – Bitte sehr.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1410704800
Herr Kol-
lege Zumkley, ich halte Ihnen zugute, dass Sie nicht
Matthäus-Maier heißen. Sonst wären die Zahlen noch viel
drastischer gewesen.


(V o r s i t z: Vizepräsident Rudolf Seiters)

Sie sollten natürlich die Erhöhungsanträge in die Be-

rechnungen einbeziehen. Sie haben keine gestellt. Sie ha-
ben faktisch weitere Kürzungen über die moderate Ab-
senkung hinaus, die wir vorübergehend, wenn Sie die Fi-
nanzplanung betrachten, vorgesehen haben, gefordert. Sie
haben die Möglichkeit, sich bereits jetzt wieder am 32. Fi-
nanzplan zu orientieren. Wir brauchen uns überhaupt
nicht zu verstecken. Sie haben die Möglichkeit, Farbe zu
bekennen, indem Sie die Erhöhung der Mittel für den Ver-
teidigungshaushalt auf anständige Art und Weise zusam-
men mit dem gesamten Parlament beschließen. Der Ver-
teidigungsminister würde sich freuen. Wie der Finanzmi-
nister davon zu überzeugen ist, müssen Sie unter sich
ausmachen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Peter Zumkley [SPD]: Das war schwach!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410704900
Nun hat das Wort der
Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1410705000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entschei-
dung über die Reform der Bundeswehr erfordert zunächst
Klarheit über ihre konstitutiven Grundlagen. Das Grund-
gesetz bestimmt in seiner Präambel, dass Deutschlands
oberstes Ziel die Sicherung des Friedens ist. Wir haben die

Erfahrung gemacht, dass Frieden und Sicherheit in und
für Europa unteilbar sind. Das verlangt eine umfassende
und übrigens auch multinationale Vorsorge für eine ge-
meinsame Sicherheit.

Art. 24 und Art. 87 a des Grundgesetzes bestimmen,
dass Streitkräfte zur Landes- und Bündnisverteidigung
aufgestellt werden. Die veränderte sicherheitspolitische
Lage bedeutet, dass die Frontlinie zwischen Ost und West
und der große beherrschende und bedrohliche bipolare
Konflikt nicht mehr vorhanden sind. Das heißt aber auch,
dass sich die sicherheitspolitische Lage Deutschlands ver-
ändert hat und dass deswegen in Zukunft Landesverteidi-
gung zugleich auch immer Bündnisverteidigung ist.

Das erfordert andere Fähigkeiten. Diese Fähigkeiten
kann man, man muss sie aber nicht zwingend auch in der
Krisenreaktion einsetzen. Dennoch lege ich Wert darauf,
dass klar bleibt, dass die Aufstellung deutscher Streit-
kräfte zum Zwecke der Landes- und Bündnisverteidigung
durch unsere Verfassung legitimiert ist. Die daraus er-
wachsenden Fähigkeiten kann man, wie gesagt, auch im
Rahmen der Krisenreaktion einsetzen. Das haben wir zum
Teil schon getan und tun es noch. Deutschland trägt zur
gemeinsamen Sicherheit innerhalb der NATO und der Eu-
ropäischen Union bei, unterstützt aber auch die Vereinten
Nationen und die OSZE.

Das Stichwort „gemeinsame Sicherheit“ ist deswegen
wichtig, weil hier einige Kollegen erwarten, man solle
noch eine sicherheitspolitische Lageanalyse – einige ha-
ben gesagt: Bedrohungsanalyse – vorlegen. Die liegt aber
doch vor, und zwar eine gemeinsame. Sie ist die Grund-
lage für die im April 1999 verabschiedete Strategie der
NATO; sie ist darüber hinaus die Grundlage für Entschei-
dungen innerhalb der Europäischen Union zum Aufbau
einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspoli-
tik. Wenn hier in Deutschland beispielsweise aus den Rei-
hen der CDU/CSU eine eigene Analyse verlangt wird,
dann bitte ich Sie zu überlegen, welche Konsequenzen das
haben könnte, jedenfalls in der Wahrnehmung mancher
Partner. Das bedeutet nämlich, dass wir uns im Bereich
der sicherheitspolitischen Analyse gewissermaßen natio-
nalstaatlich noch einmal eigene Gedanken machen, ob-
wohl wir uns schon auf eine gemeinsame verständigt ha-
ben – einschließlich der Konsequenzen, die daraus zu zie-
hen sind, innerhalb der NATO-Strategie ebenso wie in der
europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Deshalb ging die Kommission unter Vorsitz von
Richard von Weizsäcker, gehen übrigens auch die Eck-
pfeiler, die ich vorgeschlagen habe und die Grundlage der
Regierungsentscheidung sein werden, von diesen ge-
meinsamen Festlegungen aus: von der Analyse über die
Herausbildung einer gemeinsamen Strategie bis zur For-
mulierung gemeinsamer Fähigkeiten im Interesse ge-
meinsamer Sicherheit. Alles andere führt in die Irre.

Vor diesem Hintergrund leidet die Debatte möglicher-
weise deswegen etwas, weil es nicht darum geht, Kom-
promisse zwischen unterschiedlichen Positionen zu fin-
den, sondern eine sehr klare, für die Zukunft verlässliche
Linie zu beschreiben, längs derer sich die Streitkräfte mit
ihren Fähigkeiten und Aufgaben entwickeln können und
auf die sich die Streitkräfte mitsamt all ihrer Angehörigen






(C)



(D)



(A)



(B)


verlassen können. Das war in den letzten Jahren leider
nicht gewährleistet. Ich will dazu nachher noch etwas sa-
gen.

Etwas spöttisch: Die Debatte ist in einem gewissen
Sinne etwas kurios. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/
Die Grünen hat mit den Vorstellungen des Verteidigungs-
ministers an einer Stelle einen Dissens, will das aber nicht
so deutlich werden lassen.


(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Einen?)

Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU hat an vielen Stel-
len Gemeinsamkeiten mit den Vorschlägen des Verteidi-
gungsministers, will das aber auch nicht so deutlich wer-
den lassen.


(Heiterkeit bei der SPD – Paul Breuer [CDU/ CSU]: Das würde ihr auch schwer fallen!)


Das merkt man auch an der Art und Weise, in der hier ar-
gumentiert wird: Man fordert eine breite Debatte ein, be-
schwert sich aber über die Vielzahl der Diskussions-
beiträge.


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Paul Breuer [CDU/CSU]: Das ist das neue Verständnis der Koalition!)


Man fordert eine Regierungserklärung ein, empfiehlt mir
aber gleichzeitig, die Entscheidung innerhalb der Regie-
rung zu vertagen. Sagen Sie einmal: Fallen Ihnen eigent-
lich diese logischen Unsauberkeiten – um es höflich zu
formulieren – in Ihrer eigenen Argumentation auf?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Zumkley [SPD]: Nein! Die fallen denen nicht auf!)


Vor diesem Hintergrund und weil diese Sache wirklich
zu wichtig ist, als dass man sie für einen vordergründigen
Streit nutzen sollte, will ich sagen: Sicherheit kann weder
vorrangig noch allein militärisch sichergestellt werden.
Sie erfordert eine umfassende Politik. In Zusammenhang
mit der Reform der Bundeswehr allerdings konzentriert
man sich klugerweise – auch um jedes weitschweifige
Geschwafel zu vermeiden – auf das, was den Entschei-
dungsgegenstand umittelbar berührt, nämlich die unver-
zichtbare militärische Sicherheitsvorsorge im Zusam-
menhang mit einer umfassenden Sicherheitspolitik.
Damit werden die anderen Elemente nicht zur Seite ge-
wischt, sondern man konzentriert sich auf das, was zu de-
battieren und zu entscheiden ist.

Das heißt, dass Deutschland einen substanziellen Bei-
trag zur Friedenssicherung im Bündnis und in der Euro-
päischen Union leistet, dass es fähig sein muss, Krisen
frühzeitig zu erkennen, umfassend Informationen zur Ver-
fügung zu stellen und einen Beitrag zur Krisenprävention
wie zur Rüstungskontrolle und Abrüstung zu leisten. Das
heißt, dass die Anforderungen an Multinationalität in je-
der Hinsicht gewährleistet bleiben müssen. Das heißt,
dass Umfang und Zahl deutscher Streitkräfte dem politi-
schen Gestaltungsanspruch und dem Gewicht der Bun-
desrepublik Deutschland im Bündnis und in der Europä-
ischen Union gerecht werden müssen. Das heißt auch,

dass man in vielen Fragen – vom Wiederaufbau gesell-
schaftlicher Ordnung oder Infrastruktur in Krisengebieten
bis hin zur Aufwuchsfähigkeit – die Voraussetzungen
dafür schaffen muss, dass Deutschland einen guten und
wirksamen Beitrag zur gemeinsamen Sicherheit leistet.
Dem muss die Reform der Bundeswehr, die Erneuerung
von Grund auf, Rechnung tragen.

Welcher Weg ist seither zurückgelegt worden? Ich
habe im November 1998 eine Bestandsaufnahme veran-
lasst, die dem Deutschen Bundestag seit Mai 1999 vor-
liegt. Es liegt in der Entscheidung des Deutschen Bun-
destages, sich darüber Gedanken zu machen und das zu
debattieren – was übrigens geschehen ist, zum Beispiel in
den Haushaltsberatungen. Ich habe Anfang 1999 drei
Leitlinien genannt, nämlich erstens die planerische und
soziale Sicherheit für die Angehörigen der Streitkräfte zu
gewährleisten, zweitens die Wirtschaftlichkeit und Effizi-
enz in der Bundeswehr zu verbessern und drittens
Beiträge für ein zukunftsfähiges Deutschland zu leisten.
Diese liegen seit Januar 1999 vor. Seither wird die Arbeit
des Bundesministeriums der Verteidigung daran konse-
quent orientiert.

Ich habe im Zuge der Bestandsaufnahme und im
Zuge der Entscheidungsvorbereitung mittlerweile 25 Ta-
gungen mit Vorgesetzten und verschiedenen anderen An-
gehörigen der Bundeswehr – insgesamt über 6 000 –
durchgeführt und mir dafür nun wirklich Zeit genommen.
Denn ich bin davon überzeugt, dass die Reform einer
so riesigen Organisation wie der Bundeswehr – das
sind 460 000 Menschen; mehr als Telekom, Volkswagen
und Siemens gemeinsam in Deutschland beschäftigen –
niemals gegen die Betroffenen, sondern nur mit ihnen ge-
macht werden kann.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Im Übrigen glaube ich, dass eine Politik der Denkverbote
oder der Führung durch Informationsvorsprung – nach
dem Motto: Wenn die Untergebenen dumm sind, kann
man sie leichter führen – einem modernen Führungs- wie
Staatsverständnis strikt widerspricht. Das jedenfalls ist
nicht mein Verständnis.

Es sind Eckwerte für die konzeptionelle und planeri-
sche Weiterentwicklung der Streitkräfte entwickelt wor-
den und es ist der Bericht der Kommission vorgelegt
worden. Dabei wird immer der eigentümliche Versuch un-
ternommen, Unterschiede zu konstruieren. Wer liest, was
die Weizsäcker-Kommission in der Analyse der sicher-
heitspolitischen Lage, zu den notwendigen Konsequen-
zen für die Streitkräfte, hinsichtlich ihrer Führungsorga-
nisation, ihrer Logistik, ihrer Multinationalität, ihrer Ein-
setzbarkeit – und an vielen anderen Stellen – konkret
empfohlen hat, der wird es schwer haben, Unterschiede zu
den Eckwerten festzustellen, die von der Führung der
Streitkräfte und dem Generalinspekteur vorgelegt worden
sind. Die Unterschiede bestehen nur, wenn man sich
auf die traditionelle Oberflächlichkeit konzentriert und
das aus der Zahl der Soldaten und dem Ausgestalten
der Wehrpflicht herleitet. Nur dann gibt es Unter-
schiede, sonst eigentlich nicht – was übrigens auch einen




Bundesminister Rudolf Scharping

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(C)



(D)



(A)



(B)


Rückschluss auf andere hier gestellte Fragen erlauben
könnte. Aber darauf will ich jetzt nicht eingehen.

Sie wissen alle, dass ich seit Februar 1999 mit Firmen
über Fragen der Kooperation im Bereich beruflicher
Ausbildung, Weiterbildung, Fortbildung gesprochen
habe. Die Vereinbarungen hierzu liegen seit Juli 1999 vor.
An ihr beteiligen sich zurzeit über 300 Unternehmen; bis
Ende des Jahres werden alle Industrie- und Handelskam-
mern, alle Handwerkskammern hinzukommen. Das ist
ein völlig neuer Weg der Kooperation auf einem Gebiet,
das für die Leistungsfähigkeit der Streitkräfte, für die zi-
vilberufliche Perspektive ihrer Angehörigen und für die
Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitsplatz ganz und
gar unverzichtbar ist – und notwendig, um die Leistungs-
fähigkeit der Streitkräfte, ihre Attraktivität und die beruf-
liche Perspektive ihrer Angehörigen gleichermaßen zu si-
chern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich wundere mich, dass niemand vorher darauf gekom-
men ist.

Wir haben einen Rahmenvertrag abgeschlossen, an
dem sich zurzeit 120 Unternehmen beteiligen. Wir wer-
den am 20. Juni eine dritte Unterzeichnerkonferenz ha-
ben. Es werden mindestens 150 weitere Unternehmen
hinzukommen. Das ist deswegen ein so bedeutsamer re-
formerischer Schritt, weil es nicht alleine um Koopera-
tion, Outsourcing, Insourcing, Privatisierung und Ähnli-
ches geht, sondern weil hier mit einem Prinzip gebrochen
wird, nämlich dass Autarkie bedeutet, dass das Militär al-
les alleine, aus eigenen Fähigkeiten heraus könne.

Die Kooperation mit der Wirtschaft ist der Bruch mit
dem Autarkiegedanken und die Konzentration der Streit-
kräfte auf ihre militärischen Kernfähigkeiten. Alles an-
dere sollte man kooperativ mit Unternehmen machen, un-
ter Nutzung von deren Erfahrung, deren Kenntnissen, de-
ren Leistungsfähigkeit. Das bekommt den Streitkräften
gut und wird sicher auch der Bundesrepublik Deutschland
gut tun. Deshalb wird die Gesellschaft für Entwicklung,
Beschaffung und Betrieb gegründet und bald im Handels-
register eingetragen.

Über all das und manches andere sind der Bundestag,
seine Ausschüsse und die Öffentlichkeit regelmäßig in-
formiert worden. Sie sind auch darüber informiert wor-
den, und zwar schon im September 1999, dass die
Kommission dankenswerterweise der Bitte folgen würde,
ihre Arbeit nicht erst im November 2000, wie in der Ko-
alitionsvereinbarung vorgesehen, sondern im Mai 2000
abzuschließen, um die Empfehlungen, soweit möglich
und erforderlich, bei den Entscheidungen über den Haus-
halt 2001 berücksichtigen zu können. Seit September
1999 ist klar, dass der Generalinspekteur seinem – im
Übrigen auch gesetzlichen – Auftrag folgen würde, pla-
nerische und konzeptionelle Eckwerte für die Weiterent-
wicklung der Bundeswehr vorzulegen.

Demjenigen, der vor diesem Hintergrund sagt, der
Minister müsse entweder bis zur Vorlage von Kommissi-
onsberichten das Denken, im Zweifel auch das Entschei-
den einstellen, oder sagt, er sei von der Entwicklung über-

rascht, weil sie so schnell komme, entgegne ich, er hat seit
September 1999 nicht sonderlich gut zugehört oder nicht
ernst genommen, was mehrfach erläutert worden ist.

Was heißt das für die Eckpfeiler? Ich möchte das
zunächst in aller Kürze ausführen, obwohl das Thema
deutlich mehr Interesse verdient hätte. Ich registriere mit
großer Aufmerksamkeit, dass in der deutschen Öffent-
lichkeit und leider auch in dieser Debatte von den Vertre-
tern der Opposition das Thema „Staatsbürger in Uni-
form“ und „innere Führung“ praktisch keine Rolle ge-
spielt hat, obwohl es das Herzstück eines zeitgemäßen
Verständnisses der Streitkräfte auch für die Zukunft sein
wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Paul Breuer [CDU/CSU]: Im Zusammenhang mit Herrn von Fischbach doch!)


Das war in Jahrzehnten einzigartiger Garant für die ge-
sellschaftliche Verankerung der Bundeswehr und es ist
auch am Beginn des 21. Jahrhunderts das Leitbild, das
überzeugend Halt, Orientierung und Wertefestigkeit bie-
ten kann. Das braucht man gerade dann, wenn man in
Konfliktverhütung und Konfliktbewältigung engagiert
ist.

Die Bundeswehr ist eine Armee in der Demokratie und
für die Demokratie und sie wird es auch bleiben. Das
macht die Bedeutung von politischer Bildung und zeit-
gemäßer Traditionspflege aus, vor allen Dingen macht es
aber die Bedeutung der Grundrechte, der Anwendung
rechtsstaatlicher Prinzipien und der Werteordnung unse-
rer Verfassung im inneren Gefüge der Streitkräfte deut-
lich.

Sie wissen doch alle, dass es in der multinationalen Zu-
sammenarbeit, auch mit sehr engen Freunden und Part-
nern, nicht so ganz einfach ist, das, was wir in Deutsch-
land einzigartig entwickelt haben – Offiziere mit einem
zivilen Studium, wichtiger noch der direkte Zugang zum
Parlament über den Wehrbeauftragten, ähnlich wichtig
die Vertretungsrechte und die Vertrauenspersonen für Sol-
daten bis hin zur Wehrbeschwerdeordnung und zum
Wehrstrafrecht usw. –, in internationalen Verbänden und
multinationalen Zusammenhängen zu behaupten und zu
verteidigen, weil auch die Streitkräfte unserer engsten
Bündnispartner diese Übersetzung einer demokratischen
Verfassung in die innere Struktur der Streitkräfte nicht
kennen, während wir daran festhalten wollen, auch wenn
der Imperativ der Europäisierung und der multinationalen
Zusammenarbeit gilt.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es ist auch Ausdruck des Leitbildes von innerer
Führung, dass man Führung und Fürsorge nicht auseinan-
der reißen lässt. Ich sehe mit einigem Interesse, dass jetzt
auch Kreisverbände der CSU über Standorte diskutieren
und sagen, sie kämpfen darum mit großer Kraft, obwohl
sie gar nicht in Zweifel stehen. Da wird mit Windmühlen
gekämpft.


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Das müssen Sie noch beweisen!)





Bundesminister Rudolf Scharping
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(D)



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(B)


– Ja, das werde ich Ihnen gleich erläutern, Herr Kollege
Breuer.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kaffeesatzlesen!)


Das hat schon donquichottehafte Züge: Man kämpft ge-
gen Windmühlenflügel, die man sich allerdings nur vor
seinem geistigen Auge vorstellt.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Wir nehmen Sie beim Wort, Herr Minister!)


Ich bewundere Ihre Fantasie, aber darin steckt auch ein
gewisses Stück mangelnder politischer Seriosität.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nein, es gibt ein ganz klares Prinzip, das zuverlässig

eingehalten wird: Die Kleinststandorte mit weniger als
50 Dienstposten werden auf ihre militärische Notwendig-
keit überprüft. Bei allen anderen H39 Standorten wird
es oberste Priorität sein, zu prüfen, wie sie wirtschaftli-
cher geführt werden können, statt eine dumme Politik der
Standortauflösung zu betreiben. Sie schädigt die Veranke-
rung der Bundeswehr in der Fläche, sie schädigt die re-
gionale Wirtschaftskraft, sie erschwert die heimatnahe
Einberufung und manches andere, was ich mit Rücksicht
auf die Zeit jetzt nicht ausführen möchte.

Dass Führung im Verständnis des Staatsbürgers in Uni-
form und der inneren Führung auch Information bedeutet,
habe ich im Übrigen nicht nur durch 25 Tagungen zu zei-
gen versucht – diese werde ich fortsetzen –, sondern auch
dadurch – ich habe das in den letzten zwei Wochen zwei-
mal erlebt –, dass ich mit 4 000 und mehr Kommandeu-
ren und Dienststellenleitern unmittelbar – das ist der Se-
gen der neuen Informationstechnik – kommuniziert und
deren Fragen beantwortet habe. Ich glaube, das ist ein
guter Weg.

Zweiter Eckpfeiler neben innerer Führung und Staats-
bürger in Uniform ist das Personal.Wir haben in der Bun-
deswehr sehr gutes Personal. Ich bewundere die Leute,
dass sie ihre Qualitäten, ihre Leistungen, ihr Verantwor-
tungsbewusstsein und ihre Motivation trotz jahrelanger
Fehlentwicklungen insbesondere in den 90er-Jahren auf-
rechterhalten haben. Dies ist erstaunlich. Dem Personal
ein großes Kompliment.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Aber jetzt wollen wir doch einmal deutsch reden: Wer
hat denn jetzt damit begonnen, in den einfachen Laufbah-
nen die Besoldungsgruppen A 1 und A 2 abzuschaffen?
Und wer hat dies über Jahre geduldet, wohl wissend, dass
in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes die Ein-
gangsbesoldungsgruppe mittlerweile A5 ist? Glauben Sie
im Ernst, es könne für die Attraktivität und Leistungsfä-
higkeit der Streitkräfte auf Dauer so bleiben, dass jemand
in einer Mannschaftslaufbahn mit 2 600 DM im Monat
anfängt?


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Für wie viele Monate gelten die denn, Herr Scharping?)


– Herr Kollege Breuer, was hat das damit zu tun? Sie ha-
ben in den Laufbahnen, in den Besoldungen, in den Ver-
wendungen und Beförderungen über Jahre hinweg Miss-
stände einreißen lassen, die für die Leute eine Belastung
und für Sie ein Armutszeugnis waren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin sehr an Einigkeit interessiert, aber das kann
nicht dazu führen, dass man über die Realitäten nicht
mehr sprechen darf. Wir werden eine Feldwebellaufbahn
und eine neue Fachunteroffizierlaufbahn einführen, wir
werden die Berufsfördermaßnahmen laufbahnintegriert
und dienstzeitbegleitend organisieren und nicht mehr ans
Ende schieben nach dem Motto „Lasst erst einmal eine
Lücke entstehen, dann machen wir schon Berufsförde-
rung“. Dies ist ein wesentlich attraktiveres Angebot.

Das Prinzip, das dahinter steckt, ist, dass jeder – nicht
nur der Abiturient –, der längere Zeit in der Bundeswehr
Dienst leistet, die Möglichkeit erhält, seine zivile Qualifi-
kation zu verbessern. Der Geselle kann Meister werden.
Der ausgebildete Lehrling kann Facharbeiter oder Geselle
werden. Wer ohne eine Berufsausbildung kommt, kann
einfache zivilberufliche Qualifikationen erwerben usw.
Ich halte dies für außerordentlich wichtig, denn die neuen
Aufgaben, die neuen Herausforderungen der Streitkräfte
erfordern zunehmend mehr besonders gut ausgebildete
und gleichzeitig selbstbewusste, demokratisch gefestigte
Staatsbürger. Beides brauchen wir. Beides ist für die Leis-
tungsfähigkeit der Streitkräfte von besonderer Bedeu-
tung.

Sie aber haben zugelassen, dass zurzeit in der Bundes-
wehr noch über 8 000 Leute auf Dienstposten mit einer
Bezahlung sitzen, die der Verantwortung nicht entspricht.
Sie haben zugelassen, dass wir eine völlig unausgewo-
gene Altersstruktur mit dem Ergebnis haben, dass in den
Offizier- wie Unteroffizierlaufbahnen in den Jahrgängen
ab 1963 und älter Überhänge bestehen, die bei einem
natürlichen Prozess erst 2019, in manchen Fällen sogar
erst 2026 abgebaut sein werden. Sie haben eine ganze
Reihe von schweren Fehlentwicklungen, sogar im Perso-
nalbereich, zu verantworten. Wir werden das korrigieren,
und zwar in den Jahren 2001 und 2002, soweit es um den
Beförderungs- und Verwendungsstau geht, und ab 2002,
soweit es um die Laufbahnen geht. Im Übrigen werden
wir die Bundeswehr für Frauen öffnen und strikt nach
dem Prinzip „Befähigung, Eignung und Leistung“ vorge-
hen.

Nun will ich Ihnen noch etwas zu einem anderen Eck-
pfeiler, nämlich Ausrüstung und Material, sagen. Die
Ausrüstung bedarf einer umfassenden Modernisierung.
Das ist nicht nur die Konsequenz aus der NATO-Strategie
„Defense capabilities initiative“ des „European headline
goal“ und wie die technokratischen Worte alle heißen.
Nein, dies ist auch die Konsequenz aus der Tatsache,
dass Sie in den laufenden Haushaltsjahren – der Kollege
Zumkley hat dankenswerterweise die Zahlen genannt –
mit globalen Minderausgaben immer in den investiven




Bundesminister Rudolf Scharping

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(C)



(D)



(A)



(B)


Haushalt der Streitkräfte mit dem Ergebnis eingegriffen
haben,


(Gernot Erler [SPD]: So war es!)

dass man eine zunehmend unbrauchbare, weil veraltete
und in den Betriebskosten zu teure Ausrüstung hat.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Warum kürzen Sie dann noch?)


Soll ich Ihnen einmal erzählen, was da los ist? Wir haben
zum Beispiel in der Bekleidungswirtschaft der Bundes-
wehr Warenbestände im Wert von 1,3 Milliarden DM he-
rumliegen.


(Gernot Erler [SPD]: Unglaublich! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Da kann sich Herr Breuer warm anziehen!)


Wir haben im Bereich der Informationstechnik in der
Bundeswehr 250 informationstechnische Inseln mit dem
absurden Zustand vorgefunden, dass die Software der
Heereslogistik mit der Software der Logistik von Luft-
waffe und Marine nicht mehr voll kommunikationsfähig
war und ist.

Ich finde in den Depots der Luftwaffe Hunderte von
Türen für die Transall, die hoffentlich bald ausgemustert
werden kann, die Millionen und Abermillionen Mark ge-
kostet haben, und wir werden sie wegen Fehldisposition
auf den Müll werfen müssen. Ich könnte die Liste dieser
Beispiele beliebig verlängern. Dann müsste ich eine halbe
Stunde im Bundestag reden und hätte sie längst noch nicht
alle aufgezählt.

Wer so etwas geduldet hat – wie immer er heißt, aus
welcher Partei er auch immer kommt, in welcher Koali-
tion er auch immer war –, der hat ja nicht nur zu wenig in
die Streitkräfte, in ihre Ausrüstung, in ihre notwendigen
Fähigkeiten investiert, sondern er hat den Zeitpunkt für
den Beginn der Reform verschlafen.

Und jetzt kommen Sie und sagen, lassen Sie doch ein
bisschen Zeit zum Diskutieren. Ja, reden Sie einmal mit
den Angehörigen der Streitkräfte! Die wollen keine Zeit
zum Diskutieren, die wollen Entscheidungen, die ihre Zu-
kunft und ihre Leistungsfähigkeit sichern, anstatt immer
fröhlich weiterzudiskutieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Sie glauben doch, wenn man einmal eine nüchterne,
realistische Bilanz zieht, nicht im Ernst, dass die Verbes-
serung des Zustandes der Streitkräfte auf dem Gebiete ih-
rer Ausrüstung und ihrer Materialausstattung noch in ir-
gendeiner Weise Aufschub dulden würde.


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Man muss doch über Ihre Vorschläge diskutieren können!)


Damit sage ich Ihnen etwas zum Umfang und zur Zu-
sammensetzung der Streitkräfte. Wir werden diesen Wild-
wuchs mit zbV-Schülerstellen, BfD-Stellen und anderem,
der ja auch sehr eigenartig war, korrigieren.


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Sie haben das doch ein Jahr verschleppt!)


– Ich habe das ein Jahr verschleppt?

(Paul Breuer [CDU/CSU]: Ja, aber natürlich!)


– Mein lieber Herr Breuer,

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein, das ist zu viel der Ehre!)


ziehen Sie sich doch einmal einen kleinen Moment zurück
und denken Sie einmal nach, bevor Sie den Mund aufma-
chen!


(Beifall bei der SPD)

Ich habe das ein Jahr verschleppt? – Ich habe Entschei-
dungsgrundlagen erarbeitet, von denen man heute sagen
kann, sie werden einige Jahre, vermutlich zehn Jahre und
länger, tragen.


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Lassen Sie uns doch jetzt diskutieren!)


Sie haben an der Bundeswehr immer nur quantitativ
herumgeschnippelt, herumgedoktert, herumreduziert.
Das Ergebnis liegt jetzt auf dem Tisch. Ich kann verste-
hen, dass Ihnen das zu Teilen peinlich ist. Aber ich sage
Ihnen genauso deutlich: Wenn Sie keine nüchterne Lage-
beurteilung haben, dann können Sie auch keine klare
Konzeption entwickeln.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist bei Breuer schwierig!)


Das ist in der Zeit, in der Sie regiert haben, leider nicht nur
auf dem Gebiet der Streitkräfte deutlich geworden.


(Beifall bei der SPD – Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Er hat sich immer nur durchgebreuert!)


Es sind ein Präsenzumfang der Streitkräfte von
255 000 sowie 22 000 Ausbildungsplätze vorgesehen. Das
können mehr oder weniger werden; das will ich dem
Deutschen Bundestag sehr deutlich sagen. Das hängt
nämlich davon ab, wie sich die Kooperation mit der Wirt-
schaft auf dem Gebiet der Ausbildung, der Fortbildung
und der Weiterbildung entwickelt.

Der Umfang der militärischen Grundorganisation soll
105 000 betragen. Das ist für die Leistungsfähigkeit der
Streitkräfte von zentraler Bedeutung, auch für ihre innere
Effizienz.

Über die Personalstruktur will ich jetzt nichts sagen,
wohl aber noch etwas im Zusammenhang mit den zivilen
Beschäftigten.Wir haben dort eine Altersfluktuation, die
beachtlich ist. Wir wollen sie nutzen. In welchem Umfang
und in welcher Geschwindigkeit das geschehen wird,
wird davon abhängen, wie ein Tarifvertrag aussieht, den
ich ausdrücklich anbiete, und es wird von der Entwick-
lung der Kooperation mit der Wirtschaft abhängen. Je
schneller wir diesen Zielkorridor von 80 000 bis 90 000
zivilen Mitarbeitern erreichen, und zwar auf strikt sozial-
verträgliche Weise und strikt ohne betriebsbedingte Kün-
digungen, umso besser wird es für alle an der Zukunft der
Bundeswehr Interessierten sein.

Meine Damen und Herren, hier ist auch einiges über
die allgemeine Wehrpflicht gesagt worden. Ich will mich




Bundesminister Rudolf Scharping
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(C)



(D)



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(B)


auf die Bemerkung beschränken, dass Landesverteidi-
gung, auch wenn sie in Zukunft Bündnisverteidigung ist,
am besten durch eine allgemeine Wehrpflicht mit sicher-
gestellt wird. Das ist ein Teil der sicherheitspolitischen
Vorsorge, worauf die Kommission unter Vorsitz von
Richard von Weizsäcker zu Recht hingewiesen hat. Wir
werden dann zu berücksichtigen haben, dass sicherheits-
politische Vorsorge, der Rückgang der Zahl der Wehr-
pflichtigen pro Jahrgang und die Entwicklung des indivi-
duellen Entscheidungsverhaltens schwer planbare Kate-
gorien sind.

Also braucht man ein System mit verlässlichen Grund-
lagen und einer gewissen inneren Flexibilität. Das wird
dadurch gewährleistet, dass die Möglichkeit zu einer frei-
willigen Verlängerung des Wehrdienstes erhalten bleibt,
der Wehrdienst gesetzlich auf neun Monate festgelegt
wird und dieser neunmonatige Wehrdienst immer dann,
wenn der militärische Bedarf – um dies ganz klar zu sa-
gen – es erlaubt, abschnittsweise abgeleistet wird. Dies
wird mit dem Einberufungsbescheid klargestellt werden.
Es wird nicht irgendwann die Brieftaube oder der Post-
bote einen Bescheid mit einer Einladung zu einer Wehr-
übung bringen. Es wird vielmehr im Einberufungsbe-
scheid klarzustellen zu sein, wann und wo die den sechs
Monaten folgenden Abschnitte abzuleisten sein werden.

