Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 sowie die Zu-
satzpunkte 11 und 12 auf:
14 Zweite und dritte Beratung des von den Frak-
tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Förderung der Stromerzeugung aus er-
Mineralölsteuergesetzes
– Drucksache 14/2341 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Wirtschaft und Technologie
– Drucksache 14/2776 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Kurt-Dieter Grill
Dr. Hermann Scheer
ZP 11 Erste Beratung des von den Abgeordneten
Eva Bulling-Schröter, Rolf Kutzmutz, Ursula
Lötzer, weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion der PDS eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Sicherung und zum Ausbau
der gekoppelten Strom- und Wärmeerzeu-
gung
– Drucksache 14/2693 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Finanzausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit
ZP 12 Erste Beratung des von den Fraktionen SPD
und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum
Schutz der Stromerzeugnung aus Kraft-
Wärme-Kopplung
– Drucksache 14/2765 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Finanzausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit
Ich weise darauf hin, dass wir nachher eine namentli-
che Abstimmung durchführen werden. Es liegt ein Ent-
schließungsantrag der Fraktion der F.D.P. vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Parlamen-
tarischen Staatssekretär Siegmar Mosdorf das Wort.
S
Herr Präsi-dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschlandbraucht Reformen. Diese Bundesregierung saniert nichtnur die öffentlichen Haushalte, sie senkt nicht nur dieSteuern, sondern sie setzt auch auf Innovationen undauf die Modernisierung Deutschlands. Das gilt für dieInformations- und Kommunikationstechnik und das giltmit der wichtigen Innovationsentscheidung heute auchfür die regenerativen Energien. Deshalb unterstützt dieBundesregierung das von den Koalitionsfraktionen ein-gebrachte Gesetz zur Förderung der Stromerzeugung auserneuerbaren Energien mit Nachdruck.
Mit dem Gesetz, das das alte Stromeinspeisungsge-setz ablösen wird, werden die Rahmenbedingungen fürdie Nutzung regenerativer Energiequellen zurStromerzeugung in Deutschland an das veränderteUmfeld im liberalisierten Binnenmarkt angepasst unddeutlich verbessert. Ich bin überzeugt, dass das neueGesetz ganz erheblich zu der von der Bundesregierungangestrebten Verdoppelung des Anteils erneuerbarerEnergien bis 2010 beitragen wird. Deshalb ist diesesZiel im Gesetz ausdrücklich verankert.Die Bundesregierung begrüßt auch, dass heute derGesetzentwurf zum Schutz der Stromerzeugung aus
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8428 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
Kraft-Wärme-Kopplung auf den Weg gebracht wird.Sie hält aus energie- und umweltpolitischen Gründen dieSicherung der vorhandenen kommunalen KWK beimÜbergang in den wettbewerblich organisierten Strom-markt für erforderlich. Dieses Soforthilfeprogramm istvor allem im Hinblick auf die Sicherung von Arbeits-plätzen notwendig. Der von den Koalitionsfraktioneneingebrachte Gesetzentwurf geht hinsichtlich des Krei-ses der begünstigten Unternehmen über das Konzept derBundesregierung hinaus. In der vorgesehenen Anhörungwird darüber diskutiert werden.Eines ist aber schon jetzt klar: Das Soforthilfepro-gramm ersetzt keine Langfristregelung zur generellenSicherung und zum Ausbau der KWK. Wenn sich dieKWK gemäß dem deutschen Klimaschutzziel als die ge-eignete Technologie erweist, dann wird die Bundesre-gierung im Laufe dieses Jahres einen Gesetzentwurf fürein Langfristprogramm vorlegen. Das Stromeinspei-sungsgesetz, das 1990 von allen Fraktionen des Deut-schen Bundestages einvernehmlich beschlossen wordenist, hat sich als äußerst erfolgreich erwiesen, allem voranbeim Ausbau der Windkraft. Damit sich diese erfolgrei-che Entwicklung fortsetzen kann, muss das Gesetz jetztnovelliert werden. Die Novellierung ist dringlich.Klar ist, dass die Liberalisierung des Strommarkteseinen Wandel und eine dynamische Entwicklung inGang gesetzt hat, die wir alle anstreben und hinter dieniemand zurück will; deshalb müssen wir sie nach vornehin ergänzen. Sie schlägt sich in den sinkenden Strom-preisen nieder, die Verbrauchern, Wirtschaft und damitder Konjunktur zugute kommen.Diese Entwicklung darf aber den bereits erreichtenund den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energiennicht gefährden. Wir müssen heute den Weg für diesezukunftsfähigen Techniken bereiten; denn sie bieten ei-ne klare Perspektive für eine nachhaltige Energieversor-gung Deutschlands in der Zukunft.
Die regenerativen Energien sind unerschöpflich undihre Nutzung schont endliche fossile Energieressourcen.Sie sind umweltfreundlich und tragen in ganz erhebli-chem Maße zum Klimaschutz bei, denn bei ihrer Nut-zung werden überhaupt keine oder nur geringe Mengenvon Schadstoffen und CO2 freigesetzt. Die erneuerbarenEnergien sind innovative Technologien, die neue Ex-portmöglichkeiten eröffnen und Arbeitsplätze vor allemim Mittelstand schaffen und sichern. Die Bundesregie-rung tut alles, um genau diese innovativen Arbeitsplätzefür morgen zu sichern.
Damit die Zukunftsperspektive, unser Land wiederauf die Überholspur zu bringen, zu modernisieren undnach vorne zu bringen, Realität wird, muss der Ausbauder erneuerbaren Energien auf dem Strommarkt durchangemessene Maßnahmen flankiert werden. Ziel dieserMaßnahmen muss es sein, die Wirtschaftlichkeit der er-neuerbaren Energien zu verbessern, damit sich für dieseTechnologien langfristig ein sich selbst tragender Marktentwickelt. Hier ist in der Vergangenheit auch schon ei-ne Menge erreicht worden. Bei den erneuerbaren Tech-nologien können wir einen ganz erheblichen technologi-schen Fortschritt beobachten. Wir sehen darin deshalbeine große Wettbewerbschance auch mit Blick auf denWeltmarkt, denn Deutschland muss auch auf diesemFeld in Zukunft eine Spitzenposition einnehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Nutzung derWindkraft und der Windtechnologie gehören wir heuteweltweit zur Spitzengruppe. Das ist nicht von allein ge-kommen, sondern hat etwas mit dem Engagement aufdiesem Sektor in den 90er-Jahren, aber auch mit denenormen Aktivitäten gerade mittelständischer Unter-nehmen in dieser Branche zu tun. Das neue Gesetz fürden Vorrang erneuerbarer Energien wird diesen Fort-schritt nicht nur verstetigen, sondern beschleunigen undist ein wichtiger Schritt, der uns dem gemeinsamen Ziel,den erneuerbaren Energien zum Durchbruch zu verhel-fen, ein entscheidendes Stück näher bringen wird.
Eine wichtige Neuerung ist die Abschaffung des sogenannten zweiten 5-Prozent-Deckels, der insbesonde-re in Norddeutschland den weiteren Ausbau der erneu-erbaren Energien in nächster Zeit gestoppt hätte. DiesesHindernis wird jetzt beseitigt. Das alte Stromeinspei-sungsgesetz hat die Stromversorgungsunternehmen undStromverbraucher in den norddeutschen Küstenregioneneinseitig belastet. Diese Schieflage wird durch das EEG,unser neues Gesetz, beseitigt, und zwar ohne dabei neueHürden für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Ener-gien aufzubauen.Ich halte die Einführung eines bundesweiten Bela-stungsausgleichs für einen wichtigen Erfolg.
Das ist eine der Voraussetzungen dafür, dass diese er-neuerbaren Energien auch in die Breite wachsen könnenund nicht nur ein Spezialsegment bedienen; so tragen siedazu bei, die Volkswirtschaft insgesamt zu erneuern undzu modernisieren. Damit ist es gelungen, die im Interes-se einer zukunftsfähigen Energieversorgung notwendigeAufgabe, den Ausbau der erneuerbaren Energien voran-zubringen, auf mehrere und breitere Schultern zu legen.Die Förderung erneuerbarer Energien konnte nicht aufDauer vorrangig eine Aufgabe der norddeutschen Kü-stenländer bleiben, sondern wir brauchten für diese einebundesweite Grundlage. Das wird mit der jetzigen Vor-lage das erste Mal in Deutschland erreicht.
Ein zentrales Element der Neuregelung ist die Um-stellung der bisher an die Strompreise gebundenen Ein-speisevergütungen auf feste Vergütungssätze. DieParl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8429
Bundesregierung befürwortet diesen Schritt nachdrück-lich. Eine unkalkulierbare Absenkung der Einspeise-vergütungen für regenerativ erzeugten Strom – diese Ge-fahr bestand bei Beibehaltung der bisherigen Regelungangesichts der Entwicklungen auf dem liberalisiertenStrommarkt – hätte bestehende Investitionen gefährdetund Neuinvestitionen erheblich erschwert, wenn nichtsogar weitestgehend unterbunden. Die Investoren in er-neuerbare Energien brauchen aber notwendigerweisePlanungssicherheit über einen angemessenen Zeitraum.Deshalb ist auch das eine wichtige Weichenstellung, dieeine nachhaltige Entwicklung dieser wichtigen Zu-kunftsbranche sicherstellt. Die Erweiterung des Geltungsbereiches des Gesetzesauf große Biomasseanlagen und Geothermie eröffnet zu-sätzliche und neue Chancen für die breite Palette erneu-erbarer Energieträger auf dem Markt. WirkungsvolleImpulse für den Ausbau der erneuerbaren Energien wer-den auch davon ausgehen, dass künftig die Energiever-sorgungsunternehmen selbst von den Einspeiseregelun-gen profitieren können.Aus Sicht der Bundesregierung ist es darüber hinauswichtig, dass die Windstromvergütung künftig nachStandortqualität und Anlagentechnik differenziert, einDegressionspfad in der Vergütungshöhe bei Photovol-taik, Windenergie und Biomasse ausdrücklich festgelegtund die Förderung für die einzelnen Anlagen mit Aus-nahme der Wasserkraft auf zwanzig Jahre befristet wird.Auch dies kann für neue Technologien und für wichtigeFortschritte bei den regenerativen Energien ein Innova-tionsmotor sein.Diese Elemente tragen den unterschiedlichen Gege-benheiten bei der Windstromerzeugung besser als bisherRechnung und schaffen generell die notwendigen Anrei-ze für weitere Kostensenkungen und Innovationen beiden erneuerbaren Energien. Das haben wir übrigensgemeinsam mit der Branche gemacht. Sie weiß, dassman ständig bereit sein muss, Erneuerungen durchzufüh-ren, und ist deshalb nicht an irgendwelchen dauerhaftenund statischen Förderungen interessiert, sondern daran,dass der Innovationsprozess organisiert wird und die Po-litik entsprechende Incentives setzt. Von dieser grundle-genden und umfassenden Neuregelung des Stromein-speisungsgesetzes können wir erwarten, dass weit mehrund weit schneller als bisher Strom aus regenerativenQuellen – nicht nur bei der Windkraft – produziert wird.Mit dem EEG gehen wir einen Weg, der auch bei un-seren Partnern in der Europäischen Union große Be-achtung finden wird; davon bin ich fest überzeugt. Ratund Kommission haben mehrfach die Notwendigkeit be-tont, den Ausbau der erneuerbaren Energien in der Eu-ropäischen Union insgesamt voranzubringen. Die deut-sche Energiepolitik und das EEG liegen voll auf der Li-nie, die wir in Europa gemeinsam verabredet haben.Es ist kein Geheimnis, liebe Kolleginnen und Kolle-gen, dass die Kommission das deutsche System zur För-derung regenerativ erzeugten Stroms nicht nur unterenergie- und umweltpolitischen, sondern auch unter wett-bewerbspolitischen Aspekten bewertet. Einer solchenDiskussion in Brüssel wird sich die Bundesregierungauch stellen; sie wird sich mit Nachdruck für dieses Ge-setz einsetzen.
Meine Damen und Herren, der Ausbau der erneuerba-ren Energien ist ein zentraler Baustein des Einstiegs ineine zukunftsfähige Energieversorgung. Das Gesetz fürden Vorrang erneuerbarer Energien wird diesen Ausbaudeutlich voranbringen. Ich bin davon überzeugt, dass diegezielte Förderung der Stromerzeugung aus regenerati-ven Energiequellen angesichts der Chancen, die dieseTechnologien bieten, eine lohnenswerte Investition indie Zukunft ist, und zwar nicht nur in die Zukunft unse-res Landes, sondern auch in die Zukunft internationalerMärkte. Deshalb setzen wir auf dieses Gesetz, auf diesegrundlegende Reform. Wir halten sie für einen wichti-gen Schritt im Rahmen der Modernisierungspolitik derBundesregierung.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile dem Kol-
legen Kurt-Dieter Grill, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Mei-ne Damen und Herren! Die Bundesregierung und die sietragenden Fraktionen haben einen Gesetzentwurf zurFörderung der erneuerbaren Energien vorgelegt, der inder Zielsetzung, den Anteil der erneuerbaren Energien inDeutschland zu verdoppeln, von uns unterstützt wird. Indem Ziel eines Ausbaus der Förderung von Energietech-nologien, die einen wesentlichen Beitrag zur Klimapoli-tik darstellen und eine Brücke in die nächsten Jahrzehntehinein bauen können, gibt es zwischen uns also imGrunde genommen keine Meinungsverschiedenheit.Diese Aussage macht auch deutlich, meine Damenund Herren, dass wir den Weg unserer Politik fortsetzenwollen, mit der wir bei der Windenergie Weltmeistergeworden sind. Das, was Sie, Herr Mosdorf, hier geradegesagt haben und was Frau Hustedt draußen immer sagt,dass nämlich das Stromeinspeisungsgesetz eines der er-folgreichsten Gesetze zur Förderung der Energiepolitiksei, macht deutlich, dass wir heute nicht über eine Ener-giewende reden. Sie setzen vielmehr das fort, was wirseit 1990 unter Helmut Kohl erfolgreich begonnen ha-ben.
Meine Damen und Herren von der SPD, ich möchteIhnen nur eines sagen: Sie können heute Morgen in die-sem Parlament nicht die weltmeisterliche Leistung ausder Regierungszeit von CDU/CSU und F.D.P. verein-nahmen und dann behaupten, Sie würden bei null anfan-gen.Parl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf
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8430 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
Sie setzen den Weg fort, den wir seit Mitte der 80er-Jahre erfolgreich eingeschlagen haben.
Mit der Übereinstimmung in der Zielsetzung ist al-lerdings der Vorrat an Gemeinsamkeiten fast aufge-braucht.
– Herr Schütz, Sie haben dem Parlament am Mittwochnur 20 Minuten Zeit für die Beratung eines so umfang-reichen und komplizierten Gesetzes gelassen. Sie dürfensich daher jetzt nicht wundern, dass Ihnen die Oppositi-on auf diesem Weg nicht folgt. Die Opposition möchtenämlich dieses Gesetz in der Sache diskutieren, aber Siegeben uns dafür im Parlament nicht die Zeit. Das ist derPunkt.
Nach der Einbringung des Gesetzes fand eine Anhö-rung statt. Die Konsequenzen, die aus der Anhörung zuziehen sind, haben Sie in der Koalition diskutiert. DasParlament aber ist an der Beratung dieses Gesetzes fastüberhaupt nicht beteiligt gewesen.
Auch nach dem, was Herr Mosdorf heute hier vorge-tragen hat, sehen wir keinen Sinn darin, im Rahmen desEnergiedialoges weiter zu diskutieren; denn im Deut-schen Bundestag werden diese Verabredungen von derMehrheit sozusagen durch die Gesetzgebung überholt.Ihnen geht es darum, Ihren Willen durchzusetzen, undnicht darum, einen Konsens mit der Opposition zu su-chen.
– Ich weise Ihnen gleich nach, dass es kein gutes Gesetzist. Sie erreichen nämlich mit viel Geld nur wenig. Mankönnte mit dem eingesetzten Geld den doppelten Effekterreichen. In diesem Zusammenhang kann ich Ihnen nurraten, einmal die Rede von Jürgen Trittin zu lesen, die ervor zwei Tagen bei der Friedrich-Ebert-Stiftung gehal-ten hat. Er hat dort gesagt, man könne den Anteil derWindenergie verdoppeln, wenn man an den alten Stand-orten neue Maschinen einsetzen würde. Darin liegt einTeil unserer Kritik begründet.
– Sie wollen einen Schutz für Altanlagen, der die Inno-vation verhindert.
Erster Punkt. Wir unterscheiden uns von Ihnen darin,dass wir nicht zu denen gehören, die erneuerbare Ener-gien und Kraft-Wärme-Kopplung als Ersatz für Kern-energie in der Grundlast bezeichnen. Eine Verdoppe-lung vorausgesetzt, erreichen wir einen Anteil von unge-fähr 8 Prozent. Was ist aber mit den restlichen92 Prozent?Zweiter Punkt. Erneuerbare Energien sind in einerReihe von Fällen eher additiv, als dass sie alternativsind. Langfristig brauchen wir sie – ich knüpfe hier anein Wort von Wolfgang Schäuble an –, um die Vorherr-schaft der fossilen durch die Vorherrschaft der erneuer-baren Energien zu ersetzen. Sie gehen von den falschenBezügen aus, wenn Sie permanent die erneuerbarenEnergien im Sinne des Ersatzes von Kernenergie disku-tieren.
Der eigentliche Grund für den Einsatz der erneuerbarenEnergien ist die Ablösung der fossilen Energien wegender Klimafrage.
Dritter Punkt. Die Finanzierung, Förderung undMarkteinführung der erneuerbaren Energien vomMarktgeschehen abzukoppeln ist ein Versagen hin-sichtlich der zentralen Herausforderung an die erneuer-baren Energien, nämlich sich dem Wettbewerb zu stel-len, ihm langfristig ausgesetzt zu sein, wettbewerbsfähigzu sein, damit wir auch unter dem Gesichtspunkt derKosten die Energieversorgung in Deutschland sicherstel-len können.
– Damit dieser Punkt abgehandelt ist, Herr Fell, will ichSie auf Folgendes hinweisen: Wir stimmen mit Ihnen imZiel Verdoppelung überein. Ich weiß, über welcheSummen wir in diesem Zusammenhang reden. Wir wer-den 70 Milliarden bis 80 Milliarden DM ausgeben müs-sen. Aber das heißt nicht, dass es auf die Art und Weisegeschehen muss, wie es im heute zu verabschiedendenGesetz vorgesehen ist. Das ist eine ganz andere Frage.
Angesichts der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit,des Sinkens der spezifischen Subventionszahlungen undder im Sinne der Nachhaltigkeit erforderlichen Absen-kung der Stoffeinsätze kann man nur feststellen, dassdieses Gesetz keinen entscheidenden Beitrag liefernwird. Außerdem gehört in diese Debatte zumindest derHinweis darauf, dass es auch andere Energietechnolo-gien gibt – wie zum Beispiel die Brennstoffzelle –, dieneben den erneuerbaren Energien weiterentwickeltKurt-Dieter Grill
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8431
werden müssen, weil sie vielleicht einen viel weitergehenden Beitrag leisten können.Im Hinblick auf das KWK-Vorschaltgesetz, das Sieheute einbringen, sage ich: Wir wollen eine Diskussionüber die Kraft-Wärme-Kopplung, die problem- undnicht eigentümerorientiert ist. Die Kraft-Wärme-Kopplung hat, wenn sie gut ist, ihre Chance und mussihre Chance haben. Wenn sie im Übergang, im Um-bruch, in dem wir uns durch die Einsetzung des liberali-sierten Marktes nun einmal befinden, Probleme hat,dann wollen wir sie, an ihren Problemen orientiert, überdiese Umbruchszeit bringen. Dabei ist es aber wenigerinteressant, ob die Anlage einem Stadtwerk oder einemIndustriebetrieb gehört; vielmehr geht es um das Prob-lem der KWK. Nach der Anhörung am 13. März werdenwir in der Lage sein, Ihnen auch hierzu eine Lösung an-zubieten, die wir möglicherweise gemeinsam angehen.
Draußen verkünden Sie immer, es gehe um einenKonsens, Sie versuchten, gemeinsame Beschlüsse desParlaments herzustellen, und bemühten sich ernsthaftum eine Beratung und um ein Gespräch in dieser Sache,und Sie versuchen, dies auch zu belegen. Wenn Sie aberauf dem Weg weitermachen, innerhalb Ihrer Gremien zubeschließen, dann werden Sie – –
– Natürlich, Herr Matschie. Sie müssen es nur einmalversuchen. Sie haben es ja noch gar nicht versucht. Dasist der Punkt. Sie haben ein sagenhaftes Demokratiever-ständnis!
Ich füge hinzu, dass die Zeit dieses Umbruchs nichtdie Muster für die Gestaltung des mittel- und langfristi-gen Wettbewerbs und die Ausgestaltung der Förderungder erneuerbaren Energien liefern kann. Auch vor dem Hintergrund dessen, was Herr Mosdorfgesagt hat, halte ich fest: Herr Mosdorf, Ihr Bundeswirt-schaftsminister hat am Mittwoch noch einmal den tiefenDissens zwischen der Mehrheit des Hauses und IhremHaus in Sachen EU-Beihilfe deutlich werden lassen.
– Herr Müller hat im Ausschuss noch einmal deutlichgesagt, dass dies unter dem Vorbehalt der Genehmigungder EU-Beihilfe stehe. Dies versuchen Sie durch rhetori-sche Argumentation beiseite zu wischen. Ich denke aber,dass die Konsequenz aus der Frage der EU-Beihilfe dar-in besteht, dass das deutsche Parlament Brüssel, die Eu-ropäische Union, mahnen muss, parallel auf der Ebenedes Binnenmarktes eine europäische Regelung zur För-derung erneuerbarer Energien zu schaffen, weil es einElend ist, immer wieder die Beihilfefrage mit Brüssel zudiskutieren, wenn wir ein Gesetz machen. Das geht abernicht, indem wir uns hier hinstellen, so wie Herr Scheerim Ausschuss, und sagen: Europa interessiert uns nicht;die haben uns nichts vorzuschreiben.
In diesem Zustand ist Europa nicht mehr. Das Europäi-sche Parlament besitzt sozusagen zu 80 Prozent dieAbstimmungs- und Entscheidungskompetenz. Deswe-gen kann ich nur dringend dazu raten, dass Sie nicht nurdieses Gesetz in Brüssel durchsetzen, sondern endlichfür eine europäische Regelung eintreten.
– Herr Scheer, was das korrekte Zitieren angeht, habeich Ihnen gegenüber überhaupt keinen Nachholbedarf.
Meine Damen und Herren, die Finanzierung diesesGesetzes aus dem Netz und über die Verbraucher ist derfalsche Weg.
Sie haben die Ökosteuer zur Finanzierung der Renteeingeführt. Die Ökosteuer geht aber mit 10 Milliar-den DM bis 15 Milliarden DM in den Haushalt undnicht in die Rentenfinanzierung.
Sie haben in diesem Jahr lächerliche 200 Millionen DMvon 5,6 Milliarden DM Stromsteuer für die Förderungder erneuerbaren Energien zur Verfügung gestellt. Siehaben die Forschung zusammengestrichen, Sie habengekürzt.
Deswegen kann ich Ihnen nur dringend raten: Wenn Sieordnungspolitisch wettbewerbsneutral nicht zu einerweiteren Belastung der Verbraucher, der Wirtschaft undder Arbeitsplätze kommen wollen, dann machen Sie ei-ne Staatsfinanzierung wie bei der Kohle und in anderenBereichen. Dann haben wir einen ordnungspolitischsauberen Weg und der Druck, mit weniger Geld mehr zuerreichen, wird geringer. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir bieten Ihnen nach wievor in dieser Sache an, die langfristige Lösung –
Ihr Gesetz ist keine langfristige Lösung – gemeinsamanzugehen und im Dialog zu bleiben. Das setzt abervoraus, meine Damen und Herren, dass Sie
einen Konsens nicht als eine Sache betrachten, die Sieentscheiden. Wir werden die Energie- und KlimapolitikKurt-Dieter Grill
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8432 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
über Legislaturperioden hinaus mit Konsistenz versehenmüssen und wir werden Ihnen den Zahn der Überheb-lichkeit – sozusagen die Unumkehrbarkeit Ihrer Politik –schon noch ziehen. Wer den Energiekonsens draußenfordert, Frau Hustedt, der sollte auch versuchen, ihn zuerreichen, und er erreicht ihn nicht, wenn er seine Ent-scheidung als den einzig richtigen Weg ansieht. Ich sage zum Schluss noch einmal: Wir sind uns überdas Ziel einig, dass wir eine Verdoppelung des Anteilsder erneuerbaren Energien, und zwar nicht nur im Be-reich des Stroms, sondern auch im Bereich Wärme undMobilität, erreichen müssen. Den Weg, den Sie ein-schlagen, halten wir für den falschen. Das Ziel ist rich-tig. Danke schön.
Ich erteile der Kolle-
gin Michaele Hustedt, Bündnis 90/Die Grünen, das
Wort.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!Herr Grill, was Sie sagen, ist definitiv falsch. Wir habenseit Monaten versucht, mit der Opposition, insbesonderemit der CDU/CSU, über diese Frage zu sprechen.
Unser Ziel war immer, es gemeinsam zu schaffen. Lei-der sind wir dabei aber nicht auf die konstruktiven Kol-legen gestoßen – Herr Austermann, Herr Schauerte, HerrRamsauer –, sondern auf Sie getroffen.
Sie haben von vornherein Fundamentalopposition be-trieben.
Es war anscheinend keine Zusammenarbeit möglich. Hier hat sich das schon wieder gezeigt. Sie haben ge-sagt, Sie wollten das Stromeinspeisungsgesetz durch ei-ne Ökosteuerfinanzierung ablösen, das sei der bessereWeg.
Ich kann Ihnen sagen: Das machen wir nicht mit. Daswerden wir auch nicht mitmachen.
Ich kann keine guten Gründe für Ihre ablehnendeHaltung gegenüber unserem Gesetz zur Förderung er-neuerbarer Energien sehen. Das alte Stromeinspeisungs-gesetz war gut. Das EEG ist besser, und zwar in allenPunkten.
Wir haben zum einem das Gleichheitsprinzip ver-wirklicht, denn wir haben alle Energieerzeuger in dasStromeinspeisungsgesetz aufgenommen. Wir haben jetzteine flexible Quote. Alle Energielieferanten werden bun-desweit gleichmäßig belastet. In diesem Punkt ist dasneue Gesetz wesentlich besser, als es das alte Stromein-speisungsgesetz war.Wir haben zweitens das „unbundling“ konsequentweitergedacht. Nach dem alten Stromeinspeisungsgesetzwar doch falsch, dass der Netzbetreiber Strom hatte. Erdurfte ihn nicht haben, weil er aufgrund des „unbund-ling“ keinen Strom verkaufen darf. Wir haben das „un-bundling“ konsequent durchgesetzt. Zudem sind wir das angegangen, was Sie kritisierthaben. Sie sagen, es gebe keinen Anreiz. Nach dem al-ten Stromeinspeisungsgesetz – das hat die EU-Kom-mission vor allem kritisiert – hatten wir das Problem,dass die guten Standorte an der Küste eindeutig zu hochgefördert wurden. Jetzt haben wir das differenziert undbewegen uns näher an der Kostenkurve. Wir haben zumBeispiel an guten Küstenstandorten die durchschnittli-che Einspeisevergütung um drei Pfennig auf 13,5 Pfen-nig reduziert. Damit sind wir wesentlich dichter an dentatsächlichen Kosten und schaffen es, tatsächlich Inves-titionen zu fördern, aber auch nicht so stark, dass sichdadurch jemand eine goldene Nase verdienen kann.
EU-rechtlich ist dieses Gesetz wesentlich besser ab-gesichert. Ich finde auch, dass sich die Position derFraktionen, gegenüber der EU-Kommission auch einmalgeradezustehen, gelohnt hat. Gestern hat, wie bestellt,die Energiekommissarin gesagt, dass für die nächstenfünf Jahre so etwas wie das Stromeinspeisungsgesetznicht unter eine Beihilfemodifizierung fallen soll. Daswar immer unsere Position. Ich finde das auch richtig.
Ihre Änderungsanträge, die Sie jetzt auf den Tisch le-gen, würden faktisch das jetzige Stromeinspeisungsge-setz unwirksam machen. Deswegen frage ich mich, obdie Unterstützer der Verdoppelung des Anteils der er-neuerbaren Energien eigentlich der Mut verlässt, wennes tatsächlich Ernst wird. Sie verkämpfen sich immerwieder beim Thema Atom, sagen auch, Sie wollten die-ses Ziel erreichen,
wenn es aber hart auf hart kommt und ein Gesetzentwurfgemacht wird, der bewirken soll, dass es in dieser Bran-che brummt, dass investiert wird – nicht nur beim Wind;wir haben aus dem kleinen Trampelpfad in das Solar-zeitalter einen breiten Weg gemacht, indem wir auch Biomasse-, Erdwärme- und Photovoltaikanlagen Kurt-Dieter Grill
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8433
fördern – dann verlässt Sie der Mut, dann ziehen Sienicht mehr mit. Ich finde das sehr schade.Das Doppelspiel, das Sie hier betreiben – Herr Grillbetreibt sozusagen Fundamentopposition gegen die Ver-besserung des Stromeinspeisungsgesetzes und Herr Austermann läuft im Land herum und sagt: Ich werdedarum kämpfen, dass die Altanlagenregelung verbessertwird –, machen wir nicht mit.
Ich sage Ihnen eines ganz deutlich: Wir haben dienamentliche Abstimmung auch deshalb beantragt, weiljeder von Ihnen hier einmal Farbe bekennen muss. Dennman kann sich nicht bei den aufstrebenden jungen Bran-chen vor Ort hinstellen und sagen, wir stehen auf eurerSeite
– genau, links blinken und rechts fahren –, wenn mangleichzeitig bei all den Problemen, die es zurzeit gibt –es herrschte Attentismus und es gab null Investitionen,weil das Stromeinspeisungsgesetz auszulaufen drohte –,dagegen stimmt, das Stromeinspeisungsgesetz wesent-lich zu verbessern. Wenn Sie das dennoch tun, zeigenSie, dass Sie es mit der Verdoppelung des Anteils dererneuerbaren Energien doch nicht ernst meinen.
Wir haben gesellschaftlich sehr viel Zustimmung zudiesem Gesetz erhalten. Nicht nur die Umweltverbändeund die Verbände der Träger der erneuerbaren Energienhaben gesagt, das sei ein hervorragendes Gesetz, son-dern auch der Bauernverband hat gesagt, die Bauernkönnten die Energiewirte von morgen werden. DerVDMA hält das Gesetz ebenfalls für hervorragend. Ersagt: Wir entwickeln mit diesem Gesetz eine Export-branche mit großen Zukunftschancen. Die IG Metall hatdas Gesetz begrüßt, die Kirchen begrüßen es und selbstdie Stromkonzerne – ich hatte gestern ein Gespräch mitdem VDEW – sind mit dem Gesetz stärker einverstan-den, als sie es jemals mit dem alten Stromeinspeisungs-gesetz waren, weil wir nämlich auch hier Polarisierungüberwunden haben.
Wir haben, meine Damen und Herren, auch von derSPD, mit diesem Gesetz eine wichtige Säule unserer Energiepolitik festgeschrieben. Wir haben einen wichti-gen Baustein für das Klimaschutzprogramm geschaf-fen, das wir im Sommer gemeinsam verabschieden wol-len. Deutschland hat mit diesem Gesetz und dem För-derprogramm weltweit das ambitionierteste Innovati-onsprogramm für die erneuerbaren Energien. Daraufkönnen wir alle zusammen, sowohl die rot-grüne Regie-rung als auch wir als SPD und als grüne Fraktion, wirk-lich außerordentlich stolz sein.
Wir beschäftigen uns heute in der ersten Lesung auchmit der zweiten Säule, nämlich der Frage, wie wir dieKraft-Wärme-Kopplung nicht nur erhalten, sondernauch im Wettbewerb ausbauen können. Ich stimmeHerrn Grill in diesem Punkt zu: Da geht es nicht um dieFrage des Eigentums, sondern es geht um die Frage derTechnik und um die Lösung von Problemen. Wir wol-len, dass die fossilen Energieträger, die endlich sind, soeffizient wie möglich eingesetzt werden, und zwar inzunehmendem Maße.Heute findet die erste Lesung des Gesetzentwurfesfür die Soforthilfe statt. Diese soll für eine Überbrü-ckungsphase gelten. Wir meinen, dass sehr schnell etwasfür diejenigen getan werden muss, die besonders stark indiesen Bereich investiert haben und deshalb vor der Fra-ge stehen, wie sie diese Phase überdauern.Aber ab sofort muss auch die Diskussion über dieEntwicklung eines dauerhaften Instrumentes zum Aus-bau der Kraft-Wärme-Kopplung beginnen. Es ist keinGeheimnis, dass Bündnis 90/Die Grünen dort eine Quo-te vor Augen hat. Wir wollen einen Teil des Marktes fürdie Kraft-Wärme-Kopplung abteilen, auf dem es genau-so Wettbewerb geben soll wie in den anderen Bereichen.Aber dieser Markt muss im Wettbewerb ein Stück weitvor den Dumpingpreisen der großen Stromindustrie ge-schützt werden.Die Tatsache, dass BASF genauso viel Strom brauchtwie ganz Dänemark, zeigt, wie groß der deutsche Marktist. Wenn wir einen Anteil des Wettbewerbs abtrennen,damit jeder Stromlieferant einen bestimmten AnteilKWK-Strom erzeugt, und diesen Markt entwickeln,dann ist das ein sehr modernes Instrument, um die Kraft-Wärme-Kopplung weiterzuentwickeln.Ich glaube, wir werden diese zweite Säule, nämlichnach der Soforthilfe ein dauerhaftes Instrument für dieFörderung der Kraft-Wärme-Kopplung zu schaffen, inabsehbarer Zeit entwickeln. Wenn wir darüber hinausdie Energieeinsparung voranbringen, werden wir eineEnergiepolitik haben, bei der wir ein Stück in RichtungZukunftsfähigkeit vorangekommen sind.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Walter Hirche, F.D.P.-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Da-men und Herren! Wer die erneuerbaren Energien fördernwill, der muss sich über die Ziele und die Wege ver-ständigen.
Hinsichtlich des Zieles sind wir uns einig: Verdoppe-lung des Anteils der erneuerbaren Energien in dennächsten zehn Jahren. Aber wir stellen fest, dass Einig-keit im Ziel leider noch lange nicht heißt, dass jederWeg, dieses Ziel umzusetzen, vernünftig ist. Das ist ausMichaele Hustedt
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8434 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
unserer Sicht das Problem des vorliegenden Gesetzent-wurfes. Sie vernachlässigen dreierlei, was für die Förderungvon erneuerbaren Energien notwendig ist: erstens mehrInnovationen und Effizienz; zweitens eine finanzielleGrundlage, die nicht zulasten von Arbeitsplätzen geht,und drittens rechtliche Sicherheit statt des PrinzipsHoffnung.Das Stromeinspeisungsgesetz hat mit seiner Ankop-pelung der Vergütung an die Marktpreise einen Innova-tionsdruck auf die Anlagenhersteller ausgelöst, der phänomenal ist. Mit großer Genugtuung können wirheute feststellen, dass die Anlagen in den letzten zehnJahren infolge dieses Innovationsdrucks um etwa50 Prozent leistungsstärker geworden sind. Das ist eingrandioses Ergebnis unseres Anlagenbaues.
– Richtig.Die im EEG vorgesehene Umstellung auf Festpreiseist bei ausreichender Degression vertretbar. Wer sich al-lerdings die Mechanismen genauer ansieht, der wirdfeststellen – das ist der Punkt –, dass bestehende Anla-gen besser gestellt werden als bisher, und zwar ohnedass damit ein zusätzlicher CO2-Minderungsbeitrag er-zielt wird, dass Anlagen an schlechteren Windstandor-ten – so hat es Herr Trittin vor zwei Tagen erklärt – imVergleich zu solchen an guten Standorten begünstigtwerden und dass, so der VDMA, bekannte Technologieim Vergleich zu Neuentwicklungen, zum Beispiel imOffshorebereich – die Förderung dieses Bereiches wurdeim Zuge der Beratungen verschlechtert –, begünstigtwird.
– Ein Schreiben des VDMA vom letzten Mittwoch legtdas in aller Deutlichkeit dar. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung verzichten Siedarauf, Effizienzsteigerungen anzupeilen. Damit beein-trächtigen Sie die Zukunft der erneuerbaren Energien.Denn nur wenn eine weitere Leistungssteigerung ge-lingt, wird weltweit die Energieerzeugung aus erneuer-baren Energien mit der traditionellen Energieerzeugungkonkurrieren können.
Das muss erreicht werden, wenn, wie Sie es wollen, einwirtschaftlich und sozial akzeptabler Ersatz für Kern-energie gefunden werden soll.Im Hinblick auf die Finanzierung all dessen be-schließen Sie einfach eine neue Umlage, einen neuenStrompfennig. Die so genannte Ökosteuer lässt grüßen.
Einige von Ihnen, Herr Schütz – das wissen Sie –, spre-chen schon von einem neuen Braunkohlepfennig und ei-nem zusätzlichen KWK-Pfennig – und das alles zulastender Stromkunden, im Klartext: zulasten der Arbeitsplät-ze.
Aber Sie bleiben bei Ihrem Ei des Kolumbus, bei derNetzumlage. Dabei wissen doch alle, dass Kolumbus,als er lossegelte, nicht wusste, wohin, dass er, als er an-gekommen war, nicht wusste, wo er war, und dass er, alser zurückkam, nicht wusste, dass er sein Ziel nicht er-reicht hatte – und dies alles mit dem Geld fremder Leu-te.
Wer die erneuerbaren Energien politisch fördernwill – wir Liberale wollen das –, der muss die Finanzie-rung über den Haushalt sicherstellen. Die Förderung dererneuerbaren Energien ist politisch gewollt.
Deswegen sollte die Förderung aus dem Haushalt finan-ziert werden. Wir sprechen uns für diesen Weg zuguns-ten der erneuerbaren Energien aus.
– Herr Schütz, wir wollen das aus dem Haushalt finan-zieren. Sparen ist für Sie ein Fremdwort.
Bei der Vergabe der Haushaltsmittel könnten dannmarktorientiert Kosten-Nutzen-Kriterien eine Rolle spie-len. Herr Grill hat schon darauf hingewiesen, dass nachZahlen des Bundesfinanzministers die Einnahmen, dieSie aus der so genannten Ökosteuer erzielen, über denbisherigen Berechnungen, und zwar im zweistelligenMilliardenbereich, liegen. Ökologisch wäre es vernünf-tig, die Einnahmen aus der Ökosteuer zumindest zumTeil für Ökozwecke zu nutzen und die Einnahmen nichtim Haushalt zu verbraten.Meine Damen und Herren, angemessen wäre es ge-wesen, im Ausschuss über die Vergütungspreise zu dis-kutieren. Sie haben das nicht getan. Die entsprechendeAnhörung können Sie in den Wind schreiben. Was bis-her völlig fehlt, ist die umweltpolitische Abwägung,welche Technik bei geringsten Kosten am meisten CO2 vermeidet, welche Technik also den höchsten umweltpo-litischen Nutzen hat.
Warum haben Sie eine entsprechende Sachberatungim Ausschuss verweigert? Am Mittwoch dieser Wochehat es im federführenden Wirtschaftsausschuss über-haupt keine Beratung in der Sache gegeben. Sie habenam Mittwoch dieser Woche Ihre Änderungsanträge aufden Tisch gelegt,
Walter Hirche
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8435
wir durften eine allgemeine Erklärung abgeben und dannhaben Sie über alles en bloc abstimmen lassen.
Gemeinsamkeit, Diskussion? Pustekuchen!
Dabei gibt es massive rechtliche Einwände gegenden vorliegenden Gesetzentwurf. Es ist schon bemerkenswert, wie Sie den Hinweis des Bundeswirt-schaftsministers, es gebe beihilferechtliche Schwierig-keiten mit der EU, beiseite schieben und über die dro-henden Rückzahlungsverpflichtungen in einem solchenFall schweigen. Herr Müller wird von Ihnen als dummer Junge hinge-stellt. Sie verkennen, Frau Hustedt, dass die Ankündi-gung der EU-Energiekommissarin, die Gewährung vonBeihilfen an Ökostrom-Lieferanten erst in fünf Jahrenauf ihre Europatauglichkeit zu überprüfen, nicht eineAussage des zuständigen Kommissars ist. Staatssekretär Mosdorf hat im Übrigen am 16. Feb-ruar auf meine Frage zum Verhalten der EU erklärt:„Wir hoffen sehr, dass unser Gesetzentwurf mit denVorstellungen der EU kompatibel ist.“ Zu den verfas-sungsrechtlichen Fragen hat Herr Mosdorf erklärt: „DieBundesregierung ist sicher, dass verfassungsrechtlicheBedenken ausgeräumt werden können. Sie befasst sichmit dieser Frage ernsthaft.“ – Donnerwetter, die Bundes-regierung befasst sich mit dieser Frage ernsthaft! Es gibt keinerlei schriftliche Stellungnahme der Verfas-sungsressorts zu dem Gesetzentwurf, und das aus gutemGrunde.
– Herr von Larcher, wenn Sie sich mit der Materienicht beschäftigt haben, müssen Sie doch nicht dauernddazwischenrufen.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle ist einesvöllig klar: Der Kohlepfennig lässt grüßen, und zwartrotz der Neuregelung, trotz der Änderung, FrauHustedt, die Sie hier vorgenommen haben und die ichregistriere. Auf einen Verstoß des EEG gegen Art. 3 des Grund-gesetzes – Gleichheitsgrundsatz – ist in der Anhörungvon mehreren Experten hingewiesen worden und es gibtein neues Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das diefrühere Rechtsprechung in Sachen „Kohlepfennig“ aus-drücklich noch einmal bestätigt. Meine Damen und Herren, wenn Ihnen das – die ver-fassungsrechtlichen Bedenken – nicht reicht,
dann sage ich dazu: Es ist dies eine weitere Maßnahme,um die Kosten von Produkten in Deutschland im inter-nationalen Wettbewerb direkt zu erhöhen. Damit gehtdiese Netzumlage zulasten der Arbeitsplätze.
Sie folgen dem Prinzip Hoffnung, Herr Schütz, und dasist zu wenig, um die erneuerbaren Energien wirklich zufördern. Sie sagen – das muss man diskutieren –, dieHannover-Messe Industrie mache das Gesetz nötig, ver-ursache den Zeitdruck. Ich halte dagegen: Wenn Sie einGesetz mit solchen rechtlichen Mängeln auf den Wegbringen, dann schaffen Sie nicht mehr Sicherheit, son-dern erzeugen Rechtsunsicherheit zum Schaden der re-generativen Energien. Ich fand bemerkenswert, was ein Sachverständiger inseiner Zusammenfassung gesagt hat: Das EEG ist dasperfekte Stromeinspeisungsgesetz der 90er-Jahre; espasst nur leider nicht in den liberalisierten Markt.Warum haben Sie nicht mit uns ernsthaft über einegemeinsame Veränderung des Stromeinspeisungsgeset-zes gesprochen, zum Beispiel auch über die gemeinsamgewollte bessere Förderung von Biomasse? So etwasbegrüße ich natürlich.
Warum haben Sie sich nicht darauf eingelassen, im Sin-ne von Umweltpolitik Instrumente zu entwickeln, um ef-fiziente Energieerzeugung und CO2-Vermeidung beson-ders zu fördern? Ich appelliere an Sie – wenn Sie schon meinen, dasGesetz heute so beschließen zu müssen –: Öffnen Siesich wieder dem Dialog über eine gemeinsam gestalteteZukunft der regenerativen Energien, denn wir halten mitIhnen an dem Ziel der Verdoppelung in den nächstenzehn Jahren fest. Aber sosehr wir auch den Anteil dererneuerbaren Energien ausweiten wollen – die hier vor-geschlagenen Instrumente sind falsch. Ein Gesetz, dasauf Stärkung von Innovation und Effizienz verzichtet,ein Gesetz, das Finanzierung zulasten von Arbeitsplät-zen regelt, ein Gesetz, das Rechtsunsicherheit schafft,wo Sicherheit geboten wäre, ist nicht zustimmungsfähig. Vielen Dank.
Ich erteile der Kolle-
gin Eva Bulling-Schröter von der PDS-Fraktion das
Wort.
Herr Präsident! LiebeKolleginnen und Kollegen! Das Erneuerbare-Energien-Gesetz gehört sicherlich zu den erfreulicheren Dingen,die die Koalition angefasst hat. Ich möchte deshalbgleich eingangs unsere Zustimmung zu diesem Gesetzzum Ausdruck bringen.Walter Hirche
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8436 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
Es ist eine schlüssige Fortentwicklung des Stromein-speisungsgesetzes, allerdings unter ansonsten bekla-genswerten energiepolitischen Rahmenbedingungen.Gerade am letzten Wochenende machte Greenpeacein Straßenaktionen darauf aufmerksam, welche umwelt-politischen Folgen die überstürzte Liberalisierung desStrommarktes hat. Billigstrom sei Atomstrom unddamit verantwortlich für Atommüllberge, die ständigeGefahr von Störfällen und die radioaktive Verseuchungganzer Landstriche und Meeresregionen durch die Wie-deraufarbeitung von Atommüll. Ich zitiere:Die Stromkonzerne geben sich neue Namen und er-scheinen mit neuem Gesicht, das Produkt ist undbleibt aber Atom- und Kohlestrom, der die Umweltzerstört.So diese Organisation.Nun liegt der Charme des EEG ja gerade darin, dassdem zu betriebswirtschaftlichen und ökologischenDumpingpreisen abgesetzten Billigstrom etwas entge-gengesetzt wird: die nahezu kostendeckende Einspeise-vergütung und die Abnahmepflicht für Strom aus er-neuerbaren Energieträgern. Mit dem Vorschaltgesetz zurKraft-Wärme-Koppelung scheint nun endlich auch derBestand von KWK-Anlagen gesichert zu sein. Wahr-scheinlich ist infolge des EEG und des künftigen KWK-Gesetzes mit Quotenregelungen auch ein deutlicher Zu-wachs von regenerativen Energien und KWK-Anlagenzu erzielen.Doch die Frage ist, ob durch das Maßnahmenbündeltatsächlich ein grundlegender Wandel in der Energie-wirtschaft eingeleitet wird. Bis zum Jahre 2010 soll sichder Anteil der erneuerbaren Energien auf 10 Pro-zent – genauso wie der KWK-Anteil an der Strom- undWärmeerzeugung auf 20 Prozent – verdoppeln. Die Sa-che hat aber einen Haken. Den formulierte der Präsidentdes Umweltbundesamtes, Professor Troge, Ende Januarso:Nur wenn wir insgesamt weniger Energie verbrau-chen, wird der Anteil erneuerbarer Energien in ab-sehbarer Zeit steigen. Die rationelle Energiewand-lung und -nutzung und die erneuerbaren Energiensind untrennbare Partner.Genau dort geraten die beiden sich bekämpfendenSeiten der bundesrepublikanischen Energiepolitik auf-einander. Das Umweltproblem des Billigstroms resul-tiert nämlich daraus, dass er tatsächlich billig ist – deut-lich billiger als bisher. Nach den Gesetzen des Marktesdürfte sich der Stromverbrauch dadurch eher erhöhenstatt verringern. Deshalb bin ich ein wenig skeptisch, obdie Zukunft tatsächlich einen durchgreifenden Wandelin der Energiepolitik bringen wird, trotz oder auch we-gen der irrwitzigen Konstruktion der Ökosteuer.Ich habe schon kürzlich auf Bundesminister MüllersRede vom 16. Dezember hingewiesen. Er sprach davon,dass im Jahre 2005 infolge der StrompreissenkungenEinsparungen in Höhe von 15 bis 20 Milliarden DM zuerwarten sind. Dies liege dann weit über den Förderpro-grammen, die die Volkswirtschaft in der Summe etwa4 Milliarden DM kosten werden. Doch welche Chancehaben Energieeinsparungen größeren Umfangs, wennder Umweltverbrauch im Energiesektor augenscheinlichnetto immer billiger wird? Ist der Einstieg ins Solar-zeitalter so tatsächlich zu schaffen?Das zweite große Hindernis liegt für uns in dem ver-zögerten Ausstieg aus der Atomwirtschaft. Die politi-schen Signale für Anlagenbauer wie für Stromabneh-mer – und damit selbstverständlich auch die Nachfragenach einer Solarwirtschaft – sind bei 30 Jahren Laufzeitnatürlich grundlegend andere als bei einem Ausstieg biszum Jahr 2005. Kleine Motorkraftwerke mit Wärmeaus-koppelung beispielsweise, deren Marktvorteil ja geradein der geographischen Kundennähe liegt, müssen durchdie Verbändevereinbarung das Höchstspannungsnetz fi-nanzieren, das ja nicht sie, sondern die großen Konden-sationskraftwerke nutzen. Die Nutzung kurzer Netzab-schnitte ist überteuert. Deshalb bleiben wir bei unsererForderung: Eine Netzdurchleitungsverordnung mussdie Verbändevereinbarung ablösen.
Eine unabhängige Netzbehörde ähnlich wie auf dem Te-lekommunikationssektor wäre zu deren Überwachung zuschaffen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele sind ange-sichts des EEG in Euphorie verfallen. Man hört, das So-larzeitalter sei sozusagen eingeläutet. Ich denke, das istweit weg von der Realität – leider! Einen spürbarenRückgang des Verbrauchs fossiler Energieträger wird esnur geben, wenn das EEG mit einem Maßnahmenbündelflankiert wird. Zunächst sind mittels einer bissigen Energiesparverordnung in absehbarer Zeit die Ener-gieverluste im Gebäudebereich drastisch zu vermindern.Weitere Energiesparpotenziale müssen erschlossen wer-den. Zusätzlich muss die fossile Energieerzeugung durchÖkosteuern, die ihren Namen auch verdienen, teurerwerden. So würde sich gleichzeitig die Preisschere zwi-schen Ökostrom einerseits und Strom aus Atomenergiesowie fossilen Energieträgern andererseits schließen.Zu bezweifeln ist, ob die Nachfrage einer ständigwachsenden und nach Strom, Wärme und Sprit lechzen-den Wirtschaft durch Energieeinsparungen dauerhaftüberkompensiert werden kann. Ich denke, hier gibt estechnisch-technologische Grenzen. Langfristig ist dasWachstumsmodell, welches auch die rot-grüne Koalitionhochhält, eine Sackgasse.Schließlich – dies wird bei der Debatte gern verges-sen – besteht der volkswirtschaftliche Energieverbrauchnicht nur aus Strom und Wärme. So ist zu befürchten,dass der wachsende Verkehr, insbesondere der Schwer-und Flugverkehr, sozusagen als der Hintern jeder Nach-haltigkeitsbestrebung so ziemlich alle anderen, mit denHänden erarbeiteten Reduktionsbestrebungen einreißenwird. Aber hier sind wohl ganz andere Konzerninteres-sen als bei dem zweiprozentigen Anteil erneuerbarerEnergien am Primärenergieverbrauch im Spiel. Mal ehr-lich: Wer legt sich mit denen schon gern an?Eva Bulling-Schröter
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8437
Was die Kraft-Wärme-Kopplung betrifft, so habenviele schon gar nicht mehr daran geglaubt, dass sich hierdie aufgeklärteren Köpfe der Koalition noch gegen dieHardliner im Wirtschaftsministerium durchsetzen wer-den.
Um die Sache ein wenig zu beschleunigen, hat die PDSeinen eigenen Antrag dazu eingebracht. Es ist schon etwas seltsam, welcher unendlichen An-strengung es in der Koalition bedurfte, um schließlichdoch noch die bereits Ende letzten Jahres im Grundsatzbeschlossene Hilfe für diese umweltfreundliche Art derEnergieerzeugung in einen jetzt eingebrachten Gesetzes-text zu gießen. Dass nach der Liberalisierung des Strommarktes vieleKraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung vor dem Ausstehen werden, zeichnete sich schon im Herbst ab, unddies, obwohl deren Technologie durch ihre unschlagbargute Ausnutzung von Primärenergie die Freisetzung vonTreibhausgasen mindert. Eine klassische Brückentech-nologie ins Solarzeitalter drohte zwischen den Mühlender EVUs zerrieben zu werden. Es war vor allem derProtest von Kommunen, Gewerkschafterinnen und Ge-werkschaftern, Betriebsräten sowie von Umweltverbän-den, der die Koalition zum Vorlegen eines KWK-Gesetzentwurfs gezwungen hat.Der Gesetzentwurf der PDS enthält nicht nur eine de-gressive Bonusregelung auf KWK-Strom von 2000 bis2005. Über den Koalitionsantrag für ein KWK-Vor-schaltgesetz hinaus soll schon heute eine Quotenlösung,die ab dem Jahre 2001 greift und mit entsprechendenhandelbaren Zertifikaten verbunden ist, gesetzlich fest-geschrieben werden. Sie soll den Ausbau der fortschritt-lichen Technologien sichern.Damit blieben die Anlagenbauer auch nicht in einerschwebenden Ungewissheit, wie es tendenziell beimKoalitionsentwurf geschieht. Wer weiß denn heuteschon, wie sich Herr Müller in zehn Monaten windenwird, wenn das KWK-Ausbau-Gesetz und mit ihm dieAusgestaltung der Quotenregelung auf der Tagesord-nung steht?Abschließend noch ein Wort zu einem Detail desEEG. Ich möchte davor warnen, mittels des EEG dieSondermüllverbrennung unbeabsichtigt zu subventio-nieren. So werden in absehbarer Zeit, beispielsweise inGütersloh, Tausende von Tonnen mit Teeröl imprägnier-ter Bahnschwellen in einer Anlage verfeuert werden.Dies wird nicht nur in Gütersloh so sein, sondern auch inSchwandorf und demnächst in Schrobenhausen für eineSpargeltrocknungsanlage. Die Firma will nun den ausbesonders überwachungsbedürftigem Abfall erzeugtenStrom für 17 Pfennig je Kilowattstunde als Strom ausBiomasse an die Stadt verkaufen. Ich denke, dies wäreumweltpolitisch absurd.
Solchen und ähnlichen Missbräuchen des EEG mussdie Bundesregierung auf dem Verordnungsweg einenRiegel vorschieben. Wir hatten einen solchen Antrageingebracht. Die Bundesregierung ist darauf eingegan-gen. Ich bitte Sie, diese Anlagen unter diesen Umstän-den nicht mehr zu genehmigen, denn hier wird Kohleabgezockt. Es kann nicht sein, dass kontaminiertes Holzverbrannt wird und dafür auch noch Subventionen gege-ben werden.Danke.
Ich erteile dem Kol-
legen Hermann Scheer, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! MeineDamen und Herren! Es besteht kein Zweifel, dass mitdiesem Gesetz angesichts seiner inhaltlichen Reichweiteein weltweites Signal für die Förderung erneuerbarerEnergien verbunden ist. Es hat auch eine gewisse sym-bolische Bedeutung, dass dies zu Beginn des ersten Jah-res dieses neuen Jahrhunderts stattfindet. Ich bin mirganz sicher, dass viele internationale Augen auf diesesGesetz schauen werden und viele Erwartungen undHoffnungen damit verbunden sind. Es wird von einerVerdoppelung des Anteils erneuerbarer Energien alserstem großen Zwischenschritt geredet, bei dem abernicht stehen geblieben werden darf. Das bedeutet ange-sichts des sehr hohen Anteils traditioneller Großwasser-kraft, dass die neuen erneuerbaren Energien, die mit die-sem Gesetz angesprochen sind, verfünffacht werdenmüssten, um diese Verdoppelung des Anteils erneuerba-rer Energien zu erreichen.
Diese Verfünffachung ist die eigentliche Größe, diesowohl für die Industrie als auch hinsichtlich der Frage,wie man ein solches Gesetz umsetzen kann, interessantist. Dieses Gesetz wird nicht ohne die Bürger umgesetztwerden können. Es handelt sich um dezentrale Anlagen,die dezentrale Investoren brauchen. Das bedeutet, siebrauchen die Allgemeinheit der Privaten bis hin zu denmittelständisch gewerblich Tätigen, die hier investierenmüssen und die wir nicht verunsichern dürfen, sonderndurch Perspektiven ermuntern müssen, auf diesem Wegeselbst ihren Beitrag zu leisten. Das Gesetz erleichtert ih-nen das. Das ist der Punkt, um den es hier geht.
Wir setzen damit auch deswegen ein weltweites Sig-nal, weil wir auf diese Weise die Frage des weltweitenKlima- und Umweltschutzes anders angehen, als esbisher bei den Weltklimakonferenzen leider der Fallwar. Diese operieren immer noch nach dem Motto: Glo-bal reden, national aufschieben. Man diskutiert die Fra-gen, um die es geht, als wirtschaftliche Last. Man darfdiese Fragen aber nicht nur im großen Gefeilsche um Eva Bulling-Schröter
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8438 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
irgendwelche konsensualen Ergebnisse nach dem Motto„Entweder machen es alle oder es macht keiner“ begrei-fen. Dabei wird nämlich übersehen, welcher unglaublichewirtschaftliche Nutzen neben dem ökologischen Nutzendamit verbunden ist. Mit dem massenhaften Einsatzneuer Energieumwandlungsanlagen in großer Zahl, dieauf erneuerbare Energien zurückgreifen, also mit einerneuen industriellen Struktur wird die Natur saniert,anstatt sie weiter zu beschädigen. Gleichzeitig werdenauf diese Weise industrielle Arbeitsplätze geschaffen.
Das ist die große Chance erneuerbarer Energien. Esist eine große Chance für die Motorenindustrie, den An-lagenbau, die Glasindustrie, den chemischen Apparate-bau, das heißt eine Chance für viele Industriezweige, dieauf diesem Wege einen großen Erneuerungsschub errei-chen können und sich mit zum Vorreiter einer industriel-len ökologischen Erneuerung machen können. Das isteines der großen Ziele, die mit diesem Gesetz verbundensind.
Das ist auch wichtig für die Weltmarktorientierung;denn in der Zwischenzeit ist klar geworden, dass dasWeltklimaproblem ohne weltweite Substitution her-kömmlicher durch erneuerbare Energien überhauptnicht zu lösen ist. Diesen weltweiten Substitutionsvor-gang kann man nicht daran messen – wie das etwa vomHerrn Kollegen Hirche und einigen anderen Kollegen imAusschuss gemacht worden ist –, dass man fragt, welcheCO2-Minderung pro Investitionssumme man bei der ei-nen oder anderen Technologie erreicht, und dann be-ginnt, dies zu planifizieren. Das geht so nicht. Damitnähmen wir quasi planwirtschaftlich die Dynamik ausder technologischen Entwicklung.
Vor allem dürfen wir die Sache nicht provinziell be-trachten. Es gibt erneuerbare Energien, etwa die Photo-voltaik, die hier noch verhältnismäßig teuer, aber beimEinsatz in nicht netzversorgten Gebieten in der DrittenWelt heute schon die billigere Alternative sind. Um sieaber dort wirksam werden zu lassen, müssen wir sie hierindustriell mobilisieren, und zwar auch mithilfe diesesGesetzes.
Wir stehen in der Verantwortung für dieses Problem unddürfen uns dieser Verantwortung nicht mit einer provin-ziellen Betrachtungsweise entziehen. Wir müssen nebenden allgemeinen Aspekten bedenken, dass wir ein Ex-portland sind.
Ich verstehe in der Tat die Einwände nicht.
Ich finde, dass manche Einwender hinter ihre eigenenDiskussionsansätze der letzten Jahre zurückfallen.
Wir dürfen auch die Frage des Energiedialogs, HerrKollege Grill, nicht so verstehen wie Sie. Einen Ener-giedialog zu führen kann nicht heißen, auf das Prinzipder Mehrheitsentscheidung zu verzichten. Das gehtnicht. Einen Energiedialog zu führen heißt, über die Zukunftsfragen zu diskutieren.
– Ja doch, indem Sie sich beklagen, dass jetzt ein Gesetzvon der Mehrheit dieses Hauses verabschiedet wird, oh-ne dass Sie zugestimmt hätten.
Das ist nicht der Punkt. Es gab einmal Einstimmigkeit,nämlich als das Stromeinspeisungsgesetz verabschiedetwurde.
Diese Einstimmigkeit ist aufgrund konzeptioneller Dif-ferenzen gegenwärtig nicht möglich. Zu diesen konzeptionellen Differenzen möchte ichjetzt einiges sagen, nicht um das zu vertiefen, sondernum deutlich zu machen, warum wir auf Ihre Einwändebei der Beratung dieses Gesetzes,
das in enger Kooperation zwischen den beiden Koaliti-onsfraktionen und dem Wirtschaftsministerium zustandegekommen ist, nicht eingehen konnten. Ich glaube nicht,dass es sinnvoll ist, hier Zwietracht zu unterstellen oderanzunehmen.Es ist die Frage, ob es sich hier um eine Subventionim Sinne des EU-Rechts handelt. Wir alle sind derMeinung – auch Herr Mosdorf hat das gesagt –, dass essich nicht um eine Subvention handelt. Es kann schon prinzipiell keine Subvention sein, weildas Bemühen, atomare und fossile Energien durch er-neuerbare Energien zu substituieren, im Grunde ge-nommen einen Subventionsvorgang ganz anderer Artbeendet, nämlich die Subvention des herkömmlichenEnergieverbrauchs mit seinen Umweltschäden durch dienächsten Generationen, die diese Umweltschäden „ab-bezahlen“ müssen.Dr. Hermann Scheer
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8439
Diese Subvention muss aufhören. Das ist die allergrößteVerantwortung, die wir alle haben. Dann stellt sich die andere Frage, nämlich ob es imEU-rechtlichen Sinne eine Subvention darstellt. Dakommen wir eindeutig zu dem Ergebnis: Nein, dennnach dem EU-Vertragswerk und mehreren Urteilen desEuGH sind Subventionstatbestände ziemlich eindeutigdefiniert. Das, was wir hier machen, fällt nicht unter die-sen Subventionstatbestand nach dem EU-Vertragswerk.Ich verstehe nicht – gleich, ob man in der Regierung oder in der Opposition ist – warum man von parlamenta-rischer Seite dem Versuch eines Teils der EU-Kom-mission, den Begriff des Subventionstatbestands uferlosauszuweiten, damit man überall in die Gesetzgebungeingreifen kann, aus parlamentarischem Selbstverständ-nis nicht generell widerspricht und entgegentritt.
Das verstehe ich aus parlamentarischen Gründen nicht.
– Es tut mir Leid, ich sage das völlig unpolemisch. Es gibt gute Argumente dafür – auch aus den Reihender Union und der F.D.P. werden sie gebracht –, die übermäßige Kompetenz der EU in der Gesetzgebung alseine negative Entwicklung in Europa zu sehen, die zueiner übermäßigen Einflussnahme auf die nationale Ge-setzgebung unter systematischer Ausdehnung und sogarÜberdehnung des EU-Vertragswerkes führt. Am deut-lichsten sagt das die Bayerische Staatsregierung und siehat in dieser Frage nicht in jedem Punkt Unrecht.
Ich meine, sie hat in den meisten Punkten sogar Recht. Aus dem Grund geht es hier bei dieser Frage darum:Welches Selbstverständnis haben wir als Parlament?Dürfen wir riskieren, dass zunehmend häufiger bei Ge-setzen, die Wirtschaftsstrukturen betreffen – um ein sol-ches handelt es sich hier – wir erst dann unsere Stimmeerheben dürfen, wenn vorher – das geht weit über denengen Beihilfebegriff hinaus – die Genehmigung durchdie EU-Kommission erteilt worden ist?
Das gilt auch für die Frage, ob wir mit diesem Gesetzdem Wettbewerb Rechnung tragen. Natürlich tun wirdas, aber auf eine Art, die den Besonderheiten erneu-erbarer Energien gemäß ist. Erneuerbare Energien kön-nen nicht nach dem traditionellen Bewertungsmustervon Wettbewerb eingeführt werden. Denn diese neueTechnologie kann überall produktiv sein, wenn sie ein-mal entwickelt ist und eingesetzt wird. Wie wirtschaft-lich diese Technologie aber ist, hängt immer von dennatürlichen Bedingungen ab, der Sonneneinstrahlung,den Winden usw. Sie sind nicht gleich; Sie können sienicht gleichschalten, weil man die Natur nicht gleich-schalten kann.Wenn man also das Potenzial erneuerbarer Energiennicht ausschließlich nach Marktprinzipien behandelnund auf ganz wenige Orte, wo besonders viel Wind wehtoder Sonne scheint, beschränken will, wenn man denAusbau in der Breite will, dann darf man sich nicht demneuen Marktgesetz unterwerfen. Das haben viele nochnicht verstanden, die die Energieformen gleichsetzenund die Wirkungsweise erneuerbarer Energien dabei übergehen.Wir berücksichtigen mit diesem Gesetz den Charaktererneuerbarer Energien. Wer dies nicht bedenkt, wird sienicht angemessen vorantreiben können.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich erteile dem Kol-
legen Christian Ruck, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident!Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn nocheinmal auf unsere Ausgangslage zurückkommen, daraufnämlich, dass wir uns alle einig sind, die Stromerzeu-gung aus regenerativen Energien bis zum Jahr 2010zumindest verdoppeln zu wollen. Das ist übrigens auchdie Beschlusslage der CSU-Landesgruppe von vor zweiMonaten.Frau Hustedt, daher verstehe ich nicht, warum Sieuns mangelnden Mut vorwerfen. Wenn wir das gleicheZiel haben, dann ist, glaube ich, der Mut dort gefordert,wo man ideologiefrei danach fragt, welche Verwendungdes Geldes – es sind ja immerhin 70 Milliarden DM –,das ich den einen Bürgern aus der Tasche ziehe, um esanderen Bürgern in die Tasche zu stecken, effizient istund welche nicht. Die entscheidende Frage dabei ist:Wie können diese Riesensummen am besten, am effi-zientesten angelegt werden? Ich glaube, darüber solltenwir Konsens erzielen.Nun noch etwas zu der Art und Weise, wie das Ge-setz durchgepeitscht wurde. Ich kann mich gut erinnern,dass es beim Stromeinspeisungsgesetz eine wirklichlange Debatte unter allen Parteien, unter allen Fraktio-nen gab. Darauf haben Sie ja auch immer wieder hinge-wiesen, Frau Hustedt. Genau diese Debatte, die wir alsRegierungsfraktionen Ihnen damals angeboten haben –das ist völlig unstrittig –, haben Sie uns verweigert.
– Das ist wahr.Ich sage Ihnen auch: Die Art und Weise, wie das amMittwoch mit den Änderungsanträgen abgelaufen ist,bringt einen nicht dazu, zu sagen, dass wir einen langenDiskussionsprozess hatten. Aber diese Dinge haben Siezu vertreten. Dr. Hermann Scheer
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8440 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
Noch einmal: Es geht um den besten Weg. Auch da,Frau Hustedt, verweise ich noch einmal auf die Aussa-gen Ihres grünen Ministers bei der Friedrich-Ebert-Stiftung. Auch er hat gesagt, man könnte vieles mit demgleichen Geld effizienter machen. Deswegen ist dasauch der zentrale Punkt der Diskussion der Grund, wes-halb wir heute dem Gesetzentwurf der Bundesregierungnicht zustimmen können.Bei der Sachverständigenanhörung am 14. Februarhat ein Vertreter der Solarenergie gesagt, es gehe in ers-ter Linie um die Herstellung der Wettbewerbsfähigkeitfür seinen Bereich. Ich sage: Die Wettbewerbsfähigkeitist das Instrument, aber worum es uns geht, ist der Kli-maschutz. Uns geht es darum, dass wir unsere Klima-schutzverpflichtungen einhalten. Wenn wir sie nicht ein-hielten, wäre das ein verheerendes Signal auch für dasAusland, für die Schwellenländer, für die Entwick-lungsländer. Diese Frage steht bei uns im Vordergrund:Welche regenerative Energie hat den größten Nutzen fürdie Verminderung von Treibhausgasen und von CO2?
Ich muss sagen, auch wenn ich wirklich theoretischein großer Freund der Solarenergie bin: Wir können unsviele Diskussionen um Energieeinsparung mit der Wirt-schaft schenken. Die Photovoltaik schneidet im Ver-gleich mit anderen Formen der regenerativen Energienschlecht ab. Wir brauchen dort 1 000 DM Fördermittelfür eine eingesparte Tonne CO2. Das ist mindestens fünfmal so viel wie bei der Biomasse, der Windkraft oder der Wasserkraft.Ich gebe zu: Photovoltaik kann eine Zukunftstechno-logie werden, aber sie ist bei uns viel zu marktfern. Dasmerken Sie ja auch an der geringen Akzeptanz Ihres100 000-Dächer-Programms. Dazu sind gerade einmal3 800 Anträge gestellt worden.Deswegen plädiere ich wie im Entwicklungsaus-schuss noch einmal dafür, Herr Scheer, dass wir denganzen Komplex Sonnenenergie und Photovoltaik nichtin einer Nabelschau nur auf Deutschland beschränken,sondern dass wir die Förderung der Sonnenenergie vielstärker als bisher mit der Entwicklungspolitik verknüp-fen und deutsche Technologie dort einsetzen, wo sie vielmehr und viel effizienter zum Klimaschutz beitragenkann. Das ist nicht bei uns, sondern im Ausland. Dort istdas Geld viel besser angelegt und wir können deutscheTechnologie ins Ausland exportieren.
Bei uns haben andere regenerative Energien viel grö-ßere Vorteile. Die Wasserkraft ist schon heute die best-genutzte Form erneuerbarer Energien. Die Nutzung derBiomasse kann – wenn wir es geschickt anfangen – zuder Nutzung der Wasserkraft aufschließen.
Rund 10 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs könntenaus nachwachsenden Rohstoffen gedeckt werden. Gera-de bei der Nutzung der Biomasse entstehen kleine, de-zentrale Stromerzeugungseinheiten, wodurch die Land-wirtschaft neue Perspektiven erhält.
Zusammen mit der Wasserkraft ist die Biomasse dieeinzige regenerative Energie,
die für die Deckung der Grundlast herangezogen werdenkann.
Deswegen wollen wir die Nutzung der Biomasse stärkerfördern, als das in Ihrem Gesetzentwurf der Fall ist. Ein weiterer kritischer Punkt in Ihrem Gesetzentwurfist die Förderung der Windkraft. Wir sind heute dankdes Stromeinspeisungsgesetzes Weltmeister in der Nut-zung der Windkraft. Es gibt zum Beispiel im Offshore-bereich auch noch Ausbaupotenziale. Aber die Nutzungder Windkraft ist natürlich auch mit Nachteilen verbun-den, beispielsweise mit der Beeinträchtigung des Land-schaftsbildes. Gerade solche Bedenken vieler Menschenmuss man auch ernst nehmen. Deswegen sind wir derMeinung, dass nur gute und zuverlässige Standorte vollgefördert werden dürfen; denn nur dort kann konventio-nell erzeugter Strom ersetzt und können CO2-Emis-sionen reduziert werden.
Deswegen ist die von Ihnen vorgeschlagene Förderungvon Anlagen mit durchschnittlichem oder sogar mit un-terdurchschnittlichem Ertrag verfehlt. Für solche Anla-gen errichten Sie eine Art Schutzbiotop, in dem überviele Jahre hinweg keine Degression der Förderung er-folgt. Je schwächer der Standort ist, desto länger mussdie Höchstförderung gewährt werden, verbunden mithohen Kosten und allenfalls geringem Nutzen für dasKlima. Wir kritisieren die unzureichende Degression,die fehlende Befristung der Förderung und die Gewäh-rung von Festpreisen. Das sind unseres Erachtens diewesentlichen Schwachpunkte Ihres EEG.Wir wollen in der Tat erreichen, dass regenerativeEnergien marktreif werden. Das ist nach unserer Mei-nung nur mit einem Höchstmaß an Innovation und miteiner wesentlich stärkeren Bindung an das Marktge-schehen und den Wettbewerb möglich. Deswegen habenwir in unserem Änderungsantrag auch eine andere Kon-struktion gewählt. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken wurdeschon einiges ausgeführt. Ich weise nur darauf hin, dassdann, wenn Sie langfristige Investitionen wollen, wirk-lich gesichert sein muss, dass es keine verfassungsrecht-lichen Schwierigkeiten gibt. Auch das ist meiner An-sicht nach nicht gewährleistet.
Ich möchte das wiederholen, was ich eingangs gesagthabe: Es kann keinen Zweifel darüber geben, dass dasDr. Christian Ruck
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8441
EEG – aus welchen Gründen auch immer – mit heißerNadel gestrickt wurde. Für die intensivere Prüfung vonNebensächlichkeiten wie „Verfassungsmäßigkeit“ oder„Europaverträglichkeit“ blieb einfach zu wenig Zeit.Wenn Sie sich und auch uns mehr Zeit gelassen hätten,dann wäre auch eine intensivere Prüfung alternativerFördermodelle wie zum Beispiel des Quotenmodells oder eines steuerfinanzierten Modells möglich gewesen,dann hätten wir unsere Förderung wesentlich besser mitEuropa abstimmen können – mir hat die zuständigeKommissarin bei meinem Besuch in Brüssel etwas ganzanderes signalisiert, als hier dargestellt worden ist – unddann hätten wir tatsächlich eine Chance auf einen wirk-lichen Erfolg bei der Förderung der regenerativen Ener-gien gehabt. Das EEG ist beispielhaft für die überhastete Arbeits-weise, die seit dem Regierungswechsel in der Umwelt-gesetzgebung üblich geworden ist. Vor allem wartenwir, Frau Ganseforth, noch immer auf eine schlüs-sige Gesamtkonzeption für den Klimaschutz. Das, wasSie dort bisher produziert haben, ist ideologisch, un-ausgegoren und zum Teil widersinnig. Aus der Kern-energie wollen Sie mit Gewalt aussteigen und dafürmüssten wir den Atomstrom aus dem Ausland beziehen.ÖPNV, Eisenbahn und die Produzenten erneuerbarerEnergien zahlen unsinnigerweise Ökosteuer und dieCO2-Schleuder Steinkohle wird weiterhin hoch sub-ventioniert.Die Energieeinsparverordnung war ursprünglich be-reits für letztes Jahr angekündigt. Durch Ihre Verschlep-pung ist inzwischen sogar das In-Kraft-Treten für dasJahr 2001 fraglich geworden. Andere Themen, zum Bei-spiel eine internationale Kerosinsteuer, packen Sie erstgar nicht an.Mein letztes Beispiel: Ihr heutiger Gesetzentwurf zurKraft-Wärme-Kopplung. Wenn die Hütte brennt, dannstrickt man schnell einen neuen Gesetzentwurf undpeitscht ihn durchs Verfahren. Aber bezeichnenderweiseunterstützen Sie damit nicht die KWK-Anlagen, die ammeisten CO2 einsparen; Sie unterteilen stattdessen in öf-fentliche und industrielle Anlagen. Die ersteren findenIhr Wohlgefallen, die letzteren nicht. Auch das ist Ideo-logie und nicht Klimaschutz.