Diese abschnittsweise Ableistung des Wehrdienstes
kann niemandem neu sein, der das Wehrpflichtgesetz
kennt. In diesem Gesetz ist diese Möglichkeit bereits ent-
halten. Warum soll nur für die Berufsgruppe der Land-
wirte gelten, was insgesamt für die Streitkräfte und für die
jungen Männer sinnvoll sein kann? Darauf gibt es keine
logische Antwort. Deswegen werden wir die schon im
geltenden Wehrpflichtgesetz für eine bestimmte Berufs-
gruppe vorgesehene Möglichkeit der abschnittsweisen
Ableistung des Wehrdienstes in den Bereichen ausdeh-
nen, in denen der militärische Bedarf und die Verwendung
in der Bundeswehr das erlauben.

Ich habe einiges zu dem Eckpfeiler der Kooperation
mit Wirtschaft und Handwerk gesagt. Ich werde das in ei-
ner Regierungserklärung darstellen, wenn die Regierung
ihre Entscheidung getroffen hat. Im Übrigen wird sie auch
noch ein Weißbuch vorlegen.

Mein letzter Hinweis dient der Kommission und den
vielen Diskussionsbeiträgen, die es darüber hinaus gibt.
Die Kommission wurde anfangs von einigen Kollegen,
die heute diskutiert haben, mit einigem Spott begleitet.


(Gernot Erler [SPD]: Sie hat Herr Breuer ja abgelehnt!)


Es wurde gesagt, die Kommission setze sich aus lauter
netten Menschen zusammen, die nur leider keine Fach-
leute seien; es seien hoch angesehene Persönlichkeiten,
die aber mit dem Thema nicht vertraut seien. Heute stel-
len wir fest: Die Einsetzung dieser Kommission war ge-
nau richtig. Es ist gut für die Bundesrepublik Deutschland
und für die Entwicklung langfristiger Politik, wenn sich
Bürgerinnen und Bürger unseres Staates mit einem lang-
fristig bedeutsamen Thema gründlich auseinander setzen.
Das haben die Mitglieder dieser Kommission getan. Al-

lein deswegen verdienen sie Respekt und Anerkennung –
angesichts des Ergebnisses noch mehr.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deswegen fließen in meine konzeptionellen Schluss-
folgerungen fast alle Empfehlungen der Kommission ein.
Nicht eingeflossen ist der Vorschlag, wie man mit Stand-
orten umgehen soll und welche Gründe es dafür gibt. In
der Frage des allgemeinen Wehrdienstes gab es eine
große Übereinstimmung über dessen Notwendigkeit, aber
einen Unterschied in der praktischen Ausgestaltung des
gemeinsam für wichtig erachteten Prinzips. Damit kann
man sehr pragmatisch und sehr vernünftig umgehen; das
gilt für die Kommission genauso wie für den zuständigen
Minister.

Vor diesem Hintergrund kann ich nur sagen: Wir haben
jetzt alle Entscheidungen gründlich vorbereitet; wir wer-
den die Entscheidungen mit einiger Sicherheit spätestens
am 21. Juni, vielleicht schon am 14. Juni, treffen und wir
werden dem Deutschen Bundestag auf dieser Grundlage
alle notwendigen Gesetzesänderungen – übrigens ein-
schließlich des Haushaltsentwurfes – vorlegen. Danach
beginnt ein politischer und parlamentarischer Diskus-
sions- und Entscheidungsprozess, von dem ich hoffe, dass
er sachorientiert und so geführt wird, dass die Angehöri-
gen der Streitkräfte über die ganz normalen parteipoliti-
schen Auseinandersetzungen hinaus eines wissen: Die
Bundesrepublik Deutschland hatte tiefe Streitereien im
Zusammenhang mit der Westintegration. Dieses Thema
hatte das Land und manchmal auch die beteiligten Par-
teien sehr beschäftigt und hier und da sogar zerrissen. Wir
hatten intensive Diskussionen wegen der Ost- und Ent-
spannungspolitik mit ähnlichen Folgen und wir hatten sie
auch Mitte der 90er-Jahre im Zusammenhang mit inter-
nationalen Einsätzen der Bundeswehr.

Vielleicht sollten wir alle als Mitglieder des Deutschen
Bundestages eines mit auf den Weg nehmen: Diese Aus-
einandersetzungen waren nicht nur eine leidenschaftliche
Diskussion um die Sicherheits- und Außenpolitik der
Bundesrepublik Deutschland, sie waren nicht nur eine lei-
denschaftliche Auseinandersetzung um Grundfragen, die
ja zu den vornehmsten Aufgaben jedes Staates gehören,
nämlich die äußere und übrigens auch die innere Sicher-
heit seiner Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten; sie
haben vielmehr auch einen für die Bundesrepublik
Deutschland fruchtbaren und erstaunlichen Konsens über
die Grundlagen der Außen- und Sicherheitspolitik her-
vorgebracht. Ich hoffe sehr, dass die Entscheidungen über
die Zukunft der Bundeswehr und über die Bundeswehr
der Zukunft, über die notwendige Erneuerung von Grund
auf in diesem Geist und auch in dem Bewusstsein getrof-
fen werden, dass gerade in solchen Zeiten, die scheinbar
sehr entspannt und sehr sicher erscheinen, die Bundes-
wehr, wie in der Vergangenheit auch, auf eine breite Un-
terstützung des Deutschen Bundestages angewiesen ist.
Dazu lade ich Sie ausdrücklich ein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Bundesminister Rudolf Scharping

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Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410705100
Für die F.D.P.-Frak-
tion spricht der Kollege Günther Nolting.


Günther Friedrich Nolting (FDP):
Rede ID: ID1410705200
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Herr Minister Scharping,
wenn Sie Vorwürfe in Richtung Opposition vortragen,
will ich Sie daran erinnern, dass in den zurückliegenden
Legislaturperioden aus den Reihen der SPD kein einziger
Antrag zur vermeintlichen Verbesserung der Situation der
Bundeswehr, vor allen Dingen auch kein Antrag zum
finanziellen Bereich gestellt wurde.


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Er hat als Fraktionsvorsitzender Kürzungsanträge unterschrieben!)


Ich finde, es gehört zur Redlichkeit, dies noch einmal zu
erwähnen. Sie waren zu dieser Zeit Fraktionsvorsitzender.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, ich möchte aus einer Mel-
dung vom gestrigen Tage zitieren:

In der Diskussion um die Bundeswehrreform stellt
der Fraktionschef der Grünen, Rezzo Schlauch, die
Durchsetzungsfähigkeit von Verteidigungsminister
Rudolf Scharping, SPD, in Frage. Für so eine Reform
bräuchte es einen Scharnhorst oder Gneisenau – aber
wir haben nur einen Scharping.

Herr Minister, vor dieser Aussage müssen wir Sie aus-
drücklich in Schutz nehmen. Das sage ich gerade als Ver-
treter der F.D.P. Ich hoffe, es schadet Ihnen nicht, und ich
hoffe, es schadet auch mir nicht.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)


Ihre Vorstellungen gehen ja in die richtige Richtung, wo-
bei es einige Ausnahmen gibt, die der Kollege van Essen
heute vorgetragen hat.

Als Vertreter der Opposition möchte ich mich für die
bisherige gute Zusammenarbeit bedanken. Wir nehmen
Sie natürlich beim Wort, dass diese gute Zusammenarbeit
fortgesetzt werden soll.

Aber, Herr Minister, bemerkenswert ist – auch das will
ich sagen –, dass es heute keine Regierungserklärung ge-
geben hat, auch wenn Sie dies in Ihrer Rede herunterspie-
len wollten. Das ist Ihnen nicht gelungen. Auch die
Schärfe Ihrer Rede ist ein Zeichen dafür, dass die Frak-
tionen von SPD und Grünen kein einheitliches Konzept
zur Sicherheitspolitik und zur Bundeswehr haben – und
das vor diesen wichtigen Reformen in diesem Bereich.

Herr Minister, sehen Sie sich einmal das eigenwillige
Reformverständnis der Grünen in Sachen Bundeswehr
an. Die Kollegin Beer hat vorhin einige Beispiele und
Zahlen genannt. Ich will einige ergänzen. Im Wahlpro-
gramm 1998 lehnten die Grünen – ich zitiere –

... die Umstrukturierung der Bundeswehr zu einer
internationalen Interventionsarmee durch den Auf-
bau von Krisenreaktionskräften und Offensivwaffen
wie den Eurofighter ab.

Jetzt fordern die Grünen in ihrem Papier zur Bundes-
wehrreform eine hoch mobile und hoch technisierte Pro-
fiarmee in einer Stärke von 200 000 Soldaten.


(Hildebrecht Braun [Augsburg] [F.D.P.]: Das zeugt von Lernfähigkeit!)


In ihrem Wahlprogramm 1998 forderten die Grünen – ich
zitiere wieder – „mit der Abschaffung der allgemeinen
Wehrpflicht und der sofortigen Umstellung auf eine Frei-
willigenarmee“ zu beginnen. Diese Forderung findet sich
zwar auch in dem Bundeswehrpapier wieder; aber münd-
lich entschuldigen sich die Grünen, auch bei ihrem Koali-
tionspartner, und der Außenminister erklärt – wir haben es
vorhin gehört –, dass diese Frage selbstverständlich auf
den Opfertisch der Regierungsbeteiligung gelegt wird.

Ich sage noch einmal: Ich begrüße ausdrücklich, dass
ein Umdenken stattgefunden hat. Ich denke aber, es ist
auch ein Zeichen grüner Unglaubwürdigkeit, dass man
das, was man vorher gefordert hat, einfach auf dem
Koalitionstisch opfert.


(Beifall bei der F.D.P.)

Im November letzten Jahres sprachen die Grünen noch

von der Militarisierung der Gesellschaft, als die F.D.P.
eine Änderung des Grundgesetzes forderte, um Frauen die
Mitarbeit in der Bundeswehr zu ermöglichen. Heute spre-
chen Sie von der endlich erreichten Gleichberechtigung.

Ich sage es noch einmal: Die Grünen haben in ihrem
Wahlprogramm gefordert, die Zahl der Bundeswehrsol-
daten in vier Jahren auf rund 150 000 zu reduzieren und
in den folgenden Jahren weiter drastisch zu senken, zu-
nächst mit dem Ziel der Halbierung derTruppenstärke.
Davon ist jetzt nichts mehr zu hören oder zu lesen. Die
Bündnisgrünen fordern jetzt, wie gesagt, 200 000 Solda-
ten, 200 000 bis an die Zähne bewaffnete Profis. Zu all
dem haben wir heute, Frau Kollegin, nichts gehört. Die
Grünen spielen sich plötzlich als Retter der Bundeswehr
auf. Dazu kann ich nur sagen: Wer solche Freunde hat,
braucht keine Feinde mehr.

Herr Minister, die Probleme, die Sie und die SPD mit
den Grünen haben, sind heute wieder erkennbar gewesen,
auch wenn Sie und die anderen Redner der SPD versucht
haben, diese Probleme zu verniedlichen.


(Gernot Erler [SPD]: Haben wir doch gut gemacht, oder?)


Die offensichtliche Realisierung von rund 80 Prozent
der F.D.P.-Forderungen im Zuge der großen Reform der
Bundeswehr ist gut. Ich bin sicher, dass im Rahmen der
Feinplanung – spätestens jedoch bei der Nachsteuerung –
weitere Punkte unseres Positionspapiers vor allem in Sa-
chen Wehrpflicht und Personalumfang übernommen wer-
den. Ich stelle fest, dass die F.D.P. auch auf dem Feld der
Sicherheits- und Verteidigungspolitik ihrem Ruf als
verantwortungsvolle und bürgerfreundliche Reformpartei
gerecht geworden ist.

Lassen Sie mich noch eines sagen: Wir haben einen
Antrag vorgelegt. Wir bedanken uns ausdrücklich bei al-
len Mitgliedern sowie bei den Mitarbeiterinnen und Mit-






(C)



(D)



(A)



(B)


arbeitern der Regierungskommission für die geleistete
Arbeit. Ich möchte mich an dieser Stelle auch für die bis-
herige Arbeit des Generalinspekteurs bedanken, der
Ende des Monats seinen Posten verlässt. Ich glaube, auch
das gehört an diese Stelle.

Zum Abschluss noch einen Satz in Richtung PDS und
Grüne: Es gibt nichts Militanteres als Antimilitaristen.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: O Gott, wo lebt der denn? „Roaring Nolting“ aus den „roaring Sixties“!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410705300
Für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Winfried
Nachtwei.


Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410705400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor 14 Tagen
hat uns die Kommission „Gemeinsame Sicherheit und
Zukunft der Bundeswehr“ ihren Bericht an die Bundesre-
gierung vorgelegt. Es wurde selbstverständlich nicht er-
wartet, dass alle diesem Bericht zustimmen werden. Aber
er ist durch die sehr große politische und intellektuelle
Unabhängigkeit, mit der er abgefasst wurde, durch seine
Klarheit und Gründlichkeit überzeugend. Dieser Bericht
ist und bleibt ein Maßstab für die weitere Diskussion und
für die Entscheidungen über die Zukunft der Bundeswehr.
Das Wohltuende an diesem Bericht ist vor allem, dass er
uns aus der bisher unheimlich banalen, parteipolitischen
Art und Weise herausholt, in der die Auseinandersetzung
um dieses Thema sehr oft geführt wurde und die gerade
beim letzten Redebeitrag wieder sehr deutlich zum Aus-
druck kam.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Es ist ein gründlicher Bericht, der eine gründliche De-
batte erfordert. Wir stehen auf der einen Seite unter enor-
mem Entscheidungsdruck. Das ist klar. Wenn ich mir das
jetzige Verhalten der Opposition während dieser Diskus-
sion anschaue, dann empfinde ich diesen Entscheidungs-
druck fast noch stärker. Aber auf der anderen Seite macht
der äußerst enge Zeitplan der Bundesregierung die wün-
schenswerte gründliche Debatte des Kommissionsbe-
richts sehr schwer. Das muss ich einräumen. Aber auf-
grund dieses engen Zeitrahmens erübrigt sich die Diskus-
sion und die Kenntnisnahme des Kommissionsberichts in
keiner Weise.

Wir haben festgestellt, dass in der öffentlichen Debatte
über den Kommissionsbericht die Frage des Wie im Vor-
dergrund stand und viel zu wenig die Frage des Wofür de-
battiert wurde. Dazu möchte ich einige Anmerkungen
machen: Bezüglich der Risiko- und Bedrohungsanalyse
gibt es – auch wenn bereits Festlegungen zwischen
NATO, Bundesregierung und EU vorhanden sind – offen-
kundig noch Verständigungsbedarf; denn es gibt Dissen-
sen bezüglich der Einschätzung der so genannten großen
existenziellen Bedrohung. Die Kommission geht davon

aus, dass es in einem mittelfristigen Zeitraum von unge-
fähr zehn Jahren keine große existenzielle strategische
Bedrohung der Bundesrepublik gibt. Diejenigen, die eine
andere Position vertreten, gehen davon aus, dass eine sol-
che Bedrohung sehr unwahrscheinlich ist. Aber aus dieser
unterschiedlichen Risikoeinschätzung ergeben sich unter-
schiedliche Konsequenzen bezüglich der Aufwuchsstärke
der Bundeswehr und der heutigen Legitimation der Wehr-
pflicht. Es gibt also im politischen Raum insgesamt noch
Verständigungsbedarf. Weil wir bei dieser Risikoanalyse
ganz klar der Kommission folgen, bleiben wir dabei, dass
wir die Wehrpflicht heutzutage sicherheitspolitisch nicht
mehr für legitim halten.

Die Kommission hat auch die Einordnung der Bundes-
wehrreform in ein umfassendes Verständnis von Si-
cherheitspolitik deutlich angesprochen. Es ist auffällig –
das ist bisher gar nicht zur Sprache gekommen –, wie ge-
nau sich die Kommission dazu äußert. Sie sagt nämlich –
Zitat aus Nr. 23 –:

Zuweilen kann das Militär stabilisierend, dämpfend
oder abschreckend wirken. Militärische Macht, von
außen in eine Krisenregion eingebracht, kann helfen,
die Eskalation und Ausweitung von Konflikten zu
verhindern. Militärisches Eingreifen wird jedoch nur
eine Option im Fächer der politischen Gesamtstrate-
gie sein.

Dies ist eine völlig richtige Einordnung. Es ist zugleich
eine deutliche Absage an Interventionismus, was der
Kommission von manchen, sehr oberflächlichen Kriti-
kern vorgeworfen wird.

Die Kommission zieht hieraus die richtigen Konse-
quenzen. Sie deutet an, wie man den Anspruch einer um-
fassenden Sicherheitspolitik umsetzen und welche Instru-
mente und welche Fähigkeiten man konkret verstärkt ent-
wickeln muss. Das wird von der Kommission zwar
vielleicht nicht in der genügenden Gewichtung angespro-
chen, aber es wird überhaupt erwähnt. Das ist ein Hinweis
darauf, dass wir – Koalition und Parlament insgesamt – zu
kurz treten würden, wenn wir uns nur mit einer isolierten
Militärreform beschäftigen würden.

Wenn wir nur eine isolierte Militärreform betreiben
würden, dann liefen wir Gefahr, mehr Krisenreaktions-
fähigkeit zu schaffen und am Ende bei militärischer Kri-
senreaktion öfter dabei zu sein, aber gleichzeitig keines-
wegs bessere Krisenbewältigung zu leisten. Deshalb
kommt es auf die unbedingte Einbettung der Militärre-
form in eine schnelle Stärkung aller Instrumente und
Fähigkeiten von Krisenprävention auf der einen Seite und
von Friedenskonsolidierung auf der anderen Seite an.

Der Minister hat vorhin sehr zu Recht darauf hinge-
wiesen, dass es nötig ist, den Schwerpunkt „innere
Führung“ weiterzuentwickeln. Auch für die Kommission
war die Weiterentwicklung der so genannten blauen
Fähigkeiten von Soldaten über die militärischen Grund-
fähigkeiten hinaus – das geht wirklich in Richtung eines
anderen Soldatenbildes – ein ganz entscheidender
Schwerpunkt. Im Bereich der Entwicklung umfassender
Instrumente und Fähigkeiten hinsichtlich vorbeugender




Günther Friedrich Nolting

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(C)



(D)



(A)



(B)


Sicherheitspolitik braucht sich die Bundesregierung in
keiner Weise zu verstecken.

Vorhin wurde der Bundesregierung vorgehalten: Was
geschieht denn in den anderen Bereichen? Meine Bitte
lautet: Informieren Sie sich! Hören Sie einmal zu!
Schauen Sie sich einmal an, was die Bundesregierung –
das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenar-
beit und Entwicklung und das Auswärtige Amt – inzwi-
schen macht!


(Dr. Gregor Gysi [PDS]: Die Entwicklungshilfe wird zurückgeschraubt, Herr Nachtwei!)


Ich erinnere auch an die verschiedenen anderen Instru-
mente, um vor allem zivile Kriseneingreiffähigkeiten
nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch auf
EU-Ebene zu fördern. Schauen Sie sich an, was in den
letzten Wochen mit der Aufstellung der React-Einheiten
auf OSZE-Ebene usw. geschehen ist! Dies wurde wesent-
lich durch die Bundesregierung und wenige andere Län-
der angestoßen. Die Bundesregierung braucht sich in die-
ser Frage in keiner Weise zu verstecken; es gibt auf die-
sem Gebiet erhebliche Fortschritte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Gregor Gysi [PDS]: Durch die Reduzierung der Entwicklungshilfe?)


Es besteht zwar kein vollständiger, aber breiter Kon-
sens in den verschiedensten Überlegungen zur Zukunft
der Bundeswehr, dass der Umfang der so genannten Ein-
satzkräfte erheblich aufgestockt werden muss. In Rich-
tung der PDS sage ich: Schauen Sie sich bitte das Frie-
densgutachten der fünf Friedensforschungsinstitute an.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die PDS ist ihr eigenes Friedensinstitut! Sie ist die Inkarnation des Friedensinstituts!)


Auch sie gehen davon aus, dass angesichts gegenwärtiger
Gewaltkonflikte Situationen existieren – Bosnien und
Kosovo sind ein Beispiel dafür –, in denen man zur Ge-
walteindämmung und Gewaltverhinderung Militär
tatsächlich braucht.


(Beifall des Abg. Peter Zumkley [SPD] – Wolfgang Gehrcke [PDS]: Das glaubst Du doch selber nicht!)


Die fünf Friedensforschungsinstitute behaupten zum
Beispiel, der Umfang der Einsatzkräfte müsse bei einer
Größenordnung von 100 000 liegen. Das liegt unter den
Vorschlägen der Bundesregierung und der Kommission;
aber es ist eine deutliche Heraufsetzung gegenüber heute.

Es ist unbestreitbar, dass wir da eine Aufstockung brau-
chen, um die Bundeswehr in einer sinnvollen und – das
ist keine orwellsche Sprachverdrehung – friedensfördern-
den Weise einzusetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zugleich sollten wir noch eines bedenken.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410705500
Herr Kollege
Nachtwei, Sie haben Ihre Redezeit weit überschritten.


Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410705600

Gut. – Dann will ich zu dem Aspekt der politischen Ein-
grenzung dieser Fähigkeiten nur bemerken, dass wir uns
darüber noch Gedanken machen müssen. Aber das sind al-
les Fragen, deren Erörterung in den nächsten Wochen und
Monaten erfolgen muss. Sie sind selbstverständlich nicht
mit dem Kabinettsbeschluss am 14. oder 21. entschieden.
Damit haben wir uns in der nächsten Zeit zu beschäftigen.
Es ist festzustellen, dass wir gerade in den Bereichen der
Flankierung in der Koalition einen überzeugten Konsens
haben, und zwar nicht nur einen verbalen, sondern einen
tatsächlichen.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410705700
Ich gebe das Wort
dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Friedrich
Merz.

Friedrich Merz (CDU/CSU) (von Abgeordneten der
CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Herr Scharping, Sie ha-
ben uns am Schluss Ihrer Rede zu einem ausführlichen
Dialog über die Zukunft der Bundeswehr und ihre
zukünftigen Aufgaben eingeladen. Ich stelle Ihnen einmal
die Frage: Was soll eigentlich eine Einladung zu einem
solchen Dialog,


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den haben Sie doch schon abgelehnt!)


wenn den Mitgliedern des Deutschen Bundestages, insbe-
sondere den Oppositionsfraktionen, von Ihnen am Mon-
tag dieser Woche kein Konzept, sondern Eckpunkte für
eine Bundeswehrreform ausgehändigt wurden und bereits
am Mittwoch der nächsten Woche die Entscheidung im
Kabinett über die finanzielle Ausstattung der Bundes-
wehr getroffen werden soll? Was soll eigentlich eine sol-
che Einladung? Sie machen sich unglaubwürdig. Das ist
kein seriöses Gesprächsangebot.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit dem, was Sie vorschlagen, und mit den Zeitabläu-

fen, insbesondere mit der Entscheidung des Bundeskabi-
netts in der nächsten oder übernächsten Woche, bestätigen
Sie alle unsere Vorbehalte,


(Peter Zumkley [SPD]: Vorurteile!)

dass diese Bundesregierung nicht etwa eine sorgfältig ge-
plante Reform der Bundeswehr auf die Tagesordnung ge-
setzt hat, sondern dass alle weiteren Entscheidungen über
die Zukunft der Bundeswehr ausschließlich von den vom
Bundesfinanzminister gesetzten Daten abgeleitet werden.
Das ist die eigentliche Priorität, die von dieser Bundesre-
gierung gesetzt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Das ist ein Märchen!)


Sie werden den Verdacht nicht entkräften können, dass
die tief greifenden Meinungsverschiedenheiten, die in der




Winfried Nachtwei
10040


(C)



(D)



(A)



(B)


Koalition nicht nur über die Wehrpflicht, sondern über
eine Reihe von verteidigungspolitischen, sicherheits-
politischen und auch außenpolitischen Fragen bestehen,
diesen Zeitplan diktiert haben, dass Sie so schnell wie
möglich alle Entscheidungen durchziehen und in jedem
Falle das verhindern wollen, wozu Sie uns gerade einge-
laden haben, nämlich eine wirklich sorgfältige Debatte
und eine sorgfältige Entscheidung, die es vorzubereiten
gilt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist Ihnen unbenommen, Herr Scharping, auf frühere

Jahre hinzuweisen. Aber ganz so kurz ist unser Gedächt-
nis nun doch nicht.


(Jörg Tauss [SPD]: Oh doch!)

Sie sind 1998 gegen Ihren erklärten Willen in das Amt des
Bundesverteidigungsministers gekommen. Sie sind ge-
gen Ihren Willen in dieses Amt gekommen;


(Zuruf von der SPD: Jetzt kommt diese Platte wieder!)


Sie wollten etwas ganz anderes werden. Aber Sie haben es
angenommen, weil Sie damals vom Bundeskanzler und
vom Bundesfinanzminister die Zusage bekommen haben


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch Sie sind gegen Ihren Willen in das Amt gekommen! – Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– da täuschen Sie sich, Herr Schlauch –, dass im Etat des
Bundesverteidigungsministers gegenüber der damals
schon feststehenden mittelfristigen Finanzplanung
keine Kürzungen vorgenommen werden.


(Paul Breuer [CDU/CSU]: So war es!)

Sie haben sich diese Zusage vom Bundeskanzler und vom
Bundesfinanzminister öffentlich geben lassen. Zu diesen
Absprachen mit Schröder – damals hieß der Finanzminis-
ter Lafontaine – sagten Sie damals wörtlich: Mit so weit
reichenden Zusagen ist bisher noch kein Verteidigungs-
minister auf die Hardthöhe gegangen.


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Stimmt auch! – Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Die Zusagen waren ja da!)


Für die Jahre von 1999 und bis 2003 – das ist ein Zeitraum
von fünf Jahren – fehlen der Bundeswehr abweichend von
den Zusagen, die Sie damals bekommen haben, genau
18,6 Milliarden DM.


(Peter Zumkley [SPD]: Die Sie eingefahren haben!)


Ich sage dazu: Mit einer so schallenden Ohrfeige musste
noch nie ein Verteidigungsminister in Deutschland sein
Amt beginnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD)


Herr Scharping, ich will Sie, nachdem Sie jetzt Zahlen
zur Stärke der Bundeswehr genannt haben, an noch etwas
erinnern, was Sie damals öffentlich gesagt haben. Sie ha-

ben ja völlig zu Recht von Verlässlichkeit – auch für die
Soldaten und deren Familien –, Planbarkeit und Sicher-
heit gesprochen. Sie haben, kurz bevor Sie ins Amt ge-
kommen sind – ganz genau am 18. Oktober 1998 –, in ei-
nem Interview auf die Frage, welche Stärke die Bundes-
wehr nach Ihrer Auffassung haben soll, wörtlich
geantwortet: Wir gehen von 340 000 Bundeswehrstärke
aus – damit waren gewiss nur die Soldaten gemeint und
nicht auch noch die Zivilbeschäftigten –, 340 000 auch
wegen unserer Verpflichtung im Bündnis; Verlässlichkeit
und Kontinuität in der Außenpolitik verlangen Ver-
lässlichkeit und Kontinuität gegenüber der Bundeswehr.


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Sieh da! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Hört, Hört!)


340 000 – das ist gerade einmal anderthalb Jahre her. Sie
haben nun wirklich keinen Grund, der Opposition Vor-
würfe zu machen, wenn wir die Verlässlichkeit, Vorher-
sehbarkeit und Kontinuität Ihrer Politik infrage stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir haben natürlich seit

1989/90 eine veränderte außenpolitische, sicherheitspoli-
tische und auch verteidigungspolitische Lage – weltweit,
in Europa und auch in Deutschland.


(Gernot Erler [SPD]: Sie haben bloß nicht reagiert!)


Die Tatsache, dass wir eine solche Veränderung erreichen
konnten, dass durch die Ereignisse der Jahre 1989/90 ein
hohes Maß an Frieden und Sicherheit zusätzlich für
Deutschland und Europa gewonnen werden konnte, ist
nun allerdings nicht Ihrer Verteidigungspolitik zu verdan-
ken, sondern hängt damit zusammen, dass die von Ihnen
so vielfältig kritisierte Regierung von Helmut Kohl jeder-
zeit zu ihren Bündnisverpflichtungen gestanden hat und
auch niemals aufgegeben hat, eine Grundlage für Frieden
und Freiheit in Europa zu schaffen, indem sie die Über-
windung derTeilung Europas und die Überwindung der
deutschen Teilung jederzeit als ihr politisches Ziel be-
trachtet hat. Jederzeit!


(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen hat natürlich die Überwindung der Teilung ei-
nen maßgeblichen Beitrag zu mehr Frieden und zu mehr
Freiheit in Europa und in Deutschland geleistet.

Die außen- und sicherheitspolitische Lage hat sich
grundlegend verändert. Darauf hat die alte Bundesregie-
rung reagiert.


(Gernot Erler [SPD]: Eben nicht!)

Die Streitkräfte in Deutschland sind – abgesehen von der
Auflösung der Nationalen Volksarmee – drastisch redu-
ziert worden. Volker Rühe hat völlig zu Recht immer wie-
der auch von dieser Stelle aus von der Friedensdividende
gesprochen, die die Bundeswehr bereits gezahlt hat.


(Gernot Erler [SPD]: Vor lauter Schrecken ist er schon geflüchtet!)


Es ist richtig, dass durch die Überwindung der Teilung
Europas eine existenzgefährdende, militärische Bedro-
hung durch große Landstreitkräfte, durch überlegene, auf




Friedrich Merz

10041


(C)



(D)



(A)



(B)


Landnahme ausgerichtete Streitkräfte wie die des War-
schauer Paktes sehr unwahrscheinlich geworden ist.


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Es gibt den Warschauer Pakt nicht mehr!)


Aber die Bedrohung unseres Landes und des europä-
ischen Kontinentes hat eine andere Qualität bekommen.
Es gibt auch heute Bedrohung. Diese Bedrohung ergibt
sich aus dem Zerfall von Staaten in Europa, aus der Pro-
liferation von Waffen, atomaren Sprengköpfen, biologi-
schen und chemischen Waffen, sowie aus der Existenz un-
kalkulierbarer Staatsführungen. Die Amerikaner sprechen
dabei von so genannten Schurkenstaaten. Diese besitzen
Waffen, in deren Reichweite auch die Bundesrepublik
Deutschland liegen kann.

Es gibt eine Bedrohung unseres Landes. Es gibt eine
Bedrohung des Nordatlantischen Bündnisses. Deswegen
kommt es darauf an, dass Deutschland, Europa und die
NATO auch in Zukunft Verteidigungsfähigkeit besitzen.
Die Bundesrepublik Deutschland muss einen ihrer Größe
und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechenden
Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses und
zur Landesverteidigung leisten. Herr Scharping, es ist un-
seren Bündnispartnern nur noch schwer zu vermitteln,
dass wir, gemessen an der wirtschaftlichen Leistungs-
fähigkeit unseres Landes, innerhalb des Bündnisses mitt-
lerweile einen so geringen Verteidigungsbeitrag erbrin-
gen, dass nur noch der von Luxemburg und Island ge-
ringer ist.

Die Bundesrepublik Deutschland steuert gegenwärtig
und mit dem, was Sie vorhaben, nicht den Anteil bei, den
sie leisten müsste, um Bündnisverpflichtungen und die
Verpflichtungen der Landesverteidigung zu erfüllen.
Wenn Sie uns dies nicht glauben: Warum haben Sie noch
vor wenigen Wochen zu Ihrem rot-grünen Etat gesagt, die
Bundeswehr werde auf absehbare Zeit weder vollständig
bündnisfähig noch europafähig sein, wenn es bei der
derzeit gültigen Finanzplanung bleibe? Warum haben Sie
das, Herr Scharping, noch vor wenigen Wochen in einem
öffentlichen Interview gesagt? Warum weisen Sie jede
Kritik zurück, die Sie heute nicht nur von uns erfahren,
sondern auch von vielen anderen, die die Sache fachlich
beurteilen können? Warum tun Sie deren Kritik ab und
sagen, dass diese – wie Sie sich eben hier ausgedrückt
haben – von der Sache, der rot-grünen Verteidigungspoli-
tik nichts verstünden?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Ich sage Ihnen aus unserer Sicht: Die Bundeswehr
muss in Zukunft in sechs wesentlichen Punkten ihre
Zukunftsfähigkeit beweisen. Wir brauchen eine fun-
dierte sicherheitspolitische Analyse. Sie haben völlig zu
Recht darauf hingewiesen, dass die NATO diese Analyse
auch für unser Land mit erstellt. Auf der Grundlage dieser
sicherheitspolitischen Analyse brauchen wir eine realis-
tische Bewertung des Risikos. Das erwarten natürlich ge-
rade diejenigen von uns – ich werde darauf noch zu
sprechen kommen –, die der Wehrpflicht unterliegen und
in diesen Wochen und Monaten zur Wehrpflicht herange-
zogen werden.