Es bedarf einer gewaltigen Nachbesserung; aberNachbessern war ja schon im letzten Jahr Ihre Lieb-lingsbeschäftigung. Zumindest in dieser Hinsicht blei-ben Sie berechenbar.
Ich erteile dem Kol-
legen Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die Grünen, das
Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-ren! Mit der heutigen Verabschiedung dieses Gesetz-entwurfs steigen wir in die Geburtsstunde des Solarzeit-alters ein.
Dieses Gesetz ist die Geburtsurkunde des Solarzeitalters.
Das Gesetz ist dringend erforderlich; denn es schafftendlich den Durchbruch für eine weit gehende und ra-sant steigende Nutzung der erneuerbaren Energien. Diesist aus verschiedenen Gründen notwendig.Ich erinnere einmal an den schon mehrfach genanntenKlimaschutz. Wir wissen, wie dringlich er ist: Es gibtÜberschwemmungen, Stürme, Schneekatastrophen,Hitzewellen. Davon lesen wir täglich in den Zeitungen.Es ist nur durch die erneuerbaren Energien inVerbindung mit Einspartechnologien möglich, in diesemBereich schnell voranzukommen.Genauso notwendig ist es, das Problem der auf derWelt zur Neige gehenden Ressourcen endlich ernst zunehmen, es anzugehen. Wenn das Öl – zumindest dasbillige – in 40 Jahren von der Welt verschwunden ist –alle Wissenschaftler sagen das –, dann können wir nichterst in 40 Jahren anfangen, über Ersatz nachzudenken.Wir müssen lange vorstrukturieren und es ist dringenderforderlich, heute damit zu beginnen; anderenfalls be-kommen wir es in dieser Verknappungsphase auch mitdem Problem der internationalen Verteilung zu tun. Dasheißt möglicherweise, dass es zu Kriegen kommt.Dieses Gesetz ist dringend erforderlich, weil wir neueChancen für Arbeit, vor allem in der Landwirtschaft,bieten können. Die Kritik aus der Landwirtschaft, dassunsere Regierung vielleicht hier und da so manche Sub-ventionen nicht mehr so sehr geben kann, mag in Teilbe-reichen nicht ganz von der Hand zu weisen sein; aberentscheidend ist, dass die Landwirtschaft endlich vondem Subventionstropf ein Stück weit wegkommt unddass wir den Landwirten neue Chancen geben, mit Pro-dukten, die sie entwickeln können, auf den Markt zu ge-hen, um eine vernünftige Grundlage für ihr Wirtschaftenzu bekommen. Das wird mit diesem Gesetz erreicht.Ähnliches gilt für die industrielle Entwicklung. Allei-ne Japan gibt in diesem Jahr 900 Millionen DM für dieEntwicklung der Photovoltaik aus. Herr Ruck, HerrGrill und Herr Hirche, ich frage Sie als Bedenkenträger,die Sie die Photovoltaik so negativ beschrieben ha-ben – –
– Auch Sie haben mit Blick auf den Innovationsfort-schritt kritisiert.
Dr. Christian Ruck
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8442 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
– Darauf komme ich noch zurück.Warum tun die Japaner dies? – Sie wissen genau,dass es eine Zukunftstechnologie ist, die in späteren Jah-ren massenhaft angewandt wird und deren Grundlagewir heute in der Markteinführung legen müssen. Unserehohe Vergütung wird ausreichend sein, um für diesenInnovationsfortschritt zu sorgen.
Ich komme zu Ihrer Kritik an dem Zeitplan. Ich kannSie nicht verstehen. Sie hatten monatelang Zeit, sich inden Diskussionsprozess über die Novellierung desStromeinspeisungsgesetzes, der seit Oktober in der Öf-fentlichkeit stattfand, einzuklinken. Sie hatten die Chan-ce, mit uns zu reden. Sie hatten im Dezember letztenJahres die Chance, sich den Entwurf anzuschauen undIhre Vorschläge einzubringen. Sie haben keinen einzi-gen Änderungsvorschlag im Wirtschaftsausschuss vor-gelegt.
Ich frage Sie: Wo ist die Opposition gewesen? Wo sinddenn Ihre Vorschläge zu unserem Entwurf gewesen? Siehaben nicht gearbeitet, Sie haben sich nur mit IhrenProblemen beschäftigt. Dafür habe ich auch Verständ-nis. Sie haben genug Probleme auf anderen Gebieten.
Jetzt haben Sie Vorschläge vorgelegt, einen Tag vor derVerabschiedung dieses Gesetzes. Das können wir nichtals ernsthafte Teilhabe akzeptieren.
Ich denke, dieses Erneuerbare-Energien-Gesetz ist einsehr gutes Gesetz. Es geht auch darauf ein, was dieBevölkerung seit vielen Jahren von der Politik fordert.Wenn wir uns die Umfragen des letzten Jahrzehntes an-schauen, stellen wir fest: 80 bis 90 Prozent der Bürgersagen dort, dass sie sich erneuerbare Energien wie dieSolarenergie und die Geothermie wünschen; sie wün-schen sich nicht Kernenergie und Kohle, sondern denUmstieg auf erneuerbare Energien.
Die Bürger haben in all diesen Umfragen auch gesagt,sie sind bereit, dafür mehr zu bezahlen, aber nur, wenndie Mehrkosten auf die Allgemeinheit umgelegt werden.Wir tun dies; nicht, indem wir die Mehrkosten umlegen,sondern indem wir die Strompreise nicht ganz so starksenken, also nicht um 6 oder 7 Pfennige, sondern nur um5,8 Pfennige. Denn wir brauchen nur 0,2 Pfennig proKilowattstunde, um dieses Gesetz zu finanzieren.
Das Geld ist gut angelegt; damit wird unsere Volkswirt-schaft vorangebracht. Sie wird dadurch nicht, wie Siesagen, zum Absturz gebracht.
Ich danke fürs Zuhören.
Ich erteile das Wort
der Kollegin Ulrike Flach, F.D.P.-Fraktion.
Herr Vorsitzender! MeineDamen und Herren! Was wir gestern in den Ausschüs-sen erlebt haben, war in zweifacher Hinsicht ein Wen-depunkt in der Umweltpolitik: Erstens. SPD und Grüne haben im Eiltempo denEntwurf des EEG mit zahlreichen komplexen Änderun-gen durchgepeitscht. Die Oppositionsparteien hattenkeine Chance, die Tischvorlagen sachlich zu würdigen.Damit haben Sie den Konsens verlassen, der bisher be-züglich der Förderung erneuerbarer Energien bestand, sozum Beispiel bei der gemeinsamen Verabschiedung desStromeinspeisungsgesetzes 1990.
Zweitens haben wir eine sehr beeindruckende De-maskierung erlebt. Frau Hustedt hat im Ausschuss ent-hüllt – eben hat sie es wiederholt –, warum das EEG imGalopp durchgezogen wird: Die Windenergiebranchebefinde sich in Erwartung des neuen Gesetzes in einemInvestitionsstau und das Gesetz müsse noch vor derHannover-Messe beschlossen werden, weil diese Messefür die Branche ein wichtiger Markt sei.
Frau Hustedt, ich habe selten gehört, dass eine knallhar-te Interessenpolitik so offen vertreten wird.Ihnen geht es ganz offensichtlich nicht mehr primärum die Umwelt, sondern allein um Klientelpolitik.
Ich habe absolut nichts gegen Windanlagen, aber alsUmweltpolitikerin kann mein erstes Ziel doch nicht dieFörderung einer bestimmten Art regenerativer Energie-erzeugung sein, sondern nur die ökonomisch wirksamsteAbsicherung des von uns allen dringend gewünschtenAnteils erneuerbarer Energien, sei es nun Wind, Sonneoder Biomasse. Hans-Josef Fell
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8443
Meine Damen und Herren, die F.D.P. will dieses Zieltatsächlich und nachprüfbar verwirklichen. Für die zuentwickelnden Mechanismen gelten aus unserer Sichtfolgende Voraussetzungen: Erstens müssen sie wirksamsein, zweitens müssen sie wirtschaftlich, das heißt mitminimalen Kosten realisiert werden können und drittensmüssen sie dezentral, flexibel und innovationsfreundlichwirken. Ihr Entwurf entspricht diesen Grundvorausset-zungen nicht.
Er ist ökologisch verfehlt, weil er das Ziel, den Anteilerneuerbarer Energien am deutschen Strommarkt deut-lich zu erhöhen, nicht erreichen wird. Wegen ver-fassungs- und europarechtlich zweifelhafter Vorgaben –darüber haben wir eben schon gesprochen – schafft derEntwurf zusätzliche Rechtsunsicherheit, was die ener-giewirtschaftlichen Investitionsbedingungen in Deutsch-land deutlich verschlechtert. Wir alle wissen, meineDamen und Herren, dass sich die erneuerbaren Energienbisher gegenüber den fossilen und nuklearen Energieträ-gern nicht alleine durchsetzen konnten.
Deshalb gaben wir uns im Anschluss an die Enquetedas politische Ziel, den Anteil der erneuerbaren Ener-gien bis zum Jahr 2050 auf 50 Prozent zu steigern. Dieskönnen und werden Sie mit der Krücke des vorliegendenGesetzes nicht erreichen. Lösen Sie sich von diesemWeg, verlassen Sie die ausgetretenen Pfade der Subven-tionspolitik zulasten der Stromkunden und machen Sieden mutigen Schritt nach vorn zu der Vorgabe eines sichjährlich bis zum Anteil von 50 Prozent steigernden Pro-zentsatzes regenerativer Energien, die dann aber auchuntereinander am Markt konkurrieren müssen.Innerhalb dieses Anteils muss es aus unserer SichtWettbewerb geben, beispielsweise aus Kostengründen,denn es ist doch dem Stromverbraucher nicht zuzumu-ten, überteuerte Energie zum Beispiel aus der Photovol-taik zu bezahlen, während andere erneuerbare Energien,zum Beispiel die Biomasse, viel kosteneffizienter sind.
Stimmen Sie mir zum anderen nicht zu, dass es umwelt-politisch nicht darauf ankommt, welche Form der erneu-erbaren Energien wir fördern? Sie dagegen machen einneues Fass der Dauersubventionen mit teilweiser Über-förderung und mit einem Zuschlag für unwirtschaftlicheStandorte auf.
Meine Damen und Herren, wir haben in einem erstenSchritt durch die Liberalisierung der EnergiemärkteMarktwirtschaft mit deutlichen Preissenkungen für dieVerbraucher durchgesetzt. In einem zweiten Schritt wol-len wir mehr Marktwirtschaft und damit Effizienz undKostensenkung im Bereich der alternativen Energien.Jetzt könnten Sie fragen, was wir für die neuen Ideenvorsehen wollen. Für Innovationen will natürlich auchdie F.D.P. Geld ausgeben, aber bitte schön nicht dasGeld der Stromkunden oder der Netzbetreiber. Wennwir neue, innovative Ideen fördern wollen, dann bitteaus Steuermitteln.
Dann müssen wir politisch darüber entscheiden, wie vielGeld in die Haushalte von Bund, Ländern und Kommu-nen eingestellt wird, Frau Hustedt.
Wir können doch diese ureigenste Aufgabe des Staatesnicht den Stromabnehmern aufdrücken.
– Ja, wir sind aber im Gegensatz zu Ihnen lernfähig.
Selbstverständlich wäre es auch möglich, um dieseFördermittel zugunsten innovativer Energien eineKonkurrenz innerhalb der erneuerbaren Energien her-beizuführen. Warum sollte es nicht möglich sein, Inves-titionsfördermittel ausschließlich nach dem Prinzip derWirtschaftlichkeit zu vergeben?
Warum sehen Sie keine Ausschreibungswettbewerbevor? Hier könnte man übrigens die Mittel der Ökosteuer,die ja nicht völlig für die Senkung der Lohnnebenkostenausgegeben werden, sinnvoll einsetzen. Nein, bei Ihnengibt es feste Preise, egal, wie wirtschaftlich eine Ener-gieerzeugung ist.Wir wollen nicht wie Sie, Frau Hustedt, ein Gnaden-brot für Ökopioniere. Wir wollen auch nicht wie Sie,Herr Mosdorf, nach dem Prinzip Hoffnung leben. Wirwollen eine Marktwirtschaft zugunsten der Kunden undder Umwelt. Aus diesem Grunde lehnen wir Ihren Ge-setzentwurf ab.
Ich erteile dem Kol-
legen Volker Jung, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident!Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen istimmer wieder gesagt worden, dass die Liberalisierungdes Strommarktes zu einem Preisverfall in einer Grö-ßenordnung führen würde, wie wir alle es nicht erwartethaben. Das stimmt so nicht. Denke ich an das Gesetzge-bungsverfahren zur Umsetzung der europäischen Strom-richtlinie zurück, dann fällt mir ein, dass wir immer sehrUlrike Flach
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8444 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
eindeutig davor gewarnt haben, dass die übergangsloseEinführung des Wettbewerbs auf dem Stromsektor beiden bestehenden Überkapazitäten in Europa, die auf40 Prozent geschätzt werden, zu einem gnadenlosenPreiswettbewerb mit Kampfpreisen, ja mit Dumping-preisen auf unserem Strommarkt führen wird, der solange anhalten wird, bis die Marktstruktur am Ende be-reinigt sein wird und die Strompreise wieder ansteigenwerden.Wir haben davor gewarnt, dass die erneuerbaren Energiequellen und die Kraft-Wärme-Kopplung in Notgeraten werden. Wir haben darauf hingewiesen, dass daszu einem Investitionsattentismus führen muss, derauch den Anlagenbau betrifft, bei dem inzwischen einBeschäftigungsrückgang zu verzeichnen ist. Wir habenferner gesagt, dass die Schutzinstrumente, die Sie in dasGesetz hineingeschrieben haben, allesamt unwirksamsein werden. Deswegen haben wir auch vorausgesagt,dass die VEAG in erhebliche Schwierigkeiten kommenwird. Was wir allerdings nicht vorausgesehen haben, ist,dass diese Situation auch dadurch herbeigeführt wordenist, dass die westdeutschen Muttergesellschaften dieStromverträge brechen und die Braunkohleschutzklauselunterlaufen.Alle diese Probleme müssen gelöst werden – einesnach dem anderen. Da sich die Änderung des Energie-rechtes im Bundestag fast zu einem Tabuthema entwi-ckelt hat, müssen wir diese Probleme mit anderen Mit-teln lösen, nämlich mit eigenständigen Gesetzen. Dastrifft zu auf die heute anstehende Totalnovellierung desStromeinspeisungsgesetzes und auf das Schutzpro-gramm für die Kraft-Wärme-Kopplung. Wir unterstützen den Bundeswirtschaftsminister auchdarin, dass er den Stabilisierungsprozess für das Veag-Problem moderiert. Es gehört meiner Meinung nachebenso dazu, dass wir die neue Verbändevereinbarungauf dem Stromsektor und die zu beschließende Verbän-devereinbarung auf dem Gassektor sehr genau daraufhinbeobachten, ob sie den ökologischen und ökonomischenAnforderungen genügen, die an sie gestellt werden.Die Koalition hat sich entschieden, auf der Grundlageder Formulierungsvorschläge der Bundesregierung eineigenständiges Vorschaltgesetz zum Schutz der Kraft-Wärme-Kopplung in den Bundestag einzubringen. Da-bei definieren wir sehr eindeutig, welche Anlagen miteinbezogen werden sollen. Wir beschränken uns nichtnur auf die Anlagen kommunaler Unternehmen – daraufist schon von Herrn Mosdorf hingewiesen worden –,sondern wir wollen alle Anlagen der öffentlichen Ver-sorgung mit berücksichtigen.
Denn es geht uns nicht nur um den Schutz kommunalerUnternehmen, sondern es geht uns auch um den Schutzvon hochwirksamen und ökologischen Anlagen, wo-durch wir sehr viel zum Klimaschutz beitragen können.Das ist der eigentliche Ansatzpunkt.
Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte ichauch die industrielle Kraft-Wärme-Kopplung einbe-zogen. Wir haben in dieser Woche vom Verband der In-dustriellen Energie- und Kraftwirtschaft vor Augen ge-führt bekommen, dass auch diese Anlagen notleidendgeworden sind. Man muss aber an dieser Stelle beden-ken, dass es sich um eine Übergangsregelung handelt,die unterschiedliche ökonomische Gesichtspunkte be-rücksichtigt. Wir müssen und werden – das ist unsereAbsicht – eine dauerhafte Förderungsregelung für dieseAnlagen erreichen.
Dazu bekennen wir uns in diesem Gesetzentwurf, indemwir explizit hineinschreiben, dass wir uns verpflichten,eine Ausbauregelung zu finden, wie der Anteil – daswurde auch auf europäischer Ebene beschlossen – in ei-nem Zehnjahreszeitraum verdoppelt werden kann.Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir unsere Klima-schutzziele ohne einen Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung verwirklichen können. Wir haben jetzt anhandeiner neuesten Studie der Arbeitsgemeinschaft Fern-wärme feststellen können, dass die Kraft-Wärme-Kopplung 40 Prozent des Reduktionspotenzials bei denKohlendioxiden repräsentiert und dass es keine kosten-günstigere Technologie gibt, um diese CO2-Redu-zierung wirksam voranzutreiben.
Wir werden dabei über verschiedene Modelle zu dis-kutieren haben. Wir gehen davon aus, dass die Quoten-regelung, das eigentlich marktkonforme Instrument, derrichtige Ansatzpunkt ist, um diese Technologie voran-zubringen. Dadurch wird ein eigener Markt geschaffen.Es wird eine politische Entscheidung sein, wie wir dieseQuote weiterentwickeln und wie wir sie Schritt fürSchritt erhöhen können. Wir können marktwirtschaftli-che Elemente einbauen, indem wir einen Zertifikat-handel eröffnen. Es ist sogar denkbar, dass wir darauseine Zertifikatbörse machen.Ich bin sicher, dass die Gesetzvorhaben, die wir jetztin Angriff genommen haben, den Effizienzdruck desMarktes ausschöpfen, damit wir langfristig zu angemes-senen Strompreisen kommen. Wir fördern damit aberauch den ökologischen Fortschritt. Wir leisten unserenBeitrag, damit wir in diesem Bereich Arbeitsplätze si-chern und neue schaffen können. Diese drei Ziele gehö-ren für uns zusammen.Schönen Dank.
Volker Jung
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8445
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Hartmut Schauerte, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Pünktlich zu
dieser Debatte berichtet das Institut für internationale
Wirtschaftsfragen und regenerative Energien der Uni-
versität Münster, dass der Inlandsmarkt für Windräder
im Jahre 1999 auf 3,9 Milliarden DM gestiegen ist,
nachdem der Umsatz ein Jahr zuvor noch bei
2 Milliarden DM gelegen hat. Dies bedeutet fast eine
Verdoppelung. Es berichtet weiter, dass die erreichte
Leistung auf 4 400 Megawatt gestiegen ist. Im Jahre
1998 waren es 2 860 Megawatt. Dies ist wiederum fast
eine Verdoppelung.
Das Einzige, was mich an dem Bericht sehr nach-
denklich gemacht hat, war, dass der Export bei erstaun-
lich geringen 200 Millionen DM verhaftet blieb.
Obwohl wir einen sehr starken Heimatmarkt haben,
der sich durch unsere Vorgaben des Energieeinspei-
sungsgesetzes so prachtvoll entwickelt hat, wie er sich
entwickelt hat, springt der Export nicht an. Für mich ist
dies eine Fragestellung, der wir noch einmal nachgehen
müssen. Denn das Verhältnis von 200 Millionen DM
Export zu fast 4 Milliarden DM Umsatz bedeutet eine
absolut unterdurchschnittliche Exportquote, bei allem,
was wir vom VDMA und den Maschinenbauern im Üb-
rigen kennen.
Kollege Schauerte,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Scheer?
Gerne.
Herr Kollege Schauer-
te, die Zahl, die Sie referieren, stimmt. Ist Ihnen be-
wusst, dass dies daran liegt, dass es in den meisten Län-
dern – mit Ausnahme von weltweit höchstens drei bis
vier – noch kein Stromeinspeisungsgesetz für erneuerba-
re Energien gibt und dass deswegen der internationale
Markt noch nicht zur Entfaltung gekommen ist?
Herr Kollege
Scheer, die Annahme, dass die Länder und insbesondere
jene, in denen wir Exportchancen sehen, darauf warten,
unser Stromeinspeisungsgesetz weltweit einzusetzen,
halte ich für eine schlimme und gefährliche Fehlannah-
me. Entweder werden sich die Windkraftanlagen in den
Ländern, in die wir exportieren wollen, rechnen, oder
wir werden sie nicht liefern. So wird die Wirklichkeit
sein.
Offensichtlich bedarf es bei uns noch besonderer An-
strengung. Wir können jedenfalls – damit will ich die
Beantwortung der Frage abschließen – mit diesem Er-
gebnis nicht zufrieden sein. Meine Anregung war ja,
darüber nachzudenken, wie wir diesen Anteil erhöhen
können.
Ich denke, es ist in diesem Hause völlig unstrittig,
dass wir eine Erfolgsstory des alten Gesetzes vorlegen
können bei der Frage: Wollen wir den Anteil an alterna-
tiven Energien verdoppeln?
Wenn Sie sich die Basiszahl, von der aus das Verspre-
chen gegeben wurde, den Anteil der alternativen Ener-
gien zu verdoppeln, einmal richtig ansehen, so erkennen
Sie, dass wir in unglaublich kurzer Zeit bereits mehr als
die Hälfte des Weges zurückgelegt haben. Und wenn ich
mir ansehe, was in der Pipeline ist – von der Planung
über die Bestellung und Installierung bis zur Ausliefe-
rung dauert es ja ein wenig –, so meine ich, dass wir
sehr wahrscheinlich schon drei Viertel dieses Weges zu-
rückgelegt haben.
Es besteht also kein Dissens in der Frage der Ernst-
haftigkeit des ökologischen Ansatzes. Worüber wir un-
terschiedlicher Meinung sind – das beinhaltet unser Er-
gänzungsantrag –, ist die Frage der Finanzierung.
Dabei kommt es gar nicht einmal darauf an, wie viel
Geld wir in die Hand nehmen, sondern die zentrale Fra-
ge ist und bleibt: Wie effizient geben wir dieses Geld,
um möglichst viel Innovation loszutreten?
Dafür lohnt der Streit, und darüber muss er geführt wer-
den.
Wir sind der Meinung und der sicheren Erkenntnis –
ich glaube, davon verstehen wir ein wenig –, dass die
Festpreisregelung die am wenigsten innovationsför-
dernde Regelung für diese Bereiche ist. Deswegen müs-
sen wir sie aus guten Gründen ablehnen. Die Festpreis-
regelung ist die gemütlichste Form des Geldausgebens
in Wirtschaftsbereichen mit dem erwarteten geringsten
Ertrag an Anstrengung, Innovation, Modernisierung und
Effizienzsteigerung. Deswegen lehnen wir sie ab.
Wir erkennen sehr wohl an, dass eine Koppelung an
den Strompreis – wegen der Strompreisentwicklung
nach unten, die wir ja mit unserer Gesetzgebung gewollt
haben, jetzt Probleme beinhaltet. Um diese Delle aus-
zugleichen, haben wir unsere prozentualen Ansätze im
vorliegenden Ergänzungsantrag angehoben. Aber ich
sage Ihnen voraus: Mit Festpreisen gehen wir den fal-
schen Weg.
Kollege Schauerte, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kolle-gin Ganseforth?
Metadaten/Kopzeile:
8446 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
Ja.
Herr Schauerte, ist Ih-
nen bekannt, dass man bei der Ursprungsregelung, die
hier im Parlament 1990 einstimmig auf den Weg ge-
bracht worden ist, nicht davon ausgehen konnte, dass
sich die Strompreise in diesem rasanten Tempo bewe-
gen, sondern dass wir damals davon ausgegangen sind,
dass die Regelung einer Einspeisung von 0,7 Prozent ei-
ner Festpreisregelung vergleichbar sein sollte? Das hat
ja auch zum Erfolg geführt.
Frau Kollegin,zunächst einmal habe ich die Erfolgsgeschichte des letz-ten Jahres mit ganz aktuellen Zahlen hier vorgetragen. Indieser schon fallenden Strompreislinie sind diese Leis-tungen immer noch erbracht worden.
– Warten Sie ab!Ich habe zweitens gesagt: Weil wir diese abfallendeKurve sehen, erhöhen wir die Prozentsätze, wie es in un-serem Ergänzungsantrag steht. Ich bleibe aber dabei,dies über Festpreise lösen zu wollen ist der ungeeig-netste Weg, dieses Geld besonders effektiv im Interesseder Ökologie einzusetzen.
Wenn der Staat steuern will, sollte er dies nicht überPreise tun. Es sollten absolute Ausnahmen, unausweich-liche Bereiche sein, aber bitte nicht langfristig angelegte.Subventionen, die der Staat gibt, sollten als solche er-kennbar sein. Sie sollen erkennbar sein, sie sollen trans-parent sein, sie sollen begrenzt sein, und sie sollen de-gressiv sein. Das alles erreichen Sie nicht mit Festprei-sen. Ich sage noch einmal: Festpreise sind die gemüt-lichste Form des Geldausgebens für all die, die wir zurAnstrengung ermutigen wollen und ermuntern wollen,diese Ziele zu sichern und zu erreichen.
Ich sage noch einmal abschließend: Je geringer derInnovationsdruck ist, desto weniger gut ist es für dieUmwelt. Ihre Finanzierungsmethode schafft nicht genü-gend Druck. Deswegen halten wir sie für falsch. Nurdeswegen lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.
Ich komme zum Thema KWK. Ich habe gerade ge-sagt, dass es bei der Windenergie läuft und läuft. Bei derKWK brennt das Haus. Wir waren gerade beim VIK.Wir kennen die Sorgen von der VKU. Allein beim VIKist doppelt so viel Megawattleistung installiert wordenwie bei der gesamten Windkraft, wenn ich es richtigverstanden habe. Da brennt es lichterloh. Da wäre Eilegeboten. Beim Thema Wind hatten wir Zeit. Wir hättenmit dem Gesetz ruhig zwei bis drei Monate später fertigwerden können. Das wäre kein Problem gewesen. Aberbei der KWK ist Eile geboten.
Sie gehen den falschen Weg, indem Sie die VKUsbevorzugen.
Denjenigen, die öffentlich gefördert sind, die in öffentli-chem Eigentum sind, wollen Sie sofort helfen.
Denjenigen, die im Wettbewerb sind, dem VIK, wollenSie später einmal helfen. Ich sage Ihnen: Diese Art desVorgehens werden wir nicht akzeptieren. Dies ist ein ek-latanter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatzdes Art. 3. Das darf nicht passieren.
Sie sind völlig blind. Herr Jung, ich muss Ihnen einKompliment machen, der Sie als einer der Geschäftsfüh-rer des VKU im Parlament sitzen und für Energiepolitikzuständig sind. Sie haben fein an der Lösung Ihrer Pro-bleme gearbeitet. Für diejenigen, die sich in der Wirt-schaft diesem ökologischen Thema lange verschriebenhaben, haben Sie keinen Finger gerührt. Das gehört sichnicht. Das müssen wir rügen. So kann man als Gesetz-geber nicht mit gleich gelagerten Problemen umgehen.
Nun noch eine Bemerkung zum Beihilfeproblem. Esist schon interessant. Hier wird gesagt, wir sollten dochfroh sein, wenn wir endlich mit nationaler Kompetenzgegen die Dinge vorgehen, die uns von Europa immerwieder auferlegt werden. Zunächst einmal bin ich in bester Gesellschaft. Ich zitiere aus dem Brief von Herrn Müller, den er am 9. Februar 2000 an den Ausschussvorsitzenden Wissmann geschrieben hat – also mitten in diesem Ge-setzgebungsverfahren. Er schreibt in Ziffer 3:Es wird darauf hingewiesen, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die gesetzliche Umsetzungder Soforthilfe– da kommt es wieder –für die kommunale Kraft-Wärme-Kopplung– da ist von industrieller Kraft-Wärme-Kopplung über-haupt nicht die Rede; so gehen Sie mit dem Gleichbe-handlungsgrundsatz um –schwierige beihilferechtliche Fragen aufwerfen, diemit der Kommission abgeklärt werden müssen.Sollte diese Klärung bis zur 3. Lesung des Gesetz-entwurfs noch nicht erfolgt sein, muss das In-Kraft-Treten des Gesetzes, soweit es beihilferelevanteRegelungen enthält, unter den Vorbehalt der Ge-nehmigung durch die Europäische Kommission ge-stellt werden.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8447
Wer hat denn die Beihilfefähigkeit und die Beihilfege-rechtigkeit dieses Gesetzgebungsvorhabens ernsthaftund seriös in die Debatte eingebracht? Stellen Sie sichdoch dem Thema! Lassen Sie doch Ihren Wirtschaftsmi-nister nicht einfach stehen!
Ich sage Ihnen eines: Diese Beihilferegelungen derEU sind gerade auch im nationalen deutschen Interesse.Wir wollen, dass sie in nahezu allen Bereichen eingehal-ten werden. Nehmen wir sie doch bitte ernst! Die Beihil-feregelungen der EU sind doch für uns wettbewerbsför-dernd.Die Subventionierung in Europa war eine Katastro-phe für die deutsche Exportwirtschaft. Wir hatten höchs-tes Interesse daran, dass im Beihilferecht in Europa end-lich Ordnung einkehrt.
Nun können wir es nicht bei jeder Gelegenheit wiederwie einen Schweizer Käse durchlöchern wollen. Wirsollten uns dem Reglement aus Überzeugung und zu un-serem eigenen Nutzen unterwerfen und das Prinzip nichtan jeder beliebigen Stelle unterlaufen und verändern.Herr Müller hat ganz eindeutig erklärt, dass das einzentrales Problem ist. Warum hören Sie nicht auf ihn?Warum haben Sie solche Eile? Ist es die schleswig-holsteinische Landtagswahl oder woran liegt es? Ichkann mir das nicht erklären. Dieses Gesetz soll dochüber eine gewisse Zeit funktionieren, es soll neue Chan-cen eröffnen und Rechtssicherheit liefern. Das alleskönnen Sie nicht erreichen, wenn Sie es so machen, wieSie es hier vorhaben.
Es gab noch eine Wortmeldung von der KolleginHustedt. – Sie kann sich an die Frage offenbar nichtmehr erinnern.
– Der Präsident ruft Sie nicht auf? Dann mag er es dochtun!Ich bleibe dabei: Die Beihilfeproblematik muss ernstgenommen werden. Wir glauben, dass wir durch dasGesetz ein großes Problem bekommen. Die Rechtsunsi-cherheit, die dadurch entsteht, ist nicht gut.Ich komme zum Schluss und sage noch einmal ganzeindeutig und dick unterstrichen: Die CDU/CSU sagtuneingeschränkt Ja zur alternativen Energieerzeugung.
Wir sehen sie als ökologisch und arbeitsplatzmäßig ver-nünftig an. Aber wir können nicht zustimmen, wenn Sieeinen Finanzierungsweg gehen, der nicht die höchste Ef-fizienz bringt, der die Sache mehr gemütlich werdenlässt, der die Anstrengungen im Wettbewerb verringertund der – auch das gehört dazu – nicht genügend mit un-seren europäischen Partnern abgestimmt ist.Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wortdem Bundesminister Jürgen Trittin.Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit: Herr Präsident! MeineDamen und Herren! Es ist doch schön, wenn – das istvon allen Beteiligten hier unterstrichen worden – dasZiel des Einsatzes der erneuerbaren Energien aus Grün-den des Klimaschutzes und aus Gründen der Moderni-sierung der Energiepolitik von allen in diesem Parlamentgetragen wird. Aber es würde in einer solchen Situationnicht nur einer kleinen, sondern auch einer großen Op-positionspartei gut anstehen, wenn sie sich bei der Ge-meinsamkeit dieses Zieles auch bei den Instrumentenden Ruck geben könnte, diese Ziele Wirklichkeit werdenzu lassen.
Das umgekehrte Beispiel – Frau Ganseforth wies dar-auf hin – hatten wir beim Stromeinspeisungsgesetz. Wa-rum konnte es mit dem Stromeinspeisungsgesetz sonicht weitergehen? – Das hatte doch zwei wesentlicheGründe. Der eine Grund war, dass wir in bestimmtenVersorgungsgebieten eine Grenze erreicht hatten. DasProblem war, dass wir in diesen Bereichen unendlicheAuseinandersetzungen über die Frage hatten: Darf dannnoch eingespeist werden?Der zweite Grund, aus dem das Stromeinspeisungs-gesetz einer neuen Regelung bedurfte und aus dem wirk-lich gehandelt werden musste – das haben die Koaliti-onsfraktionen doch hier gemacht –, war, dass die Bezu-schussung bei der Einspeisungsvergütung auf der Basisprozentualer Verhältnisse zu dem Preis nicht mehr trag-fähig war. Wir waren dabei, eine hoffnungsvolle wirt-schaftliche Entwicklung und Investitionssicherheit zuverlieren und damit das, was wir inzwischen an Spitzen-stellung in der Welt beim Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der Windenergie, erreicht haben,zu verspielen.Deswegen verstehe ich überhaupt nicht, wenn Sie derKoalition in dieser Frage übereiltes Handeln, Nachgebenvon Lobbyinteressen und was ich da alles gehört habevorwerfen. Hier bestand eklatanter Handlungsbedarf, esmusste gehandelt werden, und es zeichnet die Koalitionaus, dass sie in solchen Fragen dann auch handeln kann.
Hartmut Schauerte
Metadaten/Kopzeile:
8448 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
Ich lasse mich ja gerne auf einen Streit umInstrumente und Ähnliches ein. Frau Flach, ich möchteSie nur am Rande darauf hinweisen, dass eine Quote,die Sie hier gefordert haben – ich begrüße das sehr, wirsind in diesem Punkte einer Meinung; ich komme gleichdazu, in welchen Bereichen diese Quote sinnvoll ist –,selbstverständlich Folgen für den Endverbraucherpreishat. Der Aspekt, ob es sich dabei um eine Beihilfehandelt oder nicht, ist ja sehr strapaziert worden. DieserAspekt ist während des Gesetzgebungsverfahrensgeprüft worden. Man ist zu dem Ergebnis gekommen,dass es sich nicht um eine Beihilfe handelt.
Wir als Koalition haben die Bedenken des KollegenMüller, die das Kabinett gemeinsam formuliert hat, sehrernst genommen. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen– auch aufgrund der Hinweise aus der Kommission –,dass wir korrekt vorgehen.Nur, eines sollten Sie wissen: Auch eine Quote führtdazu, dass sich der Endverbraucherpreis erhöht. Das istgewissermaßen eine andere Form der Subvention.
Herr Kollege, gestat-
ten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hirche?
Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit: Ich habe extra schon eine
Kunstpause gemacht.
Herr Minister Trittin, gibt es
eine schriftliche Stellungnahme der Verfassungsressorts
zu dem Beihilfe- und Verfassungsproblem und ist die
für die Öffentlichkeit verfügbar?
Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Hirche, wir
haben diese Frage im Zuge der Beratungen und der Stel-
lungnahme der Bundesregierung zu diesem Gesetzent-
wurf aufgeworfen. Über diese Frage ist auch innerhalb
der Koalitionsfraktionen lange diskutiert worden. Wir
sind nach all dem, was man im Zusammenhang mit die-
ser Frage bedenken muss, zu dem Ergebnis gekommen:
Es handelt sich nicht um einen beihilferelevanten Tatbe-
stand.
Wir werden dabei unterstützt – ich glaube, darüber
sind wir beide froh – durch die Äußerung der für Ener-
giepolitik zuständigen Kommissarin, Frau Palacio, die
nachdrücklich von ihrer Vorstellung abgerückt ist, er-
neuerbare Energien in ihrer Entwicklung zu deckeln und
auf diese Weise verbindliche Obergrenzen vorzuschrei-
ben. Auch in diesem Punkte stellen wir fest: Wir befin-
den uns auf einem sehr guten Weg.
Gestatten Sie eine
Nachfrage? – Bitte.
Meine Frage, Herr MinisterTrittin, lautete, ob es eine schriftliche Äußerung derVerfassungsressorts der Bundesregierung gibt, die, fürdie Öffentlichkeit verfügbar, die Vereinbarkeit der vor-gesehenen Regelung mit Grundgesetz und Beihilferechtdarstellt.
Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit: Ich kann Ihnen aus demDiskussionsprozess nur mitteilen, dass wir, das Bundes-umweltministerium und die Koalitionsfraktionen, diesgeprüft haben und zu diesem Ergebnis gekommen sind.
– Herr Grill, dass Sie ein europapolitischer Experte sind,das wird in diesem Hause jeder dick unterstreichen.
– Ich mache eine Pause, damit Sie sich austoben können.Der noch amtierende europapolitische Sprecher freutsich richtig. Meine Damen und Herren, ich komme zu der Frage,ob feste Vergütungen etwas sind – Sie hatten diese Fra-ge ja aufgeworfen –, was innovationsfeindlich wäre. Wirhaben die Kosten sehr bewusst unterschiedlich gestaf-felt. Wir wollten nämlich erreichen, dass es nicht an gu-ten Windstandorten zu Erstattungen weit über den tat-sächlich entstandenen Kosten kommt. Wir habenschließlich die Einspeisungsvergütungen degressivgestaltet. Wir haben das gerade deswegen getan, weilwir erreichen wollten, dass ein Schub und ein Druck aufweitere Innovationen entstehen. Dieser Druck in Rich-tung weitere Innovationen hat dazu geführt, dass mit denbereits heute bestehenden Anlagen – Herr Hirche hatdarauf hingewiesen – Leistungen erreicht werden, dieweit über dem liegen, was zu Beginn des Aufstellensvon Windrädern erzielt worden ist. Das ist der Grund dafür, weswegen ich vor der Fried-rich-Ebert-Stiftung darauf hingewiesen habe, dass eineVerdoppelung der Kapazität im Bereich Windenergiekeine neue Bereitstellung von Flächen nötig machenwürde. Dies kann schlicht und ergreifend durch Ersatzder vorhandenen Masten erreicht werden. Bundesminister Jürgen Trittin
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8449
Ich freue mich, dass die F.D.P. dies ähnlich sieht. Ge-legentlich sollte sich das dann auch in Landtagswahl-kämpfen an der Küste niederschlagen.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine letzteBemerkung zur Kraft-Wärme-Kopplung machen. Ichteile ja den Einwand, dass wir, wenn wir das Klimazielerreichen wollen, den gesamten Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung betrachten müssen. Wir sind von demZiel ausgegangen, dass durch Strom aus erneuerbarenEnergien der CO2-Ausstoß bis zum Jahre 2010 um rund 3 Prozent reduziert werden kann. Das Potenzial bei derKraft-Wärme-Kopplung ist mindestens so hoch zu ver-anschlagen. Natürlich ist es richtig, dass eine der großen Säulender Kraft-Wärme-Koppelung der industrielle Bereichist. Nur müssen Sie eines sehen: Die Struktur und dieKosten im industriellen Bereich sind ganz anders undbedürfen anderer Instrumente als die im kommunalenBereich.Ich möchte einmal die Opposition erleben, wenn Siedie Bonusregelung, die wir jetzt machen, um den aktu-ell bedrohten Bestand von kommunaler Kraft-Wärme-Kopplung zu sichern, beispielsweise auf Unternehmenwie die BASF und andere übertragen. Wir werden uns indiesem Hause gemeinsam – da hoffe ich, Sie dann wirk-lich nicht nur bei den Zielsetzungen, sondern auch beider Konkretisierung der Instrumente mit am Tisch zuhaben – Regelungen überlegen müssen, wie eine tat-sächliche Steigerung der Energieeffizienz, damit ver-bunden ein Absinken von CO2 und, ein stärkerer Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, geregelt werden können,und das im kommunalen wie im industriellen Bereich. Darum geht es heute aber nicht. Hier geht es heutedarum, das zu sichern, was durch die Liberalisierung desStrommarktes akut gefährdet ist. Da würde ich Ihnen ge-rade auch in Verantwortung gegenüber den in diesenBetrieben Beschäftigten den dringenden Rat geben, sicheinen Ruck zu geben, über Ihren Schatten zu springenund diesen Schritt zur Sicherung von Kraft-Wärme-Kopplung, zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zur Si-cherung einer CO2-schonenden Technologie mitzuge-hen. Was nämlich nicht geht, ist, hier im Hause bei sol-chen Debatten immer die Ernsthaftigkeit des Klimazielszu unterstreichen, sich dann aber, wenn es zum Schwurkommt, gewissermaßen in die Büsche der Opposition zuverziehen. Das halte ich nicht für besonders politikfähig.
Zu einer Kurzinter-
vention erteile ich dem Kollegen Volker Jung das Wort.
Herr Präsident!
Sie werden verstehen, dass ich noch einmal auf den Bei-
trag von Herrn Schauerte eingehen möchte.
Ich habe in meiner Rede zum Ausdruck gebracht,
dass ich mich in meiner Fraktion sehr nachdrücklich da-
für eingesetzt habe, alle Kraft-Wärme-Kopplungs-
anlagen in eine dauerhafte Lösung einzubeziehen. Das
hat sehr schwierige Diskussionen gegeben und wir sind
zu dem Schluss gekommen, zunächst eine Übergangs-
regelung zu suchen, um dies dann umfassend zeitnah zu
lösen. Das zur Sache.
Zur Form will ich sagen: Herr Schauerte, von einem
Vertreter einer Partei, die seit Monaten damit befasst ist,
ihre Schmiergeldaffären zu klären,
lasse ich mir hier nicht vorwerfen, ich würde berufliche
und politische Interessen miteinander verquicken. Ich
habe hier für meine Fraktion gesprochen, die diese Hal-
tung einstimmig festgelegt hat.
Diese Haltung ist geprägt von ökologischen Besorgnis-
sen und von dem Bestreben, Arbeitsplätze zu sichern.
Das habe ich im Kern zum Ausdruck gebracht.
Kollege
Schauerte, bitte.
Herr KollegeJung, auf Ihre Bemerkung zur allgemeinen politischenLage möchte ich in dieser Debatte nicht eingehen. Ichfinde sie unqualifiziert. Ich denke, wir tun uns alle einengroßen Gefallen, wenn wir bei wichtigen Themen beider Sache bleiben und nicht permanent in irgendwelcheNebenfelder abschwirren.
Mein Angriff, auf den Sie Bezug genommen haben,erfolgte zu Recht. Denn es ist schon eigenartig – daranmüssen Sie sich messen lassen –, dass im VIK die Pro-bleme bei der Kraft-Wärme-Kopplung tendenziell grö-ßer und bedrückender sind. Vor allem – das ist der öko-logische Aspekt dabei – erfolgen im VIK die Entschei-dungen zur Abschaltung solcher Kraft-Wärme-Kopp-lungsanlagen deutlich schneller als im öffentlich-recht-lichen VKU-Bereich. Obwohl dies die Sachlage ist, be-schließen Sie Maßnahmen, die zunächst denen helfen,bei denen die Gefahr, ökologische Verluste zu erleiden,geringer ist, anstatt erst dort zu helfen, wo diese Gefahrgrößer ist.Es drängt sich die Frage auf, wie das kommt. Es liegteinfach daran, dass Ihnen die kommunalpolitischen Be-lange näher liegen als die industriepolitischen Belange.Das habe ich ansprechen wollen. Wir fordern – das ge-hört sich – absolute Gleichbehandlung ein. Über denWeg, also darüber, was wir konkret tun, werden wir unssachlich auseinander setzen.
Bundesminister Jürgen Trittin
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8450 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
Nun erteile ich das
Wort dem Kollegen Dietmar Schütz, SPD-Fraktion.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Ich will für unsere Fraktion
noch einmal ganz deutlich sagen:
Erstens. Es kommt uns darauf an, dieses Gesetz schnell
zu verabschieden. Wir wollen es noch vor der Hanno-
ver-Messe landen, um den wirklich verhängnisvollen
Attentismus im Maschinenbau und im Bereich der Ban-
kenfinanzierung aufzubrechen.
Herr Schauerte, Sie haben darauf hingewiesen, dass
dieser Bereich ein Volumen von 3,9 Milliarden DM
hat – und das sind Zahlen von 1998, nicht von 1999.
– Klar, die Zahlen sind jetzt aufgekommen. Aber sie bli-
cken ja zurück.
Es ist nicht zu bestreiten, dass wir in näherer Zukunft
weitere Insolvenzen befürchten müssen. Wenn wir also
vernünftige Mittelstandspolitik machen wollen – Frau
Flach hat darauf hingewiesen –, müssen wir uns für den
Maschinenbausektor einsetzen und das Gesetz jetzt ver-
abschieden. Deswegen waren Sie aufgefordert, mög-
lichst schnell mit konkreten Vorstellungen auf den
Markt zu kommen.
Zweitens. Wir haben das immer mit Ihnen gemein-
sam machen wollen und sind den Weg gegangen, den
Sie, Herr Grill, Herr Hirche, vorgeschlagen haben, näm-
lich quasi den Weg der Festsetzung eines Festpreises. Im
monopolisierten Markt war das Stromeinspeisungsge-
setz – das musste man so sehen – quasi ein Indiz für
Festpreise. Wir sind diesen Weg weiter gegangen, wäh-
rend Sie diesen Weg verlassen.
Ich weiß gar nicht, was Sie wollen: Wollen Sie eine
neue Steuer, wollen Sie das wie bisher machen? Ich ha-
be hier verschiedene Positionen gehört und nicht klar
mitbekommen, was Sie denn wollen. Auf jeden Fall
wollen Sie den gemeinsamen Weg einer Unterstützung
der mittelständischen Industrie in diesem Bereich offen-
sichtlich nicht mehr.
Drittens. Wir haben versucht, bundesweit einen Be-
lastungsausgleich zu organisieren, indem die Strom-
mengen von unten bis zu den Produzenten und Lieferan-
ten durchgereicht werden. Sie haben die Frage gestellt:
Ist das verfassungsrechtlich möglich, ist das vertretbar
oder ist das ähnlich zu beurteilen wie beim Kohlepfen-
nig? – Ihnen ist doch allen klar, dass sich die Belastun-
gen nicht nur auf Norddeutschland erstrecken dürfen.
Herr Hirche, wir sind beide Norddeutsche und wissen,
dass das nicht bei Preussen-Elektra landen kann. Des-
halb müssen wir beachten, dass das Gesetz auf diese
Problematik reagiert. Ich glaube, unser Vorschlag ist
vernünftig. Es liegt auch völlig anders als beim Kohle-
pfennig. Denn aufgrund der Vorrangstellung der regene-
rativen Energien – ich erinnere an die entsprechenden
EU-Richtlinien – werden jetzt grundsätzlich alle be-
lastet. Ich bedauere es sehr, dass Sie dieses Ziel, über
das wir jahrelang diskutiert haben, jetzt aufgeben.
– Mit der vorliegenden Formulierung haben wir das
Rechtsproblem, glaube ich, gelöst.
Viertens. Sie haben angesprochen, unsere Lösung ent-
wickele nur mangelnde Innovationskraft und lasse we-
gen Festpreis und Förderhöhe den Innovationsschub
vermissen. Ich will dazu sagen: Wir haben die Förder-
höhe massiv abgesenkt – noch einmal im Vergleich zu
der Regelung bei der ersten Lesung –, sodass hier eine
klare Degressionswirkung eintritt und Innovationsan-
reize über den Preis entstehen. Darüber hinaus haben wir
in unseren Gesetzentwurf einen zeitlichen Rahmen ein-
gebaut, innerhalb dessen jedes Mal neu überprüft wer-
den muss, ob es zu einer Überförderung gekommen ist.
Es ist also nicht so, dass wir gemütlich in einem Zug sit-
zen und uns dort ausruhen können, sondern dies muss
ständig überprüft werden. Dies kann vernünftigerweise
nur so ausgestaltet werden.
Wenn wir Ihrem Modell folgen würden, meine Da-
men und Herren von der CDU, würden wir die gesamte
Maschinenbauindustrie in diesem Bereich an die Wand
fahren, weil sie keine Preise mehr erzielt, mit denen sie
auskommen kann.
Herr
Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Hirche?
Ich will ihm
das gern möglich machen, weil ich hier auf Dialog ein-
gestellt bin.
Wun-
derbar. Bitte schön, Herr Hirche.
Herr Kollege Schütz, ichbedanke mich. – Über das, was Sie gesagt haben, willich jetzt nicht debattieren. Aber wie beurteilen Sie die
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8451
Feststellung des VDMA, dass durch die Veränderungder Degression – ich stimme Ihnen zu, dass Sie darangearbeitet haben – die neue Anlagenentwicklung, Off-shore, schlechter gestellt wird als zu Beginn der Bera-tung, dass Sie damit den neuen Entwicklungen einenRiegel vorschieben und dass dadurch im Grunde derVorwurf gerechtfertigt ist, dass nicht die Innovation,sondern der Bestandsschutz im Vordergrund steht?
Herr Hirche, in
der ersten Lesung war – das möchte ich Ihnen in Erinne-
rung rufen – die Offshoreregelung im Gesetzentwurf
überhaupt noch nicht enthalten. Wir haben geglaubt, die
durch die Preispolitik gewonnenen finanziellen Mittel
wären für die Offshoreanlagen-Betreiber ausreichend.
Wir haben erst im Rahmen der Nachbesserung eine
Offshoreregelung in diesen Gesetzentwurf hineinge-
nommen. Wir haben den oberen Preis von 17,8 Pfennig
für Offshoreanlagen-Betreiber auf neun Jahre festge-
schrieben.
Jetzt sagen uns die VDMA-Sprecher, die auch Sie
angeschrieben haben: Das reicht uns nicht. Wir brau-
chen 12 Jahre. An dieser Stelle kommen Sie den Lobby-
Interessen wesentlich weiter entgegen.
Wir sagen: Das reicht an innovativer Kraft. Eine neun-
jährige Förderung ist schon mehr als das, was wir am
Anfang wollten. Damit müsst ihr eigentlich hin-
kommen. – Diejenigen, mit denen ich darüber gespro-
chen habe und die sich im Maschinenbau auskennen, sa-
gen: Der dadurch mögliche Innovationsschub ist ausrei-
chend. Das ist die Position, die ich zur Offshoreproble-
matik vertrete.
Lassen Sie mich noch einmal sagen – Herr Ruck hat
es angedeutet und ich glaube, Herr Schauerte hat es auch
gesagt –: Sie sind eher dafür, jetzt einen Systemwechsel
vorzunehmen. Sie hatten das bis jetzt gültige Stromein-
speisungsgesetz initiniert. Jetzt sagen Sie: Das ist eigent-
lich nicht richtig, wir müssten zu einer Steuerfinanzie-
rung kommen. Die Fraktionen, die eigentlich immer ge-
gen zusätzliche Steuern sind, sagen jetzt: Wir müssen
das alles über Steuern finanzieren.
– Aber wir verwenden dafür Steuergeld.
Ich will Ihnen sagen: Wenn wir das so finanzieren,
schaffen wir nicht das, was wir wollen, nämlich die
Stromindustrie, die EVUs, an diesen Innovationen zu
beteiligen. Deswegen haben wir uns damals mit Ihnen
zusammen – Herr Engelsberger hat damals dieses Ge-
setz vorgeschlagen – gegen eine Steuerfinanzierung, ge-
gen eine Haushaltsfinanzierung ausgesprochen. Wir
bleiben bei dieser Position, weil wir glauben, dass das
Gesetz, das wir einmal gemeinsam erarbeitet haben, das
weltweit anerkannte positive Erfolge gehabt hat, fortge-
schrieben und verbessert wird. Dann werden wir in
Deutschland eine Förderung regenerativer Energie ha-
ben, die weltweit führend ist. Wir werden stolz darauf
sein, dass wir daran mitgearbeitet haben.
Wir fordern Sie noch einmal auf, diese gute Entwick-
lung fortzusetzen, damit wir weltweit etwas vorzeigen
können.
Ich danke Ihnen.
Zu einer
Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Hartmut
Schauerte das Wort.
Erste Feststel-
lung: Herr Kollege Schütz, Sie haben den Eindruck er-
weckt, als hätten die Zahlen, die ich vorgetragen habe,
nicht gestimmt. Sie haben erklärt, es seien Zahlen aus
dem Jahre 1998 gewesen. Ich lege großen Wert darauf,
dass diese den Erfolg des geltenden Stromeinspeisungs-
gesetzes widerspiegelnden Zahlen sämtlich aus dem Jah-
re 1999 stammen und sie mit denen aus dem Jahre 1998
verglichen wurden.
Zweite Feststellung, damit nicht der falsche Eindruck
entsteht, als sei dies ein abbrechender Prozess: Die Un-
tersuchung des Instituts schließt mit der Bemerkung, das
IWR rechne für das Jahr 2000 mit einer Steigerung der
Stromproduktion aus Windenergie um 50 Prozent. Den
Attentismus, von dem Sie reden, haben Sie überzeich-
net. Es war und ist ein erfolgreicher Aufwärtsprozess
und kein Abbrechen.
Zu einer
Gegenerklärung erteile ich Herrn Kollegen Schütz das
Wort, bitte sehr.
Ich hatte ges-tern Abend das Vergnügen, mit dem Verfasser dieserUntersuchung aus Münster zu sprechen. Sie habenRecht: Bei dem Betrag von 3,9 Milliarden DM handeltes sich um eine aktuelle Bestandsaufnahme. Zum ThemaAttentismus hat er mir bestätigt, dass Bankenkreditedeshalb nicht gewährt werden, weil – das wird Ihnenauch Herr Austermann bestätigen – die Banken nichtwissen, wohin die Reise geht, und der so genannte dop-pelte 5-Prozent-Deckel drohte. Insofern hat das Institutschon hinsichtlich der von uns vorgenommenen Novel-lierung einen Ausblick gemacht. Deswegen noch einmalmein Appell: Behindern Sie das Ganze nicht.
Walter Hirche
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8452 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
Als
nächstem Redner gebe ich dem Kollegen Dietrich
Austermann von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident!Meine Damen und Herren! Gerade in der aufgeregtenZeit, in der wir uns alle befinden
Das kann ja wohl nicht ernst gemeint sein, wenn mandiese Bilanz sieht. Man stellt zurzeit vielerorts fest, dass Sie sich Ergeb-nisse einer Politik anheften, die aus den letzten Jahrenstammt, und dann nach vorne schauen. Das Auftretendes Bundeskanzlers auf der CeBIT soll wohl den Ein-druck erwecken, Sie hätten die Mikroelektronik ent-deckt. Ich behaupte: Wären wir Ihnen gefolgt, wären wirheute gerade mal beim begehbaren Chip. Sie sind jetztdabei, den Transrapid von einem Hochleistungsschnell-bahnsystem zu einer S-Bahn zu entwickeln. Zum ThemaBiotechnologie will ich gar nichts sagen. Das gilt in ge-wisser Weise auch für die erneuerbaren Energien. Nachder jetzigen Situation muss man sagen: Das, was jetztentstanden ist, ist Ergebnis der Politik der Bundesregie-rung, die 16 Jahre lang von uns mit gestaltet wurde, dasheißt Liberale, Christdemokraten und Christlich-Sozialehaben das mit durchgesetzt.
Ich habe mir einmal eine Broschüre der Grünen ange-sehen, „Ein Jahr Rot-Grün – eine Bilanz“, und nachge-schaut, was Sie im Bereich der Energiepolitik gemachthaben. Energiepolitik ist natürlich Umweltpolitik: ers-tens Ökosteuer – keine rot-grüne Abzockerei ohne jedeLenkungswirkung für die Umwelt,
zweitens Ausstieg aus der Kernenergie. – Die Kern-energie stellt nach Meinung der Grünen und auch IhrerMeinung nach eine derart große Gefahr dar, dass mansofort umkehren sollte. „Sofort“ heißt bei Ihnen 25 Jah-re. Wenn die Gefahr so groß ist, warum handeln Siedann nicht wirklich sofort, sondern zeigen die Reaktion,die Sie tatsächlich zeigen?Sie haben als dritten Punkt bei den Maßnahmen, dieSie aufgeführt haben, das Markteinführungspro-gramm für regenerative Energien genannt. Das wareinmal mit 200 Millionen DM dotiert. Es sollte die Be-lastungen der regenerativen Energieträger ausgleichen,die Belastungen, die davon herrühren, dass auch fürWind, Sonne und Biomasse Ökosteuer gezahlt werdenmuss – ein Aberwitz. Herr Mehdorn hat in dieser Wocheim Haushaltsausschuss deutlich gemacht, dass die Deut-sche Bahn – das ökologischste Verkehrsmittel – Öko-steuer zahlt und damit stärker belastet ist als die Bahn injedem anderen Land Europas. – Wenn das die richtigePolitik ist!Wenn wir uns das genauer anschauen: mithilfe desMarkteinführungsprogramms zum Ausgleich der Belas-tungen aus der Ökosteuer für die erste Stufe haben Sie inder Summe weniger Geld für erneuerbare Energien aus-gegeben als wir im Jahr 1998. Also ist auch hier einDurchbruch für erneuerbare Energien nicht erreichtworden. Zum nächsten Thema, zum Stromeinspeisungsgesetz.Warum müssen wir denn mit dem Stromeinspeisungsge-setz einen neuen Anfang machen, Frau Ganseforth?Weil es die Liberalisierung gibt, die Sie ja bekämpfen.Wenn ich mich nicht irre, gibt es eine Verfassungsbe-schwerde der SPD-Fraktion gegen das Energiewirt-
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8453
schaftsgesetz, die bis heute nicht zurückgenommen ist.In dem Energiewirtschaftsgesetz war der zweite Deckelfür die Windenergie enthalten. Bei dem zweiten Deckelhandelt es sich um eine Erfindung des Herrn Möller imVermittlungsverfahren. Er wird dazu gleich etwas sagen.Die Erfindung ist im Bundesrat im Vermittlungsverfah-ren aufgenommen worden, aber wir haben immer ge-sagt, dass dieser zweite Deckel weg muss. Wir sind da-mals zu diesem Kompromiss gekommen, weil wir einegemeinsame Linie mit Ihnen gesucht haben.
Ich glaube, das kann man überhaupt nicht bestreiten.Jetzt schaue ich mir die Bilanz noch einmal ganz kurzan: weltweites Signal, Geburtsstunde des Solarzeitalters.Einen großen Tag hat es 1987 gegeben, als der ersteWindpark in meinem Wahlkreis in Dithmarschen er-richtet wurde. Die SPD hat damals im Landtag vonWindeiern gesprochen. 1990 war ein großer Tag, als wirdas Stromeinspeisungsgesetz verabschiedet haben. 1994hätte es einen großen Tag geben können, aber Sie habendamals die Planungsveränderung – der Kollege Götz hatsich damals für die Kommunalpolitiker eingesetzt, fürdie Planungshoheit der Gemeinden bei den erneuerbarenEnergien – so lange im Bundesrat verzögert, dass dasGesetz vor der Wahl nicht mehr verabschiedet werdenkonnte.
1996 haben wir einen zweiten Anlauf genommen. Aberdas Land Schleswig-Holstein hat das dann durch eigeneRechtsvorschriften ausgehebelt. Die SPD-Abgeordne-ten – Sonntag-Wolgast, und Opel – ich sehe sie geradenicht – haben damals einen Feldzug gegen die Auswei-tung der Windenergie in Schleswig Holstein geführt. Al-so von wegen: Wir wollten immer das Gleiche und wirhaben bei den Zielen der erneuerbaren Energien immerdie gleichen Ziele verfolgt. – Das stimmt ja wohl nicht.Dann schaue ich mir an, wie sich die Zusammenar-beit mit Ihnen entwickelt hat. Wir haben bis zum 7. De-zember zusammengesessen und eine gemeinsame Pres-seerklärung formuliert, in der wir gesagt haben, wie dieZukunft des Stromeinspeisungsgesetzes aussehen soll.Dort wurden Ziele festgeschrieben. Aber Sie haben da-nach nicht wieder zu einem gemeinsamen Termineingeladen, Sie haben keine Zusammenarbeit mehr mituns gesucht, sondern Sie haben Ihren eigenen Kursgefahren. Gott sei Dank, ist das, was jetzt dabeiherausgekommen ist, nicht das, was Sie am 8. Dezemberverfolgt haben. Heimlich haben Sie unsere Positionübernommen. Ich nenne das Beispiel Altanlagen. Ich habe mitHerrn Möller noch vor etwa zehn Tagen eine Diskussionin Rendsburg geführt. Das war an dem Tag, an dem dieAnhörung stattfand. Er hat mir gesagt und auch seingrüner Staatssekretär hat verkündet, wir könnten davonausgehen, dass das Gesetz, so wie es jetzt vorliegt, auchverabschiedet wird. Tatsächlich haben Sie Änderungenvorgenommen, die dem entsprechen, was wir vorge-schlagen haben.
– Moment, Moment. Sie haben natürlich mitbekommen,was andere von uns – ich auch – auf Veranstaltungen, inPresseerklärungen und Veröffentlichungen zu diesemThema gesagt haben. Altanlagen – das haben Sie dochnicht von allein gemacht! Offshore – das haben Siedoch auch nicht von allein gemacht.
Die Vorschläge, wer die Netzverstärkungskosten zu tra-gen hat, kamen von uns. Es waren doch unsere Vor-schläge, das Thema Biomasse so zu behandeln, wie estatsächlich geschehen ist. Das waren doch unsere Vor-schläge.
Herr
Kollege Austermann, erlauben Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Hustedt? – Bitte schön.
Ich will mich jetzt nicht mit Ihnen darüber streiten, ob
die Veränderungen Ihren Vorschlägen oder unseren
Vorschlägen entsprechen. Klar ist – das habe ich in mei-
ner Rede schon gesagt –, dass Sie einiges von dem, was
wir gefordert haben, auch vor Ort vertreten haben.
Jetzt frage ich Sie: Wenn wir aus Ihrer Sicht Ihre
Vorschläge übernommen haben, stimmen dann Sie per-
sönlich diesem Gesetz zu, ja oder nein?
Frau Hustedt,
ich werde Ihnen meine Position ganz deutlich machen.
– Nein, nein. Ich bin jetzt dabei, zu begründen, wie
unser Antrag aussieht, und daraus mein Verhalten für
die Abstimmung abzuleiten. Ich werde – ich sage Ihnen
jetzt auch, warum – dem Gesetz, so wie Sie es einge-
bracht haben, nicht zustimmen können, weil es drei we-
sentliche Fehler enthält.
Herr
Kollege Austermann, sind Sie mit der Beantwortung der
Frage fertig?
Ich kann jetzthier natürlich die drei Fehler begründen, weshalb ich dassage. Das will ich hiermit tun.Der erste Punkt, Frau Hustedt, betrifft die Frage, obdas Gesetz, das uns hier vorliegt, wirklich eines ist, dassich auch in Zukunft an den Mittelstand richtet. Das bisher vorgelegte Gesetz war ein Mittelstandsge-setz. Von den Investitionen beispielsweise in Schleswig-Holstein – 2 Milliarden DM sind investiert worden –kamen etwa 1,6 Milliarden DM aus dem bäuerlichenMittelstand. Wir haben die erneuerbaren EnergienDietrich Austermann
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8454 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
gestärkt und gestützt, weil wir den Landwirten ein zwei-tes Standbein geben wollten.
Sie haben den Landwirten das zweite Standbein wegge-schlagen, auch durch Ökosteuer, auch durch zusätzlicheBelastungen, die Sie in letzter Zeit beschlossen haben.Wir haben gesagt: Wir wollen ein zweites Standbein fürdie Landwirtschaft. Was machen Sie jetzt? Sie haben dieEVU mit in das Gesetz aufgenommen.
Herr
Kollege Austermann, die Fragen und Antworten sollen
kurz und präzise sein und nicht zur Verlängerung der
Debatte führen.
Gut.
Darf ich
fragen, ob Sie eine zweite Zwischenfrage des Kollegen
Scheer zulassen?
Gern.
Bitte
schön, Herr Scheer.
Herr Kollege
Austermann, ich will auf Ihre Äußerung zu den Altanla-
gen zurückkommen. Wir sind uns ja darüber einig, wie
Sie wissen, dass es so geschehen musste, wie es jetzt im
Gesetz steht. Aber ich habe folgende Frage: Distanzie-
ren Sie sich mit Ihrem Votum für die Altanlagen von
den Äußerungen Ihres Fraktionssprechers Grill, der sich
radikal gegen diesen Altanlagenschutz ausgesprochen
hat?
Das soll nur zur Klärung der Position dienen. Distanzie-
ren Sie sich von ihm oder nicht?
Herr Scheer, ichglaube, es geht um die Entscheidung im Interesse derGrundausrichtung eines bestimmten Gesetzes.
Da war Ihr ursprünglicher Ansatz – ich denke, dass HerrKollege Grill das gemeint hat – für Altanlagen mindes-tens eineinhalb Jahre. Das hätte für alle Anlagen, die inden Jahren 1994 und 1995 errichtet worden sind, bedeu-tet, dass im Juni 2001 die Klappe fällt. Das können wirnicht wollen, das wollte auch Herr Kollege Grill nicht,
und deshalb haben wir gesagt: Das geht so nicht. Im Er-gebnis haben Sie sich jetzt auf vier Jahre verständigt.Das geht in die Richtung, die wir vorgeschlagen haben,aber deswegen bleibt das Gesetz insgesamt in derGrundstruktur falsch, und dazu sage ich jetzt gleich et-was.
Das Gesetz ist in der Grundstruktur falsch. Es warbisher ein Mittelstandsgesetz, auf dessen Grundlage sicheine mittelständische Industrie von Anlagenbauernentwickelt hat, egal ob Wind- oder Wasserkraft, das aberauch diejenigen, die solche Anlagen betreiben, aus demMittelstand rekrutiert hat, während Sie jetzt ein Gesetzmachen, bei dem die EVU ganz wesentlich dazu beitra-gen können, dass Mittelständler nicht mehr zum Zugekommen.
Das bedeutet nämlich, dass die EVU Gelände aufkaufen.Das heißt, dass die Kleinen keine Anlagen mehr errich-ten können.Das Erste ist doch erkennbar; Sie können doch dieZeitung lesen. Dort hieß es doch schon, Fondsmodellewerden aufgelegt. Die großen Banken freuen sich darüber, mit welchen Beteiligungsmöglichkeiten künftigzu rechnen ist. Nicht mehr der Landwirt, nicht mehr derGrundbesitzer wird künftig Anlagen zur Gewinnung er-neuerbarer Energien aufstellen. Das ist der erste kardina-le Fehler, den wir kritisieren.Der zweite Punkt betrifft das Thema Beihilferecht.Dazu ist einiges gesagt worden. Auch Redner aus IhrenReihen, aus den Ministerien und der Bundesregierunghaben deutlich gemacht: Beihilferechtlich gibt es erheb-liche Bedenken. Herr Trittin hat sich zu diesem Themasehr wolkig eingelassen. Dritter Punkt. Sie sorgen für eine totale Abkopplungvom Strompreis. Wir haben gefordert: Die Förderungmuss an den Strompreis gekoppelt sein, damit derZwang zur Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Der Vor-schlag, den wir vorgelegt haben, ist unter dem Strich fürdie, die Anlagen haben, und auch für die, die jetzt neueAnlagen errichten, sogar wirtschaftlicher und vernünfti-ger, wenn man nicht mit einem totalen Zusammenbruchder Energiepreise rechnet. Aber eine vollständige Ab-kopplung vom Strompreis macht überhaupt keinen Sinn,wenn wir nicht einen zweiten Arbeitsmarkt im Energie-bereich errichten wollen.
Ich gehe davon aus, dass die Aufwärtsentwicklungder erneuerbaren Energien anhalten wird. Die Basis da-für ist das, was an rechtlichen Grundlagen Anfang der90er-Jahre geschaffen worden ist. In nächster Zeit wer-den einige Investitionsentscheidungen fallen, insbeson-dere – das begrüße ich – im Bereich der Offshoreanla-gen. Ich habe mich gewundert, dass der Umweltministerdes Landes Schleswig-Holstein, Herr Steenblock – be-kannt durch das „Pallas“-Unglück–, in den letzten TagenDietrich Austermann
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8455
verkündet hat, er sei gegen Offshoreanlagen. Er möchteEnergieminister in Schleswig-Holstein werden. Ich gehedavon aus, dass die Wähler seinen Wunsch am nächstenSonntag vereiteln werden. Es ist für jeden, der denSchutz der Umwelt und auch die Frage ernst nimmt, obwir mit der Umwelt alles machen können, wichtig zu er-fahren, ob jemand Ja oder Nein zu den Offshoreanlagensagt. Ein grundsätzliches Nein ist falsch.
Herr Staatssekretär, Herr Steenblock als der führendeMann der Grünen in Schleswig-Holstein und ein Teilseiner Freunde wollen keine Offshoreanlagen. Wir haben Erfolge in der Politik zu verzeichnen. Aufdieser Basis kann weiter gemacht werden und die Ent-wicklung der erneuerbaren Energien vorangetriebenwerden. Das, was Sie vorgelegt haben, weist drei grund-sätzliche strukturelle Fehler auf. Deswegen wird unsereFraktion nicht zustimmen können.
Liebe
Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, auch dem letz-
ten Redner Gehör zu schenken und die Privatgespräche
einzustellen.
Als letztem Redner in dieser Aussprache gebe ich das
Wort dem Minister für Finanzen und Energie des Lan-
des Schleswig-Holstein, Herrn Claus Möller.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
HerrPräsident! Meine Damen und Herren! Es wird nieman-den überraschen, dass die rot-grüne LandesregierungSchleswig-Holsteins – das Land mit dem höchsten An-teil an der Nutzung der Windenergie – den Entwurf derKoalitionsfraktionen für ein Gesetz zur Förderung derErzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien vollinhaltlich unterstützt,
genauso wie den Zeitpunkt. Dieser ist nicht nur wegender Hannover-Messe wichtig; denn wir haben es trotzdes erfolgreichen Wind-Jahres 1999 mit einer erhebli-chen Verunsicherung zu tun, weil nämlich einige Ener-gieversorgungsunternehmen behaupten, die berühmtezweite Deckelung würde überschritten. Ich halte das fürfalsch.Noch etwas zum zweiten Deckel: Wir sind uns einig,das Stromeinspeisungsgesetz war ein richtiger Einstieg.Aber Sie haben sich heute erneut eindeutig gegen einenbundesweiten Belastungsausgleich ausgesprochen.
Insofern war das, was wir im Vermittlungsausschussletztlich erreicht haben, nämlich der zweite Deckel, einvorübergehender Fortschritt, der den Ausbau der regene-rativen Energien in den letzten Jahren ermöglicht hat.Aber wenn jetzt die Deckelung überschritten wird, dannwird es höchste Zeit, dass wir eine Neuregelung verein-baren. Sie waren damals gegen eine solche Regelungund haben sich auch heute dagegen ausgesprochen. Wer für eine nachhaltig stärker ökologisch orientierteEnergieversorgung eintritt – das haben heute alle ge-sagt –, für den ist die Entwicklung von Rahmenbedin-gungen, die geeignet sind, den Anteil erneuerbarer Energien verlässlich zu steigern, von herausragenderBedeutung, gerade unter den Bedingungen der liberali-sierten Energiemärkte. Mit dem EEG wird nicht aufUmweltordnungsrecht gesetzt, sondern auf ein ver-gleichsweise milderes und flexibleres Eingriffsmittel,nämlich auf eine Abnahme- und Verpflichtungsvergü-tung.Eine solche Politik des Vorrangs hat sich bereits imBereich der Windenergienutzung als außerordentlichpraxistauglich erwiesen, wie gerade in unserem Bundes-land zu sehen ist. Derzeit liegt die Kapazität in Schles-wig-Holstein bei knapp 1 000 Megawatt; das bedeutet,circa 15 Prozent des Strombedarfs in unserem Land sindim letzten Jahr durch die Windenergie abgedeckt wor-den. Vor einigen Jahren hat man uns noch belächelt, alswir für das Jahr 2010 die Zielmarke auf 25 Prozent ge-setzt haben. Wir werden dieses Ziel bereits im Jahr 2003oder 2004 erreichen.
Die Windenergie hat sich in Schleswig-Holstein zueinem bedeutenden Wirtschaftsfaktor mit einer Dyna-mik, die es sonst nur im Bereich der Informations-technologie gibt, entwickelt.
Die Investitionen in die Windenergie der letzten Jahrewerden auf 2 Milliarden DM geschätzt. Dieser Zweigbietet etwa 1 500 Arbeitsplätze, direkt und indirekt, vonHerstellern über Zulieferbetriebe bis zu Planungsbürosin Schleswig-Holstein. Die Wertschöpfung aus den Er-trägen der Windkraftanlagen gerade in den struktur-schwachen Kreisen der Westküste ist außerordentlichhoch. Herr Austermann, von Ihnen stammt die Aussage,dass die Wertschöpfung aus der Windenergie auf demFestland der Westküste höher als die aus dem Fremden-verkehr ist.Die Mittelstandskomponente ist angesprochen wor-den. An 70 Prozent der Windkraftanlagen in unseremLande sind Bürger und insbesondere Landwirte beteiligt.Das wird auch beim weiteren Ausbau so sein.
Durch die im EEG vorgesehene Einführung differenzier-ter Einspeisepreise werden der Bau und die technologi-sche Entwicklung von Windanlagen nun auch an vielenStandorten im Binnenland wirtschaftlich interessant.Dietrich Austermann
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8456 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
Wir können den angestrebten Windkraftausbau nicht nurim Küstenbereich durchführen; vielmehr brauchen wirauch die Standorte im Binnenland.Für Schleswig-Holstein sind der bundesweite Belas-tungsausgleich für regenerative Energien, die verbesser-ten Übergangsregelungen für Altanlagen und die Einbe-ziehung von Offshorewindkraftanlagen von besondererBedeutung. Verglichen mit den Bedingungen bestehen-der Offshoreanlagen, zum Beispiel in Dänemark, ist diejetzige Vergütungsregelung angemessen. Die Kostenre-gelung bei Netzverstärkung und natürlich die verbesser-te Förderung für Solarstrom sowie für Biomasseanlagensind hervorragend geklärt. Der nunmehr im EEG vorgesehene, bundesweit wett-bewerbsneutrale Ausgleich dieser Netzumlage stellt ei-nen Meilenstein dar. Er wird maßgeblich dazu beitragen,dass zukünftig regionale Sonderbelastungen beseitigtwerden und dass Rechtssicherheit geschaffen wird.