Wir brauchen aber auch eine Definition der deutschen
Interessen. Meine Damen und Herren, die deutschen In-
teressen in der geopolitischen Mitte Europas sind andere
sicherheitspolitische Interessen als beispielsweise die der
kleinen Länder, die ich genannt habe, Island und Luxem-
burg.

Erstens. Wir müssen unsere Verpflichtungen innerhalb
der NATO und innerhalb der Europäischen Union auch in
Zukunft wahrnehmen können. Sie selbst haben infrage
gestellt, dass wir darauf vorbereitet sind.

Zweitens. Die Bundeswehr muss auch in Zukunft zur
Landesverteidigung fähig sein. Dies klingt wie eine bare
Selbstverständlichkeit. Aber die Pläne, die Sie mit Ihrem
Eckpunktepapier vorgestellt haben, weisen darauf hin,
dass Sie große Teile der Bundeswehr nicht mehr auf die
Landesverteidigung ausrichten, sondern auf Einsätze
außerhalb des Bündnisses.


(Gernot Erler [SPD]: Das ist auch richtig so! Es ist notwendig!)


Meine Damen und Herren, es gehört schon zu den Ab-
surditäten rot-grüner Politik, dass diejenigen, die jeden
auch noch so kleinen Einsatz außerhalb des Bündnisge-
bietes in der Zeit, in der sie in der Opposition waren, bis
hin zum Bundesverfassungsgericht bekämpft haben, jetzt
die größte Interventionsarmee haben wollen, die die Bun-
desrepublik Deutschland jemals gehabt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist eine völlige Verkürzung!)


Drittens. Meine Damen und Herren, die Bundeswehr
als Armee des größten Landes in der Mitte des europä-
ischen Kontinentes muss in Zukunft auch als zentraleu-
ropäische Armee ausgestaltet sein, die die Aufgabe eines
europäischen Stabilitätsankers in der Mitte des eu-
ropäischen Kontinentes wahrnimmt. Dies ist für die Bun-
deswehr anders als beispielsweise für die britische und für
die französische Armee und dies ist auch fundamental an-
ders als beispielsweise für die amerikanische Armee.
Deutschland hat im Rahmen der Bündnisverpflichtungen
wie kein anderes Land die Verpflichtung, durch Land-
streitkräfte in der Mitte Europas die Verteidigungs-
fähigkeit und die Bündnisfähigkeit aufrechtzuerhalten.
Dies ist mit dem Konzept, das die Bundesregierung jetzt
in Teilen vorgestellt hat, nicht vereinbar.

Viertens. Auch wir brauchen mit der Bundeswehr in
Zukunft eine eigene Fähigkeit zur multilateralen
Krisen- und Konfliktbewältigung. Wir sind mit Ihnen –
so hoffe ich jedenfalls – dankbar für das, was die Soldaten
der Bundeswehr in den Krisenregionen, insbesondere de-
nen des Balkans, bis in diese Wochen und Monate hinein
leisten, und wir werden morgen – ich hoffe gemeinsam –
über die Verlängerung des Mandats der Soldaten im Rah-
men des so genannten KFOR-Kontingents zu entscheiden
haben. Ich sage es noch einmal, Herr Scharping: ich hoffe,
gemeinsam, und zwar auf der Basis dessen, was wir
gestern besprochen haben.


(Zuruf von der SPD: Was heißt das?)





Friedrich Merz
10042


(C)



(D)



(A)



(B)


– Was das heißt, Herr Kollege, können Sie wahrscheinlich
nicht wissen, weil Sie nicht ausreichend darüber in-
formiert sind,


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


dass es gegenwärtig zwischen der Bundesregierung und
der Opposition einen Konflikt um die Frage gibt, ob wir
morgen ein zeitlich befristetes Mandat beschließen oder
ob wir es mit der Bundesregierung zulassen, dass die
Frage des Bundeswehreinsatzes außerhalb des NATO-
Gebietes in Zukunft ohne Parlamentsbeteiligung be-
schlossen werden kann. Das ist der entscheidende Punkt.
Wir werden darauf bestehen, auch wenn es Ihnen nicht
gefällt,


(Beifall bei der CDU/CSU)

auch wenn Sie aus Gründen der Rücksichtnahme auf die
Grünen und auf die Linken in Ihren eigenen Reihen ver-
suchen wollen, die parlamentarische Beteiligung an der
Entscheidung über den Einsatz der Bundeswehr Schritt
für Schritt auszuhöhlen. Mit uns werden Sie das nicht
machen können!


(Beifall bei der CDU/CSU – Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch! – Zurufe von der SPD)


Meine Damen und Herren, die Erfahrungen aus dem
Einsatz der Bundeswehr insbesondere im Rahmen des
KFOR-Mandats zeigen, dass die Bundeswehr schon heute
eine Reihe von strukturellen Schwächen aufweist, ins-
besondere in den Bereichen ihrer Aufklärungsfähigkeit,
der Führungsfähigkeit, der Mobilität und in vielen an-
deren Fragen bis hin zur elektronischen Kampfführung,
wobei die Bundeswehr gegenüber anderen Streitkräften,
die mitbeteiligt sind, technologische Rückstände auf-
weist. Die Bundeswehr muss auch im Rahmen solcher
Einsätze die Möglichkeit bekommen, mit zusätzlichen In-
vestitionen in Zukunft auf Einsätze außerhalb des NATO-
Gebietes besser vorbereitet zu sein.

Fünftens. Dies alles – Landesverteidigung, Bünd-
nisverpflichtungen und internationale Verpflichtungen –
erfordert nach unserer Auffassung, meine Damen und
Herren, eine Personalstärke der Bundeswehr, die nicht
unter 300 000 liegen darf. Sie, Herr Scharping, for-
mulieren die Personalstärke der Bundeswehr aus-
schließlich nach dem, was Ihnen der Bundesfinanzminis-
ter an Mitteln zur Verfügung stellt.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wie war das bei Waigel?)


Die Personalstärke der Bundeswehr darf nicht nach den
kurzfristig verfügbaren Haushaltstiteln, sondern muss
nach den sicherheitspolitischen Erfordernissen der Lan-
desverteidigung, der NATO-Verpflichtungen und der
Bündnisverpflichtungen ausgestaltet werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sechster und letzter Punkt, meine Damen und Herren:

Wir sind aus vielen Gründen davon überzeugt, dass die
Bundeswehr auch in Zukunft maßgeblich auf der

Wehrpflicht aufbauen muss. Sie, Herr Scharping, haben
zu Recht angemahnt, dass über innere Führung, Soldat in
Uniform und die feste Verankerung der Bundeswehr
in unserer Gesellschaft gesprochen wird. Ich teile aus-
drücklich das, was Sie dazu gesagt haben. Aber wenn Sie
glaubwürdig bleiben wollen, dann muss die Wehrpflicht
mit Wehrgerechtigkeit verbunden sein und das heißt,
es müssen große Teile der Jahrgänge, die für die
Wehrpflicht zur Verfügung stehen, auch eingezogen wer-
den können. Und das ist mit einer Zahl von weniger als
100 000 Wehrpflichtigen vermutlich nicht realistisch.


(Peter Zumkley [SPD]: Das bleibt abzuwarten!)


Deswegen muss die Wehrpflicht in einem Umfang von
rund 100 000 Wehrpflichtigen beibehalten werden kön-
nen.

Dies ist mehr als nur eine militärpolitische Frage. Dies
ist mehr als nur eine sicherheitspolitische Frage. Dies ist
eine zutiefst gesellschaftspolitische Frage, gerade für die
Bundesrepublik Deutschland. Wir sind das einzige Land
im Bündnis, das aufgrund seiner Geschichte nicht auf eine
über lange Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte unge-
brochene Militärtradition zurückgreifen kann. Gerade
weil wir nicht auf eine ungebrochene militärische Tradi-
tion zurückgreifen können, brauchen wir nach meiner fes-
ten Überzeugung – das ist die feste Überzeugung der
allermeisten Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfrak-
tion – auf Dauer die Verankerung der Bundeswehr in der
Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland durch die
Aufrechterhaltung der Wehrpflicht.

Die Bundeswehr wird in der Bevölkerung der Bun-
desrepublik Deutschland nur dann auf Dauer Zustim-
mung und Akzeptanz finden, wenn sich auch die Zeitsol-
daten und die Berufssoldaten der Bundeswehr, so wie es
heute der Fall ist, zum größten Teil aus Wehrpflichtigen
rekrutieren. Damit geht die Qualität der Bundeswehr –
und ihre gesellschaftliche Akzeptanz als Ganzes – weit
über die Zahl der von uns als notwendig erachteten
100 000 Wehrpflichtigen hinaus.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Wenn Sie, Herr Scharping, bereit sind, auf dieser Basis
eine breit angelegte Debatte über die Bundeswehr, die
Landesverteidigung, die Bündnisverpflichtungen und die
internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik
Deutschland zu führen, und wenn Sie bereit sind, erst am
Ende einer solchen Diskussion die Entscheidungen im
Kabinett über die Haushaltstitel zu treffen, dann werden
Sie uns an Ihrer Seite finden,


(Zuruf von der SPD: Das wollen wir ja gar nicht!)


wenn es um die großen, langfristig tragfähigen politischen
Entscheidungen – ich sage ausdrücklich: nicht nur in der
Bundeswehr und in der Sicherheitspolitik, sondern auch
in der Außenpolitik und in der Europapolitik – geht.

Ich hätte es sehr begrüßt, wenn an dieser Debatte heute
Nachmittag – wenn ich es richtig sehe, ist das die einzige
Gelegenheit, vor der Entscheidung des Bundeskabinetts,




Friedrich Merz

10043


(C)



(D)



(A)



(B)


die die Grundlage für alles Weitere legt, eine solche De-
batte zu führen; das ist auch der Grund, warum ich mich
zu Wort gemeldet habe – auch der Außenminister der
Bundesrepublik Deutschland teilgenommen hätte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Gernot Erler [SPD]: Wo ist denn Herr Rühe eigentlich? Der ist doch bei euch zuständig!)


– Entschuldigung, der Kollege Rühe ist bis vor wenigen
Minuten hier im Plenum gewesen, was Ihrer Aufmerk-
samkeit wohl entgangen ist. Er hat, weil er einen Termin
mit einem Besucher hat, der bereits längere Zeit auf ihn
gewartet hat, darum gebeten, das Plenum verlassen zu
dürfen.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie wissen sehr wohl, wo der Außenminister ist!)


– Entschuldigung, es ist nicht der Oppositionspolitiker
Volker Rühe für die Außen- und Sicherheitspolitik der
Bundesrepublik Deutschland verantwortlich, sondern es
sind der Außenminister und der Verteidigungsminister.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich stelle fest – das will ich auf Ihren Zwischenruf noch
sagen –, dass wir einen Außenminister haben, der sich
mittlerweile mehr Zeit nimmt, um den Wannsee zu
joggen, als im Deutschen Bundestag zu sitzen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Antwort bleibe ich Ihnen nicht schuldig.

Ich hätte mir gewünscht, dass wir Gelegenheit haben,
eine ausführliche Debatte über die Zukunft der Bun-
deswehr zu führen. Bei allen Meinungsverschiedenheiten
und Auseinandersetzungen, die in diesem Parlament not-
wendig sind, insbesondere deshalb, weil diese Bun-
desregierung der Bundesrepublik Deutschland der Bun-
deswehr die notwendige Ausstattung vorenthält, sollen
die Soldaten der Bundeswehr, ihre Angehörigen, ihre
Familien wissen: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion
wird – jenseits aller berechtigen Kritik – auch in Zukunft
hinter der Bundeswehr und hinter ihrem Auftrag stehen,
den wir ihr politisch gegeben haben: Wahrnehmung der
Landesverteidigung und Einhaltung der Bündnisver-
pflichtungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410705800
Zu einer Kurzinter-
vention gebe ich dem Kollegen Dr. Ludger Volmer das
Wort.


Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410705900

Herr Merz, Sie haben sich zum Schluss Ihrer Rede nicht
einer kleinen rhetorischen Sottise enthalten können, mit
der Sie Ihre ansonsten stinklangweilige Rede meinten
würzen zu müssen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Dies war eine Rede, die als einzigen Gehalt weitere Fi-
nanzforderungen hatte, wobei Sie keinen Vorschlag
gemacht haben, wie diese erfüllt werden könnten. Um
Ihrem Vortrag eine gewisse Würze zu geben, meinten Sie
den Außenminister angreifen und ihm vorwerfen zu
müssen, er gehe just in dem Moment joggen, in dem Sie
den Bundestag langweilen.

Herr Merz, Sie wissen genau, wo sich der Bundes-
außenminister im Moment aufhält: Der Bundesaußen-
minister ist vorhin nach Krakau gereist, um dort an den
Gesprächen des so genannten Weimarer Dreiecks
teilzunehmen.


(Gernot Erler [SPD]: Hört! Hört!)

Herr Merz, ich möchte Sie daran erinnern, dass das
„Weimarer Dreieck“ eine Idee war –


(Zurufe von der CDU/CSU: Na?)

– Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,
ich finde es interessant, dass Sie sich von mir erklären
lassen müssen, was das „Weimarer Dreieck“ ist.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Denn die Schaffung des „Weimarer Dreiecks“ gehört zu
den Erfolgen, zu denen wir Ihrem ehemaligen Parteivor-
sitzenden Helmut Kohl gratulieren.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Zu den historischen Erfolgen von Helmut Kohl gehört,
dass er im Rahmen des „Weimarer Dreiecks“ Beratungen
initiiert hat: zwischen Deutschland, unserem großen west-
lichen Nachbarn Frankreich und einem unserer großen,
bedeutsamen östlichen Nachbarn, Polen.

Es ist selbstverständlich, dass der Bundesaußenminis-
ter zu einem lange anberaumten Termin im Rahmen des
„Weimarer Dreiecks“ reist. Es ist umso selbstver-
ständlicher, dass er dies in einer Situation tut, in der in
Polen innenpolitische Friktionen zu beobachten sind und
in der es bedeutsam ist, dass wir und die polnische Seite
betonen, dass innenpolitische Veränderungen in Polen
unser bilaterales Verhältnis und das trilaterale Verhältnis
zu Frankreich nicht berühren, sondern dass uns diese
Dinge ein Ansporn sind, weiterhin an einer guten Nach-
barschaft und einer Vertiefung der Beziehungen zu ar-
beiten.

Wenn der Bundesaußenminister dies tut, dann leistet er
damit ein bedeutsames Stück an Konflikt- und Krisen-
prävention.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Aufhören!)


Denn dieser Besuch ist in eine Osteuropa- und Europa-
politik einzuordnen, mit der versucht wird, auf die Trans-
formationsstaaten Osteuropas stabilisierenden Einfluss zu
nehmen. Ich finde es tragisch, dass das einem Fraktions-
vorsitzenden der CDU/CSU so deutlich gesagt werden
muss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





Friedrich Merz
10044


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410706000
Ich schließe die
Aussprache.

Interfraktionell ist die Überweisung des Entschlie-
ßungsantrages der F.D.P.-Fraktion auf Drucksache
14/3511 federführend an den Verteidigungsausschuss und
mitberatend an den Auswärtigen Ausschuss, den Haus-
haltsausschuss und den Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend vereinbart worden. Das Haus ist damit
einverstanden? – Dann ist so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Fragestunde
– Drucksache 14/3490 –

Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwor-
tung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte
Schulte zur Verfügung.

Die Frage 43 des Kollegen Benno Zierer wird
schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 44 des Abgeordneten Georg Girisch
auf:

Wie weit sind die Planungen der Bundesregierung fort-
geschritten, Bundeswehrkassen zusammenzulegen und Fusionen
mit anderen Bundeskassen herbeizuführen, und besteht hierdurch
nicht die Gefahr, dass Arbeitsplätze außerhalb von Ballungszen-
tren abgebaut werden?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1410706100
Die Antwort heute, Herr
Girisch, bezieht sich auf eine Planung, die auf die alte
Bundesregierung zurückzuführen ist. Seit 1997 wird mit
ausgewählten militärischen und Verwaltungsdienststellen
erprobt, ob das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswe-
sen-Verfahren des Bundes nicht nur im Ministerium
selbst, sondern auch im Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Verteidigung erfolgreich angewandt
werden könnte. Das würde eine Konzentration bedeuten.
Im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Fi-
nanzen wurde dieser Pilotversuch 1998 um weitere
Dienststellen mit bundeswehrspezifischen Geschäftsvor-
fällen ausgeweitet. Der Versuch läuft in diesem Jahr aus.
Ein Bericht dazu liegt vor.

Seit dem 2. Mai 2000 sind die Bundeswehrkasse Kiel
und die Bundeskasse Kiel – das eine ist Verteidi-
gungsministerium, das andere Finanzministerium – im
Rahmen eines Modellversuchs zusammengelegt. Der
Modellversuch ist zunächst auf ein Jahr begrenzt. Die
Beschäftigten der Bundeswehrkasse Kiel sind zur Oberfi-
nanzdirektion Hamburg – also in den Bereich des Fi-
nanzministeriums – abgeordnet und nehmen dort die Auf-
gaben im Bereich der Bundeswehr wahr. Bei einem er-
folgreichen Abschluss des Modellversuchs können sie auf
freiwilliger Basis auch in die Bundesfinanzverwaltung
versetzt werden.

Zwischen den beiden Ministerien, dem Bundesvertei-
digungsministerium und dem Bundesministerium der Fi-
nanzen, besteht Einvernehmen, dass der Modellversuch
in Kiel die abschließende Bewertung des laufenden

Pilotversuchs für das Haushalts-, Kassen- und Rech-
nungswesen nicht präjudizieren soll. Die Bundeswehr-
kassen in Bayern sind von dem Modellversuch also nicht
berührt.

Sofern die Bundeswehrkassen mit den Bundeskassen
zusammengelegt werden – was als Ergebnis herauskom-
men kann –, sind beträchtliche Personaleinsparungen zu
erwarten. Zu diesem Zeitpunkt können konkrete Aus-
sagen über den künftigen Bestand der Bundeswehrkassen
oder auch der anderen Kassen, also der des Finanzminis-
ters, aber noch nicht getroffen werden. Das gilt gegen-
wärtig auch für den Freistaat Bayern.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410706200
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 45 des Kollegen Erich G. Fritz

auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Bericht des Hamburger

Magazins „Stern“ vom 25. Mai 2000, wonach das Exportgeschäft
von Fuchs-Spürpanzern in die Vereinigten Arabischen Emirate
beinahe perfekt ist?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1410706300
Herr Kollege Fritz, der
Bundesregierung liegt eine Voranfrage der deutschen In-
dustrie über die Lieferung von ABC-Spürpanzern Fuchs
in die Vereinigten Arabischen Emirate vor, die jedoch
noch nicht beschieden wurde. Ausfuhrgenehmigungen für
den hier in Rede stehenden Fuchs-Spürpanzer in die Ver-
einigten Arabischen Emirate sind bislang noch nicht
beantragt worden. Es gibt nur die Voranfrage.

Weitere Auskünfte kann die Bundesregierung aus
Gründen des Geheimschutzes gemäß § 30 des Verwal-
tungsverfahrensgesetzes in Verbindung mit § 203 des
Strafgesetzbuches nicht erteilen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410706400
Eine Zusatzfrage.


Erich G. Fritz (CDU):
Rede ID: ID1410706500
Ich glaube, dass die Frage
des Geheimschutzes überhaupt nicht bezweifelt wird,
dass aber die Frage des Zeitpunkts der Entscheidung
diesem Geheimschutz sicher nicht unterliegt. Trifft es zu,
dass die Absegnung – wie es in der Presse zu lesen war –
des Fuchs-Geschäfts im Bundessicherheitsrat in aller
Kürze nur noch eine Formalität ist und dass auch Bünd-
nis 90/Grüne dem zustimmen, dass allerdings diese
Entscheidung nicht vor dem Parteitag der Grünen getrof-
fen wird – aus Rücksicht auf den kleineren Koalitions-
partner?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1410706600
Lieber Herr Kollege Fritz,
ich kann Sie ja verstehen; aber als Mitglied der Bun-
desregierung werde ich mich hüten, spekulative Beiträge
in der Presse ernst zu nehmen. Es trifft zu, was ich Ihnen
bereits gesagt habe: Es liegt eine Voranfrage vor; es ist
aber keine Vorentscheidung getroffen worden. Wir wer-
den uns entsprechend dem Lauf der Dinge verhalten.






(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410706700
Eine weitere Zu-
satzfrage.


Erich G. Fritz (CDU):
Rede ID: ID1410706800
Frau Staatssekretärin,
teilen Sie dem Deutschen Bundestag dadurch mit, dass
kein Zeitpunkt für die Entscheidung des Bundessicher-
heitsrats festgelegt ist?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1410706900
Ich habe Ihnen gesagt, was
ich Ihnen im Moment sagen kann. Weiteres werde ich Ih-
nen auch deshalb nicht sagen, weil ich Ihre Fragen nicht
beantworten kann.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410707000
Eine Zusatzfrage der
Kollegin Heidi Lippmann.


Heidi Lippmann-Kasten (PDS):
Rede ID: ID1410707100
Frau Staatssekretärin
Schulte, können Sie die Zahl spezifizieren oder fällt auch
das unter die Geheimhaltung? Es hatte ja bereits einmal
eine positiv beschiedene Voranfrage über die Lieferung
von, glaube ich, 24 Spürpanzern vom Typ Fuchs in die
Vereinigten Arabischen Emirate gegeben. Die Zahlen, die
zuletzt im Gespräch waren, lagen um die 60 herum. Be-
trifft die jetzt erfolgte Voranfrage eine Lieferung, die die
Zahl 50 oder 60 übersteigt?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1410707200
Frau Kollegin, das kann ich
Ihnen selbstverständlich beantworten. Es gab eine Voran-
frage vom 17. August 1998 auf die Lieferung von
29 „Füchsen“ an die Vereinigten Arabischen Emirate.
Diese Anfrage wurde im Januar 1999 positiv beschieden.
Eine weitere Voranfrage auf eine Erhöhung dieser Stück-
zahl um zusätzlich 35 „Füchse“ vom Oktober 1999 liegt
der Bundesregierung vor. Hinsichtlich letzterer Anfrage
ist aber noch keine Entscheidung gefällt worden.

Sie wissen ja – auch damit verletze ich keine
Geheimnisse –: Neben dem Auswärtigen Amt werden das
Bundesministerium für Wirtschaft und das Bundesminis-
terium für Verteidigung beteiligt. Wir sind nur ein Teil in
dieser Angelegenheit, nicht der handelnde Teil.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410707300
Ich rufe die Frage 46
des Abgeordneten Werner Siemann auf:

Wie beurteilt die Bundesregierung den möglichen Erwerb von
49 Prozent an der Firma Krauss-Maffei Wegmann durch den
amerikanischen Konzern General Dynamics (GD) sowie die
Übernahme der spanischen Staatsfirma Santa Barbara durch GD

(vgl. „FAZ“ vom 12. Mai 2000) im Hinblick auf den Know-how-

Transfer (Technologietransfer) und die vereinbarte europäische
Zusammenarbeit in der Rüstungsindustrie?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1410707400
Lieber Herr Kollege
Siemann, zum Verkauf der spanischen Staatsfirma Santa
Barbara Blindados an General Dynamics kann ich Ihnen
nur sagen, dass die Bundesregierung an einer europä-
ischen Lösung interessiert ist. Dies hat der Bundeskanzler

gegenüber dem spanischen Ministerpräsidenten deutlich
zum Ausdruck gebracht. Falls sich die spanische
Regierung jedoch für den Verkauf ihrer staatlichen
Heeresrüstungsindustrie an die amerikanische Firma
General Dynamics entscheiden sollte, könnte das natür-
lich Rückwirkungen auf die europäische industrielle Rüs-
tungszusammenarbeit haben. Der Schutz des Know-how
wird dann durch ein Technologieschutzabkommen zwi-
schen den industriellen Partnern zu regeln sein.

Was die Übernahme der Firma Krauss-Maffei Weg-
mann durch die US-Firma General Dynamics betrifft, so
liegen offizielle Erklärungen der beteiligten Unternehmen
dazu nicht vor. Die Bundesregierung sieht – wie auch in
vorangegangenen Fällen – keinen Anlass, zu Presse-
berichten Stellung zu nehmen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410707500
Wir sind damit am
Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Frau
Staatssekretärin.

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Minis-
teriums für Arbeit und Sozialordnung.

Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Dirk Niebel auf:
Ist die Bundesregierung der Meinung, dass Arbeitsverbotegegen die Menschenwürde verstoßen, und wenn ja, wo kann dage-gen gerichtlich vorgegangen werden?

Zur Beantwortung steht die Parlamentarische
Staatssekretärin Ulrike Mascher zur Verfügung.

U
Ulrike Mascher (SPD):
Rede ID: ID1410707600
Herr Kollege,
in der Bundesrepublik Deutschland gibt es keine Ar-
beitsverbote. Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes gewähr-
leistet allen Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und
Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung
kann durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt
werden. Soweit dieses Grundrecht ausschließlich Deut-
schen zusteht, genießen Ausländer nach der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts über das
Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nach
Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes im Rahmen der verfas-
sungsmäßigen Ordnung ausreichende Rechte und Frei-
heiten.

Die Frage, auf welchem Gerichtsweg in den vorge-
nannten Fällen vorgegangen werden kann, hängt von dem
jeweiligen Regelungsbereich ab. Gegen Entscheidungen
der Arbeitsverwaltung steht der Weg zu den Sozialge-
richten offen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410707700
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Dirk Niebel.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1410707800
Frau Staatssekretärin, Sie haben
richtigerweise darauf hingewiesen, dass es keine Ar-
beitsverbote für Deutsche gibt. Nun weiß nicht nur die
Bundesregierung – insbesondere auch die Auslän-
derbeauftragte der Bundesregierung –, sondern auch das
eine oder andere Sozialgericht im Land, dass es doch
generelle Arbeitsverbote gibt, und zwar Arbeitsverbote






(C)



(D)



(A)



(B)


für Personengruppen. Insbesondere möchte ich hier die
Asylbewerber, die nach dem Mai 1997 in die Bundesre-
publik eingereist sind, nennen. Diese sind – noch nach
einem Erlass der alten Bundesregierung, den die F.D.P.
mit ihrer damaligen Ausländerbeauftragten, Frau
Schmalz-Jacobsen, schon immer als rechtswidrig erachtet
hat – generell vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen, ohne
dass eine Arbeitsmarktprüfung stattfindet. Diverse
Sozialgerichte haben diese Rechtswidrigkeit bereits
festgestellt. Die Ausländerbeauftragte der Bundesre-
gierung hat in diesem Hause mehrfach darauf hinge-
wiesen, dass sie diesen Erlass als rechtswidrig erachtet.

Wie wird die Bundesregierung mit dem Umstand um-
gehen, dass die Ausländerbeauftragte der Bundesregie-
rung einen Erlass, der ohne Beteiligung des Deutschen
Bundestages geändert werden könnte, als rechtswidrig er-
achtet und dieser Erlass immer noch in Kraft ist?

U
Ulrike Mascher (SPD):
Rede ID: ID1410707900
Zum Ersten, Herr
Niebel: Die Urteile, die Sie angesprochen haben, beruhen
vor allen Dingen darauf, dass die Gerichte in erstinstanz-
lichen Urteilen der Meinung waren, dass die Rechts-
grundlage für den Erlass der Weisung nicht bestanden hat.
Hierzu hat die Bundesregierung eine andere Rechtsauf-
fassung.

Zum Zweiten ist es so – das ist Ihnen sicherlich nicht
unbekannt –, dass sich die Regierung und die Koalitions-
fraktionen im Moment mit der Frage beschäftigen, wie
wir in geeigneter Form die Arbeitsmöglichkeiten, insbe-
sondere für Asylbewerber, regeln können, ohne dass wir
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit nachhaltigen Ver-
werfungen zu rechnen haben.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410708000
Eine zweite Zusatz-
frage.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1410708100
Frau Staatssekretärin, in der
105. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 18. Mai
dieses Jahres hat in der Debatte über die europäische
Grundrechtscharta für die SPD-Bundestagsfraktion der
Abge-ordnete Dr. Jürgen Meyer (Ulm) im Rahmen der
Diskussion über ein Recht auf Arbeit gesagt, dass es sich
hierbei um „Respektieren, Schützen und Fördern“ han-
dele. Er führte weiter aus – ich zitiere –:

Respektieren heißt, es darf keine Arbeitsverbote ge-
ben. Das hat zum Beispiel der Europäische Gerichts-
hof in seiner Entscheidung zum Waffendienst von
Frauen in der Bundeswehr anerkannt. Dort ging es
nicht nur – aber selbstverständlich auch – um Gleich-
stellung, sondern auch um die Ablehnung pauschaler
Arbeitsverbote.

Muss ich diese Auffassung dahin gehend interpretie-
ren, dass die Aufhebung des Arbeitsverbots für nach Mai
1997 eingereiste Asylbewerber aufgrund des Starrsinns
der Bundesregierung nur durch den Europäischen Ge-
richtshof erfolgen kann?

U
Ulrike Mascher (SPD):
Rede ID: ID1410708200
Nein, ich habe Ih-
nen gerade gesagt, dass die Bundesregierung und die Ko-
alitionsfraktionen im Moment prüfen, in welcher Weise
wir die Beschäftigung von geduldeten Ausländern und
Asylbewerbern regeln können, ohne dass sich nachteilige
Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ergeben. Sie kennen
die öffentliche Diskussion. Wir sprechen über Wartezei-
tenregelungen. Generell werden wir in absehbarer Zeit zu
einem positiven Ergebnis kommen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410708300
Eine Zusatzfrage der
Kollegin Heidi Lippmann.


Heidi Lippmann-Kasten (PDS):
Rede ID: ID1410708400
Frau Staatssekretärin, gibt es
bereits eine zeitliche Perspektive für die Entschei-
dung – soweit ich mich erinnern kann, wurden sowohl
von der SPD als auch von den Grünen vor der Regie-
rungsübernahme dazu Aussagen gemacht –, das Arbeits-
verbot für Asylbewerber aufzuheben?

U
Ulrike Mascher (SPD):
Rede ID: ID1410708500
Frau Kollegin, Sie
kennen die schwierige Arbeitsmarktsituation, insbeson-
dere in den neuen Bundesländern. Ich gehe davon aus,
dass Sie Verständnis dafür haben, dass wir sehr sorgfältig
prüfen, in welcher Form wir dieses Arbeitskräftepotenzial
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zulassen, um zu ver-
hindern, dass Verwerfungen und nachteilige Entwicklun-
gen, auch was die Akzeptanz der ausländischen Arbeit-
nehmer betrifft, eintreten.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410708600
Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Die Fragen werden von Staatsminister Dr. Ludger
Volmer beantwortet.

Die Fragen 2 und 3 des Abgeordneten Joachim Günther

(Plauen) werden schriftlich beantwortet.


Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Carsten
Hübner auf:

Aus welchem Haushaltstitel sollen die für die Unterstützung
afrikanischer Armeen in den Bereichen Konfliktverhütung und
Friedenssicherung in Aussicht gestellten 57 Millionen DM finan-
ziert werden und wird das Bundesministerium der Verteidigung an
der Finanzierung beteiligt werden?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410708700
Herr Kollege Hübner, das Ausstattungshilfe-Pro-
gramm der Bundesregierung für Streitkräfte von Empfän-
gerländern in der Dritten Welt, für das das Auswärtige
Amt die politische Verantwortung und das BMVg die
Durchführungsverantwortung haben, war bisher im Haus-
halt des Auswärtigen Amts im Titel 686 23 eingestellt.
Aufgrund der Sparmaßnahmen waren dafür im Haushalt
2000 nur noch 5 Millionen DM vorgesehen.