Es ist eine Tatsache, dass der Klimaschutz eine ge-samtgesellschaftliche Aufgabe darstellt, deren Lastenentsprechend verteilt werden müssen. Dem steht die na-turbedingt regional unterschiedliche Nutzbarkeit erneu-erbarer Energien entgegen. Diesem Widerspruch wirdzukünftig wettbewerbskonform durch die Regelung ei-nes bundesweiten Belastungsausgleichs angemessenerund in zumutbarer Weise Rechnung getragen.Die Begründungen dafür, heute nicht zuzustimmen,waren sehr unterschiedlich. Herr Abgeordneter Grill, Siehaben gerade darauf abgestellt, dass Sie gegen die Rege-lung des bundesweiten Lastenausgleichs und der Netz-umlagen sind. Ich sage Ihnen nur: Was haben wir dennjetzt? Schauen Sie einmal ins Internet! Selbstverständ-lich legt Preussen-Elektra heute die Mehrkosten aus derWindenergie über die Netzbenutzungskosten auf denStrompreis regional um. Es geht jetzt nur darum, dassel-be bundesweit durchzuführen.
Was den Zeitpunkt angeht, will ich darauf hinweisen,dass die Energieversorgungsunternehmen in Schles-wig-Holstein – Preussen-Elektra und Schleswag – seitdem 1. Januar 2000 nach dem bestehenden Stromein-speisungsgesetz die Zahlungen für neue Windenergie-anlagen ausgesetzt haben. Der Bundeswirtschaftsminis-ter und ich haben dieses Vorgehen scharf gerügt. Dievon den Firmen vertretene Rechtsauffassung zur Härte-klausel ist abwegig. Der zweite Deckel ist nach unsererAuffassung eindeutig noch nicht voll. Aber das hat na-türlich zu einer starken Verunsicherung sowohl bei denHerstellern von Windkraftanlagen als auch bei den Ban-ken geführt.Ich hoffe und erwarte, dass nach Verabschiedung desErneuerbare-Energien-Gesetzes heute diese Unterneh-men ihre Klagen, ob beim EuGH oder beim Bundesver-fassungsgericht, gegen das geltende Stromeinspeisungs-gesetz zurücknehmen und ihrer Zahlungsverpflichtungwieder nachkommen.
Der Kritikpunkt dieser Unternehmen, nämlich eine regi-onal zu starke Belastung, wird nun durch den bundes-weiten Belastungsausgleich beseitigt. Allein die Schles-wag in Schleswig-Holstein spart noch einmal 50 Mil-lionen DM. Ich denke, das ist ein Grund, die Klagen zu-rückzuziehen Nach Auffassung der Landesregierung von Schles-wig-Holstein ist das EEG auch konform mit dem EU-Recht. Unabhängig von dem Entspannungssignal, dasgestern erfreulicherweise aus Brüssel gekommen ist,will ich noch einmal Folgendes sagen: Das EEG enthältnach unserer Auffassung weder einen Subventions-noch einen Beihilfetatbestand gemäß EU-Recht.
Es regelt weder direkt noch indirekt ein staatliches Mit-telaufkommen, sondern setzt einen Preisrahmen fürWirtschaftssubjekte. Beihilfen sind nach dem Gemein-schaftsrecht nur vom Staat gewährte Vorteile. Wechsel-seitige Vergütungs- oder Ausgleichsansprüche zwischenPrivaten erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH – Sie, HerrScheer, haben darauf hingewiesen – zielt das Gemein-schaftsrecht nicht darauf ab, jegliche staatliche Wirt-schaftspolitik, die nahezu unvermeidlich einigen Wirt-schaftssubjekten Vorteile verschafft, einem prinzipiellenBeihilfeverbot zu unterwerfen. Wir haben diese Auffas-sung in allen Gerichtsverfahren vertreten, auch vor demEuGH. Es gibt, meine Damen und Herren, richtungswei-sende Entscheidungen mehrerer Instanzen, zuletzt dasUrteil des Oberlandesgerichtes Schleswig vom 7. Sep-tember letzten Jahres, das diese Rechtsauffassung deut-lich bestätigt.Lassen Sie mich zum Schluss noch ein paar Bemer-kungen zum Thema Kraft-Wärme-Kopplung machen.Ich stimme Ihnen, Herr Schauerte, zu: Die Hütte brennt.In Schleswig-Holstein haben wir eine Kraft-Wärme-Kopplungs-Quote von 20 Prozent. Sie liegt damit etwadoppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Ich kannIhnen nur sagen, dass sowohl der Bestand der großenKraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen als auch die Zahl derneu gebauten und von uns geförderten 200 Blockheiz-kraftwerke stark verringert werden wird, zum Teil sindsie schon stillgelegt. Ich möchte hiermit ausdrücklichder Verabredung zwischen den Koalitionsfraktionen undder Regierung zustimmen, dass wir neben einem Sofort-hilfegesetz zur Sicherung des Bestandes der Kraft-Wärme-Kopplung schnell ein gesetzliches Instrumenta-rium brauchen, das eine Verdoppelung des Anteils derKraft-Wärme-Kopplung innerhalb der nächsten zehnJahre ermöglicht.
Ohne eine solche Verdoppelung des Anteils der Kraft-Wärme-Kopplung sind die von der alten wie von derMinister Claus Möller
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8457
neuen Bundesregierung vorgesehenen Klimaschutzzielemeines Erachtens nicht erreichbar. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, neben demgegenwärtig diskutierten Bonusmodell, das den Bestandschützen kann,
sorgfältig auch den Gesetzesvorschlag zu prüfen, denSchleswig-Holstein gemeinsam mit Berlin in den Bun-desrat eingebracht hat. Wir sprechen uns hier eindeutigfür eine zukunftsweisende Quotenregelung aus.
Herr
Staatsminister, kommen Sie bitte zum Schluss.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich
komme zum Schluss, meine Damen und Herren. Ich
sehe mit Spannung der Abstimmung entgegen. Herr
Austermann, wir waren auf vielen Veranstaltungen. Sie
waren immer ein Förderer der Windenergie und haben auf
öffentlichen Veranstaltungen im Gegensatz zu Herrn
Rühe gesagt: Wenn die Härteklausel kommt, ist es wich-
tig, dass das Gesetz möglichst schnell verabschiedet
wird. Sie sollten auch gegenüber den Wählern in
Schleswig-Holstein deutlich dokumentieren, dass Sie zu
Ihrem Wort stehen.
Vielen Dank.
Ich
schließe die Aussprache. Bevor wir zur Abstimmung
kommen, gebe ich Ihnen bekannt, dass eine Reihe von
Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung zu Proto-
koll gegeben worden sind, und zwar von den Kollegen
Ernst Hinsken, Erich Maaß, Albert Deß und Peter
Götz.*)
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent-
wurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen
zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren
Energien in der Ausschussfassung auf den Drucksa-
chen 14/2341 und 14/2776.
Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/2805 vor, über den wir
zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag
der CDU/CSU-Fraktion? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist der Änderungsantrag bei Zu-
stimmung der Fraktionen CDU/CSU und Ablehnung der
Koalitionsfraktionen und der PDS bei Enthaltung der
F.D.P.-Fraktion abgelehnt.
_____________
*) Die Erklärungen werden als Anlage zum Stenographischen Be-
richt der 92. Sitzung abgedruckt.
Wer stimmt für den Gesetzentwurf in der Ausschuss-
fassung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ge-
setzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen und der PDS-Fraktion gegen die
Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung: Die Fraktionen SPD und
Bündnis 90/Die Grünen verlangen namentliche Ab-
stimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind al-
le Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Ab-
stimmung. –
Hat ein Mitglied des Hauses seine Stimme noch nicht
abgegeben? – Dann schließe ich die Abstimmung und
bitte mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis
der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.*)
Wir setzen die Beratungen fort.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Gesetzent-
würfe auf den Drucksachen 14/2693 und 14/2765 sowie
den Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf
Drucksache 14/2778 zur federführenden Beratung an
den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie und zur
Mitberatung an den Finanzausschuss und den Ausschuss
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu
überweisen. Gibt es hierzu anderweitige Vorschläge? –
Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so be-
schlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Erika Reinhardt, Dr. Norbert Blüm, Klaus-Jürgen
Hedrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
Gegen den Missbrauch von Kindern als Solda-
ten
– Drucksache 14/2243 –
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich hö-
re keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
– Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer der Debatte fol-
gen will, den bitte ich sich hinzusetzen. Die anderen bit-
te ich den Plenarsaal zu verlassen, damit der ersten Red-
nerin Aufmerksamkeit geschenkt werden kann.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort als erste Red-
nerin hat die Kollegin Erika Reinhardt von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Ichmöchte mich zunächst herzlich dafür bedanken, dass SieRuhe hergestellt haben. Es ist für einen Redner immerangenehmer zu sprechen, wenn wieder Ruhe eingekehrtist.__________*) Seite 8459Minister Claus Möller
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8458 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, als ich vorzwei Jahren zum ersten Mal davon gesprochen habe,dass das Thema Kindersoldaten gerade in der Entwick-lungspolitik für uns ein Thema sein wird, war der Öf-fentlichkeit dieses Problem überhaupt noch nicht be-wusst. Heute, zwei Jahre später, haben wir in unserenKreisen und auch in der Öffentlichkeit zumindest einBewusstsein für dieses Thema geschaffen.Lassen Sie mich ein heute 16 Jahre altes Mädchenaus Uganda zitieren:Ich wurde mit einigen Kindern gefangen genom-men. Als ein Junge zu fliehen versuchte, wurde ergefesselt und wir mussten ihn mit Stockschlägentöten. Ich kannte den Jungen aus meinem Dorf. Alsich mich weigerte, ihn zu töten, sagten sie mir,dann würden sie mich erschießen und zeigten mitdem Gewehr auf mich. So tat ich es aus Angst. DerJunge fragte mich: Warum tust du das? – Ich hattekeine Wahl. Als er tot war, musste ich mir sein Blutauf die Arme schmieren. Sie sagten, das müsse ichtun, dann hätte ich keine Angst mehr und würdenicht mehr fliehen.Susan ist eines von 2 000 Kindern zwischen 10 und17 Jahren, die von der im Sudan beheimateten Wider-standsorganisation LRA in Uganda entführt wurden. Mitdiesem Beispiel wird deutlich, welche Tragik hinter demThema Kindersoldaten steckt. Ihr Schicksal ist eines derSchicksale von über 300 000 Kindersoldaten weltweit.Die Zahl ist eher steigend als rückläufig.Das furchtbare Leid der Kindersoldaten, der Schmerzund die Scham der Kinderprostituierten, die Ausbeutungdurch Kinderarbeit, das verpfuschte Leben der Kinderund die Verletzungen, die Erwachsene diesen Kindernzufügen, sind unverantwortlich und überhaupt nicht vor-stellbar.
Wer Kinder verletzt, der verletzt Menschenrechte.Die Bundesregierung hat seit ihrem Regierungsantritt1998 immer wieder betont, dass einer der Schwerpunkteihrer Politik im Rahmen der auswärtigen Beziehungendie Berücksichtigung der Einhaltung der Menschen-rechte sein wird. Wir begrüßen das sehr. Aber ich frageuns: Können wir es als Entwicklungspolitiker verant-worten, mit Ländern zusammenzuarbeiten, die die Men-schenrechte, was die Kinder betrifft, mit Füßen treten?
Müssen wir nicht stärker und effizienter Druck auf dieentsprechenden Entwicklungsländer ausüben? DerSchuldenerlass beispielsweise müsste eigentlich garan-tieren, dass das eingesparte Geld nicht zum Waffenkaufverwendet wird. Die deutsche, aber auch die europäische Entwick-lungspolitik hat die Pflicht, sich schützend vor dieseKinder zu stellen. Wir müssen konsequent jede Zusam-menarbeit mit Regimen ablehnen, die Kindersoldateneinsetzen. Allein auf dem afrikanischen Kontinent sindmehr als 120 000 Kinder als Soldaten in Regierungs-und Rebellenarmeen eingesetzt. Viele Kinder haben ge-mordet und trotzdem sind diese Kinder keine Verbre-cher. Sie gehorchen blind, weil man sie mit Drogen odermit anderen Methoden gefügig gemacht hat. Aus diesenKindern wurden Kampfmaschinen. Diese Kinder sindalso keine Verbrecher; sie sind Opfer. In dem vorliegenden Antrag haben wir deutlich ge-macht, dass mit der Stärkung der internationalen Straf-gerichtsbarkeit auch die Rechte dieser Kinder gestärktwerden. Es ist unumgänglich, dass der Missbrauch vonKindern als Soldaten, ihre sexuelle Ausbeutung und ihreBenutzung als Arbeitssklaven als Verbrechen gegen dieMenschenrechte bestraft werden. Nach den Statuten desneuen Internationalen Strafgerichtshofes werden dieEinberufung, das Anwerben und der Einsatz von Kin-dern erstmalig als Kriegsverbrechen eingestuft. Aber,meine Damen und Herren, das reicht nicht aus. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für eineVerschärfung des internationalen Rechts und für eineweit gehende Durchsetzbarkeit dieses Rechts durch dieinternationalen Gerichtshöfe einzusetzen, damit die fürden Einsatz von Kindersoldaten Verantwortlichen auchzur Rechenschaft gezogen werden können. Zahlreiche Konferenzen haben sich in den letztenJahren mit dem Thema Kindersoldaten befasst. In denMittelpunkt des öffentlichen Interesses rückt dabei zu-nehmend die Frage des Rekrutierungsalters, als obdies der gordische Knoten sei, der zu zerschlagen ist, umdas Problem der Kindersoldaten zu lösen. Meine Damen und Herren, es gibt einen ganz erhebli-chen Unterschied zwischen einem 17-jährigen auszubil-denden Flugzeugmechaniker in der Bundeswehr, demdie Eltern ihre Einwilligung geben müssen, und einem 8- oder 10-jährigen Soldaten in Sierra Leone, der ge-zwungen wird zu morden. Beides zu vermischen hilftden Kindern in den bewaffneten Konflikten der DrittenWelt nicht, obwohl die Festlegung des Alters für dieZwangsrekrutierung und die Teilnahme an bewaffnetenKonflikten auf 18 Jahre im kürzlich beschlossenen frei-willigen Zusatzprotokoll zu der UN-Kinderrechtskon-vention ein wichtiger und entscheidender Schritt war. Vor wenigen Wochen ist die afrikanische Kinder-charta in Kraft getreten, die die Altersgrenze für dieRekrutierung auf 18 Jahre festlegt. Ihr sind unter ande-rem auch Uganda und Angola beigetreten. Ich begrüßediese Charta. Nur, es darf natürlich nicht bei Lippenbe-kenntnissen bleiben. Vielmehr müssen Taten folgen.Standards alleine reichen nicht aus.
Meine Damen und Herren, nachhaltige Entwick-lungspolitik muss auch vorbeugende Entwicklungspoli-tik sein. Denn wenn Kinder, statt schreiben und lesen zulernen, zum systematischen Töten erzogen werden, istdies unverantwortlich. Bildung ist eine der wichtigstenVoraussetzungen für die Lebensgestaltung. GebildeteKinder sind starke Kinder, und starke Kinder sind nichtmanipulierbar. Deshalb muss Bildung als Prävention inder Entwicklungspolitik einen höheren Stellenwert er-halten. Wir brauchen Arbeit und gute Ausbildung, soErika Reinhardt
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sagte ein Junge, der als Kindersoldat gearbeitet hat undder sich zurzeit in der Reintegration befindet. Die Nachhaltigkeit unserer Entwicklungspolitikschlägt sich aber nicht nur in der Prävention nieder. Wirmüssen uns fragen: Was wird aus den Kindern nach derAuflösung von Rebellenverbänden, nach dem Ende ei-nes Krieges? Wer hilft ihnen nach Schmerz und Trauma,sich wieder in der Gesellschaft zurechtzufinden? Habenwir nicht eine Verpflichtung diesen Kindern und Ju-gendlichen gegenüber, die Opfer von Krieg und Verbre-chen wurden? Sie brauchen ein verbrieftes Recht aufHilfe bei ihrer seelischen, moralischen und materiellenGesundung, sowie bei ihrer gesellschaftlichen Reinte-gration.Wiedereingliederungsprojekte müssen auf spezifischeSituationen von Kindersoldaten zugeschnitten sein. DieTherapie von kriegstraumatisierten Kindern muss diekulturellen Werte und Traditionen eines Landes berück-sichtigen. Es ist wichtig, dass bei diesen Projekten dieMenschen vor Ort eingebunden werden. Nur so werdenbeide Seiten diese Gräueltaten überwinden. Wir brauchen aber auch ein stärkeres öffentlichesBewusstsein. Wir müssen die öffentliche Meinung welt-weit mobilisieren. Das Ziel muss eine Kampagne zurÄchtung des Missbrauchs von Kindern sein. Ichdanke sehr herzlich dem Jugendrotkreuz. Auf der Tribü-ne sitzen einige Leute vom Jugendrotkreuz, die diesbe-züglich eine Kampagne gestartet haben. HerzlichenDank. Machen Sie weiter so!
Wir fordern die Bundesregierung auf, im Bereich derKampagne aktiv zu werden. Der vorliegende Antrag derCDU/CSU – ich hoffe es im Interesse der Kinder – ist sicher konsensfähig. Er bündelt ganz präzise dieMaßnahmen, die den Kindersoldaten kurz-, mittel- undlangfristig tatsächliche Hilfen sein werden.Unser Antrag orientiert sich sowohl am Antrag derSPD aus der Mitte des letzten Jahres als auch an unse-rem Antrag vom März 1999. Darüber hinaus sind wich-tige neue Aspekte aufgenommen worden.Meine Damen und Herren, in den bewaffneten Kon-flikten der letzten Jahrzehnte starben weltweit 2 Millio-nen Kinder. Es ist skrupellos und unverantwortlich, wieKinder von Erwachsenen missbraucht werden. Dieschlimmste Form des Missbrauchs ist, sie als Soldateneinzusetzen.Lassen Sie uns gemeinsam einen Schritt tun, um vieleKindertränen zu trocknen, um Kindern ein Zukunft zugeben. Lassen Sie uns gemeinsam gegen den Miss-brauch von Kindern als Soldaten handeln. Die Verant-wortung für die Kinder liegt bei uns allen. Mit einerbreiten Zustimmung zeigt der Deutsche Bundestag, dasser sich dieser Verantwortung vor den Kindern dieserWelt bewusst ist.Ich danke schön.
Ich gebeIhnen jetzt das von den Schriftführern und Schriftführe-rinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-mung über den Entwurf eines Gesetzes zur Förderungder Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sowiezur Änderung des Mineralölsteuergesetzes auf Drucksa-chen 14/2776 und 14/2341 bekannt. Abgegebene Stim-men 550. Mit Ja haben gestimmt 328. Mit Nein habengestimmt 217. Enthaltungen 5. Die Beschlussempfeh-lung ist damit angenommen. Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 550;davon ja: 328 nein: 217 enthalten: 5JaSPDBrigitte AdlerIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHermann BachmaierErnst BahrDoris BarnettDr. Hans Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Ingrid Becker-InglauWolfgang BehrendtDr. Axel BergHans-Werner BertlFriedhelm Julius BeucherPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigKlaus BrandnerAnni Brandt-ElsweierWilli BraseRainer Brinkmann
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannUrsula BurchardtDr. Michael BürschHans Büttner
Wolf-Michael CatenhusenDr. Peter DanckertDr. Herta Däubler-GmelinChristel DeichmannKarl DillerPeter DreßenDetlef DzembritzkiDieter DzewasDr. Peter EckardtSebastian EdathyLudwig EichMarga ElserPeter EndersGernot ErlerPetra ErnstbergerAnnette FaßeLothar Fischer
Gabriele FograscherIris FollakNorbert FormanskiRainer FornahlHans ForsterDagmar FreitagPeter Friedrich
Harald FrieseArne FuhrmannMonika GanseforthKonrad GilgesIris GleickeGünter GloserUwe GöllnerRenate GradistanacGünter Graf
Angelika Graf
Dieter GrasedieckMonika GriefahnAchim GroßmannWolfgang GrotthausKarl-Hermann Haack
Hans-Joachim HackerKlaus HagemannManfred HampelChristel HanewinckelAlfred HartenbachKlaus HasenfratzNina HauerHubertus HeilReinhold HemkerFrank HempelRolf HempelmannDr. Barbara HendricksGustav HerzogMonika HeubaumReinhold Hiller
Stephan HilsbergGerd HöferJelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Ingrid HolzhüterEike Maria HovermannChristel HummeBarbara ImhofBrunhilde IrberGabriele IwersenErika Reinhardt
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8460 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
Renate JägerJann-Peter JanssenIlse JanzDr. Uwe JensVolker Jung
Johannes KahrsUlrich KasparickSabine KaspereitSusanne KastnerHans-Peter KemperKlaus KirschnerMarianne KlappertSiegrun KlemmerWalter KolbowKarin KortmannAnette KrammeNicolette KresslVolker KröningAngelika Krüger-LeißnerHorst KubatschkaErnst KüchlerHelga Kühn-MengelUte KumpfKonrad KunickDr. Uwe KüsterWerner LabschChristine LambrechtBrigitte LangeChristian Lange
Detlev von LarcherKlaus LennartzDr. Elke LeonhardEckhart LeweringGötz-Peter Lohmann
Christa LörcherErika LotzDr. Christine LucygaDieter Maaß
Winfried ManteDirk ManzewskiTobias MarholdLothar MarkUlrike MascherChristoph MatschieHeide MattischeckMarkus MeckelUlrike MehlUlrike MertenAngelika MertensUrsula MoggSiegmar MosdorfMichael Müller
Jutta Müller
Christian Müller
Franz MünteferingAndrea NahlesVolker Neumann
Dr. Edith NiehuisDr. Rolf NieseDietmar NietanGünter OesinghausLeyla OnurManfred OpelHolger OrtelAdolf OstertagAlbrecht PapenrothDr. Willfried PennerDr. Martin PfaffGeorg PfannensteinJoachim PoßKarin Rehbock-ZureichDr. Carola ReimannMargot von RenesseBernd ReuterDr. Edelbert RichterReinhold RobbeGudrun RoosRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannMichael Roth
Birgit Roth
Gerhard RübenkönigMarlene RupprechtThomas SauerDr. Hansjörg SchäferGudrun Schaich-WalchBernd ScheelenDr. Hermann ScheerSiegfried SchefflerHorst SchildHorst Schmidbauer
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Carsten SchneiderDr. Emil SchnellWalter SchölerOlaf ScholzFritz SchösserGerhard SchröderGisela SchröterDr. Mathias SchubertRichard Schuhmann
Reinhard Schultz
Volkmar Schultz
Ewald SchurerDr. R. Werner SchusterDietmar Schütz
Dr. Angelica Schwall-DürenRolf SchwanitzBodo SeidenthalErika SimmDr. Sigrid Skarpelis-SperkWieland SorgeWolfgang SpanierDr. Margrit SpielmannJörg-Otto SpillerDr. Ditmar StaffeltLudwig StieglerRolf StöckelRita Streb-HesseReinhold StroblDr. Peter StruckJoachim StünkerJoachim TappeJörg TaussJella TeuchnerDr. Gerald ThalheimWolfgang ThierseUta Titze-StecherAdelheid TröscherHans-Eberhard UrbaniakRüdiger VeitSimone ViolkaUte Vogt
Hans Georg WagnerHedi WegenerDr. Konstanze WegnerWolfgang WeiermannReinhard Weis
Matthias WeisheitGunter WeißgerberGert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich vonWeizsäckerJochen WeltDr. Rainer WendHildegard WesterLydia WestrichInge Wettig-DanielmeierDr. Margrit WetzelDr. Norbert WieczorekJürgen Wieczorek
Helmut Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-ZeulDieter WiefelspützHeino Wiese
Klaus WiesehügelBrigitte Wimmer
Engelbert WistubaBarbara WittigDr. Wolfgang WodargVerena WohllebenHanna Wolf
Waltraud Wolff
Heidemarie WrightUta ZapfDr. Christoph ZöpelPeter ZumkleyBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENGila Altmann
Marieluise Beck
Volker Beck
Matthias BerningerAnnelie BuntenbachEkin DeligözDr. Thea DückertFranziska Eichstädt-BohligDr. Uschi EidHans-Josef FellAndrea Fischer
Katrin Dagmar Göring-EckardtRita GrießhaberWinfried HermannKristin HeyneUlrike HöfkenMichaele HustedtMonika KnocheDr. Angelika Köster-LoßackSteffi LemkeDr. Helmut LippeltDr. Reinhard LoskeOswald MetzgerKlaus Wolfgang Müller
Kerstin Müller
Winfried NachtweiCem ÖzdemirClaudia Roth
Christine ScheelIrmingard Schewe-GerigkRezzo SchlauchAlbert Schmidt
Werner Schulz
Christian SimmertChristian SterzingHans-Christian StröbeleJürgen TrittinDr. Antje VollmerSylvia VoßHelmut Wilhelm
Margareta Wolf
F.D.P.Hans-Michael GoldmannPDSDr. Dietmar BartschPetra BlässMaritta BöttcherEva Bulling-SchröterHeidemarie EhlertDr. Heinrich FinkDr. Ruth FuchsDr. Klaus GrehnDr. Gregor GysiUwe HikschCarsten HübnerUlla JelpkeGerhard JüttemannDr. Evelyn KenzlerDr. Heidi Knake-WernerRolf KutzmutzHeidi LippmannUrsula LötzerDr. Christa LuftAngela MarquardtKersten NaumannRosel NeuhäuserChristine OstrowskiChristina SchenkGustav-Adolf SchurDr. Ilja SeifertNeinCDU/CSUIlse AignerDietrich AustermannNorbert BarthleDr. Wolf BauerGünter BaumannBrigitte BaumeisterDr. Sabine Bergmann-PohlHans-Dirk BierlingRenate BlankDr. Heribert BlensDr. Norbert BlümFriedrich BohlDr. Maria BöhmerJochen BorchertWolfgang Börnsen
Wolfgang BosbachDr. Wolfgang BötschKlaus Brähmig
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8461
Dr. Ralf BrauksiepePaul BreuerMonika BrudlewskyGeorg BrunnhuberHartmut Büttner
Dankward BuwittCajus CaesarPeter H. Carstensen
Leo DautzenbergWolfgang DehnelHubert DeittertRenate DiemersThomas DörflingerHansjürgen DossMarie-Luise DöttMaria EichhornRainer EppelmannAnke Eymer
Ilse FalkDr. Hans Georg FaustAlbrecht FeibelUlf FinkIngrid Fischbach
Dr. Gerhard Friedrich
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeHans-Joachim FuchtelDr. Jürgen GehbNorbert GeisDr. Heiner GeißlerGeorg GirischDr. Reinhard GöhnerPeter GötzDr. Wolfgang GötzerKurt-Dieter GrillManfred GrundHorst Günther
Carl-Detlev Freiherr vonHammersteinGerda HasselfeldtKlaus-Jürgen HedrichHelmut HeiderichUrsula HeinenManfred HeiseSiegfried HeliasHans Jochen HenkePeter HintzeKlaus HofbauerMartin HohmannKlaus HoletschekJoachim HörsterHubert HüppeSusanne JaffkeGeorg JanovskyDr.-Ing. Rainer JorkDr. Harald KahlBartholomäus KalbSteffen KampeterDr.-Ing. Dietmar KansyIrmgard KarwatzkiVolker KauderEckart von KlaedenUlrich KlinkertManfred KolbeNorbert KönigshofenEva-Maria KorsHartmut KoschykRudolf KrausDr. Martina KrogmannDr.-Ing. Paul KrügerDr. Hermann KuesDr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert LammertDr. Paul LaufsKarl-Josef LaumannWerner LensingPeter LetzgusUrsula LietzWalter Link
Eduard LintnerWolfgang Lohmann
Dr. Michael LutherErwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
Wolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterDr. Angela MerkelFriedrich MerzHans MichelbachDr. Gerd MüllerBernward Müller
Elmar Müller
Claudia NolteGünter NookeFranz ObermeierEduard OswaldNorbert Otto
Dr. Peter PaziorekAnton PfeiferDr. Friedbert PflügerBeatrix PhilippRonald PofallaRuprecht PolenzMarlies PretzlaffDr. Bernd ProtznerThomas RachelHans RaidelHelmut RauberPeter RauenChrista Reichard
Katherina ReicheErika ReinhardtKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberFranz RomerHannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm RonsöhrDr. Klaus RoseKurt J. RossmanithAdolf Roth
Norbert RöttgenDr. Christian RuckDr. Wolfgang SchäubleHartmut SchauerteKarl-Heinz ScherhagGerhard ScheuNorbert SchindlerDietmar SchleeChristian Schmidt
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt
Birgit Schnieber-JastramDr. Rupert ScholzDr. Erika SchuchardtDiethard Schütze
Clemens SchwalbeWilhelm-Josef SebastianHorst SeehoferHeinz SeiffertRudolf SeitersBernd SiebertWerner SiemannJohannes SinghammerBärbel SothmannMargarete SpäteDr. Wolfgang Freiherr vonStettenAndreas StormDorothea Störr-RitterMax StraubingerMatthäus StreblThomas StroblMichael StübgenEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlArnold VaatzAndrea VoßhoffGerald Weiß
Annette Widmann-MauzHeinz Wiese
Hans-Otto Wilhelm
Klaus-Peter WillschWerner WittlichDagmar WöhrlAribert WolfElke WülfingWolfgang ZeitlmannBenno ZiererWolfgang ZöllerF.D.P.Hildebrecht Braun
Ernst BurgbacherJörg van EssenUlrike FlachPaul K. FriedhoffDr. Wolfgang GerhardtJoachim Günther
Dr. Karlheinz GuttmacherKlaus HauptDr. Helmut HaussmannWalter HircheDr. Werner HoyerDr. Klaus KinkelDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppIna LenkeSabine Leutheusser-SchnarrenbergerDirk NiebelGünther Friedrich NoltingDetlef ParrCornelia PieperDr. Günter RexrodtDr. Edzard Schmidt-JortzigGerhard SchüßlerDr. Irmgard SchwaetzerMarita SehnDr. Hermann Otto SolmsDr. Max StadlerJürgen TürkDr. Guido WesterwelleEnthaltenCDU/CSUAlbert DeßErnst HinskenErich Maaß
Meinolf MichelsDr. Peter RamsauerEntschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungendes Europarates und der WEU, der Parlamentarischen Versammlung der NATO, der OSZE oder der IPUBühler Klaus,CDU/CSUDr. Hornhues, Karl-Heinz,CDU/CSUIrmer, UlrichF.D.P.Neumann , GerhardSPDNickels, ChristaBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENSchloten, DieterSPD______________________________ Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1998 8462Als nächste Rednerin in unserer Aussprache hat dieKollegin Karin Kortmann von der SPD-Fraktion dasWort.
Sehr geehrter Herr Präsi-dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte aucheine besondere Besuchergruppe begrüßen, nämlich dieMitglieder des Bundesverbandes der Deutschen Kol-pingjugend, eines katholischen Jugendverbandes desBDKJ, die ebenso ein Interesse daran haben, dieser De-batte heute beizuwohnen. Es zeigt vor allem auch, dassviele Nichtregierungsorganisationen diese Debatte fürwichtig und für richtig halten. Ich glaube, wir tun in die-sem Parlament gut daran, uns weiterhin für den umfas-senden Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikteneinzusetzen. Denn er gehört zu den zentralen Herausfor-derungen unserer Politik.
Ich glaube allerdings, Frau Reinhardt, wir kommennicht sehr weit, wenn wir das machen, was Sie uns heuteim Parlament zumuten. Ich habe lange überlegt, ob ichmeine Rede vom 24. Juni 1999 noch einmal halten soll-te. Denn Sie legen einen Antrag vor, der fast identischmit dem Antrag ist, den Sie im Januar letzten Jahresvorgelegt haben. Sie gehen überhaupt nicht auf die Be-schlussfassung ein, die wir dazu am 24. Juni 1999 nochim Bonner Parlament getroffen haben.Sie stellen in Ihrem Antrag Forderungen auf, die zumTeil widersprüchlichen Charakter haben. Sie gehen überhaupt nicht auf das ein, was in diesem Jahr bereitserreicht worden ist, und Sie haben, wie ich glaube, denGesamtkomplex der Bedingungsfaktoren, der in denBlick zu nehmen ist, wenn wir über die Frage reden, waswir zur Erleichterung und Verbesserung der Lebenssitu-ation von Kindern in bewaffneten Konflikten tun kön-nen, nicht im Auge. Deswegen kann ich nur sagen: IhrAntrag ist unzureichend und deshalb abzulehnen.
– Diesen Vorwurf weise ich strikt zurück.Ich gehe jetzt im Einzelnen auf die Kritikpunkte ein,weil ich glaube, dass die Debatte um der Sache willennotwendig ist.Sie sprechen mit Recht davon, dass wir schätzungs-weise 300 000 Kinder, die als rekrutierte Kindersoldatenin kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt sind,nicht aus dem Blick verlieren dürfen. Sie machen aberkeine Aussage und stellen keine Forderung auf zu derbesonderen Situation von Mädchen und jungen Frau-en. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass gerade fürjunge Frauen und junge Mädchen eine besondere Be-nachteiligung gegeben ist: einerseits weil sie als Kinder-soldaten rekrutiert werden, andererseits aber auch, weilsie aufgrund ihres Geschlechts besonders benachteiligtsind und sexuell missbraucht werden. Ich denke, FrauReinhardt, das ist eine wesentliche Ergänzung zu IhremAntrag.Zweiter Punkt: Sie treffen keine Aussage zur Verab-schiedung der 18-Jahre-Grenze. Die SPD fordert ganzklar: „straight eighteen“. Das haben wir auch bei derFriedrich-Ebert-Stiftung bei einem Seminar im Augustletzten Jahres gemeinsam mit der Bundesentwicklungs-ministerin Heidi Wieczorek-Zeul und mit UNICEF sehrausdrücklich gefordert.Sie müssen sehen, was in dieser Zeit gelaufen ist. Imvergangenen Herbst gab es in Berlin eine europäischeKonferenz, auf der darüber gesprochen wurde, wie derEinsatz von Kindersoldaten zu verhindern wäre. DieseKonferenz hat auf Einladung der Bundesregierung statt-gefunden. Auch dort ist diese Forderung bekräftigt wor-den. Walter Kolbow hat seitens des Verteidigungs-ministeriums dazu gesprochen. Ich werde nachher auchunseren Außenminister in dieser Sache zitieren.Sie treffen – drittens – keine Aussage zur Problematikder Kleinwaffen. Frau Reinhardt, nehmen Sie bitte zurKenntnis, dass es nach Aussagen von UNICEF auf derWelt ungefähr 500 Millionen dieser Mordinstrumentegibt. Diese Kleinwaffen sind so gebaut, dass sie leicht inKinderhände passen und jederzeit einsetzbar sind. Esspielt dabei im Grunde überhaupt keine Rolle, ob es sichum die russische AK 47 oder das deutsche Gewehr vonHeckler & Koch, G 3, handelt. Wir müssen die Bedin-gungsfaktoren analysieren, die dafür sorgen, dass Kinderin diesen kriegerischen Auseinandersetzungen als Hel-fershelfer und als Soldaten eingesetzt werden. Deswegenfordert die SPD ganz klar, entschiedene Maßnahmen zurEindämmung der weltweiten Flut von Kleinwaffen zutreffen. Vor allem die unkontrollierte Verbreitung vonautomatischen Pistolen, leichten Maschinengewehren,Schnellfeuergewehren und Mörsern trägt nämlich ent-scheidend zur Gewalt in kriegerischen Konflikten bei.90 Prozent aller Kriegsopfer sterben durch Kleinwaffen– das wissen wir – und allein in den letzten zehn Jahrensind 3 Millionen Menschen, vorwiegend Frauen undKinder, Opfer dieser Waffen geworden – eine weiterewichtige Ergänzung, die ich in Ihrem Antrag nicht fin-den kann.
Vierter Punkt. Ich frage mich, warum sich die Bun-desregierung die Mühe macht, sowohl im Ausschuss fürMenschenrechte als auch im Ausschuss für Entwick-lungspolitik die neuen Kriterien für Rüstungsexportevorzulegen und die Abgeordneten um Stellungnahmenzu bitten. Kein Wort von Ihnen zu diesen neuen Richtli-nien, die den Menschenrechtsaspekt aufnehmen! Ich fra-ge mich: Warum sitzen wir in Ausschüssen?
Sie sagen mit Recht – dieser Punkt ist zu unterstüt-zen –, wir müssen die Lebensbedingungen der KinderVizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8463
in den Entwicklungsländern im Blick haben und dafürsorgen, dass sie Bildung, Ausbildung, eine bessere Ge-sundheitsvorsorge und dergleichen erhalten. Denn wirwissen, dass es auch materielle Ursachen dafür gibt,dass Kinder als Soldaten tätig sind oder rekrutiert wer-den. Aber haben Sie heute auch nur mit einem Wort er-wähnt, welche Möglichkeiten die Entschuldungskam-pagne, die die Bundesregierung beschlossen hat, eröff-net, um genau diesem Problem entgegenzutreten? Auchdazu kein Wort – mangelhaft!
Keine Aussage treffen Sie auch zum bisherigen Standder Verhandlungen zur Umsetzung der Kinderrechts-konvention. – Darauf wird nachher mein Kollege RolfStöckel noch einmal eigens eingehen. – Ich habe die eu-ropäische Konferenz erwähnt, die hier in Berlin stattge-funden hat. Zur Nachhilfe für Sie möchte ich wiederho-len, was unser Außenminister da gesagt hat – es lohntsich, das noch einmal zu hören –: Die Staatengemein-schaft sollte den Standard – also eine Altersgrenze von18 Jahren – anstreben, der sich aus dem Kontext derKinderrechtskonvention logisch ergibt. Das sei dasHauptziel der Arbeiten für ein Zusatzprotokoll zur Kin-derrechtskonvention. Er hoffe sehr, dass diese Konfe-renz hierzu einen Anstoß geben werde. – Das hat sie ge-tan. – Er sagt weiter: Was die schwierige, umstritteneFrage der Freiwilligenrekrutierung angehe, so solle ausseiner persönlichen Sicht auch hier eine einheitliche Al-tersgrenze von 18 Jahren angestrebt werden, und zwarerstens deswegen, weil die Trennlinie zwischen Freiwil-ligkeit und Zwang häufig kaum zu ziehen sei, und zwei-tens mit dem Ziel, dass dieser Standard auch wirklichhandhabbar und durchsetzbar werde.Wir wissen natürlich sehr genau: Es gibt in Europaund in anderen Teilen der Welt keinen doppelten Men-schenrechtsstandard. Deswegen hat die Bundesregie-rung anerkannt, Sorge dafür tragen zu müssen, wie wirin Zukunft angesichts unserer Forderungen auf europäi-scher Ebene mit der Tatsache umgehen, dass wir in derBundeswehr unter 18-Jährige haben, die jedoch ihrenDienst freiwillig absolvieren. Sie sehen, es gibt vielePunkte, die Sie nachbessern müssen. Ich möchte auf eine erste Widersprüchlichkeit einge-hen, die sich sowohl aus Ihrem Redebeitrag, Frau Reinhardt, als auch aus Ihrem Forderungskatalog ergibt.Unter Punkt 3 Ihres Antrages – ich empfehle allen, sicheinmal die entsprechenden Anträge zu holen und sie zuvergleichen – fordern Sie, dass der Einsatz von Kinder-soldaten in den jeweiligen Ländern mit der Einstellungoder Kürzung der Entwicklungszusammenarbeit zusanktionieren ist. Sie sagen also mit anderen Worten: AnLänder, in denen Kindersoldaten eingesetzt werden –auch wenn sie auf freiwilliger Basis rekrutiert wordensind –, soll keine Entwicklungshilfe geleistet werden.Gleichzeitig kommen Sie eine Seite weiter unter Punkt 7zu der Folgerung, dass man Maßnahmen zu deren Re-integration in die Gesellschaft, also zur Reintegrationder Kinder als Soldaten, braucht. In Punkt 9 fordern Sie,dass man in der Entwicklungszusammenarbeit verstärktdarauf achten sollte, Maßnahmen zur Demobilisierungund Resozialisierung von Kindersoldaten zu fördern. Frau Reinhardt, wenn Sie sich aus diesen Ländern zu-rückziehen und keine Entwicklungshilfegelder mehr be-reitstellen, dann überlassen Sie die Kinder ihremSchicksal. Sie nehmen zwar berechtigte Forderungenauf, sagen aber gleichzeitig: Zieht euch da zurück. Wennwir nicht mehr in der Lage sind, diesen Menschenrechts-standard in den Regierungsverhandlungen, in den ein-zelnen Absprachen und in der Zusammenarbeit mit denNGOs permanent zu benennen und vor Ort dafür zu sor-gen, dass es eine Veränderung gibt, dann weiß ich nicht,wie Sie mit diesen Widersprüchlichkeiten, die Sie hierbenennen, umgehen wollen. Es gibt einen zweiten Widerspruch: Wir haben letztesJahr im Juni noch davon gesprochen, für wie wertvollwir an dieser Stelle den Einsatz von UNICEF halten undwie wichtig es ist, dass wir UN-Organisationen undNGOs haben, die in diesem Bereich tätig sind. Ich ver-stehe aber nicht, wie Sie aufgrund einer Konfliktsituati-on, die im Sudan zwischen Cap Anamur und UNICEFbestanden hat, an die Bundesregierung generell die For-derung stellen können, alle internationalen finanziellenMittel an UNICEF zu streichen. Denn es ist doch ein Pa-radox, ihnen dort das Geld zu entziehen und gleichzeitigzu fordern, wir sollten mehr UN-Organisationen undNGOs unterstützen.
Ein dritter Widerspruch besteht. Sie erinnern sich:Als wir im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenar-beit und Entwicklung und im Ausschuss für Menschen-rechte über Kolumbien, über die EZ im Hinblick aufKolumbien gesprochen haben, habe ich in beiden Aus-schusssitzungen darum gebeten, dass dort mit finanziel-ler Unterstützung seitens der Bundesregierung Melde-stellen eingerichtet werden, damit Kindern und Jugend-lichen Geburtsurkunden und Identitätsausweise zur Ver-fügung gestellt werden, damit sie Zugangsmöglichkeitenzu den jeweils bestehenden Bildungs- und Gesundheits-systemen haben und es ihnen möglich ist, sich dahin ge-hend auszuweisen, dass sie unter 18 Jahre alt und nichtals Soldaten zu rekrutieren sind. Wo war da bitte IhreBefürwortung? Das, was Sie vorgeschlagen haben, warnicht genug.
Als
nächster Redner hat der Kollege Hildebrecht Braun von
der F.D.P.-Fraktion das Wort.
Herr Prä-sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wirsprechen heute über ein Thema von größter Dimension;schließlich geht es um die elementaren Menschenrechtevon Millionen von Kindern in der Welt.Karin Kortmann
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Ich wehre mich gegen das Argument, wir sollten unsnicht in die inneren Angelegenheiten von Staateneinmischen, die Kinder in den Krieg schicken.
Was diese den kindlichen Seelen antun, ist nicht ent-schuldbar. Wenn Kinder gezwungen werden zu töten –was sie nicht verstehen, was sie nicht verarbeiten kön-nen, was sie selbst als grauenvoll empfinden und was sieabstumpfen lässt –, dann kann es kein Wegsehen der in-ternationalen Gemeinschaft geben.
Ich erwarte, dass Geld deutscher Steuerzahler solchenStaaten, die Kindersoldaten einsetzen oder dulden, nichtmehr gegeben wird. Deutschland kann nicht Partner vonKinderschändern sein.
Lassen Sie mich aber nun einige kritische Anmer-kungen machen, die die Verantwortlichen in unserenFraktionen nachdenklich machen sollen.Nahezu jede Fraktion des Bundestages hat in denletzten zwei Jahren eine Anfrage oder einen eigenen An-trag zum Thema Kindersoldaten gestellt. Auch bei auf-merksamer Durchsicht all der Gedanken, die darin zu-sammengetragen wurden, kann ich grundsätzliche Ab-weichungen bei der Beschreibung des Sachverhalts oderbei der Bewertung der Dinge nicht erkennen. Natürlichhaben die Autoren des letzten Antrags von denen desvorletzten Antrags und die des vorletzten Antrags vondenen des ersten Antrags abgeschrieben. Ich frage mich:Was wollen wir eigentlich mit dieser Debatte? Was wol-len wir mit den vier Anträgen, von denen heute nur einerzur Abstimmung steht? Geht es uns nicht allen darum,ein deutliches Zeichen gegenüber der Öffentlichkeit,gegenüber den Regierungen der betroffenen Länder,aber auch gegenüber der Bundesregierung zu setzen, dasunsere Empörung und unseren Abscheu über den Miss-brauch von Kindern als Soldaten ausdrückt
und zugleich unsere Minister auffordern soll, alle Mög-lichkeiten zu nutzen, um auf eine Verbesserung der Si-tuation von Kindersoldaten in der Welt hinzuwirken?Wenn dies aber so ist, dann sollten wir uns doch fra-gen, wie wir am klarsten, am glaubwürdigsten und amwirkungsvollsten unser Anliegen in die Öffentlichkeitund zu den handelnden Personen der Bundesregierungtransportieren können. Ich glaube, es ist richtig, dass dieinteressierte Öffentlichkeit das einmütige Ergebnis einerDiskussion des Deutschen Bundestages als sehr vielglaubwürdiger wahrnehmen würde, als wenn vier An-träge vorliegen und mehrere davon nicht angenommenwerden, obwohl sie im Grunde identisch sind.
Kurz: Ich will anregen, dass wir im Interesse unsererDemokratie und im Interesse des heutigen Themas aufdie Spielchen verzichten sollten, die zu diesen vielenabgeschriebenen Anträgen führen. Ich will dafür plädie-ren, dass sich die Initiatoren eines Antrags wie des heutebehandelten mit Gleichgesinnten aus den anderen Frak-tionen zusammensetzen und einen gemeinsamen An-trag des Deutschen Bundestags erarbeiten, der dannauch einmütig beschlossen werden kann.
Herr
Kollege Braun, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Dr. Schuster?
Ich wür-de – ehrlich gesagt – diese Sache gern zu Ende führen;ich habe ohnehin nur wenig Zeit. Sie verzeihen! Die in vielen Köpfen verbreitete Vorstellung, dass eseinfach nicht angehe, dass Angehörige der Regierungs-fraktionen einem Antrag der Oppositionsfraktionenzustimmen,
oder die Vorstellung von Oppositionsfraktionen, dass sieunter keinen Umständen richtigen Vorgaben der Regie-rungsfraktionen zustimmen könnten, ist einfach nichtgut. Sie ist der Sache nicht dienlich. Sie ist in diesemFalle sogar schädlich.
Dem heute debattierten Antrag ging derjenige derCDU/CSU vom 26. Januar 1999 zum selben Thema vo-raus. Er wurde am 24. Juni 1999 mit Mehrheit abge-lehnt. Heute wurde signalisiert, dass den jetzt behandel-ten Antrag dasselbe Schicksal ereilen wird. Gewiss wurde der Antrag damals aber nicht abge-lehnt, weil darin auch nur ein Punkt enthalten gewesenwäre, der für Sozialdemokraten oder Grüne nicht akzep-tabel gewesen wäre; der Antrag kam nur von der fal-schen Partei.
Das ist heute wieder der Fall. Aber wollen Sie von Rot-Grün der Öffentlichkeit wirklich suggerieren, dass derAntrag der CDU/CSU nicht in Ordnung sei, obwohl ererkennbar nahezu wortgleich mit dem Antrag ist, denSie selbst am 21. April gestellt haben?
Glauben Sie, dass auch nur ein einziger Bürger außer-halb dieses Hauses verstünde, warum ein richtiger An-trag mit hervorragender Begründung deswegen falschsein muss, weil er von der CDU/CSU kommt?
Ist denn unsere parlamentarische Demokratie in ihrenRitualen schon so weit erstarrt, dass die Aufforderung,alles zu tun, damit Kindersoldaten nicht mehr eingesetztwerden, abgelehnt werden muss – eben nur deshalb,weil nichts mehrheitsfähig sein darf, was von der Oppo-sition kommt? Wo steht denn überhaupt geschrieben,dass immer nur die Gedanken der Regierungskoalitionmehrheitsfähig sein sollen?Hildebrecht Braun
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8465
Herr
Kollege Braun, erlauben Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Kortmann? Sie wissen, dass die Zeit für Frage
und Antwort nicht angerechnet wird.
Bitte sehr.
Waren Sie eben bei mei-
nem Redebeitrag im Raum und nehmen Sie die Kritik-
punkte, die ich vorgetragen habe – die Mängel in Ihrem
Antrag und in der Beschlusslage des Deutschen Bundes-
tages vom 24. Juni –, auf? Wenn ja, hätte ich gerne eine
Antwort auf die Frage, warum Sie Ihren Antrag immer
noch für besser halten.
Im Übrigen ist die Beschlusslage des Parlamentes ja
auch dadurch zustande gekommen, dass sich die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion in den betreffenden Aus-
schüssen, in denen die Vorlage von Bündnis 90/Die
Grünen und SPD beraten wurde, enthalten hat. Das
heißt, sie hat ihrem eigenen Antrag zugestimmt, sich
aber bei unserem enthalten, obwohl sie die Forderungen
für richtig befunden hat. Gehen Sie bitte noch einmal
auf die Mängelliste ein!
Ich war
anwesend, ich habe Ihre Rede gehört, gebe aber zu: Ich
war nicht sehr glücklich über das, was Sie zu einem
Thema gesagt haben, das uns alle gemeinsam umtreibt.
Es ist doch falsch zu glauben, dass nur Sie und die Leu-
te, die Ihnen noch näher stehen als wir, das Engagement
aufbringen, um das es hier geht: zugunsten der Kinder in
der Welt, die geschunden werden, die in miserabler
Umgebung einer Situation ausgesetzt sind, der sie nicht
gewachsen sind. Dieses Engagement teilen wir alle und
das sollten Sie bitte auch respektieren.
Wenn ich Ihnen diesen kleinen Tipp geben darf: Sie
sollten nicht deswegen einen Antrag – von wem auch
immer; er ist ja gar nicht von der F.D.P., sondern kam
von der CDU/CSU – ablehnen, weil Minima – um hier
nicht von „Peanuts“ zu sprechen – nicht ganz Ihren Vor-
stellungen entsprechen. Es geht doch um die Botschaft,
die herüberkommen soll: dass der Deutsche Bundestag
gemeinsam sein Engagement zugunsten der Kinder-
soldaten in der ganzen Welt zeigt.
Das wird kaputtgemacht, wenn wir uns – wie Sie – an
dem vermeintlichen Widerspruch aufhängen, dass einer-
seits Entwicklungshilfe nicht an Staaten gezahlt werden
soll, die Kindersoldaten einsetzen, andererseits aber ge-
fordert wird, dass mit Kindersoldaten Programme
durchgeführt werden, die sie in die Gesellschaft zurück-
führen sollen. Ist das wirklich ein Widerspruch, der Ih-
nen Anlass dazu geben sollte, einen solchen Antrag ab-
zulehnen? Denken Sie bitte einmal darüber nach! Es ist
Ihre Freiheit als Abgeordnete, diese Meinung zu vertre-
ten, aber ich bin betrübt über die Art, wie Sie mit dem
Thema umgehen.
Meine Klage richtet sich auch keineswegs nur gegen
Rot-Grün. Natürlich haben auch wir, als wir die Regie-
rung gestellt haben, regelmäßig Anträge der Opposition
abgelehnt, selbst wenn wir dachten: Eigentlich ist der
Antrag gut.
Ich will hier die grundsätzliche Kritik an einer
parlamentarischen Praxis deutlich machen, die weit über
das Thema hier hinausgeht. Es geht um die Frage: Wie
gehen wir miteinander um? Wie reagieren wir darauf,
dass die Öffentlichkeit, wenn sie unsere Aktivitäten hier
verfolgt, überhaupt nicht versteht, dass wir Spielchen
miteinander treiben, anstatt gemeinsam mit dem nötigen
Ernst an die Lösung der Probleme heranzugehen?
Herr
Kollege Braun, kommen Sie bitte zum Schluss.
Darf ich
noch den letzten Satz sagen, Herr Präsident?
Ja, bitte
schön.
Ich bin fest
davon überzeugt, dass sich das Thema Kindersoldaten
nicht zu parteipolitischer Profilierung eignet, und bitte,
entsprechend zu handeln.
Alsnächste Rednerin hat die Kollegin Angelika Köster-Loßack von Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
legen! Kinder sind unsere Zukunft. Ihre Erfahrungenwerden unsere Zukunft mitgestalten. Unsere Zukunftwird düster aussehen, wenn wir sie nicht davor bewah-ren, dass sie als Soldaten in Kriegen traumatisiert oderumgebracht werden, dass sie unter unwürdigen Bedin-gungen arbeiten müssen und damit von elementarerSchulbildung ausgeschlossen werden. Kinder solltenHildebrecht Braun
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spielen und lernen können, nicht Zwangsarbeit leistenoder schießen.
Ohne eine bessere Schulbildung und Gesundheitsver-sorgung ihrer Kinder werden es die Länder des Südensnicht schaffen, ihre Situation in irgendeiner Form wirk-lich zu verbessern. Dazu ist nicht nur unsere Unterstüt-zung beim Aufbau von Basisgesundheitsdiensten undSchulen erforderlich, sondern auch der Schutz von Kin-dern vor gesellschaftlicher und staatlicher Gewalt. Inso-fern begrüße ich den Antrag der Union.
Was mich allerdings verwundert, ist, dass die Unionjetzt wieder einen Antrag vorlegt, der zu 80 Prozent ei-nem Antrag entspricht, der schon im Januar 1999 einge-bracht wurde. Dieser wurde gemeinsam mit einem Koa-litionsantrag in den Ausschüssen und im Plenum behan-delt und abgestimmt. Soweit ich das übersehen kann,war schon unser damaliger Antrag präziser und umfas-sender.
Unser Antrag ist über die unmittelbare Thematik derKindersoldaten hinausgegangen und hat auch die Rah-menbedingungen für Gewalt und Kriege thematisiert. Sohaben wir uns mit der in diesem Zusammenhang sehrzentralen Frage der Waffenexporte auseinander gesetztund gefordert, dass sich Waffenexporte zukünftig amzentralen Kriterium der Menschenrechtssituation imEmpfängerland orientieren sollen.
Frau
Kollegin Köster-Loßack, erlauben Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Reinhardt?
Bitte,
Frau Reinhardt.
Frau Kollegin, stim-men Sie mir zu, dass 1999 im Ausschuss – zwei Anträgevorlagen – leider Gottes gab es keinen gemeinsamenAntrag, was ich heute noch bedauere –, über die abge-stimmt worden ist, die dann beide ins Plenum kamenund im Plenum zu Verwirrung geführt haben, sodass dieAbstimmungen eigentlich nicht mehr gültig waren, undes deshalb notwendig und berechtigt war, erneut einenAntrag vorzulegen, also unseren jetzigen Antrag, in demwir auch neue Positionen eingebracht haben?
nehmen.Die Neuformulierung der Richtlinien für Rüstungs-exporte baut auf dem Kriterium der Menschenrechtssi-tuation auf. Jetzt kommt es für uns natürlich darauf an,sie in der internationalen Praxis umzusetzen. Damitkönnten entscheidende Verbesserungen der Lage derKindersoldaten in aller Welt erreicht werden.Auch wenn man nur die Thematik der Kindersoldatenim engeren Sinne betrachtet, bleibt der Unionsantrag inzentralen Punkten nicht nur hinter unserem Antrag zu-rück. Er bleibt auch hinter dem von rund 70 Regierun-gen Ende Januar in Genf verabschiedeten Zusatzproto-koll zur UN-Kinderrechtskonvention zurück. DieUnion fordert in ihrem Antrag nur, die Schutzaltersgrenzefür die Teilnahme an bewaffneten Konflikten auf18 Jahre hoch zu setzen. Das wurde schon in Genf be-schlossen. Es wurde darüber hinaus auch beschlossen,dass unter 18-Jährige nicht zwangsweise eingezogenwerden dürfen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, der beiIhnen außer Acht gelassen worden ist.Außerdem soll durch das Zusatzprotokoll die Alters-grenze für die Rekrutierung von Freiwilligen auf min-destens 16 Jahre angehoben werden. Hier wurde – leiderauch aufgrund des Einspruchs westlicher Regierungen,vor allem der USA und Großbritanniens – verhindert,dass die von vielen Nichtregierungsorganisationen ge-forderte „straight eighteen“-Grenze auf Freiwillige aus-gedehnt wird. Damit wird es leider auch zukünftig sosein, dass Jugendlichen Bier trinken und Auto fahren un-tersagt ist, sie aber freiwillig die Waffe in die Hand neh-men können.Ich bin nach wie vor der Meinung, dass auch dieAusbildung von unter 18-Jährigen an der Waffe ein-gestellt werden muss. Da sollte sich auch unser Vertei-digungsministerium noch etwas bewegen.
Vielleicht wäre ein Kompromiss dahin gehend denkbar,dass sich die 17-jährigen Schulabgänger – es handeltsich nur um etwa 250 pro Jahr – zwar freiwillig bei derBundeswehr verpflichten können, ihre Waffenausbil-dung aber erst mit 18 Jahren beginnen. Das wäre für dieGlaubwürdigkeit Deutschlands in den internationalenVerhandlungen über diese Punkte sehr wichtig.
Ich will allerdings deutlich sagen, dass die Rekrutie-rung und der Einsatz von weltweit circa 300 000 Kin-dersoldaten in erster Linie in akuten Krisen- und Kon-fliktregionen ein dramatisches Menschenrechtspro-blem darstellen.Vor diesem Hintergrund stellt sich der Entwurf vonGenf als eine begrüßenswerte Verbesserung dar. Aberdie Umsetzung muss natürlich garantiert werden. Dazubrauchen wir sehr viele Abstimmungsprozesse. Zur Förderung des Verhandlungsprozesses hatte dieBundesregierung, wie von den Koalitionsfraktionen Dr. Angelika Köster-Loßack
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8467
gefordert, Mitte Oktober 1999 zu einer internationalenKonferenz nach Berlin eingeladen. Sie hat damit deut-lich gemacht, dass sie sich besonders dem Schicksal derKindersoldaten verpflichtet fühlt. Über unseren Einsatzgegen die Ausbeutung von Kindern als Soldaten hinausmüssen wir unsere Sicherheits-, Außen- und Entwick-lungspolitik insgesamt weiter zivilisieren. Das heißt, wirmüssen die Instrumente der zivilen Krisenpräventionweiter stärken und Waffenexporte in Zukunft sehr vielrestriktiver handhaben. Richtig und wichtig war es, dass die Koalition – mitauf unsere Initiative hin – die Haushaltsmittel für zivileKrisenprävention deutlich erhöht hat. Im Vorfeld krie-gerischer Auseinandersetzung muss die zivile Krisen-prävention als menschenrechtlich gebotenes Mittel ge-stärkt werden. Sie ist nicht nur menschenrechtlich gebo-ten, sondern auf jeden Fall – das habe ich früher schongesagt – billiger als militärische Gewalt. Der außenpoli-tische Erfolg unserer Regierung wird daran zu messensein, ob die zivile Krisenprävention gegenüber militäri-schem Eingreifen weiter gestärkt werden kann. Da der Antrag der Union noch hinter dem in Genfverabschiedeten Zusatzprotokoll zurückbleibt,
können wir ihn so nicht anerkennen. Ich möchte aller-dings deutlich machen, dass wir aus Sicht unserer Frak-tion weiterhin großen Wert auf ein gemeinsames Vor-gehen aller Fraktionen im Deutschen Bundestag beidieser wichtigen Thematik legen. Ich möchte den Kolle-gen Braun darin unterstützen, dass parteipolitische Ran-geleien hier deplaciert sind.
Wir sollten in Zukunft versuchen, sowohl im Interes-se unserer Kinder als auch in unserem eigenen Interessean einer friedlichen Welt hier eine gemeinsame Be-schlussfassung auf der Basis des bisher Erreichten vor-zubereiten.Ich danke Ihnen.
Als
nächster Redner hat der Kollege Carsten Hübner von der
PDS-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kol-leginnen und Kollegen! Die Frage des Missbrauchs vonKindern als Soldaten hat den Bundestag bereits in derersten Hälfte des Jahres 1999 beschäftigt. Er hat damalseinen Beschluss gefasst. Obgleich es begrüßenswert ist, dass dieses Themajetzt wieder auf der Tagesordnung steht, ist es doch be-dauerlich, dass in dieser Frage wiederum kein inter-fraktioneller Antrag angestrebt wurde. In diesem Punktkann ich, Frau Kollegin Reinhardt und Herr KollegeBraun, Ihre Empörung nicht verstehen. Sie haben, nach-dem es bereits eine Debatte gegeben hat, diesen Antragohne Abstimmung mit Ihren Kollegen allein vorgelegt.
Sie hätten andere Meinungen berücksichtigen können.Der jetzige Antrag kommt von der CDU/CSU. Die Tat-sache, dass kein interfraktioneller Antrag angestrebtwurde, ist umso bedauerlicher, als er ein wichtiges Si-gnal gewesen wäre und, soweit ich weiß, alle Bundes-tagsfraktionen gemeinsam den Vorschlag des Parla-mentspräsidenten mittragen, Olara Otunnu, den UN-Sonderberichterstatter zu Kindersoldaten, für den Frie-densnobelpreis vorzuschlagen. Zum Antrag: Der Analyse im Feststellungsteil stim-me ich ebenso weitgehend zu wie einem Teil der Forde-rungen, selbst wenn sie vielfach nicht weit genug gehenoder rein appellativen Charakter haben. Widersprüchlichist der Antrag allerdings im Bereich der Entwicklungs-zusammenarbeit. Während es dort unter Punkt 3 heißt,der Einsatz von Kindersoldaten solle durch Kür-zung oder Einstellung der Entwicklungszusammenar-beit sanktioniert werden, wird in den Punkten 9 und 10richtigerweise darauf hingewiesen, welchen Stellenwertdie Entwicklungszusammenarbeit haben kann und muss,um die militärische Demobilisierung von Kindern zufördern, ihnen Erwerbs-, Bildungs- und Lebensalternati-ven zu bieten, Therapiemöglichkeiten zu schaffen undsomit letztendlich eine Reintegration in die Zivilgesell-schaft zu ermöglichen. Ich halte das, ebenso wie Frau Kortmann, konzeptio-nell für widersprüchlich und wundere mich, warum, an-statt mit Sanktionen im Bereich der Entwicklungspolitikzu drohen, im Absatz 3 nicht mit Sanktionsmöglichkei-ten zum Beispiel bei Waffenexporten oder in kriegsrele-vanten Wirtschaftsbereichen gedroht wird.
– Richtig, Kollege Schuster. Als Entwicklungspolitikerdenke ich, dass Sie hier schlicht am falschen Hebel sit-zen. Dies gilt auch dann, wenn ich eine dem Problemangemessene Konditionierung und Projektierung derEntwicklungszusammenarbeit natürlich befürworte. Ich halte es zudem für problematisch, dass die Frage vonKleinwaffen im Antrag nicht die ihr zukommende Rollespielt. Mit Blick auf die Bedeutung, die gerade dieseWaffen bei dem Einsatz von Kindersoldaten haben, istdieser Antrag völlig unzureichend. Die Kollegin Kort-mann hat bereits darauf hingewiesen.
Und bei einer Reform in diesem Bereich darf es nichtum eine Verschärfung der Kriterien gehen, nach denendie Lizenzen zum Nachbau erteilt werden, sondern esDr. Angelika Köster-Loßack
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8468 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
muss darum gehen, gar keine Lizenzen mehr zu verge-ben.
Als es im Januar in der UNO-Arbeitsgruppe für dieSchaffung eines fakultativen Zusatzprotokolls zur Kon-vention für die Rechte der Kinder um die Frage ging, abwelchem Alter Jugendliche künftig bei Kampfeinsätzeneingesetzt werden dürfen, waren es die USA und Groß-britannien, die erst nach langen zähen Verhandlungenbereit waren, einer Erhöhung dieser Altersgrenze auf 18Jahre zuzustimmen.Die USA und Somalia sind darüber hinaus die einzi-gen Länder, die die Kinderrechtskonvention bisher überhaupt nicht ratifiziert haben. Die Bundesrepublikhat dies nur mit Vorbehalten im Bereich der Flücht-lingskinder getan. Wir haben es also mit einem Problemzu tun, das nicht allein ein Problem von Entwicklungs-ländern ist, auch wenn das Gros der Konflikte unter Be-teiligung von Kindersoldaten selbstverständlich in die-sen Ländern liegt. Für unseren Blick auf das Problemhalte ich diese Klarstellung für wichtig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss nochein Blick ins eigene Land, auf die Verantwortung, derwir gerecht werden müssen, um dem Problem Kinder-soldaten wirksam zu begegnen. Die Frage der Waffen-exporte und Lizenzierungen habe ich bereits angespro-chen. Dazu gehört aber auch, Kindern Fluchtalternati-ven zu bieten, wenn sie sich Zwangsrekrutierungen ent-ziehen wollen. Und damit sieht es in der Bundesrepublikbesonders dann düster aus, wenn die zwangsrekrutieren-den Akteure nichtstaatliche Akteure, also Guerilla- oderBefreiungsbewegungen sind. In der Anhörung des Men-schenrechtsausschusses ist dieses Problem diskutiertworden. Die Frage ist nur, wann diese Erkenntnisse end-lich in Regierungshandeln umgesetzt werden. Ebenfallsungeklärt – und hier besteht Handlungsbedarf – ist dieFrage des Schutzes von Deserteuren.
Herr
Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss!
Ich komme zum Schluss. –
Den Verstoß Deutschlands gegen die Kinderkonvention,
unbegleitete Kinder in das Flughafenverfahren einzube-
ziehen, möchte ich hier hervorheben, weil das im Men-
schenrechtsausschuss noch einmal Thema war. Durch
eine solche Praxis werden wir auch in der Frage der
Kindersoldaten nicht gerade glaubwürdiger. Davon ist in
dem Antrag von CDU/CSU natürlich gar nichts zu lesen.
Vielen Dank.
Als
nächster Redner hat der Kollege Rolf Stöckel von der
SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damenund Herren! Die Kritik an dem Antrag, an der Antrag-stellung, ist bereits vorgetragen worden. Das ThemaKindersoldaten und Kinder als Opfer und Täter in mili-tärischen Konflikten ist zu wichtig – da stimme ich Ih-nen zu –, als dass es hier in einer formalen Debatte odereinem parteipolitischen Streit untergehen dürfte. Da-rüber sind wir uns einig. Hier sind Zahlen genannt worden: 2 Millionen Kinderstarben in den Kriegen in den 90er-Jahren, 6 MillionenKinder wurden verwundet, schätzungsweise 15 bis20 Millionen Kinder mussten aus ihrer Heimat fliehen.Ich möchte damit nicht fortfahren. Man kann diese Zah-len aber nicht oft genug nennen, um deutlich zu machen,wie grausam jeden Tag und überall auf der Welt gegenelementare Menschenrechte von Kindern verstoßenwird.Man kann auch nicht oft genug sagen, wer davon pro-fitiert. Das sind nicht nur die Warlords, das sind auchdie Waffenschieber und Schreibtischtäter, religiöse, na-tionalistische Fanatiker, Drogenkartelle und andereKriegstreiber. Nicht selten unterhalten sie gute Verbin-dungen zur Wirtschaft und Politik mit der vermeintlichweißen Weste in den Waffen produzierenden Ländern.Unter den 600 Millionen Kindern dieser Welt, die in ab-soluter Armut leben, finden sie immer wieder zwangs-weise oder willfährig neue Opfer. Der riesige Markt, ge-rade mit leichten Waffen, erleichtert diese barbarischeEntwicklung. Lassen Sie es mich noch einmal sagen:Waffenhändler sind skrupellose Menschen, die an demTod vieler, meist unschuldiger Menschen, vor allem un-zähliger Kinder, verdienen.Mit Ende des Kalten Krieges standen zu Beginn der90er-Jahre plötzlich enorme Waffenlager zur Verfü-gung. Ein Kalaschnikow-Sturmgewehr ist in den kriegs-geplagten Ländern schon für 30 DM zu haben. 1997fand ein Minensuchteam der Vereinten Nationen imSüdsudan Landminen aus Ägypten, Belgien, China, demIran, Israel, Italien, der ehemaligen Sowjetunion und denUSA. Das Deutsche Rote Kreuz spricht von 360 ver-schiedenen Minentypen, die in etwa 55 Ländern produ-ziert werden. Jeden Monat gibt es etwa 1 000 Tote undein Vielfaches oft schwer verletzter Opfer gerade unterKindern, die für ihr Leben verstümmelt sind. Kollegin-nen und Kollegen, setzen Sie sich deshalb genauso en-gagiert wie für Kindersoldaten für globale und nationaleInitiativen gegen Minen und für Minenopfer ein!
Über 130 Länder haben inzwischen den Vertrag von Ot-tawa über das Verbot von Landminen unterzeichnet. Un-terstützen wir gemeinsam den deutschen Initiativkreisfür das Verbot von Landminen! Seine Forderungen, vorallen Dingen die wesentlichen und sinnvollen Forderun-gen, sind in diesem Hause am 24. Juni beschlossen wor-den. Die Bundesregierung hat sich mit allen ihr zur Verfü-gung stehenden Mitteln für die vom Bundestag und denCarsten Hübner
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8469
NGOs beschlossenen Forderungen auf der internationa-len Ebene eingesetzt und es wurden erste Erfolge er-zielt. Ich möchte mich ausdrücklich dem hier bereitsausgesprochenen Dank an alle Beteiligten anschließen.Ich füge hinzu: Wir könnten gemeinsam dieser gutenund wichtigen Aufgabe einen Dienst erweisen. Machenwir noch mehr Druck! – Kollege Hübner hat es – ,Umdie Weltöffentlichkeit eindringlich auf das Thema „Kin-dersoldaten“ aufmerksam zu machen angesprochen–,rege ich hier und heute eine überfraktionelle Initiativean, den UN-Sonderbeauftragten für Kinder in bewaffne-ten Konflikten, Olara Otunnu, für den nächsten Frie-densnobelpreis vorzuschlagen.
Als Kinderbeauftragter der SPD-Fraktion begrüße ichauch im Namen der Arbeitsgruppen Menschenrechteund Familie ausdrücklich alle Bemühungen der Bundes-regierung, die auf die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention im In- und Ausland gerichtetsind. Das Zusatzprotokoll zur Kinderkonvention, das am21. Januar von der Arbeitsgruppe der Menschenrechts-kommission in Genf im Konsens angenommen wurde,hat die Forderung des Deutschen Bundestages an dieBundesregierung erfüllt, sich bei den Verhandlungen fürdie Festlegung eines Mindestalters von 18 Jahren fürdie Teilnahme an Kampfhandlungen einzusetzen.Ich bin der Meinung, dass wir einen Schritt weitergehen sollten und für die Ausbildung an Waffen ganzklar die Altersgrenze von 18 Jahren ziehen sollten.
In einem wesentlichen Teil der Vorbehaltserklärungder alten Bundesregierung, dem Teil, der eine Verbesse-rung des Art. 38 der UN-Kinderrechtskonvention Vor-sieht, sind wir damit einen großen Schritt vorangekom-men. Ich möchte deswegen in diesem Zusammenhangnoch einmal darauf hinweisen, dass der Deutsche Bun-destag die Bundesregierung mit dem Entschließungs-antrag auf Drucksache 14/1681 aufgefordert hat, die de-fensiven Vorbehalte der alten Regierung gegen die Kin-derrechtskonvention zurückzunehmen. Der Zweitbericht der Bundesregierung an das Kinder-rechtskomitee der UN liegt noch nicht vor. Lassen Siemich also auch als Mitglied der Kinderkommission desDeutschen Bundestages noch einmal an die Regierungappellieren, ein offensives Zeichen zu setzen, dassDeutschland international bei der Umsetzung der Kin-derrechte mit gutem Beispiel vorangeht.
Kofi Annan, der Generalsekretär der Vereinten Nati-onen, schreibt in seinem Vorwort zum UNICEF-Bericht„Zur Situation der Kinder in der Welt 2000“: Der Bericht beginnt mit der Prämisse, dass dieQuelle des Fortschritts in der Verwirklichung derKinderrechte liegt. Er fasst eine Vision in Worte, inder die Rechte der Kinder Wirklichkeit werden. Allerdings: Wie so oft liegt die Herausforderung in derVerwirklichung der guten Absichten. Lassen Sie unsdeshalb alle gemeinsam all unseren Mut und unser En-gagement zusammennehmen und das Notwendige tun,denn ein Kind in Gefahr ist ein Kind, das nicht wartenkann!In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.
Als
nächste Rednerin hat Kollegin Ingrid Fischbach von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident!Meine Damen und Herren! Bevor ich aus kinderpoliti-scher Sicht auf den Antrag zu sprechen komme, mussich noch die Gelegenheit nutzen, einige Sätze zu IhrenAnmerkungen loszuwerden, Frau Kortmann.Ich persönlich war sehr enttäuscht von dem, was Siehier vorhin zum Besten gegeben haben; denn ich habeSie eigentlich immer als Kollegin eingeschätzt, der esauch darum geht, Kindern so gut wie möglich gerecht zuwerden.
Sie und Ihr Kollege Stöckel haben sich gerade deut-lich widersprochen. Herr Stöckel hat gesagt: Alle Forde-rungen, die wir stellen, sind bereits durch die Annahmedes Antrags erfüllt worden.
Sie sagten einige Zeit vorher; da fehlen noch viele Din-ge, da müsse etwas ergänzt werden. Ich hatte den Ein-druck – ich denke, das geht allen anderen, die zugehörthaben, genauso –, Sie haben krampfhaft nach Punktengesucht, um unserem Antrag nicht zustimmen zu müs-sen.