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat zur Ge-
währleistung der Fortsetzung der laufenden Projekte in




Dirk Niebel

10047


(C)



(D)



(A)



(B)


seiner Sitzung am 11. November 1999 10 Millionen DM
in den Einzelplan 60 eingestellt und die Bundesregierung
gleichzeitig aufgefordert, „rechtzeitig für den Zeitraum ab
2001 ein neues Ausstattungshilfe-Programm für Streit-
kräfte von Entwicklungsländern vorzulegen“. Dieses Pro-
gramm ist sachlich abgestimmt worden und wird dem
Haushaltsausschuss zur Billigung vorgelegt werden, der
auch über die Finanzierung zu entscheiden haben wird.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410708800
Ich rufe die Frage 5
des Kollegen Hübner auf:

Wie soll die angekündigte Zusammenarbeit mit dem Bundes-ministerium der Verteidigung bei den geplanten Projekten ausse-hen und welche konkreten Aufgaben sollen von Angehörigen derBundeswehr vor Ort übernommen werden?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410708900
Ich antworte wie folgt: Wie bisher bei der Ausstat-
tungshilfe für ausländische Streitkräfte wird das Auswär-
tige Amt die politische Federführung haben und das
BMVg die Durchführungsverantwortung tragen. Das
BMVg wird die mit den Partnerländern zu vereinbaren-
den Projekte durch Beratergruppen und Materialausstat-
tung unterstützen. Dabei sind wie bisher die Ausstattung
mit Waffen und Munition oder die Lieferung von Geräten
und Anlagen zu deren Herstellung ausdrücklich ausge-
schlossen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410709000
Eine Zusatzfrage? –
Nein.

Dann kommen wir zur Frage 6 der Kollegin Heidi
Lippmann:

Welche Staaten sollen von der durch die Bundesregierung ge-planten Unterstützung afrikanischer Armeen in den BereichenKonfliktverhütung und Friedenssicherung profitieren und nachwelchen Kriterien soll die Auswahl der Staaten erfolgen?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410709100
Frau Lippmann, die Bundesregierung beabsichtigt,
im Rahmen des Ausstattungshilfekonzepts für die Jahre
2001 bis 2003 circa 10 Staaten bzw. internationalen Or-
ganisationen die Fortsetzung bzw. die Neuaufnahme von
Projekten vorzuschlagen. Mit Rücksicht darauf, dass das
Konzept noch nicht von den zuständigen Ausschüssen des
Bundestages gebilligt worden ist und noch keine Ge-
spräche mit den Regierungen der Partnerstaaten geführt
worden sind, hält es die Bundesregierung für verfrüht, die
Länder im Einzelnen zu benennen.

Die Auswahl der Staaten richtet sich im Rahmen der er-
forderlichen Prioritätensetzung nach den Erfolgsaussich-
ten der künftigen Zusammenarbeit mit der Zielsetzung
der Kapazitätsverstärkung zur Konfliktverhütung und
Friedenssicherung der Partnerstreitkräfte sowie deren
Rolle bei der Stabilisierung und Demokratisierung der je-
weiligen Staaten.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410709200
Wir kommen zur
Frage 7 der Kollegin Lippmann.

Welche Bereiche, Maßnahmen und Kooperationspartner plantdie Bundesregierung bei den geförderten afrikanischen Streitkräf-ten zu unterstützen und anhand welcher Kriterien sollen diesbe-zügliche Entscheidungen getroffen werden?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410709300
Die Bundesregierung beabsichtigt insbesondere die
Unterstützung von regionalen Einrichtungen zur Frie-
denssicherung sowie des Sanitätswesens, soweit dies zur
Versorgung der Zivilbevölkerung unentbehrlich ist, des
Transportwesens, soweit es der Friedenssicherung und
Katastrophenhilfe dient, und der Berufsausbildung, so-
weit die Partnerstreitkräfte einen unverzichtbaren Beitrag
zur Entwicklung und Stabilisierung ihrer Länder leisten.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410709400
Eine Zusatzfrage.


Heidi Lippmann-Kasten (PDS):
Rede ID: ID1410709500
Herr Staatsminister, ist im
Rahmen der zukünftigen Zusammenarbeit in diesem Be-
reich geplant, die Tätigkeiten, die bisher von Kräften des
BMVg wahrgenommen werden, aus dem militärischen
Bereich auszugliedern und auf bestehende, zum Beispiel
auf die GTZ und das THW, oder auf neu zu schaffende
nicht militärische Strukturen zu übertragen?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410709600
Frau Lippmann, solche Aufgabenübertragungen
existieren ja. Diese werden politisch entschieden und
durchgeführt vom Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit. In dessen Etat ist auch der Hauptteil der
finanziellen Mittel, die für solche Formen der Koopera-
tion zur Verfügung stehen, enthalten. Das Auswärtige Amt
hat traditionell Mittel für die Zusammenarbeit mit auslän-
dischen Streitkräften zur Verfügung gehabt. Dieser Zu-
sammenarbeit haben wir eine neue politische Zielrichtung
gegeben. Während diese Mittel bisher relativ disparat ein-
gesetzt wurden, haben wir versucht, uns auf die Frage zu
konzentrieren, inwieweit existierende Streitkräfte dafür
gewonnen werden können, im Rahmen regionaler Sicher-
heitsverbünde Konfliktprävention zu betreiben, insbeson-
dere auf dem afrikanischen Kontinent. Wenn ausländische
Streitkräfte etwa im Bereich Peace keeping und Konflikt-
verhütung trainiert werden sollen, also hinsichtlich der
Bewältigung von Aufgaben, die von Streitkräften und
nicht sowieso von Zivilorganisationen wahrgenommen
werden, hat sich unseres Erachtens die Zusammenarbeit
mit Ausbildern und Personal der Bundeswehr bewährt.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410709700
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Hübner.


Carsten Hübner (PDS):
Rede ID: ID1410709800
Herr Kollege Volmer, ich
habe nur eine Frage: Nach welchen Kriterien wurde bis-
her über die konkreten Maßnahmen entschieden, wenn
noch nicht letztendlich festgelegt worden ist, welchen
Ländern und welchen in den Ländern jeweils vorzufin-
denden Strukturen – von mir aus auch Armeestruktu-
ren – Unterstützung gegeben werden soll? Wie sind Sie zu
der Nenngröße von 57 Millionen DM für die Restruktu-
rierung dieses Fonds, wie Sie das genannt haben, gekom-
men?

Meiner Meinung nach wird zunächst die Projektierung
abgeschlossen und dann wird überprüft, wie viel Geld




Staatsminister Dr. Ludger Volmer
10048


(C)



(D)



(A)



(B)


man dafür braucht, gerade bei der gegenwärtigen Haus-
haltslage, und nicht umgekehrt, indem man sagt: Wir neh-
men einfach einmal 57 Millionen DM und schauen dann,
was wir damit machen.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410709900
Herr Kollege, der Prozess lief ein bisschen anders.
Das Auswärtige Amt war gezwungen, im Rahmen der all-
gemeinen Sparmaßnahmen auch dieses Programm dras-
tisch zu kürzen.

Der Haushaltsausschuss besaß die Weisheit zu sagen,
dem würden dann leider manche Projekte zum Opfer fal-
len, die an sich positiv zu bewerten seien. Deshalb hat der
Haushaltsausschuss für diese Projektarbeit, nachdem wir
den Plafonds gekürzt hatten, wieder einen Zuschlag ge-
geben. Wenn wir diese zur Verfügung gestellten Gelder
zusammenrechnen, kommen wir auf die 57 Millio-
nen DM. Dafür haben wir Projektvorschläge vorbereitet.
Die Liste mit Projektvorschlägen wird in Kürze den be-
teiligten Ausschüssen, nämlich dem Haushaltsausschuss
und dem Auswärtigen Ausschuss, zugeleitet werden.

Allerdings hat das AA nicht die alleinige Entschei-
dungsbefugnis darüber, sondern der Haushaltsausschuss,
der die Gelder bereitstellt, hat da ein gewichtiges Wort
mitzureden. Deshalb kann ich nicht sagen, dass dies die
definitiv endgültige Liste ist.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410710000
Wir kommen zur
Frage 8 des Kollegen Hartmut Koschyk:

Aus welchen Gründen hat der Bundesminister des Auswärti-
gen den Antrag der Sudetendeutschen Landsmannschaft, die noch
lebenden sudetendeutschen Opfer der Vertreibung aus dem
deutsch-tschechischen Zukunftsfonds zu entschädigen, als „kon-
traproduktiv“ und „schädlich für die deutschen Interessen“ beur-
teilt – vergleiche „Berliner Zeitung“ vom 22. Mai 2000 – und wie
begründet die Bundesregierung ihre diesbezügliche Auffassung
vor allem vor dem Hintergrund der Tatsache, dass aus dem
deutsch-tschechischen Zukunftsfonds auch Zahlungen an tsche-
chische Opfer des Nationalsozialismus erfolgen?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410710100
Herr Koschyk, Leistungen an Opfer nationalsozia-
listischer Gewalt sind explizit in der Deutsch-Tschechi-
schen Erklärung und in der Satzung des deutsch-tschechi-
schen Zukunftsfonds vorgesehen. Anders geartete Leis-
tungskategorien sind von diesen grundlegenden Doku-
menten nicht abgedeckt.

Der erwähnte Projektantrag der Sudetendeutschen
Landsmannschaft ist der zukunftsgerichteten Weiterent-
wicklung unseres Verhältnisses zur Tschechischen Repu-
blik abträglich. Wir haben kein Interesse an einer Spirale
neuer Forderungen und Gegenforderungen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410710200
Eine Zusatzfrage.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1410710300
Herr Staatsminister,
wie kann denn ein Antrag, der sich einfach bemüht, eine
vom deutsch-tschechischen Verhältnis auf deutscher Seite
besonders hart betroffene Bevölkerungsgruppe in sym-
bolische Leistungen eines auch mit deutschen Steuergel-

dern ausgestatteten Fonds einzubeziehen, für die Zu-
kunftsentwicklung der deutsch-tschechischen Beziehun-
gen abträglich sein, wenn auf tschechischer Seite, zum
Beispiel vom ehemaligen Regierungsberater Herr
Doležal, eine solche Forderung, ein solcher Vorschlag,
auch mit positiver Resonanz in den tschechischen Me-
dien, den Sie – wie Sie ja selbst in der Fragestunde vom
10. Mai sagten – als wichtigen Beitrag für Verständigung
und Versöhnung bezeichnet haben, öffentlich erhoben
wird?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410710400
Herr Koschyk, die Leistungen, die der Fonds um-
setzen kann, sind in den Fondsbestimmungen ab-
schließend beschrieben. Wenn nun darüber hinausge-
hende Forderungen erhoben werden, so muss man auf der
einen Seite deren außenpolitische Wirkung sehen. Wenn
Sie auf der anderen Seite darauf hinweisen, dass innerhalb
der Tschechischen Republik Diskussionen begonnen wor-
den sind, die – so entnehme ich Ihren Worten – Ihnen nicht
ganz unsympathisch sind, dann würde ich aus Sicht der
Bundesregierung den Rat geben, solche Diskussionen
sich einfach entwickeln zu lassen und nicht durch hier for-
mulierte Ansprüche überzustrapazieren.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410710500
Eine zweite Zusatz-
frage.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1410710600
Hat denn die Bun-
desregierung irgendwann in dieser Diskussion die Bereit-
schaft erkennen lassen und auch durch ihre Vertreter im
Rahmen des deutsch-tschechischen Zukunftsfonds eine
Diskussion dahin gehend mit der tschechischen Seite ge-
führt, mit der tschechischen Seite überhaupt in ein Ge-
spräch zu kommen, den Auftrag des Fonds so zu verän-
dern, dass es zumindest zu einer Art von symbolischen
Leistungen für vertriebene Sudetendeutsche kommt?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410710700
Herr Koschyk, wir reden intensiv mit der tschechi-
schen Regierung und nehmen sehr wohl wahr, dass dort
eine gewisse Bereitschaft besteht, in diesem Sinne zu-
mindest symbolisch etwas zu unternehmen. Ich weiß,
dass anlässlich des Besuchs von Vaclav Havel informell
über solche Möglichkeiten zumindest geredet wurde.
Man muss aber genauso deutlich sehen: Wenn die Lands-
mannschaft mit solchen drastischen Forderungen öffent-
lich auftritt, wird dieser Diskussionsstrang, wie er sich in
der Tschechischen Republik entwickelt hat, eher abge-
kappt, als dass er sich weiter entwickeln kann.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410710800
Ich rufe die Frage 9
des Abgeordneten Koschyk auf:

Ist die Bundesregierung bereit, sich gegenüber der Tschechi-
schen Republik für eine Rückübertragung oder Entschädigung des
nach dem Zweiten Weltkrieg konfiszierten Eigentums der in der
seinerzeitigen Tschechoslowakei verbliebenen Deutschen einzu-
setzen, und falls nein, wie begründet die Bundesregierung ihre
Haltung?




Carsten Hübner

10049


(C)



(D)



(A)



(B)


D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410710900
Herr Koschyk, der Bundesregierung ist bekannt,
dass sich die tschechische Restitutionsgesetzgebung mit
den Stichjahren 1948 und 1989 nur auf kommunistische
Enteignungen bezieht. Davon ausgenommen ist die Re-
stitution jüdischen Eigentums. Auch das Schicksal der in
der Tschechischen Republik verbliebenen Deutschen ist
der Bundesregierung bekannt. Die Bundesregierung be-
trachtet die entschädigungslose Enteignung der Betroffe-
nen nach dem Krieg als völkerrechtswidrig.

Zwischen den beiden Regierungen gilt jedoch die in
der Deutsch-Tschechischen Erklärung von 1997 nieder-
gelegte Verabredung, in der es in Ziffer IV heißt, dass
„jede Seite ihrer Rechtsordnung verpflichtet bleibt und
respektiert, dass die andere Seite eine andere Rechtsauf-
fassung hat. Beide Seiten erklären deshalb, dass sie ihre
Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrühren-
den politischen und rechtlichen Fragen belasten werden.“


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410711000
Zusatzfrage? –
Bitte.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1410711100
Herr Staatsminister,
wir haben ja mehrere deutsch-tschechische Vereinbarun-
gen. In einigen hat sich die tschechische Seite zu ange-
messenen Schutzbestimmungen für Minderheiten wie die
tschechischen Staatsbürger deutscher Nationalität und
deutscher Abstammung verpflichtet. Insofern hat die
deutsche Bundesregierung durch den deutsch-tschechi-
schen Nachbarschaftsvertrag eine gewisse Berufungs-
grundlage gegenüber der tschechischen Seite. Wenn ganz
offensichtlich auch nach der Feststellung des Bürger-
rechtsbeauftragten der tschechischen Regierung, Uhl,
eine demonstrative Nichteinbeziehung tschechischer Bür-
ger deutscher Nationalität und deutscher Abstammung in
tschechische innerstaatliche Restitutionsmaßnahmen vor-
liegt, ist es dann nicht geboten, dass die Bundesregierung
auf der Grundlage des deutsch-tschechischen Nachbar-
schaftsvertrages und auf der Grundlage eines durch den
Nachbarschaftsvertrag – wenn ich das einmal so sagen
darf – zum Ausdruck kommenden Diskriminierungsver-
botes für tschechische Staatsbürger deutscher Nationalität
in dieser Frage gegenüber der tschechischen Regierung
aktiv wird?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410711200
Herr Koschyk, wir sind froh, dass wir nach
langjährigen, sehr schwierigen Diskussionen mit der
tschechischen Seite diese gemeinsame Erklärung erarbei-
tet haben. Es handelt sich um eine Erklärung, die eine gute
Grundlage für eine freundliche und freundschaftliche Zu-
sammenarbeit in der Zukunft ist. Wenn sich die Bezie-
hungen in diesem freundschaftlichen Sinn weiterent-
wickeln, wird man sicherlich über das eine oder das an-
dere reden können. Ich halte aber nichts davon, sich auf
Standpunkte zu stellen und auf Grundlagen zu berufen,
durch die der freundschaftliche Dialog wieder auf einen
Stand der subtilen juristischen Konfrontation, wie wir ihn
vor der Verabschiedung der gemeinsamen Erklärung hat-
ten, zurückgeworfen würde.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410711300
Eine zweite Zusatz-
frage? – Bitte.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1410711400
Herr Staatsminister,
ich muss noch einmal fragen: Die Deutsch-Tschechische
Erklärung ist, bei allem Respekt, eine politische Willens-
bekundung beider Regierungen. Wir haben einen völker-
rechtlich verbindlichen Nachbarschaftsvertrag mit einer
Vereinbarung über Minderheitenschutz und damit auch
ein Diskriminierungsverbot im Hinblick auf tschechische
Staatsbürger deutscher Nationalität. Gebietet dieser Ver-
trag nicht, dass bei offensichtlicher Diskriminierung, die
auch der Bürgerrechtsbeauftragte der tschechischen Re-
gierung im Hinblick auf den von mir geschilderten Sach-
verhalt feststellt, die deutsche Bundesregierung partner-
schaftlich auf die tschechische Seite zugeht und das von
mir angesprochene Problem gegenüber der tschechischen
Seite zur Sprache bringt?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410711500
Wenn signifikante Probleme auftauchen, nimmt die
Bundesregierung diese sehr wohl wahr und findet den ge-
eigneten Weg, das anzusprechen, ohne dass damit das
bilaterale politische Klima gestört wird.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410711600
Wir sind damit am
Ende dieses Geschäftsbereiches. Ich danke Ihnen, Herr
Staatsminister.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
des Innern auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentari-
sche Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Dirk Niebel auf:
Wie gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, dass einem

IT-Spezialisten aus einem Land außerhalb der Europäischen
Union, der sich aufgrund der so genannten Green-Card-Initiative
in Deutschland beworben hat, eine einfache Einreise zum Zwecke
eines Bewerbungsgesprächs möglich ist?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1410711700
Herr Kollege Niebel, ich kann
Ihre Frage relativ kurz beantworten: Für Einreisen zum
Zwecke eines Bewerbungsgespräches wird ein Besuchs-
und Geschäftsvisum erteilt.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Danke!)

– So sind wir: kurz, knapp und bündig.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410711800
Hin und wieder darf
man sich auch einmal selber loben.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1410711900
Ja, Herr Präsident, das ist nicht
schlecht.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das haben wir nicht erwartet!)







(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410712000
Die Frage 11 des
Kollegen Dietrich Austermann wird schriftlich beantwor-
tet.

Wir kommen zur Frage 12.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Der Kollege Kolbe ist im Haushaltsausschuss!)

– Der Kollege Kolbe ist im Haushaltsausschuss und damit
nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäfts-
ordnung vorgesehen.

Ich rufe die Frage 13 des Kollegen Gerhard
Jüttemann auf:

Welche Berufe und Berufsgruppen sind bisher von der Praxis
aufgrund des Schreibens des Bundesministeriums des Innern, Ge-
schäftszeichen D II 2-220 000/44 a vom 13. Januar 2000, wonach
Personal, das für eine Tätigkeit im Tarifgebiet Ost gewonnen wer-
den soll, zunächst im Tarifgebiet West eingestellt und dann in das
Tarifgebiet Ost versetzt werden soll, schwerpunktmäßig betrof-
fen?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1410712100
Die Frage 13 bezieht sich auf das
gleiche Thema wie die Frage des Kollegen Kolbe.

Herr Kollege Jüttemann, wie Sie wissen, führt die
Bundesregierung zurzeit eine Abfrage bei den Ressorts
durch, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach
dem Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern
vom 13. Januar 2000 eingestellt wurden. Das Ergebnis
wird in der Antwort auf die von Ihnen und der Fraktion
der PDS gestellte Kleine Anfrage mitgeteilt. Darüber,
welche Berufe und welche Berufsgruppen aufgrund des
genannten Rundschreibens bisher bei den Einstellungen
vertreten sind, liegen der Bundesregierung keine Er-
kenntnisse vor. Ich will das aber durch eine aktuelle Mit-
teilung ergänzen – Stand: 14.30 Uhr. Die Ressortabfrage
hat ergeben, dass 13 von 22 obersten Bundesbehörden die
Einstellung von bisher zwei Mitarbeitern gemeldet haben.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410712200
Zusatzfrage des Kol-
legen Jüttemann.


Gerhard Jüttemann (PDS):
Rede ID: ID1410712300
Wie verhält sich die
ÖTV zu diesem Schreiben? Gibt es hier Übereinstim-
mung oder haben Sie Schwierigkeiten?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1410712400
Ich glaube, dass das Schreiben
von Ihnen und einigen wenigen anderen völlig überinter-
pretiert wird. Das zeigt die Abfrage ganz deutlich: Es sind
zwei Mitarbeiter. Es ist eine besondere Situation. Die Zahl
macht deutlich, um welch ein „großes“ Problem es sich
dabei handelt.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410712500
Frage 14 des Kolle-
gen Jüttemann:

Wie begründet und bewertet die Bundesregierung die Einstel-
lungspraxis nach diesem Schreiben?

Herr Staatssekretär.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1410712600
Herr Kollege Jüttemann, zunächst
weist die Bundesregierung die Behauptung, Bundesmi-
nister Schily billige die Umgehung gültiger Tarifverträge,
als irreführend und falsch zurück. Um es klarzustellen:
Das Rundschreiben vom 13. Januar 2000 betrifft nur Mit-
arbeiter aus dem Landes- oder Kommunaldienst mit
Westvergütung, die in den Bundesdienst für eine Tätigkeit
im Tarifgebiet Ost übernommen werden. Das Rund-
schreiben vom 13. Januar 2000 ist – das ist ganz
wichtig – eine übertarifliche Maßnahme, da nicht erwar-
tet werden kann, dass ein Beschäftigter in den Bundes-
dienst wechselt und wegen des Arbeitgeberwechsels Ein-
kommensverluste in Kauf nimmt. In einem solchen Fall
ist die Zusage, das bisherige Einkommensniveau werde
beibehalten, durchaus üblich und angemessen. Die Ein-
stellung im Westen ist in diesen Fällen auch wegen der un-
terschiedlichen Höhe der Umlage der Zusatzversorgung
erforderlich. Der gewählte Weg verhindert, dass sich
diese Beschäftigten insoweit erheblich besser stellen als
die vergleichbaren Mitarbeiter im Westen.

Die Bundesregierung wird auch in Zukunft nach dieser
Praxis verfahren, da eine Mobilität der Beschäftigten nur
erreicht werden kann, wenn zumutbare Bedingungen ge-
schaffen werden. Andernfalls würde jegliche Bereitschaft
zur Mobilität unterbunden.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410712700
Eine Zusatzfrage.


Gerhard Jüttemann (PDS):
Rede ID: ID1410712800
Herr Staatssekretär,
heißt das, dass es keine Bewerber aus dem Osten für diese
Positionen gibt? Wie begründen Sie dann das Festhalten
an dem Schreiben des Bundesministeriums des Innern?
Unsere Kritik, die wir geübt haben, war doch wohl be-
rechtigt. Die Praxis, Bewerber, die für eine Tätigkeit im
Tarifgebiet Ost gewonnen werden sollen, zunächst im Ta-
rifgebiet West einzustellen und dann in das Tarifgebiet Ost
zu versetzen, ist eine Umgehung des Tarifs.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1410712900
Nein, Herr Kollege Jüttemann,
das ist keine Umgehung des Tarifs. Sie machen einen
Denkfehler.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Nicht zum ersten Mal!)


– Herr Schauerte, das ist Ihre Interpretation und Ihre Be-
merkung, nicht meine.

Dabei handelt es sich nicht um Bewerberinnen und Be-
werber, die in den öffentlichen Dienst hineinwollen; viel-
mehr handelt es sich in diesen Fällen um Personen, die be-
reits im öffentlichen Dienst – entweder bei einer Kom-
munalverwaltung oder einer Landesverwaltung im
Westen unserer Republik – beschäftigt gewesen sind. Das
ist der wesentliche Unterschied.

Ich sage noch einmal: Die Anzahl der Betroffenen, die
wir bisher ermittelt haben – das ist allerdings nur ein Zwi-
schenergebnis –, macht deutlich, dass es sich um ein
Thema von relativ geringer Bedeutung handelt.






(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410713000
Vielen Dank, Herr
Staatssekretär.

Bevor ich den Geschäftsbereich des Bundesministeri-
ums der Finanzen aufrufe, möchte ich darauf hinweisen,
dass aufgrund der zeitlichen Verschiebung und der Ta-
gung einiger Ausschüsse eine ganze Reihe von Kollegen
ihre Fragen zurückgezogen oder um schriftliche Beant-
wortung gebeten haben. Jetzt liegen nur noch zehn Fragen
zur Beantwortung vor. Das hat zur Folge, dass die Aktu-
elle Stunde zum Thema „Haltung der Bundesregierung zu
den steigenden Mineralölpreisen und der Forderung nach
Verzicht bzw. Aussetzung der Ökosteuer“, beantragt von
der F.D.P., früher als ursprünglich erwartet aufgerufen
werden kann. Ich gehe davon aus, dass es eine interfrak-
tionelle Vereinbarung gibt, die Sitzung des Bundestages
nicht zu unterbrechen, sodass im Anschluss an die Frage-
stunde die Aktuelle Stunde aufgerufen werden kann.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht der Parla-
mentarische Staatssekretär Karl Diller zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Barthle auf:
Welche Überlegungen gibt es innerhalb der Bundesregierung,

die Bundesfinanzverwaltung neu zu organisieren, und welche
Auswirkungen sind speziell für die Hauptzoll- und Zollämter zu
erwarten?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410713100
Herr Kollege Barthle, das Bundesministe-
rium der Finanzen beteiligt sich mit seinem Geschäftsbe-
reich an der Konsolidierung des Bundeshaushaltes im
Finanzplanungszeitraum bis 2003 mit Haushaltsein-
sparungen in einer Größenordnung von 3 000 Milli-
onen DM. Davon beziehen sich allein 700 Millionen DM
auf die Struktur der Bundesfinanzverwaltung. Dieses Ziel
ist nur mit erheblichen substanziellen Eingriffen und einer
Neubestimmung des künftigen Gesamtaufgabenbestan-
des erreichbar.


(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Das Bundesministerium der Finanzen hat zur Realisie-
rung seines Konsolidierungsbeitrages und im Hinblick
auf sich abzeichnende Aufgabenveränderungen – ich
denke insbesondere an die Osterweiterung der EU, die zur
Folge hat, dass die bisherigen Außengrenzen der EU zu
Polen und Tschechien dann Binnengrenzen sind – zum
1. Februar 2000 das Projekt „Strukturentwicklung Bun-
desfinanzverwaltung“ eingerichtet. Dieses Projekt um-
fasst auch eine weit reichende Reorganisation der Orts-
ebene der Zollverwaltung mit einer bundesweiten Straf-
fung der Hauptzollämter und Zollämter. Aber welche
strukturellen Veränderungen in diesem Bereich im Ein-
zelnen erforderlich sein werden, bleibt noch abzuwarten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410713200
Zusatz-
frage? – Bitte schön.


Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1410713300
Herr Staatssekretär, in
dem Eckpunktepapier zur Entwicklung der Struktur der
Bundesfinanzverwaltung ist zu lesen, dass die Zahl der

Zollämter von derzeit 332 auf 190 reduziert werden soll.
Liegt diesen Zahlen eine konkrete Standortplanung mit
Standortvorschlägen zugrunde, und wenn ja, ist es mög-
lich, in die Planungsunterlagen Einsicht zu nehmen?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410713400
Herr Kollege, das würde ich selber auch
gerne tun; denn auch in meinem Wahlkreis gibt es ein
Hauptzollamt und etliche kleinere Zollämter. Auch mich
beschäftigt die Frage: Wird mein Hauptzollamt die ge-
planten Veränderungen überstehen oder wird es von den
Einsparungsmaßnahmen betroffen sein? Welche Zoll-
ämter wird es möglicherweise treffen? Auch ich kann den
möglicherweise in meinem Wahlkreis Betroffenen keine
Antwort auf diese Fragen geben, weil die Fachkundigen
gerade jetzt darüber nachdenken, wie das Eckpunktepa-
pier mit den Zielgrößen – die Zahlen, die Sie genannt ha-
ben, sind Zielgrößen – umgesetzt werden kann. Die Fach-
kundigen werden uns Vorschläge machen, die wir in den
nächsten Monaten erwarten. Wir werden sie dann auf der
politischen Leitungsebene besprechen und wir werden se-
hen, ob sie richtig oder korrekturbedürftig sind. Anschlie-
ßend werden wir das deutsche Parlament darüber unter-
richten, so wie wir die ganze Zeit mit den Fachausschüs-
sen des Deutschen Bundestages, mit dem Haushalts-
ausschuss und mit dem Finanzausschuss, in sehr engem
Kontakt über diese Fragen waren.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410713500
Möchten
Sie eine weitere Zusatzfrage stellen? – Das ist nicht der
Fall.

Dann kommen wir zu Frage 16 des Abgeordneten
Barthle:

Gibt es bereits einen Zeitplan, und, wenn ja, wann sollen die
zuständigen Gremien des Deutschen Bundestages informiert wer-
den?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410713600
Herr Kollege, erste konkrete Vorstellungen
des Bundesfinanzministeriums zu Strukturveränderungen
unter Einbeziehung von Standortaspekten auch auf der
Ebene der Hauptzollämter und Zollämter werden nach der
derzeitigen Planung der Projektleitung im Sommer vor-
liegen. Entscheidungen über Strukturveränderungen, ins-
besondere auch zu Standorten von Dienststellen der Bun-
desfinanzverwaltung, werden zum Jahresende 2000 zu
treffen sein.

Inzwischen liegen als erster Schritt auf dem Wege zur
Neustrukturierung Eckpunkte der angestrebten Struktur-
anpassung vor, über die die Vorsitzenden des Haushalts-
und Finanzausschusses des Deutschen Bundestages
unterrichtet worden sind. Gerade zur Stunde tagt der
Haushaltsausschuss und berät unter Tagesordnungs-
punkt 4 über diese Konzeption.

Wenn Sie das Eckpunktepapier noch nicht haben, dann
will ich es Ihnen gerne überreichen.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ich habe es da! Danke!)







(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410713700
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Barthle? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen dann zur Frage 17 des Abgeordneten
Helmut Heiderich:

In welchen einzelnen Medien (Zeitungen, Zeitschriften usw.)

hat die Bundesregierung ihre Werbekampagne mit dem Kopf des
Bundesministers der Finanzen und dem Slogan „Nur wer eisern
spart, ...“ an welchen Tagen veröffentlicht?

Herr Staatssekretär, bitte schön.

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410713800
Herr Kollege, die Anzeige mit dem Kopf
des Bundesfinanzministers und dem Slogan „Nur wer ei-
sern spart, kann sich auch was leisten“ erschien an fol-
genden Tagen in folgenden Medien: am 15. Mai 2000 in
„Spiegel“, „Focus“ und „Bild“, am 18. Mai 2000 in
„Stern“, „Capital“, „Financial Times Deutschland“ und
„Handelsblatt“, am 19. Mai 2000 im „Unternehmer Ma-
gazin“, am 21. Mai 2000 in „Bild am Sonntag“ und am
25. Mai 2000 in der Zeitschrift „Impulse“.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ist jetzt mehr gespart worden?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410713900
Herr Kol-
lege Heiderich, eine Zusatzfrage.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1410714000
Herr Staatssekretär,
sicherlich kann mir die Bundesregierung auch erklären,
warum sie in so vielen Zeitungen mit einem solchen Auf-
wand diese Werbung geschaltet hat.

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410714100
Diese Werbung ist Teil einer Werbekonzep-
tion, mit der wir die Öffentlichkeit mit unserem Vorhaben,
nämlich der größten Steuersenkung, die es in der Ge-
schichte der Bundesrepublik Deutschland je gegeben hat,


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Susanne Kastner [SPD]: Das wollt ihr nicht hören!)


vertraut machen. Ich darf Ihnen sagen, dass die Hinweise
in den Anzeigen auf weitere Informationsquellen, bei-
spielsweise das Internet oder Broschüren, sehr intensiv
genutzt werden.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1410714200
Herr Staatssekretär,
sind Sie der Auffassung, dass diese Werbung mit einem
Kopf und einer Plattitüde, die im unteren Teil der Anzeige
steht, tatsächlich den von Ihnen betriebenen Aufwand
rechtfertigt?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410714300
Herr Kollege, das ist keine Plattitüde, son-
dern eine bittere Notwendigkeit, die wir vollziehen müs-
sen, weil wir von der Vorgängerregierung eine fürchterli-
che Erblast übernommen haben. In Ihrer Regierungszeit
ist die Verschuldung des Bundes vervierfacht worden,


(Susanne Kastner [SPD]: Wir bedanken uns sehr!)


mit dem Ergebnis, dass wir im letzten und in diesem Jahr
rund 80 000MillionenDM nur für Zinsen ausgeben muss-
ten – das waren rund 23 Prozent all unserer Steuereinnah-
men –, ohne damit eine einzige Mark an Schulden zu til-
gen.