Das finde ich nicht gut, weil wir eigentlich einer Mei-nung sein müssten, um in der Sache vorwärts zu kom-men. Ich hatte auch den Eindruck, dass Sie einige Punkteunseres Antrags nicht gelesen haben. Vielleicht gehenSie auch von einem anderen Antrag aus. Wir beziehenuns jedenfalls auf die Drucksache 14/2243. Dort wird zueinigen Punkten, die sie vermisst haben, ganz konkretetwas gesagt. Vielleicht sollten Sie den Antrag nocheinmal lesen. Rolf Stöckel
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8470 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
Unser vorliegender Antrag hat den Titel „Gegen denMissbrauch von Kindern als Soldaten“. Ich muss ehrlichsagen: Etwas Gegensätzlicheres als diese Kombination –Kinder als Soldaten – kann es gar nicht geben. Trotzdemgeht uns leider Gottes das Wort „Kindersoldaten“ rechtleicht über die Lippen. Das hat auch seine Gründe; dennweltweit – von Südafrika bis Nordirland, von Afghanis-tan bis zur Westbank – werden Kinder systematisch fürden bewaffneten Kampf rekrutiert. Kindersoldaten wer-den in den letzten Jahren tendenziell eher bei innerstaat-lichen Konflikten und eher von Rebellen als von regulä-ren Streitkräften eingesetzt. Die Faktenlage ist sehrproblematisch, weil Rebellen und auch reguläre Streit-kräfte ungern ihre Rekrutierungsmechanismen ver-öffentlichen. Der Missbrauch von Kindern als Soldaten wird durcheine Reihe von Faktoren begünstigt: Erstens. Kindersind gehorsamer als Erwachsene, hinterfragen Befehlenicht und sind leichter zu manipulieren. Vor allem Jün-gere können Gefahren nicht richtig einschätzen und sinddeshalb im Kampf stärker gefährdet als Erwachsene.Drogen und Alkohol, zu deren Einnahme sie oftmals ge-zwungen werden, vergrößern das Problem. Zweitens. Die technische Entwicklung im Kleinwaf-fenbereich hin zu leichten, halbautomatischen Geweh-ren, die auch von Kindern getragen werden können, be-günstigt den Missbrauch der Kinder. Diese Gewehresind so einfach gebaut, dass selbst 10-Jährige sie ausein-ander nehmen und wieder zusammenbauen können.
Drittens. Es gibt einen Zusammenhang zwischen derDauer eines bewaffneten Konflikts und der Rekrutie-rung von Kindern. Nach Kämpfen mit großen Verlustenan – wie es so schön heißt – Manpower wird gezielt aufKinder zurückgegriffen, um die Lücken aufzufüllen. Inmindestens 25 Konfliktgebieten werden Kinder ab sie-ben Jahren als Soldaten eingesetzt. Sie werden für Ku-rierdienste, Spionagetätigkeiten, als Wachpersonal undLeibwächter, bei der Minenräumung, als Frontkämpferund lebendige Schutzschilde eingesetzt.Jungen bilden bei der Rekrutierung die Mehrheit, aber auch Mädchen werden eingezogen.
Auch darauf – das hatten Sie, Frau Kortmann, bemän-gelt – wird in unserem Antrag eingegangen. Mädchenrekrutiert man überwiegend für sexuelle Dienste. In Uganda werden Mädchen von bewaffneten Gruppen ent-führt und dann den Soldaten als Ehefrauen zugeteilt. Mädchen werden aber auch bei Kampfhandlungeneingesetzt. Eine ehemalige kolumbianische Guerilla-kämpferin wurde mit 13 Jahren „eingezogen“. Sie be-richtete dem Menschenrechtsbeauftragten der kolumbia-nischen Regierung, dass sie mit Pistolen, AK-47 und M-16-Sturmgewehren, sehr gut umgehen kann.Originalton:In der Organisation lernst du schnell, dass deineWaffe dein Leben ist, sie ist deine Mutter, die Tagund Nacht für dich wacht.Diese Worte sprechen für sich.Die Kinder, die in abgelegenen Konfliktgebieten oderin Flüchtlingslagern heranwachsen, sind besonders ge-fährdet, von bewaffneten Einheiten ausgebeutet zu wer-den. Ihre Familien wurden oft auseinander gerissen.Dörfliche Unterstützungsstrukturen funktionieren nichtmehr. Es herrscht soziale und wirtschaftliche Unsicher-heit. Es melden sich aber auch Kinder freiwillig, weil siebei den Militärs versorgt werden, die Sicherheit derTruppen suchen oder sich dafür rächen wollen, dass ge-gen ihre Familien und ihre Gemeinschaft Gewalt ange-wendet wurde. Wenn hier von „freiwillig“ gesprochenwird, dann ist das meines Erachtens allerdings auch eineFrage der Interpretation; denn die brutalen Begleitum-stände lassen für eine echte Wahl keinen Raum.
In Uganda hat die berüchtigte Lords Resistance Ar-my jahrelang Kinder aus Schulen und von zu Hause ent-führt. Wer sich wehrte, zu fliehen versuchte oder nurkrank wurde
– Herr Kollege, ich komme auf die Christen am Endemeiner Rede zu sprechen –, der wurde geschlagen undgetötet. An dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kolle-gen, dürfen wir nicht länger zuschauen, dagegen müssenwir gemeinsam – ich setze die Betonung auf „gemein-sam“ – angehen, das dürfen wir nicht länger hinnehmen.Bewaffnete Konflikte beeinträchtigen die körperli-che, geistige und seelische Entwicklung von Kindern.Zusätzlich zum Risiko von Tod und ernsten Verletzun-gen im Kampf müssen die Kinder die harten Lebensbe-dingungen des militärischen Alltags in Kauf nehmen.Die Kinder leiden unter Rücken- und Schulterschmerzendurch das häufige Tragen von schweren Lasten ebensowie an Unterernährung, an Hör- und Sehproblemen, anInfektionen der Atemwege und der Haut sowie an Ge-schlechtskrankheiten. Aids ist keine Seltenheit.Hinzu kommen schwerwiegende psychische Folgen.Die häufigsten Merkmale traumatischer Belastungensind Albträume, Ängste, Depressionen, Aggressionengegen andere bzw. sich selbst oder Apathie. Die volleBedeutung dieser Schäden für die betroffenen Kinderwird leider erst langsam deutlich.Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns ge-meinsam dafür sorgen, dass Kinder nicht mehr zumKriegsdienst gezwungen werden. „Der Schutz von Kin-dern bei militärischen Auseinandersetzungen ist eineChristenpflicht“ – Herr Kollege Schuster, jetzt kommeich darauf zu sprechen –, meint Günther Bitzer, der Di-rektor von World Vision. Lassen Sie uns gemeinsam un-Ingrid Fischbach
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8471
serer Christenpflicht nachkommen – den Kindern zulie-be!
Ich
schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage
auf Drucksache 14/2243 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit
einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überwei-
sung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen SPD,
CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Übergansgesetzes aus Anlass
des Zweiten Gesetzes zur Änderung der
Handwerksordnung und anderer handwerks-
rechtlicher Vorschriften
– Drucksache 14/2809 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Rechtsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist eine
halbe Stunde Redezeit vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Christian Lange von der SPD-Fraktion das
Wort.
Herr Präsident!Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Siemich mit einem Wort von Heinrich Mann beginnen: „Esist vollbracht!“ Eine nahezu zehnjährige Leidensge-schichte ist beendet. Für eine ganze Branche, für denTrockenbau, kehrt endlich Rechtssicherheit und Plan-barkeit ein. Das haben wir in guter Tradition aller No-vellierungen der Handwerksordnung interfraktionell zu-stande gebracht. Mein Dank gilt allen Kolleginnen undKollegen, die an dieser Arbeit teilgenommen haben –insbesondere Ihnen, lieber Herr Scherhag, für die engeund vertrauensvolle Zusammenarbeit. Wir alle habenuns nicht auseinander dividieren lassen. Auch daraufkönnen wir stolz sein.Wie ist die Lage? Noch gibt es vielfältige Ordnungs-widrigkeitsverfahren gegen Trockenbauunternehmen.Diesen Betrieben wird vorgeworfen, dass sie nicht in dieHandwerksrolle eingetragen seien. Trockenbauarbeitenwerden derzeit als Teil der Anlage A der Handwerks-ordnung aufgefasst. Sie werden dem Vorbehaltsbereichdiverser Gewerke des Bauhandwerks zugerechnet, zumBeispiel Stuckateuren, Zimmerern, Fliesenlegern, Est-rich- und Bodenlegern. Ein großer Teil des Trockenbaus wird aber auch von Industriebetrieben ausgeführt, dienicht notwendigerweise als Meisterbetrieb geführt wer-den müssen. Genau darin liegt der Konflikt.Der Wirtschaftsausschuss hat zwar bereits zweimal,im Juni 1998 und Juni 1999, mit einstimmiger Ent-schließung klargestellt, dass der Trockenbau nicht demHandwerk zuzurechnen ist; dies hat jedoch nichts darangeändert, dass Handwerkskammern und Ordnungsämterweiterhin gegen Unternehmen vorgegangen sind. Be-sonders bedenklich finde ich, dass auch langjährig er-folgreiche Unternehmen von dieser Vorgehensweise be-troffen sind. Dadurch sind nicht nur Arbeitsplätze be-droht gewesen; vielmehr werden auch Existenzgründun-gen verhindert.Dabei berufen sich die Kammern und die Behördenauf die Rechtsprechung. Kammern und Behörden fol-gern aus der Meisterprüfungsverordnung, dass der Be-reich des Trockenbaus dem Handwerk zuzuordnen sei.Richtig ist bei dieser Einschätzung aus meiner Sicht le-diglich, dass die Entschließung des Wirtschaftsaus-schusses bislang keine gesetzliche Regelung darstellt.Deshalb wollten wir im Übrigen auch alle den Weg desKonsenses zwischen den Interessen auf der einen Seitedes Handwerks und auf der anderen Seite der Industriegehen. Wir haben alles unternommen, um einen Kon-sens zwischen den beiden Bereichen Industrie undHandwerk herzustellen. Der ZDH befürwortete zunächst die Aufnahme derhandwerklich komplizierten Trockenbauarbeiten in dieAnlage A der Handwerksordnung, die einfachen Tro-ckenarbeiten sollten in die Anlage B der Handwerksord-nung aufgenommen werden. Eine solche Abgrenzungzwischen einfachen und komplizierten Arbeiten warallerdings nicht ohne weiteres möglich. Deshalb konntensich ZDH und DIHT leider auch nicht auf einen Formu-lierungsvorschlag einigen, so dass an dieser Stelle derGesetzgeber gefordert war und ist. Nur deshalb habenwir gehandelt. Wir hätten es aus meiner Sicht ganz ger-ne vermieden. Ich bin mir aber sicher, dass wir jetzt eineLösung hinbekommen haben, die auf breite Zustimmungstößt.Meine Damen und Herren, mit der Novellierung ver-folgen wir nun das Ziel, endlich gesetzlich klarzustellen,dass der Trockenbau, und zwar nur der Trockenbau,keine wesentliche Tätigkeit des Gewerbes der Anlage Ader Handwerksordnung ist. Damit wird gewährleistet,dass der Trockenbau auch von Betrieben ausgeführtwerden darf, die nicht in der Handwerksrolle eingetra-gen sind. Der Trockenbau soll auch nicht in der Anla-ge B der Handwerksordnung aufgeführt werden, da da-mit umfangreiche Anzeigepflichten verbunden wären,sondern er soll komplett freigegeben werden. Nur sokönnen wir die derzeit bestehende Rechtsunsicherheitüber die handwerksrechtliche Einordnung des Trocken-baus endlich beseitigen. Ein neues, handwerkähnlichesGewerbe in Anlage B für einfache Tätigkeiten des Tro-ckenbaus, wie ursprünglich einmal angedacht, konnteebenfalls nicht befürwortet werden. Es sind keine Grün-de erkennbar, die eine überzeugende Regelung einfacherTätigkeiten in der Anlage B rechtfertigen.Ingrid Fischbach
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8472 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
Behauptet wurde auch, dass die Trockenbauproble-matik vor allem auf einen Konflikt zwischen Handwerkund dem nicht handwerklichen Unternehmensbereichberuhe. Es sei üblich, dass nicht handwerkliche Tro-ckenbauunternehmen Subunternehmen beschäftigten,die nicht dem Handwerk angehörten. Dies trifft abernicht zu. Die Beschäftigung von Subunternehmen istheute bei allen im Trockenbau tätigen Betrieben undGewerbezweigen üblich. Selbst das Handwerk arbeitetim Bereich einfacher Trockenbauarbeiten mit besonderskostengünstig arbeitenden Subunternehmen. Die betrof-fenen Betriebe arbeiten auch nicht illegal, sie sind janicht zur Eintragung in die Handwerksrolle verpflichtet.Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologiehat im Übrigen keine Erkenntnisse über Wettbewerbs-verzerrungen durch Trockenbaubetriebe, die geltendegesetzliche oder tarifliche Bestimmungen nicht beachtenwürden.Die ebenfalls vorgeschlagene Lösung nach § 8 derHandwerksordnung, Trockenbauunternehmen Ausnah-mebewilligungen zur Eintragung in die Handwerks-rolle zu erteilen, war ebenfalls abzulehnen, da sich derTrockenbau vor allem außerhalb des Handwerks entwi-ckelt hat. Außerdem müssten nach § 8 der Handwerks-ordnung, wenn man diesen Weg gehen würde, zunächsteinschlägige Stellungnahmen der Handwerkskammernberücksichtigt werden, die in der Regel die Hand-werksinnungen beteiligen würden. Dadurch – das zeigtschon der Prozess – würde eine entsprechende Zeit inAnspruch genommen werden. Dies würde, so glaubeich, auch nicht einer dynamischen Wirtschaft Rechnungtragen, die von Neugründungen und neuen Arbeitsplät-zen lebt. Gerade für den Bereich des Baugewerbes isteine solche Entwicklung besonders wichtig. Im Februar 2000 verzeichnete das Baugewerbe in denalten Bundesländern einen Stellenabbau von 3,5 Prozentauf 775 000 Beschäftigte, in Ostdeutschland wurde garein Minus von 5,2 Prozent auf 335 000 Beschäftigte er-reicht. Der seit 1995/96 anhaltende Arbeitsplatzabbauim Bau – und auch im Ausbaugewerbe setzte sich damitleider auch in den vergangenen Jahren fort. Durch dieErleichterung von Existenzgründungen können wir abereinen wertvollen Beitrag dazu leisten, auch auf diesemSektor eine Trendwende einzuleiten. Dieser Weg istvielleicht ein Anstoß dafür. Eine schnelle Lösung liegtzudem im Interesse der laufenden Bußgeldverfahren undist vor allem zur Standortsicherung der deutschen Un-ternehmen im Trockenbau dringend notwendig.Eines aber muss und wird sichergestellt: Die Ausbil-dung bleibt auf hohem Niveau. Dies war für uns allevon großer Bedeutung.
Das Ausbildungsniveau des deutschen Trockenbaus, dasauch auf die Ausbildungsleistung industrieller Trocken-bauer zurückzuführen ist, ist anerkanntermaßen hoch.Dies wird durch die jeweiligen Richtzeiten für die Lehretrockenbauspezifischer Arbeiten bestätigt. Daraus folgtauch, dass der Trockenbaumonteur als praxisrelevanter,berufsspezifischer Bildungsweg neben dem Handwerkgelten kann.Ein Vergleich der Trockenbauausbildung in Wochenmacht dies deutlich: Während beim Zimmerer siebenWochen, beim Isolierer acht Wochen und beim Stucka-teur 28 Wochen in Trockenbauarbeiten unterrichtetwird, sind es beim Trockenbaumonteur 113 Wochen.Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass wirunser Ziel, nach langen Jahren des Streits Rechtssicher-heit in den Trockenbau zu bringen, durch die interfrakti-onelle Bereitschaft aller zur Kooperation jetzt erreichthaben. Ich bin mir sicher, dass wir auch alle weiterenNovellierungen, die wir im Bereich des Handwerks vor-nehmen wollen, gemeinsam mit allen Betroffenen undallen Verbänden angehen werden, wie wir es auch hierpraktiziert haben.
Deshalb sind wir auch stolz auf unseren interfraktionel-len Antrag. Wir haben mehr Rechtssicherheit, mehr Ar-beitsplätze, mehr Wachstum, mehr Qualität, mehr Aus-bildung und mehr Gemeinsamkeit in diesen turbulentenZeiten geschaffen. Dafür herzlichen Dank!
Als
nächster Redner hat der Kollege Karl-Heinz Scherhag
von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident!Meine sehr verehrten Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Herr Lange, recht herzlichenDank auch für die gute Zusammenarbeit. Diese Ände-rung, die in Gemeinsamkeit von SPD, CDU/CSU,Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. erfolgt, unterstreichtdeutlich, dass das deutsche Handwerk eine der wichtigs-ten Säulen unserer Wirtschaft ist und dass alle politischVerantwortlichen die einmalige Stellung unseres Hand-werks in der Welt kennen und deren Erhalt sichern wol-len.Die jetzt gefundene Lösung, die nur den Trockenbaubetrifft, stellt klar, dass Betriebe des Handwerks wie In-dustriebetriebe Trockenbauarbeiten ausführen können.Der Streit zwischen Handwerkskammern, Ordnungsäm-tern, Betrieben und der Industrie ist jetzt – so hoffe ich –endgültig beigelegt. Wichtig ist, dass die Unternehmen,die Trockenbau ausführen, sich der ordnungsgemäßenDurchführung der Arbeiten widmen können und sichnicht ständig untereinander mit Auslegungsproblemen,Abmahnungen und Bußgeldbescheiden befassen müs-sen.Ich möchte heute die Gelegenheit ergreifen, die Koa-lition, die in ihrer Koalitionsvereinbarung die Öffnungder Handwerksordnung und damit die Unterlaufung desGroßen Befähigungsnachweises festgeschrieben hat,nochmals eindringlich darauf hinzuweisen, dass für dieCDU/CSU-Fraktion ein Unterlaufen des Großen Befähi-gungsnachweises und eine weitere Liberalisierung derHandwerksordnung nicht infrage kommen.Christian Lange
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8473
Wir stehen uneingeschränkt zur jetzt gültigen Hand-werksordnung. Wir sind jedoch immer bereit, gemein-sam nach Lösungen zu suchen, wenn es die Märkte er-fordern. Handwerk ist dynamisch und flexibel. Aber wirsind nicht bereit, aus ideologischen Gründen die Hand-werksordnung zu ändern. Meine Damen und Herren, ichwarne Neugierige: Wenn in Sonntagsreden und beiMeisterfeiern Politiker aller Parteien den Bestand desHandwerks und damit den Erhalt des Großen Befähi-gungsnachweises herausstellen und garantieren, dannsollten sie nicht versuchen, dies durch die Hintertür zuunterlaufen.
Ich möchte unsere Haltung wie folgt begründen: Dasdeutsche Handwerk ist mit der größte und verlässlichsteAusbilder in der Bundesrepublik Deutschland und dasduale System ist das beste der Welt.
Viele Länder sind gerade dabei, dieses System ganz oderzumindest weite Teile davon zu übernehmen. Ich erlebean jedem Tag Anfragen, wie man eine handwerklicheSelbstverwaltung aufbaut. Gerade die Staaten in Südost-asien, aber zum Beispiel auch der Bundesstaat Texas inden USA versuchen, das deutsche Ausbildungssystemzu übernehmen.Meine Damen und Herren, Handwerk ist sozial. Un-ser Ausbildungssystem steht auf hohem Niveau – Siesprachen schon davon, Herr Lange –, aber es ermöglichtauch schwächeren Schulabgängern, in einem Berufunterzukommen und ausgebildet zu werden, um sichdann im harten Wettbewerb um die Arbeitsplätze zu be-haupten. Wenn man also das bestehende System vonLehrling, Geselle und Meister unterlaufen oder aufwei-chen will, stellt man zugleich das duale Ausbildungssys-tem infrage. Wer soll ausbilden, wenn nicht die Meister?Wer soll die Kosten für die Ausbildung übernehmen?Ich erinnere nur an das Sofortprogramm der Bundesre-gierung zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit und icherinnere an die Kosten, die dieses Programm nur für dieWenigen verursacht hat, wenn man sich vorstellt, in Zu-kunft sollte die gesamte Ausbildung finanziert werden.Wir haben in den nächsten Jahren in diesem Bereichwirklich große Aufgaben zu bewältigen. Wir, die Ver-antwortlichen, sind deshalb aufgerufen, nicht in Teilbe-reichen Veränderungen vorzunehmen, durch die ein gutfunktionierendes Gesamtsystem infrage gestellt würde.Handwerk bietet sichere Arbeitsplätze; es bietet si-chere Ausbildungsplätze; Handwerk ermöglicht Exis-tenzgründungen. Ich appelliere deshalb an Sie im Inte-resse der 250 000 Handwerksbetriebe, die in den nächs-ten zwei Jahren aus Altersgründen zu übernehmen sindund die eine große Zahl an Arbeits- und Ausbildungs-plätzen bereitstellen, die aber auch eine soziale Absiche-rung für die Inhaber darstellen, nicht zu vergessen: AlleÜberlegungen zur Veränderung der Handwerksordnungdürfen nur in dem Maße vorgenommen werden, wie esdie globale Weltwirtschaftsentwicklung und die Gege-benheiten in der Europäischen Union erfordern. Hierbeimuss für uns natürlich ein Interesse an dem Erhalt unse-rer eigenen Betriebe bestehen. Wir dürfen unsere eige-nen Betriebe nicht im Regen stehen lassen.
Wir brauchen neue Unternehmer, um die Arbeitsplät-ze zu erhalten und um neue zu schaffen. Deutschland hatseinen Wiederaufbau, seinen Wohlstand und einenGroßteil seiner Entwicklung den kleinen und mittlerenhandwerklichen Betrieben zu verdanken.
Das Miteinander von Unternehmen und Arbeitnehmernist sozial ausgewogen. Die kleinen und mittleren Betrie-be sind immer bereit, in schweren Zeiten zusätzlicheAusbildungsverpflichtungen zu übernehmen und keineMitarbeiter zu entlassen. Sie können ihre Betriebe nichtdorthin auslagern, wo Industriebetriebe nur nachPlus/Minus-Kalkulation arbeiten.Dies alles muss man sehen und berücksichtigen,wenn man den Forderungen einzelner Interessengruppennachkommen will, die Handwerksordnung durch dieHintertür zu beseitigen. Ich vermisse in dieser Diskussi-on immer wieder den Blick für das Ganze.Ich komme zum Schluss. Der Gesetzgeber wäre gutberaten, die ständigen Veränderungen in der Hand-werksordnung zu beenden und auch mittelfristig keinezu planen. 840 000 Handwerksbetriebe brauchen Pla-nungssicherheit; sie brauchen Ruhe, um ihre schwereWettbewerbssituation meistern zu können.Ich denke, dass die 1998 gemeinsam durchgeführteNovellierung gezeigt hat, dass alle Anforderungen derKunden an die Betriebe erfüllt werden können. Wennnach zwei Jahren nur diese kleine Veränderung im Tro-ckenbau notwendig ist, dann muss man sagen, dass dieNovellierung der Handwerksordnung ein voller Erfolgwar. Ich möchte mich bei allen Beteiligten hierfür nocheinmal recht herzlich bedanken.
Die Kol-
legin Margareta Wolf, die jetzt für das Bünd-
nis 90/Die Grünen sprechen sollte, ist leider erkrankt. -
Ich nehme Ihr Einverständnis zur Kenntnis, dass wir ihre
Rede zu Protokoll nehmen.*)
Jetzt hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb von der
F.D.P.-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter HerrPräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mussmich wegen der Kürze der mir zur Verfügung stehendenRedezeit auf zwei Punkte beschränken: Erstens. Zum heute hier zu beratenden Gesetzentwurfist festzuhalten, dass dieser keine Änderung des mate-riellen Rechts bedeutet. Schon bisher ist es Auffassung __________*) Anlage 3Karl-Heinz Scherhag
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8474 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
des Deutschen Bundestages gewesen, dass der Trocken-bau zwar allen interessierten Handwerken offen steht,aber nicht Vorbehaltsbereich eines oder mehrererHandwerke ist. Deswegen verstehe ich die Aufregungnicht, die in den letzten Wochen ob einer vermeintlichenFreigabe des Trockenbaus oder einer Herausnahme die-ses Bereiches aus dem Handwerk entstanden ist.Bei den Beratungen zur Handwerksnovelle 1998 hatsich die Arbeitsgruppe aus CDU/CSU, SPD und F.D.P.intensiv mit dem Trockenbau befasst. Ich war damalsVorsitzender dieser Arbeitsgruppe und kann deswegensagen, dass wir nicht davon ausgegangen sind, dass derTrockenbau bereits Teil eines Handwerks sei. Wir habenvielmehr den Vorschlag geprüft, ob der Trockenbau ü-ber die Neuaufnahme eines Gewerkes Trockenbau in dieAnlage A ein Vollhandwerk werden soll.Wir haben seinerzeit eine Anhörung durchgeführt undmussten zur Kenntnis nehmen, dass sich auf der einenSeite mindestens sieben Handwerke – soweit ich micherinnern kann, handelte es sich um Maler und Lackierer,Stuckateure, Tischler, Dachdecker, Zimmerer, Maurer,Kälte- und Schallisolierer; heute ist noch der Estrichle-ger genannt worden, auch der Metallbauer kommt mirda in den Sinn – teilweise vehement gegen einen eigen-ständigen Handwerksberuf Trockenbauer ausgesprochenhaben. Auf der anderen Seite haben sie aber nicht min-der vehement den Trockenbau für ihr Handwerk rekla-miert.Die Interessenkollisionen gingen damals quer durch dasHandwerk. Wir als Arbeitsgruppe haben uns außerStande gesehen, diesen handwerksinternen Konflikt zuklären, und haben den Vorschlag der Aufnahme einesGewerkes „Trockenbau“ in die Anlage A nicht weiterverfolgt.
Das heißt, es geht heute bei dem, was wir hier bera-ten, um nicht mehr und nicht weniger als um eine Klar-stellung des seinerzeit schon im Zusammenhang mit derBeschlussfassung zur Handwerksnovelle 1998 zumAusdruck gebrachten Willens des Gesetzgebers. Dies isterforderlich geworden, nachdem zwischenzeitlich indiesem Punkt Irritationen über die Anwendung derHandwerksordnung durch einzelne Handwerkskammernentstanden sind, Irrationen, die – ich bedauere das –auch mit einer einstimmigen Entschließung des Aus-schusses für Wirtschaft vom 17. Juni 1998 nicht ausge-räumt werden konnten.Der Trockenbau ist also nicht Vorbehaltsbereich ei-nes oder mehrerer Handwerke. Aber selbstverständlichkönnen alle interessierten Handwerker dieses Handwerkausüben. Ich bin der Meinung, ja ich bin sicher, dasssich die Betriebe gerade wegen ihrer qualifizierten Tä-tigkeit, die sie aufgrund des großen Befähigungsnach-weises leisten, auch weiterhin im Wettbewerb behauptenwerden.
Zweiter Punkt. Herr Kollege Lange, ich danke für IhrAngebot zur Zusammenarbeit, was die Zukunft derHandwerksordnung anbelangt. Aber ich will und ichmuss hier sehr deutlich sagen, dass unsere Zustimmungzum heutigen Gesetzentwurf und zu der soeben unter 1.genannten Position nicht bedeutet, dass dies als Freibrieffür die von Rot-Grün angedachten weiteren und weitergehenden Änderungen der Handwerksordnung gesehenwerden kann.
Ich betone für meine Fraktion, dass wir weiterhin amgroßen Befähigungsnachweis als Regelzugang zurSelbstständigkeit im Handwerk festhalten werden.
Überlegungen, etwa berufsbegleitend über eine Phasevon zehn Jahren den großen Befähigungsnachweis zuerwerben, sehen wir sehr kritisch. Dies würde in derPraxis erhebliche Schwierigkeiten aufwerfen, ja die Axtan die Wurzel des großen Befähigungsnachweises legen,der sich als entscheidend dafür erwiesen hat, dass wir imHandwerk, verglichen mit allen anderen Wirtschaftsbe-reichen, nicht nur die beste Ausbildungsleistung haben,sondern dass auch die Insolvenzquoten in diesem Be-richt sehr viel geringer sind als anderswo. Deswegenwar es aus unserer Sicht auch wichtig, aus der erstenFassung des Gesetzentwurfes einige Punkte herauszu-nehmen und aus dem vorgesehenen Ergänzungsgesetzwieder ein Übergangsgesetz zu machen, als das es ver-standen werden soll. Deswegen haben wir auch die Be-gründung von ideologischem Ballast befreit, der teilwei-se einer generellen Kampfansage an das Handwerkgleichkam. Vor diesem Hintergrund und so konditioniert, bieteich Ihnen, Herr Lange, unsere Mitarbeit auch für die Zu-kunft gerne an und bedanke mich, liebe Kolleginnen undKollegen, für ihre Aufmerksamkeit.
Als letz-
ter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat der Kol-
lege Rolf Kutzmutz von der PDS-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolle-ginnen und Kollegen! Über das Gewicht eines Satzes istin den Reden meiner Vorredner alles gesagt worden.Denn schließlich geht es um einen Satz, der in einen Ge-setzentwurf mündet. Dies festzustellen halte ich schonfür wichtig. Aber ich will auch sagen: Die Entstehung dieses Ge-setzentwurfes ist – gelinde gesagt – eigentümlich. ImJuni und im Dezember vergangenen Jahres hatte ich imWirtschaftsausschuss ausdrücklich angeboten, dass sichdie PDS an der Vorbereitung dieser Initiative beteiligenwürde. Dies stieß auch auf wohlwollende Reaktionenbei den Koalitionsfraktionen. Nur passierte nichts, bisuns gestern Nachmittag ein gemeinsamer Gesetzentwurfaller übrigen Fraktionen auf den Tisch gelegt wurde. Um es klar zu sagen: Mir geht es nicht darum, ob diePDS Mit-Einreicher ist. Wenn die CDU/CSU in ihrerDr. Heinrich L. Kolb
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8475
babylonischen Gefangenschaft bleiben will, nichts ge-meinsam mit der PDS zu unterschreiben, dann ist das ih-re Sache. Uns aber von vornherein von der Vorbereitungauszuschließen, das ist schlicht schlechter parlamentari-scher Stil.
Darüber sollten auch die für die Handwerkspolitik Zu-ständigen bei SPD und Bündnisgrünen noch einmalnachdenken, wenn es um nächste Vorhaben auf diesemFeld geht. Das sage ich auch als ehrenamtlicher Vorsit-zender eines offenen Unternehmerverbandes in Berlin-Brandenburg. Da es lief, wie es gelaufen ist, könnte ich mich jetztzurücklehnen und sagen: Wir haben nichts damit zu tun.Ich sage aber ausdrücklich, auch an die Adresse derHandwerkskammern, die auch uns seit Wochen mitBrandbriefen überschütten: Dieser Gesetzentwurf wirdvon der PDS nachdrücklich unterstützt. Die geplanteLex Trockenbau verbietet, wie Herr Kolbe richtig fest-gestellt hat, Handwerksbetrieben schließlich nicht, Tro-ckenbau zu betreiben oder darin auszubilden. Sie reser-viert dieses wichtige, dabei nicht eindeutig abgrenzbareMarktsegment nur nicht ausschließlich für Handwerks-betriebe. Diese wiederum – dies hat Kollege Lange hierangesprochen – greifen im Übrigen schon lange beikonkreten Arbeiten häufig selber auf nicht handwerks-gebundene Subunternehmer zurück. Offensichtlicher Hintergrund der Auseinandersetzun-gen ist der aufgrund des schrumpfenden Baumarktesverschärfte Kampf der Marktteilnehmer um Aufträge,wo sich eine Gruppe einen Vorteil verschaffen wollteund der Gesetzgeber deshalb handeln muss.Ich nenne einige wenige Argumente dafür, dass einHandwerksvorbehalt sachlich, fachlich und politisch un-gerechtfertigt wäre. Historisch waren es zuerst gewerbli-che Baubetriebe, welche den Trockenbau erfanden undeinführten. Handwerker pfuschten bei diesen Arbeitengenauso viel und genauso wenig wie Gewerbetreibende.In diesem Segment gibt es zumindest ebenso viele „Ge-werbe“ – Kleinbetriebe wie Handwerksbetriebe. DieHandwerkskammern trauen sich mit ihrer Klage pikan-terweise auch nicht an die Großen der Baubranche, son-dern nur an die Klein- und Kleinstbetriebe heran. Einweiterer Grund könnte in der Konkurrenz zwischenHandwerkskammern und IHK im Kampf um Mitgliederliegen.Über daraus möglicherweise zu ziehende Konsequen-zen wie auch über Vorschläge, den Streit über die Zu-ordnung von Tätigkeiten zum Handwerk ein für alle Malzu beenden, sollten wir uns in hoffentlich konstruktivenAusschussberatungen zum vorliegenden Entwurf ver-ständigen.
Ich
schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Gesetzent-
wurf auf Drucksache 14/2809 an den in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschuss federführend und mitbera-
tend an den Rechtsausschuss, den Ausschuss für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen und den Ausschuss für
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu
überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? –
Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so be-
schlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung atomrechtlicher Vorschriften
für die Umsetzung von EURATOM-Richt-
linien zum Strahlenschutz.
– Drucksache 14/2443 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit
– Drucksache 14/2799 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Horst Kubatschka
Dr. Paul Laufs
Dr. Reinhard Loske
Ulrike Flach
Eva Bulling-Schröter
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Horst Kubatschka von der SPD-Fraktion das
Wort.
Sehr geehrter Herr Präsi-dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden heu-te den Gesetzentwurf zur Änderung atomrechtlicherVorschriften für die Umsetzung von Euratom-Richtlinien zum Strahlenschutz mit großer Mehrheit an-nehmen. Im federführenden Ausschuss hat nur die PDSgegen dieses Gesetz gestimmt. Bis zum 13. Mai dieses Jahres müssen wir zwei Eur-atom-Richtlinien in nationales Recht umsetzen. Das sinderstens die Euratom-Grundnormen-Richtlinie –Richtlinie zur Festsetzung der grundlegenden Sicher-heitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeits-kräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durchionisierende Strahlung – und zweitens diePatienten-schutz-Richtlinie – Richtlinie über den Gesundheits-schutz von Personen gegen die Gefahren ionisierenderStrahlung bei medizinischen Expositionen.Die Richtlinien müssen vollständig umgesetzt wer-den. Es gibt keinen nationalen Gestaltungsspielraum.Die Umsetzung der Richtlinien soll unterhalb des Atom-gesetzes auf Verordnungsebene, insbesondere in derStrahlenschutzverordnung, geschehen. Hierzu bedarf esneuer gesetzlicher Ermächtigungen und der Regelungbehördlicher Zuständigkeiten im Atomgesetz. Außer-dem werden im Atomgesetz und im Gesetz über dieRolf Kutzmutz
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Errichtung eines Bundesamtes für Strahlenschutz dieVoraussetzungen für weitere Kostenerhebungen ge-schaffen. Weiterhin wird die Atomrechtliche Kostenver-ordnung geändert.Das alles klingt sehr trocken. Das ist es auch. Aberauch solche Gesetze müssen verabschiedet werden, auchwenn sie relativ unpolitisch wirken. Außerdem hätte dieUmsetzung früher erfolgen können. Dann wären wirnicht so unter Zeitdruck geraten. Der Kritik derCDU/CSU stimme ich da voll zu.Wesentliche Eckpunkte des Gesetzes sind: erstens dieÜbernahme der europäischen Definition des “radioakti-ven Stoffes“, zweitens die Erweiterung der Verord-nungsermächtigung der §§ 11 und 12 des Atomgesetzes,drittens die Erweiterung der Aufgaben der staatlichenAufsicht nach § 19 des Atomgesetzes und viertensSchaffung des Rahmens für eine bundeseinheitliche Re-gelung der Freigabe.Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf am 15. Oktober1999 beraten und zehn Änderungsvorschläge beschlos-sen. Die Koalitionsfraktionen haben fünf dieser Ände-rungsvorschläge übernommen und in das Gesetz miteingebaut. Aus der Diskussion des Bundesrates wurdenzwei Anträge abgeleitet. Wir haben den Wünschen desBundesrates also in großen Teilen entsprochen.Fünf Anträge des Bundesrates mussten wir ablehnen.Hier geht es vor allem um Kosten, die zulasten des Bun-des gegangen wären.Durch die weitgehende Berücksichtigung der Ände-rungsanträge des Bundesrates und der großen Mehrheitdes Bundestages erwarte ich, dass der Bundesrat diesesGesetz unverändert passieren lässt.Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, dass essich um eine sehr trockene Gesetzesmaterie handelt. Esgeht nicht um den Ausstieg aus der Kernenergie, son-dern wir mussten EU-Richtlinien umsetzen. Damit be-steht die Möglichkeit, die Strahlenschutzverordnung zunovellieren. Darüber zu diskutieren wäre eigentlich vielspannender. Die Strahlenschutzverordnung wird denumfangreichen europäischen Vorgaben angepasst undzur besseren Übersichtlichkeit grundlegend neu struktu-riert. Nach meinen Informationen ist der Entwurf denBundesländern und den Verbänden informell zugeleitetworden. Die Kabinettsbefassung wird Anfang April2000 erfolgen, die Zuleitung an den Bundesrat ist fürMai vorgesehen.Bei den Beratungen im Umweltausschuss am vergan-genen Mittwoch hat die Bundesregierung bereits kurzskizziert, wie die Strahlenschutzverordnung geändertwerden soll. Die Tendenz geht zur Absenkung derGrenzwerte. Dies ist nach meiner Meinung ein vernünf-tiger Weg. Es wird beispielsweise zu einer Absenkungder Dosisgrenzwerte kommen. Für die Bevölkerungwird dann die effektive Dosis von 1,5 auf 1 Millisievertim Kalenderjahr abgesenkt werden. Für Personen, dieberuflich strahlenexponiert sind, wird die Grenzwertab-senkung von 50 auf 20 Millisievert pro Jahr erfolgen.Ebenfalls ist zwischen Bund und Ländern geplant, denStörfallplanungswert für die Auslegung von Atomkraft-werken von 50 auf 20 Millisievert abzusenken. Hierträgt man der Neubewertung des Strahlenrisikos durchdie Internationale Strahlenschutzkommission Rechnung.Das ist nicht vom EU-Recht vorgeschrieben und inso-fern auch nicht daraus abzuleiten.Außerdem soll umfassend die Freigabe von radioak-tiven Stoffen geregelt werden. Bisher war dies einzel-fallbezogen auf Länderebene geregelt. Jetzt bekommenwir eine einheitliche Bundesregelung. Damit werden dasVerfahren und die Regelung transparenter und umfas-sender. Es muss gewährleistet sein, dass durch die frei-gegebenen Stoffe für Einzelpersonen der Bevölkerungnur eine effektive Dosis im Bereich von 10 Mikrosievert– ich betone: Mikrosievert – im Kalenderjahr auftretenkann. Ein kurzer technischer Einschub sei mir erlaubt,damit man die Verhältnisse sieht: 1 Millisievert sind1 000 Mikrosievert.