Das Bundesverfassungsgericht hat einmal im Falle von
Saarland und Bremen festgestellt, dass sich ein Land, das
rund ein Viertel seiner Steuereinnahmen nur für das
Zahlen von Zinsen ausgeben muss, in einer – so wörtlich –
extremen Haushaltsnotlage befindet. Aus dieser von Ih-
nen übernommenen „extremen Haushaltsnotlage“ hilft
nur der Weg des eisernen Sparens heraus. Das machen
dieser Minister, dieses Ministerium und diese Bun-
desregierung.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das kommt einem schon aus den Ohren heraus!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410714400
Eine wei-
tere Zusatzfrage des Kollegen Schauerte.


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1410714500
Herr Staatssekretär
Diller, wenn man eine Anzeige an das allgemeine Publi-
kum richtet, dann hat sie ihren tieferen Sinn darin, das Pu-
blikum zu einer Aktion aufzufordern bzw. anzureizen.
Deswegen könnte ich mir zum Beispiel vorstellen, dass
man eine solche Anzeige an Abgeordnete richtet, dass sie
nicht mehr Gesetze beschließen, an Beamte, dass sie vor-
sichtig mit dem Geld umgehen. Aber was soll die geneigte
Leserschaft mit dem Spruch anfangen „Nur wer eisern
spart, kann sich was leisten“? Haben Sie den Eindruck,
dass die Leserschaft deswegen jetzt spart oder sparen
sollte? Oder was war mit dieser Anzeige beabsichtigt?


(Susanne Kastner [SPD]: Die haben jetzt Verständnis dafür!)


K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410714600
Herr Kollege, ich darf Sie darauf aufmerk-
sam machen, dass nicht nur der von Ihnen zitierte Satz in
der Anzeige steht, sondern auch der folgende Text:

Sparsamkeit ist nicht nur eine alte Tugend. Sie ist
auch das Merkmal eines modernen, handlungsfähi-
gen Staates. Deshalb haben wir einen konsequenten
Sparkurs eingeschlagen. Halten wir Kurs, dann kön-
nen wir bereits im Jahre 2006 einen Haushalt vorle-
gen, der keine neuen Schulden braucht. Mit den fi-
nanziellen Spielräumen, die durch unsere Sparpolitik
entstanden sind, können wir uns schon jetzt etwas
leisten: die größte Steuersenkung in der Geschichte
Deutschlands. Sie entlastet private Haushalte und
Unternehmen bis 2005 um rund 75 000 Millionen
DM. Dadurch stärken wir die Kaufkraft der Arbeit-
nehmer und die Investitionskraft der Unternehmer.
Das hilft, neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Weitere Informationen

– Herr Kollege –






(C)



(D)



(A)



(B)


zur Steuerreform 2000 erhalten Sie beim Bundes-
finanzministerium, Postfach ..., oder im Internet un-
ter www.bundesfinanzministerium.de.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Susanne Kastner [SPD]: Eine ausgezeichnete Information!)


Ich darf Ihnen mitteilen, dass von dieser Informations-
möglichkeit anschließend 80 000 Mitbürgerinnen und
Mitbürger Gebrauch gemacht haben. Wir haben 80 000
Informationsbroschüren verschickt. Wir haben fest-
gestellt, dass auf die Internetseiten des Bundesfinanzmi-
nisteriums 90 000-mal zugegriffen worden ist und ent-
sprechende Informationen heruntergeladen wurden.


(Susanne Kastner [SPD]: Herr Kollege Schauerte, was sagen Sie denn dazu?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410714700
Weitere
Zusatzfrage des Kollegen Fromme.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1410714800
Herr Staats-
sekretär, Sie haben den Erfolg der Anzeige eben mit der
Zahl der Zugriffe und der Nachfragen nach der Broschüre
begründet. Können Sie mir sagen, wie sich die Zugriffe
und die Nachfragen vor dem 15. Mai und nach dem
15. Mai entwickelt haben?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410714900
Da bin ich – das muss ich bekennen – jetzt
überfragt. Ich bin aber gern bereit, bei unserer Informati-
onsabteilung nachzufragen, ob dort Erkenntnisse darüber
vorliegen, und werde sie Ihnen gerne mitteilen.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Herr Staatssekretär, wie können Sie denn den Erfolg beurteilen, wenn Sie es gar nicht wissen?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410715000
Herr Kol-
lege Fromme, Sie haben nur das Recht, eine Nachfrage zu
stellen.

Eine weitere Nachfrage stellt der Kollege Wittlich.

(Susanne Kastner [SPD]: Jetzt kommt noch so eine intelligente Nachfrage!)



Werner Wittlich (CDU):
Rede ID: ID1410715100
Herr Staatssekretär, ist
Ihnen eventuell bekannt, zu welchen Umsatzeinbrüchen
bei deutschen Verlagen diese Anzeige geführt hat? Der
Bürger ist nämlich der Einzige gewesen, der gespart hat,
indem er die Zeitungen nicht mehr gekauft hat.


(Susanne Kastner [SPD]: Die Frage müssten Sie jetzt aber erklären! Wir haben sie nicht verstanden! Herr Präsident, er muss stehen bleiben!)


K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410715200
Herr Präsident, ich glaube, diese Frage
muss ich nicht beantworten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410715300
Das liegt
in Ihrem Ermessen. Ich habe den Inhalt der Fragen und
der Antworten nicht zu beurteilen. Das ist nicht meine
Aufgabe.

Wir kommen damit zur Frage 18 des Kollegen Helmut
Heiderich:

Welche Kosten sind aus diesen Veröffentlichungen in welchen
Medien im Einzelnen und in der Summe entstanden?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410715400
Die Kosten für die einzelnen Anzeigen be-
wegen sich zwischen 6 334 DM und 404 280 DM. Die Ge-
samtkosten der genannten Veröffentlichungen betrugen
947 725 DM.


(Unruhe bei der CDU/CSU – Susanne Kastner [SPD]: Was jetzt? Habt ihr in der Union noch nie eine Anzeige geschaltet? Das ist doch geringfügig!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410715500
Nach-
frage, Herr Kollege Heiderich, bitte schön.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1410715600
Herr Staatssekretär,
darf ich Sie einmal um Ihr Urteil bitten? Ich bin Mitglied
des Agrarausschusses. Dort hat Ihr Finanzminister die ei-
sern angesparten Reserven der landwirtschaftlichen
Alterskassen einkassiert und, wie man jetzt hört, von die-
sem Geld für 1 Million DM Werbung mit seinem Kopf in
der Öffentlichkeit gemacht.

Sind Sie sicher, dass der Spruch vom eisernen Sparen
vor diesem Hintergrund wirklich noch berechtigt ist?


(Susanne Kastner [SPD]: Das hat er wieder für die Landwirtschaft verwendet!)


K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410715700
Herr Kollege, ich möchte Sie darauf auf-
merksam machen, dass mir die zuständigen Leute meines
Hauses mitgeteilt haben, dass für jede abgerufene Infor-
mation, wenn man den Betrag auf jeden einzelnen Nutzer
umlegt, Kosten von 20 Pfennig pro Kopf entstanden sind
und sich von daher eine sehr gute Kosten-Nutzen-Rela-
tion errechnet. Erste Bemerkung.


(Susanne Kastner [SPD]: Finde ich auch! Recht hat er, der Staatssekretär!)


Zweite Bemerkung: Wir geben im Prinzip nicht mehr
Geld für Information aus, als die Vorgängerregierung zur
Information über ihre Steuerreformpläne vorgesehen
hatte. Wenn ich mich richtig erinnere, waren unter Herrn
Waigel dafür insgesamt 7 Millionen DM im Etat vorgese-
hen. Das ist auch unser Ansatz in diesem Jahr.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410715800
Eine wei-
tere Zusatzfrage, Kollege Heiderich? – Bitte schön.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1410715900
Herr Staatssekretär,
sind Sie mit mir der Auffassung, dass eine solche Wer-




Parl. Staatssekretär Karl Diller
10054


(C)



(D)



(A)



(B)


bung, die in dieser Weise die Persönlichkeit in den Vor-
dergrund stellt und die Information bescheiden in einer
Ecke verbirgt,


(Susanne Kastner [SPD]: Wunderschöne Aufnahme! Das ist ein solider Finanzminister! Den muss man in den Mittelpunkt stellen! Ein sehr solider Finanzminister!)


die Zulässigkeitsgrenze der Öffentlichkeitsarbeit über-
schreitet?


(Susanne Kastner [SPD]: Die Leute wollen den soliden Finanzminister sehen!)


K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410716000
Ihre Frage kann ich mit Nein beantworten.
Die Zulässigkeitsgrenze ist nicht überschritten. Im Übri-
gen freue ich mich darüber, feststellen zu dürfen, dass
Bundesfinanzminister Hans Eichel faktisch zum Syno-
nym für eisernes Sparen und eine gute Finanzpolitik ge-
worden ist.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410716100
Zusatz-
frage vom Kollegen Fromme.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1410716200
Herr Staats-
sekretär, wie kommen Sie zu dem Urteil, dass der Mittel-
einsatz, der ja nicht gering war, erfolgreich war, wenn Sie
gar nicht wissen, ob die Zahl der Broschürenanforderun-
gen und die Zahl der Internet-Zugriffe durch die Anzeige
gestiegen ist oder nicht?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410716300
Herr Kollege, ich habe Ihnen gesagt, dass
diese Anzeige Teil einer Anzeigenkampagne ist,


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das ist erst der Anfang!)


die wir seit der Vorstellung der Steuerreformkonzeption
im Februar 2000 fahren.


(Susanne Kastner [SPD]: Das ärgert euch! – Gegenruf von der CDU/CSU: Ja!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410716400
Die Fra-
gen 19 bis einschließlich 26 sollen schriftlich beantwortet
werden.

Damit kommen wir zur Frage 27 des Abgeordneten
Günter Baumann:

Stellt das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und der Reform
der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz), das eine
Veränderung des § 147 Abs. 6 der Abgabenordnung vorsieht und
wodurch der Fiskus zukünftig bei Betriebsprüfungen unbegrenz-
ten Zugriff auf die EDVder Unternehmer erhält, einen Verstoß ge-
gen den verfassungsrechtlich verankerten Datenschutz dar?

Herr Staatssekretär, bitte schön.

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410716500
Herr Kollege Baumann, Bedenken in Be-

zug auf einen Verstoß der gesetzlichen Neuregelung ge-
gen den verfassungsrechtlich verankerten Datenschutz
sind nicht begründet. Einen unbegrenzten Zugriff auf die
EDV der Unternehmen wird es nicht geben. Begrenzun-
gen ergeben sich bereits aus der bestehenden Prü-
fungsanordnung, die den zeitlichen und den sachlichen
Prüfungsumfang, das heißt die Prüfungsjahre und die
Steuerarten festlegt.

Zur Frage des Datenschutzes im Steuerrecht gibt es im
Übrigen eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts. Danach hat der Gesetzgeber mit der ge-
setzlichen Ausgestaltung des Steuergeheimnisses hin-
reichende Sicherheitsvorkehrungen gegen eine miss-
bräuchliche Verwendung von Daten getroffen und auch
die besondere Gefährdung von Daten unter den Bedin-
gungen der automatisierten Datenverarbeitung bereits
hinreichend berücksichtigt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410716600
Zusatz-
frage, Kollege Baumann? – Bitte schön.


Günter Baumann (CDU):
Rede ID: ID1410716700
Herr Staatssekretär,
Sie bestätigen, dass es für die Finanzverwaltungen zu ge-
wissen Zeiten und zu gewissen Zwecken Zugriffsmög-
lichkeiten auf die EDV der Betriebe gibt. Ich möchte Sie
fragen: Wer haftet, wenn bei diesen Aktionen Datenver-
luste oder Schäden im betrieblichen Ablauf der Firmen
eintreten?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410716800
Herr Kollege, ich habe gerade in Vorberei-
tung meiner Antwort auf Ihre Frage gelesen, dass dem
Vorsitzenden der Deutschen Steuer-Gewerkschaft eine
ähnliche Frage gestellt wurde. Dabei hat er darauf hinge-
wiesen, dass die Prüfbeamten lediglich lesend auf die Da-
ten zugreifen können.


Günter Baumann (CDU):
Rede ID: ID1410716900
Sie schließen also
vollkommen aus, dass hier Schäden im Ablauf entstehen
können?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410717000
Ich bin kein Experte in dieser Frage, aber
ich gehe davon aus, dass dem so ist, will aber gerne Ihre
spezielle Frage noch einmal durch das Haus prüfen lassen
und Ihnen eine Antwort zukommen lassen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410717100
Bitte
schön, zweite Zusatzfrage.


Günter Baumann (CDU):
Rede ID: ID1410717200
Ich möchte Sie fra-
gen: Wie wird ausgeschlossen, dass der Zugriff durch die
Finanzverwaltung auf nicht steuerrelevante Programme
erfolgen kann? In der Datenverarbeitung eines Betriebes
gibt es ja viele Programme. Es muss möglich sein, dass
die Finanzverwaltung nur auf das eine spezielle Pro-
gramm zugreift und nicht auch auf andere.




Helmut Heiderich

10055


(C)



(D)



(A)



(B)


K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410717300
Herr Kollege, ich denke, durch das, was ich
Ihnen eingangs dargelegt habe, ist hinreichend rechtlich
klar, auf welche Daten die Finanzbeamten Zugriff haben.

Ich darf im Übrigen darauf hinweisen, dass wiederum
nach Auffassung des Vorsitzenden der Steuer-Gewerk-
schaft – Sie erlauben, dass ich es zum zweiten Mal zitiere –
praktisch jetzt nichts anderes vollzogen wird als das, was
draußen in den Betrieben schon zu 80 Prozent der Fall ist.
Für die Betriebe bedeutet dies eine kürzere Prüfungszeit
und für die Prüfbeamten bedeutet es ein effektiveres Ar-
beiten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410717400
Damit
kommen wir zur Frage 28 des Abgeordneten Gerhard

Gerhard Schüßler (FDP):
Rede ID: ID1410717500


Wann gedenkt die Bundesregierung, die neuen AfA-Tabellen
zu veröffentlichen?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410717600
Herr Kollege Schüßler, die aufgrund des
Urteils des Bundesfinanzhofs vom 19. November 1997
erforderliche Überarbeitung der AfA-Tabelle für allge-
mein verwendbare Anlagegüter und der weiteren 100
branchenspezifischen AfA-Tabellen ist in vollem Gange.
Sie geschieht dadurch, dass anlässlich aktueller Betriebs-
prüfungen die Nutzungsdauer von Wirtschaftsgütern des
Anlagevermögens in den Unternehmen festgehalten wird.

Das so zusammengetragene Zahlenmaterial soll so-
dann zumindest für die AfA-Tabelle allgemein verwend-
barer Anlagegüter im Spätsommer dieses Jahres den Ver-
bänden zur Stellungnahme zugeleitet werden mit dem
Ziel, diese Tabelle zum 1. Januar 2001 in Kraft zu setzen.

Je nach Arbeitsfortschritt können dann auch die bran-
chenspezifischen AfA-Tabellen entweder gleichzeitig mit
der AfA-Tabelle für allgemein verwendbare Anlagegüter
oder schrittweise zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft ge-
setzt werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410717700
Zusatz-
frage, Kollege Schüßler.


Gerhard Schüßler (FDP):
Rede ID: ID1410717800
Herr Staatssekretär, es
sind ja mehrfach Termine zur Vorlage der neuen AfA-Ta-
bellen genannt worden, auch durch den Bundesfinanzmi-
nister persönlich. Zwei Tage später wurde das durch die
Staatssekretärin Frau Hendricks widerrufen. Es sind im-
mer wieder verschiedene Termine genannt worden. Es hat
sich nicht zuletzt bei der Anhörung zur Unternehmen-
steuerreform herausgestellt, wie stark sich die Verunsi-
cherung bei den Betroffenen auf geplante Investitionen
auswirkt. Kann man davon ausgehen, dass die von Ihnen
genannten Termine jetzt verbindlich sind? Werden die
AfA-Tabellen dann vollständig sein?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410717900
Ich hoffe, dass ich Ihnen verbindliche Ter-

mine genannt habe. Ich will mich persönlich darum
bemühen und dafür sorgen, dass sie eingehalten werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410718000
Danke
schön. Die Fragen 29 bis 38 im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Finanzen sollen schriftlich
beantwortet werden. Ich bedanke mich, Herr Staatssekre-
tär, für Ihre Mühe.

Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die Frage
39 wurde zurückgezogen. Die Fragen 40 bis 42 zu diesem
Geschäftsbereich sollen schriftlich beantwortet werden.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Be-
antwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staats-
sekretär Siegfried Scheffler zur Verfügung.

Wir kommen zur Frage 47 des Abgeordneten Wolfgang
Dehnel:

Beabsichtigt die Bundesregierung, die Finanzmittel zum Bau
des S-Bahn-Projektes Leipzig–Halle rechtzeitig, in ausreichen-
dem Maße und wie vereinbart bereitzustellen, um die geplante
Fertigstellung im Jahr 2003 nicht zu gefährden?

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1410718100
Das
Vorhaben S-Bahn Halle–Leipzig ist im Jahre 1997 in das
GVFG-Bundesprogramm aufgenommen worden. Bereits
im Programmzeitraum 1997 bis 2001 wurden dafür vom
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-
sen Bundesfinanzhilfen von über 135 Millionen DM ein-
geplant. Dies entspricht einem Bauvolumen von rund
255 Millionen DM.

Die Baumaßnahmen wurden im Herbst 1997 begon-
nen. Im Laufe des Jahres 1998 haben jedoch die Länder
Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie die Deutsche Bahn
AG die Grundlagen der ursprünglichen Planung dieser S-
Bahn so verändert, dass eine Überarbeitung der Infra-
strukturplanung zwingend notwendig wurde.

Um Fehlinvestitionen auszuschließen, sah sich das
BMVBW Anfang 1999 gezwungen, die GVFG-Förde-
rung bis zur Vorlage eines überarbeiteten Finanzierungs-
antrages der DB AG auszusetzen. Ein solcher Antrag ist
jetzt dem Eisenbahn-Bundesamt zur Prüfung übergeben
worden. Sofern die Förderungsvoraussetzungen gegeben
sind, stehen im Zeitraum 1999 bis 2003 für die S-Bahn
Halle(S)–Leipzig aus dem GVFG-Bundesprogramm Fi-
nanzhilfen in Höhe von rund 138 Millionen DM bereit.
Damit kann ein Bauvolumen von rund 260 Millionen DM
realisiert werden.

Zuständig für die Planung und den Ablauf der Bau-
maßnahmen ist die Deutsche Bahn AG als Baulastträger.
Insofern kann zu den konkreten Terminen der Inbetrieb-
nahme oder der Fertigstellung von hier aus nichts gesagt
werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410718200
Zusatz-
frage, Kollege Dehnel.






(C)



(D)



(A)



(B)



Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1410718300
Herr Staatssekretär,
Sie haben zwar gerade davon gesprochen, dass sich das
Ministerium nicht in der Lage sehe, einen Termin zu nen-
nen, aber gehen Sie davon aus, dass im Jahre 2001 zu-
mindest mit dem Baubeginn gerechnet werden kann?

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1410718400
Lie-
ber Kollege Dehnel, wir spekulieren hier nicht. Ich habe
Ihnen auch die Gründe genannt, warum es nicht zu einer
konkreten Terminzusage seitens unseres Hauses kommen
kann. Gleichwohl ist sich das Ministerium für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen natürlich der Bedeutung von
leistungsfähigen Eisenbahnverbindungen gerade im Kor-
ridor Leipzig–Halle an der Saale bewusst. Es hat sich in
der Vergangenheit mehrfach um die Klärung der anste-
henden Fragen bemüht und tut dies auch jetzt. Es muss je-
doch auch sichergestellt werden, dass die künftige Schie-
neninfrastruktur in ihrer Bemessung den voraussehbaren
Bedingungen angepasst wird. Ich gehe davon aus, dass
das Eisenbahn-Bundesamt jetzt kurzfristig bzw. schnell-
stens prüft.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410718500
Weitere
Zusatzfragen? – Kollege Dehnel, bitte.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1410718600
Ich hätte gern ge-
wusst, ob das Bundesministerium mit der Deutschen
Bahn in Verbindung steht. Die Leipziger Mitarbeiter der
Bauplanung haben den schwarzen Peter für die vorgese-
hene Verschiebung des Baubeginns nämlich der Bahn zu-
geschoben. Welche Einflussmöglichkeiten sieht die Bun-
desregierung, um die Bauplanung zu beschleunigen?

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1410718700
Kol-
lege Dehnel, ich kenne natürlich auch die Presseberichte
der „Leipziger Volkszeitung“, denen zufolge der geplante
Baustart für die S-Bahn Leipzig–Halle quasi ins Wasser
fallen soll. Ich möchte das Dementi der Deutschen Bahn
AG nicht wiederholen. Aber wir beide als Abgeordnete
des Deutschen Bundestages und ich auch als Parlamenta-
rischer Staatssekretär im zuständigen Ministerium müs-
sen zur Kenntnis nehmen, dass der Bau- und Finanzie-
rungsvertrag zwischen der Deutschen Bahn AG, dem
Land Sachsen und dem Land Sachsen-Anhalt abge-
schlossen wird, sodass wir als Ministerium keinen Ein-
fluss haben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410718800
Vielen
Dank. Wir kommen zur Frage 48 des Abgeordneten
Michelbach. Er ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie
in der Geschäftsordnung vorgesehen.

Die Fragen 49, 50 und 51 sollen schriftlich beantwor-
tet werden.

Wir kommen damit zur Frage 52 des Abgeordneten
Wittlich:

Wann stehen für den Abschnitt der Hüttentalstraße (B 62) von
Siegen-Dreisbach bis zum Mudersbacher Kreisel ausreichend Fi-
nanzmittel für den vorbereitenden Grunderwerb zur Verfügung?

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1410718900
Kol-
lege Wittlich, da für den Bau der B 62 im Bereich Siegen
bis Landesgrenze noch kein Baurecht vorliegt und somit
eine Realisierung bis zum Jahre 2002 nicht ansteht,
konnte diese Maßnahme im Investitionsprogramm 1999
bis 2002 der Bundesregierung nicht berücksichtigt wer-
den.

Eine weitere Anmerkung dazu: Sie sprechen in Ihrer
Frage über den Abschnitt von Siegen-Dreisbach bis zum
Mudersbacher Kreisel. Diese Bezeichnung ist, wie wir
nach Rücksprache mit dem Land und der zuständigen Ver-
waltung wissen, unüblich. Da der Kollege Breuer nicht
anwesend ist, gehe ich davon aus, dass Sie die Abschnitte
4 bis 6, also von Siegen-Weidenau bis Siegen-West und
über Siegen bis zur Landesgrenze, meinen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410719000
Eine
Zusatzfrage, Kollege Wittlich.


Werner Wittlich (CDU):
Rede ID: ID1410719100
Herr Staatssekretär,
das war eine mit der Frage von Herrn Breuer im Zusam-
menhang stehende Frage.

Eine ergänzende Frage dazu: Können Sie definitiv sa-
gen, wann die Maßnahmen für den Weiterbau der B 62 in
den Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswege-
plans wieder aufgenommen werden?

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1410719200
Ih-
nen ist ja bekannt, dass das Planfeststellungsverfahren für
die neue Linienführung zwar im Frühjahr 1999 eingelei-
tet wurde, aber der Planfeststellungsbeschluss erst im
Jahre 2002 erwartet wird. Die Maßnahme hinsichtlich
dieser Bundesfernstraße kann erst im Rahmen der Über-
arbeitung des Bundesverkehrswegeplanes und der Fort-
schreibung des Bedarfsplanes bewertet werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410719300
Frage 53
soll aufgrund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fra-
gestunde schriftlich beantwortet werden.

Damit kommen wir zur Frage 54. Das ist im Übrigen
die letzte Frage, die zur Beantwortung ansteht. Das sage
ich im Hinblick darauf, dass anschließend die Aktuelle
Stunde stattfinden soll.

Ich rufe die Frage 54 des Kollegen Wolfgang Börnsen
auf:

Was beabsichtigt die Bundesregierung vor dem Hintergrund
zu unternehmen, dass nach Schätzungen der Versicherungen die
durch Inlineskater verursachten Schäden auf über 100 Millionen
DM beziffert werden können, um persönliche und materielle
Schäden der rund 12 Millionen Nutzer von Inlineskates in
Deutschland zu reduzieren?






(C)



(D)



(A)



(B)


S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1410719400
Lie-
ber Herr Kollege Börnsen, eine Anfrage beim Gesamt-
verband der Deutschen Versicherungswirtschaft hat
ergeben, dass ein durch Inlineskater verursachter Scha-
densumfang von über 100 Millionen DM nicht bestätigt
werden kann. Es fragt sich auch, ob der Selbstverletzung
bei der Ausübung einer Sportart stets mit Vorschriften
entgegengewirkt werden soll.

Gleichwohl verkennt die Bundesregierung nicht, dass
die geltenden Regeln des Verhaltensrechts – Inlineskates
sind nach § 24 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung „Be-
sondere Fortbewegungsmittel“; ihre Nutzung im öffentli-
chen Verkehrsraum unterliegt den Regeln für den Fußgän-
gerverkehr – von den Skatern weithin missachtet werden,
mit der Folge von Konflikten mit anderen Verkehrsteil-
nehmern. Ob daraus Folgerungen im Sinne einer rechtli-
chen Neuordnung zu ziehen sind, wird derzeit von der
Bundesanstalt für Straßenwesen im Rahmen eines For-
schungsvorhabens „Nutzung von Inlineskates im Straßen-
verkehr“ untersucht. Das Ergebnis sollte nach Auffassung
auch der Landesverkehrsminister abgewartet werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410719500
Zusatz-
frage, Herr Kollege Börnsen? – Bitte schön.


Wolfgang Börnsen (CDU):
Rede ID: ID1410719600
Herr
Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, dass
die Problematik der Inlineskater – die im Augenblick etwa
12 Millionen Personen in Deutschland umfassen und de-
ren Zahl um 1,5 Millionen pro Jahr steigt –, nämlich ob
ein Inlineskater auf den Fußweg oder, bei Geschwindig-
keiten bis zu 50 Stundenkilometer, auf die Straße gehört,
möglichst umgehend gelöst werden muss? Ein Großteil
der Unfälle – es geht ja nicht um die Summe von 100Mil-
lionen DM, der Schaden an Personen und Sachen beträgt
zwischen 90 und 110 Millionen DM jährlich – ist doch
abzuwenden, wenn man Klarheit hat, wo der Skater ei-
gentlich hingehört.

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1410719700
Kol-
lege Börnsen, ich gebe Ihnen insofern Recht. Die Bun-
desregierung hat gehandelt, und zwar nicht erst in diesem
Jahr. Nachdem die Konferenz der Verkehrsminister der
Länder im April 1999 beschlossen hatte, von Neurege-
lungen in der Straßenverkehrsordnung mit dem Ziel der
möglichst konfliktfreien Verkehrsteilnahme von Inline-
skatern abzusehen, bis hinreichend gesicherte Erkennt-
nisse über einen möglichen Regelungsbedarf vorliegen,
hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen die Bundesanstalt für Straßenwesen, die
BASt, mit der Durchführung eines Forschungsvorhabens
zum Inlineskaten im Straßenverkehr beauftragt. Die BASt
hat nach Durchführung und entsprechender Auswertung
des erforderlichen Ausschreibungsverfahrens den For-
schungsauftrag vergeben. Für das Forschungsvorhaben
stellt die Bundesregierung Mittel in Höhe von
200 000 DM über eine Laufzeit von zwei Jahren, nämlich
von September 1999 bis August 2001, bereit.

Nach nochmaliger Rückfrage bei der Bundesanstalt für
Straßenwesen ist zurzeit die Vorerhebung abgeschlossen.
Die Fragebogenaktion wird in den nächsten Wochen an-
laufen. Es sind in erster Linie Großstädte einbezogen. Ich
nenne Bremen, Hamburg, Köln, Dresden, Münster und
München. Aber erst mit gesicherten Erkenntnissen kön-
nen wir eine entsprechende Entscheidung treffen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410719800
Eine wei-
tere Zusatzfrage.


Wolfgang Börnsen (CDU):
Rede ID: ID1410719900
Herr
Staatssekretär, ich weiß um Ihren persönlichen engagier-
ten Einsatz. Das alles ist sehr redlich und hilfreich. Nur,
haben Sie nicht den Eindruck, dass wir uns ein wenig um
die Entscheidung herummogeln, wenn wir jetzt erst ein-
mal die BAST beauftragen, einen Forschungsauftrag zu
formulieren, diesen Forschungsauftrag dann weiter-
reichen usw.? Es besteht eine so große Vielzahl an Kon-
fliktfällen, dass es der Bundesregierung – auch unter Zu-
hilfenahme der Erfahrungen der anderen europäischen
Staaten – doch eigentlich leicht fallen sollte, noch in die-
sem Jahr zu einer Entscheidung zu kommen, zumal – da-
rauf will ich hier auch hinweisen – nach Aussage von Ex-
perten etwa 7 Millionen Skater keine richtige Bremstech-
nik beherrschen, dort also ein Gefahrenpotenzial besteht.
Man muss doch zumindest versuchen, für beide Seiten,
also sowohl für die Skater als auch für die anderen Ver-
kehrsteilnehmer, eine Regelung zu finden, die zu weniger
Konflikten und Problemen führt. Ist in dieser Hinsicht
nicht Handlungsbedarf gegeben?

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1410720000
Ich
stimme der Feststellung von Handlungsbedarf durchaus
zu. Die Bundesregierung hat schon im vorigen Jahr ent-
sprechend reagiert und einen Forschungsauftrag verge-
ben. Aber vor politischen und rechtlichen Entscheidun-
gen – diese können vom Bundestag, von den Ländern, in
diesem Fall mit der Verkehrsministerkonferenz, oder von
der Bundesregierung getroffen werden – müssen Unter-
suchungen stattfinden, und die können nicht in einigen
Monaten abgeschlossen werden. Bislang existiert nur eine
Untersuchung, eine Diplomarbeit, die sich auf Fußgän-
gerbereiche bzw. Radwege bezieht.

Ich will Ihnen einmal nennen, welchen Umfang die ge-
planten Untersuchungen haben: Es wird zum Beispiel un-
tersucht, zu welchem Zweck Inlineskater die Inlineskates
nutzen, wie die Altersverteilung der Nutzer aussieht, wie
das Unfallgeschehen ist, wie groß der Flächenbedarf bei
unterschiedlichen Geschwindigkeiten ist, wie die Gefähr-
dung und Beeinträchtigung von anderen Verkehrsteilneh-
mern zu beurteilen ist und welche Verkehrsanlagen In-
lineskater benutzen. Wenn Sie einmal zu Fuß durch die
Berliner Mitte gehen und Inlineskater beobachten, dann
sehen Sie, dass sie im Vergleich zu Radfahrern einen
größeren Raum benötigen, dass sie praktisch eine Auto-
spur einnehmen. Es wird auch untersucht, welche Ge-
schwindigkeiten in welchen Situationen gefahren werden.
Bei diesen Untersuchungen müssen die unterschiedlichs-






(C)



(D)



(A)



(B)


ten Verkehrsteilnehmer befragt werden, also nicht nur die
Inlineskater selber, sondern auch die Kraftfahrer, die
Fußgänger und die Radfahrer. Insofern muss hier eine
komplexe Untersuchung als Grundlage für politische Ent-
scheidungen dienen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410720100
Die Fra-
gen 55 und 56 sollen schriftlich beantwortet werden.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir sind damit am
Ende der Fragestunde.

Ich rufe Zusatzpunkt 2 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der F.D.P.
Haltung der Bundesregierung zu den steigen-
den Mineralölpreisen und der Forderung nach
Verzicht auf die bzw. Aussetzung derÖkosteuer

Als erster Redner hat der Kollege Rainer Brüderle von
der F.D.P. das Wort.


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1410720200
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Die Wut in der Bevölkerung ist groß.
Die Folgen der hohen Benzinpreise und der Ökosteuer
werden immer bedrohlicher. Die Absatzzahlen der
Automobilindustrie brechen ein. Damit werden Tausende
von Arbeitsplätzen gefährdet. Der Anteil der Steuerbelas-
tung am Benzinpreis von 70 Prozent zeigt, dass hier eine
Zwangsbeglückung erfolgt. Es wird so viel Geld abge-
nommen, dass man den Scheichs nicht klarmachen kann,
dass sie Maß halten sollten. Das kann bei einer Steuerbe-
lastung von 70 Prozent des Benzinpreises kein Schlauch
den Scheichs klarmachen. Weil die Wut in der Bevölke-
rung groß ist, versuchen Sie abzulenken und den
schwarzen Peter einseitig den Mineralölkonzernen und
den Rohölproduzenten zuzuschieben.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Skandalös!)


Sie haben mit der Ökosteuer den berühmten Effekt,
dass das Fass überläuft, erreicht. Die Bevölkerung fühlt
sich abkassiert und abgezockt. Entsprechend ist die Re-
aktion der Bevölkerung. Es ist verständlich, dass sich die
Menschen wehren, wenn sie so einseitig in diesem Um-
fang abgezockt werden.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Die autofeindliche Haltung der Grünen ist hier ganz au-
genscheinlich in Politik umgesetzt worden. Sie verdecken
mit dem Modewort „Ökologie“ dieses Abkassieren. Dies
ist eine zusätzliche Steuerlast. Mit den Einnahmen sollen
die Löcher im Haushalt und bei der Rente gestopft wer-
den. Der Bund der Steuerzahler hat heute eine Berech-
nung bekannt gemacht, nach der nur 70 Prozent dieser Zu-
satzlast in die Rente gehen; der Rest wird für den Haus-
halt verwendet.


(Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)


Dann stülpen Sie diesem Zwangsinstrument Ökosteuer
auch noch das Etikett „sozial gerecht“ über.


(Zuruf von der CDU/CSU: Pfui!)

Dabei wissen Sie genau, dass durch die Ökosteuer ge-

rade die nicht wohlhabenden Teile der Bevölkerung, näm-
lich Rentner, Arbeitslose, Studenten und Auszubildende,
einseitig belastet werden.


(Beifall bei der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD)


Deren Thema sind nicht die Lohnnebenkosten. Es entsteht
hierdurch eine Schieflage.

Immer mehr Sozialdemokraten werden aufgeschreckt
und rufen nach einer höheren Kilometergeldpauschale
und nach Benzingutscheinen für Geringverdienende. Das
ist die Reaktion auf diese Fehlentwicklung. Der selbst er-
nannte „Autokanzler“ Schröder schickt seinen Nachfol-
ger in Niedersachsen, Gabriel, vor, der eine Erhöhung der
Kilometergeldpauschale fordert. Ganz schön subtil, wie
der Bundeskanzler hier vorgeht. Es ist nichts anderes als
eine Distanzierung von der Ökosteuer, wenn die Sozial-
demokraten nach einer höheren Kilometergeldpauschale
und nach Benzingutscheinen für Geringverdiener rufen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Susanne Kastner [SPD]: Glauben Sie eigentlich selber, was Sie da sagen?)


Offensichtlich haben Sozialpolitiker, Wirtschaftspolitiker
und Umweltpolitiker in der SPD erkannt: Die Ökosteuer
ist eine Fehlentscheidung gewesen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)

Wenn selbst der Umweltexperte Ernst Ulrich von
Weizsäcker für eine Aussetzung der Ökosteuer plädiert,


(Zustimmung bei der F.D.P.)

müsste auch der letzte Genosse kapieren, dass man hier et-
was Falsches gemacht hat, was man revidieren muss.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Lediglich die Grünen mit ihren ideologischen Scheu-
klappen halten unverändert an der Ökosteuer fest. Herr
Schlauch versucht, wie die grüne Hauspostille, die „taz“,
schreibt, Gummi zu geben. Plötzlich entdeckt er, dass das
Auto nicht der Volksfeind Nummer eins ist, sondern ein
vernünftiges Instrument für Mobilität. Herr Kuhn, der
Möchtegern-Vorsitzende, sagt, dass der Rückzug von der
Ökosteuer dummes Zeug ist. Hier wird die Verblendung
deutlich. Die Grünen treten auf die Innovationsbremse.
Weil die Bürger immer mehr Geld für Benzin ausgeben
müssen, können sie kein neues Auto kaufen, das die Um-
welt weniger belastet, das weniger Emissionen ausstößt.
Deswegen gehen die Umsatzzahlen auch zurück.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Die Fahrzeugflotte wird nicht moderner. Vielmehr wer-
den die alten Schleudern länger gefahren, weil man
diesen Fehlweg hier eingeschlagen hat. Sie als Sozialde-
mokraten sollten Ihre Verpflichtung Ihren Wählern




Parl. Staatssekretär Siegfried Scheffler

10059


(C)



(D)



(A)



(B)


gegenüber endlich ernst nehmen und sich aus der babylo-
nischen Gefangenschaft grüner Ideologie befreien.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Der Kanzler sollte sein Versprechen, das er vor der Wahl
gegeben hat, den Benzinpreis um maximal 6 Pfennig zu
erhöhen, erfüllen und nicht diese ideologische Ökosteuer
mittragen.

Schaffen Sie die Ökosteuer ab! Setzen Sie auf eine
Selbstverpflichtung der Wirtschaft. Übernehmen Sie das
F.D.P.-Konzept, die Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer
umzulegen, damit ökologisch wirklich etwas erreicht
wird. Die Umwelt, die geschröpften Arbeitnehmer und
die Wirtschaft werden es Ihnen danken. Haben Sie die
Kraft, eine Fehlentscheidung zu korrigieren. Nehmen Sie
nicht so viele Arbeitnehmer und sozial Schwache in Gei-
selhaft grüner Ideologie.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD – Dirk Niebel [F.D.P.]: Die Grünen sind schuld! – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Die SPD genauso!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410720300
Das Wort
hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist eigentlich der Bundeskanzler?)



Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1410720400
Herr Präsident! Meine sehr verehr-
ten Damen und Herren! Als ich Herrn Brüderle eben
zuhörte, war ich erstaunt und fasziniert: Denn in so kur-
zer Zeit so viel Falsches so polemisch vorzutragen, das ist
schon ein Kunststück.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das schafft man eigentlich sonst nur bei der Veranstal-
tung, die wir gelegentlich gemeinsam besuchen, nämlich
bei der Mainzer Karnevalssitzung.


(Rainer Brüderle [F.D.P.]: Sie sollten Ihren eigenen Ministerpräsidenten ernster nehmen! Das hat Herr Beck nicht verdient! – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Den kleinen Leuten ist nicht zum Lachen, Herr Diller!)


Sie haben mir als Wirtschaftsminister meines Bundes-
landes, in dem Sie auch für den Weinbau zuständig waren
und die Weinköniginnen in unserem Lande geküsst haben,
viel besser gefallen als hier.

Zur Sache: Die Forderung der Opposition nach Aus-
setzung oder gar Abschaffung


(Zuruf von der F.D.P.: Ist sehr vernünftig!)

der weiteren Stufen der ökologischen Steuerreform auf-
grund der derzeit hohen Mineralölpreise ist kurzsichtig,
widersprüchlich und reiner Populismus.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verlogen ist es auch noch!)


Zunächst ist festzustellen, dass die Benzinpreiserhöhun-
gen seit In-Kraft-Treten der ökologischen Steuerreform
im April 1999 nur zu einem geringen Teil auf die Er-
höhung der Mineralölsteuer zurückzuführen sind.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: 18,6 Pfennig sind steuerbedingt! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das war der Treibsatz!)


Insgesamt hat sich der Benzinpreis in den zurückliegen-
den Monaten – je nachdem, was und wo man tankt – um
circa 50 bis 60 Pfennig pro Liter erhöht. Die Erhöhung der
Mineralölsteuer in diesem Zeitraum beträgt jedoch nur
12 Pfennig; rechnet man die Mehrwertsteuer noch hinzu,
sind es insgesamt 14 Pfennig.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das reicht!)

Daraus wird ersichtlich, dass für den Benzinpreisanstieg
nicht die maßvolle Steuererhöhung dieser Bundesregie-
rung verantwortlich ist,


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ein Drittel ist steuerbedingt!)


sondern der Preis im Wesentlichen von der Entwicklung
auf den internationalen Rohölmärkten und vom Dollar-
kurs bestimmt wird.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ein Drittel ist steuerbedingt!)


Die Forderung der Opposition ist nichts anderes als
steuerpolitischer Aktionismus. Unsere Steuer- und Haus-
haltspolitik, Herr Kollege Brüderle, wird sich nicht kurz-
fristig von der aktuellen Marktlage bestimmen lassen,
sondern sie wird auch künftig verlässlich und berechen-
bar bleiben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Und das Versprechen des Kanzlers?)


Ein Verzicht auf die Ökosteuer würde bei Ihnen im Übri-
gen natürlich noch die fällige Antwort auf die Frage aus-
lösen müssen: Was machen wir denn dann mit der Ren-
tenkasse? Darauf schweigen die Herren.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ein Quatsch! – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Der Weg war von Anfang an falsch!)


In dem Moment, wo die Ökosteuer nicht mehr zur Finan-
zierung der Rentenversicherung beiträgt, haben Sie sofort
die Frage zu beantworten: Wie verhindern Sie eine Bei-
tragssatzsteigerung in der Rente?


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das haben wir euch doch prophezeit!)


Eine mit den Benzinpreisen schwankende Mineralöl-
steuer würde im Übrigen letztlich einer Einladung an die
Mineralölindustrie gleichkommen, zulasten des Fiskus an
der Preisschraube zu drehen. Eine derartige Steuerpolitik
wäre völlig unberechenbar und damit unverantwortlich
und ist mit uns nicht zu machen.


(Beifall bei der SPD)





Rainer Brüderle
10060


(C)



(D)



(A)



(B)


Aus der Zeit der Regierungsverantwortung der F.D.P. –
Sie selbst waren da nicht im Deutschen Bundestag und
auch nicht in der Regierung – gab es ganz gewiss keine
langfristige Perspektive hinsichtlich der Energiebesteue-
rung. Uns ist kein Fall bekannt, dass eine Erhöhung der
Mineralölsteuer in Ihrer Regierungsverantwortung in
Bonn unter dem Eindruck von Preiserhöhungen je
zurückgenommen worden ist. Sie selbst, Herr Brüderle,
verantworten vielmehr mit der F.D.P. und der CDU/CSU
Mineralölsteuererhöhungen von 50 Pfennig pro Liter al-
lein zwischen 1989 und 1994.


(Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

Das waren die größten Preiserhöhungen, die es je gegeben
hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die ökologische Steuerreform hingegen dient nicht
dazu, kurzfristig Haushaltslöcher zu stopfen. Herr
Brüderle, ich würde Sie – weil ich Sie ansonsten weiter-
hin schätzen möchte – bitten,


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Keine Drohung bitte! Das war eine Drohung, Herr Diller!)


zumindest Ihre Falschaussage in diesem Punkt zurückzu-
nehmen. Der ökologischen Steuerreform liegen folgende
langfristigen Ziele zugrunde: Durch Verteuerung – und
zwar maßvolle Verteuerung – der Energie soll ein Anreiz
zum sparsameren Umgang mit Energieressourcen und da-
mit zum Schutz der Umwelt erreicht werden. Das dadurch
erzielte steuerliche Mehraufkommen wird unabhängig
von der in Arbeit befindlichen umfassenden Reform der
Rentenversicherung zur Senkung der Rentenversiche-
rungsbeiträge verwendet, um so den Faktor Arbeit zu ver-
billigen und durch die Senkung der Lohnnebenkosten
neue Arbeitsplätze zu schaffen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Auf Kosten der Rentner und Studenten!)


Beide Ziele sind nur zu erreichen, wenn die ökologische
Steuerreform wie geplant fortgesetzt wird. Die Einnah-
men aus der Ökosteuer sind unverzichtbar, um die Ren-
tenversicherungsbeiträge weiterhin niedrig zu halten und
weiter zu senken.

CDU und CSU hatten in früheren Jahren bereits er-
kannt, dass durch das Steuer- und Abgabensystem die Ar-
beit zu teuer sei, aber Energie und Rohstoffe, an denen ge-
spart werden müsse, zu billig zu haben seien. Im Oktober
1997 hielt Frau Merkel – damals in ihrer Eigenschaft als
Umweltministerin der Regierung Kohl – auf dem um-
weltpolitischen Forum der Thüringer CDU die Forderung
einer jährlichen Anhebung der Mineralölsteuer um etwa
5 Pfennig für angemessen.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau, das hat sie öfter gesagt!)


Im November 1998 äußerte sich der heutige Fraktions-
vorsitzende der CDU/CSU, Herr Kollege Merz – viel-
leicht ist er deswegen auch nicht da, weil ihm das Thema
peinlich ist –,


(Zurufe von der CDU/CSU: Der Kanzler ist nicht da! – Und wo ist der Finanzminister?)


im „Morgenmagazin“ wie folgt – ich zitiere ihn –:
Durch die Ökosteuern sollen Steuereinnahmen er-
zielt werden, um auf der anderen Seite Sozialabga-
ben zu reduzieren. Über ein solches Konzept kann
man reden ...

So Herr Merz damals.

(Beifall bei der SPD – Susanne Kastner [SPD]: Jetzt regt ihr euch hier auf!)


Merkwürdig, dass er von diesen Aussagen heute nichts
mehr wissen will.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben alle Gedächtnisschwund!)


Durch die Besteuerung des Energieverbrauchs und die
Senkung der Rentenversicherungsbeiträge wird der Ra-
tionalisierungsdruck vom Faktor Arbeit weggenommen
und auf den Faktor Umwelt- und Ressourcenverbrauch
verlagert. Dies ist ein marktwirtschaftliches Instrument
moderner Umwelt- und damit auch Technologie- und In-
dustriepolitik, das unseren Strukturwandel fördern und
neue Arbeitsplätze schaffen soll. Mit der Verzahnung von
Umwelt- und Wirtschaftspolitik stellt sich die Bundesre-
gierung dieser Verantwortung für die künftigen Genera-
tionen.

Die stetige, maßvolle Ausrichtung der Ökosteuerre-
form gibt den Unternehmen die erforderliche Gelegenheit
und Zeit, neue energiesparende Verfahren zu entwickeln,
Techniken zu erforschen und Innovationen für ener-
giesparende Investitionen zu tätigen. Die deutsche Wirt-
schaft wird auf nachhaltige Produkte und nachhaltige Pro-
duktionsverfahren umorientiert. Damit kann sie sich für
die Zukunft wappnen, in der mit weit größeren Ressour-
cenknappheiten umgegangen werden muss.

Wir werden diesen Weg fortsetzen; denn er hilft unse-
rem Land, das modernste in der Welt zu werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das glaubst du aber nur allein!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410720500
Als
nächster Redner hat das Wort der Kollege Norbert Barthle
von der CDU/CSU-Fraktion.

Norbert Barthle (CDU/CSU) (von Abgeordneten der
CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Sehr geehrter Herr Präsi-
dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir dis-
kutieren heute in diesem Hause nicht zum ersten Mal über
die so genannte Ökosteuer;


(Zuruf von der CDU/CSU: Leider wahr!)

Herr Staatssekretär Diller, wenn Sie diesen Unfug nicht
bald dorthin befördern, wo er hingehört, nämlich auf den
zwar noch jungen, aber schon üppig blühenden Friedhof
der unsinnigen rot-grünen Steuergesetze, wird es auch
nicht das letzte Mal sein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)





Karl Diller

10061


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Menschen in unserem Land sind wütend über die
unaufhaltsam steigenden Benzinpreise.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Genauso ist das!)


Jetzt versucht der Herr Bundeskanzler, diesen Zorn auf
die Mineralölunternehmen umzulenken.


(Iris Gleicke [SPD]: Die Armen!)

Zugegeben: Das ist raffiniert, aber es wird nicht funktio-
nieren;


(Beifall bei der CDU/CSU)

denn 70 Prozent des Benzinpreises sind Steuern und
durch die weiteren Stufen der Ökosteuer wird dieser An-
teil noch erhöht. Das können Sie nicht leugnen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Immer auf die kleinen Leute!)


Sehr durchsichtig ist auch der Versuch des Bundes-
kanzlers, das Bundeskartellamt für sein Ablenkungs-
manöver zu missbrauchen. Dieses Amt hat die Konzerne
aber wegen Preisdumping und nicht wegen Preistreiberei
abgemahnt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Der einzige zuverlässige und genau berechenbare
Preistreiber bei diesem Thema ist die rot-grüne Bundes-
regierung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Aus seiner selbst gestellten Falle – 6 Pfennig: Ende der
Fahnenstange – kommt der Herr Bundeskanzler so nicht
mehr heraus, es sei denn, er hat eine ausfahrbare Fahnen-
stange.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Der 6-Pfennig-Bundeskanzler!)


Bis zum Jahre 2003 werden wir noch drei Mal 6 Pfennig
Steuererhöhung plus Mehrwertsteuer erleben, noch min-
destens drei Mal wird der berechtigte Zorn der Bürger
über die rot-grüne Bundesregierung hereinbrechen, weil
sie schamlos abkassiert werden.


(Wolfgang Börnsen Der 6-Pfennig-Bundeskanzler!)


Erst dann, sagt der SPD-Generalsekretär, Herr Müntefering,
könne die Ökosteuer zur Debatte stehen. Herr Müntefering,
das überzeugt nicht. Im Gegenteil: Schlechte Gesetze
kann man jederzeit abschaffen. Wir helfen Ihnen sogar da-
bei, versprochen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Man kann nicht nur, man muss sogar!)


Denn die Leidtragenden dieser Augen-zu-und-durch-Po-
litik sind allein die Bürger und Unternehmen am Standort
Deutschland.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ökosteuer ist und
bleibt unlogisch und unsozial.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)

Sie wollten damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen,
hieß es.


(Susanne Kastner [SPD]: Was wollen Sie dann?)


Großspurig sprachen Sie von der doppelten Dividende:
Tue Gutes für die Umwelt und schaffe neue Arbeitsplätze.


(Susanne Kastner [SPD]: Was wollen Sie? Eine Steigerung der Rentenbeiträge?)


Davon ist nichts, aber auch gar nichts übrig geblieben. Die
Entlastung der Unternehmen durch die Senkung des Ren-
tenversicherungsbeitrags wird durch die Mehrkosten
längst wieder aufgefressen. Durch diese Steuer entsteht
kein einziger neuer Arbeitsplatz. Das wissen Sie genau.
Ein Fuhrunternehmer aus meinem Wahlkreis hat mir ge-
sagt, dass er allein durch die Ökosteuer Mehrkosten in
Höhe von 30 000 DM pro Monat hat.


(Zuruf von der SPD: Da hat er aber viele Autos!)


Der Mann überlegt sich, ob er Mitarbeiter entlassen muss.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

Was ist mit dem ökologischen Lenkungseffekt? Wie

denn? Wo denn? Die Besteuerung setzt eben nicht am
Schadstoffgehalt an, sondern lässt willkürlich Ausnah-
men gerade im energieintensiven Bereich zu. Dies führt
zu ebenso willkürlichen überdurchschnittlichen Belastun-
gen einiger Wirtschaftszweige und natürlich auch der pri-
vaten Verbraucher.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Und des ÖPNV!)


Haben Sie denn den Strom aus erneuerbaren Energie-
quellen freigestellt? Haben Sie die Unternehmen des öf-
fentlichen Personennahverkehrs begünstigt? – Fehlan-
zeige.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich haben wir das!)


Das ökologische Mäntelchen passt hinten und vorne
nicht, es ist blanke Augenwischerei, nein: Abzockerei.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt anscheinend noch gar nicht gemerkt, was wir alles gemacht haben!)


Die Ökosteuer ist unlogisch und unsozial. Alle werden
zur Kasse gebeten, um die Rentenkasse zu sanieren. Aber
was ist mit den Rentnern? Was ist mit den Arbeitslosen?
Was ist mit den Studenten und vor allem den Familien?
Sie profitieren nur minimal von der Senkung dieser Ne-
benkosten.


(Susanne Kastner [SPD]: Aber bei euch hätten sie mehr bezahlen müssen!)





Norbert Barthle
10062


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Rechnung, die Sie aufmachen, ist deshalb eine
Milchmädchenrechnung. Jede Erhöhung des Benzinprei-
ses trifft zuerst und am härtesten den kleinen Mann, die
Familien, die Rentner, die sozial Schwachen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Die Jungen!)


Gerade die Bezieher niedriger Einkommen haben nicht
die Möglichkeit, ihre Aufwendungen steuerlich geltend
zu machen.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das soll sozial sein?)


Die Menschen in den strukturschwachen Gebieten in
Deutschland brauchen als Pendler dringend das Auto.
Aber was hört man dazu von den SPD-Ministerpräsiden-
ten?


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hört man von Herrn Koch?)


Zur Beruhigung der Pendler soll die Kilometerpauschale
erhöht werden. Ich halte das – mit Verlaub – für steuerpo-
litischen Schwachsinn, für geradezu grotesk.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Erst die Steuern zu erhöhen und dann die Subventionen zu
verteilen ist vielleicht sozialdemokratische Umvertei-
lungspolitik, aber das ist alles andere als logisch.
Bekämpfen Sie nicht die Symptome, sondern kurieren Sie
die Ursachen und schaffen Sie die Ökosteuer ab. Dann
wird ein Schuh daraus.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410720600
Herr Kol-
lege, kommen Sie bitte zum Schluss.


Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1410720700
Ich komme zum
Schluss und nenne das Kind beim Namen: Ihre Ökosteuer
ist nichts anderes als eine Benzinpreiserhöhungssteuer. Es
wäre nur gerecht, wenn Sie wenigstens einen Teil dessen,
was Sie abkassieren, an die Autofahrer zurückgeben wür-
den. Geben Sie von den durch die getätigten Erhöhungen
bereits erzielten Einnahmen wenigstens 5 Pfennig pro Li-
ter Benzin für den Ausbau von Autobahnen und Bundes-
fernstraßen aus, dann wäre uns allen geholfen. Herr Bun-
deskanzler Schröder lässt sich als Autokanzler feiern. Der
Kollege Rezzo Schlauch –


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410720800
Herr Kol-
lege Barthle, Ihre Redezeit ist beendet. Kommen Sie zum
Schluss.


Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1410720900
– muss sich als Benzin-
Schlauch bezeichnen lassen. Der eine hat einen Ruf zu
verteidigen, beim anderen ist er schon ruiniert. Also han-
deln Sie entsprechend und schaffen Sie die Ökosteuer ab!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Bürger, merkt es endlich mal, die SPD ist unsozial! – Heiterkeit bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410721000
Als
nächster Redner hat der Kollege Reinhard Loske vom
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410721100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit
Montag treffen sich in Bonn 2000 Klimaexperten aus 150
Ländern zur Vorbereitung der nächsten Vertragsstaaten-
konferenz der Klimarahmenkonvention. Diese Klimaex-
perten treffen sich aus gutem Grund, denn die Klimaver-
änderungen nehmen dramatische Ausmaße an, wie uns
die Wissenschaft vorrechnet.

Seit 100 Jahren werden Temperaturen gemessen. Die
sieben heißesten Jahre in diesem Zeitraum liegen in den
90er-Jahren. Jedes Jahr haben wir einen Zuwachs an Re-
kordtemperaturen. Die Wissenschaft weist uns immer
deutlicher darauf hin, dass wir zu viele fossile Energieträ-
ger verbrennen. Wenn wir so weitermachen, lassen wir
diesen Planeten als Wüste zurück.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Und deshalb schaffen wir die Atomkraftwerke ab und ersetzen sie durch Kohlekraftwerke!)


Daraus resultiert klimapolitischer Handlungsbedarf.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ausstieg aus der Automobilindustrie!)

Diese Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die
CO2-Emissionen bis zum Jahre 2005 um 25 Prozent zusenken. Dieses Ziel stammt – das wissen Sie vielleicht –
noch aus der Zeit der alten Regierung. Als das Klima-
schutzprogramm 1995 von Frau Merkel vorgelegt wurde,
hieß es wörtlich:

Alle vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchun-
gen gehen davon aus, dass das (Klimaschutz)-Ziel
mit den bereits bisher verabschiedeten ... Instrumen-
ten nicht erreicht werden kann. Vor diesem Hinter-
grund ist die Einführung einer CO2-/Energiesteuerein notwendiges Element der nationalen Klima-
schutzpolitik.

Das war die Zeit des klimapolitischen Konsenses in
Deutschland. Man kann nur sagen: Es ist eine Schande,
dass eine Partei wie die CDU, die sich auch als wertkon-
servativ bezeichnet, die Ziele des Klimaschutzes so dem
blanken Populismus opfert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren von der Union, Sie haben
sich von der Sachorientierung wegbewegt, hin zur blan-
ken Polemik, und Sie haben sich wegbewegt von der Zu-
kunftsvorsorge, hin zur blanken Diktatur des Hier und
Jetzt. Das ist Ihre Politik; die machen wir nicht mit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der CDU/CSU)





Norbert Barthle

10063


(C)



(D)



(A)



(B)


Warum brauchen wir eine ökologische Steuerreform?
Man muss es vielleicht noch einmal ganz kurz sagen, weil
Sie es offenbar nie kapieren. Auf der einen Seite müssen
sich die externen Effekte, die Waldschäden, die Klima-
schäden und die Gesundheitsschäden, im Preis spiegeln.


(Zuruf von der CDU/CSU: Aber es steigt doch keiner um!)


Auf der anderen Seite muss man immer wieder darauf
hinweisen, dass fossile Energieträger ein knappes, ein
endliches Gut sind. Mit dem, was wir machen, verprassen
wir innerhalb weniger Jahrzehnte das, was die Natur in
Jahrmillionen angelegt hat.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ihre Ideologie ist das Problem!)


Wenn das eine Politik sein soll, die mit Zukunftsvorsorge
zusammengehen soll, dann kann ich nur sagen: Gute
Nacht, Deutschland, wir haben die konservative Partei,
die wir verdient haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Da gehen alle Lichter aus!)


Die Industriegesellschaft hängt am Öl wie der Junkie
an der Nadel. Das ist ein Problem; das wissen wir alle.
Weil das so ist, müssen wir schnell von dieser Abhängig-
keit wegkommen. Alles, was Anreize zur Energieein-
sparung gibt, ist sinnvoll. Die aufkommensneutrale öko-
logische Steuerreform ist eine solche Maßnahme.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wo ist die denn aufkommensneutral?)


Wenn Sie einmal ganz kurz innehalten und nur Ihren
volkswirtschaftlichen Sachverstand walten lassen, dann
ist doch das, was wir jetzt machen, der ökologische Struk-
turwandel, nichts anderes als die Substitution von Ölim-
porten durch inländischen Ingenieursverstand, durch in-
ländische Handwerksleistung und durch inländische In-
dustrieproduktion. Das ist doch nur gut für den Standort
Deutschland und nicht schlecht. Ich bitte Sie!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD –Zuruf von der CDU/CSU: Da braucht ihr doch nicht die Steuern zu erhöhen!)


Das erkennt im Übrigen zunehmend auch die Automo-
bilindustrie. Es ist mir wirklich ein Genuss, die dpa-Mel-
dung von heute jetzt hier vorlesen zu dürfen, die unter fol-
gender Überschrift steht:

Autohersteller befürchten trotz Ökosteuer keine
Produktionskrise.

Jetzt zitiere ich wörtlich erstens die Sprecherin von
DaimlerChrysler. Sie sagt:

Wir forcieren die Arbeiten zur Optimierung des Ver-
brauchs.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das ist genau die richtige Firma! Der kleine Mann kann sich kein Auto mehr kaufen!)


Ich zitiere zweitens den BMW-Sprecher, der Folgen-
des sagt:

Der Kunde hat angesichts der steigenden Benzin-
preise die Möglichkeit, sich für sparsame Pkws zu
entscheiden, und er tut es auch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das ist das zweite Zitat.

Als Dritter wird der VW-Sprecher zitiert. Dort heißt es:
Positiv auf den Absatz wirke sich ferner aus, dass
Volkswagen drei Modelle mit einem ausgesprochen
niedrigen Kraftstoffverbrauch in seinem Programm
hat.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] Das ist eine Pressemeldung, die heute über die Ticker geht. Mercedes, BMW und Volkswagen haben offenbar wesentlich weniger Probleme mit diesem Ansatz, ganz im Gegenteil: Sie nutzen ihn zur Entwicklung von strategischen Geschäftsoptionen. Nur Sie kapieren das nicht. Das ist Ihr Problem. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Marktwirtschaft!)


Zum Schluss möchte ich doch noch einmal auf etwas
verweisen. Ich meine, dass bei den Spaßliberalen in die-
ser Richtung nichts zu erwarten ist, ist klar.


(Marita Sehn [F.D.P.]: Na, na, na!)

Aber wie sehr ist denn Ihr Staatsverständnis auf den

Hund gekommen, meine Damen und Herren von der kon-
servativen Partei,


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Tiervergleiche sind nicht zulässig!)


wenn der Staat sich davon abhängig machen soll, wie die
Preispolitik bestimmter Konzerne ist? Wollen wir denn
demnächst die Finanzbeamten am Fuße der Preistafeln
postieren, damit sie schnell durchfunken, ob wir die Steu-
ern herauf- oder heruntersetzen sollen? Was für ein Staats-
verständnis ist das?


(Zuruf von der CDU/CSU: So ein Blödsinn!)

Das ist doch unglaublich naiv.

Ich will Ihnen zum Schluss auch nicht ersparen – ich
bin sofort fertig, drei Sekunden noch –, Wirtschaftsfor-
scher vom Rheinisch-Westfälischen Institut aus Essen,
aus meinem Land, zu zitieren. Es ist nicht besonders be-
kannt für seine Regierungsfreundlichkeit; es ist ein gutes,
neutrales Institut. Ich zitiere wörtlich, Tickermeldung von
heute:

Ein Verzicht auf eine weitere Anhebung der Öko-
steuer könnte in den kommenden fünf Jahren fast




Dr. Reinhard Loske
10064


(C)



(D)



(A)



(B)


eine halbe Million Arbeitsplätze in Deutschland kos-
ten.

Kapieren Sie das bitte endlich!
Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Je höher die Steuer, desto mehr Arbeitsplätze! Herzlichen Glückwunsch zu dieser epochalen Erkenntnis! Epochal! – Gegenruf des Abg. Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Mein Gott, was ist das für ein Schwätzer? – Detlev von Larcher [SPD]: Wie heißt der Schwätzer? – Weiterer Zuruf der SPD: Der Schwätzer heißt Schauerte!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410721200
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Dr. Barbara Höll von
der PDS-Fraktion das Wort.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1410721300
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Herr Loske, wir haben leider auch eine
rot-grüne Regierung bekommen, die wir nicht verdient
haben, denn Sie haben eine grottenschlechte Ökosteuer
gemacht. Das ist das Problem.


(Zuruf von der CDU/CSU: Oh!)

Dass jetzt die F.D.P. diese Situation ausnutzt und nicht

nur die schlechte Qualität der Ökosteuer kritisiert, son-
dern versucht, den Grundgedanken einer ökologischen
Besteuerung zu verunglimpfen, das ist von ihrer Position
aus nachvollziehbar.


(Rainer Brüderle [F.D.P.]: Haben wir ja gar nicht!)


Das Tragische ist aber, dass Sie so schlecht gearbeitet ha-
ben.


(Beifall bei der PDS)

Ihre Ökosteuer ist ein Etikettenschwindel. Das stimmt

leider. Sie ist weder ökologisch noch sozial.

(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt die CSU auch immer, und trotzdem ist es nicht wahr!)


Sie ist ökologisch schlecht. Das haben wir von Anfang an
kritisiert. Diese Ökosteuer ist schlecht, weil sie die Art
und Weise der Energieerzeugung nicht angemessen
berücksichtigt. Bei der Produktion werden die energiein-
tensiven Bereiche nicht in adäquater Weise herangezogen.
Sie nutzen die Ökosteuer nicht zum ökologischen Umbau
der Gesellschaft, sondern nur zur Schließung von Haus-
haltslücken.


(Beifall bei der PDS – Rainer Brüderle [F.D.P.]: Jawohl!)


Da Ihre Ökosteuer nicht ökologisch ist, ist sie unsozial.
Sie nutzen die durch die Ökosteuer erzielten Mehreinnah-
men – im vergangenen Jahr etwa 8Milliarden DM, in die-
sem Jahr rechnen wir mit 12 Milliarden DM – nicht zum
Umbau der Gesellschaft. Die Bürgerinnen und Bürger

dieses Landes sind zu Recht wütend, da sie keine Mög-
lichkeit haben, auf andere Beförderungsmittel umzustei-
gen.