– Ja, das muss man genau nachlesen.
– Nein, das ist ein noch viel größerer Unterschied, dasist Faktor 3 in der Potenz, Herr Kollege.Wenn diese Bedingungen – 10 Mikrosievert – erfülltwerden, können die Stoffe freigegeben werden.Außerdem ist in der kommenden Strahlenschutzver-ordnung vorgesehen, dass der Schutz des ungeborenenLebens verschärft wird. Der Grenzwert für die effektiveDosis für ein ungeborenes Kind, das aufgrund der Tätig-keit seiner Mutter einer Strahlenexposition ausgesetztist, wird auf 1 Millisievert vom Zeitpunkt der Mitteilungder Schwangerschaft bis zu deren Ende festgelegt.In der neuen Strahlenschutzverordnung sollen auchnatürliche Strahlenquellen erfasst werden. Erstmals wirdder Bereich der natürlichen, in der Umwelt vorkommen-den Stoffe detailliert und bundesweit geregelt. Die Re-gelungen beschränken sich auf Arbeitsfelder und Mate-rialien, für die vordringlicher Überwachungsbedarf be-steht. Ich halte dies für einen Fortschritt der Entwick-lung.In der zukünftigen Strahlenschutzverordnung wird esauch zu einer Neugestaltung der Freigrenzen für radio-aktive Stoffe kommen. Die bisherigen Freigrenzen wer-den durch die Freigrenzen der neuen Euratom-Grundnormen ersetzt. Die neuen Freigrenzen entspre-chen erstmals durchgängig dem radiologischen Risiko-potenzial der einzelnen Radionuklide. Das alles klingtsehr technisch; es ist es auch.
Oberstes Ziel der Strahlenschutzverordnung muss derSchutz der Bevölkerung sein. Ich bin mir sicher, dassBund und Länder gemeinsam die beste Lösung für dieBevölkerung finden. Ich bin mir auch sicher, dass beider Verbändeanhörung verantwortlich gehandelt wird.Da es sich um ein schwieriges Thema handelt, kann manes natürlich auch leicht emotionalisieren. Nur, dieseHorst Kubatschka
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8477
Emotionalisierung würde niemandem helfen. Ich bin da-von überzeugt, dass wir im Mai dieses Jahres eine besse-re Strahlenschutzverordnung haben werden als dies bis-her der Fall ist, und dass dies ein Schritt zu einem besse-ren Gesundheitsschutz für die Bürger unseres Landes ist. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Paul Laufs.
Herr Präsident! MeineDamen und Herren! Die Umsetzung der Euratom-Richtlinien zum Strahlenschutz ist im Grunde ein unpo-litisches, rein gesetzestechnisches Anliegen. Darinstimmen wir überein, Herr Kollege Kubatschka. Dennoch gibt die Bundesregierung Anlass zu kriti-schen Anmerkungen. Die Umsetzung in innerstaatlichesRecht, die bis zum 13. Mai dieses Jahres erfolgt seinmuss, soll nach dem vorliegenden Gesetzentwurf imWesentlichen auf dem Verordnungswege erfolgen. Dazubedarf es neben der Regelung behördlicher Zuständig-keiten der Schaffung einer großen Zahl neuer Verord-nungsermächtigungen. Zu einem ordentlichen Gesetzge-bungsverfahren gehört, dass die Bundesregierung, wennsie vom Parlament Verordnungsermächtigungen imAtomgesetz sowie im Gesetz über die Errichtung einesBundesamtes für Strahlenschutz erlangen will, im Ein-zelnen darstellt, wie sie diese zu nutzen beabsichtigt. Inder Regel werden die Rechtsverordnungsentwürfe wäh-rend der Ausschussberatungen vorgelegt. Die Bundesre-gierung sah sich dazu nicht in der Lage. Sie hat sich aufsehr wenige Hinweise beschränkt. Meine Fraktion be-dauert, dass die rot-grüne Koalition sozusagen mit ei-nem gesetzgeberischen Blindflug zufrieden ist.Meine Damen und Herren, es ist zu begrüßen, dassdie vorgeschlagene Atomgesetznovelle keine Änderun-gen enthält, die im direkten Zusammenhang mit demgeplanten rot-grünen Atomausstieg stehen. Am Mitt-woch dieser Woche hat die Bundesregierung in einerenergiepolitischen Debatte von einer Nadelstichpolitikgegen die Energiewirtschaft gesprochen, die sie betrei-ben werde, wenn diese nicht zum Ausstiegskonsens be-reit sei. Nadelstichpolitik bedeutet eine unverhältnis-mäßige Anwendung des Rechts, die bis zur Rechtsver-weigerung führen kann. Der Weg rot-grüner Regierun-gen ist gesäumt von Versuchen, atomrechtliche Vor-schriften zu biegen und zu beugen, was von Scha-densersatzurteilen eindrucksvoll belegt wird.
Es ist also zu fragen, ob und inwieweit die Bundesre-gierung Verordnungsermächtigungen gebrauchen wird,um zum Beispiel mit unzumutbaren und sachlich nichtgebotenen Grenzwertverschärfungen eine Nadelstichpo-litik zu betreiben. Meine Fraktion wird dafür sorgen,dass geplante Verordnungserlasse rechtzeitig im zustän-digen Bundestagsausschuss beraten werden können, undsie behält sich Expertenanhörungen dazu vor.Die umzusetzenden Euratom-Richtlinien legen denStrahlenschutz umfassend an. Es geht um die europaweiteinheitliche Festlegung der grundlegenden Sicherheits-normen für den Gesundheitsschutz der Arbeitskräfte undder Bevölkerung. So findet man Vorschriften zum Ar-beitsschutz vor kosmischer Strahlung in der Luftfahrtsowie Regelungen für die Verwendung radioaktiverStoffe am Menschen oder zur Herstellung von Arznei-mitteln, Medizinprodukten oder Konsumgütern. Erneut in den Blickpunkt kommen Schutzmaßnah-men im Medizinbereich vor Gefahren durch Expositio-nen in der Forschung, bei Röntgenuntersuchungen, nuk-learmedizinischen Anwendungen und beim Betrieb vonBeschleunigern. Eine größere Zahl besonderer Vor-kommnissen in diesen Bereichen wurde im Jahresbericht1998 der Bundesregierung aufgezeichnet.Der jährliche Bericht der Bundesregierung über Um-weltradioaktivität und Strahlenbelastung gibt einen vor-züglichen Überblick über die Strahlenexpositionen, de-nen die deutsche Bevölkerung und die beruflich strah-lenexponierten Arbeitskräfte ausgesetzt sind. 60 Prozentder mittleren effektiven Jahresdosis entfallen auf natür-liche Strahlenquellen, also auf die kosmische und ter-restrische Strahlung, sowie auf Radioaktivität, die wirdurch ganz alltägliche Nahrungsmittel aufnehmen. Die größte natürliche Belastung kommt aus der Inha-lation von Radon und seinen Zerfallsprodukten inWohngebäuden, verursacht durch Radoneintritt aus demUntergrund und aus Baumaterialien, die natürliche Ra-dionuklide enthalten. Die restlichen 40 Prozent entfallenauf die zivilisatorische Strahlenexposition, die ganzüberwiegend aus medizinischen Anwendungen stammt.Der Anteil aus kerntechnischen Anlagen als künstlichenStrahlenquellen ist deutlich geringer als ein Prozent derzivilisatorischen Exposition. Dies gilt insbesondere auchfür die Bevölkerung in der Umgebung von deutschenKernkraftwerken.Die natürliche und zivilisatorische Strahlenbelastungist von Mensch zu Mensch je nach Wohnort, Arbeits-platz, Lebensweise und medizinischer Behandlung gro-ßen Schwankungen unterworfen. Die mittlere effektiveExposition ist in Deutschland weit entfernt von Strah-lenbelastungen, bei denen epidemiologisch signifikanteGesundheitsgefahren auftreten. Gesundheitsrisiken entstehen durch hohe Strahlenbe-lastungen, wie sie bei schweren Unfällen in Forschung,Industrie, Medizin oder in Kernanlagen auftreten kön-nen. Für die Risikoabschätzung bei hohen Strahlendosenist das Konzept des relativen Risikos, das sich auf dieGesamtlebenszeit exponierter Personen bezieht, neuentwickelt worden. Dieses Modell und neue Daten vonLeukämie- und Krebserkrankungen bei den im jungenAlter hochgradig exponierten Menschen führen zu demBefund, dass die Risikokoeffizienten vermutlich um denFaktor drei bis fünf höher liegen, als früher angenom-men wurde. Horst Kubatschka
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8478 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
Wir sind bereit, uns darüber auseinander zu setzen,inwieweit sich daraus Prüfungs- und Anpassungsbedarfauch für Grenz- und Richtwerte im deutschen Recht er-gibt. Dies sollte unaufgeregt und sehr nüchtern unterBeachtung des Verfassungsgrundsatzes der Verhältnis-mäßigkeit geschehen. Wie gesagt: Die mittlere effektiveJahresdosis durch ionisierende Strahlung ist in Deutsch-land sehr weit von solchen Expositionen entfernt.Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung fürFragen der globalen Umweltveränderungen hat sich inseinem Jahresgutachten 1998 mit der Erfassung, Be-handlung und Bewertung von umweltbedingten Risikenbefasst. Er hat dabei sechs Risikotypen dargestellt, diesich nach Eintrittswahrscheinlichkeit, Schadenspotenzialund Abwehrstrategie wesentlich unterscheiden. Io-nisierende oder elektromagnetische Strahlung in gerin-ger Konzentration wird dem Risikotyp zugeordnet, beidem die Gefahren öffentlich als weit größer eingeschätztwerden, als sie wirklich sind. Ein Beispiel sind die poli-tischen und öffentlichen Reaktionen auf die Behälter-kontaminationen bei den Atomtransporten im Wahljahr1998. Jahrelange umfangreiche Untersuchungen habenbestätigt, dass von den beanstandeten Atomtransportenkeine Gesundheits- und Umweltgefahren ausgegangensind und von neuen Transporten auch nicht ausgehenwerden. Deshalb mussten solche Transporte von der rot-grünen Bundesregierung erneut genehmigt werden. Der Beirat sieht für den Risikotyp der ionisierendenStrahlung geringer Konzentration Bedarf an mehr Ver-trauensbildung und Wissensverbesserung, um Unsicher-heiten abzubauen. Mein Wunsch ist, dass die Neuord-nung des Strahlenschutzrechts einen Beitrag dazu leistenkann. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile der Par-
lamentarischen Staatssekretärin Gila Altmann das Wort.
Gi
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Lassen Sie mich vorab drei Bemerkungen machen.Erstens. Der Referentenentwurf zur Strahlenschutz-verordnung wird derzeit mit den Bundesressorts abge-stimmt und danach den Fraktionen und Verbänden zurStellungnahme zugeleitet. Wie bei allen Referentenentwürfen möchte ich auchhier um Verständnis dafür werben, dass es für keine Sei-te hilfreich ist, einen nicht abgestimmten Entwurf in dieDiskussion zu geben. Das ist in keiner Weise dienlich,führt zur Verwirrung und ist gerade bei diesem sensiblenThema – Herr Laufs, Sie haben die Atomtransporte an-gesprochen – besonders schädlich. Insofern legen wirbesonderes Augenmerk auf einen geordneten Gang.Zweitens. Ich habe bereits am Mittwoch im Umwelt-ausschuss zugesagt, dass ein Eckpunktepapier zum Ent-wurf der Strahlenschutzverordnung den Fraktionenfrühestmöglich, voraussichtlich in der nächsten Woche,zugehen wird. Ich konnte Ihre Kritik eben nicht nach-vollziehen, Herr Laufs;
denn ich habe Ihre Fragen beantwortet. Sie haben sichdamit zufrieden gegeben, nachdem ich Ihnen das weitereVerfahren erklärt hatte. Wenn Sie weiter nachgefragthätten, hätten Sie natürlich auch noch weitere Antwortenbekommen.
– Sie hätten es einmal ausprobieren können.
Drittens. Es geht in der Debatte heute nicht um eineinhaltliche Änderung des Atomgesetzes, sondern um dieUmsetzung zweier Euratom-Richtlinien. Dafür brauchenwir eine Neufassung der vorhandenen Verordnungser-mächtigungen im Atomgesetz.
Zur Sache möchte ich sagen – Herr Kubatschka hatdas schon ausführlich dargestellt –: Es geht um die Eu-ratom-Grundnormen-Richtlinie und um die Patien-tenschutz-Richtlinie. Mit ihnen wurden nämlich dieAnforderungen an den Strahlenschutz europaweit fort-entwickelt und dem Stand der Wissenschaft angepasst.Wie gesagt: Zur Umsetzung der europäischen Vorgabenin deutsches Recht sind Änderungen insbesondere derStrahlenschutzverordnung sowie des Atomgesetzes er-forderlich. Das muss bis zum 13. Mai 2000 erfolgen.Vor allem zur Anpassung der Strahlenschutzverord-nung müssen nun innerhalb des Atomgesetzes die beste-henden Verordnungsermächtigungen ergänzt werden.Die entsprechende Novelle des Atomgesetzes liegt heu-te dem Bundestag vor. Sie wurde von der Bundesregie-rung am 25. August 1999 beschlossen und im Bundesratim ersten Durchgang am 15. Oktober ohne substanzielleÄnderungen gebilligt. Das Bundesumweltministeriumhat schon vorher für die Überarbeitung der Strahlen-schutzverordnung umfangreiche Vorarbeit in enger Ko-operation mit den zuständigen Fachbehörden der Ländergeleistet. Das Rechtsetzungsverfahren zum Erlass dernovellierten Strahlenschutzverordnung soll durch dieVersendung eines Referentenentwurfes in den nächstenWochen in das entscheidende Stadium gelangen. Um ei-ne rasche Umsetzung zu garantieren, ist es notwendig,dass wir heute den vorliegenden Gesetzentwurf – vor-laufend – verabschieden.Die Eckpunkte des Gesetzentwurfes sind bereits vonHerrn Kubatschka vorgestellt worden; ich muss dasnicht wiederholen. Weitere Regelungsaspekte, die teil-weise auf Wunsch der Länder aufgenommen wurden,sind unter anderem: Übertragung einzelner neuer Auf-Dr. Paul Laufs
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8479
gaben aufgrund der Richtlinienumsetzung auf Bundes-oberbehörden wie zum Beispiel das Bundesamt fürStrahlenschutz und das Luftfahrt-Bundesamt sowie dieSchaffung neuer und die Erweiterung bestehender Kos-tenregelungen.Die Bundesregierung hat sich in ihrer Gegenäußerungbereit erklärt, Änderungsanträge des Bundesrates, die inunmittelbarem Zusammenhang mit der Umsetzung derangeführten Richtlinien stehen, zu befürworten. Dasheißt, die fachlich begründeten Änderungsanträge sindin der Beschlussvorlage berücksichtigt. Anderen Ände-rungsanträgen, die hauptsächlich darauf abzielen, diebestehenden Kostentragungsregelungen zulasten desBundes zu ändern, konnten wir – ich denke, aus nach-vollziehbaren Gründen – nicht zustimmen. Die entspre-chenden Vorschläge dazu stehen aber auch nicht in un-mittelbarem Zusammenhang mit der Umsetzung der oben genannten Richtlinien.Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie bitten, demGesetzentwurf in der Fassung der Beschlussvorlage zu-zustimmen. Ich hoffe und ich wünsche mir, dass die Ar-beit mit den Ländern und in den Fachausschüssen sokonstruktiv, wie sie angefangen hat, weitergeht.Danke schön.
Ich erteile das Wort
der Kollegin Ulrike Flach, F.D.P.-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Wieder einmal geht es um die Umsetzung
europäischer Richtlinien und wieder einmal kommt die
Bundesregierung auf dem letzten Drücker mit einem
Entwurf. Die beiden Euratom-Richtlinien sollen eine
Verbesserung des Strahlenschutzes insbesondere im Be-
reich des Arbeits- und des Patientenschutzes bringen.
Die Umsetzung soll bis zum 13. Mai 2000 erfolgen und
durch eine untergesetzliche Regelung in der Strahlen-
schutz- bzw. Röntgenverordnung geschehen. Um diese
Regelung zu treffen, muss der Bund vom Parlament er-
mächtigt werden. Das, meine Damen und Herren, ist der
Hauptgegenstand der Vorlage. Auch die PDS sollte sich
daran halten und nicht versuchen, es künstlich zu emoti-
onalisieren.
Es gibt zwischen den Parteien weitgehende Überein-
stimmung über das Ziel eines verbesserten
Strahlenschutzes. Eine Absenkung der Strahlendosis
für Arbeitskräfte, ein verbesserter Schutz des ungebore-
nen Lebens und eine Absenkung des Störfallplanungs-
wertes werden auch von uns Liberalen mitgetragen. Wir
begrüßen es auch, dass der Begriff des radioaktiven
Stoffes an das europäische Verständnis davon angepasst
wurde.
Es bleiben jedoch – auch aufgrund des überhasteten
Verfahrens – einige berechtigte Zweifel, die für mich
auch im Ausschuss nicht ausgeräumt wurden. Die Bun-
desregierung hat nicht präzise dargestellt, wozu sie die
Ermächtigung in den Verordnungen nutzen will. Es wä-
re angemessen, wenn das Parlament auch die Möglich-
keit hätte, an den Verordnungen, obwohl sie nicht im
Plenum diskutiert werden müssen, mitzuwirken. Wenn
wir Ihnen hier ein Stück weit vertrauen, sollten Sie die-
ses Entgegenkommen auch zeigen. Ich freue mich, dass
Frau Altmann dies eben so signalisiert hat.
Es besteht noch weiterer Bedarf an Diskussionen mit
den Bundesländern insbesondere bezüglich der Kosten-
übernahme. Zwar wurde eine Reihe von Änderungswün-
schen des Bundesrates aufgegriffen, aber beim Geld hört
bekanntlich die Freundschaft auf. Auch hier sind klare
Zuständigkeiten gefordert.
Der Entwurf bringt mehr Klarheit bezüglich der Frei-
gabe schwach radioaktiver Stoffe wie zum Beispiel Ab-
rissschrott. Der Abfallbegriff wird deutlicher gefasst und
die Deponierung schwach kontaminierter Stoffe ist zu-
künftig – das finde ich sehr wichtig – nicht mehr ohne
Einwilligung der Deponiebetreiber möglich.
Es gibt im Entwurf eine Reihe von Formulierungen,
die nur schwer verständlich sind. Die Bürger beklagen
seit Jahren, dass die Sprache der Gesetze nicht klar und
eindeutig ist. Hier ist wieder ein Beispiel dafür. Ich erin-
nere daran, dass auch uns im Umweltausschuss, die wir
ständig mit komplizierten Satzmonstren konfrontiert
werden, nicht immer deutlich wurde, was gemeint war.
Deshalb meine Bitte: Gerade im Hinblick auf Probleme
der atomrechtlichen Gesetzgebung, die überall unter die
Haut gehen, brauchen wir Formulierungen, die die Bür-
ger wirklich verstehen können.
Meine Damen und Herren, meiner Ansicht nach wer-
den Sie die Frist nicht ganz wahren können, wenn erst
im März der Entwurf der Strahlenschutzverordnung an
die Verbände verschickt werden soll. Vermutlich wird
die Verspätung nicht so gravierend sein, dass eine Klage
der EU zu erwarten ist. Dennoch lässt sich ein bedenkli-
cher Trend feststellen: Vom europäischen Vorreiter
werden wir immer mehr zu einem Land, das die Umset-
zung von Richtlinien im Umwelt- und Energiebereich
zögerlich bis verspätet betreibt. Ich erinnere hier nur an
die FFH-Richtlinie – daran sind auch wir Schuld –, an
die Integrierte Verordnung Umweltschutz und Umwelt-
verträglichkeitsprüfung.
Wir stimmen der Vorlage zu, bitten aber, im Verlauf
der Erarbeitung der Verordnung für Präzisierung, Klä-
rung der Kostenfragen und eine verständlichere Sprache
zu sorgen.
Ich danke Ihnen.
Nun hat die Kollegin
Eva Bulling-Schröter das Wort.
Herr Präsident! LiebeKolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf derBundesregierung zur Änderung atomrechtlicher Vor-schriften für die Umsetzung von Euratom-RichtlinienParl. Staatssekretärin Gila Altmann
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8480 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
zum Strahlenschutz soll die Bundesregierung zur Ände-rung der Strahlenschutzverordnung ermächtigt werden.Erschwert wird diese Debatte durch den Umstand,dass den Fraktionen des Bundestages die Verordnungs-entwürfe bis heute nicht zugestellt werden konnten, ob-wohl sich Dritte bereits öffentlich kritisch auf Vorent-würfe beziehen. Schon aus diesem Grund kann die PDSdem Gesetzentwurf nicht zustimmen.Eingriffe in das Grundrecht auf Leben und körperli-che Unversehrtheit dürfen, wenn überhaupt, nur auf-grund eines Gesetzes erfolgen. Hier soll jedoch der Ge-setzgeber die Regierung und die Behörden ermächtigen,derartige Eingriffe per Verordnung zu regeln, ohne dassder Gesetzgeber die Gelegenheit erhält, sich sachkundigzu machen. Ich kann dieses Verfahren nur ablehnen. Mir liegt eine 16-seitige Stellungnahme der Bürger-initiative Lüchow-Dannenberg zur Novelle der Strahlen-schutzverordnung vor. Darin wird ausgeführt, dass inAnlehnung an Euratom-Normen verschiedenste Grenz-werte für die Schadwirkung einzelner Isotope zum Teildeutlich angehoben werden sollen. Das ist insofern er-staunlich, als diese Festlegungen unter der Hoheit ein-zelner Mitgliedsländer getroffen werden sollen. Die weiteren strittigen Änderungen im vorliegendenGesetzentwurf betreffen die Freigabe von schwach kon-taminierten Stoffen und Gegenständen aus der Über-wachung des Strahlenschutzes, wie sie in großen Men-gen im Zuge des Abrisses von Atomanlagen anfallen. Inder bisherigen Praxis haben die Aufsichtsbehörden quasiper Sondergenehmigung die Freigabe solcher Stoffe ge-stattet. Bisher ist es nicht zu einer gerichtlichen Über-prüfung dieser Praxis gekommen, da die Öffentlichkeitüber diese Vorgänge nicht informiert wurde. Wer nundie Hoffnung hatte, dass mit einer rot-grünen Bundesre-gierung die Freigabe von radioaktiven Stoffen einge-schränkt werden würde, wird eines anderen belehrt. Die Bundesregierung soll mit der Änderung des § 11Abs. 1 des Atomgesetzes ermächtigt werden, dieStrahlenschutzverordnung dahin gehend zu ändern, dasseine Freigabe von kontaminierten Stoffen und Gegen-ständen aus dem Überwachungsbereich des Strahlen-schutzes bundeseinheitlich ermöglicht wird, damit dieseStoffe letztlich als Abfall oder Wirtschaftsgut aufHausmülldeponien, in Müllverbrennungsanlagen und inStahlwerke verbrachtwerden können. Damit ist für dieAtomwirtschaft der Weg frei, Radioaktivität zulastenvon Mensch und Umwelt kostengünstig zu entsorgen. Wir würden Sie also bitten, auf die Kritik der Anti-AKW-Initiativen einzugehen. Aus diesem Grund woll-ten wir auch heute noch einmal zu diesem Thema spre-chen. Ich hoffe, unsere Befürchtungen werden sich nichtbestätigen. Danke.
Der Herr Kollege
Kubatschka hat noch einmal um das Wort gebeten. Bitte
schön.
– Nein, nicht Quälgeist,
Herr Kollege. Man muss manchmal etwas richtig stellen.
– Also, ich war nicht der Quälgeist, gut. Jetzt zum Fach-
lichen. Ich nehme noch einmal das Wort, um etwas rich-
tig zu stellen. Im Grunde genommen wird, auch von
Bürgerinitiativen, über etwas gesprochen, das es noch
nicht gibt. Es ist sehr schwer, über ein Vorhaben zu be-
raten und Einwände dagegen zu erheben, solange eine
Sache noch ein Phantom ist. Wir sind erst in der Ab-
stimmung im Kabinett und in den Ministerien. In der
jetzigen Situation bereits den Stab über das Vorhaben zu
brechen halte ich für falsch. Ich halte es auch für falsch,
Ängste zu schüren.
Es klingt ja immer sehr gefährlich, wenn bei der
Strahlenschutzverordnung von einer Erhöhung der
Grenzwerte gesprochen wird. Man muss nur eine ver-
nünftige naturwissenschaftliche Abwägung durchfüh-
ren. Es ist auch sinnvoll, in einigen Bereichen für ein-
zelne Radionuklide die Grenzwerte anzuheben, weil die
Gefährlichkeit ursprünglich falsch eingeschätzt wurde.
Die gesamte Diskussion über die Strahlenschutzverord-
nung hilft uns nicht, wenn wir versuchen, über Ängste
zu sprechen. Wir müssen versuchen, naturwissenschaft-
lich und kritisch zu beleiben. Wie gesagt: Es ist eine
sehr schwierige Materie. Dann werden wir zu brauchba-
ren Lösungen kommen.
Nach dem, was ich bisher in dem Entwurf gelesen
habe, wird er zu einem besseren Schutz der Bevölkerung
beitragen. Ich halte es für völlig falsch, einige Grenz-
werte herauszugreifen und daran alles aufzuhängen. Das
bringt uns nicht weiter und erzeugt nach meiner Mei-
nung unnötige Ängste, die es nicht zu geben braucht.
Die rot-grüne Bundesregierung wird eine Strahlen-
schutzverordnung vorlegen, die sie mit den Ländern ab-
stimmen wird und die zu einem erhöhten Schutz der Be-
völkerung führen wird. Das ist das Entscheidende und
das ist auch der Wille dieses Hohen Hauses.
Ich danke für das Zuhören.
Liebe Kolleginnenund Kollegen, ich schließe die Aussprache. Wir kom-men zur Abstimmung über den von der Bundesregierungeingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung atomrechtli-cher Vorschriften für die Umsetzung von Euratom-Richtlinien zum Strahlenschutz, Drucksachen 14/2443und 14/2799. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in derAusschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-chen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – DerEva Bulling-Schröter
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8481
Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit denStimmen der SPD, der CDU/CSU, der F.D.P. und vonBündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der PDS undeiner Enthaltung aus den Reihen der PDS angenommen. Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? –Dann ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit demgleichen Stimmenverhältnis wie eben angenommen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-nen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein-gebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zurÄnderung des Weingesetzes – Drucksache 14/2566 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
– Drucksache 14/2800 – Berichterstattung: Abgeordneter Norbert SchindlerEs war eine Aussprache von einer halben Stunde vor-gesehen. Es sollen die Reden hierzu zu Protokoll gege-ben werden, und zwar von den Kollegen Herzog,Schindler, Höfken, Sehn und Naumann.*) – Ich hörekeinen Widerspruch; also ist das so beschlossen.Wir kommen zur Abstimmung über den von denFraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen einge-brachten Gesetzentwurf zur Änderung des Weingeset-zes. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in derAusschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-chen. – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? –Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit denStimmen des ganzen Hauses angenommen worden.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetz-entwurf ist mit den Stimmen des ganzen Hauses ange-nommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf: Beratung des Antrages der Abgeordneten Christine Ostrowski, Maritta Böttcher, Heidemarie Ehlert, weiterer Abgeordneter undder Fraktion der PDS__________*) Anlage 4 Programm zur nachhaltigen Stadt- und Regi-onalentwicklung und zum Erhalt von Woh-nungsgesellschaften und der Wohnungsgenos-senschaften in strukturschwachen Regionender neuen Länder – Drucksache 14/2632 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Angelegenheiten der neuen LänderIch erteile der Kollegin Christine Ostrowski dasWort. Die anderen Redebeiträge sind alle zu Protokollgegeben worden.*)
Herr Präsident! MeineDamen und Herren! Wir haben mehr als 25 Prozent Ar-beitslosigkeit, 20 bis 25 Prozent Bevölkerungsrückgang,20 bis 38 Prozent Wohnungsleerstand in Hoyerswerda,Wolfen, Luckenwalde, Wittenberge, Zwickau und Gör-litz, in den strukturschwachen Regionen Ostdeutsch-lands. Das ist ein Teufelskreis, der dramatische Ausma-ße angenommen hat. Noch nie hat es in Deutschland ei-ne solche Situation gegeben. Sie ist historisch einmalig.Man glaubt es kaum: Wenn es nicht die kleinste Opposi-tionspartei in diesem Hohen Hause geben würde, würdeder Bundestag überhaupt nicht über dieses Problem de-battieren.
Weder die größte Oppositionspartei noch die Koalitions-fraktionen fühlten sich dazu getrieben, einen Antrag ein-zubringen.
– Das ist es nämlich. Das muss man sich einmal vorstel-len. Ich kann nur sagen: Ihr Verhältnis zu Ostdeutsch-land und den Problemen des Ostens Deutschlands ist of-fensichtlich noch immer gestört.
Die Ursachen der Situation in diesen Regionen liegentiefer. Sie liegen erstens – man kann auch nicht darumherumreden – in der Standort- und Industriepolitik derDDR. Das ist das Einzige, was Sie als Argument vor-bringen. Es gibt aber noch eine zweite Ursache. Sie istdarin zu sehen, dass die alte Bundesregierung in großemAusmaß steuerliche Subventionen für falsche Woh-nungen am falschen Ort ausgegeben hat, insgesamt ineinem Volumen von circa 200 Milliarden DM. Das hatdazu geführt, dass Wohnungen gebaut wurden, die nichtnötig sind und dass wir jetzt einen Wohnungsüberhanghaben. Es sind ungefähr 800 000 Wohnungen gebautworden und 1 Million Wohnungen sind überzählig, __________*) Anlage 5Präsident Wolfgang Thierse
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8482 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000
stehen also leer. Das sage ich insbesondere an die Ad-resse von Herrn Dr. Kansy – schade, dass er nicht daist –, also an die Adresse der CDU, die sich bemüßigtfühlte, uns zu kritisieren, weil wir angeblich in diesemAntrag Subventionen fordern, ausgerechnet diese Frak-tion, die in den letzten Jahren auf Teufel komm heraussubventioniert hat und die mit ihren Subventionen, diebesonders für die Besserverdienenden von Nutzen wa-ren, unter anderem dazu beigetragen hat, dass dieserWohnungsleerstand im Moment so krass ist.Der Wohnungsmarkt in den genannten Regionen imOsten ist völlig deformiert. Auch ist schlimm, dass wirIhnen das sagen müssen, denn Sie werfen uns doch im-mer vor, dass wir von Marktwirtschaft keine Ahnunghaben.
Die Wohnungsunternehmen sind am Rande ihrer Existenzfähigkeit. Es gibt einfach deutlich wenigerMenschen, als Wohnungen vorhanden sind. Wohnungs-leerstand verursacht Kosten in zweistelliger Millionen-höhe – für die Bewirtschaftung der Wohnungen, für denAltschuldendienst und für die Darlehen, die für die Mo-dernisierung aufgenommen wurden. Diesen Kosten ste-hen keinerlei Einnahmen gegenüber. Wir haben bei den Wohnungsunternehmen einenSubstanzverzehr zu verzeichnen. Viele bekommen nurnoch dann von Banken Kredite, wenn die Kommunendafür bürgen. Mir sind Beispiele bekannt, dass Unter-nehmen in Höhe einer Viertel Milliarde DM verschuldetsind und die Kommune, die genauso finanzschwach undgenauso gebeutelt ist, mit 50 Millionen DM bürgenmuss. Auch den Kommunen im Osten steht, finanzpoli-tisch gesehen, das Wasser bis zum Hals.Nötig ist umgehende, sofortige Hilfe, vor allem fi-nanzielle Hilfe. Alles andere ist eine Farce. Wohnungs-unternehmen und Kommunen in den betroffenen Regio-nen brauchen wirklich keine guten Ratschläge von Ex-pertenkommissionen, die noch dazu erst einmal ein gan-zes Jahr lang eine Analyse machen sollen. Die Lage istklar. Es gibt darüber genügend Studien, nicht nur vomBundesverband deutscher Wohnungsunternehmen, son-dern auch von wissenschaftlichen Instituten. Was die Unternehmen brauchen, sind finanzielle Hil-fen. Unser Antrag geht deshalb von Folgendem aus:Erstens wollen wir, dass sämtliche vorhandenen För-derprogramme von EU, Bund und Ländern in diesenRegionen konzentriert werden. Das erfordert keine müdeMark mehr. Vielleicht könnte die LandeshauptstadtDresden, eine boomende Stadt, drei, vier Jahre lang aufihre GA-Mittel verzichten. Das kann Dresden aushalten;diese Mittel gehören in die strukturschwachen Regionen.
Dazu gehört zweitens, dass die Altschulden auf leerstehende Wohneinheiten gestrichen werden. Das scheintsich ja mit der ensprechenden Novelle so abzuzeichnen,ist also ohnehin geplant und erfordert auch kein zusätz-liches Geld. Drittens – wir brauchen nicht darum herumzureden –müssen Abriss und Rückbau von Wohnungen geför-dert werden. Auch das kostet Geld. Diese Kosten rentie-ren sich für die Wohnungsunternehmen nicht. Abrissund Rückbau müssen nicht nur im Einzelfall gefördertwerden. 1 Million Wohnungen, die überhängig sind,sind keine Einzelfälle mehr. Wenn Sie sich endlich durchringen würden, die vor-handenen Möglichkeiten zu nutzen, Städtebaufördermit-tel beispielsweise dafür zu verwenden, würde das auchkeine zusätzlichen Mittel erfordern.Viertens brauchen wir zeitlich befristete Zuschüsse zuden Betriebskosten, die leer stehende Wohnungen verur-sachen. Das ist zusätzliches Geld, aber es wird nur zeit-lich befristet gebraucht. Es ist deshalb nötig, weil das dieHauptkosten sind, die auf leer stehenden Wohnungenliegen.Bei Lichte und richtig betrachtet, entpuppt sich dieKritik, die im Vorfeld an unserem Antrag geäußert wur-de, nämlich dass wir nach Subventionen schreien wür-den, als falsch, weil das, was wir fordern, machbar undrealisierbar ist. Die Mark, die Sie heute nicht ausgeben – das sage ichIhnen voraus –, wird Sie morgen oder übermorgen fünfoder zehn Mark kosten. Es wird auf die öffentliche Handzurückfallen, wenn Sie jetzt nicht handeln, auch finan-ziell handeln.Sie ziehen ohne Probleme ein Anti-Stau-Programmaus der Tasche, für das 3,7 Milliarden DM ausgegebenwerden sollen. Dafür ist Geld vorhanden, für diesestrukturschwachen Regionen aber nicht.
Kollegin Ostrowski,
Sie müssen zum Ende kommen. Sie haben Ihre Redezeit
schon deutlich überschritten.
Ich komme zum
Schluss, Herr Präsident.
Meine Damen und Herren, da die Bundesregierung
mit ihrer Expertenkommission, die erst einmal ziemlich
lange analysieren soll, keine ausreichenden Maßnahmen
einleitet und sie sich bereits geäußert hat, dass es keine
Mark gibt, kann ich nur sagen: Das ist unzureichend.
Stimmen Sie deshalb, wenn er behandelt wird, unserem
Antrag zu. Er enthält die notwendigen Maßnahmen.
Glauben Sie unserer Vorausschau. Sie ist zumeist
eingetroffen.
Ich darf Sie da nur an das Altschuldenhilfe-Gesetz erin-
nern.
Ich bedanke mich.
Die Kolleginnen undKollegen Lucyga, Danckert, Otto, Eichstädt-Bohlig undChristine Ostrowski
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2000 8483
(C) Guttmacher haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.*)
Herzlichen Dank.Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlageauf Drucksache 14/2632 an die in der Tagesordnungaufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit __________*) Anlage 5einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überwei-sung so beschlossen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-ordnung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-destages auf Mittwoch, den 15. März, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.