Ich nenne als Beispiel Annaberg-Buchholz in Sachsen:
In diesem Jahr werden in Sachsen 120 Streckenkilometer
der Bahn stillgelegt. Annaberg-Buchholz, eine Stadt mit
30 000 Einwohnern, wird in diesem Jahr die erste Stadt in
Sachsen sein, die keine Schienenanbindung mehr hat.
Manche Arbeitslose werden das Glück haben, vom Ar-
beitsamt in Annaberg-Buchholz eine neue Arbeitsstelle
vermittelt zu bekommen. Arbeitslosen, denen das nicht
gelingt, haben – drei Stunden Wegezeit ist ja zumutbar, da
auch die rot-grüne Regierung von den Arbeitslosen Mo-
bilität verlangt – keine andere Chance, als auf den Bus
oder auf den privaten Pkw auszuweichen. Das macht
natürlich Bürgerinnen und Bürger wütend.


(Beifall bei der PDS)

Der ÖPNV rechnet allein bis zum Jahre 2003 aufgrund

der Ökosteuer mit Mehrausgaben von über 400 Milli-
onen DM. Dafür muss ein Ausgleich geschaffen werden.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Beim ÖPNV gibt es Preiserhöhungen!)


Das wäre eine ökologische Lenkungswirkung, die tat-
sächlich funktionieren würde. Soziale Gerechtigkeit ist
die Grundvoraussetzung dafür, dass die Bevölkerung den
ökologischen Umbau der Gesellschaft, der absolut not-
wendig ist, auch tatsächlich mitmacht. Das ist die Ziel-
stellung, die Sie durch Ihre schlechte Arbeit leider diskre-
ditiert haben.

Es ist natürlich klar und wurde vorhin schon gesagt –
die F.D.P. hat es etwas spät erkannt, wir haben es von An-
fang an kritisiert –, dass Sie natürlich mit der Ökosteuer
viele Menschen belasten, ohne sie gleichzeitig zu entlas-
ten. Arbeitslose, Rentner und Rentnerinnen sowie Fami-
lien mit Kindern haben eine Verbrauchsteuererhöhung
hinzunehmen, ohne eine Gegenfinanzierung zu erhalten.
Nicht nur, dass Rentnerinnen und Rentner von der Sen-
kung der Rentenbeiträge nicht profitieren können: Sie ha-
ben sie durch die Abkopplung von der Nettolohnentwick-
lung in diesem Jahr doppelt bestraft.


(Beifall bei der PDS – Susanne Kastner [SPD]: Ihr müsst euch keine Gedanken machen, wer das bezahlt!)


Das ist die Realität, der Sie sich stellen müssen.
Der Gipfel des Ganzen sind natürlich jetzt die Vor-

schläge zur Kilometerpauschale. Wir sind vielleicht die
einzigen, die noch ab und zu in den Koalitionsvertrag
gucken. Man könnte das ja auch von Ihren Ministerpräsi-
denten erwarten. In den Vorschlägen ist immerhin noch
die Rede von einer verkehrsmittelunabhängigen Entfer-
nungspauschale. Nun frage ich mich: Warum ist das noch
nicht durchgesetzt? Warum fassen Sie das nicht an? Die
Forderung, jetzt nur die Kilometerpauschale zu erhöhen,
ist natürlich Blödsinn. Es bedeutete eine weitere Stärkung
für das Auto und würde sich nur auf Steuerzahler und
Steuerzahlerinnen auswirken. Auch viele Arbeitslose




Dr. Reinhard Loske

10065


(C)



(D)



(A)



(B)


haben ein Auto und würden wiederum keinen Ausgleich
erhalten.

Dieser Weg kann nicht richtig sein. Es ist notwendig,
eine ökologische Steuerreform anzugehen, die diesen Na-
men verdient. Dazu fordern wir eine Steuer auf fossile
Primärenergieträger. Wir fordern weiterhin, die Einnah-
men aus einer ökologischen Steuerreform für den ökolo-
gischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft, für In-
vestitionen in den öffentlichen Personennahverkehr und
für die Entwicklung effizienter Verfahren zur Energieer-
zeugung zu verwenden. Setzen Sie die jetzige ökologi-
sche Steuerreform aus und fangen Sie endlich mit einer
richtigen und sachgerechten Ökosteuer an! Als Sofort-
maßnahme böte sich an, den ÖPNV von der Ökosteuer zu
befreien.


(Beifall bei der PDS)

Das wäre ein richtiger Weg und ein klares Zeichen dafür
gewesen, dass Sie wenigstens gewillt sind, eine Alterna-
tive zu bieten, statt nur Ihrem Kanzler als Kanzler aller
Autokonzerne zu folgen.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410721400
Als
nächster Redner hat der Kollege Wolfgang Grotthaus von
der SPD-Fraktion das Wort.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Hoffentlich kommt Pfingsten über Sie der Heilige Geist, dass Sie dann ein bisschen vernünftiger werden!)



Wolfgang Grotthaus (SPD):
Rede ID: ID1410721500
Das wollte ich Ihnen,
Herr Schauerte, gerade empfehlen. Hoffentlich kommt
der Heilige Geist über Sie, damit er ein bisschen Verstand
hereinbringt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Grotthaus, das war grottenschlecht!)


Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Sie haben heute bei dieser Fragestunde erlebt, wo
sich demnächst die Koalitionen anzusiedeln scheinen:
Die PDS, die CDU und die F.D.P. scheinen auf einer Li-
nie zu liegen. Die F.D.P. orientiert sich langsam um.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Bei der Geschichte, die ihr mit der PDS habt, seid ihr ganz leise!)


Ich kann Ihnen nur empfehlen: Richten Sie sich ein biss-
chen nach der PDS, sodass Sie dann einen neuen Koaliti-
onspartner bekommen. Das deutet sich in Ihren Beiträgen
an.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Sie haben doch die PDS schon als Koalitionspartner!)


Ich will Ihnen eines in aller Deutlichkeit sagen: Ihre
Stimmungsmache gegen die Ökosteuer ist populistisch
und infam. Ich will das aufgreifen, was der Kollege
Brüderle gesagt hat; denn Sie – er sitzt da hinten – haben
die Ursache für die hohen Kraftstoffpreise nicht genannt.
Wenn man damit offen umgeht, muss man die Ökosteuer
bei der Erhöhung der Preise einbeziehen. Richtig wäre es
gewesen, wenn der Kollege Brüderle auch die niedrige
Förderquote der OPEC-Länder, den gestiegenen Dollar-
kurs und die undurchsichtige Preispolitik der großen Öl-
konzerne genannt hätte.


(Beifall bei der SPD)

So sind Sie, Herr Kollege Brüderle, zu kurz gesprun-

gen. Sie sind populistisch deswegen – das zeigen Ihre
Beiträge deutlich –, weil Sie die Meinungshoheit über den
Stammtischen erobern wollen. Uns wäre es lieb gewesen,
wenn Sie sinnvolle Vorschläge gemacht hätten, wie die
Zielsetzung der Ökosteuer mit anderen Mitteln erreichbar
gewesen wäre. Das ist aber nicht der Sinn dieser Aktuel-
len Stunde.


(Zuruf von der CDU/CSU: Unsinn macht nicht Verbesserung!)


Der Sinn dieser Aktuellen Stunde ist, die Meinungshoheit
über den Stammtischen zu erreichen. Ich finde es gera-
dezu einen Witz, wenn der Vertreter der Partei, die sich in
den zurückliegenden Jahren immer als Mittelstandspartei
bezeichnet hat, als Vertreter der kleinen Leute auftritt,
wenn sie deutlich machen will, dass sie das Geld der klei-
nen Leute vertritt und – das gilt auch für die CDU – die
Steuergesetzgebung 1999 bis 2002 und nachfolgend ab-
gelehnt hat.

Lassen Sie mich eines in aller Deutlichkeit sagen: Die
Ökosteuer erhöht die Belastung für eine vierköpfige Fa-
milie mit einem Einkommen von 5 000 DM um rund
7 DM im Monat. Das können Sie nachrechnen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Bei jeder Tankfüllung schon 7 DM!)


– Rechnen Sie das einmal nach. Ich will mit Ihnen nicht
das kleine Einmaleins anfangen. Ich glaube, dass Sie das
in der Grundschule gelernt haben.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Rechnen Sie das einmal vor!)


Wenn Sie dagegen die Senkung der Steuersätze, etwa des
Eingangssteuersatzes, und die Erhöhung des Kindergel-
des sehen, dann kommen Sie auf Mehreinnahmen für eine
vierköpfige Familie von rund 90 DM im Monat. Auch das
verschweigen Sie hier. Daher kann ich Ihnen nur in aller
Deutlichkeit sagen: Sie sollten mit den Zahlen ehrlicher
umgehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will es wiederholen, damit Sie es verstehen: Was
war 1997, als Ihre jetzige Parteivorsitzende und damalige
Bundesumweltministerin forderte:

Die Benzinsteuer soll jährlich um 5 Pfennig steigen.




Dr. Barbara Höll
10066


(C)



(D)



(A)



(B)


Ist das etwas anderes als die Ökosteuer? Wie war es 1998?
Ich zitiere noch einmal Herrn Merz, den der Staatssekre-
tär Diller gerade zitiert hat:

Durch die Ökosteuer sollen Steuereinnahmen erzielt
werden, um auf der anderen Seite Sozialabgaben zu
reduzieren. Über ein solches Konzept kann man re-
den.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das ist doch wahrheitsunfähig!)

– Ich zitiere gerade Ihren Kollegen Merz. Wenn Sie sagen,
dass sei wahrheitsunfähig, dann muss ich Ihnen sagen: Ich
zitiere Ihren Kollegen Merz. Ich gehe davon aus, dass er
die Wahrheit gesagt hat.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Nehmen Sie die 7 DM zurück!)


Ihre Vorstellungen waren zum damaligen Zeitpunkt
richtig. Sie näherten sich unseren Vorstellungen an. Wir
haben Ihre Vorstellungen aufgegriffen.


(Lachen bei der CDU/CSU)

Nachdem wir sie aufgegriffen und eingeführt haben, ist
Ihr Geschrei groß. Meine Kolleginnen und Kollegen von
der Opposition, ich frage mich: Was ist falsch daran, wenn
mit den erwirtschafteten Mehreinnahmen die Rentenver-
sicherungsbeiträge gesenkt wurden und damit die Ar-
beitskosten verbilligt wurden? Was ist daran falsch, wenn
wir gemeinsam mit acht Ländern in der Europäischen
Union eine Ökosteuer eingeführt haben? Was soll daran
falsch sein, wenn die Verbraucher in Wirtschaft und im
privaten Bereich langfristig wissen, was auf sie zukommt,
und damit eine Planungssicherheit haben? Ich will Ihnen
in aller Deutlichkeit sagen: Die Kollegen Schäuble und
Repnik formulierten in ihrem Konzept 2000: Die klare
politische Zielsetzung einer stetigen Verteuerung des Um-
weltverbrauches gibt Investoren die notwendige Orientie-
rung für langfristige Projekte.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410721600
Herr Kol-
lege, kommen Sie bitte zum Schluss.


Wolfgang Grotthaus (SPD):
Rede ID: ID1410721700
Ich komme zum
Schluss. – Nichts anderes bewirkt die Ökosteuer. Ich sage
Ihnen mit aller Deutlichkeit: Die Ökosteuer bleibt. Sie er-
füllt den Zweck, Arbeit und Umwelt gleichrangig zu be-
werten. Eine Umkehr dieses Ansatzes würde bedeuten,
dass man nur die Preise erhöhen müsste, um den Druck
auf die Regierung zu erhöhen und den Staat dazu zu brin-
gen, dass er auf die Vorstellungen der Industrie oder der
Opposition eingeht.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Und der kleinen Leute!)


Ob das sinnvoll ist, bezweifle ich. Dadurch kann keine
nachhaltige und auch keine vernünftige Politik gemacht
werden. Wir werden von der Ökosteuer nicht abrücken,


(Zuruf von der CDU/CSU: Es geht um die Menschen in unserem Land!)


auch wenn Sie noch so laut schreien. Ich habe Ihnen schon
einmal gesagt: Schreien überzeugt nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410721800
Als
nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Birgit
Homburger von der F.D.P.-Fraktion.


Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1410721900
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Dramatisch gestiegene Mineralöl-
preise führen im Augenblick zu entrüsteten Protesten der
Bürgerinnen und Bürger, und das zu Recht. Die so ge-
nannte Ökosteuer ist ein reines Abkassiermodell ohne
durchgreifende Lenkungswirkung im ökologischen Sinn.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Herr Kollege Loske, ich möchte Ihnen an dieser Stelle

ganz klar sagen: Wir stehen zu dem Ziel der Minderung
der CO2-Emissionen um 25 Prozent.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben ein eigenes Konzept vorgelegt. Wenn Sie zu
unserer Forderung, das Ökosteuerkonzept, das Sie be-
schlossen haben und das eigentlich gar kein Ökosteuer-
konzept ist, zurückzunehmen, sagen, diese sei Populis-
mus, dann kann ich nur fragen: Was anderes sind eigent-
lich die Forderungen aus Ihren Reihen nach Anhebung der
Kilometerpauschale und nach Benzingutscheinen? Diese
Forderungen sind doch nichts anderes als der Versuch,
den Zorn der Leute zu besänftigen, und nichts anderes als
Populismus. Insofern würde ich an Ihrer Stelle ruhig sein.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat das denn gefordert?)


Wenn Sie uns vorwerfen, wir würden die Leute ver-
schrecken, dann kann ich Ihnen nur sagen: Wenn Sie das
Ziel des Klimaschutzes erreichen wollen – das gilt für an-
dere umweltpolitische Ziele genauso –, dann müssen Sie
die Menschen auf diesem Weg mitnehmen. Sie werden
die Menschen nicht mitnehmen, wenn Sie sie abzocken
und auf eine ohnehin schon zu hohe Steuerlast noch drauf-
satteln. Sie werden das Gegenteil von dem erreichen, was
Sie beabsichtigen. Genau das erleben Sie im Moment.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Deswegen fordert die F.D.P. in ihrem Antrag, den sie

gestern im Deutschen Bundestag eingebracht hat, die
Bundesregierung auf, die Ökosteuer abzuschaffen und
eine wirkliche ökologische Steuerreform vorzulegen.
Dazu gehören auch die Abschaffung der Kraftfahrzeug-
steuer und die Umlegung dieser Steuer auf die Mineralöl-
steuer sowie die Umwandlung der Kilometerpauschale in
eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich kann vor allen Dingen Sie von den Grünen nur auf-
fordern: Stimmen Sie unserem Antrag endlich zu. In ihm




Wolfgang Grotthaus

10067


(C)



(D)



(A)



(B)


wird die Umsetzung dessen gefordert, was seit vielen Jah-
ren in Ihrem Parteiprogramm steht. Ich finde es bezeich-
nend, dass Sie ihn vor kurzem an anderer Stelle abgelehnt
haben.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich finde das, was zum Thema Ökosteuer und zu deren
Verwendung hier gesagt wurde, bemerkenswert. Die
Ökosteuer ist doch nichts anderes als ein Lückenbüßer,
Herr Diller, für Ihre Einfallslosigkeit bezüglich der
Rentenpolitik.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Sie haben heute im Plenum in entwaffnender Offenheit
und dankenswerterweise gefragt: Was machen wir eigent-
lich mit den Rentenversicherungsbeiträgen, wenn wir die
Ökosteuer abschaffen? – Ich kann Ihnen darauf nur ant-
worten: Machen Sie eine klare Rentenreform! Wollen Sie
der jungen Generation eigentlich noch länger weisma-
chen, dass der demographische Faktor kein Problem sei?


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie müssen eine echte Reform durchführen. Jetzt ver-
schieben Sie nur das Geld von einer Tasche in die andere.
Das macht die Sache nicht besser, sondern viel schlechter.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Die so genannte Ökosteuer ist auch in sich wider-

sprüchlich, und zwar an allen Ecken und Enden. Die
Kohle – Sie alle wissen, sie hat eine schlechte CO2-Bilanz –ist von der Besteuerung ausgenommen. Die regenerativen
Energien werden dagegen besteuert. Den ÖPNV, den Sie
laut Ihrer Koalitionsvereinbarung steuerlich entlasten
bzw. fördern wollten – Sie fordern auch jetzt ständig, dass
mehr Verkehr auf den ÖPNV umgelenkt werden soll –,
haben Sie in die Besteuerung einbezogen und dadurch
verteuert. Die Verkehrsunternehmen haben schon jetzt
Preiserhöhungen angekündigt.

Vor diesem Hintergrund sind die Pendler, die auf ihr
Fahrzeug angewiesen sind, und die Bevölkerung im länd-
lichen Raum die Leidtragenden Ihrer Politik.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Die werden abgezockt!)


Diese Personen haben im Übrigen – das müssen Sie sich
sagen lassen – auch keinerlei adäquate Entlastung. Nicht
nur Rentner, Studierende und Arbeitslose – diese Gruppen
wurden hier schon genannt –, sondern auch Landwirte
und Freiberufler, die auf ihr Auto oft angewiesen sind und
viel fahren, haben bei den Rentenversicherungsbeiträgen
keinerlei Entlastung. Die so genannte Ökosteuer ist daher
unsozial und ungerecht.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Ich möchte zum Schluss nur noch eines sagen – das

müssen Sie sich anhören, so lange Sie hier solche ver-
korksten Dinge einbringen –:


(Walter Hirche [F.D.P.]: Das ist die neue Devise der SPD!)


Die so genannte Ökosteuer ist in jeder Hinsicht – im Hin-
blick auf Arbeitsplätze, aus ökologischer, aber auch aus
sozialer Sicht – ein verlogenes Konzept; deswegen ziehen
Sie es bitte zurück!


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410722000
Das Wort
hat jetzt die Kollegin Christine Scheel von Bündnis 90/
Die Grünen.


Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410722100

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Irgendwie
müssen wir 16 Jahre lang etwas verpasst haben.


(Lachen bei der CDU/CSU)

Nachdem Sie erzählt haben, wie viel Gutes Sie für die Ar-
beitnehmer und für die Bevölkerung getan haben, frage
ich mich, wie die Steuer- und Abgabenlast 16 Jahre lang
so steigen und so unerträglich hoch werden konnte, dass
wir jetzt mühsam versuchen, sie zu senken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Und steigt! Und steigt! Und steigt!)


Diese Regierung hat mit all dem, was bislang von ihr be-
schlossen worden ist, 75MilliardenDM an Nettoentlastung
auf den Weg gebracht. Das ist ziemlich viel. Unter Lei-
tung von Rot-Grün sind in der Bundesrepublik Deutsch-
land erstmals nicht nur die Bruttolöhne, sondern auch die
Nettolöhne gestiegen, weil es – unter anderem durch die
Ökosteuer – gelungen ist, die Lohnnebenkosten zu senken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Abzockerei!)


Wenn Sie mit Ihrer Stammtischmentalität behaupten,
wir zockten die Arbeitnehmer ab, nach dem Motto „die ar-
men Pendler“, dann sage ich Ihnen jetzt einmal – das ist
auch für die Öffentlichkeit sehr interessant –, was die
CDU/CSU in ihrem Gesetzentwurf vorsieht. Sie sehen
vor, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die an
230 Tagen im Jahr – das ist der Schnitt – mit ihrem Auto
zur Arbeit fahren – weil es aufgrund des fehlenden
Ausbaus öffentlicher Verkehrsmittel anders nicht möglich
ist –


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Nachdem wir vorher viel mehr runtergenommen haben! Es kommt doch auf den Saldo an!)


und keine weiteren Werbungskosten geltend machen, bis
15 Kilometer, in Zukunft 500 DM weniger Werbungskos-
tenpauschale bekommen. Wenn der Arbeitnehmer oder
die Arbeitnehmerin 20 Kilometer zur Arbeit fahren muss,
dann liegt die steuerliche Mehrbelastung nach Ihren Vor-
stellungen bei einer Größenordnung von 661 DM, bei
30 Kilometern bei 776 DM. Geht man weiter nach oben,
dann summiert sich das auf eine Größenordnung, zu der
ich sagen muss: Man muss verdammt viel Auto fahren –
man muss fast den ganzen Tag nichts anderes tun –, um




Birgit Homburger
10068


(C)



(D)



(A)



(B)


das zurückzubekommen, was Sie diesen Menschen in
Wirklichkeit an anderer Stelle wegnehmen wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Wir senken doch die Steuern und erhöhen sie nicht!)


Ich bezeichne es als Verlogenheit in der Politik, wenn
in aktuellen Konzepten von CDU und CSU Vorschläge
gemacht werden, in denen die Arbeitnehmer und Arbeit-
nehmerinnen vor allen Dingen durch die Senkung der
Werbungskostenpauschale zusätzlich belastet werden.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wir senken die Steuern! – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Einstiegssteuersatz 15 Prozent!)


Sie wollen die Werbungskostenpauschale von 2 000 DM
auf 1 500 DM absenken. Außerdem behaupten Sie, die
Umwidmung in die Entfernungspauschale sei etwas Sinn-
volles, weil alle Verkehrsmittel, auch der Gang zu Fuß,
gleich behandelt werden. Ich möchte einmal denjenigen
sehen, der mehr als 15 Kilometer Weg zur Arbeit hat und
diese Strecke zu Fuß erledigt. Irgendwie ist das doch
wirklich eine Verarschung der Bevölkerung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Sie zwingen doch die Leute zum Laufen!)


Aus Ihren Wahlprogrammen und Ihren Aussagen auf
Umwelttagungen, soweit Sie daran teilnehmen – das gilt
für die F.D.P. genauso wie für die CDU/CSU –, kann man
immer wieder entnehmen, wie wichtig und wie notwen-
dig es ist, Ressourcen zu schonen, Ressourcen zu verteu-
ern, dass die Arbeit im Verhältnis noch immer zu hoch be-
steuert ist usw.

Genau das, was Sie in Ihren Programmen jahrelang ge-
fordert, aber was Sie nie getan haben, obwohl Sie immer
suggeriert haben, dass Sie hier etwas tun wollen, hat diese
Regierung auf den Weg gebracht, und zwar international
vernünftig, im Konsens auch mit vielen anderen europä-
ischen Ländern. Wir sind stolz darauf, dass wir diesen
Weg gegangen sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Und auf die hohen Benzinpreise!)


Vor allem aus Bayern wird ziemlich viel geplärrt – Herr
Stoiber kann das besonders gut; Herr Protzner, der nach
mir sprechen wird, kommt auch aus Bayern; wir beide
kommen, wie wir wissen, aus Franken –: Steuern runter!
Herr Diller hat völlig richtig gesagt: Konsequenterweise
müssten Sie bei jeder Senkung eine Steueranhebung ver-
langen. So etwas ist aber eine chaotische Fall-zu-Fall-Fis-
kalpolitik, die für eine Regierung, die verantwortlich han-
delt, nicht geeignet ist.


(Beifall des Abg. Detlev von Larcher [SPD])

Das ist Ihnen zuzutrauen. Das hätten Sie, wenn Sie ge-
konnt hätten, mit Sicherheit getan. Das haben wir ja jetzt
auszubaden. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass wir den
Schuldenberg abbauen, den Sie uns hinterlassen haben.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das war doch wohl der lafontainesche Berg!)


Auch das Klagelied, der Staat betreibe hier Abzockerei,
taugt nur als Stammtischkracher; denn es ist doch logisch,
dass der Staat die Steuern einnimmt. Die Mineralölsteuer
ist eine Steuer genau wie jede andere Steuer auch. Es liegt
doch einfach in der Logik einer Steuer, dass der Staat sie
einnimmt. Deswegen kann man an diesem Punkt nicht
von Abzockerei sprechen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410722200
Frau Kol-
legin Scheel, kommen Sie bitte zum Schluss.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Bravo!)



Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410722300

Letzter Satz. Wir machen eine ehrliche, berechenbare und
verantwortliche Politik,


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Eine unbezahlbare!)


die sowohl für die Ökonomie als auch für die Ökologie
zukunftsweisend ist. Sie werden uns in ein paar Jahren
dankend auf die Schulter klopfen, dass wir es durchge-
halten haben,


(Lachen bei der CDU/CSU)

obwohl Sie mit Ihrer Schreierei versuchen, eine Stim-
mung dafür zu erzeugen, dass dies ein Unsinn sei.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410722400
Frau Kol-
legin Scheel, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Sie
einen Begriff gebraucht haben, der nicht zum parlamenta-
rischen Sprachgebrauch gehört. Ich will ihn aber auch
nicht wiederholen.

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege
Dr. Bernd Protzner von der CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Bernd Protzner (CSU):
Rede ID: ID1410722500
Herr Präsident!
Kolleginnen und Kollegen! Es ist ganz einfach so: Die
rot-grüne Koalition hat Pech gehabt: Als sie die Ökosteuer
einführte, meinte sie, es würde niemand merken. Es hal-
fen ihr damals auch die Märkte und die Marktentwicklung
in 1999 bis Anfang 2000. Die Erdölpreise waren niedrig;
sie stagnierten. Die Explorationskosten wurden bei den
Konzernen zurückgefahren. Man erschloss keine neuen
Gebiete.

Allerdings – das kommt davon, wenn man Märkte igno-
riert und nicht an die Zukunft denkt – steigen die Markt-
preise mittlerweile. Das Ölfass ist bei den Bürgerinnen und
Bürgern übergelaufen.

Frau Scheel, ich bewundere Sie,

(Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vollkommen zu Recht!)


wie Sie bei Ihren Auftritten hier immer die Johanna der
Steuersenkungen spielen, in Wirklichkeit aber das Ge-
genteil tun.




Christine Scheel

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(C)



(D)



(A)



(B)



(Beifall bei der CDU/CSU)

Rechnen wir doch ganz einfach einmal. Damit gehe ich
auch auf das ein, was Herr Diller vorhin in der Frage-
stunde gesagt hat, nämlich dass es sich um die größte
Steuersenkung aller Zeiten handele. Ja, bei den direkten
Steuern tun Sie etwas.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bei den direkten Steuern haben Sie ganz marginal – für
drei oder vier Jahre – etwas auf den Weg gebracht. 2005 –
so hat der Kollege Rauen vorgerechnet – zahlt der
Baufacharbeiter nach Ihren Plänen schon wieder mehr als
im Jahre 2001.


(Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf den Rauen würde ich aber nicht hören!)


Halten Sie die Leute nicht für so dumm. Sie wissen mitt-
lerweile auch, dass es nicht nur direkte Steuern, Lohn-
und Einkommensteuer, gibt, sondern dass es genauso in-
direkte Steuern gibt. Diese erhöhen Sie eben drastisch.
Eine vierköpfige Familie mit einem durchschnittlichen
Einkommen zahlt in dieser Republik mittlerweile gut
6 500 DM indirekte Steuern im Jahr. Das können Sie aus-
rechnen. Das sind fast 550 DM im Monat. Ihre Ökosteuer
ist dabei ein wesentlicher Punkt. Die Ökosteuer hat die
Leute verärgert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Da hilft eben nur eines, nämlich die Ökosteuer zurückzu-
führen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Ich glaube ja nicht, dass Sie ernsthaft den Ausstieg aus
der Automobilwirtschaft versuchen wollen, nachdem Ih-
nen der Ausstieg aus anderen Wirtschaftsbereichen schon
nicht gelingt. Es tut mir, meine Damen und Herren, als
CSU-Abgeordneten schon gut, wenn ich von SPD-Land-
ratsseite mit Bittbrief angegangen werde, ich möge doch
Abhilfe bei der Ökosteuer schaffen, die die SPD einge-
führt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch der Abg. Susanne Kastner [SPD])


– Frau Kastner, fragen Sie doch einmal Ihren Parteikolle-
gen, den Landrat Marr aus Kronach, und bitten Sie ihn
doch einmal um den Brief. Bearbeiten Sie doch einmal die
Anliegen, die er für seine Pendler im Frankenwald, für
seine mittelständischen Transportunternehmer, für die Ta-
xifahrer und die Busunternehmen, die er mir aufgelistet
hat, vorträgt.


(Susanne Kastner [SPD]: Das glauben sie doch selber nicht!)


Es gibt nur einen Weg, der in die richtige Richtung
führt und zukunftsfähig ist: Schaffen wir die Ökosteuer
wieder ab!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Zuruf von der CDU/CSU: Der einzige Weg!)


Meine Damen und Herren, Auto fahren darf nicht nur
etwas für Porsche-Fahrer sein. Ich kann mir nicht vorstel-
len, dass die neue Parole Ihres Bundeskanzlers Gerhard
Schröder lautet: freie Fahrt für Porsche-Fahrer. Er kommt
ja immerhin noch aus Niedersachsen. Wir, die Union, je-
denfalls treten nach wie vor für die freie Fahrt von Volks-
wagen-Fahrern ein.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir verstehen es nämlich noch, an die kleinen Leute zu
denken und ihre Interessen wahrzunehmen.


(Lachen bei der SPD)

Da unterscheiden wir uns von Ihnen, meine Damen und
Herren.

Weil Sie schon so viele von uns zitiert haben, erlaube
ich mir, auch eine Aussage von mir aus dem Jahre 1988
zu zitieren. Wie viele andere Kollegen habe ich im Zu-
sammenhang mit der Ökosteuer von Abzockerei gespro-
chen. Daran halte ich auch fest. Es ist keine ökologische
Steuer: Sie tun weder etwas für die Umwelt noch ist sie
logisch.


(Susanne Kastner [SPD]: Deswegen haben die Oberfranken die SPD gewählt!)


Es handelt sich um eine ideologische Steuer. Ideologien
sollten wir eigentlich im 20. Jahrhundert gelassen haben
und nicht ins 21. Jahrhundert mitschleppen. Deshalb rufe
ich Ihnen noch einmal zu: Geben Sie sich einen Ruck und
zeigen Sie Mut, indem Sie die Ökosteuer abschaffen!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410722600
Das Wort
hat jetzt der Kollege Detlev von Larcher von der SPD-
Fraktion.


Detlev von Larcher (SPD):
Rede ID: ID1410722700
Nach anderthalb Jahren
hat die Opposition noch nicht ihre Rolle gefunden. Sie
macht wirr durcheinander zu den verschiedensten The-
men irre Vorschläge. Dass das wahr ist, was ich sage, dass
Sie Ihre Rolle nicht gefunden haben,


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Herr Kollege, Sie sind von der Rolle!)


sehen Sie daran, dass Sie nun schon zum zweiten oder
dritten Mal, wie ich glaube, verlorene Schlachten schla-
gen. Die Argumente gegen die Ökosteuer haben wir doch
schon x-mal gehört, als wir sie einführten.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben es immer noch nicht kapiert! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Es fällt Ihnen nichts Neues ein. Sie schlagen verlorene
Schlachten.

16 Jahre lang haben Sie eine grandiose Umverteilung
von unten nach oben vorgenommen und den Arbeitneh-
mern und den Geringverdienern eine riesige Mehrbelas-
tung aufgebürdet.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das glaubt keiner mehr!)





Dr. Bernd Protzner
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(C)



(D)



(A)



(B)


Sie wollen den Arbeitnehmerpauschbetrag in Ihrem Steu-
erkonzept von 2 000 auf 1 500 DM senken. Sie wollten


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Den Steuersatz senken!)


die Sonn- und Feiertagszuschläge streichen. Sie wollen
die Nachtzuschläge streichen und die Arbeitnehmer ganz
stark belasten. Alles wollen Sie ihnen wegnehmen.

Die F.D.P. hat in ihrem Dreistufenmodell zur Einkom-
mensteuer vorgesehen, die Kilometerpauschale abzu-
schaffen. Heute höre ich jetzt etwas von Entfernungspau-
schalen. Was wollen Sie denn nun eigentlich?


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Keine Ökosteuer!)


In Ihrem Dreistufenmodell sehen Sie jedenfalls vor, die
Kilometerpauschale abzuschaffen. Die CDU/CSU fordert
eine Entfernungspauschale von 50 Pfennig, die aber erst
dann greift, wenn man weiter als 15 Kilometer fährt. Für
die ersten 15 Kilometer bekommt man gar nichts. Wie
viele Pendler bekommen denn dann gar nichts? Wahr-
scheinlich 60 oder 70 Prozent.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 80 Prozent!)


– 80, danke.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer bietet mehr?)


80 Prozent der Pendler bekommen nichts. Sie stellen sich
hier aber hin und singen das Hohelied der armen Pendler.
Das ist wirklich unglaubwürdig und verlogen, was Sie
hier anstellen.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Weg mit der Ökosteuer!)


Es ist wirklich unverantwortlich und unwahrhaftig, was
Sie machen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie einmal etwas zum ÖPNV!)


Meine Kolleginnen und Kollegen haben ja schon in
Form von Zitaten auf verschiedene Äußerungen von Ih-
nen hingewiesen, zum Beispiel auf die Forderung von
Wolfgang Schäuble, Energie müsse langsam immer teurer
werden


(Zuruf von der CDU/CSU: Von dem könnt ihr etwas lernen!)


und die Kosten für die Arbeitnehmer müssten langsam
immer mehr abnehmen. Wo ist das denn geblieben?
Schon als er das geäußert hat, wollten Sie es eigentlich
nicht mehr wahrhaben. Die Aussage von Herrn Merz,
über unser Konzept könne man reden, ist mit Recht zitiert
worden. Heute ist das, weil man populistisch sein will, al-
les vergessen.
Herr Schäuble:

Allerdings muss ein nationaler Alleingang im Um-
weltschutz nicht zwingend schädlich sein. So haben
die hohen deutschen Anforderungen dazu beigetra-
gen, dass deutsche Unternehmen im Bereich der Um-
weltschutztechnologie weltweit an der Spitze liegen.
Eine schonende Preissteigerung für den Naturver-
brauch ist auch im nationalen Alleingang vorstellbar.

Alles weg, weil die hohen Benzinpreise die Leute ärgern.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sagen Sie nur!)

– Sie ärgern die Leute, natürlich!

Dann machen Sie ihnen noch etwas vor. Das Grandio-
seste war wirklich Herr Merz am Sonntagabend zwischen
19.10 Uhr und 19.30 Uhr.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Der ist immer grandios!)


– Der war wirklich grandios–. Er hat gesagt: Die armen
Ölkonzerne wollen doch nur ihren Anteil an der Öko-
steuererhöhung haben, deswegen werden die Preise
höher. Herr Protzner, Sie sind bis jetzt der Einzige, der ge-
sagt hat, Grund für die hohen Preise sind die ölfördernden
Länder und der Dollarkurs.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Und die Steuer!)


Und Sie wollen die Leute glauben machen, die Erhöhung
kommt von der Ökosteuer.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ein Drittel!)

– Herr Schauerte, Sie können so lange schreien, wie Sie
wollen. Erklären Sie mir einmal, warum das Kerosin im
gleichen Verhältnis teurer wird. Darauf gibt es überhaupt
keine Steuer. Die ein Drittel Steuern, die Sie schreien, sind
doch Ihre Steuern. Das sind doch Ihre 50 Pfennig aus den
letzten Legislaturperioden.


(Beifall bei der SPD)

Sie wollten doch damit die Löcher stopfen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: In diesem Jahr 47 Pfennig!)


Worüber man reden könnte und worüber wir auch noch
reden werden, ist, ob das Aufkommen der Ökosteuer nicht
irgendwann einmal ein bisschen umgesteuert werden
muss.


(Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

– Das haben wir immer schon gesagt. – Das ist ein richti-
ger Gedanke. Aber, ich mache Sie auf Folgendes auf-
merksam: Wir verwenden das Geld, 200 Millionen DM,
auch zur gezielten Förderung von erneuerbaren Energien.
Wir haben das 100.000-Dächer-Programm gemacht und
das Gesetz für die erneuerbaren Energien verabschiedet.
Die Solarenergie boomt inzwischen; denken Sie an die
Photovoltaikanlagen. Wir müssen nachlegen, weil die
Nachfrage so groß geworden ist.

Sie wollen den Leuten vormachen, dass diese Ausga-
ben nur Kosten sind. In Wirklichkeit sind es Investitionen
in die Zukunft. Wenn wir diesen Weg weiter beschreiten,
wenn wir Energie einsparen, dann schaffen wir ein mo-
dernes Deutschland mit modernen Innovationen und
Hunderttausende von Arbeitsplätzen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie sind Populisten. Sie versuchen sich auf eine Welle zu
setzen. Wir halten an unserem bewährten Konzept fest.




Detlev von Larcher

10071


(C)



(D)



(A)



(B)



(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Von Ihnen hat man auch nichts anderes erwartet! – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Koste es, was es wolle! – Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Sie machen Politik gegen die Menschen!)


Wir lassen uns unsere Steuerpolitik nicht vom Markt dik-
tieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Wir haben nichts anderes erwartet! – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Politik gegen die Menschen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410722800
Als
nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Michael
Meister von der CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Michael Meister (CDU):
Rede ID: ID1410722900
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor gut einem
Jahr haben Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
argumentiert, die Ölpreise fallen, deshalb macht es nie-
mandem etwas aus, wenn wir eine Steuer erhöhen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Gunda Röstel!)

Heute steigen die Preise. Deshalb müssten Sie logischer-
weise die Steuer senken. Wo ist Ihre Antwort auf diese
Frage, wo bleibt Ihre eigene Argumentation, die Sie vor
zwölf Monaten hier vorgetragen haben?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Heute wissen wir, dass Sie mit der zweiten Stufe der
Ökosteuer eine Initialzündung für die Steigerung der Ben-
zinpreise gesetzt haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie speist sich zwar aus unterschiedlichen Quellen, aber
knapp 1,40 DM von jedem Liter Benzin fließen an den
Fiskus. Deshalb muss der Deutsche Bundestag auch
über diesen Anteil von rund 70 Prozent diskutieren.

Die Regierung Schröder hat die so genannte Ökosteuer
von Beginn an als reinen Etikettenschwindel eingeführt.
Sie dient weder der Ökologie noch hat sie eine innere Lo-
gik. Sie war von vornherein als reines Abkassiermodell
definiert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Das zentrale Problem, wenn Sie den Zusammenhang

mit dem Klimaschutz herstellen, ist, dass Sie keinerlei
geschlossenes Energiekonzept für den Standort Deutsch-
land haben. Deshalb ist diese Ökosteuer ohne Fundament.
Sie ist auf Sand gebaut. Sie wird einstürzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenn Sie sich das anschauen, werden Sie bald die Ab-

surditäten feststellen. Schauen Sie sich den ÖPNVund die
Bahn an. Sie fordern ständig den Umstieg auf den ÖPNV.
Sie fordern den Umstieg auf die Bahn. Sie besteuern beide
über die Ökosteuer. Dies ist in sich absolut widersinnig.
Sie nehmen dem Ganzen die Attraktivität. Ab heute wird
darüber diskutiert, ob auch dort die Preise angehoben wer-
den müssen.

Es gibt bei dieser Steuer außer dem Bundesfinanzmi-
nister keinen Gewinner, sondern nur Verlierer.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Verlierer sind die Rentner, Verlierer sind die Familien,
Verlierer sind die jungen Leute. Sie verabschieden sich
mit dieser Steuer von der jungen Generation.


(Widerspruch bei der SPD)

Verlierer sind die Berufspendler,


(Beifall bei der CDU/CSU)

Verlierer ist die Landwirtschaft, Verlierer sind die Nutzer
des ÖPNV, Verlierer ist das deutsche Verkehrsgewerbe,
Verlierer sind die Arbeitnehmer.

Meine Damen und Herren, diese Steuer ist unsozial; sie
ist geprägt von eisiger sozialer Kälte und Sie beginnen da-
mit eine konsequente Politik gegen die Menschen in
Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Lachen bei der SPD)


Ich glaube, die Verkehrsteilnehmer, die Mobilität
benötigen, hätten noch Verständnis, wenn ein Teil der Ein-
nahmen oder die Einnahmen insgesamt tatsächlich in Ver-
kehrsinfrastrukturmaßnahmen investiert würden, wenn
der unterfinanzierte Teil Bahninvestitionen, Binnenwas-
serstraßen, Straßen damit bedient würde und somit neue
Investitionen getätigt würden. Was machen Sie stattdes-
sen? Kein Pfennig wird dort ausgegeben. Die Mittel wer-
den weiter gekürzt. Durchgangsstraßen werden nicht ge-
baut. Kein Pfennig fließt in die Infrastruktur. Die Men-
schen sind enttäuscht, dass ihnen das Geld abgenommen
wird und kein Pfennig an dieser Stelle zurückfließt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Eiskalt!)


Es stellt sich auch die Frage: Wo ist eigentlich der
Mann mit der Richtlinienkompetenz, der mit dieser Steuer
lediglich versucht hat, seine falschen Rentenversprechen
zu kaschieren?


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Sechs Pfennig und nicht mehr, hat er gesagt!)


Er zeigt sich medienscheu. Vom Herrn Bundeskanzler
hört man an dieser Stelle keinerlei öffentlichen Auftritt,
den er ansonsten so toll beherrscht.


(Lachen bei der SPD)

Seit dem Wochenende wissen wir: Der Herr Bundes-

kanzler versteht unter modernem Regieren, dass man bei
unangenehmen Diskussionen abtaucht, schweigt und sich
nicht zeigt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Bundeskanzler, treten Sie endlich vor die deut-

sche Öffentlichkeit und legen Sie Ihre persönliche Hal-
tung, Ihre Richtlinienkompetenz, die Sie haben, klar! Zei-
gen Sie, ob Sie persönlich dafür stehen oder ob Sie per-
sönlich an dieser Stelle eine andere Auffassung vertreten!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)





Detlev von Larcher
10072


(C)



(D)



(A)



(B)


Nehmen wir den Hinweis auf das Bundeskartellamt.
Das ist der einzige Hinweis, den der Bundeskanzler gege-
ben hat. Das Bundeskartellamt sei dem Bundeskanzler
gnädig; denn wenn es eingreifen würde, würde das dazu
führen, dass die Benzindumpingpreise der großen Gesell-
schaften nach oben korrigiert würden. Also wenn der Herr
Bundeskanzler Recht bekäme, würden die Benzinpreise
noch weiter steigen. Soll das etwa eine Politik für die
Menschen in Deutschland sein? Ist das der Ausweg, den
er präsentieren will?

Und dann, meine Damen und Herren, wie gehen Sie ei-
gentlich mit Ihren eigenen Ministerpräsidenten um? Von
Herrn Müller haben wir gelesen, dass das Leute seien, die
ein „Gequatsche“ vollführten. Herr Beck, Herr Gabriel
sind Personen, die wir Ministerpräsidenten nennen. Sie
bezeichnen sie als Leute, die ein „Gequatsche“ voll-
führen.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Ich würde diese Warnlampen in den eigenen Reihen

endlich ernst nehmen und versuchen, eine Änderung der
Politik herbeizuführen. Wie ich weiß, sind Sie, Herr Kol-
lege Müller, auch in der IG BAU. Auch Ihr Gewerk-
schaftsvorsitzender Wiesehügel hat mit Blick auf die Ar-
beitnehmer in seiner Gewerkschaft sehr deutlich gesagt,
was er davon hält und was hier zu tun ist. Warum nehmen
Sie das eigentlich nicht ernst und tun endlich etwas für die
Arbeitnehmer in Deutschland?


(Beifall bei der CDU/CSU – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Eiskalt sind die!)


Ein letztes Wort zum Thema Arbeitsplätze: Durch Er-
höhung der Staatsquote werden niemals Arbeitsplätze ge-
schaffen. Sie erhöhen mit dieser Steuer die Staatsquote
und bekämpfen deshalb Arbeitsplätze in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU – Detlev von Larcher [SPD]: Ist doch nicht zu glauben!)


Viel sinnvoller als die Einführung der Steuer wäre es,
dass Sie endlich einsehen, welchen schlimmen politi-
schen Fehler Sie gemacht haben, dass Sie die Konse-
quenzen daraus ziehen und dass Sie dieses unsinnige Ge-
setz auf den Müllhaufen der deutschen Geschichte wer-
fen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Die Ökosteuer gehört in die Abfallentsorgung! – Detlev von Larcher [SPD]: Für unsere Steuerkonzepte sind wir gewählt worden!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410723000
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Iris Gleicke von der
SPD-Fraktion das Wort.


Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1410723100
Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ein paar Sachen sind in diesem Hause unstrittig,
denke ich, und vielleicht können wir ein bisschen zur
Sachlichkeit zurückkehren.

Die Verkehrspolitik hat entscheidenden Einfluss auf
die Lebensqualität der Menschen und ihre Mobilität,
auf die Belastungen von Natur und Umwelt, auf die
Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft.
Wir wollen die umweltverträglichen Verkehrsmittel
Bahn, Schifffahrt und öffentlicher Personennahver-
kehr ausbauen und stärker als bisher am wachsenden
Verkehrsaufkommen beteiligen;


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Zuerst wollt ihr VW kaputt machen!)


zugleich wollen wir die Umweltverträglichkeit des
Individualverkehrs fördern.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Es kommt darauf an, was ihr tut!)

Wir streben im Verkehrsbereich ökologisch ehrliche
Preise an. Jedes Verkehrsmittel muss so weit wie
möglich die Kosten seiner Verkehrswege, aber auch
die Kosten der von ihm verursachten Umweltbelas-
tungen tragen.


(Dr. Bernd Protzner [CDU/CSU]: Fahrrad fahren!)


Wir wollen die Anreize und Vorgaben für die Ver-
minderung des Energieverbrauches und der Emissio-
nen stufenweise verschärfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was ich Ihnen gerade
vorgelesen habe, stammt aus dem verkehrspolitischen
Teil des 1996 beschlossenen Grundsatzprogramms der
CDU.


(Zurufe von der SPD: Huh!)

Eine Zeit lang konnte man glauben, dass die damalige

Regierungspartei CDU ihre eigenen verkehrspolitischen
Grundsätze ernst nehmen würde. 1997 hat die damalige
Umweltministerin Angela Merkel erklärt, sie halte eine
jährliche Anhebung der Mineralölsteuer um etwa 5 Pfen-
nig für angemessen.


(Michael Müller Pro Jahr!)


– Pro Jahr, natürlich. – Damals sagte Frau Merkel, sie trete
für eine Besteuerung des Energieverbrauchs mit Augen-
maß und damit für eine Entlastung des Faktors Arbeit ein.
Noch vor zwei Jahren, im Wahlkampfgetümmel, hat sie
die Ökosteuer als eine gute Grundidee bezeichnet und
noch vor einem Jahr an dieser Stelle im Parlament be-
klagt, dass der ökologische Lenkungseffekt nicht deutlich
sei.


(Zuruf von der CDU/CSU: Jede Idee kann man verhunzen!)


Es ist offenbar eine Sache, sich als Umweltministerin
in Sonntagsreden über die Bewahrung der Schöpfung aus-
zulassen, und eine ganz andere Sache, sich als Parteivor-
sitzende an einer ausgesprochen miesen Stimmungsma-
che zu beteiligen, weil es einem gerade in den Kram passt.

Wo Frau Merkel noch zurückrudert und treuherzig auf
dem Verzicht der weiteren Stufen der Ökosteuer besteht,
ist ihr der Fraktionsvorsitzende Merz auf dem Weg ins
Niemandsland schon längst eine Bootslänge voraus. Er
sagt nämlich, die Ökosteuer gehöre abgeschafft.




Dr. Michael Meister

10073


(C)



(D)



(A)



(B)



(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Recht hat er!)


Damit hat er dann endgültig das Niveau der „Ich-geb-
Gas-ich-will-Spaß“–Fraktion von der F.D.P. erreicht.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Ihr macht doch Spaß!)


Das ist übrigens die Partei, die derzeit mithilfe irgend-
welcher Sponsoren an den Tankstellen Geld verteilt.

Derselbe Herr Merz jedenfalls, der sich noch im No-
vember 1998 konstruktiv gab und meinte, man könne über
die Ökosteuer und die Senkung von Sozialabgaben reden,
will jetzt nicht mehr reden. Jetzt sagen er und Frau
Merkel, der Gedanke, man könne mithilfe einer höheren
Energieverbrauchsteuer die Rente sanieren, sei immer
falsch gewesen. Die Parteivorsitzende und der Fraktions-
vorsitzende haben gemeinsam den verkehrs- und umwelt-
politischen Rückwärtsgang eingelegt und drücken nun
auf die Tube, dass es nur so brummt.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Welche Tube meinen Sie jetzt?)


Das ist Politik frei nach dem Motto: Was schert mich
mein Geschwätz von gestern? So reden und handeln die
Spitzenrepräsentanten einer angeblich erneuerten CDU.
Das, meine Damen und Herren, die Sie da hinterherhe-
cheln, ist Ihr Verständnis von Glaubwürdigkeit. Es tut mir
Leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber das ist einfach un-
redlich.


(Beifall bei der SPD – Elke Wülfing [CDU/ CSU]: Das tut Ihnen ja gar nicht Leid! – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Heimlich freut sie sich darüber!)


Warum sagen Sie den Menschen eigentlich nicht, wo-
her die wirklichen Kostensteigerungen kommen? Warum
sagen Sie den Leuten draußen nicht, dass wir im europä-
ischen Vergleich mit den Benzinpreisen trotz allem immer
noch nicht an der Spitze liegen?


(Beifall bei der SPD – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ihr bringt uns an die Spitze!)


Ich habe viel Verständnis dafür, dass sich Autofahre-
rinnen und Autofahrer an den Tankstellen über gestiegene
Preise ärgern. Wofür ich kein Verständnis habe, ist die
Demagogie von Union und F.D.P. In Wahrheit geht es Ih-
nen überhaupt nicht um die Pendler und um die Autofah-
rer in den ländlichen Gebieten. In Wahrheit geht es Ihnen
einfach darum, dass Sie endlich einmal wieder ein Thema
gefunden haben; denn sonst fällt Ihnen nichts ein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Brüderle, wenn gerade Sie, der Sie in den letzten
Jahren an der Regierung beteiligt waren, die uns die
1 500 Milliarden DM Schulden gebracht hat, von Haus-
haltslöchern sprechen,


(Rainer Brüderle [F.D.P.]: Das haben wir doch für Sie in Thüringen ausgegeben!)


dann ist das Politik nach dem Motto: Haltet den Dieb, er
hat mein Messer im Rücken! Ich kann das nicht mehr er-
tragen.

Verkehrspolitik ist auch Umweltpolitik und umge-
kehrt. Wir wollen niemandem die Mobilität vermiesen
und auch niemandem das Autofahren vermiesen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Aber Sie tun es!)

Durch unsere Entlastungen haben wir gerade bei Familien
dafür gesorgt, dass die Mobilität bezahlbar wird.

Noch etwas.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ja?)


Frau Homburger, die nicht mehr da ist, Herr Protzner, der
noch da ist, und auch Herr Dr. Meister:


(Zurufe von der CDU/CSU: Der ist auch noch da!)


Wenn Sie sich hier hinstellen und allen Ernstes behaupten,
der ÖPNV sei genauso belastet, dann sagen Sie, um es
freundlich auszudrücken, die Unwahrheit; ich will das
hässliche Wort der Lüge hier vermeiden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410723200
Frau Kol-
legin, kommen Sie bitte zum Schluss.


Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1410723300
Der ÖPNV zahlt den halben Satz
und die Bahn hat so billig wie nie ihren Strom eingekauft.

Wenn wir über die Arbeitsplätze reden, die bei einer
Abschaffung der Ökosteuer verloren gehen würden, bitte
ich Sie einmal um etwas Nachdenklichkeit.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410723400
Das Wort
hat jetzt der Kollege Franz Obermeier von der CDU/CSU-
Fraktion.


Franz Obermeier (CSU):
Rede ID: ID1410723500
Herr Präsident! Kol-
leginnen und Kollegen! Nachdem ich diese Debatte hier
verfolgt habe, habe ich den Eindruck, dass die Vertreter
der Regierungskoalition nichts, aber auch gar nichts aus
den zurückliegenden Monaten gelernt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Die ökologische Steuerreform war von Anfang an eine

Mogelpackung. Jetzt sind Sie enttäuscht, weil die Men-
schen dies im Zusammenhang mit den Mineralölpreisen
spüren. Aber es kommt noch dicker: Die Menschen
spüren es auch dann, wenn sie ihre Mietnebenkostenab-
rechnungen erhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Mit einem möchte ich aufräumen: Glauben Sie denn

wirklich, dass die Ölförderländer nicht merken, dass die
rot-grüne Bundesregierung in der Mineralölsteuer einen
Goldesel in Form einer systematischen Steigerung der Be-
steuerung sieht?


(Lachen bei der SPD)

Glauben Sie das wirklich? Wenn Sie das glauben, dann
sind Sie auf der falschen Ebene.




Iris Gleicke
10074


(C)



(D)



(A)



(B)


Das Ganze verkauft die Bundesregierung unter dem
Deckmantel Öko. Damit möchte ich mich nun ein biss-
chen befassen. In der entsprechenden Gesetzesbegrün-
dung geht es schon los: Da heißt es, man wolle den
Energieverbrauch verteuern und den Faktor Arbeit entlas-
ten. Das ist die Grundphilosophie. Von Öko kein Wort!

Der finanzpolitische Grundwiderspruch zwischen dau-
erhafter Einnahmeerzielung und ökologischer Lenkungs-
wirkung besteht darin, dass Einnahmeverluste vermieden
werden müssen. Sonst entsteht auf der Rentenversiche-
rungsseite ein Finanzierungsloch. Das ist doch völlig klar.
Erfolge aus der ökologische Lenkungswirkung müssen
Sie also vermeiden, weil Sie sonst bei der Rentenversi-
cherung ein Defizit haben.


(Zurufe von der CDU/CSU: So ist es!)

Ich sage Ihnen: Die Ökosteuer, so wie Sie sie angelegt

haben, schadet sogar der Umweltpolitik. Ich möchte Ih-
nen das anhand einiger Beispiele verdeutlichen. Die Poli-
tik kann nämlich Umweltschäden nur wirksam vermei-
den, wenn gleiche Umweltschäden auch gleich behandelt
werden. Unterschiedliche Zusatzbelastungen beziehe ich
im Folgenden auf die emittierte Tonne von CO2. Danachwird nach Ihrer ersten Stufe der Ökosteuerreform die
Kohle mit 0 DM je Tonne CO2-Ausstoß belastet, Heizölmit 13 DM, Erdgas mit 16 DM, Diesel mit 21 DM, Ben-
zin mit 24 DM und Strom mit 36 DM.

Wenn ich das Ganze jetzt auf das Jahr 2003 projiziere,
auf das Jahr, in dem Ihre Segnungen voll durchgeschlagen
haben, sieht das Bild bei einer Gesamtsteuerbelastung fol-
gendermaßen aus: Die Kohle liegt wieder bei 0 DM je
Tonne CO2-Ausstoß, schweres Heizöl bei 11 DM, leich-tes Heizöl bei 46 DM, Erdgas bei 34 DM, Diesel bei
347 DM, Benzin bei 549 DM und Strom bei 71 DM.


(Susanne Kastner [SPD]: Meinen Sie, die Leute verstehen das, was Sie da sagen?)


– Sie sollten in das Sachverständigengutachten des Um-
weltrates hineinschauen. Dort wird Ihnen dies attestiert –
neben ein paar Bemerkungen, die die Ökosteuer so dekla-
rieren, dass sie schnellstmöglich und grundlegend verän-
dert werden müsste.

Die Unterschiede, die Sie durch die unterschiedliche
Belastung je Tonne CO2-Ausstoß herbeiführen, sind ökologisch unter gar keinen Umständen vertretbar. Es gibt
sogar eine negative Klimawirkung. Angesichts dessen,
dass wir heute Vormittag über Klimawirkungen gespro-
chen haben, ist festzustellen: Die rotgrüne Bundesregie-
rung wird mit dieser Politik das CO2-Ziel von Kioto sichernicht erreichen.

Die Ökosteuer garantiert keine Ausrichtung an den
Umweltwirkungen der Primärenergieträger. Zum Beispiel
aus Öl und Gas produzierter Strom wird – abgesehen von
ein paar Ausnahmen – zusätzlich belastet, während
Kohle, die eine wesentlich höhere Emissionswirkung hat,
keine zusätzliche Besteuerung erfährt. Kohle zur Wär-
meerzeugung ist die emissionsintensivste Alternative;
aber sie ist nicht mit einer Steuer gesegnet. Das ist Ihre Po-
litik in Richtung Ökologie.

Durch einen nationalen Alleingang dieser Bundesre-
gierung wurden die Chancen für eine verbesserte EU-
weite Abstimmung der Umweltschutzauflagen deutlich

verschlechtert. Die Bundesregierung konnte in der Zeit
ihrer Ratspräsidentschaft auf diesem Sektor nichts bewe-
gen.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Wie sonst auch!)


Das ist eine Politik, über die sich unsere Bürger zu Recht
ärgern. Wenn Sie Verbindung zu denjenigen haben, die
durch diese Ökosteuer geschädigt werden, dann verstehen
Sie sicher auch, was geäußert wird.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410723600
Herr Kol-
lege, kommen Sie bitte zum Schluss.


Franz Obermeier (CSU):
Rede ID: ID1410723700
Ich möchte zum
Schluss kommen und Ihnen mit auf den Weg geben: Mit
der Politik, die Sie hier betreiben, nämlich mit den Seg-
nungen wirtschaftspolitischer Natur nach Loske – je mehr
Steuern, desto mehr Arbeitsplätze, was heißen würde: je
höher die Staatsquote, desto mehr Arbeitsplätze –, geben
Sie sich der Lächerlichkeit preis. Sie betreiben eine Poli-
tik gegen die Menschen in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Detlev von Larcher [SPD]: Die höchste Staatsquote habt ihr uns beschert!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410723800
Als letz-
ter Redner in der Aktuellen Stunde hat der Kollege
Michael Müller von der SPD-Fraktion das Wort.


Michael Müller (SPD):
Rede ID: ID1410723900
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Ich finde, es ist schon mög-
lich, dass man zur Frage einer ökologischen Steuerreform
unterschiedliche Meinungen vertritt. Die, die jetzt auf
einmal völlig anders reden als früher, müssen sich aller-
dings auch Ihre eigenen Programme vorhalten lassen.


(Beifall bei der SPD)

Das ist absolut legitim. Der Tatbestand ist, dass alle frühe-
ren Regierungsfraktionen in ihren Parteiprogrammen
stets eine ökologische Steuerreform vertreten haben.

Eine andere Meinung gestehe ich Ihnen durchaus zu;

(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: So nicht, Herr Müller!)

schlimm ist nur, dass Sie ein zentrales Zukunftsthema zur
populistischen Schlammschlacht machen. Genau das geht
aber nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Das haben wir von Ihnen gelernt!)


Da müssen wir massiv fragen: Was ist das für eine
CDU/CSU? Es ist eine schreckliche Abwärtsbewegung
zu sehen: von der Kampagne gegen die doppelte Staats-
bürgerschaft über die Inder-Kampagne bis zur Ökosteuer-
Kampagne. Wo ist eigentlich noch Ihre inhaltliche Sub-
stanz?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Franz Obermeier

10075


(C)



(D)



(A)



(B)


Diese Frage muss man Ihnen stellen.
Es geht hier doch nicht um eine Kleinigkeit. Es geht

hier um die zentrale Frage: Wie können die Menschen in
der Zukunft leben? Was tun wir zum Schutz der natürli-
chen Lebensgrundlagen?


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Nichts tut ihr dafür!)


Es ist völlig richtig: Die ökologische Steuerreform allein
kann dieses Ziel nicht erreichen. Aber genauso richtig ist
es: Ohne ökologische Steuerreform geht es nicht. Das ist
doch der eigentliche Punkt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb kommen Sie an dieser Frage nicht vorbei.

(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Daran glauben Sie doch selbst nicht!)


Es ist wirklich interessant, was Sie hier sagen. Ich rate
Ihnen, die Beschlüsse dieses Hauses zu lesen. Auch in
Ihren früheren Koalitionsvereinbarungen haben Sie alle
noch von der Energiesteuer geredet. Sie müssen einmal
nachlesen, was Sie damals beschlossen haben. Tun Sie
doch jetzt nicht so, als sei das alles nicht wahr. Gott sei
Dank gibt es Archive und Menschen, die etwas behalten.

Aber wir bleiben bei dem zentralen Punkt. Sie kommen
an dem Tatbestand einfach nicht vorbei, dass es nicht geht,
sonntags über den Schutz der natürlichen Lebensgrundla-
gen zu reden und werktags das Gegenteil zu tun. Das geht
nicht. Das lassen wir nicht zu.


(Beifall bei der SPD)

Die Ökosteuer ist nicht Willkür. Sie ist eine zentrale

Zukunftsfrage. Über die Ausgestaltung können wir in je-
dem einzelnen Punkt reden.


(Birgit Homburger [F.D.P.]: Seit wann?)

Fairerweise muss man dann natürlich auch die rechtlichen
Rahmenbedingungen nennen. Natürlich hätten wir die re-
generativen Energien gerne von der Ökosteuer befreit,
wenn es europarechtlich gegangen wäre. Was reden Sie
denn? Natürlich wären wir gerne bereit gewesen, eine
Primärenergiesteuer zu erheben. Aber wie wollen Sie das
bei den heutigen offenen Märkten noch machen? Nun re-
den Sie doch nicht einfach ins Blaue, sondern bleiben Sie
bitte bei den realen Bedingungen, unter denen wir arbei-
ten.


(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben vor einigen Jah-

ren eine massive Diskussion darüber gehabt, dass die
deutsche Wettbewerbsfähigkeit durch die hohen Lohnne-
benkosten gefährdet ist. Jetzt senken wir die Lohnneben-
kosten über die Ökosteuer und es ist auch nicht recht. Ich
muss Ihnen eines sagen: Wer von Nachhaltigkeit und vom
Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen redet, der muss
wissen, dass es das nicht zum Nulltarif gibt. Verantwort-
liche Politik zeichnet sich dadurch aus, glaubwürdig zu
Positionen zu stehen. Wer sich hier wie die Fahne im
Wind verhält, ist auch bei den Bürgern nicht glaubwürdig.
Man muss auch in schwierigen Situationen zu seinen Aus-
sagen stehen können.


(Beifall bei der SPD – Dr. Bernd Protzner [CDU/CSU]: Jawohl, sagen Sie das Ihrer Partei!)


– Herr Protzner, warum sagen Sie denn beispielsweise
nicht, dass auch die CSU für eine Kerosinabgabe ist?
Warum sagen Sie das hier eigentlich nicht? Warum stellen
Sie sich hier so hin, als ob Sie der Supermann wären?


(Zuruf der Abg. Birgit Homburger [F.D.P.])

– Warum sagen Sie denn beispielsweise nicht, Frau
Homburger, dass in Ihrem Programm die Ökosteuer
stand? Warum sagen Sie nicht, dass sogar Herr Rexrodt in
der Vergangenheit für einen nationalen Alleingang war?
Warum sagen Sie das denn nicht? Ich weiß ganz genau,
warum Sie es nicht sagen: weil Sie nämlich inhaltlich so
ausgedünnt sind, dass Sie nur noch über Stimmungen Po-
litik machen können. Genau das ist der Kern, um den es
hier geht. Das machen wir nicht mit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Schlimme an der Diskussion ist aber etwas ande-
res: Durch die Verengung der Diskussion auf die Öko-
steuer werden die eigentlichen Probleme, die wir auf den
Energiemärkten haben, nicht mehr gesehen. Das ist das
eigentliche Problem. Was ist denn der Kern der Öko-
steuer? Die Ökosteuer soll höhere Effizienz, Energieein-
sparungen, höhere Wirkungsgrade und Ähnliches fördern.
Dies wird zur zentralen Aufgabe der nächsten Jahre. Wir
dürfen nicht übersehen: Die OPEC-Länder haben den
Preishebel auf den Ölmärkten wieder in der Hand.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Nachdem Sie ihnen gezeigt haben, wie das geht!)


– Den haben sie schon länger in der Hand. Reden Sie doch
nicht so einen horrenden Unsinn! Das ist unverantwortli-
cher Mist.


(Dr. Bernd Protzner [CDU/CSU]: Sie wollen, dass die Preise steigen!)


Wir müssen doch sehen, dass in vielen Bereichen mög-
licherweise eine ähnlich gefährliche Entwicklung wie in
den 70er-Jahren auf uns zukommt. Hier ist eine verant-
wortliche Politik gefragt, die frühzeitig reagiert und nicht
erst alles hinnimmt. Deshalb werden wir den Kurs der
ökologischen Modernisierung gehen; denn das gebietet
die ökonomische wie ökologische Vernunft.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410724000
Die Aktu-
elle Stunde ist beendet.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Donnerstag, den 8. Juni 2000, 9 Uhr,
ein.

Die Sitzung ist geschlossen.